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German Pages 149 Year 1982
ANDREAS SCHULZ
Ehewohnung und Hausrat in der ungestörten Ehe
Schriften zum Bürgerlichen Recht
Band 71
Ehewohnung und Hausrat in der ungestörten Ehe Besitz . Gebrauchsüberlassung • Recht zum Besitz
Von
Dr. Andreas Schulz
DUNCKER & HUMBLOT/BERLIN
Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berl1n 41 Gedruckt 1982 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berl1n 65 Printed in Germany
© 1982 Duncker
ISBN 3 428 05123 8
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 1981 vom Juristischen Fachbereich der Ludwig-Maximilians-Universität in München als Dissertation angenommen worden. Literatur und Rechtsprechung konnten bis Ende 1981 berücksichtigt werden. Die Anregung zu dieser Untersuchung erhielt ich von meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Dieter Medicus, dem ich für vielfältige Förderung und Unterstützung zu sehr herzlichem Dank verpflichtet bin. Herrn Ministerialrat a. D. Professor Dr. J. Broermann danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe zum Bürgerlichen Recht. München, im Dezember 1981
Andreas Schulz
Inhaltsverzeichnis Einleitung § 1.
Gegenstand und Gang der Untersuchung ...................... . . . .
15
§ 2.
Grundlegung.....................................................
17
I. Der Besitz ..................................................
17
11. Das Recht zum Besitz ......................................
19
111. Das Recht auf Besitz. . .. . .. ... . . ... . ..... . . . .. . .. .. .. ... ....
20
IV. Der Rechtsbegriff "Ehewohnung" ............................
20
V. Der Hausrat ................................................
21
Erster Teil Ehegattenbesitz an Hausrat und Ehewohnung; ein Abriß historisdler Auffassungen und Entwicklungen § 3.
Vorbilder ........................................................
23
I. Das Ehegüterrecht der Partikularrechte ............. . . . . . . . ..
23
11. Besitzt der Mann kraft seiner Stellung als Haushaltungsvorstand? ..................................................... 25 § 4. Die güterrechtliche Lösung des BGB ..............................
27
I. Der gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutznießung 28
§ 5.
11. Die Besitzverhältnisse bei Gütertrennung ....................
31
111. Sonstige Güterstände ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
32
Neuorientierung durch sozialen Wandel..... . . . . . . .. . .. . . . .. .. . . ..
32
8
Inhal tsverzeiclmis I. Hausfrauenehe versus Doppelverdienerehe
§ 6.
34
11. Gleichberechtigung als Reformprogramm ....................
36
111. 110m lJntertan zum Staatsbürger ............................
40
111. Bedeutungswandel der Ehewohnung .........................
42
Praktisches lJngenügen der güterrechtlichen Betrachtungsweise ....
46
I. Wohnungszuteilung nach der Scheidung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
46
11. Die Hausratsverordnung ....................................
49
111. RGZ 87, 56 ..................................................
50
N. Die Herausbildung einer neuen h. M.: Schlichter Mitbesitz der Ehegatten an Hausrat und Ehewohnung ..................... 52 11. Theoretische und methodische Zusammenfassung - Wandel des Rechts .................................................. 54
Zweiter Teil
Die Besitzverhältnisse an Hausrat und Ehewohnung nach heutigem Recht § 7.
Besitz an Hausrat und Ehewohnung ,im gesetzlichen Güterstand und bei Gütertrennung ............................................... 56 I. Das 11erfassungsargument ...................................
56
11. Theoretische Grundlegung: Mitbesitz kraft gemeinschaftlicher Sachherrschaft .............................................. 57 111. Die Besitzverhältnisse am Hausrat bei ungestörter Ehe im gesetzlichen Güterstand oder bei Gütertrennung ................ 63 111. Besitz der Ehewohnung im gesetzlichen Güterstand und bei Gütertrennung.............................................. 67
§ 8.
11. Die Zwangsräumung der Ehewohnung .......................
69
Die Besitzverhältnisse in der Gütergemeinschaft ..................
73
I. Besitzverhältnisse bei. gemeinschaftlicher 11erwaltung ........
73
Inhaltsverzeichnis
9
II. Verwaltung des Gesamtgutes durch nur einen Ehegatten
74
§ 9. Die Besitzverhältnisse bei faktischem Getrenntleben ..............
76
1. Dauerndes faktisches Getrenntleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
77
II. Vorübergehendes faktisches Getrenntleben ...................
79
II1. Exkurs: Getrenntleben innerhalb einer Wohnung. . . . . . . .. . . ..
