Besitz und Publizität im Recht der beweglichen Sachen [1 ed.] 9783428518029, 9783428118021

Warum nach über 100 Jahren BGB eine Arbeit über das Publizitätsprinzip bei den beweglichen Sachen? Einzelfragen des Mobi

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German Pages 342 Year 2005

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Besitz und Publizität im Recht der beweglichen Sachen [1 ed.]
 9783428518029, 9783428118021

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 329

Besitz und Publizität im Recht der beweglichen Sachen Von Tobias Quantz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

TOBIAS QUANTZ

Besitz und Publizität im Recht der beweglichen Sachen

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 329

Besitz und Publizität im Recht der beweglichen Sachen Von Tobias Quantz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Technischen Universität Dresden hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-11802-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Doktorarbeit habe ich im Wesentlichen im Juli 2003 abgeschlossen. Sie wurde im Sommersemester 2004 an der Juristischen Fakultät der Technischen Universität Dresden als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind auf dem Stand Januar 2005. Mein Dank gilt zunächst Herrn Prof. Dr. Ulrich Büdenbender für wertvolle Anregungen und Hinweise, zugleich aber auch für die mir eingeräumte inhaltliche Freiheit. Ferner danke ich den Herren Prof. Dr. Dietmar Schanbacher und Prof. Dr. Gerhard Ring für die Erstellung der weiteren Gutachten. Besonderen Dank schulde ich Herrn Rechtsanwalt beim BGH Prof. Dr. Achim Krämer, in dessen Kanzlei ich während des Entstehens dieser Dissertation als Mitarbeiter tätig war. Diese Zeit wird mir als besonders glücklicher Lebensabschnitt in Erinnerung bleiben. Dankende Erwähnung verdienen des Weiteren die Herren Maxim Eifinger, Ulf Gräber und Ralf Reusch für Korrekturen sowie Frau Dr. jur. Kirsten Hartmann – ohne die es nicht zu dieser Arbeit gekommen wäre. Schließlich danke ich meinen Eltern sowie Frau Ursula Quantz und Frau Hilde Treutlein für vielfältige Unterstützung. Heidelberg, im Sommer 2005

Tobias Quantz

Inhaltsübersicht Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Kapitel 1 Publizität und der Besitz als ihr möglicher Anknüpfungspunkt

25

A. Der Begriff der Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Zusammenspiel von kundbaren Tatsachen und Rechtsfolgen . . . . . . . II. Publizitätswirkungen am Beispiel des Grundbuchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzungen des Publizitätsbegriffes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Denkbare Schutzrichtungen sachenrechtlicher Publizität . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 26 30 33

B. Die Eignung des Besitzes als Publizitätsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Erkennbarkeit unmittelbaren Besitzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der mittelbare Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die von Publizität unabhängige, rein tatsächliche Dimension des Besitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 36 38 43

Kapitel 2 Die Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes A. Der rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb vom Berechtigten. . . . . . . . . . . . . . . . I. Die gesetzliche Ausgangslage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die körperliche Übergabe als „Grundtatbestand“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Denkbare Schutzrichtungen der Publizität fallen fort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Funktion des Besitzes im Rahmen der Übereignung . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen für Sonderformen der Übereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 46 46 59 60 64 70

B. Recht der Sicherheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Pfandrecht und Sicherungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Das Anwartschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. Treuhänderische Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 C. Der gesetzliche Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Die dingliche Surrogation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Ersitzung, Aneignung und Fund, §§ 937, 958, 973 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Verbindung, Vermischung und Verarbeitung, §§ 946 ff. BGB . . . . . . . . . . . 145

8

Inhaltsübersicht IV. Bestandteile und Erzeugnisse, §§ 953 ff. BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

D. Zusammenfassung: Kein Publizitätsprinzip beim Rechtserwerb . . . . . . . . . . . . 153

Kapitel 3 Die prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zweck und Wirkung des § 1006 BGB nach h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Schwächen der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Abkopplung des § 1006 BGB von der Übergabe und der Schutz des gegenwärtigen Besitzers als alleiniger Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Notwendigkeit anderweitiger Einschränkung des Vermutungsumfangs, insbesondere beim Vorbehaltskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auswirkung auf die praktische Anwendung des § 1006 BGB . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Übertragung auf andere dingliche Rechte, §§ 1065, 1227 BGB . . . . . . . . I. Die Vermutung dinglicher Rechte zugunsten des Besitzers . . . . . . . . . . . . . II. Das Fehlen einer entsprechenden Vermutung zugunsten des obligatorischen Besitzers – wegen fehlender Übergabe-Publizität?. . . . . . . . . . . . . . . III. Sonstige Vermutungen zugunsten des Besitzers (Rückgabevermutung beim Pfand, Vermutung durchgehenden Besitzes bei der Ersitzung, §§ 1253 Abs. 2, § 938 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155 155 156 160 166 178 184 190 190 190 192

194

C. Vermutungen zugunsten Dritter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I. Beim Pfändungspfandrecht auf Grund Beschlagnahme beim Schuldner, §§ 808 f. ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 II. Eigentumsvermutung auf Grund Ehegattenbesitzes, §§ 1362 BGB, 739 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

Kapitel 4 Die Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube A. Der rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb, §§ 932 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Erkennbarkeit des Eigentumsübergangs für Dritte, insbesondere den bisherigen Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Erkennbarkeit der (scheinbaren) Berechtigung des Veräußerers – Rechtsschein durch Besitz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199 199 200 206 230 268

Inhaltsübersicht

9

B. Der rechtsgeschäftliche Gutglaubenserwerb sonstiger dinglicher Rechte . . . . . 269 I. Das vertragliche Pfandrecht – insbesondere: gutgläubiger Zweiterwerb ohne Übergabeerfordernis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 II. Der Erwerb des Anwartschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 C. Gesetzlicher Rechtserwerb kraft guten Glaubens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 I. Grundsatz: Kein gesetzlicher Rechtserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 II. Der Grund für die Beschränkung auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb. . . 290 III. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 D. Materiell wirksame Rechtshandlungen gegenüber dem nichtberechtigten Besitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 I. Der Schutz des Pfandgläubigers in § 1248 BGB – auf Grund Verpfänderbesitzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 II. Die befreiende Schadensersatzzahlung an den Besitzer, § 851 BGB . . . . . 305 E. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Kapitel 5 Die Wirkungen des Besitzes in der Zusammenschau

312

A. Positive Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 I. Handlungspublizität: Rückschluss vom Besitz- auf den Eigentumswechsel?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 II. Zustandspublizität: Rückschluss vom Besitz auf das Recht? . . . . . . . . . . . . 314 B. Negative Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 I. Beim bisherigen Rechtsinhaber: Notwendiger Ausschluss vom Besitz? . . 321 II. Beim Erwerber: Kein Erwerb ohne (erkennbaren) Besitz? . . . . . . . . . . . . . . 322 C. Besitzwirkungen im Vergleich zum Grundbuch (§§ 891 ff. BGB). . . . . . . . . . . 324 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Sachwortregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Kapitel 1 Publizität und der Besitz als ihr möglicher Anknüpfungspunkt A. Der Begriff der Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Zusammenspiel von kundbaren Tatsachen und Rechtsfolgen . . . . . . . II. Publizitätswirkungen am Beispiel des Grundbuchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Publizität als Tatbestandserfordernis – die Erwerbswirkung in § 873 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Publizität als Grundlage prozessualer Beweislastverteilung – die Vermutungswirkung in § 891 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Publizität und materiell-rechtlich wirkender Rechtsschein – die „Gutglaubenswirkung“ in §§ 892 f. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Zusammenspiel der Wirkrichtungen: Vermutung und Rechtsschein auf Grund von Wahrscheinlichkeiten, nicht auf Grund der Erwerbswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzungen des Publizitätsbegriffes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Positive und negative Publizität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Andauernde „Zustands-“ und punktuelle „Handlungspublizität“ . . . . . . 3. Publizität als Erkennbarkeit im Vorhinein – in Abgrenzung zur Beweisbarkeit im Nachhinein (Manifestation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Denkbare Schutzrichtungen sachenrechtlicher Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Schutz Dritter („Verkehrsschutz“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Schutz des Rechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Eignung des Besitzes als Publizitätsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Erkennbarkeit unmittelbaren Besitzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der mittelbare Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Definition mittelbaren Besitzes zwischen objektivem Herausgabeanspruch und subjektivem Fremdbesitzmittlungswillen. . . . . . . . . . 2. Die Beendigung durch den Besitzmittler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die fehlende Erkennbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eigen- und Fremdbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die von Publizität unabhängige, rein tatsächliche Dimension des Besitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 25 26 26 27 28

29 30 30 30 31 33 33 35 35 36 38 39 40 41 42 43

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Inhaltsverzeichnis Kapitel 2 Die Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

A. Der rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb vom Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . I. Die gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „Übergabe“ nach § 929 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Einigung über den Besitzwechsel nach § 854 Abs. 2 BGB. . . b) Der Besitzdiener als Veräußerer oder Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Anweisung an den unmittelbaren Besitzer. . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis: Übergabe ohne Publizität möglich . . . . . . . . . . . 2. Der stehende Erwerberbesitz, § 929 S. 2 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Abtretung des Herausgabeanspruchs (mit oder ohne Besitzmittlungsverhältnis), § 931 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Besitzkonstitut, § 930 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die handelsrechtlichen Traditionspapiere, §§ 448, 475g, 650 HGB . . 6. Das reine Vertragsprinzip in §§ 929a, 926, 185 Abs. 2 BGB . . . . . . . . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die körperliche Übergabe als „Grundtatbestand“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Denkbare Schutzrichtungen der Publizität fallen fort . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Punktuelle Erkennbarkeit (Handlungspublizität) für die Beteiligten? . . 2. Rückschluss Dritter von der Übergabe auf einen Rechtswechsel (Handlungspublizität)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutz Dritter in Ansehung der Besitzlage beim Erwerber? . . . . . . . . . 4. Schutz Dritter in Ansehung der Besitzlage beim Veräußerer?. . . . . . . . IV. Die Funktion des Besitzes im Rahmen der Übereignung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Traditions- oder Zessionsprinzip?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Funktion der Übergabe und ihrer Surrogate: Manifestation statt Publizität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Drittschutz durch Manifestation: Die Erschwernis nachträglich fingierter Übereignungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Folgerungen für Sonderformen der Übereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Erwerb besitzloser Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Irrtum über die Besitzverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Übereignung an den, den es angeht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Geheißerwerb und Kettengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Übereignung durch Einräumung von Mitbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die handelsrechtlichen Traditionspapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sonderfälle: „Wegnahme“ in § 897 ZPO und „Ablieferung“ in § 817 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Recht der Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Pfandrecht und Sicherungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Publizitätserfordernisse beim Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Inhaltsverzeichnis

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a) Das vertragliche Faustpfand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (1) Negative Publizität durch Ausschluss des Verpfänders . . . . . . . 81 (2) Keine positive Publizität beim Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (3) Das Anzeigeerfordernis, §§ 1205 Abs. 2, 1280 BGB. . . . . . . . . 84 b) Gesetzliche Besitzpfandrechte und Pfändungspfandrecht nach § 808 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (1) Anforderungen an die Begründung (Besitzerwerb des Pfandgläubigers) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (2) Die Beendigung von Besitz und Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Aufweichungen der Publizität beim Pfandrecht: Besitzlose gesetzliche Pfandrechte sowie Hypothekenverband (§§ 1120 ff. BGB) . . . . . 92 3. Publizitätsloses Sicherungseigentum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Entstehung und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Reformüberlegungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Rechtliche Einordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 d) Umdeutung der unwirksamen Verpfändung in eine Sicherungsübereignung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4. Verbleibender Sinn des Publizitätserfordernisses beim Pfandrecht? . . . 102 a) Schutz späterer Gläubiger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Allgemeiner Schutz des Rechtsverkehrs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Schutz des Pfandgläubigers (Sicherungsnehmers)?. . . . . . . . . . . . . . . 105 d) Unterschiede im strafrechtlichen Schutz, §§ 246, 289 StGB? . . . . . 105 e) Sonstige Unterschiede zum Sicherungseigentum. . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Aufgabe von Publizitätserfordernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) De lege ferenda: Vorteile eines publizitätslosen Pfandrechts . . . . . . 111 c) De lege lata: Das Faustpfandprinzip als Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Das Anwartschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Begriff und gesetzliche Ausgangslage (§ 161 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Die Wirkung gegenüber den Gläubigern des Vorbehaltseigentümers . . . 118 a) Der Vorrang vor der Zwangsvollstreckung Dritter, § 161 Abs. 1 S. 2 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) In der Insolvenz des Vorbehaltseigentümers, insbesondere § 107 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Die Wirkung gegenüber den Gläubigern des Anwartschaftsberechtigten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Die nachträgliche Bestellung oder Änderung der Anwartschaft . . . 122 b) Sach- oder Rechtspfändung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 III. Treuhänderische Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Die gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Die Treuhand im weiteren Sinn (Stellvertretungstreuhand) . . . . . . . 125

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Inhaltsverzeichnis b) Die Treuhand im Rechtssinn, insbesondere die Kommission . . . . . 2. Entwicklung: Die Verdinglichung der Rechtsstellung des Treugebers sowie die Analogiefähigkeit des § 392 Abs. 2 HGB. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ansätze zur tatbestandlichen Eingrenzung der Treuhandverhältnisse. a) Offenkundigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Unmittelbarkeitskriterium der Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . c) Bestimmtheit als einziges Kriterium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verzicht auf das Institut der Treuhand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Irrelevanz von Publizitätsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Der gesetzliche Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die dingliche Surrogation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die fehlende Publizität der dinglichen Surrogation . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzicht auf allgemeine dingliche Surrogation wegen fehlender Publizität?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ersitzung, Aneignung und Fund, §§ 937, 958, 973 BGB. . . . . . . . . . . . . . . 1. Die gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung, insbesondere fortbestehender Besitz des Finders . . . . . . 3. Auch hier: Eigenbesitzerwerb zu Manifestationszwecken . . . . . . . . . . . III. Verbindung, Vermischung und Verarbeitung, §§ 946 ff. BGB. . . . . . . . . . . 1. Die gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung: Herstellervereinbarungen im Rahmen des § 950 BGB . . 3. Priorität statt Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bestandteile und Erzeugnisse, §§ 953 ff. BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung: Besitzerfordernis in § 956 BGB abweichend von §§ 930 f. BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lösung: § 956 als bloße Vereinfachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

126 129 130 130 131 133 133 134 138 139 140 140 142 142 143 144 145 145 146 148 149 149 150 151 153

D. Zusammenfassung: Kein Publizitätsprinzip beim Rechtserwerb . . . . . . . . . . . . 153 Kapitel 3 Die prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zweck und Wirkung des § 1006 BGB nach h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigentumsschutz als Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die drei Vermutungsrichtungen nach h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zusammenfallen von Besitz- und Eigentumserwerb (Erwerbsvermutung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermutung fortdauernden Eigentums aus § 1006 Abs. 2 BGB. . . . c) Rückschluss vom Besitz auf den Eigenbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Schwächen der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155 155 156 156 157 157 158 159 160

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III.

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1. Die widersprüchlichen Ergebnisse der Erwerbsvermutung . . . . . . . . . . . 160 2. Die fehlgehende Prämisse: Das Anknüpfen an die angebliche Publizität der Übertragungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Die Abkopplung des § 1006 BGB von der Übergabe und der Schutz des gegenwärtigen Besitzers als alleiniger Normzweck. . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Das Fehlen eines Zusammenhangs mit Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Der Schutz des gegenwärtigen Besitzes und dessen Kontinuität als Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Denkbare Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Der Ausschluss der Vermutung bei Abhandenkommen, § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Der Besitzer als Anspruchsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Der ehemalige Besitzer, § 1006 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4. Das Entfallen der Vermutungsrichtungen der h. M.. . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) § 1006 BGB als Zustands- statt Erwerbsvermutung (anders als § 891 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) § 1006 BGB als Ausnahme zur allgemeinen Rechtsfortdauervermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Keine Eigenbesitzvermutung aus § 1006 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Die Notwendigkeit anderweitiger Einschränkung des Vermutungsumfangs, insbesondere beim Vorbehaltskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Denkbare Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Einschränkung gegenüber dem ehemaligen Oberbesitzer? . . . . . . . . 178 b) Fortbestehen mittelbaren Besitzes trotz Wegfall des Besitzmittlungswillens – Schutz des Herausgabeanspruchs (Hartung)? . . . . . . 180 2. Die Lösung über die sekundäre Behauptungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Auswirkung auf die praktische Anwendung des § 1006 BGB . . . . . . . . . . . 184 1. Zugunsten des gegenwärtigen gegenüber dem früheren Besitzer . . . . . 184 2. Zugunsten des Besitzers gegenüber sonstigen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Zugunsten nichtbesitzender Dritter, die ihr Recht vom Besitzer ableiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 4. Die Vermutungswirkung auf Grund Mitbesitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 5. Anwendung auf Schuldscheine im Sinne des § 952 BGB? . . . . . . . . . . 189 Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

B. Die Übertragung auf andere dingliche Rechte, §§ 1065, 1227 BGB . . . . . . . . . 190 I. Die Vermutung dinglicher Rechte zugunsten des Besitzers . . . . . . . . . . . . . 190 1. Vermutung der erforderlichen Forderung zugunsten des Pfandbesitzers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Die Vermutung für das Anwartschaftsrecht des Besitzers . . . . . . . . . . . . 192 II. Das Fehlen einer entsprechenden Vermutung zugunsten des obligatorischen Besitzers – wegen fehlender Übergabe-Publizität? . . . . . . . . . . . . . . . 192

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Inhaltsverzeichnis III. Sonstige Vermutungen zugunsten des Besitzers (Rückgabevermutung beim Pfand, Vermutung durchgehenden Besitzes bei der Ersitzung, §§ 1253 Abs. 2, § 938 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

C. Vermutungen zugunsten Dritter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 I. Beim Pfändungspfandrecht auf Grund Beschlagnahme beim Schuldner, §§ 808 f. ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 II. Eigentumsvermutung auf Grund Ehegattenbesitzes, §§ 1362 BGB, 739 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

Kapitel 4 Die Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube A. Der rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb, §§ 932 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Übergabe nach § 932 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der stehende Erwerberbesitz, § 932 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Besitzkonstitut, § 933 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Abtretung mit oder ohne mittelbaren Besitz, § 934 Alt. 1 bzw. Alt. 2 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Sonderfall nicht eingetragener Seeschiffe, § 932a BGB. . . . . . . . . 6. Das Erlöschen der Rechte Dritter und Zubehörerwerb, §§ 936 bzw. 926 Abs. 2, 936, 1121 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Der Ausschluss bei Abhandenkommen, § 935 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Erkennbarkeit des Eigentumsübergangs für Dritte, insbesondere den bisherigen Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Positive Publizität beim Erwerber durch Besitzerwerbserfordernis? . . a) Der Vergleich zum Erwerb vom Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die tatsächliche Sachbeziehung, nicht die Erkennbarkeit als Erwerbsgrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Negative Publizität beim Veräußerer durch erkennbaren Ausschluss vom Besitz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Spannung zwischen §§ 933 und 934 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Wortlautargument der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Argument fehlender Erkennbarkeit für den Alteigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der Ausschluss des bisherigen Besitzmittlers bzw. das Verbleiben der Sache in der „Vertrauens-“ oder „Rückgewährsphäre“ des Alteigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Lehre vom „Nebenbesitz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199 199 200 201 201 202 202 203 204 205 205 206 207 207 208 209 210 212 213

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(5) Der Ausschluss des Veräußerers vom Besitz als Wertungsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) Das Erfordernis objektiv-teleologischer Auslegung des § 933 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 c) Das entscheidende Kriterium: Kein Rückgriff des Erwerbers auf den Veräußerer mehr nötig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 d) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (1) Der Fräsmaschinenfall und die Einlagerfälle . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (2) Der Veräußerer bleibt Besitzdiener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (3) Das Erfordernis fortbestehenden Erwerberbesitzes, § 932 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (4) Die Übergabe an eine (echte) Geheißperson des Erwerbers . . . 229 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 III. Die Erkennbarkeit der (scheinbaren) Berechtigung des Veräußerers – Rechtsschein durch Besitz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Der beim Veräußerer erforderliche Publizitätstatbestand . . . . . . . . . . . . . 231 a) Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (1) Die Entstehung der Lehre vom Rechtsschein als hinter den §§ 932 ff. BGB stehendem Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (2) Vom Besitz zur Besitzverschaffungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (3) Geheiß- und Anscheinsgeheißpersonen des Veräußerers . . . . . . 234 (4) Die Zustimmungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (5) Der stehende Erwerberbesitz auf Grund Wegnahme, § 932 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Reicht irgendein Besitzerwerb? § 934 Alt. 2 gegen § 932 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 c) Das Erfordernis des Besitzerwerbs „auf Grund der Veräußerung“ . 241 d) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (1) Der Anscheinsgeheiß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (2) Die Zustimmungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (3) Der stehende Erwerberbesitz auf Grund Wegnahme, § 932 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (4) Handelsrechtliche Traditionspapiere, §§ 448, 475g, 650 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. § 935 BGB: Veranlassung eines Rechtsscheins durch den Alteigentümer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Die praktischen Auswirkungen des Veranlassungsdogmas (Abhandenkommen bei einem Dritten bzw. Unterschlagung des Besitzdieners) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 b) Argumente gegen das Veranlassungsdogma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 c) § 935 BGB als Ausdruck einer nachwirkenden Besitzposition des Alteigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 3. Die Kenntnis des Erwerbers von den Besitzverhältnissen – Kausalität eines Rechtsscheins? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

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Inhaltsverzeichnis a) Die Rolle der Besitzverhältnisse für die Gutgläubigkeit – der Besitz als ein Umstand unter vielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Irrelevanz der Möglichkeit, die Besitzlage nachzuprüfen. . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

261 265 267 268

B. Der rechtsgeschäftliche Gutglaubenserwerb sonstiger dinglicher Rechte. . . . . I. Das vertragliche Pfandrecht – insbesondere: gutgläubiger Zweiterwerb ohne Übergabeerfordernis?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Erwerb des Anwartschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der unstreitige Ersterwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der umstrittene Zweiterwerb („Was zeigt der Besitz an?“). . . . . . . . . .

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C. Gesetzlicher Rechtserwerb kraft guten Glaubens?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsatz: Kein gesetzlicher Rechtserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausnahme der Ersitzung, § 937 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erzeugnisse und Bestandteile, §§ 955, 957 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Fruchterwerb des Eigenbesitzers, § 955 BGB . . . . . . . . . . . . . . b) Der gutgläubige Erwerb durch Aneignungsgestattung, § 957 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die gesetzlichen Pfandrechte, insbesondere § 366 Abs. 3 HGB . . . . . II. Der Grund für die Beschränkung auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb . . 1. Anknüpfen des Vertrauens an die Übergabe (h. M.)?. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Andere denkbare Differenzierungskriterien, insbesondere die Entgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das entscheidende Kriterium: Die Inanspruchnahme einer Berechtigung durch den Verfügenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Ausschluss des guten Glaubens bei Erbfolge und dinglicher Surrogation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die gesetzlichen Pfandrechte außerhalb § 366 Abs. 3 HGB . . . . . . . . . 3. Die Übertragung („Zweiterwerb“) des vertraglichen Pfandrechts . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279 280 281 283 283

D. Materiell wirksame Rechtshandlungen gegenüber dem nichtberechtigten Besitzer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Schutz des Pfandgläubigers in § 1248 BGB – auf Grund Verpfänderbesitzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die befreiende Schadensersatzzahlung an den Besitzer, § 851 BGB . . . . 1. Schutz des Schädigers oder des Besitzers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertrauen auf den Besitz in § 851 BGB als allgemeiner Grundsatz oder nicht analogiefähige Ausnahme?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

269 273 273 274

284 287 290 291 292 295 298 299 301 301 303 303 304 305 306 306

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Inhaltsverzeichnis

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Kapitel 5 Die Wirkungen des Besitzes in der Zusammenschau

312

A. Positive Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 I. Handlungspublizität: Rückschluss vom Besitz- auf den Eigentumswechsel?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 II. Zustandspublizität: Rückschluss vom Besitz auf das Recht? . . . . . . . . . . . . 314 1. Der materiell-rechtliche Schutz des Vertrauens Dritter: §§ 932 ff., 851 BGB als Ausnahmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 2. Die Vermutung des § 1006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 a) Im Verhältnis zu Erfüllungshandlungen an den Eigentümer, § 851 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 b) Im Verhältnis zum gutgläubigen Erwerb, §§ 932 ff. . . . . . . . . . . . . . 317 (1) § 1006 BGB und der Besitz des Veräußerers . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (2) § 1006 BGB und die Besitzerlangung des gutgläubigen Erwerbers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (3) Das Abhandenkommen nach §§ 1006 Abs. 1 S. 2 und 935 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 B. Negative Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 I. Beim bisherigen Rechtsinhaber: Notwendiger Ausschluss vom Besitz? . . 321 II. Beim Erwerber: Kein Erwerb ohne (erkennbaren) Besitz? . . . . . . . . . . . . . . 322 C. Besitzwirkungen im Vergleich zum Grundbuch (§§ 891 ff. BGB). . . . . . . . . . . 324 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Sachwortregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

Einleitung Mit den Rechtsprinzipien ist es so eine Sache: Ebenso wie angebliche oder tatsächliche „herrschende Meinungen“ neigen sie dazu, mehr oder weniger unreflektiert perpetuiert zu werden und dabei allmählich ein Eigenleben zu entwickeln, sich also in dem Sinne zu verselbständigen, dass die ursprünglichen Zwecke eines Prinzips (bzw. die ursprünglich von einer „h. M.“ betroffenen Fallgruppen) aus dem Blickfeld geraten. Daher kann es nicht schaden, gelegentlich auch gesichert geglaubte Grundlagen neu in Frage zu stellen. Warum nun eine Arbeit über das Publizitätsprinzip im Recht der beweglichen Sachen? Dass das deutsche Sachenrecht mehreren Prinzipien gehorcht, deren eines das der Publizität ist, scheint jedem Juristen ab seiner ersten Sachenrechtsvorlesung selbstverständlich. Auch seine Ausprägungen (Übertragungs-, Vermutungs- und Rechtsscheinwirkung) werden in den Kommentaren und Lehrbüchern übereinstimmend genannt und anhand jeweils passender Normen veranschaulicht (§§ 929, 1006, 932 f. BGB)1, so dass der Eindruck eines in sich geschlossenen Systems entsteht: Was das Grundbuch für die Grundstücke, sei der Besitz für bewegliche Sachen; die Eigentumsübertragung gehe regelmäßig mit der körperlichen Übergabe einher, so dass auf Grund der Übergabe und des durch sie bewirkten Besitzes das im Prozess streitige Eigentum vermutet werden könne; in seinem entsprechenden Vertrauen werde auch der gutgläubige Erwerber geschützt, wenn der Veräußerer zwar nicht Eigentümer, aber Besitzer sei. Ebenso selbstverständlich scheinen nach allgemeiner Auffassung die Ausnahmen von diesem Prinzip, die teils schon im Gesetz selbst angelegt sind – als Beispiel wird vor allem auf die Übereignung durch Besitzkonstitut nach § 930 BGB verwiesen –, teils sich erst im Verlaufe der weiteren Entwicklung ergeben haben – zuvörderst sei die Häufung von Sicherungsübereignungen, aber auch etwa die Figur des Geheißerwerbs erwähnt. Als Grund für diese Ausnahmen werden gemeinhin pauschal die Erfordernisse des modernen Wirtschaftsverkehrs angeführt2.

1 Vgl. etwa Staud/Seiler, Einl. z. Sachenrecht, Rdnr. 56 ff.; Soe/Stadler, BGB, vor § 854 Rdnr. 3; MK/Rinne, Einl. z. Sachenrecht, Rdnr. 21; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 II 1–3, Rdnr. 10 ff.; Gerhardt, Mobiliarsachenrecht, Rdnr. 16; Schreiber, Sachenrecht, Rdnr. 20 ff.

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Einleitung

Auf diese Weise ist das sachenrechtliche Publizitätsprinzip zu einer geradezu idealen Argumentationshilfe geworden: Wo es zum gewünschten Ergebnis passt (was eher selten der Fall zu sein scheint), kann es hochgehalten und die jeweilige These dadurch untermauert werden, dass das Sachenrecht nach größtmöglicher Offenkundigkeit strebe. Wo es nicht passt (was der wohl häufigere Fall ist), kann man sich leicht damit beruhigen, die Publizität sei ohnehin nicht weiter wichtig, weil schon das Gesetz Ausnahmen vorsehe, die zudem durch die „Entwicklung der modernen Wirtschaft“ mehr und mehr erweitert worden seien3. Das dürfte in etlichen Fällen unschädlich sein, weil das Sachenrecht stark durchnormiert ist und sich die Lösung vieler Grundkonstellationen unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Wie dünn das Eis ist, zeigt sich jedoch schnell in den anderen, nicht unmittelbar geregelten Fällen. Im Rahmen der Übertragungswirkung stellt sich etwa das scheinbar harmlose Problem der Übereignung besitzloser Sachen: Wenn man sich zur weitgehenden Gleichsetzung von Besitz und Grundbuch schon auf die Motive4 beruft, weshalb sollte man dann vernachlässigen, dass die Motive eine besitzlose Übereignung ausschlossen und sich der Veräußerer danach vielmehr erst Besitz verschaffen sollte, um die Übereignung vornehmen zu können5? Oder, weit weniger harmlos: Weshalb stellt man an das Faustpfandrecht erhebliche Publizitätsanforderungen, meint aber, beim „heimlichen“ Sicherungseigentum darauf verzichten zu können? Die Unsicherheiten setzen sich bei der Vermutungswirkung fort: Warum soll die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB an die Übergabe anknüpfen, wenn eine Übereignung auch unabhängig von der Übergabe erfolgen kann? Warum soll sie demjenigen verwehrt bleiben, der die Sache bei bereits bestehendem Besitz im Wege des § 929 S. 2 BGB erworben hat6 – obwohl doch der Wortlaut des § 1006 BGB nur auf den Zustand bestehenden Besitzes, nicht aber auf den Erwerbszeitpunkt abstellt? Erst recht findet sich Verwirrung bei den Gutglaubenstatbeständen: Kann man im berühmten „Fräsmaschinenfall“7 den gutgläubigen Erwerb durch 2 So schon Mot. III 335 = Mugdan III 186; ebenso Prot. 3681 = Mugdan III 624; aus heutiger Zeit etwa Staud/Seiler, Einl. z. Sachenrecht, Rdnr. 56. 3 Vgl. Brehm/Berger, Sachenrecht, § 26.10: „Dass die h. L. am Publizitätsprinzip festhält, liegt daran, dass dem Grundsatz kein präziser Inhalt beigelegt wird, der zu Konsequenzen zwingt.“ 4 Mot. III 344 = Mugdan III 191. 5 Mot. III 334 = Mugdan III 185. 6 So die ganz h. M.: etwa BGH LM § 1006 BGB Nr. 10 = NJW 1967, 2008; NJW 1984, 1456/1457; Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 7; Wieling, Sachenrecht, § 12 VIII 1 a; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 10 II 2, Rdnr. 6; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 584.

Einleitung

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Besitzkonstitut nach § 933 BGB wegen fehlender Publizität verneinen, gleichzeitig aber dem derart leer ausgehenden Erwerber ermöglichen, einem Dritten durch Übertragung seines mittelbaren Besitzes nach § 934 BGB doch das Eigentum zu verschaffen? Geradezu ein Paradefall für die Doppelzüngigkeit herrschender Publizitätsdoktrin ist auch die Schadensersatzzahlung des gutgläubigen Schädigers an den Sachbesitzer nach § 851 BGB. Die dort normierte befreiende Wirkung wird von der Literatur im selben Atemzug einerseits als Ausfluss des allgemeinen Grundsatzes gewertet, wonach der Besitzer gegenüber Dritten als Eigentümer ausgewiesen sei, andererseits wegen ihres angeblichen „Ausnahmecharakters“ als nicht analogiefähig angesehen8. Weshalb fehlt eine entsprechende Norm etwa für bereicherungsrechtliche Ausgleichszahlungen, wenn also der Schädiger aus der Sache unrechtmäßig eigenen Nutzen gezogen hat? Inwieweit das Publizitätsprinzip zur Lösung solcher Fragen im geltenden Recht herangezogen werden kann, soll Inhalt dieser Untersuchung sein. Der methodische Ansatz ergibt sich aus diesem Anliegen im Grunde von selbst: Da das Bestehen bzw. die Reichweite des Publizitätsprinzips im geltenden Recht der beweglichen Sachen untersucht werden soll, ist die Vorgehensweise notwendigerweise eine induktive. Es darf also nicht von einem bestehenden Publizitätsprinzip als gegebener Prämisse ausgegangen und in deduktiver Weise dessen Anwendung auf die einzelne Norm abgeleitet werden, sondern es muss ausgehend vom Besonderen – nämlich den Einzelregelungen zur Rolle von Besitz und Publizität beim Rechtserwerb, bei der Rechtsvermutung und beim guten Glauben – auf das Allgemeine, also ein etwaiges Prinzip (oder auch dessen Fehlen) geschlossen werden9. Dabei stellt sich freilich das Problem der Wechselwirkung zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen: In vielen Fällen wird ja die spezielle Einzelnorm mehr oder weniger weiten Auslegungsspielraum eröffnen und sich je nach Reichweite eines allgemeinen Publizitätsprinzips entweder im Sinne größtmöglicher Publizität oder publizitätsfrei auslegen lassen. In diesen Fällen droht der Zirkelschluss, dass man ein allgemeines Publizitätsprinzip entweder voraussetzt oder negiert und die jeweilige Prämisse dann in der publizitätsfreundlichen bzw. -feindlichen Auslegung der Einzelnorm bestätigt findet. Es soll deshalb der Versuch unternommen werden, unter den Einzelnormen – etwa zum Rechtserwerb – möglichst „eindeutige“ he7

BGHZ 50, 45. MK/Stein, 3. Aufl., § 851 BGB, Rdnr. 1 f.; Staud/Vieweg, § 851 BGB, Rdnr. 1 und 4 f. 9 Ähnlich auch D. Weber, Publizitätsprinzip im schweizerischen Recht, S. 2; ablehnend (zugunsten eines dogmengeschichtlichen Ansatzes) dagegen Hedinger, Publizitätsdenken im Sachenrecht, S. 11. 8

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Einleitung

rauszufinden, d.h. solche, deren Wortlaut mit Blick auf die Publizität möglichst keinen Auslegungsspielraum lässt, deren Auslegung also vernünftigerweise nicht bestritten werden kann. Allein solche „eindeutigen“ Normen erlauben sodann den induktiven Schluss auf das Bestehen bzw. die Reichweite des Publizitätsprinzips. Diese Suche nach eindeutigen Ausgangspunkten im Feld des Besonderen, bevor der Weg ins Allgemeine angetreten wird, bringt eine gewisse Verkomplizierung des Aufbaus mit sich: Da jeweils in einem ersten Schritt nur eindeutige Einzelnormen gesucht werden, muss auf dieser Stufe die Auslegung der mehrdeutigen Normen noch offen bleiben. Erst anhand der eindeutigen Normen kann dann in einem zweiten Schritt – induktiv – die jeweilige Reichweite des Publizitätsprinzips näher bestimmt werden, bevor diese Feststellung schließlich in einem dritten Schritt – deduktiv – Rückschlüsse auf die Auslegung der offengelassenen mehrdeutigen Normen ermöglicht. Beispielsweise kann die Frage, ob aus Gründen der Publizität der dingliche Schutz des Kommittenten in § 392 Abs. 2 HGB analog auch auf das Kommissionsgut auszuweiten ist, nicht allein anhand dieser Einzelnorm, sondern letztlich erst nach Bestimmung der Reichweite des allgemeinen Publizitätsprinzips beim Rechtserwerb beantwortet werden10. Soweit die Arbeit zu dem Ergebnis kommt, dass sich Publizitätskonzepte als nicht tragfähig erweisen – was, um es vorwegzunehmen, weitgehend der Fall sein wird –, wäre es unbefriedigend, bei diesem Befund stehen zu bleiben. Vielmehr erschien es notwendig, Konzepte zu suchen, die die sich auf Publizität stützenden Erklärungsmuster ersetzen könnten. Insoweit muss sich die Arbeit dann notwendigerweise vom Ausgangsthema der Publizität entfernen.

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Dazu Kap. 2, B. III., S. 129 ff.

Kapitel 1

Publizität und der Besitz als ihr möglicher Anknüpfungspunkt A. Der Begriff der Publizität Unter Publizität versteht man – im Rahmen des Rechts – ganz allgemein die Verknüpfung zwischen „unsichtbaren“ rechtlichen Verhältnissen und wahrnehmbaren Tatsachen. Das einzelne rechtliche Verhältnis – etwa das Eigentum oder die Vertretungsmacht – ist als solches ja der unmittelbaren Sinneswahrnehmung verschlossen; es kann aber bestimmten, der unmittelbaren Wahrnehmung zugänglichen tatsächlichen Verhältnissen – der Registereintragung, der Vollmachtsurkunde – zugeordnet werden. Es ist also begrifflich klar zwischen angezeigtem Rechtsverhältnis und anzeigendem empirischem Faktum zu unterscheiden1: Das Rechtsverhältnis ist Objekt der Publizität, die kundbare Tatsache ihr Mittel.

I. Das Zusammenspiel von kundbaren Tatsachen und Rechtsfolgen Das Zusammenspiel kann aber theoretisch so eng sein, dass das kundbare Faktum automatisch die derart angezeigte Rechtsfolge auslöst, dass also mit dem Publizitätsmittel stets auch das dahinterstehende Recht steht und fällt. Ein annäherndes Beispiel dafür bildet die Duldungsvollmacht: Hat der Vertretene den Stellvertreter nicht ausdrücklich bevollmächtigt, lässt er aber dessen Vertreterhandeln nach außen erkennbar zu, kann man dies als stillschweigende Bevollmächtigung ansehen2 – hier kann also das zunächst fehlende unsichtbare Rechtsverhältnis „Vertretungsmacht“ auf Grund einer mehr oder weniger wahrnehmbaren Tatsache (nämlich dem regelmäßigen Handeln des Stellvertreters für den Vertretenen) automatisch entstehen. Im Sachenrecht findet sich solches annäherungsweise zumindest im negativen 1 Vgl. MK/Quack, 3. Aufl., Einl. z. Sachenrecht Rdnr. 45: „Natürlich ist . . . die Publizität keine Eigenschaft des Rechtsverhältnisses selbst. Nicht das Rechtsverhältnis ist offenkundig, es ist vielmehr nur jedermann zugänglichen empirischen Fakten zugeordnet.“ 2 Vgl. dazu etwa Medicus, BR, Rdnr. 99 ff. m. w. N.

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Kap. 1: Publizität und Besitz als möglicher Anknüpfungspunkt

Sinne beim Erlöschen des Pfandes durch Rückgabe nach dem Wortlaut des § 1253 Abs. 1 BGB; vollständig durchgehalten wäre hier der Zusammenhang zwischen anzeigendem Besitz und angezeigtem Pfandrecht freilich erst dann, wenn auch der unfreiwillige Besitzverlust zum Erlöschen führen würde. Im Übrigen aber lässt sich leicht feststellen, dass das Sachenrecht derart strikt durchgehaltene Publizität nicht kennt: So wird etwa im Grundstücksrecht noch nicht allein dadurch, dass ein bestimmtes dingliches Recht im Grundbuch eingetragen ist, dieses Recht automatisch erzeugt; andernfalls gäbe es keine „Grundbuchberichtigung“ nach § 894 BGB. Und ohne voreilig Parallelen zwischen dem Grundbuch und dem Besitz zu ziehen, lässt sich eine derart strenge Publizität auch im Recht der beweglichen Sachen ausschließen: Nicht jede Übergabe bewirkt dort automatisch einen Eigentumsoder sonstigen Rechtswechsel – sonst gäbe es keinen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB. Hinzu kommen muss vielmehr der beidseitige Übereignungswille sowie grundsätzlich die Berechtigung des Übereignenden. Häufiger ist hingegen der umgekehrte Fall von Publizität, bei dem eine kundbare Tatsache zwar nicht automatisch zur dahinter stehenden Rechtsfolge führt, aber die unsichtbare Rechtsfolge nur und erst dann eintritt, wenn zugleich die zugeordnete Tatsache sichtbar gemacht wird – wie z. B. im Stellvertretungsrecht die Wirkung eines Vertrages für und gegen den Vertretenen von der Offenlegung der Stellvertretung abhängt, § 164 BGB.

II. Publizitätswirkungen am Beispiel des Grundbuchs Als ebenso naheliegendes wie anschauliches Beispiel für derartige Publizität im Rahmen des Sachenrechts bietet sich das Grundbuch an: 1. Publizität als Tatbestandserfordernis – die Erwerbswirkung in § 873 BGB Dort ist nämlich das Eintreten eines Publizitätsmittels (der Grundbucheintragung) unabdingbares Tatbestandserfordernis für die Rechtsfolge des Entstehens bzw. Erlöschens von Rechten an Grundstücken. Damit ist die so genannte „Übertragungs-“ oder „Erwerbswirkung“ der Publizität betroffen: Nach § 873 BGB ist die Eintragung im Grundbuch grundsätzlich konstitutiv für jegliches Recht am Grundstück. Umgekehrt bleibt das einmal entstandene Recht grundsätzlich so lange bestehen, bis es im Grundbuch gelöscht worden ist, § 875 BGB; gleiches gilt für Rechtsänderungen, § 877 BGB. Hier ist also das Konzept der Kundbarmachung als unabdingbare Voraussetzung für ein Rechtsverhältnis recht weitgehend durchgehalten – Ausnahmen bleiben allerdings im Bereich des gesetzlichen Erwerbs, insbeson-

A. Der Begriff der Publizität

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dere durch Erbfolge oder dingliche Surrogation. Auch darf die Bezeichnung als „Erwerbswirkung“ nicht darüber hinwegtäuschen, dass die – etwa fehlerhafte – Eintragung keineswegs automatisch das angezeigte Recht erzeugt, sondern umgekehrt nur Voraussetzung für den Rechtserwerb ist3. 2. Publizität als Grundlage prozessualer Beweislastverteilung – die Vermutungswirkung in § 891 BGB Dann scheint es kein großer Schritt mehr zur prozessualen Vermutungswirkung des Publizitätsmittels zu sein: Ist im Prozess streitig, wer Eigentümer eines Grundstücks ist, so spricht nach § 891 BGB eine Vermutung für den im Grundbuch Eingetragenen. Will also eine Prozesspartei geltend machen, die wahre Rechtslage weiche vom Grundbuch ab, trägt sie dafür die volle Beweislast; entsprechendes regelt § 2365 BGB für den Erbschein. Auch eine solche Vermutungswirkung wäre bei strikt durchgehaltener Publizität, wenn also das angezeigte Recht mit der anzeigenden Tatsache stünde und fiele, überflüssig: Denn dann wäre mit der Grundbuch-Eintragung bzw. dem Erbschein der Beweis des entsprechenden Grundstücks- bzw. Erbrechts unwiderleglich geführt. Zudem ist die prozessuale Vermutung auch deutlich vom Rechtsschein zu scheiden: Im Prozess wird ja um das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Rechtsverhältnisses gerade gestritten, es wird also niemand – weder die Gegenpartei noch der Richter – darüber getäuscht4. Es geht bei der Vermutungswirkung damit nicht darum, einen Anschein der wahren Rechtslage zu erwecken, sondern allein um die rein technische Verteilung der Beweislast im Rahmen der Klärung der wahren Rechtslage: Wer muss sein Recht nachweisen und wer nicht? Derjenige, den das Publizitätsmittel als Berechtigten ausweist, braucht dabei, um zu obsiegen, auch den Richter nicht einmal positiv davon zu überzeugen, dass Publizitätsmittel und wahre Rechtslage übereinstimmen; vielmehr obliegt es dem Gegner nachzuweisen, dass sie auseinanderfallen. Dementsprechend ist es auch unerheblich, ob das Publizitätsmittel der Gegenpartei vorprozessual bekannt oder auch nur erkennbar war; nötigenfalls ist sogar das Vorliegen des Publizitätsmittels selbst zunächst zu beweisen. Die Vermutungswirkung ist damit nicht unmittelbarer Ausfluss der Erkennbarkeit, sondern mittelbare Folge des Zusammenfallens 3 Vgl. soeben zu I. Korrekter – wohl auch weniger irreführend – wäre es daher, von „Voraussetzungswirkung“ oder schlicht von einer Voraussetzung zu sprechen; aus Gründen der Verständlichkeit ist aber der gebräuchliche Begriff der „Erwerbswirkung“ beibehalten. 4 Speziell zur Vermutungswirkung auf Grund Besitzes: D. Weber, Publizitätsprinzip im schweizerischen Recht, S. 14 ff.; zur Unterscheidung auch Medicus, Jura 2001, 294 f.

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Kap. 1: Publizität und Besitz als möglicher Anknüpfungspunkt

von kundbarer Tatsache und Rechtsfolge. Selbstverständlich können solche Beweislastregeln auch nie absolute, d.h. allgemeingültige, sondern stets nur relative Wirkung erzeugen, nämlich im Verhältnis bestimmter Prozessparteien untereinander. 3. Publizität und materiell-rechtlich wirkender Rechtsschein – die „Gutglaubenswirkung“ in §§ 892 f. BGB Demgegenüber gehen die „Gutglaubenstatbestände“ weiter: Sie schaffen materiell vollendete Tatsachen, und zwar beim Rechtserwerb auch mit absoluter Wirkung gegen jedermann5. Der gutgläubige Erwerber etwa wird so gestellt, als hätte die durch ein Publizitätsmittel (Grundbuch, Erbschein) indizierte Rechtslage – nämlich die Berechtigung seines Veräußerers – tatsächlich bestanden. Diese Fiktion spiegelt sich auch im Wortlaut des § 892 BGB ausdrücklich wider, wonach der Inhalt des Grundbuchs zugunsten des Gutgläubigen als richtig „gilt“; ebenso formuliert § 2366 BGB für den Erbschein6. Der Rechtserwerb ist dabei ein zwar prominentes, aber keineswegs das einzige Beispiel solcher Rechtsscheinwirkung: § 893 BGB dehnt die Fiktion auf jegliches Rechtsgeschäft mit dem Eingetragenen aus; und auch Leistungen an den durch den Erbschein Ausgewiesenen haben grundsätzlich befreiende Wirkung, § 2367 BGB. Publizität und Rechtsschein scheinen auf den ersten Blick Hand in Hand zu gehen: Je größer der normative oder auch rein faktische Druck, ein Rechtsverhältnis vermittels nach außen erkennbarer Tatsachen zu publizieren (und in erkennbarem Zustand zu lassen!), desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass beim Vorliegen entsprechender Tatsachen auch das Recht besteht, und desto stärker sind damit die Anknüpfungspunkte für einen Rechtsschein, wenn zwar die Tatsache, nicht aber das Recht vorliegt. Andererseits ist Platz für den Rechtsschein überhaupt nur dort, wo die Publizität sich als lückenhaft erweist: Wäre die Publizität strikt durchgehalten, wird also ein Recht in der Weise an einen Publizitätstatbestand gebunden, dass es immer, aber auch nur dann und nur so lange besteht, wenn bzw. wie dieser erkennbare Tatbestand vorliegt, dann können Recht und Tatbestand niemals auseinanderfallen, und die Situation des bloßen Rechts5

Dazu auch H. Hübner, Rechtsverlust, S. 61; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 A, Rdnr. 1. 6 Weniger weit gehen die Formulierungen beim Rechtsschein des Handelsregisters (§ 15 Abs. 3 HGB) bzw. durch Forderungsurkunde (§ 405 BGB): „. . . kann sich gegenüber . . . (nicht) darauf berufen, dass . . .“ Das liegt daran, dass es hier um Wirkungen geht, die nur relativ im Verhältnis des Eintragungspflichtigen (bzw. Urkundenschuldners) zu seinem Geschäftspartner (bzw. gutgläubigen Forderungserwerber) eintreten.

A. Der Begriff der Publizität

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scheins ist ausgeschlossen. Daraus folgt für das Verhältnis von Publizität und Rechtsschein, dass der Rechtsschein sich als Ergänzung zu Publizitätserfordernissen erweist: Der Rechtsschein muss immer dann einspringen, wenn diejenigen Normen, die Publizitätserfordernisse schaffen, versagen, weil erkennbare Tatsache und dahinter stehendes Recht auseinanderfallen. Nur solche „Lücken“ innerhalb der Publizitätserfordernisse erlauben es beispielsweise im Grundstücksrecht, dass ausnahmsweise Rechte trotz Eintragung nicht bzw. trotz fehlender Eintragung doch bestehen; in diesen Fällen kann es zum Rechtsschein kommen. 4. Das Zusammenspiel der Wirkrichtungen: Vermutung und Rechtsschein auf Grund von Wahrscheinlichkeiten, nicht auf Grund der Erwerbswirkung Auf den ersten Blick scheinen prozessuale Vermutung und materiell wirkender Rechtsschein sich als Ausfluss der Erwerbswirkung darzustellen: Weil der Rechtswechsel grundsätzlich von der Eintragung abhängt, scheint der Rückschluss von der Eintragung auf das unsichtbare Recht nahe zu liegen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass der logische Zusammenhang leicht verschoben ist: Nicht weil das Publizitätsmittel „Eintragung“ Voraussetzung für den Rechtserwerb ist, sondern weil in der Regel mit dem Auftreten des Publizitätsmittels die Rechtsfolge „Rechtserwerb“ zusammenfällt, ist der Rückschluss erlaubt. Theoretisch wäre ja denkbar, dass das Publizitätsmittel zwar Voraussetzung für den Rechtswechsel ist, aber auch zu anderen Zwecken dienen kann: Man könnte etwa bei den beweglichen Sachen die Rechtsfolge „Übereignung“ vom kundbaren Tatbestand „Übergabe“ abhängig machen, ohne dass sich daraus zwingend der Rückschluss ergäbe, mit jeder Übergabe sei eine Übereignung verbunden – denn die Übergabe könnte auch zu rein obligatorischen Zwecken erfolgen. Deutlich zeigt sich diese Differenzierung am Beispiel des Erbscheins, bei dem Vermutung und Rechtsschein an keinerlei „Erwerbswirkung“ anknüpfen können. Denn der Erbschein hat keine der Erwerbswirkung vergleichbare Funktion als unabdingbares Tatbestandserfordernis: Der Erbe ist nicht verpflichtet, sich einen Erbschein ausstellen zu lassen; die Erbschaft fällt ihm vielmehr auch ohne Erbschein zu. Bei Grundbuch und Erbschein drängen sich Vermutung und Rechtsschein vielmehr deshalb auf, weil beide keinen anderen Zweck als gerade die Publizierung eines Rechtsverhältnisses verfolgen, also einzig und allein als Publizitätsmittel fungieren7. Wenn diese kundbaren Tatsachen also vorlie7 Beim Erbschein kommt hinzu, dass eine gerichtliche Prüfung stattgefunden hat: §§ 2353 ff. BGB.

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Kap. 1: Publizität und Besitz als möglicher Anknüpfungspunkt

gen, dann sind sie ausschließlich zum Nachweis der unsichtbaren Berechtigung geschaffen worden. Nur deshalb kann man von ihrem Vorliegen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf das angezeigte Recht schließen. Welche Rolle spielt dann die Erwerbswirkung beim Grundbuch nach § 873 BGB? Sie dient vor allem dazu, das Publizitätsmittel zuverlässiger zu machen. Hier ist auch die Ausgangssituation insofern anders als beim Erbschein, als bereits ein Publizitätsmittel in Form der bisherigen Eintragung vorliegt, die durch eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse ohne gleichzeitige Veränderung des sichtbaren Grundbuchs die Gefahr in sich trüge, einen unzutreffenden Eindruck zu erwecken. Beim Erbschein fehlt dagegen ein vergleichbar trügerischer Schein eines bisherigen Erbscheins, den der Erbe vor Erbanfall zunächst beseitigen müsste.

III. Abgrenzungen des Publizitätsbegriffes 1. Positive und negative Publizität Da das Grundbuch einzig zum Zwecke der Publizierung besteht, nimmt es nicht Wunder, dass es die denkbaren Publizitätsrichtungen weitgehend abdeckt: Es zeigt sowohl im positiven Sinne durch die bestehende Eintragung an, dass der Eingetragene berechtigt ist (positive Publizität), als auch im negativen Sinne durch „Schweigen“ bzw. ausdrückliche Löschung, dass der Nicht-Eingetragene bzw. Gelöschte nicht berechtigt ist (§ 875 BGB; negative Publizität). Deutlicher ist die Unterscheidung in § 15 HGB, dessen Abs. 1 („Auf das Schweigen des Handelsregisters darf man trauen“) die negative Publizität betrifft, während Abs. 3 positive Publizität regelt, indem er das Vertrauen Dritter auch in unrichtige Bekanntmachungen schützt8. Dass negative auch ohne positive Publizität grundsätzlich denkbar ist, zeigt das Beispiel des Faustpfandes: Nach dem Wortlaut der §§ 1205 f. BGB muss das Pfandrecht nicht positiv beim Pfandgläubiger angezeigt werden, wohl aber negativ die nunmehr fehlende Berechtigung des Verpfänders durch dessen Ausschluss vom Besitz. 2. Andauernde „Zustands-“ und punktuelle „Handlungspublizität“ Am Besitz lässt sich auch eine weitere Differenzierung prägnanter darstellen als an der Registereintragung, nämlich die Unterscheidung zwischen der Publizität eines andauernden Zustands und der einer punktuellen Handlung: Beim Grundbuch kann der Begriff „Eintragung“ nämlich sowohl den 8 Zu § 15 HGB vgl. Schilken, AcP 187 [1987], S. 1 ff.; Deschler, Handelsregisterpublizität; auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 151 ff.

A. Der Begriff der Publizität

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Zeitpunkt bezeichnen, in dem das Grundbuchamt eine Rechtsänderung einträgt, als auch den danach andauernden Zustand einer bestimmten Grundbuchlage in der zeitlichen Erstreckung. Sähe man den Besitz als Publizitätsmittel, wäre dementsprechend zu unterscheiden zwischen der Publizitätswirkung durch den bestehenden Besitz („Zustandspublizität“) und durch die Übergabe („Handlungspublizität“): Der Zustand bestehenden Besitzes könnte dann ein dauerhaft bestehendes Recht anzeigen und die Übergabe den Zeitpunkt einer Rechtsänderung. 3. Publizität als Erkennbarkeit im Vorhinein – in Abgrenzung zur Beweisbarkeit im Nachhinein (Manifestation) Schließlich ist auch zu beachten, dass unter dem weiten Begriff der „Erkennbarkeit“ durchaus verschiedene Phänomene zusammengefasst sind: Es kann – insbesondere wenn Erkennbarkeitserfordernisse an ein Rechtsgeschäft gestellt werden – zunächst das Ziel verfolgt werden, für eindeutige Bestimmtheit zu sorgen, etwa genau zu bestimmen, welche Forderungen oder beweglichen Sachen im Einzelnen von einer Rechtsübertragung erfasst sein sollen. Ferner kann ein ersichtlicher Akt quasi als Formerfordernis eingeführt sein, um sicherzustellen, dass eine bestimmte Rechtsfolge – etwa der Eigentumsübergang – tatsächlich gewollt war und ist. Sowohl für die Bestimmtheit als auch für die Feststellbarkeit eines eindeutigen Willens muss dieser „ersichtliche“ Akt allerdings nicht notwendig für die Allgemeinheit sichtbar sein; es genügt, wenn der Akt – aus der rein subjektiven Willenssphäre des Handelnden hinaus – derart nach außen getreten ist, dass er im Nachhinein nachweisbar bleibt. Letzteres Phänomen kann als Frage der ausreichenden „Manifestation“ einer Rechtsänderung bezeichnet werden, bei der die Beweisbarkeit ex post ausreicht – im Unterschied dazu soll Publizität Rechtsverhältnisse nach außen allgemein erkennbar und ermittelbar machen, betrifft also die Erkennbarkeit eines Rechtsverhältnisses ex ante. Ein Beispiel für ein reines Manifestationserfordernis bildet das In-Sich-Geschäft nach § 181 BGB: Hier reicht zur Wirksamkeit des Geschäfts etwa die schriftliche Fixierung des Rechtsgeschäftes oder die Verbuchung in Geschäftsbüchern9, ohne dass dies anderen als dem Handelnden ersichtlich oder auch nur zugänglich zu sein bräuchte. Denn es geht nur darum, im Nachhinein die Ernsthaftigkeit des Geschäftswillens zu beweisen. Dafür reicht der bloße innere Wille nicht, er muss sich vielmehr äußerlich manifestiert haben. Ein weiteres Beispiel bildet im Strafrecht die Manifestation des Aneignungswillens im Rahmen der Unterschlagung nach § 246 StGB: Dort reicht jede Handlung, an der sich 9

BGHZ 75, 358/363; MK/Schramm, § 181 BGB, Rdnr. 53.

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Kap. 1: Publizität und Besitz als möglicher Anknüpfungspunkt

im Nachhinein – also bei der Betrachtung ex post – objektiv belegen lässt, dass der Täter sich die Sache aneignen wollte. Das kann auch heimlich, insbesondere in einem allein für den Täter zugänglichen Bereich (wiederum etwa: Verbuchung in Geschäftsbüchern) geschehen10; nicht erforderlich ist also, dass die Handlung im Moment ihrer Vornahme – ex ante – für Dritte erkennbar ist. Auch der Manifestationsakt muss dabei notwendigerweise irgendwie nach außen treten; das aber reicht auch schon aus. Manifestationsmittel können – wie in §§ 181 BGB, 246 StGB – ein zwingendes Tatbestandserfordernis bilden, müssen es aber nicht, sondern können auch bloße Indizwirkung haben. Ein Manifestationsmittel hat insofern eine ähnliche Funktion wie ein Beweismittel; gegenüber dessen rein prozessualer Bedeutung spielt die Manifestation ihre Rolle schon auf der materiell-rechtlichen Ebene der Verwirklichung eines Tatbestandes11. Demgegenüber erfordert Publizität die Erkennbarkeit nach außen bereits im Vorhinein: So muss etwa im Rahmen stellvertretungsrechtlicher Publizität für den Erklärungsgegner schon bei Vertragsschluss, also ex ante, erkennbar sein, für wen der Stellvertreter auftritt, mit wem also der Vertrag zustande kommt; es reicht nicht, dass der Vertreter unter dem geheimen Vorbehalt auftritt, einen Dritten zu vertreten, mag er diesen Vorbehalt auch zuvor schriftlich abgefasst („manifestiert“) und zu Beweiszwecken bei einem Notar hinterlegt haben. Ebenso verhält es sich bei der Registerpublizität: Es kommt darauf an, was im Moment des Vertragsschlusses aus dem Register für die andere Seite erkennbar gewesen ist. Letztlich fällt unter diese Art Publizität selbst die Auslegung von Willenserklärungen, §§ 133, 157 BGB: Hier zählt ausschließlich, was für den Erklärungsempfänger im Moment des Zugangs der Willenserklärung erkennbar war; dies ist dann nach objektivem Empfängerhorizont auszulegen. Geheime Vorbehalte dagegen sind grundsätzlich unbeachtlich, § 116 BGB, mögen sie sich auch schon vorher nach außen (nur eben nicht für den Erklärungsempfänger erkennbar) manifestiert haben. Beide Phänomene sind nicht immer exakt voneinander zu scheiden; meist wird ein Publizitätserfordernis zugleich Manifestationszwecke erfüllen: So wird etwa durch die Grundbucheintragung der Eigentumswechsel selbstverständlich auch im Nachhinein beweisbar. Insofern wird man die Manifestation als eine Art Vorstufe zur Publizität ansehen können. Auch Manifestationserfordernisse können dem Schutz Dritter dienen, indem bloße Schutz10

Vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 246 Rdnr. 6 ff. m. w. N. Im praktischen Ergebnis wird sich dadurch wenig ändern: Im ersten Fall verliert jemand einen Prozess, weil er zwar materiell Recht hat, es aber nicht beweisen kann, im zweiten Fall, weil er mangels Manifestationsvorgang schon materiell kein Recht hat. 11

A. Der Begriff der Publizität

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behauptungen im Nachhinein, eine bestimmte Rechtshandlung sei bereits vor einem bestimmten Zeitpunkt (insbesondere vor der Insolvenz) oder überhaupt vorgenommen worden, erschwert werden.

IV. Denkbare Schutzrichtungen sachenrechtlicher Publizität Nun geschieht die Zuordnung unsichtbarer Rechtsverhältnisse zu sichtbaren Tatsachen nicht als Selbstzweck, sondern verfolgt bestimmte Schutzrichtungen. In Betracht kommen vor allem der Schutz Dritter, die auf kundbare Tatsachen vertrauen, sowie auch der Schutz des Rechtsinhabers selbst. 1. Der Schutz Dritter („Verkehrsschutz“) Häufig wird als Zielrichtung für Publizitätsvorschriften pauschal vom Verkehrsschutz gesprochen12. Das darf freilich nicht dahin missverstanden werden, dass über konkret beteiligte Geschäftspartner bzw. Interessierte hinaus jedermann einbezogen wäre: Welches Interesse sollte die Allgemeinheit daran haben, genau zu wissen, wer Eigentümer einer Immobilie oder einer beweglichen Sache ist13? Es mag ein gemeinsames Interesse aller bestehen, verfahrenstechnisch abzusichern, dass letztlich – sei es auch erst im Gerichtsverfahren – die wahre Rechtslage eindeutig ermittelbar bleibt. Dass die klärende Antwort für jedermann von vornherein auf der Hand liegen müsste, erscheint dagegen nicht erforderlich; zudem besteht gelegentlich – etwa bei Kredit- oder Treuhandgeschäften – auch ein Bedürfnis nach Diskretion. Ein Interesse, die Rechtslage zu kennen, kann also nur im Rahmen eines konkreten Rechtsgeschäftes (Kauf, Aufnahme von Vertragsverhandlungen) bestehen. Insbesondere der zur sachenrechtlichen Publizität gelegentlich kolportierte Satz, ein absolutes, d.h. gegen alle wirkendes Recht müsse auch für alle ersichtlich sein14, bedarf insofern der Einschränkung; 12 So schon Prot. 3441 = Mugdan III 545; vgl. auch Einsele, JZ 1990, 1006; Staud/Seiler, Einl. z. Sachenrecht, Rdnr. 56; eingehend Hager, Verkehrsschutz, S. 227 ff. m. w. N. Für das Handelsregister ausdrücklich zum „typisierten Verkehrsinteresse“, das über den unmittelbar kontrahierenden Rechtsverkehr hinausgehe: Schilken, AcP 187 (1987), 1/6. 13 Die reine Neugier bedarf des rechtlichen Schutzes nicht: vgl. zur Grundbucheinsicht Maaß, in: Bauer/v. Oefele, § 12 GBO, Rdnr. 3 m. w. N. Trotz missverständlicher Formulierung im Ergebnis ebenfalls nur für den Schutz konkret Beteiligter (insbesondere Gläubiger): Einsele, JZ 1990, 1006; und wohl auch Hager, Verkehrsschutz, insb. S. 136 ff., 227 ff., 421 ff., 447, 460. In ausdrücklicher Abkehr vom konkreten Geschäftspartner betonen Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 68 II 1, demgegenüber das Interesse des allgemeinen Verkehrs.

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Kap. 1: Publizität und Besitz als möglicher Anknüpfungspunkt

er gilt in dieser Allgemeinheit auch beim Grundbuch nicht: Dort ist die Einsichtnahme etwa von einem – darzulegenden – Interesse abhängig, § 12 Abs. 1 GBO15. Für Unbeteiligte reicht es vielmehr aus zu wissen, dass überhaupt ein Recht an dem Grundstück (Gleiches gilt für bewegliche Sachen) besteht und dieses Recht nicht gestört oder verletzt werden darf; wem das Recht zusteht, ist dabei unerheblich16. Soweit also die Publizität den „Rechtsverkehr“ im Allgemeinen erleichtert, wenn ausführliche Nachforschungen über die wahre Rechtslage entbehrlich werden17, so läuft das letztlich stets auf den konkreten Geschäftspartner hinaus: Er (und nur er) kann sich in der konkreten rechtsgeschäftlichen Situation auf die kundbare Tatsache verlassen und ist weiterer Nachprüfung enthoben. Der „allgemeine Verkehr“ mag dann für die Gesamtheit derer stehen, die ein konkretes Rechtsgeschäft mit Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vornehmen und deshalb an diesem Rechtsverhältnis interessiert sind. Eine andere Frage ist, wie weit der Schutz dieser konkreten Interessenten geht: In materiell-rechtlicher Hinsicht (also insbesondere beim Rechtsschein) kann der Schutz wohl nur Rechtsgeschäfte betreffen, die sich unmittelbar auf das angezeigte Recht beziehen. Spielt dieses Recht dagegen nur mittelbar eine Rolle, zahlt etwa der Kreditgeber im Vertrauen auf beim Kreditnehmer vorhandene Sachwerte den Kredit aus18, so ist kaum ersichtlich, wie für den Fall, dass sich der Kreditgeber über das pfändbare Vermögen getäuscht hat, sich ein etwaiger Schutz konkret auswirken sollte – irgendwelche Rechte an den Vermögenswerten sind ja nicht übertragen. Dementsprechend schützt auch das Grundbuch in einem solchen Fall nicht unmittelbar: Wer bloß auf Grund der Grundbuch-Eintragung seines Schuldners davon ausgeht, er werde später im Notfall in das Grundstück vollstrecken können, kann unter Umständen leer ausgehen. Immerhin kann solchen un14 Vgl. RGZ 77, 201/208 (zum Faustpfandrecht); heute etwa Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 31; Wieling, Sachenrecht, § 1 II 3 d. 15 Bei der Entstehung der GBO, die parallel zum BGB verlief (vgl. dazu Bauer, in: Bauer/v. Oefele, GBO, Einl. Rdnr. 43), hat der Gesetzgeber ausdrücklich die Formulierung „Die Einsicht des Grundbuchs ist jedem gestattet“ abgelehnt. Publizitätsbedürfnisse bestünden nur insoweit, als es wegen des öffentlichen Glaubens des Grundbuches erforderlich sei (vgl. Maaß, ebd., § 12 Rdnr. 3 und 13) – also nicht gegenüber jedermann. 16 Ebenso M. Bauer, FS Bosch, S. 4 f. 17 Nach Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 68 II 1, kommt in §§ 932 ff. BGB „weniger die Rücksicht auf die besonderen Umstände des Erwerbers als vielmehr das Bestreben zum Ausdruck, die Sicherheit und Leichtigkeit des Geschäftsverkehrs . . . im ganzen zu fördern.“ 18 Zum Schutz des Kreditgebers durch Forderungsurkunde vgl. BGHZ 12, 105/ 109 f.

B. Die Eignung des Besitzes als Publizitätsmittel

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gesichert vertrauenden Dritten aber die prozessuale Vermutungswirkung zugute kommen, sobald sie in die Vermögenswerte vollstrecken: Auch zu ihren Gunsten wird im Streitfalle nämlich vermutet, dass der Inhalt des Grundbuchs (bzw. des Erbscheins) zutrifft, §§ 891, 2365 BGB, dass also der eingetragene Vollstreckungsschuldner auch der wahre Berechtigte ist. 2. Der Schutz des Rechtsinhabers Die Vermutungswirkung kann aber vor allem auch dem Rechtsinhaber zugute kommen, der so des mitunter schwierigen Nachweises über seine Berechtigung enthoben ist. Er kann sich im Prozess auf der sein Recht indizierenden Tatsachenlage „ausruhen“; will sich ein anderer auf eine abweichende Rechtslage berufen, trägt dieser die volle Beweislast. Fallen freilich Publizitätsmittel (etwa der Grundbucheintrag) und wahre Rechtslage auseinander, kommt diese Wirkung ebenso dem Nichtberechtigten zugute und kann sich sogar gegen den Rechtsinhaber wenden. Zudem kann unter Umständen auch der Rechtsinhaber davon profitieren, dass sich sein Geschäftspartner auf das Publizitätsmittel verlassen kann und so etwa bei der Veräußerung des Rechts umständliche Nachforschungen sowie gegebenenfalls Sicherungsmechanismen überflüssig sind. Dieser gewissen Erleichterung der Verkehrsfähigkeit steht aber der zusätzliche Aufwand durch das Einhalten von Publizitätserfordernissen gegenüber, im Grundstücksrecht etwa in Form der Gebühren für Notar und Grundbuchamt.

B. Die Eignung des Besitzes als Publizitätsmittel Soll nun also bei den beweglichen Sachen der Besitz als Publizitätsmittel dienen, ist zunächst zu klären, inwieweit Besitz überhaupt nach außen erkennbar wird. Wenn allgemein vom „Besitz“ als Publizitätsträger die Rede ist, muss man sich darüber im Klaren sein, dass unter den Begriff des „Besitzes“ recht unterschiedliche Phänomene fallen. Das Gesetz unterscheidet zwischen unmittelbarem Besitz, also der tatsächlichen Gewalt über eine Sache, § 854 Abs. 1 BGB (hierzu zählt auch die Ausübung mittels eines Besitzdieners, § 855 BGB) und mittelbarem Besitz, also einer Situation, in der anstelle des und für den mittelbaren Besitzer vermöge eines bestimmten Rechtsverhältnisses ein unmittelbarer Besitzer die tatsächliche Gewalt ausübt, § 868 BGB. Je nachdem, ob der Besitzer (sei er unmittelbarer oder mittelbarer) die Sache als ihm selbst oder einem Dritten (d.h. einem höherstufigen mittelbaren Besitzer) gehörend besitzt, differenziert das Gesetz zudem in Eigen- und Fremdbesitz, § 872 BGB. Mittelbarer bzw. unmittelbarer und Eigen- bzw. Fremdbesitz lassen sich beliebig kombinieren.

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Kap. 1: Publizität und Besitz als möglicher Anknüpfungspunkt

I. Die Erkennbarkeit unmittelbaren Besitzes Ohne Weiteres nach außen tritt dabei allenfalls der unmittelbare Besitz, zumindest im Grundfall der Ausübung tatsächlicher Sachherrschaft durch den unmittelbaren Besitzer. Allerdings muss die tatsächliche Sachherrschaft nicht nach außen erkennbar ausgeübt werden, sondern kann auch verheimlicht werden, etwa bei der Aufbewahrung wertvoller Gegenstände in einem Tresor19. Auch dort könnte der Besitz aber immerhin negative Publizitätswirkung haben, indem Nichtberechtigte von ihm ausgeschlossen bleiben; zudem wird der unmittelbare Besitzer gerade in den Konfliktfällen – im Rahmen der Übereignung oder des prozessualen Streits um das Eigentum – seinen Besitz offenbaren. Daneben schwindet die Sichtbarkeit auch des unmittelbaren Besitzes mit der Vergeistigung der tatsächlichen Sachherrschaft: Was genau tatsächliche Sachherrschaft ist, scheint zwar im Kernbereich klar; durchaus undeutlich wird es aber bei den „Randerscheinungen“ gelockerter Sachherrschaft, wenn etwa der Besitzer im Urlaub ist, wenn er sein Fahrrad für kurze Zeit (unabgeschlossen) vor einem Geschäft abstellt oder wenn er seine Wäsche zum Trocknen in einen gemeinschaftlich genutzten Hof hängt: Ist hier bloße räumlich-physische Nähe entscheidend? Ist es die Wahrscheinlichkeit, dass der Besitzer erfolgreich auf die Sache werde zugreifen können20? Man wird dies von Fall zu Fall nach der Verkehrsanschauung21 beurteilen können – womit zugleich immerhin eine gewisse Erkennbarkeit nach außen gewahrt bliebe. Dennoch löst sich die äußerliche Erkennbarkeit der Besitzbeziehung durch derartige Vergeistigung mehr und mehr auf, wie die Übertragung des gelockerten unmittelbaren Besitzes nach § 854 Abs. 2 BGB deutlich macht: Hier reicht die bloße Einigung für den Besitzübergang aus, so dass, wer von dieser Absprache nichts weiß, auch den Besitzwechsel nicht wahrnehmen kann. Ausformung einer gewissen Vergeistigung ist auch der Mitbesitz nach § 866 BGB, der je nach Eigenart der Sache durchaus so ausgeformt sein kann, dass die Sache mal vom einen, mal vom anderen Mitbesitzer allein genutzt wird; der gemeinschaftliche Besitz ist also zumindest nicht durchgehend als solcher nach außen erkennbar. 19 Insofern kann der unmittelbare Besitz – anders als die Grundbucheintragung – bewusst vor der Außenwelt geheimgehalten werden, vgl. MK/Joost, § 854 BGB, Rdnr. 13 m. w. N.; anders, aber unzutreffend teilweise die h. M., etwa: BGHZ 44, 27/32. 20 So Kegel, FS v. Caemmerer, 149/153. 21 So die h. M., etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7 B II 1 a, Rdnr. 5. Als Definition taugt das freilich kaum, bildet vielmehr weitgehend eine Leerformel, kritisch deshalb etwa MK/Joost, § 854 BGB, Rdnr. 4; Kegel, a. a. O., S. 150 f.; Heck, Sachenrecht, § 5, 5 f.

B. Die Eignung des Besitzes als Publizitätsmittel

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Die nächste Verwirrung droht beim Besitzdiener (§ 855 BGB), bei dem selbst tatsächliche Gewalt und unmittelbarer Besitz auseinanderfallen. Die einfachste Möglichkeit, dies mit größtmöglicher Publizität im Einklang zu halten, bestünde darin, als Besitzdiener nur denjenigen anzuerkennen, der für den aufmerksamen Beobachter äußerlich als weisungsgebunden erkennbar ist (das Au-Pair-Mädchen im Haushalt, der Arbeitnehmer im Büro bzw. in Firmenkleidung)22. Dafür spricht, dass das Institut des Besitzdieners im Wesentlichen die Verkehrsanschauung dahingehend nachzeichnen soll, dass derjenige, der die Sachherrschaft gänzlich weisungsgebunden ausübt, keine Rechte aus Besitz haben soll, sondern diese Rechte allein dem Weisungsgeber zukommen23. Bei solcher Begriffsbestimmung würde sich auch im Rahmen des § 935 BGB das Problem des Abhandenkommens durch Unterschlagung des Besitzdieners weniger häufig stellen, weil zumindest der direkte Erwerber dann nicht an das Eigentum des erkennbaren Besitzdieners glauben dürfte. Jedoch sollte nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch der außer Haus tätige Dienstbote umfasst sein; ohnehin sollte es für die Qualifizierung als Besitzdienerschaft entscheidend auf das Rechtsverhältnis zwischen Besitzherrn und -diener ankommen – dass damit „in den Besitzprozeß eine Rechtsfrage hineinzuziehen“ sei, war dem Gesetzgeber durchaus bewusst24. Die andere Möglichkeit bestünde darin, das Institut des Besitzdieners nur im Rahmen des Besitzschutzes nach §§ 858 ff. BGB anzuwenden, nicht aber gegenüber Dritten. Das ließe sich zwar mit der systematischen Stellung des § 855 BGB durchaus rechtfertigen, allerdings erschiene die unterschiedliche Verwendung von Besitzbegriffen in den §§ 854 ff. gegenüber den §§ 929 ff. BGB zumindest unschön und verwirrend. Immerhin könnte so aber die Erkennbarkeit des unmittelbaren Besitzes erhöht werden. Teilweise formt schon das Gesetz den unmittelbaren Besitz als reines Rechtsverhältnis aus, nämlich beim fingierten Besitz des wahren Erben nach § 857 BGB. Auch das betrifft aber vor allem den Besitzschutz sowie den Schutz gegen redliche Veräußerung der Erbschaftsgegenstände (der wahre Erbe wird durch § 935 BGB geschützt). Beim wahren Erben selbst ist die fehlende Ersichtlichkeit seines fiktiven Besitzes kein Problem: Er hat lediglich mehr Rechtsmacht als nach außen erkennbar ist. Beim besitzenden Nicht-Erben ist die Situation unter Publizitätsgesichtspunkten im Grunde nicht anders als beim Dieb25: Beide sind zwar nach außen als In22

So etwa RGZ 77, 201/209; Staud/Wiegand, § 935 BGB, Rdnr. 14 m. w. N. Prot. 3340 f. = Mugdan III 504. 24 Prot. 3341 = Mugdan III 504. 25 Dazu noch Kap. 4, A. III. 2., S. 251 ff. – Demgegenüber betont Süss, FS Wolff, S. 150, Fn. 26, die zusätzliche Vergeistigung des Besitzbegriffes durch den Erbenbesitz und sieht dies als weitere Zerstörung der Publizitätsfunktion des Besitzes. 23

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Kap. 1: Publizität und Besitz als möglicher Anknüpfungspunkt

haber der tatsächlichen Sachherrschaft zu erkennen; Publizitätsfolgen ergeben sich daraus aber nicht.

II. Der mittelbare Besitz Kann man also beim unmittelbaren Besitz in der Regel noch von gewisser Erkennbarkeit ausgehen, wird das beim mittelbaren Besitz um einiges diffuser. Ohne Weiteres nach außen wahrnehmbar ist er mangels tatsächlicher Sachherrschaft sicher nicht. Sähe man allerdings sowohl die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB als auch die Gutglaubenstatbestände der §§ 932 ff. BGB als Ausfluss von Publizitätsgesichtspunkten an, so käme man zu der widersprüchlichen Feststellung, dass einerseits der mittelbare Besitz nach § 1006 Abs. 3 BGB das Eigentum prozessual hinreichend anzeigen und auch für den gutgläubigen Erwerb durch Übertragung mittelbaren Besitzes genügen soll (§ 934 Alt. 1 BGB), andererseits der durch Besitzkonstitut begründete mittelbare Besitz des Erwerbers weder zum gutgläubigen Erwerb (§ 933 BGB) noch zur Pfandrechtsbestellung (§ 1206 BGB) ausreicht. Derart widersprüchliche Einschätzungen zur Publizität des mittelbaren Besitzes, die im Rahmen des Besitzkonstituts eindeutig verneint, im Übrigen aber zumindest nicht ausgeschlossen wird, finden sich bereits in der Gesetzesbegründung26 und setzen sich bis heute in der Literatur27 fort. 26 Verneinend Mot. III 801 = Mugdan III 447 (zum Faustpfandrecht): bei einem Pfandrecht durch Besitzkonstitut träte „das dem Rechtsverhältnisse entsprechende thatsächliche Verhältnis äußerlich weit weniger deutlich hervor“; auch bringe „die mit der Zulassung des const. poss. verknüpfte Unersichtlichkeit des Rechtsverhältnisses“ beim Pfandrecht besondere Gefahren mit sich. Andererseits sollte nach Mot. III 333 = Mugdan III 185 ein Auseinanderfallen von „Besitz“ und Eigentum vermieden werden, um so das Eigentum – wenn auch unvollkommen – kundbar zu machen. Dabei ist zu beachten, dass „Besitz“ nach der Terminologie der Motive Eigenbesitz meint, während der unmittelbare Besitz als „Inhabung“ bezeichnet und ausdrücklich vom „Besitz“ unterschieden wurde (vgl. §§ 803 ff. E I, abgedruckt bei Mugdan III, S. V). Ebenso für den gutgläubigen Erwerb Mot. III 344 = Mugdan III 191: „Bei beweglichen Sachen bilden an Stelle des Grundbuches Inhabung [d.h.: tatsächliche Sachherrschaft] und Besitz [d.h.: Eigenbesitz] des Veräußerers die Vertrauensgrundlage“. 27 Verneinend Süss, FS Wolff, S. 149 f. In der Regel wird die mangelnde Publizität des mittelbaren Besitzes beim Besitzkonstitut vorausgesetzt: im Rahmen der Sicherungsrechte etwa Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 786; Brehm/Berger, Sachenrecht, § 30.5; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 55 A I 3 c aa, Rdnr. 6 und § 59 A I 3, Rdnr. 5; im Rahmen des § 933 BGB auch Hartung, Besitz und Sachherrschaft, S. 271; Picker, AcP 188 [1988], 511/521 ff.; Kindl, AcP 201 [2001], 391/396. – Für die Publizität mittelbaren Besitzes dagegen (allerdings ohne Begründung): Canaris, FS Flume, S. 416.

B. Die Eignung des Besitzes als Publizitätsmittel

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1. Die Definition mittelbaren Besitzes zwischen objektivem Herausgabeanspruch und subjektivem Fremdbesitzmittlungswillen Angesichts dieses nicht ganz eindeutigen Befundes erscheint eine nähere Betrachtung der für den mittelbaren Besitz konstitutiven Elemente angezeigt. Der Wortlaut des § 868 BGB setzt zunächst lediglich voraus, dass der unmittelbare Besitzer die Sache „als“ Besitzmittler in einem Verhältnis besitzt, vermöge dessen er dem Oberbesitzer gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist; ob der unmittelbare Besitzer dinglich (nämlich beim Nießbrauch oder Pfand) oder lediglich obligatorisch (bei Pacht, Miete, Verwahrung o. ä.) berechtigt ist, spielt dabei keine Rolle. Umstritten ist nun, ob der mittelbare Besitz eher aus der Perspektive des Oberbesitzers oder aus derjenigen des Besitzmittlers zu definieren ist: Zum Teil wird der mittelbare Besitz nämlich allein aus dem Herausgabeanspruch des Oberbesitzers abgeleitet28. Dieser Herausgabeanspruch kann, muss sich aber nicht aus dem dem Besitzmittlungsverhältnis zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verhältnis (z. B. Miete) ergeben. Denn dass der mittelbare Besitz unabhängig von der rechtlichen Wirksamkeit dieses Grundverhältnisses bestehen kann, ist im Anschluss an die Gesetzgebungsmaterialien unbezweifelt29; ausreichen soll vielmehr etwa der Herausgabeanspruch aus Eigentum nach § 985 BGB. Nach diesem Ansatz, der stark auf die Schutzwürdigkeit des Oberbesitzers abstellt, würde der mittelbare Besitz letztlich als Rechtsverhältnis qualifiziert, so dass auf Grund der Abhängigkeit von rechtlichen Voraussetzungen eine irgendwie geartete Erkennbarkeit von vornherein ausgeschlossen wäre: Da der unsichtbare Herausgabeanspruch unter Umständen auch den unmittelbar Beteiligten (insbesondere dem unmittelbaren Besitzer) nicht bekannt ist, könnte nicht einmal eine Nachfrage beim unmittelbaren Besitzer sicheren Aufschluss über den mittelbaren Besitz geben. Letztlich müsste es im Gefolge dieses Ansatzes auch abwegig erscheinen, das eine Rechtsverhältnis – den mittelbaren Besitz – als Publizitätsmittel für das andere Rechtsverhältnis – das dingliche Recht, insbesondere das Eigentum – einzusetzen. 28

Insbesondere Boehmer, Grundlagen II 2, S. 41 ff.; neuerdings Hartung, Besitz und Sachherrschaft, S. 285 ff.; im Rahmen „gesetzlicher“ Besitzmittlungsverhältnisse auch BGHZ 9, 73/78 ff.; BGH NJW 1953, 1868; Palandt/Bassenge, § 868 BGB, Rdnr. 7 a. E. – Diese Ansicht vermag aber letztlich nicht zu erklären, weshalb nicht auch der Eigentümer im Verhältnis zum Dieb mittelbarer Besitzer sein kann, obwohl er einen Herausgabeanspruch hat (kritisch deshalb auch MK/Joost, § 868 BGB, Rdnr. 17). 29 Vgl. Prot. 6071 = Mugdan III 517; sowie BGHZ 10, 81/87; 96, 61/65; Staud/ Bund, § 868 BGB, Rdnr. 16, 23; MK/Joost, § 868 BGB, Rdnr. 15; Baur/Stürner, § 7 B III 1 b dd, Rdnr. 45; selbst Hartung, a. a. O., S. 288.

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Kap. 1: Publizität und Besitz als möglicher Anknüpfungspunkt

Die Gegenposition stellt allein auf den Blickwinkel des unmittelbaren Besitzers ab: Entscheidend soll danach ausschließlich sein rein tatsächlicher Fremdbesitzerwille sein, also sein Wille, den Besitz einem bestimmten Dritten zu mitteln30; rechtliche Gesichtspunkte sollen demgegenüber keine Rolle spielen. Damit bestünde für Außenstehende immerhin eine gewisse Möglichkeit, sich über das Besitzmittlungsverhältnis zu unterrichten, nämlich durch Nachfrage beim unmittelbaren Besitzer – vorausgesetzt, dieser gibt wahrheitsgemäß Auskunft über seinen Besitzmittlungswillen. Herrschend dürfte eine Kombination aus beiden Ansätzen sein, die für ein Besitzmittlungsverhältnis sowohl einen objektiv bestehenden Herausgabeanspruch des Oberbesitzers (der sich aber nicht unbedingt aus dem Grundverhältnis ergeben muss, sondern bei unwirksamem Grundverhältnis auch aus § 985 BGB oder §§ 812, 1007 BGB folgen kann) als auch subjektiv einen entsprechenden und fortbestehenden Besitzmittlungswillen beim Besitzmittler fordert31. Unter dem Gesichtspunkt der Erkennbarkeit steht diese Kombination letztlich dem rein objektiv-rechtlichen Verständnis des mittelbaren Besitzes gleich: Auf Grund der Abhängigkeit zumindest auch vom rein rechtlichen Erfordernis des Herausgabeanspruches wäre eine tatsächliche Wahrnehmbarkeit ausgeschlossen. 2. Die Beendigung durch den Besitzmittler Besondere Schwierigkeiten mit Blick auf die Erkennbarkeit birgt die Beendigung des mittelbaren Besitzes: Nach dem subjektiven und dem herrschenden gemischten Ansatz kann der Besitzmittler von sich aus den mittelbaren Besitz beenden, indem er den Oberbesitzer nicht mehr anerkennt. Allerdings soll dafür nicht bereits jede innere Änderung der Willensrichtung ausreichen, sondern seine Willensänderung muss sich irgendwie nach außen manifestieren: Das kann etwa durch ausdrückliche Aufkündigung gegenüber dem Oberbesitzer geschehen; andererseits muss die Willensänderung aber nicht für den Oberbesitzer erkennbar werden32. Es reicht vielmehr aus, 30 So Wieling, Sachenrecht, § 6 II 1 b; ders., AcP 184 [1984], 439/446 ff.; wohl auch Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 82 f. – Hinzukommen muss selbstverständlich ein entsprechender Wille des Oberbesitzers. 31 Etwa MK/Joost, § 868 BGB, Rdnr. 15 und 17; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7 B III 1 b dd, Rdnr. 43 ff., sowie 3 b und c, Rdnr. 58 ff.; ebenso die Rechtsprechung außerhalb „gesetzlicher“ Besitzmittlungsverhältnisse: BGHZ 10, 81/87; 96, 61/65; auch Palandt/Bassenge, § 868 BGB, Rdnr. 6. – Durch das aufrechterhaltene Erfordernis eines Herausgabeanspruches kann aber der Nichtberechtigte, der sich für den Eigentümer hält, unter Umständen nicht mittelbarer Besitzer werden (etwa wenn ihm ein Geschäftsunfähiger die Sache durch Besitzkonstitut nach § 930 BGB übereignet hat) – und zwar trotz etwa bestehenden Besitzmittlungswillens. 32 RGZ 135, 75/78; BGH NJW 1979, 2037/2038.

B. Die Eignung des Besitzes als Publizitätsmittel

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dass der unmittelbare Besitzer „in einer den mittelbaren Besitzer ausschließenden Weise über die Sache verfüge“33. Demgegenüber müsste vom Ausgangspunkt des objektiv-rechtlichen Ansatzes der mittelbare Besitz grundsätzlich außerhalb der subjektiven Disposition des Besitzmittlers stehen. Danach soll der Besitzmittler den mittelbaren Besitz vor allem dadurch beenden, dass er seinerseits den unmittelbaren Besitz aufgibt, etwa durch (nach außen sichtbare) Übergabe an einen Dritten34. Teilweise wird zumindest eine für den bisherigen Oberbesitzer erkennbare Aufgabe, also insbesondere eine ausdrückliche Aufkündigung, für erforderlich gehalten35. Damit wären die Publizitätserfordernisse verschoben: Während grundsätzlich der mittelbare Besitz nicht nach außen sichtbar wird, müsste sein Ende zumindest dem Oberbesitzer erkennbar sein. 3. Die fehlende Erkennbarkeit Wie erkennbar ist also der mittelbare Besitz bzw. sein Ende? Gesetzeswortlaut und Entstehungsgeschichte dürften insoweit eindeutig den Ausschlag geben, dass (wenn nicht ausschließlich, so doch zumindest auch) der subjektive Besitzwille des unmittelbaren Besitzers entscheidend ist. Das zeigt bereits der Vergleich zur gesetzlichen Definition des Eigenbesitzes: Während der Eigenbesitzer die Sache „als ihm gehörend“ besitzt (§ 872 BGB), ist für den mittelbaren Besitz kennzeichnend, dass der unmittelbare Besitzer die Sache „als Mieter“ o. ä. (§ 868 BGB) besitzt; der Unterschied liegt also vor allem in seiner Willensrichtung36. Alles spricht daher dafür, für den mittelbaren Besitz zu fordern, dass der unmittelbare Besitzer subjektiv „zur Herausgabe bereit ist“ – so formuliert es § 809 ZPO ausdrück33 Prot. 3738 = Mugdan III 517 (dort auch zur Aufkündigung). Der Begriff des „Verfügens“ ist dabei zwar nicht unbedingt technisch, d.h. im Sinne eines sachenrechtlichen Verfügungsgeschäftes zu verstehen (das lehrt das Beispiel der Aufkündigung); vielmehr wird im Normalfall schon der Verkauf im Sinne eines schuldrechtlichen Kaufvertrages genügen. Erforderlich ist aber eben ein „Ausschluss des mittelbaren Besitzers“, so dass der bloß innerliche Akt der Willensänderung außer Betracht bleibt, vielmehr eine äußerliche Manifestation erforderlich ist. Vgl. noch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B IV 2 c aa, Rdnr. 23; Wieling, Sachenrecht, § 6 III 3 b. 34 Boehmer, Grundlagen II 2, S. 41 ff.; Hartung, Besitz und Sachherrschaft, S. 271, 281 ff.; teilweise auch Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 241 ff.; Picker, AcP 188 [1988], 511/521 ff.; Kindl, AcP 201 [2001], 391/396. 35 So Hager, WM 1980, 666/670 f., um dem unmittelbaren Besitzer wirksame Veruntreuungen zu erschweren. – Ähnlich im Ergebnis die Lehre vom sog. „Nebenbesitz“: etwa Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 69 II 2 d, Fn. 22; Wieling, Sachenrecht, § 6 III 3 b; Medicus, BR, Rdnr. 558; dazu unten Kap. 4, A. II. 2. a) (4), S. 218 ff. 36 Zur Betonung der subjektiven Willensrichtung des unmittelbaren Besitzers vgl. auch Prot. 3733 f. = Mugdan III 515.

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Kap. 1: Publizität und Besitz als möglicher Anknüpfungspunkt

lich für die Vollstreckung in den mittelbaren Besitz des Schuldners. Dementsprechend muss auch die Beendigung des mittelbaren Besitzes vom Willen des Besitzmittlers abhängen, ohne dass dies dem Oberbesitzer erkennbar sein müsste. Bleibt damit zumindest eine indirekte Wahrnehmbarkeit des mittelbaren Besitzes durch Nachfrage beim Besitzmittler (dessen tatsächliche Sachherrschaft wiederum sichtbar ist)? Nach dem herrschenden Kombinationsmodell ist das schon wegen des rein rechtlichen Erfordernisses eines bestehenden Herausgabeanspruches zu verneinen. Aber auch wenn man mit dem subjektiven Ansatz nur auf den Fremdbesitzwillen abstellt, lässt sich eine „Erfragbarkeit“ nicht durchgängig bejahen, so dass eine Entscheidung zwischen den Ansätzen im hiesigen Kontext entbehrlich scheint37: Denn nach § 870 BGB kann der mittelbare Besitz durch schlichte Abtretung des (vermeintlichen) Herausgabeanspruchs vom einen Oberbesitzer auf den nächsten übergehen, ohne dass der Besitzmittler darüber informiert werden müsste; in diesem Fall würde also der Besitzmittler selbst auf Nachfrage unzutreffend den bisherigen Oberbesitzer benennen. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass weder der andauernde mittelbare Besitz noch dessen Beendigung (sei es durch den sich zum Eigenbesitzer „aufschwingenden“ Besitzmittler, sei es durch den nach § 870 BGB zedierenden Oberbesitzer) nach außen erkennbar sind bzw. der Erkennbarkeit bedürfen. Allenfalls muss sich die Beendigung des Besitzes durch äußerliche Handlungen manifestieren, die aber nicht für die jeweils Betroffenen von vornherein erkennbar sein müssen. 4. Eigen- und Fremdbesitz Die Unterscheidung zwischen Eigen- (§ 872 BGB) und Fremdbesitz betrifft ebenfalls die subjektive Willensrichtung des unmittelbaren Besitzers und ist damit nicht unmittelbar wahrnehmbar. Immerhin lässt sich diese Willensrichtung aber in der Regel durch Nachfrage beim unmittelbaren Besitzer ermitteln.

37 Die Gesetzgebungsgeschichte dürfte freilich deutlich dafür sprechen, dass es sich beim Besitz insgesamt um kein rechtlich, sondern um ein ausschließlich durch tatsächliche Faktoren geprägtes Institut handeln sollte, vgl. Prot. 3341 = Mugdan III 504 (zum Besitzdiener, wo das Mitwirken rechtlicher Faktoren ausdrücklich als systemfremd problematisiert ist).

B. Die Eignung des Besitzes als Publizitätsmittel

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III. Die von Publizität unabhängige, rein tatsächliche Dimension des Besitzes Damit kommt als Publizitätsmittel im Recht der beweglichen Sachen allenfalls der unmittelbare Besitz in Betracht. Aber auch er unterscheidet sich in einem ganz entscheidenden Punkt vom Grundbuch, der trotz seiner Selbstverständlichkeit nicht deutlich genug betont werden kann: Während das Grundbuch allein dem Zweck dient, Rechtsveränderungen nachzuvollziehen und anzuzeigen, hat der unmittelbare Besitz vor allem eine tatsächliche Funktion: Er ermöglicht es, den tatsächlichen Nutzen aus der Sache zu ziehen. Nun zeigen die vielfältigen Konstellationen mittelbaren Besitzes, dass den Parteien aus ganz unterschiedlichen Motiven daran gelegen sein kann, die unmittelbare Nutzungsmöglichkeit dem einen oder anderen zu übertragen, ohne dass eine Änderung der dinglichen Rechtslage angestrebt wäre. Denn selbstverständlich kann die Übergabe zu allen möglichen Zwecken erfolgen – etwa zur Erfüllung eines Miet-38, Pacht- oder Leihverhältnisses, zur Reparatur, sonst zur Be- bzw. Umarbeitung im Rahmen eines Werkvertrages oder zur Verwahrung (ausdrücklich erwähnt § 688 BGB die „übergebene“ Sache). Im Übrigen ist selbst in denjenigen Fällen, in denen mit der Übergabe der Erwerb eines dinglichen Rechts bezweckt ist, nach außen nicht ersichtlich, welches Recht erworben wird, weil die Übergabe ebenso dem Eigentumserwerb (§ 929 BGB) wie der Bestellung eines Pfandrechts (§ 1205 BGB) oder eines Nießbrauchs (§ 1032 BGB) dienen kann. Es gilt also nicht nur, dass nicht jede Übergabe automatisch einen Eigentumswechsel bewirkt – das ist ja bei der (unzutreffenden) Eintragung im Grundbuch letztlich ebenso. Vielmehr ist nicht einmal bei jeder Übergabe ein Rechtswechsel bezweckt – anders als bei der Registerpublizität, wo eine bestimmte Eintragung (etwa der Grundstücksübereignung oder der Prokurabestellung) niemals zu anderen Zwecken als zur Bewirkung oder zum Nachvollzug dinglicher Rechtsänderung erfolgt und auch nichts anderes als die eingetragene Rechtsänderung bedeuten kann. Damit entfällt im Grunde bereits eine denkbare Schutzrichtung von Publizitätserfordernissen im Rahmen der Übereignung: Es geht offenbar nicht darum, die Gläubiger des Erwerbers in der Weise zu schützen, dass sie grundsätzlich darauf vertrauen dürften, alles, was ihr Schuldner zu Besitz erhalte, stehe in seinem Eigentum und damit als Vollstreckungsobjekt zur Verfügung. Denn ob der Besitzer durch Übergabe Eigentümer oder lediglich Mieter werden soll, hängt allein von den zweiseitigen Vereinbarungen der an der Übergabe Beteilig38 Obgleich § 535 Abs. 1 BGB nicht von „Übergabe“, sondern nur von der Pflicht des Vermieters spricht, dem Mieter „den Gebrauch der Mietsache . . . zu gewähren“, wird doch die Mietsache zum Zwecke des Gebrauchs in aller Regel übergeben werden: vgl. auch BGHZ 65, 137/139 f.

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Kap. 1: Publizität und Besitz als möglicher Anknüpfungspunkt

ten ab. Diese Vereinbarungen sind aber nicht offenkundig (allenfalls sind sie beim Veräußerer oder dem Erwerber erfragbar). Ein Prinzip positiver Publizität in dem Sinne, dass jedes Mal, wenn ein bestimmter Publizitätstatbestand (hier: die Übergabe) erfüllt wird, daraus auf das Vorliegen einer bestimmten Rechtsfolge (hier: Rechtserwerb) geschlossen werden dürfte, kann bei den beweglichen Sachen also nicht bestehen.

Kapitel 2

Die Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes Nach allgemeiner Meinung ist eine Ausprägung des Publizitätsprinzips die so genannte Übertragungs- bzw. Erwerbswirkung1. Allerdings entspricht es ebenso allgemeiner Erkenntnis, dass bei der Übertragung von Rechten an beweglichen Sachen zumindest Ausnahmen vom Publizitätsprinzip bestehen2; teilweise wird weiter eingeschränkt, die Ausnahmen führten zur „Unkenntlichkeit“ des Publizitätsprinzips3 bzw. es beschränke sich „eigentlich auf das Pfandrecht“4. Von einem Publizitätsprinzip könnte indes nur die Rede sein, wenn entweder ein Rechtserwerb ohne eine nach außen erkennbare, „publike“ Veränderung nicht möglich wäre oder jedenfalls regelmäßig eine solche Veränderung voraussetzte, wobei die Ausnahmen begrenzt bleiben müssten und jeweils einer Rechtfertigung bedürften. Nicht aus dem Blickfeld dürfen dabei die denkbaren Schutzrichtungen von Publizitätselementen geraten. Als schutzbedürftige Personen kämen zunächst die an der Übertragung unmittelbar Beteiligten in Frage, also der Veräußerer und der Erwerber – nämlich vor einem für sie nicht erkennbaren Rechtswechsel. Geschützt werden könnten aber vor allem Dritte, die entweder Gläubiger oder sonst Geschäftspartner eines der Beteiligten sind: Auf Seiten des Veräußerers könnte ihnen durch die Publizität der Übertragung erkennbar werden, dass die übertragene Sache nun nicht mehr beim Veräußerer als Vollstreckungs-, Beleihungs- oder Erwerbsobjekt zur Verfügung steht; das betrifft die Frage, ob jede Übereignung oder sonstige Übertragung eines dinglichen Rechts der Publizierung bedarf. Spiegelbildlich könnten Gläubiger und sonstige Geschäftspartner des Erwerbers in ihrem Glauben daran geschützt sein, dass die Sache nunmehr beim Erwerber als Vollstreckungsobjekt etc. vorhanden ist. Das betrifft letztlich die Frage, inwieweit von einem erkennbaren Wechsel im Besitz auf einen Wechsel im Recht geschlossen werden darf – dass dieser Rückschluss nicht stets und generell erlaubt sein kann, ergibt sich ja bereits aus der ausgeführten tat1 2 3 4

Vgl. die Nachweise oben Einleitung, S. 21, Fn. 1. Vgl. etwa MK/Rinne, Einl. z. Sachenrecht, Rdnr. 21. Staud/Seiler, Einl. z. Sachenrecht, Rdnr. 57. Heck, Sachenrecht, § 1, 10 b.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

sächlichen Funktion des Besitzes, der auch zu anderen Zwecken als einem Rechtswechsel übergeben werden kann5. Dementsprechend soll bei der Prüfung der gesetzlichen Ausgangslage auf etwaige Publizitätserfordernisse im Folgenden unterschieden werden zwischen einerseits der punktuellen Handlungspublizität, also der Erkennbarkeit des Zeitpunkts des Rechtswechsels, andererseits der Zustandspublizität in Form der vorher beim Veräußerer bzw. nachher beim Erwerber bestehenden Besitzzustände und deren Erkennbarkeit.

A. Der rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb vom Berechtigten Als Ausgangspunkt der Untersuchung zur Erwerbspublizität bieten sich die Regelungen zum Eigentumserwerb (vom Berechtigten) nach §§ 929 bis 931 BGB an.

I. Die gesetzliche Ausgangslage 1. Die „Übergabe“ nach § 929 S. 1 BGB Der erste Satz dieser Vorschriften enthält auf den ersten Blick starke Publizitätselemente: Die rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung erfordert nach § 929 S. 1 BGB über die Einigung hinaus, dass die Sache „übergeben“ wird; neben das rechtsgeschäftliche muss also grundsätzlich ein tatsächliches Vollzugselement treten. Das Modell der körperlichen Übergabe erweist sich dabei unter Publizitätsgesichtspunkten als optimal: Zum Einen schafft sie grundsätzlich Handlungspublizität, indem der Zeitpunkt des Rechtsübergangs mit dem der sichtbaren Verschiebung der tatsächlichen Sachherrschaft zusammenfällt; zum Anderen ist aber auch Zustandspublizität gewährleistet, weil die Sache sich vor der Übereignung beim Veräußerer befand, also dessen bisheriges Eigentum anzeigen konnte, und sie sich nach der Übereignung beim Erwerber befindet, also nun sowohl dessen neues Eigentum als auch das Erlöschen beim Veräußerer anzeigen kann. Die Rechtsänderung wäre also ebenso versinnbildlicht wie die jeweiligen Rechtszustände bei Veräußerer und Erwerber. Zumindest hinsichtlich des Zeitpunkts der Rechtsänderung ist allerdings einschränkend zu berücksichtigen, dass die Parteien die Übergabe auch 5 Etwa wenn die Übergabe nur zur Gebrauchsüberlassung im Rahmen der schuldrechtlichen Miete erfolgt; vgl. oben Kap. 1, B. III., S. 43.

A. Der Eigentumserwerb vom Berechtigten

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durchaus im Verborgenen vollziehen können, der Grad ihrer Offenkundigkeit damit ins Belieben der an der Übergabe Beteiligten gestellt ist. Für interessierte Dritte erkennbar kann allenfalls die Folge der Übergabe sein, und auch hier im Wesentlichen nur deren negative Seite, dass nämlich der Veräußerer die Sache nicht mehr hat. Denn der Erwerber kann sie wiederum zwar in seiner tatsächlichen Gewalt haben, aber gleichwohl versteckt halten. Dritte können dann zwar zumindest beim Veräußerer nicht mehr auf Grund seines Besitzes in seine Eigentümerstellung vertrauen (negative Publizität); positive Publizität in dem Sinne, dass die Sache nunmehr bei ihm erkennbar als Sicherheit zur Verfügung steht, ist aber nicht zwingend6. Indes ist der Begriff der „Übergabe“ im Gesetz nicht eindeutig definiert; es fragt sich daher, was genau unter „Übergabe“ zu verstehen ist und welche Elemente erforderlich sind, um von einer Übergabe sprechen zu können. Insbesondere: Kommt es auf nach außen erkennbare Elemente an? Der bisher behandelte Grundfall der körperlichen Übergabe ist deshalb so unproblematisch, weil hier alle für die Abgrenzung möglicherweise relevanten rechtlichen und tatsächlichen Elemente jeweils vor Übergabe in der Person des Veräußerers und nach Übergabe in derjenigen des Erwerbers zusammenfallen: Eigentum, Eigenbesitz, unmittelbarer Besitz, (offensichtliche) tatsächliche Gewalt und alleinige Zugriffsmöglichkeit. Es ist aber zumindest denkbar, dass der Begriff der „Übergabe“ darüber hinaus noch weitere Fälle erfasst: Ist etwa auch die Anweisung an den unmittelbaren Besitzer, von nun an für den Erwerber zu besitzen, eine „Übergabe“7? Wie steht es mit der Übereignung an den Besitzdiener, der zwar schon zuvor die tatsächliche Sachgewalt innehatte, aber noch nicht Besitzer war (§ 855 BGB)? Beide Konstellationen zeichnen sich dadurch aus, dass die tatsächliche Gewalt nicht wechselt, wohl aber der (Eigen-)Besitz; im ersten Fall ändert sich auch am unmittelbaren Besitz nichts. Zwar dürfte nach natürlichem Sprachgebrauch das Element des „Gebens“ eine körperliche (d.h. äußerlich sichtbare) Sachveränderung nahe legen. Zwingend ist das aber nicht; ebenso gut ist ein technischer Übergabebegriff denkbar8. Entsprechend unterschieden die Motive – allerdings ausgehend von dem im Mobiliarsachenrecht vom späteren BGB grundlegend abweichenden Entwurf der 1. Kommission – noch deutlich zwischen „Übergabe“ und „kör6 Dem entspricht es, wenn die zwangsweise Durchsetzung einer Übereignungsund Übergabeverpflichtung in der Zwangsvollstreckung nach § 897 ZPO lediglich die „Wegnahme“ beim Schuldner erfordert. 7 So ausdrücklich („Übergabe mittels Anweisung“) Prot. 3693 = Mugdan III 628 o. 8 Dass gerade im Sachenrecht nicht ohne Weiteres auf den natürlichen Sprachgebrauch abgestellt werden kann, zeigt das Beispiel des Besitzes: Der natürliche Sprachgebrauch unterscheidet zwischen „Besitz“ und „Eigentum“ nicht.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

perlicher Übergabe“. Unter „Übergabe“ war dabei nicht der Wechsel der tatsächlichen Gewalt, sondern nur der Wechsel der Person zu verstehen, für die die tatsächliche Gewalt ausgeübt wird9; das entspräche nach heutiger Terminologie also dem Wechsel des – unmittelbaren oder mittelbaren – Eigenbesitzers. So sollte nach § 805 Abs. 1 E I eine „Übergabe“ durch Besitzkonstitut möglich sein10. Das BGB ist indes einen anderen Weg gegangen, wie sich aus §§ 930, 931 BGB ergibt: Danach „ersetzt“ das Besitzkonstitut bzw. die Abtretung mittelbaren Besitzes die Übergabe lediglich, stellt selbst also gerade keine Übergabe dar. So bieten die §§ 930, 931 BGB einen ersten Anhaltspunkt, den Begriff der „Übergabe“ negativ zu bestimmen: Das Verschaffen lediglich mittelbaren Eigenbesitzes unter Zurückhaltung unmittelbaren Besitzes reicht für die Übergabe offenbar nicht. Damit scheidet auch das zweite der oben genannten Elemente, der Eigenbesitz, als Kriterium aus. Ebenso geht § 929 S. 2 BGB davon aus, dass, wenn der Erwerber bereits unmittelbarer Besitzer ist, eine Übergabe nicht mehr erforderlich ist (es „genügt die Einigung“); das bloß juristisch konstruierte Verschaffen von Eigenbesitz ist also keine Übergabe mehr. Zur Übergabe reicht ferner nicht schon die Einräumung von Mitbesitz, wie sich aus dem Wortlaut der §§ 932a Hs. 2, 1206 BGB (Einräumung von Mitbesitz „anstelle“ der Übergabe) ergibt. Umgekehrt lässt sich damit aber konstatieren, dass das Gesetz zumindest die Möglichkeit offen lässt, unter „Übergabe“ lediglich die körperliche zu verstehen. Daraus zu schließen, dem Erwerber müsse in jedem Fall nicht nur Eigenbesitz, sondern auch unmittelbarer Besitz verschafft werden, erscheint wiederum kurzsichtig: Sonst wäre eine „Übergabe“ nämlich selbst dann zu verneinen, wenn der Veräußerer die Sache einem Unterbesitzer des Erwerbers aushändigt – etwa der Hersteller direkt dem Leasingnehmer und nicht erst dem Leasinggeber. Das muss indes für eine Übergabe ausreichen11. Allgemeiner könnte aber der unmittel9 Ausdrücklich Mot. III 346 = Mugdan III 192; auch Mot. III 334 u. = Mugdan III 185. 10 Abgedruckt bei Mugdan III, S. V. – Ebenso § 879 E I; anschaulich auch § 874 Abs. 2 E I (a. a. O., S. XX f.), der die „Einräumung der Inhabung“ (nach heutiger Terminologie: die Verschaffung unmittelbaren Besitzes) ausdrücklich nicht als Übergabe einordnete. Nach der Terminologie des E I war „Besitzer“ nur der Eigenbesitzer i. S. d. späteren § 872 BGB (und zwar unabhängig von der Unmittelbarkeit oder Mittelbarkeit des Besitzes), während der unmittelbare Besitzer als „Inhaber“ bezeichnet war, vgl. §§ 803 ff. E I. Der heutige unmittelbare Eigenbesitzer war also zugleich „Besitzer“ und „Inhaber“, der heutige unmittelbare Fremdbesitzer dagegen bloßer „Inhaber“. Dieser terminologische Unterschied zum BGB wird häufig vernachlässigt, wenn im Zusammenhang mit dem Besitz aus den Motiven zitiert wird – nicht selten mit sinnverfälschendem Ergebnis. 11 Schon das Gesetz kennt Fälle der Übergabe an einen Besitzmittler in §§ 1075 Abs. 1, 1287 BGB.

A. Der Eigentumserwerb vom Berechtigten

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bare Besitz oder die tatsächliche Sachherrschaft als Abgrenzungskriterium in Betracht kommen: In Erwägung zu ziehen wäre etwa, für eine Übergabe zu fordern, dass der unmittelbare Besitz oder – nach natürlichem Sprachgebrauch noch näherliegend – die tatsächliche Sachherrschaft von der Veräußerer- zur Erwerberseite wechsele. Eine solche Definition würde für die Übergabe zunächst auch das Erfordernis der Publizität wahren. Zumindest unter weiteren Gesichtspunkten jedoch sind bereits bei der Übergabe die Publizitätswirkungen eingeschränkt12: a) Die Einigung über den Besitzwechsel nach § 854 Abs. 2 BGB So führt das Gesetz die Vergeistigung des unmittelbaren Besitzes13 konsequent auch bei dessen Übertragung nach § 854 Abs. 2 BGB durch. In der bloßen Einigung über den Besitzwechsel bei der tatsächlichen Möglichkeit des Erwerbers, auf die Sache zuzugreifen (Beispiel: der Holzstoß im Walde), wird man nach natürlichem Sprachgebrauch keine „Übergabe“ sehen. Jedoch scheiden §§ 930, 931 BGB grundsätzlich aus, weil der Erwerber nach § 854 Abs. 2 BGB unmittelbaren Besitz erlangt, der weder durch den Veräußerer noch durch einen Dritten vermittelt wird. Es bleibt also für eine solche Übereignung nur § 929 S. 1 BGB. Hier wäre wieder die Übergabe mit dem Wechsel des unmittelbaren Besitzers gleichgesetzt. Da dabei aber die bloße Einigung ausreicht, die für Dritte nicht erkennbar sein muss, wäre damit schon für die Übergabe in dieser Form das Publizitätsdogma aufgegeben. Allenfalls könnte man zur Wahrung der Publizität – wie beim Besitzdiener – zum Einen überlegen, ob der Besitzwechsel nach § 854 Abs. 2 BGB nur als Voraussetzung für den Besitzschutz, nicht aber für den Eigentumswechsel ausreicht14. Das hätte aber die verquere Folge, dass das Eigentum beim Veräußerer verbliebe, während der Besitzschutz schon beim Erwerber angesiedelt wäre. Zum Anderen käme in Betracht, § 929 S. 1 BGB auf diesen Fall nur analog anzuwenden – wodurch sich wenigstens für den Begriff der „Übergabe“ das Publizitätsprinzip einstweilen retten ließe. Dafür spricht die vergleichbare Regelung in § 1117 Abs. 2 BGB, wonach beim Erwerb einer Briefhypothek die Vereinbarung, dass der Gläubiger sich den Hypothekenbrief direkt vom Grundbuchamt aushändigen lassen solle, die Briefübergabe „ersetzt“.

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Vgl. zum Folgenden auch Walz, KritV 1990, 374/386. Dazu oben zu Kap. 1, B. I., S. 36. 14 Immerhin sollen nach Prot. 3332 = Mugdan III 502 (ebenso Denkschrift zum Sachenrecht, S. 106 = Mugdan III 962) die §§ 854 ff. BGB „vor allem“ den Besitzschutz zu regeln bestimmt sein. 13

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

b) Der Besitzdiener als Veräußerer oder Erwerber Die Übereignung kann weiter unter Einschaltung eines Besitzdieners, § 855 BGB, erfolgen. Wird der Besitzdiener bloß auf Veräußererseite tätig und händigt die Sache dem Erwerber aus, oder tritt er nur auf der Erwerberseite auf und bekommt die Sache vom Veräußerer übergeben, bleibt die Publizität gewahrt: Ein äußerlich sichtbarer Wechsel in der Person dessen, der die tatsächliche Gewalt ausübt, findet ja statt; alles Weitere ist ein Problem der erkennbaren Zuordnung des Besitzdieners zum Besitzherrn15. Problematischer wird es mit Blick auf die Publizität, wenn der bisherige Besitzdiener des Veräußerers auf dessen Anweisung ab einem bestimmten Zeitpunkt die tatsächliche Gewalt für den Erwerber ausübt16. Nach der Logik des § 855 BGB liegt darin ein Wechsel der Person des unmittelbaren Besitzers. Dieser Wechsel fällt nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht unter § 931 und erst recht nicht unter § 930 BGB: Denn weder ist der Besitzdiener „im Besitze der Sache“ noch bleibt der Veräußerer im Besitz der Sache; zudem erlangt der Erwerber unmittelbaren, nicht mittelbaren Besitz. Da eine solche Eigentumsübertragung aber möglich sein muss, wird man am ehesten eine Übereignung nach § 929 BGB anzunehmen haben17. Es wäre dann eine Übergabe zu bejahen, obwohl die tatsächliche Gewalt nach wie vor durch dieselbe Person ausgeübt wird, § 855 BGB. Damit würde auch die tatsächliche Sachherrschaft als Abgrenzungskriterium entfallen, und der Begriff der Übergabe wäre zu reduzieren auf den Wechsel des unmittelbaren Besitzes von der Veräußerer- auf die Erwerberseite. Zwar schiene auch hier oftmals eine publizitätswahrende Lösung über die Erkennbarkeit der Zuordnung des Besitzdieners zum Besitzherrn möglich. Man könnte etwa fordern, dass der Besitzdiener durch einen nach außen ersichtlichen Akt vom Lager des Veräußerers in das des Erwerbers wechselt, also etwa der Hausangestellte mit der veräußerten Sache vom einen in den anderen Hausstand umzieht oder der Arbeitnehmer den vom bisherigen Arbeitgeber gestellten Laptop nunmehr im Büro des neuen Arbeitgebers benutzt. Dieser Ansatz versagt jedoch, wenn der Besitzdiener gleichzeitig mehreren Besitzherrn dient. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass der Übertragungsakt zwar zu einem Wechsel im Besitzverhältnis führt, die Publizität aber nicht durch einen Wechsel der tatsächlichen Gewalt erreicht wird, sondern allenfalls durch andere äußere Umstände hergestellt werden könnte. Die nächste Stufe ergibt sich, wenn der Besitzdiener zugleich selbst Partei des Übereignungsvertrages ist, er also entweder als Veräußerer auftritt 15 Eingehend zur Übergabe an den Besitzdiener bzw. den -mittler des Erwerbers: RGZ 132, 23/25 ff. 16 Vgl. MK/Quack, § 929 BGB, Rdnr. 132. 17 Allenfalls könnte an eine Analogie zu § 931 BGB gedacht werden.

A. Der Eigentumserwerb vom Berechtigten

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und die Übergabe dadurch vollzieht, dass er die tatsächliche Gewalt nunmehr als Besitzdiener für den Erwerber ausübt18 oder er bislang Besitzdiener des Veräußerers war und die Sache nun selbst erwirbt19. Auch in diesen Fällen fehlt ein Wechsel in der tatsächlichen Gewalt und damit dessen Erkennbarkeit nach außen. Hier ist nun allerdings auch der Rückgriff auf die Erkennbarkeit des Zuordnungsverhältnisses zwischen Besitzdiener und Besitzherrn ausgeschlossen, weil eine Übereignung an den Besitzdiener auch dann möglich sein muss, wenn im Übrigen das Grundverhältnis, aus dem sich die Besitzdienerschaft ergibt (etwa: das Arbeitsverhältnis), bestehen bleibt20. Umgekehrt muss der Besitzdiener bei Eingehung eines solchen Grundverhältnisses selbst Eigentum behalten können (etwa: der neu eingestellte Arbeitnehmer benutzt seinen eigenen Laptop im Büro). Auch andere äußere Umstände, die allgemein erkennbar wären und die man zur allgemeinen Voraussetzung einer Übereignung erheben könnte, sind nicht ersichtlich21. Die Erkennbarkeit für die Parteien des Übereignungsvorganges ist dagegen unproblematisch gewährleistet, weil auf beiden Seiten der Inhaber der tatsächlichen Gewalt beteiligt ist. Eine mögliche Ausflucht bleibt allerdings für die Besitzdienerproblematik: Man könnte die Figur des Besitzdieners auf den Bereich des Besitzschutzes beschränken und den Besitzdiener im Rahmen der Erwerbstatbestände als unmittelbaren Besitzer behandeln. Dafür lässt sich zunächst anführen, dass der historische Gesetzgeber im Abschnitt über den Besitz (§§ 854 ff. BGB) vor allem den Besitz als Voraussetzung des Besitzschutzes, nicht aber den Besitz als Voraussetzung dinglichen Rechtserwerbs re18 So in RGZ 99, 208: Der Verwalter eines Landgestüts übereignet eigene Pferde an die Eigentümerin des Gestüts. 19 Beispiel: der Arbeitgeber verkauft und übereignet dem Angestellten einen Firmenlaptop. – Übrigens lassen sich beide genannten Besitzdiener-Konstellationen auch als Anwendungsfälle des § 854 Abs. 2 BGB begreifen: so etwa Westermann/ Gursky, Sachenrecht, § 13 III 1; vgl. dazu auch Martinek, AcP 188 [1988], S. 573/ 589 f. 20 Das verkennen Martinek, a. a. O. (der eine Publizität aus dem „Sinnzusammenhang“ konstruieren will), und Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 III 2. – Anderes kann auch kaum für das (ohnehin fiktive) konkrete, sich also nur auf die übereignete Sache beziehende Abhängigkeitsverhältnis gelten: Wie soll man die tatsächliche Gewalt über eine Sachmehrheit erkennbar teils als Besitzer, teils als Besitzdiener ausüben? 21 Entsprechend soll nach RGZ 99, 208/210 genügen, wenn der Wechsel überhaupt, und sei es nur für einen Eingeweihten, „erkennbar“ war (anders offenbar das OLG Kiel als Vorinstanz). Dazu soll ausreichen, dass der Veräußerer, der im Übrigen zum Erwerber in einem dem § 855 BGB genügenden Verhältnis steht (dort: als Verwalter), mit der Sache entsprechend den Weisungen des Erwerbers/Besitzherrn verfährt. Die dort gemeinte „Erkennbarkeit“ ist damit eine reine Frage der Beweisbarkeit im Nachhinein, also der Manifestation.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

geln wollte22. Aus diesem Befund lässt sich zwar nicht zwingend ableiten, dass der Besitz in beiden Zusammenhängen in jedem Falle unterschiedlich zu definieren wäre. Vielmehr spricht alles dafür, den vom Gesetzgeber durchgängig verwendeten Begriff des „Besitzes“ einheitlich zu definieren, so lange nicht die Besonderheiten von Besitzschutz bzw. dinglichem Erwerb etwas anderes erfordern23. Der Besitzdiener könnte indes – wegen fehlender Publizität – solch ein Ausnahmefall sein. c) Die Anweisung an den unmittelbaren Besitzer Einen weiteren Sonderfall bildet die Übereignung in der Form, dass der mittelbar besitzende Veräußerer den unmittelbar besitzenden Dritten anweist, von nun an dem Erwerber den Besitz zu vermitteln. Auch in einer solchen Anweisung wird man nach natürlichem Sprachgebrauch zunächst keine „Übergabe“ sehen; die Anweisung scheint vielmehr in der „Mitte“ zwischen § 929 und § 931 BGB zu stehen. Bei näherer Betrachtung allerdings scheiden die §§ 870, 931 BGB eindeutig aus, da der Veräußerer nicht mit dem Erwerber eine Abtretung vereinbart, sondern lediglich gegenüber dem unmittelbaren Besitzer auftritt, der wiederum mit dem Erwerber ein neues Besitzmittlungsverhältnis vereinbart. Dementsprechend ging auch der Gesetzgeber im Rahmen des 1. Entwurfes (der die Übertragung nach §§ 870, 931 BGB noch nicht kannte) selbstverständlich davon aus, dass die Anweisung einen Unterfall der Übergabe bilde24, eine Einschätzung, die im weiteren Verlauf trotz der grundlegenden Veränderung der Übertragungstatbestände beibehalten wurde: Es wurde lediglich auf Grund „praktischer Bedürfnisse“ die Abtretung nach §§ 870, 931 BGB als zusätzliche Übertragungsmöglichkeit eingefügt25. Das spiegelt sich im Übrigen auch im Wortlaut der entsprechenden Normen wider: Nach § 870 BGB „kann“ der mittelbare Besitz durch Abtretung übertragen werden (nicht: „wird . . . übertragen“). Das setzt voraus, dass es offenbar noch andere Möglichkeiten der Übertragung des mittelbaren Besitzes bei unverändertem unmittelbarem Besitz gibt. Deutlicher noch setzt § 931 BGB die Möglichkeit einer Übergabe auch bei unmittelbarem Besitz eines Dritten sprachlich voraus, die lediglich 22

Prot. 3332 = Mugdan III 502 und Denkschrift zum Sachenrecht, S. 106 = Mugdan III 962; für § 855 BGB waren ausschließlich besitzschutzrechtliche Erwägungen maßgebend: Prot. 3340 ff. = Mugdan III 504. Für eine inhaltliche Trennung der zwei Besitzbegriffe (possessio ad interdicta und possessio ad usucapionem) Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 25 ff. 23 So auch Wieling, NJW 1993, 510; vgl. zudem ders., Sachenrecht, § 3 I. 24 Mot. III 334 = Mugdan III 185; vgl. dazu § 804 Abs. 1 E I (bei Mugdan III, S. IV). 25 Vgl. Prot. 3693 f. = Mugdan III 628.

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durch die Abtretung „ersetzt“ werden „kann“ (nicht: „ersetzt wird“). Dementsprechend sieht auch die ganz h. M. in der Anweisung eine Übergabe im Sinne des § 929 S. 1 BGB26. Damit setzt auch die Übergabe nicht mehr zwingend den Wechsel des unmittelbaren Besitzes von der Veräußerer- auf die Erwerberseite voraus: In der Person des unmittelbaren Besitzers findet kein Wechsel statt. Zwar wechselt diese Person von der Veräußerer- auf die Erwerberseite und vermittelt jetzt letzterem den Besitz, das aber trifft auch bei der Übertragung nach § 931 BGB zu. Jedenfalls bleibt die unmittelbare Sachzuordnung unverändert. d) Zwischenergebnis: Übergabe ohne Publizität möglich Die Übergabe lässt sich also weder allein an den Eigenbesitz noch an die tatsächliche Sachherrschaft noch an den unmittelbaren Besitz binden; unter dem Gesichtspunkt der Publizität muss – mehr als eine klare Definition – vor allem interessieren, dass auch unter die „Übergabe“ Tatbestände fallen können, die für nicht unmittelbar betroffene Dritte nicht erkennbar sind, sondern allenfalls durch Nachfrage bei einzelnen der letztgenannten Personen ermittelt werden könnten. Natürlich betrifft das nicht den Regelfall der Übergabe; bemerkenswert bleibt aber, dass auch die Übergabe die Publizität für Dritte nicht zwingend voraussetzt. Zumindest unter Publizitätsgesichtspunkten besteht damit auch kein Anlass, die nach außen nicht erkennbare Übereignung vom bzw. an den Besitzdiener nicht unter § 929 S. 1 BGB fallen zu lassen27. 2. Der stehende Erwerberbesitz, § 929 S. 2 BGB Die übrigen Übereignungstatbestände verzichten dagegen schon vom Ansatz her auf eine körperliche – und damit sichtbare – Veränderung der Sachzuordnung; punktuelle Handlungspublizität, die den Zeitpunkt des Rechts26 Vgl. BGH NJW 1959, 1536; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 377 m. w. N. Fn. 9. Die Abgrenzung zwischen der „Übergabe“ nach § 929 und der Abtretung nach § 931 BGB wird dann immer fließender – ohne dass es freilich im Ergebnis je darauf ankommen wird. Besonders deutlich wird dies, wenn der unmittelbare Fremdbesitzer als Vertreter des Veräußerers auftritt und dem Erwerber mittelbaren Eigenbesitz anbietet (Beispiel: die Bank sucht einen Käufer für die von ihr verwahrten Wertgegenstände des V, wobei es bei der Verwahrung bleiben soll). Hier kommt es darauf an, ob der Vertreter im eigenen Namen ein neues Besitzmittlungsverhältnis mit dem Erwerber begründet (dann § 929 BGB) oder im Namen des Veräußerers das bisherige Besitzmittlungsverhältnis im Wege der Abtretung überträgt (dann § 931 BGB). 27 So im Ergebnis auch Soe/Henssler, § 929 BGB, Rdnr. 59.

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wechsels nach außen erkennbar machen würde, besteht dort also nicht. Die Übereignung an den bisherigen unmittelbaren Besitzer nach § 929 S. 2 BGB steht dabei noch am wenigsten in Widerspruch zu Publizitätsanforderungen: Denn in dieser Konstellation fielen bisher unmittelbarer Besitz und Eigentum auseinander und werden nun – publizitätsfördernd – zusammengeführt. Freilich gilt auch das nur im Regelfall, wenn nämlich der Erwerber unmittelbar besitzt. Ist der Erwerber dagegen seinerseits nur mittelbarer Besitzer, springt das Eigentum nur von einem mittelbaren Besitzer zum anderen – die Erkennbarkeit wird dadurch kaum gefördert. Wenigstens Eigenbesitzer wird der Erwerber immerhin normalerweise erst durch die Übereignung werden, so dass insoweit eine Veränderung der Besitzverhältnisse eintritt und der Eigenbesitz dem Eigentum folgt. Gerierte sich der Erwerber schon vor der Übereignung als Eigentümer und war also schon vorher Eigenbesitzer, so wird durch die Übereignung jedenfalls die Eigentums- mit der Eigenbesitzlage in Einklang gebracht. Bemerkenswert ist ferner, dass in jedem Fall der genaue Zeitpunkt des Eigentumswechsels, auf den es etwa im Rahmen der Insolvenz entscheidend ankommen mag, nach außen in keiner Weise erkennbar wird. Denn er erschöpft sich in einer reinen vertraglichen Abrede zwischen Veräußerer und Erwerber. Publizitätseffekte bleiben hier also – wenn überhaupt – auf den Endzustand beschränkt. Der Konstellation des § 929 S. 2 BGB entspricht mit Blick auf die Publizität im Übrigen die Übereignung unter Eigentumsvorbehalt. Auch dieser ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen, nämlich in §§ 449 BGB, 107 InsO. Im Grunde handelt es sich um einen Ausfluss der Selbstverständlichkeit, dass eine vorhergehende Übergabe auch zu einem anderen Zweck als zur Eigentumsübertragung erfolgt sein kann28. 3. Die Abtretung des Herausgabeanspruchs (mit oder ohne Besitzmittlungsverhältnis), § 931 BGB § 931 BGB stellt (i. V. m. §§ 868, 870 BGB) zunächst der Übergabe diejenigen Fälle gleich, in denen ein Dritter den unmittelbaren Besitz für den Veräußerer ausübt und der Veräußerer seinen mittelbaren Besitz durch schlichte Abtretung überträgt. Auch in diesem Fall geht der Eigenbesitz mit dem Eigentum über. Die Abtretung als solche und damit der Zeitpunkt der Rechtsänderung ist für Dritte aber nicht erkennbar29. Nicht einmal der unmittelbare Fremdbesitzer braucht – anders als bei der Verpfändung, die nach § 1205 Abs. 2 BGB dem Besitzer angezeigt werden muss – etwas davon zu wissen30. Dadurch wird selbst die mittelbare Erfragbarkeit einge28 29

Vgl. oben Kap. 1, B. III., S. 43 f. Vgl. auch bereits RG JW 1912, 797 Nr. 15; 1917, 217 Nr. 6; LZ 1916, 383.

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schränkt, denn ein interessierter Dritter, der sich beim unmittelbaren Fremdbesitzer nach dem Eigentümer erkundigt, wird von diesem, der von der Abtretung nichts weiß, auf den Veräußerer verwiesen werden. Im Übrigen wird die Eigentumslage durch die Abtretung freilich nicht „publizitätsferner“ als vorher: Etwaige Gläubiger des Veräußerers konnten schon zuvor unter Publizitätsgesichtspunkten kaum auf dessen Eigentum vertrauen, weil sich die Sache nicht bei ihm befand. Es besteht also kein Bedürfnis, sie auf den Verlust des ohnehin wenig ersichtlichen Eigentums gesondert aufmerksam zu machen. Etwaigen Gläubigern des Erwerbers wird zwar das hinzukommende Haftungsobjekt verborgen bleiben; das erscheint aber schon deshalb unschädlich, weil selbst die körperliche Übergabe vor den Gläubigern geheimgehalten werden kann. Jedenfalls ist das Eigentum beim Erwerber nur unwesentlich „versteckter“ als zuvor beim Veräußerer, so dass zumindest keine Verschlechterung der Publizitätslage eintritt – Zustandspublizität ist also weder vor der Rechtsänderung beim Veräußerer noch nachher beim Erwerber gewährleistet. § 931 BGB umfasst aber noch eine zweite Konstellation, nämlich die des besitzlos veräußernden Eigentümers; die Sache mag sich etwa bei einem Dieb oder auf Grund unwirksamer Übereignung bei einem unberechtigten Eigenbesitzer befinden. In diesem Fall vollzieht sich die Übereignung allein durch Abtretung des Herausgabeanspruches ohne jedes Mitwirken von Besitzpositionen. Der Veräußerer hat keinen Eigenbesitz, und braucht ihn dementsprechend auch nicht dem Erwerber zu verschaffen. Dennoch wird dieser Eigentümer, und zwar ohne dass dies in irgendeiner Weise gegenüber dem Erwerb vom Berechtigten durch Übergabe benachteiligt wäre31. § 931 BGB unterscheidet nicht einmal die beiden von ihm umfassten Fälle, Übereignung mit bzw. ohne Eigenbesitzverschaffung. Auf den Besitz kommt es also – zumindest hier – offenbar nicht an. Auch diese Übereignungsform ist dabei grundsätzlich publizitätsneutral: Die Abtretung, und damit der Zeitpunkt der Rechtsänderung, ist als reines Rechtsgeschäft zwischen den Parteien nach außen nicht ersichtlich. Ebenso verhält es sich mit der Zustandspublizität: Die Eigentumslage war vor der Übereignung beim Veräußerer nicht erkennbar (nicht einmal durch Nachfrage beim unmittelbaren Besitzer) und ist es danach auch beim Erwerber nicht.

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Vgl. Prot. 3693 f. = Mugdan III 628. – Zum Anzeigeerfordernis unten B. I. 1. a) (3), S. 84 ff. 31 Zum Erwerb vom Nichtberechtigten unten Kap. 4, A. I. 4., II. und III., S. 202 f., 206 ff. und 230 ff.

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4. Das Besitzkonstitut, § 930 BGB Eine ausdrückliche Verschlechterung der Publizitätslage bringt aber die Möglichkeit der Übereignung durch Besitzkonstitut nach § 930 BGB: Hier fallen vor der Übereignung – ganz im Sinne größtmöglicher Publizität – grundsätzlich (unmittelbarer) Besitz und Eigentum zusammen und werden durch den Übereignungstatbestand getrennt. Lediglich der (nun mittelbare) Eigenbesitz geht mit dem Eigentum auf den Erwerber über. Der Zeitpunkt der Rechtsänderung ist – da sie sich durch bloße vertragliche Vereinbarung des Besitzkonstituts vollzieht – für Dritte ohnehin nicht ersichtlich. Dabei lässt sich dem § 930 BGB kein Anzeichen dafür entnehmen, dass dieses Publizitätsminus irgendwie nachteilig für die Übereignung sein soll – dies gilt wiederum jedenfalls für den hier allein behandelten Erwerb vom Berechtigten32. Zwar könnte der Wortlaut Übergabe-„Ersatz“ auf eine Übereignung gewissermaßen zweiter Klasse hindeuten. Da aber keine vom Übergabefall abweichenden Rechtsfolgen an die Übereignung durch Besitzkonstitut geknüpft werden, ist das im rechtlichen Ergebnis nicht der Fall33. 5. Die handelsrechtlichen Traditionspapiere, §§ 448, 475g, 650 HGB Nach §§ 448 (Ladeschein), 475g (Lagerschein) bzw. 650 (Konnossement) HGB hat für den Erwerb von Rechten an einer Sache, für die eines dieser handelsrechtlichen Traditionspapiere ausgestellt ist, die Übergabe des Papiers dieselbe Wirkung wie die Übergabe der Sache. Voraussetzung ist zusätzlich, dass die Sache vom Frachtführer, Lagerhalter bzw. Verfrachter „übernommen ist“. Unter Publizitätsgesichtspunkten enthalten diese Regelungen nichts, was von den bisherigen Feststellungen zu den Übereignungstatbeständen des bürgerlichen Rechts – insbesondere zu § 931 BGB – abwiche. Zwar erhöht sich etwa gegenüber der rein rechtsgeschäftlichen Abtretung der Publizitätseffekt dadurch, dass sich das Papier nach der Übergabe nunmehr beim Erwerber und nicht mehr beim Veräußerer befindet. Andererseits ist für Dritte nicht unbedingt ersichtlich, dass überhaupt ein Traditionspapier ausgestellt wurde. Dies wäre allenfalls durch Nachfrage beim unmittelbaren Besitzer (Lagerhalter etc.) erfahrbar. Für Konnossemente ist zudem ausdrücklich der Fall mehrerer Ausfertigungen im Besitz verschiedener Personen34 geregelt, §§ 651 f. HGB. Hier gilt das Prinzip der Priorität, und zwar in zweifacher Hinsicht: Solange 32 Zum Erwerb vom Nichtberechtigten unten Kap. 4, A. I. 3. und II. 2., S. 202 und 209 ff. 33 Zum Sicherungseigentum im Besonderen vgl. auch unten B. I. 3., S. 95 ff.

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noch nicht ausgeliefert ist, geht die erste vom Veräußerer übergebene oder abgeschickte Ausfertigung nachfolgenden vor, § 652 HGB. Damit wird praktisch ein nachfolgender gutgläubiger Erwerb umgangen, den der nach der ersten Begebung nicht mehr berechtigte Veräußerer durch spätere Übergabe weiterer Ausfertigungen über §§ 650 HGB, 929, 932 BGB eigentlich bewirken könnte. Mit Publizität hat das schon deshalb nichts zu tun, weil die insoweit entscheidende Reihenfolge der Konnossement-Übergaben allenfalls im Nachhinein beweisbar, nicht jedoch nach außen ersichtlich ist. Ist dagegen bereits ausgeliefert, geht derjenige, der das Gut empfangen hat, den anderen Indossataren vor, § 651 HGB. Insoweit entscheidet also der Besitz des Gutes, wie ja auch im Falle mehrerer kaufvertraglicher Übereignungsverpflichtungen die erste dingliche Erfüllungshandlung entscheidet. Das erscheint zunächst – abgesehen von der dann irreführenden Rechtsscheinwirkung anderer Ausfertigungen sowie abgesehen von den Konstellationen mittelbaren Besitzes – ganz im Sinne größtmöglicher Publizität; indes knüpft § 651 HGB diese Wirkung noch an eine weitere Voraussetzung: Hat vor der Auslieferung ein anderer Indossatar den Anspruch auf Herausgabe erhoben, so geht dieser vor. Insbesondere da dieser Umstand in keiner Weise für Dritte erkennbar ist, wird deutlich, dass es letztlich um den Ausgleich schutzwürdiger Belange der Indossatare untereinander geht, nicht um das Vertrauen Dritter in den Besitz: Es wird also nicht dem besitzenden Indossatar das Eigentum deshalb zugesprochen, um seine Gläubiger im Vertrauen auf den Besitz zu schützen, sondern er selbst ist wegen seiner Sachnähe schutzwürdiger als die übrigen Indossatare. 6. Das reine Vertragsprinzip in §§ 929a, 926, 185 Abs. 2 BGB Die Übereignung nicht eingetragener Seeschiffe regelt § 929a BGB gesondert. Der Vorschrift kommt ohne Zweifel nur geringe Bedeutung zu, und sicherlich wäre es verfehlt, von ihr aus weitreichende Schlüsse auf systematische Zusammenhänge zu ziehen. Dennoch könnte sie Hinweise auf die vom Gesetzgeber intendierte Sicht des Übergabeerfordernisses geben35. Die Situation nicht eingetragener Seeschiffe ist dadurch gekennzeichnet, dass das Eigentum nicht dem Schiffsregister entnommen werden kann, aber regelmäßig auch die Besitzlage keine Rückschlüsse zulässt: Zwar wird der Eigentümer bei normalem Verlauf mittelbarer Besitzer sein. Solange das Schiff auf See oder in fernen Häfen ist – was es seiner Bestimmung gemäß 34 In der Praxis beinahe ausgeschlossen: vgl. Rabe, Seehandelsrecht, § 651 HGB, Rdnr. 1. 35 Zwar ist § 929a erst nachträglich im Jahre 1940 in das BGB eingefügt worden; inhaltlich entspricht er jedoch dem früheren § 474 HGB: vgl. Soe/Mühl (12. Aufl.), § 929a BGB, Rdnr. 2.

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die meiste Zeit sein wird –, besteht aber kaum Möglichkeit, diese Besitzverhältnisse erkennbar zu machen36. Selbst eine Nachfrage beim unmittelbaren Besitzer (dem Kapitän) erscheint schwierig. Für diese Sonderlage, in der die Besitzerstellung des Eigentümers regelmäßig stark gelockert und nicht erkennbar sein wird, verzichtet § 929a BGB auf die Übergabe ganz, wenn beide Parteien eine sofortige Übereignung wollen. Hier gilt also – aus Gründen der Praktikabilität – das reine Vertragsprinzip ohne jedes Traditionselement. Der Besitz spielt keinerlei Rolle. Auch diese Übereignung ist dabei weitgehend publizitätsneutral: Das Eigentum des Veräußerers war bislang ebenso wenig erkennbar, wie es nun dasjenige des Erwerbers ist. Erhellend erscheint weiter § 929a Abs. 2 BGB, der die Niederlegung der Veräußerung in einer öffentlich beglaubigten Urkunde regelt. Das spricht zunächst sehr für zusätzliche Publizität. Jedoch ist die öffentliche Urkunde nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Übereignung; eine solche Urkunde „kann“ auf Verlangen einer Partei erstellt werden, muss es aber nicht. Der einzig mögliche Anhaltspunkt für die Schaffung solcher Publizität (insbesondere für den Zeitpunkt der Rechtsänderung) hängt also vom Willen der Parteien ab. Das lässt nur den Schluss zu, dass auch die öffentliche Urkunde einzig dem Schutz der Parteien, nicht Außenstehender dienen soll. In gleicher Weise lässt § 926 Abs. 1 BGB für die (Mit-)Übertragung von Grundstückszubehör die bloße Einigung genügen. Allerdings wird hier eine gewisse „abgeschwächte“ Erkennbarkeit für Dritte dadurch erreicht, dass die Übertragung des Grundstücks selbst im Grundbuch niedergelegt wird und dabei nach § 926 Abs. 1 S. 2 BGB im Zweifel von einer stillschweigenden Mitübertragung des Zubehörs auszugehen ist. Ein weiterer Fall rein rechtsgeschäftlicher Übereignungen ohne tatsächliches Vollzugselement findet sich – etwas versteckt – in § 185 Abs. 2 BGB: Danach konvalesziert die ursprünglich unwirksame Übereignung, wenn der Berechtigte sie später genehmigt oder der Verfügende nachträglich Berechtigter wird37. Die Genehmigung kann dabei entweder dem Veräußerer oder dem Erwerber gegenüber erklärt werden, § 182 Abs. 1 BGB. Damit ist die Wirksamkeit der Übereignung also nicht einmal für beide Beteiligten, geschweige denn nach außen ersichtlich.

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Ebenso Staud/Wiegand, § 929a BGB, Rdnr. 1. Dazu eingehend unter dem Blickwinkel des Traditionsprinzips: Hager, Verkehrsschutz, S. 284. 37

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7. Zusammenfassung Nur die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB ist danach grundsätzlich mit einer erkennbaren Änderung der Lage der Sache verbunden – und auch dies nur im Regelfall, aber keineswegs zwingend38. Allen übrigen Übereignungstatbeständen ist gemein, dass der Eigentumswechsel sich ohne jede Änderung der unmittelbaren Lage der Sache, vielmehr allein durch rechtsgeschäftliche Einigung vollzieht. Ein Wechsel tritt allenfalls (nämlich bei §§ 929 S. 2, 930 und 931 BGB – letzterenfalls jedoch nur im Rahmen eines Besitzmittlungsverhältnisses) in der Person des Eigenbesitzers ein. Für Dritte kann dies allenfalls indirekt und nur unter weiteren Voraussetzungen erkennbar werden, wenn sie beim unmittelbaren Besitzer weitere Erkundigungen einholen – immer vorausgesetzt, alle Beteiligten geben redlich und wahrheitsgemäß Auskunft. Wie aber § 929a und insbesondere § 931 BGB (der nicht zwischen der Übereignung mit oder ohne Besitzmittlungsverhältnis unterscheidet) zeigen, kommt es für die Wirksamkeit der Übereignung nicht einmal auf den Eigenbesitzerwechsel an. Die Übereignungstatbestände sind dabei zum Großteil publizitätsneutral; lediglich § 929 S. 1 und S. 2 BGB lässt sich ein Moment der Publizitätsförderung entnehmen. Demgegenüber führt § 930 BGB zu einer Verschlechterung der Publizitätslage. Anzeichen dafür, dass das Gesetz einzelne dieser Übereignungstatbestände – insbesondere die „publizitätsfreundlicheren“ – gegenüber anderen beim Erwerb vom Berechtigten bevorzugen würde, sind nicht ersichtlich.

II. Die körperliche Übergabe als „Grundtatbestand“? Diesem Befund könnte man zur Wahrung der Publizität entgegensetzen, die körperliche Übergabe nach § 929 S. 1 BGB bilde den „Normalfall“, gleichsam das „Prinzip“ der Übereignung39; die übrigen Übereignungstatbestände wären demgegenüber bloße Ausnahmen, die das Prinzip nicht vollends erschüttern könnten. Diese Sicht hat für viele Alltagsgegenstände in der Tat einiges für sich: Brötchen pflegen nicht unter Eigentumsvorbehalt übertragen zu werden; ebenso wenig wird man ein Taschenbuch vermittels eines Besitzmittlungsverhältnisses erwerben. Anders liegt es aber offenbar bei den wertvolleren Gegenständen des Wirtschaftslebens – Autos, Computer, Produktionsmaschinen –, bei denen Eigentumsvorbehalte und Besitz38

A.A. (Publizität als unabdingbares Merkmal der Übergabe): Martinkek, AcP 188 [1988], S. 573/599; MK/Quack, § 929 BGB, Rdnr. 117; R. Weber, JuS 1998, 577. Wie hier nunmehr Soe/Henssler, § 929 BGB, Rdnr. 53 u. 59. 39 So etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 A I 1 und III, Rdnr. 1 und 5; in diese Richtung auch Staud/Wiegand, § 929 BGB, Rdnr. 46, und Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 7.

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mittlungsverhältnisse eher die Regel bilden. Wenn überhaupt, so betrifft aber der Schutzbereich von Publizitätserfordernissen dritte Teilnehmer des Rechtsverkehrs, insbesondere die Gläubiger der an einem Übertragungsgeschäft Beteiligten. Wirtschaftlich werden diese Dritten in erster Linie Interesse nicht an Alltagsgegenständen, sondern an den hochwertigen Wirtschaftsgütern haben, bei denen die Übereignung durch körperliche Übergabe eher die Ausnahme ist40. Deshalb erscheint es auch wenig sinnvoll, ein eingeschränktes Publizitätsprinzip mit Wirkung nur für Alltagsgegenstände zu postulieren – abgesehen davon, dass sich eine entsprechende Unterscheidung nicht einmal ansatzweise im Gesetz findet und eine klare Abgrenzung ohnehin unmöglich erscheint.

III. Denkbare Schutzrichtungen der Publizität fallen fort In der Gesamtschau der Übereignungstatbestände lässt sich damit zunächst jede denkbare Schutzrichtung von Publizitätserfordernissen ausschließen, soweit sie von einer Gleichsetzung von Besitz und Eigentum ausgehen: 1. Punktuelle Erkennbarkeit (Handlungspublizität) für die Beteiligten? Darum, Erkennbarkeit für die unmittelbar am Übereignungsvorgang Beteiligten zu schaffen, kann es nicht gehen: Ihnen fehlt schon die Schutzbedürftigkeit, weil sie es selbst in der Hand haben, durch entsprechende Absprachen den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs vertraglich zu bestimmen. Selbst wenn in Ausnahmefällen sich der Eigentumsübergang vollziehen mag, ohne dass der Veräußerer bzw. der Erwerber es unmittelbar bemerkt – etwa im Falle der Übergabe an Hilfspersonen oder durch Verbringen an einen vereinbarten, vom Erwerber aber nicht stets unmittelbar eingesehenen Ort41 –, so betrifft dies das Problem des Gefahrübergangs im weitesten Sinne, einschließlich der möglicherweise entstehenden Verpflichtung zur Rückgewähr. Der Gefahrübergang ist indes keine Frage der Erkennbarkeit, sondern der Zuordnung von Verantwortungsbereichen, wie sie in den §§ 446 f. BGB geregelt ist. Zwar findet sich auch dort der Begriff „Übergabe“; gemeint ist im dortigen Zusammenhang indes der Wechsel des Verantwortungsbereichs42. Im Übrigen kann es bei der Übertragung an einen Unwissenden schon deshalb nicht um Publizitätserfordernisse zum Zweck 40 Ebenso Süss, FS Wolff, S. 162; ausdrücklich zum Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum bei Wirtschaftsgütern auch bereits RGZ 147, 321/325 und 331. 41 Z. B. Einwurf in den Briefkasten. 42 Vgl. Staud/Beckmann, § 446 BGB, Rdnr. 16 ff., 31.

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des Empfängerschutzes gehen, weil er den Eigentumswechsel ja definitionsgemäß gerade nicht erkennt; allenfalls kann in diesem Rahmen also die Beweisbarkeit der Übereignung ex post betroffen sein. Der genaue Zeitpunkt der Übertragung – im Sinne einer Handlungspublizität – ist aber auch für Dritte nicht erkennbar: §§ 929a, 930, 931, 185 Abs. 2 BGB lassen sämtlich bloße rechtsgeschäftliche Vereinbarungen genügen, deren Zeitpunkt mangels körperlicher Veränderungen von vornherein nicht nach außen erkennbar sein kann. 2. Rückschluss Dritter von der Übergabe auf einen Rechtswechsel (Handlungspublizität)? Dass Dritte nicht von jeder Übergabe auf einen Rechtswechsel schließen dürfen, ergibt sich im Grunde bereits aus der rein tatsächlichen Funktion des Besitzes, nämlich der unmittelbaren Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeit43. Da auf Grund dessen die Übergabe zu allen möglichen Zwecken erfolgen kann, kann von ihr nicht – zumindest nicht automatisch – auf eine Rechtsänderung geschlossen werden. Übrigens können selbst solche Dritte, die von einer Übereignung sicher wissen und die lediglich – etwa weil es im Rahmen einer Insolvenz darauf ankommt – deren genauen Zeitpunkt erfahren wollen, angesichts der §§ 929 S. 2, 930 BGB nicht einmal darauf schließen, dass die bekannte Übereignung gerade im Zeitpunkt der Übergabe stattgefunden habe. 3. Schutz Dritter in Ansehung der Besitzlage beim Erwerber? Ebenso wenig ist aber ein durchgehender Ansatz erkennbar, wonach Dritte – nach erfolgter Übertragung – darauf vertrauen können sollten, dass die nunmehr beim Erwerber befindlichen Sachen tatsächlich diesem gehören. Zum Einen kann er die Sache ja auch zu anderen Zwecken – etwa zur Miete – erhalten haben. Umgekehrt muss der Erwerber auch keine erkennbare Sachgewalt erhalten, wie §§ 930, 931 BGB zeigen; demnach können Dritte auch nicht negativ darauf vertrauen, dass die Sachen nicht zu seinem Eigentum gehören, solange sie nicht in seinen erkennbaren Einflussbereich gelangt sind.

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Dazu bereits oben Kap. 1, B. III., S. 43.

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4. Schutz Dritter in Ansehung der Besitzlage beim Veräußerer? Schließlich und vor allem käme in Betracht, Dritte in ihrem Vertrauen dahin zu schützen, dass die beim Veräußerer befindlichen Sachen auch wirklich diesem gehören. Dann müsste er nach der Veräußerung von der Sachherrschaft ausgeschlossen werden. § 930 BGB erlaubt aber das Gegenteil. Dass der Gläubiger nicht allgemein darauf vertrauen kann, der Besitz des Schuldners zeige dessen Besitz an, stellen bereits die Gesetzgebungsmaterialien klar. Ein Vorschlag, wenigstens die Schaffung von Sicherungseigentum durch bloßes Besitzkonstitut zu verbieten, fand ausdrücklich keine Zustimmung. Eine solche Einschränkung lasse sich insbesondere nicht dadurch rechtfertigen, „daß durch die Belassung des Besitzes bei dem Veräußerer andere Gläubiger desselben über seine Kreditfähigkeit getäuscht werden könnten, denn die Gläubiger seien ganz allgemein nicht berechtigt, sich darauf zu verlassen, daß alle im Besitze des Schuldners befindlichen Sachen diesem auch gehörten.“44 Die umgekehrte Vertrauensrichtung, dass also nicht mehr beim Veräußerer befindliche Sachen diesem auch nicht gehören, scheidet schon deshalb aus, weil die Sachherrschaft nicht unbedingt erkennbar sein, vielmehr auch im Verborgenen ausgeübt werden kann, ferner, weil selbst die Weggabe zu anderen Zwecken als zur Aufgabe des Eigentums erfolgen kann45. Dritte erscheinen insoweit auch nicht schutzbedürftig, weil es ihnen nicht zum Nachteil gereicht, wenn der Veräußerer (als ihr Geschäftspartner oder Schuldner) mehr Eigentum hat als auf den ersten Blick ersichtlich. Abgesehen davon ist auch kein Publizitätsweg ersichtlich, um von solchen weggegebenen Sachen zu erfahren – um den Vergleich zum Grundstücksrecht zu bemühen: Man durchforstet ja auch nicht das Grundbuch nach etwaigen Grundstücken des Schuldners. In dieses Bild fügt sich nahtlos ein, dass das Gesetz dem wahren Eigentümer die Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO, gewährt, ohne sie in irgendeiner Weise von der Erkennbarkeit für den Vollstreckungsgläubiger abhängig zu machen. Anschaulich wird dies etwa in der Konstellation, die der Entscheidung in RGZ 99, 208 zugrunde lag: Der Vollstreckungsschuldner hatte Pferde erworben und in seinem Stall stehen, nach seiner Behauptung 44

Prot. 3689 f. = Mugdan III 627. – Daran kann übrigens auch die entsprechende Regelung zum Erwerb vom Nichtberechtigten, § 933 BGB, nichts ändern, obwohl dort der Eigentumserwerb die Übergabe voraussetzt: Denn dort ist und bleibt der besitzende Veräußerer nichtberechtigt. Seine Gläubiger können also auch dann nicht in die Sache vollstrecken, wenn die Verfügung nach §§ 930, 933 BGB unwirksam bleibt. Zur Zielrichtung des Übergabeerfordernisses in § 933 BGB unten Kap. 4, A. II. 2., S. 209 ff. 45 Oben Kap. 1, B. III., S. 43.

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jedoch nicht für sich selbst, sondern als Besitzdiener der Drittwiderspruchsklägerin. Sobald für diese Besitzdienerschaft nur hinreichend objektive Indizien sprechen – seien sie auch noch so subtil und Dritten noch so wenig erkennbar –, hat der Vollstreckungsgläubiger das Nachsehen46. Dasselbe Ergebnis lässt sich im Übrigen auch auf anderem Wege, aber ebenfalls mit einem Manifestationserfordernis erreichen: Man könnte es nämlich auch als In-Sich-Geschäft nach § 181 BGB konstruieren, indem der Vollstreckungsschuldner die Pferde zunächst selbst erwirbt und sich daraufhin „mit sich selbst“ als Vertreter der (späteren) Drittwiderspruchsklägerin über die Weiterübertragung „einigt“47. Auch dieses In-Sich-Geschäft bedarf lediglich der objektiven Manifestation48. Für Dritte erkennbar braucht der Besitzwechsel dort dagegen ebenso wenig zu sein wie bei der Verwandlung von unmittelbarem Eigen- in unmittelbaren Fremdbesitz; es genügt auch dort die Beweisbarkeit im Nachhinein. So mag auch die Ausgestaltung der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO als weiterer Beleg gegen Publizitätserfordernisse im Recht der beweglichen Sachen gesehen werden: Wäre es dem Gesetzgeber nämlich um eine starke Betonung der Publizität gegangen, hätte er das Widerspruchsrecht des Eigentümers auch auf diejenigen Fälle begrenzen können, in denen das Eigentumsverhältnis im Vorhinein erkennbar gemacht war49. Für den einzelnen Übereignungsvorgang erscheint das bisher Gesagte selbstverständlich und nicht weiter problematisch. Anders wird es erst in der Zuspitzung, vor allem im Fall der Insolvenz. Hier wird vielfach die „Auszehrung“ der Insolvenzmassen beklagt: Die zunächst scheinbar reichhaltige Insolvenzmasse erweist sich in vielen Fällen als im Wesentlichen unverwertbar, weil an allen wertvollen Gegenstände „heimliche“ Eigentumsrechte Dritter bestehen50. Diese „Auszehrung“ als solche wäre aber auch durch Publizierung nicht zu verhindern, einschränken könnte man allenfalls das Überraschungsmoment der Masselosigkeit. In der Praxis ließe sich indes auch Letzteres kaum ausschließen: Denn die überraschende Masselosigkeit kann auch dann auftreten, wenn etwa der gesamte Maschinen46

Vgl. RGZ 99, 208/210. Das gilt freilich nur, solange es gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger nicht auf die Möglichkeit des Durchgangserwerbs beim Vollstreckungsschuldner ankommt. 48 Vgl. oben Kap. 1, A. III. 3., S. 31 ff. 49 Da der Gerichtsvollzieher in aller Regel Gegenstände aus dem unmittelbaren Besitz des Vollstreckungsschuldners pfändet, § 805 ZPO, ließe sich das kaum mit dem Besitz als Publizitätsmittel bewerkstelligen; zu denken wäre eher etwa an das Anbringen von Eigentumsmarken. 50 Dazu etwa Gutachten Drobnig, 51. DJT I, 1976, S. F 24 ff.; Medicus, BR, Rdnr. 494 m. w. N. 47

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park eines insolventen Betriebs gemietet bzw. geleast war; diese Gefahr entsteht also nicht allein durch „heimliche“ Sicherungsübereignungen51. Jedenfalls gibt auch hier das Gesetz – obwohl das Problem der Auszehrung von Insolvenzmassen seit langem bekannt war52 – eine andere, publizitätsfreie Stoßrichtung vor, indem es gläubigerbenachteiligende Verfügungen nach Maßgabe der §§ 129 ff. InsO für anfechtbar erklärt. Im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung enthält das AnfG entsprechende Regelungen. Es erscheint nicht übertrieben, darin auch eine weitere stillschweigende Absage des Gesetzgebers an Publizitätserfordernisse bei der Rechtsübertragung zu sehen.

IV. Die Funktion des Besitzes im Rahmen der Übereignung 1. Traditions- oder Zessionsprinzip? Die Zusammenschau der Übereignungstatbestände ergibt, dass die körperliche Übergabe nur eine mögliche (nicht: die vorherrschende) Form ist und daneben andere, gleichberechtigte Formen vorgesehen sind, die allein in einer rechtsgeschäftlichen Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber bestehen und damit naturgemäß nicht nach außen ersichtlich sind. Während bei der körperlichen Übergabe nach § 929 S. 1 BGB zum Übereignungsvertrag ein körperliches Vollzugselement tritt, fordern die Tatbestände der §§ 930, 931 BGB an dessen Stelle ein zweites rechtsgeschäftliches Element, nämlich die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses bzw. die Abtretung; im Rahmen des § 929 S. 2 BGB genügt sogar der Übereignungsvertrag ohne zusätzliches Element53. Da diese Formen der Übereignung vollkommen gleichberechtigt nebeneinander stehen, insbesondere die rein rechtsgeschäftlichen in der Rechtsfolge nicht benachteiligt sind und auch sonst nicht als bloße Ausnahmen eingestuft werden können, vielmehr in den wirtschaftlich interessanten Fällen eher die Regel bilden als die körperliche Übergabe54, kann von einem Traditionsprinzip schlechterdings nicht die Rede sein55. Andererseits wird man angesichts des § 929 S. 1 BGB nicht so weit gehen können, ein reines Zessionsprinzip zu postulieren; das Gesetz hat sich vielmehr für eine Mischung aus beidem entschieden. Da Zession und Tradition gleichberechtigt nebeneinander stehen, erscheint 51

Dazu unten B. I. 3., S. 95 ff. Vgl. nur die Diskussion beim 51. DJT 1976, etwa Gutachten Drobnig, a. a. O. 53 Dazu eingehend auch Süss, FS Wolff, S. 141/142 ff. 54 Vgl. oben zu II., S. 59. 55 Ebenso Süss, FS Wolff, S. 141 ff.; Heck, Sachenrecht, § 56, 3. – Kritisch zum „Publizitätsprinzip“ beim Erwerb vom Berechtigten neuerdings auch Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 20 ff. (zurückhaltender noch die 1. Aufl., Rdnr. 245 ff.). 52

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die Bezeichnung „Prinzip“ in die eine wie in die andere Richtung irreführend und sollte daher vermieden werden. Hiergegen erscheint auf den ersten Blick ein grundlegender Einwand denkbar, der indes bei genauerer Betrachtung nicht durchgreift: Man könnte nämlich entgegenhalten, das BGB gehe von der Prämisse der Übereinstimmung des Besitzbegriffs mit dem Traditions- und dem Publizitätsprinzip aus; als Besitz sei letztlich das anzusehen, was der Erwerber im Rahmen der Übereignung erhalte. Dadurch verkäme der Besitzbegriff jedoch zum reinen Selbstzweck, in unmittelbarem Zirkelschluss mit einem – vollends konturenlosen – Traditions- oder Publizitätsprinzip56. Vor allem aber zeigt § 931 BGB in der Alternative des bloßen Herausgabeanspruchs (ohne Besitzmittlungsverhältnis), dass das Gesetz bei der Übereignung mitunter auf jegliche Besitzposition verzichtet. 2. Die Funktion der Übergabe und ihrer Surrogate: Manifestation statt Publizität Damit verzichtet das Gesetz zugleich auf das Erfordernis, den Eigentumsübergang für Dritte nach außen ersichtlich zu machen – besonders deutlich in den §§ 930, 931 BGB, aber selbst schon bei einigen Formen der Übergabe –, so dass hier ebenfalls nicht von einem Publizitätsprinzip gesprochen werden kann57. Welche Funktion aber erfüllen die Übergabe und ihre Surrogate dann? Aufschluss bietet ein Blick in die Gesetzesmaterialien; die Kommission sah speziell für die Übereignung durch Besitzkonstitut (§ 930 BGB) ein Verkehrsbedürfnis und erwog zu etwa entgegenstehenden Publizitätserfordernissen: „Wäre die regelmäßig erforderte körperliche Übergabe der Sache lediglich dazu bestimmt, den Übergang des Eigenthumes erkennbar zu machen, so ließe sich das const. poss. kaum rechtfertigen. Indessen, daß dies nicht der wesentliche Zweck der Übergabe sei, ergebe sich schon daraus, daß das durch die Übergabe hergestellte Besitzverhältniß nicht die Gewähr der Dauer biete, sondern jeden Augenblick werde verändert können. Es handle sich vielmehr wesentlich darum, durch die Übergabe den ernstlichen Willen festzustellen, daß eine dingliche Wirkung beabsichtigt sei.“58 56 Zur selben Erwägung im Rahmen des Geheißerwerbs vgl. sogleich V. 4., S. 74 nach Fn. 92. 57 Ebenso M. Bauer, FS Bosch, insb. S. 11 ff. 58 Prot. 3681 = Mugdan III 624 f. – Ebenso allein auf die Eindeutigkeit des Übereignungswillens stellt M. Bauer, FS Bosch, S. 15, ab; ähnlich Brehm/Berger, Sachenrecht, § 26 Rdnr. 13 f. In diese Richtung auch bereits die Begründung Johows zum Vorentwurf, abgedr. bei Schubert, Vorlagen der Redaktoren, Sachenrecht, Teil 1, S. 888 f.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

Der gemeinsame Zweck der tatsächlichen Übergabe wie ihrer rein rechtsgeschäftlichen Ersatzhandlungen liegt also in der Manifestation der Übereignung bzw. des Übereignungswillens59. Sie bilden demnach kein Publizierungs-, sondern ein Manifestationsmittel60, das grundsätzlich nicht nach außen zu dringen braucht, sich vielmehr auf das Innenverhältnis der am Erwerbsvorgang Beteiligten beschränkt. Umgekehrt ausgedrückt: Ginge es um die Publizität des Eigentumswechsels, läge ein Traditionszwang nahe, vergleichbar im Grundstücksrecht dem Eintragungszwang. Weil (und nur weil) aber die Übergabe lediglich eins von mehreren möglichen Manifestationsmitteln ist, reicht die in §§ 929 ff. BGB vorgesehene Mischung aus Tradition und Zession aus61. Dass die Übereignung im Falle einer Übergabe nach § 929 BGB – sofern sie sich nicht heimlich vollzieht – unmittelbaren Besitz und Eigentum in Übereinstimmung bringt und damit unter Umständen auch für Außenstehende ersichtlich wird, erweist sich dabei als zwar willkommene, aber keineswegs zwingende Nebenerscheinung62. Demgegenüber besteht die Funktion der körperlichen Übergabe nicht in der Kundbarmachung einer Rechtsveränderung, sondern sie bestimmt vor allem im Innenverhältnis von Veräußerer und Erwerber den Zeitpunkt des Gefahrübergangs (vgl. § 446 sowie § 640 BGB). Ein weiteres anschauliches Beispiel dafür, dass es auch historisch nicht um die unmittelbare Erkennbarkeit eines Rechtswechsels für Dritte, sondern vornehmlich um dessen nachträgliche Beweisbarkeit, also um ausreichende Manifestation ging, liefern die Motive zum Nießbrauch: Im Rahmen der Begründung, weshalb der Nießbrauch – im Gegensatz zum Faustpfandrecht – auch in Form des nicht nach außen ersichtlichen Besitzkonstituts bestellt werden kann, ist dort darauf abgestellt, dass der Nießbrauch ohnehin durch die Zahlung regelmäßiger Entgelte deutlicher hervortrete63. Solche Zahlun59 Den Begriff der „Manifestation“ verwendet schon Süss, FS Wolff, S. 165 – allerdings beschränkt auf einseitige Rechtsgeschäfte, insbesondere die Ersitzung. Ähnlich wie hier Staud/Wiegand, § 929 BGB, Rdnr. 46 ff., insb. 52 u. 60; ders., FS BGH I, S. 753/766 f.; Heck, Sachenrecht, § 56, 3; neuerdings auch Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 20 ff. und 770 („Klarstellungsfunktion“). Im Rahmen der Ablieferung i. S. d. § 817 Abs. 2 ZPO erkannt auch bei Lüke, ZZP 67 [1954], 356/365: Allein auf die Eindeutigkeit der Eigentumszuweisung komme es an (allerdings unter Zugrundelegung des Publizitätsprinzips für die §§ 929 ff. BGB; vgl. S. 365 f.); vgl. dazu noch unten V. 7., S. 79 f. 60 Zur Aufgabe der Publizitäts- zugunsten einer (allerdings dort enger aufgefassten, vgl. dazu sogleich unten 3.) Manifestationsfunktion der Übergabe vgl. auch Staud/Wiegand, § 929 BGB, Rdnr. 46 ff., insb. 52 u. 60. – Beschränkt auf die Funktion des Besitzkonstituts bei der Sicherungsübereignung im Ergebnis auch R. Weber, JuS 1998, 577/581. 61 Vgl. dazu bereits Heck, Sachenrecht, § 56, 2. 62 Ebenso Wiegand, FS BGH I, S. 753/767. 63 Mot. III 801 = Mugdan III 447.

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gen im Innenverhältnis sind aber für Dritte nicht ersichtlich, sondern können allenfalls im Nachhinein als Indiz wirken, wenn es darum geht, das Bestehen eines Nießbrauchs zu beweisen. Ebensowenig zählt die Forderung, dass Eigenbesitz und Eigentum möglichst nicht auseinanderfallen sollen, zu den essentialia der Übereignung. Vielmehr muss die Zurückhaltung von Eigenbesitz lediglich als Indiz gegen die Ernsthaftigkeit des Übereignungswillens angesehen werden. Zwar kann auch das Eigentum als nudum ius bestehen, in Ausnahmefällen ist gar ein dauerhaftes Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz möglich64; das soll aber nicht die Regel sein, vielmehr im Wesentlichen auf Fälle unfreiwilligen Besitzverlustes bzw. gänzlich besitzloser Sachen65 beschränkt bleiben. Wenn die Übergabe also lediglich der Manifestation des Übereignungswillens dient, ist auch eine Übereignung ganz ohne jedes Verändern von (sei es auch nur mittelbaren) Besitzpositionen erklärlich, wie sie das Gesetz in §§ 929a und 93166 BGB vorsieht. Der berechtigte Veräußerer muss nicht einmal Besitzer sein67, es ist also auch für die Eigentums- nicht zwingend Besitzverschaffung erforderlich. Hier liegt der entscheidende Unterschied zur Grundstücksübereignung, wo der Erwerb – auch vom Berechtigten – ausschließlich durch Eintragung möglich ist, § 873 BGB. Das könnte zu der Konsequenz verleiten, dass im Extremfall selbst das Zurückhalten aller Besitzpositionen durch den Veräußerer unschädlich sei, wenn nur sein Übereignungswille klar und deutlich zum Ausdruck kommt. Das aber ginge zu weit: Denn das bewusste Zurückhalten des Eigenbesitzes (§ 872 BGB) spricht unwiderleglich dafür, dass ein Eigentumswechsel nicht gewollt ist; eine entgegenstehende Übereignungserklärung wäre als venire contra factum proprium unbeachtlich. Praktisch dürfte dies allerdings kaum je relevant werden, weil man sich bei eindeutiger Übereignungserklärung etwa über die Konstruktion eines stillschweigenden Leihverhältnisses behelfen wird. Das zeigt umgekehrt auch, dass sich gerade der Eigenbesitz als Manifestationsmittel besonders gut eignet und er deshalb zumindest in den §§ 929 S. 1, 930 und teilweise auch 931 (nämlich i. V. m. 870) BGB als solches Verwendung findet: Denn der eigentliche Nutzen des Eigentums lässt sich nur dann ziehen, wenn der Eigentümer in irgendeiner – sei es auch nur mittelbaren – tatsächlichen Beziehung zur Sache steht; dafür genau steht das Institut des (unmittelbaren oder mittelbaren) Eigenbesitzes. 64

Vgl. die Konstellation in BGH NJW 1990, 1914. Lehrbuchbeispiel: der im Ozean versunkene Schatz (auf gesunkene Schiffe findet unter Umständen ohnehin § 929a BGB, der auf jedes Besitzmoment verzichtet, direkte Anwendung). 66 § 931 BGB in der Alternative des bloßen Herausgabeanspruches ohne Besitzmittlungsverhältnis, etwa weil ein Dieb unmittelbarer Besitzer ist. 67 Etwa in der eben zitierten Entscheidung BGH NJW 1990, 1914 (unter Ziff. II.). 65

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

Dies lässt sich insgesamt für das Verhältnis der beiden Tatbestandselemente der Übereignung zueinander – nämlich der rechtsgeschäftlichen Einigung über den Eigentumsübergang einerseits und der Übergabe bzw. ihrer rechtsgeschäftlichen Surrogate andererseits68 – wie folgt verallgemeinern: Das zweite Element (die Übergabe bzw. ihre Surrogate) dient grundsätzlich dazu, die Besitzlage der Übereignung anzupassen; es kann als „Besitzvollzugselement“ aufgefasst werden. Der Rechtsverkehr wird aber in der Regel beide Elemente nicht scharf trennen, sie werden sich vielmehr die Waage halten: Ein starkes und unzweideutiges Vollzugselement wird einen leichteren Rückschluss zulassen, dass die Parteien wohl eine Übereignung gewollt haben; man wird deshalb die Einigung über den Eigentumsübergang ohne allzu hohe Anforderungen bejahen und sie – je nach den äußeren Umständen – sogar als konkludent unterstellen können. Das ist vor allem bei der Übergabe nach § 929 S. 1 BGB der Fall; aber nicht nur sie, sondern auch die ausdrückliche Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 930 BGB) oder die Abtretung des mittelbaren Besitzes (§§ 931, 870 BGB) erlauben diesen Rückschluss, mag auch in laienhafter Vorstellung die Eigentumsübertragung im Vordergrund stehen und eine Einigung über das Besitzstufenverhältnis dem Rechtsunkundigen eher fern liegen. Ist das Vollzugselement dagegen schwach oder gar nicht ausgeprägt – etwa im Fall des § 929 S. 2 BGB –, so wird man höhere Anforderungen an eine eindeutige Einigung stellen69. Lässt sich aber umgekehrt eindeutig feststellen, dass ein Eigentumsübergang gewollt war, wird man leicht Rückschlüsse auf ein entsprechendes Besitzvollzugselement ziehen und etwa die konkludente Vereinbarung eines Leihverhältnisses oder einer Abtretung des mittelbaren Besitzes nach §§ 931, 870 BGB unterstellen70. Dies wird im Rahmen der §§ 930, 931 BGB der häufigere Fall sein, weil sich vor allem Rechtsunkundige eher Vorstellungen über die Eigentumszuordnung als über die daraus folgenden Besitzverhältnisse machen werden. Dasselbe gilt aber auch im Rahmen der Übergabe nach § 929 S. 1 BGB, wenn sie durch bloße Einigung über den Besitzwechsel nach § 854 Abs. 2 BGB erfolgt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass auch das starke Vollzugselement der körperlichen Übergabe seinen Sinngehalt erst durch die eindeutige Feststellung einer Einigung über den Eigentumsübergang erhält: So mag etwa der A dem B regelmäßig eine Vielzahl von Sachen zur Verwahrung oder zur 68

Zu diesen beiden Elementen oben zu 1., S. 64, sowie Süss, FS Wolff, S. 142 ff. In diese Richtung auch bereits Mot. III 334 = Mugdan III 185: Die gewisse „Dunkelheit“ des bloßen Übereignungsvertrages solle durch eine eindeutige Zäsur überwunden werden. 70 Als Beispiel gar für eine Umdeutung einer Übereignungserklärung nach § 929 S. 2 BGB in eine Abtretungserklärung nach § 931 BGB vgl. BGH WM 1956, 158/ 160 f. 69

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Leihe übergeben. In diesem Fall wird der Rückschluss, der A habe dem B eine bestimmte Sache durch die Übergabe übereignen wollen, erst dann erlaubt sein, wenn eine entsprechende rechtsgeschäftliche Einigung eindeutig feststeht. Die Manifestationsfunktion der Übergabe und ihrer Surrogate findet sich im Übrigen auch bei anderen Rechtsübertragungstatbeständen wieder: So kann nach § 1117 Abs. 2 BGB die Übergabe des Hypothekenbriefes nicht nur durch die Surrogate der §§ 930, 931 BGB ersetzt werden, sondern auch durch die Vereinbarung der direkten Aushändigung seitens des Grundbuchamtes. Auch dort ist offensichtlich, dass es nicht darum geht, Dritten die Berechtigung an der Hypothek durch den Briefbesitz anzuzeigen, sondern in der Betrachtung ex post die Feststellung einer eindeutigen Abmachung zu ermöglichen71, die die Ernsthaftigkeit des Übertragungswillens manifestiert, und so das nachträgliche Fingieren einer Übertragung zu erschweren. 3. Drittschutz durch Manifestation: Die Erschwernis nachträglich fingierter Übereignungen Damit rückt auch der mittelbare Schutz Dritter, d.h. nicht unmittelbar am Erwerbsvorgang Beteiligter wieder ins Blickfeld: Denn indem der Sinn eines Manifestationsmittels vor allem darin liegt, einen rechtserheblichen Vorgang im Nachhinein beweisbar zu machen72, soll eine Gläubigerbenachteiligung durch das Rückdatieren oder nachträgliche Fingieren von Rechtsverschiebungen möglichst verhindert werden. Insbesondere im Fall der Insolvenz oder der Einzelzwangsvollstreckung kann es gegenüber betroffenen Dritten, denen die Sache auf Grund einer behaupteten Übereignung nicht mehr als Haftungsobjekt zur Verfügung steht, auch darum gehen, ob eindeutig beweisbar ist, dass die Übereignung wirklich vollzogen wurde und nicht zur Gläubigerbenachteiligung im Nachhinein fingiert. Die Manifestationsfunktion des Besitzvollzugs flankiert insoweit die Möglichkeiten der Anfechtung nach der InsO bzw. nach dem AnfG73. Die Frage der Beweisbarkeit der Manifestation leitet damit direkt zur Beweiswürdigungssituation im Prozess über: Wenn nahe liegt, dass der Schuldner eine Übereignung bloß im Wege der Schutzbehauptung vorträgt, so sind umso höhere Anforderungen an eine entsprechende Manifestation zu stellen. In dieser Lage kann etwa eine tatsächlich erfolgte körperliche 71

So im Ergebnis bereits RGZ 66, 206/209 f. Vgl. oben Kap. 1, A. III. 3., S. 31 f.; insofern über Staud/Wiegand, § 929 BGB, Rdnr. 46 ff., hinausgehend. 73 Dazu schon oben zu III. 4. a. E., S. 64. 72

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

Übergabe Indiz für die Glaubhaftigkeit des Vortrags sein74. Das hat aber wohlgemerkt nichts mit der möglichen Publizität der Übereignung zu tun, sondern allein mit der Glaubhaftigkeit und damit der Beweiswürdigung im Prozess. Es geht nämlich nicht um die – überholte75 – Vorstellung vom Gläubiger, der auf beim Schuldner vorhandenes Pfändungsgut vertraut. Vielmehr kommt der Gläubiger in den Genuss des Manifestationserfordernisses gänzlich unabhängig von seinem Vertrauen in die Besitzlage: Dieser Gläubigerschutz vor fingierten Übereignungserklärungen hängt nämlich weder davon ab, ob der Schuldner unmittelbarer oder überhaupt Besitzer der betroffenen Sache ist, noch davon, ob der Gläubiger die Besitzlage überhaupt kannte.

V. Folgerungen für Sonderformen der Übereignung Aus der Beschränkung auf den Manifestationszweck lassen sich wiederum Rückschlüsse auf Sonderformen der Übereignung ziehen, die keinem der Tatbestände der §§ 929 bis 931 BGB direkt entsprechen. 1. Der Erwerb besitzloser Sachen So ist die Übereignung besitzloser Sachen durch bloße vertragliche Einigung damit unproblematisch möglich, insbesondere ohne jedes Bedenken hinsichtlich fehlender Publizität. Dazu bedarf es nicht einmal der Parallele zum eher exotischen Anwendungsbereich des § 929a BGB. Denn bereits § 931 BGB verzichtet – in der Alternative des reinen Herausgabeanspruches ohne Besitzmittlungsverhältnis – auf jede Besitzposition des Veräußerers wie des Erwerbers. Wenn sich aber schon der Eigentumswechsel unabhängig vom Besitz eines unbeteiligten Dritten, der ja unter Publizitätsgesichtspunkten eigentlich entgegenstehen müsste, vollziehen kann, so muss dies erst recht gelten, wenn niemand die Sache besitzt. Das BGB weicht damit entscheidend von den Regelungen des 1. Entwurfes ab, der sich noch streng an das Traditionsprinzip gehalten hatte: Danach hätte der besitzlose Veräußerer sich nämlich den Besitz zunächst selbst verschaffen müssen, um erst dann die Übereignung durch Besitzübertragung vornehmen zu können76.

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Vgl. auch Mot. III 335 = Mugdan III 186. Insoweit wie hier bereits Prot. 3689 f. = Mugdan III 627; RGZ 147, 321/325 und 331. 76 So – zum 1. Entwurf – ausdrücklich noch Mot. III 334 = Mugdan III 185. 75

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2. Der Irrtum über die Besitzverhältnisse Folgerichtig ist es auch unschädlich, wenn sich der Veräußerer bei der Übereignung lediglich irrtümlich noch im mittelbaren Besitz der Sache wähnt, etwa weil er davon ausgeht, dass der Erwerber ihm den Besitz mittele, dass also die Veräußerung durch brevi manu traditio nach § 929 S. 2 BGB erfolge, während der Erwerber die Sache in Wahrheit bereits an einen bösgläubigen Dritten weiterveräußert und übergeben hat, die Übereignung demnach eigentlich nach § 931 BGB zu erfolgen hätte. Zu Recht unterstellt die Rechtsprechung hier eine „stillschweigende“ Abtretung nach § 931 BGB, wenn nur der Übereignungswille des Veräußerers hinreichend deutlich zu Tage getreten ist77. Anders verhält es sich aber in den umgekehrten Täuschungsfällen, in denen der Veräußerer dem Erwerber vorspiegelt, die Sache sei besitzlos, während er in Wahrheit den Eigenbesitz zurückhält: Hier fehlt es an der hinreichenden Manifestation des ernsthaften Übereignungswillens. 3. Die Übereignung an den, den es angeht Entsprechend erscheint auch die so genannte „Übereignung an den, den es angeht“ unter sachenrechtlichen Gesichtspunkten unproblematisch. Damit sind Fälle bezeichnet, in denen es dem Veräußerer – insbesondere weil er den Kaufpreis bar erhält – gleichgültig ist, wem er die Sache übereignet, ob also sein Gegenüber das Eigentum für sich selbst oder etwa als Vertreter für einen Dritten empfängt. Hier soll nach allgemeiner Meinung ein Direkterwerb des im Innenverhältnis auf Empfängerseite Berechtigten eintreten78. Bezeichnenderweise wird dies fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Veräußererschutzes behandelt, der grundsätzlich durch das stellvertretungsrechtliche Publizitätsprinzip in § 164 BGB gewährleistet wird, dessen es aber in diesen Konstellationen ausnahmsweise nicht bedürfe79. Dagegen müssten sich aus Sicht sachenrechtlicher Publizität Bedenken eher in Hinblick auf den Schutz der Gläubiger des Erklärungsempfängers ergeben, der ja den unmittelbaren Besitz erhält, ohne dass nach außen – nicht einmal für den Veräußerer – ersichtlich wird, dass das Eigentum an seinen Auftraggeber fällt. Dieser Gesichtspunkt findet aber fast80 nirgends Beachtung. 77

BGH WM 1956, 158/160 f. Vgl. etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 VII 3 m. w. N. 79 Etwa R. Weber, JuS 1998, 577/582. – Eingehend Einsele, JZ 1990, 1005 ff. 80 Soweit ersichtlich nur Canaris, FS Flume, S. 371/424 f. (ablehnend dazu Einsele, JZ 1990, 1005/1006). – Dagegen schenkt M. Wolf, JuS 1975, 643/646, dem Gläubigerschutz allein für den Fall der (aus Publizitätssicht vergleichbaren, dazu sogleich im Text) dinglichen Surrogation Beachtung. 78

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

Das führt von der bisher vordringlichen Fragestellung, ob die Übereignung auch ohne Erkennbarkeit auskommt, weg zu der Frage, ob eine mit der Übereignung einhergehende Übergabe an einen anderen als den Erwerber schadet, weil sie aus Publizitätssicht irreführend sein kann. Dies wird man schon deshalb verneinen müssen, weil die Übergabe nach § 929 S. 1 BGB ebenso gut an den Besitzdiener, Besitzmittler oder sonstigen Vertreter des Erwerbers erfolgen kann81. Stets beruht dessen Direkterwerb dann auf internen vertraglichen Vereinbarungen, die naturgemäß nicht nach außen ersichtlich sind. Die Übereignung an den, den es angeht, mag zwar insoweit darüber hinausgehen, als die Person des Erwerbers nicht einmal für den Veräußerer ersichtlich ist; dieser ist aber durch das stellvertretungsrechtliche Offenkundigkeitsprinzip ausreichend geschützt. Dabei hat die stellvertretungsrechtliche Offenkundigkeit – anders als die sachenrechtliche – allein den Schutz des konkreten Geschäftspartners, nicht dagegen des allgemeinen Rechtsverkehrs oder der Gläubiger des Stellvertreters zum Ziel82. Im Übrigen finden sich vergleichbare Fälle auch ausdrücklich im Gesetz, nämlich im Rahmen der dinglichen Surrogation83. So erwirbt etwa im Falle des Nießbrauchs oder Pfandrechts an Forderungen dann, wenn der geschuldete Gegenstand auf die Forderung geleistet wird, der Forderungsgläubiger (d.h. der Nießbrauchbesteller bzw. Verpfänder) unmittelbar das Eigentum, obwohl die Leistung an den Nießbraucher bzw. Pfandgläubiger erfolgt, §§ 1075 Abs. 1, 1287 S. 1 BGB. Denn die Sache tritt im Wege dinglicher Surrogation an die Stelle der Forderung. Der Unterschied zwischen der Übereignung an den, den es angeht, und der dinglichen Surrogation besteht lediglich in der Bedeutung des Willens der Vertragsparteien: Während bei ersterer der Vertreter den Willen haben muss, für den Vertretenen zu erwerben, und dem Veräußerer die Person des Erwerbers gleichgültig sein muss, tritt letztere unabhängig vom Willen der Beteiligten ein84. Da die Unterscheidung sich auf die innere Willensrichtung beschränkt, diese aber nicht offenkundig ist (und zwar zumindest im Falle des Nießbrauchs85 nicht einmal für den Geschäftspartner), können beide Institute vom Blickwinkel der Publizität aus gleich behandelt werden. Dem Manifestationserfordernis hingegen ist unproblematisch Genüge getan, solange sich nur sowohl der generelle Über81

Ebenso Einsele, JZ 1990, 1005/1009 f.; vgl. auch bereits RGZ 132, 23/25 ff. Überzeugend Einsele, a. a. O., gegen Canaris. a. a. O. 83 Dazu noch unten C. I., S. 139 ff. 84 Vgl. M. Wolf, JuS 1975, 643/645. 85 Bei der Pfändung einer Forderung ist dagegen wenigstens für den Forderungsschuldner (aber auch nur für ihn!) wegen § 1280 BGB ersichtlich, dass er an den Pfandgläubiger leistet und in Wahrheit der Verpfänder Eigentümer wird. – Zum Anzeigeerfordernis noch unten B. I. 1. a) (3), S. 84 ff. 82

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eignungswille des Veräußerers als auch die Person des beabsichtigten Erwerbers – im Nachhinein beweisbar – ausreichend manifestiert haben. 4. Geheißerwerb und Kettengeschäft Unproblematisch werden angesichts fehlender Publizitätserfordernisse auch die Fälle des so genannten Geheißerwerbs bzw. Ketten- oder Streckengeschäftes. Hier erfolgt die Veräußerung entlang einer Kette von zwei oder mehr hintereinander geschalteten Kaufverträgen; die Sache wird jedoch unmittelbar vom Hersteller an den Endkunden übergeben, die Übergabe „überspringt“ also einen oder mehrere Zwischenhändler. Im Ergebnis besteht Einigkeit, dass das möglich sein muss und nicht zwei Übergaben – vom Hersteller an den Zwischenhändler und von diesem an den Endkunden – gefordert werden können. Dies ergibt schon die Parallele zu § 931 BGB: Dort muss der Mieter die Sache auch nicht zunächst an den Veräußerer herausgeben, damit dieser sie an den Erwerber übergibt, woraufhin letzterer sie wieder dem Mieter zur Verfügung zu stellen hätte. Vielmehr können diese drei Übergaben durch eine Abtretung ersetzt werden. Ebenso muss auch beim Kettengeschäft – schon aus Gründen der Praktikabilität – das Zusammenfallen zweier Übergaben in einer möglich sein. Publizitätsbedenken können dabei schon deshalb nicht bestehen, weil auch bei zwei Übergaben entlang der Kette die erste Übergabe und der vorübergehende Besitz des Zwischenhändlers geheim gehalten werden und damit nach außen unsichtbar bleiben könnten86. Nichts anderes gilt für die Konstellation, dass das zweite Glied der Übereignungskette (zwischen Zwischenhändler und Endkunde) unwirksam ist und so der Zwischenhändler Eigentümer wird: Zwar fallen dann Besitz und Eigentum auseinander; das aber wäre bei zwei Übergaben und Unwirksamkeit der zweiten Übereignung nicht anders, so dass durch die Abkürzung im Kettengeschäft kein zusätzlicher Nachteil entsteht87. Zur sachenrechtlichen Konstruktion derart verkürzter Übereignungsvorgänge gibt es verschiedene Ansätze: Man könnte etwa an eine Direktübereignung des Herstellers an den Endkunden denken88. Die Nachteile dieser Lösung sind indes evident: Weil die 86 Vgl. Martinek, AcP 188 [1988], S. 573/618, der aber irrigerweise eine Publizierungsfunktion der Übergabe voraussetzt: a. a. O., S. 576. 87 Das übersieht Süss, FS Wolff, S. 154, der diese Konstellation als besonders publizitätsfern anführt, weil der Rechtsschein für den Endkunden spreche und daher in die Irre führe. 88 So (zumindest in den Täuschungsfälle, in denen der Zwischenhändler dem Hersteller vorspiegelt, er trete als Vertreter des Endkunden auf): Flume, FS E. Wolf, S. 63/70; auch Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 96 f. – Flume stützt dies darauf, dem Endkunden sei es gleichgültig, von wem er Eigentum erlange (das ließe

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

Parteien des Verfügungs- von denjenigen der Verpflichtungsgeschäfte abweichen würden, ließe sich eine Erfüllung der Kaufverträge kaum konstruieren. Zudem wird der Hersteller die genauen vertraglichen Abreden zwischen Zwischenhändler und Endkunden nicht kennen; dort kann etwa ein Eigentumsvorbehalt oder lediglich eine Übergabe zum Zwecke der Miete vereinbart sein89. Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Konstruktion aber schon in ihren Prämissen als falsch. Denn ihr liegt ersichtlich die unzutreffende Vorstellung eines ungebrochenen Traditionsprinzips zugrunde: In unzulässiger Gleichsetzung von (körperlicher) Übergabe und Übereignung90 würde die Übergabe über den Willen der Beteiligten gesetzt, der sich lediglich auf die Erfüllung ihrer jeweiligen vertraglichen Verpflichtungen richtet91. Das andere Extrem bildet die Lösung über fingierte Besitzmittlungsverhältnisse: Im Verhältnis des Herstellers zum Zwischenhändler soll danach der empfangende Endkunde als Besitzmittler des Zwischenhändlers angesehen werden, während für die Erfüllung des zweiten Kaufvertrages zwischen Zwischenhändler und Endkunde der Hersteller als Besitzmittler des Zwischenhändlers fungiere92. Daran irritiert schon, dass die Besitzverhältnisse doch allgemein und absolut, nicht bloß relativ gegenüber einzelnen Dritten wie hier dem Hersteller bzw. dem Endkunden bestehen müssten. Vor allem aber unterliegt dieser Ansatz dem Irrtum, um des Traditionsprinzips willen müsse zwingend ein Besitzwechsel gerade vom Veräußerer auf den Erwersich – umgekehrt zur Übereignung an den, den es angeht – auf die Formel „Übereignung von wem auch immer“ bringen), gibt dem Hersteller aber einen Rückforderungsanspruch wegen rechtsgrundloser Bereicherung, weil ein Kausalverhältnis zum Endkunden nur mit dem Zwischenhändler, nicht aber direkt mit dem Hersteller bestanden, letzterer aber irrigerweise auf eine solche Direktschuld geleistet habe. Der Endkunde sei nach Zahlung des Kaufpreises über § 818 Abs. 3 BGB geschützt. – Ebenso noch RGZ 98, 64/65 f. 89 Vgl. auch Padeck, Jura 1987, 454/461. 90 Der Satz „Wo eine Übergabe, da eine Übereignung“ gilt nicht, vgl. oben Kap. 1, B. III., S. 43. 91 Ähnliches gilt für die Konstruktion bei Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 66 I 1 a, und Flume, FS E. Wolf, S. 63 f.: Danach verfüge der Zwischenhändler als Nichtberechtigter, weil er mangels Übergabe an ihn zu keinem Zeitpunkt selbst Eigentum erwerbe; der Hersteller als wahrer Berechtigter erteile jedoch durch die Ablieferung seine Zustimmung nach § 185 BGB. – Das erscheint unter Publizitäts- und Traditionsgesichtspunkten weniger interessant, krankt aber ebenfalls daran, dass allein eine Erfüllung entlang der jeweiligen Kausalverhältnisse dem Willen der Beteiligten gerecht zu werden vermag; vgl. dazu Hager, ZIP 1993, 1446/1447; Padeck, Jura 1987, 454/462, m. w. N. 92 So Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 C II 2, Rdnr. 17 a. E.; ansatzweise auch BGH NJW 1982, 2371/2372: die erforderliche Besitzverschaffung erfolge durch Anweisung zur In-Besitz-Nahme; vgl. noch Flume, FS E. Wolf. S. 63/69 f., unter Berufung auf Savigny.

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ber stattfinden. Würde man aber in eine Konstellation, in der der Zwischenhändler nach herkömmlicher Definition niemals auch nur mittelbaren Besitz erhält, solche Besitzmittlungsverhältnisse hineinfingieren, verkämen diese Besitzkonstruktionen ohnehin zum reinen Selbstzweck und verlören dadurch jeden Sinn: Denn was soll das Erfordernis eines Besitzwechsels nützen, wenn man den Besitz ohnehin nach Belieben fingiert, um ihn der im Ergebnis gewünschten Übereignung anzupassen? Daher ist – im Einklang mit der ganz überwiegenden Meinung – der Geheißerwerb ohne Mitwirkung von Besitzpositionen zuzulassen: Der Zwischenhändler erwirbt für eine juristische Sekunde Durchgangseigentum, indem der Hersteller an den Endkunden als vom Zwischenhändler benannte Empfangsperson ausliefert. Der Endkunde wird dann dadurch Eigentümer, dass er die Sache auf Geheiß des Zwischenhändlers vom Hersteller erhält, der damit aus Sicht des Endkunden als Geheißperson auf Veräußererseite auftritt93. Die einzige Schwäche dieser Ansicht liegt darin, dass sie ein schlechtes Gewissen wegen vermeintlicher Durchbrechung des Traditionsprinzips umtreibt und sie sich dahingehend zu rechtfertigen sucht94. Vielmehr ist diese Lösung angesichts des auf die Manifestationsfunktion beschränkten Zwecks der Übergabe und ihrer Surrogate unproblematisch95, ein schlechtes Gewissen also unangebracht: Denn schon nach den §§ 929 bis 931 BGB kann beim Erwerb auf jede Besitzposition verzichtet werden. Da es lediglich um Manifestation geht und deren Mittel recht frei vereinbar ist, kann ein einziger tatsächlicher Vorgang, nämlich die Ablieferung der Sache vom Hersteller an den Endkunden, gleichzeitig zwei oder mehr Übereignungen entlang der Kausalverhältnisse manifestieren. Es ist dann sogar unschädlich, wenn die Übergabe an eine Geheißperson des Erwerbers erfolgt, die dem Erwerber abredewidrig keinen Besitz vermittelt96. Dabei ist allerdings eine gewichtige Einschränkung zu beachten, die sich aus dem Manifestationszweck selbst ergibt: Die Direktlieferung muss sich 93 Etwa BGHZ 36, 58/60 f.; Hager, ZIP 1993, 1446/1447 f.; Padeck, a. a. O., S. 463 f., je m. w. N. Anders aber BGH ZIP 1993, 98/99: Dort hat der BGH im Rahmen der Abtretung einer Briefgrundschuld die Berechtigung des Zedenten offengelassen und bereits die Übergabe (bzw. -surrogat) des Briefes i. S. d. §§ 1154, 1117 BGB verneint, weil der Zessionar den Brief nicht vom Zedenten, sondern von einem Dritten erhalten hatte. – Insoweit zu Recht ablehnend Hager, a. a. O. 94 So etwa Padeck, a. a. O., S. 464; MK/Quack, § 929 BGB, Rdnr. 146. 95 Im Ergebnis auch Staudinger/Wiegand, § 929 BGB, Rdnr. 52, der allerdings davon ausgeht, erst auf Grund der zwischenzeitlichen Rechtsentwicklung – wie des Geheißerwerbs – sei die Funktion der Übergabe „neu zu bestimmen“. Der Kausalzusammenhang dürfte umgekehrt liegen: Weil die Funktion der Übergabe sich (von Anfang an) in der Manifestation erschöpft, ist der Geheißerwerb zulässig. 96 Zutreffend BGH NJW 1999, 425.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

nämlich bei objektiver Betrachtung tatsächlich als Manifestation des Übereignungswillens der Zwischenperson darstellen. Dazu wird zwar nicht erforderlich sein, dass der Zwischenhändler von allen Einzelheiten der Direktlieferung Kenntnis hat. Jedoch muss die Lieferung zumindest in seinem stillschweigenden Einverständnis erfolgen, in irgendeiner Weise auf die Lieferpflicht des Zwischenhändlers zurückgehen und von ihm veranlasst sein. Dies kann in den Fällen des Anscheinsgeheißes zum Tragen kommen, die nicht zwingend auf den Erwerb vom Nichtberechtigten beschränkt sind. Ein Beispielsfall97 mag dies verdeutlichen: Der Verkäufer Z hat dem Möbelhändler H einen wertvollen Tisch übergeben und übereignet; die Übereignung ist allerdings auf Grund einer Anfechtung des Z unwirksam. H erkennt die Anfechtung indes nicht an, so dass er Eigenbesitzer bleibt und also der Z – wie der Zwischenhändler in den Fällen der Direktlieferung – keinerlei Besitzposition hat. Z verkauft den Tisch an den Erwerber E und teilt diesem gleichzeitig mit, dass sich der Tisch noch bei H befinde und eine Übergabe daher erst später werde erfolgen können. Nun ist E gleichzeitig Stammkunde des H. Noch bevor Z den H auffordern kann, den Tisch direkt an E zu liefern, erhält E zufällig von H eine Lieferung von Möbelstücken. Darunter befindet sich durch ein Lagerversehen des H auch der Tisch, den E als denjenigen des Z erkennt. Hier wird man eine Übergabe des Z an E verneinen müssen, weil die Lieferung des Tisches mit Z gar nichts zu tun hatte, insbesondere nicht von ihm veranlasst war und ihm auch sonst nicht zugerechnet werden kann. Daher konnte sich darin auch nicht der Übereignungswille des Z manifestieren98. Die Übergabe müsste also noch durch eine Einigung zwischen Z und E nach § 929 S. 2 BGB ersetzt werden. Damit erweist sich im Übrigen die bereits erwähnte GrundschuldbriefEntscheidung des BGH, die die Übergabe eines Grundschuldbriefes durch eine dritte, vom Zedenten verschiedene Person betraf, insoweit als richtig, als dort zwar sehr nahe lag, dass der Zedent/Veräußerer die Übersendung des Briefes durch Dritte veranlasst hatte, ein solcher Zusammenhang aber nicht ausdrücklich festgestellt war; dies bedurfte weiterer Aufklärung99. 97

Abgewandelt nach dem „Klavierfall“ bei Medicus, BR, Rdnr. 564. Die Übergabe scheitert ausschließlich an dem fehlenden Zusammenhang zu Z; auf die Willensrichtung des H kommt es dagegen nicht an (vgl. dazu – im Rahmen gutgläubigen Erwerbs – MK/Quack, § 932 Rdnr. 17, und unten Kap. 4, A. III. 1. c) a. E., S. 242). Es ist also unerheblich, ob H etwa die übrigen Möbel nur zur Ansicht geliefert hat. – Selbstverständlich könnte Z den Tisch aber unabhängig von der Übergabe übereignen. 99 BGH ZIP 1993, 98; vgl. eben Fn. 93. – Lediglich die Forderung des BGH, a. a. O. S. 99, der Überbringer müsse als Vertreter des Veräußerers handeln, ist zu eng. Deshalb geht umgekehrt die Kritik von Hager, ZIP 1993, 1446/1447 f., zu weit. 98

A. Der Eigentumserwerb vom Berechtigten

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5. Die Übereignung durch Einräumung von Mitbesitz Ließen sich damit durch die Beschränkung der Übergabe auf die bloße Manifestation in den bislang behandelten Konstellationen die Ergebnisse der h. M. im Wesentlichen bestätigen, gilt anderes für die Übereignung durch Einräumung gleichrangigen Mitbesitzes. Nach ganz h. M. soll für die Eigentumsübertragung grundsätzlich nicht ausreichen, dass der Veräußerer dem Erwerber lediglich Mitbesitz einräumt, selbst aber zugleich Mitbesitz als Eigenbesitz zurückbehält100. Hier verabsolutiert die h. M. den vollständigen Besitzverlust auf Veräußererseite, obwohl er (jedenfalls für den Erwerb vom Berechtigten) gar nicht erforderlich ist. Dem ist nur im Ergebnis insoweit zuzustimmen, als eine Übertragung des Alleineigentums scheitert, weil der Übertragungswille des Veräußerers sich nicht vollständig manifestiert hat, solange er einen „Eigenbesitzanteil“ zurückbehält. Wenn aber der Parteiwille ergibt, dass zumindest die Übertragung eines Miteigentumsanteils gewollt ist (gegebenenfalls im Wege eines Schlusses a maiore ad minus), steht einem Miteigentumserwerb nichts entgegen101. 6. Die handelsrechtlichen Traditionspapiere Die Manifestationsfunktion lässt ferner Rückschlüsse für die im Rahmen der handelsrechtlichen Traditionspapiere (§§ 448, 475g, 650 HGB) interessante Frage zu, ob durch den Umstand, dass ein Traditionspapier ausgestellt ist, eine Übereignung des Gutes nach § 931 BGB ohne Übergabe des Traditionspapiers ausgeschlossen wird. Nach allgemeiner Ansicht soll eine solche Sperrwirkung bestehen102. Zur Begründung wird darauf abgestellt, es müsse ein Auseinanderfallen von Papier und Herausgabeanspruch tunlichst vermieden werden; der Anspruch sei im Papier verkörpert und daher untrennbar mit ihm verbunden103. Unter dem Gesichtspunkt der Manifestation lässt sich dasselbe Ergebnis – parallel zum Zurückhalten des Eigenbesitzes104 – hingegen wie folgt konstruieren: Das Zurückhalten eines Traditionspapiers ist ein unwiderlegbares Indiz gegen die Ernsthaftigkeit des Übereignungswillens, so dass es an der ausreichenden Manifestation fehlt. Deshalb reicht bei Zurückhalten des Papiers nicht einmal das Ver100 Etwa BGH WM 1962, 820; RGRK/Pikart, § 929 BGB, Rdnr. 27; Brehm/ Berger, Sachenrecht, § 27.12; R. Weber, JuS 1998, 577/578 f.; wohl auch Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 51 C II 4, Rdnr. 19. 101 So auch Wieling, Sachenrecht, § 9 I 2 d; Soe/Henssler, § 929 BGB, Rdnr. 54 u. 59. 102 Vgl. BGHZ 49, 160/162 f.; Brox, Handels- und Wertpapierrecht, Rdnr. 687. 103 So BGH a. a. O., 163. 104 Vgl. oben IV. 2., S. 67.

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schaffen von Eigenbesitz am Gut aus: Das Traditionspapier geht dem Sachbesitz vor. Damit führt die Existenz eines Traditionspapiers im Rahmen des Erwerbs vom Berechtigten formal zu einer Erschwernis gegenüber der bloßen Abtretung nach § 931 BGB105. Auch bei der Anwendung der Übergabesurrogate auf Traditionspapiere dürfte Zurückhaltung geboten sein, weil der Besitz des Papiers für sich kaum Nutzen bringt106: Wenn der Erwerber das Papier (entsprechend § 929 S. 2 BGB) schon vor der Übereignung innehatte, ergibt sich kein Problem. Ist das Papier seinerseits bei einem Dritten – etwa einer Bank – hinterlegt, dürfte auch gegen eine Abtretung des Herausgabeanspruches (entsprechend § 931 BGB) nichts einzuwenden sein. Zweifel wird aber die Übereignung unter Vereinbarung eines Besitzkonstituts am Papier (entsprechend § 930 BGB) aufwerfen: Da selten Gründe für ein Auseinanderfallen von Innehabung des Papiers und Eigentum sprechen werden, dürfte ein solches Vorgehen zumindest in starkem Maße gegen einen ernsthaften Übereignungswillen sprechen und nur ausnahmsweise das Manifestationserfordernis erfüllen, wenn der Übereignungswille entsprechend deutlich hervortritt und überzeugende Gründe für ein Besitzkonstitut vorliegen, etwa die Übereignung des Gutes unter gleichzeitiger Verpfändung an den Veräußerer. Auf die Streitfrage, ob die Traditionswirkung gehindert wird, wenn der Papierschuldner den Besitz nicht mehr vermitteln will, kommt es im hiesigen Zusammenhang (Erwerb vom Berechtigten) nicht an, weil der Erwerb auch nach § 931 BGB keinen mittelbaren Besitz, sondern lediglich einen Herausgabeanspruch voraussetzt107; für die ausreichende Manifestation ist es nicht erforderlich, dass der Veräußerer Eigenbesitzer ist. Entgegen verbreiteter Ansicht108 ist es aber für den Eigentumserwerb vom Berechtigten auch unerheblich, ob der Lagerhalter selbst noch im Besitz des Gutes ist oder nicht (etwa weil es ihm abhanden gekommen ist). Denn in der Papierübergabe manifestiert sich die Abtretung des Herausgabeanspruchs; gegen wen sich der Herausgabeanspruch richtet, ist ohne Belang.

105 Das dürfte freilich durch die erleichterte Beweisführung gegenüber dem Papierschuldner mehr als aufgewogen werden. 106 Ausnahmen bilden etwa die Verpfändung des Gutes bzw. des Herausgabeanspruches. 107 Ebenso Zöllner, Wertpapierrecht, § 25 IV 3 f. – Zum Erwerb vom Nichtberechtigten unten Kap. 4, A. III. 1. d) (4), S. 250. 108 Etwa Wieling, Sachenrecht, § 9 X.

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7. Sonderfälle: „Wegnahme“ in § 897 ZPO und „Ablieferung“ in § 817 ZPO Auch im Rahmen der in der Zwangsvollstreckung erzwungenen Übereignung, die nach § 897 Abs. 1 ZPO in Form der „Wegnahme“ durch den Gerichtsvollzieher erfolgt, ist der Begriff der „Wegnahme“ unter Manifestationsgesichtspunkten auszulegen: Eine körperliche Wegnahme ist also nicht unbedingt erforderlich; theoretisch könnte auch etwa ein Besitzkonstitut ausreichen (in der Regel ist freilich der Schuldner ausdrücklich auch zur Herausgabe verurteilt). Das ist schon deshalb selbstverständlich, weil es dem Schuldner jederzeit freisteht, der Zwangsvollstreckung zuvorzukommen, indem er sich mit dem Gläubiger auf ein Besitzkonstitut nach § 930 BGB einigt. Die Manifestationsfunktion des Besitzübergangs lässt sich schließlich auf eine ähnliche Konstruktion übertragen, nämlich den Eigentumserwerb im Rahmen der sich an die Zwangsvollstreckung anschließenden Versteigerung nach §§ 814 ff. ZPO. Da es sich um einen öffentlich-rechtlichen und keinen privatrechtlichen Übertragungsakt handelt, finden die §§ 929 ff. BGB nach allgemeiner Ansicht keine, auch keine analoge Anwendung109. Hier folgert die ganz überwiegende Meinung aus einer strengen Auslegung des § 817 Abs. 2 ZPO, dass der Ersteigerer das Eigentum erst mit „Ablieferung“, d.h. körperlicher Übergabe durch den Gerichtsvollzieher erwerbe. Dagegen soll z. B. die Gestattung der Wegnahme nicht ausreichen110. Soweit die Begründung sich nicht in einem Verweis auf den Wortlaut „Ablieferung“ erschöpft111, wird dazu ausgeführt, bei beweglichen Sachen bestehe – im Gegensatz zum Zuschlag nach § 90 ZVG – die Gefahr der Verbringung, so dass „erst durch die unmittelbare Besitzverschaffung das die Sicherheit des Eigentumserwerbs verbürgende Herrschaftsverhältnis hergestellt“ werde112. Teils wird unmittelbarer Besitz des Erwerbers gefordert113, teils wird auch der Erwerb mittelbaren Besitzes – entsprechend § 930 BGB – für ausreichend erachtet114, teils nur „ausnahmsweise“115 oder jedenfalls dann nicht, wenn der Schuldner unmittelbarer Besitzer bleibe116. Dagegen 109

BGZ 119, 75; näher Lüke, ZZP 67 [1954], 356/360 ff. Etwa Zöller/Stöber, § 817 ZPO, Rdnr. 8; RGZ 153, 257/260 f. 111 So RGZ 153, 257/260. 112 RGZ 126, 21/24; ablehnend Lüke, ZZP 67 [1954], 356/364. 113 Thomas/Putzo, § 817 ZPO, Rdnr. 8; RGZ 153, 257/260; OLG München MDR 1971, 1018 (ohne Begründung). 114 MünchKomm-ZPO/Schilken, § 817, Rdnr. 10: wesentlich komme es auf die Übereignung an, so dass mittelbarer Eigenbesitz ausreiche. 115 Musielak/Becker, § 817 ZPO, Rdnr. 4; Zöller/Stöber, § 817 ZPO, Rdnr. 8; OLG München ZMR 1956, 170. 110

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soll nach Lüke117 allein der hoheitliche Wille den Eigentumsübergang bewirken. Weil jedoch nur ein nach außen in Erscheinung getretener Hoheitsakt überhaupt existent sei, sei lediglich zu fragen, inwieweit sich der Hoheitsakt manifestieren müsse. Dazu biete der Wortlaut „Ablieferung“ keine Anhaltspunkte, weil § 817 Abs. 2 ZPO kaum als materiell-rechtliche Bestimmung über die Form der Eigentumsübertragung gedacht sei. Dem ist auf der Grundlage des allgemeinen Manifestationserfordernisses beim derivativen Eigentumserwerb zuzustimmen; „Ablieferung“ im Sinne des § 817 Abs. 2 ZPO ist dann jede Manifestation des hoheitlichen Übereignungswillens. Wiederum wird das in der Regel die körperliche Übergabe sein: Der Gerichtsvollzieher ist durch die Pfändung wenigstens mittelbarer Besitzer des Pfandes geworden118; vor der Versteigerung wird er sich zumindest bei leicht transportablen Sachen unmittelbaren Besitz verschaffen. Dann besteht unter normalen Umständen kein Anlass, diese Besitzposition nicht auch sofort auf den Erwerber zu übertragen, wenn eine Übereignung wirklich gewollt ist, und den Übertragungswillen dergestalt zu manifestieren. Wenn aber auf Grund außergewöhnlicher Umstände (etwa bei schwer zu transportierenden Gegenständen) eine körperliche Übergabe schwierig oder sonst eine Übertragung bloß mittelbaren Besitzes entsprechend § 930 BGB angezeigt erscheint, muss es als Manifestation ausreichen, wenn der Übereignungswille des Gerichtsvollziehers durch entsprechende Übertragungserklärungen klar und deutlich zum Ausdruck kommt.

B. Recht der Sicherheiten Die bisherigen Ausführungen konzentrierten sich auf den regulären Eigentumserwerb. Demgegenüber ist mit Blick auf die Publizität möglicherweise eine gesonderte Betrachtung der Übertragung solcher dinglichen Rechte geboten, die allein zu dem Zweck erfolgt, dem Erwerber – mehr oder weniger vorübergehend – als Sicherheit zu dienen.

116 RGZ 126, 21/25 f. (dort bestand mittelbarer Besitz durch vorangegangene Pfändung zugunsten des späteren Erwerbers, § 808 ZPO): Denn die Eigentumsveränderung würde „so wenig in die äußere Erscheinung treten, daß die Voraussetzungen des Eigentumserwerbs hier sogar noch über die des Eigentumserwerbs durch Besitzkonstitut erleichtert wären“ – gemeint ist wohl, dass der Richterspruch sowohl die Übereignungserklärung als auch die Veränderung des Besitzmittlungsverhältnisses ersetzen würde; Publizitätsdefizite würden sich daraus indes nicht ergeben. 117 ZZP 67 [1954], 356/365 ff. 118 § 808 Abs. 2 ZPO; dazu Thomas/Putzo, § 808 ZPO, Rdnr. 15.

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I. Pfandrecht und Sicherungseigentum 1. Publizitätserfordernisse beim Pfandrecht a) Das vertragliche Faustpfand Als Beispiel besonders ausgeprägten Publizitätsstrebens drängen sich die Regelungen zum vertraglichen Faustpfandrecht auf, §§ 1205 f., 1253 BGB. (1) Negative Publizität durch Ausschluss des Verpfänders Hinsichtlich der gesetzlichen Ausgangslage entsprechen § 1205 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB den § 929 S. 1 und S. 2 BGB: Das Pfandrecht kann durch Übergabe bestellt werden; ist der Pfandgläubiger bereits unmittelbarer Besitzer, so genügt die Einigung. Insoweit gilt das gleiche wie dort: Zwar ist der Begriff der „Übergabe“ nur auf den ersten Blick eindeutig119, beide Tatbestände erweisen sich jedoch als publizitätsfördernd. Allerdings bleibt zu beachten, dass die Besitz- bzw. Sachherrschaftsposition des Pfandgläubigers hier dieselbe ist wie bei der Übergabe zwecks Eigentumsübertragung; nach außen erkennbar wird also nicht zwischen diesen Rechtspositionen unterschieden. Bei bereits bestehendem Besitz des Pfandgläubigers (S. 2) wird zudem nicht einmal der Zeitpunkt der Verpfändung erkennbar. § 1205 Abs. 2 BGB entspricht dagegen nur zum Teil der Übereignung nach § 931 BGB: Im Gegensatz zu dort muss der Verpfänder nämlich mittelbarer Besitzer sein und diesen übertragen, die Abtretung eines „nackten“ Herausgabeanspruches reicht also nicht. Zudem muss die Übertragung – abweichend von § 870 BGB – auch dem unmittelbaren Besitzer angezeigt werden120. Bekanntlich fehlt dagegen die Möglichkeit einer Verpfändung durch Besitzkonstitut entsprechend § 930 BGB. Ein Zurückbehalten der näheren Besitzposition beim Verpfänder soll damit ausgeschlossen bleiben. Dementsprechend erlischt nach § 1253 Abs. 1 S. 1 BGB das Pfandrecht, sobald der Verpfänder eine solche Position mit Willen des Pfandgläubigers zurückerhält, und zwar zwingend: entgegenstehende Vereinbarungen sind unwirksam, § 1253 Abs. 1 S. 2 BGB. Stattdessen kann die Übergabe nach § 1206 BGB zusätzlich durch die Schaffung von Mitbesitz von Verpfänder und Pfandgläubiger ersetzt werden, wenn der Pfandgläubiger entweder „Mitverschluss“ erhält oder die Sa119 120

Vgl. dazu oben A. I. 1., S. 46 ff. Dazu gesondert unten (3), S. 84 ff.

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che von einem Dritten nicht mehr allein an den Verpfänder herausgegeben werden kann – diese Form des Mitbesitzes scheint mit Blick auf die Publizität die Idealform, weil sie sowohl das fortbestehende Eigentum des Verpfänders als auch das Recht des Pfandgläubigers anzudeuten vermag. Entsprechende Sicherungsmechanismen enthält § 1287 BGB: Danach setzt sich das Pfandrecht an einem Herausgabeanspruch nach Erfüllung im Wege dinglicher Surrogation an der herausgegebenen Sache selbst fort. Die Herausgabe kann dabei aber nur an den Pfandgläubiger bzw. an ihn und den Verpfänder gemeinschaftlich erfolgen, §§ 1281 f. BGB. Es bleibt also festzuhalten: Der Pfandgläubiger muss Besitzer (mindestens mittelbarer oder auch Mitbesitzer) der Sache werden; dass er einen bloßen Herausgabeanspruch erhält, reicht zur Verpfändung nicht121. Zudem darf der Verpfänder keine Besitzposition beibehalten oder zurückerlangen, die ihm den alleinigen Zugriff auf die Sache ohne Mitwirkung des Pfandgläubigers ermöglichen würde122. Dieser Ausschluss der Zugriffsmöglichkeit sichert damit negative Publizität123: Der Verpfänder kann nicht mehr als uneingeschränkt berechtigter Eigentümer auftreten, weil ihm der alleinige Zugriff auf die Sache unmöglich ist. Die negative Publizität betrifft dabei weniger den Erwerbsvorgang als den Zustand in seiner zeitlichen Erstreckung, wie die Erlöschensregel in § 1253 Abs. 1 BGB zeigt. (2) Keine positive Publizität beim Erwerber Dagegen schaffen auch die Regeln zum Pfandrecht keine positive Publizität in dem Sinne, dass etwa der Pfandgläubiger als solcher zu erkennen wäre: Nach der Übergabe gemäß § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB muss der Pfandgläubiger nach außen nicht vom Eigentümer zu unterscheiden sein. Nach § 1252 BGB erlischt das Pfandrecht mit dem Wegfall der gesicherten Forderung, mag der Besitz auch beim bisherigen Pfandgläubiger verbleiben. Der Pfandgläubiger muss auch nicht etwa unmittelbarer Besitzer werden, er kann sich sogar den Besitz mit dem Verpfänder teilen (§ 1206 BGB). Voraussetzung ist lediglich, dass der Verpfänder die Sachgewalt nicht alleine ausüben kann – es sei denn vermittels verbotener Eigenmacht. Für eine gewisse positive Publizität könnte allerdings streiten, dass der Pfandgläubiger – im Gegensatz zum Eigentumserwerb vom Berechtigten – nach allen Bestellungsformen irgendeine Besitzposition erhalten muss. Jedoch reicht nach 121 Ist der Verpfänder selbst nicht mittelbarer Besitzer, sondern hat bloß einen Herausgabeanspruch, so ist vielmehr dieser Anspruch nach den Regeln der Forderungsverpfändung zu verpfänden, §§ 1279 ff. BGB. 122 Zum letzteren Erfordernis auch Prot. 4169 = Mugdan III 913 f. 123 Vgl. auch Hromadka, JuS 1980, 89/90.

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§ 1205 Abs. 2 BGB ausdrücklich mittelbarer Besitz, nach § 1206 Alt. 2 BGB selbst mittelbarer Mitbesitz aus; der mittelbare Besitz ist aber nicht ohne Weiteres nach außen ersichtlich124. Zudem ist nicht einmal erforderlich, dass der Pfandgläubiger den Besitz an der Pfandsache behält; sie kann ihm etwa verloren gehen oder gestohlen werden, selbst vom Verpfänder weggenommen werden, ohne dass das Pfandrecht erlischt. Zu einem solchen Erlöschen führt allein die freiwillige Rückgabe an den Verpfänder, § 1253 Abs. 1 BGB. Schließlich ist auch die Aufhebung des Pfandrechts allein durch rechtsgeschäftliche Erklärung ohne Veränderung der Sachgewalt möglich, § 1255 Abs. 1 BGB. Damit geht es dem Gesetz ersichtlich nicht um den Schutz etwaiger Gläubiger des Pfandgläubigers, sondern allein darum, weitere Verfügungen des Verpfänders auszuschließen125. Dies kann sowohl dem Schutz des Pfandgläubigers wie dem etwaiger weiterer Kreditgeber des Verpfänders zu dienen bestimmt sein. Die Regelung ist allein Ausfluss des Misstrauens gegenüber dem Verpfänder; dem zedierenden bisherigen Pfandgläubiger dagegen misstraut das Gesetz nicht. Um positive Publizität auf Seiten des Erwerbers geht es demnach auch beim Faustpfandrecht nicht. Das bestätigt sich zusätzlich an der Übertragung (Zweiterwerb) des Pfandrechts: Nach § 1250 Abs. 1 S. 1 BGB folgt das Pfandrecht der Forderung, nicht dem Besitz. Der neue Pfandgläubiger erhält lediglich einen Herausgabeanspruch gegen den bisherigen, § 1251 Abs. 1 BGB; die Herausgabe selbst (und damit Besitz des Zweiterwerbers) dagegen ist für den Pfandrechtsübergang nicht zwingende Voraussetzung. Vielmehr unterscheidet das Gesetz ausdrücklich den Zeitpunkt des Pfanderwerbs (durch Forderungsabtretung, § 1250 Abs. 1 BGB) von dem des Besitzerwerbs (§ 1251 Abs. 2 BGB). Damit konstruiert das Gesetz den Zweiterwerb des Pfandrechts rein forderungsakzessorisch. Die Vorentwürfe kannten demgegenüber die Übertragung des Pfandrechts nach den Regeln des Sachenrechts, insbesondere sollte die Übergabe der Sache erforderlich sein126. Auf das Übergabeerfordernis wurde dann lediglich deshalb verzichtet, weil die Abtretung der Forderung – entsprechend § 931 BGB – den Übertragungswillen ausreichend manifestiert und der Mitübergang des Pfandes in aller Regel gewollt 124 Vgl. oben Kap. 1, B. II. 3., S. 41 f.; dass beim Pfandrecht zumindest der unmittelbare Besitzer eingeweiht sein muss (§ 1205 Abs. 2 a. E. BGB), vermag daran nichts zu ändern. 125 Vgl. ausführlich RGZ 53, 218/220 f. Besonders deutlich kommt dieses Misstrauen gegenüber dem Pfändungsschuldner auch in § 808 Abs. 2 S. 1 HS. 2 ZPO zum Ausdruck – dort allerdings insofern zusätzlich gerechtfertigt, als der Schuldner trotz vollstreckbaren Titels bislang nicht gezahlt hat. Vgl. zu § 808 ZPO sogleich unten b) a. E., S. 89. 126 Vgl. die Nachweise bei Wieling, Sachenrecht, § 15 VI 1.

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ist127; davon geht auch § 1250 Abs. 2 BGB aus, der den Ausschluss des Pfandübergangs ausdrücklich als Ausnahme regelt. Diese Ausnahme zeigt aber andererseits auch, dass die Zurückhaltung des Pfandes – anders als die Zurückhaltung des Eigenbesitzes bei der Übereignung – kein eindeutiges Zeichen dafür ist, dass ein Übergang nicht ernsthaft gewollt ist: Die Forderung kann ja auch ohne Pfandrecht übergehen. Die Regelung ist damit sinnvoll, weil sie ein Auseinanderfallen in zwei Übertragungsakte (Forderungsabtretung und Übertragung des Pfandes) vermeidet. Letzteres hätte nämlich zur Folge, dass eine reibungslose Gesamtübertragung scheitern könnte, weil – anders als in der Konstellation des § 931 BGB – durch die vorhergehende Forderungsabtretung das Pfandrecht wegfiele (kein Pfandrecht ohne Forderung desselben Gläubigers). Zuerst das Pfandrecht zu übertragen, ist aber ebenfalls nicht möglich, vgl. § 1250 Abs. 1 S. 2 BGB. Indem das Gesetz auf ein Übergabeerfordernis verzichtet, erleichtert es damit die Übertragung und vermeidet ein ungewolltes Erlöschen des Pfandrechts in den Fällen, in denen die Parteien des Übertragungsvertrages eine Übergabe nicht gleichzeitig mit der Forderungsabtretung vornehmen (können). (3) Das Anzeigeerfordernis, §§ 1205 Abs. 2, 1280 BGB Ein besonderes Offenlegungserfordernis findet sich in § 1205 Abs. 2 BGB: Danach ist das Pfandrecht an einer in Drittbesitz befindlichen Sache nur wirksam, wenn es dem dritten unmittelbaren Besitzer angezeigt wird. Dass es dabei nicht wirklich um allgemeine Publizität gehen kann, indiziert schon die entsprechende Regelung in § 1280 BGB für die Verpfändung von Forderungen: Da Forderungen von vornherein nicht für die Dritte ersichtlich sind, kann für Rechte daran kaum Anderes gelten. Dabei ist zusätzlich entstehungsgeschichtlich bedeutsam, dass der 1. Entwurf in § 1211 bereits das Anzeigeerfordernis für die Forderungs-, nicht aber für die Sachverpfändung vorsah. Denn die Sachverpfändung im Wege der Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 870 BGB kannte der 1. Entwurf noch nicht; danach erforderte die Übertragung mittelbaren Besitzes vielmehr ohnehin die Anweisung an den Besitzmittler128. Auf den ersten Blick scheint es beim Anzeigeerfordernis um den Schutz des Pfandgläubigers vor Herausgabe (Zahlung) an den Verpfänder zu gehen, dem sich der Drittbesitzer (-schuldner) verpflichtet glaubt. Dann müsste die 127

Vgl. Wieling, a. a. O. zu a). Bei der Forderungsverpfändung versprach sich die 1. Kommission von der Anzeige neben einer „gewissen Kundbarmachung“ vor allem die ausreichende Bestimmbarkeit, insbesondere im Falle von Forderungsmehrheiten: Mot. III 856 = Mugdan III 477 f. 128

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Anzeige aber zur Disposition des Pfandgläubigers stehen. Vor allem erweist sich das Anzeigeerfordernis für diesen Schutzzweck bei näherem Hinsehen als völlig ungeeignet; der Pfandgläubiger wird sogar schlechter gestellt: Unterbleibt nämlich die Anzeige, geht er nach der Gesetzeslage leer aus. Ohne Anzeigeerfordernis würde er dagegen formal ein Pfandrecht erhalten, so dass ihm etwa die Rechte aus § 805 ZPO zustünden. Schließlich müsste, ginge es allein um den Schutz des Pfandgläubigers, die bloße Kenntnis des Drittbesitzers (-schuldners) von der Verpfändung ausreichen; das ist indes nach allgemeiner Meinung nicht der Fall: Erforderlich ist vielmehr die ausdrückliche Erklärung seitens des Verpfänders129. Weiter käme der Schutz anderer, zukünftiger Pfandgläubiger in Betracht. Sie werden sich zwar in der Regel beim Drittbesitzer (als dem unmittelbaren Besitzer bzw. beim Drittschuldner) nach den genauen Rechtsverhältnissen erkundigen und dann von ihm darauf hingewiesen werden, dass bereits ein Pfandrecht besteht. Diese Aufklärungsrichtung ist aber nach dem Gesetz nicht zwingend, sie kann daher kaum den eigentlichen Zweck des Anzeigeerfordernisses bilden. Zwar soll offensichtlich ausgeschlossen werden, dass der Drittbesitzer in Unkenntnis der Verpfändung die Sache an den Verpfänder herausgibt (bzw. der Drittschuldner an den Verpfänder zahlt); eine weitergehende Publizität auch für Außenstehende wird dadurch aber nicht erreicht130. Im Gegenteil: Ob das Pfandrecht wirksam entstanden ist, ist nicht einmal zwingend für den Pfandgläubiger erkennbar, weil die Anzeige allein im Verhältnis zwischen Verpfänder und Drittbesitzer (-schuldner), also außerhalb des Wahrnehmungsbereichs des Pfandgläubigers erfolgt. Selbstverständlich kann man der Anzeige eine gewisse Manifestationswirkung nicht absprechen: Die Anzeige bringt den ernsthaften Willen des Verpfänders zur Verpfändung unzweifelhaft zum Ausdruck und macht sie im Nachhinein leicht – durch Befragung des Drittbesitzers bzw. -schuldners – beweisbar. Zu diesem Zweck erscheint die Anzeige indes nicht erforderlich; denn im Rahmen der Übereignung lässt § 931 BGB bereits die bloße Zession als Manifestation ausreichen (ebenso § 398 BGB für die Forderung). Der eigentliche Zweck des Anzeigeerfordernisses liegt vielmehr in einer anderen Richtung, nämlich im Schutz des Drittbesitzers (-schuldners): Durch 129 RGZ 89, 289 f.; Palandt/Bassenge, § 1205 BGB, Rdnr. 9; MK/Damrau, § 1280 BGB, Rdnr. 4; RGRK/Kregel, § 1280 BGB, Rdnr. 5; Soe/Habersack, § 1205 BGB, Rdnr. 26 und § 1280 BGB, Rdnr. 6; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 55 B II 3 b cc, Rdnr. 17. 130 A.A. offenbar RGZ 85, 431/436; MK/Damrau, § 1205 BGB, Rdnr. 20; Soe/ Habersack, § 1205 BGB, Rdnr. 26: Die Anzeige diene dazu, die Verpfändung „nach außen erkennbar“ zu machen; freilich ohne Begründung.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

die Anzeige wird er berechtigt und verpflichtet, die Sache ausschließlich an den Pfandgläubiger herauszugeben131. Ohne Anzeige käme es dagegen unter Umständen zu einer Pflichtenkollision, zumindest aber zu Unsicherheiten beim Drittbesitzer: Denn dieser wäre einerseits – gegebenenfalls ohne es zu wissen – dem neu hinzu getretenen Pfandgläubiger auf Grund des Herausgabeanspruches verpflichtet, der im Rahmen der Übertragung des mittelbaren Besitzes nach §§ 1205 Abs. 2, 870 BGB abgetreten ist. Andererseits würde er dem Verpfänder als dem Eigentümer die Herausgabe zumindest aus § 985 BGB schulden – die Einwendung des § 986 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB könnte er in Unkenntnis der Verpfändung nicht erheben; jedenfalls würde er ohne Anzeige auch durch Herausgabe an den Eigentümer frei132. Um den Drittbesitzer (-schuldner) aus dieser Pflichtenkollision zu befreien, ihn insbesondere aus seiner Verpflichtung gegenüber dem Verpfänder zu lösen, ist die ausdrückliche Anzeige des Verpfänders erforderlich, der damit die zwischen beiden bestehende Verbindlichkeit zur Entlastung des Drittbesitzers (-schuldners) auf den Pfandgläubiger überführt. Darin liegt auch der entscheidende Unterschied zur Übereignung nach § 931 BGB bzw. zur Forderungsabtretung: Dort kann eine vergleichbare Pflichtenkollision nicht entstehen, weil nach der Rechtsübertragung kein Herausgabe- bzw. Zahlungsanspruch des Zedenten mehr besteht133. Dafür, dass das Anzeigeerfordernis vordringlich den Schutz des Drittbesitzers (-schuldners) bezweckt, spricht auch die Vorschrift des § 409 BGB, die im Rahmen der Forderungsabtretung die freiwillige Abtretungsanzeige regelt – und zwar dort unstreitig ausschließlich zum Schutz des Drittschuldners134. Ein weiterer Beleg für diese Schutzrichtung ist, dass im parallelen Fall der Forderungsverpfändung nach § 1280 BGB die Anzeige ausdrücklich nur dann erforderlich ist, wenn zur Übertragung der Forderung ein Abtretungsvertrag genügen würde. Sind dagegen weitere Merkmale erforderlich – ins131 Insoweit auch RGZ 85, 431; MK/Damrau, § 1280 BGB, Rdnr. 4. Wie hier: Staud/Wiegand, § 1205 BGB, Rdnr. 27. 132 So auch Prot. 4164 = Mugdan III 912 f. – Im Rahmen der Forderungspfändung käme es ohne Anzeige ebenso zu einer Pflichtenkollision beim Drittschuldner: Der Verpfänder bleibt ja Inhaber der Forderung (vgl. zur vollstreckungsrechtlichen Pfändung etwa Thomas/Putzo, § 829 ZPO, Rdnr. 33), der Pfandgläubiger dagegen ist lediglich zur Einziehung berechtigt, § 1282 Abs. 1 BGB. 133 Diesen Unterschied zu § 931 BGB betonen auch Prot. 4164 = Mugdan 912 f. – Zuvor ist dort allerdings die Rede davon, die Anzeige bilde einen „Ersatz“ für die der äußerlichen Erkennbarkeit dienende tatsächliche Besitzeinräumung; das ist nicht nachvollziehbar, weil auch i. R. d. § 931 BGB keine „tatsächliche“ Besitzeinräumung erfolgt. 134 Vgl. bereits RGZ 79, 306/307 f. – Dort ist darauf abgestellt, im Unterschied zu § 409 BGB sei bei der Verpfändung die Anzeige nach § 1280 BGB Entstehensvoraussetzung. Dass sich dadurch der Schutzzweck ändern sollte, erschließt sich nicht.

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besondere die Übergabe des Hypothekenbriefs nach §§ 1274, 1154 BGB –, ist der Drittschuldner ausreichend dadurch geschützt, dass er erst gegen Vorlage einer Urkunde – insbesondere des Hypothekenbriefs, §§ 1144, 1160 f., 1167 BGB – zahlen muss135. Nur so lässt sich auch erklären, weshalb nach allgemeiner Meinung – im Ergebnis zutreffend – die Kenntnis des Drittbesitzers (-schuldners) ohne Anzeige nicht ausreicht136. Denn die Anzeige modifiziert wie eine Anweisung das Schuldverhältnis des Drittbesitzers (-schuldners) zum Verpfänder; ohne Anzeige bliebe er dem Verpfänder grundsätzlich zur Herausgabe (Zahlung) verpflichtet. Ginge es hingegen vorrangig darum, eine Herausgabe an den Verpfänder im Tatsächlichen zu verhindern, müsste dafür die bloße Kenntnis vom Recht des Pfandgläubigers ausreichen. Daraus folgt umgekehrt aber auch, dass der Drittbesitzer (-schuldner), der trotz Anzeige in Unkenntnis der Verpfändung bleibt137 und gutgläubig an den Verpfänder herausgibt (zahlt), durch diese Leistung entgegen einer verbreiteten Meinung138 nicht frei wird. Denn der Schutzmechanismus ist hier ein anderer als im Rahmen der §§ 404 ff. BGB, wo insbesondere § 407 BGB auf die tatsächliche Kenntnis abstellt. Da bei der Verpfändung aber die Anzeige Wirksamkeitsvoraussetzung ist, muss sich der Drittbesitzer (-schuldner) die mangelnde tatsächliche Kenntnisnahme trotz Möglichkeit als eigenes Verschulden zurechnen lassen. Daran lässt zumindest im Fall der Forderungsverpfändung der eindeutige Wortlaut der §§ 1281 f. BGB („Der Schuldner kann nur an den Pfandgläubiger . . . leisten“) keinen Zweifel139. Bei der Sachpfändung nach § 1205 Abs. 2 BGB verhält es sich nun für den Drittbe135

Vgl. allgemein Jauernig, § 1280 BGB, Rdnr. 1. S. die Nachweise oben Fn. 129. Soweit dies überhaupt begründet wird, wird – rein begrifflich und daher wenig überzeugend – auf die Eigenschaft der Anzeige als einseitige Willenserklärung des Verpfänders verwiesen. Undeutlich in der Begründung auch Staud/Wiegand, § 1205 BGB, Rdnr. 27: Ohne Anzeige fehle es an der vom Verpfänder ausgehenden „Kundbarmachung“. RGZ 89, 289 f., begnügt sich mit dem Hinweis auf den Wortlaut („dass der Eigentümer . . . anzeigt“). 137 Etwa weil er die Anzeige nicht zur Kenntnis nimmt oder missversteht; dazu Staud/Wiegand, § 1280 BGB, Rdnr. 10. 138 So Staud/Wiegand, § 1205 BGB, Rdnr. 28 a. E. i. V. m. § 1280 Rdnr. 10; zumindest für den parallelen Fall der Forderungsverpfändung auch Palandt/Bassenge, § 1281 BGB, Rdnr. 6; Staud/Wiegand, § 1281 BGB, Rdnr. 6 (unter irriger Berufung auf RGZ 64, 28/30; 77, 250/254), § 1282 Rdnr. 14 und § 1287 Rdnr. 7; Wieling, Sachenrecht, § 16 II 4 a: Der gutgläubig leistende Drittschuldner werde nach §§ 1275, 407 BGB frei, während der Pfandgläubiger nach § 1287 BGB ein Pfandrecht am geleisteten Gegenstand erhalte (wodurch – wäre dies richtig – übrigens ein besitzloses Pfandrecht entstünde). 139 Die Verweisung des § 1275 BGB auf § 407 BGB gilt für die Forderungspfändung nicht; denn dort sind nach § 1279 BGB die §§ 1281 f. BGB leges speciales (MK/Damrau, § 1279 BGB, Rdnr. 2). 136

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sitzer nicht grundsätzlich anders: Gibt er in Unkenntnis der ihm zugegangenen Anzeige an den Verpfänder heraus, erlischt zwar selbstverständlich seine Herausgabepflicht gegenüber dem Pfandgläubiger (nämlich wegen Unvermögens, § 275 Abs. 1 BGB); er bleibt diesem jedoch nach Maßgabe des § 280 Abs. 1 S. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass das Anzeigeerfordernis der §§ 1205 Abs. 2, 1280 BGB keine allgemeine, sachenrechtliche Publizität bewirken, sondern – ähnlich der stellvertretungsrechtlichen Offenlegung nach § 164 BGB – allein dem Schutz des Drittbesitzers (-schuldners) dienen und ihm über seine genaue Herausgabe- bzw. Leistungspflicht Klarheit verschaffen soll. b) Gesetzliche Besitzpfandrechte und Pfändungspfandrecht nach § 808 ZPO Wendet sich der Blick zurück zur negativen Publizität des vertraglichen Faustpfandrechtes, so findet sich Entsprechendes auch unter den gesetzlichen Pfandrechten. Prominentes Beispiel dafür ist das WerkunternehmerPfandrecht nach § 647 BGB: Voraussetzung für seine Entstehung ist, dass die Pfandsache in den Besitz des Unternehmers gelangt ist. Es liegt nahe, dies so zu verstehen, dass der Besitz unter Ausschluss unmittelbarer Zugriffsmöglichkeiten des Bestellers erworben werden muss (so dass es allerdings ausreicht, wenn der Unternehmer – etwa durch einen Subunternehmer vermittelt – mittelbaren Besitz erlangt; er muss lediglich „näher“ an der Sache „dran“ sein als der Besteller). Mit Rückgabe der Sache erlischt das Pfandrecht, §§ 1227, 1253 BGB. Dasselbe gilt für das Pächterpfandrecht, § 583 Abs. 1 BGB140: Auch dies bezieht sich nur auf die in den (gegenüber dem Verpächter niedrigerstufigen) Besitz des Pächters gelangten, mitgepachteten Inventarstücke. Ebenso sind die meisten handelsrechtlichen Pfandrechte (des Kommissionärs, § 397; des Frachtführers, § 441; des Spediteurs, § 464; des Lagerhalters, § 475b; des Verfrachters, § 623; des Beförderers, § 674 HGB) an den Besitz des Pfandgläubigers gebunden141. 140 Auch der Pächter hat unter Umständen ein Pfandrecht wegen seiner Forderungen gegen den Verpächter. Davon zu unterscheiden ist das Pfandrecht des Verpächters wegen dessen Pachtforderungen, §§ 581 Abs. 2 i. V. m. 559 bzw. 592 BGB, das dem Vermieterpfandrecht entspricht; dazu unten 2., S. 93. 141 Das Pfandrecht des Frachtführers, Spediteurs bzw. Verfrachters kann zwar noch kurzzeitig über die Ablieferung hinaus fortbestehen, es ist dann aber zumindest an den fortdauernden Besitz des Empfängers gebunden, §§ 441 Abs. 3, 464 S. 2, 623 Abs. 2 HGB. Das Pfandrecht des Lagerhalters kann demgegenüber selbst bei fortdauerndem Besitz des Lagerhalters weitgehend durch gutgläubig lastenfreien Erwerb in Form der Indossierung des Orderlagerscheins erlöschen, § 475b Abs. 2 HGB, wenn es sich nicht ausdrücklich aus dem Papier ergibt.

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Mit Sichtbarkeitserfordernissen ganz anderer Art gestaltet das Gesetz hingegen das Pfändungspfandrecht nach § 804 ZPO aus: Der Gerichtsvollzieher muss das Pfändungsgut in Besitz nehmen, § 808 Abs. 1 ZPO, allerdings nicht notwendigerweise selbst unmittelbarer Besitzer werden. Gepfändete Gegenstände sind vielmehr grundsätzlich im Gewahrsam des Schuldners zu belassen, wenn dadurch die Befriedigung des Gläubigers nicht gefährdet erscheint, § 808 Abs. 2 S. 1 ZPO – hier kommt deutlich das Misstrauen gegenüber dem Pfändungsschuldner zum Ausdruck. Jedoch ist dann Entstehensvoraussetzung, dass das Pfandrecht durch Anlegen eines Siegels oder auf ähnliche Weise142 „ersichtlich“ gemacht wird, § 808 Abs. 2 S. 2 ZPO. Hier wird also entweder negative Publizität durch Verwahrung der Sache beim Gerichtsvollzieher bzw. einem von ihm beauftragten Dritten oder – bei fortbestehendem Gewahrsam des Schuldners – durch entsprechende Siegel sogar positive Publizität in dem Sinne erreicht, dass das Bestehen eines Pfändungspfandrechts angezeigt wird. Freilich wird man hieraus angesichts der außergewöhnlichen Form der Sichtbarmachung (regelmäßig durch Siegel) sowie des Umstandes, dass es nicht um die Voraussetzungen einer rein zivilrechtlichen Rechtsübertragung, sondern der durch § 136 StGB besonders geschützten öffentlich-rechtlichen Verstrickung geht, kaum Rückschlüsse auf den gewöhnlichen Rechtserwerb nach dem BGB ziehen können. c) Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre Entsprechend der unterschiedlichen Ausgestaltung der verschiedenen Pfandrechtsarten hat die Rechtsentwicklung je ihre eigenen Wege eingeschlagen: (1) Anforderungen an die Begründung (Besitzerwerb des Pfandgläubigers) So soll für das vertragliche Faustpfandrecht das bloße Sichtbarmachen des Pfandrechts durch räumlich nahe Anzeigetafeln oder durch Anbringen von Siegeln nicht ausreichen143 – im Gegensatz zum Pfändungspfandrecht, für welches § 808 Abs. 2 ZPO diese Vorgehensweise ausdrücklich vorsieht. Und in der Tat ist eine solche Pfandrechtsbestellung durch bloße Sichtbarmachung in den §§ 1205 f. BGB nicht vorgesehen. Allein aus Publizitätsgründen lässt sich das offensichtlich nicht rechtfertigen. Hier wird man daher auf das Strafrecht zurückgreifen müssen: Im Gegensatz zu „privaten“ 142 Zu denken ist etwa an eine Pfandanzeige in räumlicher Nähe zum Pfändungsgut, vgl. Thomas/Putzo, § 808 ZPO, Rdnr. 14. 143 RGZ 74, 146/148.

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Aufklebern des Pfandgläubigers unterliegen die Siegel des Gerichtsvollziehers nämlich dem besonderen Schutz des § 136 Abs. 2 StGB; auch die bloß in räumlicher Nähe zu einer Sachgesamtheit angebrachte Pfändungsanzeige bewirkt strafrechtlich einen „Verschluss“ im Sinne des § 136 Abs. 2 Alt. 4 StGB144. Zudem hat die hoheitliche Verstrickung den gesonderten Schutz des § 136 Abs. 1 StGB zur Folge145. Zur Qualifizierung des Besitzerwerbs wird teilweise die Auffassung vertreten, eine Besitzübertragung nach § 854 Abs. 2 BGB reiche nicht aus146, weil dadurch nicht im erforderlichen Maße die alleinige Zugriffsmöglichkeit des Verpfänders ausgeschlossen werde. Käme es darauf an, dürfte es ebenso wenig ausreichen, wenn der Verpfänder Besitzdiener des Pfandgläubigers wird: Er wäre dann zwar weisungsabhängig, ihm bliebe aber die tatsächliche Gewalt, § 855 BGB. Jedoch kann sich der Verpfänder diese Zugriffsmöglichkeit auch durch schlichte Wegnahme verschaffen, ohne dass dadurch das Pfandrecht erlöschen würde147. Entscheidend scheint daher vielmehr der Zeitpunkt, ab dem der Verpfänder nicht mehr ohne verbotene Eigenmacht, § 858 BGB, alleine Besitz ausüben kann, ab dem also dem Pfandgläubiger Besitzschutz nach §§ 859 ff. BGB zusteht. Dafür reicht dementsprechend aus, dass der Verpfänder bloßer Besitzdiener ist (dem gegenüber der Besitzherr vollen Besitzschutz genießt, § 855 BGB) oder den Besitz durch bloße Einigung nach § 854 Abs. 2 BGB überträgt (was ebenfalls für den Besitzschutz des Erwerbers genügt). Die Rolle des Besitzes beim Pfandgläubiger führt zu der Frage, ob auch beim Pfandrecht ein Geheißerwerb vorstellbar ist; dazu folgendes Beispiel: Eigentümer E verpfändet seine Sache an den Pfandgläubiger P1, der die gesicherte Forderung bereits vor Pfandübergabe an P2 abtritt und den E bittet, das Pfand direkt dem P2 zu übergeben. Hier muss E nichts von der Forderungsabtretung wissen148, aus seiner Sicht kann P2 auch bloßer Verwahrer 144

Vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 136 Rdnr. 8. Der allerdings erst mit tatsächlichem „Entziehen“ eingreift, also etwa nicht bereits durch Verkauf ohne Übergabe; vgl. Tröndle/Fischer, a. a. O. Rdnr. 7. 146 So MK/Damrau, § 1205 BGB, Rdnr. 10; a. A.: Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 63 III 1; Soe/Habersack, § 1205 BGB, Rdnr. 17; auch RGZ 74, 146/148 lässt eine Übertragung nach § 854 Abs. 2 BGB zwar grundsätzlich ausreichen, stellt jedoch daran wohl zu hohe Anforderungen (Sicherung des Pfandgläubigers durch Schlüssel). – Nicht deutlich in RGZ 53, 218/220 f.; 77, 201/208 f., wo jeweils § 854 Abs. 2 BGB unerwähnt bleibt, nach den tatsächlichen Feststellungen aber offenbar fortbestehender oder wiedererlangter Alleinbesitz des Verpfänders in Betracht kam. 147 § 1253 BGB fordert für das Erlöschen die freiwillige Rückgabe; bei Abhandenkommen ist auch das Pfandrecht gegen gutgläubigen Erwerb Dritter geschützt, entweder nach § 1208 oder entsprechend § 935 BGB (vgl. Jauernig, BGB, § 936 Rdnr. 7). 145

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des P1 sein, so dass eine direkte Pfandrechtsbestellung zwischen E und P2 unter Umständen ausscheiden wird. Einen Durchgangserwerb bei P1 zu konstruieren, erscheint auf den ersten Blick problematisch, weil die §§ 1205 f. in allen Alternativen irgendeinen Besitzerwerb des Pfandgläubigers voraussetzen. Hier deuten aber die §§ 1205 Abs. 2 und 1206 Alt. 2 BGB, die jeweils mittelbaren (Mit-)Besitz ausreichen lassen, an, dass es nicht entscheidend auf den Erwerb des unmittelbaren Besitzes ausschließlich durch den Pfandgläubiger ankommt, sondern dass der Schwerpunkt beim Ausschluss des Verpfänders liegt. Insofern muss selbst der Besitzerwerb eines Vertragspartners („Geheißperson“) des Pfandgläubigers ausreichen. (2) Die Beendigung von Besitz und Pfandrecht Mit Blick auf das Ende des Pfandrechts ergibt sich für das vertragliche Pfandrecht bereits aus dem Gesetz (§§ 1253 sowie 1208 S. 2 i. V. m. 935 BGB), dass das Pfandrecht nur erlischt, wenn der Pfandgläubiger seine Besitzposition freiwillig aufgibt; eine unfreiwillige Aufhebung der Besitzlage ist dagegen unschädlich. Für die Fortdauer des angezeigten Rechts kann damit unter Umständen auf Publizität (und zwar auch auf negative) verzichtet werden. Entsprechendes gilt dann nach allgemeiner Meinung für das Erlöschen des Pfändungspfandrechts im Rahmen des § 808 Abs. 2 ZPO: Auch hier besteht die Pfändung trotz Unkenntlichwerden der Pfändungszeichen fort, wenn es ohne Wissen und Wollen des Gerichtsvollziehers eintritt, etwa durch Abfallen oder mutwilliges Entfernen der Pfandsiegel149. Der Fortbestand des Pfändungspfandrechts ist also nicht an das Fortdauern der Erkennbarkeit gebunden: Im Extremfall mag sich etwa das angelegte Siegel nach wenigen Minuten von alleine lösen. Damit bezieht sich die Publizität beim Pfändungspfandrecht vor allem punktuell auf den Erwerbsakt, weniger auf den zeitlich andauernden Zustand. Diese Durchbrechung der Publizität beim Pfandrecht ließe sich dabei unter Umständen durch die Parallele zu § 935 BGB rechtfertigen, stünde also einem pfand- oder sicherungsrechtlichen Publizitätsprinzip noch nicht entgegen.

148 Die Abtretung ist nach §§ 398 ff. BGB im Gegensatz zur Forderungspfändung, § 1280 BGB, auch ohne Kenntnis des Schuldners möglich. 149 Thomas/Putzo, § 808 ZPO, Rdnr. 14 a. E. m. w. N.

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2. Aufweichungen der Publizität beim Pfandrecht: Besitzlose gesetzliche Pfandrechte sowie Hypothekenverband (§§ 1120 ff. BGB) Lässt sich also grundsätzlich beim vertraglichen Pfandrecht und den gesetzlichen Besitzpfandrechten zumindest ein Bestreben nach negativer Publizität erkennen, so ist aber auch dieser Grundsatz schon im begrenzten Rahmen des Pfandrechts nicht streng durchgehalten: Bereits beim vertraglichen Pfandrecht findet sich eine Einschränkung: Auch wenn die Sache dem (ersten) Pfandgläubiger übergeben ist, bleibt der Verpfänder nach §§ 1223, 868 BGB mittelbarer Besitzer und kann daher – unter Anzeige an den ersten Pfandgläubiger – an einen weiteren (dann nachrangigen) Pfandgläubiger nach § 1205 Abs. 2 BGB verpfänden150. Da der Verpfänder auch danach mittelbarer Besitzer bleibt (nunmehr lediglich zweiter Stufe), kann er diesen Vorgang beliebig oft wiederholen. Jede neuerliche Verpfändung muss er zwar dem jeweils vorhergehenden, d.h. dem zeitlich letzten Pfandgläubiger151 anzeigen, so dass dessen Kenntnis von nachrangigen Pfandrechten gewährleistet ist. Den vorrangigen Pfandgläubiger werden nachrangige Pfandrechte indes kaum interessieren; jedenfalls ist er zu einer Aufklärung seines Rangnachfolgers nicht verpflichtet. Der in dieser Konstellation viel schutzbedürftigere nachrangige Gläubiger muss hingegen nicht zwingend vom Bestehen vorrangiger Pfandrechte und der damit verbundenen Entwertung seines Sicherungsrechts erfahren. Auf diese Weise lässt sich also – theoretisch – selbst die negative Publizitätswirkung umgehen. Für die Publizitätswirkung des Besitzes uninteressant ist dagegen, dass das Gesetz in wenigen Sonderfällen (Hochseekabel, Luftfahrzeuge, Pachtkreditgesetz) auch ein vertragliches Pfandrecht ohne Besitz zulässt; dort wird die Publizität nämlich durch entsprechende Register geschaffen152. Aufschlussreicher erscheinen jedoch die weiteren gesetzlichen Pfandrechte, die grundsätzlich auf den Besitz des Pfandgläubigers verzichten153. Eine Sonderstellung nehmen dabei zunächst die so genannten Einbringungs150

Vgl. dazu MK/Damrau, § 1205 BGB, Rdnr. 17a. Als dem ihm nächsten Besitzmittler: vgl. MK/Damrau, § 1205 BGB, Rdnr. 22. Keine Anzeigepflicht besteht dagegen im Verhältnis zum unmittelbaren Besitzer und ggf. weiteren unterstufigen Besitzmittlern: vgl. Soe/Habersack, § 1205 BGB, Rdnr. 26. 152 Beispiele nach Baur/Stürner, Sachenrecht, § 55 A I 3 c bb, Rdnr. 6, dort daher zu Unrecht als „Abschwächung“ der Publizität eingeordnet; vgl. noch Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 126 II 1 und § 134 m. w. N. 153 Das Pfändungspfandrecht nach § 804 ZPO geht zwar grundsätzlich ebenfalls von fortbestehendem unmittelbarem Besitz des Schuldners aus; wegen der dortigen 151

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pfandrechte ein, also vor allem das Pfandrecht des Vermieters nach den §§ 562 ff. BGB, die jeweils nach §§ 581 Abs. 2, 592 bzw. 704 BGB auf den Verpächter und den Gastwirt entsprechende Anwendung finden. Umfasst sind dabei eigene Sachen des Mieters (Pächters, Gastes), die dieser in seinem unmittelbaren (Eigen-)Besitz behält. Eine Besitzposition des Vermieters wird man dagegen verneinen müssen154; jedenfalls ist diejenige des Mieters sachnäher. Die Beziehung des Vermieters zur Sache leitet sich im Wesentlichen daraus ab, dass der Mieter ihm den Besitz des umgebenden Grundstückes bzw. Wohn- oder sonstigen Raumes (§ 578 BGB) vermittelt. Das wird besonders deutlich daran, dass das Pfandrecht grundsätzlich mit der Entfernung aus dem Mietobjekt erlischt, § 562a S. 1 BGB. Zwar ist ein Erlöschen – vergleichbar dem Abhandenkommen – ausgeschlossen, wenn die Entfernung ohne Wissen des Vermieters oder gegen seinen Widerspruch erfolgt, § 562a S. 1 a. E. BGB. Jedoch ist diese Ausnahme ihrerseits dadurch eingeschränkt, dass das Pfandrecht in jedem Fall bei einer dem regelmäßigen Geschäftsbetrieb oder den gewöhnlichen Lebensverhältnissen entsprechender Entfernung erlischt, § 562a S. 2 Alt. 1 BGB. Schließlich erlischt es dem Sicherungszweck entsprechend auch automatisch durch Entfernung, wenn die zurückbleibenden Sachen zur Sicherung offenbar ausreichen, § 562a S. 2 Alt. 2 BGB. Zumindest in den letztgenannten Fällen fehlt jedes Publizitätselement: Denn wie viele Werte zurückbleiben, wird für Dritte ebenso wenig erkennbar sein wie das Maß der erforderlichen Sicherheiten. Kann der Verbleib der Sache im Mietobjekt noch als erkennbares Indiz für ein Vermieterpfandrecht angesehen werden, weil man zumindest mit dem Bestehen eines Vermieterpfandrechtes rechnen kann155, so ist nach der Entfernung das unter Umständen fortbestehende Pfandrecht durch keinerlei Beziehung zum Mietobjekt mehr ersichtlich. Gefahren für Dritte entstehen dadurch allerdings kaum: Sie können die Sache gutgläubig lastenfrei zu Eigentum oder mit Vorrangstellung als Pfand erwerben, §§ 936, 1208 BGB. gesonderten Publizitätserfordernisse ist es aber bereits oben unter 1. b) a. E., S. 89, behandelt. 154 Allenfalls käme mittelbarer Besitz in Frage. Dem Mieter wird aber in aller Regel hinsichtlich seiner eigenen eingebrachten Sachen der Besitzmittlungswille fehlen, so dass Fremdbesitz ausscheidet. Selbst wenn man den Besitzmittlungswillen durch ein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis meint ersetzen zu können (so etwa BGHZ 9, 73/78 ff., dazu oben Kap. 1, B. II. 1., S. 39 f.), fehlt es an einem dem § 868 BGB entsprechenden Verhältnis. Im Übrigen läge darin einmal mehr ein sinnloser Zirkelschluss: Das Besitzmittlungsverhältnis würde lediglich begrifflich fingiert, um eine – vermeintlich erforderliche – Besitzposition des Pfandgläubigers zu konstruieren. 155 Nach H. Weber, NJW 1976, 1601/1602, sollen die Einbringungspfandrechte deshalb „nur bedingt“ gegen den Publizitätsgrundsatz verstoßen.