80
Dritter Teil
Gebraucbsilberlassungsansprurh und ReclJ.t zum Besitz § 10. Der Gebrauchsüberlassungsanspruch .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
1. Die Begründungsversuche ...................................
85
II. Zusammenfassung...........................................
88
§ 11. Das Unterhaltsrecht als Grund der Gebrauchsüberlassung . . . . . . . . ..
89
I. Eignung des Unterhaltsrechts ................................
90
II. Unterhaltsrechtliche Bereitstellung der Ehewohnung .. , . ... . ..
91
III. Gebietet das Unterhaltsrecht auch die Gebrauchsüberlassung von Hausrat? ............................................... 95 IV. Klagbarkeit und Vollstreckbarkeit des unterhaltsrechtlichen Gebrauchsüber'lassungsanspruches ........................... 97 V. Zusammenfassung...........................................
98
§ 12. Ist § 1353 I, 2 geeignet, einen Überlassungsanspruch zu begründen?
99
1. Anwendbarkeit des § 1353 im Vermögensrecht ................ 100 II. Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ...................... 101 III. Die Schwierigkeit, konkrete Pflichten aus der Generalklausel abzuleiten .................................................. 103 IV. Die auf § 1353 I, 2 gestützte Gebrauchsüberlassung im einzelnen 105 § 13. Grenzen und Ende der Gebrauchsüberlassungspflicht .............. 110
I. Wie verliert Wohnraum die Qualität "Ehewohnung"? ........ 110
10
Inhal tsverzeiclmis II. Einzelfälle
116
III. Wie verlieren bewegliche Sachen die Qualität "Hausrat"? .... 118 § 14. Vermittelt die Ehe ein Recht zum Besitz der Ehewohnung und des
Hausrates? ............ :......................................... 119 1. Unzulässige Rechtsausübung oder Recht zum Besitz? ......... 120
II. Recht zum Besitz und Pflicht zur Gebrauchsüberlassung ...... 120 III. Die Tragweite des Besitzrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 122 IV. Das Erlöschen des Besitzrechtes während ungestörter Ehe .... 124
Vierter Teil
Varia § 15. Die Ehe als gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis
126
1. Wird der Eigentümer, der seiner Gebrauchsüberlassungspflicht
genügt, zum mittelbaren Besitzer des überlassenen Hausrates bzw. Wohnraumes? .......................................... 126
II. übereignung von Hausrat unter Ehegatten
128
§ 16. Schadens- und Nutzungsersatzansprüche .......................... 130
I. Eigentumsverletzungen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch .. 130 II. Haftung des nichtberechtigten Ehegatten auf Nutzungs- und Schadensersatz .............................................. 134
Anhang: Remtsprecb.ungsübersicb.t
137
Literaturverzeicb.nis
139
Abkürzungsverzeichnis a.A.
aaO. abI. Abs. AcP a.F. AG ALR Ambrock amt!. Anm. Arch. f. Bürg. R. Art. Aufl. BaumbachILauterbach 1 Bearbeiter Baur,SachR BayObLG BayObLGZ BayZ Bd. Beitzke Betrieb BGB BGH BGHZ BR BT-Drucks. BWNotZ
anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Absatz Archiv für die civilistische Praxis alte Fassung Amtsgericht Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Ehe und Ehescheidung, 1977 amtlich Anmerkung Archiv für Bürgerliches Recht Artikel Auflage Zivilprozeßordnung, 38. Aufl., 1980
bzw.
Lehrbuch des Sachenrechts, 10. Auf1., 1978 Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des BayObLG in Zivilsachen Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Band Familienrecht, 22. Aufl., 1981 Der Betrieb Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Bürgerliches Recht Drucksachen des Deutschen Bundestages Mitteilungen aus der Praxis. Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg beziehungsweise
D ders. DGVZ d.h. DJ DJZ dies. Diss. Dölle DR
Digesten derselbe Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung das heißt Deutsche Justiz (1933-1945) Deutsche Juristenzeitung dieselbe Dissertation Familienrecht, 2 Bände, 1964/65 Deutsches Recht (bis 1939)
12 DRspr. DVO
Abkürzungsverzeichnis Deutsche Rechtsprechung, Entscheidungssammlung und Aufsatzhinweise Durchführungsverordnung
ebd. EheG Erman I Bearbeiter
ebenda Ehegesetz vom 20. 2. 1946 Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 7. Aufl., 1981
f. (ff.) FamRZ
folgende (mehrere folgende) Seiten oder §§ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht Das Schuldrecht, 6. Aufl., 1976 Fußnote Familienrecht Festschrift
Fikentscher, SR Fn. FR FS GG gem. Gernhuber, FR Gernhuber, BR GerVZ ggf. Gruchot HausrVO Heck, SachR h.M. Hoffmann I Stephan HRR Hs. HW
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gemäß Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl., 1980 Bürgerliches Recht, Ein systematischer Leitfaden in 50 Übersichten, 1976 Gerichtsvollzieherzeitung gegebenenfalls Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von J. A. Gruchot Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrates (Hausratsverordnung) Grundriß des Sachenrechts, 1930, Nachdruck 1960 herrschende Meinung Ehegesetz, 2. Aufl., 1968 Höchstrichterliche Rechtsprechung Halbsatz Haus und Wohnung
i. d. R.