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Vollkommen unabhängig vom Besitz ist schließlich das Pfandrecht der Schiffsgläubiger am Schiff, §§ 755, 754, 752 HGB156. Insoweit besteht nicht einmal die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs, § 755 Abs. 1 S. 2 HGB. Dieses Pfandrecht geht zudem selbst zeitlich früher begründeten vor, §§ 761, 752a HGB. Hier ist ersichtlich auf jede Form der Publizität verzichtet. Damit wird deutlich, dass zumindest das gesetzliche Pfandrecht nicht stets des Besitzes des Pfandgläubigers bedarf. Der Gesetzgeber hat die Rechtsstellung des besitzlosen Pfandgläubiger sogar eigens geregelt, indem er ihm die Klage auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 Abs. 1 ZPO eröffnet hat. Selbst ein Ausschluss der alleinigen Zugriffsmöglichkeit des Pfandschuldners ist offenbar nicht zwingend erforderlich, wie das Beispiel des Vermieterpfandrechts zeigt. Einen Sonderfall bildet die Zubehörhaftung nach § 1120 BGB. Zunächst ist auch dort keine Besitzposition des Gläubigers erforderlich. Andererseits hängt sie von der Hypothek ab, könnte also grundsätzlich an deren grundbuchrechtlicher Publizität teilhaben. Weiter könnte man argumentieren, für die Erstreckung der im Grundbuch fixierten Hypothek auch auf das Zubehör sei eine äußere Erkennbarkeit der Zubehöreigenschaft – in Form der wirtschaftlichen Zweckbestimmung und der räumlichen Nähe, § 97 BGB – gewährleistet; dafür spricht auch das automatische Erlöschen durch räumliches Entfernen vom Grundstück nach § 1122 Abs. 1 BGB157. Bei der Mithaftung des Zubehörs steht jedoch das Ziel im Vordergrund, Grundstück und Zubehör als wirtschaftliche Einheit und damit insbesondere als Gesamtwert zu erhalten158. Das zeigt sich schon an der Enthaftungsmöglichkeit durch Aufhebung der Zubehöreigenschaft nach § 1122 Abs. 2 BGB, also durch bloße Änderung der Zweckbestimmung, die in den seltensten Fällen äußerlich sichtbar sein wird (allenfalls wird der Eigentümer vor dem Problem stehen, dass sich eine solche Zweckänderung im Nachhinein schwierig beweisen lässt – das aber ist eine Frage ausreichender Manifestation). Dass es nicht um Publizität gehen kann, zeigt ferner der Umfang der Zubehörhaftung nach § 1120 BGB, wonach zum Hypothekenverband nicht Sachen Dritter rechnen, also insbesondere weder Bestandteile, die nach §§ 954 ff. BGB etwa der Pächter erwirbt, noch Zubehör, das der Grundstückseigentümer nur gemietet hat oder das dem Pächter selbst gehört. Der genaue Umfang hängt demnach von den Eigentumsverhältnissen ab, die 156 Dazu Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 126 II 1: spezielles Pfandrecht als Ausdruck der eigenartigen Interessenlage des Seerechts (insbesondere Ausgleich für beschränkte Haftung). 157 Dazu auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 B IV 2 d, Rdnr. 37. 158 Vgl. MK/Eickmann, § 1120 BGB, Rdnr. 1.

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sich wiederum nur aus den internen Vereinbarungen des Grundstückseigentümers mit Dritten ergeben, also nicht einmal für den Hypothekengläubiger, geschweige denn für sonstige Außenstehende erkennbar sind. Im Übrigen schiene es lebensfremd anzunehmen, ein Dritter, der vom Grundstückseigentümer Zubehör erwirbt, müsse sich zuvor im Grundbuch über etwaige Hypotheken vergewissern; davon geht auch das Gesetz aus, wie die ausdrückliche Regelung in § 1121 Abs. 2 S. 1 BGB zeigt. Dass die Zubehörhaftung auch im Falle der Veräußerung fortbesteht und erst mit der Entfernung erlischt, § 1121 BGB, ist ebenfalls nicht zwingend Ausdruck von Publizität: Die Haftung besteht vielmehr für den Erwerber „versteckt“ fort. Zudem handelt es sich lediglich um eine spezielle Ausprägung der allgemeinen Regelung des gutgläubigen Erwerbs (insbesondere nach § 933 BGB), wonach ein Eigentumserwerb frei von Rechten Dritter erst mit dem Besitzwechsel eintritt, so dass insoweit auf die dortigen Überlegungen verwiesen werden kann159. 3. Publizitätsloses Sicherungseigentum Vollends auf jede Publizität – auch auf negative – verzichtet demgegenüber das Sicherungseigentum. Seine Bedeutung besteht ja vor allem darin, dass es im Wege des § 930 BGB bestellt wird, also gerade auf unmittelbaren Besitz des Sicherungsnehmers verzichtet160 und damit kein Publizitätselement mehr aufweist. a) Entstehung und Entwicklung Aus diesem Grund war die Zulässigkeit der Sicherungsübereignung lange umstritten161. Dieser Streit dürfte endgültig – und zu Recht – zugunsten des Sicherungseigentums entschieden sein. Abgesehen von der wirtschaftlichen Notwendigkeit, Produktionsmittel als Beleihungsobjekte heranzuziehen, die oftmals – insbesondere bei juristischen Personen – das einzige werthaltige Eigentum des Kreditnehmers bilden werden, auf deren unmittelbaren Besitz er jedoch zur Fortführung des Betriebes und damit wiederum zur Erwirtschaftung der Kreditraten angewiesen ist162, war das Institut des Siche159

Vgl. unten Kap. 4, insb. A. II., S. 206 ff. Die häufig gebrauchte Wendung vom „besitzlosen“ Sicherungsrecht ist ungenau: Der Sicherungseigentümer erhält ja mittelbaren Besitz. Gemeint ist selbstverständlich, dass der Sicherungseigentümer seine Besitzposition vom sachnäheren Sicherungsgeber ableitet. 161 Zur Entwicklung vgl. Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 413 ff.; sowie ausführlich Hromadka, JuS 1980, 89 ff., je m. w. N. – Kritisch nach wie vor Canaris, FS Flume, S. 412 („Sündenfall“). 160

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rungseigentums bereits dem Gesetzgeber des BGB bekannt und nicht etwa unerwünscht163. Nachdem es bereits in §§ 223 Abs. 2, 930 BGB mehr oder weniger stillschweigend sowie ausdrücklich in der umgekehrten Form, nämlich als Eigentumsvorbehalt, § 455 BGB a. F. (§ 449 BGB n. F.), angelegt war, verlieh der Gesetzgeber dem Sicherungseigentum seine ausdrückliche Anerkennung spätestens durch die Nennung in § 27 Abs. 2 VerglO (von 1935), einer Vorgängernorm des heutigen § 51 Abs. 1 Nr. 1 InsO. b) Reformüberlegungen Das Recht der Mobiliarsicherheiten und dabei insbesondere das Institut des Sicherungseigentums ist stetig Gegenstand von Reformüberlegungen gewesen, meist mit dem Ziel erhöhter Publizität164. So gab es etwa Forderungen, ein Pfand- bzw. Sicherungseigentumsregister, Pfandmarken oder auch eine dem Kfz-Brief entlehnte Brief-Publizität einzuführen165. Den Gläubigern wäre aber ohnehin vor allem durch eine Publizität der Vermögensverhältnisse insgesamt gedient, einschließlich anderer Verbindlichkeiten, bereits 162 Vgl. dazu etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 56 B IV, Rdnr. 9; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 409; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 44 I 1; ausdrücklich auch schon Prot. 3690 = Mugdan III 627. Ohnehin scheinen erhöhte Publizitätserfordernisse von der Praxis eher als lästig empfunden und soweit möglich umgangen zu werden: Das zeigt das Beispiel der Bundesschatzbriefe, bei denen sich – vor die Wahl zwischen der sicheren Form der Übereignung durch Eintragung im Bundesschuldbuch und der verkehrsfähigeren Alternative ohne Eintragung gestellt – die weitaus meisten Inhaber zugunsten erhöhter Verkehrsfähigkeit und gegen die umständlichen Publizierungserfordernisse entschieden: vgl. Zöllner, FS Raiser, S. 256. 163 Ausdrücklich für die Zulässigkeit des Sicherungseigentums im Anschluss an vorhergehende Rechtsprechung: Prot. 3689 f. = Mugdan III 626 f.; RGZ 66, 258/ 262 f. – Vgl. dazu auch Hromadka, JuS 1980, 89/90 f.; Gaul, FS Serick, S. 115 f. m. w. N.; Wieling, Sachenrecht, § 18, 1; Lwowski, Kreditsicherung, Rdnr. 528 a. E. A.A.: Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 234 f., die aus systematischen und objektiv-teleologischen Erwägungen das „besitzlose“ Sicherungseigentum mit Blick auf § 1205 BGB ablehnen. 164 Etwa Gutachten Salinger, 31. DJT I, 1912, S. 409 ff.; Berichte Geiler und Melchior, 32. DJT II, 1921, S. 185 ff., 203 ff.; Gutachten Drobnig, 51. DJT I, 1976, S. F 56 ff.; Referat Henckel, 51. DJT II, S. O 18 ff. und 30 f. – Vgl. auch die Nachweise bei Hromadka, a. a. O., S. 89; Staud/Wiegand, Anh. zu §§ 929 ff. BGB, Rdnr. 34 ff. Für Einschränkungen des Sicherungseigentums durch ein „elastisches“ Reorganisationsverfahren in der Insolvenz (etwa ein Moratorium ähnlich dem § 30c ZVG, d.h. eine Beschränkung des dinglichen Rechts zugunsten der Fortführung des Unternehmens) vgl. zuletzt die Verhandlungen des 54. DJT (1982): K. Schmidt, Gutachten, 54. DJT I, 1982, S. D 55; Zeuner, Referat, 54. DJT II, 1982, S. M 23 f. und Beschlüsse zu Ziff. 10, a. a. O., S. M 240 (Zusammenfassung in NJW 1982, 2544); vgl. auch schon Drobnig, Gutachten, 51. DJT I, 1976, S. F 67 f.

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bestellter Sicherheiten und noch möglicher Sicherheiten mitsamt etwaiger Forderungen des Schuldners gegen Dritte. Das indes ließe sich durch Mobiliarpublizität nur begrenzt leisten. Die Kreditwürdigkeit seines Geschäftspartners hat daher jeder Gläubiger durch eigene Nachforschungen zu überprüfen, gegebenenfalls unter Einschaltung einschlägiger Auskunftsdienste. Für die Offenlegung von Sicherheiten ließe sich allerdings noch ein zusätzlicher Zweck anführen, der eher psychologischer Natur ist: Der Zwang, bestehende Sicherheiten öffentlich zu machen, könnte dazu führen, dass Schuldner sich – wegen der mitunter geschäftsschädigenden Wirkung – bei der Bestellung von Sicherheiten zurückhalten würden, was wiederum eine Reduktion von Sicherheitsrechten im Ganzen und damit die Vermeidung von Kollisionen zur Folge hätte166. Das ließe sich allerdings am ehesten durch eine Registerpublizität, etwa mit einem allgemein einsehbaren Sicherungsbuch, bewerkstelligen. Die dem Faustpfandrecht zugrundeliegende (negative) Besitzpublizität hingegen erscheint dafür kaum geeignet. Bekanntlich blieben alle diese Vorstöße zur Stärkung der Publizität ohne Erfolg. Wiederum dürften wirtschaftliche Notwendigkeiten den Ausschlag gegeben haben: Denn die Abschaffung besitzloser Mobiliarsicherheiten bzw. ihre erhebliche Entwertung in der Insolvenz könnte unter Umständen die vorhergehende Kreditgewährung vereiteln, weil den Kreditinstituten der ungesicherte Kredit zu riskant wäre167; insbesondere kleinere Unternehmen könnten dann ihren Kreditbedarf nicht decken und möglicherweise nicht überleben. Letztlich mag aber dahinstehen, was der Grund für die diesbezügliche Untätigkeit des Gesetzgebers ist; jedenfalls lässt sich daraus ableiten, dass der Gesetzgeber, der in Kenntnis solcher Reformüberlegungen die Regelung der Mobiliarsicherheiten unangetastet ließ und sich vielmehr auf eine insolvenzrechtliche Lösung beschränkte, am bestehenden, publizitätslosen Sicherungseigentum festhalten wollte. Statt einer verstärkten Publizität hat der Gesetzgeber nämlich ausdrücklich einen anderen Weg des Gläubigerschutzes eingeschlagen, indem er die Betonung insbesondere auf die nachträgliche Anfechtbarkeit gläubigerbenachteiligender Verfügungen legte168: Vor allem wurden für den Fall der Insolvenz durch die Einführung der InsO die Möglichkeiten des Insolvenzverwalters zur Anfechtung erheb165

Meist geht es – wie etwa beim Sicherungsregister – um Publizität im engeren Sinne, jedoch ist auch hier nicht immer klar vom Zweck bloßer Manifestation unterschieden. 166 Vgl. dazu Gutachten Drobnig, 51. DJT I, 1976, S. F 58; auch Flume, NJW 1959, 913 f. 167 Vgl. K. Schmidt, Gutachten, 54. DJT I, 1982, S. D 54; auch Drobnig, Gutachten, 51. DJT I, 1976, S. F 87; Kilger, Referat, 51. DJT II, 1976, S. O 35 u. 48; Lwowski, Kreditsicherung, Rdnr. 528. 168 So auch schon der Vorschlag Hromadkas, JuS 1980, 89/94.

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lich erweitert und erleichtert, §§ 129 ff. InsO169. Außerhalb der Insolvenz stehen dem benachteiligten Gläubiger solche Möglichkeiten nach Maßgabe des neuen AnfG (1999) zu, das dabei im Wesentlichen die Rechtslage nach dem alten AnfG (1879) fortschreibt170. Eine Art Registerpublizität findet sich lediglich für die Verfügungsbeschränkungen des Insolvenzschuldners, für den – vergleichbar der negativen Besitzpublizität beim Pfandschuldner – ein erhöhtes Bedürfnis besteht, ihm für Dritte erkennbar die Verfügungsmöglichkeit zu nehmen. Das geschieht aber nicht über das Mittel des Besitzes: Zwar soll der Insolvenzverwalter das Schuldnervermögen in Besitz nehmen, § 148 InsO – das ist aber nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Verfügungsbeschränkung. Im Übrigen reicht auch mittelbarer, also nicht erkennbarer Besitz des Verwalters. Publizität wird hier vielmehr durch die öffentliche Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses erreicht, §§ 30, 9 InsO. c) Rechtliche Einordnung Das Sicherungseigentum ist nach ganz überwiegender Meinung grundsätzlich als vollwertiges Eigentum zu behandeln171. So soll etwa in der Einzelzwangsvollstreckung nach h. M. dem Sicherungseigentümer ein Drittwiderspruchsrecht nach § 771 ZPO und nicht bloß – wie dem Pfandgläubiger – ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 ZPO zustehen. Das erscheint auf den ersten Blick wirtschaftlich vernünftig: Die Einzelvollstreckung dient – anders als die Gesamtvollstreckung, § 51 InsO – dazu, einen einzelnen Gläubiger zu befriedigen. Im Übrigen soll der Schuldner aber seinen Betrieb fortführen (wozu er unter Umständen auf das Sicherungsgut angewiesen ist), auf diese Weise weiter Erträge erwirtschaften und damit auch die Forderungen seiner anderen Gläubiger erfüllen172. In der Insolvenz des Sicherungsgebers dagegen wird das Sicherungseigentum de lege lata nicht wie Eigentum, sondern wie ein Pfandrecht behan169

Zur Entwicklung und im Einzelnen: Smid/Zeuner, § 129 InsO, Rdnr. 1 ff. Im Einzelnen: Huber, ZIP 1998, 897 ff. – Weiter erleichtert wurden in § 3 Abs. 1 S. 2 AnfG die subjektiven Voraussetzungen sowie im Übrigen die Anfechtungsfristen (dazu Huber, a. a. O., S. 899; zur alten Rechtslage annähernd auch bereits BGH ZIP 1997, 1509). 171 Etwa RGZ 124, 73/75; MK/Oechsler, Anh. §§ 929–936 BGB, Rdnr. 1 (dort auch zu den Ausnahmen); a. A.: Wieling, Sachenrecht, § 18, 2 m. w. N.: „wie ein Pfandrecht zu behandeln“. Für die Einordnung des „Sicherungsrechts“ als ungeschriebenes dingliches Recht (mit Anklängen an die Grundschuld) Henckel, FS Zeuner, S. 199 ff. 172 Etwa Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 41 VI 4 b aa m. w. N. – Ablehnend Wieling, a. a. O., § 18, 4 a bb. 170

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delt173: Dem Sicherungseigentümer steht nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 InsO174 nicht – wie dem gewöhnlichen Eigentümer – ein Recht zur Aussonderung des Sicherungsgegenstandes, sondern lediglich zur abgesonderten Befriedigung zu. Er wird also dem Pfandgläubiger gleichgestellt, was dogmatisch gemeinhin mit einer „Umwandlung“ des Eigentums in ein pfandrechtsähnliches Recht begründet wird175. Dadurch soll nach verbreiteter Ansicht der Sicherungsnehmer wegen der „heimlichen“ Aushöhlung der Insolvenzmasse176 zurückgestuft werden. Die Vorteile für die Masse dürften indes in der Praxis marginal sein; allenfalls erweist sich die Absonderung für den Sicherungseigentümer als nachteilig, weil der Insolvenzverwalter zur Verwertung nach §§ 165 ff. InsO befugt ist und den Verfahrenskostenbeitrag zur Masse ziehen kann, §§ 170 f. InsO177. Für die übrigen Insolvenzgläubiger aber – und sie allein kämen in Betracht, wenn man überhaupt jemanden vor Heimlichkeit schützen wollte – ergibt sich kein nennenswerter Vorteil, denn die Insolvenzmasse vergrößert sich nicht wesentlich: Vom Erlös des Absonderungsgutes kommt der Masse nur der Betrag zugute, der zur Deckung Verfahrenskosten nötig ist. Zwar fließt der Masse gegebenenfalls auch ein überschießender Erlös zu, der nicht zur Deckung der Forderung des Sicherungseigentümers benötigt wird; diesen Übererlös der Masse zurückzuerstatten wäre aber auch der Aussonderungsberechtigte schuldrechtlich verpflichtet – nämlich aus dem Sicherungsvertrag. Dagegen soll im umgekehrten Fall, der Insolvenz des Sicherungsnehmers, dem Sicherungsgeber nach allgemeiner Meinung ein Aussonderungsrecht zustehen, obwohl er formal nicht Eigentümer ist178. Da aber der Sicherungsgeber in den hier interessierenden Fällen der Bestellung durch Besitzkonstitut ohnehin unmittelbarer Besitzer geblieben ist, hat er nichts herauszuverlangen. Ihm ein Aussonderungsrecht zuzusprechen, dürfte daher eher irreführen. Letztlich ändert sich an der vertraglichen Beziehung nämlich nichts, weil der Sicherungsgeber verpflichtet bleibt, die gesicherte Forderung zur Masse zu erfüllen. Im Falle der Nicht-Erfüllung – aber auch nur 173 So ausdrücklich auch Begründung des Regierungsentwurfs zur InsO, BT-Ds. 12/2443, S. 71 ff. – De lege ferenda für weitergehende Einschränkungen der rechtlichen Auswirkungen des Sicherungseigentums in der Insolvenz vgl. die Nachweise oben Fn. 162. 174 Dem entsprach die h. M. zur früheren Rechtslage, vgl. die Nachweise bei Gernhuber, JuS 1988, 355/359 mit Fn. 43; auch § 27 Abs. 2 VglO a. F. 175 Insbesondere Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung II, § 19 I 2. – Dass dies allenfalls eine Beschreibung, keine Erklärung sein kann, darauf weist zu Recht Henckel, FS Zeuner, S. 196, hin. 176 So Smid, § 47 InsO, Rdnr. 17, 22; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdnr. 11.10. 177 Einzelheiten bei Smid, a. a. O., vor § 49, Rdnr. 5 und 8. 178 RGZ 91, 277/280; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 57 B V 2, Rdnr. 39; Smid, § 47 InsO, Rdnr. 14; Hess/Weis/Wienberg, § 47 InsO, Rdnr. 189 m. w. N.

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dann – kann der Insolvenzverwalter auf das Sicherungseigentum zurückgreifen. Nur wenn ausnahmsweise der Sicherungsnehmer auch unmittelbarer Besitzer ist, kann man von einem Aussonderungsrecht des Sicherungsgebers trotz fehlenden formalen Eigentums ausgehen. Aussondern wird er indes auch in diesem Fall erst dürfen, wenn die gesicherte Forderung erfüllt ist179 – insofern gilt nichts anderes als in der Insolvenz des Pfandgläubigers. Insgesamt dürften beim Sicherungsgeber weniger Publizitätsprobleme bestehen; selbst wenn man seine – an sich nur schuldrechtliche – Berechtigung „verdinglicht“180, bleibt seine Rechtsmacht hinter dem, was sein Besitz nach außen anzeigen könnte, zurück. Weniger einheitlich wird dagegen die Übertragbarkeit übriger pfandrechtlicher Vorschriften auf das Sicherungseigentum beurteilt. Das betrifft zuvörderst die Anwendbarkeit der Verwertungsregeln der §§ 1228 ff. BGB bei Eintritt des Sicherungsfalls. Hier ist im Einzelnen vieles streitig; die Extrempositionen reichen von der umfassenden Übertragbarkeit (weil der Gesetzgeber darin eine interessengerechte Abwägung zwischen den Belangen von Sicherungsnehmer und -geber vorgenommen habe und insbesondere nur so ein ausreichender Schuldnerschutz gewährleistet sei181) bis zur grundsätzlichen Unanwendbarkeit (weil dies „kaum den Interessen der Beteiligten“ entspreche182). Zwar stellt sich die Problematik der Versteigerungsandrohung ohnehin nicht in der gleichen Schärfe wie beim Faustpfandrecht, weil der Sicherungseigentümer sich vor der Verwertung in der Regel den unmittelbaren Besitz vom Sicherungsgeber erst verschaffen muss183; indes sehen die Verwertungsvorschriften des Pfandrechts auch für den insoweit vergleichbaren Fall des Mitverschlusses (§ 1206 BGB) keine Ausnahme vor. Für den (wohl selteneren) Fall drohenden Verderbs erscheinen die §§ 1218 bis 1221 BGB auch beim Sicherungseigentum interessengerecht. Dagegen wird das Verbot einer Verfallklausel, § 1229 BGB, überwiegend für übertragbar gehalten, weil dem Sicherungsnehmer nicht ein das Sicherungsinteresse überschießender Wert verbleiben dürfe und zumindest eine gerichtliche Überprüfung der Bewertung möglich bleiben müsse184. 179

Baur/Stürner, a. a. O. Dazu Gaul, FS Serick, S. 105 ff. 181 So vor allem Wieling, Sachenrecht, § 18, 5. Zurückhaltender: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 57 B VI 1, Rdnr. 42. 182 Etwa MK/Oechsler, Anh. §§ 929–936 BGB, Rdnr. 41. – Das ohnehin sehr pauschale Argument einer angeblich abweichenden Interessenlage dürfte freilich durch § 1246 Abs. 1 BGB entkräftet werden, wonach jede Partei eine andere Verwertung verlangen kann, wenn sie „nach billigem Ermessen den Interessen der Beteiligten“ entspricht. 183 Darauf stellt maßgeblich ab BGHZ 124, 380/391. 184 Vgl. Staud/Wiegand, Anh. §§ 929 ff., Rdnr. 234 m. w. N. Dem Gegenargument, der Sicherungsnehmer verfüge bereits über die volle dingliche Rechtsstellung 180

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Soweit die Pfandrechtsregeln demgegenüber gerade voraussetzen, dass der Pfandgläubiger Besitzer sein muss, stellt sich die Frage der Anwendbarkeit naturgemäß nicht. Dies betrifft vor allem die Verwahrungspflicht und den Verwendungsersatz §§ 1215 ff. BGB. Gleiches gilt für diejenigen Regelungen, die auf der Akzessorietät des Pfandrechts beruhen: Anders als nach § 1252 BGB soll nach ganz überwiegender Meinung das Eigentum mit Erlöschen der Forderung nur dann automatisch auf den Sicherungsgeber zurückfallen, wenn dies ausdrücklich vertraglich bestimmt ist185. Entsprechend soll im Fall der Übertragung der gesicherten Forderung das Sicherungseigentum anders als nach § 1250 Abs. 1 BGB nicht automatisch auf den neuen Gläubiger übergehen186. Für den umgekehrten Fall, dass der vom persönlichen Schuldner verschiedene Sicherungsgeber die Forderung begleicht, geht nach § 1225 BGB die Forderung auf ihn (den bisherigen Verpfänder) über – und damit zugleich auch die akzessorischen Sicherungsrechte, §§ 401, 412 BGB. Auch dies soll im Rahmen des Sicherungseigentums nicht gelten: Vielmehr soll – ähnlich wie bei der nichtakzessorischen Sicherungsgrundschuld187 – der ursprüngliche Gläubiger lediglich schuldrechtlich zur Zession an den erfüllenden Sicherungsgeber verpflichtet sein, so dass dann zu dessen Gunsten § 401 BGB Anwendung findet188. d) Umdeutung der unwirksamen Verpfändung in eine Sicherungsübereignung? Nach weitverbreiteter Auffassung soll sogar die vertragliche Vereinbarung eines Pfandrechts, die mangels Besitzübertragung an den Publizitätsanforderungen der §§ 1205 f. BGB scheitern würde, nach § 140 BGB in eine Sicherungsübereignung umgedeutet werden können189. Die Rechtsprechung lehnt und behalte sie lediglich bei, soll dabei wegen der treuhänderischen Bindung des Sicherungseigentums keine Bedeutung zukommen. – A.A.: MK/Oechsler, Anh. §§ 929–936 BGB, Rdnr. 51. 185 BGH NJW 1991, 353 f.: im Zweifel nur obligatorischer Rückgewähranspruch; vgl. auch BGH NJW 1984, 1184 f.; ebenso Gaul, FS Serick, S. 108 ff.; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung V, § 56 I 2 b; Staud/Wiegand, Anh. zu §§ 929 ff. BGB, Rdnr. 187 ff.; im Grundsatz zustimmend, im Einzelnen jedoch differenzierend K. Schmidt, FS Serick, S. 340 ff. – Für Akzessorietät bei der Sicherungszession dagegen BGH NJW 1982, 275/276 f. 186 Staud/Busche, § 401 BGB, Rdnr. 36 ff. m. w. N.; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung II, § 26 V 1, und III, § 37 II 2. 187 Dazu Palandt/Bassenge, § 1191 BGB, Rdnr. 44 m. w. N. – Dort besteht allerdings anders als beim Sicherungseigentum die Möglichkeit der Zahlung „auf die Grundschuld“ (d.h. nicht „auf die Forderung“). 188 Nach Staud/Wiegand, § 1225 BGB, Rdnr. 34 „überwiegende Meinung“ (allerdings ohne Nachweise). – Erwägenswert erscheint demgegenüber auch eine analoge Anwendung der §§ 268 Abs. 3, 412, 401 BGB.

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zwar im dogmatischen Ausgangspunkt eine solche Umdeutung in der Regel deshalb ab, weil das Sicherungseigentum dem Sicherungsnehmer eine größere Rechtsmacht verschaffe als das Pfandrecht190; jedoch behilft sie sich – mit gleichem Ergebnis – in der Regel damit, bereits auf der Ebene der Auslegung den Ausdruck „verpfänden“ als Sicherungsübereignung zu verstehen191. Sowohl die Auslegungs- wie die Umdeutungslösung stützt sich vor allem darauf, die Sicherungsübereignung komme im Fall fehlender Übergabe den Interessen der Parteien am nächsten; zudem sei die Unterscheidung wegen der angeblich weitgehenden Anwendung von Pfandrechtsregeln ohnehin allenfalls von geringer Bedeutung192. Wenn man aber ohnehin die Publizitätserfordernisse meint überwinden zu können, indem man die Verpfändung durch eine Sicherungsübereignung ersetzt, stellt man damit in der Konsequenz den Sinn des Publizitätserfordernisses beim Faustpfandrecht in Frage.

4. Verbleibender Sinn des Publizitätserfordernisses beim Pfandrecht? Lassen sich nach allem die Publizitätserfordernisse des Faustpfandrechts noch rechtfertigen? Welche Schutzzwecke könnten die besonderen – negativen – Publizitätserfordernisse beim Pfandrecht begründen? Auch hier trifft man auf Widersprüche: a) Schutz späterer Gläubiger? Vorrangig wäre an den Schutz der Adressaten der angeordneten Publizitätstatbestände zu denken, also an spätere Gläubiger des Verpfänders. Soweit sie die bereits verpfändete Sache erneut als Sicherungsobjekt heranziehen wollen – sie also entweder als Pfand oder selbst zu Eigentum erwerben wollen –, sind nachfolgende Gläubiger aber bereits durch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs ausreichend geschützt, §§ 936 Abs. 1 bzw. 1207 f. BGB. Wenn sie das bereits bestehende Pfandrecht nicht kennen, bedürfen sie also der Publizierung auf Grund dieses anderweitigen Schutzes nicht193; sind sie dagegen bösgläubig, ist eine Publizierung ohnehin nicht 189 Staud/Wiegand, § 1205 BGB, Rdnr. 31; MK/Damrau, § 1205 BGB, Rdnr. 4; Heck, Sachenrecht, § 107, 6. 190 BGHZ 19, 269/275. 191 RG WarnR 1910 Nr. 448; 1916 Nr. 43. Ebenso Soe/Habersack, § 1205 BGB, Rdnr. 14. 192 So etwa MK/Damrau, § 1205 BGB, Rdnr. 4. – Wie aber eben zu c) festgestellt, ist die entsprechende Anwendung der Pfandrechtsregeln (selbst soweit sie dem Schutz des Sicherungsgebers dienen) weitgehend umstritten und unklar. 193 Ebenso Hromadka, JuS 1980, 89/91.

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mehr erforderlich. Besonders deutlich wird die Unzulänglichkeit dieses Begründungsweges auch im Nebeneinander des vertraglichen Pfandrechts und des Sicherungseigentums: Weshalb spätere Sicherungsnehmer erkennen sollen müssen, dass das Sicherungsobjekt bereits verpfändet ist, nicht aber, dass es im (Sicherungs-)Eigentum eines anderen steht, erschließt sich nicht. Allenfalls das Umgekehrte – also Publizitätsanforderungen beim Sicherungseigentum und nicht beim Pfandrecht – könnte noch halbwegs plausibel erscheinen: Denn ein vorhergehendes Pfandrecht ließe den späteren Sicherungsnehmern wenigstens die Möglichkeit, nachrangige Pfandrechte zu erwerben, so dass die Gläubiger nach dem Prioritätsprinzip unter Umständen nacheinander befriedigt werden könnten (wenn nämlich der Wert der Sache die Höhe der ersten gesicherten Forderung übersteigt). Beim Sicherungseigentum dagegen gilt das Alles-oder-Nichts-Prinzip, ein „zweitrangiges Sicherungseigentum“ gibt es nicht, so dass nur der erste Gläubiger befriedigt wird, die nachfolgenden aber leer ausgehen194. Soweit spätere Gläubiger sich demgegenüber der Sache gar nicht als Sicherungsobjekt bemächtigen wollen, sondern lediglich auf deren Einbeziehung in eine zukünftige Zwangsvollstreckung hoffen und so mit Blick auf die im Besitz des Schuldners befindlichen Sachen auf dessen Kreditwürdigkeit vertrauen, sind sie nach allgemeiner Meinung ohnehin nicht schutzbedürftig195. Denn neben den inzwischen üblichen Möglichkeiten der Sicherungsübereignung bzw. des Eigentumsvorbehalts, mit denen jeder Gläubiger rechnen muss, gibt das Gesetz weitere Möglichkeiten des Auseinanderfallens von Besitz und Eigentum ausdrücklich vor: So mag der Schuldner etwa wertvolle Gegenstände geliehen oder Produktionsmittel gemietet haben; dementsprechend hat sich ja auch das mietähnliche Leasing mittlerweile zu einer üblichen Finanzierungsform entwickelt. b) Allgemeiner Schutz des Rechtsverkehrs? Eher sind also potenzielle Gläubiger in der Gesamtheit betroffen. Man mag dies weiter fassen und als allgemeine Rechtssicherheit bezeichnen, die sich in der Vermeidung verwickelter Streitigkeiten über konkurrierende Sicherungsrechte verwirklicht196. Indes eröffnen auch die Vorschriften über das vertragliche Pfandrecht die Möglichkeit konkurrierender (nachrangiger) Pfandrechte, nämlich bei mehreren nacheinander geschalteten Verpfändungen nach § 1205 Abs. 2 BGB197. Daneben ist zu beachten, dass auch der 194

Vgl. dazu bereits Melchior (Bericht), 32. DJT (1921) II, S. 203/208 f. So schon Prot. III 627; RGZ 147, 321/331; vgl. auch BGHZ 77, 274/278 zur Branchenüblichkeit von Eigentumsvorbehalten. 196 So Mot. III 801 f. = Mugdan III 447. 195

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Besitz des Pfandgläubigers (Sicherungsnehmers) nicht jegliche Zugriffsmöglichkeit des Verpfänders ausschließt: Dieser kann sich stets im Wege unerlaubter Eigenmacht der Sache bemächtigen und sie dann wiederum – bei Fortbestehen des erstrangigen Pfandrechts – verpfänden; auch hier sind also konkurrierende Pfandrechte möglich198. Ferner kennt das Gesetz besitzlose Pfandrechte199, bei denen dementsprechend ebenfalls das Zusammentreffen mehrerer Sicherungsrechte denkbar wird. So erweist sich auch beim Pfandrecht dieser Schutz des allgemeinen Verkehrs als nicht durchgehend eingehalten. Vor allem aber wird diese Schutzrichtung wiederum mit Blick auf die Sicherungsübereignung obsolet: Letztere ermöglicht zwar – anders als das Pfandrecht – grundsätzlich keine konkurrierenden Eigentumsrechte, doch stellt sich die eigentlich streitträchtige Frage, wer sich nämlich als erster die Sicherheit hat bestellen lassen, dort in exakt derselben Weise200. Gleiches gilt hinsichtlich des (dem Faustpfandprinzip wohl zumindest unterschwellig zugrunde liegenden) Unbehagens an „heimlichen Sicherungsrechten“ und der „Auszehrung“ von Insolvenzmassen. Letztlich handelt es sich bei dieser Argumentationsfigur nur um die Zuspitzung des oben201 bereits als nicht schutzwürdig eingeordneten Vertrauens einzelner Gläubiger und Kreditgeber in die Besitzlage des Schuldners. Denn die spätere Insolvenzmasse würde durch vorhergehende Weggabe zu Pfandzwecken keinesfalls größer, allenfalls würde die Zahlungsunfähigkeit eher eintreten. Jedenfalls hat sich der Gesetzgeber mit der Zulassung des Sicherungseigentums ausdrücklich gegen diese Stoßrichtung und für heimliche Sicherungsrechte entschieden; insbesondere hat er die Lösung trotz entsprechender Reformvorschläge, die auf erhöhte Publizität abzielten, ausschließlich auf dem Weg der Insolvenzanfechtung gesucht und grundsätzlich an den „besitzlosen“ Sicherungsrechten festgehalten202.

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Vgl. oben zu 2., S. 92. Man mag das entsprechend § 935 BGB damit rechtfertigen, dass der Pfandgläubiger angesichts des unfreiwilligen Besitzverlustes schutzwürdiger erscheint als bei freiwilliger Weggabe. Das ändert nichts daran, dass hier die Publizität zurücktritt. 199 Oben zu 2., S. 92 ff. – Insbesondere beim Vermieterpfandrecht werden auf Grund des Einbringungserfordernisses allerdings die Beweisschwierigkeiten geringer sein. 200 Das hat der Gesetzgeber verkannt, als er die „heimliche“ Sicherungsübereignung ausdrücklich für weniger bedenklich hielt: vgl. Prot. III 3689 f. = Mugdan III 626 f. gegenüber Mot. III 801 = Mugdan III 447; wie hier auch Hromadka, JuS 1980, 89/92. 201 Soeben zu a). 202 Vgl. die Nachweise oben zu A. III. 4. a. E., S. 64, und B. I. 3. b), S. 96 f. 198

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c) Schutz des Pfandgläubigers (Sicherungsnehmers)? Naheliegend erscheint es weiter anzunehmen, die negative Publizität schütze den Pfandgläubiger vor schädigenden Verfügungen des unredlichen Verpfänders, insbesondere in Form gutgläubigen Erwerbs Dritter203. In diesem Falle ginge es letztlich nicht um die Erkennbarkeit für den Schutzbedürftigen – der Pfandgläubiger selbst kennt ja sein Recht –, sondern die Funktion des zurückbehaltenen Besitzes wäre auf den Rechtserhalt reduziert, wie es etwa in § 936 Abs. 3 BGB der Fall ist. Ginge es aber allein um den Schutz des Pfandgläubigers, müsste sich die Frage aufdrängen, warum dieser nicht auf den Schutz verzichten können, der Besitzausschluss also nicht disponibel sein sollte. Gegen eine solche ausschließliche Schutzrichtung lässt sich auch aus rechtstatsächlicher Sicht anführen, dass in der Praxis die Sicherungsnehmer – also vor allem Kreditinstitute – gerade die besitzlose Sicherungsübereignung dem Pfandrecht vorziehen204. Es kommt hinzu, dass das strenge Publizitätserfordernis im Ergebnis die Position des Pfandgläubigers nicht stärkt, sondern ihn zumindest zum Teil sogar schlechter stellt: Unterbleibt nämlich der Publizitätstatbestand, geht er nach der Gesetzeslage leer aus205; ohne Publizitätserfordernis würde der Gläubiger dagegen ein Pfandrecht erhalten. Auch bei disponibler Publizität bliebe es dem Pfandgläubiger ja unbenommen, seine Position in tatsächlicher Hinsicht durch In-Besitz-Nahme des Pfandes zu verbessern. Ausschließlich auf den Schutz des Pfandgläubigers lassen sich die erhöhten Publizitätsanforderungen beim vertraglichen Pfandrecht also schon für sich betrachtet nicht stützen. Erst recht gilt dies im Nebeneinander zum Sicherungseigentum: Warum sollte der Sicherungseigentümer weniger Schutz vor dem unredlichen Sicherungsgeber und der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs durch Dritte bedürfen als der Pfandgläubiger? d) Unterschiede im strafrechtlichen Schutz, §§ 246, 289 StGB? Als Grund für eine unterschiedliche Behandlung des Sicherungseigentümers und des Pfandgläubigers käme aber noch in Betracht, dass der Sicherungseigentümer möglicherweise bereits strafrechtlich besser geschützt ist. Mag auch gegenüber dem Sicherungsgeber bei der Sicherungsübereignung 203 So bereits die Begründung Johows zum Vorentwurf, abgedruckt bei Schubert, Vorlagen der Redaktoren, Sachenrecht, Teil 2, S. 430; vgl. zum schweizerischen ZGB D. Weber, Publizitätsprinzip im schweizerischen Recht, S. 30 f. und 34. 204 Statt vieler Baur/Stürner, Sachenrecht, § 57 A I 1, Rdnr. 1; so auch schon Prot. 3690 = Mugdan III 627; Hromadka, JuS 1980, 89/92. 205 Dann käme allenfalls eine Umdeutung in eine Sicherungsübereignung in Betracht; vgl. dazu aber oben 3. d), S. 101.

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ein ebensolches Misstrauen angebracht sein wie gegenüber dem Verpfänder, so ist doch die unterschiedliche Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Sicherungseigentümers durch § 246 StGB (vor jeder rechtswidrigen Zueignung) und des Pfandgläubigers durch § 289 StGB (vor „Wegnahme“) zu beachten206. In diesem Zusammenhang darf aber die seit der Entstehungszeit des BGB veränderte strafrechtliche Sichtweise nicht übersehen werden: Die Pfandkehr (§ 289 StGB) beschränkt sich entgegen dem Wortlaut nicht nur auf die „Wegnahme“ aus dem Gewahrsam des Pfandgläubigers, sondern auf jedes Vereiteln seines Zugriffs, etwa auch im Rahmen des besitzlosen Vermieterpfandrechts207. Der nicht besitzende Pfandgläubiger ist damit in einer dem Sicherungseigentümer vergleichbaren Weise vor Herausgabe des Sicherungsguts geschützt208. Anders sieht es auf den ersten Blick bei einer bloßen Übereignungserklärung des besitzenden Sicherungsgebers an einen Dritten ohne Herausgabe, also durch bloßes Besitzkonstitut, aus: Steht die Sache bereits im Sicherungseigentum des Sicherungsnehmers, kann sich der Sicherungsgeber durch diese zweite Übereignung unter Umständen wegen Unterschlagung zu Lasten des Sicherungsnehmers nach § 246 StGB strafbar machen209. Ist die Sache dagegen lediglich mit einem besitzlosen Pfandrecht belastet, scheidet eine Strafbarkeit nach § 289 StGB zu Lasten des Sicherungsnehmers durch das bloße Besitzkonstitut mit einem Dritten aus. Immerhin liegt dann aber ein Betrug zu Lasten dieses dritten Erwerbers vor, § 263 StGB210: Denn letztlich entsteht ein Vermögensnachteil nur bei dem Dritten, weil das Pfandrecht des ursprünglichen Sicherungsnehmers fortbesteht. 206

Darauf stellen ausdrücklich Mot. III 801 f. = Mugdan III 447 ab. Tröndle/Fischer, StGB, § 289 Rdnr. 2 m. w. N. (str., anders insbesondere noch Mot. a. a. O.). Vgl. zur veränderten strafrechtlichen Beurteilung wie hier U. Hübner, NJW 1980, 729/735 mit Fn. 79. 208 Allerdings mit zwei Einschränkungen: Der erste Unterschied besteht im Strafrahmen, der bei der Pfandkehr auf drei Jahre Freiheitsstrafe begrenzt ist, während er bei der Unterschlagung regelmäßig fünf Jahre betragen wird, weil die sicherungsübereignete Sache „anvertraut“ i. S. d. § 246 Abs. 2 StGB ist. Der zweite – wohl gewichtigere – Unterschied besteht darin, dass die Pfandkehr nur vom Eigentümer bzw. zu dessen Gunsten begangen werden kann; ist der Verpfänder also nicht einmal Eigentümer und gibt er die Sache aus eigensüchtigen Gründen unabhängig vom Eigentümer an einen Dritten heraus, so unterfällt dies nicht § 289 StGB – in diesem Fall dürfte allerdings schon die ursprüngliche Pfandbestellung durch den Verpfänder unwirksam sein und zudem wiederum § 246 StGB zu Lasten des Eigentümers greifen. 209 Einschränkend freilich BGHSt 1, 262/264 f.: Eine Unterschlagung zu Lasten des ersten Sicherungsnehmers liege nicht vor, wenn der Sicherungsgeber die zweite Sicherungsübereignung mangels Übergabe von vornherein nicht wirksam werden lassen wollte. 210 So auch BGHSt a. a. O. für den Fall mehrerer Sicherungsübereignungen. – Bei drohender bzw. eingetretener Zahlungsunfähigkeit kommen zusätzlich ungerechtfer207

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Dass der strafrechtliche Schutz weitgehend angeglichen ist, mögen abschließend zwei Vergleichsfälle verdeutlichen, der erste ein Sicherungseigentum, der zweite ein vertragliches Pfandrecht betreffend: Beispiel 1 zum Sicherungseigentum: Der unlautere ursprüngliche Eigentümer und unmittelbare Besitzer U1 hat dem Sicherungsnehmer S1 ein Gemälde zur Sicherung einer Forderung durch Besitzkonstitut (§ 930 BGB) übereignet. Kurz darauf nimmt er eine weitere Übereignung an den Dritten D1 vor, ebenfalls nach § 930 BGB. Schließlich verpfändet und übergibt er das Bild an den Pfandgläubiger P1. Zivilrechtlich wäre am Ende S1 Eigentümer (die Übereignung an D1 scheiterte an § 933 BGB), allerdings belastet mit dem gutgläubig erworbenen Pfandrecht des P1. Strafrechtlich wäre die Sicherungsübereignung an D1 als Unterschlagung zu Lasten des S1 nach § 246 StGB sanktioniert (dass S1 sein Eigentum tatsächlich verliert, ist für die Zueignungshandlung nicht erforderlich211), zusätzlich gegebenenfalls auch als Betrug zu Lasten des D1 nach § 263 StGB212. Die Verpfändung an P1 unterfiele ebenfalls § 246 StGB (Unterschlagung zu Lasten des S1), weil sich U1 auch durch die Verpfändung als Eigentümer geriert213. Beispiel 2 zum Pfandrecht: U2 dagegen hat sein Gemälde dem Sicherungsnehmer S2 verpfändet und übergeben. Dort wird es gestohlen. U2 selbst erwirbt es schließlich vom Dieb zurück, ohne dem S2 hiervon zu berichten. Stattdessen übereignet er es – wie eben – durch Besitzkonstitut nach § 930 BGB an D2 und verpfändet und übergibt das Bild erneut, diesmal an P2. Zivilrechtlich bleibt das Pfandrecht des S2 bestehen; da ihm das Bild abhanden gekommen ist, erweist sich sein Pfandrecht entsprechend § 935 BGB gegenüber dem besitzlosen Eigentumserwerb des D2 als resistent214. D2 erwirbt also belastetes Eigentum, P2 erwirbt gutgläubig ein zweitrangiges Pfandrecht, §§ 1208 f. BGB. Strafrechtlich ergibt sich Folgendes: Die Übereignung an D2 unterfällt, solange U2 das Bild bei sich behält, zwar nicht dem § 289 StGB: Denn er entfernt das Bild ja nicht (weiter) aus dem Zugriffsbereich des S2, erschwert oder gar vereitelt ihm also auch nicht die Ausübung des Pfandrechts215. Jedoch ist § 263 StGB zu Lastigte Gläubigerbegünstigung, § 283c StGB, sowie Bankrott, § 283 Abs. 1 Nr. 1 (Beiseiteschaffen oder Verheimlichen von Teilen der Insolvenzmasse) und Nr. 4 StGB (Vortäuschen von Rechten Dritter) in Betracht. – Untreue, § 266 StGB, ist dagegen regelmäßig nicht erfüllt, weil es an einer Vermögensbetreuungspflicht fehlen wird: Im Rahmen der Gewährung eines Sicherungsrechts ist Hauptpflicht die Zahlung der gesicherten Forderung, die Aufrechterhaltung der Sicherheit dagegen nur Nebenpflicht, vgl. BGH wistra 1984, 143. 211 Vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 246 Rdnr. 6. 212 Vgl. dazu BGHSt 1, 262/264 f. 213 Vgl. § 1205 BGB; Tröndle/Fischer, StGB, § 246 Rdnr. 7. 214 Vgl. Jauernig, BGB, § 936 Rdnr. 7.

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ten des D2 erfüllt216. Hätte U2 dagegen an D2 herausgegeben, läge § 289 StGB vor. Die erneute Verpfändung an P2 stellt eine Unterschlagung zu Lasten des D2 (§ 246 StGB) und unter Umständen auch eine Pfandkehr zu Lasten des S2 (§ 289 StGB) dar. Damit ist der strafrechtliche Schutz nicht geringer als im ersten Beispielsfall. Eine Ausnahme wird man freilich für den Sonderfall der Verstrickung beim Pfändungspfandrecht machen müssen: Hier rechtfertigt der zusätzliche Schutz durch § 136 StGB die erhöhten, aber besitzunabhängigen Sichtbarkeitsanforderungen in Form des Pfandsiegels. e) Sonstige Unterschiede zum Sicherungseigentum Damit ließ sich bislang schon dann, wenn man das Pfandrecht nur für sich betrachtet, eigentlich kein überzeugender Grund für dessen Publizitätsabhängigkeit finden. Es bleibt zu untersuchen, ob sonstige Unterschiede zum Sicherungseigentum das strenge Faustpfandprinzip zu rechtfertigen im Stande sind. Da ist zum Einen die Furcht vor einem weiteren Anstieg von Sicherungsrechten durch eine vermeintlich niedrigere „Hemmschwelle“ des besitzlosen Pfandrechts gegenüber der Sicherungsübereignung: Da das Pfandrecht dem Sicherungsnehmer weniger Rechtsmacht einräumt als die Übereignung, könnte die Möglichkeit der Verpfändung durch bloße Erklärung ohne Besitzverlust zu (noch mehr) unbedachten und unnötigen Sicherungsrechten führen217. Die Übergabe an den Pfandgläubiger würde dann also nicht irgendeiner Erkennbarkeit dienen, sondern hätte eher eine Schutz- und Warnfunktion auf Seiten des Verpfänders. Abgesehen davon indes, dass hierfür sicherlich geeignetere Mittel zur Verfügung stünden, ist eine solche Missbrauchsgefahr wohl eher spekulativ: Auch die zulässige Sicherungsübereignung wird den Beteiligten letztlich kaum anders erscheinen als eine bloße Erklärung mit pfandrechtsähnlichem Charakter. Im Übrigen sind auch aus denjenigen Rechtsordnungen, die besitzlose Pfandrechte in Teilen zulassen218, zumindest keine gegenüber dem publizitätslosen Sicherungseigentum weitergehenden Probleme bekannt. Daraus, dass das Pfandrecht nach § 1252 BGB forderungsakzessorisch ist, das Sicherungseigentum dagegen nach allgemeiner Meinung grundsätz215

Dazu Tröndle/Fischer, StGB, § 289 Rdnr. 2. Selbstverständlich nur, wenn U2 dem D2 das Pfandrecht des S2 verschweigt; legt er es indes offen, entfällt ohnehin jedes Problem – und damit auch jedes Strafbedürfnis. 217 So Geiler, Bericht zum 32. DJT (1921) II, S. 185/194 f. 218 Dazu Simitis, AcP 171 [1971], 94/96 ff. 216

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lich nicht akzessorisch sein soll219, lässt sich für den hiesigen Zusammenhang nichts herleiten: Denn die Akzessorietät hat mit der Publizität ersichtlich nichts zu tun220. Eher noch bestünde beim Pfandrecht, das ohnehin durch die Akzessorietät auf ein wirtschaftlich vernünftiges Maß begrenzt ist, ein geringeres Bedürfnis nach einer zusätzlichen Einschränkung durch Publizitätserfordernisse. Ein letzter Unterschied zwischen Sicherungseigentum und Pfandrecht besteht darin, dass es sich bei letzterem um ein zusätzliches dingliches Recht handelt: Während eigentlich alle Sachen in irgendjemandes Eigentum stehen, besteht nur selten ein Pfandrecht; für das hinzutretende Pfandrecht könnte daher ein besonderes Anzeigeerfordernis bestehen. Das ließe sich aber allenfalls durch positive Publizitätsmittel, nicht durch die in §§ 1205 f. BGB allein vorgesehene negative Publizität leisten – ganz abgesehen davon, dass auch beim Sicherungseigentum die Entwicklung dahin geht, auch die Stellung des Sicherungsgebers zu verdinglichen und so neben das Sicherungseigentum ein „zweites“ dingliches Recht zu stellen221. 5. Folgerungen a) Aufgabe von Publizitätserfordernissen Nach allem bleibt kein nachvollziehbarer Grund, das Pfandrecht an Publizitätserfordernisse zu binden, nachdem der Gesetzgeber das publizitätslose Sicherungseigentum ausdrücklich anerkannt hat. Damit bestehen nebeneinander zwei Sicherungsmittel mit unterschiedlichen Publizitätsanforderungen: nämlich das (für den Sicherungsgeber weniger einschneidende) Pfandrecht, das an die Publizität gebunden ist, und das (den Sicherungsgeber schlechter stellende) Sicherungseigentum, das ohne Publizität auskommt. Nun ist dies keine neue Erkenntnis222; sie muss aber nicht notwendigerweise zu der Konsequenz führen, das Sicherungseigentum wegen angeblichen Verstoßes gegen das Publizitätsprinzip zu ächten223. Vielmehr verhält es sich gerade umgekehrt: Das Faustpfandprinzip stammt noch aus dem 1. Entwurf zum BGB, der sich insgesamt viel stärker an Publizität orien219

Vgl. die Nachweise oben zu 3. c), S. 101, Fn. 185. Insoweit wie hier auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 234. 221 Dazu Gaul, FS Serick, S. 105 ff. Zur Rechtslage in der Insolvenz des Sicherungsnehmers oben 3. c), S. 98 f., sowie zur verdinglichten Rechtsstellung des Treugebers noch unten III. 2., S. 129 f. 222 Statt vieler Hromadka, JuS 1980, 89/92; hierzu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 233 (allerdings unter irriger Reduzierung der Sicherungsübereignung auf die richterliche Rechtsfortbildung). 223 So aber etwa Larenz/Canaris, a. a. O., S. 234 f.; Canaris, FS Flume, S. 412. 220

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tierte und in dessen Zusammenhang es sich also einfügte. Nun ist gerade diese Publizitätsorientierung aber auf dem Weg zur endgültigen Fassung des BGB weitgehend aufgegeben worden. Lediglich beim Pfandrecht wurden die Publizitätserfordernisse beibehalten, obwohl die systematische Einbettung mittlerweile entfallen war. Diese inkohärente Gesetzeslage ist für die Rechtsanwendung unbefriedigend; Friktionen sind unvermeidlich. Nun ist der Wortlaut der §§ 1205 f. BGB eindeutig. Es dürfte daher methodisch zu weit gehen, schlicht einen Fall des gescheiterten Normzwecks zu postulieren, für den die Nichtbeachtung einzelner, aus dem Gesetzeswortlaut sich ergebender Tatbestandsmerkmale – hier also: des Besitzerfordernisses – möglich erschiene224. Andererseits hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich zum Sicherungseigentum bekannt. Mehr noch: Bei genauerer Betrachtung hat er durch den § 51 Nr. 1 InsO sogar ein publizitätsloses Sicherungsrecht eigener Art geschaffen, das vom vollwertigen Eigentum durchaus verschieden ist. Denn in einer der wesentlichen Situationen, in denen sich das Sicherungsrecht zu bewähren hat, nämlich der Insolvenz des Schuldners, wird der Gläubiger vom Gesetz nicht als Eigentümer, sondern als das behandelt, was er eigentlich ist: als besitzloser Pfandgläubiger. Noch weiter in diese Richtung geht die h. M., indem sie im umgekehrten Fall – der Insolvenz des Sicherungsgläubigers – dem Sicherungsschuldner eine dingliche Stellung, insbesondere ein Aussonderungsrecht einräumt225: Damit wird er also wie der Verpfänder behandelt, der ja Eigentümer bleibt. Auch der Ausschluss der Verfallklausel bei der Sicherungsübereignung in Analogie zu § 1229 BGB226 ist mit der Vorstellung vom Sicherungsnehmer als Volleigentümer offensichtlich unvereinbar. Und durch die weitgehend akzeptierte Umdeutung einer unwirksamen besitzlosen Verpfändung in eine wirksame Sicherungsübereignung227 ist die Aufgabe jeglicher Publizitätserfordernisse im Recht der Sicherheiten in Wahrheit längst vollzogen. Im 224

Cessante ratione legis, cessat lex ipsa, vgl. dazu Rüthers, Rechtstheorie, § 24 B II 2 c, Rdnr. 955; hier mit der Besonderheit, dass der Normzweck von vornherein gescheitert gewesen wäre. – Zurückhaltend zur Nichtanwendung Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 170 f. (die im konkreten Fall der Sicherungsrechte ohnehin für den Vorrang der Pfandrechtspublizität eintreten, S. 233 ff.). Dagegen verstieße die Annahme eines publizitätslosen vertraglichen Pfandrechts nicht gegen den sachenrechtlichen Typenzwang: Denn danach müssen sich die am Zivilrechtsverkehr Beteiligten lediglich an die von der Rechtsordnung vorgegebenen dinglichen Rechte halten; die Rechtsanwendung indes ist frei, in der Rechtsordnung „neue“ dingliche Rechte – wie etwa das Anwartschaftsrecht – zu „entdecken“. Vgl. Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 17; kritisch zum Typenzwang allgemein Wieling, Sachenrecht, § 1 II 3 e m. w. N. 225 Vgl. die Nachweise oben 3. c), S. 99, Fn. 178. 226 Vgl. oben 3. c), S. 100 (vor Fn. 184). 227 Vgl. oben 3. d), S. 101.

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Grunde besteht also bereits de lege lata ein publizitätsloses Sicherungsrecht eigener Art228. Dass es sich dabei nicht um vollwertiges Eigentum handelt, besagt § 51 Nr. 1 InsO ausdrücklich. Eine solche Trennung von Eigentum und Sicherungsrecht kommt nicht zuletzt auch der Verkehrsauffassung entgegen: Denn die Bestellung einer Sicherheit – auch in Form von Sicherungs-„Eigentum“ – wird vom Sicherungsgeber lediglich als vorübergehende Belastung angesehen werden, er wird die Sache weiterhin letztlich wie eine eigene ansehen und benutzen229; gerade das ist ja zumeist Sinn der Sicherungsübertragung ohne Übergabe. b) De lege ferenda: Vorteile eines publizitätslosen Pfandrechts Dogmatisch einwandfrei ließen sich die aufgezeigten Friktionen zwischen den Sicherungsrechten nur durch eine Gesetzesänderung beseitigen. De lege ferenda böte es sich dabei an, auch in den §§ 1205 f. BGB die Vorgaben der §§ 929 ff. BGB nachzuvollziehen, also das Faustpfanderfordernis abzuschaffen und ein publizitätsloses vertragliches Pfandrecht zu ermöglichen230. So ließe sich die (von der h. M. ohnehin bereits de lege lata angenommene) verdinglichte Rechtsstellung des Sicherungsgebers in der Insolvenz des Sicherungsnehmers dogmatisch absichern. Ferner würden die im BGB zum Faustpfand differenziert ausgestalteten Schuldnerschutzvorschriften – insbesondere die Verwertung betreffend – direkt anwendbar. Dabei mag allerdings – unabhängig von der Publizität – auch ein Abrücken vom Akzessorietätserfordernis (§ 1252 BGB) erwägenswert erscheinen231, nach228 So hatte bereits RGZ 91, 277/279, zu Recht ausgeführt, die (vergleichbare) Sicherungsabtretung vertrete nicht nur wirtschaftlich das Pfandrecht, sondern weise auch „rechtlich dem Pfandrecht verwandte Züge“ auf; anders dagegen RGZ 124, 73/75, zur Anwendbarkeit der §§ 771, 805 ZPO, wonach das Sicherungseigentum „volles bürgerlich-rechtliches Eigentum“ darstellen soll. Insoweit wie hier auch Henckel, FS Zeuner, S. 196 (allerdings mit teilweise gleichen Ergebnissen wie beim Volleigentum: S. 202 ff.); Gaul, FS Serick, S. 123. Dass das Sicherungseigentum lediglich wegen geringerer Publizitätserfordernisse an die Stelle des Pfandrechts getreten ist, ist weitgehend anerkannt, vgl. etwa Brehm/Berger, Sachenrecht, § 30.5. 229 In diese Richtung auch Wieling, Sachenrecht, § 18, 4 a, der daraus allerdings die mit den §§ 934 Fall 1, 1006 Abs. 3 BGB kaum zu vereinbarende Folgerung ziehen will, der Sicherungseigentümer besitze für den Sicherungsgeber (welcher damit zugleich unmittelbarer Fremd- und mittelbarer Eigenbesitzer wäre). – Diese Besitzlage ließe sich vielmehr nur mit einem „besitzlosen“ Pfandrecht erreichen, vgl. dazu noch unten Fn. 234. 230 Ebenso Hromadka, JuS 1980, 89/94. 231 Dazu Henckel, FS Zeuner, S. 199 ff. unter Verweis auf die naheliegende Parallele der Grundschuld; ablehnend Gaul, FS Serick, S. 151 f.

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dem die fehlende Akzessorietät in der Praxis einen zusätzlichen Grund für die Bevorzugung des Sicherungseigentums bildet. Weiter wäre durch die Schaffung eines publizitätslosen Pfandrechts nicht unbedingt die Frage der Anwendbarkeit von § 771 oder § 805 ZPO in der Einzelzwangsvollstreckung präjudiziert. Dort liegt nach h. M. ein wesentlicher Vorteil des Sicherungseigentums, weil es ein Drittwiderspruchsrecht nach § 771 ZPO und nicht bloß ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 ZPO gewährt; auf diese Weise kann der Schuldner die Sache im Ergebnis behalten, mit ihrer Hilfe weiter Erträge erwirtschaften und so gegebenenfalls auch andere Gläubiger außerhalb der Einzelzwangsvollstreckung befriedigen232. Indes dürfte auch dem Pfandgläubiger, der den unmittelbaren Besitz beim Verpfänder belässt, grundsätzlich ein Drittwiderspruchsrecht nach § 771 ZPO zustehen. Denn nach den §§ 771, 805 ZPO hat auch der Pfandgläubiger ein Drittwiderspruchsrecht; nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 805 ZPO ist lediglich der nicht besitzende Pfandgläubiger auf die vorzugsweise Befriedigung verwiesen233. Ließe man aber ein vertragliches Pfandrecht zu, bei dem der Verpfänder (alleiniger) unmittelbarer Besitzer der Pfandsache bliebe, so wäre damit regelmäßig ein Besitzmittlungsverhältnis in dem Sinne verbunden, dass der Verpfänder dem Pfandgläubiger den Besitz mittelte, so dass letzterer mittelbarer Besitzer nach § 868 BGB wäre234. Insofern ist die Bezeichnung als „besitzloses“ Pfandrecht ungenau: Der Pfandgläubiger hätte – wie der Sicherungseigentü232 Etwa Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 41 VI 4 b aa m. w. N.; vgl. näher oben zu 3. c), S. 98 f. – Genauere Blicke nähren freilich schon Zweifel an der Überzeugungskraft dieser wirtschaftlichen Folgenüberlegung: Denn auch wenn ein Gläubiger einzeln vollstreckt, muss das zu seiner Befriedigung erforderliche Vermögen in jedem Fall aufgebracht werden. Entweder hat der Schuldner noch andere Reserven – dann besteht ohnehin kein wirtschaftliches Problem. Oder der Sicherungsnehmer (meist eine Bank) gewährt ihm einen weitergehenden Kredit, um den vollstreckenden Gläubiger zu befriedigen – diese Möglichkeit bestünde aber auch dann, wenn dem Sicherungsnehmer kein Drittwiderspruchsrecht nach § 771 ZPO, sondern lediglich das Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus § 805 ZPO zustünde. Tritt keiner der beiden genannten Verläufe ein und bleibt der vollstreckende Gläubiger unbefriedigt, so bedeutet dies letztlich die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so dass es ohnehin zur Gesamtvollstreckung kommt. 233 Vgl. auch Musielak/Lackmann, § 771 ZPO, Rdnr. 23. 234 Der Pfandgläubiger seinerseits würde dann wieder dem Verpfänder als dem Eigentümer den Besitz mitteln; es entstünde also ein zweifaches Besitzmittlungsverhältnis: Der Verpfänder ist unmittelbarer Besitzer und besitzt für den Pfandgläubiger. Dieser ist damit mittelbarer Besitzer ersten Grades. Mittelbarer Besitzer zweiten Grades (und damit Ober- und Eigenbesitzer) ist wiederum der Verpfänder, nunmehr in seiner Rolle als Eigentümer. – Der wesentliche Unterschied zur Konstruktion Wielings (vgl. oben Fn. 229) liegt darin, dass nur nach der hiesigen Lösung oberster mittelbarer Besitz, Eigenbesitz und formales Eigentum zusammenfallen.

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mer – lediglich keinen erkennbaren unmittelbaren Besitz. Diese Stellung des Pfandgläubigers als „zwischengeschalteter“ mittelbarer Besitzer wäre mit § 868 BGB trotz des Umstandes vereinbar, dass der unmittelbar besitzende Verpfänder gleichzeitig Eigentümer bliebe: Denn in seiner Rolle als Verpfänder wäre er dem Pfandgläubiger gegenüber lediglich „auf Zeit zum Besitze berechtigt“ (§ 868 BGB), weil der Pfandgläubiger nach § 1231 BGB bei Pfandreife Herausgabe verlangen kann. Da mittelbarer Besitz des Pfandgläubigers für ein Drittwiderspruchsrecht nach § 771 ZPO ausreicht235, ergäbe sich insoweit also durch die Schaffung eines publizitätslosen Pfandrechts keine Abweichung von den Ergebnissen der h. M. Da es sich im Übrigen auch beim vorbehaltenen Eigentum (§ 449 BGB) um Sicherungseigentum handelt, könnten die vorstehenden Ausführungen hierauf übertragen werden. In der Konsequenz läge es dann, die Stellung des Vorbehaltskäufers schon vor Kaufpreiszahlung als bereits erworbenes Eigentum und beim Verkäufer das vorbehaltene „Eigentum“ als Pfandrecht auszugestalten236. Die besonderen Probleme der Pfändung der Sache durch den Vorbehaltsverkäufer237 entfielen dadurch. Eine derartige Regelung des Vorbehaltskaufs läge umso näher, als bei der Schaffung des BGB eine pfandrechtsähnliche Ausgestaltung vor allem mit Blick auf das Faustpfandprinzip verworfen wurde238. Zumindest die Forderungsakzessorietät ist den §§ 1252 und 449 BGB ohnehin gemein. Entsprechend zur Situation des Sicherungsgebers bei der Sicherungsübereignung ließe sich dadurch wiederum die Verdinglichung der Rechtsposition des Vorbehaltskäufers gesetzlich absichern, die die h. M. im Ergebnis ohnehin bereits de lege lata mit Hilfe des Anwartschaftsrechts erreicht239. Auch die Zäsur für den Eigentumswechsel wäre nur scheinbar problematisch: Hier wäre – wie beim Anwartschaftsrecht allgemein – auf denjenigen Zeitpunkt abzustellen, in dem der Vorbehaltsverkäufer die aufschiebend bedingte Übereignung vornimmt240. 235

Vgl. Musielak/Lackmann, § 771 ZPO, Rdnr. 23. Sogar de lege lata für eine solche Einordnung: U. Hübner, NJW 1980, 729/ 732; im Ansatz auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 A I 3, Rdnr. 5; Henckel, FS Zeuner, S. 193/194 (im Ergebnis allerdings verneinend: S. 214 ff.); ablehnend Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 2159. – Im Rahmen des § 51 Nr. 1 InsO auch Smid, § 51 InsO, Rdnr. 17 m. w. N. zur abweichenden h. M. 237 Dazu Baur/Stürner, Sachenrecht § 59 B IV 4 b, Rdnr. 42 f. 238 Vgl. U. Hübner, NJW 1980, 729/730 m. w. N. – Zur Ausgestaltung des Eigentumsvorbehalts als besitzloses Pfandrecht in anderen Rechtsordnungen vgl. Simitis, AcP 171 [1971], 94/98. Zumindest für den Handelsverkehr stellt allerdings neuerdings die Richtlinie 2000/35/EG v. 29.6.2000 (ABl. Nr. L 200 v. 8.8.2000, S. 35–38) in Art. 4 ausdrücklich auf das beim Verkäufer verbleibende „Eigentum“ ab; auch hier dürfte indes ein gleichwertiger Schutz durch ein publizitätsloses Pfandrecht ausreichen. 239 Aufschlussreich dazu Medicus, BR, Rdnr. 465 f. 236

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Vor allem aber würde die Ermöglichung eines besitzlosen vertraglichen Pfandrechts den Gläubigerinteressen eher gerecht, weil spätere Gläubiger nicht nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip des Sicherungseigentums gänzlich leer ausgehen müssten, sondern durch die Möglichkeit nachrangiger Pfandrechte sich immerhin Hoffnung auf einen etwaig überschießenden Erlös machen könnten. In vielen Fällen würde auch der komplizierte und im Ergebnis unbefriedigende Rückgriff auf den gutgläubigen Erwerb überflüssig. Das lässt sich beispielhaft am kontrovers diskutierten Fräsmaschinenfall241 zeigen: Dort hatte der bisherige Eigentümer E dem Nichtberechtigten N eine Fräsmaschine unter Eigentumsvorbehalt verkauft und übergeben. Diese Maschine übereignete N als Sicherheit im Wege eines Besitzkonstituts (§ 930 BGB) an seinen Gläubiger G1. G1 wiederum trat seinen Herausgabeanspruch ebenfalls zur Sicherheit nach § 931 BGB an seine Bank G2 ab. Die Maschine verblieb die ganze Zeit über bei N. E und G2 streiten um das Eigentum. An dieser Konstellation hat sich ein nicht enden wollender Streit entzündet, ob, nachdem die Übereignung an G1 an § 933 BGB scheitere, der „sachfernere“ G2 nach § 934 BGB gutgläubig erwerben könne. Bei Ermöglichung eines besitzlosen vertraglichen Pfandrechts würde hingegen die Frage gutgläubigen Erwerbs gar nicht erst aufkommen: Schon das vorbehaltene Eigentum des E wäre als besitzloses Pfandrecht ausgestaltet, so dass der N grundsätzlich als berechtigter Eigentümer verfügen könnte. Da aber auch die von ihm vorgenommene Sicherungsübertragung an G1 nicht das Eigentum beträfe, sondern ebenfalls bloß ein besitzloses Pfandrecht bestellt würde, könnte G1 vom Berechtigten ein zweites, nachrangiges Pfandrecht erwerben – und dieses sodann problemlos auf G2 übertragen. Diese Lösung besticht durch ihr angemessenes, am Prioritätsprinzip ausgerichtetes Ergebnis: Der Vorbehaltsverkäufer würde vorrangig befriedigt, aber auch der zweite Sicherungsnehmer (G2) ginge nicht leer aus, sondern erhielte ein zweitrangiges Pfandrecht. Eines gutgläubigen Erwerbs mit seiner unbefriedigenden Alles-oder-Nichts-Folge bedürfte es nicht. Wohlgemerkt soll damit nicht etwa dem Faustpfand als solchem die Berechtigung abgesprochen werden: Aus praktischer Sicht bliebe es für den Pfandgläubiger – z. B. ein Pfandhaus – selbstverständlich sicherer (und ihm auch unbenommen), sich nicht bloß ein nacktes Sicherungsrecht, sondern zusätzlich die tatsächliche Sachherrschaft übertragen zu lassen. Damit würde der Pfandgläubiger aber nur seine eigene tatsächliche Zugriffsmög240

Dazu sogleich II. 1., S. 116 ff. Im Regelfall wird das die Übergabe sein, was aber wohlgemerkt nichts mit etwaiger Publizität zu tun hat, sondern allein mit ihrer Funktion, die Gefahrenbereiche im Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber abzugrenzen: vgl. §§ 446, 640 BGB sowie oben A. IV. 2., S. 66. 241 BGHZ 50, 45; zur Kontroverse vgl. etwa Musielak, JuS 1992, 713/720 ff. – Zur Gutglaubensproblematik unten Kap. 4, A. II. 2., S. 209 ff.

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lichkeit sichern und so für die Effizienz seines dinglichen Rechts sorgen. Der Vorschlag zur Abschaffung des Faustpfandprinzips betrifft dagegen die davon zu unterscheidende rechtliche Frage der Tatbestandsvoraussetzungen: Diese Form der tatsächlichen Absicherung sollte kein zwingendes Erfordernis für das Entstehen des Sicherungsrechts sein, es sollte also grundsätzlich auch ohne Publizität durch bloßes Besitzkonstitut bestellt werden können. Wiederum eine andere, allerdings ebenfalls die lex ferenda betreffende Überlegung wäre es demgegenüber, bei den Sicherheitsrechten an beweglichen Sachen Publizität statt durch Besitz durch Registererfordernisse zu schaffen, was angesichts heutiger Möglichkeiten elektronischer Datenverarbeitung mit geringerem Aufwand verbunden wäre242. c) De lege lata: Das Faustpfandprinzip als Ausnahme De lege lata ist das Faustpfandprinzip indes in den §§ 1205 f. BGB gesetzlich vorgeschrieben. Daraus lässt sich aber keineswegs ein umfassendes Prinzip der Publizität für den Rechtserwerb bei beweglichen Sachen ableiten: Es handelt sich im Gegenteil hier um eine Ausnahme, weil lediglich für ein einzelnes Sicherungsrecht – das Pfandrecht – negative Publizität in dem Sinne erforderlich ist, dass die alleinige Zugriffsmöglichkeit des Verpfänders ausgeschlossen sein muss. Diese Ausnahme ist allein entstehungsgeschichtlich bedingt; es handelt sich letztlich um einen Anachronismus, eine übriggebliebene einsame „Insel“ der Publizität243. Den gleichen Ausnahmestatus wird man mit Blick auf das Pfändungspfandrecht annehmen müssen, dessen besondere, vom Besitz unabhängige Sichtbarkeitserfordernisse sich durch die besondere Natur der öffentlichrechtlichen Verstrickung und deren Schutz in § 136 StGB rechtfertigen.

II. Das Anwartschaftsrecht Mit den Sicherungsrechten ist das Anwartschaftsrecht insofern eng verknüpft, als es – zumindest in den häufigen Sicherungsfällen – beim Sicherungsgeber das Gegenstück zum Sicherungsrecht des Sicherungsnehmers bildet: Während der formale Eigentümer das Eigentum etwa im Rahmen des Eigentumsvorbehalts zunächst behält bzw. im Rahmen einer – auflösend bedingten – Sicherungsübereignung erwirbt, soll unter gewissen Voraus242

Dazu etwa Soe/Stadler, Einl. z. Sachenrecht, Rdnr. 40. In diesem Sinne bereits Heck, Sachenrecht, § 1, 10 b: Das Publizitätsprinzip beschränke sich auf das Pfandrecht. Ein „Prinzip“ indes, das sich auf eine Ausnahme beschränkt, ist kein Prinzip, sondern eben selbst eine Ausnahme. 243

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setzungen die noch nicht erworbene, sondern noch unter einer Bedingung stehende zukünftige Rechtsposition des Vorbehaltskäufers (bzw. Sicherungsgebers) im Vorhinein verdinglicht werden. Im Rahmen dieser Untersuchung soll das Anwartschaftsrecht allein in der Form des bedingten Erwerbs beweglicher Sachen betrachtet werden. Dort wäre es freilich in vielen Fällen entbehrlich, wenn man de lege ferenda die Rechtsstellung des Vorbehaltsverkäufers bzw. Sicherungseigentümers auf ein besitzloses Pfandrecht beschränkte und dem Anwartschaftsberechtigten (Vorbehaltskäufer bzw. Sicherungsgeber) vollwertiges Eigentum zuspräche244. Auch dann würden aber zumindest sonstige Fälle bedingter Übereignungen verbleiben, in denen die aufschiebend oder auflösend bedingte Übereignung zu anderen als zu Sicherungszwecken gewählt wird (etwa indem die Eltern ihrem Kind ein Auto unter Bedingung schenken, dass es die Führerscheinprüfung besteht). 1. Begriff und gesetzliche Ausgangslage (§ 161 BGB) Soweit sich die Rechtsfolgen nicht unmittelbar aus § 161 BGB ableiten, handelt es sich bei der Anwartschaft weitgehend um ein außergesetzliches Institut245. Daher muss die Rolle, die Publizität in ihrem Rahmen spielt, aus den positiven Regelungen zum Rechtserwerb geschlussfolgert werden; Rückschlüsse in umgekehrter Richtung – also ausgehend vom Anwartschaftsrecht auf allgemeine Erwerbstatbestände – verbieten sich dagegen, zumindest außerhalb des § 161 BGB. Insbesondere erschiene es verfehlt, von einer denkbaren begrifflichen Beschränkung des Anwartschaftsrechts auf die Fälle, in denen der Rechtserwerb nur noch vom Erwerber selbst abhängt bzw. vom Veräußerer nicht mehr einseitig verhindert werden kann246, auszugehen, deshalb für ein Anwartschaftsrecht an beweglichen Sachen den Besitz des Anwartschaftsberechtigten zu verlangen (weil andernfalls die Möglichkeit unbelasteten Erwerbs durch redliche Dritte besteht, §§ 161 Abs. 3, 932 ff. BGB247), und daraus dann den Schluss zu ziehen, der Erwerb des Anwartschaftsrechts hänge vom Publizitätserfordernis unmittelbaren Besitzes ab. Denn zum Einen kommt es für das Entstehen einer Anwartschaft daneben auch auf interne, also nicht erkennbare Absprachen zwi244

Dazu oben I. 5. b), S. 111 ff. Kritisch deshalb Medicus, BR, Rdnr. 462 ff.; ablehnend auch Marotzke, Anwartschaftsrecht, insb. S. 23 ff. 246 Vgl. dazu BGH NJW 1955, 544; BGHZ 45, 186/189 f.; 49, 197/201 f.; 83, 395/399; Medicus, BR, Rdnr. 456; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 5 III 4 a. 247 So etwa Schreiber, Sachenrecht, Rdnr. 327. 245

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schen Veräußerer und Erwerber an. Vor allem aber macht die einzige positive Regelung in § 161 Abs. 1 BGB die Anwartschaft gerade nicht vom Besitzerwerb abhängig, sondern geht vielmehr darüber hinaus: Auch in den Fällen, in denen der unter einer Bedingung Erwerbende den Besitz beim Veräußerer belässt oder ihn (etwa zum Zwecke einer Reparatur) zurückgibt, bleibt seine Anwartschaft gegenüber Verfügungen des Veräußerers grundsätzlich beständig – und zwar nach § 161 Abs. 1 S. 2 BGB selbst gegenüber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger des Veräußerers. Die Parallele zum Volleigentumserwerb nach § 930 BGB, den man doch auch nicht allein deshalb als „eingeschränkt“ oder vom Veräußerer „abhängig“ betrachtet, weil dieser weiterhin als Nichtberechtigter wirksam an redliche Dritte veräußern könnte, ist offensichtlich. Dementsprechend wird etwa auch im Grundstücksrecht völlig unabhängig von der Grundbuchpublizität eine Anwartschaft nach Eintragungsbewilligung, aber vor Eintragung angenommen248. Diese Erwägungen verdeutlichen das dringende Erfordernis genauer begrifflicher Eingrenzung des Begriffs der „Anwartschaft“: Es ist nämlich darauf abzustellen, ob die dingliche Verfügung bereits vorgenommen worden ist und nur noch ihr Wirksamwerden vom Bedingungseintritt abhängt oder nicht249. Eine Anwartschaft mit dinglicher Wirkung kann dem Erwerber nur im ersten Falle, also erst nach der dinglichen Verfügung zustehen – genau davon gehen auch die §§ 161, 449 BGB aus. Hat der Veräußerer die dingliche Verfügung dagegen noch nicht vorgenommen (hat er die Sache etwa zwar übergeben, sich aber ausdrücklich vorbehalten, die dingliche Übereignungserklärung erst später, insbesondere nach Zahlung der letzten Kaufpreisrate, gesondert abzugeben – dann nach § 929 S. 2 BGB), ist die Position des Erwerbers eine rein schuldrechtliche. Es kommt also allein auf die dingliche Verfügung an; der Besitzübergang dagegen ist für die dingliche Rechtslage bedeutungslos. So setzen die §§ 161, 449 BGB für die bedingte Übereignung nicht zwingend voraus, dass die Sache zugleich übergeben wird; vielmehr reicht etwa auch die Verschaffung bloß mittelbaren Besitzes nach § 930 BGB250. Umgekehrt ist auch der Fall denkbar, dass die körperliche Übergabe vor der dinglichen Verfügung erfolgt (vor allem dies regelt 248

Vgl. BGHZ 49, 197/201 f.; Baur/Stürner, § 19 B I 3, Rdnr. 15 ff. m. w. N.; umstr., ablehnend etwa Hager, JuS 1991, 1 ff. 249 Diese an sich selbstverständliche Abgrenzung (vgl. dazu auch Medicus, BR, Rdnr. 457 f.) scheint in der Diskussion über Anwartschaften nicht immer vollständig bedacht zu werden. So geht offenbar die Rechtsprechung davon aus, der Vorbehaltsverkäufer habe noch nicht vollständig erfüllt (BGH NJW 1967, 2203/2204; auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 B II 1 a, Rdnr. 15 mit Fn. 5) – was nur insoweit richtig ist, als die Erfüllung noch nicht abgeschlossen ist, im Übrigen aber verkennt, dass der Vorbehaltsverkäufer keine weiteren Erfüllungshandlungen mehr vornehmen muss, weil die Erfüllung sich automatisch mit Bedingungseintritt vollendet.

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§ 929 S. 2 BGB); dann verschafft aber auch der Besitz dem Erwerber grundsätzlich noch keine dingliche Rechtsposition. Ist der Anwendungsbereich der Anwartschaft im Rahmen der beweglichen Sachen derart verdeutlicht, ergibt sich hinsichtlich der Publizität Folgendes: Positive Publizität kann im Rahmen der bedingten Übereignung von vornherein nicht geschaffen werden, weil nach außen der Besitz sowohl Fremdbesitz als auch unbedingtes Eigentum als auch bloße Anwartschaft bedeuten kann. Aber auch negative Publizität scheint kaum denkbar: Denn sie liefe je nach Schutzrichtung darauf hinaus, entweder den bisherigen Eigentümer oder den Anwartschaftsberechtigten auszuschließen. Damit spricht in der Konsequenz die Anerkennung des Anwartschaftsrecht deutlich gegen jegliche Publizität: Denn zwei letztlich nicht allzu verschiedene Rechte – nämlich das auflösend bedingte Eigentum und das aufschiebend bedingte Eigentum – können niemals durch einen einzigen Besitztatbestand angezeigt werden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn Veräußerer und Erwerber die Sache in Mitbesitz (wie beim Pfandrecht in § 1206 BGB) halten müssten; dies findet indes im Gesetz keine Stütze, erscheint wirtschaftlich sinnlos und wird auch von keiner Seite vertreten. Interessant ist darüber hinaus aber, dass § 161 BGB die Abhängigkeit der Mobiliarübereignung vom gänzlich „unsichtbaren“ Bedingungseintritt ermöglicht und damit eine weitere Absage an das Konzept des durch die Übergabe publizierten Zeitpunkts des Rechtswechsels enthält: Denn der Eigentumsübergang erfolgt vollkommen losgelöst von den Besitzverhältnissen – ganz im Gegensatz zum Grundstücksrecht, wo zumindest die Auflassung bedingungsfeindlich ist, § 925 Abs. 2 BGB. Die Wirkung der körperlichen Übergabe erschöpft sich demgegenüber auch hier im Gefahrübergang im Innenverhältnis der Kaufvertragsparteien, § 446 BGB251. 2. Die Wirkung gegenüber den Gläubigern des Vorbehaltseigentümers Hinsichtlich der negativen Publizität gegenüber den Gläubigern des Vorbehaltseigentümers scheinen sich nun im Regelfall keine Probleme zu ergeben, weil der Besitz meist auf den Anwartschaftsberechtigten übergegangen 250

Solange sich nur die dingliche Verfügung ausreichend manifestiert. – In der Praxis, die den Eigentumsvorbehalt weitgehend zu Sicherungszwecken einsetzt, wird ein solches Besitzkonstitut natürlich kaum vorkommen: Vor der körperlichen Übergabe fehlt in der Regel das Sicherungsbedürfnis. Das darf aber eben nicht zu dem dogmatischen Fehlschluss verleiten, die Anwartschaft entstehe zwingend erst durch die Übergabe. 251 Für den Eigentumsvorbehalt im Handelsverkehr so ausdrücklich auch Art. 4 Abs. 1 des Richtlinien-Entwurfs v. 23.4.1998 (ABl. Nr. C 168 v. 3.6.1998, S. 13 ff.).

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sein wird, mangels Besitz des Vorbehaltseigentümers also gegenüber seinen Gläubigern von vornherein kein Anlass zur Täuschung mehr besteht. a) Der Vorrang vor der Zwangsvollstreckung Dritter, § 161 Abs. 1 S. 2 BGB Darüber hinaus geht aber auch die Anwartschaft des nichtbesitzenden Erwerbers nach dem eindeutigen Wortlaut des § 161 Abs. 1 S. 2 BGB den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger des Veräußerers vor252. Auch hier ist der Schutz des nichtbesitzenden Erwerbers kaum geringer, als wenn er bereits Volleigentümer wäre; insofern bestätigt § 161 Abs. 1 BGB erneut das zum Volleigentumserwerb gefundene Ergebnis, wonach der Rechtserwerb von Publizität vollständig unabhängig ist. Dass der Vorbehaltseigentümer die Anwartschaft durch erneute Veräußerung und Weggabe an redliche Dritte nach §§ 161 Abs. 3, 932 ff. BGB zerstören kann, ändert daran nichts: Auch darin gleicht die Situation des Anwartschaftsberechtigten demjenigen, der im Wege des Besitzkonstituts nach § 930 BGB Volleigentümer geworden ist; dessen dingliche Rechtsposition aber zieht niemand in Zweifel. b) In der Insolvenz des Vorbehaltseigentümers, insbesondere § 107 InsO Ein Unterschied könnte freilich in der Insolvenz des Vorbehaltseigentümers bestehen: Denn hier soll nach dem Wortlaut des § 107 Abs. 1 S. 1 InsO die Beständigkeit der Anwartschaft davon abhängen, dass der insolvente Verkäufer die Sache nicht nur unter Eigentumsvorbehalt verkauft, sondern dem Erwerber auch „den Besitz an der Sache übertragen“ hat. Ist hier also – plötzlich doch ganz im Sinne größtmöglicher Publizität – der Erwerber erst mit der Erlangung erkennbaren Besitzes geschützt und bleiben dementsprechend die Gläubiger des insolventen Veräußerers so lange bevorzugt, als die Sache erkennbar in dessen Herrschaftsbereich verblieben ist? Einer derartigen Deutung steht schon entgegen, dass § 107 InsO von der „Übertragung des Besitzes“, nicht von der „Übergabe“ spricht. Damit liegt es nahe, entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch des BGB, insbesondere der §§ 929 ff., die „unsichtbare“ Übertragung mittelbaren Besitzes ausreichen zu lassen253. 252 Die h. M. leitet daraus sogar ein Drittwiderspruchsrecht des Erwerbers nach § 771 ZPO ab, vgl. BGHZ 55, 20 ff.; Medicus, BR, Rdnr. 466 m. w. N. 253 So etwa Kübler/Prütting/Tintelnot, § 107 InsO, Rdnr. 7. – Es erscheint allerdings fraglich, ob das dem Vorbehaltskäufer viel nützen könnte: Denn nach herkömmlicher Konstruktion bleibt der Vorbehaltsverkäufer formal Eigentümer und da-

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Überwiegend wird indes eine Beschränkung auf den besitzenden Erwerber als redaktionelles Versehen eingestuft und daher ganz abgelehnt254: Denn es besteht kein einsichtiger Grund, die Übergabesurrogate (etwa Besitzkonstitut oder Traditionspapier, vor allem aber auch die besitzlose Abtretung des Herausgabeanspruchs) gerade und nur hier schlechter zu stellen; auch die Gesetzesbegründung stellt ausdrücklich auf die aufschiebend bedingte Übereignung, nicht auf die Übergabe ab255. Nur so lässt sich im Übrigen § 107 Abs. 1 S. 1 InsO mit den §§ 449, 161 BGB in Einklang bringen: Denn der in § 107 InsO in Bezug genommene „Eigentumsvorbehalt“ ist in § 449 BGB legaldefiniert als aufschiebend bedingte Übereignung; für aufschiebend bedingte Übereignungen ordnet § 161 Abs. 1 S. 2 BGB aber zugunsten des Empfängers allgemein den Vorrang seines Anwartschaftsrechts nicht nur vor der Einzelzwangsvollstreckung, sondern auch vor Handlungen des Insolvenzverwalters an256, und zwar unabhängig von den Besitzpositionen. Auch hier spricht daher alles dafür, das Erfordernis der Besitzübertragung in § 107 InsO als – letztlich pleonastische – Beschreibung der Manifestationsfunktion des Besitzes zu verstehen: Der Käufer ist selbstverständlich erst geschützt, sobald sich die Ernsthaftigkeit des Willens zur (bedingten) Übertragung ausreichend manifestiert hat – beim Eigentumsvorbehalt in der Regel durch Übergabe, in Ausnahmefällen aber auch ohne Veränderung im unmittelbaren Besitz. Schließlich wäre auch nicht einzusehen, weshalb die Anwartschaft ausgerechnet und nur beim – in § 107 InsO allein behandelten – Verkauf unter Eigentumsvorbehalt vom Besitz abhängen sollte, während in den übrigen Fällen aufschiebend bedingter Übereignungen solches nach § 161 Abs. 1 S. 2 BGB nicht der Fall ist. Der Vorbehaltskäufer wäre dann schlechter gestellt als ein sonstiger aufschiebend bedingt Erwerbender. mit auch Eigenbesitzer (vgl. etwa Wieling, Sachenrecht, § 17 II 1). Behält er also ausnahmsweise den unmittelbaren Besitz zurück, bestünde danach eigentlich kein Anlass, mittelbaren Besitz auf den Erwerber zu übertragen. 254 Eingehend Marotzke, JZ 1995, 803/810 f.; ebenso Kübler/Prütting/Tintelnot, a. a. O.; Hess/Weis/Wienberg, § 107 InsO, Rdnr. 6. 255 Vgl. die Nachweise bei Marotzke, a. a. O., S. 811. 256 Im Rahmen der Kommentierung zu § 161 BGB ist zu Recht unstreitig, dass die Stellung des Anwartschaftsberechtigten „insolvenzfest“ ist: etwa Staud/Bork, § 161 BGB, Rdnr. 9. – Insofern ist die Rechtsfolge des § 107 InsO eigentlich unsinnig: Denn wenn bereits unter aufschiebender Bedingung dinglich verfügt und auch der Besitz übertragen ist, hat der Verkäufer alles seinerseits Erforderliche getan; das Überspringen des Eigentums erfolgt dann automatisch. Was sollte der Käufer dann noch an „Erfüllung des Kaufvertrages“ verlangen können? Die allein noch ausstehende Annahme des Kaufpreises als Erfüllung kann schon nach § 162 Abs. 1 BGB nicht abgelehnt werden. – Vgl. zur alten Rechtslage so bereits Raiser, Anwartschaften, S. 95; Flume, AcP 161 [1962], 385/404 f.; anders aber die h. M., etwa Medicus, BR, Rdnr. 234 m. w. N.

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Nun geht die Gegenauffassung davon aus, § 107 InsO schütze die Verfügungsgewalt des Insolvenzverwalters über die im Besitz des Gemeinschuldners verbliebene Sache – und damit letztlich das Vertrauen der Massegläubiger in seinen Besitz257. Das erscheint aber zweifelhaft: Zunächst setzt der Wortlaut des § 107 InsO – wenn man ihn schon so genau nimmt – lediglich voraus, dass dem Erwerber der Besitz bereits übertragen ist; er gibt hingegen nichts dafür her, dass ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters nur so lange bestehen solle, als die Sache noch im Besitz des Vorbehaltsverkäufers bzw. des Verwalters sei. Der damit betroffene Unterschied zwischen positiver Publizität beim Vorbehaltskäufer und negativer Publizität beim Verkäufer käme insbesondere dann zum Tragen, wenn sich die Sache im Besitz eines Dritten befindet, § 931 BGB. Denn sollte tatsächlich die Verfügungsgewalt des Insolvenzverwalters geschützt werden, bestünde kein Anlass, diesen Schutz auch im Fall des Drittbesitzes zu gewähren – zumindest wenn dieser Dritte dem Verkäufer nicht einmal den Besitz mittelt. Letztlich würde aber auch die Gegenauffassung am Ergebnis nichts ändern: Es würde dann zwar theoretisch das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO eingreifen. Er wäre indes in der Ausübung dieses Wahlrechts nach §§ 242, 161 BGB an die Annahme der Restkaufpreises als Erfüllung gebunden, wie es die Rechtsprechung bereits früher für das Wahlrecht nach der KO angenommen hatte258. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass der Anwartschaftsberechtigte auch in der Insolvenz des Vorbehaltsverkäufers durch Zahlung des Restkaufpreises automatisch Eigentümer wird, und zwar unabhängig von seinem Besitz oder dem des Verkäufers, also auch unabhängig von jeder Publizität. 3. Die Wirkung gegenüber den Gläubigern des Anwartschaftsberechtigten Auch gegenüber den Gläubigern des Anwartschaftsberechtigten scheint die Anerkennung eines Anwartschaftsrechts auf den ersten Blick einem etwaigen Publizitätsstreben nicht im Wege zu stehen, weil der Anwartschaftsberechtigte in aller Regel Besitzer sein wird und die Gläubiger eine zusätzliche dingliche Position als Zugriffsmittel erhalten – insofern also scheinbar durchaus auf den Besitz des Anwartschaftsberechtigten vertrauen könnten. Jedoch hängt etwa die Frage, ob das Vorbehaltseigentum des Verkäufers in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers als Volleigentum259 oder analog § 51 257

So FrankfurterKomm-InsO/Wegener, § 107 Rdnr. 9; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 2196 mit Fn. 236; im Ergebnis auch Braun/Kroth, § 107 InsO, Rdnr. 4. 258 Vgl. BGH NJW 1962, 2296; WM 1961, 891; zur Rechtslage nach der KO auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 B II 1 a, Rdnr. 15 mit Fn. 1.

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InsO260 wie ein Pfandrecht zu behandeln ist, nicht von der „Heimlichkeit“ des vorbehaltenen Eigentums ab; insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Veräußerer den unmittelbaren Besitz behalten hat. a) Die nachträgliche Bestellung oder Änderung der Anwartschaft Um die Belange der Gläubiger des Erwerbers geht es letztlich auch bei der Frage, ob im Falle einer ursprünglich unbedingten Übereignung nachträglich ein Eigentumsvorbehalt vereinbart werden kann, ob also die nachträgliche Umwandlung des bereits übertragenen Volleigentums in eine bloße Anwartschaft möglich ist. Hatte die Rechtsprechung dies früher bezweifelt261, so muss es mit der heute allgemeinen Meinung bejaht werden: Denn eine vollständige Rückübereignung nach § 930 BGB ist dem Erwerber ohne Zweifel möglich. Es ist dann kein vernünftiger Grund erkennbar, weshalb er nicht auch zur auflösend bedingten Rückübereignung berechtigt sein soll262. Das gilt selbstverständlich nur, solange der Erwerber nicht bereits anderweitig über das Vollrecht verfügt hat, solange er also als Berechtigter handelt. Auch hier spielt Publizität für die Gläubiger des Erwerbers demnach keine Rolle. Ähnlich verhält es sich mit der nachträglichen Aufhebung des Anwartschaftsrechts: Grundsätzlich sind die Kaufvertragsparteien frei, die bereits erfolgte bedingte Übereignung zurückzunehmen, so dass dem Erwerber zwar der obligatorische Anspruch und gegebenenfalls auch der Besitz, aber keine dingliche Berechtigung verbleibt. Auch hier gilt aber die wesentliche Einschränkung, dass dadurch nicht dingliche Belastungen, die in der Zwischenzeit zugunsten Dritter (nämlich der Gläubiger des Erwerbers) bestellt worden sind, aufgehoben werden können263. Der BGH hat hier einmal in folgender Konstellation anders entschieden264: Der Vorbehaltskäufer hatte 259 So die h. M.: BGHZ 54, 214/218; MK/H. P. Westermann, § 449 BGB, Rdnr. 78; K. Müller, Sachenrecht, Rdnr. 2445. 260 Smid, § 47 InsO, Rdnr. 17, 22; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdnr. 11.10. – Dazu auch oben I. 5. b), S. 113, mit Fn. 236. 261 Freilich bezeichnenderweise nicht aus Gründen der Publizität, sondern der begrifflichen Konstruktion: BGH NJW 1953, 217/218 (mit abl. Anm. Raiser); RGZ 49, 170/172 f.; 54, 396 ff. Dort war jeweils für die nachträgliche Vereinbarung angenommen worden, sie genüge den Anforderungen einer Rückübereignung nach §§ 930, 868 BGB nicht. 262 So BGHZ 98, 160; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 E III 2, Rdnr. 34 m. w. N. Zu den verschiedenen Konstruktionsmöglichkeiten vgl. Soe/Henssler, § 930 BGB, Rdnr. 24. 263 Mit der Rückausnahme gutgläubig lastenfreien Erwerbs seitens des Vorbehaltsverkäufers, der allerdings wegen § 933 BGB dessen unmittelbaren Besitzerwerb voraussetzt.

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unter Eigentumsvorbehalt mehrere Lkw erworben und sie auf sein Grundstück verbracht, wo sie vom Haftungsverband einer dem Grundpfandgläubiger zustehenden Grundschuld erfasst wurden, §§ 1192, 1120 BGB. Nachträglich hob der Vorbehaltsverkäufer im Einvernehmen mit dem Käufer das Anwartschaftsrecht auf und übertrug zu Sicherungszwecken sein nunmehr unbedingtes Eigentum auf einen Sicherungsnehmer, der dem Käufer Kredit gewährt hatte. Dies hat der BGH für zulässig gehalten und damit den Grundpfandgläubiger zugunsten des Sicherungseigentümers leer ausgehen lassen. Diese Wertung, die sich im Übrigen leicht auf das Vermieterpfandrecht (§ 562a S. 1 BGB) an einem später aufgehobenen Anwartschaftsrecht übertragen ließe, ist unhaltbar. Das liegt freilich weder an einer Verkennung angeblicher Publizitätserfordernisse in §§ 1121 f. BGB265 noch daran, dass das angeblich erkennbare Grundpfandrecht dem „versteckten“ Sicherungseigentum vorzuziehen sei266. Denn die Erstreckung eines Grundpfandrechts auf Zubehör hängt von so vielen „unsichtbaren“ Faktoren (Bestimmung als Zubehör, Eigentum des Grundstückseigentümers) ab, dass von einer Publizität des Haftungsverbandes kaum gesprochen werden kann267. Abzustellen ist vielmehr darauf, dass der Vorbehaltskäufer, der das belastete Anwartschaftsrecht aufhebt, insoweit als Nichtberechtigter handelt: Entweder ordnet man die Anwartschaft als Forderungsrecht ein, dann wird man an einer entsprechenden Anwendung des § 1276 Abs. 1 BGB kaum vorbeikommen268. Oder man stellt sie dem Sacheigentum gleich, dann kann entsprechend § 1121 BGB erst die Entfernung zum (gutgläubig) lastenfreien Erwerb des Sicherungseigentümers führen269. Dass es sich letztlich um eine Frage des Erwerbs vom Nichtberechtigten handelt (und damit allenfalls dessen spezielle Besitzerfordernisse, insbesondere § 933 BGB, greifen könnten), hat auch der BGH für den vergleichbaren Fall klargestellt, dass der Vorbehaltskäufer sein Anwartschaftsrecht sicherheitshalber vollständig weiterübertragen hatte, so dass er zu nachträglichen Vereinbarungen mit dem Verkäufer, die den Vollrechtserwerb erschwerten, nicht mehr berechtigt war270.

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BGH NJW 1985, 376/378 f. = BGHZ 92, 280. So aber Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 B IV 2 d, Rdnr. 37. 266 So etwa Kollhosser, JZ 1985, 370/377, unter Berufung auf angebliche sonstige Tendenzen im Insolvenzrecht. 267 Oben I. 2., S. 94. 268 Vgl. Wieling, Sachenrecht, § 17 IV a. – Gegen die Einordnung als Forderungsrecht BGH NJW 1985, 376/379. 269 Diese Folge ergäbe sich unmittelbar, wenn man de lege ferenda das Anwartschaftsrecht als Volleigentum und das zurückbehaltene, auflösend bedingte „Eigentum“ als bloßes besitzloses Pfandrecht ausgestaltete. 270 BGHZ 75, 221. – Gegen eine Vergleichbarkeit freilich ausdrücklich BGH NJW 1985, 376/378. 265

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b) Sach- oder Rechtspfändung? Publizitätsprobleme ganz eigener Art wirft schließlich die verwandte Frage auf, ob die Pfändung des Anwartschaftsrechts in der Zwangsvollstreckung nach den Regeln der Sach- oder der Rechtspfändung zu erfolgen hat. Eine Rechtspfändung wird hier teilweise mit dem Argument abgelehnt, das spätere Pfändungspfandrecht an der Sache werde dann nicht erkennbar271. Würde man das Anwartschaftsrecht jedenfalls in den Sicherungsfällen von vornherein als Volleigentum ausgestalten, so stünde die Anwendbarkeit der Sachpfändungsregeln außer Zweifel. De lege lata aber erscheint es befremdlich, dass nach überwiegender Meinung ausgerechnet in diesem Fall eine reine Rechtspfändung (unter Belassung der Sache beim Pfändungsschuldner) genügen und Publizitätserfordernisse nachrangig sein sollen272. Denn das wird den besonderen Erkennbarkeitsanforderungen für die öffentlich-rechtliche Verstrickung nicht gerecht: Abweichendes lässt sich dabei nicht aus einer vermeintlichen Parallele zum Grundstücksrecht ableiten. Zwar reicht dort für die Sicherungshypothek nach § 848 Abs. 2 S. 2 ZPO die nachträgliche Eintragung aus273. Das rechtfertigt jedoch nicht die Folgerung, dass es auch bei der Pfändung des Anwartschaftsrechts an beweglichen Sachen genüge, die Wegnahme bzw. die Siegelanlegung lediglich nachzuholen274. Denn hier liegen ausnahmsweise die Anforderungen für bewegliche Sachen höher als im Grundstücksrecht. Das ergibt sich aus folgendem Unterschied: Im Grundstücksrecht werden sowohl der Umstand, dass das Grundstück der Zwangsvollstreckung unterliegt (§ 866 ZPO), als auch rein zivilrechtliche Rechtsübergänge durch dasselbe Publizitätsmittel kundgetan, nämlich das Grundbuch. Dagegen sind für die Verstrickung beweglicher Sachen gänzlich eigene Anforderungen gestellt, die von denen der vertraglichen Verpfändung erheblich abweichen, nämlich insbesondere das Anlegen von Pfandsiegeln – was mit Blick auf die besonderen Schutzwirkungen des § 136 StGB gerechtfertigt erscheint275. Das beruht aber wohlgemerkt nicht auf einer Besonderheit des Anwartschaftsrechts, sondern auf der Besonderheit der öffentlich-rechtlichen Verstrickung. 271

So BGH NJW 1954, 1325. So M. Wolf, JuS 1976, 32/34; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 B IV 4 a, Rdnr. 41; Medicus, BR, Rdnr. 486, hält gar die Sachpfändung „aus unnötiger Liebe zum Publizitätsprinzip“ für allzu umständlich; zur Publizitätsfrage ebenso Wieling, Sachenrecht, § 17 III 2, dem eine Sachpfändung lediglich „angemessener“ erscheint. 273 Deshalb verzichtet BGHZ 49, 197/203, auf jede Publizität bei der Pfändung einer Auflassungsanwartschaft. 274 M. Wolf, a. a. O.; Baur/Stürner, a. a. O. 275 Vgl. oben I. 1. b) a. E., S. 89, sowie 4. d) a. E., S. 108. 272

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Ohnehin ist bei näherem Hinsehen auch dogmatisch nicht recht klar, welches Forderungsrecht des Erwerbers eigentlich gepfändet werden sollte: Der einzig in Betracht kommende Anspruch auf Übereignung ist durch die aufschiebend bedingte Verfügung des Vorbehaltsverkäufers bereits erfüllt; die Bedingung selbst wird sich aber schwerlich pfänden lassen. Die Pfändung der Anwartschaft den Regeln der Rechtspfändung zu unterwerfen, hätte im Übrigen unhaltbare Ergebnisse zur Folge: Der Anwartschaftsberechtigte stünde dann nämlich besser als der Volleigentümer. Während an die Sachen des Volleigentümers Pfandsiegel angebracht werden, könnte der Anwartschaftsberechtigte – der in aller Regel erst noch Leistungen erbringen muss, bis ihm das Eigentum zufällt – die von der Pfändung betroffene Sache rein tatsächlich sehr viel leichter weiter verwerten. 4. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass die dinglichen Rechtspositionen sowohl des Vorbehaltseigentümers als auch des Anwartschaftsberechtigten völlig unabhängig vom Besitz des einen oder des anderen bestehen. Auf den Besitzübergang kommt es ausschließlich für den Gefahrübergang im Innenverhältnis an. Der Besitz stellt dagegen auch hier kein Publizitätsmittel dar.

III. Treuhänderische Sondervermögen In einer gewissen Nähe zu den Sicherungsrechten liegt ferner die Treuhand. Hier spitzt sich alles zu auf den Konflikt zwischen dem Treugeber, dem eine Sache wirtschaftlich zuzurechnen ist, und den Gläubigern des Treuhänders, die in die Sache vollstrecken wollen. Das Institut der Treuhand ist allerdings ebenfalls gesetzlich kaum bzw. nicht einheitlich fixiert. Welche Rolle die Publizität in seinem Rahmen spielt, muss daher zumindest zum Teil aus den obigen Überlegungen zur positiven Gesetzeslage gefolgert werden. 1. Die gesetzliche Ausgangslage a) Die Treuhand im weiteren Sinn (Stellvertretungstreuhand) Treuhandverhältnisse im weiteren Sinne sind in vielerlei Gestalt im Gesetz vorgesehen276. Meist handelt es sich um stellvertretungsähnliche Verhältnisse: Die alleinige Verfügungszuständigkeit geht auf den Treuhänder 276

Umfassende Nachweise bei Liebich/Mathews, Treuhand, S. 327 ff.

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über, dem zu diesem Zweck in der Regel auch das Besitzrecht zusteht, während die formale Eigentümerposition beim Treugeber verbleibt – so etwa im Falle der Insolvenzverwaltung, §§ 80, 148 InsO, der Testamentsvollstreckung, § 2205 BGB, oder auch der elterlichen Sorge, § 1629 BGB. Unter Publizitätsgesichtspunkten sind diese Fälle letztlich der gewöhnlichen Stellvertretung vergleichbar: Dass der Treuhänder im Rahmen konkreter, sich auf das Sondervermögen beziehender Vertragsschlüsse seine Verwalterstellung offen zu legen hat, beruht zunächst allein auf stellvertretungsrechtlicher Publizität gegenüber dem konkreten Vertragspartner, § 164 BGB. Interessant erscheint dagegen der Blick auf die persönlichen Gläubiger des Treuhänders: Obwohl der Treuhänder das Sondervermögen in der Regel in Besitz zu nehmen hat, wird im Zusammenhang der Stellvertretungstreuhand soweit ersichtlich nirgends problematisiert, dass dadurch seine Gläubiger irregeführt werden könnten (indem sie nämlich zu der Annahme veranlasst würden, das im Besitz des Treuhänders befindliche Sondervermögen stünde ihnen als Sicherungs- bzw. Vollstreckungsobjekt zur Verfügung). Zwar wird gelegentlich Publizität durch die Evidenz der Treuhänderstellung als solcher gewährleistet sein – etwa beim gewerbsmäßigen Insolvenzverwalter. Das muss aber nicht zwingend so sein, wie das Beispiel des Testamentsvollstreckers zeigt: Der Erblasser kann hier irgendeinen Vertrauten einsetzen, eine sonstige – insbesondere berufliche – Nähe zu Treuhandaufgaben im Übrigen ist nicht erforderlich. Ebenso wenig muss der Treuhänder grundsätzlich sein eigenes und das Sondervermögen in seinem Besitz trennen277. Publizität spielt also bei der Stellvertretungstreuhand keine Rolle. Gegenüber den Gläubigern des Treuhänders und deren Vollstreckungsversuchen ist allein entscheidend, die Zugehörigkeit einer Sache zum treuhänderischen Sondervermögen im Nachhinein nachweisen zu können: Auch das Treuhandverhältnis muss sich also lediglich ausreichend manifestiert haben. b) Die Treuhand im Rechtssinn, insbesondere die Kommission Enger ist freilich der Begriff der Treuhand im Rechtssinn. Diese erfordert, dass der Treuhänder von oder für den Treugeber Vermögensrechte zu eigenem Recht erwirbt, aber nicht oder nicht ausschließlich in eigenem Interesse ausüben soll278. Gesetzlich geregelt ist ein solcher Übergang auch der formalen Berechtigung kaum, ebensowenig die Rechtsstellung des Treugebers gegenüber den vollstreckenden Gläubigern des Treuhänders. Das gilt insbesondere für den klassischen Fall der fremdnützigen Treuhand, wenn 277 278

Anders § 292 Abs. 1 S. 2 InsO; dazu sogleich unten b). Henssler, AcP 196 [1996], 37/41 m. w. N.

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also ein Vermögensrecht zum Zwecke der Verwahrung oder Verwaltung übertragen wird279. Ein gesetzliches Beispiel für eine – eigennützige – Treuhand bildet die Vorerbschaft, §§ 2100 ff. BGB280: Der Vorerbe ist zwar formal Volleigentümer, jedoch durch die §§ 2113 bis 2115 BGB zugunsten des Nacherben in seinen Verfügungen beschränkt. Gutgläubige Erwerber, die auf das unbeschränkte Eigentum vertrauen, sind hier in der Regel geschützt, § 2113 Abs. 3 BGB, so dass insoweit eine publizitätskonforme Gleichstellung von äußerem Schein und vollem Eigentum in Betracht käme. Eine gewichtige Ausnahme gilt indes gegenüber den persönlichen Gläubigern des Vorerben in der Zwangsvollstreckung: In den Nachlass darf nach §§ 2115 BGB, 773 ZPO nur wegen Nachlassverbindlichkeiten, nicht wegen eigener Schulden des Vorerben vollstreckt werden. Das soll verhindern, dass der Vorerbe den Nachlass zur Befreiung seines Eigenvermögens missbrauchen kann, ohne dass der Nachlass im Gegenzug etwas erwirbt281. Irgendeine Erkennbarkeit für die vollstreckenden Gläubiger ist dabei nicht erforderlich; das Fehlen jeglicher Publizität ist also auch hier unschädlich. Wiederum liegt der Rückgriff auf die nachträgliche Nachweisbarkeit nahe: Wegen der strengen Formerfordernisse – die Vor- und Nacherbschaft kann nur durch Testament, §§ 2231, 2247 BGB, oder Erbvertrag, § 2276 BGB, angeordnet werden282 – ist die Nachweisbarkeit besonders gut gewährleistet und die Missbrauchsgefahr zu Lasten persönlicher Gläubiger des Vorerben entsprechend gering. Eine spezielle fremdnützige Verwaltungstreuhand ist im Rahmen der Restschuldbefreiung in der Verbraucherinsolvenz geregelt, §§ 287 Abs. 2, 292 InsO283. Der Übergang von Vermögensrechten auf den Treuhänder ist allerdings nicht für bewegliche Sachen vorgesehen, vielmehr auf bestimmte Forderungen (laufende Bezüge) begrenzt. Das auf diese Forderungen Geleistete hat der Treuhänder dabei von seinem eigenen Vermögen zu trennen, § 292 Abs. 1 S. 2 InsO. Mit Publizität hat indes auch das nichts zu tun: Zum Einen wird die Erfüllung in aller Regel durch Überweisung erfolgen, so dass der Treuhänder letztlich wieder nur eine Forderung (nämlich gegen seine kontoführende Bank) erhält; Forderungsrechte sind aber sachenrechtlicher (Besitz-)Publizität nicht zugänglich. Zum anderen ist nicht erforder279 Demgegenüber wird das bereits behandelte Sicherungseigentum auch als eigennütziges Treuhandverhältnis eingeordnet; zur Begrifflichkeit etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 B I 4 b, Rdnr. 34. 280 Zur treuhänderischen Stellung des Vorerben Liebich/Mathews, Treuhand, S. 359 ff. 281 Vgl. Staud/Behrends/Avenarius, § 2115 BGB, Rdnr. 3, m. w. N. 282 Palandt/Edenhofer, § 2100 BGB, Rdnr. 3. 283 Kritisch zur Treuhänderstellung im Rechtssinne insoweit Smid/Haarmeyer, § 292 InsO, Rdnr. 2.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

lich, dass der Treuhänder das Sondervermögen offenkundig als solches kennzeichnet, sondern lediglich, dass er es trennt. Das aber kann allenfalls der Bestimmbarkeit oder der leichteren Nachweisbarkeit der Sondervermögenseigenschaft im Nachhinein dienen – und damit der Manifestation, nicht der Publizität. Eine dingliche Ausgestaltung der Rechtsstellung des treugebenden Schuldners fehlt. Ihrer bedarf es freilich auch nicht, weil er die abgetretenen Bezüge nach dem Sinn der Restschuldbefreiung ohnehin nicht erhalten soll (mit Ausnahme seines Eigenanteils an den Bezügen nach § 292 Abs. 1 S. 4 InsO, hinsichtlich dessen er aber lediglich wie seine Gläubiger obligatorisch gegenüber dem Treuhänder berechtigt ist) und diese vielmehr vom Treuhänder unter den Gläubigern zu verteilen sind, § 292 Abs. 1 S. 2 InsO. Die wohl bedeutendsten Ausprägungen der Treuhand stellen aber Kommission und Auftrag dar. Im Rahmen des Kommissionsgeschäftes kennt das Gesetz eine gewisse Verdinglichung der Rechtsstellung des Kommittenten (Treugebers), obwohl der Kommissionär (Treuhänder) grundsätzlich nur für dessen Rechnung, im Übrigen aber in eigenem Namen handelt, also auch in eigener Person Vermögensrechte erwirbt: Nach § 392 Abs. 2 HGB werden Forderungen aus dem Kommissionsgeschäft bereits vor ihrer Abtretung dem Kommittenten zugeordnet. Diese Zuordnung ist dabei zweifach eingeschränkt: Sie betrifft zum Einen – jedenfalls dem Wortlaut nach – nicht bewegliche Sachen, sondern nur Forderungen, also nur den Fall der Verkaufs-, nicht den der Einkaufskommission. Zum Anderen gilt sie nicht absolut, ist also streng genommen gar keine „Verdinglichung“, sondern wird nur im Innenverhältnis des Kommittenten zum Kommissionär sowie zu dessen Gläubigern fingiert; insbesondere im Verhältnis zum Forderungsschuldner bleibt dagegen der Kommissionär Forderungsinhaber. Im Rahmen des allgemeinen Auftragsverhältnisses, § 667 BGB, hat der Gesetzgeber demgegenüber bewusst vollständig darauf verzichtet, die vom Auftragnehmer erworbenen Vermögensrechte dem Auftraggeber mit dinglicher Wirkung zuzuordnen. Zur Begründung stellen die Protokolle – auch – darauf ab, andernfalls drohe eine Täuschung der Gläubiger des Auftragnehmers, die nicht auf das äußerlich sich als ihm zugehörig darstellende Vermögen vertrauen könnten; diese Gefahr sei beim Kommissionsgeschäft geringer, weil der Verkehr beim gewerbsmäßigen Kommissionär mit einem derartigen Auseinanderfallen eher rechne284. Hier könnte also endlich ein Ansatzpunkt liegen, aus einem Negativum – nämlich dem Fehlen einer Verdinglichung der Rechtsstellung des Auftraggebers – auf ein dahinterliegendes Publizitätsanliegen des Gesetzgebers zu schließen.

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Prot. 2311 = Mugdan II 950.

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2. Entwicklung: Die Verdinglichung der Rechtsstellung des Treugebers sowie die Analogiefähigkeit des § 392 Abs. 2 HGB Über die allenfalls fragmentarische gesetzliche Regelung hinaus sind Treuhandverhältnisse grundsätzlich anerkannt285. Das Innenverhältnis von Treugeber und Treuhänder ist dabei im Wesentlichen schuldrechtlich bestimmt und daher aus dem hier allein interessierenden Blickwinkel der Publizität unproblematisch. Kritisch wird es dagegen mit Blick auf die Gläubiger des Treuhänders, wenn man die wirtschaftliche Zugehörigkeit des beim Treuhänder vorhandenen Treugutes zum Vermögen des Treugebers anerkennt und damit die schuldrechtliche Treuhandabrede verdinglicht286. Am Schärfsten tritt die Problematik dabei bei der Verwahrungstreuhand zu Tage, weil der Treugeber weder unmittelbaren Besitz noch formales Eigentum innehat (also noch weniger als der Sicherungseigentümer), aber dennoch dinglich geschützt sein soll. Dementsprechend problematisiert auch die Rechtsprechung die Wirksamkeit und damit Beachtlichkeit der Treuhandabrede nur in den Fällen der Insolvenz; im Streit zwischen Treugeber und Treuhänder bzw. dessen kollusiv am Vertragsbruch Mitwirkenden dagegen kommt es auf eine Einschränkung der Treuhand287 nicht an. Im Einzelnen ist eine Verdinglichung der Rechtsstellung des Treugebers weitgehend anerkannt, soweit ihm in der gegen den Treuhänder gerichteten Einzelzwangsvollstreckung die Drittwiderspruchsklage und in dessen Insolvenz ein Aussonderungsrecht zustehen soll288. Zur Begründung wird im Wesentlichen auf Billigkeitsgesichtspunkte zurückgegriffen: Die treuhänderische Rechtsübertragung bezwecke keine Vermögensmehrung des Treuhänders; wenn seine persönlichen Gläubiger dennoch in das Treugut vollstrecken könnten, wären sie zu Unrecht bereichert289. Im Übrigen sind die Verfügungsbefugnisse des Treuhänders im Außenverhältnis nicht beschränkt; insbesondere können Dritte das treuhänderisch übertragene Recht von ihm als Berechtigtem erwerben290. 285 Vgl. ausführlich Gernhuber, JuS 1988, 355 ff.; Palandt/Bassenge, § 903 BGB, Rdnr. 33 ff. m. w. N.; für die Grundstückstreuhand auch RGZ 84, 214. Kritisch dagegen Henssler, AcP 196 [1996], 37 ff., 85 f. 286 Dazu Gernhuber, JuS 1988, 355/358; Canaris, FS Flume, S. 406 ff.; Gaul, FS Serick, S. 105 ff. 287 Insbesondere auf die Herkunft des Treugutes unmittelbar vom Treugeber: vgl. zu einem solchen Fall BGH NJW-RR 1993, 367/368. – Wie hier: Gernhuber, JuS 1988, 355/357. 288 Gernhuber, JuS 1988, 355/359; Palandt/Bassenge, § 903 BGB, Rdnr. 42 f. m. w. N. 289 Vgl. etwa Coing, FS Bärmann, S. 212 f. 290 Kennt der Dritte die treuhänderische Bindung, ist er dem Treugeber allenfalls schuldrechtlich zur Rückübertragung verpflichtet, § 826 BGB.

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Insbesondere für das Kommissionsgeschäft wird teilweise eine derart partielle Verdinglichung der Position des nichtbesitzenden Treugebers – begrenzt auf das Drittwiderspruchs- bzw. Aussonderungsrecht – auch über den Wortlaut des § 392 Abs. 2 HGB hinaus vertreten. Sie soll danach auch für das Kommissionsgut bei der Einkaufskommission sowie für sonstige Leistungen Dritter an den Kommissionär – insbesondere die Kaufpreiszahlung – gelten291. Das wird – unter Hinweis auf die Protokolle zum Auftragsrecht292 – vor allem damit begründet, dass die ratio legis des § 392 Abs. 2 HGB die Offenkundigkeit des Handelns für fremde Rechnung beim gewerbsmäßigen Kommissionär sei, was in erweiternder Auslegung auch für das vom Einkaufskommissionär erworbene Gut sowie Geldleistungen Dritter auf Kommissionsforderungen zutreffe293. 3. Ansätze zur tatbestandlichen Eingrenzung der Treuhandverhältnisse Um allerdings nicht letztlich jede schuldrechtliche Berechtigung – man denke etwa an die Position des nur obligatorisch berechtigten Käufers vor der dinglichen Übereignung – zu einer dinglichen Rechtsposition erstarken zu lassen, werden verschiedene Ansätze zur Einschränkung von Treuhandverhältnissen gemacht: a) Offenkundigkeit? Wer den gesetzgeberischen Grundgedanken sowohl des § 392 Abs. 2 HGB als auch der fehlenden Verdinglichung der Rechtsstellung des Auftraggebers vor allem in der bestehenden bzw. fehlenden Publizität des Treuhandverhältnisses für die Gläubiger des Treuhänders sieht294, muss diese Publizität für das folgerichtige Mittel zur Eingrenzung des dinglichen Schutzes des Treugebers gegenüber den Gläubigern des Treuhänders halten. Bei den in erster Linie betroffenen Bankguthaben seien nur „offene Treu291 Canaris, FS Flume, S. 371/410 und 424 m. w. N.; Großkommentar-HGB/ Koller, § 392 Anm. 1 f. – Verneinend aber die h. M.: RGZ 94, 305/308; BGH NJW 1974, 456/457 f.; BGHZ 79, 89/94 (jeweils ohne Begründung); Schlegelberger/ Hefermehl, § 392 HGB, Rdnr. 1 f. 292 Prot. 2311 = Mugdan II 950 (vgl. soeben 1. b) a. E.). 293 Canaris, a. a. O. – Beim Verkaufskommissionär ist die dingliche Zuordnung des Kommissionsgutes meist ohnehin unproblematisch, weil der Kommittent die Sache dem Kommissionär in der Regel lediglich übergeben, nicht übereignen wird. 294 Insbesondere Canaris, a. a. O., S. 412 ff. (allerdings mit Einschränkungen bei unmittelbaren Übertragungen: S. 417 f.); Großkommentar-HGB/Koller, § 392 Anm. 1 f.; in diese Richtung auch RGZ 84, 214/215 f. – w.N. bei Einsele, JZ 1990, 1005/ 1011, Fn. 74.

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handkonten“ zugunsten des Treugebers anzuerkennen; zudem könne sich die Publizität etwa beim Kommissionär, aber auch bei Anderkonten von Rechtsanwälten und Notaren aus deren Gewerbe ergeben; dementsprechend sei § 392 Abs. 2 HGB abweichend von seinem Wortlaut zwar nicht auf Forderungen beschränkt, sondern auch auf das Kommissionsgut anwendbar, auf den Gelegenheitskommissionär aber nur dann, wenn er sein Handeln für fremde Rechnung offenlege295. Canaris stützt sich dabei auf die Überlegung, das stellvertretungsrechtliche Offenkundigkeitsprinzip schütze nicht nur den Vertragspartner, sondern auch und gerade die Gläubiger desjenigen, der nach außen als Rechtsinhaber erscheine: Da die Treuhand einen Fall der mittelbaren Stellvertretung darstelle, müsse dieses Offenkundigkeitserfordernis dort erst recht herrschen296. b) Das Unmittelbarkeitskriterium der Rechtsprechung Die Rechtsprechung beurteilt hingegen die Frage, ob dem Treugeber Widerspruchs- bzw. Aussonderungsrechte zustehen, im Rahmen einer Wertung; zwar betreffen die in jüngerer Zeit entschiedenen Fälle meist Treuhandkonten, die Wertungskriterien dürften indes auf bewegliche Sachen übertragbar sein. Für eine Verdinglichung muss danach entweder die Sache unmittelbar vom Treugeber dem Treuhänder übergeben oder doch zumindest die ursprüngliche Forderung, zu deren Erfüllung das Treugut an den Treuhänder geleistet wurde, unmittelbar in der Person des Treugebers entstanden sein297. Dieser so genannte Unmittelbarkeitsgrundsatz geht auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zurück. Zur Begründung hatte es zum Teil rein begriffjuristisch auf den Begriff der „Fiduzia“ abgestellt (der das „Anvertrauen“ eines Gegenstandes erfordere), zudem aber auch auf die Rechtssicherheit und in deren Gewand letztlich auf Publizitätselemente298: So sei etwa beim Erwerb eines Grundstücks mit Geldmitteln des Treugebers in der Regel für außenstehende Dritte weder erkennbar, dass das Grundeigentum des Treuhänders Einschränkungen unterliege, noch dass die Einschränkung zugunsten eines versteckt gebliebenen Geldgebers bestehe299. Ferner sei im 295

So Canaris, a. a. O., S. 416 f., 424. A. a. O., S. 407 und 412 ff. Dagegen Einsele, JZ 1990, 1005/1006. 297 Zum letztgenannten Fall BGH NJW 1959, 1223/1225; zusammenfassend zur Rechtsprechung: BGH ZIP 1993, 213/214 (zum dort zusätzlich und alternativ genannten Kriterium eines „offenkundigen Treuhandkontos“ sogleich unten). 298 Vgl. RG Gruchot 54, 623/626; RGZ 91, 12/16; 94, 305/308; 133, 84/87; auch die Nachweise in BGH NJW-RR 1993, 301. Nicht eindeutig dagegen RGZ 84, 214/215 f. – Zum Unmittelbarkeitskriterium als (freilich fehlsamem) Versuch, ein gewisses Maß an Publizität zu erhalten, vgl. auch Coing, FS Bärmann, S. 203/213. 299 RG Gruchot 54, 623/626 f. 296

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Gegenschluss aus § 392 Abs. 2 HGB, der so zu verstehen sei, dass Dritte gerade wegen der Offenkundigkeit kraft Gewerbes mit entgegenstehenden Rechten des Kommittenten rechnen müssten, eine Verdinglichung der Treuhandabrede grundsätzlich zu verneinen300. Aus dem Unmittelbarkeitsgrundsatz folgt dann zwingend, dass eine Fortsetzung einer etwaigen dinglichen Berechtigung des Treugebers am Surrogat ausscheidet301. Scheinbar noch stärker wird die Bedeutung der Publizität im Rahmen der so genannten „offenen Treuhandkonten“ betont: Eine dingliche Rechtsstellung des Treugebers wird unabhängig vom Unmittelbarkeitsgrundsatz ausnahmsweise auch dann bejaht, wenn ein Treuhandkonto nach außen ersichtlich als solches geführt wird, insbesondere als Anderkonto. Indes betraf dies durchgehend Fälle, in denen der Treugeber sich gegen Pfandrechte der kontoführenden Bank an dem „offenen Treuhandkonto“ wandte302. Für die im Rahmen der Kontoführung unmittelbar beteiligte Bank ist die wirtschaftliche Zuordnung dann in der Tat erkennbar, allerdings nur im Sinne stellvertretungsrechtlicher, nicht sachenrechtlicher Offenkundigkeit, weil die Treuhandabrede damit niemals allgemein, sondern nur dem konkreten Geschäftspartner (im Beispiel: der Bank) bekannt wird303. Zwar hat der BGH in einer einzelnen Entscheidung aus jüngerer Zeit304 ein Widerspruchsrecht des Treugebers auch gegenüber außenstehenden Dritten für den Fall eines offenen Treuhandkontos geprüft, jedoch lagen dort die tatsächlichen Voraussetzungen der „Offenkundigkeit“ des Treuhandkontos ohnehin nicht vor, so dass es auf die Frage der Verdinglichung nicht ankam und die diesbezüglichen Erwägungen nicht zu den tragenden Gründen rechnen. Für den umgekehrten Fall, dass nämlich die Gläubiger des Treugebers in das Treuhandkonto vollstrecken, misst die Rechtsprechung der Frage des offenen oder versteckten Treuhandkontos ohnehin keine Bedeutung bei: Insoweit bleibt es beim formalen Eigentum des Treuhänders, die Gläubiger des Treugebers sind auf eine Pfändung des Rückforderungsanspruches gegen den Treuhänder verwiesen305. 300

RGZ 84, 214/216. RG Gruchot 54, 623/626; RGZ 94, 305/307; nach RGZ 153, 366/370, nicht einmal am Rückübertragungsanspruch. 302 Vgl. die Analyse und Nachweise bei Einsele, JZ 1990, 1005/1013 mit Fn. 89. 303 Vgl. BGH NJW 1993, 2633; BGHZ 71, 72/79. – Selbst auf stellvertretungsrechtliche Offenkundigkeit gegenüber der kontoführenden Bank verzichtete gar RGZ 78, 334/337, wo ausschließlich auf Gesichtspunkte ausreichender Manifestation abgestellt ist. Zu den Kriterien der Rechtsprechung vgl. auch Einsele, a. a. O.; Gernhuber, JuS 1988, 355/357; Henssler, AcP 196 [1996], 37/56 f.; Coing, FS Bärmann, S. 203/ 208 ff. – Gänzlich anders in der Bewertung hingegen Canaris, FS Flume, S. 371/ 417 ff.: Die Unmittelbarkeit bilde lediglich einen Unterfall der Offenkundigkeit. 304 BGH ZIP 1993, 213/214; dazu Henssler, a. a. O. 301

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c) Bestimmtheit als einziges Kriterium? In der Literatur wird die Begrenzung der dinglichen Rechtsstellung des Treugebers durch das Kriterium der Unmittelbarkeit überwiegend abgelehnt, weil es zum Gläubigerschutz als dem einzig denkbaren Zweck ungeeignet erscheine: Denn den außenstehenden vollstreckenden Gläubigern wird die Herkunft des Treugutes in der Regel nicht erkennbar und im Übrigen gleichgültig sein. Als einzig verbleibendes Kriterium solle demnach auf den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zurückgegriffen werden; dinglicher Schutz werde dem Treugeber nur insoweit zuteil, als sich die wirtschaftliche Zuordnung hinreichend bestimmt abgrenzen lasse306. d) Verzicht auf das Institut der Treuhand? Schließlich bleibt in Erwägung zu ziehen, auf das – im Gesetz nicht allgemein geregelte – Institut der Treuhand ganz zu verzichten307. Immerhin steht es im Widerspruch zu der vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten Trennung von unmittelbarer und mittelbarer Stellvertretung308; § 392 Abs. 2 HGB erschiene dann als reine Ausnahmevorschrift. Der Treugeber dürfte dadurch in aller Regel nicht unzumutbar belastet werden: Im Rahmen des Auftragsrecht ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass derjenige, der ein Geschäft über einen Dritten abwickle, ihm entweder eine direkte Vollmacht erteilen könne; dann werde er selbst direkt berechtigt, insbesondere Eigentümer der durch den Vertreter erworbenen Sachen. Sei ihm eine solche Vertretungsmacht zu riskant, bestehe auch die Möglichkeit der stillen Stellvertretung mit einer bloßen Übertragungspflicht des Treuhänders, § 667 BGB; dann müsse er aber das Risiko tragen, dass ihm unter Umständen Gläubiger des Treuhänders zuvorkämen309.

305 So im Ergebnis schon BGH NJW 1954, 190/192, nach ausführlichen Erläuterungen zum offenen Treuhandkonto im Allgemeinen (S. 191). 306 Gernhuber, JuS 1988, 355/361 f.; Einsele, JZ 1990, 1005/1011 f. (m. w. N. Fn. 73); Coing, FS Bärmann, S. 203/213; letztlich auch RGZ 78, 334/337. – Auf Probleme der Bestimmtheit, nämlich der eindeutigen „Trennung“ von eigenen bzw. für andere Auftraggeber getätigten Geschäften des Auftragnehmers, hebt auch die bereits erwähnte Gesetzesbegründung zum Auftragsrecht in Prot. 2310 = Mugdan II 950 ab. 307 So mit überzeugenden Argumenten Henssler, AcP 196 [1996], 37/48 ff. und 85 f.; ebenso Canaris, FS Flume, S. 418, für den Fall, dass man auf die Offenkundigkeit der Treuhand verzichte. 308 Vgl. etwa Prot. 2310 = Mugdan II 949 f. (zu § 667 BGB). 309 Mot. II 539 = Mugdan II 301; Prot. II 2310 = Mugdan II 949 f. (je zu § 667 BGB); auch RGZ 58, 272/276.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

4. Die Irrelevanz von Publizitätsgesichtspunkten Selbst wenn man mit Canaris (und dem ursprünglichen Beweggrund der Unmittelbarkeitsrechtsprechung) grundsätzlich die Offenkundigkeit der Treuhandabrede zu ihrer Verdinglichung führen lassen würde, könnte dies nicht Publizität im engeren Sinne, sondern allenfalls die ausreichende Manifestation betreffen: Denn für dritte Gläubiger des Treuhänders wird nicht unbedingt erkennbar sein, ob er bei seinem Auftreten im Rechtsverkehr die Treuhänderstellung jeweils gegenüber den dortigen Geschäftspartnern offen legt310. Das gilt vor allem für das „offene Treuhandkonto“, selbst wenn man ihm dingliche Wirkung auch gegenüber Dritten zusprechen würde311: Denn weil ein solches Konto stets nur gegenüber der kontoführenden Bank, nicht aber gegenüber dem allgemeinen Rechtsverkehr als Treuhandkonto offengelegt werden kann312, kann es allenfalls um Manifestation gehen, indem durch die von Anfang an gewählte Bezeichnung als „Ander-“ oder „Treuhandkonto“ das Treuhandverhältnis ex post leicht nachweisbar ist. Letztlich erweist sich aber der Lösungsweg über die Offenkundigkeit bereits in seiner Prämisse als verfehlt. Denn er leitet ein Publizitätsprinzip nicht aus dem Gesetz her, sondern setzt es als gegeben voraus und schließt sodann daraus auf einen vermeintlichen Grundgedanken des Kommissionsund Auftragsrechts, dass nämlich die Gläubiger des Kommissionärs weniger schutzbedürftig seien, weil dessen Gewerbe grundsätzlich erkennbar sei, während dies im Auftragsrecht nicht der Fall sei. Daraus wird dann weiter abgeleitet, § 392 Abs. 2 HGB sei Ausdruck dieses allgemeinen Grundgedankens und müsse deshalb über den Wortlaut hinaus auch auf das Kommissionsgut sowie analog letztlich auf jedes offenkundige Treugut angewendet werden, aus demselben Grundgedanken aber beim Gelegenheitskommissionär beschränkt und beim Auftragnehmer grundsätzlich gar nicht angewandt werden313. Zwar hat sich der Gesetzgeber im Rahmen des Auftragsrechts unter anderem auch deshalb gegen eine Verdinglichung der Rechtsstellung des Auftraggebers entschieden, weil diese für Gläubiger des Auftragnehmers nicht erkennbar sei; das war indes nur ein untergeordneter Gesichtspunkt, vor allem waren maßgeblich die Sorge vor einer Vermischung von unmittelbarer oder mittelbarer Stellvertretung, die mangelnde Schutzbedürftigkeit des Auftraggebers wegen der Möglichkeit der unmittelbaren Stellvertretung, Probleme der Bestimmtheit sowie letztlich die Sorge vor einer Entwertung des Abstraktionsprinzips durch Billigkeitsgesichts310

Ebenso Einsele, JZ 1990, 1005/1006 m. w. N. Angedeutet in BGH ZIP 1993, 213/214; dazu oben 3. b) a. E., S. 132. 312 So auch Gernhuber, JuS 1988, 355/361. 313 So Canaris, FS Flume, S. 371/410 ff.; Großkommentar-HGB/Koller, § 392 Anm. 1 f. 311

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punkte314. Die fehlende Verdinglichung im Auftragsrecht lässt sich also mühelos auch ohne Publizitätsprinzip erklären. Gerade der zur Stützung der Offenkundigkeitsthese herangezogene § 392 Abs. 2 HGB sollte nach Wortlaut und Gesetzgebungsgeschichte ausdrücklich nur für Forderungen, nicht aber für das Kommissionsgut gelten, weil der Gesetzgeber bei letzterem insbesondere Probleme ausreichender Bestimmtheit fürchtete, eine Anwendung im Falle des Selbsteintritts ohnehin ausgeschlossen sei und zudem in vielen Fällen der Einkaufskommission zunächst noch nicht feststehe, dass das eingekaufte Gut auf Rechnung des Kommittenten erworben werde315. Die Vorschrift erfasst also nur Forderungen, für die eine Publizität durch Besitz ohnehin nicht in Frage kommt. Überdies unterscheidet § 392 Abs. 2 HGB genau zwischen der stellvertretungsrechtlichen Offenkundigkeit, die nur den Vertragspartner schützt, und den sachenrechtlichen Wirkungen gegenüber dem allgemeinen Rechtsverkehr: Denn Gläubiger der Forderungen aus dem Kommissionsgeschäft bleibt auch nach § 392 Abs. 2 HGB grundsätzlich der Kommissionär, und zwar insbesondere gegenüber dem konkreten Geschäftspartner des Kommissionsgeschäfts, also dem Forderungsschuldner. Letzterem gegenüber ließe sich diese Zuordnung nur durch eine offene Stellvertretung umgehen – wozu wiederum nach § 164 BGB eine Offenlegung allein gegenüber dem Geschäftspartner (nicht gegenüber der Allgemeinheit) erforderlich und ausreichend wäre. Lediglich gegenüber Dritten, nämlich den Vollstreckungsgläubigern des Kommissionärs, wird eine abweichende dingliche Zuordnung fingiert316. Im Wortlaut des § 392 Abs. 2 HGB findet sich kein Anhaltspunkt, dass diese Zuordnung von der Erkennbarkeit der Treuguteigenschaft für Dritte abhängen sollte. Gegenüber dem Forderungsschuldner, für den die Kommissionärseigenschaft doch mindestens ebenso ersichtlich sein müsste wie für den allgemeinen Rechtsverkehr, gilt die Verdinglichung ausdrücklich nicht. Gegen eine – angeblich aus § 392 Abs. 2 HGB herauszulesende – „Publizität kraft Gewerbes“ spricht daneben, dass die Angehörigen der betreffenden Berufssparten auch eigene Geschäfte vornehmen und Eigenkonten führen317 sowie die – zumindest nach dem Wortlaut zu bejahende – Anwendbarkeit auch auf den Gelegenheitskommissionär, § 406 Abs. 1 S. 2 HGB318. 314

Prot. 2310 f. = Mugdan II 950. Vgl. Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum HGB, Bd. I, S. 90 f. m. w. N.; Prot. der Kommission Handel, S. 377 ff. = a. a. O., Bd. II, 1. Halbbd., S. 518 f.; Denkschrift zum HGB, a. a. O., S. 218 f.; Denkschrift, S. 236 f. = a. a. O., Bd. II, 2. Halbbd., S. 1146 f. = Hahn/Mugdan S. 386 f. 316 Darüber hinaus auch im Innenverhältnis von Kommittent und Kommissionär, in dem freilich ohnehin Kenntnis und entsprechende schuldrechtliche Bindungen bestehen. 317 So zu Recht Einsele, a. a. O., S. 1012. 315

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

Anders ausgedrückt: Aus § 392 Abs. 2 HGB selbst ergibt sich keinerlei Zusammenhang mit Publizität; ein solcher Zusammenhang ließe sich nur dann durch Auslegung hineinlesen, wenn er außerhalb des § 392 HGB eine gesetzliche Stütze hätte – die sich jedoch gerade nicht findet. Das wird besonders deutlich, wenn auch die Verfechter von Publizitätserfordernissen bei Treuhandverhältnissen einräumen, dass der einzelne Gläubiger ohnehin nicht auf die etwa bei seinem Schuldner vorhandenen Vermögensgegenstände vertrauen dürfe, dass aber die Publizität nicht zum Schutz einzelner Gläubiger, sondern allgemein zur Erhaltung des Kredits als Institution und der Funktionsfähigkeit von Zwangsvollstreckung und Insolvenz erforderlich sei319. Weshalb dazu eine (noch dazu begrifflich unscharfe) „allgemeine“ Erkennbarkeit, derer aber offenbar der einzelne Gläubiger nicht notwendig teilhaftig zu werden bräuchte, geeignet sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Dass es nicht auf die konkrete Erkennbarkeit für außenstehende Gläubiger ankommen kann, zeigt sich zusätzlich daran, dass sie bei Begründung der Forderung gegen den Treugeber nichts von der Existenz des Treugutes gewusst haben müssen; nach dem Offenkundigkeitsansatz wären sie aber bei solcher Unkenntnis nicht schutzbedürftig. Das eigentliche Anliegen des Offenkundigkeitsansatzes dürfte seinerseits „versteckt“ sein, nämlich darin liegen, eine Auszehrung der Insolvenz- bzw. Vollstreckungsmasse zu vermeiden320, insbesondere zu verhindern, dass im Nachhinein (schwer zu widerlegende) Treuhandverhältnisse behauptet werden, um Gläubiger leer ausgehen zu lassen. Zur Verfolgung dieses Zwecks hat der Gesetzgeber aber ausdrücklich die Lösung über verstärkte Anfechtungsmöglichkeiten gewählt; im Übrigen mag man im Rahmen der Beweiswürdigung verschärfte Anforderungen an behauptete Treuhandabreden stellen. Da aber schon § 392 Abs. 2 HGB nichts mit Publizität zu tun hat, kann man aus seiner analogen Anwendung auch keine Rückschlüsse auf etwaige Publizitätserfordernisse bei der Treuhand im Allgemeinen ziehen. Auch das Unmittelbarkeitskriterium der Rechtsprechung betrifft letztlich nicht die Publizität im engeren Sinn, sondern allenfalls die Frage der nachträglichen Nachweisbarkeit der Treuhandeigenschaft mit Hilfe einer unmittelbaren Übergabe321. Denn unter sachenrechtlichen Publizitätserwägungen müsste – ginge man tatsächlich von einer an § 929 S. 1 BGB anknüpfenden Übergabepublizität aus – auch die unmittelbare Übergabe vom Treuge318

Ebenso Schlegelberger/Hefermehl, § 392 HGB, Rdnr. 1. So Canaris, FS Flume, S. 371/418 f. unter Rückgriff auf Prot. 2310 = Mugdan II 950 zum Auftragsrecht. 320 Etwa im grundlegenden Fall RG Gruchot 54, 623. 321 So letztlich schon in RG Gruchot 54, 623/626 f. – Ob die unmittelbare Übergabe zu dieser Art von Manifestation allerdings besonders geeignet ist, darf bezweifelt werden. 319

B. Recht der Sicherheiten

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ber an den Treuhänder für unbeschränktes Eigentum des Letzteren sprechen; die schuldrechtliche Treuhandabrede wird dagegen auch aus der Unmittelbarkeit der Übergabe nicht ersichtlich322. Unter Publizitätsgesichtspunkten dürften vielmehr letztlich folgende systematische Erwägungen entscheidend sein: Die Treuhand ist für außenstehende Dritte – insbesondere die Gläubiger des Treuhänders – nicht „gefährlicher“, d.h. nicht weniger heimlich als entsprechende dingliche Vereinbarungen (etwa die Sicherungsübereignung nach § 930 BGB oder die antezipierte Übereignung des Kommissionsgutes bei der Einkaufskommission)323. Sowohl der Übereignungsvertrag nach § 930 BGB als auch die bloße Bevollmächtigung eines Fremdbesitzers zum Verkauf324 erfolgen ebenfalls allein im Innenverhältnis der Beteiligten. Da solche Verabredungen grundsätzlich für Dritte nicht erkennbar sind, könnte auch eine etwaige Verdinglichung der Treuhandabrede nicht an mangelnder Publizität scheitern: Ob die Publizität durch „heimliche“ dinglich wirkende Abreden oder „heimliche“ schuldrechtliche Vereinbarungen unterlaufen wird, ist nämlich unerheblich325. Zu Lasten der Gläubiger würden lediglich die ihnen nachteiligen Rechtsfolgen des § 930 BGB auch auf die Fälle ausgedehnt, in denen zum Besitz ihres Schuldners sogar noch dessen formales Eigentum hinzutritt, das „wirtschaftliche Eigentum“ jedoch bei einem Dritten liegt. Ob man Treuhandeigentum zulassen will oder nicht, dürfte vielmehr allein eine Frage des Abstraktionsprinzips sein: Wenn den Parteien entsprechende dingliche Regelungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, sie aber die rein schuldrechtliche Lösung der mittelbaren Stellvertretung vorziehen, dürfte wohl dieses Prinzip der Abstraktion grundsätzlich dafür sprechen, den bloß schuldrechtlichen Treuhandabreden keine dingliche Wirkung beizumessen. Zwar mögen Billigkeitsgesichtspunkte auf den ersten Blick dafür sprechen, die wirtschaftliche Zuordnung des Treugutes zum Treugeber auch sachenrechtlich anzuerkennen, weil andernfalls die Gläubiger des Treuhänders wirtschaftlich begünstigt erscheinen. Doch müsste diese gefühlsmäßige 322 Einsele, JZ 1990, 1005/1011; dementsprechend lehnt Canaris, FS Flume, S. 414 f., das Unmittelbarkeitskriterium zumindest im Grundstücksrecht wegen fehlender Publizität ab. 323 In diese Richtung auch Gernhuber, JuS 1988, 355/361; Einsele, JZ 1990, 1005/1012; für das Kommissionsgeschäft auch Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum HGB, I S. 90 f. m. w. N. 324 Auch die Vollmacht müsste ja – auf Grund stellvertretungsrechtlicher Publizität – nur dem jeweiligen Geschäftspartner offengelegt, nicht aber den Gläubigern des Vertreters oder des Vertretenen oder gar allgemein publik gemacht werden (das aber wäre die Konsequenz eines sachenrechtlichen Publizitätsprinzips – wenn es denn bestünde; vgl. zutreffend Einsele, a. a. O., S. 1011). 325 So auch Einsele, JZ 1990, 1005/1011.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

Zuordnung letztlich auch dem Käufer zustatten kommen, der den Kaufpreis bereits bezahlt, die Sache aber noch nicht übereignet erhalten hat326. Die dadurch bewirkte Aufweichung des Abstraktionsprinzips dürfte aber de lege lata unvertretbar sein: Selbst dann, wenn die kaufvertragliche Zuordnung noch so offenkundig ist (der Verkäufer möge etwa die Sache ausgesondert und mit einem Aufkleber „für Käufer X“ versehen haben), bleibt sie dem Zugriff der Gläubiger des Verkäufers unterworfen – bis zur Übereignung, die wiederum nach § 930 BGB gänzlich „heimlich“ erfolgen kann. Es mögen also gewichtige Gründe gegen die Verdinglichung der Treuhandabrede sprechen; mit Publizität haben sie nichts zu tun. Wenn man aber das Institut der Treuhand grundsätzlich bejaht, kann es letztlich nur darum gehen zu verhindern, dass im Nachhinein zum Schaden der Gläubiger des angeblichen Treuhänders ein Treuhandverhältnis konstruiert wird. Deshalb wird man – in Übereinstimmung mit den zum Rechtserwerb im Allgemeinen gefundenen Ergebnissen – eine Eingrenzung durch Manifestationserfordernisse vorzunehmen haben. Dies kann etwa durch Offenlegung gegenüber dem konkreten Vertragspartner (der später als Zeuge zur Verfügung steht) entsprechend § 164 Abs. 1 BGB geschehen oder sich schlicht aus den Umständen ergeben, wie es für den Fall des Kommissionärs gesetzlich angeordnet ist, § 392 Abs. 2 HGB.

C. Der gesetzliche Erwerb Es bleibt zu untersuchen, welche Rolle Besitz und Publizität bei den gesetzlichen Erwerbstatbeständen spielen. Gänzlich frei von jeglicher Publizität ist zunächst der abgeleitete Eigentumserwerb im Wege der Erbschaft, § 1922 BGB. Dieser Erwerb ist von den Besitzverhältnissen völlig unabhängig (in §§ 2018 ff. BGB ist das Verhältnis zwischen Erbschaftsbesitzer und wahrem Erbe ausdrücklich geregelt); er richtet sich vielmehr entweder gemäß §§ 1924 ff. BGB nach den Familienverhältnissen, die nach außen nicht zwingend ersichtlich und zuweilen sogar für die Beteiligten überraschend sind, oder nach dem inneren Willen des Erblassers, der ebenfalls nicht allgemein ersichtlich sein, sondern sich lediglich in bestimmten Formen – insbesondere dem Testament, §§ 2064 ff. BGB – manifestiert haben muss. Dabei mag ein „vergessener“ Verwandter bzw. ein „verstecktes“ Testament erst geraume Zeit nach dem 326 Zu diesem von der Warte des Abstraktionsprinzips dann drohenden „Horrorszenario“ bereits Prot. 2312 = Mugdan II 950 in der vielzitierten Stelle zum Auftragsrecht. – Zumindest in der Abwandlung, dass der Verkäufer nach Vertragsrücktritt die noch unbezahlte, aber bereits übereignete Sache zurückverlangt, wäre sogar das Unmittelbarkeitskriterium der Rechtsprechung erfüllt.

C. Der gesetzliche Erwerb

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Erbfall auftauchen, ohne dass dies die sachenrechtliche Position des wahren Erben im Grundsatz schwächen würde. Es wird sogar umgekehrt der Besitz – als einzig in Frage kommendes Publizitätsmittel – beim Erben fingiert, § 857 BGB. Dies dient vor allem dazu, den gutgläubigen Erwerb vom Erbschaftsbesitzer auszuschalten (§ 935 BGB) und ist offensichtlich fern jeder Publizität. Zusätzliche Unwägbarkeiten entstehen durch die Möglichkeit der Ausschlagung, § 1953 BGB, die den rückwirkenden Rechtserwerb eines anderen Erben zur Folge hat.

I. Die dingliche Surrogation Eine besondere Form des Rechtserwerbs bildet die dingliche Surrogation. Davon spricht man, wenn die bisherige Rechtslage an einem Ersatzgegenstand ihre Fortsetzung findet, und zwar kraft Gesetzes, d.h. ohne Rücksicht auf abweichende Willenserklärungen, und unmittelbar, also ohne Durchgangserwerb327. Daher ist die dingliche Surrogation eher dem gesetzlichen als dem rechtsgeschäftlichen Erwerb zuzuordnen. Allerdings nimmt sie insofern eine Zwischenstellung ein, als ihr zumeist rechtsgeschäftliches Handeln zu Grunde liegt, dessen Rechtsfolgen aber kraft Gesetzes in der Person eines Dritten eintreten. Das Gesetz sieht solches in einer Vielzahl von Fällen in verschiedenerlei Zusammenhang vor328, so etwa in §§ 718 Abs. 2 (Erhalt des Gesellschaftsvermögens)329, 966 Abs. 2 S. 3 und 975 S. 2 (Erlössurrogation bei der Fundversteigerung), 1075 (Fortsetzung des Rechtsnießbrauchs am geleisteten Gegenstand), 1127 f. (Fortsetzung der Hypothek an der Grundstücksversicherung), 1219 Abs. 2 bzw. 1247 S. 2 (Erlössurrogation beim Pfand; bei der Grundstücksversteigerung auch § 92 Abs. 1 ZVG), 1370 (Ersatz von Haushaltsgegenständen in der Zugewinngemeinschaft), 1418 Abs. 2 Nr. 3 (Ersatz von Vorbehaltsgut), 1473 Abs. 1 (Ersatz von Gesamtgut), 1638 Abs. 2 (Fortsetzung elterlicher Vermögensbeschränkungen an Ersatzgegenständen), 1646 (Erwerb mit Kindesmitteln330), 2019, 2041 und 2111 Abs. 1 BGB (Erbschafts- bzw. Nachlasssurrogation). Im Wesentlichen dient die Surrogation dem Bestandsschutz einer Vermögensmasse331. Entgegen allgemeiner Meinung sollte man dagegen die Fälle der Einverleibung in ein Inventar bei Pacht und Nießbrauch (§§ 582a Abs. 2 S. 2, 1048 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 BGB) nicht unter die dingliche Surrogation 327

Vgl. M. Wolf, JuS 1975, 643/645. Vgl. die Zusammenstelllungen und Einteilungen bei Gernhuber, Bürgerliches Recht, § 49 I 7; M. Wolf, JuS 1975, 643 ff., 710 ff. und 1976, 32 ff., 104 ff. 329 Ebenso §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB für oHG und KG. 330 Weil hier der Direkterwerb vom Willen der Eltern abhängt, verneint M. Wolf, JuS 1975, 643/645, Fn. 12, einen „echten“ Fall dinglicher Surrogation. 331 Vgl. etwa M. Wolf, JuS 1975, 643/644. 328

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

im eigentlichen Sinne einordnen. Diese Erwerbstatbestände vereinfachen vielmehr bei näherer Betrachtung lediglich die gewöhnlichen Übereignungstatbestände der §§ 929 ff. BGB, insbesondere des Besitzkonstituts nach § 930 BGB (der Pächter bzw. Nießbraucher besitzt ja das Inventar für den Inventareigentümer)332: Die Einverleibung in das Inventar manifestiert den Übereignungswillen des Pächters bzw. Nießbrauchers; der Annahmewille des Inventareigentümers ist stillschweigend vorausgesetzt333. 1. Die fehlende Publizität der dinglichen Surrogation Häufig setzt die dingliche Surrogation gewisse vorangegangene, schuldrechtliche Vereinbarungen oder sonstige Willenserklärungen voraus (etwa den Gesellschaftsvertrag in § 718 Abs. 2, die Beschränkung elterlicher Vermögenssorge in § 1638 oder die testamentarische Anordnung der Vor- und Nacherbschaft in § 2111 BGB). Jedenfalls bestehen in aller Regel nach außen nicht erkennbare Voraussetzungen für die dingliche Surrogation, während umgekehrt die Person dessen, der unmittelbaren Besitz erwirbt, unerheblich bleibt; wer Eigentum erwirbt, ist also nicht erkennbar. Die Parallele zur Übereignung an den, den es angeht, ist unter diesem Blickwinkel unverkennbar. Die beeindruckende – nicht einmal abschließende – Aufzählung der Anwendungsfälle belegt damit zusätzlich, dass es dem Gesetzgeber beim Rechtserwerb nicht auf Publizität angekommen ist. 2. Verzicht auf allgemeine dingliche Surrogation wegen fehlender Publizität? Die Länge der Liste darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich jeweils um spezielle Ausnahmefälle handelt, während im Grundsatz gerade keine dingliche Surrogation eintreten soll. Dieser Grundsatz ist ausdrücklich in § 816 Abs. 1 S. 1 BGB niedergelegt, wonach dem ursprünglich Berechtigten, der sein Recht durch die Verfügung eines Nichtberechtigten verloren hat, lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung des Surrogats zusteht, sich sein Recht hingegen grundsätzlich nicht direkt am Surrogat fortsetzt. Lässt also der bewusste Verzicht des Gesetzgebers auf eine allgemeine dingliche Surrogation den Rückschluss zu, dass es in der Regel doch auf die Publizität des Erwerbsvorgangs ankommen soll334? 332 Vergleichbar dem Fruchterwerb durch Aneignungsgestattung (dazu unten IV. 3., S. 151 f.), lediglich in umgekehrter Richtung: eine Sache wird nicht getrennt, sondern einverleibt. 333 Wegen der Entsprechung zu §§ 929 ff. BGB ist dort daher auch gutgläubiger Erwerb zuzulassen: vgl. unten Kap. 4, C. I., S. 280 bei Fn. 202 f.

C. Der gesetzliche Erwerb

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Dazu ist zum einen zu beachten, dass sich unter sachenrechtlichen Publizitätsgesichtspunkten hinsichtlich des Zustandes durch die dingliche Surrogation in aller Regel keine Verschlechterung ergibt: Im Normalfall wird nämlich der bisherige unmittelbare Besitzer auch das Surrogat erhalten; stand bereits die Ursprungssache – nach außen nicht erkennbar – im Eigentum eines anderen, so setzt sich dieser Zustand lediglich am Surrogat fort. Einschränkungen hinsichtlich etwaiger Publizität würde auch eine allgemeine dingliche Surrogation daher allenfalls mit Blick auf den Erwerbsvorgang bringen, weil – wiederum: wie bei der Übereignung an den, den es angeht – der Eigentumserwerb unter Umständen bei einer ganz anderen Person eintritt als demjenigen, dem die Sache nach § 929 S. 1 BGB übergeben wird. Eine Täuschungsgefahr bestünde also von vornherein nur gegenüber solchen Dritten, die den Übergabevorgang unmittelbar miterleben. Hier gerät zunächst der unmittelbare Partner des Verfügungsgeschäfts, also der Veräußerer des Surrogates, ins Blickfeld: Ihm gegenüber gilt freilich grundsätzlich stellvertretungsrechtliche Publizität; er ist in aller Regel ausreichend dadurch geschützt, dass das Surrogat mit Mitteln aus der von der Surrogation begünstigten Vermögensmasse erworben wird (etwa im Falle des § 718 Abs. 2 BGB), er also im Gegenzug diese Mittel erhält335. Sonstige Dritte dürften aber kaum dem Erwerbsakt selbst beiwohnen, so dass eine Täuschungsgefahr praktisch ausgeschlossen ist – ganz abgesehen davon, dass der Surrogatserwerb nicht nur durch im Verborgenen vollzogene Übergabe, sondern wiederum gänzlich unerkennbar nach §§ 930, 931 BGB erfolgen kann und dass auch im Übrigen dem Übergabeakt keine – schon gar keine positive – Publizitätswirkung zukommt. Es kann demnach keine Rede davon sein, dass – etwa im Falle des § 816 BGB – die Gläubiger des nichtberechtigt Verfügenden, die auf dessen unmittelbaren Besitz vertrauten, schutzbedürftig seien und deshalb jede dingliche Surrogation ihretwegen der besonderen Rechtfertigung bedürfe336. Ohnehin scheint nicht recht nachvollziehbar, weshalb sie schutzbedürftig werden sollten, bloß weil ihr Schuldner mit einer ihm nicht gehörenden Sache ein Austauschgeschäft vornimmt. Wenn aber die Publizität auch hier keine Rolle spielt, was spricht dann gegen eine allgemeine dingliche Surrogation? Die Lösung ist erneut (allein) beim Abstraktionsprinzip zu finden, das durch die Anerkennung einer allgemeinen dinglichen Surrogation zumindest erhebliche Aufweichungen erführe: Denn durch die regelmäßige Direktzu334 So – freilich mit umgekehrter Stoßrichtung – M. Wolf, JuS 1976, 104, der ein Publizitätsprinzip voraussetzt, vor dem dann die Ausnahmefälle dinglicher Surrogation jeweils der Rechtfertigung bedürften. 335 Zur Vereinbarkeit der dinglichen Surrogation mit dem stellvertretungsrechtlichen Publizitätsprinzip vgl. eingehend Einsele, JZ 1990, 1005/1007 ff. 336 So aber M. Wolf, JuS 1975, 643/646.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

ordnung des Eigentums zu derjenigen Person, der es wirtschaftlich zustehen soll, würden ausdrückliche dingliche Verfügungen entlang der schuldrechtlichen Verpflichtungen weitgehend übersprungen.

II. Ersitzung, Aneignung und Fund, §§ 937, 958, 973 BGB Bei den einseitigen Erwerbstatbeständen Ersitzung (§§ 937 ff.), Aneignung (§§ 958 ff.) und Fund (§§ 965 ff. BGB) richtet sich hingegen in Ermangelung eines bewusst auftretenden Rechtsvorgängers das Augenmerk von vornherein vorrangig auf die positive Publizität auf Seiten des Erwerbers: 1. Die gesetzliche Ausgangslage Bei der Ersitzung könnte für eine solche Publizität sprechen, dass hier der Eigenbesitz zwingende Voraussetzung ist, § 937 BGB, noch dazu über zehn Jahre ununterbrochen, § 940 Abs. 1 BGB. Allerdings ist – abgesehen davon, dass der Eigenbesitz auch den mittelbaren Besitz umfasst – zusätzlich guter Glaube des Erwerbers erforderlich (§ 937 Abs. 2 BGB), also ein innerer, nicht erkennbarer Tatbestand. Bei näherer Betrachtung erweist sich die Ersitzung damit lediglich als Sonderform gutgläubigen Erwerbs und soll daher im dortigen Zusammenhang abgehandelt werden337. Die Aneignung herrenloser Sachen erfordert ebenfalls Eigenbesitz, § 958 Abs. 1 BGB. Da niemand Rechte an der – bislang herrenlosen – Sache verliert, ist eine negative Publizität von vornherein ausgeschlossen; durch das Eigenbesitzerfordernis besteht aber eine gegenüber den derivativen Erwerbstatbeständen (insbesondere § 931 BGB) gesteigerte positive Publizität. In diesem Fall ist sogar die Erwerbshandlung betroffen, weil Besitz- und Eigentumserwerb im selben Moment zusammenfallen. Allerdings bleibt zu beachten, dass für den Eigenbesitz auch mittelbarer Besitz ausreicht, §§ 872, 868 BGB, mit den entsprechenden Einschränkungen für die Publizitätswirkung. Vor allem impliziert das Tatbestandsmerkmal „Eigenbesitz“ auch hier ein unsichtbares subjektives Element, nämlich die innere Willensrichtung, die Sache von nun an als eigene zu besitzen. Spiegelbildlich erfordert das Gegenstück, die Eigentumsaufgabe nach § 959 BGB, ebenfalls ein nach außen erkennbares Element, die Besitzaufgabe, zusätzlich allerdings wiederum ein nicht erkennbares subjektives Element, nämlich die Verzichtsabsicht. Der Eigentumserwerb auf Grund Fundes, §§ 973 Abs. 1, 974 S. 2 BGB, setzt über § 965 Abs. 1 BGB immerhin auch ein „An-Sich-Nehmen“ vo337

Unten Kap. 4, C. I. 1., S. 281 f.

C. Der gesetzliche Erwerb

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raus. Freilich erfolgt der Eigentumserwerb frühestens sechs Monate später, § 973 BGB, so dass der Erwerbsvorgang selbst nicht durch den Besitzerwerb angezeigt werden kann. Darüber, ob ein bestimmter nachfolgender Besitzzustand Voraussetzung für den Eigentumserwerb ist, enthalten die §§ 965 ff. BGB keine direkte Aussage: Der Finder ist in der Zeit zwischen Fund und Eigentumserwerb lediglich grundsätzlich zur Verwahrung verpflichtet, kann (und gegebenenfalls muss) die Sache aber auch an die Behörde abliefern, §§ 966 f. BGB. Zumindest im Falle der Ablieferung vollzieht sich der Eigentumserwerb unabhängig vom Besitz des Finders, § 975 BGB. Zumindest für eine Manifestation des Fundes nach außen sorgt andererseits die Anzeige bei der zuständigen Behörde, § 973 BGB. Für alle drei Erwerbsformen erscheint allerdings bemerkenswert, dass einer Sache von außen nicht anzusehen ist, ob sie herrenlos ist (bzw. ob im Rahmen des § 958 Abs. 2 BGB das Aneignungsrecht eines Dritten besteht). Damit ist nicht einmal für den Erwerbenden selbst erkennbar, ob er eine Sache nur irrtümlich für herrenlos hält und er deshalb nicht wie erhofft unmittelbar durch Aneignung, sondern erst nach zehn Jahren durch Ersitzung Eigentum erwirbt. Umgekehrt mag er eine Sache irrtümlich nicht für herrenlos halten, so dass er nicht – wie er selbst meinen wird – durch Fund, sondern unverhofft bereits durch Aneignung Eigentümer wird. Erst recht nicht wird der Erwerb für seine Gläubiger automatisch erkennbar, weil der Erwerb zusätzlich von subjektiven Voraussetzungen beim Erwerber abhängt. Negative Publizität in dem Sinne, dass der etwaige Voreigentümer vom Besitz ausgeschlossen sein müsste, ist in diesen Konstellationen dagegen grundsätzlich gewährleistet, weil alle drei Erwerbsvorgänge die Besitzlosigkeit der Sache (bzw. Eigenbesitz des Erwerbers) jeweils voraussetzen. Beim Eigentumserwerb des Finders wird der bisherige Eigentümer zwar zunächst dinglich ausgeschlossen, behält aber einen bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch nach § 977 BGB. 2. Entwicklung, insbesondere fortbestehender Besitz des Finders Angesichts der sicher untergeordneten praktischen Bedeutung sowie der detaillierten gesetzlichen Regelung halten sich bei diesen Erwerbstatbeständen die Kontroversen, insbesondere hinsichtlich etwaiger Publizitätsfragen, in engen Grenzen. Die Funktion des Besitzes ist aber immerhin von der Streitfrage betroffen, ob beim Fund fortbestehender Besitz des Finders bzw. der Behörde erforderlich ist338 oder ob der Eigentumserwerb unabhängig 338 So Staud/Gursky, § 973 Rdnr. 1: Ausgangspunkt und Anlass der Regelung sei die tatsächliche Herrschaftsmöglichkeit des Finders, die in eine entsprechende Rechtsposition umgewandelt werden soll, um die Sache dem Wirtschaftsleben wie-

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

vom Besitz auch dann eintritt, wenn der Finder die Sache seinerseits zwischenzeitlich verloren hat (so der Wortlaut und die wohl h. M.)339. Auch die Lösung dieser Frage ist aber außerhalb von Publizitätserwägungen zu suchen: Dass sich die h. M. von jeder Erwerbspublizität entfernt, ist offensichtlich; letztlich spielt aber auch für die Gegenmeinung, die fortbestehenden Besitz fordert, Publizität keine Rolle. Das lässt sich zwar noch nicht damit begründen, dass der Besitz der Behörde ausreiche; denn insoweit ließe sich die Publizität zugunsten des Finders mittelbar dadurch herstellen, dass bei der Behörde der Finder verzeichnet ist. Jedoch reicht etwa mittelbarer Besitz des Finders aus. Es genügt also auch nach der Gegenmeinung die indirekte Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache; auf die Ersichtlichkeit nach außen kommt es dagegen nicht an. Soweit im Ergebnis das Erfordernis fortbestehenden Finderbesitzes vorzugswürdig erscheint, liegt das daher an einer ganz anderen Funktion des Besitzes: dem Schutz und der Sicherung von Rechtspositionen. Es ergibt nämlich wenig Sinn, dem Finder – zu Lasten des bisherigen Eigentümers – bloß das nudum ius zu verleihen, ohne dass er tatsächlich auf die Sache einwirken könnte340; damit würde doch lediglich die formale Eigentumsposition vom einen Nichtbesitzer (dem Verlierer) auf einen anderen Nichtbesitzer (den Finder) verschoben. Allenfalls könnte man den Finder dann für schutzwürdig halten, wenn ihm die Sache abhanden gekommen ist und seine Besitzposition so über den Anspruch aus § 1007 Abs. 2 BGB nachwirkt. 3. Auch hier: Eigenbesitzerwerb zu Manifestationszwecken Im Wesentlichen findet sich aber auch bei diesen originären Erwerbstatbeständen die Manifestationsfunktion des Eigenbesitzerwerbs bestätigt: So ist etwa die Aneignung ohne Eigenbesitz nicht nur praktisch nutzlos, sondern auch nicht nachweisbar, und zudem im Sinne eines venire contra factum proprium unglaubwürdig, weil sich der Aneignungswille nicht durch tatsächliche Besitzergreifung manifestiert hat: Denn dass er sich eine irgendwo herrenlos herumliegende Sache irgendwann angeeignet habe, kann jeder behaupten. Entsprechendes gilt für die Eigentumsaufgabe, § 959 BGB. Genau aus diesem Grund – nicht aus Gründen der Publizität – fordert für den Fund auch § 965 Abs. 1 BGB, dass der Finder die Sache nicht bloß „findet“, sondern zusätzlich, dass er sie „an sich nimmt“. der zuzuführen; auch Westermann/Gursky, § 59 II 5 a: Anpassung der Eigentumslage an die faktische Herrschaftsmöglichkeit. 339 Etwa MK/Quack, § 973 BGB, Rdnr. 4; Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 82 VII 1 – jeweils allerdings ohne Begründung. 340 Vgl. zur entsprechenden Erwägung beim gutgläubigen Erwerb noch unten Kap. 4, A. II. 1. b), S. 207 f.

C. Der gesetzliche Erwerb

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III. Verbindung, Vermischung und Verarbeitung, §§ 946 ff. BGB 1. Die gesetzliche Ausgangslage Der Eigentumserwerb durch Verbindung einer beweglichen Sache mit einem Grundstück nach § 946 BGB scheint zunächst an der Publizitätswirkung des Grundbuchs teilzuhaben. Indes ist weitere Voraussetzung, dass die Sache wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird. Das wiederum richtet sich gemäß §§ 94, 95 BGB nach der Zweckrichtung im Zeitpunkt der Verbindung; ob eine Sache aber nur zu vorübergehenden Zwecken eingebaut wird, hängt allein von den subjektiven Vorstellungen des Verbindenden ab und ist nach außen nicht erkennbar. Werden zwei bewegliche Sachen miteinander verbunden, kommt es dagegen auf die innere Zweckrichtung nicht an, weil die §§ 94 f. BGB nur bei Grundstücken greifen. Nach §§ 947, 93 BGB ist vielmehr entscheidend, ob eine Auflösung der Verbindung ohne Wesensänderung möglich ist: Falls ja, bestehen die jeweiligen Eigentumsrechte unverändert fort; wenn nicht, werden entweder die bisherigen Eigentümer anteilig Miteigentümer (§ 947 Abs. 1 BGB) oder es entsteht – im Falle der Verbindung einer Hauptsache mit Nebensachen – Alleineigentum des bisherigen Hauptsacheneigentümers. Der Eigentumserwerb richtet sich also jeweils nach der Verkehrsauffassung; demnach stünde § 947 BGB an sich einer Offenkundigkeit nicht entgegen. Probleme ergeben sich freilich aus einer anderen Richtung: Das bisherige Eigentum, das sich in der einen oder anderen Form fortsetzt, muss nämlich gar nicht ersichtlich gewesen sein: So setzt etwa der Eigentumserwerb nach § 947 Abs. 1 BGB keinesfalls Mitbesitz der künftigen Miteigentümer voraus; die Eigentumsfortsetzung erfolgt vielmehr gänzlich unabhängig von den Besitzverhältnissen (die Verbindung mag etwa beim unredlichen, sich zum Eigenbesitzer aufschwingenden Mieter der Sachen oder beim Dieb erfolgen). Gleiches gilt für die Vermischung nach § 948 BGB. Nur im Falle der Verarbeitung nach § 950 BGB spricht zunächst einiges für die Publizität des Eigentumserwerbs durch den Hersteller: Denn ob eine neue Sache entsteht, richtet sich nach der Verkehrsauffassung, steht also einer Erkennbarkeit nicht entgegen. Auch das Vorliegen der zweiten Voraussetzung, dass nämlich der Verarbeitungswert nicht erheblich geringer als der Stoffwert sein darf, wird sich in den meisten Fällen von außen abschätzen lassen. Inwieweit § 950 BGB allerdings zwingend ist, ob insbesondere der freien Vereinbarung der Parteien unterliegt, wer als Hersteller gelten soll, ist in § 950 BGB nicht ausdrücklich geregelt – und dementsprechend umstritten.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

2. Entwicklung: Herstellervereinbarungen im Rahmen des § 950 BGB Unter Publizitätsgesichtspunkten interessieren in diesem Meinungsstreit nur zwei grundsätzliche Strömungen: Nach überwiegender Auffassung kann der Eigentumserwerb des Verarbeitenden im Ergebnis umgangen werden, entweder indem man § 950 BGB von vornherein für disponibel hält341 oder zumindest die Parteien frei vereinbaren lässt, wer als Hersteller gelten soll342. Die Gegenmeinung hält die Zuordnung zum Verarbeiter, der nach objektiven Kriterien festzustellen sei343, für unabdingbar; auch eine antezipierte Übereignung nach § 930 BGB sei nur mit Durchgangserwerb des Erwerbers möglich344. Dieses Ergebnis wird vor allem mit der Schutzwürdigkeit der Gläubiger des Verarbeiters begründet, die darauf vertrauen dürften, dass die vom Verarbeiter hergestellten Sachen ihnen als Zugriffsobjekt zur Verfügung stünden345. Zwar führt dies insoweit aus dem engeren Feld der Publizität hinaus, als es letztlich meist um die Kollision mehrerer „heimlicher“ Sicherungsrechte – etwa der Verarbeitungsklausel eines Lieferanten mit dem Sicherungseigentum einer Bank – gehen wird. Gegen direkte Besitzpublizität spricht zudem die systematische Stellung des § 950 BGB: Die vorstehenden Tatbestände der Verbindung und Vermischung (§§ 946 ff. BGB) abstrahieren ganz vom Besitz des Erwerbers und regeln lediglich die Eigentumsverhältnisse im Rahmen der Umwandlung von Sachen346. Zumindest jedoch erinnert die Argumentation über den Gläubigerschutz an Publizitätsargumente: Mag auch der Gläubiger des Verarbeiters nicht alle hergestellten Produkte tatsächlich wahrnehmen, so weiß er doch abstrakt von deren Herstellung und könnte daher auf sie als Vollstreckungsobjekte vertrauen. Im Ergebnis dürften die Unterschiede freilich geringer sein, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag: Denn dass der durch die Her341 Ausführlich Dolezalek, AcP 195 [1995], 392 ff., mit umfassenden Nachweisen; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 B I 3, Rdnr. 15; im Ergebnis wohl auch Wadle, JuS 1982, 477/480 ff. 342 In diese Richtung etwa BGHZ 14, 114/117; 20, 159/163 f. 343 Staud/Wiegand, § 950 BGB, Rdnr. 30; Wieling, Sachenrecht, § 11 II 4 g; Brehm/Berger, Sachenrecht, § 28.22; M. Wolf, Sachenrecht, Rdnr. 600; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 542 ff.; Medicus, BR, Rdnr. 519. 344 So ausdrücklich zumindest M. Wolf, a. a. O.; Brehm/Berger, a. a. O.; dazu auch Wadle, a. a. O., S. 480. – Wer eine antezipierte Übereignung nach § 930 BGB mit Direkterwerb für möglich hält (vgl. dazu Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 B I 3, Rdnr. 15 a. E.; nicht eindeutig bei Wieling, a. a. O.), macht damit § 950 BGB im Ergebnis ebenfalls disponibel. 345 So etwa M. Wolf, a. a. O.; Staud/Wiegand, § 950 BGB, Rdnr. 30. 346 Vgl. dazu allgemein Staud/Wiegand, Vorbem. zu §§ 946 ff. BGB, Rdnr. 9, der in §§ 946 ff. BGB keinen Transparenzgedanken verwirklicht sieht.

C. Der gesetzliche Erwerb

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stellerklausel begünstigte Lieferant zumindest im Wege des Durchgangserwerbs Eigentümer werden kann, ist unstreitig und ergibt sich auch aus § 930 BGB, der ein antezipiertes Besitzkonstitut ausdrücklich zulässt. Allen anderen Gläubigern, denen der Verarbeiter Sicherungsrechte an dem Endprodukt bestellen wollte, erginge es dann aber auch nicht besser: Ebenso, wie der Verarbeiter gegenüber dem Lieferanten durch die Herstellerklausel dinglich verfügt, müsste er auch gegenüber den anderen Gläubigern erst dinglich verfügen, auch sie könnten also ihr Sicherungsrecht nicht direkt aus der Verarbeitung, sondern ebenfalls erst im Wege des Durchgangserwerbs erlangen. Dann kann es aber nur darauf ankommen, welche (antezipierende) dingliche Verfügung der Verarbeiter zeitlich früher vorgenommen hat: die Herstellerklausel oder das weitere Sicherungsrecht. Lag die Herstellerklausel zeitlich früher, dann handelte der Verarbeiter hinsichtlich des weiteren Sicherungsrechts als Nichtberechtigter, und seine zweite Verfügung ist grundsätzlich unwirksam347. Dasselbe gilt bei der Kollision zweier Verarbeitungsklauseln, so dass es nicht etwa auf die zeitlich letzte Willensäußerung des Verarbeiters, für wen er verarbeiten wolle, ankommt348. Unterschiede zwischen beiden Meinungen könnten sich aber bei den gesetzlichen Pfandrechten, insbesondere dem Vermieterpfandrecht, zeigen. Hier besteht im Grunde die gleiche Situation wie bei der antezipierten Übereignung von Warenlagern in angemieteten Räumen349: Auch dort geht es nämlich um die Frage, ob der Warenhändler für eine juristische Sekunde Durchgangseigentum an den hereinkommenden Waren erwirbt, so dass das Vermieterpfandrecht „aufspringen“ kann, oder ob der Sicherungsnehmer unmittelbar und damit unbelastetes Eigentum („Direkteigentum“) erwirbt.

347 Anders offenbar M. Wolf, a. a. O., der meint, der Durchgangserwerber müsse zwischenzeitlich begründete Pfandrechte gegen sich gelten lassen. Das dürfte für später begründete Rechte kaum zutreffen; gutgläubiger Erwerb bleibt selbstverständlich unberührt. 348 Die wohl h. M. nimmt hingegen einen Miteigentumserwerb der Stofflieferanten entsprechend § 947 BGB an, was im Ergebnis der oben (zu I. 5. b), S. 111 ff.) geforderten Abkehr vom Alles-oder-Nichts-Prinzip bei den Sicherungsrechten entspricht: vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 B III 3, Rdnr. 22; Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, Rdnr. 755; Soe/Henssler, § 950 BGB, Rdnr. 21 – allerdings durchgängig unter irriger Berufung auf BGHZ 46, 117: Dort war bereits vertraglich vereinbart, das fortgesetzte Eigentum von vornherein auf einen Bruchteil des Endprodukts zu beschränken. 349 Dazu BGHZ 117, 200; vgl. auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 B VI 4, Rdnr. 65.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

3. Priorität statt Publizität Hier wie dort ist die Argumentation über ein „logisches“ Vorgehen eines der beiden Rechte kaum überzeugend, geht es doch auch in diesen Fällen letztlich um die gewöhnliche Kollision zweier Sicherungsrechte350. Dann muss es auch in der Konstellation des § 950 BGB – wie im Verhältnis zweier Bestellungsakte von gleichartigen Sicherungsrechten allgemein – um die zeitliche Priorität in dem Sinne gehen, dass dasjenige Sicherungsrecht Vorrang hat, dessen Grundlage in Form des antezipierten dinglichen Verfügungsaktes zeitlich zuerst geschaffen wurde. Im Ausgangsfall käme es demnach darauf an, ob zunächst der Mietvertrag oder erst die Verarbeitungsklausel vereinbart wurde351. Diese Lösung wird auch dem Normzweck des § 950 BGB gerecht, welcher allein darin liegt, den Interessenkonflikt zwischen Stofflieferant und Verarbeiter zu lösen352, nicht aber zwischen Stofflieferant und den Gläubigern des Verarbeiters. Letzteres ist schon deshalb unsinnig, weil der Stofflieferant selbst Gläubiger des Verarbeiters ist353; ihn gegenüber anderen Gläubigern zu benachteiligen, besteht weder Veranlassung noch irgendein Anhaltspunkt in § 950 BGB. Das Ergebnis bestätigt sich zusätzlich, wenn man die Übertragung an den Stofflieferanten (sei es durch Verarbeitungsklausel oder durch antezipiertes Besitzkonstitut nach § 930 BGB) aus dem Blickwinkel des § 161 Abs. 1 BGB betrachtet: Der Lieferant erwirbt Eigentum unter der Bedingung der Entstehung einer neuen Sache durch Verarbeitung. Dann sind ihm gegenüber nachfolgende Verfügungen unwirksam; freilich können Dritte durch Weggabe seitens des Verarbeiters gutgläubig erwerben, § 161 Abs. 3 BGB.

350

So zum „Warenlager-Fall“ ausführlich und überzeugend Krüger, JuS 1994, 905/909; anders freilich die h. M., etwa Baur/Stürner, a. a. O. (die aber in der vergleichbaren Konstellation der Kollision von verlängertem Eigentumsvorbehalt und Globalzession das Prioritätsprinzip betonen: a. a. O., § 59 B V 2, Rdnr. 53). 351 Entsprechend Krüger, a. a. O. 352 Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 B I 2, Rdnr. 14. A.A.: Medicus, BR, Rdnr. 519. Selbstverständlich kann man den § 950 BGB als Ausdruck des Gedankens sehen, dass dem Verarbeiter das Eigentum im Gegenzug zum Wert des in die Verarbeitung investierten Aufwandes zuzusprechen; das würde aber nichts daran ändern, dass er darüber frei verfügen kann – auch im Wege eines antezipierten Besitzkonstituts. 353 Zumindest in den hier interessierenden Fällen: Denn sonst bestünde keine Notwendigkeit, sich das Eigentum entgegen § 950 BGB vorzubehalten.

C. Der gesetzliche Erwerb

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IV. Bestandteile und Erzeugnisse, §§ 953 ff. BGB Auch im Rahmen des Erwerbs von Bestandteilen und Erzeugnissen trifft man schließlich auf Publizitätserwägungen. 1. Die gesetzliche Ausgangslage Werden sie von der Muttersache getrennt, bestimmt sich die Person des Erwerbers gemäß §§ 953 ff. BGB nach folgender Rangfolge: Vorrangig erwirbt nach § 956 BGB derjenige, dem die Aneignung gestattet ist354. Interessanterweise ist sein Eigentumserwerb dabei vom Besitz abhängig ausgestaltet: Der Gestattungsempfänger erwirbt das Eigentum mit der Trennung nur dann, wenn er im Besitz der Muttersache ist, § 956 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, andernfalls erst mit Besitzergreifung, § 956 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Inwieweit dabei mittelbarer Besitz ausreicht, ergibt sich aus dem Gesetz freilich nicht ausdrücklich; die Parallele zu § 933 BGB ist jedoch auffällig. Selbst wenn man aber unmittelbaren Besitz beim Erwerber fordert (der zumindest bei ihm positive Publizität zur Folge hätte), hinge der Eigentumserwerb zusätzlich vom Vorliegen einer Gestattung sowie deren Wirksamkeit und Fortbestehen ab, mithin von weiteren, nach außen nicht erkennbaren Faktoren. In Ermangelung einer Gestattung erwirbt nach § 955 BGB der Eigenbesitzer. Diese Vorschrift hat gegenüber den §§ 953 f. BGB dabei nur dann eigenständige Bedeutung, wenn der Eigenbesitzer nichtberechtigt, aber gutgläubig ist, regelt also strenggenommen einen weiteren Fall gutgläubigen Erwerbs355. Unter Publizitätsgesichtspunkten darf das Erfordernis des Eigenbesitzes nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser auch über einen Besitzmittler ausgeübt werden kann und deshalb nicht unbedingt nach außen ersichtlich sein muss. Liegt weder ein Fall der Gestattung noch des gutgläubigen Eigenbesitzers vor, erwirbt nach § 954 BGB, wer vermöge eines Rechts „an“ der für ihn fremden Muttersache zur Aneignung berechtigt ist. Dabei kann Publizität nur soweit gewährleistet sein, als das erforderliche dingliche Recht an der Muttersache erkennbar ist. Ist die Muttersache ein Grundstück, ist dies wegen der Grundbuchpublizität unproblematisch. Ist die Muttersache dagegen beweglich (ein trächtiges Muttertier, eine Maschine mit wertvollen Einzel354

Entweder vom Eigentümer, vom sonst zur Aneignung Berechtigten oder auch – im Falle des § 957 BGB – vom Nichtberechtigten; zu letzterem unten Kap. 4, C. I. 2. b), S. 284 ff. 355 Deshalb dazu unten Kap. 4, C. I. 2. a), S. 283.

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

teilen), so könnte – freilich nur negative – Publizität allenfalls beim Nutzungspfandrecht nach § 1213 BGB bestehen, das den Ausschluss des Verpfänders vom unmittelbaren Alleinbesitz voraussetzt356. Gänzlich ohne jedes Publizitätserfordernis kommt das Gesetz jedoch im Fall des Nießbrauchs nach § 1030 BGB aus, der als dingliches Fruchtziehungsrecht den Hauptanwendungsfall des § 954 BGB bilden dürfte: Der Nießbrauch kann im Wege des Besitzkonstituts bestellt werden, §§ 1032, 930 BGB, und damit letztlich nur auf einer nach außen nicht erkennbaren Vereinbarung zwischen Eigentümer und Nießbraucher gründen. Erst wenn keiner der vorgenannten Fälle vorliegt, greift der Grundsatz des § 953 BGB ein, wonach der Eigentümer der Muttersache auch Eigentümer der Erzeugnisse wird. Auch hier kann Publizität selbstverständlich nur soweit reichen wie die Publizität hinsichtlich des Eigentums an der Muttersache. Da der Eigentümer weder unmittelbaren noch lediglich mittelbaren Besitz innehaben muss, ist die Publizität zumindest im Fall einer beweglichen Muttersache kein Erfordernis des Eigentumserwerbs. Damit hängt auch der Fruchterwerb nach der gesetzlichen Konzeption zumindest nicht stets von Publizität ab: auf Seiten des Eigentümers der Muttersache ohnehin nicht, auf Seiten des sonst Aneignungsberechtigten aber ebenfalls nicht, wie bei den dinglichen Rechten der Nießbrauch zeigt. Nur bei der sonstigen Aneignungsgestattung nach § 956 BGB kommt ein Publizitätserfordernis in Betracht, weil das Eigentum erst mit Besitz an dem Erzeugnis erworben wird. Dies könnte auf negative Publizität (durch Ausschluss des Eigentümers der Muttersache) hindeuten. Positive Publizität (sichtbarer Besitz beim Erwerber) scheidet dagegen schon deshalb aus, weil die Gestattung als weitere Voraussetzung keinesfalls offenkundig ist. 2. Entwicklung: Besitzerfordernis in § 956 BGB abweichend von §§ 930 f. BGB? Das wirft die Frage auf, ob für den Fruchterwerb nach § 956 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB die Erlangung mittelbaren Besitzes auf Seiten des Erwerbers ausreicht, wenn der Gestattende (etwa der Eigentümer der Muttersache oder der Pächter, der zu Sicherungszwecken Früchte übereignet) unmittelbarer Besitzer bleibt. Nach allgemeiner Meinung soll dies für den Fruchterwerb nicht genügen, weil dem Erwerber in diesem Fall die erforderliche „enge herrschaftsmäßige Beziehung“ fehle357. Gerade in der grundlegenden Ent356

Oben B. I. 1. a) (1), S. 81 f. BGHZ 27, 360/363 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 E V 7 a bb, Rdnr. 63; Soe/Henssler, § 956 BGB, Rdnr. 9. 357

C. Der gesetzliche Erwerb

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scheidung des BGH ging es dabei um den Schutz der Gläubiger des noch unmittelbar besitzenden Gestattenden, weil dieser in Konkurs gefallen war – und damit letztlich um die Publizität des Eigentumsübergangs. Ebenso aufschlussreich wie verwunderlich ist die Begründung, mit der nach h. M. der Fruchterwerb durch bloßes Besitzkonstitut abgelehnt wird: Denn es wird eine Parallele zum Übergabeerfordernis des § 929 S. 1 BGB gezogen, wo die Übereignung auch nicht unter Zurückhaltung unmittelbaren Besitzes glücken könne358. Dass aber im Rahmen der allgemeinen Übereignungstatbestände die folgende Norm, nämlich § 930 BGB, das Besitzkonstitut ausdrücklich erlaubt, fällt unter den Tisch. Sollten also ausgerechnet beim Fruchterwerb Publizitätserfordernisse bestehen, die das allgemeine Übereignungsrecht nicht kennt? 3. Lösung: § 956 als bloße Vereinfachung Ist und bleibt der Gestattende unmittelbarer Besitzer, so kann er unstreitig außerhalb der Aneignungsgestattung die Sache durch (unter Umständen antezipiertes) Besitzkonstitut nach § 930 BGB übereignen359. Es wäre nicht einzusehen, weshalb § 956 BGB diese Möglichkeit ausgerechnet für neu entstehende Früchte ausschließen sollte. Insofern könnte die Fruchttrennung kaum anders zu beurteilen sein als der umgekehrte Fall neu hereinkommender Ware, die einer vorweggenommenen (Sicherungs-)Übereignung unterfällt, so dass allenfalls die Frage nach einem Durchgangserwerb des Gestattenden entstünde. Spielt also die Besitzergreifung hauptsächlich für den Fall eine Rolle, dass auch der Gestattende gar keinen, zumindest keinen unmittelbaren Besitz an der Muttersache innehat, etwa weil sie ihm abhanden gekommen ist? Nach den allgemeinen Übereignungsregeln – in diesem Falle § 931 BGB – wäre auch hier eine vorweggenommene Übereignung durch Abtretung des zukünftigen Herausgabeanspruchs ohne Besitz unproblematisch möglich360. 358

BGH a. a. O.; Baur/Stürner, a. a. O. So im Ergebnis auch Staud/Gursky, § 956 BGB, Rdnr. 36: die antezipierte Übereignung der res futura nach § 930 BGB sei möglich; das widerlegt die dortige Aussage, § 956 BGB könne nicht dispositiv sein. 360 Ist dagegen der dritte Besitzer gutgläubiger Eigenbesitzer, so erwirbt ohnehin dieser Dritte nach § 955 BGB. Eine spätere Besitzergreifung des Gestattungsempfängers könnte daran trotz § 956 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB schon deshalb nichts mehr ändern, weil die Frucht als eigenständige bewegliche Sache ab der Trennung nur noch gemäß den §§ 929 ff. BGB zu übereignen ist. Dass der Erwerb nach § 955 BGB „unbeschadet der §§ 956, 957 BGB“ erfolgt, betrifft nur die Konstellation, dass der Eigenbesitzer seinerseits die Fruchtziehung einem Vierten gestattet. 359

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

Angesichts dieser weitreichenden Überschneidungen im tatsächlichen Anwendungsbereich des § 956 BGB und der allgemeinen Übereignungstatbestände der §§ 929 bis 931 BGB spricht alles dafür, den Fruchterwerb des Gestattungsempfängers durch Besitzerlangung nach § 956 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB lediglich als Vereinfachung der §§ 929 ff. BGB anzusehen, der deren Voraussetzungen verkürzt wiedergibt, aber nicht grundsätzlich von ihnen abweicht361. Nur das entspricht auch der Entstehungsgeschichte der Norm: So ging etwa die 1. Kommission beim Fruchterwerb ausdrücklich von einer stillschweigenden Annahme eines Übereignungsangebotes aus, wenn die Muttersache sich bereits im Besitz des Erwerbers befindet362. Es ist nicht ersichtlich, dass die Einfügung der 2. Alternative – also die Besitzergreifung ohne Besitz an der Muttersache – an dieser Stoßrichtung des § 956 BGB etwas Grundsätzliches ändern sollte. Insbesondere ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte auch (zumindest indirekt), dass für die Besitzergreifung an den Früchten mittelbarer Besitz ausreicht: Denn die Wortwahl „Besitzergreifung“ verwendete bereits die Vorgängernorm des § 956 BGB, der § 901 Abs. 1 E I363. Dabei darf aber nie in Vergessenheit geraten, dass der Begriff „Besitz“ nach dem ersten Entwurf eine gegenüber dem späteren BGB verschobene Bedeutung hatte: Er meinte nämlich stets den Eigenbesitz im Sinne des heutigen § 872 BGB. Der „unmittelbare Besitz“ in der Terminologie des BGB (sei es unmittelbarer Fremd- oder unmittelbarer Eigenbesitz) wurde im ersten Entwurf dagegen als „Inhabung“ bezeichnet. „Besitzergreifung“ meint daher das Erlangen von Eigenbesitz, wozu also eindeutig auch mittelbarer Eigenbesitz genügt. Dadurch verliert die Besitzergreifung nach § 956 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB auch nicht etwa ihre eigenständige Bedeutung gegenüber der Gestattung; beide Akte lassen sich vielmehr logisch trennen: Denn während die Gestattung das dingliche Übereignungsangebot enthält, betrifft die Besitzeinräumung den besitzrechtlichen Nachvollzug der dinglichen Gestattung – und damit die Manifestation des Gestattungswillens. Das gilt auch dann, wenn es sich um ein antezipiertes Besitzkonstitut handelt, der Gestattende also den unmittelbaren 361 Daher handelt es sich bei der Aneignungsgestattung auch eigentlich nicht um einen „gesetzlichen“, sondern einen „rechtsgeschäftlichen“ Erwerb; dass sie hier im Kapitel „Gesetzlicher Erwerb“ behandelt wird, folgt lediglich der gängigen Einordnung sowie dem systematischen Zusammenhang mit den §§ 953 ff. BGB. – So auch die sog. „Übertragungstheorie“: vgl. bereits Mot. III 368 = Mugdan III 204 f.; Prot. 3784 = Mugdan III 652; ferner RGZ 78, 36; Wieling, Sachenrecht, § 11 III 4 a aa; Heck, Sachenrecht, S. 265; weitere Nachweise bei Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 57 III 2 b, Fn. 14. 362 Abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratungen, Sachenrecht, Teil I, S. 686 f. Ebenso schon Johows Begründung zum Vorentwurf, abgedr. bei Schubert, Vorlagen der Redaktoren, Sachenrecht, Teil 2, S. 961. 363 Mugdan III, S. XXVI.

D. Zusammenfassung: Kein Publizitätsprinzip beim Rechtserwerb

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Besitz zurückbehält. Es mag sein, dass die Praxis kaum zwischen dinglichem Übertragungsakt und besitzrechtlichem Vollzug unterscheiden wird. Das ist indes auch bei der gewöhnlichen Übereignung nach § 930 BGB nicht anders. Die Rolle des § 956 BGB beschränkt sich damit letztlich auf eine Klarstellung: Ist der Erwerber ohnehin im Besitz der Muttersache (Alt. 1), so ist über die Gestattung hinaus kein weiterer Zueignungsakt, insbesondere keine weitere Manifestation des Übereignungswillens beider Beteiligten, erforderlich. Die Bedeutung der Alternative nachträglicher Besitzergreifung durch den Erwerber (Alt. 2) liegt demgegenüber darin, dass in diesem Fall erst in der Besitzergreifung die rechtsgeschäftliche Annahme der einseitigen Gestattung liegt. Damit kann diese 2. Alternative (Besitzergreifung) von vornherein nur dann eingreifen, wenn bislang der Gestattende Besitzer ist. Im Verhältnis zu dritten Eigentumserwerbern kann die Besitzergreifung dagegen im Nachhinein nichts mehr bewirken; ebenso wenig reicht selbstverständlich die Besitzergreifung gegen den Willen des Gestattenden oder des sonstigen Besitzers: Hier stellt sich der Besitzübergang nicht als Manifestation des Übereignungswillens des Gestattenden dar. Auch § 956 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB bringt also – entgegen erstem Anschein – kein Publizitätselement in den Rechtserwerb.

V. Zwischenergebnis Damit lassen auch die gesetzlichen Erwerbstatbestände – mögen sie auch zu einem geringen Teil vom Besitz abhängen – kein Publizitätsprinzip erkennen. Wenn überhaupt, so hat auch hier die Verschiebung von Besitzpositionen im Wesentlichen Manifestationsfunktion.

D. Zusammenfassung: Kein Publizitätsprinzip beim Rechtserwerb In der Zusammenschau ergibt sich damit, dass die Übertragung und der sonstige Erwerb dinglicher Rechte an beweglichen Sachen grundsätzlich keinem Publizitätsprinzip unterworfen sind. Die Funktion des Besitzes – und insbesondere der Übertragung von Eigenbesitz – liegt nicht darin, den Rechtsübergang unmittelbar für Außenstehende zu publizieren, sondern beschränkt sich darauf, die Ernsthaftigkeit des Übereignungswillens zu manifestieren und die Übereignung damit im Nachhinein beweisbar zu machen: Ist insbesondere der Veräußerer bislang Eigenbesitzer, so kommt sein Übertragungswille erst dadurch hinreichend zum Ausdruck, dass er den Eigenbesitz überträgt. Das muss aber nicht etwa sichtbar durch körperliche Über-

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Kap. 2: Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes

gabe, sondern kann ebenso gut unsichtbar, etwa durch bloße Abtretung im Falle mittelbaren Besitzes (§ 870 BGB) erfolgen. Dass es im Falle körperlicher Übergabe auch zu – gewissen – Publizitätseffekten kommen kann, erweist sich demnach als zwar willkommene, aber letztlich ebenso zufällige wie unwesentliche Nebenerscheinung. Solange aber der Veräußerer keinen Eigenbesitz zurückhält (was unwiderleglich gegen einen ernsthaften Übereignungswillen spräche), spielt der Besitz keine über diese Manifestationsfunktion hinausgehende Rolle; insbesondere ist es grundsätzlich unschädlich, wenn sowohl dem Veräußerer als auch dem Erwerber während des gesamten Erwerbsvorgangs jegliche Besitzposition fehlt. Damit entfällt auch jede Notwendigkeit, publizitätslose Übereignungsvorgänge wie die nach §§ 930, 931 BGB, den Geheißerwerb, die Übereignung an den, den es angeht, oder die dingliche Surrogation als angebliche „Ausnahmen“ gegenüber dem zu Unrecht unterstellten Publizitätsprinzip zu rechtfertigen. Einzig das Faustpfandrecht, das den erkennbaren Ausschluss des Verpfänders vom Besitz und damit negative Publizität voraussetzt, erweist sich als einsame Insel sachenrechtlicher Publizität beim Rechtserwerb im Mobiliarsachenrecht. Auch wenn man de lege lata am Faustpfandprinzip festhält, ergibt sich daraus aber kein Publizitätsprinzip, sondern es bleibt eine alleinstehende Ausnahme. Insbesondere im Nebeneinander zum (vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannten) publizitätslosen Sicherungseigentum erweist sich das starre Festhalten am Publizitätserfordernis beim Pfandrecht darüber hinaus als weitestgehend sinnentleert, ja sogar kontraproduktiv. De lege ferenda wäre daher – neben dem Faustpfand – ein publizitätsloses Pfandrecht wünschenswert. Ausdrücklich in diese Richtung weist bereits § 51 Nr. 1 InsO.

Kapitel 3

Die prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes Anschließend sollen zunächst die reinen Vermutungsregelungen aus Besitz untersucht werden, die sich auf die Beweislastverteilung beschränken, insbesondere § 1006 BGB. Dabei geht es nicht um Publizität im eigentlichen Sinne, denn hier kann der Besitz von vornherein keine Rechtsscheinbasis abgeben: Im Prozess wird niemand getäuscht, die dingliche Berechtigung ist ja vielmehr gerade streitig1. Auch kann es in § 1006 BGB und anderen Beweislastregeln nie um eine absolute, d.h. dinglich wirkende, sondern stets nur um eine relative Wirkung gehen, nämlich im Verhältnis zu einer bestimmten Prozesspartei; das wird im Wortlaut des § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB deutlich, der die Vermutungswirkung (nur) im Verhältnis zu bestimmten Vorbesitzern, denen die Sache abhanden gekommen ist, aufhebt. Eine genauere Betrachtung erscheint aber wegen des auf den ersten Blick eng erscheinenden Zusammenhangs mit den Erwerbstatbeständen – auch denjenigen vom Nichtberechtigten – unabdingbar.

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB Schon die prominenteste unter den Beweislastregeln, § 1006 BGB, zeigt deutlich, dass es nicht um Erkennbarkeit im Vorhinein gehen kann: Denn nach seinem Abs. 3 gilt die Beweiserleichterung im Falle mittelbaren Besitzes zugunsten des mittelbaren Besitzers. Der mittelbare Besitz ist aber aus sich heraus nicht unmittelbar erkennbar2; er muss vielmehr seinerseits zunächst im Prozess dargelegt und bewiesen werden, insbesondere mit Hilfe des unmittelbaren Besitzers.

1 Vgl. oben Kap. 1, A. II. 2., S. 27; auch D. Weber, Publizitätsprinzip im schweizerischen Recht, S. 14 ff. 2 Dazu oben Kap. 1, B. II. 3., S. 41 f.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

I. Zweck und Wirkung des § 1006 BGB nach h. M. Nach h. M. soll dabei freilich § 1006 BGB unmittelbar an das (angebliche) Übergabeerfordernis der Übereignungstatbestände anknüpfen und ferner eng mit dem Gutglaubensschutz verzahnt sein3. Im Einzelnen soll sich danach Folgendes ergeben: 1. Eigentumsschutz als Zweck Im Ausgangspunkt ist nach allgemeiner Meinung der Zweck des § 1006 BGB im Schutz des Eigentümers zu sehen4. Dafür mag auf den ersten Blick systematisch streiten, dass sich die Regelung im BGB unter dem Titel „Ansprüche aus dem Eigentum“ findet. Indes lehrt ein genauerer Blick auf die Systematik, dass die umstehenden Regelungen Ansprüche des (früheren) Besitzers betreffen: So schafft der nachfolgende § 1007 BGB – mag auch dessen Sinn im Einzelnen unklar erscheinen5 – nicht Ansprüche des Eigentümers, sondern des ehemaligen Besitzers, und zwar weitgehend unabhängig vom Eigentum. Auch die vorstehenden Regelungen der §§ 994 bis 1003 BGB betreffen Ansprüche des Besitzers, die sich sogar ausdrücklich gegen den Eigentümer richten. Dem entspricht der Wortlaut des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach die Vermutung „zugunsten des Besitzers“ (bzw. nach Abs. 3 „für den mittelbaren Besitzer“) gilt. Dass sich die Norm damit im Streitfall auch gegen den wahren Eigentümer wenden kann, ist also ausdrücklich in ihr angelegt: Der nichtbesitzende Eigentümer hat die Beweislast gegen sich. Auch das weitere Argument, der Besitz erleichtere dem Eigentümer jedenfalls den Nachweis seines Eigentums wesentlich6, und auf diesem Umweg diene § 1006 BGB in der Regel letztlich doch dem wahren Eigentümer (also: Eigentumsschutz im Allgemeinen durch Schutz des Besitzers im Besonderen), vermag nicht zu überzeugen. Denn sie versagt bereits 3 Etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 II 2, Rdnr. 12; Staud/Seiler, Einl. z. Sachenrecht, Rdnr. 59; Brehm/Berger, Sachenrecht, § 7.81; auf die Tatbestände gutgläubigen Erwerbs beschränkt auch Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1077. 4 Etwa Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 23; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 10 I Rdnr. 4; Wieling, Sachenrecht, behandelt § 1006 BGB unter Ziff. VIII des § 12 „Schutz des Eigentums“; ebenso Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1077, unter dem Abschnitt „Schutz des Eigentums durch dingliche Ansprüche“; M. Wolf, Sachenrecht, Rdnr. 223 (unter dem Titel „Schutz des Eigentümers“, Rdnr. 219); Brehm/Berger, Sachenrecht, unter Ziff. IV des § 7 „Schutz des Eigentums“. 5 Dazu Medicus, BR, Rdnr. 439. 6 Etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 10 I Rdnr. 4; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 586.

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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dann, wenn die Sache dem Eigentümer ohne dessen Verschulden gestohlen wird; allein hierdurch nämlich verschiebt sich die Beweislast zu seinen Lasten, weil er zumindest das Abhandenkommen beweisen muss (§ 1006 Abs. 1 S. 2 BGB). 2. Die drei Vermutungsrichtungen nach h. M. Mag man Vorstehendes noch als rein terminologische Nachlässigkeit abtun, so folgen die praktischen Auswirkungen – auch unter dem Blickwinkel, § 1006 BGB bezwecke den Schutz des Eigentümers – auf dem Fuße. Nach ganz h. M. soll nämlich § 1006 BGB in insgesamt drei Vermutungen aufzuteilen sein. a) Zusammenfallen von Besitz- und Eigentumserwerb (Erwerbsvermutung) Zunächst soll die Vermutung nur demjenigen Besitzer zugute kommen, der selbst behaupte, dass er mit dem Besitzerwerb gleichzeitig Eigentum erworben habe7. Fallen dagegen Besitz- und (behaupteter) Eigentumserwerb zeitlich auseinander, entfalle die Vermutungswirkung. Zur Begründung wird vor allem auf das – angebliche – Traditionsprinzip bei den Übereignungstatbeständen verwiesen. Unausgesprochen dürfte dieser Einschränkung des Vermutungsumfangs zudem eine Folgenabwägung zu Grunde liegen; denn § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB stellt den Rechtsanwender vor gewisse Probleme: Seinem Wortlaut nach käme er nämlich – was auch die Vertreter der h. M. ausdrücklich einräumen8 – jedem Fremdbesitzer (Mieter, Entleiher) zugute, der sich unberechtigt zum Eigenbesitzer aufschwingt. Um diese uferlose Anwendung der Vermutungswirkung zu vermeiden, wählt die h. M. folgende Konstruktion: Zwischen § 1006 BGB und § 929 S. 1 BGB wird eine Übereinstimmung vorausgesetzt; die Eigentumsvermutung folge daraus, dass nach § 929 S. 1 BGB regelmäßig Besitz- und Eigentumswechsel zusammenfielen. Deshalb könne die Vermutung nur bei Gleichzeitigkeit von Besitz- und Eigentumswechsel eingreifen. Zur Begründung wird weiter § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB herangezogen, der die Vermutungswirkung bei Abhandenkommen ausschließt; da in diesen Fällen ein Zusammenfallen von Besitz- und Eigentumswechsel ausgeschlossen sei, 7

St. Rspr.: etwa BGH LM § 1006 BGB Nr. 10 = NJW 1967, 2008; NJW 1984, 1456/1457 m. w. N.; ganz h. M. auch in der Lit., etwa Werner, JA 1983, 617/620; Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 7; Wieling, Sachenrecht, § 12 VIII 1 a; Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 10 II 2, Rdnr. 6; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 584; Medicus, Jura 2001, 294; Krebs, FamRZ 1994, 281/282 f. 8 Etwa Staud/Gursky, a. a. O.; Wieling, a. a. O.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

knüpfe das Gesetz die Vermutung für den Rechts- offenbar an den Zeitpunkt des Besitzwechsels9. Behauptet der Besitzer dagegen selbst, dass er das Eigentum bereits vor oder erst nach Besitzerwerb erhalten habe, soll ihm die Vermutungswirkung nicht zugute kommen können; vielmehr soll er für die derart behauptete Eigentumsverschiebung voll beweispflichtig sein10. Die dadurch bewirkte Schlechterstellung der Übereignung mittels brevi manu traditio, § 929 S. 2 BGB, bzw. mittels Übergabesurrogat insbesondere nach § 931 BGB rechtfertige sich wegen deren mangelnder Publizität11. Die ganz h. M. sieht den § 1006 BGB somit als Vermutung aus dem Besitzerwerb („Erwerbsvermutung“) und nicht – wie es dem Wortlaut entspräche – als Vermutung aus dem bestehenden Besitz („Zustandsvermutung“). Diese Einschränkung der Vermutungswirkung soll dabei allgemein und unterschiedslos für jedes Verhältnis eines Besitzers zu einem Dritten gelten, unabhängig davon, ob die Vermutung gegenüber dem Vorbesitzer bzw. dem ehemaligen Oberbesitzer oder gegenüber Dritten geltend gemacht wird12 (im ersteren Fall scheint irgendeine Einschränkung auf den ersten Blick ja sinnvoll – wie eingangs erläutert). b) Vermutung fortdauernden Eigentums aus § 1006 Abs. 2 BGB Steht dagegen fest, dass mit einem Besitz- kein Eigentumserwerb zusammenfiel, soll eine Vermutung für die Fortdauer des vorhergehenden Eigentums bestehen; zwischenzeitliche Eigentumsverschiebungen seien dann jeweils von demjenigen zu beweisen, der sie behauptet13. Diese Vermutungsrichtung will die h. M. dem § 1006 Abs. 2 BGB entnehmen14, so dass ins9

Etwa BGH a. a. O.; Baur/Stürner, a. a. O.; Medicus, a. a. O. MK/Medicus, § 1006 BGB, Rdnr. 15 m. w. N.; einschränkend M. Wolf, JuS 1985, 941/944. 11 So ausdrücklich Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 7; dagegen M. Wolf, a. a. O., S. 943 f. 12 Etwa BGH LM § 1006 BGB Nr. 10 = NJW 1967, 2008. 13 Statt vieler Baur/Stürner, Sachenrecht, § 10 II 5 a = Rdnr. 9 m. w. N. – Nicht ganz eindeutig BGH LM § 1006 BGB Nr. 11 = JZ 1969, 433: Dort hatte der Vorbehaltskäufer die Sache unterschlagen und im Wege des § 930 BGB an eine Bank sicherungsübereignet. In diesem Fall soll die Vermutung für den Vorbehaltsverkäufer aus § 1006 Abs. 2 BGB erlöschen und § 1006 BGB für die jetzt mittelbar besitzende Bank streiten; vgl. dazu noch unten II. 1., S. 160 ff. 14 Etwa BGH NJW 1993, 935/936; Soe/Mühl, § 1006 BGB, Rdnr. 11. Zumindest im Einklang mit der allgemeinen Rechtsfortdauervermutung sehen den § 1006 BGB auch MK/Medicus, § 1006 BGB, Rdnr. 20; Brehm/Berger, Sachenrecht, § 7.82. – Freilich würde dafür die allgemeine Rechtsfortdauervermutung genügen, so dass da10

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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besondere eine Vermutung für den früheren Besitzer fortgilt. Dass der Wortlaut – die Vermutung geht nur dahin, dass der Besitzer „während der Dauer des Besitzes“ Eigentümer gewesen sei – dies gerade nicht hergibt, wird zwar allgemein erkannt, aber mit der bloßen Warnung an den Rechtsanwender abgetan, der Wortlaut sei eben „missverständlich“15. c) Rückschluss vom Besitz auf den Eigenbesitz Wird der Zugang zum erleichterten Eigentumsbeweis durch die Annahme einer Erwerbs- statt einer Zustandsvermutung einerseits erschwert, so schafft die h. M. andererseits durch eine dritte Vermutungsrichtung Erleichterungen: Unmittelbar anknüpfend an das Traditionsprinzip in § 929 S. 1 BGB soll sich nach allgemeiner Meinung nämlich aus § 1006 BGB zugunsten des Besitzers die Vermutung ergeben, er sei mit dem Besitzerwerb zugleich Eigenbesitzer geworden16. Der Gedanke wird sogar noch ausgedehnt, indem man diese Vermutung auch Dritten zugute kommen lässt, die sich auf ein Recht des Besitzers berufen. Während im Übrigen in der Regel betont wird, aus § 1006 BGB ergebe sich lediglich eine Vermutung für dasjenige Recht, das der Besitzer ausdrücklich für sich in Anspruch nehme17, soll nach allgemeiner Meinung dennoch aus der nachgewiesenen Tatsache bloßen Besitzes die Vermutung für Eigenbesitz bestehen – und zwar auch zugunsten Dritter18. Das kann von vornherein nur Fälle betreffen, in denen der Besitzer nicht unmittelbar am Prozess beteiligt ist und sich zu seiner Besitzrichtung nicht äußert, in denen also Dritte ihr Recht vom (früheren) Besitzer ableiten, etwa der Erbe vom Erblasser oder das Pachtkreditinstitut sein besitzloses Inventarpfandrecht vom besitzenden Pächter19. Hier soll eine Vermutungswirkung regelmäßig auch zugunsten Dritter dahingehend bestehen, dass zunächst das Vorliegen von Eigenbesitz und damit grundsätzlich das Eigentum des (unmittelbaren) Besitzers vermutet werde. Umstritten ist das freilich für den – im Grunde aber gleichgelagerten – Fall des Verfür § 1006 BGB auch innerhalb des Systems der h. M. entbehrlich wäre (insoweit zutreffend Brehm/Berger, a. a. O.); a. A. auch Werner, JA 1983, 617/625 f. 15 Etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 10 II 5 a, Rdnr. 9; Brehm/Berger, Sachenrecht, § 7.86. 16 Etwa BGHZ 64, 395 f.; Soe/Mühl, § 1006 BGB, Rdnr. 3; Palandt/Bassenge, § 1006 BGB, Rdnr. 4. 17 Etwa Werner, JA 1983, 617/618 und 624; auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 10 II 1 und III 1 a, Rdnr. 5 bzw. 12; Wieling, Sachenrecht, § 12 VIII 1 e; Medicus, Jura 2001, 294. 18 Statt vieler MK/Medicus, § 1006 BGB, Rdnr. 10; Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 6 a. E.; je m. w. N. aus der Rspr. – Vgl. auch Berger, VersR 2001, 419, der aber i. R. d. § 851 BGB ohne weitere Begründung abweichendes gelten lassen will. 19 Dazu BGHZ 54, 319/324 f.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

mieters, der sich gegenüber einem Dritten zur Geltendmachung seines Vermieterpfandrechts auf das Eigentum seines Mieters beruft20. Die genaue Aufhängung dieser zusätzlichen Vermutung zugunsten Dritter ist dabei unklar. Häufig wird sie „über den Wortlaut hinaus“ in § 1006 BGB angesiedelt21, teils wird sie auf eine Erweiterung des § 1006 Abs. 3 BGB zurückgeführt22, teils wird eine reine praesumtio facti außerhalb des § 1006 BGB angenommen23. Insbesondere bei der Anknüpfung an einen früheren Besitzer scheint diese Ansicht auf den ersten Blick24 einiges für sich zu haben: So soll sich etwa der Insolvenzverwalter allein auf den unmittelbaren Besitz des Gemeinschuldners bis zum Eintritt des Insolvenzverfahrens berufen können, um in den Genuss der Eigentumsvermutung zu kommen25. Auf diese Weise kann etwa zugunsten des Erben der Besitz des Erblassers auch dann berücksichtigt werden, wenn sich nicht mehr klären lässt, ob der Erblasser als Eigenbesitzer besessen hat26. Teilt man die Prämissen der h. M., ließe sich die Vermutung für den Eigenbesitz dann auch auf § 1006 Abs. 2 BGB (zugunsten des Erblassers)27 im Zusammenspiel mit der Eigentumsfortdauervermutung stützen.

II. Die Schwächen der h. M. Indes erweist sich das System der h. M. insgesamt als nicht tragfähig. 1. Die widersprüchlichen Ergebnisse der Erwerbsvermutung Die Beschränkung auf eine Erwerbsvermutung führt in einigen Fallkonstellationen in Erklärungsnöte und zu kuriosen Ergebnissen: Schlechter gestellt wird nämlich insbesondere der Eigentumserwerb nach § 929 S. 2 BGB, der also dem Besitzerwerb nachfolgt. Mit Publizitätserwä20 Auch hier bejahend – insofern konsequent – Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 31 m. w. N. zum Streitstand; dagegen etwa RGZ 146, 339 f. 21 Etwa MK/Medicus a. a. O. 22 So wohl Werner, JA 1983, 617/622 f.: Wie der mittelbare Besitzer müssten sich auch sonstige Dritte auf den unmittelbaren Besitzer berufen können. 23 So Staud/Gursky, a. a. O. 24 Vgl. aber unten III. 4. c), S. 177 f., und V. 3., S. 187. 25 Soe/Mühl, § 1006 BGB, Rdnr. 2 und 22 m. w. N. 26 So in RGZ 156, 63/64: Zwar spreche § 1006 BGB nur für den Eigenbesitzer, gegenüber dem Besitzer müsse aber nachgewiesen werden, dass er den Besitz jemand anderem mittele. 27 So Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 9.

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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gungen lässt sich das schwerlich rechtfertigen, weil diese Übereignungsform doch gerade einen publizitätskonformen Zustand schafft28; selbst soweit in der Literatur einzelne Übertragungstatbestände als vermeintliche Ausnahmen von der (unterstellten) allgemeinen Publizität kritisiert wurden bzw. werden, zielt diese Kritik nicht auf § 929 S. 2 BGB, sondern vor allem auf die Übereignung mittels Besitzkonstitut nach § 930 BGB, die wiederum im Rahmen der Eigentumsvermutung kein Problem darstellt29. In Konsequenz der h. M. könnte aber derjenige, der bei bereits bestehendem Besitz im Wege des § 929 S. 2 BGB erwirbt, niemals – auch gegenüber Dritten nicht – in den Genuss des § 1006 BGB kommen, bloß weil ursprünglich einmal der Eigentums- dem Besitzerwerb nachfolgte. Gleiches gilt für den der Situation des § 929 S. 2 BGB insoweit entsprechenden Vorbehaltskauf. Innerhalb dieses Systems könnte der Besitz des Vorbehaltskäufers damit zwar zugunsten dritter gutgläubiger Erwerber eine Rechtsscheingrundlage im Rahmen der §§ 932 ff. BGB bilden, dem besitzenden Vorbehaltskäufer selbst käme er aber nicht zugute. Mit anderen Worten nimmt die h. M. im Rahmen des § 1006 BGB dem Besitz letztlich die Publizitätsfunktion, auf die sie die Einschränkung des § 1006 BGB stützt: Denn die Vermutung soll nur gelten, wenn das Eigentum zugleich mit dem Besitz erworben worden sein kann30; das aber ist nach außen überhaupt nicht ersichtlich. Dadurch würde also die Publizitätswirkung auf den Übertragungsakt beschränkt; dem Besitz als Zustand käme keine Publizitätswirkung im Sinne einer Vermutung zugunsten des Besitzers zu. Im Nebeneinander der Übereignungstatbestände nach § 929 S. 1 und S. 2 BGB zeigt sich zudem die Untragbarkeit einer Differenzierung hinsichtlich der Vermutungsfolgen, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: Der Kläger verlangt ein Buch vom Beklagten heraus, beide berufen sich auf ihr Eigentum. Fest steht allein, dass der Kläger das Buch dem Beklagten übergeben hat, nach Behauptung des Klägers lediglich leihweise, nach dem Vortrag des Beklagten dagegen als Geschenk. Der Beklagte behauptet zudem, jedenfalls habe der Kläger zwei Monate nach der Übergabe bekräftigt, dass das Buch dem Beklagten gehören solle; der Kläger habe also erneut – diesmal durch brevi manu traditio, § 929 S. 2 BGB – übereignet. Warum soll in diesem 28

Oben Kap. 2, A. I. 2., S. 53. Denn wer behauptet, nach § 930 BGB Eigentümer geworden zu sein, dem kommt gegenüber Dritten auch nach h. M. § 1006 Abs. 3 BGB zugute, weil mittelbarer Eigenbesitz- und behaupteter Eigentumserwerb zusammenfallen. – Gegenüber dem unmittelbar besitzenden Veräußerer, der die Übereignung bestreitet und sich folglich als Eigenbesitzer i. S. d. § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB ausgibt, trägt selbstverständlich der Erwerber die volle Beweislast für die Übereignung. 30 So ausdrücklich unter Berufung auf die „wenn auch nur eingeschränkte“ Publizitätswirkung des Besitzes: Krebs, FamRZ 1994, 281/283. 29

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

Fall der Beklagte einerseits beim zweigliedrigen Tatbestand des § 929 S. 1 BGB (Einigung und Übergabe) bevorzugt werden, bloß weil ein Glied (die Übergabe) zeitgleich erfüllt ist, andererseits aber beim eingliedrigen Tatbestand des § 929 S. 2 BGB (bloße Einigung) hinsichtlich des Nachweises desselben Tatbestandsmerkmales „Einigung“ benachteiligt werden? Dies gilt umso mehr, als beide Übereignungstatbestände unter Umständen ineinander übergehen können. Ebenso unhaltbar dürfte die Anwendung der h. M. auf Fälle des Kaufes auf Probe oder zur Ansicht, § 454 BGB, sein, in denen naturgemäß der Besitz- dem Eigentumserwerb vorangeht; dass der Käufer allein durch eine derartige Vorsichtsmaßnahme beim Kauf seine Beweissituation dramatisch verschlechtern sollte, wird man ihm kaum vermitteln können. Ähnliche Widersprüche zeigen sich wiederum beim Vorbehaltskauf: Durch die Übergabe unter Eigentumsvorbehalt soll nach h. M. im Ausgangspunkt zwar der Käufer als unmittelbarer Besitzer die Vermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB für sich haben. Weise der Verkäufer jedoch nach, dass er die Sache unter Eigentumsvorbehalt übergeben habe, könnten Eigentums- und Besitzerwerb nicht zusammengefallen sein, die Vermutung sei damit widerlegt. Dementsprechend müsse nach allgemeinen Regeln der Käufer den Nachweis erbringen, dass die Bedingung (vollständige Kaufpreiszahlung) eingetreten sei31. Das scheint zwar auf den ersten Blick im Einklang mit allgemeiner vertraglicher Beweislastverteilung zu stehen, nach der der Käufer die Erfüllung der Kaufpreisschuld zu beweisen hat. Gerade im Zusammenhang des § 1006 BGB vermag das aber nicht zu überzeugen: Denn zweifellos kommt der gegenwärtige Besitzer in den Genuss des § 1006 BGB, wenn er eine Schenkung, der frühere Besitzer dagegen eine bloße Leihe behauptet. Warum soll der gegenwärtige Besitzer dann aber schlechter stehen, wenn beide Parteien sogar unstreitig eine Übereignung wollten und der Streit sich allein darauf beschränkt, dass der gegenwärtige Besitzer den Eintritt der für den Eigentumswechsel erforderlichen Bedingung behauptet, der frühere Besitzer diesen Bedingungseintritt hingegen bestreitet? Heillos verwirrend wird es aber spätestens, wenn der Vorbehaltskäufer die Sache an einen Dritten weiterveräußert: Auch wenn er diesem Dritten dabei nur mittelbaren Besitz verschafft (§§ 930, 933 BGB), selbst also unmittelbaren Besitz zurückbehält, soll diesem Dritten mit einem Male die Vermutung des § 1006 Abs. 3 BGB zur Seite stehen32; der Vorbehaltskäufer 31

Etwa Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 10. BGH LM § 1006 BGB Nr. 11 = JZ 1969, 433; Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 22. Entsprechendes müsste wiederum gelten, wenn der Erwerber nach § 929 S. 2 BGB erworben hat und weiterveräußert. – Das Beispiel bei Gursky (Weiterübereignung eines Pkw ohne Kfz-Brief) ist allerdings schon insofern ungeeignet, als der Vorbehaltsverkäufer dort wegen fehlender Gutgläubigkeit des Dritten ohnehin 32

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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soll demnach für den Bedingungseintritt beweispflichtig sein, sein Rechtsnachfolger aber nicht! Zur Begründung wird angeführt, mit der Sicherungsübereignung sei der mittelbare Besitz und damit die Vermutungsgrundlage des § 1006 BGB auf den Dritten übergegangen; ein Eigentums- gleichzeitig mit dem Besitzerwerb sei jedenfalls theoretisch möglich33. Das ist zwar in sich konsequent, aber nicht tragfähig: Denn der Dritte kann wegen § 933 BGB – auch „theoretisch“ – nur dann Eigentümer geworden sein, wenn es zuvor auch der Vorbehaltskäufer war; mit Blick auf die Beweislast kann er daher nicht besser stehen als dieser34. Im Beispiel des Erwerbs durch Besitzkonstitut vom Nichtberechtigten nach § 933 BGB setzen sich die Widersprüche sogar noch weiter fort, wenn die Sache nachfolgend tatsächlich übergeben worden ist, in materiellrechtlicher Hinsicht also ein gutgläubiger Erwerb nach § 933 BGB eingetreten ist: Wer selbst von sich behauptet, das Eigentum auf diesem Wege von einem Nichtberechtigten erworben zu haben, wäre nach h. M. gezwungen, ein ursprünglich vereinbartes Besitzkonstitut tunlichst zu verschweigen und nur die nachfolgende Übergabe zu offenbaren: Denn durch das Besitzkonstitut wäre er zunächst Eigenbesitzer, nach § 933 BGB aber erst später Eigentümer geworden und könnte sich angesichts dieses zeitlichen Auseinanderfallens nicht auf § 1006 BGB berufen. Schließlich kann auch die in der Konsequenz der h. M. liegende Unterscheidung in Fälle des Erwerbs der tatsächlichen Sachgewalt als Besitzdiener oder als Fremdbesitzer nicht überzeugen: Danach soll § 1006 BGB zwar ausscheiden, wenn der gegenwärtige Besitzer die tatsächliche Sachgewalt zunächst als Fremdbesitzer erworben hat; etwas anderes gelte jedoch dann, wenn er die tatsächliche Gewalt vor dem Eigentums- und Eigenbesitzerwerb bloß als Besitzdiener ausgeübt habe. Dass er bis zu diesem Zeitpunkt lediglich Besitzdiener gewesen sei, habe dabei zunächst der Besitzer zu beweisen, um in den Genuss des § 1006 BGB zu kommen35. Hält man an § 929 S. 1 BGB als Grundnorm – schematisch – fest, ist das nur folgerichtig. Im Herausgabe an den Vorbehaltskäufer nach §§ 1007 Abs. 1, 869 S. 2 BGB verlangen kann (vgl. Palandt/Bassenge, § 1007 BGB, Rdnr. 2). 33 BGH a. a. O.; Staud/Gursky, a. a. O. 34 Deshalb will Picker, AcP 188 [1988], 554/566 f., in diesem Fall dem Dritten die Vermutungswirkung ebenso versagen wie dem Vorbehaltskäufer. Die – aus dem Streit zu §§ 933, 934 BGB übernommene – Begründung, es komme nicht auf den mittelbaren Besitz, sondern auf den ältesten Rückgewähranspruch an, findet indes weder in § 1006 BGB noch im übrigen Besitzrecht eine Grundlage (vgl. zum selben Argument im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs noch unten Kap. 4, A. II. 2. a) (3), S. 215 ff.). 35 BGH LM § 1006 BGB Nr. 2, Bl. 2; zustimmend Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 7; MK/Medicus, § 1006 BGB, Rdnr. 14.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

Ergebnis stellt man damit freilich den Besitzdiener besser als den Fremdbesitzer; warum aber eine Übereignung an den Besitzdiener wahrscheinlicher sein soll als an den Fremdbesitzer, erschließt sich nicht36. 2. Die fehlgehende Prämisse: Das Anknüpfen an die angebliche Publizität der Übertragungshandlung Das System der h. M. geht aber bereits in seiner Prämisse fehl: Zum Einen bevorzugt es in ungerechtfertigter Weise die Übergabe nach § 929 S. 1 BGB – wegen ihrer angeblichen Publizitätswirkung – gegenüber den anderen Übereignungstatbeständen, obwohl alle Erwerbswege der §§ 929 bis 931 BGB im Grundsatz gleich gestellt sind37. Insbesondere setzt das Gesetz nicht einmal zwingend einen Besitzerwerb (vgl. § 931 BGB), geschweige denn die Gleichzeitigkeit von Besitz- und Eigentumserwerb voraus. § 1006 BGB kann daher systematisch nicht an eine solche Gleichzeitigkeit anschließen – und tut es seinem Wortlaut nach auch nicht38. Ob ein bestimmter Gegenstand in der Rechtspraxis gewöhnlich eher mit oder ohne Übergabe übereignet zu werden pflegt, kann vielmehr prozessual erst auf der Ebene der Beweiswürdigung eine Rolle spielen, wenn es daran geht, die Vermutung des § 1006 BGB zu widerlegen, nicht aber schon auf der Ebene der durch die Vermutungswirkung beeinflussten Beweislast. Dagegen lässt sich auch nicht etwa einwenden, dass beim Erwerb vom Nichtberechtigten nach §§ 932 ff. BGB der Besitzerwerb doch Voraussetzung für den Eigentumserwerb sei. Denn der Erwerb vom Nichtberechtigten stellt eine Ausnahme, nicht die Regel dar, und kann daher kaum die allgemeine Normauslegung des § 1006 BGB bestimmen39. Im Übrigen können auch 36

Unter der Prämisse der Erwerbsvermutung könnte man in dieser Fallgruppe allenfalls auf zwei Wegen zu vernünftigeren Ergebnissen kommen: Entweder man verzichtet im Rahmen des § 1006 BGB ganz auf die Figur des Besitzdieners – freilich nur auf Kosten von Friktionen mit dem Wortlaut des § 855 BGB sowie gegenüber dem gesamten Besitzschutz. Oder man stellt darauf ab, dass bei ursprünglicher Besitzdienerschaft und keinen nachfolgenden Anhaltspunkten auf Grund der Rechtsfortdauervermutung (oben zu I. 2. b), S. 158) ein Abhandenkommen naheliege und damit die Vermutungswirkung nach § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen sei – das würde allerdings nur gegenüber dem früheren Besitzer gelten. Beides wird aber soweit ersichtlich nirgends erwogen. 37 Kritisch zur h. M. deshalb auch M. Wolf, JuS 1985, 941/944; vgl. insoweit zudem Hartung, Besitz und Sachherrschaft, S. 268 f. 38 Wie auch die Vertreter der h. M. einräumen: vgl. etwa Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 7; Wieling, Sachenrecht, § 12 VIII 1 a. 39 Verfehlt deshalb auch die ähnliche Argumentation bei Medicus, Jura 2001, 294, wonach abhanden gekommene Sachen nach § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB deshalb von der Eigentumsvermutung ausgenommen seien, weil sie nicht gutgläubig erwor-

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dort Eigenbesitz- und Eigentumserwerb ausdrücklich auseinanderfallen, nämlich bei der Übereignung durch Besitzkonstitut nach § 933 BGB, infolge derer der Erwerber zwar die Vermutung des § 1006 Abs. 3 BGB für sich, nicht aber gutgläubig Eigentum erworben haben kann. – Damit entfällt auch die Grundlage für die Folgerung der h. M., § 1006 BGB gelte nicht für Sachen, die nicht nach § 929 BGB übereignet werden: Mag das für Urkunden im Sinne des § 952 BGB40 im Ergebnis noch zutreffen, weil hier der Eigentumsbeweis über die zugrundeliegende Forderung oder bei den Kfz-Papieren über den Besitz des Fahrzeugs zu führen ist, so kann im Sonderfall nicht eingetragener Seeschiffe nicht jegliche Anwendung des § 1006 BGB allein wegen der Möglichkeit der Übereignung durch bloße Einigung ohne Übergabe (§ 929a BGB) ausgeschlossen sein41. Vor allem aber soll plötzlich der § 1006 BGB an den Zeitpunkt des punktuellen Besitzwechsels anknüpfen, noch dazu zu Lasten des Zustands andauernden Besitzes – obwohl man sich doch im Rahmen der Übereignungstatbestände längst von derartiger Handlungspublizität, also dem Erfordernis einer äußerlichen Erkennbarkeit der Übertragungshandlung, gelöst hat und allenfalls noch an einer (ausdrücklich als „löchrig“ eingestandenen) Zustandspublizität meint festhalten zu können42. Dass § 1006 BGB ausschließlich auf der Übergabe nach § 929 S. 1 BGB beruhen soll, wird dabei auf eine angeblich nennenswerte Wahrscheinlichkeit für eine tatsächlich vereinbarte Übereignung im Zeitpunkt des Besitzwechsels gestützt43. Das lässt sich nicht einmal dann halten, wenn man voraussetzt, die Übergabe nach § 929 S. 1 BGB sei der häufigste Übereignungstatbestand (was ohnehin zumindest für die wirtschaftlich bedeutende Gegenstände zweifelhaft erscheint44): Denn bei genauerer Betrachtung beruht die h. M. nicht auf der Wahrscheinlichkeitsverteilung zwischen den Übereignungstatbeständen untereinander, sondern auf der Prämisse, dass die Übergabe eine Übereignung wahrscheinlicher mache. Damit gründet die h. M. mit ihrer Beschränkung des § 1006 BGB auf die Übergabefälle nach § 929 S. 1 BGB letztlich auf nichts anderem als auf dem – unzulässigen – Rückschluss von der Übergabe auf die Übereignung. Das zeigt sich im Vergleich des Erwerbs durch Übergabe (§ 929 S. 1 BGB) mit dem Erwerb durch brevi manu traditio (§ 929 S. 2 BGB): Während der Tatbestand des § 929 S. 1 BGB zweigliedrig ist ben werden könnten: Denn im Regelfall (nämlich: vom Berechtigten) können abhanden gekommene Sachen ohne Weiteres erworben werden. Vgl. zum Zusammenspiel mit §§ 932 ff. BGB noch unten Kap. 5, A. II. 2. b), S. 317 ff. 40 Dazu BGH NJW 1972, 2268/2269; 1976, 807. 41 So aber Medicus, FS Baur, S. 63/65. 42 Freilich auch das zu Unrecht: vgl. oben Kap. 2, insb. S. 61 ff. 43 Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 2; Krebs, FamRZ 1994, 281/282 f. 44 Vgl. oben Kap. 2, A. II., S. 59.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

(Einigung und Übergabe), ist derjenige des S. 2 eingliedrig, es „genügt die Einigung“. Wenn nun aber nach h. M. die Übergabe als Anscheinsbeweis für eine mit der Übergabe einhergehende Einigung dienen, die übergabelose Einigung dagegen vom Besitzer zu beweisen sein soll, beschränkt sich die eigentliche Vermutungswirkung der h. M. auf den Rückschluss von Übergabe auf Übereignung. Ein solcher Rückschluss ist aber nicht erlaubt; er wird auch außerhalb des § 1006 BGB nirgends gezogen. Denn die Übergabe kann offensichtlich zu allen möglichen Zwecken erfolgen (an den Mieter, den Entleiher, den Verwahrer, zur Reparatur), ohne dass automatisch an eine Übereignung zu denken wäre. Letzteres ist im Grunde selbstverständlich und wird im Rahmen der Erwerbswirkung des Besitzes auch nicht mehr ernsthaft bezweifelt45. Für das Verständnis des § 1006 BGB kann dann nichts anderes gelten. Vielmehr wird sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung zwischen Übereignung und bloßer Besitzüberlassung auf Zeit stark nach der Art des Gegenstandes richten. § 1006 BGB gilt aber für alle Gegenstände46 und unabhängig vom Erwerbstatbestand. Damit erweist sich zugleich der von der h. M. propagierte automatische Rückschluss vom (unmittelbaren) Besitz auf den Eigenbesitz, für den der Wortlaut des § 1006 BGB keinerlei Anhalt gibt, als unhaltbar: Denn dass der Besitz als Eigenbesitz ausgeübt wird, ist grundsätzlich nicht wahrscheinlicher als der Fremdbesitz.

III. Die Abkopplung des § 1006 BGB von der Übergabe und der Schutz des gegenwärtigen Besitzers als alleiniger Normzweck 1. Das Fehlen eines Zusammenhangs mit Publizität Für die Ermittlung des wahren Zwecks des § 1006 BGB wäre zunächst zu fragen, ob nicht zumindest – wenn es auch hier nicht um Rechtsschein im eigentlichen Sinne gehen kann47 – ein Zusammenhang zu etwaiger Publizität besteht. Zwar könnte man allgemein argumentieren, für das Zusammenfallen von Besitz und Eigentum spreche deshalb eine statistische Wahrscheinlichkeit, weil dem Eigentümer das Eigentum ohne jede – sei es auch nur mittelbare – tatsächliche Sachbeziehung nichts nütze und er sich deshalb regelmäßig schon aus Eigennutz über den Hebel der Herausgabe nach §§ 985, 986 Abs. 1 S. 2 BGB eine solche Sachbeziehung verschaffen 45

Oben Kap. 1, B. III., S. 43 f., und Kap. 2, A. III. 2., S. 61. Auch Krebs, FamRZ 1994, 281/284, will daher der rechtstatsächlichen Wahrscheinlichkeit für § 1006 BGB nur „eine untergeordnete Rolle“ beimessen. 47 Vgl. eingangs vor A., S. 155. 46

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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werde. Im Rahmen des § 1006 BGB dagegen muss diese Argumentation versagen: Denn im Prozess ist das Eigentum gerade streitig, die Vermutung aus § 1006 BGB wendet sich also gegebenenfalls gegen diesen Hebel des § 985 BGB selbst. Eine höhere tatsächliche Wahrscheinlichkeit für ein Zusammenfallen von Besitz und Eigentum besteht im Prozessfalle, in dem § 1006 BGB zur Anwendung kommt, deshalb nicht48. Damit kann die Vermutungswirkung auch nicht an etwaige Publizität in der Weise anknüpfen, dass der Zustand bestehenden Besitzes das Eigentum anzeige. Spricht dieser Befund nicht doch wieder für die punktuelle Anknüpfung der h. M. an gleichzeitigen Besitz- und Eigentumserwerb? Kann man nicht jedenfalls in diesen Fällen eine höhere tatsächliche Wahrscheinlichkeit für eine Parallelität von Besitz und Eigentum bejahen und dementsprechend die Vermutungswirkung auf diese Fälle beschränken? Das wäre deshalb ein Fehlschluss, weil die h. M. – wie dargelegt – allein an die Übergabe anknüpft und letztlich unterstellt, für eine Übergabe zu Übereignungszwecken spreche eine höhere Wahrscheinlichkeit als für eine Übergabe zu anderen Zwecken; das aber wird sich empirisch kaum nachweisen lassen. Wenn nun aber der Eigentumserwerb ohnehin keine Publizität voraussetzt, sondern vor allem durch Kriterien der Manifestation bestimmt wird, wenn nun weiter ein wesentliches Manifestationsmittel der Erwerb von Eigenbesitz ist (nämlich zumindest in §§ 929 S. 1, 930 BGB; in § 931 BGB allerdings nur bei bestehendem Besitzmittlungsverhältnis), so könnte doch die Eigentumsvermutung zumindest an dieses Manifestationserfordernis anknüpfen – betrifft sie doch ebenfalls den unmittelbaren oder mittelbaren Eigenbesitzer, § 1006 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 3 BGB. Anders ausgedrückt: Wenn die Manifestation Beweisanzeichen für die Übereignung ist, könnte das Ergebnis dieser Manifestation, der neu begründete Eigenbesitz, auch den Anscheinsbeweis für neu begründetes Eigentum bilden. Das indes würde die Unterscheidung zwischen dinglicher Einigung und schuldrechtlicher causa verfehlen: Beispielsweise kann erst auf Grund eines zwischen den Parteien bestehenden Kaufvertrages von der Übergabe auf einen gleichzeitigen Übereignungswillen des Verkäufers geschlossen werden; die starke Manifestationswirkung der Übergabe ergibt sich also erst im Zusammenhang mit der – vorausgesetzten – schuldrechtlichen causa. Dagegen bildet die bloße Manifestationshandlung für sich genommen weder rechtlich noch tatsächlich irgendeinen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer auf Übereignung gerichteten schuldrechtlichen causa. Im Übrigen findet der Umstand, dass dem Eigenbesitzwechsel eine Manifestationswirkung beigemessen werden kann, seine Rechtfertigung und 48 Ähnlich D. Weber, Publizitätsprinzip im schweizerischen Recht, S. 12 ff., insb. S. 17.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

Grundlage ja darin, dass jeder Eigentümer grundsätzlich bestrebt sein wird, sich den Eigenbesitz (und damit den Nutzen des Eigentums) zu verschaffen. Da die Vermutungswirkung des § 1006 BGB unter Umständen aber gerade dieser Eigenbesitzverschaffung (durch Vindikation nach § 985 BGB) im Prozess entgegensteht, kann sie ihre Rechtfertigung kaum darin finden. Ohnehin wäre dadurch für die Auslegung des § 1006 BGB nicht viel gewonnen: Es geht ja gerade um die Frage, ob der gegenwärtige Eigenbesitz zu Recht besteht; insbesondere in den von der h. M. aus § 1006 BGB herausgenommenen Fällen des bedingten Eigentumserwerbs geht aber der Eigenbesitz grundsätzlich erst mit Bedingungseintritt über, so dass der gegenwärtige Eigenbesitzer stets die Vermutung des bereits erfolgten Eigentumsüberganges für sich hätte. 2. Der Schutz des gegenwärtigen Besitzes und dessen Kontinuität als Normzweck Vielmehr geht es dem § 1006 BGB – wie schon der eindeutige Wortlaut des Abs. 1 S. 1 erweist – allein um den Schutz des gegenwärtigen Besitzers49, und zwar gegenüber allen Dritten und unabhängig von der Erwerbsart. Dabei ist ausdrücklich in Kauf genommen, dass sich die Vermutung auch gegen den Eigentümer selbst wendet, wie sich schon aus den Gesetzgebungsmaterialien zu §§ 1006, 1007 BGB ergibt: Danach soll die Vermutung des § 1006 BGB „in erster Linie den Schutz des gegenwärtigen Besitzers, nicht die Erleichterung der Eigentumsverfolgung“ erreichen50. Grundsätzlich soll also die bestehende Besitzlage bis zum Beweis des Gegenteils erhalten bleiben. Der Zweck richtet sich auf eine Stabilisierung des Gegenwärtigen, auf die Erhaltung des Bestehenden. § 1006 BGB ist damit Ausfluss der allgemeinen Regel, dass das Recht auf Kontinuität ausgerichtet ist: Wer eine Veränderung erreichen will, muss beweisen, dass er über ein besseres Recht verfügt51. Es geht also nicht etwa vorrangig um Eigentümerschutz, sondern um Besitzerschutz. Das hat zwar in der Regel die – sicherlich wünschenswerte – Folge, dass dem besitzenden Eigentümer die Ausübung seiner Rechte erleichtert wird, aber nur deswegen, weil er besitzt, 49 In diese Richtung bereits die Begründung Johows zum Vorentwurf, abgedr. bei Schubert, Vorlagen der Redaktoren, Sachenrecht, Teil 1, S. 1103. – Dem Wortlaut nach auch Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 586 (im Ergebnis freilich der h. M. anhängend). 50 Vgl. Prot. 4052 = Mugdan III 698 zu § 1007 BGB. Letzterer bezwecke demgegenüber den Schutz des früheren (auch und in erster Linie Fremd-)Besitzers gegenüber einem schlechter Berechtigten. 51 Vgl. für die ähnlichen Vermutungen im schweizerischen ZGB auch D. Weber, Publizitätsprinzip im schweizerischen Recht, S. 15 ff.

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nicht, weil er Eigentümer ist. Die Kontinuität der bestehenden Besitzlage, nicht der Herausgabeanspruch des – angeblichen oder tatsächlichen – Eigentümers wird geschützt. Das wird durch die Entstehungsgeschichte zusätzlich erhärtet: Nicht zufällig wurde § 1006 BGB zunächst systematisch an ganz anderer Stelle in die sachenrechtlichen Normen eingeordnet, nämlich im Zusammenhang mit der negatorischen Klage, also ausschließlich zugunsten des Besitzers, der sich gegen die Herausgabeklage des (früheren) Eigentümers zur Wehr setzt52. Wie sehr dieser Kontinuitätsgedanke dabei auch dem laienhaften Rechtsempfinden entspricht, lässt sich an einem vermeintlichen Paradefall der h. M. zeigen, nämlich dem Zurücklassen von Gegenständen beim plötzlichen Auszug aus einer gemeinsamen Wohnung, die bislang im Rahmen einer Wohngemeinschaft oder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft geteilt wurde53. Auf solche Gegenstände könnte § 1006 BGB nach h. M. keine Anwendung zugunsten des zurückbleibenden, nunmehr allein besitzenden Partners finden, weil mit dem Auszug in aller Regel keine Übereignung an ihn verbunden sei54. Entscheidend dafür soll vor allem die Zumutbarkeit der Beweisführung sein: Beim Auszug aus persönlichen Gründen sei eine Beweissicherung nicht zumutbar, überdies werde kein Laie daran denken, dass sich durch den Auszug die Beweislage verändere55. Das überzeugt aber nicht: Der Ausziehende wird sich auch als Laie sehr wohl bewusst sein, dass er sich mit dem Auszug seiner unmittelbaren Zugriffsmöglichkeit begibt, dass er also alles, was er zurücklässt, vom Verbleibenden 52 Vgl. Prot. 4049 ff. = Mugdan 519 f. – Der erste Entwurf kannte demgegenüber keine allgemeine Vermutung zugunsten des Besitzers, sondern nur im Falle der Schadensersatzleistung an den Besitzer, § 825 E I (vgl. Mugdan III, S. VIII; dazu Mot. III 74 f. = Mugdan III 133 ff. – ähnlich dem späteren § 851 BGB, aber nur mit prozessualer Vermutungs-, nicht materieller Befreiungswirkung). 53 Dazu Krebs, FamRZ 1994, 281 ff. – Für Hausratsgegenstände in der Ehe geht der spezielle § 1361a Abs. 4 BGB vor: ausführlich Krebs, a. a. O., S. 282. 54 So im Wege „teleologischer Reduktion“– und dabei in konsequenter Fortführung der h. M. – Krebs, a. a. O., S. 284 f. 55 A. a. O., S. 284 re. Sp. – Hinzu komme Folgendes: Die Publizitätswirkung sei in diesem Falle eingeschränkt, denn der Wechsel von Mit- zu Alleinbesitz sei kaum erkennbar, weil Alleinbesitz wegen § 856 Abs. 2 BGB erst durch dauerhaften Auszug entstehe, beim Auszug dessen dauerhafte oder bloß vorübergehende Natur aber oft noch nicht absehbar sei. – Das indes bleibt ganz dem (im Rahmen des Eigentumserwerbs überwundenen) Gedanken verhaftet, die Übereignung erfordere „Handlungspublizität“ im Sinne einer nach außen erkennbaren Übertragungshandlung. Dem sich aufdrängenden Wahrscheinlichkeitsargument, ein Übereignungswille beim Auszug sei nicht wahrscheinlicher als sonst auch, will Krebs, a. a. O., S. 284, dagegen kaum Bedeutung beimessen; und in der Tat kann doch das Zurücklassen beim Auszug unter Umständen auf ein gewisses Desinteresse und damit durchaus auch auf einen Schenkungswillen schließen lassen.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

wird herausverlangen müssen; dass sich damit seine tatsächliche wie rechtliche Position erheblich verschlechtert, kann niemand übersehen. Ohnehin halten sich die praktischen Auswirkungen der Verschlechterung der Beweislage in Grenzen: Denn bereits vor dem Auszug besteht lediglich Mitbesitz, also allenfalls die Vermutung für gemeinsames Eigentum. Will vor dem Auszug einer der Beteiligten Alleineigentum geltend machen (etwa weil er den in einer Wohngemeinschaft bislang gemeinsam benutzten Fernseher vom Wohn- ins eigene Zimmer verbringen oder weil er den Auszug vorbereitet), obliegt ihm dafür auch zu diesem Zeitpunkt – also unabhängig vom Auszug – die volle Beweislast. 3. Denkbare Einwände a) Der Ausschluss der Vermutung bei Abhandenkommen, § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB Auch die Vorschrift des § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB (also die Aufhebung der Vermutungswirkung gegenüber dem früheren Besitzer, dem die Sache abhanden gekommen ist), die von der h. M. als wesentliches Argument für die Beschränkung auf die Erwerbsvermutung angeführt wird, wendet sich bei näherem Hinsehen gegen diese Beschränkung und spricht vielmehr im Grundsatz für die hier vertretene Zustandsvermutung: Denn diese Vorschrift zeigt nicht etwa, dass die Vermutung ausgeschlossen sei, wenn der Besitzer den Besitz nicht auf dem „normalen“ Weg von Übergabe und Übereignung erhalten habe56. Das zeigt sich schon, wenn etwa der Dieb die Sache an einen gutgläubigen Erwerber weiterveräußert und übergibt: Dann fallen aus Sicht des Erwerbers Besitz- und Eigentumserwerb sogar zusammen, die Übereignung scheitert lediglich an § 935 BGB. Dass umgekehrt ein Eigentumserwerb auch an abhanden gekommenen Sachen grundsätzlich möglich ist – nämlich vom Berechtigten nach § 931 BGB –, setzen sowohl § 935 als auch § 1007 Abs. 2 BGB ausdrücklich voraus. Die h. M. findet auch in den Gesetzesmaterialien nur scheinbar eine Stütze. Zwar heißt es dort zur Einfügung des § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB zunächst tatsächlich, bei anderen beweglichen Sachen als Geld und Inhaberpapieren „müsse dagegen die Vermuthung fortfallen, wenn der klagende frühere Besitzer oder mittelbare Besitzer darthue, daß die Sache gestohlen oder verloren oder sonst ohne den Willen des früheren Besitzers aus seinem Besitz gekommen sei; denn aus dieser Art des Besitzverlustes ergebe 56 So aber BGH LM § 1006 BGB Nr. 10 = NJW 1967, 2008; NJW 1984, 1456/ 1457 m. w. N.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 10 II 2, Rdnr. 6; auch Krebs, FamRZ 1994, 281/282 f.

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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sich, daß er den Eigenthumsverlust für den früheren Besitzer oder mittelbaren Besitzer nicht zur Folge gehabt habe und daß der gegenwärtige Besitzer auf dem regelmäßigen Wege des redlichen Erwerbes durch Übergabe nicht Eigenthümer geworden sein könne.“57 Wäre aber die Argumentation der h. M. richtig, dass die Vermutung an die Übergabe anknüpfe und deshalb nur im Falle des § 929 S. 1 BGB gelte, würde sich die Ausnahme abhanden gekommener Sachen (die also nicht übergeben worden sind) daraus von selbst ergeben; § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB wäre eigentlich überflüssig. Dementsprechend fahren die Protokolle58 fort: „Die Vorschrift [des § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB] sei nicht . . . deshalb entbehrlich, weil durch den Nachweis des Besitzverlustes ohne Willen die Eigenthumsvermuthung widerlegt werde, denn dieser Nachweis lasse die Möglichkeit bestehen, daß der jetzige Besitzer auf andere Art als durch redlichen Besitzerwerb Eigenthümer geworden sei“ – etwa durch nachträgliche Übereignung über § 929 S. 2 BGB an den Dieb. Dem lässt sich umgekehrt eindeutig entnehmen, dass es in allen anderen Fällen außerhalb des Abhandenkommens bei der Vermutungswirkung bleiben soll. Sie greift demnach auch dann, wenn der Besitzer einen Eigentumserwerb nach § 929 S. 2 BGB behauptet, und insbesondere in den eigentlich problematischen Fällen des sich unberechtigt zum Eigenbesitzer aufschwingenden Besitzmittlers, so dass sich die Vermutung dort sogar gegen den früheren Oberbesitzer (Vorbehaltsverkäufer, Vermieter) wenden kann. Der Grund für die Ausnahme abhanden gekommener Sachen gegenüber dem früheren Besitzer liegt vielmehr darin, dass in diesen Fällen die Besitzposition dieses früheren Besitzers in gewisser Weise fortwirkt und der Sache noch „anhaftet“: Weil er sich des Besitzes nicht freiwillig begeben hat, verleiht ihm das Gesetz noch verstärkte Zugriffsrechte nach §§ 861, 858 Abs. 1 und 2 sowie vor allem nach § 1007 Abs. 2 BGB, der sich selbst gegen den gutgläubigen Besitzer richten kann. § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB dehnt damit – ebenso wie § 935 BGB – den Schutz des ehemaligen Besitzers bei unfreiwilligem Besitzverlust auf die Zeit nach diesem Besitzverlust aus. Hat der frühere Besitzer die Sache dagegen freiwillig an einen Besitzmittler übergeben, hängt seine Besitzposition allein von dessen Willen ab. b) Der Besitzer als Anspruchsteller Der Kontinuitätszweck tritt in Reinform nur auf, wenn sich der Besitzer zur Abwehr der Vindikation auf § 1006 BGB stützt. Das Beispiel der negatorischen Klage aus § 1004 BGB zeigt allerdings, dass der Besitzer auch 57 58

Prot. 4053 = Mugdan III 520. A. a. O.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

als Anspruchsteller auftreten kann, ebenso im Fall der Feststellungsklage hinsichtlich des eigenen Eigentums. Auch dem aktiv vorgehenden Besitzer die Beweiserleichterung zugute kommen zu lassen, steht indes nicht im Widerspruch zum Kontinuitätszweck: Denn im Rahmen des § 1004 BGB geht es um die Abwehr von Störungen, also letztlich ebenfalls um den Erhalt der ehemals störungsfreien Lage. Das gleiche gilt für das Beispiel der Feststellungsklage: Auch hier wird das – wegen § 256 ZPO erforderliche – Feststellungsinteresse nur dann gegeben sein, wenn ein anderer das Eigentum streitig macht. Inhaltlich ist diese Situation lediglich die Umkehrung der Vindikation, so dass dieselbe Beweislastverteilung geboten erscheint. Nichts anderes gilt schließlich für die Fälle, in denen für eine Zahlungsklage das Eigentum an einer Sache Voraussetzung ist, etwa bei Beschädigung aus § 823 BGB59 oder bei Klage auf Auszahlung der Mieteinnahmen, die der redliche, aber unberechtigte Besitzer gezogen hat, aus § 993 Abs. 1 BGB. Dort muss der Anspruchsteller jeweils nur seinen gegenwärtigen bzw. seinen früheren Besitz nachweisen (im Falle des § 993 BGB muss zusätzlich feststehen, dass der jetzige Besitzer nicht Eigentümer ist), um die Vermutung des § 1006 Abs. 1 bzw. 2 BGB für sich in Anspruch nehmen zu können. Auch das dient letztlich der Kontinuität des Bestehenden oder zumindest des Bisherigen: Wenn die beschädigte Sache vor der Beschädigung bei dem Besitzer sich befand, so kann die Kontinuität am Besten dadurch gewahrt werden, dass nun der entsprechende Wertersatz in Geld anstelle der Sacheinbuße dem Besitzer zufließt. Ebenso verhält es sich im Fall des § 993 BGB: Steht die Nichtberechtigung des gegenwärtigen Besitzers fest, etwa weil die Sache dem früheren Besitzer abhanden gekommen war (§ 1006 Abs. 1 S. 2), so spricht unter Kontinuitätsgesichtspunkten alles für den letzten berechtigten Besitzer. Ohne das – von der Rechtsordnung missbilligte – Abhandenkommen wäre er Besitzer geblieben und hätte dementsprechend die Früchte gezogen. Daher gebühren sie ihm zumindest eher als dem jetzigen Besitzer. c) Der ehemalige Besitzer, § 1006 Abs. 2 BGB Nur in scheinbarem Widerspruch zum Kontinuitätsschutz für den gegenwärtigen Besitz steht schließlich auch der § 1006 Abs. 2 BGB, der die Vermutung zugunsten des ehemaligen Besitzers dem Wortlaut nach ausdrücklich auf die Dauer der vergangenen Besitzzeit begrenzt; da diese Zeit abge59 Vgl. zu diesem Fall ausdrücklich auch Mot. III 134 f. = Mugdan III 74 f. betreffend die Vermutung zugunsten des Besitzers der beschädigten Sache nach § 825 E I. – Den Schädiger begünstigt daneben der später eingefügte § 851 BGB auch in materiell-rechtlicher Hinsicht: dazu unten Kap. 4, D. II., S. 305 ff.