in der Regel insbesondere
Jauernig I Bearbeiter JbAkDR JheringsJB JR JuS JW JZ
Bürgerliches Gesetzbuch, 1979 Jahrbuch der Akademie des Deutschen Rechts Jherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
KG Kipp/Wolff krit. KritJ
Kammergericht Das Familienrecht, 7. Bearbeitung, 1931 kritisch Kritische Justiz
LG LiSp
Landgericht linke Spalte
insbes.
Abkürzungsverzeichnis LM LZ
13
Lindenmaier-Möhring, Nachschlagwerk des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht
m.w.Nachw.
Materialien Monatsschrift für Deutsches Recht Bürgerliches Recht, 10. Auf!., 1981 Motive zum BGB Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1899/1900 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1978 f:C. mit weiteren Nachweisen
NdsRpfl. NJW Nr.
Niedersächsische Rechtspflege Neue Juristische Wochenschrift Nummer
OLG OLGZ
Oberlandesgericht Entscheidungen der OLGe in Zivilsachen
Palandt /Bearbei ter pFV PKW Planck/Bearbeiter PR Protokolle
Bürgerliches Gesetzbuch, 41. Aufl., 1982 positive Forderungsverletzung Personenkraftwagen Bürgerliches Gesetzbuch, 3. Aufl., 1906 Privatrecht Protokolle der Kommission für die II. Lesung des Entwurfs des BGB
RdL RG RGBl. RGZ RGSt RGRK-Bearbeiter
Recht der Landwirtschaft Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des RG in Zivilsachen Entscheidungen des RG in Strafsachen Kommentar, hrsg. von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern, soweit erSchienen 12. AUfl., 1974 ff., sonst 11. Auf!. 1. EheRG, 1977 1. EheRG, Das neue Ehe- und Scheidungsrecht, 1978 Der deutsche Rechtspfleger rechte Spalte Rechtsprechung Randziffer
Mat. MDR Medicus,BR Motive Mugdan MünchKomm-Bearbeiter
Rolland Roth-Stielow RPfl. r.Sp. Rspr. Rz.
S. s.
SachR Schrift. d. V. f. Socialp. Seuffert Archiv Soergel/Bearbeiter SR Staudinger /Bearbeiter
Satz oder Seite siehe Sachenrecht Schriften des Vereins für Socialpolitik Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Bürgerliches Gesetzbuch, soweit erschienen 11. Aufl., 1978 ff., sonst 10. Aufl., 1967 ff. Schuldrecht Kommentar zum BGB, soweit erschienen 12. Aufl., 1978 ff., sonst 11. Aufl., 1957 ff.
14
stein/ J onas/Bearbeiter StudKomm-Bearbeiter stVollzG
Abkürzungsverzeichnis Kommentar zur Zivilprozeßordnung, soweit erschienen 20. Aufl., 1978, sonst 19. Aufl., 1972 ff. Beuthien u. a., Studienkommentar zum BGB, 2. Aufl. Strafvollzugsgesetz vom 16. 3. 1976
Thomas/Putzo
Zivilprozeßordnung, 11. Aufl., 1981
u.