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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schlossen ist, scheint es nichts mehr zu erhalten zu geben – und damit scheinbar auch keinen Zusammenhang zum Kontinuitätszweck. Dabei ist zu beachten, dass die allgemeine Meinung den § 1006 Abs. 2 BGB in einer gänzlich verschiedenen Richtung mit Kontinuität in Zusammenhang bringt, indem sie ihn ausdrücklich über den Wortlaut hinaus auch auf die Zeit nach Besitzaufgabe ausdehnt; betroffen ist damit nämlich die allgemeine Rechtsfortdauervermutung und damit die Kontinuität des Eigentums. Zutreffenderweise geht es aber zumindest in § 1006 Abs. 1 und 3 BGB um die Kontinuität des ungestörten Besitzes. Wie passt dazu nun der vergangene Besitz? Auf den ersten Blick könnte man meinen, § 1006 Abs. 2 BGB schütze ebenfalls den gegenwärtigen Besitzer, indem dieser sich auf seinen Besitzvorgänger berufen könnte, also beispielsweise der Erbe auf die Vermutung zugunsten des Erblassers oder der Käufer auf diejenige zugunsten seines Verkäufers60. Bei näherem Hinsehen vermag dieser Gesichtspunkt aber den § 1006 Abs. 2 BGB nicht als konsequente Fortführung des Kontinuitätsschutzes zu rechtfertigen: Denn zum Einen käme die Vermutung damit nicht (mehr) dem damaligen Besitzer zugute. Zum Anderen gilt die Vermutung – wie der Wortlaut nahe legt und wie im Übrigen noch zu zeigen sein wird61 – ausschließlich zugunsten des früheren Besitzers und nicht zugunsten Dritter, insbesondere auch nicht zugunsten eines Besitznachfolgers (dort ist sie auch gar nicht nötig, weil dieser sich als gegenwärtiger Besitzer auf die Zustandsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB berufen kann). Um Kontinuität geht es dem § 1006 Abs. 2 BGB vielmehr in denjenigen Fällen, in denen der ehemalige Besitzer aus seiner vergangenen Besitzzeit noch etwas in seinem Vermögen behalten hat, was er während seiner Besitzzeit als Eigentümer aus der Sache gewonnen hatte – also etwa die gezogenen Früchte oder auch der Verkaufserlös. Diese aus der Sache gewonnenen Vermögenszuwächse sollen grundsätzlich beim früheren Besitzer erhalten bleiben, solange nicht ein anderer seine damalige Berechtigung positiv beweisen kann. Nur diese Fälle meint § 1006 Abs. 2 BGB. Auch im Fall der Vindikation behält § 1006 Abs. 2 BGB seine Berechtigung: Denn hat der Kläger, der eine Sache herausverlangt, im ersten Schritt nachgewiesen, dass die Sache ihm abhanden gekommen war und der beklagte Besitzer damit nicht Eigentümer ist, § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB, so kann er im zweiten Schritt – leicht – den Nachweis seines Eigentums durch seinen früheren Besitz führen, § 1006 Abs. 2 BGB62: Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut noch nicht, dass die Eigentumsvermutung über den Zeitpunkt des Abhandenkommens hinaus gilt; da aber durch das Abhandenkommen ein Eigentumswech60 61 62

So die h. M., vgl. die Nachweise oben I. 2. c), S. 160, Fn. 25 ff. Unten 4. c), S. 177 f. Prot. 4053 = Mugdan III 520; BGH NJW 1995, 1292/1293.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

sel nicht erfolgt ist, wäre es am Beklagten nachzuweisen, dass ein Eigentumswechsel später stattgefunden hat63. Da in diesen Fällen erwiesen ist, dass die gegenwärtige Besitzlage nicht schutzwürdig ist, liegt es nahe, die frühere Besitzlage wiederherzustellen; genau darauf zielt im Übrigen auch § 1007 Abs. 2 BGB. 4. Das Entfallen der Vermutungsrichtungen der h. M. a) § 1006 BGB als Zustands- statt Erwerbsvermutung (anders als § 891 BGB) Da § 1006 BGB nicht an eine etwaige Publizität des Erwerbsvorgangs, sondern an den gegenwärtigen Zustand des Besitzes anknüpft, handelt es sich nicht um eine Erwerbs-, sondern um eine Zustandsvermutung64. Die Zustandsvermutung gilt dabei zunächst grundsätzlich unabhängig davon, wie der Besitz einmal erlangt worden ist. Unter Umständen erinnert der Besitzer sich daran gar nicht mehr; dennoch ist er schutzwürdig. Das wird durch die Gesetzgebungsmaterialien bestätigt, wonach es Sinn und Zweck der Eigentumsvermutung sein sollte, den Besitzer der – häufig kaum zu erfüllenden – Pflicht zu entheben, Art und Weise des Erwerbs im Nachhinein noch nachweisen zu müssen65. Anderes gilt erst und nur dann, wenn der Beweisgegner die Voraussetzungen des § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB darlegt. § 1006 BGB unterscheidet sich dadurch deutlich von der Eigentumsvermutung im Grundstücksrecht in § 891 BGB, bei der eine Erwerbsvermutung eher gerechtfertigt erscheint66. Erstaunlicherweise versteht nun die h. M. ausgerechnet die Vermutung aus dem Grundbuch nach § 891 BGB im Wesentlichen als Zustandsvermutung: Danach soll derjenige, der sich auf eine von der Eintragung abweichende Rechtslage beruft, nicht nur beweisen müssen, dass der Erwerb im Zeitpunkt der Eintragung nicht erfolgt ist, sondern darüber hinaus zumindest jede vom Beweisgegner behauptete Möglichkeit anderweitigen Erwerbs widerlegen67. Das Umgekehrte ist der Fall: 63

Zur Rolle der allgemeinen Rechtsfortdauervermutung sogleich unten 4. b). Zur Unterscheidung vgl. Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 34 I; Jauernig, § 1006 BGB, Rdnr. 1. – Ebenfalls ausdrücklich für § 1006 BGB als Zustandsvermutung: Rosenberg, Beweislast, S. 147, 225 ff.; M. Wolf, JuS 1985, 943 f.; Jauernig, a. a. O. 65 Prot. 4052 f. = Mugdan III 520. 66 Noch deutlicher als Erwerbsvermutung formulierte der 1. Entwurf in § 826: „Es wird vermuthet, daß derjenige, für welchen ein Recht an einem Grundstücke . . . in das Grundbuch eingetragen ist, das Recht erworben habe, und daß ein Recht, dessen Erlöschen . . . eingetragen ist . . ., aufgehoben sei“ (abgedruckt bei Mugdan III, S. VIII; Hervorhebungen nicht im Original). 64

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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Denn im Grundstücksrecht ist der Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Eintragung und dem Rechtswechsel wesentlich enger. Zum Einen hängt der Eigentumserwerb an Grundstücken grundsätzlich von der Eintragung ab (§ 873 Abs. 1 BGB68) – im Gegensatz zu beweglichen Sachen, die auch ohne jeden Besitz durch bloßen Herausgabeanspruch erworben werden können (§ 931 BGB). Vor allem aber kann die Eintragung – im Gegensatz zur Übergabe – keinem anderen Zweck als dem Vollzug und der Dokumentation der Rechtsänderung dienen; auch ist eine der Eintragung erst nachfolgende Übereignung – wiederum anders als beim Besitz, § 929 S. 2 BGB – nicht vorgesehen. Dementsprechend ist die Eintragung über §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 2 BGB auch bedingungsfeindlich, während für bewegliche Sachen bedingte Übereignungen ganz unabhängig vom Besitz ausdrücklich vorgesehen sind, vgl. etwa §§ 185 Abs. 2 (Genehmigung), 454 (Kauf auf Probe), 449 (Kauf unter Eigentumsvorbehalt). Das Ergebnis – § 891 BGB als schwächere Erwerbs-, § 1006 BGB als stärkere Zustandsvermutung – überrascht auf den ersten Blick, da doch das Grundbuch die Rechtslage ohne jeden Zweifel zuverlässiger anzeigt als der Besitz. Der Grund für die höhere Zuverlässigkeit liegt aber allein in der strikten Anbindung des Erwerbs- an den Eintragungszeitpunkt. Ist diese punktuelle Anbindung ausnahmsweise widerlegt und damit aufgehoben, spricht nur noch wenig für die Richtigkeit des Grundbuchs. Bei den beweglichen Sachen fehlt dagegen ein derartiger Zusammenhang zwischen Übergabe und Eigentumserwerb; dann aber kann § 1006 BGB nicht auf den Erwerbszeitpunkt, sondern muss auf den Zustand bestehenden Besitzes abzielen. b) § 1006 BGB als Ausnahme zur allgemeinen Rechtsfortdauervermutung Als fehlerhaft erweist es sich auch, den § 1006 BGB im Einklang mit einer allgemeinen Rechtsfortdauervermutung, insbesondere also der Vermutung fortdauernden Eigentums, zu sehen. Vielmehr ist erneut das Umgekehrte der Fall: Die allgemeine Vermutung fortdauernden Eigentums – die nach allgemeinen Grundsätzen bestünde – wird durch § 1006 BGB in seinem Anwendungsbereich aufgehoben. 67

So BGH MDR 1956, 542/543; JZ 1970, 373/374; MDR 1972, 222; NJW 1979, 1656; MK/Wacke, § 891 BGB, Rdnr. 18 m. w. N. Noch weitergehend in Richtung einer Zustandsvermutung RGZ 92, 68/71 f.; 127, 251/261: Danach sollte der Beweisbelastete alle nur denkbaren Erwerbsmöglichkeiten (also nicht nur die vom Beweisbegünstigten behaupteten) ausschließen müssen. – Zu Recht für eine Erwerbsvermutung in § 891 BGB dagegen Medicus, FS Baur, S. 63/80 f. (m. w. N. zur nicht immer einheitlichen Rechtsprechung S. 69 f.). 68 Einschränkend freilich Mot. III 154 = Mugdan III 85.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

Nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen muss, sobald die eine Partei ein ursprünglich ihr zustehendes Recht bewiesen hat, die andere Partei das Erlöschen dieses Rechtes nachweisen: Ist beispielsweise eine Kaufpreisforderung eingeklagt, muss der Verkäufer nur das Entstehen der Forderung nachweisen; dann obliegt es dem Käufer, das Erlöschen – etwa durch Erfüllung, § 362 BGB – nachzuweisen. Gleiches gilt grundsätzlich für den Eintritt begünstigender Bedingungen, § 158 BGB. Genau diese Fortdauervermutung würde nach allgemeinen Regeln auch in der Vindikationslage gelten: Steht lediglich fest, dass der Kläger ursprünglich Eigentümer war und der Beklagte jetzt Besitzer ist, so müsste man – gäbe es den § 1006 BGB nicht – die allgemeine Fortdauervermutung zugrundelegen, nach der ein einmal entstandenes Recht so lange als bestehend gilt, bis sein Erlöschen nachgewiesen ist; dann obläge es also dem jetzigen Besitzer, seinen Eigentumserwerb nachzuweisen. Hier greift § 1006 BGB zugunsten des gegenwärtigen Besitzers ein, indem er die Fortdauervermutung aufhebt. Dies wird wiederum durch die Gesetzgebungsmaterialien ausdrücklich bestätigt. So führen die Protokolle aus: Ohne die Regelung des § 1006 BGB „genüge zur Begründung der Vindikation der Nachweis, dass der Kläger einmal Eigenthum erworben habe; der beklagte Besitzer müsse zur Abwehr des Anspruches auf Herausgabe diesem Nachweise gegenüber dartun, daß das Eigenthum des Klägers nicht mehr fortbestehe. Diese Regelung sei für bewegliche Sachen nicht annehmbar. Sie gefährde den gegenwärtigen Eigenthümer, der gegenüber einem früheren Eigenthümer unterliegen müsse, wenn er den oft schwierigen Beweis seines Eigenthumserwerbes nicht führen könne. . . . Der gegenwärtige Besitzer müsse vielmehr regelmäßig die Vermuthung des Eigenthumes für sich haben. Diese Vermuthung entspreche dem [zum Besitzschutz] gefaßten Beschlusse“69. Nicht durchsetzen konnte sich demgegenüber die Minderheit, die für die Eigentumsvermutung grundsätzlich kein Bedürfnis sah, weil der Nachweis des Eigentumserwerbs keine erheblichen Schwierigkeiten bereite, und die im Übrigen denjenigen für schutzwürdiger hielt, der sein früheres Eigentum nachweise70. Eine Fortdauervermutung ergibt sich also – entgegen überwiegender Auffassung – nicht aus einer ergänzenden Interpretation des § 1006 Abs. 2 BGB71, sondern aus allgemeinen Grundsätzen; § 1006 BGB hebt diese allgemeinen Grundsätze im Speziellen dann wieder auf. Dabei gilt es erneut, einem möglichen begrifflichen Missverständnis vorzubeugen: Dem Gegensatz von allgemeiner Rechtsfortdauervermutung und § 1006 BGB steht der 69

Prot. 4052 = Mugdan III 520. Prot. 4053 f. = Mugdan III 520. 71 So aber die h. M.: Vgl. die Nachweise oben zu I. 2. b), S. 158, Fn. 14. – Im Grundsatz wie hier dagegen: Werner, JA 1983, 617/625 f. 70

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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Kontinuitätszweck des § 1006 BGB nicht entgegen; denn der Rechtsfortdauervermutung geht es um die Kontinuität des Eigentums, dem § 1006 BGB dagegen um die Kontinuität des Besitzes. c) Keine Eigenbesitzvermutung aus § 1006 BGB Schließlich gilt auch keine grundsätzliche Gleichsetzung von Besitz und Eigenbesitz. Vielmehr ist, wie schon aus dem Wortlaut des § 1006 Abs. 1 BGB („zugunsten des Besitzers“) und des Abs. 3 („zugunsten des mittelbaren Besitzers“) erhellt, ein Rückschluss vom Besitz auf Eigenbesitz nur dann gerechtfertigt, wenn der Besitzer dies selbst in Anspruch nimmt. Das wird durch die Regelung des Abs. 3 für den Fall mittelbaren Besitzes noch in weiterer Hinsicht bestätigt: Gibt sich der unmittelbare Besitzer ausdrücklich als Fremdbesitzer aus, kann die Vermutung nicht für ihn, sondern nur für den Oberbesitzer sprechen. Gegen eine allgemeine Eigenbesitzvermutung spricht auch die Regelung des § 938 BGB, die für die Vermutung durchgehenden Eigenbesitzes im Rahmen der Ersitzung zumindest den ausdrücklichen Nachweis von Eigenbesitz am Anfang und am Ende einer Zeitspanne erfordert; im Umkehrschluss reicht bloßer Besitz also offenbar nicht aus72. Im Erfordernis ausdrücklicher Inanspruchnahme liegt zum Einen eine offensichtliche Parallele zum Rechtsscheintatbestand beim gutgläubigen Erwerb, für den ebenfalls logische Voraussetzung ist, dass der besitzende Veräußerer das Eigentum für sich in Anspruch nimmt73. Zum Anderen unterscheidet sich § 1006 BGB dadurch wesentlich von § 891 BGB, der sich ausdrücklich auch gegen den Eingetragenen und dessen Bestreiten wenden kann, weil die Eintragung anders als der Besitz nicht mehrdeutig sein kann. Nun scheint eine Eigenbesitzvermutung auf den ersten Blick in den Fällen der Besitznachfolge recht nützlich: Der Erbe könnte eine Eigentumsvermutung nach § 1006 Abs. 2 BGB zugunsten des Erblassers auch dann für sich geltend machen, wenn man über den Eigenbesitzwillen des Erblassers nichts mehr herausfinden kann; ebenso könnte der Käufer den vermuteten Eigenbesitz seines verschollenen Verkäufers für sich streiten lassen. Ein solcher Rückgriff auf den Besitzvorgänger wird aber innerhalb des Systems der h. M. erst dadurch nötig, dass sie dem § 1006 BGB irrigerweise eine Erwerbsvermutung unterlegt. Die Einbeziehung des Besitzvorgängers wird 72

Übrigens müsste die Eigenbesitzvermutung der h. M. konsequenterweise auch im Rahmen des § 943 BGB Anwendung finden, der die Ersitzungszeit eines gutgläubigen Eigenbesitzers auch dessen Rechtsnachfolger zugute kommen lässt; bei Unerreichbarkeit des Rechtsvorgängers müsste also dessen Eigenbesitz vermutet werden. 73 Näher unten Kap. 4, C. II. 3., S. 295 ff.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

aber überflüssig, sobald man die Norm zutreffend als Zustandsvermutung versteht: Dann muss der Besitzer nur seinen gegenwärtigen Besitz darlegen, nicht aber das Eigentum (oder den Eigenbesitz) seines Rechtsvorgängers. Mit anderen Worten: Im Rahmen der h. M. wird die – im Wortlaut des § 1006 BGB nicht vorgesehene – Eigenbesitzvermutung erst erforderlich, weil sie die Vermutungswirkung zu Unrecht auf den Erwerb nach § 929 S. 1 BGB beschränkt. Zutreffenderweise spricht aber im Beispiel für den Erben ohnehin dessen gegenwärtiger Besitz: Allein daraus wird sein Eigentum – zunächst einmal unabhängig vom Erbfall – vermutet74.

IV. Die Notwendigkeit anderweitiger Einschränkung des Vermutungsumfangs, insbesondere beim Vorbehaltskauf Wenn nun aber § 1006 BGB als Zustandsvermutung jedem gegenwärtigen Besitzer zugute kommt, gilt er grundsätzlich auch zugunsten des sich unberechtigt „aufschwingenden“ Fremdbesitzers gegenüber seinem Oberbesitzer, also etwa zugunsten des Mieters gegenüber seinem Vermieter. Das überrascht auf den ersten Blick: Der ehemalige Oberbesitzer scheint ungeschützt, eine Übergabe zum Zwecke eines bloßen Besitzmittlungsverhältnisses damit eher unratsam. Geht das nicht zu weit? Gibt es eventuell anderweitige Einschränkungsmöglichkeiten der Zustandsvermutung? 1. Denkbare Ansätze a) Einschränkung gegenüber dem ehemaligen Oberbesitzer? Den ehemaligen Oberbesitzer stets von der Vermutung auszunehmen, erweist sich als mit dem Gesetz unvereinbar. Alle Auslegungskriterien sprechen dagegen: Der Wortlaut des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB ist zunächst eindeutig; er spricht die Vermutung jedem Besitzer unabhängig von der Erwerbsart und seinem Verhältnis zum Prozessgegner zu. 74 Schwieriger ist es, dem Insolvenzverwalter die Vermutungswirkung aus § 1006 BGB für die Massegegenstände zukommen zu lassen (vgl. zur h. M. oben I. 2. c) a. E., S. 160): Der Verwalter selbst besitzt lediglich für den Gemeinschuldner, ist also Fremdbesitzer. Ob der Gemeinschuldner mit dieser Besitzmittlung einverstanden ist, ob er also selbst Eigenbesitzer sein will, wird häufig – zumal bei juristischen Personen in der Liquidation – schwer feststellbar erscheinen. Doch dürfte die Stellung des Insolvenzverwalters soweit gehen, dass er auch diesen Eigenbesitzwillen für den Gemeinschuldner übernehmen darf (zur – im Einzelnen umstrittenen – Rechtsstellung des Insolvenzverwalters vgl. HeidelbergerKomm-InsO/Eickmann, § 56 Rdnr. 36 ff. m. w. N.).

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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Gleiches gilt für die Gesetzgebungsgeschichte: § 1006 BGB wurde zum Schutz des gegenwärtigen Besitzers, nicht des Eigentümers eingefügt75. Die Vermutung sollte dabei ausdrücklich auch gegenüber dem früheren Eigentümer gelten; der Besitzer sollte gerade in diesem Verhältnis vom unter Umständen schwer zu führenden Beweis des Eigentumserwerbs befreit sein76. Insbesondere das in den Protokollen verwendete Beispiel verlorener Kaufbelege (also vor allem Quittungen) zeigt, dass die Vermutung selbstverständlich zumindest im Rahmen eines Kaufes unter Eigentumsvorbehalt Anwendung finden muss; darüber hinaus findet sich aber weder eine Anknüpfung an noch gar eine Einschränkung auf bestimmte Erwerbsarten, so dass auch der Erwerb etwa vom ehemaligen Vermieter im Wege des § 929 S. 2 BGB geschützt ist. Ebenso eindeutig spricht der aufgezeigte Normzweck der Kontinuität des gegenwärtigen Besitzes für die Vermutungswirkung auch gegenüber dem ehemaligen Oberbesitzer. Zum selben Ergebnis gelangt man schließlich durch systematische Erwägungen: Da ist zunächst die Systematik innerhalb des § 1006 BGB. Nach § 1006 Abs. 3 BGB kann nämlich der mittelbare Besitzer eine eigene Eigentumsvermutung für sich erst geltend machen, wenn er zunächst seinen mittelbaren Besitz, und zwar auch dessen Fortbestehen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt, beweisen kann; für den früheren Besitzer gilt sie nämlich nur, solange er Besitz hat, § 1006 Abs. 2 BGB. Eindeutig ist auch § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB, der eine Ausnahme von der Vermutungswirkung gegenüber dem früheren Besitzer nur dann macht, wenn die Sache diesem abhanden gekommen ist – was beim unrechtmäßigem „Aufschwingen“ des Unterbesitzers, dem der frühere Oberbesitzer die Sache freiwillig übergeben hat, nicht der Fall ist. Nichts anderes ergibt die Systematik außerhalb des § 1006 BGB: Er befindet sich im Titel über Vindikation und negatorische Klage77 und richtet sich damit grundsätzlich gegen jegliche Vindikation, auch die des ehemaligen Oberbesitzers. In der entsprechenden Anwendung des § 1006 BGB über §§ 1065, 1227 BGB kann sich die Vermutung zugunsten des Besitzers sogar gegen den unstreitigen Eigentümer wenden, von dem das angebliche dingliche Recht abgeleitet wird. Ebenso kann sich der – ebenfalls auf Besitzkontinuität gerichtete – Besitzschutz nach §§ 858 ff. BGB zugunsten des unmittelbaren auch gegen den mittelbaren Besitzer wenden, wie § 869 BGB zeigt. Darüber hinaus steht die Vermutungswirkung zugunsten des unmittelbaren 75

Vgl. auch Prot. III 383 = 4054 f. = Mugdan III 698 zu § 1007 BGB. Prot. III 382 = 4052 f. = Mugdan III 520; ebenso Denkschrift z. Sachenrecht 134 = Mugdan III 979. 77 Ausdrücklich auch Prot. 4049 ff. = Mugdan III 519 f.; Denkschrift z. Sachenrecht, S. 134 = Mugdan III 980; auch Mot. III 134 = Mugdan III 74 f. zu § 851 BGB. 76

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

Besitzers auch im Einklang mit der Wertung der §§ 932 bis 935 BGB, nach denen der Eigentümer Rechtsnachteile hinnehmen muss, wenn er sich des unmittelbaren Besitzes freiwillig (und insbesondere zugunsten unzuverlässiger Personen) begibt. Dagegen spricht auch nicht die Vorschrift des § 933 BGB, die auf den ersten Blick ein bloßes „Aufschwingen“ des unmittelbaren Besitzers ohne Besitzübergabe unbeachtlich erscheinen lässt. Denn dort geht es um den viel weiterreichenden materiellen Rechtsverlust zugunsten Dritter, nicht um das prozessuale Verhältnis des unmittelbaren Besitzers zum bisherigen Eigentümer. b) Fortbestehen mittelbaren Besitzes trotz Wegfall des Besitzmittlungswillens – Schutz des Herausgabeanspruchs (Hartung)? Ein ganz anderer Weg bestünde darin, den Begriff des „mittelbaren Besitzes“ in § 1006 Abs. 3 BGB zu erweitern und ihn auch dann fortbestehen zu lassen, wenn der unmittelbare Besitzer sich zum Eigenbesitzer aufschwingt. Tatsächlich wird vereinzelt der Zweck des § 1006 BGB auf den Schutz bestehender Herausgabeansprüche verschoben78. Das setzt indessen voraus, dass man den mittelbaren Besitz auf den bloßen Herausgabeanspruch reduziert und einem etwa fehlenden Besitzmittlungswillen keine Bedeutung beimisst79. In der Konsequenz könnte man dann etwa dem Vermieter den Schutz des § 1006 Abs. 3 BGB auch gegenüber dem unmittelbar besitzenden Mieter zukommen lassen80. Man mag darüber streiten, ob de lege ferenda ein verstärkter Schutz von Herausgabeansprüchen wünschenswert erscheint; dem Gesetz ist ein verdinglichter Schutz obligatorischer Herausgabeansprüche jedenfalls grundsätzlich fremd. Ein solcher Ansatz verfehlt darüber hinaus das geltende Besitzrecht: § 1006 BGB bezweckt nur den – prozessualen – Schutz des Besitzers (sei er unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer) nach außen, d.h. gegenüber Nicht-Besitzenden. Allenfalls regelt er – in § 1006 Abs. 2 BGB – das Verhältnis mehrerer Besitzer, die zu verschiedenen Zeiten besessen haben, nicht aber dasjenige mehrerer gleichzeitiger Besitzer verschiedener Stufen untereinander. Daraus einen Schutz des Oberbesitzers gegen den unmittelbaren Besitzer zu konstruieren, erscheint dem Gesetzeszweck fremd – insbesondere widerspräche es auch systematisch den §§ 868 f. BGB, den mittelbaren gegen den unmittelbaren Besitzer zu schützen. Um den Schutz von Herausgabeansprüchen (der mit Publizität 78 Hartung, Besitz und Sachherrschaft, S. 265 f.; im Ergebnis ebenso Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 228 ff., insb. S. 249; in einem speziellen Fall auch Picker, AcP 18 [1988], 544/566 f. 79 Hartung, a. a. O., S. 281 ff. 80 So Hartung, a. a. O., S. 265 f.

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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freilich ohnehin nichts mehr zu tun hätte) kann es dem § 1006 BGB de lege lata also nicht gehen. Lässt man dagegen jedenfalls ein ausdrückliches Aufkündigen seitens des unmittelbaren Besitzers zur Beendigung des mittelbaren Besitzes genügen81, führt dieser Ansatz in der Prozesssituation nicht weiter: Denn in der ausdrücklichen Verweigerung der Herausgabe liegt ein solches Aufkündigen, so dass sich der Herausgabekläger daraufhin nicht mehr auf § 1006 Abs. 3 BGB stützen könnte. 2. Die Lösung über die sekundäre Behauptungslast Im Falle der Beendigung des mittelbaren Besitzes durch ein „Aufschwingen“ des unmittelbaren Besitzers zeigt sich aber gleichzeitig, dass sich die Beweissituation für den ehemaligen Oberbesitzer – auch bei reiner Zustandsvermutung – gar nicht erheblich verschlechtert: Denn kann der Herausgabekläger im ersten Schritt – etwa durch Vorlage eines Mietvertrages – beweisen, dass er ursprünglich mittelbarer Besitzer war und die Übergabe nur der Begründung dieses Besitzmittlungsverhältnisses diente, spricht zunächst § 1006 Abs. 3 BGB für ihn. Dann ist es am unmittelbaren Besitzer, seinen jetzigen Eigenbesitz nachzuweisen, um demgegenüber in den Genuss des § 1006 Abs. 1 S. 1 zu kommen. Wie beweist er aber den gegenwärtigen Eigenbesitz? Dafür reicht zunächst aus, dass er sich im Prozess als Eigenbesitzer darstellt, weil man dies gleichzeitig als „Aufkündigung“ gegenüber dem Herausgabekläger wird werten können. Zwar kann er sich grundsätzlich allein dadurch in den Genuss der Vermutungswirkung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB bringen; indessen wird ihm das nichts nützen: Denn es liegt auf der Hand, dass er durch die einseitige Aufkündigung im Prozess lediglich Eigenbesitzer, aber nicht Eigentümer werden kann; die Vermutung kann damit als widerlegt gelten82. Ähnliches gilt für eine bereits vorprozessual erfolgte Aufkündigung. Da der jetzige Eigenbesitzer durch die Aufkündigung allein nicht Eigentümer geworden sein kann, muss er zusätzlich eine Übereignung (insbesondere nach § 929 S. 2 BGB) behaupten. Im Falle einer solchen Behauptung folgt aber aus § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB die weitere Beweislastverteilung, dass wiederum der Herausgabekläger die behauptete Übereignung widerlegen muss. Wie wahrscheinlich eine Übereignung im Wege des § 929 S. 2 BGB etwa während eines laufenden Mietvertrages ist, ist dann allein eine Frage der tatrichterlichen Beweiswürdigung, nicht der Beweislast83. 81 So die allgemeine Meinung im Anschluss an die Auffassung des Gesetzgebers, vgl. die Nachweise oben Kap. 1, B. II. 2., S. 40. 82 Ähnlich Werner, JA 1983, 617/625.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

Damit ist die Lösung aufgezeigt: Auch gegenüber dem Besitzvorgänger bzw. dem ehemaligen Oberbesitzer ist der gegenwärtige Eigenbesitzer zwar der Beweislast enthoben; ihn trifft aber gegebenenfalls die sekundäre Behauptungslast84 darüber, wie und wann er Eigenbesitz erworben hat85. Diese sekundäre Behauptungslast ergibt sich im Prozess wie folgt: Ist unstreitig, dass der Herausgabekläger die Sache dem jetzigen Besitzer übergeben hat, dann wird der Herausgabekläger vortragen, er habe sie zu keinem Zeitpunkt – also weder gleichzeitig mit der Übergabe noch davor oder danach – übereignet. Um überhaupt einen Streit über die Eigentumsverhältnisse zu erreichen, muss der Besitzer Letzteres bestreiten. Dazu kann er sich aber wegen § 138 Abs. 4 ZPO nicht auf ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen beschränken86, er muss also vielmehr ausdrücklich einen Übereignungstatbestand – sei es nach § 929 S. 1, S. 2, § 930 oder § 931 BGB – behaupten. Diesen zu widerlegen obliegt dann wiederum dem Herausgabekläger. Man könnte nun einwenden, der Erinnerung an die genauen Umstände des Eigentumserwerbs und damit einer solchen sekundären Behauptungslast habe der Gesetzgeber den Besitzer doch gerade entheben wollen87. Wenn es aber demgegenüber dem Herausgabekläger schon gelingt, seinen früheren Besitz nachzuweisen, erscheint es nicht unbillig, dem jetzigen Besitzer zu83

Wie denn auch ganz allgemein tatsächliche Wahrscheinlichkeiten weniger eine Rolle für die Beweislastverteilung, sondern vielmehr im Rahmen der Beweiswürdigung spielen: vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 114 Rdnr. 19. 84 „Sekundär“ deshalb, weil primär der Herausgabekläger seinen früheren Besitz und das Fehlen einer Übereignung behaupten muss. – Fälle „sekundärer Behauptungslast“ treten auf, wenn dem Beweisgegner eine genauere Aufklärung leicht, dem Beweisbelasteten aber nicht möglich ist; im Rahmen des Zumutbaren kann dann vom Beweisgegner vor allem das substantiierte Bestreiten einer negativen Tatsache unter Darlegung der für das Positivum streitenden Tatsachen und Umstände verlangt werden, vgl. BGH NJW 1999, 2887/2888; NJW 2001, 64/65; BGHZ 145, 170/184; Zöller/Greger, vor § 284 ZPO, Rdnr. 24, je m. w. N. 85 Ebenfalls für eine sekundäre Behauptungslast des Besitzers, allerdings im Rahmen der Auslegung des § 1006 BGB als Erwerbsvermutung: Medicus, FS Baur, S. 63/78 ff.; vgl. auch MK/Medicus, § 1006 BGB, Rdnr. 16 m. w. N. – Wie hier Rosenberg, Beweislast, S. 234; M. Wolf, JuS 1985, 941/944. Im Rahmen der Rechtsvermutung aus dem Grundbuch nach § 891 BGB läuft im Übrigen die h. M. genau auf eine solche sekundäre Behauptungslast hinaus, indem der Vermutungsgegner nur diejenigen Erwerbsmöglichkeiten widerlegen muss, die der Vermutungsbegünstigte vorträgt (vgl. oben III. 4. a), S. 175, Fn. 67). Gerade dort spricht freilich wegen des engen Zusammenhangs zwischen Eintragungshandlung und Rechtswechsel alles für eine zeitpunktgebundene Erwerbsvermutung. 86 Vgl. insoweit auch Medicus, FS Baur, S. 76 ff. 87 So Staud/Gursky, § 1006 Rdnr. 23, dessen Paraphrase der Gesetzgebungsmaterialien allerdings ungenau ist: Prot. 4052 = Mugdan III 520 betrifft nämlich ausdrücklich nur die Beweis-, nicht die Behauptungslast.

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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mindest die Darlegungslast über die genauen Umstände des Eigentumserwerbs aufzuerlegen. Jedenfalls bringt es die Vermutungswirkung des § 1006 BGB zugunsten des jetzigen Besitzers stärker zur Geltung, als es die h. M. zulassen will, die im Rahmen der Erwerbsvermutung genauso verfährt: Dass mit der Übergabe eine Einigung einherging, muss der Besitzer auch nach h. M. behaupten88; die Beweislast trägt dann der Herausgabekläger. Für eine Einigung ohne Übergabe (§ 929 S. 2 BGB) kann aber nichts anderes gelten: der Besitzer muss ebenfalls eine konkrete Einigung vortragen; dies zu widerlegen, obliegt dann wieder dem Herausgabekläger. Da nach dem hier vorgeschlagenen Verständnis der Übereignung durch Übergabe nach § 929 S. 1 BGB keinerlei Sonderrolle zukommt, trägt der Besitzer also die sekundäre Behauptungslast unabhängig davon, ob er eine mit der Übergabe zusammenfallende oder eine ihr erst nachfolgende (bzw. auch eine vorhergehende) Einigung behauptet. Diese allgemeine Verteilung der Beweis- und Behauptungslast unabhängig von der Übereignungsform findet ihre Entsprechung im Bereicherungsrecht: Wenn eine Übereignung unstreitig erfolgt ist (einerlei, ob durch Übergabe oder durch Surrogat), und lediglich streitig ist, ob ein Rechtsgrund vorliegt, so muss grundsätzlich der Bereicherungsgläubiger (Kläger) den fehlenden Rechtsgrund darlegen und beweisen89. Das bedeutet aber nicht, dass der Bereicherungsschuldner (Beklagte) zum Rechtsgrund schweigen dürfte. Ohne weitere Angaben des Beklagten müsste der Kläger andernfalls nämlich alle auch nur entfernt in Betracht zu ziehenden Gründe durch entsprechende Darlegungen ausräumen. Das ist dann unzumutbar, wenn es andererseits dem Beklagten unschwer möglich ist, den Grund seiner Weigerung, das Erlangte zurückzugewähren, näher darzulegen. Auf Grund dieser Möglichkeit hat aus Zwecken der Prozessförderung zunächst der Beklagte die Umstände darzulegen, aus denen er einen Behaltensgrund ableitet. Erst wenn der Beklagte diese Mitwirkungshandlung vorgenommen hat, kann und muss der Kläger diese Umstände durch eigenen Vortrag und geeigneten Nachweis widerlegen90. Weshalb der Beklagte grundsätzlich schlechter stehen sollte, wenn anstelle des Rechtsgrunds die Übereignung streitig ist, erschließt sich nicht: Auch bei der bereicherungsrechtlichen Rückforderung können die behauptete schuldrechtliche causa und die dingliche Erfüllung zeitlich weit auseinander liegen – vergleichbar dem Auseinanderfallen von Übereignung und Besitzerlangung; in der Regel wird der schuldrechtliche Rechtsgrund zeitlich vor der dinglichen Erfüllung gelegt oder – seltener – sogar erst im 88 89 90

Dazu MK/Medicus, a. a. O. m. w. N. BGH NJW 1995, 727/728; BGHZ 128, 167/171 je m. w. N. BGH NJW 1999, 2887 f.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

Nachhinein geschaffen worden sein, um den Verbleib des Erlangten zu legitimieren. Im Bereicherungsrecht stehen insofern der Rechtsgrund und das Erlangen in einem vergleichbaren Verhältnis zueinander wie im Rahmen der §§ 929 ff. BGB die Einigung und der eigentliche Eigentumsübergang. § 1006 BGB erweist sich dabei letztlich als konsequente Fortführung des § 812 BGB – wenn man nämlich den Eigenbesitz als das „Erlangte“ im Sinne des § 812 BGB annimmt: Der frühere Besitzer und Herausgabekläger muss dann beweisen, dass der gegenwärtige Besitzer den Eigenbesitz von ihm ohne Rechtsgrund erhalten hat; beide Beweislastregeln dienen jeweils der Erhaltung der gegenwärtigen Lage. Übrigens bedarf es auch im Bereicherungsrecht einer besonderen Darlegung des Fehlens eines Rechtsgrundes durch den Kläger dann nicht, wenn bereits die unstreitigen Tatumstände den Schluss nahe legen, dass der Bereicherungsschuldner etwas ohne Rechtsgrund erlangt hat91 – dem entspricht im Rahmen des § 1006 BGB die Aufkündigung des Besitzmittlungsverhältnisses im Prozess92. Schließlich kann der Besitzer im Rahmen des § 1006 BGB verschiedene, gegebenenfalls „hilfsweise hintereinander geschaltete“ Übereignungstatbestände behaupten93 – ebenso wie der Bereicherungsschuldner (sei es auch nur hilfsweise) mehrerlei Rechtsgründe behaupten kann, die dann der Bereicherungsgläubiger jeweils widerlegen muss94.

V. Auswirkung auf die praktische Anwendung des § 1006 BGB Zusammenfassend wirkt sich die Einordnung des § 1006 BGB als Zustandsvermutung wie folgt auf seine praktische Anwendung aus: 1. Zugunsten des gegenwärtigen gegenüber dem früheren Besitzer Gegenüber dem früheren (gegebenenfalls mittelbaren) Besitzer gilt folgende Abfolge: (1) Der Besitzer muss seinen gegenwärtigen (unmittelbaren oder mittelbaren) Eigenbesitz nachweisen; die Art der Besitzbegründung ist unerheblich. 91 Beispielsweise wenn der Schuldner von einem Sparbuch des Gläubigers, das er vorübergehend in Besitz hatte, Beträge abgehoben hat, vgl. BGH NJW 1999, 2887 m. w. N. 92 S. oben 1. b) a. E., S. 181. 93 Vgl. das Beispiel des angeblich verschenkten Buches oben II. 1., S. 160 f. 94 BGH NJW 1990, 392/393. Auswirkungen hat das allenfalls auf die Glaubwürdigkeit solcher Behauptungen, also im Rahmen der Beweiswürdigung.

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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(2) Der Gegner muss beweisen, dass er früher Besitzer war; das allein lässt aber noch nicht sein gegenwärtiges Eigentum vermuten, § 1006 Abs. 2 BGB, sondern ist lediglich Voraussetzung für den nächsten Schritt: (3a) Entweder beweist der Gegner zusätzlich, dass ihm die Sache abhanden gekommen ist; dann ist die Eigentumsvermutung zugunsten des Besitzers widerlegt, § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB, und die Prüfung endet hier. Es gilt dann die allgemeine Rechtsfortdauervermutung zugunsten des früheren Eigentümers. (3b) Oder der Gegner behauptet, dass er niemals an den Besitzer übereignet hat; in diesem Fall schließen sich folgende Schritte an: (4) Der Besitzer muss qualifiziert (§ 138 Abs. 4 ZPO) bestreiten, indem er vorträgt, durch welche Umstände er Eigenbesitzer geworden sein will, etwa: bei Übergabe95, Bedingungseintritt beim Vorbehaltskauf, Übereignung durch brevi manu traditio (sekundäre Behauptungslast). (5) Dem Gegner obliegt dann wiederum der Beweis, einen Eigentumswechsel durch die unter Ziffer (4) behaupteten Umstände zu widerlegen. Der Besitzerhaltungszweck des § 1006 BGB kommt damit grundsätzlich auch demjenigen Besitzer zu, der das Eigentum unter einer aufschiebenden Bedingung erworben hat96. Wenn hier der Herausgabekläger den Bedingungseintritt bestreitet, muss ihn der Besitzer substantiiert behaupten. Ersterer hat dann wiederum den Nichteintritt der Bedingung zu beweisen. Dabei ist freilich genau zu unterscheiden, und zwar nach besitzsichernder (defensiver) und rechtskreiserweiternder (aggressiver) Zielrichtung des Besitzers97: Die Vermutungswirkung bezieht sich ausschließlich auf das dingliche Recht, hier also das Eigentum; es wird vermutet, dass alle Voraussetzungen für dessen Erwerb erfüllt sind. Will dagegen der Besitzer andere, vom Eigentum unabhängige Rechtsfolgen aus dem Bedingungseintritt für sich ableiten (insbesondere also die Erfüllung der Kaufpreisforderung), bleibt er beweispflichtig nach den allgemeinen Beweislastgrundsätzen. Das scheint auf den ersten Blick verwirrend, weil die Beweislast für den Bedin95 Diese sekundäre Behauptungslast trägt der Besitzer auch im Falle der Übergabe, da diese nicht automatisch für eine Übereignung spricht, vgl. oben II. 2., S. 165 f.; auch Kap. 1, B. III., S. 43 f. 96 Würde man im häufigsten Fall – dem Vorbehaltskauf – die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers als Volleigentum und das Sicherungsrecht des Vorbehaltsverkäufers lediglich als besitzloses Pfandrecht ausgestalten (dazu oben B. II. 5. b), S. 113 mit Fn. 236), so käme der Vorbehaltskäufer auch mit der Erwerbsvermutung der h. M. in den Genuss des § 1006 BGB. 97 Ebenso Wieling, Sachenrecht, § 12 VIII 1 e mit Fn. 149, zum vergleichbaren Problem, ob zugunsten des Pfandgläubigers die für das Pfandrecht erforderliche Forderung vermutet wird.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

gungseintritt bald der einen, bald der anderen Seite obliegen kann. Dass das indes so ungewöhnlich nicht ist, zeigt erneut der Blick ins Bereicherungsrecht: Grundsätzlich ist derjenige, der aus einer schuldrechtlichen Abrede Rechtsfolgen für sich ableitet, beweispflichtig für das Zustandekommen dieser Abrede; ist aber bereits entsprechend der angeblichen Abrede geleistet worden, so muss nach § 812 BGB der Zurückfordernde das Fehlen dieser Abrede beweisen98. 2. Zugunsten des Besitzers gegenüber sonstigen Dritten Gegenüber sonstigen Dritten beschränkt sich das obige Schema auf den ersten Schritt: Der Besitzer muss lediglich seinen Eigenbesitz nachweisen. Dabei wirkt sich die Behauptungslast aber immerhin soweit aus, dass der Besitzer das Eigentum ausdrücklich für sich in Anspruch nehmen muss; denn es gibt keine Eigenbesitzvermutung aus Besitz99. Es reicht also nicht, im Prozess bloß den Besitz vorzutragen, wenn das Eigentum oder jedenfalls Eigenbesitz Voraussetzung für eine Rechtsfolge ist100. 98 In Betracht kommen wird die genannte Unterscheidung zwischen der Bejahung der Vermutung mit Blick auf das Eigentum einerseits und ihrer Verneinung mit Blick auf sonstige Rechtsfolgen andererseits praktisch nur in den (freilich häufigen) Fällen des Kaufs unter Eigentumsvorbehalt. Auch dort ließe sich die Unterscheidung indes durchhalten: Steht der Eigentumsübergang unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung, so könnte der Besitzer sich zwar gegen die Herausgabeklage auf die Eigentumsvermutung berufen. Davon zu trennen wäre jedoch die Frage der Beweislast bei der Zahlungsklage; insbesondere wird durch § 1006 BGB nicht etwa die dortige Frage präjudiziert, ob er seine Kaufpreisschuld vollständig erfüllt habe – insoweit greifen selbstverständlich die allgemeinen vertraglichen Beweislastregeln, hier also § 362 BGB, wonach der Schuldner die Erfüllung zu beweisen hat. Könnte in diesem Beispiel die Beweislast für die Zahlung im selben Prozess unterschiedlich ausfallen? Nein, denn der Vorbehaltsverkäufer könnte nur entweder auf Zahlung oder auf Herausgabe klagen. Im Falle der Herausgabe wird es freilich noch einen Schritt komplizierter: Die Herausgabe könnte der Verkäufer nämlich insbesondere auf Grund eines Rücktritts nach § 323 BGB verlangen; für den Rücktritt wäre wiederum die Nicht-Zahlung seitens des Käufers Voraussetzung. Nun war tatsächlich bisher anerkannt, dass für die Rücktrittsvoraussetzungen zwar grundsätzlich der Gläubiger, für die Erfüllung aber der Schuldner beweispflichtig sei (vgl. Soe/Wiedemann, 12. Aufl., § 284 BGB a. F. Rdnr. 53; immerhin m.N. einer älteren Gegenmeinung). Nach dem Wortlaut des § 323 Abs. 1 BGB n. F. müsste aber eindeutig der Gläubiger die Nichterfüllung – ebenso wie die nicht vertragsgemäße Erfüllung – beweisen; die Beweislast des Schuldners ist demgegenüber nach § 280 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB n. F. auf mangelndes Verschulden beschränkt (so Lorenz/Riehm, Neues Schuldrecht, Rdnr. 181; vgl. dagegen allerdings Palandt/Heinrichs, § 281 BGB n. F., Rdnr. 52). – In jedem Fall wäre Konsequenz, dass der Zurücktretende auf Rückübereignung klagen müsste. 99 Vgl. oben III. 4. c), S. 177.

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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3. Zugunsten nichtbesitzender Dritter, die ihr Recht vom Besitzer ableiten? Das gilt umso mehr, wenn nichtbesitzende Dritte ein Recht vom Besitzer ableiten wollen, etwa der Wohnungsvermieter sein Vermieterpfandrecht vom angeblichen Eigentum des Wohnungsmieters. Gegen den Mieter als Besitzer kann sich die Vermutung ohnehin nicht wenden. Aber auch gegenüber einem Dritten, der etwa behauptet, selbst Eigentümer zu sein, kann § 1006 BGB dem Nichtbesitzer grundsätzlich nicht zugute kommen101, weil allein aus dem Besitz nicht auf den Eigenbesitz geschlossen werden kann und auch keine Vermutung für Eigenbesitz gilt. Auch der Normzweck, den gegenwärtigen Besitz zu erhalten, ist hier nicht erfüllt. Zugunsten Dritter kann der Besitz daher grundsätzlich allenfalls materielle Folgen zeitigen, etwa durch gutgläubigen Erwerb oder durch Befreiung von Leistungspflichten (§ 851 BGB)102, nicht dagegen prozessuale. Das wird zum Einen durch den Wortlaut („zugunsten des Besitzers“), zum Anderen durch die Systematik erhärtet, wonach sich § 1006 BGB vor allem auf die Fälle der Vindikations- und der negatorischen Klage bezieht103. Anderes wird freilich gelten, sobald Eigenbesitz feststeht, insbesondere weil der Besitzer (im Beispiel: der Wohnungsmieter hinsichtlich des Vermieterpfandrechts) im Prozess als Zeuge eigenes Eigentum ausdrücklich für sich in Anspruch nimmt. Dann ist der Schutz des gegenwärtigen Besitzers zumindest indirekt betroffen, weil er sich ausdrücklich auf die Seite des Nichtbesitzers (im Beispiel: des Wohnungsvermieters) geschlagen hat. Zudem könnten sich andernfalls dadurch, dass im Drittprozess dem Besitzer der Streit verkündet wird, empfindliche Verwicklungen für die Beweislast in den jeweiligen Prozessverhältnissen ergeben. Dann wird die Beweislast zwischen dem Vermieter und dem Dritten nicht anders verteilt werden können als im Verhältnis zwischen Mieter und Drittem. Der Unterschied besteht aber darin, dass im Prozess des Besitzers der Eigenbesitz schon da100

So im Ergebnis – wenn auch vom konträren Ausgangspunkt – auch Staud/ Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 6 und 37, mit zahlreichen Nachweisen zur abweichenden h. M. 101 Gegen eine Anwendung zugunsten Dritter – allerdings unzutreffenderweise gestützt auf eine angeblich erforderliche Restriktion des § 1006 BGB wegen nachlassender Publizität des Besitzes – auch AK/Kohl, § 1006 BGB, Rdnr. 9. – Anders die h. M., vgl. Werner, JA 1983, 617/622; Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 31; zu Unrecht für die Anwendung des § 1006 BGB zugunsten des Vollstreckungsgläubigers sogar OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 542; OLGR Düsseldorf 1992, 89. 102 Dazu noch unten Kap. 4, A. und D. II., S. 199 ff. bzw. 305 ff.; zum – im Ergebnis abzulehnenden – gutgläubigen Erwerb des Vermieterpfandrechts: Kap. 4, C. III. 2., S. 301. 103 Vgl. auch Prot. 4049 ff. = Mugdan III 519 f.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

durch feststeht, dass der Besitzer Eigentum für sich in Anspruch nimmt, während der Nichtbesitzer, der sein Recht gegenüber Dritten lediglich vom Besitzer ableiten will, zunächst einmal dessen Eigenbesitz beweisen muss. Dasselbe gilt für den Sonderfall, dass sich ein Dritter auf das Abhandenkommen beim Besitzer beruft, etwa wenn der Käufer einer Sache dem Verkäufer gegenüber Rechtsmängel geltend macht, weil er die Sache an einen früheren Besitzer herausgegeben hat, dem sie ursprünglich gestohlen worden war104. Hier streiten zwei Vermutungen gegeneinander: Der Verkäufer wird sich zunächst zu seinen Gunsten auf § 1006 Abs. 2 BGB berufen, um damit sein Eigentum bis zur Veräußerung nachzuweisen. Dem kann der Käufer, wenn er den früheren Eigenbesitz des Bestohlenen und den Diebstahl nachweist, die zugunsten des Bestohlenen wirkende Vermutung ebenfalls aus § 1006 Abs. 2 BGB entgegenhalten. Aus § 1006 Abs. 2 BGB ergibt sich zwar zunächst nur, dass das Eigentum des Bestohlenen bis zum Diebstahl vermutet wird, und grundsätzlich gehen spätere Vermutungen vor. Jedoch greift im Verhältnis zwischen Verkäufer und bestohlenem Dritten die Ausnahme des § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB, so dass die Vermutung für den Verkäufer aufgehoben ist und nach allgemeinen Grundsätzen das Fortdauern des Eigentums beim Bestohlenen vermutet wird105. Darauf kann sich dann auch der Käufer berufen (oder andersherum: Der Verkäufer kann sich auch dem Käufer gegenüber nicht mehr auf § 1006 Abs. 2 berufen106). 4. Die Vermutungswirkung auf Grund Mitbesitzes Der Normzweck der Besitzkontinuität bestimmt auch die Vermutungswirkung aus bloßem Mitbesitz. Nach allgemeiner Meinung soll zugunsten desjenigen Mitbesitzers, der die Nichtberechtigung aller übrigen Mitbesitzer beweist, die Vermutung von Alleineigentum bestehen107. Das indes geht zu weit: Da es dem § 1006 BGB um die Erhaltung der gegenwärtigen Lage geht, geht die Vermutung immer nur auf Miteigentum. Insbesondere kann der einzelne Mitbesitzer eine Herausgabeklage gegen die übrigen Mitbesitzer nicht auf eine solche Alleineigentumsvermutung stützen; dementsprechend findet auch ein Besitzschutz unter den Mitbesitzern grundsätzlich nicht statt, § 866 BGB. Der Mitbesitzer kann insoweit nicht besser stehen 104

So in BGHZ 16, 307. Insoweit irreführend BGH a. a. O., S. 309 f., wo von der „Eigentumsvermutung aus § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB“ die Rede ist. § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB enthält aber keine eigene Vermutung, sondern zerstört diejenige des S. 1. 106 Nur im Ergebnis, nicht in der Begründung richtig daher BGH a. a. O. und AK/ Kohl, § 1006 BGB, Rdnr. 9. 107 Wieling, Sachenrecht, § 12 VIII 1 d; MK/Medicus, § 1006 BGB, Rdnr. 12; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1077 mit Fn. 961; je m. w. N. 105

A. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB

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als der nichtbesitzende Herausgabekläger, der die Nichtberechtigung des Besitzers bewiesen hat; auch dort reicht dieser Negativbeweis noch nicht, er muss vielmehr zusätzlich positiv das eigene Eigentum beweisen. Der Mitbesitzer müsste also darüber hinaus beweisen, dass er nicht bloß Mit-, sondern Alleineigentümer ist – etwa indem er nachweist, dass alle übrigen Mitbesitzer ihm den Besitz mitteln (§ 1006 Abs. 3 BGB). 5. Anwendung auf Schuldscheine im Sinne des § 952 BGB? Auf Schuldscheine im Sinne des § 952 BGB soll § 1006 BGB nach h. M. nicht anwendbar sein; zur Begründung wird wiederum darauf abgestellt, deren Eigentum knüpfe an die Forderung an und werde nicht nach dem Traditionsprinzip übertragen108. Mit dieser Begründung müsste man indes den § 1006 BGB etwa auf den Hypothekenbrief (der in § 952 Abs. 2 BGB ausdrücklich genannt ist) gerade doch anwenden, weil § 1117 Abs. 1 S. 1 BGB – entsprechend § 929 S. 1 BGB – vom Erwerb durch Briefübergabe ausgeht. Dort wird aber die spezielle Vermutung des § 1117 Abs. 3 BGB (obwohl sie abweichend vom Wortlaut des § 1006 BGB viel eher nach Erwerbsvermutung klingt) allein auf den Akt der Übergabe beschränkt; die Vermutung dafür, dass dem Gläubiger die Hypothek zusteht, wird dagegen den §§ 1138, 1155, 891 BGB entnommen109. Das mag zwar im Ergebnis durchaus zutreffen, weicht aber von den eigenen Prämissen der h. M. ab, weil damit letztlich anerkannt wird, dass die Übergabe und ihre Surrogate im Rahmen des § 1117 BGB keinem Traditionsprinzip folgen – obwohl § 1117 BGB ausdrücklich auf die Übertragungsformen nach §§ 929 bis 931 BGB verweist. Da nun aber § 1006 BGB schon bei beweglichen Sachen nicht an deren Tradition anknüpft, ist der Argumentation der h. M. die Grundlage entzogen. Ist demnach § 1006 BGB doch auf Schuldscheine anzuwenden? Die zutreffende Lösung ergibt sich wiederum aus dem auf die Besitzerhaltung beschränkten Normzweck: Geht der Besitzer aktiv aus dem Papier vor, verlangt er etwa Zahlung der angeblichen Forderung, kann ihm § 1006 BGB demnach von vornherein nicht zugute kommen, und er trägt die Beweislast dafür, dass ihm die Forderung zusteht (allerdings wird im Rahmen der Beweiswürdigung der Besitz am Papier ein gewichtiges Indiz für die vorrangig zu prüfende Forderungsbestellung bzw. -abtretung abgeben110). Allenfalls käme – nach dem Kontinuitätsgedanken – eine Anwendung des 108 Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 2; Soe/Mühl, § 1006 BGB, Rdnr. 19; MK/ Medicus, § 1006 BGB, Rdnr. 3; Palandt/Bassenge, § 1006 BGB, Rdnr. 2. 109 Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 37 III 3 f, Rdnr. 37. 110 So im Rahmen der h. M. auch Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 2.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

§ 1006 BGB dann in Betracht, wenn sich der Besitzer passiv zur Wehr setzt, sich also etwa dem Begehr eines Dritten (eines angeblichen Forderungsinhabers) auf Herausgabe des Papiers ausgesetzt sieht. In aller Regel wird sich freilich das Interesse des Besitzers am Besitz des Schuldscheins im Interesse an der Forderung erschöpfen; für deren Bestehen trägt er grundsätzlich die Beweislast. Die h. M. erweist sich damit allenfalls im Ergebnis, nicht aber in der Begründung als richtig.

VI. Zwischenergebnis § 1006 BGB knüpft nicht an die Übergabe nach § 929 S. 1 BGB an, schon gar nicht an deren Publizität. Denn der Erwerbsvermutung der h. M. liegt letztlich der unzulässige Rückschluss von der Übergabe auf die Übereignung zugrunde. § 1006 BGB zielt vielmehr auf den Erhalt der gegenwärtigen Besitzlage, bildet damit eine Schutz- und Abwehrnorm zugunsten des Besitzers und ist deshalb – dem eindeutigen Wortlaut entsprechend – als Zustandsvermutung zu verstehen. Der frühere Besitzer, der fortbestehendes Eigentum geltend macht, ist – außerhalb der Fälle des Abhandenkommens, § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB – ausreichend dadurch geschützt, dass der Besitzer einen Eigentumserwerb behaupten muss (sekundäre Behauptungslast). Diesen muss dann der frühere Besitzer widerlegen; die Gleichzeitigkeit von Besitz- und behauptetem Eigentumserwerb spielt dabei keine Rolle. Aus der Schutz- und Abwehrfunktion folgt auch, dass § 1006 BGB nur dann Anwendung finden kann, wenn der Besitzer das Eigentum ausdrücklich für sich in Anspruch nimmt. Dagegen kann nicht von außen allein vom Besitz automatisch auf den Eigenbesitz geschlossen werden; ein solcher Schluss ist weder dem Gesetz zu entnehmen noch besteht dafür eine tatsächliche Vermutung. Das gilt insbesondere auch dann, wenn ein Nichtbesitzer ein Recht vom Besitzer ableiten will.

B. Die Übertragung auf andere dingliche Rechte, §§ 1065, 1227 BGB I. Die Vermutung dinglicher Rechte zugunsten des Besitzers Entsprechende Anwendung findet die Beweislastverteilung nach §§ 1065, 1227 BGB zugunsten solcher Besitzer, die ein sonstiges dingliches Recht, nämlich ein Nießbrauchs- bzw. Pfandrecht, für sich in Anspruch nehmen. Dort ist offensichtlich, dass sich die jeweilige Vermutung gerade gegen den

B. Übertragung auf andere dingliche Rechte, §§ 1065, 1227 BGB

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Eigentümer wenden kann. Der Zweck als reine Schutz- und Abwehrnorm zugunsten des gegenwärtigen unmittelbaren Besitzers wird hier besonders deutlich, weil nach §§ 1065, 1227 BGB die Verweisung zu § 1006 BGB ausdrücklich auf diejenigen Fälle beschränkt ist, in denen das angebliche Recht des Besitzers „beeinträchtigt“ wird. 1. Vermutung der erforderlichen Forderung zugunsten des Pfandbesitzers? Beim Pfandrecht ergibt sich aus der Vermutung für das Bestehen dieses Rechtes die weitere Frage, ob der Pfandgläubiger dennoch das Bestehen der aus Akzessorietätsgründen erforderlichen Forderung beweisen muss. Teilweise wird das verneint, weil sonst die Vermutung für den Pfandgläubiger weitgehend entwertet wäre111; hiergegen ließe sich einwenden, die Existenz einer Forderung werde nie vermutet. Allerdings muss die Forderung nicht zwingend gegenwärtig bestehen, vielmehr kann das Pfandrecht auch eine künftige Forderung absichern, § 1204 Abs. 2 BGB112. Richtigerweise wird man – ebenso wie beim Bedingungseintritt nach bedingter Übereignung sowie beim Besitz von Schuldscheinen – wiederum nach besitzsichernder (defensiver) und rechtskreiserweiternder (aggressiver) Zielrichtung differenzieren müssen113: Setzt sich der Pfandgläubiger lediglich – etwa gegen eine Vindikation – zur Wehr, wird im Ergebnis auch eine Forderung zu seinen Gunsten unterstellt. Das lässt sich wiederum über eine Parallele zu § 812 BGB begründen: Das Fehlen einer Forderung als „Akzessorietätsgrund“ hat hier der Eigentümer zu beweisen wie dort der Anspruchssteller das Fehlen eines Rechtsgrundes. Insofern kann man bezogen auf die Frage, ob ein Pfandrecht besteht, von einer Vermutung dafür sprechen, dass eine Forderung – die ja nach § 1204 Abs. 2 BGB auch eine zukünftige sein kann – überhaupt existiert. Macht freilich der Pfandgläubiger selbst die Forderung geltend (sucht er insbesondere die Befriedigung aus der Sache), bleibt es selbstverständlich bei dem allgemeinen Grundsatz, dass er als Anspruchssteller das Bestehen der Forderung und vor allem deren Höhe zu beweisen hat; diesen Beweis nimmt ihm der Pfandbesitz nicht ab. Denn mit diesem Begehr geht er über den Normzweck, die gegenwärtige Besitzlage zu erhalten, hinaus und wendet sich seinerseits einer Erweiterung seiner Rechtsposition zu. 111 MK/Damrau, § 1227 BGB, Rdnr. 5 m. w. N.; Wieling, Sachenrecht, § 12 VIII 1 e mit Fn. 149; anders Palandt/Bassenge, § 1227 BGB, Rdnr. 1; auch Staud/ Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 21. 112 Dazu auch MK/Damrau, a. a. O. 113 Ebenso Wieling, Sachenrecht, § 12 VIII 1 e mit Fn. 149. – Zur bedingten Übereignung oben A. V. 1., S. 185 f., zu Schuldscheinen oben A. V. 5., S. 189.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

2. Die Vermutung für das Anwartschaftsrecht des Besitzers Da Besitz auf diese Weise nach den §§ 1006, 1065, 1227 BGB alle dinglichen Rechte schützt, muss die Vermutung im Übrigen auch für ein behauptetes Anwartschaftsrecht des Besitzers streiten (vorausgesetzt, man ordnet die Anwartschaft als dingliches Recht ein – was sich angesichts der absoluten Wirkungen nach § 161 Abs. 1 BGB aufdrängt). Behauptet also beispielsweise im Herausgabestreit der Eigentümer bloße Leihe, der Besitzer dagegen eine Übereignung unter aufschiebender Bedingung, wobei nach seinem eigenen Vortrag die angebliche Bedingung noch nicht eingetreten ist, spricht analog §§ 1006 die Vermutung für den Besitzer114; auch hier wird so die bestehende Besitzlage erhalten.

II. Das Fehlen einer entsprechenden Vermutung zugunsten des obligatorischen Besitzers – wegen fehlender Übergabe-Publizität? Das leitet unmittelbar über zu der Frage, warum die Beweiserleichterung nicht auch demjenigen zugute kommen soll, der sich nicht auf ein dingliches, sondern bloß auf ein obligatorisches Besitzrecht beruft, der also etwa gegenüber der Herausgabeklage des Eigentümers ein Mietverhältnis behauptet. Zumindest im Gesetz ist die Vermutung ausdrücklich nur für Eigentum, Pfandrecht und Nießbrauch normiert, nicht aber für obligatorische Besitzrechte; auch der eindeutige Wortlaut des § 986 Abs. 1 S. 1 BGB erlegt dem obligatorischen Besitzer die Beweislast für sein Besitzrecht auf. Dies entspricht im Grundsatz allgemeiner Meinung115. Die Publizitätsdoktrin scheint nun dieses Problem auf elegante Weise gar nicht erst aufkommen zu lassen: Geht man nämlich von der Prämisse aus, die Vermutungswirkung der §§ 1006, 1065, 1227 BGB knüpfe an ein Übergabeerfordernis und damit an die angebliche Publizität bei den dinglichen Rechten an, so fallen die obligatorischen Besitzrechte automatisch heraus. Denn sie bestehen auf Grund vertraglicher Vereinbarung, setzen also eine Übergabe von vornherein ebenso wenig voraus wie sie an Publizität anknüpfen könnten. Allerdings erscheint das schon innerhalb des Publizitätssystems der h. M. bei näherem Hinsehen wenig überzeugend: Denn auch bei den obligatorischen Besitzrechten kann die Situation der Herausgabeklage zwingend erst nach erfolgter Übergabe eintreten (im Beispiel der behaupteten Miete 114

A.A. Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 10 m. w. N. zum Streitstand. – Gegen ein dingliches Besitzrecht gar RGRK/Pikart, § 986 BGB, Rdnr. 9. 115 Statt vieler Staud/Gursky, § 1006 BGB, Rdnr. 21 m. w. N., auch zur älteren Gegenauffassung.

B. Übertragung auf andere dingliche Rechte, §§ 1065, 1227 BGB

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muss die Sache etwa an den Mieter übergeben worden sein, entweder im Rahmen des behaupteten Mietverhältnisses oder – so der Herausgabekläger – rechtsgrundlos); weshalb dann die Übergabe die Vermutung zugunsten eines dinglichen, nicht aber zugunsten eines obligatorischen Besitzrechts soll auslösen können, lässt sich mit Publizität nicht erklären. Dementsprechend plädiert ein erheblicher Teil der Literatur dafür, dem Besitzer die Beweissituation dadurch zu erleichtern, dass er lediglich die ursprüngliche Entstehung eines Besitzrechts nachweisen müsse; dessen Erlöschen müsse dann der Eigentümer beweisen116; die h. M. lehnt das ohne weitere Begründung ab117, und in der Tat würde diese Beweiserleichterung im Ergebnis zu einer vollständigen Beweislastumkehr führen müssen: Denn dass der Besitzer den Besitz vom Eigentümer ohne Rechtsgrund erlangt hat, muss wiederum nach § 812 BGB der Eigentümer beweisen; es wird also zugunsten des Besitzers ein solcher Rechtsgrund und damit zumindest auch ein ursprüngliches Besitzrecht vermutet. Wenn aber der obligatorische Besitzer durch § 986 Abs. 1 S. 1 BGB beweisbelastet, der dingliche durch § 1006 BGB dagegen beweisbegünstigt ist, birgt dies die Gefahr eines Wertungswiderspruchs: Der Besitzer muss die obligatorische Abrede (Mietvertrag) mit dem Eigentümer beweisen, die dingliche Abrede (Nießbrauch, Übereignung) aber nicht. Wird also der dreistere Lügner, der eine Übereignung statt einer Miete „erfindet“, begünstigt? Die Frage stellt sich umso dringlicher, wenn man mit dem hier eingeschlagenen Weg die Vermutungswirkung der §§ 1006, 1065, 1227 BGB nicht an die (nicht bestehende) Publizität der Übereignungshandlung anknüpfen lässt, sondern ihren Schutzzweck in der Sicherung und Erhaltung der gegenwärtigen Besitzlage zugunsten des Besitzers sieht. Warum sollte dann nicht auch der obligatorische Besitz erhaltungswürdig sein? An der in aller Regel vorübergehenden Natur obligatorischer Besitzrechte kann das nicht liegen, denn zumindest die dinglich begründeten Besitzrechte des Pfandgläubigers und des Nießbrauchers sind ebenfalls zeitlich begrenzt – ausdrücklich unterscheidet deshalb § 868 BGB nicht zwischen diesen und obligatorischen Besitzverhältnissen. Auch die Feststellung, dass nur dingliche Rechte, nicht aber obligatorische Positionen gutgläubig erworben werden können118, dehnt die Ungleichbehandlung nur aus, erklärt sie aber nicht. Der Schlüssel liegt vielmehr (allein) in der Absolutheit dinglicher Rechte. Sie wirken gegenüber jedermann, obligatorische Rechte nur gegen116

MK/Medicus, § 986 BGB, Rdnr. 28; Erman/Ebbing, § 986 BGB, Rdnr. 42. BGH WM 1985, 1421 f.; NJW-RR 1986, 282 f.; Staud/Gursky, § 986 BGB, Rdnr. 6; allenfalls für eine tatsächliche Vermutung i. R. d. Beweiswürdigung auch Palandt/Bassenge, § 986 BGB, Rdnr. 2. 118 Staud/Gursky, § 986 BGB, Rdnr. 5 m. w. N. 117

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

über dem Vertragspartner. Was ist der Grund für diese Absolutheit? Es ist das erhöhte Interesse des dinglichen Besitzers an der Sache selbst119. Das zeigt sich etwa, wenn der mittelbar besitzende Eigentümer die Sache dem unmittelbaren Besitzer wegnimmt und veräußert: Das dingliche Recht des Besitzers (Pfandrecht, Nießbrauch) bleibt über § 935 BGB auch gegenüber dem neuen Besitzer bestehen, das obligatorische Recht etwa des Mieters dagegen nicht. Dem Mieter bleibt gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch gegen seinen Vermieter; dem Pfandgläubiger aber würde der Schadensersatzanspruch wenig nützen, weil er ja der Zahlungsfähigkeit des Verpfänders gerade misstraut und sich deshalb das Pfand bestellen lässt. Entsprechend können auch die Vermutungswirkungen der §§ 1006, 1065, 1227 BGB, die der Besitzer ebenfalls gegenüber jedermann geltend machen kann, nur für dingliche Rechte gelten120.

III. Sonstige Vermutungen zugunsten des Besitzers (Rückgabevermutung beim Pfand, Vermutung durchgehenden Besitzes bei der Ersitzung, §§ 1253 Abs. 2, § 938 BGB) Vereinzelt finden sich noch weitere Vermutungen zugunsten des Besitzers, die den Kontinuitätszweck der Beweislastregeln im Ergebnis bestätigen: Dass beim Pfand auf Grund des gegenwärtigen Besitzes des Verpfänders oder Eigentümers nach § 1253 Abs. 2 BGB die vorangegangene freiwillige Rückgabe (§ 1253 Abs. 1 BGB) vermutet wird, ist letzten Endes lediglich eine Ausprägung der allgemeinen Vermutung gegen einen unfreiwilligen Besitzverlust. Die Beweislast für ein Abhandenkommen trägt stets derjenige, dem der Besitz angeblich abhanden gekommen ist bzw. der sich auf das Abhandenkommen beruft; das zeigen die Negativ-Formulierungen sowohl des § 935 Abs. 1 S. 1 als auch des § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB. Gleiches gilt nach § 1007 Abs. 2 S. 1 BGB, wenn der frühere Besitzer auf Grund Abhandenkommens Herausgabe verlangt; dort ist das Abhandenkommen als positives Tatbestandserfordernis ausgestaltet, das wie stets vom Anspruchsteller zu beweisen ist. Auch § 1117 Abs. 3 BGB beschränkt sich auf eine solche Vermutung gegen Abhandenkommen, indem auf Grund des gegen119

Eingehend zur Begründung der Trennung absoluter und relativer Rechte Wieling, Sachenrecht, § 1 II 1; vgl. auch die Nachweise bei Baur/Stürner, Sachenrecht, § 2 A I 2 mit Fn. 2. 120 Eine andere – nämlich die lex ferenda betreffende – Frage ist, ob es sinnvoll und nachvollziehbar erscheint, den Nießbrauch dinglich auszugestalten und so gegenüber dem obligatorischen Pachtrecht zu privilegieren.

C. Vermutungen zugunsten Dritter?

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wärtigen Besitzes am Hypothekenbrief dessen frühere – freiwillige – Übergabe vermutet wird. Nun steht die Rückgabevermutung nach § 1253 Abs. 2 BGB in engem Zusammenhang mit dem Faustpfandprinzip121 und dem daraus folgenden Erlöschen durch jede Rückgabe nach § 1253 Abs. 1 BGB. Immerhin folgt daraus aber zugleich, dass zugunsten des besitzenden Eigentümers der Sache vermutet wird, dass ein ehemals bestehendes Pfandrecht erloschen ist. Indem also zugunsten des Besitzers vermutet wird, seine Sache sei nicht mehr belastet, bewirkt diese Vermutung wiederum den Schutz und die Sicherung des gegenwärtigen Besitzers. Das stimmt letztlich mit der Verteilung der Beweis- und Behauptungslast bei der Anwendung des § 1006 BGB auf die Sicherungsübereignung überein: Auch dort trägt der nichtbesitzende, angebliche Sicherungseigentümer die volle Beweislast für das behauptete Eigentum. Eine weitere, freilich anders ausgeformte Erleichterung der Beweissituation zugunsten des Eigenbesitzers enthält § 938 BGB. Danach wird im Rahmen der Ersitzung (für die ein Eigenbesitz über einen Zeitraum von zehn Jahren erforderlich ist, § 937 Abs. 1 BGB), wenn das Bestehen von Eigenbesitz für den Anfang und das Ende eines Zeitraumes feststeht, vermutet, dass auch in der Zwischenzeit Eigenbesitz durchgehend bestand. Hierin könnte man gewisse Anklänge an das Institut der „Besitzverschaffungsmacht“ des Veräußerers im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs sehen: Der Eigenbesitz muss sich nicht dauernd zeigen, sondern nur in bestimmten Situationen bewähren122. Indem § 938 BGB die Ersitzung erleichtert, dient auch diese Beweislastregel der Kontinuität des gegenwärtigen Besitzes.

C. Vermutungen zugunsten Dritter? Kennt das Gesetz aber in prozessualer Hinsicht auch Vermutungen auf Grund des Besitzes zugunsten Dritter (also solcher, die über keinerlei, auch keinen mittelbaren Besitz verfügen)? Dem Kontinuitätszweck stünde das grundsätzlich entgegen; und tatsächlich finden sich derartige Beweislastfolgen zugunsten von Nichtbesitzern nicht, wie eine genauere Betrachtung der allein noch in Betracht kommenden Tatbestände der §§ 808 f. ZPO (Pfändungspfandrecht) bzw. der §§ 1362 BGB, 739 ZPO (Eigentumsvermutung bei Eheleuten) zeigt:

121 122

Vgl. dazu kritisch oben Kap. 2, B. I. 5., S. 109 ff. Dazu noch unten Kap. 4, A. III. 1. a) (2), S. 234.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

I. Beim Pfändungspfandrecht auf Grund Beschlagnahme beim Schuldner, §§ 808 f. ZPO? Eine versteckte Vermutung auf Grund Besitzes zugunsten Dritter könnten die Regelungen über die Entstehung des Pfändungspfandrechts nach §§ 808 f. ZPO enthalten123. Insbesondere fehlt in diesen Fällen die Voraussetzung, dass der besitzende Pfändungsschuldner Eigenbesitz für sich in Anspruch nehmen müsste (anders wird dies freilich schon im Rahmen des § 809 ZPO, also im Falle der Vollstreckung in bei Dritten befindliche Sachen: Hier ist deren Herausgabebereitschaft erforderlich, was letztlich dem mittelbaren Besitz des Vollstreckungsschuldners gleichkommt). Gegen eine Begünstigung des Vollstreckungsgläubigers spricht aber schon, dass das erworbene Pfändungspfandrecht gegenüber den „besseren“ Rechten Dritter nicht beständig ist, §§ 771, 805 ZPO. Dabei begünstigen die §§ 808 f. ZPO den Gläubiger selbst dann nicht, wenn die gepfändete Sache tatsächlich versteigert wird; denn auch den Versteigerungserlös muss er nach § 812 BGB herausgeben124. Selbst wenn der besser berechtigte Dritte sein Rückforderungsrecht nicht geltend macht, wird dadurch vor allem der Vollstreckungsschuldner (und damit im Ergebnis erneut: der unmittelbare Besitzer) begünstigt, der auf diese Weise ohne eigenes Vermögensopfer von einer Verbindlichkeit frei wird. Zudem ändert sich durch die Pfändung grundsätzlich nichts an der Beweislast. Im einschlägigen Drittwiderspruchsprozess nach § 771 ZPO trägt sie zwar grundsätzlich der angeblich besser berechtigte Dritte125. Da jedoch durch die Pfändung selbst kein Eigentumswechsel stattfindet, gilt auch im Falle der Wegnahme durch den Gerichtsvollzieher die vorhergehende Besitzlage als Vermutungsgrundlage fort. Kann der Dritte also beweisen, dass er bis zur Pfändung mittelbarer Eigenbesitzer war, streitet § 1006 BGB für ihn; fehlte es an Eigenbesitz, muss der Dritte – wie stets – den vollen Eigentumsbeweis erbringen. Nun verbleibt in dieser Kombination immerhin doch eine gewisse Besserstellung des Vollstreckungsgläubigers: Er muss nämlich nicht etwa positiv nachweisen, dass sein Schuldner Eigentümer ist und dass ihm damit ein Pfändungspfandrecht zusteht. Vielmehr ist der widersprechende Dritte im Rahmen der Klage nach § 771 ZPO beweispflichtig für sein besseres Recht. Misslingt dieser Drittbeweis, wird der Vollstreckungsgläubiger im 123 Zu weitgehend in jedem Fall OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 542, und OLGR Düsseldorf 1992, 89: Aus § 1006 BGB werde zugunsten des nichtbesitzenden Pfandgläubigers das Eigentum des besitzenden Pfandschuldners vermutet. – Dagegen oben A. V. 3., S. 187 f. 124 Vgl. Palandt/Sprau, § 812 BGB, Rdnr. 13. 125 Insoweit zutreffend OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 542.

C. Vermutungen zugunsten Dritter?

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Ergebnis bevorteilt. Auch das kann aber letztlich als Ausfluss des Kontinuitätsgedankens des § 1006 BGB gesehen werden: Der Vollstreckungsgläubiger wird – wie der Besitzer – so lange als berechtigt behandelt, bis ein Dritter ein besseres Recht beweisen kann. Dem entspricht es, dass der Vollstreckungsgläubiger zwar nicht selbst Besitzer der gepfändeten Sache ist, durch den Pfändungsakt aber zumindest über eine gesteigerte Zugriffsmöglichkeit verfügt.

II. Eigentumsvermutung auf Grund Ehegattenbesitzes, §§ 1362 BGB, 739 ZPO? Dagegen schafft § 1362 BGB eine Vermutung in erster Linie nicht aus Besitz, sondern aus der Ehe. Das zeigt sich schon daran, dass das Eigentum des einen Ehegatten vermutet wird, obwohl doch beide Besitzer sind, die Eigentumsvermutung also nicht parallel zu den Besitzverhältnissen steht. Die Vorschrift wirkt lediglich zu Lasten der Eheleute untereinander, nicht aber zu Lasten Dritter, die – insbesondere im Wege der Drittwiderspruchsklage – das Eigentum für sich beanspruchen. Das kommt deutlich in § 739 Abs. 1 ZPO zum Ausdruck, wonach die Vermutung „unbeschadet der Rechte Dritter“ gilt. Voraussetzung ist demnach stets der nachgewiesene Eigenbesitz eines der bzw. beider Ehegatten: Den Ehegatten wird damit – wohlgemerkt gerade in Abweichung von § 1006 BGB – lediglich die Beweislast für die Behauptung aufgebürdet, der jeweils nichtschuldnerische Ehepartner sei Eigentümer, nicht hingegen für die Behauptung, die Sache stehe im Eigentum eines Dritten, dem die Ehegatten als Fremdbesitzer den Besitz mittelten. Im letztgenannten Fall gelten vielmehr die allgemeinen Beweislastregeln: Wird die Sache etwa gepfändet, muss grundsätzlich der widersprechende Dritte im Rahmen seiner Klage nach § 771 ZPO sein entgegenstehendes Recht beweisen; bestätigen die Ehegatten im Prozess, dass sie dem Dritten den Besitz mitteln, kommt ihm die Vermutung des § 1006 Abs. 3 BGB zugute. Die Regelung ist im hiesigen Zusammenhang aber aus anderem Grunde interessant, und zwar wegen ihres Ausnahmecharakters: Denn sie formuliert ausnahmsweise ausdrücklich eine Vermutung zugunsten Dritter, nämlich der Ehegattengläubiger – aber eben eine Vermutung aus Ehe, nicht aus Besitz. Dass demgegenüber eine entsprechende allgemeine, ausdrücklich drittbegünstigende Vermutung aus Besitz fehlt, stützt im Umkehrschluss also die These, dass der Besitz grundsätzlich nur den Besitzer schützen, nicht aber zugunsten Dritter Vermutungswirkungen entfalten soll.

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Kap. 3: Prozessuale Vermutungswirkung auf Grund Besitzes

D. Zusammenfassung Die gesetzlichen Vermutungsregelungen dienen allein dem Schutz des gegenwärtigen Besitzers, der für sich ein dingliches Recht ausdrücklich in Anspruch nimmt. Die Beweislastverteilung zugunsten des Besitzers ist dabei Ausdruck der rechtssichernden und -erhaltenden Funktion des Besitzes in prozessualer Hinsicht. Da hingegen schon die Übereignungstatbestände keine Publizität erfordern, kann § 1006 BGB auch nicht an eine solche Publizität anknüpfen – insbesondere nicht an die körperliche Übergabe nach § 929 S. 1 BGB, die weder den einzigen noch einen privilegierten Übereignungstatbestand darstellt. Die von der h. M. dem § 1006 BGB beigemessenen Vermutungsrichtungen – Erwerbsvermutung (d.h. Gleichzeitigkeit von Besitz- und Eigentumserwerb); Vermutung fortdauernden Eigentums; Eigenbesitzvermutung – erweisen sich damit als unhaltbar bzw. überflüssig. § 1006 BGB bildet vielmehr eine Zustandsvermutung, die allein an den Zustand gegenwärtigen Besitzes anknüpft und diesen damit grundsätzlich zu erhalten bestrebt ist. Er stellt sich damit als Ausnahme der allgemeinen (ungeschriebenen) Rechtsfortdauervermutung dar, die ohne den § 1006 BGB für das fortdauernde Eigentum des Vindikationsklägers und früheren Eigentümers, also gegen den gegenwärtigen Besitzer spräche. Der Eigenbesitzvermutung bedarf es dagegen nicht, wenn sich der gegenwärtige Besitzer auf das Eigentum seines Rechtsvorgängers beruft: Insoweit ist er durch seinen eigenen, gegenwärtigen Besitz ausreichend geschützt. Demgegenüber fehlen aber Beweislastverteilungen zu Lasten des Besitzers oder zugunsten Dritter126. Dritten können entsprechende Vermutungen allenfalls dann zugute kommen, wenn sie ihr behauptetes Recht vom Besitzer ableiten und dieser es in der Prozesssituation ausdrücklich bestätigt; denn in diesem Fall kann zumindest mittelbar der Schutz des Besitzers (etwa vor Regress) betroffen sein.

126 Offen gelassen noch in Mot. III 135 = Mugdan III 75, allerdings zum sehr viel stärker publizitätsorientierten 1. Entwurf.

Kapitel 4

Die Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube Während die Vermutungstatbestände lediglich die prozessuale Beweislastverteilung betreffen, gehen die „Gutglaubenstatbestände“ weiter: Sie schaffen materiell vollendete Tatsachen1. Im Grundstücksrecht etwa wird der gutgläubige Erwerber so gestellt, als hätte die durch die Rechtsscheintatsache (Grundbucheintragung des Veräußerers) indizierte Rechtslage (Eigentum des Veräußerers) tatsächlich bestanden2. Gilt dasselbe bei den beweglichen Sachen für den Veräußererbesitz? Welche Rolle spielen der Besitz bzw. dessen Erkennbarkeit für den materiell-rechtlichen Gutglaubenserwerb?

A. Der rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb, §§ 932 ff. BGB Dabei sind zwei Gesichtspunkte strikt zu trennen, nämlich einerseits die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Erwerber auf die scheinbare Berechtigung des Veräußerers vertrauen darf (Rechtsschein durch Besitz), und andererseits die Frage, ob der gutgläubige Eigentumserwerb für Dritte (insbesondere den Alt-Eigentümer) erkennbar sein muss. Letztere Problematik betrifft im Grunde die Übertragungs- und Erwerbswirkung des Besitzes im 1 Dazu auch H. Hübner, Rechtsverlust, S. 61; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 A, Rdnr. 1. 2 Lediglich am Rande sei darauf hingewiesen, dass die eben erwähnte Fiktion mit materiell-rechtlicher Wirkung nicht die einzige Möglichkeit des Vertrauensschutzes darstellt. Neben diesem „positiven Vertrauensschutz“ (der Begünstigte wird materiell-rechtlich gestellt, als hätte die scheinbare Rechtslage tatsächlich bestanden; nicht zu verwechseln mit positiver bzw. negativer Publizität) bestünde auch der Weg des „negativen Vertrauensschutzes“ – der Dritte wird so gestellt, als hätte er die wahre Rechtslage von Anfang an gekannt und auf das Geschäft verzichtet –, wie er etwa in § 122 BGB geregelt ist oder beim Verschulden bei Vertragsverhandlungen (dazu BGHZ 136, 105; jetzt § 311 BGB) angenommen wird. Beim gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen wäre ein solcher negativer Vertrauensschutz durch ein Lösungsrecht des Alteigentümers gegenüber dem Erwerber zu verwirklichen. Das Gesetz hat diesen Weg nicht gewählt, so dass an dieser Stelle weitere Ausführungen dazu entbehrlich scheinen. Weiterführend Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 423 m. w. N.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

speziellen Fall gutgläubigen Erwerbs; sie dennoch erst im Rahmen der Gutgläubigkeit und nicht bereits unter der allgemeinen Erwerbswirkung zu untersuchen, rechtfertigt sich – außer zur Meidung unnötiger Verwirrungen – vor allem dadurch, dass auf diese Weise grundlegende, die Lösung beider Fragen übereinstimmend betreffende Gesichtspunkte des gutgläubigen Erwerbs eher herausgearbeitet werden können. Hingegen knüpft die Frage des Rechtsscheins an die Vermutungswirkung des Besitzes an3. Dabei soll – entgegen der chronologischen Reihenfolge des einzelnen Erwerbsvorgangs, bei dem erst die Frage des Vertrauens des Erwerbers in einen Rechtsschein beim Veräußerer und nachfolgend diejenige der Erkennbarkeit des Eigentumswechsels für Dritte aufkommt – zunächst die Übertragungsfunktion des Besitzes beim gutgläubigen Erwerb behandelt werden, weil insoweit an die Überlegungen zur allgemeinen Erwerbswirkung des Besitzes angeknüpft werden kann; erst danach soll auf die Rechtsscheinwirkung des Besitzes beim Veräußerer eingegangen werden. Vorab ist freilich die gesetzliche Ausgangslage näher zu beleuchten, und zwar jeweils unter beiden genannten Gesichtspunkten:

I. Die gesetzliche Ausgangslage Hinsichtlich der Publizität des Erwerbs kommt – wie beim Erwerb vom Berechtigten – Publizität zunächst in folgende Richtungen in Betracht: Einerseits mit Blick auf den Übertragungsakt, also den Übergangszeitpunkt, in Form eines etwa erforderlichen Wechsels der tatsächlichen Gewalt; andererseits mit Blick auf den durch die Übertragung geschaffenen Zustand, hinsichtlich dessen wiederum zu unterscheiden ist zwischen der positiven Publizität beim Erwerber (Eigentumserwerb erst ab Besitzerwerb) und der negativen Publizität beim Veräußerer (Eigentumswechsel erst bei Besitzverlust des Veräußerers). Neu und für den Gutglaubenserwerb vor allem charakteristisch ist aber der Gesichtspunkt möglicher positiver Publizität beim Veräußerer vor der Übereignung (Besitz als Rechtsscheintatbestand). 3 Deutlich wird der Unterschied etwa am Sonderfall des Pfändungspfandrechts, das durch Siegelanlegen begründet wird und bei dem gutgläubiger Erwerb jedenfalls im Ergebnis eindeutig ausgeschlossen ist: Es kann zwar nach §§ 803 ff. ZPO auch beim Nichtberechtigten entstehen, ist dann aber nicht beständig (§ 771 ZPO), und zwar unabhängig von Gutgläubigkeit oder Besitz. Nun unterliegt das Pfändungspfandrecht besonderer Publizität (dazu oben Kap. 2, B. I. 1. b), S. 89); diese betrifft indes nur das Anzeigen des entstandenen Pfändungspfandrechts nach dem Pfändungsvorgang. Davon ist die für den gutgläubigen Erwerb spezifische Frage zu unterscheiden, ob und wie die Berechtigung des Pfändungsschuldners vor (bzw. bei) dem Pfändungsvorgang angezeigt werden könnte. Dafür kann das später angelegte Siegel von vornherein keine Rolle spielen.

A. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb, §§ 932 ff. BGB

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1. Die Übergabe nach § 932 Abs. 1 S. 1 BGB Wie bei den Übertragungstatbeständen zum Erwerb vom Berechtigten der § 929 S. 1 BGB, so stellt bei den Gutglaubenstatbeständen deren erster, nämlich durch körperliche Übergabe nach § 932 Abs. 1 S. 1 BGB, im Grundsatz einen „Musterschüler“ an Publizität dar. Nicht nur, dass der Übertragungsakt grundsätzlich nach außen erkennbar hervortritt4, es besteht zudem bis zur Übereignung beim Veräußerer unmittelbarer Eigenbesitz; gäbe es nur diesen ersten Gutglaubenstatbestand, könnte man den Veräußerer also durch seinen Besitz als Eigentümer ausgewiesen und damit den Besitz als Rechtsscheinmittel ansehen. Nach dem Übertragungsakt fallen unmittelbarer Eigenbesitz und Eigentum beim Erwerber zusammen; auch dort ist also größtmögliche Publizität gewahrt, sowohl durch positive Publizität beim Erwerber als auch durch negative beim Veräußerer (Ausschluss vom Besitz). 2. Der stehende Erwerberbesitz, § 932 Abs. 1 S. 2 BGB Entsprechend dem Erwerb vom Berechtigten durch brevi manu traditio nach § 929 S. 2 BGB entfällt auch beim gutgläubigen Erwerb nach § 932 Abs. 1 S. 2 BGB die Publizität des Übertragungsaktes. Auch hinsichtlich der Erkennbarkeit des vorhergehenden bzw. nachfolgenden Zustandes gilt zunächst das zu § 929 S. 2 BGB Gesagte: Bereits vor der Verfügung ist der Erwerber Besitzer, hat also weder der wahre Eigentümer noch der nichtberechtigte Veräußerer einen Publizitätstatbestand auf seiner Seite. Erst die Übereignungshandlung führt Besitz und Eigentum zusammen und schafft so grundsätzlich einen publizitätsnäheren Rechtszustand (ist der Erwerber freilich selbst nur mittelbarer Besitzer – hat er etwa die Sache einem Dritten untervermietet –, so wird die Eigentumslage nicht wesentlich erkennbarer). Auf Seiten des Veräußerers kommt allerdings gegenüber dem Erwerb vom Berechtigten ein entscheidendes Merkmal hinzu: Der bestehende Besitz des Erwerbers muss „von dem Veräußerer erlangt“ worden sein. Damit wird – jedenfalls in der Regel – der Veräußerer ursprünglich Besitzer gewesen sein müssen; auch hier könnte also eine Rechtsscheinfunktion vorliegen. Zudem muss der Erwerber bislang dem Veräußerer den Besitz gemittelt haben5. Das folgt aus dem Gutglaubenserfordernis, wonach der Erwerber den Veräußerer für den Eigentümer halten muss; anders als bei § 929 S. 2 BGB 4 Allerdings gilt das wie bei § 929 S. 1 BGB nur dem Grundsatz nach; es gibt Abweichungen, etwa die Besitzverschaffung durch bloße Einigung nach § 854 Abs. 2 BGB. 5 Entweder als unmittelbarer oder selbst als mittelbarer Fremdbesitzer, vgl. MK/ Quack, § 932 BGB, Rdnr. 56.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

ist der Erwerber demnach vor dem Übereignungsakt zwingend Besitzmittler des Veräußerers und wird erst durch diesen Akt Eigenbesitzer. 3. Das Besitzkonstitut, § 933 BGB § 933 BGB enthält zunächst ein starkes Publizitätselement: Der gutgläubige Erwerb kann nicht durch bloßes Besitzkonstitut erfolgen, vielmehr ist eine Übergabe vom Veräußerer an den Erwerber erforderlich. Das setzt in der Regel einen nach außen sichtbaren Wechsel in der tatsächlichen Gewalt voraus, so dass hier – anders als bei § 930 BGB – sogar eine gewisse Erkennbarkeit des Übergangszeitpunktes gegeben ist. Scheinbar gewährleistet § 933 BGB damit auch positive Publizität des neu entstandenen Eigentums beim Erwerber; das ist aber bereits dann nicht mehr der Fall, sobald man im Rahmen des § 933 BGB auch eine Übergabe an einen dritten Besitzmittler des Erwerbers ausreichen lässt. Zumindest bleibt aber negative Publizität auf Seiten des Veräußerers: Er muss vom unmittelbaren Besitz ausgeschlossen sein. Aus Sicht des Erwerbers allerdings geht damit eine erhebliche Einschränkung der Rechtsscheinwirkung des Besitzes, also der positiven Publizitätswirkung des bisherigen Besitzes beim Veräußerer einher: In der Grundkonstellation, in der der Veräußerer die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, genügt nicht, dass sich der Erwerber über dieses Gewaltverhältnis vergewissert, etwa indem er die Sache beim Veräußerer inspiziert. Sein Vertrauen in das Eigentum des Veräußerers wird also nicht ausschließlich wegen dessen Besitzes geschützt. Schutz erhält der Erwerber erst, wenn der Besitz auf ihn übergeht – und dies, obwohl sich auch der Alteigentümer nicht publizitätskonform verhält: Denn er hat sich bewusst des unmittelbaren Besitzes begeben und beim Veräußerer einen Publizitätstatbestand in Form von dessen Besitz geschaffen. 4. Die Abtretung mit oder ohne mittelbaren Besitz, § 934 Alt. 1 bzw. Alt. 2 BGB Ist der nichtberechtigte Veräußerer mittelbarer Besitzer und überträgt er diesen mittelbaren Besitz im Wege des § 870 BGB auf den Erwerber, § 934 Alt. 1 BGB, so wird ebenfalls der Zeitpunkt der Übertragung, die sich in einer dinglichen Abrede erschöpft, nicht nach außen erkennbar; nicht einmal der unmittelbare Fremdbesitzer muss zwingend etwas von der Übereignung bemerken – anders als bei der Bestellung eines Pfandrechts, die dem unmittelbar besitzenden Dritten anzuzeigen ist, § 1205 Abs. 2 a. E. BGB.

A. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb, §§ 932 ff. BGB

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Auch wird das erlangte Eigentum beim Erwerber nicht im Sinne positiver Publizität sichtbar – er erhält ja nur mittelbaren, also nicht erkennbaren Besitz. Immerhin ist aber nach der Übertragung negative Publizität beim Veräußerer insoweit erreicht, als er nicht nur keinen erkennbaren, sondern gar keinen Besitz mehr hat. Schließlich fehlt es auch am Merkmal positiver Publizität beim Veräußerer vor der Übereignung, also am möglichen Rechtsscheintatbestand unmittelbaren Besitzes: Denn er verfügt nur über mittelbaren, nicht erkennbaren Besitz; nach dem Wortlaut des § 934 BGB muss dabei nicht einmal für den Erwerber erkennbar sein, ob der Veräußerer mittelbaren Besitz innehat, ob der Erwerb also nach § 934 Alt. 1 BGB oder nach Alt. 2 erfolgt. Anstelle eines erkennbaren Rechtsscheintatbestandes liegt damit aber immerhin objektiv eine mittelbare Besitzposition beim Veräußerer vor. Das ändert sich bei der bloßen Abtretung eines Herausgabeanspruchs ohne mittelbaren Besitz, § 934 Alt. 2 BGB: Zwar scheint sich hier auf den ersten Blick die Erkennbarkeit des Erwerbsaktes zu erhöhen, weil ein „Erlangen“ des Besitzes durch den Erwerber erforderlich wird. Positive Publizität beim Erwerber erreicht man dadurch freilich dann nicht, wenn man insoweit den mittelbaren Besitz ausreichen lässt; lässt man sogar die Vereinbarung eines Besitzkonstituts zwischen dem bisher und weiterhin unmittelbar besitzenden Dritten und dem Erwerber genügen – wie es die allgemeine Meinung tut6 und wie es auch der Vergleich zu § 934 Alt. 1 BGB nahe legt –, so bleibt auch der Verfügungszeitpunkt für Dritte nicht erkennbar. Der Ausschluss des Veräußerers (negative Publizität) dagegen liegt unproblematisch vor, weil der Veräußerer nie eine Besitzposition innehatte. Damit fehlt aber zugleich auch der Besitz als Anknüpfungspunkt für eine etwaige positive Publizität beim Veräußerer vor der Übereignung; dessen Besitz ist also zumindest in diesem Fall nicht als Rechtsscheintatbestand erforderlich. Darüber hinaus enthält § 934 Alt. 2 BGB keine Angaben dazu, in welchem Verhältnis der Veräußerer zum besitzenden Dritten stehen müsste; rein nach dem Wortlaut könnte also selbst eine vom Veräußerungsgeschäft vollkommen unabhängige Besitzerlangung ausreichen. 5. Der Sonderfall nicht eingetragener Seeschiffe, § 932a BGB Zwar sehr speziell, aber dennoch aufschlussreich zeigt sich die Regelung zum gutgläubigen Erwerb nicht eingetragener Seeschiffe. Während beim Erwerb vom Berechtigten nach § 929a BGB die Übereignung durch bloßen, 6 So schon Prot. 3706 = Mugdan III 632; Wieling, Sachenrecht, § 10 III 4 c m. w. N. Fn. 45.

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einaktigen dinglichen Vertrag erfolgt, muss zum Erwerb vom Nichtberechtigten hinzukommen, dass dem Erwerber „das Schiff vom Veräußerer übergeben wird“, § 932a Hs. 1 BGB. Damit wird – entsprechend der Situation beim Besitzkonstitut, § 933 BGB – der Übereignungszeitpunkt immerhin insoweit sichtbarer, als er grundsätzlich eine Veränderung in der tatsächlichen Sachgewalt erfordert. Vor allem aber setzt die Formulierung der Übergabe „vom Veräußerer“ voraus, dass dieser bis zur Übertragung Besitz innehat; insofern ist positive Publizität beim Veräußerer vor der Übereignung erforderlich, die für einen Rechtsschein in Betracht kommt. Bemerkenswert ist ferner, dass nach § 932a Hs. 2 BGB die Einräumung von Mitbesitz ausreicht, um zumindest Miteigentum zu erwerben; hier kann der Veräußerer also unter Umständen auch selbst Mitbesitz zurückbehalten, was gegen negative Publizität im Sinne eines Ausschlusses des Veräußerers von jedem erkennbaren Besitz spräche. Dabei lässt das Gesetz freilich offen, ob dies – da eine allgemeine Regel fehlt – ausschließlich für den speziellen Fall nicht eingetragener Seeschiffe gelten soll oder ob umgekehrt die spezielle Regel analog auch auf bewegliche Sachen im Allgemeinen Anwendung findet. 6. Das Erlöschen der Rechte Dritter und Zubehörerwerb, §§ 936 bzw. 926 Abs. 2, 936, 1121 BGB Stand die Sache zwar im Eigentum des Veräußerers, war aber mit dem dinglichen Recht eines Dritten belastet, erlischt diese Belastung, „wenn der Erwerber auf Grund der Veräußerung den Besitz der Sache erlangt“, § 936 Abs. 1 BGB. Gegenüber den §§ 932 ff. BGB bringt § 936 BGB keine neuen Voraussetzungen7 und damit auch keine Veränderungen hinsichtlich der Publizität; die Formel kann vielmehr als kurze Zusammenfassung dessen angesehen werden, worauf es in §§ 932 ff. BGB wesentlich ankommt. Bemerkenswert erscheint aber die Ausnahme des § 936 Abs. 3 BGB, wonach der unmittelbar besitzende Dritte – wenn der Erwerber nur mittelbaren Besitz erlangt – in seinen Rechten geschützt bleibt. Dahinter könnte man auf den ersten Blick eine gewisse Form der positiven Publizität vermuten: Der unmittelbare Besitz zeigt das dingliche Recht des Dritten an, und es bleibt daher bestehen. Dagegen spricht jedoch, dass der Dritte selbst nicht unmittelbarer Besitzer sein muss, sondern seinerseits einen Vierten als weiteren Unterbesitzer eingesetzt haben kann (§ 936 Abs. 3 BGB spricht nur vom „dritten Besitzer“); dann aber läge allenfalls ein indirekter Publizitätseffekt vor. 7 Ausführlich zu § 936 BGB als „Miniatur der §§ 932 ff. BGB“: Wiegand, JuS 1974, 201/210 f.

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§ 1121 BGB regelt einen Unterfall des § 936 BGB, nämlich dass der Grundstückseigentümer, der Zubehörteile veräußert, zwar Eigentümer dieses Zubehörs ist, das Zubehör aber vom Haftungsverband einer Hypothek umfasst ist. An den gutgläubig lastenfreien Erwerb des Zubehörs stellt § 1121 BGB hier letztlich keine anderen Voraussetzungen als § 936 BGB: Das Zubehör muss vom Grundstück entfernt werden und damit in die alleinige Besitzsphäre des Erwerbers gelangen. Eine Zusammenfassung der §§ 932 ff. BGB schließlich enthält ebenso wie § 936 BGB auch § 926 Abs. 2 BGB. Er regelt den gutgläubigen Erwerb von Zubehör im Zuge einer Grundstücksübereignung für den Fall, dass der Veräußerer zwar hinsichtlich des Grundstücks als Berechtigter, hinsichtlich des Zubehörs aber als Nichtberechtigter handelt; auch hier sind die Erfordernisse des gutgläubigen Erwerbs auf die Kurzformel „Erlangen des Besitzes auf Grund der Veräußerung“ gebracht. 7. Der Ausschluss bei Abhandenkommen, § 935 BGB § 935 BGB schließt dagegen für abhanden gekommene Sachen den Gutglaubenserwerb grundsätzlich – mit Ausnahme von Geld, Orderpapieren und öffentlich versteigerten Sachen – aus, und zwar unabhängig von jeder Publizität. Der positive Publizitätstatbestand „Besitz beim Veräußerer“ als Rechtsscheintatbestand mag ebenso vorliegen wie eine vollständige Besitzverschaffung beim Erwerber; dennoch macht die nicht erkennbare8 Vorgeschichte der Sache in Form des Abhandenkommens den Gutglaubenserwerb unmöglich. Allerdings greift diese Ausnahme zumindest dem Wortlaut nach nicht bei jedem Abhandenkommen ein; vielmehr muss die Sache aus dem unmittelbaren (§ 935 Abs. 1 S. 1 BGB) oder mittelbaren (§ 935 Abs. 1 S. 2 BGB) Besitz des bisherigen Eigentümers abhanden gekommen sein, also nicht bei einem unbeteiligten Dritten. 8. Zusammenfassung Eine Zusammenschau der §§ 932 ff. BGB ergibt, dass wie beim Erwerb vom Berechtigten weder vor dem Übereignungsvorgang positive Publizität beim Veräußerer in Form irgendeiner Besitzposition noch nachher beim Er8 Die ältere, an deutschrechtliche Tradition anknüpfende Auffassung, wonach das Abhandenkommen einer Sache „kundbar“ anhafte (etwa H. Meyer, Publizitätsprinzip [1909], S. 42 ff., 80 ff.), wird heute zu Recht nicht mehr vertreten: vgl. etwa H. Hübner, Rechtsverlust, S. 67. Das zeigt sich schon in einem wesentlichen Anwendungsfall des § 935 BGB, dem Bruch des fingierten Erbenbesitzes (§ 857 BGB) durch Veräußerungen des unter Umständen redlichen, aber nur scheinbaren Erben.

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werber in Form erkennbaren Besitzes durchgängig erforderlich ist. Anders als beim Erwerb vom Berechtigten ist in der Regel der Ausschluss des Veräußerers vom Besitz nötig, vor allem beim Besitzkonstitut, § 933 BGB; das könnte auf ein Erfordernis negativer Publizität hindeuten – allerdings besteht zumindest eine ausdrückliche Ausnahme im Sonderfall des Mitbesitzes in § 932a Hs. 2 BGB. Dagegen ist der Ausschluss des bisherigen unmittelbaren Besitzers nicht stets erforderlich, wie § 934 Alt. 1 BGB zeigt. Zudem muss der Erwerber (ebenfalls abweichend vom Erwerb vom Berechtigten) stets zumindest mittelbaren Eigenbesitz erlangen – und zwar in der Regel vom Veräußerer, aber nicht immer, wie § 934 Alt. 2 BGB zeigt.

II. Die Erkennbarkeit des Eigentumsübergangs für Dritte, insbesondere den bisherigen Eigentümer Wie eingangs erläutert, soll zunächst die Erkennbarkeit des Eigentumswechsels für Dritte (und erst danach die Rechtsscheinwirkung des Veräußererbesitzes für den Erwerber) betrachtet werden, also die Erwerbswirkung des Besitzes im speziellen Fall gutgläubigen Erwerbs. Nun ließ sich zur Erkennbarkeit des Eigentumswechsels für Dritte im Allgemeinen oben9 bereits feststellen, dass sie beim gewöhnlichen Erwerb vom Berechtigten allenfalls ein Nebenprodukt, keinesfalls jedoch zwingendes Erfordernis ist; es erscheint daher schon im Ausgangspunkt fraglich, weshalb dieser Gesichtspunkt beim gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten eine größere Rolle spielen sollte. Ist der Gesetzgeber, der das Übergabeerfordernis beim Erwerb vom Berechtigten letztlich aufgegeben hat, beim gutgläubigen Erwerb zum Traditionsprinzip zurückgekehrt10? Was ist der Grund dafür, dass der gutgläubige Eigentumserwerb erst ab Besitzerwerb trägt?

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Zu Kap. 2, insb. S. 65 ff. Wie eingangs zu A. (S. 199) erläutert, hätte die Frage der Erkennbarkeit des gutgläubigen Eigentumswechsels für Dritte ebenso gut bereits im dortigen Zusammenhang abgehandelt werden können. Dass sie hier erst im Rahmen des Gutglaubenstatbestandes untersucht wird, soll zum Einen Verwirrung durch ungewohnte Zuordnungen verhüten; zum Anderen erscheint diese Vorgehensweise auch deshalb angebracht, weil so mögliche Wechselwirkungen bzw. Parallelitäten bei der Lösung beider Fragestellungen leichter aufzuzeigen sind und eine unnötige Aufspaltung vermieden werden kann. 10 So Kindl, AcP 201 [2001], 391/397 m. w. N.; Soe/Henssler, § 933 BGB, Rdnr. 2; auch BGHZ 50, 45/49 f.

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1. Positive Publizität beim Erwerber durch Besitzerwerbserfordernis? a) Der Vergleich zum Erwerb vom Berechtigten Auf den ersten Blick könnten die Regelungen der §§ 932, 933, 932a BGB, die allesamt die Übergabe an den redlichen Erwerber voraussetzen, es nahe legen, dass es hier um positive Publizität beim Erwerber ginge, dass also das neu entstandene Eigentum nach außen erkennbar sein soll. Grund, das gutgläubig erworbene Eigentum für Dritte erkennbar zu machen, während doch der Eigentumserwerb im Allgemeinen nicht sichtbar erfolgen muss, bestünde freilich allenfalls gegenüber dem bisherigen Eigentümer. Dass es nicht auf Erkennbarkeit des neuen Eigentums gegenüber Dritten ankommen kann, zeigt sich zudem leicht daran, dass der wahre Berechtigte etwa eine Übertragung nach § 930 BGB durch schlichte Genehmigung wirksam werden lassen könnte, ohne dass es einer erkennbaren Übergabe bedürfte. Dass es dem Gesetz auf den Gesichtspunkt positiver Publizität beim Erwerber aber insgesamt nicht entscheidend ankommt, zeigt spätestens § 934 Alt. 1 BGB: Der gutgläubige Erwerber wird ohne jede Veränderung in der tatsächlichen Gewalt ausdrücklich lediglich durch mittelbaren Besitz Eigentümer; Erkennbarkeit nach außen ist also nicht erforderlich. In vielen Fällen des § 934 BGB ist ja nicht einmal für den Erwerber selbst erkennbar, ob er bereits mit der Abtretung (Alt. 1) oder erst durch Erlangen des Besitzes vom unmittelbar besitzenden Dritten (Alt. 2) Eigentum erwirbt; denn ob der Veräußerer tatsächlich mittelbarer Besitzer ist oder nicht, wird der Erwerber nicht stets sicher feststellen können. Nun ließ sich für den Erwerb vom Berechtigten feststellen, dass die Übertragung des Eigenbesitzes eine nicht unerhebliche Rolle für die Manifestation des Übereignungswillens spielt. Könnte ihm beim gutgläubigen Erwerb eine noch wichtigere, weil nunmehr ausschließliche Manifestationsfunktion zukommen? Auch dafür ist kein Grund ersichtlich: Denn warum sollte sich der Übereignungswille des Nichtberechtigten stärker manifestieren müssen als derjenige des Berechtigten? Zudem stellt das Manifestationserfordernis auf die Besitzlage des Veräußerers ab: Das Zurückhalten von Eigenbesitz spricht gegen die Ernsthaftigkeit seines Übereignungswillens. Mit Blick auf den Erwerber ist die Manifestation dagegen von geringerer Bedeutung.

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b) Die tatsächliche Sachbeziehung, nicht die Erkennbarkeit als Erwerbsgrund Der Grund dafür, beim gutgläubigen Erwerber Eigenbesitz zu fordern, ist vielmehr ein ganz anderer: nämlich die Abwägung der Schutzwürdigkeit gegenüber dem bisherigen Eigentümer. Den gutgläubigen Erwerber vor dem wahren Berechtigten zu bevorzugen, erscheint nämlich erst dann gerechtfertigt, wenn der Erwerber in eine nähere tatsächliche Beziehung zur Sache getreten ist. Das ergibt sich daraus, dass die tatsächlichen Vorteile des Eigentums nur derjenige ziehen kann, der eine möglichst sachnahe Besitzposition innehat. Ohne jeglichen Besitz zeigt sich das Eigentum dagegen als nudum ius, und es bestünde von vornherein kein Anlass, eine solche bloße Rechtsposition vom wahren Berechtigten auf einen (noch so redlichen) Erwerber zu verschieben. Dass der Erwerber das Recht erst dann verdient, wenn er die Sache auch tatsächlich nutzen kann, und dass dabei diese tatsächliche Nutzungsmöglichkeit durch den Besitz ausgedrückt wird, zeigt sich besonders deutlich beim gutgläubigen Erwerb nicht eingetragener Seeschiffe, § 932a BGB: Obwohl bei solchen Schiffen der Besitz sonst keinerlei Rolle für die Übertragung von Eigentum spielt (§ 929a BGB), ist für den redlichen Erwerb die Besitzerlangung erforderlich. Den Unterschied zum Erwerb vom Berechtigten mag folgender Vergleich verdeutlichen: Dort ist es unschädlich, wenn die Übergabe an einen untreuen Gehilfen des Erwerbers erfolgt, der die Sache von Anfang an in Eigenbesitz nimmt und dem Erwerber nicht den Besitz mittelt. Obwohl der Erwerber keinen Eigenbesitz erhält, ist auf Seiten des Veräußerers mit der Übergabe die Ernsthaftigkeit des Übertragungswillens bewiesen, die Manifestationsfunktion also erfüllt. Vom Nichtberechtigten ließe sich dagegen auf diese Weise – mangels Eigenbesitzerwerb – nicht gutgläubig erwerben. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass das Besitzerwerbserfordernis beim gutgläubigen Erwerber lediglich sicherstellen soll, dass der Erwerber eine sachnähere Position als der bisherige Eigentümer erlangt hat, nicht aber etwa dazu dienen soll, das neu erworbene Eigentum im Sinne positiver Publizität offenkundig zu machen. Soweit letzterer Effekt erreicht wird, handelt es sich vielmehr wieder um ein Nebenprodukt. Nur deshalb erscheint es unbedenklich, sämtliche Tatbestände der §§ 932 ff. BGB grundsätzlich bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn der Erwerber lediglich mittelbaren, also nicht erkennbaren Besitz erlangt11 (solange nur weder der Veräußerer noch der Alteigentümer Besitzmittler ist, §§ 933 bzw. 936 Abs. 3 BGB). Es 11 Insbesondere in den Fällen der §§ 932, 933, 932a, 934 Alt. 2 BGB. Das ist im Ergebnis auch allgemeine Meinung, vgl. bereits Prot. 3706 = Mugdan III 632; sowie Kindl, AcP 201 [2001], 391/394 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht § 52 B III 2, Rdnr. 18; Wieling, Sachenrecht, § 10 III 4 c, Fn. 45; je m. w. N. – Dabei kann sogar

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geht also auch nicht etwa darum, dass beim Erwerber nach der Übertragung der „Rechtsschein“ des § 1006 Abs. 3 BGB vorhanden sein müsste12, damit Dritte ihn als Eigentümer erkennen können. Denn abgesehen davon, dass § 1006 BGB keinen „Rechtsschein“ konstituiert, sondern lediglich die Beweislast im Prozess verteilt, ist auch der mittelbare Besitz nicht erkennbar; er muss vielmehr im Zweifel in der Prozesssituation zunächst bewiesen werden, bevor dem mittelbaren Besitzer die Beweiserleichterung des § 1006 Abs. 3 BGB zugute kommen kann. Dass diese Vermutungswirkung aber mit dem Zeitpunkt des Erwerbs nichts zu tun hat, hat sich bereits am Erwerb vom Berechtigten erwiesen, der sich ja etwa nach § 931 BGB auch ganz ohne mittelbaren Besitz vollziehen kann. 2. Negative Publizität beim Veräußerer durch erkennbaren Ausschluss vom Besitz? Die Kehrseite zur (demnach nicht erforderlichen) positiven Erkennbarkeit des Eigentumserwerbs beim Erwerber bildet – negativ – die Erkennbarkeit des Verlustes beim Veräußerer. Allerdings ist zwischen diesen beiden Seiten durchaus eine Differenzierung möglich: Es wäre ja denkbar, dass der gutgläubige Erwerb zwar nicht beim Erwerber positiv erkennbar sein müsste, dass aber jedenfalls negative Publizität beim Veräußerer in Form von dessen erkennbarem Ausschluss von der Sache erforderlich wäre – wie beim Pfandrecht, bei dem nach dem Wortlaut der §§ 1205 f. BGB der Verpfänder erkennbar ausgeschlossen sein muss, ohne dass das Pfandrecht zwingend beim Erwerber positiv sichtbar sein müsste. Insbesondere § 933 BGB, der ein Besitzkonstitut ausschließt und damit an die entsprechende Ausnahme beim Pfandrecht in §§ 1205 f. BGB erinnert, legt scheinbar den Gedanken nahe, dass es dem Gesetz um negative Publizität durch den Ausschluss des Veräußerers von jeglichem Besitz gehen könnte. Im Unterschied zum Pfandrecht muss freilich bei § 933 BGB ein Schutz etwaiger Gläubiger in ihrem Vertrauen auf die beim Veräußerer zurückbleibende Sache von vornherein ausscheiden13: Denn der Veräußerer ist und bleibt ohnehin nichtberechtigt; seinen Gläubigern steht die Sache auch dann nicht als Sicherheit zur Verfügung, wenn die Übereignung nach § 933 BGB unwirksam bleibt. Als einzige Person, deren Schutz der § 933 BGB durch negative Publizität bezwecken könnte, bliebe also allenfalls der bisherige Eigentümer. mittelbarer Fremdbesitz ausreichen: BGH WM 1977, 1091 (für eine Konstellation nach § 934 Alt. 1 BGB). 12 So aber – mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen – übereinstimmend Picker, AcP 188 [1988], 511/568, Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 48 II 2 a. 13 Dafür aber Soe/Henssler, § 933 BGB, Rdnr. 2.

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Einem denkbaren Erfordernis negativer Publizität muss dabei noch nicht entgegenstehen, dass im Falle der Übertragung mittelbaren Besitzes nach § 934 Alt. 1 BGB der gutgläubige Erwerb auch bei unverändertem unmittelbarem Besitz (nämlich beim bisherigen Besitzmittler des Veräußerers), also ohne jede Erkennbarkeit nach außen möglich ist. Denn immerhin verbleibt auch in dieser Übertragungsvariante beim Veräußerer kein Besitzrest. a) Die Spannung zwischen §§ 933 und 934 BGB Jedoch birgt bereits der genannte Unterschied zwischen dem starken Übergabeerfordernis in § 933 BGB einerseits und dem Erwerb ohne jegliche Übergabe nur durch Abtretungsvertrag in § 934 Alt. 1 BGB andererseits ausreichend Konfliktpotential: Geht es nicht dem § 933 BGB offenbar um eine – dann auch nach außen erkennbare – Veränderung in der tatsächlichen Sachherrschaft? Setzen nicht auch die übrigen Tatbestände der §§ 932 Abs. 1 S. 1, 932a BGB einen solchen Übergang im unmittelbaren Besitz voraus (in § 932 Abs. 1 S. 2 BGB zumindest einen vorangegangenen)? Und wäre dann nicht auch § 934 Alt. 1 BGB – berichtigend – dahin auszulegen, dass eine solche nach außen erkennbare Veränderung zu fordern ist? Müsste dann nicht ebenso § 934 Alt. 2 BGB dahin verstanden werden, dass der bisherige Besitzer die Sache tatsächlich übergeben muss? Der Konflikt wird dadurch nur umso schärfer, dass die Übergänge zwischen den Übereignungsformen mitunter fließend sein können14. Beispielhaft 14

Wie unpraktikabel die Abgrenzung ist, zeigt deutlich die Konstellation in BGHZ 56, 123: Der Hersteller H hatte eine Sache unter Eigentumsvorbehalt an den N geliefert. N hatte sodann sein Anwartschaftsrecht zur Sicherheit analog § 930 BGB auf seinen Gläubiger E übertragen. Als N die Raten an H aus liquiden Mitteln nicht leisten konnte, wollte er eine Umschuldung vornehmen: Das (gutgläubige) Kreditinstitut G sollte den Restkaufpreis an H zahlen und im Gegenzug dessen vorbehaltenes Eigentum übernehmen. N schloss mit G einen entsprechenden Sicherungsvertrag, G zahlte an H, der daraufhin das vorbehaltene Eigentum gegenüber G „freigab“. N blieb unmittelbarer Besitzer. G und E streiten um das Eigentum. – Der BGH ging davon aus, dass das Eigentum mit der Zahlung auf den wahren Anwartschaftsberechtigten E übergegangen sei, dass also H und N danach als Nichtberechtigte handelten (S. 125 f.). Ferner habe G von einem gewöhnlichen Vorbehaltskauf mit dinglichem Eigentumsübergang im Zeitpunkt der Zahlung ausgehen müssen; dementsprechend habe G ab der Zahlung nicht mehr den Vorbehaltsverkäufer H, sondern den N als Eigentümer ansehen müssen (S. 127 f.). Dann aber sei ein gutgläubiger Erwerb entsprechend § 933 BGB wegen des fortbestehenden Besitz des N als dem eigentlichen Veräußerer zu verneinen (S. 129 f.; insoweit zust. Wieser, JuS 1972, 567/569 f.). – Letztlich scheiterte hier der im Ergebnis gewollte Eigentumsübergang direkt von H auf G im Wege des § 931 BGB an Nuancen im Schriftverkehr zwischen H und G (oder auch an einer fehlenden obligatorischen Verzichtsklausel im Innenverhältnis zwischen H und N).

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zeigt sich dieser Konflikt bekanntlich an zwei Konstellationen, in denen die Rechtsprechung zum Unbehagen weiter Teile der Literatur einen Erwerb nach § 934 BGB bejaht: Da ist zum Einen der sog. „Fräsmaschinenfall“15, der die Abtretung mittelbaren Besitzes nach § 934 Alt. 1 BGB betrifft; unter den hier interessierenden Gesichtspunkten lässt sich seine Konstellation wie folgt abstrahieren: Der nichtberechtigte N, der bisher dem wahren Eigentümer E den Besitz mittelte, übereignet durch Besitzkonstitut (§ 930 BGB) an den gutgläubigen Zwischenhändler Z; diese erste Übereignung scheitert am eindeutigen Wortlaut des § 933 BGB. Übereignet der (mithin ebenfalls nichtberechtigte) Z die Sache aber durch Abtretung im Wege des § 931 BGB an den gutgläubigen G weiter, stellt sich die Frage, ob diese zweite Übereignung nach § 934 Alt. 1 BGB erfolgreich sein kann, obwohl der unmittelbare Besitz doch weiterhin bei N verbleibt. Pointierter: Soll G, obwohl er der Sache noch „ferner“ steht als Z, dennoch gutgläubig erwerben können16? Die „nackte“ Abtretung ohne mittelbaren Besitz (§ 934 Alt. 2 BGB) dagegen betreffen die sog. „Einlagerfälle“17: Der Zuckerfabrikant und Eigentümer E hat seinen Zucker bei dem Lagerhalter L eingelagert, damit von dort jeweils begrenzte Mengen Zucker auf einzelne Anweisung des E an den nichtberechtigten N ausgeliefert werden können. N veräußert nun (unter Abtretung eines angeblichen Herausgabeanspruches, §§ 931, 934 Alt. 2 Wären Eigentumsvorbehalt und Sicherungseigentum als besitzlose Pfandrechte ausgestaltet (vgl. oben Kap. 2, B. I. 5. b), S. 111 ff.), entfiele das Problem: N wäre von vornherein Eigentümer geworden, H hätte bloß ein erstrangiges Pfandrecht zurückbehalten und E ein zweitrangiges Pfandrecht erworben. Durch die Zahlung des G an H ginge dessen erstrangiges Pfandrecht nach § 1249 i. V. m. §§ 268 Abs. 3, 1250 Abs. 1 S. 1 BGB auf G über. Das wäre am Prioritätsprinzip ausgerichtet, würde die Interessen beider Gläubiger (G und E) angemessen berücksichtigen und so unbefriedigende Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden. 15 BGHZ 50, 45. 16 Wegen der Sachferne verneinend etwa Picker, AcP 188 [1988], 511/515 f.; Michalski, AcP 181 [1981], 384/416. – Im zu entscheidenden Fall ging es einmal mehr um den Konflikt von Sicherheitsrechten. Wiederum würde sich die Frage gutgläubigen Erwerbs erst gar nicht stellen, wenn die dinglichen Sicherheiten durchgängig als publizitätslose Pfandrechte ausgestaltet wären: E behielte als Vorbehaltsverkäufer lediglich ein (erstrangiges) besitzloses Pfandrecht zurück, so dass der Vorbehaltskäufer N Eigentümer und damit grundsätzlich Berechtigter würde. Da aber auch die von ihm vorgenommene Sicherungsübertragung an Z sich als bloße Bestellung eines besitzlosen Pfandrechts darstellen würde, erhielte Z ebenfalls ein (zweitrangiges) Pfandrecht, das er problemlos auf G übertragen könnte. Diese Lösung besticht durch ihr angemessenes, beide Gläubiger berücksichtigendes, gleichzeitig am Prioritätsprinzip ausgerichtetes Ergebnis. 17 Beispielhaft sei hier der „Zuckerfall“ behandelt: RGZ 135, 75; vgl. auch RGZ 138, 265; BGH NJW 1979, 2037 („Saulachse-Fall“).

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BGB) den gesamten bei L lagernden Zucker an den gutgläubigen G. Anschließend kann N den L dazu bewegen, mit dem G ein Besitzmittlungsverhältnis einzugehen. Gleichzeitig befolgt L aber in Bezug auf den bei ihm lagernden Zucker weiter die Weisungen des E. E und G streiten um das Eigentum18. Auch hier fehlt es an jeder Übergabe, die Sache verbleibt vielmehr beim L, dem der E sie ursprünglich anvertraut hatte und der sich zumindest dem E gegenüber weiterhin so verhält, als bestünde ihr Besitzmittlungsverhältnis fort. Wegen § 933 BGB könnte L auf diese Weise, wenn er sich selbst als Veräußerer ausgäbe, dem G niemals Eigentum verschaffen. Soll er es dann (bei Veräußerung durch N) als bloßer Besitzmittler nach § 934 Alt. 2 BGB können? Andererseits könnte L wiederum den Wortlaut des § 934 Alt. 1 BGB erfüllen, indem er zunächst ein Besitzmittlungsverhältnis zu N eingeht und N sodann gemäß § 931 BGB an G übereignet. Wie soll das zusammenpassen? (1) Das Wortlautargument der Rechtsprechung Der BGH klammert sich zur Bejahung gutgläubigen Erwerbs im Fräsmaschinenfall letztlich allein an den Wortlaut des § 934 BGB, obwohl er selbst einräumt, dass auf diese Weise die Anwendung der §§ 933 und 934 BGB „zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, deren Berechtigung nicht ohne Weiteres einsichtig“ sei19. Insbesondere sei der Gesetzgeber bei der Abtretung in § 934 BGB – anders als beim Besitzkonstitut in § 933 BGB – „vom Sichtbarkeitsprinzip“ abgewichen20; dies finde seinen Grund darin, dass nach dem gesetzgeberischen Willen das Vertrauen des Erwerbers in den erworbenen mittelbaren Besitz grundsätzlich seinem Vertrauen in unmittelbaren Besitz gleichzustellen sei, wobei allerdings nur die Übertragung, nicht die Schaffung mittelbaren Besitzes ausreichen solle21. Diese merkwürdige Differenzierung gibt die Rechtsprechung freilich in den Einlagerfällen wieder auf, ohne sich am Widerspruch zu stören: Dort soll nämlich die Schaffung mittelbaren Besitzes (durch Begründung eines Besitz18 Erneut ging es im Ausgangsfall des RG um die Kollision von Sicherungsrechten: E hatte an N unter Eigentumsvorbehalt übereignet, und auch im Verhältnis von N zu G lag eine Sicherungsübereignung vor. In diesem Fall freilich ließe sich die Frage gutgläubigen Erwerbs auch durch besitzlose Pfandrechte nicht umgehen: Es käme nämlich darauf an, ob G gutgläubig ein vorrangiges Pfandrecht erworben hat, §§ 1205 Abs. 2, 1207 i. V. m. 934, 1208 S. 1 BGB. Immerhin würde der Konflikt aber entschärft: Es ginge nicht darum, ob E leer ausgeht, sondern nur darum, ob er auf ein zweitrangiges Pfandrecht verwiesen wird. 19 BGHZ 50, 45/51 f.; zustimmend Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B IV 1, Rdnr. 20. 20 BGHZ 50, 45/49 f.; ebenso Michalski, AcP 181, 384/418. 21 BGH a. a. O.

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mittlungsverhältnisses vom Lagerhalter L zum gutgläubigen Erwerber G) ausreichen, weil auch § 934 Alt. 1 BGB nur mittelbaren Besitz beim Erwerber erfordere und das bisherige Besitzmittlungsverhältnis des E zu L zerstört sei22. Zu Recht hat der BGH diese halbherzige Argumentation selbst nicht für restlos überzeugend gehalten23: Abgesehen davon, dass der bloße Verweis auf den Wortlaut nur dann tragen könnte, wenn dahinter ein überzeugendes und auch durchgehaltenes (oder allenfalls von ihrerseits überzeugenden Ausnahmen durchbrochenes) Prinzip benannt wäre, herrscht Verwirrung über das Regel-Ausnahme-Verhältnis: Denn wenn auf Seiten des Erwerbers grundsätzlich mittelbarer Besitz ausreicht, kann es doch mit dem Erfordernis irgendwie gearteter „Sichtbarkeit“ nicht weit her sein. Vielmehr stellt sich dann eher § 933 BGB als Ausnahme dar, weil er ausnahmsweise eine gewisse Publizität erforderlich macht24. Mitunter kann der Erwerber in den beiden Alternativen des § 934 BGB selbst nicht erkennen, ob er bereits mittelbaren Besitz innehat oder nicht25; auf sein „Vertrauen“ in den mittelbaren Besitz kommt es also offenbar nicht an. Warum schließlich die Schaffung mittelbaren Besitzes weniger wert sein soll als dessen Übertragung und warum sie zudem dann in den Einlagerfällen doch ausreichen soll, erschließt sich aus sich heraus nicht. (2) Das Argument fehlender Erkennbarkeit für den Alteigentümer In der Literatur wird dementsprechend überwiegend ein gutgläubiger Erwerb nach § 934 BGB abgelehnt. Am gegenteiligen Ergebnis des BGH wird dabei besonders heftig die angebliche „Heimlichkeit“ für den Alteigentümer kritisiert: So könne selbst der besonders sorgfältige Alteigentümer, der die Sache „Tag und Nacht“ bei dem unmittelbaren Besitzer beobachte und kontrolliere, sein Eigentum durch einen einfachen Vertragsschluss nach § 931 BGB zwischen Dritten verlieren26. Dahinter steht letztlich die Vorstellung, wenn schon nicht der gewöhnliche Eigentumserwerb vom Berechtigten, so müsse doch wenigstens der gutgläubige Erwerb vom Nichtbe22 RGZ 135, 75; 138, 265; ähnlich auch BGH NJW 1979, 2037 („SaulachseFall“; dort ließ der BGH allerdings die Übereignung nach §§ 931, 934 Alt. 2 BGB an einem Abtretungsverbot scheitern). 23 Ablehnend auch Kindl, AcP 201 [2001], 391/398 f. 24 Zu § 933 BGB als eigentlicher Ausnahme auch Hager, Verkehrsschutz, S. 331 ff.; und bereits Heck, Sachenrecht, § 59, 4; insoweit ähnlich Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 266, 309. 25 Oben zu 1. a), S. 207. 26 So Hartung, Besitz und Sachherrschaft, S. 271; auch Picker, AcP 188 [1988], 511/521 ff.; Kindl, AcP 201 [2001], 391/396.

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rechtigten sichtbar sein. Eine wesentliche Stütze findet diese Argumentationsweise sogar in den Motiven, nach denen der Ausschluss des Besitzkonstituts in § 933 BGB den Eigentümer nicht zuletzt davor bewahren sollte, dass sein Eigentumsverlust durch gutgläubigen Erwerb „hinter einem so wenig ersichtlichen Akt wie das constitutum possessorium sich verstecke“27. Nun überzeugt das „Kontroll“-Argument schon deshalb nicht, weil der Alteigentümer ab einer gewissen Intensität der Kontrolle ohnehin selbst als unmittelbarer Besitzer anzusehen (und ein Eigentumsverlust mithin nach § 936 Abs. 3 BGB ausgeschlossen) wäre; dem mittelbaren Besitz ist es immanent, dass sich der mittelbare Besitzer der unmittelbaren Sachherrschaft und damit auch der unmittelbaren Kontrolle begibt. Zudem ergäbe das Erfordernis, den Erwerb für den Alteigentümer sichtbar zu machen, auch wenig Sinn: Sobald der Erwerb nämlich erkennbar hervortritt, ist es bereits für jede Sicherungsmaßnahme zu spät. Vor allem aber erfordern die Erwerbstatbestände des § 934 Alt. 1 und teilweise auch des § 934 Alt. 2 BGB (nämlich im Falle der Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses zwischen dem weiterhin unmittelbar besitzenden Dritten und dem Erwerber, also etwa in den Einlagerfällen) ebenfalls lediglich vertragliche Vereinbarungen und keine sichtbare Übergabe. Sie erfolgen damit grundsätzlich immer „heimlich“, auch für den Alteigentümer. Dass es in §§ 933, 934 BGB letztlich nicht um eine irgendwie geartete Erkennbarkeit nach außen gehen kann, zeigt sich im Übrigen auch im umgekehrten Fall: § 933 BGB schließt nämlich eindeutig den gutgläubigen Erwerb selbst dann aus, wenn das Besitzkonstitut ausnahmsweise nach außen sichtbar hervortritt, sei es, dass Veräußerer und Erwerber es öffentlich oder dem Alteigentümer gegenüber bekannt geben, sei es, dass sie es sogar mit einer Übergabe verknüpfen, indem der Veräußerer die Sache – gleichzeitig mit der Begründung des Besitzkonstituts mit dem Erwerber – an einen Unterbesitzer übergibt und der Veräußerer so mittelbarer Fremdbesitzer, der Erwerber nach § 871 BGB mittelbarer Eigenbesitzer zweiter Stufe wird. Wie ist der Verzicht auf Erkennbarkeit nun aber mit dem genannten Zitat aus den Motiven zu vereinbaren? Dazu ist zu beachten, dass der 1. Entwurf, auf den sich die Motive beziehen, nur eine Eigentumsübertragung durch Besitzanweisung an den unmittelbaren Besitzer („Inhaber“), nicht aber durch bloße Abtretung eines Herausgabeanspruches kannte. Der heutige § 931 und damit auch der daran anknüpfende § 934 BGB sind vielmehr erst später eingefügt worden28. Nach den ursprünglichen Regelungen 27

Mot. III 345 = Mugdan III 192; kritisch dazu bereits Wellspacher, Vertrauen auf äußere Tatbestände [1906], S. 7 ff. 28 Zur nachträglichen Entstehung des § 931 BGB vgl. Prot. 3728 ff., 6036, 6071 = III 201 ff. = Mugdan III 515 ff.; Staud/Wiegand, § 931 BGB, Rdnr. 1 f. – Diese

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des 1. Entwurfes konnte zudem der Inhaber der tatsächlichen Sachgewalt den bestehenden (mittelbaren) Eigenbesitz des Alteigentümers nur durch ausdrückliche Aufkündigung diesem gegenüber, nicht aber durch ein constitutum possessorium mit einem Dritten beenden29, so dass die Motive davon ausgingen, dass der Alteigentümer letzterenfalls ohnehin (Eigen-)Besitzer bliebe. Daher erweisen sich die Motive letztlich als ungeeignet, ein hinter den späteren §§ 933, 934 BGB stehendes allgemeines Prinzip aufzudecken. Aus allem folgt, dass eine Auslegung des § 934 BGB unter dem Gesichtspunkt der Erkennbarkeit für Dritte weder angezeigt noch möglich ist. (3) Der Ausschluss des bisherigen Besitzmittlers bzw. das Verbleiben der Sache in der „Vertrauens-“ oder „Rückgewährsphäre“ des Alteigentümers Allerdings wird ein gutgläubiger Erwerb nach § 934 BGB auch aus anderen Gründen abgelehnt, die sich auf den ersten Blick von reinen Publizitätserwägungen zu entfernen scheinen. Diesen Ansätzen ist – bei allerlei dogmatischen Ausdifferenzierungen im Einzelnen – gemeinsam, dass sie vor allem die Sachnähe bzw. die schutzwürdige, weil gewissermaßen „besitzähnliche“ Position des Alteigentümers in den Vordergrund rücken30. So wird das Unbehagen an der Lösung des BGH im Fräsmaschinenfall etwa daran festgemacht, dass der Alteigentümer E seinem unmittelbaren Besitzer N in gleicher Weise Vertrauen schenke wie der spätere gutgläubige Erwerber G: ersterer, indem er ihm unmittelbaren Besitz übertragen habe, letzterer, indem er diesen bei ihm belasse31. Dann aber müsse das zeitlich frühere Vertrauen des Alteigentümers prävalieren, wie es auch § 933 BGB vorsehe. Teilweise wird dieser „Vertrauensansatz“ dogmatisch dadurch eingekleidet, dass auf den schuldrechtlichen Rückgewähr- bzw. Herausgabeanspruch des Alteigentümers gegen den unmittelbaren Besitzer abgestellt wird32. Gemeinsam ist diesen Ansätzen also, dass sie den gutgläubigen ErVeränderung blieb offenbar in den pauschalen Verweisen späterer Gesetzgebungsmaterialien auf die genannte Motiv-Stelle – Prot. 3704 = Mugdan III 632; auch Denkschrift 128 = Mugdan III 976 – außer Acht; vgl. dazu auch Musielak, JuS 1992, 713/721. 29 § 813 Abs. 2 E I, abgedruckt bei Mugdan III, S. V. 30 Zusammenfassend Kindl, AcP 201 [2001], 391/399 ff. m. w. N. 31 Vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 901 f.; H. Westermann, Interessenkollisionen, S. 13; Kindl, AcP 201 [2001], 391/409 f.; in diese Richtung auch Picker, AcP 188 [1988], 511/552 ff. 32 Hager, Verkehrsschutz, S. 331 ff., 342 ff., 362 ff. Picker, AcP 188 [1988], 511/568 f., versucht dasselbe Ergebnis über § 1006 Abs. 3 BGB abzustützen: Für den Alteigentümer spreche auf Grund seines älteren

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werb verneinen, solange die Sache in der „Vertrauens-“ bzw. „Rückgewährsphäre“ des bisherigen Eigentümers verbleibt. Auch hierfür lässt sich in den Motiven der – scheinbar – passende Beleg finden: Danach sei mit Rücksicht auf den bisherigen Eigentümer dessen Vindikation so lange zuzulassen, „als die Sache in Händen einer Person verbleibt, die der Vindikation unterliegt und gegen die die Eigentumsklage vielleicht schon rechtshängig ist“33. Nun ist der darin enthaltene Zirkelschluss offensichtlich: Es gilt ja gerade festzustellen, ob der unmittelbare Besitzer der Vindikation noch unterliegt oder wegen des gutgläubigen Erwerbs nicht mehr. Der Aspekt der Rechtshängigkeit überzeugt insofern nicht, als das Prozessrecht den redlichen Erwerb trotz anhängiger Herausgabeklage in § 325 Abs. 2 ZPO ausdrücklich zulässt und dabei auch die Folge in Kauf nimmt, dass eine zunächst begründete Herausgabeklage unbegründet wird. Immerhin ließe sich diese Vorgabe aus den Motiven aber sinnvoll darauf reduzieren, die Vindikation so lange zuzulassen, wie die Sache in Händen einer Person verbleibt, zu der der Alteigentümer in einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung steht, gegen die er also einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch hat. Jedoch steht dieses Zitat aus den Motiven in unmittelbarem Zusammenhang mit der vorgenannten Stelle von dem heimlichen Besitzkonstitut, hinter dem sich der Eigentumsverlust nicht verstecken dürfe, und bezieht sich ebenfalls nur auf die Regelungen des ersten Entwurfes. Für die Auslegung der später eingefügten §§ 931, 934 BGB lassen sich daraus mithin kaum Schlüsse ziehen. Im Übrigen setzen auch die darauf aufbauenden Lehren von der Vertrauens- bzw. schuldrechtlichen Rückgewährsphäre im Grunde wiederum die Sichtbarkeit des Eigentumswechsels voraus: Das Vertrauensargument fordert letztlich – in Anlehnung an § 933 BGB – eine erkennbare Tradition aus dem bisherigen Vertrauensbereich des Alteigentümers hinaus34. Im ErRückgewähranspruches der Rechtsschein des § 1006 BGB. Dazu muss Picker freilich zunächst den angeblich „verfehlten“ Wortlaut des § 1006 BGB so lange korrigierend interpretieren, bis er tatsächlich das gewünschte Ergebnis bestätigt. Das erscheint methodisch zweifelhaft. Noch weiter geht Hartung, Besitz und Sachherrschaft, insb. S. 271 ff., 284 ff., der den mittelbaren Besitz insgesamt auf den Rückgewähranspruch reduzieren will. Der damit verbundene dingliche Schutz schuldrechtlicher Positionen mag rechtspolitisch erwägenswert erscheinen, de lege lata eignet dem Besitz indes stets ein tatsächliches Element. 33 Mot. III 345 = Mugdan III 192. 34 Ausdrücklich Kindl, AcP 201 [2001], 391/403 f., in seiner Kritik an dem Abstellen auf „unsichtbare“ Herausgabeansprüche. Damit soll offenbar unterstellt werden, dass die Vertrauenssphäre des Alteigentümers im Gegensatz zu bloßen Herausgabeansprüchen nicht nur dem Alteigentümer selbst, sondern auch unbeteiligten Dritten erkennbar sei.

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gebnis gilt Gleiches für die letztgenannten Ansätze, die vordergründig auf Herausgabeansprüche und damit scheinbar auf unsichtbare Verhältnisse abstellen: Zwar fehlt damit tatsächlich jede Publizität für unbeteiligte Dritte (die grundsätzlich keinen Einblick in die schuldrechtlichen Rückgewähransprüche zwischen Alteigentümer und unmittelbarem Besitzer haben können); der gutgläubige Erwerb wird aber weiterhin von der Erkennbarkeit für den Alteigentümer abhängig gemacht: Denn auch danach soll der Eigentumswechsel – entsprechend § 933 BGB – erst mit der Herausgabe der Sache aus der bisherigen Rückgewährsphäre des Alteigentümers eintreten35. Auf die Erkennbarkeit für den Alteigentümer kommt es indes – wie gezeigt36 – nicht an. Vor allem aber engen diese Ansätze den § 933 BGB (dem sie ja das eigentliche Wertungsprinzip entnehmen wollen) zu sehr ein: Denn zumindest dessen Wortlaut setzt gar nicht voraus, dass der Veräußerer dem Alteigentümer bisher den Besitz gemittelt hat, dass zwischen beiden ein besonderes Vertrauensverhältnis begründet war, weil etwa der Alteigentümer den Veräußerer persönlich ausgesucht hat, oder dass sonst ein vertragliches Rückgewährverhältnis besteht. Vielmehr bleibt dem Alteigentümer die Vindikationsmöglichkeit nach dem Wortlaut des § 933 BGB auch dann erhalten, wenn er zum unmittelbaren Besitzer in keinerlei Vertrauens- oder sonst schuldrechtlichen Beziehung (mehr) steht: Der Alteigentümer möge etwa die Sache – auf Grund eines wirksamen Kaufvertrages – an den Nichtberechtigten unwirksam übereignet und übergeben haben; oder die Sache möge vom bisherigen Besitzmittler des Alteigentümers unterschlagen und an einen bösgläubigen (also ebenfalls nichtberechtigten) Hehler veräußert und übergeben sowie schließlich vom Hehler durch Besitzkonstitut nach § 930 BGB weiterübereignet worden sein. In diesen Fällen muss ein Eigentumswechsel an § 933 BGB scheitern, obwohl die Sache sich nicht mehr bei einer Person befindet, der der Alteigentümer vertraut oder die er zu diesem Zwecke ausgesucht hat; zumindest im letztgenannten Beispiel besteht auch keinerlei vertragliche Beziehung des bisherigen Eigentümers zu dem Hehler, der im Wege des Besitzkonstituts veräußert. Konsequenterweise müssten die Lehren von der Vertrauens- oder Rückgewährsphäre demnach nicht nur den Anwendungsbereich des § 934 Alt. 1 BGB entgegen seinem Wortlaut erheblich einschränken, sondern im Gegenzug auch einen gutgläubigen Erwerb durch Besitzkonstitut über den Wortlaut des 35

Ausdrücklich für Publizität in diesem Sinne Picker, AcP 188 [1988], 511/571 („Das Sicherungseigentum wird wieder sicher“); auch Hager, Verkehrsschutz, S. 363, Fn. 171, wendet sich nur gegen ein Publizitätserfordernis gegenüber unbeteiligten Dritten, indem er betont, der mittelbare Besitz sei ebenso wenig sichtbar wie der Rückgewähranspruch. 36 Soeben zu (2).

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§ 933 BGB hinaus in einer Vielzahl von Fällen bejahen37. Das aber erschiene im Ergebnis nicht zuletzt deshalb bedenklich, weil dadurch in den letztgenannten Fällen eine Enteignung des Alteigentümers ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage ermöglicht würde. (4) Die Lehre vom „Nebenbesitz“ Weniger weit geht die Lehre vom sog. „Nebenbesitz“, der zufolge der Eigentumswechsel so lange ausgeschlossen sein soll, als der unmittelbare Besitzer den Besitz sowohl dem bisherigen Eigentümer als auch dem gutgläubigen Erwerber mittle38. Dieser Ansatz greift allerdings insofern kürzer, als danach gutgläubiger Erwerb zu bejahen ist, sobald der Besitzmittler seinen Besitzmittlungswillen gegenüber dem alten Eigentümer eindeutig aufgibt. Damit fordert die Nebenbesitzlehre letztlich nur eine eindeutige Lösung vom bisherigen Eigentümer, aber keine erkennbare Übergabe aus dessen Vertrauens- oder Rückgewährsphäre hinaus. Besonderer Beliebtheit erfreut sich die Figur des Nebenbesitzes deshalb eher im Zusammenhang des § 934 Alt. 2 BGB, also den Einlagerfällen. Bejaht man hier Nebenbesitz sowohl des Alteigentümers E als auch des gutgläubigen Erwerbers G, weil der Lagerhalter L beiden den Besitz mittele, so scheitert ein gutgläubiger Erwerb an der Wertung des § 936 Abs. 3 BGB39. Auch die Nebenbesitzlehre engt damit den Anwendungsbereich des § 933 BGB ein: Denn nach dessen Wortlaut reicht die Aufkündigung des Besitzmittlungsverhältnisses gegenüber dem bisherigen Eigentümer nicht, solange keine Übergabe an den gutgläubigen Erwerber erfolgt. Interessanterweise rekurriert dieser Ansatz nun nicht unbedingt auf Publizität, sondern eher auf eine besondere Form eindeutiger Manifestation, also der Nachweisbarkeit im Nachhinein: Denn der Eigentumsübergang nach § 934 BGB wird daran geknüpft, dass der unmittelbare Besitzer seinen Besitzmittlungswillen gegenüber dem Alteigentümer „eindeutig“ aufgebe. Das kann zwar unmittelbar für den Alteigentümer erkennbar sein (etwa indem der unmittelbare Besitzer seine Weisungen nicht mehr befolgt), muss es aber nicht; Eindeutigkeit kann sich ja unter Umständen auch durch ein dem 37 So – konsequent – Hager, Verkehrsschutz, S. 343; wohl auch Kindl, AcP 201 [2001], 391/409 f. 38 Etwa Wieling, Sachenrecht, § 10 III 4 d; Medicus, BR, Rdnr. 558 ff.; auch MK/Quack, § 934 Rdnr. 15; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B IV 2 c bb, Rdnr. 24. 39 So Wieling, Sachenrecht, § 10 III 4 d. – Soweit man den Nebenbesitz dagegen in entsprechender Anwendung des § 933 BGB sehen will (nicht ganz eindeutig bei Medicus, a. a. O.), stehen dem die eben erläuterten Bedenken entgegen: Eine Übergabe wie bei § 933 BGB ist auch nach der Nebenbesitzlehre grundsätzlich nicht erforderlich.

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Alteigentümer verborgenes Verhalten herstellen lassen40. Nun lässt freilich die Vereinbarung eines Besitzkonstituts mit einem Dritten (dem gutgläubigen Erwerber) für sich betrachtet an Eindeutigkeit wenig zu wünschen übrig. Und so ist denn auch eine gleichzeitige Betätigung des Besitzmittlungswillens in zweierlei Richtungen praktisch kaum vorstellbar; allenfalls kann es sich um wechselnde, einander widersprechende Manifestationen des Besitzmittlungswillens handeln, etwa indem der Lagerhalter L zunächst einen Lagervertrag mit dem gutgläubigen Erwerber G abschließt, später aber wieder den Weisungen des Alteigentümers E gehorcht. Das ergibt sich aus der Natur des Besitzmittlungsverhältnisses, das nicht fortdauernd betätigt zu werden pflegt und dessen Fortbestehen deshalb lediglich stillschweigend vorauszusetzen ist, bis der Besitzmittler in einer den bisherigen Oberbesitzer ausschließenden Weise über die Sache verfügt41. Ist aber das Eigentum erst einmal durch eine eindeutige Erklärung, den Besitz nunmehr für den gutgläubigen Erwerber auszuüben, übergegangen, kann diese eigentumsrechtliche Folge nicht im Nachhinein durch ein alternierendes Verhalten des Besitzmittlers wieder in Frage gestellt werden42. Damit nämlich wäre die Eindeutigkeit sachenrechtlicher Zuordnung in Gefahr: Wie etwa wären Pfändungen zu beurteilen, die Gläubiger des Erwerbers in der Zwischenzeit (d.h. nach Eingehung des Besitzkonstituts mit dem Erwerber, aber vor Bekundung der fortgesetzten Besitzmittlung für den Alteigentümer) durchgeführt haben? Sollte ihre Wirkung im Nachhinein entfallen? – Spätere abweichende Bekundungen fortbestehenden Besitzmittlungswillens sind damit letztlich nicht anders zu beurteilen als im gewöhnlichen Fall, dass der Besitzmittler des Eigentümers plötzlich dazu übergeht, einem Dritten den Besitz zu mitteln. Allenfalls dann, wenn der unmittelbare Besitzer (N bzw. L) die Sache später tatsächlich an den Alteigentümer E herausgibt, wäre ein Rückfall des Eigentums in umgekehrter Anwendung des § 933 BGB zu erwägen43. 40 Etwa durch entsprechende Buchführung; so zumindest MK/Quack, § 934 BGB, Rdnr. 15 a. E. Anders allerdings wohl Wieling, Sachenrecht, § 6 III 3 b, und Medicus, BR, Rdnr. 561, die offenbar einen aus Sicht des Alteigentümers eindeutigen Abbruch des Besitzmittlungsverhältnisses fordern. Dann stünde dem entgegen, dass es auf die Erkennbarkeit für den Alteigentümer nicht ankommt, vgl. soeben zu (2) und (3). 41 Nicht nur durch ausdrückliche Aufkündigung, vgl. Prot. 3738 = Mugdan III 517; näher oben Kap. 1, B. II. 2., S. 40 f. Ganz anders Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 242 ff. 42 Ebenso MK/Joost, § 868 BGB, Rdnr. 18 ff.; ähnlich Brehm/Berger, Sachenrecht, § 27.77 a. E., die den Ursprung der Nebenbesitzlehre wohl zu Recht vor allem in den jeweils zugrundeliegenden unklaren Sachverhaltsschilderungen verorten. – Zur Unvereinbarkeit der Nebenbesitzlehre mit dem Gesetz im Hinblick auf Besitzschutz- und Ersitzungsprobleme vgl. auch Picker, AcP 188 [1988], 511/ 535 ff.

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In den (praktisch ausgeschlossenen) Fällen wirklich gleichzeitiger Besitzmittlungsbekundungen dürfte es dagegen – angesichts des Umstands, dass es im Falle der Besitzeinräumung nach § 934 Alt. 2 BGB um einen Eigentumsübergang geht – nahe liegen, insoweit auf das schon für die Eigentumsübertragung vom Berechtigten herausgearbeitete Manifestationserfordernis zurückzugreifen, dem ja ebenfalls das Bedürfnis nach eindeutiger Sachzuordnung zu Grunde liegt44. Bleibt also der Besitzmittlungswille des unmittelbaren Besitzers wirklich durchgehend unklar, dann hat sich damit die Ernsthaftigkeit des Übertragungswillens nicht ausreichend manifestiert, und § 934 Alt. 2 BGB ist nicht erfüllt45 – in diesem Falle müsste mangels ausreichender Manifestation auch ein Erwerb vom Berechtigten scheitern; mit der Nichtberechtigung des Veräußerers hat das also nichts zu tun. (5) Der Ausschluss des Veräußerers vom Besitz als Wertungsprinzip? Angesichts der durchweg unbefriedigenden Gegenargumente gegen den gutgläubigen Erwerb fällt der Blick zurück zu den bejahenden Ansätzen, die also einen gutgläubigen Erwerb nach § 934 BGB trotz der sachfernen Position des Erwerbers und dem Verbleiben der Sache in der bisherigen Sphäre des Alteigentümers sowohl im Fräsmaschinen- als auch den Einlagerfällen annehmen. Über den Wortlaut des § 934 BGB hinaus wird dafür auf den eingangs bereits angeführten Gesichtspunkt des Ausschlusses des Veräußerers rekurriert: Der nichtberechtigte Veräußerer dürfe keinen Besitz zurückbehalten; dies sei nur bei der Übertragung nach §§ 931, 934, nicht aber bei derjenigen nach §§ 930, 933 BGB der Fall46. Dieser Ansatz verzichtet damit auf die Sichtbarkeit der Übertragungshandlung (auch für den Alteigentümer), betont aber zugleich das Erfordernis negativer Publizität beim Veräußerer – wobei genügt, dass er niemals Besitzer war. Diese Vorgehensweise bleibt damit, indem sie allein auf die Position des Veräußerers abstellt, in Einklang mit § 933 BGB – anders als die Lehren von der Ver43

Dem stünde zumindest nicht entgegen, dass die Übergabe an den Alteigentümer nicht die Eigentumsübertragung bezweckt oder manifestieren soll: Denn auch die (spätere) Übergabe an den Erwerber nach § 933 BGB erfolgt nicht zum Zwecke der Übereignung, sondern in Anerkennung vermeintlich bereits bestehenden Eigentums. 44 Dazu oben Kap. 2, A. IV. 2., S. 65 ff. 45 Zum Eindeutigkeitserfordernis ebenso MK/Quack, § 934 BGB, Rdnr. 15 a. E. 46 RGZ 132, 23/27; BGH NJW 1996, 2654/2655; Michalski, AcP 181 [1981], 384/421 ff. (der daraus auch die unglückliche Unterscheidung zwischen Schaffung und Übertragung mittelbaren Besitzes in BGHZ 50, 45/49 ableitet); Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 431; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B IV 1, Rdnr. 20 a. E.; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 48 II 2 a; Soe/Henssler, § 934 BGB, Rdnr. 3. – Kritisch dazu Brehm/Berger, Sachenrecht, § 27.63.

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trauens- und Rückgewährsphäre, die den Anwendungsbereich des § 933 BGB einschränkend korrigieren müssen. Letztlich erschöpfen sich diese Erklärungsversuche aber mehr oder weniger ausdrücklich in der tatsächlichen Feststellung, dass die einzige Gemeinsamkeit aller Tatbestände der §§ 932 ff. BGB der Ausschluss des Veräußerers ist, ohne dahinter eine Wertung im eigentlichen Interessenkonflikt zwischen Alteigentümer und Erwerber aufzudecken. So zeigen sich auch ihre Anhänger teils selbst nicht recht überzeugt und fühlen sich lediglich dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verpflichtet, der immerhin einen einheitlich durchgehaltenen Gesichtpunkt erkennen lasse und vom Rechtsanwender deshalb nicht überschritten werden dürfe47. Nun scheint sich für ein solches Erfordernis negativer Publizität beim Veräußerer auf den ersten Blick sogar ein vernünftiger Grund finden zu lassen: Denn wer eine Sache bereits als Nichtberechtigter veräußert hat, könnte – ähnlich wie derjenige, der aus finanziellen Nöten zu einer Verpfändung gezwungen ist – als besonders unzuverlässig gelten. Bliebe die Sache in seinem Besitz, wäre in gesteigertem Maße zu befürchten, dass er erneut – diesmal „erst recht“ – als Nichtberechtigter über sie verfügen könnte. Dies zu verhindern, wäre sein Ausschluss vom Besitz grundsätzlich geeignet. Allerdings drängt sich die Frage auf, warum die Gefahr einer späteren erneuten Veräußerung den gutgläubigen Erwerber von Anfang an schlechter stellen sollte. Die Frage gutgläubigen Erwerbs betrifft doch den Konflikt zwischen Alteigentümer und Erwerber; weshalb ihre Lösung sich ausgerechnet nach der Position des nichtberechtigten Veräußerers richten sollte, ist nicht einsichtig48. Zudem ließe eine solche Betrachtungsweise all diejenigen Fälle außer Acht, in denen der Veräußerer selbst sich redlicherweise für den Eigentümer hält – weil er etwa durch unerkannt unwirksame Übereignung erworben hat – und also gar kein Anhaltspunkt für eine gesteigerte Unzuverlässigkeit oder eine erneute Veräußerung besteht. Dass es letztlich nicht um den (sichtbaren) Ausschluss des nichtberechtigten Veräußerers gehen kann, zeigt sich schließlich am Übergang der Grundkonstellation des § 934 Alt. 1 BGB zum § 933 BGB: Ist der nichtberechtigte Veräußerer nämlich selbst nur mittelbarer Besitzer, hat er die Sache etwa eingela47 Vgl. etwa die Formulierung Gurskys, a. a. O.: „Dieser allerdings mehr vom dogmatischen als vom praktischen Standpunkt aus gefundene Unterschied genügt dem BGB für die in § 934 BGB gemachte Unterscheidung.“ Ähnlich Baur/Stürner, a. a. O.: „Diese willkürlich erscheinende Regelung . . . wird [man] als vom Gesetz gewollt hinnehmen müssen.“ 48 Insoweit zutreffend Hager, Verkehrsschutz, S. 338: Der gutgläubige Erwerber „übernimmt lediglich das Risiko einer erneuten Veräußerung – eine Gefahr, die mit dem Schicksal seines Erwerbs nichts zu tun hat.“ Vgl. auch Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 892.

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gert und veräußert er sie dann an den gutgläubigen Erwerber nicht durch Abtretung des Herausgabeanspruches, sondern durch Vereinbarung eines zweistufigen Besitzkonstituts nach §§ 930, 933 BGB (bleibt also der Lagerhalter unmittelbarer Besitzer und wird der Veräußerer durch die Übereignung mittelbarer Fremdbesitzer ersten Grades, der Erwerber mittelbarer Eigenbesitzer zweiten Grades), so ist die Besitzbeziehung des Veräußerers nicht mehr erkennbar. Dennoch scheitert der Eigentumswechsel an § 933 BGB – anders als die dem Wortlaut nach auf negative Publizität zielende Verpfändung bei unmittelbarem Besitz eines Dritten, § 1206 Alt. 2 BGB. Dass es aber auch insgesamt nicht wesentlich auf den Ausschluss des Veräußerers ankommt, lässt sich einer etwas versteckten Norm entnehmen, nämlich dem § 932a Hs. 2 BGB. Danach kann ein Miteigentumsanteil an einem nicht eingetragenen Seeschiff durch bloße Einräumung von Mitbesitz gutgläubig erworben werden. Nach allgemeiner Meinung gilt dies genauso für gewöhnliche bewegliche Sachen; das ist zumindest für den hier interessierenden Fall unstreitig, dass der Veräußerer als Alleinbesitzer und angeblicher Alleineigentümer dem Erwerber Miteigentum einräumt49 – ohne dass sich dort jemand am verbleibenden Mitbesitz des Veräußerers zu stören scheint. Hier kann also etwa der Veräußerer, der die Sache bisher allein besitzt und sich als Alleineigentümer ausgibt, dem Erwerber einen Miteigentumsanteil verschaffen, indem er ihm bloßen Mitbesitz einräumt und gleichzeitig selbst Mitbesitzer bleibt. In diesem Falle ist also kein Ausschluss des Veräußerers vom Besitz erforderlich – nicht einmal ein qualifizierter Mitverschluss, wie ihn der Wortlaut des § 1206 Alt. 1 BGB für das Pfandrecht vorsieht, der einen Zugriff des Verpfänders ohne Mitwirken des Pfandgläubigers ausschließt und damit auf negative Publizität zielt. Im Übrigen bietet die Pfandrechtsbestellung durch Einräumung derart qualifizierten Mitbesitzes nach § 1206 Alt. 1 BGB ein weiteres Beispiel dafür, dass die allgemeine Meinung ihr angebliches Prinzip vom vollständigen Besitzverlust beim nichtberechtigt Verfügenden selbst nicht durchzuhalten gewillt ist: Denn nach allgemeiner Meinung kann ein Pfandrecht auch vom Nichtberechtigten durch bloßen Mitverschluss gutgläubig erworben werden, wie sich aus den §§ 1206 Alt. 1, 1207 BGB ergibt50; es schadet also nicht, wenn der Verpfänder (eingeschränkten) Mitbesitz zurückbehält. 49

Vgl. Wieling, Sachenrecht, § 10 III 5; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 907 ff.; Palandt/Bassenge, § 932 BGB, Rdnr. 1. – Auf die Streitfrage, ob und zu welcher Quote ein gutgläubiger Erwerb möglich ist, wenn noch Dritte – insbesondere Miteigentümer – Mitbesitzer sind, kommt es hier daher nicht an. Zur Unmöglichkeit, den tatsächlichen Mitbesitz in Quoten aufzuteilen: vgl. Staud/Bund, § 866 BGB, Rdnr. 2 f. 50 Etwa MK/Damrau, § 1207 BGB, Rdnr. 3 a. E. und 5; Staud/Wiegand, § 1207 BGB, Rdnr. 12; Palandt/Bassenge, § 1207 BGB, Rdnr. 2; Tiedtke, Gutgläubiger Er-

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Zweifelhaft erscheint der Ausschluss des nichtberechtigten Veräußerers von der Sache schließlich in den Fällen, in denen der Veräußerer Besitzdiener des Erwerbers wird: Rein formal bleibt dann zwar keine Besitzposition beim Veräußerer zurück; die praktisch viel wichtigere tatsächliche Sachherrschaft behält der Veräußerer aber. Dennoch soll nach überwiegender Auffassung auf diese Weise gutgläubiger Erwerb möglich sein51 – zum Dogma vom Ausschluss des Veräußerers passt das nicht. b) Das Erfordernis objektiv-teleologischer Auslegung des § 933 BGB Die bisher aufgeführten Ansätze können also allesamt nicht überzeugen. Bevor ein abweichendes Erklärungsmuster für die §§ 933, 934 BGB gefunden werden kann, ist ein kurzer Blick auf die dahinterstehende Frage der Methodenwahl bei der Auslegung erforderlich. Wortlaut und Systematik helfen – wie gesehen – nicht weiter: Der Wortlaut führt in §§ 933, 934 Alt. 1 BGB bei scheinbar vergleichbaren Ausgangssituationen zu abweichenden Ergebnissen, ohne ein dazugehöriges Wertungsprinzip zu offenbaren. Auch aus systematischen Erwägungen ist eine solche Wertung nicht ersichtlich; insbesondere ist der vollständige Ausschluss des Veräußerers nicht durchgängig gefordert. Es ist aber ferner deutlich geworden, dass der historische Ansatz ebenfalls wenig ergiebig ist: Die einschlägigen Zitate aus den Motiven beziehen sich auf den ersten Entwurf, der sehr viel stärkere Traditionsund Publizitätselemente enthielt; ihre Übertragbarkeit auf die lex lata erscheint daher zweifelhaft. Vor allem aber beruht die Benachteiligung des gutgläubigen Erwerbs durch Besitzkonstitut in § 933 BGB im Wesentlichen auf dem Misstrauen des historischen Gesetzgebers vor dem Besitzkonstitut als solchem, also auch beim Erwerb vom Berechtigten52; das geht letztlich auf die Vorstellung zurück, die Übereignung werde erst durch ihren Vollzug, also die körperliche Übergabe, vollendet53. Nachdem diese Ansicht im BGB für den Erwerb vom Berechtigten aufgegeben worden war (vgl. § 930 BGB), blieb sie dennoch beim Erwerb vom Nichtberechtigten in § 933 werb, S. 65. Den Widerspruch zur herrschenden Doktrin beim Eigentumserwerb erkennt immerhin MünchKomm-HGB/Welter, § 366 Rdnr. 14, ohne daraus jedoch Schlüsse zu ziehen. 51 Vgl. MK/Quack, § 932 BGB, Rdnr. 16 i. V. m. § 929 BGB, Rdnr. 121; wohl auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 51 C II 1, Rdnr. 14 m. w. N. Schon eine Übergabe verneint dagegen Soe/Mühl, 12. Aufl., § 929 BGB, Rdnr. 9 (anders nunmehr Soe/Henssler, 13. Aufl., § 929 BGB, Rdnr. 59). 52 Vgl. dazu auch Brehm/Berger, Sachenrecht, § 27.44 und 60. 53 So auch MK/Quack, § 933 BGB, Rdnr. 1 f.; Brehm/Berger, Sachenrecht, § 26.9 f., 12 und 16 m. w. N.

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BGB aufrechterhalten – und dies, obwohl die Frage, ob eine Übereignung ein körperliches Vollzugselement erfordert, an sich nur für alle Erwerbstatbestände einheitlich zu beantworten wäre und mit der (Nicht-)Berechtigung des Veräußerers nichts zu tun hat54. Dieser Befund lässt zwei mögliche Optionen zu: Entweder man setzt die Grundentscheidung des Gesetzgebers, das Besitzkonstitut anzuerkennen, konsequent auch beim Erwerb vom Nichtberechtigten fort und wendet § 933 BGB aus diesen systematischen Erwägungen nicht mehr an; der gutgläubige Erwerb wäre dann bereits durch das Besitzkonstitut vollendet. Oder man (er-)findet ein neues Wertungsprinzip, dass die Benachteiligung des Besitzkonstituts im Falle des Erwerbs vom Nichtberechtigten rechtfertigt. Dabei muss man sich allerdings im Klaren sein, dass es sich nur um ein „Hineinlesen“ von Zwecken handeln kann, die historisch nicht unbedingt beabsichtigt waren, mithin um rein objektiv-teleologische Auslegung55. Auch das Dogma vom Ausschluss des Veräußerers enthält im Grunde nichts anderes als den Versuch einer solchen objektiv-teleologischen Auslegung, muss aber daran scheitern, dass es an einem sinnvollen Grund für den Besitzausschluss fehlt und dass das Gesetz selbst unter Umständen einen Besitzverbleib beim Veräußerer hinnimmt, wie §§ 932a Hs. 2 und 1207 i. V. m. § 1206 Alt. 1 BGB zeigen. Dennoch erscheint – soweit möglich – eine objektiv-teleologische Auslegung vorzugswürdig, um die Vorschrift des § 933 BGB zu halten. c) Das entscheidende Kriterium: Kein Rückgriff des Erwerbers auf den Veräußerer mehr nötig Wie könnte nun eine solche objektiv-teleologische Lösung aussehen? Nachdem deutlich geworden ist, dass es weder entscheidend auf die Stellung des Veräußerers noch auf diejenige des Alteigentümers noch auf irgendeine Form der Erkennbarkeit ankommen kann, bleibt nur eine beteiligte Person übrig: der Erwerber. Da der gutgläubige Erwerb auf ihn zugeschnitten ist, liegt es auch nahe, den Eigentumswechsel ausschließlich an seine Stellung zur Sache zu knüpfen, und zwar unabhängig von deren Erkennbarkeit nach außen. Indem der Erwerber Besitz erhält, verfestigt sich 54 Das übersieht Soe/Henssler, § 933 BGB, Rdnr. 2. – Für „rechtspolitisch verfehlt“ halten den § 933 BGB hingegen Brehm/Berger, Sachenrecht, § 27.60; kritisch bereits Heck, Sachenrecht, § 59, 4. Vgl. eingehend auch Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 266 ff., der § 933 BGB entstehungsgeschichtlich reduzieren und nur auf diejenigen Fälle anwenden will, in denen der Veräußerer bislang Fremdbesitzer gewesen sei, weil er dann keinen Eigenbesitz beim Erwerber schaffen könne; das dürfte indes den Wortlaut der §§ 933, 930 BGB sprengen. 55 Zur objektiv-teleologischen Auslegung Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 153 ff.

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seine Position und verdichtet sich zum (gutgläubig erworbenen) Eigentum; der erworbene Besitz hat also rechtsverfestigende Wirkung56. Warum aber soll nun die Besitzmittlung durch den Veräußerer selbst dann nicht ausreichen, wenn der Veräußerer in keinerlei Beziehung mehr zum Alteigentümer steht? Die Lösung dürfte in einer gewissen Schwäche des mittelbaren Besitzes zu sehen sein: Um seine Eigentümerstellung wirklich zu realisieren, ist der Erwerber weiterhin auf das Herausgabeverhältnis zum Veräußerer angewiesen. Die Nichtberechtigung des Veräußerers bleibt damit so lange virulent, als der Erwerber für seine den Erwerb rechtfertigende Besitzbeziehung noch auf den Veräußerer zurückgreifen muss und er für die Realisierung einer tatsächlichen Sachherrschaft zunächst den Herausgabeanspruch gegen den Veräußerer durchsetzen muss. Der den Eigentumserwerb rechtfertigende Besitzerwerb ist gewissermaßen noch unvollendet und trägt noch nicht. Im Rahmen des § 934 BGB scheidet dagegen der Veräußerer aus der Beziehung der Herausgabeansprüche aus, und ein Rückgriff auf ihn ist nicht mehr nötig, so dass auch seine Berechtigung nicht mehr interessiert. Anders ist es, wenn der mittelbar besitzende Veräußerer seinen Herausgabeanspruch nicht abtritt, sondern lediglich ein weiteres höherstufiges Besitzmittlungsverhältnis zum Erwerber begründet, der Erwerber also Oberbesitzer zweiter Stufe wird (§ 871 BGB): Hier muss der Erwerber, um an die Sache „heranzukommen“, zunächst über den Herausgabeanspruch gegen den „zwischenbesitzenden“ Veräußerer vorgehen; damit bleibt dessen Nichtberechtigung virulent. Diese Lösung – nämlich die Einschränkung gutgläubigen Erwerbs bei Besitzkonstitut in § 933 BGB dadurch zu erklären, dass die Frage der Berechtigung des Veräußerers den Erwerb so lange hindert, als der Erwerber seine Besitzbeziehung von ihm ableitet – steht auch im Einklang mit der ratio legis, durch die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs die Verkehrsfähigkeit beweglicher Sachen zu erhöhen: Der Verkehrsfähigkeit ist ein Element des Weiterleitens immanent, und das tatsächliche Weiterleiten ist dementsprechend für den Verkehrsschutz auch erforderlich. Bleibt die Sache dagegen ohnehin beim Veräußerer zurück, kann der Erwerber also nicht ohne Rückgriff auf seinen Veräußerer darauf zugreifen, dann erscheint er weniger schutzbedürftig57. Zumindest 56 Ebenso Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 309, sowie in FS Gernhuber, S. 95/114 ff., m. w. N. Fn. 79 (Ernst legt allerdings im Rahmen der Erwerbstatbestände einen anderen Besitzbegriff zugrunde: Danach soll der Besitzmittler nicht durch einfache Konstitutserklärung gegenüber einem Dritten den bisherigen Eigenbesitz brechen und neuen begründen können, vgl. Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 25 ff., 242 ff. sowie S. 266 ff. zu § 933 BGB; ablehnend dazu Wieling, NJW 1993, 510). Zum Abstellen allein auf die schutzwürdige Position des Erwerbers vgl. auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B III 1, Rdnr. 17 a. E.

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insoweit deckt sich die hier vertretene objektiv-teleologische Auslegung auch mit dem Willen des historischen Gesetzgebers, der das Erfordernis von tatsächlicher Gewalt und Eigenbesitz beim Veräußerer darauf zurückführt, dass diese ihn befähigen, das „Übergabeerfordernis des dinglichen Vertrages“ zu erfüllen58: Zwar ist in den §§ 929 bis 931 BGB gegenüber dem 1. Entwurf, auf den sich die Motive noch beziehen, das Übergabeerfordernis bei der Übereignung aufgegeben, wie sich insbesondere an 931 BGB zeigt; ein – abstrakteres – Element des Weiterleitens aber ist geblieben. Das erklärt auch, weshalb ein gutgläubiger Erwerb von Miteigentum durch Einräumung bloßen Mitbesitzes möglich ist, obwohl der Veräußerer Mitbesitzer bleibt (insbesondere nach § 932a Hs. 2 BGB). Auf den erworbenen Mitbesitzanteil kann der Erwerber nämlich zugreifen und die Sache damit tatsächlich nutzen, ohne auf den Veräußerer zurückkommen zu müssen59. Es kommt demnach nicht etwa darauf an, dass der Erwerber eine Besitzposition „unter Ausschluss des Veräußerers“ erhält; es reicht vielmehr das Erlangen einer solchen Besitzposition aus, die dem Erwerber nach dem Erwerbsvorgang die tatsächliche Nutzung der Sache ohne Rückgriff auf den Veräußerer ermöglicht. Außer an den Mitbesitzfällen wird das auch im – freilich eher konstruierten – Fall eines doppelten Besitzmittlungsverhältnisses deutlich: Der Erwerber möge etwa ab Eigentumsübergang an den Veräußerer vermieten, dieser wiederum gleichzeitig an den Erwerber untervermieten und die Sache in Erfüllung dieses Untermietvertrages übergeben, so dass der Erwerber zugleich unmittelbarer Besitzer (Untermieter) und mittelbarer Eigenbesitzer zweiten Grades (Vermieter), der Veräußerer mittelbarer Fremdbesitzer ersten Grades (Zwischenmieter) wird. Hier ist, obwohl der Veräußerer eine Besitzposition (mittelbaren „Zwischenbesitz“) zurückbehält und somit nicht ausgeschlossen wird, ein gutgläubiger Eigentumserwerb auch nach dem Wortlaut des § 933 BGB unproblematisch: Denn dass die Übergabe nicht zum Zwecke der Eigentumsübertragung, sondern in Erfüllung lediglich des Untermietverhältnisses erfolgt, ist unschädlich. § 933 BGB verlangt seinem Wortlaut nach nur, dass „die Sache von dem Veräußerer übergeben wird“, und dem Sinnzusammenhang nach können dabei nur solche Übergaben gemeint sein, die nicht zum Zwecke der Eigentumsübertragung erfolgen (weil aus dem Gutgläubigkeitserfordernis folgt, dass zumindest der Erwerber davon ausgehen muss, der Erwerb sei bereits nach 57 Andeutungsweise in diese Richtung auch M. Bauer, FS Bosch, S. 20 f.: § 933 BGB rechtfertige sich allein aus einem Mangel am Abbruch der Haben-Beziehung des bisherigen Veräußerers, ohne dass dies etwas mit Publizität zu tun habe. 58 Mot. III 344 = Mugdan III 191. 59 Dies gilt zumindest dem Grundsatz nach – mag es sich auch in den Fällen des Mitbesitzes je nach den tatsächlichen Verhältnissen in einem gewissen Maße einer Fiktion nähern.

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§ 930 BGB abgeschlossen und die Übergabe erfolge jetzt lediglich auf das bereits erworbene Eigentum). Auch hier ergibt sich die Rechtfertigung des gutgläubigen Erwerbs daraus, dass der Erwerber die Sache tatsächlich nutzen kann, ohne zunächst vermittels rechtlicher Herausgabeansprüche auf den Veräußerer zurückgreifen zu müssen. Im gutgläubigen Eigentumserwerb durch Besitzerwerb kommt zugleich wiederum die rechtsverfestigende und -sichernde Funktion des Besitzes zum Tragen (hier sogar mit materiell-rechtlicher Auswirkung), wie sie sich in prozessualer Hinsicht bereits in § 1006 BGB ergab60 und wie sie im Übrigen auch in den Ersitzungstatbeständen zum Ausdruck kommt: Neben § 937 BGB ist dabei vor allem auch § 900 Abs. 2 S. 1 BGB zu beachten, wonach eine gutgläubige Ersitzung im Grundbuch eingetragener Rechte („Buchersitzung“) nur bei solchen Rechte möglich ist, die zum Besitz berechtigen. Innerhalb der Tatbestände des Gutglaubenserwerbs selbst zeigt sich diese rechtserhaltende Funktion – und die Abwägung zwischen wahrem Berechtigten und gutgläubigem Erwerber nach der sachnäheren Besitzposition – besonders deutlich an § 936 Abs. 3 BGB: Veräußert etwa der wahre Eigentümer E durch Besitzkonstitut nach § 930 BGB an den N und ist diese Übereignung wegen unerkannter Geschäftsunfähigkeit des E unwirksam, so ist E in Folge dieser unwirksamen Übereignung weiterhin Eigentümer und (Fremd-)Besitzer, der N dagegen Nichtberechtigter, aber dennoch mittelbarer Eigenbesitzer. Tritt nun N diesen mittelbaren Besitz im Wege der §§ 870, 931, 934 Alt. 1 BGB an den gutgläubigen G ab, so behält E nach § 936 Abs. 3 BGB sein Eigentum, obwohl er den Besitz nunmehr dem G mittelt61. Grund ist die sachnähere Position des E. d) Folgerungen (1) Der Fräsmaschinenfall und die Einlagerfälle Wenn nun aber der Regelungsgrund des § 933 BGB darin liegt, dass die den redlichen Erwerb tragende Besitzposition sich nicht weiterhin vom nichtberechtigten Veräußerer ableiten darf, was folgt dann daraus für den Fräsmaschinenfall? Hier konnte der Zwischenhändler Z das Eigentum nicht erwerben, weil er zur Realisierung seiner Sachherrschaft weiterhin auf seinen Veräußerer N als unmittelbaren Besitzer angewiesen war, so dass dessen Nichtberechtigung virulent blieb. Nun leitet der spätere gutgläubige Erwerber G seine Besitzbeziehung zwar nicht mehr von seinem unmittelbaren 60

Vgl. oben Kap. 3, insb. A. III. 2., S. 168. Das übersieht Michalski, AcP 181 [1981], 384/417, in seinem – gleichlaufenden – Beispiel; ähnlich wie hier wohl Hager, Verkehrsschutz, S. 330 f. 61

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Veräußerer, dem Zwischenhändler Z, ab; um an die Sache heranzukommen, müsste er aber nach wie vor auf den unmittelbaren Besitzer N zurückgreifen. Bleibt also dessen Nichtberechtigung auch weiterhin „im Spiel“? Das lässt sich mit guten Gründen verneinen: Entscheidend für den Übertragungsvorgang zwischen Z und G ist aus Sicht des G lediglich die Berechtigung des Z, die übrige Vorgeschichte der Sache und insbesondere eine etwaige frühere Berechtigung des N ist für G dagegen eher uninteressant – so könnte beispielsweise Z in der Zwischenzeit auch aus anderen Gründen (Genehmigung des wahren Eigentümers, Bedingungseintritt usw.) tatsächlich Eigentümer geworden sein. Die Berechtigung des N spielt demnach keine Rolle mehr. Auf den damit allein entscheidenden Z muss G dagegen nicht mehr zurückgreifen. Gutgläubiger Erwerb nach § 934 Alt. 1 BGB ist damit in der Konstellation des Fräsmaschinenfalls zu bejahen. Die Einlagerfälle erweisen sich dagegen vor allem als Problem ausreichender Manifestierung des Wechsels des Besitzmittlungswillens beim Einlagerer62. Hat er erst einmal eindeutig zum Ausdruck gebracht, nunmehr für den Erwerber zu besitzen, ist gutgläubiger Erwerb zu bejahen und grundsätzlich auch durch ein eventuelles nachträgliches „Rückwechseln“ des Besitzmittlungswillens nicht mehr zu erschüttern. (2) Der Veräußerer bleibt Besitzdiener Als zumindest in der Konstruktion unproblematisch erweist es sich unter diesem Blickwinkel auch, dass es für den Erwerb ausreicht, wenn die tatsächliche Gewalt zwar beim Veräußerer verbleibt, er aber Besitzdiener des Erwerbers wird63. Denn das Gesetz geht in § 855 BGB von einem derart – auch tatsächlich – verfestigten Abhängigkeitsverhältnis aus, dass ein erst noch mit Hilfe rechtlicher Ansprüche durchzusetzender Rückgriff auf den Besitzdiener nicht mehr nötig ist. Insbesondere steht dem Erwerber in diesem Fall nach §§ 855, 858 ff. BGB sogar der Besitzschutz gegen den Veräußerer zu. (3) Das Erfordernis fortbestehenden Erwerberbesitzes, § 932 Abs. 1 S. 2 BGB Dagegen ist, da es entscheidend auf die Besitzposition beim Erwerber ankommt, in dem Sonderfall der Übereignung durch brevi manu traditio nach § 929 S. 2 BGB ein Fortbestehen dieses Besitzes beim Erwerber zur Zeit der Übereignung erforderlich. Es reicht entgegen allgemeiner Meinung 62 63

Oben a) (4), S. 219. Vgl. dazu die Nachweise oben a) (5), S. 223, Fn. 51.

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also nicht, dass der Erwerber den Besitz bloß irgendwann einmal vom Veräußerer erhalten, dann aber bereits vor der Übereignungshandlung wieder verloren hat (etwa durch Diebstahl)64. Da sich die Schutzwürdigkeit des Erwerbers erst aus seiner besonderen Sachnähe ergibt, fehlt mangels unmittelbar realisierbarer Zugriffsmöglichkeit die wesentliche Grundlage für den redlichen Erwerb65. Letztlich ist diese Lösung freilich auch im Gesetz vorgegeben: Denn in Wahrheit handelt es sich gar nicht um eine Übereignung bei stehendem Erwerberbesitz nach § 929 S. 2 BGB, sondern um eine solche nach § 931 BGB (in Form der Abtretung des Herausgabeanspruchs, etwa gegen den Dieb), so dass sich das Erfordernis aktuellen Besitzes beim Erwerber schon aus § 934 Alt. 2 BGB ergibt. Nichts anderes kann gelten, wenn der Erwerber die Sache schlicht verloren hat und sie beim Übereignungsvorgang besitzlos ist. (4) Die Übergabe an eine (echte) Geheißperson des Erwerbers Hingegen dürfte die Übergabe an eine (echte) Geheißperson des Erwerbers – also insbesondere etwa einen Nachkäufer im Rahmen eines Streckengeschäfts – ausreichen66, obgleich hier der Erwerber zu keinem Zeitpunkt eigenen Besitz innehat. Denn schutzwürdig wird der gutgläubige Erwerber deshalb, weil er vermittels des Besitzes die (mehr oder weniger mediatisierte) tatsächliche Sachherrschaft erhält, er damit mit der Sache tun und lassen kann, was er will, und die Sache vor allem bei ihm verkehrsfähig wird. Diese tatsächliche Sachherrschaft kann er daher auch dadurch ausüben, dass er eine direkte Übergabe an eine Person seiner Wahl bewirkt; er ist in diesem Fall nicht weniger schutzwürdig als bei der zeitaufwändigeren doppelten Übergabe. Eine Ausnahme wird freilich wegen § 936 Abs. 3 BGB der Fall bilden, dass die Geheißperson des Erwerbers zufällig der bisherige Eigentümer ist.

64 So aber Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 47 I 2; MK/Quack, § 932 BGB, Rdnr. 56; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B II, Rdnr. 16. Verbliebener mittelbarer Besitz dagegen – der Erwerber möge die Sache etwa seinerseits bereits an einen Dritten weiterverliehen haben – reicht selbstverständlich aus. 65 Insofern ist die Situation dem Erfordernis fortbestehenden Besitzes des Finders, ohne den er schlicht nicht schutzwürdig ist, vergleichbar; dazu oben Kap. 2, C. II. 2., S. 144. 66 Bejahend auch BGH NJW 1973, 141; Medicus, BR, Rdnr. 565 m. w. N.; ablehnend dagegen Wadle, JZ 1974, 689/695 f. – Nicht zu verwechseln damit ist die Anscheinsgeheißperson auf Veräußererseite, die ein Problem ausreichenden Rechtsscheins darstellt: dazu unten III. 1. a) (3) und d) (1), S. 234 ff., 244 f.

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3. Zwischenergebnis Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass die erhöhten Besitzübertragungsanforderungen der §§ 932 ff. BGB ausschließlich aus Sicht des Erwerbers zu sehen sind und nichts mit Erkennbarkeit oder dem Ausschluss anderer Personen zu tun haben: Erst mit dem Erwerb eigenen – mittelbaren oder unmittelbaren – Besitzes steht der Erwerber in einer tatsächlichen Beziehung zur Sache, die es rechtfertigt, dem bisherigen Eigentümer die Sache zu entziehen. Solange allerdings diese tatsächliche Beziehung noch von seinem Veräußerer abhängt, weil der Erwerber erst noch über einen Herausgabeanspruch auf den Veräußerer zurückgreifen muss, bleibt dessen Nichtberechtigung im Spiel, § 933 BGB. Ebenso bestehen deshalb Rechte Dritter fort, § 936 Abs. 3 BGB, von denen die tatsächliche Sachbeziehung des Erwerbers abhängt oder die jedenfalls in der gleichen Beziehung zur Sache stehen: Denn die Schutzwürdigkeit des Erwerbers ergibt sich erst aus seiner nahen Stellung zur Sache; sachnähere bzw. ebenso sachnahe, berechtigte Dritten sind dann schutzwürdiger als der gutgläubige Erwerber67.

III. Die Erkennbarkeit der (scheinbaren) Berechtigung des Veräußerers – Rechtsschein durch Besitz? Der Eigentumswechsel ist also auch beim Erwerb vom Nichtberechtigten von Publizität unabhängig; die Besitzposition beim Erwerber ist – unabhängig von ihrer Erkennbarkeit – nur deshalb erforderlich, weil der Erwerber ohne Sachnähe nicht schutzwürdig wäre. Publizitätserfordernisse sind aber im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs noch in anderer Hinsicht denkbar: Inwieweit darf der Erwerber den Veräußerer gerade deshalb für den Eigentümer halten, weil der Veräußerer den Besitz der Sache innehat? Hierher gehört das Schlagwort vom „Rechtsschein des Besitzes“. Damit ist der Besitz des Veräußerers gemeint, es geht also um das Erfordernis positiver Publizität beim Veräußerer. Auf Erwerberseite kann dagegen von vornherein von einem „Rechtsschein“ keine Rede sein: Dort ist zwar Besitzerwerb erforderlich, es liegt dann aber kein „Rechtsschein“ mehr vor, weil der Erwerber zugleich mit dem Besitz auch das wahre Recht erhält. Im Grundbuchrecht ergibt sich eine solche Rechtsscheinwirkung zugunsten des Erwerbers eindeutig aus § 892 Abs. 1 S. 1 BGB: Zugunsten des 67 Eine Ausnahme zum Schutz des Besitzers nach § 936 Abs. 3 BGB bildet lediglich § 475b Abs. 2 HGB: Danach kann das Pfandrecht des Lagerhalters selbst bei fortdauerndem Besitz des Lagerhalters weitgehend durch gutgläubig lastenfreien Erwerb in Form der Indossierung des Lagerscheins erlöschen. Hier ist der Lagerhalter ausnahmsweise nicht schutzwürdig, weil er sich leicht selbst durch Eintragung des Pfandrechts im Lagerschein hätte schützen können.

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Erwerbers gilt der bisher Eingetragene als Berechtigter68. Eine entsprechende ausdrückliche Rechtsscheinnorm, nach der also der Besitzer einer Sache zugunsten des Erwerbers als Berechtigter „gelten“ würde, fehlt im Recht der beweglichen Sachen. Lässt sich eine solche Rechtsscheinwirkung nun den §§ 932 ff. BGB zumindest stillschweigend entnehmen? Vor allem fraglich und näher zu untersuchen ist dabei, inwieweit der Besitz des Veräußerers vor dem Übertragungsvorgang zwingendes Erfordernis für den gutgläubigen Erwerb ist, inwieweit der Veräußererbesitz also ein unabdingbares Publizitätsmittel zur Herstellung eines Rechtsscheins beim Veräußerer darstellt. 1. Der beim Veräußerer erforderliche Publizitätstatbestand a) Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre (1) Die Entstehung der Lehre vom Rechtsschein als hinter den §§ 932 ff. BGB stehendem Prinzip Auszugehen ist damit zunächst von dem Befund, dass die Regelungen der §§ 932 ff. BGB den Besitz des Veräußerers zumindest nicht ausdrücklich als Rechtsscheintatbestand hinstellen, weil eine allgemeine Formulierung fehlt, wonach der besitzende Veräußerer zugunsten des gutgläubigen Erwerbers als Eigentümer „gilt“. Auffälligerweise sind die Erwerbstatbestände nach §§ 932 ff. BGB vielmehr durchgehend aus Erwerbersicht formuliert, und zwar stets nach dem Muster: „Der Erwerber wird im Falle des Übertragungstatbestandes X auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört“. Dass für den Veräußerer irgendein Rechtsschein sprechen müsste und dieser Rechtsschein mit dem Besitz zusammenhinge, lässt sich damit dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Die Rechtsscheinlehre versucht vielmehr, ausgehend von den Einzelbestimmungen der §§ 932 ff. BGB ein – angeblich – dahinter stehendes Wertungsprinzip aufzudecken: Aus dem Umstand, dass zumindest einige Erwerbstatbestände den vorhergehenden Besitz des Veräußerers bzw. jedenfalls seine Fähigkeit, dem Erwerber Besitz zu verschaffen, denklogisch voraussetzen, soll sich so ergeben, dass dem Besitz eine ähnliche Rolle wie dem Grundbuch oder dem Erbschein zukomme und dass der Besitz des Veräußerers also den Rechtsscheinträger bilde, der das Vertrauen des Erwerbers rechtfertige69. Dieses 68

Entsprechende Fiktionen („zugunsten . . . gilt“) enthalten §§ 1248, 2365 BGB. In diese Richtung bereits Mot. III 344 = Mugdan III 191 – freilich auf den 1. Entwurf bezogen, der im Mobiliarsachenrecht stärkere Publizitätselemente enthielt und eine dem § 934 Alt. 2 BGB entsprechende Regelung noch nicht kannte. – Grundlegend ferner Wellspacher, Vertrauen auf äußere Tatbestände [1906], S. 5 ff., 69

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hinter dem Gesetz ausgemachte Rechtsscheinprinzip soll sodann wiederum Rückschlüsse auf die Lösung im Gesetz nicht eindeutig geregelter Zweifelsfälle erlauben. Im Grundsatz ist diese Rechtsscheinlehre als Erklärungsmuster für den gutgläubigen Erwerb weitestgehend anerkannt70. (2) Vom Besitz zur Besitzverschaffungsmacht Dass der Veräußerer nun aber vor der Veräußerung nicht unbedingt Besitzer gewesen sein muss, ergibt sich schon aus dem Gesetz: § 934 Alt. 2 BGB geht ausdrücklich davon aus, dass der Veräußerer keinerlei Besitzposition innehatte; und selbst die Übergabe nach §§ 929, 932 BGB kann der Veräußerer in Ausnahmefällen ohne eigenen Besitz bewerkstelligen: wenn er nämlich bloßer Besitzdiener ist. Erst recht nicht kommt es auf einen irgendwie offenkundigen Besitz beim Veräußerer an: Die Abtretung nach §§ 931, 934 Alt. 1 BGB lässt beim Veräußerer den – grundsätzlich nicht sichtbaren – mittelbaren Besitz ausreichen, und in vielen Fällen wird nicht einmal für den Erwerber erkennbar sein, ob sein Veräußerer tatsächlich mittelbaren Besitz innehat, ob der Erwerb sich also unmittelbar durch die Abtretung (§ 934 Alt. 1 BGB) oder erst nach Besitzerlangung vom Dritten (Alt. 2) vollzieht. Nun wäre es denkbar, dass das Gesetz für die verschiedenen Übertragungstatbestände je eigene Anforderungen an den beim Veräußerer erforderlichen Rechtsscheintatbestand stellt: Bei der Veräußerung durch Überinsb. S. 15 zur Gleichstellung von unmittelbarem Besitz und Grundbuch; nachdrücklich betont Wellspacher, S. 5, dass das Rechtsscheinprinzip sich nicht ausdrücklich aus dem Gesetz ergebe, sondern lediglich dahinter stehe. – Ausführlich zur Entwicklung der Rechtsscheinlehre auch Ernst, FS Gernhuber, S. 95 ff. m. w. N. 70 Vgl. etwa Heck, Sachenrecht, § 4, 3 b; Wiegand, JuS 1974, 201/204 u. 210; Staud/Seiler, Einl. z. Sachenrecht, Rdnr. 58; Gerhardt, Mobiliarsachenrecht, Rdnr. 16; Wieling, Sachenrecht, § 3 I b, § 10 II 1 a, 2; M. Wolf, Sachenrecht, Rdnr. 561; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 8 I 3 b; Medicus, BR, Rdnr. 531; Hager, Verkehrsschutz, S. 308 f.; zurückhaltender Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B, Rdnr. 12. – Ablehnend aber Ernst, FS Gernhuber, S. 95/99 ff. u. 114 ff. Die sog. Legitimationstheorie (dazu Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 45 IV 2; Ernst, FS Gernhuber, S. 95 m. w. N.), die den Veräußerer durch den bloßen Besitz als zur Verfügung über das Eigentum legitimiert sehen will (ohne dass dabei freilich andere praktische Konsequenzen ersichtlich wären), erscheint dagegen zweifelhaft: Da auf Seiten des Erwerbers zusätzlich Gutgläubigkeit erforderlich ist, dürfte – wenn überhaupt – nur ein Rechtsscheintatbestand in Frage kommen. In diese Richtung wohl auch Musielak, JuS 1992, 713/714: Der Besitz des Veräußerers sei wegen des Ausschlusses abhanden gekommener Sachen (§ 935 Abs. 1 BGB) kein Rechtsschein-, sondern ein reiner Veranlassungstatbestand; warum es sich nicht konsequenterweise um einen veranlassten Rechtsschein handeln soll, bleibt innerhalb dieses Konzeptes aber unklar (zur Veranlassung sogleich unten 2., S. 251 ff.).

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gabe nach §§ 929, 932 BGB wäre dann etwa ein stärkeres Rechtsscheinelement nötig als beim § 934 Alt. 1 BGB, und am schwächsten wäre es im Rahmen des § 934 Alt. 2 BGB ausgeprägt71. Derart wechselnde Rechtsscheinerfordernisse ergäben aber in der praktischen Konsequenz kaum Sinn. Denn das würde lediglich zu einer Verschiebung der Übertragungsvorgänge hin zu den Tatbeständen mit möglichst geringem Besitzerfordernis führen; je schwächer die Besitzposition des Veräußerers wäre, desto mehr würde die Übertragung in den Rahmen des § 934 Alt. 1 oder – bei ganz fehlender Besitzposition – eben des § 934 Alt. 2 BGB gedrängt. Folgende Konstellation mag das verdeutlichen: Der nichtberechtigte Veräußerer N vereinbart mit dem gutgläubigen Erwerber G, dass er die Sache vom unmittelbaren Besitzer U erhalten soll. Obwohl U dem N den Besitz tatsächlich gar nicht mittelt, gibt er die Sache an G heraus. Hier wird man die Einigung zwischen N und G je nach den Umständen des Einzelfalls mehr oder weniger leicht als eine Abtretung nach § 931 BGB interpretieren können und dementsprechend einen gutgläubigen Erwerb bejahen. Vor allem aber ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb der G, wenn er mit N einen Abtretungsvertrag schließt, nach § 934 Alt. 2 BGB gutgläubig erwerben, dagegen nach § 932 BGB leer ausgehen soll, wenn er sich mit N darauf einigt, den Eigentumsübergang an die Übergabe durch U zu binden. G ist – schon gar unter Publizitätsgesichtspunkten – im ersten Fall nicht schutzwürdiger als im zweiten. Das gilt umso mehr, als zumindest der Erwerber von einem gewöhnlichen Erwerb vom Berechtigten ausgeht (auf die Sicht des Veräußerers kann es dagegen schon deshalb nicht ankommen, weil die Tatbestände der §§ 932 ff. BGB nicht zwischen einem redlichen und einem unredlichen Veräußerer unterscheiden); beim Erwerb vom Berechtigten aber liegt der Zweck der Übergabe allein darin, die Ernsthaftigkeit des Übertragungswillens des Veräußerers derart zu manifestieren, dass er sich im Nachhinein beweisen lässt – weshalb sie dann beim gutgläubigen Erwerb zu höheren Rechtsscheinerfordernissen führen sollte, ist nicht einsichtig. Wenn man also auf der Veräußererseite einen bestimmten Rechtsscheintatbestand für erforderlich hält, müsste diese Grundvoraussetzung für alle Übereignungstatbestände einheitlich gelten. Ausgehend von dem Befund, 71 So Rebe, AcP 173 [1973], 186/195 f.; ähnlich Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B, Rdnr. 12: Für den Veräußerer müsse grundsätzlich der Rechtsschein des Besitzes sprechen; wann eine Besitzlage diese rechtfertigende Kraft habe, bestimme das Gesetz aber nicht allgemein, sondern für jeden einzelnen Übertragungstatbestand gesondert. Inwieweit Baur/Stürner selbst diese scheinbar pragmatische Vorgabe einhalten, ist freilich nicht recht eindeutig, wenn sie (a. a. O., I 1 c, Rdnr. 13) offenbar zumindest den Erwerb von der „echten“ Geheißperson des Veräußerers auch im Rahmen des § 932 BGB zulassen wollen, obwohl es hier an jedem Besitz des Veräußerers fehlt.

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dass der Veräußerer in § 934 Alt. 2 BGB gar keinen Besitz haben muss, dass andererseits auch dort der gutgläubige Erwerb erst dann eintreten kann, wenn der Erwerber den Besitz erlangt hat, ist daher weitgehend anerkannt, dass der Schwerpunkt des Rechtsscheintatbestandes beim Veräußerer auf seine Besitzverschaffungsmacht zu verlagern sei72: Danach soll beim Veräußerer auch dann ein für den gutgläubigen Erwerb ausreichender Rechtsschein gegeben sein, wenn er zwar selbst nicht Besitzer ist, aber immerhin so viel tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache hat, dass er dem Erwerber den Besitz verschaffen kann. Das erscheint zunächst auch deshalb stimmig, als selbst der unmittelbare Besitz nicht stets offenkundig ausgeübt wird, sondern sich auch die tatsächliche Sachherrschaft vor allem in bestimmten Situationen – wie etwa einer Übergabe – zeigt und beweist (in ähnlicher Weise gilt nach § 938 BGB zugunsten des Ersitzenden die prozessuale Vermutung durchgehenden Eigenbesitzes, solange der Eigenbesitz für den Anfang und das Ende eines Zeitraumes feststeht). Im Übrigen steht die Beschränkung auf die Besitzverschaffungsmacht auch im Einklang mit dem bereits erwähnten Zitat aus den Motiven, wonach Inhabung und Eigenbesitz des Veräußerers (ergänze: nur deshalb) die Vertrauensgrundlage für den gutgläubigen Erwerb bilden, weil sie ihn befähigen, das Übergabeerfordernis des dinglichen Vertrages zu erfüllen73. Wenn er dazu also ohne vorhergehende tatsächliche Gewalt oder Eigenbesitz fähig ist – etwa mittels eines Dritten –, dann ist das unschädlich. (3) Geheiß- und Anscheinsgeheißpersonen des Veräußerers In Anlehnung an § 934 Alt. 2 BGB ist dementsprechend auch weitgehend anerkannt, dass sich der Veräußerer einer Geheißperson bedienen darf, obwohl er in diesem Fall über keine eigene Besitzposition verfügt. Denn dass der Veräußerer dennoch – auf eine dem mittelbaren Besitz entspre72 So bereits Prot. 3705 f. = Mugdan III 632 f.; Wellspacher, Vertrauen auf äußere Tatbestände [1906], S. 11; aus heutiger Zeit etwa Westermann/Gursky, Sachenrecht § 45 III 1 a; Wieling, Sachenrecht, § 10 III 6; wohl auch Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 835 und 838 (Der gutgläubige Erwerb setze „objektiv die Rechtsscheinbasis des Besitzes oder eine gleichwertige Rechtsscheinbasis voraus“). Im Ergebnis auch Gernhuber, BR, 3. Aufl., § 8 III 2: Rechtsscheinträger sei nicht der Besitz, sondern die Disposition über den Besitz; letztere aber setzt eben denknotwendig die Fähigkeit zur Disposition auf Seiten des Veräußerers voraus. Einen anderen Schwerpunkt setzen Brehm/Berger, Sachenrecht, § 26.16, die als Rechtsscheinbasis sowohl den Besitz des Veräußerers als auch – in § 934 Alt. 2 BGB – denjenigen des Dritten ausreichen lassen (unklar allerdings in § 26.17). Ausführlich zur Entwicklung vom Besitz zur Besitzverschaffungsmacht als Rechtsscheinträger: Hager, Verkehrsschutz, S. 239 ff., 245 ff. 73 Mot. III 344 = Mugdan III 191.

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chende Weise – tatsächlich auf die Sache einwirken kann, erweist sich darin, dass der unmittelbare Besitzer sich seinem Geheiß unterordnet74. Heftig umstritten ist aber, ob dies auch dann gilt, wenn der Dritte, der die Sache an den Erwerber übergibt, zwar hierzu vom Veräußerer irgendwie veranlasst worden ist, sich dabei aber nur scheinbar (nämlich lediglich aus Sicht des Erwerbers) dem Geheiß des Veräußerers unterwirft und in Wahrheit mit der Übergabe ganz andere Zwecke verfolgt. Meist erhalten diese Konstellationen des sog. Erwerb durch „Anscheinsgeheißperson“ ihre besondere Spannung dadurch, dass die übergebende Anscheinsgeheißperson gerade der wahre Eigentümer selbst ist. Beispielhaft soll dafür der „Klavierfall“ stehen: Der nichtberechtigte Betrüger N veräußert an den gutgläubigen G ein Klavier, das er – N – angeblich bereits bei dem Klavierhändler E erstanden und lediglich noch dort lagern habe. Letzteres ist aber erlogen, wahrer Eigentümer ist also E. N hat vielmehr bei E ein Klavier bloß zur Ansicht bestellt; indem er vorspiegelt, selbst über keine geeigneten Räume zu verfügen, veranlasst N den E, das Klavier bei G anzuliefern75. Die h. M. bejaht die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs über die Figur der Anscheinsgeheißperson76, und zwar auch dann, wenn die Übereignung durch Übergabe, also nach §§ 929, 932 BGB erfolgt. Begründet wird dies wiederum vor allem mit der Parallele zu § 934 Alt. 2 BGB: Auch beim Anscheinsgeheiß liege eine wirkliche, keine scheinbare Über74 Bejahend zum Geheißerwerb etwa Medicus, BR, Rdnr. 563 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 838; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B I 1 c m. w. N.; Hager; Verkehrsschutz, S. 286 ff. – Ablehnend aber Wadle, JZ 1974, 689/695 f., unter Missachtung des § 934 Alt. 2 BGB. Im Übrigen wird dies allenfalls in Frage gestellt, soweit schon der Geheißerwerb vom Berechtigten verneint wird, so etwa (zur Übergabe eines Grundschuldbriefes durch Dritte) BGH ZIP 1993, 98; ablehnend dazu Hager, ZIP 1993, 1446; s. auch oben Kap. 2, A. V. 4., S. 73 ff. 75 Von Medicus, BR, Rdnr. 564, als vermeintliches Schreckensbeispiel zum Anscheinsgeheißerwerb angeführt. Aus der Rspr. sind – in der Grundkonstellation vergleichbar – bekannt der „Koksfall“ (BGHZ 36, 56: N hat seinen Kohlehandel auf E übertragen. Der gutgläubige Stammkunde G bestellt und bezahlt beim nunmehr nichtberechtigten N Kohle. N veranlasst den E durch Täuschung, an den G auszuliefern) sowie der „Hemdenfall“ (BGH NJW 1974, 1132: E beauftragt den N, in seinem – des E – Namen Hemden zu verkaufen. Der dinglich nichtberechtigte N verkauft aber Hemden in eigenem Namen an den gutgläubigen G. Nachdem G an N bezahlt hat, liefert E an den G in der Annahme, es bestehe ein unmittelbarer Kaufvertrag zwischen ihnen. E wartet vergeblich auf Bezahlung. – Hier schied eine Übereignung von E an G nach § 929 BGB aus, weil E zwar übereignen wollte, G jedoch den N als Übereignenden ansah; fraglich war also eine Übereignung des N an G nach § 932 BGB). 76 BGHZ 36, 56; NJW 1974, 1132; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 47 I 1 a m. w. N.; Wieling; Sachenrecht, § 10 III 6; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 428; MK/Quack, § 932 Rdnr. 17; ausführl. Hager, Verkehrsschutz, S. 288 ff.

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gabe vor; es komme allein darauf an, dass der Veräußerer die Übergabe bewirkt habe77. Meist wird dabei noch insofern auf das Rechtsscheinprinzip als einschränkendes Moment rekurriert, als „aus Sicht des Erwerbers“ sich der Vorgang als tatsächliche Geheißkonstellation darstellen müsse78; das beinhaltet auch bereits die Bezeichnung als „Anscheins“-Geheißerwerb. Der Verweis auf § 934 Alt. 2 BGB liegt tatsächlich nahe, weil man durch leichte Abwandlung des Falles in dessen unmittelbaren Anwendungsbereich gerät: Der N möge dem gutgläubigen G das Klavier unter Abtretung des angeblichen Herausgabeanspruches gegen den Händler E übereignen; daraufhin erfolgt die Auslieferung. Fraglich ist dabei aber, ob § 934 Alt. 2 BGB in diesem Fall zu bejahen wäre. Der Wortlaut dieser Norm stellt keinerlei Anforderungen an das Verhältnis zwischen dem Veräußerer und dem dritten Besitzer, sondern verlangt lediglich, dass der Erwerber den Besitz von dem Dritten erlangt; diese Voraussetzung wäre zwar erfüllt. Das allein dürfte aber zur Begründung noch nicht genügen. Auch die Verfechter des Anscheinsgeheißerwerbs selbst wollen nämlich den Wortlaut zumindest in einem anderen Punkt einschränkend interpretieren: Denn § 934 Alt. 2 BGB setzt dem Wortlaut nach nicht einmal irgendeinen Zusammenhang zwischen dem Veräußerungsvorgang und der Besitzerlangung voraus; unstreitig soll aber auch für den Anscheinsgeheißerwerb zumindest erforderlich sein, dass der Veräußerer den dritten Besitzer irgendwie – sei es auch durch Täuschung – objektiv zur Besitzverschaffung veranlasst hat79. Die Gegenmeinung stellt dagegen noch höhere Anforderungen an den Rechtsscheintatbestand beim Veräußerer: Rechtsscheintatbestand sei nur die objektive Besitzposition oder zumindest eine entsprechende objektive Geheißmacht80. Der dritte Besitzer müsse sich also wirklich dem Geheiß des Veräußerers unterordnen. Geschehe dies lediglich auf Grund Täuschung, liege ein Fall des guten Glaubens an das Vorhandensein des Rechtsscheinträgers vor. Der gute Glaube an das „Gerede“ des Veräußerers sei aber nicht geschützt, geschützt sei nur der auf einem tatsächlich vorhandenen Rechtsscheinträger fußende gute Glaube81. Diese Argumentation lässt sich noch nicht mit dem Einwand entkräften, dass das Vorliegen eines Rechtsscheins nicht von Umständen abhängen könne, die für den Erwerber als 77

Westermann/Gursky, a. a. O.; MK/Quack, a. a. O. Etwa Schwab/Prütting, a. a. O. 79 Vgl. die Nachweise oben Fn. 76. 80 Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 564; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 835 und 838; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B I 1 c, Rdnr. 13; Martinek, AcP 188 [1988], 573/636 f. 81 Medicus, a. a. O. 78

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Rechtsscheinbegünstigten gar nicht erkennbar sind – wie etwa dem Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Geheißperson82: Denn auch in den beiden Alternativen des § 934 BGB ist für den Erwerber unter Umständen nicht erkennbar, ob der Veräußerer (im Innenverhältnis zum dritten Besitzer) mittelbarer Besitzer ist oder nicht – dennoch erwirbt er im ersten Fall bereits mit Abtretung des Herausgabeanspruchs, im zweiten Fall erst mit Besitzerlangung; erst recht nicht für den Erwerber erkennbar ist das Abhandenkommen einer Sache, § 935 BGB. Entscheidende Bedenken bestehen vielmehr gegen die Grundlage dieses Ansatzes. Denn dessen Argumentation steht und fällt mit der apodiktischen Behauptung, beim Veräußerer sei der Rechtsscheinsträger „Besitz“ erforderlich. Diese Prämisse lässt sich aber nur behaupten, nicht am Gesetz belegen. Soweit sich die Gegner des Anscheinsgeheißerwerbs auf die angebliche „Systematik der §§ 932 ff. BGB unter Berücksichtigung der darin sich ausdrückenden Kompromisswertung“ berufen83, bleibt das eine pauschale Behauptung, die einen textlichen Beleg nicht zu ersetzen vermag. Als Zwischenergebnis lässt sich damit konstatieren, dass der Wortlaut des § 934 Alt. 2 BGB eher für die Anerkennung des Anscheinsgeheißerwerbs und damit für die h. M. streitet – ein endgültiges Ergebnis wird sich aber erst finden lassen, nachdem das dem § 934 BGB zugrunde liegende Wertungsprinzip herausgearbeitet sein wird84. (4) Die Zustimmungsfälle Erstaunlicherweise liegen die Mehrheitsverhältnisse dagegen in den so genannten Zustimmungsfällen anders. Das betrifft diejenigen Konstellationen, in denen der gutgläubige Erwerber G die Nichtberechtigung seines Veräußerers V kennt, er aber einen der Veräußerung zustimmenden Dritten, den nichtberechtigten N, irrig für den Eigentümer hält. Hier stellt die weit überwiegende Auffassung darauf ab, dass ein ausreichender Rechtsscheintatbestand nur bestehe, wenn der zustimmende Dritte (also der vermeintliche Eigentümer N) tatsächlich zumindest mittelbaren Besitz innehatte, nicht aber schon dann, wenn nur der – ausdrücklich als Nichtberechtigter verfü82

So aber Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 47 I 1 a. So Wilhelm, a. a. O., der zusätzlich auf § 957 BGB verweist – gerade §§ 956, 957 BGB setzen aber zumindest dem Wortlaut nach keinen Veräußererbesitz voraus (dazu noch unten C. I. 2. b), S. 284 ff.). Martinek, a. a. O., beruft sich darauf, in §§ 929, 932 BGB komme das Traditionsprinzip zum Ausdruck, das in §§ 931, 934 Alt. 2 BGB lediglich durchbrochen sei – weshalb man das angebliche Prinzip dann aber nicht auch bei der Anscheinsgeheißperson „durchbrechen“ können soll, bleibt unklar. Ganz ohne gesetzlichen Beleg Medicus, a. a. O. 84 Unten c) und d) (1), S. 241 ff. 83

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gende – V Besitzer ist85. Diese Umkehrung des Meinungsstandes verwundert umso mehr, als sich auch in dieser Konstellation die Nähe zu § 934 Alt. 2 BGB aufdrängt. Letztlich ändert sich nämlich nur eine Nuance: Im Fall des § 934 Alt. 2 BGB reicht es aus, wenn der nichtberechtigte und nichtbesitzende Veräußerer N zunächst die Übereignung erklärt und diese Übereignungserklärung danach vom unmittelbaren Besitzer V durch Besitzverschaffung bestätigt wird. In den Zustimmungsfällen dagegen geht die Initiative zunächst vom unmittelbaren Besitzer V aus; die eigentliche Übereignungserklärung liegt aber in der Zustimmung des N, in Wahrheit ist also der zustimmende N der (nichtberechtigte) Veräußerer86 – dementsprechend müsste es wie in § 934 Alt. 2 BGB ebenfalls ausreichen, wenn seine Zustimmungserklärung vom alleinigen Besitzer V durch Besitzverschaffung bestätigt wird. Mit Blick auf den Gesetzeswortlaut könnte dies allenfalls dann problematisch sein, wenn der gutgläubige Erwerber G die Sache vom Besitzer V bereits vor der Zustimmungserklärung des nichtbesitzenden, angeblichen Eigentümers N erhalten hat: Denn hier scheint § 932 Abs. 1 S. 2 BGB zu fordern, dass der G den Besitz vom Veräußerer, also eigentlich von N, erlangt haben muss. Abgesehen davon aber, dass je nach den Umständen des Einzelfalls zweifelhaft sein kann, ob eine Übereignung nach § 929 S. 1, S. 2 oder § 931 BGB vorliegt, kann die Rechtsscheinbasis und damit der gutgläubige Erwerb kaum davon abhängen, ob die Zustimmung vor, gleichzeitig mit oder nach der Übergabe erklärt wird87. Das wirft die Frage auf, wie weit oder eng die in § 932 Abs. 1 S. 2 BGB geforderte Erlangung des Be85 So etwa BGHZ 10, 81/86; auch 56, 123/129; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B II 1 d, Rdnr. 13; Westermann/Gursky, Sachenrecht, 7. Aufl., § 46, 2 b und § 47 I 2 (m. w. N.; gegen H. Westermann in den Vorauflagen); sehr streng Wieser, JuS 1972, 567/569; im Grundsatz auch MK/Quack, § 932 BGB, Rdnr. 21 u. 53, der aber den Besitz des Stellvertreters ausreichen lassen will. – A.A.: Hager, Verkehrsschutz, S. 303 ff. (m. w. N. zur h. M.); wohl auch Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 837, der den Besitz des ausdrücklich nichtberechtigt Verfügenden ausreichen lässt, was dort allerdings im Widerspruch zur Ablehnung des Anscheinsgeheißerwerbs (Rdnr. 838) steht. In BGHZ 10, 81, kam es freilich letztlich auf die Besitzlage gar nicht an, weil sich die Ablehnung des Erwerbs dort schon aus einer ganz anderen Erwägung im Ergebnis als richtig erweist: Aus den abgedruckten Gründen – insbesondere S. 85 und 88 – ergibt sich nämlich, dass schon die Zustimmung des vermeintlichen Eigentümers nicht objektiv festgestellt werden konnte, also schon der Erwerb vom Berechtigten gescheitert wäre. 86 So auch Westermann/Gursky, a. a. O., der aber daraus das Erfordernis eines Rechtsscheins beim zustimmenden N ableiten will und diesen Rechtsschein mangels Besitz verneint. Das passt kaum mit § 934 Alt. 2 BGB zusammen und erst recht nicht mit der gleichzeitigen Anerkennung des Anscheinsgeheißerwerbs als dessen Ausfluss (a. a. O., § 47 I 1 a). 87 Ebenso Hager, Verkehrsschutz, S. 308.

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sitzes „von dem Veräußerer“ zu verstehen ist. Reicht es etwa aus, wenn der Veräußerer (hier also: der zustimmende N) die Übergabe im Nachhinein genehmigt und sich damit zu eigen macht88? (5) Der stehende Erwerberbesitz auf Grund Wegnahme, § 932 Abs. 1 S. 2 BGB In welcher Weise der Erwerber im Rahmen des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB den Besitz vor der Veräußerung „vom Veräußerer erlangt“ haben muss, ist noch in anderer Hinsicht umstritten: Problematisch ist nämlich auch, ob der Erwerber gutgläubig erwerben kann, wenn er die Sache seinem Veräußerer zuvor eigenmächtig weggenommen hat. Unter Rechtsscheingesichtspunkten spräche alles dafür: Der Veräußerer war ja unmittelbarer Besitzer89. Dem steht der Wortlaut des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB, der lediglich verlangt, dass der Erwerber den Besitz vom Veräußerer „erlangt“ hat, nicht unbedingt entgegen. Die wohl überwiegende Meinung lehnt hier dennoch einen gutgläubigen Erwerb ab, weil der Besitzübergang nicht auf freiwilliger Disposition des Veräußerers beruhe90. Die Herkunft dieses zusätzlichen Merkmals bleibt indes dunkel: Denn beim Erwerb vom Berechtigten (§ 929 S. 2 BGB) wäre eine vorhergehende Wegnahme unschädlich. Dabei besteht auch eine Parallele zu den Zustimmungsfällen: Es stellt sich nämlich die Frage, inwieweit nachträgliche Genehmigungen – sei es des nichtbesitzenden scheinbaren Eigentümers zur Veräußerung, sei es des ehemaligen Besitzers zum Besitzentzug – für den Rechtsscheintatbestand ausreichen können. b) Reicht irgendein Besitzerwerb? § 934 Alt. 2 gegen § 932 S. 2 BGB Damit ist hinsichtlich des beim Veräußerer erforderlichen Rechtsscheintatbestandes der Spannungsbogen vorgegeben: Auf der einen Seite steht § 934 Alt. 2 BGB, der keinerlei Beziehung des Veräußerers zur Sache erfordert und nicht einmal implizit irgendein Rechtsscheinerfordernis beim Veräußerer enthält: Der Wortlaut des § 934 Alt. 2 BGB setzt ja überhaupt keinen Zusammenhang zwischen der Besitzerlangung des Erwerbers und dem Veräußerungsgeschäft voraus. Sollte es also beispielsweise sogar aus88 So offenbar Hager, a. a. O., S. 305 (allerdings mit Einschränkung in Fn. 417); ablehnend aber die allgemeine Meinung, etwa RGRK/Pikart, § 932 BGB, Rdnr. 69. 89 Gutgläubigen Erwerb bejaht deshalb Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 47 I 2 a. E. 90 Etwa RGRK/Pikart, § 932 BGB, Rdnr. 68; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 21; MK/Quack, § 932 BGB, Rdnr. 56.

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reichen, wenn der Erwerber sich mit dem nichtberechtigten Veräußerer, der erkennbar über keine Besitzposition verfügt, den der Erwerber aber gutgläubig für den wahren Eigentümer hält, auf eine Übereignung nach § 931 BGB einigt und er später ohne jedes Mitwirken des Veräußerers den unmittelbaren Besitzer zu einer Herausgabe bewegen kann? Sollte selbst genügen, dass der Erwerber zufällig, also ganz unabhängig von der Übereignung, Besitz erhält? Der Wortlaut des § 934 Alt. 2 BGB steht dem nicht entgegen, und ein solches Ergebnis stünde auch in Einklang mit dem bisherigen Zwischenergebnis, dass sich die Schutzwürdigkeit des gutgläubigen Erwerbers aus seiner durch den Besitz ausgedrückten Sachnähe ergibt91: Eigenbesitzer wird der Erwerber ja – wenn auch nur zufällig. Da sich zudem feststellen ließ, dass sämtliche Tatbestände des gutgläubigen Mobiliarerwerbs allein aus Sicht des Erwerbers ohne Erwähnung eines Rechtsscheins formuliert sind, drängt sich die Frage auf, ob also § 934 Alt. 2 BGB den Schluss zulässt, es sei gar kein Rechtsschein auf Veräußererseite erforderlich92. Auf der anderen Seite steht § 932 Abs. 1 S. 2 BGB: Danach genügt für die Schutzwürdigkeit des Erwerbers nicht, dass er Eigenbesitz zur Zeit der Übereignung bereits innehat; er muss diesen Eigenbesitz vielmehr zusätzlich „von dem Veräußerer erlangt“93 haben. Dies hebt sich besonders deutlich vom entsprechenden Erwerbstatbestand vom Berechtigten (§ 929 S. 2 BGB) ab: Dort ist es, weil ein etwaiger Besitz des berechtigten Veräußerers ohnehin nur Manifestationsfunktion hätte, vollends gleichgültig, woher und auf welche Weise der Erwerber den bestehenden Besitz erlangt hat. Beim gutgläubigen Erwerb muss demgegenüber offenbar ein veräußererabhängiges Element hinzukommen94. Wie stark dieses Rechtsscheinelement beim Veräußerer freilich ausgeprägt sein soll, lässt sich der Formulierung des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB kaum endgültig entnehmen: Das Erfordernis der Besitzerlangung „von dem Veräußerer“ könnte einerseits eng zu verstehen sein, so dass der Veräußerer zuvor tatsächlich selbst Besitzer gewesen sein 91

Oben II. 3., S. 230. So Ernst, FS Gernhuber, 95/113 ff. 93 Eine entsprechende Formulierung verwendet § 933 BGB; dort allerdings setzt bereits der vorhergehende Übereignungstatbestand des § 930 BGB voraus, dass der Veräußerer dem Erwerber mittelbaren Besitz verschafft, dass also der Veräußerer selbst Besitzer ist. Dass die Sache sodann „von dem Veräußerer“ übergeben werden muss, ist also nur logische Folge und schafft kein eigenes Besitzerfordernis beim Veräußerer. 94 Das übersieht Ernst, FS Gernhuber, 95/113 ff. – Im Übrigen setzt Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 309, selbst ausdrücklich voraus, dass der Eigenbesitz beim Erwerber vom Nichtberechtigten „bewirkt“ worden ist. Das dürfte im Ergebnis mit einer – weit gefassten – Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers identisch sein. 92

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müsste, aber auch weit, so dass etwa jeder vom Veräußerer irgendwie veranlasste Besitzerwerb ausreichen würde95. c) Das Erfordernis des Besitzerwerbs „auf Grund der Veräußerung“ Stehen sich also doch verschiedene Rechtsscheinerfordernisse bei den verschiedenen Übereignungstatbeständen unvereinbar gegenüber? Betrachtet man zunächst die weiteren Möglichkeiten des gutgläubigen Erwerbs – die gewöhnliche Übergabe gemäß § 932 Abs. 1 S. 1, die Übergabe nach einem Besitzkonstitut gemäß § 933 bzw. die Abtretung mittelbaren Besitzes gemäß § 934 Alt. 1 BGB –, so erweisen sich diese als wenig hilfreich: Sie setzen zwar alle zumindest mittelbaren Besitz des Veräußerers voraus; das aber könnte schlichter Zufall sein, wie ja auch beim Erwerb vom Berechtigten die entsprechenden Übereignungsformen Besitz des Veräußerers voraussetzen, sein Besitz aber lediglich zur Manifestation der Ernsthaftigkeit des Übereignungswillens eingesetzt wird und kein zwingendes Erfordernis des Erwerbs insgesamt ist. Durchgreifend dürfte vielmehr der Blick auf weitere Tatbestände sein, die den gutgläubigen Erwerb gewissermaßen in Kurzfassung und damit auf seine wesentlichen Erfordernisse reduziert enthalten, nämlich der gutgläubige Zubehörerwerb nach § 926 Abs. 2 und das Erlöschen dinglicher Rechte Dritter nach § 936 Abs. 1 S. 3 BGB. Danach ist ein Besitzerwerb „auf Grund der Veräußerung“ erforderlich. Dies gibt die Linie für den Ausgleich vor, so dass der Besitzerwerb „vom Veräußerer“ in § 932 Abs. 1 S. 2 durch eine ausweitende bzw. der bloße Besitzerwerb ohne Bezug zum Veräußerer in § 934 Alt. 2 BGB durch eine einengende Interpretation miteinander in Einklang gebracht werden können96. Dabei darf nun das Merkmal 95 Dazu Hager, Verkehrsschutz, S. 307 f. – Die früher verbreitete Auslegung des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB, nach der es genügen sollte, „wenn der Veräußerer früher einmal Besitzer gewesen ist und nach ihm der Eigentümer nicht mehr besessen hat“ (z. B. Wolff/Raiser, Sachenrecht, § 69 II 2; nicht eindeutig Wiegand, JuS 1974, 201/ 203), findet sich heute kaum noch; sie ist zu weit, weil danach jede zufällige Besitzerlangung des Erwerbers ohne jedes Zutun des Veräußerers ausreichen könnte (kritisch auch Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 47 I 2 m. w. N., allerdings unter irrigem Rückgriff auf den von vornherein nicht einschlägigen § 1006 Abs. 2 BGB). Gemeint war mit der Formel ohnehin in erster Linie der – unproblematische – Fall, dass der Erwerber den Besitz vom Besitzmittler des Veräußerers erhalten hat: vgl. dazu Wieser, JuS 1972, 567/569, Fn. 15. 96 Für die Abtretung eines (angeblichen) Herausgabeanspruchs ohne mittelbaren Besitz des Veräußerers (§ 934 Alt. 2 BGB) ist diese Einschränkung – dass also der Besitz auf Grund der Veräußerung erlangt worden sein muss – anerkannt: vgl. etwa BGH NJW 1978, 696/697; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 48 II 3; Wieling; Sachenrecht, § 10 III 4 c. Umgekehrt muss dann aber dasselbe – erweiternd – für

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„auf Grund der Veräußerung“ nicht zu eng verstanden werden; es reicht aus, dass der Besitzerwerb irgendwie auf das Veräußerungsgeschäft zurückgeht. Dieser Zusammenhang muss dabei freilich objektiv bestehen, wie ja auch die Formulierung vom Besitzerwerb „auf Grund der Veräußerung“ schon vom Wortlaut eindeutig ein objektives Erfordernis darstellt; ein nur scheinbarer Zusammenhang aus Sicht des Erwerbers reicht also nicht. Andererseits braucht aber der Besitzerwerb nicht unbedingt durch ein unmittelbares Mitwirken des Veräußerers herbeigeführt zu sein: Ein Besitzerwerb „auf Grund der Veräußerung“ liegt vielmehr schon dann vor, wenn der unmittelbare Besitzer in Kenntnis der Veräußerung dem Erwerber den Besitz verschafft (und so letztlich das angebliche Eigentum des Veräußerers anerkennt). Veräußert also etwa der nichtberechtigte und nichtbesitzende N eine beim Lagerhalter L gelagerte Sache an den gutgläubigen G, so kann G auch ohne weitere Mitwirkung des N dadurch Eigentum erwerben, dass er dem L eine Urkunde über das Veräußerungsgeschäft vorlegt und L ihm daraufhin einen Lagerschein ausstellt, § 934 Alt. 2 BGB. Daran ändert nichts, dass sich L etwa über die Person des Einlagerers irrt. Der Erwerber muss dabei nicht einmal den Veräußerer für den mittelbaren Besitzer halten; es genügt etwa auch, dass er meint, die Sache sei dem Veräußerer von einem Dieb gestohlen worden, und dass er nun die Sache von diesem Dieb unter Bezugnahme auf die Veräußerung ausgehändigt bekommt. Ein rein zufälliger, vom Veräußerungsgeschäft ganz unabhängiger Besitzerwerb des G reicht dagegen nicht. Ohnehin ist kaum ein Fall denkbar, in dem der Erwerber den Besitz ohne jeden Bezug zur Veräußerung erhält und dennoch „zur Zeit . . . des Besitzerwerbes“ (so übereinstimmend §§ 934 a. E., 926 Abs. 2 a. E., 936 Abs. 2 BGB) noch gutgläubig ist. Wäre jedoch ausnahmsweise ein solcher Fall gegeben, so müsste der gutgläubige Erwerb dennoch am Fehlen eines objektiven Zusammenhangs zwischen Veräußerung und Besitzerwerb scheitern: Der gutgläubige Erwerber ist dann nämlich nicht schutzwürdiger, als wenn er den Besitz ohne Veräußerungsgeschäft erhalten hätte; dann aber stünde ein Eigentumserwerb naturgemäß nicht zur Diskussion. Hier trifft sich das Besitzerwerbserfordernis des gutgläubigen Erwerbs zudem mit der Manifestationsfunktion, die der Besitz ganz allgemein beim Erwerb – also auch beim Erwerb vom Berechtigten – spielt97: Durch eine zufällige, von der Veräußerung unabhängige Besitzerlangung kann sich der Übertragungswille des Veräußerers nicht manifestieren. Für den Erwerb bei stehendem Erwerberbesitz (§ 932 Abs. 1 S. 2 BGB) führt freilich die Formel „Besitzerwerb auf Grund der Veräußerung“ nicht die Übereignung bei stehendem Besitz des Erwerbers gelten (§ 932 Abs. 1 S. 2 BGB). 97 Vgl. dazu oben Kap. 2, A. IV. 2. und V. 4., S. 65 ff., 73 ff.

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recht weiter, weil die Veräußerung dem Besitzerwerb erst nachfolgt, so dass sich der Sinn des Besitzerwerbs denknotwendig erst im Nachhinein durch die Übereignung verändert. Hier muss dementsprechend der Besitzerwerb objektiv auf ein Betreiben des Veräußerers zurückzuführen sein; sonst fehlt jegliches verknüpfende Band zwischen Besitzerwerb und Übereignung und daher dem Erwerber die Schutzwürdigkeit. Irgendeine Veranlassung des Besitzerwerbs durch den Veräußerer aber reicht dann andererseits auch aus, um ein Erlangen des Besitzes „von dem Veräußerer“ und damit einen gutgläubigen Erwerb zu bejahen98. Was aber heißt das nun für den beim Veräußerer erforderlichen Rechtsscheintatbestand? Auszugehen ist zunächst von dem bereits oben99 konstatierten Befund, dass der gutgläubige Erwerb – angesichts des Ziels erhöhter Verkehrsfähigkeit – grundsätzlich soweit wie möglich vom Erwerber aus zu betrachten und insbesondere sein Besitzerwerb allein deshalb erforderlich ist, um ihm eine schutzwürdige, weil gegenüber dem Eigentümer sachnähere Position zu sichern. Ausreichend ist demnach jede Besitzerlangung in objektivem Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft100. Jegliche vorangegangene Disposition des Veräußerers über den Besitz könnte sich unter diesem Blickwinkel als bloßes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks – der schutzwürdigen Besitzposition des Erwerbers – darstellen. Indem aber sein Besitzerwerb ihn nur dann schutzwürdig macht, wenn er im Zusammenhang mit der Veräußerung steht, reicht also allein die Sicht des Erwerbers nicht aus; auf Veräußererseite muss vielmehr ein Bewirken des Besitzerwerbs hinzukommen. Auch wenn man – wie dargelegt – dafür irgendeinen objektiven (Kausal-)Zusammenhang zwischen Veräußerung und Besitzerlangung des Erwerbers ausreichen lässt, ist diesem Erfordernis immanent, dass der Besitzerwerb sich auf die Person des Veräußerers zurückführen lässt (mag er sich selbst auch nach dem Veräußerungsgeschäft passiv verhalten)101. Damit bleibt der gutgläubige Erwerb von – wenn auch schwachen – objektiven Voraussetzungen beim Veräußerer abhängig. Dies bestätigt also im Ergebnis die h. M., soweit sie beim Veräußerer bloße „Besitzverschaffungsmacht“ fordert, die dann aber auch durchgängig ausreichen muss – wobei diese Besitzverschaffungsmacht zudem sehr weit zu verstehen ist. 98 So auch Hager, Verkehrsschutz, S. 307 ff.; ähnlich wohl Wiegand, JuS 1974, 201/202 f. 99 Zur Erkennbarkeit des Eigentumsübergangs nach außen: II. 3., S. 230. 100 Dies als den eigentlichen „Rechtsscheintatbestand“ sehen K. Müller, Sachenrecht, Rdnr. 2387; Gernhuber, BR, 3. Aufl., § 8 III 2. – Ausdrücklich ablehnend dazu: BGHZ 34, 153/157 f. 101 Zweifelhaft daher die Folgerung bei Ernst, FS Gernhuber, 95/113 ff., auf jegliche tatbestandlichen Voraussetzungen beim Veräußerer zu verzichten.

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Im Extremfall dürfte der redliche Erwerb sogar ohne weiteres Zutun des Veräußerers glücken: Der nichtberechtigte N möge etwa ein Buch des Eigentümers E an den gutgläubigen G veräußern. Das Buch hat sich der L vom E ausgeliehen. N teilt nun dem G mit, er solle sich das Buch bei L abholen. G wendet sich darauf an L und fordert das Buch mit dem Hinweis heraus, er habe es gekauft – ohne dabei freilich den Veräußerer zu benennen. L geht davon aus, der G habe sicherlich von E erworben, und gibt ohne weitere Nachfrage heraus. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 934 Alt. 2 BGB reicht auch das für den gutgläubigen Erwerb. Der Rechtsscheintatbestand beim Veräußerer schmilzt damit auf ein Minimum. Zwar bleibt das Erfordernis der Freiwilligkeit auf Seiten des bisherigen Besitzers; dass G dem L das Buch ohne dessen Wissen wegnimmt, genügt nicht. Das liegt aber weniger an einer fehlenden Rechtsscheingrundlage, sondern vielmehr an der Fehlerhaftigkeit der durch verbotene Eigenmacht erlangten Besitzposition des G: Da erst eine gefestigte Besitzposition den gutgläubigen Erwerber schutzwürdig macht, kann diese Schutzwürdigkeit nicht eintreten, wenn die Sache noch Rückgabe-Ansprüchen aus §§ 861, 1007 Abs. 1 BGB unterliegt. Immerhin aber reicht auch nicht jede auf Freiwilligkeit beruhende Besitzerlangung des Erwerbers ohne Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft. d) Folgerungen (1) Der Anscheinsgeheiß Reicht somit jeder Besitzerwerb „auf Grund der Veräußerung“, d.h. in objektivem Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft aus, so ist zunächst der gutgläubige Erwerb auch vermittels einer Anscheinsgeheißperson möglich, wenn also der Veräußerer seine Besitzverschaffungsmacht nur durch Täuschung des unmittelbaren Besitzers erreicht. Dieses Ergebnis führt zu keiner unangemessenen Benachteiligung; denn der unmittelbare Besitzer hätte sich bei genügender Sorgfalt nicht zu der folgenschweren Weggabe der Sache hinreißen lassen müssen. Das wird besonders deutlich in den Fällen, in denen der Eigentümer selbst die übergebende Anscheinsgeheißperson ist102: Er kann sich dann nämlich auf zweierlei Weise selbst schützen: Entweder muss er sich vermittels obligatorischer Ansprüche an demjenigen schadlos halten, auf dessen Aufforderung er die Sache aus der Hand gegeben hat, im Klavierfall also etwa beim Betrüger N, der das Klavier beim E zur Ansicht bestellt hat (im Koksfall muss sich der Eigentümer E an seinen Vertragspartner N als Verkäufer des Kohlehandels halten, im 102

Vgl. dazu die Beispielsfälle oben a) (3) S. 235, Fn. 75.

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Hemdenfall ist der getäuschte E an den N, der seinen Vertretungsauftrag missbraucht hat, verwiesen). Oder er kann bei Übergabe die von ihm verfolgten Zwecke ausdrücklich offen legen (im Klavierfall also: bloß zur Ansicht; im Koks- und im Hemdenfall: Übereignung im eigenen Namen) und so über das Mittel der Bösgläubigkeit einen ungewollten Eigentumsverlust unmöglich machen. Der Erwerber ist in diesen Fällen durch die erlangte Besitzposition selbst dann schutzwürdiger, wenn – wie im Klavierfall – die Anscheinsgeheißperson nicht einmal zum Zwecke der Übereignung übergeben will103: Denn auch § 934 Alt. 2 BGB geht davon aus, dass der Dritte die Sache auf die bereits erfolgte Übereignung des Nichtberechtigten an den Erwerber übergibt und damit gerade nicht zum Zwecke einer Übereignung; auch die dem Besitzkonstitut nachfolgende Übergabe in § 933 BGB kann denklogisch nicht mehr zum Zwecke der – vermeintlich bereits abgeschlossenen – Übereignung erfolgen. Scheitern kann der Anscheinsgeheißerwerb allenfalls dann, wenn die Übergabe durch die Anscheinsgeheißperson in keinem Zusammenhang mit der Übereignung steht; dann fehlt der Übergabe freilich die unabdingbare Funktion, den Übereignungswillen des Veräußerers zu manifestieren – die Übereignung würde also unter Umständen auch dann scheitern, wenn der Veräußerer Berechtigter wäre104. (2) Die Zustimmungsfälle Derselbe Maßstab muss dann aber – entgegen überwiegender Meinung – auch für die Zustimmungsfälle gelten105. Dort reicht es also aus, wenn der unmittelbare Besitzer den zustimmenden Dritten als Eigentümer benennt, der dann seinen eigenen Rechtsschein allein aus den Angaben des unmittelbaren Besitzers, nicht aus eigenem Besitz ableitet; mittelbarer Besitz des Zustimmenden (als des wahren Veräußerers) ist nicht erforderlich. Problematisch sind hier – wie ausgeführt – mit Blick auf § 932 Abs. 1 S. 2 BGB ohnehin nur die Konstellationen, in denen der unmittelbare Besitzer die Sache bereits vor der Zustimmung an den Erwerber übergeben hat. Um auch in diesen Fällen einen gutgläubigen Erwerb zu bejahen und dennoch in Übereinstimmung mit § 932 Abs. 1 S. 2 BGB zu bleiben, muss allerdings weiter ausgeholt werden; dabei soll von folgendem Beispielsfall stehenden Erwerberbesitzes ausgegangen werden: Der gutgläubige G least zunächst 103 In den „Koks“- und „Hemden“-Fällen wollte der Eigentümer als Anscheinsgeheißperson dagegen tatsächlich übereignen – nur eben in eigenem Namen und nicht für den nichtberechtigten Veräußerer. 104 Vgl. oben Kap. 2, A. V. 4., S. 76. 105 So auch Hager, Verkehrsschutz, S. 309 f.

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eine Maschine vom nichtberechtigten N1 und erhält sie ausgehändigt. Während der Leasingdauer teilt N1 dem G mit, er habe die Maschine im Wege des § 931 BGB an den (ebenfalls nichtberechtigten, weil z. B. bösgläubigen) N2 übereignet. Am Ende der Leasingzeit veräußert nun N2 die Maschine an den G. Dass G gutgläubig erwerben kann, scheint nahe zu liegen106, lässt sich aber bei näherem Hinsehen in den Kategorien der Rechtsscheinlehre so leicht nicht begründen. Denn bei N2 lag nie ein Rechtsscheinstatbestand in Form von Besitz oder auch nur Besitzverschaffungsmacht vor: Den unmittelbaren Besitz hat G von ihm nicht erhalten; mittelbaren Besitz hat er zwar zwischenzeitlich innegehabt, dieser war aber von G selbst abgeleitet und kann deshalb dem Erwerber G gegenüber nicht als Rechtsscheingrundlage herhalten107. Sonst müsste nämlich gutgläubiger Erwerb entgegen dem Wortlaut des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB stets eintreten, wenn der Erwerber vor der Übereignung dem Veräußerer den Besitz mittelt, unabhängig davon, woher er selbst den unmittelbaren Besitz erhalten hat. Eine redliche Übereignung bei stehendem Erwerberbesitz ohne vorhergehendes, zumindest konkludentes Besitzmittlungsverhältnis zum Veräußerer ist aber kaum denkbar; die Einschränkung auf den Besitzerwerb „vom Veräußerer“ würde also bedeutungslos. Dass G dennoch gutgläubig erwerben kann, lässt sich demnach allein dadurch konstruieren, dass N2 seinen Rechtsschein von N1 ableitet. N2 tritt gegenüber dem G gewissermaßen die Nachfolge des N1 an, so dass auch die vorhergehende Übergabe nun für den N2 fortwirkt. Diese Ableitung erfolgt aber gegenüber dem G allein dadurch, dass der rechtsscheinbegünstigte N1 den N2 als Eigentümer benennt. Die Konstellation ist damit letztlich keine andere als in den Zustimmungsfällen: Auch hier benennt der rechtsscheinbegünstigte unmittelbare Besitzer einen Dritten als Eigentümer, der dann seinen Rechtsschein daraus ableitet. Nur so lassen sich auch Gemengelagen einheitlich erfassen, in denen auf Veräußererseite mehrere Personen handeln, deren genaue Besitz- und Zustimmungsbeziehungen untereinander unklar bleiben: Solange ein objektiver Zusammenhang zwischen Veräußerungsgeschäft und Besitzerwerb gewahrt bleibt, ist der Erwerber schutzwürdig. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, der gutgläubige Erwerber, der in den Zustimmungsfällen die Nichtberechtigung des unmittelbaren Besitzers kennt, vertraue dann bloß auf das „Gerede“ dieses ausgewiesenermaßen Nichtberechtigten. Denn unstreitig könnte der unmittelbare Besitzer ohne Weiteres den gutgläubigen Erwerb dadurch ermöglichen, dass er entweder ein ausdrückliches Besitzmittlungsverhältnis mit dem zustimmenden 106

So allgemein Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 47 I 2; dagegen aber RGRK/Pikart,§ 932 BGB, Rdnr. 69. 107 So aber Westermann/Gursky, a. a. O. unter Heranziehung des § 1006 Abs. 3 BGB.

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Dritten abschließt (so dass dann der Dritte nach §§ 931, 934 BGB übereignen könnte oder nach allgemeiner Meinung auch eine „ausreichende Rechtsscheinlage“ für einen Zustimmungserwerb vorläge108) oder sich selbst als Eigentümer ausgibt (und dann selbst nach §§ 929, 932 BGB übereignet109). Es kann dann aber keinen Unterschied machen, wenn der unmittelbare Besitzer so „ehrlich“ ist, die eigene Nichtberechtigung zuzugestehen, aber einen Dritten als Berechtigten benennt. Insbesondere in der Abwägung der Interessen des bisherigen Eigentümers und des Erwerbers ergibt sich kein erheblicher Unterschied zum Grundfall des § 932 Abs. 1 S. 1 BGB; der Erwerber wird nicht weniger schutzbedürftig, solange er nur die seine Bevorzugung begründende Besitzposition unter objektivem Mitwirken des Veräußerers (hier also des Zustimmenden) erlangt. Anschaulich ist dafür auch der umgekehrte Fall, dass der spätere Veräußerer dem Erwerber die Sache zwar zunächst übergeben hat, aber zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich nicht als Eigentümer auftritt, sondern seine Berechtigung erst später behauptet: Der nichtberechtigte N möge etwa gegenüber dem gutgläubigen G als Mieter einer Sache aufgetreten sein und sie dem G zunächst zum Zwecke der Untermiete übergeben. Später behauptet N wahrheitswidrig, der Vermieter und wahre Eigentümer E habe das Eigentum auf ihn übertragen, und veräußert die Sache seinerseits im Wege des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB an den bereits besitzenden G. In diesem Fall kann – wenn nicht ausnahmsweise die konkreten Umstände die nachträgliche Behauptung des N unglaubhaft erscheinen lassen – nicht darauf abgestellt werden, der N habe etwa den „Rechtsschein seines Besitzes“ selbst durch seine Äußerungen zerstört (ohnehin müsste er dann einen solchen Rechtsschein durch spätere Äußerungen grundsätzlich auch wieder „heilen“ können). Denn aus Sicht des Erwerbers, auf den die §§ 932 ff. BGB ja zulaufen und auf dessen Position es deshalb entscheidend ankommt, macht es keinen Unterschied, ob er die Sache zunächst vom Besitzmittler des vermeintlichen Eigentümers erhält oder ob sich der Veräußerer von Vornherein als Eigentümer ausgibt. Gutgläubiger Erwerb ist also auch in dieser Abwandlung zu bejahen – und zwar im Einklang mit dem Wortlaut des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB, der lediglich die Besitzerlangung „vom Veräußerer“, nicht aber „vom Veräußerer als dem (auf den Zeitpunkt des Besitzerwerbs bezogen) ver108

Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 B II 1 d, Rdnr. 13. – Ohnehin wird in den Zustimmungsfällen in aller Regel ein Besitzmittlungsverhältnis vorliegen: vgl. – insoweit zutreffend – Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 46, 2 b. 109 Ist der unmittelbare Besitzer dagegen von vornherein so unglaubwürdig, dass er schon auf den ersten Blick nicht selbst als Eigentümer in Frage kommt, so dürften in der Zustimmungskonstellation auch seine Angaben über den Zustimmenden als wahren Eigentümer zweifelhaft erscheinen; der Erwerber könnte in diesem Fall also nicht gutgläubig sein.

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meintlichen Eigentümer“ fordert. Dass der Veräußerer schon beim vorausgegangenen Besitzübergang als Eigentümer aufgetreten sein muss, verlangt § 932 Abs. 1 S. 2 BGB also gerade nicht. Auch hier dürften die Grenzen zur Zustimmungskonstellation fließend verlaufen. Wenn man aber die objektive Besitzverschaffungsmacht ausreichen lässt, dann muss entgegen allgemeiner Meinung auch die nachträgliche Zustimmung desjenigen Nichtbesitzers, auf den der übergebende Veräußerer verweist, genügen. Verkürzt könnte man das damit begründen, dass der Zustimmende in diesem Fall seinen Rechtsschein vom früheren Besitzer ableitet. Bei näherem Hinsehen hat der Zustimmende aber auch objektive Besitzverschaffungsmacht: Denn mit der Verweigerung seiner Zustimmung könnte er das Veräußerungsgeschäft verhindern und folgerichtig eine Rückgabe der Sache vom Erwerber an den vormaligen Besitzer herbeiführen (und gegebenenfalls rechtlich erzwingen). Dass der Erwerber im Besitz der Sache bleibt, hängt also letztlich von der Zustimmung des nichtbesitzenden Dritten ab – und insofern liegt zumindest die „Besitzbelassungsmacht“ in seinen Händen. (3) Der stehende Erwerberbesitz auf Grund Wegnahme, § 932 Abs. 1 S. 2 BGB Die gleiche Wertung muss dann auch im Rahmen des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB gelten, wenn der Erwerber die Sache zunächst dem nichtberechtigten, besitzenden Veräußerer gegen dessen Willen weggenommen hat, sich beide aber nachträglich auf eine Übereignung einigen, ohne dass der Besitz zwischenzeitlich noch gewechselt hätte. Schwierigkeiten scheint insoweit nach der hier vertretenen Betonung der schutzwürdigen Erwerberposition eher der zunächst bestehende Besitzschutz des Veräußerers nach §§ 858 ff. BGB zu bereiten, der ja die erlangte Besitzposition des Erwerbers erheblich schwächt; das entfällt aber durch die in der Übereignungshandlung liegende Genehmigung110. Die nachträgliche Einigung nimmt dem Besitzwechsel gleichzeitig im Nachhinein den Charakter des Unfreiwilligen (beseitigt daher einen etwaigen Makel durch Abhandenkommen, § 935 BGB) und entspricht in ihren Wirkungen somit der freiwilligen Übergabe; eine umständliche Rück- und erneute, diesmal freiwillige Übergabe zwischen Erwerber und Veräußerer ist demnach überflüssig. Hingegen lässt sich ein Rechtsschein beim bestohlenen Veräußerer zugunsten des erwerbenden Diebes 110 Ebenso Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 47 I 2 a. E.; aus demselben Grund kann auch § 935 BGB nicht eingreifen, und zwar auch im Rahmen des Abs. 1 S. 2 nicht (wenn also der Veräußerer bis zur Veräußerung Besitzmittler des wahren Eigentümers war).

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nicht einfach aus § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB herleiten111: Denn § 1006 BGB regelt allein die prozessuale Beweislastverteilung (keinen Rechtsschein), und zwar zugunsten des Bestohlenen und gerade zu Lasten des Diebes112. Vielmehr erweist sich auch hier die objektive „Besitzbelassungsmacht“ des Veräußerers darin, dass er die Sache zumindest freiwillig beim Erwerber belässt, obwohl er sie zurückverlangen und ihre Rückgabe unter dem Blickwinkel insbesondere der §§ 859 Abs. 2, 861, sowie allgemeiner der §§ 1006 Abs. 1 S. 2, 1007 Abs. 2 BGB auch rechtlich erzwingen könnte. Nur ein bejahendes Ergebnis steht auch im Einklang mit der Wertung, auf Grund derer in der entsprechenden Situation des § 934 Alt. 2 BGB (der ebenfalls lediglich ein „Erlangen“ des Besitzes vom Dritten verlangt) der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz grundsätzlich nicht ausreicht113: Denn dort erweist sich erst in der freiwilligen Herausgabe des Dritten als des unmittelbaren Besitzers dessen Unterordnung unter den Veräußerer (und damit die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers), auf die der Erwerber vertrauen darf114. Dann muss es aber auch ausreichen, wenn der dritte unmittelbare Besitzer im Nachhinein den Veräußerer als Eigentümer anerkennt – bzw. im Rahmen des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB der Bestohlene die Wegnahme im Nachhinein hinnimmt. Dass der Veräußerer beim vorangegangenen Besitzübergang als Eigentümer aufgetreten sein muss, verlangt schon der Wortlaut des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB nicht. Und auch § 934 Alt. 2 BGB sieht ein zeitliches Auseinanderfallen der Inanspruchnahme des Eigentums durch den Veräußerer und der Besitzverschaffung ausdrücklich vor. Nichts anderes kann schließlich für die vergleichbaren Fälle gelten, in denen ein unmittelbarer Besitzübergang vom Veräußerer auf den Erwerber durch Wegnahme fehlt, etwa weil der Veräußerer die Sache verloren hat und die Sache also zwischenzeitlich besitzlos war: So kann der gutgläubige G auch etwa den Hund, der dem nichtberechtigten N entlaufen war und den der G aufgreift, von N erwerben, wenn er den N als vorigen Besitzer ermittelt115 – und zwar ohne umständliche Hin- und Hergabe. Zwar fehlt es hier 111 So aber Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 47 I 2 a. E. – Das lässt zudem den Fall außer Acht, dass der Bestohlene zwar tatsächliche Sachherrschaft innehatte, aber als Besitzdiener keinen Besitz (dort wird freilich der gutgläubige Erwerb an § 935 BGB scheitern, weil der Besitzdiener den unfreiwilligen Besitzverlust nicht genehmigen kann). 112 Vgl. insb. oben Kap. 3, A. V. 3., S. 187 f. 113 Insoweit zutreffend BGH WM 1960, 1148/1149 (ohne Begründung); nach den Umständen des Einzelfalls auch MK/Quack; § 934 BGB, Rdnr. 16. 114 Vgl. Wieling, § 10 4 c unter Verweis auf Prot. 3705 f. = Mugdan III 632. 115 Beispiel nach Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 47 I 2, der hier allerdings – inzwischen wohl allgemeiner Meinung entsprechend – gutgläubigen Erwerb ab-

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an objektiver Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers im Zeitpunkt des Besitzerwerbs, also des Aufgreifens. Doch könnte auch hier der Vorbesitzer N die Herausgabe nach § 1007 Abs. 2 BGB rechtlich erzwingen. Indem er freiwillig darauf verzichtet, erweist sich zumindest seine „Besitzbelassungsmacht“. Daran wird zugleich das wesentliche rechtliche Element dieser Belassungsmacht deutlich: Denn selbstverständlich darf nicht jede rein tatsächliche Belassungsmacht ausreichen. Solche käme nämlich bei bestehendem Erwerberbesitz grundsätzlich jedem Veräußerer zu, selbst wenn er niemals Besitzer gewesen ist. Denn da der Erwerber den Veräußerer für den wahren Eigentümer hält, könnte der Veräußerer den besitzenden Erwerber rein tatsächlich sicherlich meist zur Herausgabe bewegen, sobald er eine Übereignung ablehnt – damit wäre der Rahmen des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB gesprengt. Entscheidend ist aber, dass der Veräußerer, wenn er selbst niemals Besitzer war, die Herausgabe rechtlich nicht durchsetzen könnte, da ihm nicht einmal ein Anspruch aus § 1007 BGB zur Seite stünde (und er sich prozessual auch nicht auf § 1006 BGB stützen könnte). (4) Handelsrechtliche Traditionspapiere, §§ 448, 475g, 650 HGB Wenn im gutgläubigen Erwerb entscheidend die erlangte Sachnähe des Erwerbers honoriert wird, stellt sich auch die Frage der Auswirkung auf die handelsrechtlichen Traditionspapiere, bei denen die Übergabe des Papiers die Übergabe der Sache ersetzt, §§ 448, 475g, 650 HGB. Unproblematisch ist zunächst der Grundfall, dass der Papierschuldner dem nichtberechtigten Veräußerer (der zugleich bislang Papierinhaber ist) den Besitz tatsächlich mittelt: Hier lässt sich ein gutgläubiger Erwerb schon aus § 934 Alt. 1 BGB bejahen116. Ist der Papierschuldner dagegen zwar noch unmittelbarer Besitzer, will den Besitz aber nicht mehr dem Papierinhaber mitteln, so ist eigentlich kein Besitzerwerb erfolgt und zumindest § 934 Alt. 1 BGB nicht erfüllt; auch fehlt unter besitzrechtlichen Gesichtspunkten eine besondere Sachnähe des Erwerbers. In Frage kommt allenfalls, das Traditionspapier den Besitzmittlungswillen des Papierschuldners ersetzen zu lassen117. Das kommt dem Wortlaut des Gesetzes entgegen, wonach die Papier- die Güterübergabe „ersetzt“118, und entspricht dem im Handelsverkehr erhöhten Interesse an lehnt. Die dortige Begründung, es fehle mangels nahtlosen Besitzübergangs an einer Rechtsscheingrundlage im Zeitpunkt des Besitzerwerbs, entbehrt einer nachvollziehbaren Wertungsgrundlage, wenn andererseits sowohl die nachträgliche Genehmigung der Wegnahme als auch die Zustimmung des Nichtbesitzenden genügen soll (a. a. O. a. E.). 116 Für § 932 BGB hingegen: Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 281. 117 Dazu Zöllner, Wertpapierrecht, § 25 IV 3 f.

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der Verkehrsfähigkeit der betroffenen Sachen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Zugriffsmöglichkeit beim Erwerber dürfte dies letztlich gerechtfertigt erscheinen, weil er sich den Besitz vom Papierschuldner durch Klage auf Herausgabe aus dem Papier leicht – insbesondere im vereinfachten Urkundenprozess, §§ 592 ff. ZPO – verschaffen kann. Anderes wird aber mindestens dann zu gelten haben, wenn der Papierschuldner inzwischen ein weiteres Papier ausgestellt hat. Hier wird man sich an der differenzierten, an Prioritätsgesichtspunkten ausgerichteten Regelung des § 652 HGB zu orientieren haben119. In den Fällen aber, in denen der Papierschuldner selbst nicht mehr im Besitz des Gutes ist (das Gut etwa abhanden gekommen ist), erhält der redliche Erwerber durch die Papierübergabe nicht mehr als einen nutzlosen Herausgabeanspruch gegen den Papierschuldner. Insbesondere wird er mangels einer auch nur halbwegs gesicherten Besitzposition nicht schutzwürdig, so dass die allgemeine Meinung120 hier im Ergebnis zutreffend einen gutgläubigen Erwerb ablehnt. 2. § 935 BGB: Veranlassung eines Rechtsscheins durch den Alteigentümer? Wenn nun also das zentrale Element des gutgläubigen Erwerbs die schutzwürdige Besitzposition beim Erwerber ist und die Erfordernisse auf der Veräußererseite sich darauf beschränken, dass diese Besitzposition in objektivem Zusammenhang zum Veräußerungsgeschäft erlangt werden muss, welche Rolle spielt dann § 935 BGB, also der Ausschluss gutgläubigen Erwerbs bei abhanden gekommenen Sachen? Steht dahinter ein Grundsatz, dass der Eigentümer sein Eigentum nur deshalb verliert, weil er einen erkennbaren Rechtsschein beim Veräußerer gesetzt hat? Zunächst enthält § 935 BGB eine weitere gesetzliche Absage an das verbreitete Konzept des Veräußererbesitzes als Rechtsscheintatbestand, in den der Erwerber vertrauen und auf Grund dessen er sich umfängliche Nachforschungen über die wahre Eigentumslage ersparen könne121: Denn wenn der Erwerber wirklich sicher gehen wollte, müsste er angesichts des § 935 BGB dennoch umfänglich nachforschen, ob die Sache nicht irgendwann einmal dem wahren Eigentümer abhanden gekommen ist. Da man nun einer 118 Vollständig „ersetzen“ kann das Papier das Gut freilich nicht, nämlich wenn der Papierschuldner selbst keinen Besitz mehr hat; dazu sogleich. 119 Dazu Kap. 2, A. I. 5., S. 56. 120 Etwa Brox, Handels- und Wertpapierrecht, Rdnr. 685 m. w. N. 121 So etwa MK/Quack, § 932 BGB, Rdnr. 1 m. w. N.; auch bereits Heck, Sachenrecht, § 29, 4 b.

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Sache nicht ansehen kann, ob sie abhanden gekommen ist, ist also beim gutgläubigen Erwerb – unabhängig von der Frage, ob der Erwerber das Tatbestandsmerkmal „Besitzerwerb auf Grund der Veräußerung“ überhaupt erkennen kann und können muss122 – zumindest keine reine Erkennbarkeit zugunsten des Erwerbers gewahrt. Nach allgemeiner Meinung enthält § 935 BGB dabei ein Korrektiv zu einem sonst ausufernden Verkehrsschutz: Die Benachteiligung des bisherigen Eigentümers sei nur deshalb und nur dann gerechtfertigt, weil bzw. wenn er den angeblichen Publizitätstatbestand und damit den Rechtsschein beim Veräußerer selbst gesetzt oder zumindest veranlasst habe; die genaueren Bezeichnungen für dieses Phänomen variieren dabei, ohne dass dies stets Auswirkungen auf die daraus gezogenen Konsequenzen hätte123. Zieht man andere Rechtsscheintatbestände zum Vergleich heran, so ist ein (allgemeines) Erfordernis der Veranlassung durch den Belasteten durchaus nicht zwingend124: Zwar gibt es Rechtsscheinhaftungstatbestände, die eine Veranlassung erfordern, etwa im Stellvertretungsrecht die Rechtsscheinvollmacht aus §§ 170 ff. BGB125 sowie die sog. Duldungs- bzw. Anscheinsvollmacht126 oder im Handelsrecht die unrichtige Bekanntmachung nach § 15 Abs. 3 HGB127; eine eingeschränkte Veranlassung ist auch bei dem Rechtsschein durch Quittung nach § 370 BGB erforderlich, für den der Belastete die Quittung zumindest selbst unterschrieben haben muss, mag sie ihm da122

Dazu sogleich unten 3., S. 261 ff. Auf ein „Anvertrauen“ der Sache vom Eigentümer an einen nicht vertrauenswürdigen Besitzer stellen ab Wieling, Sachenrecht, § 10 IV 1 b und c; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 A II 2, Rdnr. 10 (allgemeiner aber später E I, Rdnr. 36: das Erhaltungsinteresse des Eigentümers überwiege, wenn er die Sache „nicht weggegeben hat“; das freilich ist schon deshalb zu weit, weil auch ein Abhandenkommen beim Besitzmittler des Eigentümers schadet: § 935 Abs. 1 S. 2 BGB; deutlich gegen das Anvertrauen als entscheidendes Kriterium im Ergebnis auch a. a. O., E II 1 a, Rdnr. 38: Jegliches Abhandenkommen, auch bei einem vom Eigentümer unabhängigen Eigenbesitzer verhindere redlichen Erwerb). Ein Moment der „Zurechnung“ betonen Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 875 (der allerdings ein Abhandenkommen trotz freiwilligen Handelns des Besitzdieners bejaht, und zwar aus Gründen der Rechtssicherheit, insbesondere klarer Abgrenzungskriterien), und Westermann/ Gursky; Sachenrecht, § 49 vor I. Von „Veranlassung“ des Rechtsscheins sprechen ausdrücklich etwa MK/Quack, § 935 BGB, Rdnr. 1; Soe/Henssler, § 935 BGB, Rdnr. 1; M. Wolf, Sachenrecht, Rdnr. 561. Auf die „Verantwortlichkeit“ des Alteigentümers hebt insbesondere Rebe, AcP 173 [1973], 186/200 ff., ab. Die Bezeichnung als „Risikoprinzip“ (erhöhtes Verlustrisiko durch freiwillige Weggabe) findet sich etwa bei Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 433; Gernhuber, BR, 3. Aufl., § 8 III 3 a; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 45 III 2; Hager, Verkehrsschutz, S. 384 ff. (dort auch ausführlich m. w. N. zu allen Differenzierungen). 124 Vgl. auch Gernhuber, BR, 3. Aufl., § 8 I 8. 125 Dazu BGHZ 65, 13 f. 126 Dazu Medicus, BR, Rdnr. 98 ff. m. w. N. 123

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nach auch abhanden gekommen sein128. Dem stehen aber auch Rechtsscheintatbestände gegenüber, bei denen das nicht der Fall ist, etwa das Grundbuch nach § 892 und der Erbschein nach § 2366 BGB; nach h. M. gilt dies auch für den gutgläubigen Erwerb einer Briefhypothek nach § 1155 BGB, so dass insbesondere der abhanden gekommene Brief mit gefälschten Abtretungsurkunden ausreichen kann129. Ein allgemeines Veranlassungsprinzip gibt es also nicht; inwieweit im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Sachen ein Veranlassungserfordernis gilt, muss sich daher an dessen eigenen Regelungen zeigen – insbesondere an § 935 BGB. a) Die praktischen Auswirkungen des Veranlassungsdogmas (Abhandenkommen bei einem Dritten bzw. Unterschlagung des Besitzdieners) Praktische Auswirkungen zeitigt die dogmatische Einordnung des § 935 BGB als Veranlassungserfordernis vor allem in zwei Problemkreisen, nämlich einerseits bei der Frage, ob durch jedes Abhandenkommen redlicher Erwerb ausgeschlossen ist, also auch dann, wenn die Sache nicht dem Eigentümer oder seinem Besitzmittler, sondern einem vom Eigentümer unabhängigen Dritten abhanden gekommen ist, andererseits, ob die Sache durch eine freiwillige Herausgabe des Besitzdieners abhanden kommt. Die erstgenannte Fallgruppe ist wiederum in recht unterschiedlichen Variationen denkbar. So kann der Dritte den Besitz gutgläubig vom Eigentümer selbst bekommen haben, etwa wenn der Eigentümer die Sache an den nichtberechtigten N unerkannt unwirksam übereignet hat und der N deswegen gutgläubiger Eigenbesitzer ist. Der Dritte kann aber auch bösgläubig sein, etwa wenn der Eigentümer die Sache an seinen Besitzmittler verliehen und dieser sie an den bösgläubigen, nichtberechtigten Hehler N verkauft hat130. Hier stellt sich jeweils die Frage, ob der Dieb, der die Sache beim nichtberechtigten Eigenbesitzer N gestohlen hat, sie wirksam an einen gutgläubigen Erwerber veräußern kann. Mit Blick auf solche Fälle ist § 935 Abs. 1 BGB zwar in seiner Entstehungsgeschichte unklar131, zumindest in seinem Wortlaut aber eindeutig: Den redlichen Er127 Dort gilt nach h. M. das sog. „modifizierte Veranlassungsprinzip“, d.h. der Belastete muss die Bekanntmachung zumindest irgendwie veranlasst haben, vgl. Schilken, AcP 187 (1987), 1/15 m. w. N. 128 Prot. 683 f. = Mugdan II 546; Palandt/Heinrichs, § 370 BGB, Rdnr. 3; a. A.: Erman/H. P. Westermann, § 370 BGB, Rdnr. 3. 129 Vgl. MK/Eickmann, § 1155 BGB, Rdnr. 12 m. w. N. 130 Nach Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 E II 1 a, Rdnr. 38; weitere Beispielsfälle bei Braun, JZ 1993, 391 f. 131 Eingehend Braun, JZ 1993, 391/392 f.

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werb schließt danach nur ein Abhandenkommen beim Eigentümer (S. 1) oder seinem Besitzmittler (S. 2), nicht aber bei einem Dritten aus; hätte nach dem Willen des Gesetzgebers jegliches Abhandenkommen schädlich sein sollen, wären in Satz 1 die Worte „dem Eigentümer“ sowie der gesamte Satz 2 schlicht überflüssig. Dennoch wird aus dem Zurechnungsgedanken teilweise über den Wortlaut des § 935 Abs. 1 BGB hinaus jegliches Abhandenkommen, also auch das beim Dritten, für ausreichend gehalten132. Vom Zurechnungsgedanken aus betrachtet trägt das auf den ersten Blick eine gewisse Konsequenz in sich: Denn während der „Rechtsschein des Besitzes“ beim N, an den der Eigentümer bzw. – im Wege einer Unterschlagung – sein Besitzmittler unwirksam übereignet hat, zurechenbar vom Eigentümer verursacht worden ist, hatte er auf denselben Rechtsschein bei dem Dieb, der den N bestohlen hat, keinerlei Einfluss mehr. Die h. M. nimmt § 935 Abs. 1 BGB dagegen wörtlich. Meist wird dabei ohne weitere Begründung vorausgesetzt, dass der gesetzlichen Regelung der grundsätzliche Vorrang des gutgläubigen Erwerbs zugrunde liege133. Das entspricht zwar systematisch dem Regel-Ausnahme-Schema der §§ 932 bis 934 gegenüber § 935 BGB134, entfernt sich indes vom Zurech132 Am weitesten wohl Rebe AcP 173 [1973], 186/200, der das Veranlassungsprinzip schlicht als der gesetzlichen Regelung zugrundeliegend voraussetzt und deshalb – unabhängig vom Wortlaut – ein Abhandenkommen nur und immer dann annimmt, wenn der Eigentümer den Rechtsschein nicht veranlasst hat; ferner Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 52 E II 1 a = Rdnr. 38, mit dem Verweis auf die angebliche „Tendenz des Gesetzes, bei unfreiwilligem Besitzverlust redlichen Erwerb auszuschließen“. Im Ergebnis auch, allerdings ohne Rückgriff auf den Zurechnungsgedanken: Braun, JZ 1993, 391/394 ff. Braun legt zunächst dar, dass sich weder aus den Gesetzgebungsmaterialien noch aus den sonst gewechselten Argumenten eine zwingende Lösung ergebe (a. a. O., S. 392 f.), und zieht es sodann aus systematischen Erwägungen vor, jedes Abhandenkommen ausreichen zu lassen. Die von ihm dazu angeführten Beispielsfälle (a. a. O., S. 395 f.) vermögen jedoch nicht zu überzeugen, weil sich dort ein gutgläubiger Erwerb jeweils leicht auch ohne Abhandenkommen konstruieren ließe und daher die Schutzwürdigkeit des Eigentümers kaum überwiegen kann. 133 MK/Quack, § 935 BGB, Rdnr. 7 m. w. N.; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 49 I 5; Wieling, Sachenrecht, § 10 IV 1 b; OLG Düsseldorf JZ 1951, 269 f. mit zust. Anm. Raiser; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 40 f.; Staud/Wiegand, § 935 BGB, Rdnr. 6; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 434. Einzig Hager, Verkehrsschutz, S. 406, geht hierauf ein und versucht, Veranlassungsgedanke und Wortlaut wie folgt in Einklang zu bringen: Die freiwillige Besitzübergabe des untreuen Besitzmittlers an einen bösgläubigen Hehler sei dem Eigentümer anzulasten; dann sei es aus seiner Sicht zufällig, ob die Sache bei dem Hehler noch gestohlen werde. – So lässt sich dem Eigentümer aber eben nur der Besitzverlust zurechnen (den der Eigentümer auch im Fall des § 935 Abs. 1 S. 2 BGB in Kauf genommen hat), nicht der letztlich bestehende Rechtsscheintatbestand beim Dieb (dagegen auch Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 49 I 5).

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nungsgedanken: Insbesondere lässt sich eine Zurechnung nicht einfach dadurch konstruieren, dass der Eigentümer die Sache jeweils freiwillig aus der Hand gegeben habe135; denn auch im Falle des § 935 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Eigentümer die Sache freiwillig an einen Besitzmittler aus der Hand gegeben – dennoch schließt auch das Abhandenkommen bei diesem Besitzmittler unstreitig den redlichen Erwerb aus. Noch deutlicher zeigen sich die Schwierigkeiten, den Veranlassungsgedanken mit § 935 BGB in Einklang zu bringen, wenn der Besitzdiener die Sache unterschlägt und veräußert. Hier kann man den redlichen Erwerb sicher nicht einfach mit der bloßen Konstruktion ablehnen, dass für den Besitzdiener nicht der „Rechtsschein des Besitzes“ spreche136. Denn dieses Argument vermengt in unzulässiger Weise die Frage des beim Veräußerer erforderlichen Rechtsscheins mit derjenigen des Abhandenkommens: Wie schon § 934 Alt. 2 BGB zeigt, ist Besitz auf Veräußererseite gar nicht erforderlich, sondern es reicht die Besitzverschaffungsmacht (abgesehen davon, dass in dem Übereignungsangebot des Besitzdieners ohnehin in der Regel ein konkludentes Aufschwingen zum Besitzer läge137). Auch ließe sich damit nicht erklären, weshalb der in einem Laden angestellte Besitzdiener nach § 56 HGB trotz fehlenden Besitzes wirksam Eigentum verschaffen kann. Im Übrigen könnte in der Konsequenz nur der unmittelbar vom Besitzdiener Erwerbende selbst kein Eigentum erlangen, es aber – weil er zumindest Eigenbesitzer wird – bei einem Weiterverkauf seinem gutgläubigen Geschäftspartner verschaffen; das Abhandenkommen soll aber den Erwerb für immer sperren. Wenn man vielmehr den § 935 Abs. 1 BGB als Ausdruck eines Veranlassungsgedankens sieht, man also das Erhaltungsinteresse des bisherigen Eigentümers deshalb zurückstehen lässt, weil er selbst den Rechtsschein der Besitzverschaffungsmacht beim Veräußerer veranlasst hat, erschiene es nur konsequent, den Fall des Besitzdieners nicht grundsätzlich anders zu behandeln: Denn auch die Besitzverschaffungsmacht des Besitzdieners hat der Eigentümer veranlasst. Dieser Schluss wird aber nur von einem Teil der Literatur gezogen138. 134

Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 49 I 5; Raiser, JZ 1951, 270. So aber etwa Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 40 f. 136 So aber RGZ 71, 248/253 f.; Tiedtke, a. a. O., S. 40. 137 Insoweit zutreffend Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 49 I 6; dazu auch Hager, Verkehrsschutz, S. 404. 138 Am weitesten und vom Wortlaut losgelöst Rebe, AcP 173 [1973], 186/200; auch Hager, Verkehrsschutz, S. 405; Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 36 f. (das Institut des Besitzdieners sei allein innerhalb des Besitzschutzes anwendbar); je nach den konkreten Umständen der Besitzdienerschaft auch Wieling, Sachenrecht, § 10 IV 1 c. 135

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Teilweise wird auch danach differenziert, ob der Besitzdiener nach außen als solcher erkennbar war139 und nur bejahendenfalls ein gutgläubiger Erwerb wegen Abhandenkommens verneint. Diese Differenzierung ist ein weiteres Beispiel für das verfehlte, weil unhinterfragte Zurückgreifen auf Publizitätsgesichtspunkte in Zusammenhängen, in die sie von vornherein nicht gehören: Denn ob eine Sache abhanden gekommen ist, sieht man ihr nicht an, kann also mit Erkennbarkeit nichts zu tun haben und auch nicht von ihr abhängen. Im Übrigen ist im Ergebnis ohnehin selbstverständlich, dass der Erwerber nicht gutgläubig sein kann, wenn sein Veräußerer offensichtlich bloßer Besitzdiener ist; bei einer Kette von Veräußerungen, bei denen der letzte gutgläubige Erwerber dem Besitzdiener gar nicht gegenüber tritt, ergibt ein Erkennbarkeitskriterium demgegenüber keinen Sinn. Die h. M. hält sich dagegen an den Wortlaut der §§ 855, 935 Abs. 1 BGB und sieht das eigenmächtige Handeln des Besitzdieners stets als Abhandenkommen an140, ohne sich dabei an den dadurch bewirkten Friktionen mit dem Veranlassungsgedanken zu stören. Soweit innerhalb der h. M. argumentiert wird, der Rechtsschein beim Besitzdiener sei dem Eigentümer nicht zurechenbar, weil dieser unter Umständen aus Organisationsgründen – etwa in einem größeren Betrieb – auf die Hilfe solcher Besitzdiener angewiesen sei141, vermag das nicht zu überzeugen: Auch diese Besitzdiener könnte der Eigentümer ja sorgfältig auswählen; im Übrigen ist mancher Eigentümer zur sinnvollen Nutzung seines Eigentums ebenso zwingend auf Besitzmittler angewiesen – man denke etwa an einen Fahrradverleih. b) Argumente gegen das Veranlassungsdogma So überzeugend der Veranlassungsgedanke auf den ersten Blick erscheinen mag, so schwer lässt er sich also mit dem Gesetzeswortlaut vereinbaren. Die Ungereimtheiten gehen dabei noch weiter: Dass es im Rahmen des § 935 BGB zunächst nicht darum gehen kann sicherzustellen, dass der Eigentümer den Rechtsschein beim Veräußerer positiv gesetzt hat, weil er ihm die Sache „anvertraut“ hat142, zeigt sich schnell: Denn das deckt nur den 139 BGHZ 27, 360/363; MK/Joost, § 855 BGB, Rdnr. 23; H. Hübner, Rechtsverlust, S. 107; für den gutgläubigen Pfandrechtserwerb: MK/Damrau, § 1207 BGB, Rdnr. 9; zum Teil auch Soe/Stadler, § 855 BGB, Rdnr. 4. 140 RGZ 71, 248/253 f. (rein begrifflich argumentierend); BGH WM 1960, 1148/ 1149 (ohne Begründung); MK/Quack, § 935 BGB, Rdnr. 11; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 E II 1 b, Rdnr. 39; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 49 I 6; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 875. 141 So Wilhelm, a. a. O. 142 In diese Richtung aber Wieling, Sachenrecht, § 10 IV 1 b und c (der andererseits das Abhandenkommen bei einem dritten, vom Eigentümer unabhängigen Besit-

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Fall ab, dass der Besitzmittler des Eigentümers das in ihn gesetzte Vertrauen enttäuscht und die Sache unterschlägt, nicht aber sonstige Fälle freiwilliger Weitergabe. Mit anderen Worten: Auch außerhalb des § 935 BGB, also an nicht abhanden gekommenen Sachen, ist gutgläubiger Erwerb möglich, ohne dass die Sache dem nichtberechtigten Veräußerer „anvertraut“ sein müsste. Schon in der Grundkonstellation, dass der Eigentümer E die Sache an den nichtberechtigten N unwirksam übereignet und übergeben hat, fehlt es eigentlich am „Anvertrauen“: Zumindest wenn der N den Kaufpreis sofort bezahlt, ist kein besonderes Vertrauen des E in den N nötig und ersichtlich; dennoch kann N an den gutgläubigen G wirksam veräußern. Gleiches gilt für die Situation mehrerer, hintereinander geschalteter Veräußerungsgeschäfte, wenn also die Sache durch mehrere Hände geht, bei denen aber zunächst ein Erwerb jeweils an Bösgläubigkeit scheitern möge (etwa im vorgenannten Beispiel der Erwerb des bösgläubigen Hehlers vom unterschlagenden Besitzmittler): Dem letzten Glied in der Kette hat der Eigentümer die Sache dann gewiss nicht anvertraut, dennoch ist sie nicht abhanden gekommen, und der nächste Käufer kann sie gutgläubig erwerben. Dass es ebenso wenig darum geht, irgendein Verschulden des Eigentümers in eigenen Angelegenheiten – nämlich durch Übergabe an eine unzuverlässige Person – zu ahnden143, zeigt schon die Alternative des „Verlierens“ der Sache in § 935 BGB, die in aller Regel einen gewissen Sorgfaltsverstoß des Verlierenden voraussetzt, ihn aber dennoch vor einem späteren redlichen Erwerb schützt. Im Übrigen lässt sich auch ein Diebstahl grob fahrlässig provozieren, etwa indem man in zwielichtiger Gegend wertvolles Technikgerät im unverschlossenen Auto offen liegen lässt. Umgekehrt lassen sich leicht Fälle ohne Abhandenkommen konstruieren, in denen der Besitzübergang dem Eigentümer in keiner Weise vorwerfbar ist: So mag etwa der vom Eigentümer sorgfältigst ausgewählte, absolut zuverlässige Mieter bei einem (unverschuldeten) Verkehrsunfall ums Leben kommen, sein ebenso zuverlässiger Sohn ihm in den Besitz nachfolgen (§ 857 BGB), die Sache für ein Erbstück halten und an einen gutgläubigen Erwerber veräußern. Das wäre wirksam, ohne dass dem früheren Eigentümer ernsthaft etwas anzulasten wäre. Ohnehin ist nicht ersichtlich, weshalb der Vorgang des Aus-der-Hand-Gebens an einen Besitzmittler, der im Sinne bestmöglicher Ausnutzung der Sache und damit im Verkehrsinteresse durchaus wünschenswert sein kann, dem Eigentümer als Verschulden angerechnet werden sollte – anders als etwa ein nachlässiger Umgang mit der zer für unschädlich hält – dem Dieb, der die Sache beim nichtberechtigten Eigenbesitzer stiehlt, ist sie aber erst recht nicht „anvertraut“); M. Wolf, Sachenrecht, Rdnr. 561; auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 52 A II 2, Rdnr. 10. 143 In diese Richtung ursprünglich Mot. III 344 = Mugdan III 191; ablehnend dazu Hager, Verkehrsschutz, S. 386 f. m. w. N.

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Registerpublizität, die einzig dem Zweck dient, die wahre Rechtslage erkennbar zu machen. Dass andererseits dem Eigentümer nicht schon jedes freiwillige Aus-derHand-Geben die Schutzwürdigkeit nimmt, dass es also nicht um eine reine „Ermöglichung“ gehen kann, zeigt hingegen § 935 Abs. 1 S. 2 BGB: Auch wenn der Eigentümer die Sache freiwillig an einen Besitzmittler weggegeben hat, dieser also einem gutgläubigen Erwerber das Eigentum verschaffen könnte, bleibt der Eigentümer schutzwürdig, wenn die Sache seinem Besitzmittler abhanden kommt. Die Regelung des § 935 BGB als Ausfluss einer Veranlassung durch den Eigentümer zu sehen, begegnet aber auch systematischen Bedenken. Zum Einen stellt das Abhandenkommen (nach allgemeiner Auffassung also: die „Nicht-Veranlassung“) im System der §§ 932 ff. BGB die Ausnahme dar, die vom Eigentümer zu beweisen ist; käme es darauf an, dass der Eigentümer den Rechtsschein veranlasst hat, so müsste umgekehrt das fehlende Abhandenkommen eine positive Tatbestandsvoraussetzung für den gutgläubigen Erwerb bilden. Zum Anderen zeigt sich das an einer etwas versteckten Norm, die in viel stärkerem Maße auf den Rechtsschein des Besitzes abstellt, nämlich die gutgläubige Schadensersatzleistung an den Besitzer bei Beschädigung der Sache nach § 851 BGB: Hier wird der gutgläubig an den Besitzer zahlende Schädiger stets frei – unabhängig davon, ob die Sache abhanden gekommen ist, ob also der (eventuell leer ausgehende) Eigentümer dies veranlasst oder auch nur ermöglicht hat144. c) § 935 BGB als Ausdruck einer nachwirkenden Besitzposition des Alteigentümers Auch § 935 BGB ist daher weniger unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung durch den bisherigen Eigentümer, als vielmehr von der Besitzposition des Erwerbers her zu sehen: Die erlangte Besitzposition des Erwerbers trägt den Eigentumserwerb dann nicht, wenn sie gegenüber dem Eigentümer bemakelt ist. Das passt insofern in die Systematik, als der Eigentümer, dem die Sache abhandengekommen ist, sie immer nach § 1007 Abs. 2 S. 1 BGB herausverlangen könnte145. Im Falle verbotener Eigen144

Umgekehrt argumentiert Berger, VersR 2001, 419/420 f., der den „Rechtsscheinveranlassungsgedanken“ des § 935 BGB analog auf § 851 BGB anwenden, die befreiende Leistung also nicht bei abhanden gekommenen Sachen eintreten lassen will. – Zu § 851 BGB eingehend unten D. II., S. 305 ff. 145 Auf § 1007 BGB (neben § 1006 Abs. 1 S. 2) stellt auch Raiser, JZ 1951, 270, ab. – Geld und Inhaberpapiere, bei denen Abhandenkommen den redlichen Erwerb ausnahmsweise nicht sperrt (§ 935 Abs. 2 BGB – pecunia non olet), sind auch possessorisch in § 1007 Abs. 2 S. 2 BGB vom Makel ausgenommen.

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macht steht die Sache sogar unter dem Besitzschutz des Eigentümers, §§ 858, 861 BGB, wobei die Schutzansprüche des Eigentümers im Falle einer gegen seinen Besitzmittler verübten verbotenen Eigenmacht aus § 869 BGB Parallelen zum Abhandenkommen beim Besitzmittler nach § 935 Abs. 1 S. 2 BGB zeigen. Zwar wird wegen der Gutgläubigkeit des Erwerbers dessen Besitz grundsätzlich nicht fehlerhaft sein, § 858 Abs. 2 S. 2 BGB, und deshalb der Besitzschutz des bisherigen Eigentümers gegen den Erwerber entfallen; das gilt jedoch nicht in den Fällen, in denen der gutgläubige Erwerber lediglich mittelbaren Besitz erwirbt, während der unmittelbare Besitzer – sei es, weil er selbst der Dieb ist, sei es, weil er sonst bösgläubig ist – fehlerhaft besitzt, was insbesondere in den Konstellationen des § 934 BGB denkbar ist. Jedenfalls bleibt dem Eigentümer der possessorische Anspruch aus § 1007 Abs. 2 BGB. Da die possessorischen Ansprüche dem Eigentümer zudem auch gegenüber dem Besitzdiener zustehen, folgt daraus, dass eigenmächtiges Handeln des Besitzdieners sich als Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB darstellt. Ist die Sache beim Besitzmittler verloren gegangen (§ 935 Abs. 1 S. 2 BGB), steht der possessorische Anspruch zwar dem Besitzmittler selbst (also nicht dem Eigentümer) zu, der aber durch dessen Durchsetzung wieder die alte Besitzsituation und damit auch den mittelbaren Besitz des Eigentümers herstellen kann – verzichtet der Besitzmittler dagegen auf die Besitzverfolgung und genehmigt die Entwendung, so entfällt der Makel des Abhandenkommens146. Was aber heißt das für die Fälle, in denen die Sache nicht dem Eigentümer oder seinem Besitzmittler, sondern einem dritten, nichtberechtigten Eigenbesitzer abhandengekommen ist? Ist hier nicht die Besitzposition des Erwerbers ähnlich geschwächt, weil er unter Umständen Ansprüchen des Dritten aus früherem Besitz ausgesetzt sein könnte? Der Zirkelschluss aus § 1007 Abs. 2 BGB, der possessorische Ansprüche nach Eigentumserwerb ausschließt, hilft dabei zunächst nicht weiter: Es geht ja gerade um die Frage, ob neues Eigentum erworben werden kann. Entscheidend ist vielmehr, dass der dritte frühere Besitzer für den zu lösenden Konflikt keine Rolle spielt. Es geht um die Abwägung der Interessen zwischen bisherigem Eigentümer und gutgläubigem Erwerber; deshalb kann nur ein solcher Makel des Besitzes den gutgläubigen Erwerb hindern, der das Verhältnis zum Eigentümer (bzw. zu dessen Besitzmittler, der gewissermaßen „im Lager“ des Eigentümers steht) betrifft. Dagegen ist kein Grund ersichtlich, weshalb sich die Schutzwürdigkeit des Eigentümers, der ohnehin keinen Besitz mehr hat, in irgendeiner Weise durch ein Abhandenkommen bei einem Dritten erhöhen sollte147. Unterschlägt etwa der Besitzmittler des Eigentümers die 146 Das passt zum Ergebnis beim stehenden Erwerberbesitz auf Grund Wegnahme, oben 1. d) (3), S. 248 f.

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Sache und veräußert sie an einen bösgläubigen Hehler, so macht es weder aus Sicht des Eigentümers noch aus Sicht eines gutgläubigen Erwerbers einen Unterschied, ob letzterer direkt vom Hehler oder erst von dem Dieb, der die Sache dem Hehler gestohlen hat, erwirbt (einen possessorischen Anspruch aus § 1007 Abs. 2 hätte der bestohlene Hehler wegen seiner eigenen Bösgläubigkeit ohnehin nicht: § 1007 Abs. 3 S. 1 BGB). Nun ist das Abstellen auf erlangte bzw. fortwirkende Besitzpositionen an sich äußerst abstrakt. Dahinter steht aber eine Wertung, die die Schutzwürdigkeit nach der Sachnähe bemisst: Gibt der Eigentümer die Sache freiwillig aus der Hand – sei es durch unwirksame Übereignung oder an einen Besitzmittler –, so bringt er damit zum Ausdruck, dass es ihm weniger auf die unmittelbare, tatsächliche Benutzung der Sache ankommt als vielmehr auf ihre wirtschaftliche Verwertung; dann aber kann er es grundsätzlich eher hinnehmen, das Sacheigentum zu verlieren und auf einen Ausgleichsanspruch in Geld verwiesen zu werden, während sich demgegenüber beim Erwerber durch größere Sachnähe ein höheres Bedürfnis für das Sacheigentum zeigt – ein Prinzip, das letztlich auch in § 936 Abs. 3 BGB enthalten ist. Dem widerspricht es nicht, wenn nach § 935 Abs. 1 S. 2 BGB auch ein Abhandenkommen beim Besitzmittler schadet: Zwar hat auch hier der Eigentümer die Sache aus der Hand gegeben und damit sein geringeres Interesse an der Sache selbst offenbart, doch erscheint stattdessen das unmittelbare Sachinteresse des Besitzmittlers schützenswert, der seine Position vom Eigentümer ableitet und sie nicht freiwillig aufgegeben hat. Von dieser Sichtweise geht auch § 1007 Abs. 2 BGB aus, der den possessorischen Anspruch in diesem Fall allein dem Besitzmittler zuspricht. Nur so, nämlich durch Abstellen auf die Person des Besitzmittlers, lässt sich letztlich die Differenzierung zwischen Unterschlagung und Abhandenkommen beim Besitzmittler des Eigentümers erklären: Unterschlägt der Besitzmittler freiwillig, hat auch der bisherige Eigentümer, der seine Besitzposition nur von ihm ableitete und also ohnehin kein Interesse an der unmittelbaren Sachnutzung hatte, das Nachsehen; kommt dem Besitzmittler die Sache unfreiwillig abhanden, bleibt das Eigentum auf Seiten des bisherigen Eigentümers erhalten, was letztlich dem Interesse des bisherigen Besitzmittlers an der unmittelbaren Sachnutzung dient. Von dieser feinen Differenzierung abgesehen unterscheidet sich das im Ergebnis letztlich nicht von dem auch innerhalb der h. M. häufig genannten Normzweck, den Eigentümer vor unfreiwilligem Besitzverlust zu schüt147 So im Ergebnis auch Hager, Verkehrsschutz, S. 406, allerdings mit – vom Zurechnungsgedanken geprägter und schwer nachvollziehbarer – Differenzierung hinsichtlich der Zurechenbarkeit der Besitzverschaffungsmacht beim veräußernden Dieb.

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zen148. Damit ist und bleibt selbstverständlich der gutgläubige Erwerb vom Vorverhalten des bisherigen Eigentümers abhängig: Denn der Eigentümer muss die Sache freiwillig aus der Hand gegeben haben; insoweit kann man darin auch weiterhin ein Moment – eingeschränkter – Ermöglichung sehen. Das tragende Prinzip hinter § 935 BGB dürfte aber nicht in einer Rechtsscheinsveranlassung, sondern in der Gewichtung der Besitzpositionen liegen. Auf keinen Fall jedenfalls hängt der gutgläubige Erwerb davon ab, dass der Eigentümer einen nach außen erkennbaren Rechtsschein veranlasst oder ermöglicht; es geht vielmehr allein um den „versteckten“, d.h. nach außen und grundsätzlich auch für die Beteiligten nicht erkennbaren Konflikt zwischen dem Lager des bisherigen Eigentümers und dem Erwerber. 3. Die Kenntnis des Erwerbers von den Besitzverhältnissen – Kausalität eines Rechtsscheins? Der letzte Schritt bei der Betrachtung des auf Veräußererseite erforderlichen Rechtsscheins betrifft die subjektive Seite des Erwerbers und damit den Kausalzusammenhang mit der Gutgläubigkeit, konkret also die Frage, ob und inwieweit der Erwerber den Besitz bzw. die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers wahrgenommen haben muss. Grundsätzlich müsste es dem Konzept des Rechts-„Scheins“ ja immanent sein, dass der Begünstigte seine Disposition ausdrücklich im Vertrauen auf diesen Schein getätigt hat; wer einen Rechtsscheintatbestand gar nicht kannte, erscheint dagegen auf den ersten Blick kaum schutzwürdig149. Auch hier zeigen sich gravierende Abweichungen von anderen Rechtsscheintatbeständen. a) Die Rolle der Besitzverhältnisse für die Gutgläubigkeit – der Besitz als ein Umstand unter vielen Zunächst ist der gute Glaube des Erwerbers strikt vom Besitz bzw. der Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers zu trennen: Selbstverständlich kann der Besitz des Veräußerers nicht die einzige Voraussetzung für die Gutgläubigkeit des Erwerbers bilden. Nicht nur trägt der Besitz des Veräußerers allein – wie § 933 BGB zeigt – den redlichen Erwerb noch nicht; 148

Dazu Staud/Wiegand, § 935 BGB, Rdnr. 6; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 49 I 5; MK/Quack, § 935 BGB, Rdnr. 7. – Unter Berücksichtigung seines Besitzmittlers (§ 935 Abs. 1 S. 2 BGB) müsste es genauer heißen: „die Eigentümerseite“ zu schützen. 149 Eingehend Canaris, Vertrauenshaftung, 507 ff.; auch Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 301 f.; vgl. aber noch zu den Aufweichungen bei den verschiedenen Rechtsscheintatbeständen, je nach deren spezifischen Normzwecken: sogleich unten b) mit Fn. 157 ff.

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vor allem nützt er dem Erwerber bei Kenntnis der Nichtberechtigung nichts. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf anderen äußeren Umständen des jeweiligen Einzelfalls: Das kann beim Autokauf etwa die Vorlage eines ordnungsgemäßen Kfz-Briefes, im Übrigen je nach Kaufsituation die Üblichkeit des Veräußerungsangebotes, insbesondere mit Blick auf den Kaufpreis und das sonstige Gebaren des Veräußerers sein150. Ist also die Nichtberechtigung aus Gründen, die außerhalb des Besitzes liegen, erkennbar, so fehlt die Gutgläubigkeit. Darin unterscheiden sich die §§ 932 ff. BGB freilich noch nicht von anderen Rechtscheintatbeständen: Auch im Grundstücksrecht nützt dem Erwerber die Voreintragung seines Veräußerers nichts, wenn er die fehlende Berechtigung kennt, § 892 Abs. 1 S. 1 a. E. BGB; ebenso schadet die Kenntnis der wahren Rechtslage trotz Vorliegens des Rechtsscheintatbestandes bei der Rechtsscheinvollmacht, § 173 BGB, oder bei der Handelsregisterpublizität, § 15 Abs. 1 und 3 a. E. HGB. Da es also zumindest auch auf Umstände außerhalb des Besitzes ankommt, kann etwa die Branchenüblichkeit besitzloser Sicherungsrechte unproblematisch einfließen151: Wenn etwa bestimmte hochwertige Maschinen im Allgemeinen nicht uneingeschränkt den Benutzern gehören, sondern üblicherweise mit besitzlosen Sicherungsrechten des Herstellers oder finanzierender Kreditinstitute belegt sind, dann besteht für den Erwerber einer solchen Maschine eben Anlass, an der Berechtigung des einzelnen Benutzers, von dem er erwerben will, zu zweifeln – das hat wohlgemerkt allein mit den äußeren Umständen, aber nichts mit dem Besitz zu tun. Umgekehrt kann selbstverständlich der fehlende Besitz – wie andere äußere Umstände auch – ein starkes Indiz gegen die Berechtigung des Veräußerers bilden: Weil der Vorteil des Eigentums vor allem in der Sachnutzung liegt, wird sich der wahre Berechtigte in der Regel (nicht zwingend!) zumindest im mittelbaren Eigenbesitz halten bzw. den Eigenbesitz gegebenenfalls über das rechtliche Mittel des Herausgabeanspruchs wieder herzustellen versuchen. 150

Vgl. auch die Aufstellung bei MK/Quack, § 932 BGB, Rdnr. 32 ff. Für hochwertige Verkaufsobjekte etwa in BGH NJW 1999, 425/426. Staud/Wiegand, § 932 BGB, Rdnr. 37, 40, 47 ff. (m. w. N. aus der Rspr.), ders., JuS 1974, 206 ff., und Giehl, AcP 61 [1962], 353/370 ff. wollen darin eine „Flexibilisierung“ des Gutglaubenserfordernisses sehen, die erst angesichts angeblich zunehmenden Auseinanderfallens von Besitz und Eigentum und damit abnehmender Besitzpublizität erforderlich geworden sei. Ablehnend zu einem solchen Zusammenhang aber mit überzeugenden Gründen Ernst, FS Gernhuber, S. 95/101 f. u. 109: Bereits das BGB ging von einer modernen Wirtschaftsordnung mit dem Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum aus. Die Üblichkeit besitzloser Sicherungsrechte insgesamt bezweifelnd: Musielak, JuS 1992, 713/715 (das betrifft freilich eine rein empirische, also prozessual dem Beweis zugängliche, aber keine rechtliche Frage). 151

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Im Unterschied insbesondere zum Grundstücksrecht muss der Erwerber aber nicht zwingend auf die Besitzverhältnisse als Anzeichen für das Eigentum des Veräußerers Acht geben. Während Grundbuch und andere Register allein dem Zweck dienen, über die wahre Rechtslage aufzuklären, spielen die Besitzverhältnisse für den Erwerb vom Berechtigten keine entscheidende Rolle – und der gutgläubige Erwerber geht denknotwendig von einem solchen Erwerb vom Berechtigten nach §§ 929 bis 931 BGB aus. Anders als im Grundstücksrecht, wo auch der Erwerb vom Berechtigten dessen Voreintragung voraussetzt (zumindest auf Grund der Verfahrensvorschrift des § 39 GBO), kann sich der Erwerb beweglicher Sachen vom Berechtigten nämlich nach § 931 BGB ausdrücklich ohne jede Besitzposition, sogar ohne tatsächliche Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers vollziehen. Auch die Besitzerlangung beim Erwerber ist ungeeignet, die Berechtigung des Veräußerers als Rechtsscheintatbestand anzuzeigen, weil die Besitzerlangung beim Erwerb vom Berechtigten zumindest nach § 931 BGB nicht Voraussetzung des Eigentumsübergangs ist – wiederum im Gegensatz zum Grundstücksrecht, wo der Übergang erst mit Eintritt des Publizitätstatbestandes, nämlich der Eintragung erfolgt, § 873 Abs. 1 BGB. Insofern ist auch die zur Gleichsetzung von Besitz und Grundbuch als Rechtsscheinträger vielzitierte Motiv-Stelle, nach der bei den beweglichen Sachen „an Stelle des Grundbuches“ tatsächliche Gewalt und Eigenbesitz des Veräußerers die „Vertrauensgrundlage“ bilden, weil diese ihn befähigen, das „Übergabeerfordernis des dinglichen Vertrages“ zu erfüllen152, in höchstem Maße irreführend: Denn in den §§ 929 bis 931 BGB ist – anders als noch im 1. Entwurf, auf den sich die Motive beziehen – dieses Übergabeerfordernis bei der Übereignung aufgegeben; der Erwerb vom Berechtigten ist nach §§ 930 und insbesondere 931 BGB möglich, ohne dass eine Übergabe nötig wäre, ja sogar ohne dass Besitzpositionen dabei überhaupt eine Rolle spielen würden. Der gutgläubige Erwerber – der von einem Erwerb vom Berechtigten ausgeht – muss damit nicht zwingend vor oder während der Übertragung auf den Besitz des Veräußerers achten. Eher könnte man insofern an eine Parallele zum Erbschein denken, dessen Ausstellung für den Erwerb vom wahren Erben ebenfalls unerheblich ist. Auch lässt sich nicht – wie im Grundstücksrecht – zumindest eine Art „verobjektivierter Kausalzusammenhang“ zwischen Besitzerlangung und dem Vertrauen des Erwerbers annehmen: Beim Grundstückserwerb lässt sich die Kausalität zwischen Voreintragung und Gutgläubigkeit dadurch retten, dass zwar der Erwerber das Grundbuch nicht eingesehen haben muss, dass aber die Voreintragung (soweit nicht ohnehin vom beurkundenden Notar, so doch jedenfalls) nach § 39 GBO vom Grundbuchamt geprüft wird, 152

Mot. III 344 = Mugdan III 191.

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so dass es auf Grund dieser verobjektivierten Prüfung einer konkreten Kenntnis des Erwerbers nicht mehr bedarf153. Demgegenüber wird im Mobiliarsachenrecht zwar ebenfalls über das Erfordernis „Besitzerwerb auf Grund der Veräußerung“ sichergestellt, dass der Veräußerer objektiv Besitzverschaffungsmacht besessen haben muss, jedoch wird dies von keiner Seite nachgeprüft. Eine Kausalität zwischen Besitzerlangung und Vertrauen kann auch nicht dadurch hergestellt werden, dass der Erwerber in aller Regel an der Besitzerlangung beteiligt ist und sie auf diese Weise wahrnimmt154; denn in den beiden Alternativen des § 934 ist für den Erwerber unter Umständen nicht einmal ersichtlich, ob sein Veräußerer mittelbarer Besitzer ist oder nicht, er also schon durch die Abtretung oder erst vom Dritten Besitz erlangt. Wie dieses Beispiel zeigt, schadet es umgekehrt auch nicht, wenn der Erwerber selbst nicht weiß, dass er bereits Besitzer ist, sondern etwa irrig von der Abtretung eines bloßen Herausgabeanspruches ausgeht: War der Veräußerer tatsächlich mittelbarer Besitzer, gelingt der Erwerb nach § 934 Alt. 1 BGB allein auf Grund des objektiven Besitzerwerbs. Demnach kann die subjektive Kenntnis nicht Grundlage des gutgläubigen Erwerbs sein, denn dieser tritt unabhängig davon ein, ob der Erwerber von seinem mittelbaren Besitz wusste oder nicht. Die Besitzerlangung ist vielmehr ein rein objektives Tatbestandsmerkmal; auch insoweit könnte man allenfalls Parallelen zum Erbschein bzw. zur Handelsregisterpublizität nach § 15 Abs. 1 bzw. 3 HGB ziehen, bei der der Rechtsscheintatbestand (Erbschein, Eintragung) zumindest nach h. M. eine rein objektive Voraussetzung bildet und damit unabhängig von der konkreten Kenntnisnahme des Begünstigten oder sonstiger Mitwirkender eintritt. Letztlich besteht damit zwischen der objektiven Besitzerlangung und dem subjektiven guten Glauben des Erwerbers kein zwingender Zusammenhang; der gute Glaube muss nicht auf den Besitzverhältnissen beruhen, sondern kann allein auf andere äußere Umstände zurückzuführen sein155. Der Besitz ist damit im Grunde für die Gutgläubigkeit nur ein Umstand unter vielen. Auf irgendeine Kenntnis des Erwerbers von der Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers kann es also nicht ankommen; ein Erfordernis der Kausalität zwischen Rechtsscheintatbestand und Vertrauen entfällt damit156. 153 So Hager, Verkehrsschutz, S. 419 ff., insb. 421; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 508 (dabei bleibt allerdings die theoretische Frage offen, ob der gutgläubige Erwerb dann nicht scheitern müsste, falls das Grundbuchamt seine Pflichten aus § 39 GBO verletzt und eine Prüfung unterlässt, der Veräußerer aber zufällig tatsächlich eingetragen ist). 154 So aber Gernhuber, BR, 3. Aufl., § 8 III 2 a a. E. 155 Verfehlt daher der Ausgangspunkt bei Rebe, AcP 173 [1973], 186 f.; Wiegand, JuS 1978, 148 f.; M. Wolf; Sachenrecht, Rdnr. 572.

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b) Die Irrelevanz der Möglichkeit, die Besitzlage nachzuprüfen Nun lässt sich aber ein allgemeines Kausalitätserfordernis für alle Rechtsscheintatbestände ohnehin zumindest im Gesetz nicht zwingend nachweisen: Ist man im Stellvertretungsrecht (§§ 170, 171 Abs. 2 BGB) noch relativ streng157 und ist für einen auf einer Urkunde beruhenden Rechtsschein zumindest deren Vorlage gegenüber dem Begünstigten erforderlich (vgl. §§ 172 Abs. 2, 370, 405 BGB158), so soll – wie eben dargestellt – beim gutgläubigen Grundstückserwerb bereits ein „verobjektivierter“ oder „abstrakter“ Rechtsschein ausreichen, eine konkrete Grundbucheinsicht des Erwerbers also überflüssig sein159. Dementsprechend muss auch der gutgläubige Erwerber einer Briefhypothek nach § 1155 BGB (der auf § 892 BGB verweist) die Reihe der Abtretungen weder konkret geprüft noch gelesen haben160. Ebenso wenig muss der nach § 2366 BGB vom Erbscheinserben Erwerbende nach überwiegender Meinung vom unrichtigen Erbschein überhaupt wissen161. Auch das Handelsregister muss der Begünstigte nicht eingesehen haben, um das dort Eingetragene im Nachhinein für sich geltend zu machen, § 15 Abs. 1 und 3 HGB (wobei freilich dort besondere Zwecke vorliegen – insbesondere ein erhöhter Eintragungsdruck, um die Nachprüfbarkeit im allgemeinen Verkehrsinteresse zu gewährleisten)162. 156 So zutreffend Hager, Verkehrsschutz, S. 328 f.; für das Grundbuch in ähnlicher Tendenz: Mot. III 212 f.= Mugdan III 117 f.; im Ergebnis auch Wieling, Sachenrecht § 10 II 2 m. w. N. 157 Besonders Canaris, Vertrauenshaftung, 507 ff.; Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 281 f.; Wellspacher, Vertrauen [1906], S. 86. – Zur öffentlichen Bekanntmachung der Vollmacht (§ 171 BGB): MK/Schramm, § 171 BGB, Rdnr. 12; Soe/Leptien, § 171 BGB, Rdnr. 2; Canaris, a. a. O.; Frotz, a. a. O., 301 f. – Zur Duldungs- und Anscheinsvollmacht: BGH NJW 1956, 460; VersR 1965, 133/136. 158 Zu § 172 Abs. 2 BGB: BGH NJW 1988, 697/698; Palandt/Heinrichs, § 173 BGB, Rdnr. 6. – Zu § 370 BGB: RG JW 1930, 753/754 (m.N. der Gegenmeinung, dass nicht einmal Vorlage erforderlich sei); Erman/H. P. Westermann, § 370 BGB, Rdnr. 3; konkrete Kenntnis fordert dagegen Gernhuber, Erfüllung, § 23, 5 c. – Zu § 405 BGB: Palandt/Heinrichs, § 405 BGB, Rdnr. 3 i. V. m. § 173 Rdnr. 6; konkrete Kenntnis fordern dagegen MK/Roth, § 405 BGB, Rdnr. 5; Erman/H. P. Westermann, § 405 BGB, Rdnr. 2. 159 So schon Mot. III 212 f. = Mugdan III 117 f. – Die Einsichtnahme werde unwiderlegbar unterstellt, vgl. RGZ 86, 353/356 unter Berufung auf den Wortlaut des § 892 BGB („gilt . . . als richtig“); BGHZ 104, 143; MK/Wacke, § 892 BGB, Rdnr. 48; vgl. auch die Nachweise oben Fn. 153. 160 RG Gruchot 62 (1918), 621/624; Palandt/Bassenge, § 1155 BGB, Rdnr. 8; Staud/Wolfsteiner, § 1155 BGB, Rdnr. 8. 161 So bereits Mot. V 569 f. = Mugdan V 305; BGHZ 33, 314/317; MK/J. Mayer, § 2366 BGB, Rdnr. 25 m. w. N.; Hager, Verkehrsschutz, S. 447; konkrete Kenntnisnahme fordert dagegen Canaris, Vertrauenshaftung, S. 508 f.

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Allen diesen Rechtsscheintatbeständen – auch soweit sie auf konkrete Kausalität verzichten – ist dabei aber gemeinsam, dass der Rechtsscheinbegünstigte zumindest die Möglichkeit gehabt hätte, den Rechtsscheintatbestand zu überprüfen und zu erkennen163. Dass er dies im konkreten Fall vernachlässigt hat, hat sich nicht ausgewirkt, weil eine Überprüfung sein Vertrauen bestätigt hätte; insbesondere bei der Registerpublizität liegt darin eine zusätzliche Vereinfachung für den Rechtsverkehr, weil er ohne Rechtsnachteile auf den Einblick in das Register verzichten kann. Beim gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen ist das dagegen anders164. Dies gilt schon dann, wenn man mit der h. M. den Rechtsscheintatbestand im Besitz oder der Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers sähe: Zwar erscheint in den Fällen der Übergabe, also vor allem § 932 Abs. 1 S. 1, aber auch S. 2 und § 933 BGB, für den Erwerber in der Regel der unmittelbare Besitz des Veräußerers zumindest nachprüfbar; jedoch sind daneben auch Übereignungsformen mit mittelbarem Besitz möglich, insbesondere § 934 Alt. 1 BGB. Wie aber soll der Erwerber erkennen können, ob sein Veräußerer tatsächlich mittelbarer Besitzer ist? Und wenn er schon Nachforschungen zum mittelbaren Besitz betreibt, könnte er dann nicht auch gleich die Eigentumslage klären? Nichts anderes ergibt sich, wenn man als eigentlichen Rechtsscheintatbestand den „Besitzerwerb auf Grund der Veräußerung“ annimmt. Das zeigt sich an den beiden Alternativen des § 934 BGB: Hier hängt die Frage, ob der Erwerber bereits mit der Abtretung oder erst mit der Besitzerlangung vom Dritten Eigentümer wird, davon ab, ob der Veräußerer mittelbarer Besitzer ist – Letzteres muss aber für den Erwerber nicht unbedingt ersichtlich oder auch nur nachprüfbar sein. Auch insoweit weicht der gutgläubige Erwerb beweglicher Sachen gravierend von üblichen Rechtsscheintatbeständen ab.

162 RGZ 128, 172/181 (zivilrechtliche Strafe für Nichtbefolgung des Anmeldezwanges); BGHZ 65, 309/311; Staub/Hüffer, § 15 HGB, Rdnr 24 f. und 56 (unwiderlegliche Vermutung des Vertrauens auf das Register); Deschler, Handelsregisterpublizität, S. 74; differenzierend Schilken, AcP 187 (1987), 1/6 f., 17, 19 f.; anders – für konkrete Kenntnis – Canaris, Vertrauenshaftung, S. 507 ff. 163 Ausdrücklich dazu (im Rahmen der Leistung an den Quittungsüberbringer, § 370 BGB) RG JW 1930, 753/754; Erman/H. P. Westermann, § 370 BGB, Rdnr. 3. 164 Strafzwecke entfallen hier – im Gegensatz zur handelsrechtlichen Registerpublizität – von vornherein, weil es die Rechtsordnung grundsätzlich nicht missbilligt und auch nicht missbilligen kann, dass der Eigentümer die Sache im Rahmen einer Miete oder eines sonstigen Schuldrechtsverhältnisses vorübergehend aus der Hand gibt.

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4. Zwischenergebnis Hinsichtlich der beim Veräußerer erforderlichen Besitzposition lässt sich damit festhalten: Da der gutgläubige Erwerber erst mit der Erlangung tatsächlicher Sachnähe schutzwürdig wird und sein Erwerb daher erst mit Besitzerlangung eintreten kann, ist zugleich zwingend vorausgesetzt, dass der Veräußerer in irgendeiner Form derart auf die Sache einzuwirken imstande ist, dass sie in den Herrschaftsbereich des Erwerbers gelangt; dafür steht das Erfordernis der „Besitzverschaffungsmacht“ im weitesten Sinne. Der Erwerber erwirbt Eigentum aber schon durch jeden rein objektiven Besitzerwerb auf Grund der Veräußerung; subjektiv muss er weder zwingend auf die Besitzverhältnisse achten noch ist erforderlich, dass er sie überhaupt durchschauen kann. Es schadet nicht einmal, wenn er weiß, dass der Veräußerer nicht Besitzer ist (vgl. § 934 Alt. 2 BGB)165. Angesichts so weitgehender Unabhängigkeit des gutgläubigen Erwerbs vom vorhergehenden Besitz des Veräußerers wie auch vom subjektiven Vertrauen des Erwerbers in die Besitzposition beim Veräußerer muss letztlich fraglich erscheinen, inwieweit die Einordnung als „Rechtsschein“-Tatbestand ein treffendes Konzept für die Besitzerlangung bilden kann. Jedenfalls kann man den Regelungsgrund der §§ 932 bis 934 BGB nicht mehr darin sehen, dass das Vertrauen des Erwerbers in den Besitz oder die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers durch die Besitzerlangung gerechtfertigt werde: Denn der Erwerber vertraut unter Umständen gar nicht in die Besitzverhältnisse und muss dies auch nicht. Seine Schutzwürdigkeit beruht vielmehr allein auf der von ihm erlangten eigenen objektiven Besitzposition. Damit erweist es sich auch als irreführend, die Ausnahme abhanden gekommener Sachen (§ 935 BGB) mit Veranlassungsgesichtspunkten zu erklären: Es geht weniger darum, dass der bisherige Eigentümer bei dem nichtberechtigten Veräußerer einen Rechtsschein in Form von Besitz veranlasst haben muss; vielmehr ist der bisherige Eigentümer schutzwürdig, wenn seine Besitzposition (bzw. die des in seinem „Lager“ stehenden Besitzmittlers, § 935 Abs. 1 S. 2 BGB) fortwirkt, weil sie unfreiwillig verloren wurde (vgl. auch §§ 1007 Abs. 2, 1006 Abs. 1 S. 2 BGB). Nur so lässt sich auch der Ausschluss gutgläubigen Erwerbs durch das Abhandenkommen beim Besitzdiener sowie die Irrelevanz des Abhandenkommens bei Dritten erklären. Allenfalls kann man damit von einer „Ermöglichung“ des gutgläubigen Erwerbs durch den bisherigen Eigentümer insofern sprechen, als er selbst auf die Sicherung durch unmittelbaren Besitz verzichtet haben muss. 165 Vgl. zur strikten Trennung zwischen objektivem Besitzerwerb und subjektivem guten Glauben bereits Mot. III 346 f. = Mugdan III 192 f.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

IV. Zusammenfassung Der gutgläubige Erwerb ist wesentlich Ausfluss der Sicherung einer Rechtsposition durch Besitz auf Erwerberseite. Er trägt dann, wenn der Erwerber redlich ist und auf Grund der Veräußerung eine qualifizierte Besitzposition erlangt, so dass er wegen der so hergestellten Sachnähe gegenüber dem bisherigen Eigentümer schutzwürdiger erscheint. Der Erwerbsvorgang selbst muss dabei nicht – ebenso wenig wie beim Erwerb vom Berechtigten – nach außen erkennbar sein, insbesondere auch nicht für den bisherigen Eigentümer. Nichts anderes ergibt sich aus der Regelung des § 933 BGB; diese Vorschrift entspringt historisch dem Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber dem Besitzkonstitut und hat daher durch die Anerkennung des Besitzkonstituts beim Erwerb vom Berechtigten (§ 930 BGB) ihren ursprünglichen Sinn verloren. Wenn überhaupt, so lässt sie sich – in objektiv-teleologischer Auslegung – nur so erklären und erhalten, dass die den Erwerb tragende Sachnähe des redlichen Erwerbers weiterhin vom Veräußerer abhängt und damit auch dessen Nicht-Berechtigung virulent bleibt. Als Rechtsscheinträger auf Veräußererseite ist – wie schon § 934 Alt. 2 BGB zeigt – nicht etwa dessen Besitz erforderlich. Es genügt vielmehr jeglicher Besitzerwerb „auf Grund der Veräußerung“ (vgl. §§ 926 Abs. 2, 936 Abs. 1 S. 3 BGB); auch im Falle vorangegangenen Besitzerwerbs nach § 932 Abs. 1 S. 2 BGB reicht irgendein objektiver Zusammenhang mit dem Veräußerer oder dem Veräußerungsgeschäft aus. Ein Besitzerwerb gänzlich unabhängig vom Veräußerungsgeschäft macht den Erwerber dagegen mit Blick auf das Eigentum nicht schutzwürdig. Der erforderliche objektive Zusammenhang zwischen Veräußerung und Besitzerwerb impliziert, dass der Veräußerer über eine – freilich sehr weit zu verstehende – Besitzverschaffungsmacht verfügt haben muss. Jedoch ist die Gutgläubigkeit des Erwerbers von dieser Besitzverschaffungsmacht im Grundsatz unabhängig: Der Erwerber – der ja von einem Erwerb vom Berechtigten ausgeht – muss weder zwingend auf die Besitzverhältnisse achten oder gar darauf vertrauen, noch hat er stets die Möglichkeit, die Besitzverhältnisse zu überprüfen. Die Besitzverhältnisse stellen vielmehr lediglich einen (gleichberechtigten) unter vielen äußeren Umständen dar, die den Erwerber gut- oder bösgläubig machen können. Zwar kann er – bis zur Grenze des § 935 BGB – auf die erlangte Besitzposition vertrauen, insoweit liegt beim Erwerber aber kein „Rechtsschein“, sondern bereits das wahre Recht vor. Sein „guter Glaube“ bezieht sich damit weder auf den Besitz des Veräußerers noch auf den erlangten eigenen Besitz, son-

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dern allein auf die – auch unabhängig vom Besitz mögliche – Vertrauenswürdigkeit des Veräußerers. Angesichts des derart minimierten Rechtsscheins beim Veräußerer scheint es irreführend, dem § 935 BGB zu entnehmen, dass der bisherige Eigentümer einen Rechtsschein beim Veräußerer „veranlasst“ haben müsste. Vielmehr kommt in § 935 BGB lediglich zum Ausdruck, dass der bisherige Eigentümer ausnahmsweise über eine schutzwürdigere Position aus vergangenem Besitz verfügt, die gegenüber dem erlangten Besitz des Erwerbers überwiegt – wie auch in § 1007 Abs. 2 BGB.

B. Der rechtsgeschäftliche Gutglaubenserwerb sonstiger dinglicher Rechte Lassen sich die zum Eigentumserwerb gefundenen Ergebnisse anhand der sonstigen dinglichen166 Rechte bestätigen bzw. auf sie übertragen? Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass diese Rechte im Vergleich zum Eigentum insofern eine Besonderheit aufweisen, als dort zwei Arten von Verfügungen denkbar sind, nämlich das Entstehen eines Rechtes durch Bestellung („Ersterwerb“) und die Übertragung eines bereits bestehenden Rechtes („Zweiterwerb“). Gesetzlich geregelt sind als sonstige dingliche Rechte Nießbrauch und Pfandrecht; als nicht gesetzlich geregeltes kommt daneben das Anwartschaftsrecht in Betracht. Die Regelungen zum Nießbrauch sind zunächst wenig weiterführend: Die Bestellung (Ersterwerb) durch den Nichtberechtigten läuft parallel zum Eigentumserwerb, § 1032 S. 2 BGB; eine Übertragung (Zweiterwerb) ist grundsätzlich ausgeschlossen, § 1059 BGB.

I. Das vertragliche Pfandrecht – insbesondere: gutgläubiger Zweiterwerb ohne Übergabeerfordernis? Der gutgläubige Ersterwerb eines vertraglichen Pfandrechts nach § 1207 BGB zeigt gegenüber dem Eigentumserwerb ebenfalls keine wesentlichen Besonderheiten. Insbesondere der redliche Erwerb durch bloßen Mitverschluss, also bei fortbestehendem (Mit-)Besitz des Verpfänders nach § 1206 Alt. 1 BGB ähnelt der Lage bei § 932a Hs. 2 BGB und zeigt ausdrücklich, dass der gutgläubige Erwerb nicht vom vollständigen Besitzverlust des Veräußerers abhängt167. 166 Dass der gutgläubige Erwerb insgesamt auf dingliche Rechte beschränkt ist, es also keinen redlichen Erwerb obligatorischer Rechte geben kann, hat seinen Grund wiederum in der Absolutheit der dinglichen Rechte, vgl. dazu oben Kap. 3, B. II., S. 194.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

Nähere Betrachtung lohnt aber die Übertragung eines scheinbar bereits bestehenden vertraglichen Pfandrechts nach § 1250 BGB. Unter dem Gesichtspunkt gutgläubigen Erwerbs interessant sind dabei nur die Fälle, in denen der Zedent tatsächlich Inhaber der Forderung ist, er also nur hinsichtlich des Pfandrechts nichtberechtigt ist; fehlt dagegen schon die Forderung, kann wegen des Grundsatzes der Forderungsakzessorietät (§§ 1204, 1252 BGB) beim Erwerber von vornherein kein „forderungsentkleidetes“ Pfandrecht entstehen168. Aber auch für den erstgenannten Fall (der Zedent hat eine Forderung, aber kein Pfandrecht) sieht das Gesetz einen gutgläubigen Erwerb zumindest nicht ausdrücklich vor – anders als im Grundstücksrecht, wo sich die Nichtberechtigung hinsichtlich der Buchhypothek über den allgemeinen Grundsatz des § 892 bzw. hinsichtlich der Briefhypothek über § 1155 BGB überwinden lässt. Dementsprechend wird beim Pfandrecht die Möglichkeit gutgläubigen Zweiterwerbs überwiegend abgelehnt; bereits die Motive und daran anschließend die h. M. begründen dies damit, dass das Pfandrecht nach dem Wortlaut des § 1250 Abs. 1 S. 1 BGB rein akzessorisch übergehe, was auf keinen rechtsgeschäftlichen, sondern einen gesetzlichen Erwerb hinauslaufe169. Selbst wenn man die dazu notwendige Prämisse, dass es keinen redlichen gesetzlichen Erwerb geben könne, einmal unterstellt170, kann das allein aber noch keinen tragfähigen Grund bilden: Denn auch die Hypothek ist akzessorisch ausgestaltet, § 1153 BGB171. Eigentlich ist die Akzessorietät der Hypothek sogar noch strenger: Denn der Pfandrechtsübergang unterliegt zumindest insoweit der vertraglichen Disposition der Parteien, als sie die Forderung ohne Pfandrecht übertragen können, wie sich aus § 1250 Abs. 2 sowie der Gegenüberstellung von § 1250 Abs. 1 S. 2 und § 1153 Abs. 2 BGB ergibt (in diesem Fall erlischt das Pfandrecht, § 1250 Abs. 2 BGB); umgekehrt formuliert: der Pfandrechtsübergang hängt davon ab, dass die Parteien vertraglich auf seinen ausdrücklichen Ausschluss verzichten. Dagegen sind bei der Hypothek die Parteien nicht zur Trennung von Forderung und Hypothek befugt, § 1153 Abs. 2 BGB. Zudem dürfte der in § 1250 Abs. 1 S. 1 BGB gewählte Weg des forderungsakzessorischen Übergangs anstelle einer sachenrechtlichen Über167 Dazu oben A. II. 2. a) (5), S. 222 mit Fn. 50. – Den Widerspruch zur herrschenden Doktrin vom vollständigen Ausschluss des Veräußerers erkennt MünchKomm-HGB/Welter, § 366 Rdnr. 14, ohne daraus jedoch Schlüsse zu ziehen. 168 Insoweit zutreffend Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 82 o. – Anders bei der Hypothek: § 1138 BGB, vgl. dazu etwa Tiedtke, a. a. O., S. 120 f.; Westermann/ Eickmann, Sachenrecht, § 105 III 1. 169 Mot III 837 = Mugdan III 467; ferner etwa Tiedtke, a. a. O., S. 82 f.; Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 55 B V 3, Rdnr. 32; MK/Damrau, § 1250 BGB, Rdnr. 3; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 132 I 1 b. 170 Dazu noch unten C., S. 279 ff. 171 So zutreffend auch Hager, Verkehrsschutz, S. 311 f.

B. Rechtsgeschäftlicher Gutglaubenserwerb sonstiger dinglicher Rechte

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tragung des Pfandrechts vor allem auf Vereinfachungsgründen beruhen172, was ebenfalls dagegen spricht, daraus allzu weitreichende Folgerungen für den gutgläubigen Erwerb zu ziehen. Über den formalen Gesichtspunkt des akzessorischen, also gesetzlichen Übergangs hinaus werden zur Stützung des Ergebnisses der h. M. aber auch Publizitätsaspekte herangezogen: Das erste Argument (das mit der Akzessorietät zusammenhängt) ist die Unsichtbarkeit des Rechtsübergangs nach § 1250 BGB: Während der Übergang der Hypothek durch Eintragung im Grundbuch sichtbar werde, erhalte der Erwerber beim Pfandrechtsübergang lediglich einen unsichtbaren Herausgabeanspruch nach § 1251 Abs. 1 BGB173. Das erweist sich aber nicht als stichhaltig: Denn es hat sich gezeigt, dass auch beim gutgläubigen Eigentumserwerb an beweglichen Sachen die Sichtbarkeit des Rechtswechsels keine Rolle spielt174. Dass man nicht etwa Erfordernisse aus dem Grundstücks- auf das Mobiliarsachenrecht übertragen kann, sondern vielmehr auf Vergleichspunkte innerhalb des Rechts der beweglichen Sachen beschränkt ist, zeigt sich sowohl an der abweichenden Regelung zur Hypothek in § 1138 BGB als auch am Beispiel des Eigentumswechsels. Denn auch die Übereignung muss im Grundstücksrecht stets durch Eintragung publik gemacht werden, während sie bei den beweglichen Sachen zumindest in den Alternativen des § 934 BGB nicht einmal für den Erwerber erkennbar sein muss. Damit verwandt ist der gegen den gutgläubigen gesetzlichen Erwerb allgemein erhobene Einwand, das Pfandrecht könne auch ohne Übergabe übertragen werden, der gute Glaube knüpfe aber an das Übergabeerfordernis an175: Das verkennt, dass auch der Eigentumserwerb an beweglichen Sachen grundsätzlich ohne Übergabeerfordernis – insbesondere nach § 931 BGB – auskommt, aber dennoch gutgläubig möglich ist. Das zweite inhaltliche Argument gegen den gutgläubigen Zweiterwerb eines Pfandrechts bezieht sich auf den angeblich fehlenden Rechtsschein beim Veräußerer. Es geht von der engen Verknüpfung des Rechtsscheins mit dem Zustand des Veräußererbesitzes aus (und widerspricht darin eigentlich dem vorgenannten Argument, das das Vertrauen noch an die punktuelle 172 Die Übergabe der Pfandsache ist nämlich vor allem deshalb nicht erforderlich, sich weil bereits in der Forderungsabtretung der Übertragungswille ausreichend manifestiert, vgl. oben Kap. 2, B. I. 1. a) (2) a. E., S. 84. 173 So etwa Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 83. 174 Oben A. II., S. 206 ff. 175 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 55 B V 3, Rdnr. 32 m. w. N.; Westermann/ Gursky, Sachenrecht, § 132 I 1 b; MK/Damrau, § 1250 BGB, Rdnr. 3; vgl. auch die Nachweise bei Hager, Verkehrsschutz, S. 311 f., Fn. 452. – Ausführlich zum selben Argument im Rahmen des gesetzlichen Erwerbs im Allgemeinen noch unten C. II. 1., S. 291 f.

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Übergabe knüpfen wollte): Der Veräußerer sei zwar Besitzer, zerstöre aber selbst den davon ausgehenden Rechtsschein, indem er sich lediglich als Pfandgläubiger ausgebe176. Daran ist schon falsch, dass der Besitz selbst nichts anzeigt (vgl. § 933 BGB), sondern allenfalls die Besitzerlangung den guten Glauben des Erwerbers objektiv rechtfertigt. Das Argument ließe sich also allenfalls sinnvoll dahin reduzieren, dass die Besitzerlangung nur das Eigentum, nicht sonstige dingliche Rechte trage177. Allerdings erscheint eine solche Beschränkung auf das Eigentum bereits vom Ergebnis her nicht überzeugend: Denn warum sollte der gutgläubige Erwerb beim Eigentum, das den bisherigen Eigentümer ausschließt, möglich sein, beim Pfandrecht, das ihn lediglich beschränkt, dagegen nicht? Warum sollten – aus Sicht des bisherigen Eigentümers – an den vollständigen Eigentumsverlust geringere Anforderungen gestellt werden als an die bloße Eigentumsbelastung? Eine derartige Sonderstellung des Eigentums lässt sich aber ohnehin mit der gesetzlichen Systematik nicht vereinbaren: Denn dass die Besitzerlangung den Rechtserwerb auch dann zu tragen vermag, wenn sich der Veräußerer ausdrücklich als Nicht-Eigentümer ausgibt, zeigen die §§ 366 HGB, 957 (i. V. m. § 956 Abs. 2) BGB; dort ist ausdrücklich der gute Glaube an die Verfügungs- bzw. Aneignungsbefugnis geschützt178. Die Gegenmeinung, die einen gutgläubigen Zweiterwerb des Pfandrechts für möglich hält, betont dementsprechend vor allem den eigentlich rechtsgeschäftsähnlichen Charakter der Pfandrechtsübertragung. Sich dabei allerdings darauf zu beschränken, ein Grundprinzip des Sachenrechts zu postulieren, das einen gutgläubigen Erwerb an beweglichen Sachen ermögliche, sobald ein Rechtsschein (Besitz) beim Veräußerer vorhanden und die Sache nicht abhanden gekommen sei179, dürfte nicht zuletzt mit Blick auf Art. 14 GG bedenklich erscheinen180. Sieht man hinter der akzessorischen Ausgestaltung in erster Linie Vereinfachungsgründe und also an sich einen rechtsgeschäftlichen Erwerb, erscheint aber in sich die letztgenannte Auffassung vorzugswürdig. Letztlich klären lässt sich das freilich nur unter Berücksichtigung der Frage, weshalb der gesetzliche Erwerb grundsätzlich nicht gutgläubig erfolgen können soll181.

176 So Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 82 f.; Flume, AcP 161 [1962], 385/395; weitere Nachweise bei Hager, Verkehrsschutz, S. 315, Fn. 468. 177 Das übersieht Hager, Verkehrsschutz, S. 315. 178 Näher sogleich unter II. 2. 179 So Wieling, Sachenrecht, § 15 VI. 1. b). 180 Zur Vereinbarkeit gutgläubigen Erwerbs mit Art. 14 GG allgemein Hager, Verkehrsschutz, S. 9 ff. (bejahend); Peters, Entzug des Eigentums durch gutgläubigen Erwerb (einschränkend). 181 Dazu unten C., insbesondere III. 3., S. 301 f.

B. Rechtsgeschäftlicher Gutglaubenserwerb sonstiger dinglicher Rechte

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II. Der Erwerb des Anwartschaftsrechts Wie lassen sich nun die bisherigen Überlegungen auf das – gesetzlich in § 161 BGB nur ansatzweise geregelte – Anwartschaftsrecht übertragen? Vor allem: Kann auch aufschiebend bedingtes Eigentum (insbesondere die Rechtsposition des Vorbehaltskäufers182) gutgläubig erworben werden? 1. Der unstreitige Ersterwerb Sähe man das Anwartschaftsrecht weniger als dingliches Recht, sondern vielmehr als einem Forderungsrecht angenähert183, so müsste aus systematischen Erwägungen sowohl ein gutgläubiger Erst- als auch ein gutgläubiger Zweiterwerb von vornherein ausscheiden. Die allgemeine Meinung behandelt hingegen – zu Recht – das Anwartschaftsrecht als Vorstufe zum Volleigentum und damit wie ein dingliches Recht, weshalb der gutgläubige Ersterwerb (Bestellung) eines Anwartschaftsrechts vom angeblichen Eigentümer unbestritten möglich ist184. Das steht in Einklang mit § 161 Abs. 1 BGB, der eindeutig von einer Wirkung gegen jedermann ausgeht; diese absolute Wirkung ist typisch für dingliche Rechte, so dass das Anwartschaftsrecht hierunter zu rechnen ist. Letztlich lässt sich auch § 161 Abs. 3 BGB so verstehen, dass er zugunsten des Erwerbers unter anderem den bedingten Erwerb vom Nichtberechtigten zulässt. Wohlgemerkt ist das Anwartschaftsrecht damit aber auf die Fälle beschränkt, in denen eine Verfügung bereits erfolgt ist und nur noch unter einer aufschiebenden Bedingung steht (§ 161 Abs. 1 BGB)185; solange dem Erwerber dagegen bislang nur der noch unerfüllte obligatorische Anspruch auf Übereignung zusteht, geht es nicht um eine dingliche Rechtsposition – und damit auch nicht um deren gutgläubigen Erwerb.

182 Würde man den Vorbehaltskauf in einen Vollrechtserwerb des Käufers mit einem beim Verkäufer zurückbleibenden besitzlosen Pfandrecht umgestalten (dazu oben Kap. 2, B. I. 5. b), S. 113 mit Fn. 236), ließe sich auch die Problematik des gutgläubigen Erwerbs eines Anwartschaftsrechts weitestgehend vermeiden: Der Käufer könnte ja als Eigentümer verfügen. 183 So offenbar Hager, Verkehrsschutz, S. 317 ff., der daraus ablehnende Schlüsse aber ausdrücklich nur für den Zweiterwerb ziehen will; vgl. dazu sogleich unten Fn. 186. 184 BGHZ 10, 69; 30, 374; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 B IV 3 a, Rdnr. 38 m. w. N. 185 Zum Tatbestandsmerkmal der bedingten Verfügung beim Anwartschaftsrecht eingehend oben Kap. 2, B. II. 1., S. 116 ff.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

2. Der umstrittene Zweiterwerb („Was zeigt der Besitz an?“) Äußerst umstritten ist dagegen bekanntlich, ob und inwieweit derjenige, der sich zu Unrecht als anwartschaftsberechtigt ausgibt, diese bloß scheinbare Berechtigung auf einen redlichen Dritten übertragen kann, ob also auch der gutgläubige Zweiterwerb des Anwartschaftsrechts möglich ist. Obwohl damit die Situation im Ergebnis – gutgläubiger Ersterwerb anerkannt, Zweiterwerb umstritten – dem Pfandrecht gleicht, überschneiden sich die Argumente nur zum Teil: Dass im Gesetz ausdrücklich eine gutgläubige Übertragung von Rechten an beweglichen Sachen nur für das Eigentum vorgesehen ist, dürfte zumindest für das – gesetzlich nur rudimentär geregelte – Anwartschaftsrecht kaum zwingende Schlüsse erlauben: Denn beim Pfandrecht wird das ganz überwiegend allein darauf gestützt, dass das Gesetz formal keine rechtsgeschäftliche Übertragung vorsieht, und der Nießbrauch ist ohnehin nicht übertragbar, § 1059 BGB. Teilweise wird zur Ablehnung des Zweiterwerbs auch auf (angebliche) schuldrechtliche Bezüge abgestellt: Der Erwerber täusche sich über das Bestehen bzw. die Höhe einer Kaufpreisforderung, der gute Glaube an eine Forderung sei aber mangels Rechtsscheintatbestand nicht einmal bei deren Erwerb geschützt, also erst recht nicht mit Blick auf ein davon abhängiges Anwartschaftsrecht186. Bei näherem Hinsehen verfehlt das aber das eigentliche Problem: Es geht dem Erwerber nicht um den Erwerb einer Kaufpreisforderung; vielmehr soll er etwa im Schulbeispiel des Vorbehaltskaufes lediglich Schuldner, nicht Gläubiger der Kaufpreisforderung werden – ihm soll es also nur recht sein, wenn diese Forderung in Wahrheit nicht besteht. Dagegen steht dem angeblichen Vorbehaltskäufer (der sich also als anwartschaftsberechtigt ausgibt) gegen den Vorbehaltsverkäufer auch nach eigenen Angaben keine schuldrechtliche Forderung mehr zu: Denn die dingliche Verfügung, die den Gegenstand des obligatorischen Anspruchs des (Vorbehalts-) 186 Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1245 ff.; auch Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 45 III 1 d. Auf die „intensive Verflechtung der Anwartschaft mit ihrer schuldrechtlichen Basis“ stellt – freilich irreführend – auch Hager, Verkehrsschutz, S. 317 ff., ab. Hager geht offenbar davon aus, dass die Anwartschaft einen obligatorischen „Anspruch“ auf Übereignung darstelle (so ausdrücklich a. a. O., S. 319 u.: der Zweiterwerber müsse sich auch den zugrunde liegenden Anspruch abtreten lassen). – In diesem Falle scheidet selbstverständlich gutgläubiger Erwerb aus, dann aber auch der gutgläubige Ersterwerb. Von einer schutzfähigen dinglichen Anwartschaft kann nämlich erst die Rede sein, wenn die geschuldete dingliche Verfügung bereits vorgenommen ist, mag ihre Wirksamkeit auch noch vom Bedingungseintritt abhängen. Dann aber ist der schuldrechtliche Anspruch auf die Vornahme dieser Verfügung nach § 362 BGB erloschen.

B. Rechtsgeschäftlicher Gutglaubenserwerb sonstiger dinglicher Rechte

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Käufers auf Übereignung bildet, ist bereits vorgenommen; lediglich ihr Wirksamwerden steht noch unter einer aufschiebenden Bedingung. Der Vorbehaltsverkäufer hat dann alles seinerseits Erforderliche getan, und der Vorbehaltskäufer kann von ihm nichts mehr „fordern“, sondern muss den Bedingungseintritt herbeiführen187. Dementsprechend vertraut auch der gutgläubige Dritte, der ein Anwartschaftsrecht vom angeblichen Vorbehaltskäufer übernehmen will, keineswegs auf das Bestehen einer Forderung gegen den Vorbehaltsverkäufer, sondern ausschließlich auf die dingliche Rechtsposition des Vorbehaltskäufers. Allein um diese – in § 161 Abs. 1 BGB absolut geschützte – eigenständige Position des scheinbar Anwartschaftsberechtigten geht es dem Erwerber188. Im Übrigen sind auch ganz andere Bedingungen als die Erfüllung einer Forderung denkbar (etwa: die Eltern schenken ihrer volljährigen Tochter ein Auto unter der Bedingung, dass sie die Führerscheinprüfung besteht; die Tochter verkauft das Auto noch vor der Prüfung weiter). Etwas näher am Problem liegt der Einwand, das Anwartschaftsrecht sei insoweit schuldrechtlich geprägt, als es vom Bestand des Kaufvertrages abhänge, also etwa im Falle des vertraglichen Rücktritts in sich zusammenfalle189. Auch das kann aber näherer Betrachtung – insbesondere einer exakten Zergliederung im Lichte des Abstraktionsprinzips – kaum standhalten: Denn der Rücktritt betrifft zunächst nur die schuldrechtliche causa, nicht aber die bereits vorgenommene, lediglich noch bedingte dingliche Erfüllungshandlung; theoretisch könnte sogar die Bedingung als solche – in der Regel die Zahlung des Kaufpreises – weiterhin eintreten. Zwar kann man regelmäßig unterstellen, dass mit dem obligatorischen Rücktritt zugleich auch die dingliche (bedingte) Verfügung entfallen soll – dann ist man aber formal in keiner anderen Situation als bei der gewöhnlichen unbedingten Übereignung, bei der ebenfalls der Mangel des Grundgeschäfts im Wege der Fehleridentität auf das dingliche Erfüllungsgeschäft durchschlagen kann190; in diesen Fällen läge es aber offensichtlich fern, das Volleigentum des Erwerbers deshalb als geschwächt oder „obligatorisch geprägt“ anzusehen, weil es der Veräußerer im Nachhinein durch eine Anfechtung beseitigen kann. Daneben wird gegen den Zweiterwerb bei der Anwartschaft auch eingewandt, ein nicht bestehendes Recht könne nicht übertragen werden191. Zumindest bemerkenswert ist dabei, dass dieses Argument beim gutgläubigen 187 Dagegen scheint teilweise angenommen zu werden, der Vorbehaltsverkäufer unterliege bis zum Bedingungseintritt den schuldrechtlichen Ansprüchen des Vorbehaltskäufers; vgl. dazu aber bereits oben Kap. 2, B. II. 1., S. 117 Fn. 249 m. w. N. 188 Ebenso Wieling, Sachenrecht, § 17 III 1 b bb. 189 So Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 A II 2 b, Rdnr. 4; auch Hager, a. a. O., S. 317. 190 Etwa im Falle der Sittenwidrigkeit, vgl. dazu Baur/Stürner, Sachenrecht, § 5 IV 3 a und c, Rdnr. 51 f., 55 ff. m. w. N.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

Zweiterwerb eines Pfandrechts (bei dem ja dasselbe gelten müsste) kaum verwandt wird. Zudem ist auch beim Eigentumserwerb in konstruktiver Hinsicht jedenfalls umstritten, ob nicht durch den gutgläubigen Erwerb das Eigentumsrecht beim Erwerber originär entsteht, während das alte erlischt192. Bei dieser Sichtweise hätte das beim Erwerber neu entstehende Eigentum bislang ebenfalls nicht existiert193. Theoretisch ließe sich auch der Fall einer in niemandes Eigentum stehenden Sache konstruieren, die dennoch gutgläubig erworben werden könnte. Im Übrigen müsste dasselbe Argument auch gegen einen gutgläubigen Ersterwerb sprechen; denn auch dort entsteht das Anwartschaftsrecht aus dem Nichts. Nicht zuletzt führt das Argument, ein bislang nicht existierendes Recht könne nicht übertragen werden, zu der überraschenden Konsequenz, dass ein Zweiterwerb möglich ist, wenn irgendein Dritter ein Anwartschaftsrecht innehat194. Weshalb aber die Position dieses Dritten (der noch dazu sein Recht verlieren soll) den Erwerber wesentlich schutzwürdiger machen soll, leuchtet nicht recht ein. Ohnehin wird auch dieses Argument letztlich – in unzulässiger Weise – vom schuldrechtlichen Kausalgeschäft abgeleitet: Der Erwerber habe nur an ein bedingtes Recht geglaubt und müsse es daher hinnehmen, wenn die Bedingung überhaupt nicht eintreten könne195. Das ist erneut unscharf: Die Bedingung (z. B. die Kaufpreiszahlung), die ja auch beim Zweiterwerb ausdrücklich formuliert werden wird, kann selbstverständlich eintreten, nur war sie bislang nicht mit einem Eigentumswechsel verknüpft. In sehr viel stärkerem Maße als beim Pfandrecht wird beim Anwartschaftsrecht schließlich aber mit dem Rechtsschein argumentiert: Der Veräußerer selbst zerstöre den „Rechtsschein seines Besitzes“, indem er einräume, nicht Eigentümer, sondern lediglich Anwartschaftsberechtigter zu sein; der Erwerber vertraue dann in nicht schützenswerter Weise auf das bloße „Gerede“ des Veräußerers196. Diese Argumentation ist schon in sich 191 So Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 B IV 3 c, Rdnr. 40; Tiedtke; Gutgläubiger Erwerb, S. 59. 192 Zum Streitstand Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 45 IV 2 m. w. N. – Dass jedenfalls das römische Rechtssprichwort nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet (das sich ohnehin ursprünglich nur auf den Erblasser bezog) keine Allgemeingültigkeit beanspruchen kann, zeigt schon das Institut des gutgläubigen Erwerbs an sich. 193 Das Erlöschen des bisherigen Rechts wird man dabei kaum zur unabdingbaren Voraussetzung machen können: Das verbietet sich schon mit Blick auf den Regelungszweck, der auf den Schutz des Verkehrs (bzw. des Erwerbers) zielt, keinesfalls aber auf die Enteignung des bisherigen Rechtsinhabers; Letztere nimmt man allenfalls zähneknirschend in Kauf. 194 So tatsächlich Baur/Stürner, Sachenrecht, § 59 B IV 3 b und c, Rdnr. 39 f.; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 59. 195 So Baur/Stürner und Tiedtke, a. a. O.

B. Rechtsgeschäftlicher Gutglaubenserwerb sonstiger dinglicher Rechte

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unschlüssig: Soll der Besitz Rechtsscheinträger für das Eigentum sein, ist nicht nachvollziehbar, warum er es nicht erst recht für ein „wesensgleiches Minus“197, nämlich das Anwartschaftsrecht, sein soll. Ohnehin besteht wenig Anlass, dass Anwartschaftsrecht mit Blick auf den gutgläubigen Erwerb schlechter als das Eigentum zu behandeln. Denn ebenso wie das Anwartschaftsrecht ein minus zum Eigentum bildet, stehen auch beide Erwerbsformen (sowohl die erstmalige Bestellung als auch die Übertragung eines angeblich bereits bestehenden Anwartschaftsrechts) zur Eigentumsübertragung im Verhältnis des Weniger zum Mehr198: Der Erwerber erhält weniger, nämlich nur ein Anwartschaftsrecht, muss also unter Umständen noch Bedingungen erfüllen (bzw. eine rein zeitliche Bedingung abwarten). Ebenso verliert der Eigentümer auch weniger: Das Eigentum etwa behält er zunächst, er bekommt gegebenenfalls sogar noch zusätzliche Zahlungen in Form von Kaufpreisraten, die den späteren Eigentumsverlust durch Bedingungseintritt mildern mögen. Allerdings ist auch der Fall denkbar, dass der nichtberechtigte Veräußerer einen nichtberechtigten Vierten als Vorbehaltseigentümer benennt. Dann geht der wahre Berechtigte in der Tat leer aus. Das tritt aber auch ein, wenn der Besitzer sich von vornherein als Eigentümer geriert. Die §§ 932 bis 934 BGB zeigen vielmehr, dass der bisherige Eigentümer nicht durch die Modalitäten des Veräußerungsvorgangs zwischen Nichtberechtigtem und Erwerber besser oder schlechter gestellt werden soll – solange nur grundsätzlich der Erwerber Besitz erhält199. Vor allem entbehrt die Prämisse, der Besitz könne nur das Eigentum anzeigen, von vornherein der Grundlage. Denn zumindest die Beweiserleichterung des § 1006 BGB kommt über §§ 1065, 1227 BGB auch demjenigen Besitzer zu Gute, der sich als Nießbraucher oder Pfandgläubiger ausgibt. Die Argumentationsweise ist zudem unsystematisch und unempirisch: Denn nach dem – von der h. M. nicht angezweifelten – Faustpfandprinzip der §§ 1205 f. BGB müsste der Besitz des Pfandgläubigers sogar noch wahrscheinlicher sein als der des Eigentümers, weil die Traditionserfordernisse bei der Eigentumsübertragung wesentlich geringer sind als bei der Pfand196 Etwa Flume, AcP 161 [1962], 385/394 ff.; ders., AT 2, § 42, 4 c; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 475; Wiegand, JuS 1974, 201/210 f.; Westermann/ Gursky, Sachenrecht, § 45 III 1 d. 197 So ausdrücklich Wiegand, a. a. O. 198 Flume, AT 2, § 42, 4 c, und Wiegand, a. a. O. unter VI 1, stützen ihr abweichendes Ergebnis darauf, die Übertragung der Anwartschaft sei im Verhältnis zur Bestellung kein minus, sondern ein aliud. – Das könnte indes unter Rechtsscheingesichtspunkten noch immer nicht erklären, weshalb der Besitz, der doch angeblich das Eigentum anzeigen kann, als Anzeichen für dessen Vorstufe versagen soll. 199 So zumindest für den Zweiterwerb eines tatsächlich bestehenden, aber nicht dem Verfügenden zustehenden Anwartschaftsrecht auch Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 59.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

rechtsbestellung. Dasselbe gilt für das Anwartschaftsrecht, das sicherlich empirisch nicht seltener unter Besitzergreifung des Anwartschaftsberechtigten begründet wird als die Übertragung des Volleigentums – eher häufiger. Auch der Schutz des unmittelbaren Besitzers in § 936 Abs. 3 BGB ließe sich mit diesem Ansatz kaum erklären: Denn könnte der Besitz nur das Eigentum anzeigen, wäre nicht einzusehen, weshalb der Erwerber etwa damit rechnen müsste, dass der unmittelbare Fremdbesitzer, der im Falle der Übereignung durch Übertragung des mittelbaren Besitzes nach §§ 931, 934 BGB am Erwerbsgeschäft nicht beteiligt ist, ein Pfand- oder Anwartschaftsrecht an der Sache hat. Im Übrigen zeigt schon das Gesetz, dass es für den gutgläubigen Erwerb unschädlich ist, wenn der besitzende Veräußerer selbst einräumt, nicht Eigentümer, sondern anderweitig legitimiert zu sein: So reicht im Rahmen des Handelsverkehrs nach § 366 Abs. 1 HGB aus, dass der Veräußerer sich bloß als verfügungsbefugt ausgibt – und auch ein Anwartschaftsrecht verleiht dem Anwartschaftsberechtigten letztlich nichts anderes als eine partielle (nämlich bedingte) Verfügungsbefugnis. Ebenso muss beim gutgläubigen Fruchterwerb nach § 957 i. V. m. § 956 Abs. 2 BGB der Veräußerer nicht zwingend sein Eigentum, sondern lediglich seine Gestattungsbefugnis behaupten. Angebliche Verfügungs- wie Gestattungsbefugnis müssen dabei nicht einmal dingliche Rechte des Veräußerers darstellen, vielmehr reicht schon eine behauptete obligatorische Berechtigung durch Verkaufsauftrag bzw. entsprechenden Pachtvertrag (§ 956 Abs. 2 BGB) aus200. Letztlich ist das Argument, der Besitz des Veräußerers könne nur das Eigentum anzeigen, aber bereits deshalb verfehlt, weil die Schutzwürdigkeit des Erwerbers sich nicht aus dem Besitz des Veräußerers, sondern erst aus der eigenen Besitzerlangung des Erwerbers ergibt. Es kommt also allein auf die erlangte Position des Erwerbers an: Der Erwerber ist schutzwürdig, sobald er im Vertrauen auf ein zu erwerbendes dingliches Recht den Besitz erlangt. Dass dies für alle dinglichen Rechte, nicht nur für das Eigentum gilt, ergibt sich für Nießbrauch und Pfandrecht bereits aus §§ 1032 S. 2, 1207 BGB und ist auch für den Ersterwerb des Anwartschaftsrechts zu Recht unstreitig. Aus Sicht des Erwerbers bzw. für seine erlangte Position ist es aber gänzlich unerheblich, ob er ein Anwartschaftsrecht vom vermeintlichen Eigentümer neu bestellt oder vom vermeintlichen Anwartschaftsberechtigten bloß übertragen erhält. 200 Zur Gestattungsbefugnis ausdrücklich etwa Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 57 III 4 a – im Widerspruch zu der dort (§ 45 III 1 d) vertretenen These, wonach der Besitz nur das Vertrauen auf eine vermeintliche Eigentümerstellung, nicht aber auf eine sonstige Berechtigung rechtfertige.

C. Gesetzlicher Rechtserwerb kraft guten Glaubens?

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Nach allem ist kein stichhaltiger Grund ersichtlich, den gutgläubigen Zweiterwerb eines Anwartschaftsrechts grundsätzlich abzulehnen201. Es besteht einzig das Problem, mit welchem Inhalt es entstehen soll. Nahe liegt es, denjenigen Inhalt zugrunde zu legen, wie er vom nichtberechtigten Veräußerer angegeben war – in der Regel Zahlung eines genau genannten Restkaufpreises an den Eigentümer. Es ist kaum ein Fall denkbar, in dem eine derart genau bestimmte Inhaltsangabe fehlen würde – denn abgesehen davon, dass den meisten Veräußerern das rechtliche Institut des Anwartschaftsrechtes unvertraut sein dürfte, sie vielmehr davon sprechen werden, die veräußerte Sache gehöre „noch nicht ganz“ ihnen, müsse vielmehr noch abbezahlt werden, wird vor allem den Erwerber in einer solchen Situation nichts mehr interessieren als die zum vollständigen Eigentumserwerb noch zu erbringenden Leistungen oder zu erfüllenden Bedingungen (das darf aber nicht damit verwechselt werden, dass der Erwerber etwa auf diese Bedingung vertraue; sein Vertrauen richtet sich vielmehr allein auf die zu erwerbende dingliche Rechtsposition). Sollte der Erwerber hingegen tatsächlich so leichtsinnig gewesen sein, auf diese Angaben zu verzichten, erscheint er nicht schutzfähig: Der Erwerb scheitert in einem solchen Fall an fehlender Bestimmtheit des Übertragungsvorgangs – das aber hat nichts mit fehlender Berechtigung und gutem Glauben zu tun, sondern würde gegebenenfalls auch bei der Übertragung des Anwartschaftsrechts durch den Berechtigten gelten. Zusammenfassend ist demnach der gutgläubige Zweiterwerb des Anwartschaftsrechts grundsätzlich möglich. Entscheidender Gesichtspunkt ist dabei allein die schutzwürdige Besitzposition beim Erwerber: Der Erwerb tritt selbstverständlich erst ein, wenn er eine nach §§ 932 bis 935 ausreichende qualifizierte Besitzposition erlangt hat. Das gilt unabhängig davon, ob eine Anwartschaft tatsächlich für einen Unbeteiligten besteht oder nicht. Allenfalls kann der Erwerb wegen mangelnder Bestimmtheit der Bedingung scheitern.

C. Gesetzlicher Rechtserwerb kraft guten Glaubens? Offen bleibt damit aber für den gutgläubigen Zweiterwerb des Pfandrechts die Durchschlagskraft des Arguments, es handele sich auf Grund des forderungsakzessorischen Rechtsübergangs um einen gesetzlichen Erwerbstatbestand, und beim gesetzlichen Rechtsübergang könne es grundsätzlich keinen gutgläubigen Erwerb geben. 201

Im Ergebnis zutreffend auch Wieling, Sachenrecht, § 17 III 1 c.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

I. Grundsatz: Kein gesetzlicher Rechtserwerb Im Gegensatz zum bisher behandelten rechtsgeschäftlichen Erwerb sieht das BGB tatsächlich grundsätzlich keinen gesetzlichen Rechtserwerb kraft guten Glaubens vor. So kann etwa der Erbe noch so redlich sein – dass er eine Sache, die der Erblasser nur geliehen hatte, gutgläubig erwerben könnte, erwähnt § 1922 BGB nicht. Entsprechendes gilt in den Fällen der dinglichen Surrogation: Hier reichen Besitzerwerb und Gutgläubigkeit nicht, die dingliche Surrogation ist vielmehr unabhängig von Gutgläubigkeit. Freilich ist dort zu differenzieren: Würde ein gutgläubiger Erwerb bereits ohne Surrogationsregel scheitern, hilft auch guter Glaube und Besitzerwerb des Surrogationsbegünstigten nicht; würde dagegen ohne Surrogationsregel der Surrogationsbelastete gutgläubig erwerben, kann dies unter Umständen auch dem Surrogationsbegünstigten zu Gute kommen. Erwirbt z. B. der Erbschaftsbesitzer (§ 2019 Abs. 1 BGB) mit Geldern aus der Erbschaft ein Bild, so kann, wenn der Veräußerer nichtberechtigt und der Erbschaftsbesitzer gutgläubig ist, der Erbe anstelle des Erbschaftsbesitzers Eigentümer werden. Scheitert hingegen der Erwerb, würde also der empfangende Erbschaftsbesitzer auch ohne die Surrogationsregel des § 2019 Abs. 1 BGB nicht erwerben, hilft dem wahren Erben weder sein guter Glaube noch ein etwaiger Besitzerwerb am Bild (sei er fiktiv, § 857 BGB, oder tatsächlich). Der Eigentumserwerb des Erben tritt nur automatisch an die Stelle des normalerweise eintretenden Eigentumserwerb beim Erbschaftsbesitzer. Nicht unter dingliche Surrogation im eigentlichen Sinne – und damit auch nicht unter den gesetzlichen Erwerb – fällt dabei wiederum der Eigentumserwerb durch Einfügen in ein Inventar im Rahmen der Pacht bzw. des Nießbrauchs nach §§ 582a Abs. 2 S. 2, 1048 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 BGB: Sie bilden lediglich eine Vereinfachung zur Übereignung nach §§ 929 ff. BGB, wobei das Einfügen als Manifestationsakt den Übereignungswillen zum Ausdruck bringt202. Da es sich um einen lediglich modifizierten rechtsgeschäftlichen Erwerb handelt, muss hier folglich entgegen allgemeiner Meinung203 redlicher Erwerb möglich sein. Nach dem Modell des § 933 BGB kann allerdings der Erwerb des Inventareigentümers (Verpächters, Nießbrauchgewährers) an hinzugefügten Inventarstücken erst erfolgen, wenn der Pächter bzw. Nießbraucher das Inventar an ihn herausgibt. Aufschlussreicher könnten aber die wenigen Ausnahmen sein, in denen das Gesetz gutgläubigen gesetzlichen Erwerb ausdrücklich vorsieht, nämlich die Ersitzung (§ 937 BGB), der gutgläubige Fruchterwerb (§§ 955, 957 BGB) und der gutgläubige Erwerb bestimmter gesetzlicher Pfandrechte in 202 203

Oben zu Kap. 2, C. I. vor 1., S. 140. Etwa Palandt/Weidenkaff, § 582a BGB, Rdnr. 9.

C. Gesetzlicher Rechtserwerb kraft guten Glaubens?

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§ 366 HGB. (Keine solche Ausnahme bildet hingegen der Erwerb von Zubehörstücken eines Grundstücks nach § 926 Abs. 2 BGB: Wie insbesondere § 926 Abs. 1 S. 1 BGB zeigt, handelt es sich letztlich um eine – zumindest konkludente, Abs. 1 S. 2 – rechtsgeschäftliche Übereignung). Lassen sich diese Ausnahmen durch je spezifische Besonderheiten rechtfertigen oder erlauben sie einen Blick hinter den eigentlichen Grund für den Ausschluss gesetzlichen Erwerbs? 1. Die Ausnahme der Ersitzung, § 937 BGB Entwicklungsgeschichtlich der Ursprung des gutgläubigen Erwerbs, bildet die Ersitzung im bestehenden System sicherlich einen Sonderfall gutgläubigen originären Erwerbs. Abhängig von der Redlichkeit des Erwerbers, aber unabhängig von der Rechtsgeschäftlichkeit des Erwerbs und von einem Rechtsschein, verstärkt sie den Eigenbesitz zum Eigentum. Die Sonderrolle der Ersitzung folgt dabei schon aus ihrer Ausgestaltung als ausschließlich gutgläubiger Erwerbstatbestand: Es fehlt ein entsprechender Erwerb „vom Berechtigten“, also ohne Gutglaubenskriterium. Die Dauer von zehn Jahren weist aber auf einen anderen Zweck als den Schutz des Vertrauens in einen vom Rechtsvorgänger abhängigen Rechtsschein hin, nämlich auf die Rechtssicherheit. Etwaige noch nachwirkende Ansprüche des bisherigen Eigentümers, insbesondere aus früherem Besitz, werden unter dem Gesichtspunkt des Zeitablaufs ausgeschlossen. Das zeigt sich besonders deutlich, wenn ursprünglich ein Erwerb nach § 932 BGB deshalb misslang, weil die Sache dem Eigentümer abhanden gekommen war, § 935 BGB: Scheiterte also der Erwerb bei Besitzwechsel an der nachwirkenden Besitzposition des wahren Eigentümers, so fällt dieses Hindernis nach zehn Jahren durch Ersitzung weg. Gemeinsam mit dem Erwerb nach §§ 932 ff. BGB ist der Ersitzung die Stärkung und Verfestigung von Rechtspositionen durch den Eigenbesitz. Diese rechtssichernde Funktion des Besitzes findet sich dabei ausdrücklich auch im Grundbuchrecht: So kommt nach § 900 Abs. 2 BGB die gutgläubige Buchersitzung nur für solche im Grundbuch eingetragenen Grundstücksrechte in Frage, die mit dem Besitz verknüpft sind (also beispielsweise nicht für die Hypothek); und auch das Grundeigentum kann nur der gutgläubige Eigenbesitzer ersitzen, § 900 Abs. 1 BGB. Gerade die Buchersitzung zeigt damit deutlich die Unterschiede zwischen dem Grundbuch (als Publizitätsmittel) und dem Besitz (als rechtsverfestigendem Faktum): Das Grundbuch entfaltet Publizitätswirkungen nach außen, kann also nach § 892 BGB bei Dritten, die vom Eingetragenen erwerben, ein schutzwürdiges Vertrauen auslösen; der Eingetragene selbst ist dagegen in seinem Vertrauen auf die Eintragung nur eingeschränkt geschützt, insbesondere kann er nicht

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

allein auf Grund der Eintragung das Recht erwerben. Der Eigenbesitz dagegen schützt (allein) den Besitzer und vermag bei ihm, wenn er gutgläubig ist, über kurz (§§ 932 ff. BGB) oder lang (§§ 937, 900 BGB) das geglaubte Recht zum wahren Recht erstarken zu lassen. Auf die Erkennbarkeit des Eigenbesitzes beim Ersitzenden im Sinne positiver Publizität kommt es demgegenüber weder bei der Mobiliar- noch bei der Buchersitzung an. Das zeigt sich schon daran, dass der Eigenbesitz auch als (für Dritte nicht wahrnehmbarer) mittelbarer Besitz ausgeübt werden kann, ohne dass dies der Ersitzung abträglich wäre. Insbesondere soll nach h. M. ein wesentlicher Anwendungsfall des § 937 BGB die nachträgliche Heilung eines am bloßen Besitzkonstitut nach § 933 BGB gescheiterten gutgläubigen Erwerbs sein204, wobei die Regelung des § 933 BGB doch allgemein als Ausfluss besonderer Publizitätserfordernisse gesehen wird. Zudem sind nach § 940 Abs. 2 BGB zumindest kurzfristige Unterbrechungen des Eigenbesitzes unschädlich – abgesehen davon, dass eine zehnjährige Beobachtung von außen ohnehin praktisch ausgeschlossen erscheint. Vor allem aber addieren sich, wenn die Sache durch mehrere Hände geht, nach § 943 BGB die Ersitzungszeiten der Rechtsvorgänger und -nachfolger; die Sache muss also nicht einmal tatsächlich über zehn Jahre in Händen derselben Person bleiben, geschweige denn müsste dies nach außen irgendwie wahrnehmbar sein. Immerhin negative Publizität in dem Sinne, dass der bisherige Eigentümer vom sichtbaren Besitz ausgeschlossen sein muss, könnte aber für die Ersitzung erforderlich sein. Und in der Tat wird in aller Regel der bisherige Eigentümer den Besitz der Sache ursprünglich einmal freiwillig oder unfreiwillig verloren haben, bevor sie in die Hände bzw. den Eigenbesitz des Ersitzenden geriet. Schon in diesem Normalfall dürfte es sich dabei freilich eher um ein zufälliges Nebenprodukt handeln, weil es an jeglichem, insbesondere zeitlichen Zusammenhang zwischen Besitzverlust und Ersitzung fehlt. Zudem mag man den Ausnahmefall konstruieren, dass der Ersitzende die Sache lediglich in mittelbarem Eigenbesitz hat und sein Besitzmittler zufällig der bisherige Eigentümer ist (der die Sache nicht als seine eigene erkennt, etwa weil es sich um ein Serienprodukt handelt). Nach dem Gesetzeswortlaut ist dennoch die Ersitzung möglich, so dass es auch hier nicht auf negative Publizität ankommen kann. Allenfalls käme eine analoge Anwendung des § 936 Abs. 3 BGB zugunsten des unmittelbar besitzenden Eigentümers in Betracht (wogegen freilich sowohl der Regelungszweck der Ersitzung, nämlich Rechtsfrieden zu schaffen, als auch die fehlende Schutz204 Etwa MK/Baldus, § 937 BGB, Rdnr. 5. – Anders wohl Ernst, Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, S. 266 ff., der in bestimmten Fällen des Besitzkonstituts den Eigenbesitzerwerb verneinen will.

C. Gesetzlicher Rechtserwerb kraft guten Glaubens?

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würdigkeit des wahren Eigentümers, der den Besitz in ausdrücklicher Anerkenntnis fremden Eigentums erhalten hat, sprechen dürften) – selbst dann würde man den bisherigen Eigentümer aber wegen seiner Besitzposition schützen und nicht etwa, um zu verhindern, dass Dritte durch seinen unmittelbaren Besitz getäuscht werden. 2. Erzeugnisse und Bestandteile, §§ 955, 957 BGB a) Der Fruchterwerb des Eigenbesitzers, § 955 BGB Einen Fall des sofortigen (gesetzlichen) Eigentumserwerbs allein durch Besitz und Gutgläubigkeit enthält § 955 BGB: Danach erwirbt der redliche Eigenbesitzer einer Muttersache das Eigentum an ihren Erzeugnissen und Früchten, Abs. 1; dasselbe gilt zugunsten des Besitzers, der die Muttersache zwar nicht als eigene, aber doch in Ausübung eines dinglichen Nutzungsrechts – insbesondere also eines Nießbrauchs – besitzt, Abs. 2. Dieser Erwerb ist unabhängig von jedem Rechtsschein bei einem Dritten, insbesondere dem Besitzvorgänger des Erwerbers. Die Beschränkung auf Erzeugnisse und Früchte deutet hier aber wiederum einen eigenen Regelungszweck an, nämlich den Ausgleich für die in die Muttersache investierte Arbeit; an sonstigen Bestandteilen, die nicht zu den regulären Früchten (§ 99 BGB) zählen, setzen sich dagegen die Eigentumsverhältnisse an der Muttersache fort. § 955 BGB korrespondiert so eigentumsrechtlich mit der allgemein für das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis geltenden Norm des § 993 BGB205: Beide bezwecken den Schutz des redlichen Eigenbesitzers, der Mühe auf die Sache aufwendet und deshalb deren Ertrag für die Dauer seiner Besitzzeit behalten darf; im Gegenzug muss er die gewöhnlichen Erhaltungskosten selbst tragen, § 994 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Honorierung eigener Leistung findet sich ähnlich auch bei der Herstellung neuer Sachen nach § 950 BGB. Das rechtfertigt es, hier etwaige Ansprüche des wahren Eigentümers aus früherem Besitz – insbesondere hinsichtlich einer abhanden gekommenen Muttersache – nicht durchgreifen zu lassen; die spätere Frucht unterliegt dann nicht mehr der nachwirkenden Besitzposition des Eigentümers der Muttersache: Auch im Falle einer abhanden gekommenen Muttersache ist daher gutgläubiger Fruchterwerb nach § 955 BGB möglich206. 205

So bereits Mot III 401 = Mugdan III 223; MK/Oechsler, § 955 BGB, Rdnr. 1; krit. MK/Medicus, § 993 BGB, Rdnr. 1 f. – Hat der Erwerber freilich den Besitz der Muttersache ohne Gegenleistung erhalten, steht ihm auch das Eigentum an den Früchten nicht dauerhaft zu, § 988 BGB. 206 Im Ergebnis zutreffend deshalb die h. M., etwa Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 57 II 3 b aa a. E.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 E V 4, Rdnr. 53.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

b) Der gutgläubige Erwerb durch Aneignungsgestattung, § 957 BGB Nun privilegiert § 955 BGB nur denjenigen, der sich für dinglich berechtigt hält, also den gutgläubigen Eigenbesitzer oder vermeintlichen Nießbraucher, nicht aber denjenigen, der bloß auf ein obligatorisches Fruchtziehungsrecht vertraut, etwa weil er die Muttersache von einem Nichtberechtigten gepachtet hat. Letzterer fällt vielmehr unter die Regelungen zur obligatorischen Aneignungsgestattung nach §§ 956, 957 BGB. Allerdings ist deren Anwendungsbereich insofern weiter, als die §§ 956 f. BGB zum Einen nicht nur Früchte und Erzeugnisse, sondern auch sonstige Bestandteile erfassen, zum Anderen nicht nur den Besitzer der Muttersache (§ 956 Abs. 1 Alt. 1 BGB) begünstigen, sondern auch den Fall erfassen, dass der Erwerber den Besitz an dem Erzeugnis oder dem Bestandteil erst nach Trennung erlangt (§ 956 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Dabei ist in Erinnerung zu behalten, dass die Aneignungsgestattung vom Berechtigten nach § 956 BGB nicht grundsätzlich von den Übereignungstatbeständen der §§ 929 ff. BGB abweichen, sondern lediglich den Vollzug der dinglichen Einigung vereinfachen soll (es sich also eigentlich um keinen gesetzlichen, sondern um rechtsgeschäftlichen Erwerb handelt)207. Dementsprechend wurde auch die Regelung des gutgläubigen Erwerbs in § 957 BGB erst durch die 2. Kommission eingefügt. Zunächst hatte man von einer Regelung ganz abgesehen, weil man sie angesichts der Übereinstimmung von § 956 BGB mit den §§ 929 ff. BGB für entbehrlich hielt. Auch die Einfügung des § 957 BGB geschah nicht etwa auf Grund eines Sinneswandels, sondern lediglich zur Verdeutlichung: Sind die Früchte schon getrennt (§ 956 Alt. 2 BGB) und werden einzeln übergeben, dann gelten die §§ 932 ff. BGB unmittelbar; dies ist lediglich vereinfacht, wenn der Erwerber die Muttersache bereits besitzt208. Dementsprechend kann § 957 BGB seinem Wortlaut nach – ebenso wie § 934 Alt. 2 BGB – auf jeden Rechtscheintatbestand beim gestattenden Nichtberechtigten verzichten und allein Redlichkeit nebst Besitzergreifung beim Erwerber ausreichen lassen. Vom Grundansatz ist damit der allgemeinen Meinung zu folgen, dass die Rechtsscheinerfordernisse der §§ 932 ff. BGB auch im Rahmen der Aneignungsgestattung gelten müssen; jedoch geht diese allgemeine Meinung zu weit, wenn sie hier fordert, der Gestattende müsse im Besitz der Muttersache bzw. der Bestandteile (gewesen) sein209. Daran verblüfft zunächst schon in207

Vgl. oben Kap. 2, C. IV. 3., S. 151 f. – Lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit ist er auch hier im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Erwerb des Eigenbesitzers nach § 955 BGB behandelt. 208 Prot. 3984 f. = Mugdan III 652.

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nerhalb des Systems der h. M., dass dies auch dann gelten soll, wenn – wie meist – die Muttersache ein Grundstück ist, obwohl für Grundstücke doch keinesfalls der Besitz, sondern das Grundbuch der maßgebliche Rechtsscheintatbestand ist. Das ließe sich allerdings noch nach § 956 BGB rechtfertigen: Denn die danach entscheidende Gestattungsbefugnis muss nicht unbedingt mit dem Eigentum zusammenfallen, § 956 Abs. 2 BGB. Rechtsscheinträger für die Gestattungsbefugnis könnte dann – innerhalb des Publizitätsdenkens – statt des Grundbuchs der Besitz sein210. Nun hat sich aber bereits innerhalb der §§ 932 ff. BGB erwiesen, dass es nicht entscheidend auf den Besitz des Veräußerers ankommt und dass dieser daher auch nicht Rechtsscheinträger ist. Entgegen allgemeiner Meinung ist es daher nicht etwa ein redaktionelles Versehen211, dass § 957 BGB ausdrücklich nicht den vorhergehenden Besitz des Gestattenden voraussetzt. Vielmehr findet die Minimierung des Rechtsscheintatbestandes beim Veräußerer in § 957 BGB eine weitere Bestätigung: Wie nach § 934 BGB setzt der redliche Eigentumserwerb nach § 957 BGB mithin lediglich den Besitzerwerb auf Grund der Gestattung voraus212. Damit ist auch von vornherein unerheblich, ob die Muttersache ein Grundstück ist und welche Eintragungen sich dazu im Grundbuch finden: Denn entscheidend sind nicht die Rechtsverhältnisse am Grundstück, sondern allein die Erlangung des Besitzes an den Früchten. Allerdings ist die Lage dadurch verkompliziert, dass in § 957 BGB mehrere Gesichtspunkte (und insbesondere unterschiedliche Konstellationen) vermengt sind: Die reine Parallele zur Übereignung beweglicher Sachen nach §§ 929 ff. BGB besteht nur in den Fällen, in denen der Erwerber nicht Besitzer der Muttersache ist und das Eigentum erst nach Trennung übergehen soll, § 957 i. V. m. § 956 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Dagegen kann in der vor allem geregelten Konstellation, dass der Erwerber im Besitz der Muttersache ist (§ 957 i. V. m. § 956 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB), der Gesichtspunkt des Schutzes des Besitzers für die in die Sache investierte Arbeit hinzukommen, wie er sich in § 955 BGB als maßgeblich herausgestellt hat und wie er nach §§ 991, 993 BGB auch demjenigen Besitzer zu Gute kommen muss, der lediglich auf Grund obligatorischer Vereinbarung mit einem Nichtberechtigten besitzt213. 209

So aber RGZ 108, 269/271; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 54 m. w. N.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 E VI 1, Rdnr. 66; Jauernig, § 957 BGB, Rdnr. 1; Brehm/Berger, Sachenrecht, § 29.10; Wieling, Sachenrecht, § 11 III 5 a; MK/ Oechsler, § 957 BGB, Rdnr. 2. 210 So – innerhalb des Systems der h. M. konsequent – Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 957. 211 Etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 E VI 1, Rdnr. 66; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 57 III 4 b; MK/Oechsler, § 957 BGB, Rdnr. 2. 212 Ähnlich Hager, Verkehrsschutz, S. 306.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

Daraus folgt, dass bei stehendem Erwerberbesitz an der Muttersache eine entsprechende Anwendung des § 932 Abs. 1 S. 2 BGB (also das Erfordernis eines Besitzerwerbs an der Muttersache „vom Veräußerer“) nur hinsichtlich der Bestandteile, nicht aber hinsichtlich der Früchte und Erzeugnisse geboten ist, weil die Bestandteile nicht erst während der Besitzzeit erarbeitet werden. Nur zum redlichen Erwerb von Bestandteilen muss daher der Erwerber die Muttersache in objektivem Zusammenhang mit der Aneignungsgestattung erhalten haben; nur insoweit ist auch ein Abhandenkommen der Muttersache entsprechend § 935 BGB schädlich. Für Früchte und Erzeugnisse dagegen, die als Gegenwert für die auf die Sache verwendete Mühe gelten, muss der Gedanke der §§ 993, 955 BGB uneingeschränkt Anwendung finden: Es ist dann sowohl unerheblich, auf welche Weise der Erwerber den Besitz an der Muttersache erhalten hat (solange er nur gutgläubig ist; § 932 Abs. 1 S. 2 BGB gilt jedenfalls nicht214), als auch, ob die Muttersache abhanden gekommen ist. Dagegen gelten in der zweiten Alternative, wenn also der Erwerber die Muttersache nicht besitzt und der Eigentumswechsel erst mit Besitzergreifung eintreten soll, die §§ 932 bis 935 BGB uneingeschränkt, und zwar grundsätzlich gleichermaßen für Früchte wie Bestandteile; mangels Besitz an der Muttersache kann der Gesichtspunkt der vom gutgläubigen Besitzer investierten Mühe keine Rolle spielen. Eine Differenzierung käme insoweit allenfalls bei abhanden gekommener Muttersache in Betracht: Der Makel des Abhandenkommens (d.h.: die fortwirkende Besitzposition des bisherigen Eigentümers) umfasst die Bestandteile selbstverständlich auch nach deren Trennung von der Muttersache; an den (neu entstehenden) Früchten dürfte sich der Makel dagegen nach dem Grundgedanken des § 101 Nr. 1 BGB dann nicht fortsetzen, wenn sie erst in der dem Abhandenkommen nachfolgenden Besitzzeit (also in derjenigen des Diebes, insbesondere aber auch der des Veräußerers) getrennt werden215. Der einhelligen Lösung des bekannten Cosackschen Lehrbuchfalls vom „Witzbold im Weinberg“ (der als Nichtberechtigter einem arglosen Wanderer zuruft: „Pflücken Sie sich Trauben, soviel Sie wollen!“) ist nach allem nur im Ergebnis, nicht in der verbreiteten Begründung zu folgen: Der gutgläubige Eigentumserwerb des Wanderers scheitert nicht etwa an der fehlenden Rechtsscheingrundlage des nichtbesitzenden Witzboldes216. Der Wanderer erlangt ja auf Grund der Gestattung den Besitz an den gepflück213

A.A.: Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 956. Unzutreffend daher Wilhelm, a. a. O. 215 Im Ergebnis zutreffend daher Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 59 m. w. N.; Wieling, Sachenrecht, § 11 III 5 a; Wilhelm, a. a. O., Rdnr. 960; Westermann/ Gursky, Sachenrecht, § 57 III 4 c. 214

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ten Trauben; insoweit wird man dem Witzbold nicht einmal die tatsächliche Besitzverschaffungsmacht absprechen können. Vielmehr kommen die Trauben mit dem Pflücken dem Eigentümer des Muttergrundstücks abhanden, so dass dessen fortwirkende Besitzposition (die sich insbesondere auch im Selbsthilferecht des Eigentümers aus §§ 859, 861 BGB ausdrückt) nach der Wertung des § 935 BGB den redlichen Erwerb ausschließt217. Nur das dürfte im Übrigen einer lebensnahen Betrachtung entsprechen: Das Empörende ist doch weniger, dass der Wanderer dem Witzbold glaubt, als vielmehr, dass die Trauben dem Eigentümer entwendet werden. Das führt sogar im Ergebnis zu einem Unterschied, wenn der Eigentümer (bzw. Aneignungsbefugte) vor dem Abhandenkommen weder unmittelbaren noch mittelbaren Besitz an der Muttersache hatte: Dann greift § 935 BGB nicht, so dass einem gutgläubigen Erwerb grundsätzlich nichts entgegensteht218. 3. Die gesetzlichen Pfandrechte, insbesondere § 366 Abs. 3 HGB Hat sich damit herausgestellt, dass die Tatbestände des gutgläubigen Eigentumserwerbs entweder in Wahrheit rechtsgeschäftlicher Natur sind (§§ 926, 582a, 1048, zum Teil auch 957 BGB) oder – soweit es sich wirklich um gesetzlichen Erwerb handelt – eigenen Regelungszwecken folgen (erhöhte Rechtssicherheit in § 937, Gegenwert der Arbeit in §§ 955 und zum Teil in 957 BGB), so wird die Lage spätestens beim gesetzlichen Erwerb sonstiger dinglicher Rechte, namentlich also der gesetzlichen Pfandrechte, unklar. Bei den gesetzlichen Pfandrechten betrifft das nun schon 216 So aber Wieling, a. a. O.; Tiedtke, a. a. O., S. 58 f.; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 483; Wilhelm, a. a. O., Rdnr. 958; auch RGZ 108, 269/271. 217 So – freilich unter Zurechnungsgesichtspunkten – auch Hager, Verkehrsschutz, S. 306; immerhin als Alternativbegründung stellt auf § 935 BGB ab Wilhelm, a. a. O., Rdnr. 958, Fn. 807 a. E. In diese Richtung auch Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 57 III 4 b, mit dem Verweis auf § 861 BGB. 218 Das gilt unter Umständen selbst dann, wenn der Witzbold sich der Muttersache bemächtigt, etwa einen Tomatenstrauch von einem Balkon entwendet und später einen Gutgläubigen auffordert: „Bedienen sie sich!“; die h. M. müsste hier ohnehin den „Rechtsschein des Besitzes“ bejahen. Solange es sich um Früchte und nicht um Bestandteile handelt, setzt sich nämlich der Makel des Abhandenkommens an ihnen nicht fort. Endgültig behalten darf der Wanderer die geschenkten Früchte freilich auch in diesem Fall nicht, weil der ehemalige Eigentümer aus § 816 Abs. 1 S. 2 BGB die Rückübereignung verlangen kann. – Freilich sind natürliche Früchte ein schlechtes Beispiel, weil sie der hungrige Wanderer in der Regel auf der Stelle verzehren wird und es deshalb ohnehin keinen Unterschied macht, ob der Wanderer vor dem Verzehr Eigentümer wird oder nicht: Er schuldet allenfalls Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB (entweder über § 816 Abs. 1 S. 2 oder über § 993 Abs. 1 BGB), der wegen Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein wird.

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die Frage der Bestellung („Ersterwerb“) durch den Nichtberechtigten219: Kann also etwa der redliche Werkunternehmer ein Unternehmerpfandrecht nach § 647 BGB an Sachen erwerben, die ihm der nichtberechtigte Besteller einliefert? Nun lassen sich die gesetzlichen Pfandrechte schon deshalb schwer über einen Kamm scheren, weil sie teils besitzlos ausgestaltet sind (etwa das Vermieterpfandrecht nach §§ 562 ff. BGB), teils – wie eben § 647 BGB – die Besitzerlangung des Pfandgläubigers ausdrücklich voraussetzen220. Unabhängig davon wendet aber insbesondere die Rechtsprechung gegen den gutgläubigen Erwerb gesetzlicher Pfandrechte im Allgemeinen den Wortlaut des § 1257 BGB ein, wonach die Vorschriften über das vertragliche Pfandrecht auf ein kraft Gesetzes „entstandenes“ Pfandrecht entsprechende Anwendung finden; aus dieser Formulierung im Perfekt ergebe sich, dass sich die Entstehung selbst allein nach dem jeweiligen gesetzlichen Tatbestand, nicht aber nach § 1207 BGB richte221. Das allein erscheint aber eher spitzfindig als zwingend, zumal auch die Gleichstellung bestimmter gesetzlicher Pfandrechte des Handelsrechts mit dem vertraglichen Pfandrecht in § 366 Abs. 3 HGB eine vergleichbare Wendung im Perfekt enthält (durch Vertrag „erworbenes“ Pfandrecht), sich zugleich aber ausdrücklich auf die gutgläubige Entstehung bezieht. Jedenfalls wäre dadurch eine zumindest analoge Anwendung des § 1207 BGB nicht ausgeschlossen. Vor allem widerlegt die Vorschrift des § 366 Abs. 3 HGB eindeutig ein verbreitetes Argument gegen den gutgläubigen Erwerb, das sowohl zum Ersterwerb gesetzlicher als auch zum Zweiterwerb vertraglicher Pfandrechte vorgebracht wird und das sich bereits in den Motiven findet: dass nämlich der Gutglaubensschutz auf gesetzliche Entstehungstatbestände generell keine Anwendung finden könne222. Eine solche Aussage ist unhaltbar, da 219 Dagegen erfolgt der Zweiterwerb eines behaupteten gesetzlichen Pfandrechts (der Werkunternehmer überträgt Forderung und Pfandrecht auf seine Bank) über §§ 1257, 1250 BGB genauso akzessorisch wie beim vertraglichen Pfandrecht, so dass insofern vertragliches und gesetzliches Pfandrecht gleich zu behandeln sind. 220 Vgl. im Einzelnen den Überblick bei Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 126 II 1 und § 133 I. 221 BGHZ 34, 153/154 f.; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 133 I. Dagegen ausführlich Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1704. Ohnehin von pignora tacita, mithin rechtsgeschäftlichem Erwerb gehen weitgehend Heck, Sachenrecht, § 106 II, und Wieling, Sachenrecht, § 15 VIII b aa mit Fn. 53, aus (zur Entwicklung des Werkunternehmerpfandrechts als stillschweigendes vertragliches Pfandrecht auch Staud/ Peters, § 647 BGB, Rdnr. 1). Aus entstehungsgeschichtlichen Gründen ablehnend dagegen Henke, AcP 161 [1962], S. 1/18 ff. – Offen gelassen in Mot. III 796 f. = Mugdan III 444. 222 So zum Vermieterpfandrecht bereits Mot. II 405 = Mugdan II 226; daran anschließend BGHZ 34, 153/154 f.; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 133 I. – Da-

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§ 366 Abs. 3 HGB ausdrücklich den Erwerb der gesetzlichen Pfandrechte des Kommissionärs, § 397 HGB, des Frachtführers, § 441 HGB, des Spediteurs, § 464 HGB, und des Lagerhalters, § 475b HGB, ermöglicht – was zudem vom Reformgesetzgeber durch die Einfügung des Hs. 2 noch einmal bekräftigt worden ist223. Ein verbindliches Prinzip fehlenden Gutglaubensschutzes bei den gesetzlichen Pfandrechten lässt sich auch nicht etwa dadurch retten, dass hinter § 366 Abs. 3 HGB spezifisch handelsrechtliche Gründe stünden224: Denn abgesehen davon, dass § 366 Abs. 3 HGB nur bestimmte, nicht alle handelsrechtlichen Pfandrechte erfasst, setzt er die Kaufmannseigenschaft nur auf Seiten des begünstigten Pfandgläubigers voraus. Dagegen muss weder der Verpfänder noch der benachteiligte Eigentümer Kaufmann sein – so dass sich die Situation insoweit nicht von der Einlieferung einer Sache bei einem kaufmännischen Werkunternehmer (§ 647 BGB) unterscheidet. Im Übrigen lässt auch die Rechtsprechung jedenfalls beim gesetzlichen Pfandrecht des Pächters an dem in seinem Besitz befindlichen Inventar nach § 583 BGB, also bei einem rein bürgerlichrechtlichen Pfandrecht, den gutgläubigen Erwerb ausdrücklich zu225, ohne sich an diesem Widerspruch zu stören. Ebenso wenig handelt es sich um spezielle Ausnahmen, die allein durch die besondere Schutzbedürftigkeit der angesprochenen Pfandgläubiger auf Grund ihrer Vorleistungen gerechtfertigt wären226. Denn diese Erwägung träfe auf alle gesetzlichen Pfandrechte zu: Auch der Werkunternehmer soll durch § 647 BGB wegen seiner Vorleistungen auf die Sache geschützt werden, ebenso letztlich der Vermieter für die (unter Umständen vorgeleistete) Nutzungsüberlassung. Entgegen der Auffassung der Rechtsprechung lässt sich die „Ausnahme“ des § 366 Abs. 3 HGB auch nicht damit begründen, dass die dort genannten Pfandrechte schon dem Wortlaut ihres Entstehungstatbestandes nach kein Eigentum des Verpfänders, sondern den bloßen Besitzerwerb beim Pfandgläubiger voraussetzen227. Zwar beschränken die §§ 397, 441, 464, 475b HGB tatsächlich das Pfandrecht nicht ausdrücklich auf Sachen „des Kommittenten“, „des Einlieferers“ o. ä., während dies bei den bürgerlichgegen (wie hier): Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1698; Wieling, Sachenrecht, § 15 VIII b aa. 223 Durch das Transportrechtsreformgesetz v. 25.6.1998, BGBl. I 1588; vgl. MünchKomm-HGB/Welter, § 366 Rdnr. 64 m. w. N. 224 So aber – ohne freilich diese spezifischen Gründe zu benennen – BGHZ 34, 153/155 f. 225 BGHZ 34, 153/157; Palandt/Weidenkaff, § 583 BGB, Rdnr. 2. – Dagegen will Henke, AcP 161 [1962], S. 1/13 ff., mit beachtlichen Gründen aus der Entstehungsgeschichte das Pächterpfandrecht auf das dem Verpächter gehörende Inventar beschränken und gutgläubigen Erwerb ablehnen. 226 So aber etwa Ebenroth/Boujong/Joost/Stadler, § 366 HGB, Rdnr. 24. 227 So aber BGHZ 34, 153/155 f.

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rechtlichen Pfandrechten in der Regel der Fall ist (§ 562 BGB: „des Mieters“; § 647 BGB: „des Bestellers“; § 704 BGB: „des Gastes“; nicht dagegen beim Pächterpfandrecht, § 583 BGB). Abgesehen davon, dass die bloße Bezugnahme auf den Wortlaut einen vernünftigen Regelungszweck nicht zu ersetzen vermag, kann das schon deshalb nicht stimmen, weil dann § 366 Abs. 3 HGB gänzlich überflüssig wäre: Wenn das Pfandrecht ohnehin lediglich den Besitzerwerb, nicht aber das Eigentum des Einlieferers voraussetzen würde, käme es auf guten Glauben beim Pfandgläubiger überhaupt nicht an. Vielmehr ergibt sich im Gegenteil aus § 366 Abs. 3 HGB eindeutig, dass etwa der Kommissionär kein Pfandrecht erwerben kann, wenn er die Nichtberechtigung des Kommittenten kennt. Andererseits folgt aus dem Umstand, dass die gängigen Argumente gegen einen gutgläubigen Erwerb gesetzlicher Pfandrechte nicht durchgreifen, noch nicht automatisch, dass ein solcher redlicher Erwerb zu bejahen sein muss. Insbesondere setzt § 366 Abs. 3 HGB – wie sich auch aus der Entstehungsgeschichte ergibt – nicht etwa voraus, dass bereits im bürgerlichen Recht gesetzliche Pfandrechte ohne Weiteres gutgläubig erworben werden können, sondern schafft einen eigenen Gutglaubenstatbestand im Handelsrecht (dies schon wegen der Erstreckung des guten Glaubens auf die Verfügungsbefugnis)228. Es bedarf daher einer genaueren Betrachtung, inwieweit und gegebenenfalls weshalb ein Gutglaubenserwerb auch bei den gesetzlichen Erwerbstatbeständen möglich ist, um daraus dann Rückschlüsse auf die gesetzlichen Pfandrechte des BGB ziehen zu können.

II. Der Grund für die Beschränkung auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb Weshalb also sieht das Gesetz zumindest dem Grundsatz nach den Gutglaubenserwerb vor allem für die rechtsgeschäftlichen Erwerbstatbestände, nicht aber für die gesetzlichen (Erbe, dingliche Surrogation) vor? Was ist der Grund dafür, dass zumindest einige gutgläubige gesetzliche Erwerbstatbestände ausdrücklich doch zugelassen sind, wie etwa der Zweiterwerb einer nicht bestehenden Hypothek (§ 1155 BGB) oder der Ersterwerb der in § 366 Abs. 3 HGB aufgeführten gesetzlichen Pfandrechte? Und welche Folgerungen ergeben sich daraus für diejenigen umstrittenen gesetzlichen Entstehungstatbestände, für die das Gesetz den redlichen Erwerb zumindest nicht 228 Insoweit wie hier BGHZ 34, 153/155 f.; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 86 f.; je m. w. N. – § 366 Abs. 3 HGB lediglich als spezielle Ausprägung eines allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsatzes sehen dagegen: Baur/Stürner; Sachenrecht, § 55 C II 2 a, Rdnr. 40; MK/Damrau, § 1257 BGB, Rdnr. 3; ausführlich Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1701 ff.

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ausdrücklich kennt – also insbesondere beim Pfandrecht den gutgläubigen Zweiterwerb durch Forderungsabtretung (§ 1250 BGB) und den gutgläubigen Erwerb des Unternehmerpfandrechts (§§ 647, 1257, 1207 BGB)? 1. Anknüpfen des Vertrauens an die Übergabe (h. M.)? Die h. M. beschränkt sich – zumindest beim akzessorischen und damit formal gesetzlichen Zweiterwerb eines vertraglichen Pfandrechts nach § 1250 BGB – im Wesentlichen darauf, einen Unterschied zwischen rechtsgeschäftlichem und gesetzlichem Erwerb daraus abzuleiten, dass bei letzterem ein Übergabeerfordernis, an das der gute Glaube anknüpfe, nicht bestehe229. Dieser dem Publizitäts-, zumindest aber Traditionskonzept verhaftete Ansatz erweist sich indes als nicht tragfähig: Zum Teil hängt nämlich der gesetzliche Rechtserwerb sogar noch strikter von der Besitzerlangung ab als der rechtsgeschäftliche – etwa im Beispiel des Unternehmerpfandrechts230. Darüber hinaus verfehlt die These vom Übergabeerfordernis aber bereits den rechtsgeschäftlichen Erwerb. Schon beim rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb fallen nicht nur in den §§ 933, 934 Alt. 2 BGB die Zeitpunkte der Besitzübergabe und des Eigentumserwerbs auseinander, sondern der Eigentumserwerb hängt – solange vom Berechtigten erworben wird – überhaupt nicht von der Besitzerlangung ab, wie § 931 BGB ergibt. So erhält der Erwerber bei Übertragung eines Pfandrechts durch Forderungsabtretung gemäß § 1251 Abs. 1 BGB ebenso nur einen Herausgabeanspruch wie der Eigentumserwerber gemäß § 931 BGB in der Alternative ohne mittelbaren Besitz. Dagegen lässt sich auch nicht etwa einwenden, dass beim 229 Etwa BGHZ 34, 153/157 f.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 55 B V 3, Rdnr. 32 m. w. N.; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 132 I 1 b m. w. N.; MK/Damrau, § 1250 BGB, Rdnr. 3; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 832, Fn. 622 i. V. m. Rdnr. 1698 ff.; Frohn, Gutgläubiger Erwerb gesetzlicher Pfandrechte, 30 ff.; vgl. auch die Nachweise bei Hager, Verkehrsschutz, S. 311 f., Fn. 452 (im Ergebnis wohl ähnlich: S. 314 f.). 230 Das verkennt zwar auch BGHZ 34, 153/157 nicht. Soweit dort aber darauf abgestellt ist, die Übereinstimmung in der Besitzlage sei „rein äußerlich“ und das Besitzerfordernis habe bei den gesetzlichen Pfandrechten eigene Gründe, weil etwa der Werkunternehmer ohne Besitz nicht schutzwürdig sei, verabschiedet sich das zum Einen ausdrücklich vom Dogma, dass der Besitz beim rechtsgeschäftlich Erwerb vom Berechtigten die entscheidende Rolle spiele. Zum Anderen ist das Argument aber nicht nachvollziehbar: Wenn gutgläubiger Erwerb auf Grund Besitzerlangung schon bei solchen Tatbeständen möglich ist, die einen Übergang unabhängig von der Besitzerlangung ermöglichen (§ 931 BGB), dann müsste dies doch erst recht in den Fällen so sein, in denen schon der Erwerb vom Berechtigten besitzabhängig ist; auch der Erwerber eines vertraglichen Pfandrechts vom Berechtigten ist im Übrigen nach der Konzeption der §§ 1205 f. BGB erst mit Besitzerwerb schutzwürdig.

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gutgläubigen Erwerb immer die Besitzerlangung erforderlich ist. Denn das wäre ein Zirkelschluss: Dass der gutgläubige Erwerb im Gegensatz zum Erwerb vom Berechtigten die Besitzerlangung voraussetzt, ist eine Frage der Schutzwürdigkeit des Erwerbers, hat aber mit der hiesigen Problematik nichts zu tun; es soll ja vielmehr gerade geklärt werden, ob und gegebenenfalls weshalb die Besitzerlangung beim gesetzlichen Erwerb nicht ausreichen soll. Auch kann man § 931 BGB in der Alternative der Abtretung eines bloßen Herausgabeanspruches (ohne Besitz) keinesfalls als bloße Ausnahme abtun, dessen Konstellation zumindest darauf ausgerichtet wäre, dass der Erwerber durch Geltendmachung dieses Herausgabeanspruches den Besitz erlangen wird. Denn das ist etwa bei der dinglichen Surrogation genauso: Auch dort liegt ein grundsätzlich besitzloser (in §§ 2019, 857 BGB sogar: besitzfingierender) Eigentumserwerb vor, bei dem sich der Erwerber aber gegebenenfalls Besitz verschaffen wird. Und selbst das besitzlose Vermieterpfandrecht ist – zumindest für den Sicherungsfall – auf Herausgabe an den Vermieter ausgerichtet, § 562b BGB. Ein etwaiges Vertrauen auf bestehende oder erlangte Besitzpositionen kann also nicht das entscheidende Abgrenzungskriterium bilden. Wenn der Ausschluss gesetzlichen Gutglaubenserwerbs aber nichts mit Publizität zu tun hat, wodurch rechtfertigt er sich dann? 2. Andere denkbare Differenzierungskriterien, insbesondere die Entgeltlichkeit Eine ganz andere Unterscheidung der Erwerbstatbestände – unabhängig von gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Natur, unabhängig aber auch von jeglicher Publizität – in solche, die gutgläubigen Rechterwerb ermöglichen, und solche, bei denen das nicht der Fall ist, versucht Hager einzuführen, indem er – ausgehend von Art. 14 GG und gestützt auf § 816 Abs. 1 S. 2 BGB – die überwiegende Schutzwürdigkeit des Erwerbers aus dem Kriterium der Erbringung einer Gegenleistung ableiten will231. Dieses Kriterium würde den gutgläubigen Erwerb häufig auch bei gesetzlichem Rechtsübergang rechtfertigen, zwar nicht bei der Universalsukzession kraft Erbschaft, aber doch in vielen Fällen der dinglichen Surrogation (vgl. etwa das Opfer 231 Verkehrsschutz, S. 88 ff., 122 f., 136 ff., 459. Für den Ausschluss gutgläubigen Erwerbs auf Grund testamentarischer (und damit zumindest rechtsgeschäftlich veranlasster) Erbfolge stellt auch Wacke, Jura 1986, 435/436, allein auf den Gesichtspunkt der Unentgeltlichkeit ab. Zur Begründung des gutgläubigen Erwerbs einer Hypothek ohne Forderung nach §§ 1138, 1154 BGB ebenso Westermann/Eickmann, Sachenrecht, § 105 III 4. – Ausdrücklich gegen eine Differenzierung nach der Entgeltlichkeit im Grundstücksrecht aber bereits Mot. III 212 = Mugdan III 117.

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des wahren Erben, wenn das Surrogat aus Mitteln der Erbschaft erworben ist, § 2019 BGB) und grundsätzlich auch beim Zweiterwerb eines Pfandrechts sowie bei den gesetzlichen Sicherungsrechten232. Auch im Rahmen des gutgläubigen Fruchterwerbs nach §§ 955, 957 BGB fand sich bereits das Kriterium einer Gegenleistung (dort: durch auf die Muttersache verwandte Mühe)233; eine zusätzliche Entsprechung zu § 816 Abs. 1 S. 2 BGB bildet dort § 988 BGB, wonach das Eigentum des gutgläubigen Besitzers an den Früchten nicht dauerhaft Bestand haben kann, wenn er die Muttersache unentgeltlich besitzt. So interessengerecht dieses Abgrenzungskriterium also auf den ersten Blick erscheinen mag, entspricht es doch nicht durchgängig der lex lata: Abgesehen davon, dass etwa der Ersitzende nach § 937 BGB das Eigentum unabhängig von einer Gegenleistung erhält234, stehen vor allem die §§ 816 Abs. 1 S. 2, 988 BGB einem unentgeltlichen gutgläubigen Erwerb nicht im Wege; sie lassen vielmehr ausdrücklich die dingliche Zuordnung unberührt und kompensieren die geringere Schutzwürdigkeit des Erwerbers allein über einen schuldrechtlichen Kondiktionsanspruch des bisherigen Eigentümers235 – zumal im Falle der Insolvenz des unentgeltlich Erwerbenden ist der Unterschied beträchtlich. Diese rein schuldrechtliche Lösung lässt sich auch nicht etwa als bloße Ausnahme abtun, die sich allein daraus erklären ließe, das die sachenrechtliche Zuordnung eindeutig sein müsse und nicht von der mitunter schwierig zu klärenden Frage abhängen dürfe, ob das zu Grunde liegende Kausalgeschäft synallagmatisch ausgestaltet ist oder nicht236: Denn auch wenn sich eine tatsächliche Frage nur schwierig klären lässt, steht das der Eindeutigkeit der letztlich zu findenden Lösung nicht entgegen. So ist es auch sonst bei sachenrechtlichen Verfügungen durchaus nichts Ungewöhnliches, dass sie von verschiedenen, schwierig zu klärenden Umständen abhängen, etwa der Gutgläubigkeit (§ 932 Abs. 2 BGB), allen denkbaren Bedingungen (§ 161 Abs. 1 BGB) oder sonst vom genauen Willen der Parteien des Übereignungsvertrages. 232 So Hager, a. a. O., S. 315, Fn. 469 (zu § 2019 BGB; allerdings erst bei tatsächlicher, d.h. nicht nur nach § 857 BGB fingierter Besitzerlangung des wahren Erben); S. 138 f. (zur dinglichen Surrogation); S. 90 i. V. m. 310 ff. (zum gesetzlichen Pfandrechtserwerb). 233 Oben I. 2., S. 283 ff. 234 Die Ersitzung ist dabei jedenfalls nach neuem Verjährungsrecht auch gegenüber bereicherungsrechtlichen Ansprüchen beständig, §§ 195, 199 Abs. 4 BGB (zur früheren Rechtslage war das streitig, vgl. Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1033 ff. m. w. N.). 235 Ebenso Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 832, Fn. 622. Das übersieht auch Hager, Verkehrsschutz, S. 189 (Fn. 38), 460, nicht, will aber die dingliche Zuordnung weitgehend über § 1007 BGB umgehen, S. 212 ff., 460. 236 So aber Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 832, Fn. 622.

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Im Übrigen aber kann das Kriterium eigener Gegenleistung auch als rechtspolitische Forderung237 für den gutgläubigen Erwerb nicht restlos überzeugen: Denn warum soll der Opfer bringende Erwerber dinglich, d.h. gegenüber allen geschützt werden? Ein schuldrechtlicher Schutz gegenüber dem wahren Berechtigten – etwa in Form eines Zurückbehaltungsrechtes, §§ 273, 1000 BGB – würde doch jedenfalls in den Fällen ausreichen, in denen ein Pfandrecht für auf die Sache verwandte Aufwendungen gewährt wird – und das ist etwa in den von § 366 Abs. 3 HGB erfassten Konstellationen der Fall238. Zudem erschiene die Behandlung gemischter Geschäfte, die also teils entgeltlich, teils unentgeltlich erfolgen, problematisch239. Ein anderes denkbares Differenzierungskriterium könnte sich aus dem Zweck des Gutglaubensschutzes ergeben, nämlich der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und damit der Umlauffähigkeit der Güter240. Auf den ersten Blick scheint es naheliegend, diesen Schutzzweck nur auf Verkehrsgeschäfte wie vertragliche Übereignungen, nicht aber auf die Entstehung gesetzlicher Pfandrechte zu beziehen. Auf die Umlauffähigkeit beim Erwerber – etwa zum Zwecke der Weiterveräußerung – kann es indes insoweit nicht ankommen: Denn etwa das Pfandrecht ist grundsätzlich nicht auf Weiterveräußerung, sondern auf Rückgabe angelegt241. Erst recht nicht kann es um Verkehrsschutz durch Übereinstimmung von Rechts- und Besitzlage beim Erwerber gehen, damit dessen potentielle Rechtsnachfolger etwa auf seinen Besitz vertrauen könnten: Denn der gutgläubige Erwerb setzt keine Publizität des vom Erwerber erlangten Besitzes voraus; umgekehrt kann der Erwerber auch im Falle gesetzlichen Rechtserwerbs Besitz erhalten, etwa der Erbe an bloß scheinbaren Erbschaftsgegenständen. Die damit allein verbleibende Umlauffähigkeit beim Nichtberechtigten taugt aber ebenfalls nicht: Denn das liefe nur wieder auf die Erwägung hinaus, dass der Nichtberechtigte rechtsgeschäftlich verfügt haben müsste, womit man im Zirkelschluss wieder bei der Ausgangsfrage nach dem Grund für 237 Zu Überlegungen, die Entgeltlichkeit – wie in anderen Rechtsordnungen der Fall – de lege ferenda zur Voraussetzung gutgläubigen Erwerbs zu erheben, vgl.: Hager, Verkehrsschutz, S. 189, Fn. 38 m. w. N.; Wacke, Jura 1986, 435/437; Westermann/Gursky, § 47 III 1. 238 Für ein bloßes Zurückbehaltungsrecht anstelle eines gutgläubig erworbenen Werkunternehmerpfandrechts auch BGHZ 34, 122/126 f. (was dort im Ergebnis durchaus interessengerecht sein mag, allerdings dogmatisch kaum mit dem geltenden Recht zu vereinbaren sein dürfte: vgl. Wieling, Sachenrecht, § 15 VIII b aa; Medicus, BR, Rdnr. 591). 239 Gegen eine Differenzierung nach der Entgeltlichkeit jedenfalls im Grundstücksrecht deshalb ausdrücklich Mot. III 212 = Mugdan III 117. 240 Dazu statt vieler Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 45 I 2. 241 Für eine Sonderbehandlung der Sicherungsrechte deshalb – konsequent – Staud/Wiegand, Vorbem. §§ 932 ff. BGB, Rdnr. 45.

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die Differenzierung zwischen rechtsgeschäftlichem und gesetzlichem Übergang wäre. Derselbe Einwand bloßer Tautologie gilt für das Erfordernis einer Willenserklärung des nichtberechtigt Verfügenden242. 3. Das entscheidende Kriterium: Die Inanspruchnahme einer Berechtigung durch den Verfügenden Eine Lösung der Frage, inwieweit der Gutglaubensschutz auch gesetzliche Rechtserwerbstatbestände umfassen kann, hat nun zunächst stets zu berücksichtigen, dass angesichts der Garantie des Art. 14 GG eine analoge Anwendung der Gutglaubensregeln nur sehr eingeschränkt in Betracht kommen kann243: Unter diesem Blickwinkel dürfte es insbesondere zu weit gehen, schlicht einen Grundsatz redlichen Erwerbs zu postulieren244 und ihn ohne gesetzliche Grundlage auf den gesetzlichen Erwerb auszudehnen. Die gesetzliche Grundlage aus der analogen Anwendung der §§ 932 ff. BGB zu entnehmen, wäre aber erst dann zulässig, wenn kein vernünftiger Grund ersichtlich wäre, den rechtsgeschäftlichen Erwerb anders zu behandeln als den gesetzlichen. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass durch das Besitzerwerbserfordernis des gutgläubigen Erwerbs der Umfang der betroffenen Konstellationen ganz erheblich eingeschränkt ist; denn der redliche Erwerber wird frühestens mit Erlangung einer eigenen Besitzposition schutzwürdig. Damit entfallen rein faktisch von vornherein viele Fallgestaltungen, etwa das bloße Vertrauen auf die Kreditwürdigkeit auf Grund Schuldnerbesitzes, das Pfändungspfandrecht oder die Stellung der Gläubiger in der Insolvenz: Hier ist ein Besitzerwerb der Gläubiger nicht nur nicht vorgesehen, sondern wird auch praktisch nicht vorkommen. Ebenso entfallen im Rahmen der dinglichen Surrogation faktisch die meisten Fallgestaltungen, in denen der Erlös an die Stelle einer Sache tritt (etwa bei der Pfandversteigerung, § 1247 S. 2 BGB), weil der Erlös regelmäßig in einer – dem gutgläubigen Erwerb unzugänglichen – Forderung bestehen wird. Für die dementsprechend wenigen verbleibenden Zweifelsfälle bietet es sich dann an, auf ein Element abzustellen, das rechtsgeschäftlichen Übertragungs- oder Bestellungsakten immanent ist, dessen entscheidende Bedeutung für die Abgrenzung zum gesetzlichen Erwerb aber weitgehend unterschätzt zu sein scheint: nämlich die ausdrückliche Inanspruchnahme einer Berechtigung durch den Verfügenden245. Grundsätzlich muss sich nämlich 242

Darauf stellen BGHZ 34, 122/126, und Henke, AcP 161 [1962], S. 1/26, ab. Zur Vereinbarkeit des redlichen Erwerbs mit Art. 14 GG allgemein vgl. oben S. 272 Fn. 180. 244 So dem Wortlaut nach Wieling, Sachenrecht, § 15 VI 1 b und § 17 III 1 b bb (im Ergebnis aber nicht für den gesetzlichen Erwerb). 243

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nur beim rechtsgeschäftlichen Verfügungsakt der Veräußerer als Berechtigter ausgeben; indem er über eine Sache verfügt, nimmt er – zumindest stillschweigend – für sich in Anspruch, die entsprechende Berechtigung inne zu haben. Wer etwa eine Sache veräußert, geriert sich damit automatisch als Eigentümer (bzw. im Rahmen des § 366 Abs. 1 HGB wenigstens als Verfügungsbefugter). Beim gesetzlichen Erwerb ist das dagegen in aller Regel nicht der Fall: Der Erblasser gibt sich mit seinem Tode nicht ausdrücklich als Eigentümer der in seinem Besitz befindlichen Sachen aus, ebenso wenig nimmt der Mieter mit Blick auf ein etwaiges Vermieterpfandrecht ausdrücklich in Anspruch, Eigentümer der eingebrachten Sachen zu sein. Gegen das Erfordernis einer ausdrücklichen Inanspruchnahme der Berechtigung als maßgebliches Kriterium spricht auch nicht etwa, dass ein redlicher Erwerb nach §§ 897, 898 ZPO auch gegen den Willen des Nichtberechtigten möglich ist, indem Übergabe und Übereignung im Wege der Zwangsvollstreckung ersetzt werden. Zwar muss sich der Beklagte in diesem Fall nicht zu den Eigentumsverhältnissen geäußert haben, also auch kein Recht ausdrücklich in Anspruch genommen haben. Jedoch fingiert das zusprechende Urteil eine freiwillige Übereignungserklärung, § 894 ZPO – und damit zugleich auch eine Inanspruchnahme der Berechtigung. Ist der Besitzer einer Sache auf Übereignung verklagt, aber nichtberechtigt, so kann er durch den ausdrücklichen Hinweis auf seine Nichtberechtigung die Klage leicht zum Scheitern bringen. Wenn er daher diesen naheliegenden Einwand nicht erhebt, nimmt er damit letztlich „stillschweigend“ die Berechtigung für sich in Anspruch; insbesondere dem wahren Eigentümer gegenüber, der sein Recht zu verlieren droht, ist solches Verhalten nicht anders einzuordnen, als wenn sich der Nichtberechtigte ausdrücklich als Eigentümer ausgegeben und die Sache veräußert hätte. Wendet der Beklagte hingegen seine fehlende Berechtigung ausdrücklich ein, muss das Gericht die Berechtigung ausdrücklich prüfen und feststellen (insbesondere kann § 1006 BGB nicht zugunsten des Klägers und damit zu Lasten des Besitzers eingreifen). Damit stützt sich das Vertrauen des Erwerbers entscheidend darauf, dass sein Gegenüber die erforderliche Berechtigung ausdrücklich oder jedenfalls stillschweigend für sich reklamiert. Also ist – im Gegensatz zur verbreiteten besitz- und publizitätsorientierten Argumentation246 – das Vertrauen auf das „Gerede“ des Vertragspartners maßgeblich für die Abgrenzung zum ge245 Für den rechtsgeschäftlichen Erwerb ist das teilweise ausdrücklich als „unabdingbarer Rechtsscheintatbestand“ erkannt, etwa Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 835 ad (2), ohne daraus allerdings direkte Konsequenzen für den gesetzlichen Erwerb abzuleiten. In Spezialfällen (keine Inanspruchnahme bei Verpfändung durch AGB bzw. ADSp) auch Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 75; BGHZ 17, 1/4 f. In ähnlicher Richtung wie hier: Henke, AcP 161 [1962], S. 1/26.

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setzlichen Erwerb, bei dem Gutglaubensschutz grundsätzlich nicht besteht. Gerade dieses „Gerede“ muss als weiteres Tatbestandsmerkmal zum (rein objektiven, also vertrauensunabhängigen) Besitzerwerb hinzukommen. Dadurch bestätigt sich im Übrigen der redliche Zweiterwerb eines Anwartschaftsrecht, sofern sich der Verfügende ausdrücklich als anwartschaftsberechtigt ausgibt247. Allein das Abgrenzungskriterium der Inanspruchnahme einer Berechtigung vermag bei näherem Hinsehen auch zu erklären, dass § 366 Abs. 3 HGB bei den gesetzlichen Pfandrechten des Kommissionärs, Lagerhalters, Spediteurs und Frachtführers den redlichen Erwerb ausdrücklich erlaubt. Die Besonderheit der in § 366 Abs. 3 HGB genannten Pfandrechte liegt nämlich darin, dass sie vor allem der Vereinfachung der Warenumsetzung dienen sollen248; damit treten diese Pfandrechte stets erst im Umfeld und zur Unterstützung rechtsgeschäftlicher Verfügungen auf. Dieser unmittelbare Zusammenhang mit der Warenumsetzung ist bei Kommission, Spedition und Frachtgeschäft offensichtlich249, trifft aber entgegen dem ersten Anschein auch bei der Lagerhaltung zu: Denn sie war entstehungsgeschichtlich weniger zur Auslagerung von Sachen auf Grund Platzmangels als vielmehr zur Vereinfachung des Warenumsatzes gedacht250. Wenn aber die Pfandrechte des § 366 Abs. 3 HGB sämtlich im Rahmen des Warenumsatzes, also eines Verfügungsgeschäftes über die Sache eintreten, dann beansprucht der nichtberechtigte Kommittent, Einlieferer o. ä. dabei konkludent stets das Eigentum oder doch zumindest die Verfügungsbefugnis – und zwar auch gegenüber dem Kommissionär, Spediteur usw. An den gesetzlichen Pfandrechten des § 366 Abs. 3 HGB zeigt sich im Übrigen der Unterschied zwischen dem hier betonten Erfordernis ausdrücklicher Inanspruchnahme der Berechtigung und der verbreiteten Auffassung, 246 Flume, AcP 161 [1962], 385/394 ff.; ders., AT des Bürgerlichen Rechts II, § 42, 4 c; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 475; Wiegand, JuS 1974, 201/210 f.; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 45 III 1 d. 247 Dazu bereits oben B. II. 2., S. 274 ff. 248 Vgl. dazu zutreffend Henke, AcP 161 [1962], S. 1/28 f. 249 Zumindest für die Kommission ebenso auch MünchKomm-HGB/Welter, § 366 Rdnr. 68 a. E.; für ein vertragliches Pfandrecht nach ADSp anders BGHZ 17, 1/4 f. (dort war die Rücksendung von Ware betroffen). 250 Vgl. ausführlich Henke, AcP 161 [1962], S. 1/29. Zur Vereinfachung der Einzelfallprüfung für die in § 366 HGB genannten Gewerbetreibenden auch Ebenroth/ Boujong/Joost/Stadler, a. a. O. Übrigens nimmt letztlich auch der Einlagerer in den – vom Gesetzgeber nicht in erster Linie bedachten – Fällen der Einlagerung aus bloßem Platzmangel gegenüber dem Lagerhalter regelmäßig konkludent das Eigentum in Anspruch: Denn der Nichteigentümer, der keinen Lagerplatz für die Sache hat, würde sie schlicht dem Eigentümer zurückgeben.

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dass zum Besitz als Rechtsscheintatbestand die Willenserklärung des Verfügenden hinzukommen müsse, um den rechtsgeschäftlichen vom gesetzlichen Erwerb zu trennen251. Das Element der Willenserklärung weist durchaus in eine ähnliche Richtung, verschiebt indes den Schwerpunkt: Die Willenserklärung enthält zwar (zumindest konkludent) die Inanspruchnahme der Berechtigung, ist aber logisch von ihr zu trennen. Vor allem ließen sich so die Ausnahmetatbestände des § 366 Abs. 3 HGB nicht erklären, der für den gesetzlichen Erwerb der dort genannten Pfandrechte kraft guten Glaubens auf die Willenserklärung des Verpfänders verzichtet.

III. Folgerungen Wie ist es nun in denjenigen Fällen gesetzlichen Erwerbs, in denen dieses „Gerede“ hinzutritt, also der Nichtberechtigte – obwohl für den gesetzlichen Erwerbstatbestand nicht ausdrücklich erforderlich – seine Berechtigung dennoch ausnahmsweise ausdrücklich reklamiert, wenn also der Erblasser eine ihm nicht gehörende Sache ausdrücklich als eigene im Testament erwähnt hat oder der Mieter dem Vermieter zu Unrecht eine Sache als ihm gehörig und damit dem Vermieterpfandrecht unterliegend herausgibt? Hier dürfte es methodisch sicher zu weit gehen, das an §§ 932 ff. BGB und insbesondere § 366 Abs. 3 HGB entwickelte Erfordernis der Inanspruchnahme einer Berechtigung schlicht analog auf gesetzlich nicht geregelte Fälle auszudehnen. Als mit dem geltenden Recht vereinbar und damit als tragfähig erwiese sich dieses Abgrenzungskriterium vielmehr nur dann, wenn sich daran auch diejenigen Fälle gesetzlichen Erwerbs, in denen das Gesetz keinen redlichen Erwerb vorsieht, entsprechend einordnen ließen. Das aber ist der Fall, sobald man berücksichtigt, dass das „Gerede“ des Nichtberechtigten beim gesetzlichen Erwerb regelmäßig nicht zu den Tatbestandsvoraussetzungen rechnet, und zwar auch nicht beim gesetzlichen Rechtserwerbs vom Berechtigten. Damit besteht in diesen Fällen für den Erwerber kein Anlass, auf das „Gerede“ zu vertrauen, so dass eine Analogie grundsätzlich schon aus diesem Grund ausscheidet. Im Rückschluss ist also das Abgrenzungskriterium der Inanspruchnahme einer Berechtigung auch mit dem weitgehenden Ausschluss gutgläubigen gesetzlichen Erwerbs vereinbar:

251

So vgl. etwa BGHZ 34, 122/126; Henke, AcP 161 [1962], S. 1/26.

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1. Der Ausschluss des guten Glaubens bei Erbfolge und dinglicher Surrogation Für den gesetzlichen Erwerb im Wege der Erbfolge gelten dabei einige Besonderheiten: Zwar macht der Erblasser grundsätzlich nicht geltend, Eigentümer der in seinem Besitz befindlichen Sachen zu sein, erst recht nicht liegt eine solche Inanspruchnahme einer Berechtigung konkludent im Erwerbstatbestand, also seinem Tod. Selbst wenn ausnahmsweise der Erblasser sich zu Lebzeiten ausdrücklich als Eigentümer bestimmter Sachen geriert hat, fehlt grundsätzlich jeder Zusammenhang mit dem Versterben; insbesondere ist auch eine vereitelnde Verfügung des Erblassers – etwa „heimlich“ nach § 930 BGB – noch kurz vor dem Tod kaum je auszuschließen. Anderes käme aber in Betracht, wenn der Erblasser über einzelne Gegenstände ausdrücklich in seinem Testament verfügt und sich so als Eigentümer ausgegeben hat. Dies wird – wie die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB zeigt – in der Regel in Form eines Vermächtnisses nach § 2147 BGB erfolgen. Und tatsächlich entspricht es dem Gesetz (und ist auch weitestgehend unstreitig), dass der Vermächtnisnehmer die Sache in direkter Anwendung der §§ 932 ff. BGB gutgläubig erwirbt, wenn der Erbe ihm eine Sache, die in Wahrheit nicht dem Erblasser gehörte, auf Grund des vermeintlichen Vermächtnisanspruches aus § 2174 BGB übereignet252. Was gilt dann aber in den Ausnahmefällen, in denen der Erblasser eine Sache im Testament ausdrücklich dem einzigen oder einem bestimmten Erben zuweist, insbesondere durch Teilungsanordnung nach § 2048 BGB? Auf den ersten Blick scheint nicht recht ersichtlich, weshalb der auf Grund eines Rechtsgeschäftes – nämlich des Testaments – ausdrücklich und konkret bedachte Erbe dinglich leer ausgehen sollte253. Entscheidend gegen den Gutglaubensschutz dürfte hier indes das zeitliche Auseinanderfallen von Testament und dinglichem Rechtsübergang sein: Der Erblasser mag sich zwar im Testament als Eigentümer ausgegeben haben, das muss aber 252 Dass dabei das Vermächtnis tatsächlich unwirksam ist, § 2169 Abs. 1 BGB, und damit der schuldrechtliche Vermächtnisanspruch aus § 2174 BGB nicht besteht, ist nach dem Abstraktionsprinzip für die dingliche Übereignung an den Vermächtnisnehmer unerheblich: vgl. Soe/M.Wolf, § 2174 BGB, Rdnr. 1; Wacke, Jura 1986, 435/437; differenzierend Hager, Verkehrsschutz, S. 147 (m. w. N. S. 113, Fn. 142). 253 Auch Wacke, Jura 1986, 435/436, differenziert zwischen gesetzlicher und rechtsgeschäftlicher (weil testamentarischer) Erbfolge, will indes auch die testamentarische allein wegen ihrer Unentgeltlichkeit nicht dem Gutglaubensschutz unterstellen. Dem dürfte aber de lege lata die allgemeine Wertung des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB entgegenstehen, der sich für eine Kondiktionslösung entscheidet, vgl. oben II. 2., S. 292 f. – Einen gutgläubigen Erwerb selbst des gesetzlichen Erben müsste Hager, Verkehrsschutz, S. 203 f., konsequenterweise zumindest in bestimmten Fällen der Erbenhaftung bejahen.

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nicht bis zu seinem Tode fortgelten. Er kann vielmehr auch nach Testamentserrichtung noch dinglich über die Sache verfügt haben; der testamentarisch eingesetzte Erbe hat – im Gegensatz zum bedingt Beschenkten – vor dem Erbfall keine dem § 161 Abs. 1 BGB vergleichbare, vor Zwischenverfügungen geschützte dingliche Position. Zudem könnte man in diesen Fällen auf eine generalisierende Betrachtungsweise abstellen, wonach auch die testamentarische Erbfolge grundsätzlich nur das Gesamtvermögen betrifft, § 2087 Abs. 1 und 2 BGB. Hingegen muss die sog. „vorweggenommene Erbfolge“, also die Schenkung auf ein zukünftiges Erbrecht hin, entgegen überwiegender Auffassung, aber in Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes und den Motiven gutgläubig möglich sein (wenn auch wegen § 816 Abs. 1 S. 2 BGB nicht kondiktionsfest)254. Denn mit einer solchen Schenkung geriert sich der Erblasser ausdrücklich als Eigentümer, und zwar im Zeitpunkt ihres Vollzugs. Ebenso lässt sich mit dem Abgrenzungsmerkmal der Inanspruchnahme einer Berechtigung auch der gutgläubige Erwerb in den wenigen verbliebenen Zweifelsfällen dinglicher Surrogation verneinen. Wegen des Besitzerwerbserfordernisses kämen ohnehin nur die Konstellationen der Erhaltung einer Vermögensmasse in Betracht, in denen mit Geldmitteln aus dieser Masse eine neu hinzukommende bewegliche Sache erworben wird, so z. B. wenn der Erbschaftsbesitzer mit Mitteln der Erbschaft ein Buch erwirbt, § 2019 Abs. 1 BGB. Scheitert hier die dingliche Surrogation – sei es, weil die Sache in Wahrheit doch nicht mit Mitteln der Erbschaft erworben worden ist, sei es, weil bereits der Buchverkäufer geschäftsunfähig ist –, so kann der wahre Erbe auch dann nicht gutgläubig Eigentümer des Buches werden, wenn ihm der Erbschaftsbesitzer das Buch ausdrücklich als „aus der Erbschaft erlangt“ (§ 2019 Abs. 1 BGB) übergibt255. Denn in diesem Fall macht der Erbschaftsbesitzer keine eigene Berechtigung geltend, auf die der Erbe vertrauen könnte. Vielmehr erkennt er lediglich das vermeintlich am Buch fortgesetzte Erbrecht des Erben an; allein durch die bloße Herausgabe auf ein vermeintlich bereits bestehendes Recht kann aber der Erlangende niemals dieses Recht gutgläubig erwerben256. 254 Die gutgläubige vorweggenommene Erbfolge verneinen RGZ 136, 148/150; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 8; Staud/Gursky, § 892 BGB, Rdnr. 81 (m. w. N. zum Streitstand); MK/Wacke, § 892 BGB, Rdnr. 37. Bejahend hingegen ausdrücklich Mot. III 212 = Mugdan III 117; Westermann/Eickmann, § 84 III 2; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 655. Differenzierend, insbesondere kritisch zum Topos des „Verkehrsgeschäftes“ Hager, Verkehrsschutz, S. 119 ff. (allgemein) und 147 ff., 203 (speziell zur vorweggenommenen Erbfolge, m. w. N. Fn. 353). 255 Anders soweit ersichtlich nur Hager, Verkehrsschutz, S. 315, Fn. 469. 256 Auch in der Konstellation des § 934 Alt. 2 BGB muss das Vertrauen auf das „Gerede“ des Veräußerers, der das bisherige Eigentum für sich in Anspruch nimmt, hinzu kommen.

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2. Die gesetzlichen Pfandrechte außerhalb § 366 Abs. 3 HGB Die Überzeugungskraft des Abgrenzungskriteriums der ausdrücklichen Inanspruchnahme einer Berechtigung zeigt sich auch an den gesetzlichen Pfandrechten außerhalb des § 366 Abs. 3 HGB: Bei den Einbringungspfandrechten reklamiert der Einbringende grundsätzlich keine dingliche Berechtigung für sich. Im Beispiel des Vermieterpfandrechts trifft der Mieter gegenüber dem Vermieter keine Äußerung über die Eigentumsverhältnisse an den eingebrachten Sachen, so dass für den Vermieter auch kein Anlass zu entsprechendem Vertrauen besteht. Allenfalls wenn der Mieter ausdrücklich eine Sache als eigene dem Vermieter als Pfand herausgibt, könnte damit die konkludente Vereinbarung eines vertraglichen Pfandrechts in Betracht kommen. Aber auch das umstrittene Werkunternehmerpfandrecht kann danach grundsätzlich nicht gutgläubig erworben werden: Denn wer eine Sache als Besteller zur Reparatur oder sonst zur Bearbeitung gibt, gibt sich damit nicht automatisch als Eigentümer oder auch nur als Verfügungsbefugter aus257. Allenfalls nimmt eine Art Verfügungsbefugnis für sich in Anspruch, wer die Umarbeitung einer Sache in eine neue Sache bestellt. In diesem Fall wird aber der Besteller ohnehin regelmäßig nach § 950 BGB Eigentümer der neuen Sache werden, so dass hier auch der Unternehmer unproblematisch ein Pfandrecht nach § 647 BGB („an den von ihm hergestellten . . . Sachen des Bestellers“) erwirbt. Ebenso muss ein gutgläubiger Erwerb des Pächterpfandrechts nach § 583 BGB an verpächterfremden Inventarstücken grundsätzlich ausgeschlossen werden258: Denn der Verpächter reklamiert nicht konkludent das Eigentum an sämtlichen verpachteten Inventarstücken. 3. Die Übertragung („Zweiterwerb“) des vertraglichen Pfandrechts Dem Grundsatz nach ist damit auch ein gutgläubiger Zweiterwerb eines vertraglichen Pfandrechtes abzulehnen, was seinen Grund aber nur mittelbar in der akzessorischen Übertragungsweise nach § 1250 Abs. 1 S. 1 BGB hat: Denn weil das Pfandrecht der abgetretenen Forderung automatisch folgt, muss der Zedent es nicht ausdrücklich für sich in Anspruch nehmen, der Zessionar dementsprechend auch nicht auf eine solche Inanspruch257

So – allerdings nur um zu begründen, dass ein Unternehmerpfandrecht nicht gutgläubig durch AGB erworben werden könne – ausdrücklich auch Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 75. Das Argument findet sich auch bei BGHZ 17, 1/4 f. – freilich für den Fall der Spedition, und dort zu Unrecht (oben S. 297 nach Fn. 250). 258 Anders aber die h. M.: BGHZ 34, 153/157; Palandt/Weidenkaff, § 583 BGB, Rdnr. 2. – Zutreffend demgegenüber Henke, AcP 161 [1962], S. 1/13 ff.

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nahme vertrauen. Damit ist es auch in sich stimmig, wenn das Gesetz bei der Hypothek im Gegensatz zum Pfandrecht einen gutgläubigen Zweiterwerb ausdrücklich vorsieht, §§ 892, 1155 BGB: Weil nämlich eine Forderung nicht ohne Hypothek übertragen werden kann, eine reine Zession nur der Forderung also an § 1153 Abs. 2 Hs. 1 BGB scheitern würde, muss bei der hypothekengesicherten Forderung die Hypothek zum ausdrücklichen Vertragsgegenstand gemacht werden; der Zedent muss sich also als Inhaber der Hypothek ausgeben. Denn die Abtretung der Forderung hängt nach § 1154 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 3 BGB ausdrücklich von der Erfüllung der hypothekenrechtlichen Formerfordernisse ab259. Zudem dürfte die ausdrückliche Inanspruchnahme der Berechtigung durch den Eingetragenen im Grundstücksrecht weniger bedeutsam sein, weil die Richtigkeit des Grundbuchs auch zu Lasten des Eingetragenen vermutet wird, § 891 BGB; das gilt über § 1155 BGB auch zu Lasten des Inhabers des Hypothekenbriefs. Allerdings werden die Parteien in der Praxis auch bei der Übertragung einer pfandgesicherten Forderung nur selten das Pfandrecht schlicht „vergessen“; vielmehr wird es als wertbildender Faktor zumeist ausdrücklich Vertragsgegenstand sein. In diesen Fällen ist § 1250 BGB lediglich als Vereinfachung der rechtsgeschäftlichen Übertragung zu sehen, so dass hier redlicher Erwerb bejaht werden kann. Selbstverständlich ist der gutgläubige Erwerb aber erst mit der Besitzerlangung auf Grund des Übertragungsgeschäftes vollendet; die „unsichere Zwischenzeit“ von der Forderungsabtretung nach § 1250 BGB bis zur tatsächlichen Besitzerlangung ist dabei ebenso unschädlich wie beim gutgläubigen Eigentumserwerb nach §§ 933 oder 934 Alt. 2 und beim gutgläubigen Ersterwerb des Pfandrechts nach § 1207 i. V. m. 934 Alt. 2 BGB260. Von vornherein ausgeschlossen ist gutgläubiger Erwerb allerdings bei gesetzlichem Forderungsübergang (§ 1251 Abs. 2 S. 3 BGB), weil es hier an jeder Inanspruchnahme einer Berechtigung durch den Zedenten mit Blick auf das Pfandrecht fehlt.

259

Insofern ist es verkürzt zu behaupten, die Hypothek könne nicht übertragen werden, sondern gehe durch bloße Forderungszession mit auf den Zessionar über (vgl. etwa Medicus, Jura 2001, 294/296, Fn. 28): Nicht nur muss die Abtretungserklärung im Gegensatz zur gewöhnlichen Forderung zwingend schriftlich erfolgen, § 1154 Abs. 1 S. 1 BGB, sondern die Zession wird überhaupt erst wirksam mit Übergabe des Hypothekenbriefs bzw. – bei der Buchhypothek – mit der entsprechenden Eintragung im Grundbuch. 260 So auch Hager, Verkehrsschutz, S. 314 f.

D. Wirksame Rechtshandlungen gegenüber dem nichtberechtigten Besitzer

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IV. Zusammenfassung Maßgebliches Abgrenzungskriterium für die grundsätzliche Zulässigkeit gutgläubigen Erwerbs bei rechtsgeschäftlicher Übertragung und seine grundsätzliche Unzulässigkeit bei gesetzlichem Übergang sind nicht etwa Besitz-, Traditions- oder Publizitätsaspekte, sondern allein der Umstand, dass nur im Rahmen des rechtsgeschäftlichen Erwerbs derjenige, von dem der Erwerber sein Recht ableitet, eine solche Berechtigung für sich in Anspruch genommen haben muss. Gerade auf dieses „Gerede“ – nicht auf irgendwelche Besitzpositionen – muss der gutgläubige Erwerber vertraut haben, was als zweites Element zur (objektiven) Besitzerlangung hinzukommen muss. Davon unabhängig verfolgen die übrigen Ausnahmen gutgläubigen gesetzlichen Erwerbs Sonderzwecke, namentlich bei der Ersitzung den dauerhaften Rechtsfrieden und beim gutgläubigen Fruchterwerb den Ausgleich für in die Muttersache investierte Mühe. Dort spielt ausnahmsweise das Vertrauen des Erwerbers in den Besitz die maßgebliche Rolle – freilich das Vertrauen nicht in fremden, sondern in eigenen Besitz, so dass ein Zusammenhang mit Publizität ausscheidet.

D. Materiell wirksame Rechtshandlungen gegenüber dem nichtberechtigten Besitzer Über den gutgläubigen Rechtserwerb an einer Sache hinaus – bei dem der Besitz also vor allem eine objektive Rolle durch die Besitzerlangung des Erwerbers spielt, aber keine zwingende Voraussetzung für dessen subjektives Vertrauen ist – besteht noch in weiteren Konstellationen die Möglichkeit, an das Vertrauen in fremden Besitz materielle Rechtsfolgen zu knüpfen. Das betrifft namentlich die Situation, dass Rechtshandlungen gegenüber dem Besitzer vorgenommen werden, die an sich gegenüber dem Eigentümer hätten erfolgen müssen. Während für Grundstücke § 893 BGB allen gutgläubigen Rechtshandlungen mit dem Eingetragenen materielle Wirksamkeit verleiht, fehlt eine entsprechende allgemeine Norm für bewegliche Sachen. In Betracht kommen nur zwei Einzelnormen, nämlich die befreiende Schadensersatzleistung an den Besitzer nach § 851 BGB und die befreiende Wirkung bestimmter, gegenüber dem Verpfänder vorzunehmender Handlungen nach § 1248 BGB.

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I. Der Schutz des Pfandgläubigers in § 1248 BGB – auf Grund Verpfänderbesitzes? Dass es sich bei der letztgenannten „Eigentumsfiktion“ im Pfandrecht, wonach im Rahmen der Pfandverwertung gemäß § 1248 BGB zugunsten des gutgläubigen Pfandgläubigers der Verpfänder als Eigentümer gilt, nicht um eine bloß prozessuale Vermutungsnorm handelt, zeigt sich an der Formulierung: Das Eigentum des Verpfänders wird nicht etwa – wie in §§ 1006, 891 BGB – „vermutet“, sondern er „gilt“ – wie in § 892 BGB – als Eigentümer. Wohlgemerkt geht es dabei nicht etwa um den gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts; vielmehr ist die Anwendung auf den Bereich der Pfandverwertung beschränkt, bewirkt also vor allem, dass die an sich dem Eigentümer gegenüber vorzunehmenden Handlungen der §§ 1233 ff. BGB (insbesondere die Auskehr des Übererlöses) gegenüber dem Verpfänder wirksam vorgenommen werden können. Geschützt ist damit allein der Pfandgläubiger. Die Eigentumsfiktion des § 1248 BGB stützt sich nun aber nicht direkt auf den Besitz des Verpfänders: Unmittelbarer Besitzer ist ja nach §§ 1205 f. grundsätzlich der Pfandgläubiger selbst (der mittelbare Besitz des Verpfänders gemäß § 868 BGB ist dabei unerheblich, weil sich für den unmittelbar besitzenden Pfandgläubiger aus der von ihm selbst abgeleiteten mittelbaren Besitzposition des Verpfänders kein Rechtsschein ergeben kann). Allenfalls wäre also ein indirekter Zusammenhang mit dem ehemaligen Besitz des Verpfänders möglich, soweit nämlich dessen Besitz bereits zuvor Voraussetzung für die Pfandrechtsentstehung war. Auch die Pfandrechtsentstehung hängt aber allenfalls vom Besitzerwerb auf Seiten des Pfandgläubigers ab (§§ 1205 f. BGB), nicht hingegen vom vorhergehenden Besitz auf Seiten des Verpfänders. Das gilt nicht nur beim Pfandrechtserwerb vom Berechtigten, sondern nach §§ 1207, 934 Alt. 2 BGB auch beim Erwerb vom Nichtberechtigten. Nun könnte man einwenden, auch in der Konstellation der §§ 1207, 934 Alt. 2 BGB sei zumindest dessen Besitzverschaffungsmacht erforderlich. Dass auch dies nicht durchgreift, dass § 1248 BGB also unabhängig von jeder Besitzpublizität eingreift, mag folgende Konstellation verdeutlichen: § 1248 BGB betrifft auch den Fall, dass zwar der berechtigte Eigentümer verpfändet hat, aber während der Pfandzeit sein Eigentum nach § 931 BGB (für den Pfandgläubiger nicht erkennbar) auf einen Dritten übertragen hat261. Hier ist die Anwendung des § 1248 BGB in der nachfolgenden Verwertungssituation völlig unabhängig von jedem, auch ehemaligen Besitz des Verpfänders. Der Verpfänder muss hier nie Besitzer gewesen sein: Die 261

Vgl. MK/Damrau, § 1248 BGB, Rdnr. 1.

D. Wirksame Rechtshandlungen gegenüber dem nichtberechtigten Besitzer

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Verpfändung mag etwa bei bereits bestehendem Besitz des Pfandgläubigers erfolgt sein, § 1205 Abs. 1 S. 2 BGB (das ist nämlich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut beim zunächst berechtigten Verpfänder auch dann möglich, wenn er vorher niemals selbst Besitzer gewesen ist, wie die Gegenüberstellung mit § 1207 i. V. m. § 932 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt). Hier zeigt sich deutlich, dass es vor allem um den Schutz vor einem unerkannten Wechsel des Leistungsgläubigers geht. § 1248 BGB bildet damit einen speziellen Anwendungsfall der Schuldnerschutzvorschriften aus §§ 404 ff. BGB zugunsten des Pfandgläubigers: Hinsichtlich der bei der Pfandverwertung gegenüber dem Eigentümer vorzunehmenden Rechtshandlungen ist ja der Pfandgläubiger seinerseits Schuldner und bedarf insoweit des Schutzes für den Fall, dass sein Leistungsgläubiger wechselt. Deshalb schadet hier wie in § 407 Abs. 1 BGB nur die positive Kenntnis, nicht aber – anders als in §§ 932, 851 BGB – die grob fahrlässige Unkenntnis der Nichtberechtigung. Diese Beurteilung bestätigt sich in der entsprechenden Eigentumsfiktion im Rahmen des Nießbrauchs: Nach § 1058 BGB „gilt“ zugunsten des gutgläubigen (auch hier schadet nur positive Kenntnis) Nießbrauchers der Besteller als Eigentümer. War diese Regelung im 1. Entwurf noch als Ausfluss der Besitzpublizität anzusehen262, so ist dies innerhalb der Systematik des BGB nicht mehr der Fall. Denn der Nießbrauch kann grundsätzlich durch alle Übergabesurrogate der §§ 929 S. 2 bis 931 BGB bestellt werden, vgl. § 1032 BGB; dass der Besteller irgendwann einmal Besitz innehatte, ist also nicht erforderlich. Dennoch gilt auch dann, wenn der Besteller vor Bestellung des Nießbrauchs gar nicht Besitzer war, die Eigentumsfiktion des § 1058 BGB.

II. Die befreiende Schadensersatzzahlung an den Besitzer, § 851 BGB Schließlich hat nach § 851 BGB die Schadensersatzzahlung des „gutgläubigen Schädigers“ an den Besitzer (den er für den Eigentümer hält) wegen Entziehung oder Beschädigung einer Sache insofern materielle dingliche Wirkung, als er durch Leistung an einen Nichtberechtigten befreit wird. Hier muss – anders als beim gutgläubigen Rechtserwerb – naturgemäß nicht der objektive Besitzerwerb beim Begünstigten hinzukommen. Da es nicht auf eine Besitzposition beim Begünstigten ankommt, wird der Gutglaubenstatbestand auch nicht durch Abhandenkommen ausgeschlossen; das bestätigt den obigen Befund zum redlichen Erwerb, wonach das Abhanden262

Ausdrücklich Mot. III 135 = Mugdan III 75.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

kommen nicht die Veranlassung eines Rechtsscheins beim Veräußerer, sondern vielmehr allein die Einschränkung der vom Gutgläubigen erworbenen Besitzposition betrifft263. Selbstverständlich muss auch im Rahmen des § 851 BGB der Besitzer die dingliche Berechtigung ausdrücklich für sich in Anspruch nehmen; dies ist dem Tatbestand insofern immanent, als der Besitzer durch die Geltendmachung des Schadens, mindestens aber durch die Entgegennahme der Schadensersatzleistung sich als berechtigt ausgibt. 1. Schutz des Schädigers oder des Besitzers? Auf den ersten Blick scheint der Normzweck eindeutig: Der gutgläubige Schädiger wird vor doppelter Inanspruchnahme geschützt. Bei näherem Hinsehen erscheint allerdings fraglich, weshalb ausgerechnet der deliktische Schädiger besonders schutzbedürftig sein sollte. Auch erweist sich die Erwägung, der Schädiger müsse sofort darüber im Klaren sein, wer sein Gläubiger ist, nicht als restlos überzeugend. Denn Fälle der Unklarheit über den Gläubiger (bei feststehender Forderung) sind dem BGB alles andere als fremd, vielmehr in § 372 BGB ausdrücklich geregelt: Von Unsicherheiten könnte sich der Schädiger danach leicht durch Hinterlegung befreien. Dient die Norm also zuvörderst dem Schutz des Eigentümers, der schneller an seinen Schadensersatz kommt, weil er nicht umständlich sein Eigentum nachweisen muss, sondern allein auf seinen Besitz zu verweisen braucht, während der Schädiger nicht lange nachforschen muss und insbesondere die Zahlung nicht mit der Begründung verzögern kann, der Besitzer sei gar nicht Eigentümer264? Diese Wirkung wird aber zugunsten des Besitzers eigentlich schon durch § 1006 BGB erzielt. § 851 BGB hilft in diese Richtung kaum weiter, weil der Schädiger gutgläubig sein muss, also gerade nicht befreit wird, wenn er das Eigentum des Besitzers bezweifelt. 2. Vertrauen auf den Besitz in § 851 BGB als allgemeiner Grundsatz oder nicht analogiefähige Ausnahme? Nun könnten diese Feinheiten des Schutzzwecks angesichts des eindeutigen Wortlauts dahinstehen, wenn nicht § 851 BGB die Gretchenfrage der Publizität durch Besitz schlechthin beträfe: Ist § 851 BGB lediglich Aus263

Oben A. III. 2, S. 251 ff.; umgekehrt argumentiert Berger, VersR 2001, 419/ 420 f.: § 935 BGB sei im Rahmen des § 851 BGB analog anzuwenden (zust. MK/ Wagner, § 851 BGB, Rdnr. 7). Zumindest im eindeutigen Gesetzeswortlaut findet das indes keinen Anhalt. 264 In diese Richtung Berger, VersR 2001, 419 f., der auch den Schutz der Hinterlegungsstellen vor übermäßiger Inanspruchnahme thematisiert.

D. Wirksame Rechtshandlungen gegenüber dem nichtberechtigten Besitzer

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fluss eines allgemeinen – und damit auch: analogiefähigen – Grundsatzes, wonach der Besitzer einer Sache zugunsten gutgläubiger Dritter stets als Eigentümer ausgewiesen sei265? Oder handelt es sich um eine ganz spezielle Ausnahme, so dass im Allgemeinen ein solches Vertrauen nicht gerechtfertigt ist? Bemerkenswert ist doch, dass das Gesetz entsprechende Normen für sonstige Leistungen an den vermeintlichen Eigentümer außerhalb des deliktischen Zusammenhangs zumindest nicht ausdrücklich enthält. Das gilt vor allem für Leistungen auf bereicherungsrechtliche Ansprüche: Entwendet etwa der Dieb D dem nichtberechtigten Besitzer N ein Fahrrad und beschädigt es, so kann D die erforderlichen Reparaturkosten (ebenso wie den Schadensersatz für die Entziehung) nach Deliktsrecht mit befreiender Wirkung an N zahlen, wenn er den N für den Eigentümer hält (und auch halten darf), §§ 992, 823, 851 BGB. Vermietet D dagegen das gestohlene Fahrrad an einen Bekannten weiter, so hat er den Mietzins als gezogene Sachnutzung nach Bereicherungsrecht an den Eigentümer herauszugeben, §§ 990, 987, 989, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 818 Abs. 1 BGB. In den §§ 812 ff. BGB fehlt aber eine entsprechende Gutglaubensnorm, nach der D den Mietzins mit befreiender Wirkung an den N herausgeben könnte266. Gerade an dieser scheinbaren Nebenfrage, ob § 851 BGB analoger Anwendung fähig ist, offenbart sich die Doppelzüngigkeit und damit Unhaltbarkeit herrschender Publizitätsdoktrin: § 851 BGB wird nämlich – soweit überhaupt behandelt – in der Literatur einerseits unter Verweis auf die §§ 932 ff., 1006 BGB als Ausfluss eines allgemeinen Publizitätsprinzips gesehen, wonach zugunsten gutgläubiger Dritter der Besitzer einer Sache grundsätzlich als Eigentümer ausgewiesen sei267; andererseits wird im selben Atemzug aber eine analoge Anwendung unter ausdrücklichem Hinweis auf einen „Ausnahmecharakter“ ausgeschlossen268. Der damit ausdrücklich konstatierte Widerspruch des „Ausnahmecharakters eines allgemeinen Prin265 Das kann wohlgemerkt nur für bewegliche Sachen gelten, weil bei Grundstücken § 893 BGB eine ausdrückliche Regelung für alle Rechtshandlungen gegenüber dem Eigentümer enthält, wonach stets der gute Glaube an die Grundbucheintragung geschützt ist. A.A.: Medicus, Jura 2001, 294/297, der für Grundstücke keine plausible Lösung sieht. 266 Zu beachten ist dabei, dass der Dieb D hier einerseits bösgläubig in Bezug auf sein fehlendes eigenes Besitzrecht (§ 990 BGB) und andererseits gutgläubig in Bezug auf das fehlende Eigentum des N (§ 851 a. E. BGB) ist. 267 So etwa Staud/Vieweg, § 851 BGB, Rdnr. 1; MK/Stein, 3. Aufl., § 851 Rdnr. 1. 268 MK/Stein, a. a. O., Rdnr. 2 (ausführlicher auch Mertens, in der 2. Aufl., Rdnr. 3); Staud/Vieweg, § 851 BGB, Rdnr. 4 f. – Offener noch Prot. II 713 = 2792 ff. = Mugdan II 1096 f. Für eine Analogie in bestimmten Fällen neuerdings Berger, VersR 2001, 419/422; MK/Wagner (4. Aufl.), § 851 BGB, Rdnr. 5.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

zips“ ist dabei freilich nur die konsequente Zuspitzung des Dilemmas, in dem sich die Publizitätsdoktrin nicht weniger scharf schon bei den Erwerbstatbeständen und dem gutgläubigen Erwerb befindet, wenn sie trotz anerkannter Abweichungen ein grundsätzlich verbindliches Publizitätsprinzip postuliert, um daraus Lösungen für Zweifelsfälle abzuleiten. Welche Rolle spielt also hier die Publizität? Dass § 851 BGB seine Grundlage nicht in einem allgemeinen Publizitätsprinzip, sondern in den speziellen Umständen des Deliktsrechts findet – und damit also eine Ausnahmevorschrift ist –, lässt sich anhand der Entstehungsgeschichte der Norm zeigen: Denn der erste Entwurf kannte eine gleichlautende Norm noch nicht, sondern lediglich den § 825 Abs. 1 E I, der zu Unrecht als Vorgängernorm bloß des § 1006 BGB betrachtet wird, vielmehr speziell den deliktischen Anspruch im Auge hatte. Er lautete: „Hat Jemand den Besitz an einer Sache verloren oder wird diese während seines Besitzes beschädigt, so wird vermuthet, daß sein Vermögen im ersten Falle um den Werth der Sache, im zweiten Falle um die Verringerung des Werthes derselben vermindert worden sei.“269

Hier kommt der eigentliche Gesichtspunkt zum Tragen: Wird durch Beschädigung oder Entziehung die unmittelbare Nutzung der Sache beeinträchtigt oder verhindert, so entsteht der unmittelbare Schaden bei demjenigen, der die Sache sonst genutzt hätte, also beim Besitzer, nicht beim Eigentümer. So ist etwa dem Mieter einer beschädigten Sache die Möglichkeit der Nutzung genommen, zudem bleibt er zumindest formal weiter zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet. Auf der anderen Seite muss der wahre Eigentümer durch § 851 BGB keinen wesentlichen Nachteil erleiden. Er verliert keine dinglichen Rechte, sondern erhält nur einen anderen Forderungsschuldner: Durch eine Entziehung der Sache entsteht dem Eigentümer ohnehin kein unmittelbarer Schaden, weil er die Sache auch sonst nicht selbst genutzt hätte. Allenfalls könnte ihm ein mittelbarer Schaden entstehen, wenn er auf Grund der Entziehung vom Besitzer kein Nutzungsentgelt (also den Mietzins) bekommt. Erhält der Mieter den Schaden aber bereits vom Schädiger ersetzt, entfällt für ihn der Grund, die Miete zu mindern. Ebenso realisiert sich im Falle der Beschädigung einer Sache der Schaden beim Eigentümer unmittelbar erst dann, wenn er die Sache vom Besitzer herausverlangt. Dann jedoch hat er sich auch wegen eines etwaigen Wertverlustes an diesen zu halten. Im Verhältnis zum Besitzer steht der Eigentümer nicht schlechter, als wenn der Besitzer selbst die Sache beschädigt hätte. Im Einzelfall mögen Eigentümer und Besitzer auch die Sachgefahr vertraglich auf den Besitzer abgewälzt haben, wie es etwa im Leasing üblich ist – dieses Innenverhältnis ist aber für den Schädiger weder über269

Mugdan III, S. VIII.

D. Wirksame Rechtshandlungen gegenüber dem nichtberechtigten Besitzer

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schaubar noch geht es ihn etwas an. Ein Nachteil für den Eigentümer ergibt sich nur bei Zahlungsunfähigkeit des Besitzers; in diesem Fall ist aber auch nicht sicher, ob er die Rückgabe der Sache (in unbeschädigtem Zustand) noch hätte realisieren können. Ferner kommt zumindest in den Fällen der Beschädigung der zügige Schadensersatz ohne Nachforschungen über die Eigentumsfrage letztlich der Sache selbst zugute. Diese Überlegungen treffen auch dann zu, wenn die Sache dem Eigentümer abhanden gekommen war: Wiederum entsteht der unmittelbare Schaden (Nutzungsausfall) beim unberechtigten Besitzer. Auch insofern ist es konsequent, dass das Abhandenkommen hier – anders als beim gutgläubigen Erwerb, § 935 BGB – nicht schadet. Da es damit in Wahrheit mehr um die unmittelbare Verortung des Schadens beim Besitzer als um einen Rechtsschein durch Besitz geht, setzt § 851 BGB nur den objektiven Besitz voraus; auf die subjektive Kenntnis des Schadensersatzpflichtigen vom Besitz kommt es hingegen (wie beim gutgläubigen Erwerb) nicht an270 – obwohl dies doch, ginge es tatsächlich um einen Rechts-„Schein“, nahe läge. Demgegenüber kann der bereicherungsrechtliche Ausgleich für ungerechtfertigte Sachnutzungen von vornherein nur dem Eigentümer, nicht aber dem Besitzer zustehen. Das zeigt, dass § 851 BGB nur die Sondersituation des Deliktsrechts trifft. Es ist also kein Zufall, dass für bewegliche Sachen eine entsprechende Gutglaubensregel im Bereicherungsrecht fehlt. Damit bestätigt sich erneut, dass es im Gegensatz zum Grundstücksrecht, wo das Vertrauen Dritter in die Grundbucheintragungen im Sinne eines Publizitätsprinzips allgemein geschützt ist, für bewegliche Sachen kein vergleichbares, allgemeingültiges Prinzip des Vertrauens Dritter in den Besitz gibt. Deshalb – und nur deshalb – kann § 851 BGB außerhalb des Deliktsrechts auch nicht analog angewandt werden. Baut also etwa der nichtberechtigte, bisherige Besitzer N eine bewegliche Sache des wahren Eigentümers E in das Haus des gutgläubigen G ein und wird G nach § 946 BGB Eigentümer, so kann sich G gegenüber E nicht durch die gutgläubig geleistete Ausgleichszahlung nach § 951 Abs. 1 S. 1 BGB an N befreien. Hat G dagegen die Sache dem N, den er für den Eigentümer hält, selbst weggenommen und baut sie dann in sein Haus ein, kann er in den Genuss der befreienden Wirkung zwar hinsichtlich des an N gezahlten Schadensersatzes für die Entziehung kommen, § 951 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 851 BGB, nicht aber hinsichtlich des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs für die 270 Zwar wird im Regelfall derjenige, der eine Sache beschädigt oder wegnimmt, dabei auch die Besitzverhältnisse wahrnehmen. Das muss aber nicht stets so sein: Die tatsächliche Sachherrschaft mag etwa derart gelockert oder durch einen Besitzdiener ausgeübt worden sein, dass der eigentliche Besitzer nicht erkennbar war (vgl. dazu auch oben Kap. 1, B. I., S. 36 f.); gleiches gilt im Falle der Haftung für das Verhalten anderer nach §§ 831 bis 834 BGB.

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Kap. 4: Rechtsscheinwirkung des Besitzes – Besitz und guter Glaube

Rechtsänderung, § 951 Abs. 1 S. 1 i. V. m. §§ 812 ff. BGB. Dasselbe gilt, wenn sich das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis um einen vermeintlichen Eigentümer erweitert: Leistet etwa der unberechtigte Besitzer den Nutzungsausgleich nach §§ 987, 988, 990 BGB nicht an den wahren Eigentümer, sondern an den vorhergehenden Besitzer, den er irrtümlich für den Eigentümer hält, greift der Gutglaubensschutz des § 851 BGB nicht.

E. Zusammenfassung Ein allgemeines Prinzip, wonach Dritte grundsätzlich wegen des Besitzes auf die dingliche Berechtigung des Besitzers vertrauen dürften, findet sich damit auch in den Gutglaubenstatbeständen nicht. Von zentraler Bedeutung für den gutgläubigen Erwerb ist vielmehr die Besitzerlangung beim Erwerber – freilich nicht aus Gründen der Publizität, sondern infolge der Funktion des Besitzes, Rechtspositionen zu sichern. Grundsätzlich darf ein Gläubiger hinsichtlich der Kreditwürdigkeit seines Schuldners weder auf dessen Besitz noch Besitzverschaffungsmacht vertrauen; sie nützen ihm vor allem in Insolvenz oder Einzelzwangsvollstreckung (vgl. § 771 ZPO) nichts; schutzwürdig wird er erst durch eigenen Besitz. Der Erwerber muss dabei einen in doppelter Hinsicht qualifizierten Besitz erhalten: Er muss auf die Sache ohne Rückgriff auf den Veräußerer zugreifen können (sonst bleibt dessen Nichtberechtigung virulent) und die Sache darf nicht mehr einer fortwirkenden ehemaligen Besitzposition auf Seiten des bisherigen Eigentümers unterliegen, wie sie durch ein Abhandenkommen beim Eigentümer oder dessen Besitzmittler besteht. Allein den letztgenannten Punkt, nicht hingegen die Veranlassung eines Rechtscheins beim Veräußerer betrifft § 935 BGB. Der vorhergehende Besitz bzw. die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers ist nur zu dem Zweck erforderlich, diese Besitzerlangung beim Erwerber zu ermöglichen: Der Erwerber muss die Position tatsächlicher Sachnähe, die allein ihn schutzwürdig macht, „auf Grund der Veräußerung“ erlangen. Ob der vorhergehende Besitz beim Veräußerer einen Rechtsschein ausgelöst hat, tritt daneben in den Hintergrund; insbesondere braucht der Erwerber die Besitzverhältnisse weder zu kennen noch erkennen zu können, es reicht vielmehr der objektive Besitzerwerb. In subjektiver Hinsicht muss lediglich die ausdrückliche Inanspruchnahme der Berechtigung durch den Veräußerer hinzukommen; der Erwerber muss also gerade auf das „Gerede“ des Nichtberechtigten, nicht aber auf dessen Besitz vertrauen. Wegen dieser subjektiven Voraussetzung des Vertrauens auf die ausdrückliche Inanspruchnahme einer Berechtigung kann hingegen der gesetzliche Erwerb grundsätzlich nicht gutgläubig erfolgen.

E. Zusammenfassung

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Einen Sonderfall bildet die gutgläubige Schadensersatzleistung an den nichtberechtigten Besitzer nach § 851 BGB. Die dort eintretende befreiende Wirkung rechtfertigt sich aber vor allem dadurch, dass der unmittelbare Schaden, nämlich der Nutzungsausfall, tatsächlich beim Besitzer (nicht unbedingt beim Eigentümer) eintritt. Die Regelung ist daher nicht analogiefähig, sondern eine spezielle Ausnahme; dieser Ausnahmecharakter zeigt, dass im Allgemeinen der Rückschluss vom fremden Besitz auf das Eigentum nicht erlaubt ist.

Kapitel 5

Die Wirkungen des Besitzes in der Zusammenschau Was bleibt danach von den Publizitätswirkungen des Besitzes übrig? Wie schon eingangs soll der Blick dabei in zweierlei Richtungen gehen: auf die positive Publizität (inwieweit also der Besitz ein Recht oder einen Rechtswechsel anzeigt) und auf die negative Publizität (inwieweit also wenigstens der Ausschluss des bisherigen Rechtsinhabers Voraussetzung für den Rechtserwerb ist).

A. Positive Publizität Die – angebliche – positive Publizität lässt sich wiederum aufteilen nach dem punktuellen Aspekt (also dem Zeitpunkt des Besitzwechsels) sowie dem Zustandsaspekt (also dem dauerhaften Besitz in seiner zeitlichen Erstreckung).

I. Handlungspublizität: Rückschluss vom Besitzauf den Eigentumswechsel? Die erste Frage ist die, ob die erkennbare Übergabe, also der punktuelle Besitzwechsel irgendeinen Rückschluss auf einen Eigentums- oder sonstigen Rechtserwerb zulässt. Diesem punktuellen Aspekt des Besitzwechsels entspricht im Grundstücksrecht der Vorgang der Grundbuchänderung: Dieser dient zweifelsfrei punktueller positiver Publizität, denn die Eintragung kann zu keinem anderen Zweck als der Dokumentation einer Rechtsänderung vorgenommen werden. Das ist im Recht der beweglichen Sachen beim Besitzwechsel grundsätzlich anders: Die Übergabe kann allen möglichen anderen Zwecken dienen, etwa der Erfüllung eines Miet- oder Leihverhältnisses oder auch der Verwahrung. Selbst in den Fällen, in denen mit der Übergabe der Erwerb eines dinglichen Rechts bezweckt ist, wird nach außen nicht ersichtlich, welches Recht erworben wird – Eigentum, Pfandrecht oder Nießbrauch. Damit kann das geltende Recht keine positive Publizitätswirkung punktuell an den Besitzwechsel knüpfen. Dies gilt stets, und es ist nicht etwa so,

A. Positive Publizität

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dass es Ausnahmefälle gäbe, in denen das Gesetz an eine punktuelle besitzbezogene Handlung automatisch die äußere Erkennbarkeit eines Rechtswechsels bände. Selbst wenn die Sachtradition nach § 929 S. 1 BGB der einzige oder doch vorrangige Übereignungstatbestand wäre – was ja nicht einmal der Fall ist –, könnte man dennoch grundsätzlich bei keiner Übergabe von außen erkennen, ob es sich um eine Übereignung, Verpfändung oder eine Übergabe zu rein obligatorischen Zwecken handeln soll. Auch bei den originären Erwerbstatbeständen bildet die Aneignung1 nur auf den ersten Blick eine Ausnahme positiver Publizität durch eine punktuelle Handlung: Zwar wird in § 958 BGB der Eigentumserwerb an die InBesitz-Nahme geknüpft, aber von außen ist weder erkennbar, ob Eigenbesitz begründet wird, noch, ob die Sache zuvor herrenlos war (war sie nicht herrenlos, käme allenfalls ein verzögerter und damit nicht mehr an den Besitzwechsel gekoppelter Eigentumserwerb des Finders nach § 973 BGB bzw. durch Ersitzung nach § 937 BGB in Betracht). Dasselbe gilt für den umgekehrten Fall der Eigentumsaufgabe nach § 959 BGB: Auch dort erlischt das Eigentum nicht automatisch mit der Besitzaufgabe; hinzukommen muss vielmehr das subjektive Moment der Verzichtsabsicht, die von außen allenfalls unterstellt werden kann, aber nicht zweifelsfrei erkennbar ist. Im Übrigen gibt es solche punktuelle, also an eine Handlung geknüpfte positive Publizität im Recht der beweglichen Sachen nicht einmal durch andere Publizitätsmittel als den Besitz. Ausnahmen hiervon scheinen auf den ersten Blick zum Einen das Anzeigeerfordernis bei der Verpfändung einer Sache in Drittbesitz (§ 1205 Abs. 2 BGB), zum Anderen die Anlegung eines Pfandsiegels beim Pfändungspfandrecht (§ 808 Abs. 2 ZPO) zu sein. Für das Anzeigeerfordernis ließ sich indes zeigen, dass es dabei keineswegs um sachenrechtliche Publizität, sondern allein um das obligatorische Verhältnis zwischen Verpfänder und Drittbesitzer und letztlich um den Schutz des Drittbesitzers vor einer unklaren Herausgabelage geht2. Und selbst das Pfandsiegel (also ein vom Besitz völlig unabhängiges Publizitätsmittel) zeigt lediglich an, dass die Sache gepfändet ist und damit dass das Eigentumsrecht eingeschränkt ist, grundsätzlich aber nicht, wem dieses Pfändungspfandrecht zusteht; auch dabei handelt es sich also eher um negative Publizität im Sinne eines erkennbaren Ausschlusses des bisher Berechtigten. Da der Rückschluss von einer Übergabe auf einen Eigentumswechsel damit weder empirisch noch normativ haltbar ist, kann auch § 1006 BGB keine solche Erwerbsvermutung enthalten3. Und tatsächlich findet sich in 1 2 3

Dazu oben Kap. 2, C. II., S. 142 ff. Oben Kap. 2, B. I. 1. a) (3), S. 84 ff. So aber die ganz h. M.: Vgl. oben Kap. 3, A. I. 2. a) und III. 4. a), S. 157 f., 174.

314

Kap. 5: Wirkungen des Besitzes in der Zusammenschau

dessen Wortlaut keinerlei Hinweis darauf, dass die Eigentumsvermutung an den Zeitpunkt des Besitzerwerbs anknüpfen sollte.

II. Zustandspublizität: Rückschluss vom Besitz auf das Recht? Wenn aber der Vorgang des Besitzwechsels objektiv keinen Aussagewert innehat, erstaunt es umso mehr, dass der aus diesem Vorgang resultierende Zustand – nämlich der zeitlich andauernde Besitz – als Vertrauens- oder Vermutungsgrundlage in Betracht kommen soll. Dazu muss freilich zumindest die ausdrückliche Inanspruchnahme dinglicher Berechtigung seitens des Besitzers hinzukommen. Das gilt sowohl dann, wenn der Besitz mit materiell-rechtlicher Wirkung Vertrauensgrundlage für Dritte sein, als auch dann, wenn der Besitz eine rein prozessuale Vermutungsgrundlage bilden soll (deshalb kann der Besitz nicht zugunsten Dritter als Eigenbesitz vermutet werden)4. 1. Der materiell-rechtliche Schutz des Vertrauens Dritter: §§ 932 ff., 851 BGB als Ausnahmen? Würde aber der Besitz nebst ausdrücklicher Inanspruchnahme einer Berechtigung durch den Besitzer als Vertrauensgrundlage für Dritte ausreichen, kämen theoretisch drei Wirkrichtungen in Betracht: Zunächst wäre daran zu denken, dass etwa der Kreditgeber auf die Kreditwürdigkeit seines Schuldners vertraut, weil dieser sich im Besitz von erheblichen Sachwerten befindet und sich als deren Eigentümer ausgibt; in dieser Vorstufe (Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit dem Sacheigentum) verleiht das Gesetz offensichtlich – wie übrigens auch im Grundstücksrecht – keinen dinglichen Schutz und kann es auch nicht, weil der Vertrauende sich keine konkrete Rechtsposition hat einräumen lassen. In der zweiten Wirkrichtung liegen diejenigen Rechtsgeschäfte, die mit dinglicher Wirkung gegenüber dem Eigentümer vorzunehmen sind, also insbesondere Erfüllungshandlungen an den Sacheigentümer. Im Grundstücksrecht sind solche Rechtshandlungen in § 893 BGB umfassend geregelt, und das Vertrauen auf das Grundbuch ist durchgängig geschützt. Demgegenüber findet sich im Recht der beweglichen Sachen eine entsprechende Regelung für den Besitz nur in § 851 BGB, der aber auf den Schadenser4 Zur materiell-rechtlichen Seite vgl. oben Kap. 4, C. II. 3., S. 295 ff.; zur prozessualen Vermutung aus § 1006 BGB vgl. oben Kap. 3, A. III. 4. c) und C., S. 177, 195 ff.

A. Positive Publizität

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satz für Beschädigung und Entziehung der Sache beschränkt ist5. Dagegen schützt das Gesetz im Allgemeinen bei den gegenüber dem Eigentümer vorzunehmenden Rechtshandlungen das Vertrauen Dritter in den Besitz nicht mit materiell-rechtlicher Wirkung; das gilt beispielsweise für den bereicherungsrechtlichen Ausgleich der unberechtigten Sachnutzung, der auch bei gutem Glauben nicht mit befreiender Wirkung an den Besitzer geleistet werden kann. Die gutgläubige Schadensersatzleistung nach § 851 BGB stellt also eine Ausnahme dar; sie rechtfertigt sich dadurch, dass der unmittelbare Sachschaden unabhängig vom Eigentum rein tatsächlich zunächst beim Besitzer eintritt. Die dritte denkbare Wirkrichtung wäre der Rechtserwerb vom Nichtberechtigten, der auf Grund eines Publizitätstatbestandes als berechtigt ausgewiesen erscheint. Auch insoweit ließ sich aber feststellen, dass das entscheidende Moment nicht etwa das Vertrauen des Erwerbers in den bisherigen Besitz des Veräußerers ist. Zunächst fehlt eine dem § 892 BGB entsprechende Formulierung, dass der besitzende Veräußerer dem Erwerber gegenüber als berechtigt „gilt“. Auch genügt der Veräußererbesitz für sich genommen nicht, den gutgläubigen Erwerb zu tragen, wie § 933 BGB zeigt. Ferner ist redlicher Erwerb nach § 934 Alt. 2 BGB ausdrücklich ohne jeden Vorbesitz des Veräußerers möglich. Darüber hinaus hat aber der Erwerber, der ja von einem Erwerb vom Berechtigten, also nach §§ 929 bis 931 BGB ausgeht, auch weder zwingend Anlass noch stets die Möglichkeit, die Besitzverhältnisse zu überprüfen6: Denn vom Berechtigten kann er unabhängig vom Besitz erwerben (vgl. § 931 BGB), und zumindest im Rahmen der beiden Alternativen des § 934 BGB wird für den Erwerber nicht unbedingt erkennbar sein, ob er den Eigenbesitz bereits durch die Abtretung (§ 870 BGB) oder erst von dem Dritten erlangt (§ 934 Alt. 2 BGB). Der Besitz spielt vielmehr beim gutgläubigen Erwerb eine ganz andere Rolle: Der Erwerber ist erst durch die erreichte eigene Sachnähe überhaupt schutzwürdig; der Besitzerwerb ist deshalb objektive Voraussetzung des redlichen Erwerbs7. Gegenstand des subjektiven Vertrauens des Erwerbers ist demgegenüber weder der fremde Besitz noch die fremde Besitzverschaffungsmacht, auch weniger der eigene erlangte Besitz, sondern vor allem die ausdrückliche Inanspruchnahme einer Berechtigung durch den Veräußerer – also letztlich dessen „Gerede“8. Grundsätzlich gilt daher: Dritte können nicht auf das Eigentum des Besitzers vertrauen; die Ausnahme des § 851 BGB bestätigt diese Regel. 5 6 7 8

Dazu Kap. 4, D. II., S. 305 ff. Oben Kap. 4, A. III. 3., S. 261 ff. Oben Kap. 4, A. II. 1. b) und 2. c) sowie III. 1. c), S. 208 f., 224 ff., 241 ff. Oben Kap. 4, C. II. 3., S. 295 ff.

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Kap. 5: Wirkungen des Besitzes in der Zusammenschau

2. Die Vermutung des § 1006 In welchem Verhältnis dazu steht nun die prozessuale Vermutung aus Besitz nach § 1006 BGB? a) Im Verhältnis zu Erfüllungshandlungen an den Eigentümer, § 851 BGB Mit Blick auf die gutgläubige Schadensersatzzahlung nach § 851 BGB besteht in der Tat ein weitgehender Einklang zwischen prozessualer Vermutung und materiell-rechtlich befreiender Wirkung9. Klagt der Besitzer auf Ersatz wegen Beschädigung der Sache, kommt ihm gegenüber dem Schädiger § 1006 BGB zugute, und sein Eigentum wird vermutet (der Ausfall der Vermutung im Falle des Abhandenkommens, § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB, wird hier praktisch nie greifen, weil die Sache dazu ausgerechnet dem Schädiger abhanden gekommen sein müsste). § 851 BGB dehnt dann die Begünstigung mit materiell-rechtlicher Wirkung auf den gutgläubigen Schadensersatzpflichtigen aus. Dasselbe gilt für Schadensersatzansprüche wegen Entziehung der Sache in Verbindung mit § 1006 Abs. 2 BGB: Dass der Geschädigte bis zur Besitzentziehung Eigentümer war (und es – wegen der allgemeinen, in § 1006 BGB nicht geregelten Rechtsfortdauervermutung – auch geblieben ist, nachdem die Entziehung keinen Eigentumswechsel herbeigeführt haben kann), wird zugunsten des Besitzers vermutet und andererseits zugunsten des Schädigers fingiert. Zu beachten ist dabei freilich die unterschiedliche Stoßrichtung der Vermutungs- und der Gutglaubenswirkung: § 1006 BGB kommt allein dem geschädigten Besitzer zugute und wendet sich im Schadensersatzprozess zwischen Besitzer und Schädiger sogar gegen den Schädiger. Weil nun aber § 1006 BGB nicht dem Schädiger zugute kommt, er sich also einem Dritten gegenüber, der behauptet, er sei in Wahrheit Eigentümer, grundsätzlich nicht auf § 1006 BGB berufen könnte (der Schädiger selbst ist ja nicht Besitzer), ist zu seinem Schutz zusätzlich § 851 BGB erforderlich. Damit aber endet der Einklang zwischen prozessualer Vermutung und materiell-rechtlicher Fiktion auch schon: Macht der Besitzer etwa bereicherungsrechtliche Ansprüche wegen der aus der Sache gezogenen Vorteile geltend, so kommt ihm im Prozess die Beweiserleichterung des § 1006 BGB zugute; hingegen wird zugunsten des gutgläubigen Bereicherungsschuldners keineswegs das Eigentum des Besitzers fingiert. Es handelt sich demnach nicht um einen allgemeinen Grundsatz der Übereinstimmung der Vermutung zugunsten des Besitzers und der materiell-rechtlichen Wirkung 9

Vgl. auch Berger, VersR 2001, 419.

A. Positive Publizität

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zugunsten des darauf vertrauenden Schuldners des Eigentümers; die Übereinstimmung besteht nur ausnahmsweise im Rahmen der Schadensersatzleistung nach § 851 BGB. b) Im Verhältnis zum gutgläubigen Erwerb, §§ 932 ff. (1) § 1006 BGB und der Besitz des Veräußerers Entgegen herrschender Meinung besteht aber von vornherein keine Übereinstimmung der Vermutungswirkung mit den Tatbeständen des gutgläubigen Erwerbs dahingehend, dass zugunsten des Besitzers dessen Eigentum vermutet werde und deshalb auch der redliche Erwerber darauf vertrauen könne10. Dabei finden sich schon Brüche innerhalb der h. M.: Sie will ja dem Erwerber über § 1006 Abs. 2 BGB und das praeter legem aufgestellte Postulat, der Besitzer sei grundsätzlich als Eigenbesitzer anzusehen, den vorhergehenden Besitz seines Erblassers genauso zugute kommen lassen wie den vorhergehenden Besitz seines Veräußerers. Den gutgläubigen Erwerb nach §§ 932 ff. BGB hingegen kann ihm unstreitig nur der Besitz des Veräußerers, nicht aber der Besitz des Erblassers ermöglichen. Dass es aber nicht um den Gleichlauf von Eigentumsvermutung und Rechtsscheintatbestand gehen kann, zeigt sich spätestens an § 934 Alt. 2 BGB, der ausdrücklich auf jeden Besitz beim Veräußerer verzichtet. Der Veräußerer hatte also nie die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB für sich; dennoch gelingt der gutgläubige Erwerb. Diese Einsicht wird weniger überraschend, wenn man sich von der Vorstellung des Vertrauens in die prozessuale Eigentumsvermutung löst. Denn die Schutzrichtung ist eine ganz andere: § 1006 BGB schützt den Besitzer, nicht aber den Dritten, der auf fremden Besitz vertraut bzw. ein eigenes Recht vom Besitzer ableitet oder ableiten will. Beim redlichen Erwerb geht es im Gegensatz dazu nicht – auch nicht mittelbar – um den Schutz des besitzenden Veräußerers, sondern um den des Erwerbers ab dessen Besitzerlangung11. Mit Blick auf etwaige Besitzpositionen des Veräußerers sind die prozessuale Begünstigung des Be10 So aber etwa Westermann/Gursky, § 45 III 1 a und § 47 I 2; Staud/Seiler. Einl. z. Sachenrecht, Rdnr. 58 f.; Medicus, Jura 2001, 294 f. – Kritik bei Hager, Verkehrsschutz, S. 241 ff.; M. Bauer, FS Bosch, 1/11 f. 11 Allenfalls wäre zu erwägen, ob der besitzende Veräußerer insoweit am Schutz teilhat, als er durch die Tatbestände der §§ 932 ff. BGB leichter veräußern kann, weil der Erwerber auf eine umfangreiche Eigentumsprüfung verzichten kann. Das ist aber wenig überzeugend: Denn zum Einen müsste der Erwerber, wenn er sichergehen will, wegen § 935 BGB theoretisch immer noch prüfen, ob die Sache nicht abhanden gekommen ist. Zum Anderen kann der eigene Besitz nicht entscheidend für eine solche Erleichterung zugunsten des Veräußerers sein, weil er im Falle des § 934 Alt. 2 BGB keinen Besitz innegehabt haben muss.

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Kap. 5: Wirkungen des Besitzes in der Zusammenschau

sitzers (die in diesem Falle allein dem Veräußerer zugute kommen könnte) und der gutgläubige Rechtserwerb also voneinander unabhängig. (2) § 1006 BGB und die Besitzerlangung des gutgläubigen Erwerbers Einen übereinstimmenden Zweck verfolgen die Vermutung aus § 1006 BGB und der gutgläubige Erwerb nach §§ 932 ff., 1207, 1032 S. 2 BGB vielmehr nur insoweit, als beide den Schutz und die Sicherung dinglicher Rechtspositionen durch den Besitz bewirken: Prozessual wird der Besitzer gegen eine Herausgabeklage über die Beweislastverteilung geschützt; materiell-rechtlich wird der Erwerber ab dem Moment schutzwürdig, in dem er Eigenbesitz erlangt (wohlgemerkt: mit einem etwaigen vorhergehenden Besitz beim Veräußerer hat das grundsätzlich nichts zu tun!). Der Zusammenhang liegt also in einem ganz anderen Feld: Der gutgläubige Erwerber wird erst durch das Erlangen einer eigenen Besitzposition schutzwürdig. Er kann sich dann gegenüber der Vindikation eines früheren Eigentümers bzw. Besitzers nicht nur prozessual auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB berufen (die jedem gegenwärtigen Besitzer zukommt), sondern die §§ 932 ff. BGB sprechen ihm sogar materiell, also unwiderleglich das Eigentum zu. Erst in seiner Person laufen dann auch die Ausnahmen gegenüber dem Eigentümer, dem die Sache abhanden gekommen war, §§ 1006 Abs. 1 S. 2 und 935 BGB, in gewissem Umfang parallel. (3) Das Abhandenkommen nach §§ 1006 Abs. 1 S. 2 und 935 BGB Denn an den abhanden gekommenen Sachen lassen sich die vorstehenden Erwägungen besonders deutlich bestätigen: Das gilt zunächst für die These, dass § 1006 BGB nichts mit einem etwaigen Rechtsschein beim nichtberechtigten, besitzenden Veräußerer zu tun hat, auf den dann der Erwerber vertrauen könnte. Mit anderen Worten: Es ist nicht etwa so, dass in Folge des Abhandenkommens keine Eigentumsvermutung zugunsten des Veräußerers spräche, er deshalb auch keinen Rechtsschein für sich in Anspruch nehmen könnte und daran dann der gutgläubige Erwerb scheitern würde. Denn dem besitzenden Veräußerer steht gegenüber dem Erwerber die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB trotz Abhandenkommen zu; in diesem Verhältnis kommt die Einschränkung des § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zur Anwendung. Letztere greift nämlich ausschließlich im Verhältnis zum früheren Besitzer, dem die Sache abhanden gekommen war. Das macht sich etwa bemerkbar, wenn der gutgläubige Er-

A. Positive Publizität

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werber, nachdem die Übereignung an § 935 BGB gescheitert ist und er die Sache an den wahren Eigentümer herausgeben musste, seinen nichtberechtigten Veräußerer auf Rückzahlung des Kaufpreises und sonstigen Schadensersatz in Anspruch nimmt: Hier muss der Erwerber beweisen, dass der Veräußerer nicht Eigentümer war; dem Veräußerer steht grundsätzlich12 nach § 1006 Abs. 2 BGB die Vermutung zur Seite, dass er als Besitzer bis zur Übereignung Eigentümer und damit Berechtigter war. Der Erwerber kann nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB aus dem Abhandenkommen für sich keine Beweislastumkehr, allenfalls eine tatsächliche Beweiserleichterung ableiten: Denn die Einschränkung der Vermutung ist dort nicht absolut formuliert (also nicht: „Dies gilt nicht, wenn die Sache einem früheren Besitzer abhanden gekommen ist“), sondern gilt ausdrücklich nur relativ („einem früheren Besitzer gegenüber“). Ferner bestätigt sich aber auch die weitere These, dass der übereinstimmende Zweck der Eigentumsvermutung wie des gutgläubigen Erwerbs im Schutz und der Sicherung von Rechtspositionen durch Besitz liegt und dass es deshalb allein auf das Erlangen einer schutzwürdigen Besitzposition beim Erwerber ankommt. Die Frage des Abhandenkommens betrifft dabei die Abwägung der Schutzwürdigkeit früherer gegenüber gegenwärtigen Besitzpositionen. Ist die Sache auf Seiten des Eigentümers abhanden gekommen, dann kann der Erwerber, auch wenn er gutgläubig den Besitz erlangt hat, keine gegenüber der Eigentümerseite schutzwürdigere Besitzposition erreichen; der frühere Besitz des Eigentümers wirkt vielmehr nach. Daher kann sich der Erwerber gegenüber dem Eigentümer weder prozessual auf die Eigentumsvermutung stützen (§ 1006 Abs. 1 S. 2 BGB) noch kann er materiell-rechtlich das Eigentum erwerben (§ 935 BGB). Auch beim Erwerber aber stehen der Ausfall der Eigentumsvermutung und die Hinderung gutgläubigen Erwerbs lediglich parallel nebeneinander und nicht in einem kausalen Abhängigkeitsverhältnis: Es ist also nicht etwa so, dass die Eigentumsvermutung zugunsten des Erwerbers deshalb ausgeschlossen wäre, weil nach § 935 BGB kein gutgläubiger Erwerb möglich war13: Denn vom Berechtigten – und damit: im Regelfall – ist der Erwerb des Eigentums auch an abhanden gekommenen Sachen unproblematisch möglich. Vor allem aber geht die Einschränkung der prozessualen Eigentumsvermutung sehr viel weiter, indem sie gegenüber jedem früheren Besitzer gilt, dem die Sache abhanden gekommen ist; demgegenüber hindert § 935 BGB den gutgläubigen Erwerb nur im Falle des Abhandenkommens 12

Wenn nicht der Erwerber im Rahmen der vorangegangenen Herausgabeklage des wahren Eigentümers dem Veräußerer den Streit verkündet und so eine Bindungswirkung erzielt hat. 13 So aber Medicus, Jura 2001, 419.

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Kap. 5: Wirkungen des Besitzes in der Zusammenschau

beim Eigentümer (bzw. bei dessen Besitzmittler). Unterschiede zeigen sich also im schon behandelten Fall des Abhandenkommens bei einem Dritten14: Beispielsweise möge der Eigentümer E seine Sache an den Mieter M übergeben haben; M unterschlägt, veräußert und übergibt die Sache an den bösgläubigen Hehler H. Dem H wiederum wird die Sache vom Dieb D gestohlen, der sie an den jetzigen Besitzer, den gutgläubigen G veräußert. Prozessual kann sich G nach § 1006 Abs. 1 BGB gegenüber dem E auf die Eigentumsvermutung berufen, gegenüber dem H aber nicht. Materiell kann G trotz § 935 BGB Eigentümer werden, weil die Sache nicht dem E abhanden gekommen ist. Diese Unterschiede lassen sich nicht durch Rechtsscheinerwägungen, sondern allein durch die Abwägung verschiedener Besitzpositionen erklären: Will der H die Sache vindizieren, obliegt – sobald der Diebstahl bei H feststeht – dem G die volle Beweislast für den Eigentumserwerb; denn die Besitzposition des G erscheint gegenüber der verlorenen des H zunächst weniger schutzwürdig. Diese Beweislastverteilung besteht im Übrigen nicht nur gegenüber der Herausgabeklage des H aus angeblichem Eigentum, sondern findet ihre wiederholende Bestätigung auch beim possessorischen Anspruch aus § 1007 Abs. 2 BGB („es sei denn, dass [der Besitzer] Eigentümer der Sache ist“). Will dagegen der E vindizieren, spricht – im Verhältnis zu E – die Eigentumsvermutung für G, weil der E seinen Besitz freiwillig verloren hat, seine frühere Besitzposition also nicht mehr nachwirkt und damit nicht in die Waagschale geworfen werden kann. Das gilt selbst dann, wenn im Herausgabeprozess zwischen E und G der Diebstahl bei H unstreitig ist. Aus Sicht des E ist dann nämlich – soweit weitere Feststellungen fehlen – entweder H oder G gutgläubig Eigentümer geworden. Ersterenfalls wäre es allein Sache des H, nicht des E, zu vindizieren. Ein weiterer Unterschied zeigt sich schließlich bei der Ersitzung: Materiell-rechtlich kann das Eigentum auch an abhanden gekommenen Sachen durch zehnjährigen Eigenbesitz ersessen werden, § 937 BGB; dennoch kann sich der Ersitzende auch später gegenüber dem früheren Eigentümer, dem die Sache einmal abhanden gekommen war, nicht auf die Eigentumsvermutung stützen; er muss vielmehr die Voraussetzungen der Ersitzung beweisen. 3. Zusammenfassung Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass Eigentumsvermutung und Gutglaubenstatbestände mit Blick auf die aus dem Besitz abgeleiteten Rechts14 Unter dem Blickwinkel des § 935 BGB dazu oben Kap. 4, A. III. 2., insb. a), S. 253 f.

B. Negative Publizität

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folgen nur zu einem geringen Teil Parallelen aufweisen, nämlich insoweit, als beide dem Schutz und der Sicherung von Rechtspositionen durch Besitz, und hier insbesondere durch den erlangten Besitz beim gutgläubigen Erwerber, dienen. Dagegen kann der gutgläubige Erwerber nicht etwa deshalb, weil für den besitzenden Veräußerer die prozessuale Eigentumsvermutung spricht, auf dessen Eigentum vertrauen.

B. Negative Publizität Wenn sich nun also positive Publizitätswirkungen in dem Sinne, dass einem Dritten gegeüber der Besitzer als Eigentümer behandelt wird, nur in § 851 BGB feststellen und auch dort letztlich durch den Schadenseintritt beim Besitzer, also ohne Publizität erklären lassen, so könnten doch wenigstens negative Publizitätserfordernisse verbleiben, sei es, dass der Rechtsvorgänger vom (sichtbaren) Besitz ausgeschlossen werden müsste, sei es, dass der Erwerber so lange vom Recht ausgeschlossen bleibt, bis er den Besitz erwirbt.

I. Beim bisherigen Rechtsinhaber: Notwendiger Ausschluss vom Besitz? Freilich würde negative ohne positive Publizität schon theoretisch wenig Sinn ergeben: Denn wenn der Besitz den Besitzer schon nicht positiv als dinglich Berechtigten ausweist, bestünde an sich wenig Anlass, die Übertragung der dinglichen Berechtigung – negativ – von der Aufgabe des Besitzes abhängen zu lassen. Dennoch könnte selbstverständlich ein Erfordernis des Besitzverlustes insofern eigenständig bestehen, als dadurch der bisherige Rechtsinhaber von der tatsächlichen Verfügungsmöglichkeit, insbesondere also einer Unterschlagung, ausgeschlossen werden könnte. Das wäre dann aber wohlgemerkt ein rein tatsächliches Erfordernis, das sich von negativer Publizität entfernt hätte, weil es nicht mehr darum ginge, einen Rechtsschein beim bisherigen Rechtsinhaber auszuschließen. Ohnehin finden sich Ansatzpunkte für negative Publizität durch Ausschluss des Rechtsvorgängers im Gesetz nur beim Faustpfand, §§ 1205 f. BGB, und – scheinbar auch – beim gutgläubigen Erwerb durch Besitzkonstitut, § 933 BGB. Beim vertraglichen Pfandrecht liegt ja der Schwerpunkt nicht darauf, das entstandene Pfandrecht beim Pfandgläubiger anzuzeigen (wie insbesondere die Bestellung bei Sachen in Drittbesitz sowie durch Mitverschluss zeigt, §§ 1205 Abs. 2, 1206 BGB), sondern – negativ – darauf, dem Verpfänder den alleinigen Besitz zu nehmen. Nun erweist sich die Besitzpublizität beim Pfand aber als anachronistische Ausnahme, die durch die

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ausdrückliche gesetzliche Anerkennung des publizitätslosen Sicherungseigentums weitestgehend sinnentleert ist15. Dagegen zielt die Benachteiligung des Besitzkonstituts im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs (§ 933 BGB) von vornherein nicht auf negative Publizität, sondern betrifft allein den Grad der Verfestigung der erlangten Besitzposition beim Erwerber: Da der Erwerber erst durch den eigenen Besitz schutzwürdig wird, bleibt die Nichtberechtigung seines Veräußerers so lange virulent, als die Besitzposition des Erwerbers noch vom Veräußerer abhängt16. Der Ausschluss des nichtberechtigten Veräußerers ist – da ihm gegenüber in aller Regel nicht dasselbe Misstrauen wie gegenüber dem Verpfänder gerechtfertigt ist – also bloßer Nebeneffekt. Deshalb ist auch der gutgläubige Erwerb von Miteigentum unproblematisch möglich, selbst wenn der Veräußerer noch Mitbesitz zurückbehält, wie § 932a Hs. 2 BGB für nicht eingetragene Seeschiffe ausdrücklich konstatiert, wie aber auch für bewegliche Sachen im Allgemeinen zu Recht unstreitig ist17. Auch ein Grundsatz negativer Publizität durch Ausschluss des bisherigen Rechtsvorgängers vom Besitz besteht nach allem nicht.

II. Beim Erwerber: Kein Erwerb ohne (erkennbaren) Besitz? Um das Bild fehlender Besitzpublizität zu vervollständigen, verbleibt schließlich noch ein Aspekt, der kaum ausdrücklich in die Rechtsscheinwirkungen der Publizität eingeordnet zu werden pflegt, der aber offensichtlich darauf beruht: Gemeint ist das verbreitete Dogma, dass der Rechtserwerb so lange nicht eintreten könne, als eine entsprechende erkennbare Besitzposition noch nicht eingetreten ist (deshalb: negative Publizität). Es handelt sich gewissermaßen um die Umkehrung des Rückschlusses vom punktuellen Besitz- auf den Eigentumswechsel: Es wäre ja zumindest denkbar, dass zwar nicht jeder Besitz automatisch das Eigentum oder ein sonstiges Recht anzeigt, dass aber umgekehrt der Erwerb des Rechts von einem Publizitätstatbestand abhängt, also erst mit Publizierung eintritt – wie auch eine der Wirkungen des Grundbuchs darin besteht, dass der Erwerb eines Grundstücksrechts grundsätzlich so lange nicht eintreten kann, als er nicht publiziert ist, § 873 BGB. Bei näherem Hinsehen wäre freilich schon der Schutzzweck eines solchen isolierten Besitzerwerbs-Erfordernisses im Rahmen von Publizitätserwägungen unklar; allenfalls könnte es doch um den Ausschluss des Rechts15 16 17

Ausführlich oben Kap. 2, B. I. 4. und 5., S. 102 ff. Oben Kap. 4, A. II. 2. c), S. 224 ff. Vgl. die Nachweise oben Kap. 4, A. II. 2. a) (5), S. 222 Fn. 49.

B. Negative Publizität

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vorgängers vom Besitz gehen, der aber – wie sich herausgestellt hat – gerade keinen Grundsatz bildet. Und tatsächlich besteht auch beim Erwerber keine grundsätzliche Abhängigkeit des Rechts- vom Besitzerwerb: Dass es von vornherein nicht um die Erkennbarkeit des erlangten Besitzes gehen kann, zeigt sich schon daran, dass die Erwerbstatbestände, selbst soweit sie einen Besitzerwerb verlangen, hierfür grundsätzlich mittelbaren Eigenbesitz ausreichen lassen, etwa §§ 930, 934 Alt. 1, 937, 1205 Abs. 2 BGB; der mittelbare Besitz ist aber von außen nicht erkennbar. Schon am rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb vom Berechtigten zeigt sich darüber hinaus, dass der Eigentumswechsel auch ohne jeden Besitz möglich ist: § 931 BGB unterscheidet für den Fall, dass ein Dritter die Sache besitzt, nicht einmal zwischen der Übertragung mittelbaren Besitzes und der Abtretung des „nackten“ Herausgabeanspruches; dementsprechend können auch besitzlose Sachen unproblematisch übereignet werden. Die Funktion des (Eigen-)Besitzes beschränkt sich dort vielmehr auf die Manifestation, weil dann (und nur dann), wenn der Veräußerer die Sache bislang im Eigenbesitz hat, die Ernsthaftigkeit des Übertragungswillen sich daran manifestiert, dass er diesen Eigenbesitz überträgt. Damit lässt sich auch in den Streitfällen des Geheißerwerbs und der Übereignung an den, den es angeht, leicht auf jeden Erwerberbesitz verzichten. Diese Erkenntnis gilt darüber hinaus aber auch im gesamten Bereich rechtsgeschäftlichen Rechtserwerbs vom Berechtigten. Dagegen spricht nicht etwa der Fruchterwerb durch Besitzergreifung nach § 956 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB: Dabei handelt es sich vielmehr nur um eine besondere Form der Manifestation; selbstverständlich wird dadurch aber nicht eine Übereignung der Früchte durch Besitzkonstitut (§ 930 BGB) oder ganz unabhängig vom Besitz (§ 931 BGB) ausgeschlossen18. Nichts anderes gilt für die gesetzliche Ausgestaltung des vertraglichen Pfandrechts: Zwar setzen §§ 1205 f. BGB ihrem Wortlaut nach voraus, dass der Pfandgläubiger zumindest mittelbarer Besitzer wird; dass das aber nichts mit der Position des Erwerbers zu tun haben kann, zeigt schon die Übertragung des Pfandrechts nach §§ 1250 f. BGB, die sich ohne jede Besitzposition des Erwerbers vollenden lässt. Angesichts dieser weitgehenden Bedeutungslosigkeit des Besitzes für die dingliche Rechtslage können Besitz und Publizität auch keine Rolle für die Eigentumsverhältnisse im Rahmen von Treuhandverhältnissen spielen19. Soweit ferner beim originären Erwerb teilweise der Rechts- vom Besitzerwerb abhängt – bei der Ersitzung nach § 937 und der Aneignung nach 18 19

Oben Kap. 2, C. IV. 3., S. 151 f. Oben Kap. 2, B. III. 4., S. 134 ff.

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Kap. 5: Wirkungen des Besitzes in der Zusammenschau

§ 958 BGB – kann das schon deshalb keinen Grundsatz darstellen, weil andere gesetzliche Erwerbstatbestände vom Besitz unabhängig sind, etwa die Verbindung und Vermischung nach §§ 947 f. BGB. Bei Ersitzung und Aneignung ist der Besitz vielmehr aus anderen Gründen erforderlich: Die Aneignung kann sich nur durch In-Besitz-Nahme manifestieren; die Ersitzung schafft Rechtsfrieden durch Verfestigung des gegenwärtigen Besitzes. Schließlich hängt zwar der gutgläubige Erwerb durchgängig davon ab, dass der Erwerber den Besitz erlangt; auch das aber hat nichts mit Publizität zu tun. Vielmehr besteht schlicht kein Anlass, dem Erwerber gutgläubig ein „nacktes“ dingliches Recht zu Lasten der wahren Berechtigten zu verleihen; der Erwerber wird erst schutzwürdig, wenn er tatsächlich – sei es auch mittelbar – auf die Sache zugreifen und sie in seinem Sinne nutzen kann. Auch ein Grundsatz „eingeschränkter“ Publizität, die den Rechts- vom Besitzerwerb abhängen ließe, lässt sich nach allem nicht feststellen.

C. Besitzwirkungen im Vergleich zum Grundbuch (§§ 891 ff. BGB) Da der Rechtserwerb im Grundstücksrecht grundsätzlich von der Eintragung abhängt und die Eintragung nur dem einzigen Zweck der Dokumentation des Rechtserwerbs dient, der Rechtserwerb an beweglichen Sachen hingegen weitestgehend unabhängig vom Besitz erfolgen kann und umgekehrt ein Besitzwechsel häufig auch ohne die Absicht eines Rechtswechsels vorgenommen wird, ist es nur konsequent, dem Grundbuch Rechtsscheinwirkungen beizumessen, während dies beim Besitz äußerst fragwürdig erscheint. So sind Rechtshandlungen mit dem im Grundbuch eingetragenen Nichtberechtigten nach §§ 892 f. BGB umfassend materiell wirksam; das betrifft insbesondere sowohl den Erwerb von ihm als auch deliktische wie bereicherungsrechtliche Ausgleichszahlungen an ihn (dasselbe gilt nach §§ 2366 f. BGB auch für die Rechtsscheinwirkung des Erbscheins). Dagegen kommt bei den beweglichen Sachen eine Rechtsscheinwirkung mit materiell-rechtlichen Folgen allenfalls partiell in zwei Bereichen in Betracht, nämlich beim gutgläubigen Erwerb und bei deliktischen Ausgleichszahlungen nach § 851 BGB. Wäre nun aber in diesen beiden Bereichen tatsächlich das angebliche Prinzip des Besitzes als Rechtsscheinmittel ausschlaggebend, erschiene unerklärlich, weshalb das BGB dann keine dem § 893 BGB vergleichbare Norm auch in Bezug auf den Besitz enthält, warum also insbesondere bereicherungsrechtliche Ausgleichszahlungen, aber auch sonstige Rechtshandlungen trotz guten Glaubens nicht wirksam gegenüber dem Besitzer vorgenommen werden können. Das lässt nur den Schluss zu, dass es

C. Besitzwirkungen im Vergleich zum Grundbuch

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auch in den genannten Teilbereichen der §§ 932 ff. und des § 851 BGB weniger auf eine Rechtsscheinfunktion des Besitzes ankommt, sondern dass dort vielmehr eigene Normzwecke vordringlich sind: In § 851 BGB geht es vorrangig um den Schutz des Besitzers, bei dem sich die unmittelbare Vermögenseinbuße zunächst niederschlägt20; und auch die Regelungen der §§ 932 ff. BGB setzen nicht etwa voraus, dass der Mobiliarerwerber auf den Besitz des Veräußerers vertraut21 – ganz im Gegensatz zum Grundstückserwerber, der nach dem gesetzlichen Leitbild auf die Voreintragung des Veräußerers vertraut. Der Besitz spielt dort vielmehr eine ganz andere Rolle, nämlich als tatsächliche Sachnähe: Der gutgläubige Erwerber wird erst durch die tatsächliche Nutzungs- bzw. Zugriffsmöglichkeit, also eine erlangte (qualifizierte) Besitzposition schutzwürdig. Die damit angesprochene Funktion des Besitzes, nämlich dem Besitzer die bestehende oder vermeintliche Rechtsposition zu sichern (im Sinne von sowohl „verschaffen“ als auch „erhalten“ und „schützen“), fehlt andererseits dem Grundbuch. Nicht zufällig ist die Ersitzung eines im Grundbuch eingetragenen Rechts nur dann (und nur deshalb) möglich, wenn der Eingetragene das Grundstück in Ausübung des eingetragenen Rechts besitzt, § 900 BGB. In der Konsequenz dieser Unterschiede – nämlich der Schutzfunktion des Besitzes einerseits, der reinen Publizitätsfunktion des Grundbuches andererseits – liegt dann auch die Abweichung beim Umfang der prozessualen Vermutungswirkung: Ein Grundstücksrecht wird auf Grund der Eintragung bzw. sein Nichtbestehen auf Grund der Löschung im Grundbuch allgemein vermutet, § 891 BGB, also auch im Prozess zwischen Dritten sowie zu Lasten des Eingetragenen (ebenso kann sich die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins nach § 2365 BGB auch gegen den Eingetragenen richten, etwa bei Erbschaftsverbindlichkeiten). Demgegenüber wird das Eigentum an beweglichen Sachen auf Grund des Besitzes grundsätzlich nur im Prozess des Besitzers und nur zu seinen Gunsten vermutet, weil die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB nur seinen Schutz bezweckt. Die Vermutung des § 891 BGB unterscheidet sich aber noch in einer weiteren Hinsicht von § 1006 BGB: Denn § 891 BGB knüpft an die Publizität des Erwerbsvorgangs an (nämlich den Zeitpunkt, in dem das Grundbuchamt die Rechtsänderung in das Grundbuch einträgt), stellt also eine Erwerbsvermutung dar und ist entkräftet, sobald feststeht, dass in diesem Zeitpunkt ein Rechtswechsel nicht stattgefunden haben kann22. § 1006 BGB schützt dage20

Oben Kap. 4, D. II. 2., S. 308 f. Oben Kap. 4, A. III. 3., S. 261 ff. 22 Insoweit zutreffend Medicus, FS Baur, S. 80 f.; dagegen sieht die h. M. ausgerechnet in § 891 BGB eine Zustandsvermutung, obwohl doch eindeutig der Wechsel des Grundstückseigentums in viel stärkerem Maße an den Zeitpunkt der Eintragung 21

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Kap. 5: Wirkungen des Besitzes in der Zusammenschau

gen allgemein den gegenwärtigen Besitzer und stellt damit eine Zustandsvermutung dar; ob Besitz- und behaupteter Eigentumswechsel zusammenfallen, ist demnach entgegen überwiegender Auffassung unerheblich23. Damit lässt sich in der Schlussfolgerung die Gleichstellung oder auch nur Annäherung von Besitz und Grundbuch als Publizitätsmitteln nicht halten.

geknüpft ist (vgl. § 873 BGB) als der Wechsel des Mobiliareigentums an den Zeitpunkt des Besitzübergangs. Vgl. oben Kap. 3, A. III. 4. a), S. 174 f. (m. w. N. in Fn. 67). 23 Oben Kap. 3, A. III. 4. a), S. 174 f.

Zusammenfassung Ein Publizitätsprinzip besteht im geltenden Recht der beweglichen Sachen nicht. Der Besitz ist nicht nur als Publizitätsmittel weitgehend ungeeignet, er wird auch nicht als solches eingesetzt; er unterscheidet sich vielmehr in seinem Wesen erheblich vom Grundbuch. Soweit die Motive hiervon abweichend Besitz und Grundbuch noch als vergleichbare Publizitätsmittel benannten1, bezog sich dies – mit Ausnahme des Besitzerfordernisses beim Faustpfand – auf solche Publizitätsbestimmungen des 1. Entwurfes, die in das spätere BGB keinen Eingang gefunden haben. Für den Rechtserwerb im Allgemeinen ist weder vor dem Erwerb sichtbarer Besitz des Veräußerers noch nach dem Erwerb sein sichtbarer Ausschluss vom Besitz noch eine sichtbare Besitzerlangung auf Erwerberseite zwingend erforderlich. Dem Besitz kommt dort vielmehr nur eine Manifestationsfunktion zu: In der Übertragung des Eigenbesitzes (nicht: sichtbaren Besitzes) manifestiert sich die Ernsthaftigkeit des Übereignungswillens, so dass etwa auch der Zeitpunkt des Rechtswechsels im Nachhinein beweisbar ist; solange der Veräußerer hingegen Eigenbesitz (unabhängig von dessen Erkennbarkeit nach außen) zurückbehält, fehlt eine hinreichende Manifestation seines Übereignungswillens. Soweit dadurch auch Publizität hergestellt wird, handelt es sich um einen möglicherweise willkommenen, letztlich aber unwesentlichen Nebeneffekt. Die einzige Ausnahme bildet das Besitzerfordernis beim Faustpfand, das nach dem Gesetzeswortlaut negative Publizität durch Ausschluss des Verpfänders vom Besitz voraussetzt. Dass dort ausnahmsweise Publizitätserfordernisse bestehen sollen, ist freilich angesichts der ausdrücklichen Anerkennung des publizitätslosen Sicherungseigentums nicht nur weitgehend bedeutungslos geworden; die höheren Besitzanforderungen beim Pfandrecht sind vielmehr im Vergleich zum Sicherungseigentum von vornherein sinnentleert, ja sogar kontraproduktiv, indem sie das Sicherungseigentum mit dem damit verbundenen Nachteil der ausschließlichen Besicherung eines einzigen Gläubigers („Alles-oder-Nichts-Prinzip“) befördern. De lege lata hat der Gesetzgeber in § 51 Nr. 1 InsO bereits ein publizitätsloses Sicherungsrecht eigener Art geschaffen; de lege ferenda erschiene die Anerkennung eines publizitätslosen vertraglichen Pfandrechts konsequent. 1

Mot. III 344 = Mugdan III 191.

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Zusammenfassung

Im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten hingegen haben weder das Besitzerfordernis beim Erwerber noch das Ausschlusserfordernis beim Veräußerer in § 933 BGB ihren Grund in Publizitätserfordernissen: Der gutgläubige Erwerber wird vielmehr erst durch tatsächliche Sachnähe schutzwürdig, weil kein Anlass besteht, ihm zu Lasten des bisher Berechtigten das „nackte“ Eigentum ohne Nutzungsmöglichkeit zuzusprechen. Das Ausschlusserfordernis auf Seiten des Veräußerers in § 933 BGB (das übrigens bei fortbestehendem Mitbesitz des Veräußerers nicht gilt2) beruhte im Wesentlichen auf dem Misstrauen des historischen Gesetzgebers gegenüber dem Besitzkonstitut. Mit der Zulassung des Besitzkonstituts in § 930 BGB ist dieses Misstrauen eigentlich aufgegeben; allenfalls lässt sich § 933 BGB dann damit rechtfertigen, dass die – den gutgläubigen Erwerb tragende – Sachnähe des Erwerbers weiterhin vom sachnäheren Veräußerer abhängt, so dass auch dessen Nichtberechtigung weiter fortwirkt. Somit sind einerseits die dinglichen Rechtsänderungen bei den beweglichen Sachen weitgehend unabhängig von der erkennbaren Verschiebung von Besitzpositionen, zumindest aber von Publizität; hinzu kommt andererseits, dass sichtbare Besitzveränderungen auch ganz anderen Zwecken als dem Rechtswechsel dienen können, namentlich die Übergabe im Rahmen rein schuldrechtlicher Verpflichtungen (an den Mieter, zur Verwahrung, zur Reparatur). Damit entfällt der Grund, allgemein vom Besitz auf das dingliche Recht zu schließen. Dementsprechend verfolgt die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB einen ganz anderen Zweck, nämlich den Schutz des gegenwärtigen Besitzers: Im weitesten Sinne soll die gegenwärtige (Besitz-)Lage erhalten und kontinuiert werden. Deshalb knüpft § 1006 BGB – entsprechend seinem eindeutigen Wortlaut, aber entgegen h. M. – nicht an ein Übergabeerfordernis bei der Übereignung an (das ebenfalls von der h. M. nur behauptet wird, nach den §§ 929 bis 931 BGB aber objektiv nicht besteht), sondern ausschließlich an den Zustand gegenwärtigen Besitzes. Die Vermutungswirkung kommt damit grundsätzlich auch dem bisherigen Fremdbesitzer gegenüber seinem ehemaligen Oberbesitzer zu; dort trägt der Besitzer lediglich die sekundäre Behauptungslast für den angeblichen Eigentumserwerb, die dann vom früheren Eigentümer als Vindikationskläger zu widerlegen ist. Hingegen besteht zugunsten Dritter – schon dem Wortlaut des § 1006 BGB nach – keine prozessuale Eigentumsvermutung auf Grund des Besitzes; insbesondere wird von außen kein Eigenbesitz vermutet. 2 Für nicht eingetragene Seeschiffe ergibt sich das ausdrücklich aus § 932a Hs. 2 BGB; darüber hinaus entspricht es aber auch für alle sonstigen beweglichen Sachen allgemeiner Meinung, die sich freilich damit in Widerspruch zum Postulat vom Ausschluss des Veräußerers setzt; vgl. die Nachweise oben Kap. 4, A. II. 2. a) (5), S. 222 Fn. 49.

Zusammenfassung

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Aber auch mit materiell-rechtlicher Wirkung – und damit ist vor allem die angebliche „Rechtsscheinwirkung“ des Besitzes angesprochen – besteht für Dritte kein Anlass, wegen des Besitzes auf das Eigentum des Besitzers zu vertrauen. Dementsprechend kennt das Mobiliarsachenrecht keine den §§ 892 f. BGB entsprechende Normen, wonach der im Grundbuch Eingetragene zugunsten des gutgläubiger Dritter als Berechtigter „gilt“. So kann etwa der Bereicherungsschuldner den Ausgleich für die gezogene Sachnutzung nicht gutgläubig an den Besitzer leisten. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass weite Teile des Anwendungsbereichs der grundbuchrechtlichen Gutglaubenwirkung im Recht der beweglichen Sachen durch den gutgläubigen Erwerb (§§ 932 ff. BGB) und die gutgläubige Schadensersatzleistung an den Besitzer (§ 851 BGB) abgedeckt sind. Denn dahinter stehen je eigene, von einer angeblichen Rechtscheinwirkung des Besitzes unabhängige Rechtfertigungsgründe: Beim gutgläubigen Erwerb ist ein Besitz des Veräußerers gar nicht unabdingbar (§ 934 Alt. 2 BGB), aber auch das verbleibende Erfordernis einer Besitzverschaffungsmacht ist nur deshalb von Bedeutung, weil erst sie die Besitzerlangung des Erwerbers – „auf Grund der Veräußerung“ – ermöglicht. Hintergrund dieses Besitzerfordernisses beim Erwerber ist aber allein, dass der Erwerber erst durch die tatsächliche Nutzungs- bzw. Zugriffsmöglichkeit schutzwürdig wird; dieser Zweck ist durch den rein objektiven Eintritt einer Besitzposition auf Erwerberseite erreicht und von subjektiven Kriterien unabhängig. Der Erwerber muss also weder auf den Besitz oder die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers vertrauen noch muss er sie überhaupt wahrnehmen oder auch nur wahrnehmen können. Sein subjektives Vertrauen gründet vielmehr vor allem auf der ausdrücklichen Inanspruchnahme einer Berechtigung durch den Veräußerer – also letztlich auf dessen „Gerede“3. Eine Erfassung des gutgläubigen Erwerbs mit dem Konzept vom „Rechtsschein des Veräußererbesitzes“ erweist sich damit weitgehend als irreführend. Auch § 935 BGB sanktioniert – wie das Fehlen einer entsprechenden Einschränkung im Rahmen des § 851 BGB bestätigt – nicht etwa die fehlende Veranlassung eines Rechtsscheins durch den bisherigen Eigentümer. Dem § 935 BGB liegt vielmehr – ebenso wie der Parallelvorschrift des § 1007 Abs. 2 und auch dem § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB – der Gedanke zugrunde, dass die frühere Besitzposition des bisherigen Eigentümers fortwirkt und damit eine höhere Schutzwürdigkeit des gegenwärtigen Erwerberbesitzes ausnahmsweise ausschließt. Auch bei der gutgläubigen Schadensersatzleistung an den Besitzer nach § 851 BGB sind letztlich andere Erwägungen als der Rechtsschein des 3 Oben Kap. 4, C. II. 3., S. 295 ff. Zur Herkunft der – ursprünglich abwertend gemeinten – Begrifflichkeit vom „Gerede“ vgl. oben Kap. 4, B. II. 2., S. 277 Fn. 196.

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Zusammenfassung

Besitzes ausschlaggebend: Da der unmittelbare Schaden durch Nutzungsausfall zunächst beim Besitzer eintritt, erscheint es ausnahmsweise gerechtfertigt, die Ersatzleistung an ihn ausreichen zu lassen, wenn keine abweichende Berechtigung erkennbar ist. Deshalb ist § 851 BGB nicht analogiefähig. Die Wirkung des Besitzes richtet sich damit – abweichend vom Grundbuch – insgesamt nicht auf die Publizierung dinglicher Rechte, sondern betrifft neben der Manifestation des dinglichen Übertragungswillens vor allem die Sicherung und den Schutz dinglicher Rechtspositionen beim Besitzer, wie besonders deutlich in §§ 936 Abs. 3, 900 BGB zum Ausdruck kommt. Nur insofern treffen sich auch die Zwecke der Eigentumsvermutung des § 1006 BGB und des gutgläubigen Erwerbs in §§ 932 ff. BGB: Die Parallele besteht also nicht etwa auf Veräußererseite (der Erwerber darf nicht deshalb auf den Rechtsschein des Besitzes beim Veräußerer trauen, weil für diesen auch die prozessuale Eigentumsvermutung spräche), sondern erst auf Erwerberseite ab Besitzerlangung: Der Erwerber wird dann wegen des erlangten Besitzes doppelt geschützt, prozessual durch die Eigentumsvermutung aus gegenwärtigem Besitz, materiell durch den gutgläubigen Rechtserwerb.

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Sachwortregister Abhandenkommen 170 ff., 194, 205, 251 ff., 286, 305 f., 309, 318 ff. Ablieferung 79 f. Ab-, Aussonderung 99 f., 110, 129 Absolute Rechte 33, 193 f., 269 Abstraktionsprinzip 137 f., 141, 275 Abtretung – des Herausgabeanspruchs 42, 54 f., 64 f., 78, 81, 203 – Forderungs- 83, 85, 270, 302 – mittelbaren Besitzes 42, 52, 54, 81, 203, 211 ff., 266 Akzessorietät 83, 101, 108 f., 111, 270 Alles-oder-Nichts-Prinzip 103, 114, 147 Alteigentümer 207, 213 ff., 251 ff. Aneignung 142 f. Aneignungsbefugnis 272, 285 Aneignungsgestattung 284 ff. Anfechtung (Gläubiger-, Insolvenz-) 64, 69, 97 f., 104, 136 Anscheinsgeheiß 76, 235 ff., 244 f. Anwartschaftsrecht 115 ff., 148 – gutgläubiger Erwerb 273 ff. – Pfändung 124 f. – Vermutung 192 Anweisung 52 f., 84, 214 Anzeige, -erfordernis 84 ff., 202, 313 „Aufschwingen“ des Fremdbesitzers 42, 157, 171, 178 ff. Auftrag (§ 667 BGB) 128, 134 f. Auszug aus gemeinsamer Wohnung 169 f.

Behauptungslast, sekundäre 181 ff. Bereicherungsrecht 183 f., 186, 307 ff. Besitz – Ausschluss vom 88, 90, 204, 209 ff., 220 ff., 269, 321 f. – früherer 156, 159, 171 ff., 184 f., 319 – mittelbarer 38 ff., 180 f., 211 ff. – nachwirkender 144, 171, 258 ff., 319 – Rechtsverfestigung, -sicherung 105, 144, 184, 225 ff., 268, 281, 319, 325 – Sachnähe, -nutzung 43, 57, 67, 208, 227 ff., 260, 262, 308 f., 325 – stehender 53, 201, 228 – unmittelbarer 36 f. – Vergeistigung 36, 49 Besitzdiener 37, 50 f., 53, 63, 163, 223, 228, 255 f., 259 Besitzkonstitut 38, 48, 56, 62, 65 f., 202, 214 ff., 223 f., 322 Besitzlose Sachen 70, 143, 229, 323 Besitzmittlungsverhältnis 38 ff. – Aufkündigung 40, 181 – Besitzmittlungswille 39 f., 41 f., 180 Besitzrecht, obligatorisches 192 ff. Besitzschutz 49, 52, 90, 259 Besitzverschaffungsmacht 195, 232 ff., 243 ff. Bestandteile 149 ff., 283 ff. Bestimmtheit 31, 133 ff., 279 Beweislast 27, 155, 185 brevi manu traditio 53 f., 158, 165, 201 Briefhypothek 69, 87, 189, 195, 253, 302 Buchersitzung 227, 281, 325

Sachwortregister Dingliche Surrogation 72, 139 ff., 280, 299 Direkt-, Durchgangserwerb 71, 75, 139, 146 f., 151 Drittwiderspruch 62 f., 98, 112 f., 129 Ehe 169, 197 Eigenbesitz 38, 42, 67, 142 ff., 283 Eigenbesitzvermutung 159, 177 f. Eigenmacht, verbotene 82, 90, 104, 244, 249, 258 f. Eigentumsaufgabe 142 Eigentumsvorbehalt 54, 96, 113, 115, 120, 162, 179, 186 Einlagerfälle 211 ff., 228 Entgeltlichkeit 292 ff. Erbe 138 f., 159 f., 173, 177 f., 280, 298 ff. – Erbenbesitz 37, 139 – Erbschein 27 ff., 263 ff. – vorweggenommene Erbfolge 300 Ersitzung 142 f., 177, 195, 227, 281 f., 320, 323 ff. Erwerbsvermutung 157 f., 160, 174, 325 Faustpfand, -prinzip 81 ff., 111 ff., 321 Fortdauervermutung 158, 160, 172, 175 ff. Fräsmaschinenfall 114, 211 ff., 227 f. Früchte 149 ff., 283 ff. Fund 142 ff. Gefahrübergang 60, 66, 118 Geheißerwerb 73 ff., 90 f., 229, 234 ff. Genehmigung (s. auch Zustimmung) 58, 175, 207, 248 Gläubigerschutz 32 ff., 45, 69 f., 102 ff., 304 f. Grundbuch 26 ff., 34, 43, 174 f., 230 f., 262 f., 281, 309, 324 ff.

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Haftungsverband 94, 123, 205 Handelsregister 30, 262 ff. „Heimliche“ Rechte 63, 95, 99, 104, 123, 137, 146, 214 Herausgabeanspruch (und mittelbarer Besitz) 39 ff., 180 f., 214 ff. Herstellervereinbarung 146 ff. Hypothek (s. auch Haftungsverband, Briefhypothek) 124, 270 f., 281, 302 Inanspruchnahme eigener Berechtigung 177, 186 ff., 249, 295 ff., 315 Inhabung 38, 48, 152, 234 In-Sich-Geschäft 31, 63 Insolvenz (s. auch Anfechtung) 63 f., 97 ff., 119 ff. Insolvenzverwalter 126, 160, 178 Inventar, Einverleibung in 139 f., 280 Kausalität 243, 261 ff. Kettengeschäft 73 ff., 229, 256 Kfz-Brief 96, 162, 165, 262 Klavierfall 76, 234, 244 Kollision von Sicherungsrechten 97, 146 ff., 211 f. Kommission 128 ff., 134 ff., 297 Kontinuität 168 f., 171 ff., 194 ff. Kreditsicherung 33 f., 62, 95 ff., 136, 146 f., 314 Manifestation 31 f., 40 ff., 65 ff., 97, 134, 144, 152 f., 167, 207, 218 ff., 242 Mitbesitz 36, 77, 81 f., 118, 145, 188 f., 204, 222, 226, 269, 322 Nebenbesitz 41, 218 ff. Negatorische Klage 169, 171 Nießbrauch 66 f., 150, 190 ff., 269, 277 ff., 305 nudum ius 67, 144, 208 Nutzungen, gezogene 171 ff., 309, 315

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Sachwortregister

Pfandrecht (s. auch Faustpfand) 81 ff. – besitzloses 92 ff., 106 ff., 111 ff., 288 – Einbringungs- 92 f., 301 – gesetzliches 88, 92 ff., 147, 287 ff., 297, 301 – gutgläubiger Erwerb 269 ff., 301 f. – handelsrechtliches 88, 288 f. – Pächter- 88, 289, 301 – Umdeutung 101 f., 110 – Vermieter- 93 f., 104, 106, 123, 147, 160, 187, 288, 292, 296, 301 – Vermutung 190 f., 194 – vertragliches 81 ff., 269 ff., 301 f. – vor-, nachrangiges 92 f., 103 f., 107, 114, 211 f. – Werkunternehmer- 88, 288 ff., 301 Pfandsiegel 89 ff., 108, 124 f., 200, 313 Pfändungspfandrecht 89 ff., 108, 115, 124, 196, 200, 295, 313 Possessorischer Anspruch 144, 156, 168, 171, 244, 259 ff., 320 Priorität 56 f., 103, 114, 148, 211, 251 Publizität – Handlungs- 30 f., 60 f., 165, 312 f., 325 – kraft Gewerbes 130 ff. – negative 30, 81, 209 ff., 321 ff. – positive 30, 82, 207 f., 312 ff. – Schutzzwecke 33 ff., 45, 60 ff. – stellvertretungsrechtliche 25 f., 32, 72, 88, 126, 131 ff., 141 – Zustands- 30 f., 61 f., 141, 161, 314 ff. Publizitätsmittel 25, 28 ff., 35, 66, 313, 326 Rechtsschein 28 f., 230 ff. Rechtsverfestigung (s. Besitz) Register 28 ff., 43, 92, 96 ff., 115, 258, 262 ff.

Sachherrschaft 36 ff., 214, 225 Schadensersatz 169, 172, 194, 258, 305 ff., 314 ff. Schuldschein 189 ff. Seeschiffe 57, 165, 203 f., 208, 222, 322 Sicherungseigentum 62, 95 ff., 127, 322 Sondervermögen 125 ff. Stellvertretung 25 f., 32, 71, 125 f., 133 ff., 252, 265 Streckenerwerb 73 ff., 229, 256 Testament 127, 138, 292, 298 ff. Testamentvollstreckung 126 Traditionspapiere 56 f., 77 f., 120, 250 f. Traditionsprinzip 64 ff., 70, 74 f., 157, 159, 189, 206, 223, 237, 291 Treuhand 33, 125 ff., 323 Übereignung an den, den es angeht 71 f., 74, 140 f., 323 Übergabe 29, 43, 46 ff., 59, 65 ff., 136 f., 164 ff., 192 f., 201 Übergabeerfordernis 57, 75, 83 f., 117, 119 f., 151, 156 f., 192, 202, 210, 226, 234, 263, 269 ff., 277, 291 Unterschlagung 31, 106 ff., 253 ff., 321 Veranlassung 76, 232, 235 f., 243, 251 ff., 306 Verarbeitung 145 ff. Verbindung 145 Verdinglichung 100, 109, 111 ff., 116, 128 ff., 180 Verfallklausel 100, 110 Verfügungsbefugnis 98, 272, 278, 285, 296, 301 Verkehrsfähigkeit 35, 96, 225, 229, 243, 294 Vermischung 145

Sachwortregister Verstrickung 89 f., 108, 115, 124 Vertragsprinzip 57 f., 64 ff. Vindikation 168, 171 ff., 176, 179, 187, 191, 216 f., 318 Wegnahme 47, 79, 90, 106, 239, 248 Weinbergfall 286 Zessionsprinzip 57 f., 64 ff. Zubehör 58, 94 f., 123, 205, 241, 281

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Zugriffsmöglichkeit 82, 88 ff., 104, 114 f., 145 f., 169, 197, 225, 229, 251, 321, 325 Zustandsvermutung 158, 174, 326 Zustimmung 237 ff., 245 ff. Zwangsvollstreckung 64, 69, 79, 98, 103, 112, 117 ff., 124, 127, 129, 136, 296 Zweiterwerb 83, 269 ff., 274 ff., 288, 290 ff., 297, 301 f.