und
VersR vgl. Vhdlg. d. Dt. Juristentages VO Vor. VSWG
Versicherungsrecht vergleiche Verhandlungen des Deutschen Juristentages Verordnung Vorbemerkungen (zu) Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
Warneyer Rspr. Westermann, SachR WRV
Warneyer, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts Harry Westermann, Sachenrecht, 5. Aufl., 1966 Wertpapiermitteilungen Sachenrecht, 10. Aufl., 1957 Weimarer Reichsverfassung
ZAkDR z.B. ZMR ZPO ZS zust. ZV ZZP
Zeitschrift der Akademie des Deutschen Rechts zum Beispiel Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozeßordnung Zivilsenat zustimmend Zwangsvollstreckung Zeitschrift für Zivilprozeß
WM
WoIff/Raiser
Einleitung § 1. Gegenstand und Gang der Untersuchung
Die Ehe, die rechtlich anerkannte Verbindung von Frau und Mann, hat neben den persönlichen auch erhebliche vermögensrechtliche Auswirkungen. Von diesen handelt die vorliegende Untersuchung. Aus dem Kreis der vielfältigen vermögensrechtlichen Folgen soll aber nur ein Ausschnitt interessieren: Besitz und Besitzberechtigung an Hausrat und Ehewohnung. Dies allerdings ist ein wichtiger Ausschnitt, denn Hausrat und Wohnung bilden den sächlichen Rückhalt der ehelichen Lebensgemeinschaft. Gemeinsames Leben fordert eine gemeinsame Wohnung, die Ehewohnung, und eine Ausstattung der Räume, den Hausrat. Es war lange umstritten, wie die gemeinsame Benützung der Wohnung und des Mobiliars besitzrechtlich zu beurteilen ist. Ist der Mann Alleinbesitzer, die Frau nur Besitzdie~rin? Oder sind beide Ehegatten schlichte Mitbesitzer, gleichviel, wem der Hausrat gehört, wer Eigentümer oder Mieter der Wohnung ist? In einem ersten rechtsgeschichtlichen Teil der Arbeit soll anhand dieser Auseinandersetzung gezeigt werden, auf welchen historischen Grundlagen die heutige Beurteilung des Ehegattenbesitzes beruht. Von der güterrechtlichen Konzeption des BGB-Gesetzgebers des Jahres 1900 bis zur heutigen Auffassung lassen sich die Stationen eines Wandels verfolgen, die ohne Abreißen der Kontinuität vom Alleinbesitz des Mannes bis zur generellen Anerkennung des Mitbesitzes bei der Gatten an Hausrat und Ehewohnung führen. Welche Triebkräfte haben diesen Umschwung bewirkt? Läßt sich ein Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Veränderungen und dem Wandel des Rechts nachweisen? Der zweite Teil der Arbeit gilt der aktuellen Rechtslage: Ist die heute herrschende Ansicht - :Mitbesitz der Ehegatten an Hausrat und W ohnung - zutreffend? Häufig liest man, der Ehegattenmitbesitz folge aus dem Wesen der Ehe oder dem Grundsatz der Gleichberechtigung. Aber lassen sich die Besitzverhältnisse nicht aufgrund der Sachherrschaft bestimmen?
§ 1: Gegenstand und Gang der Untersuchung
16
Allerdings ist es eine umstrittene Frage, wann von tatsächlicher Sachherrschaft i. S. des § 854 11 gesprochen werden kann. Vielfach wird auf die Verkehrsauffassung verwiesen2 • Mit dieser Arbeit soll dagegen versucht werden, aus dem Besitzrecht des BGB als Gesamtheit die Tatbestandsvoraussetzungen des "Besitzes im Rechtssinne" zu erschließen, also einen juristischen Begriffsinhalt zu definieren. Läßt sich mit dieser Vorgehensweise nachweisen, daß die Ehegatten tatsächlich in aller Regel als Mitbesitzer ihrer gemeinsamen Wohnung und des Hausrates anzusehen sind? Sind sie Mitbesitzer dieser Sachen unabhängig davon, in welchem Güterstand sie leben, losgelöst auch davon, wem Wohnung oder Hausrat gehören? Der durch das Gleichberechtigungsgesetz aus dem Jahre 1957 neu eingeführte gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft läßt die Vermögensmassen der Ehegatten rechtlich getrennt, mit der Folge, daß auch Hausrat und Ehewohnung häufig zum Vermögen nur eines der Ehegatten gehören. Gemeinschaftlich ist dagegen der Gebrauch. Das Spannungsverhältnis zwischen individueller Rechtszuständigkeit und lebensgemeinschaftlicher Zweckwidmung ist Thema des umfangreichen dritten Teiles dieser Arbeit, der dem Gebrauchsüberlassungsanspruch und dem Recht zum Besitz gewidmet ist: Ist der Eigentümer eines Hausratsgegenstandes oder der Ehewohnung verpflichtet, sie dem Partner zum Mitgebrauch zu überlassen? Der Unterhaltsanspruch des NichteigentÜffier-Ehegatten gern. §§ 1360 f. oder die Generalklausel des § 1353 I, 2 könnten eine differenzierte Antwort· auf diese Frage erlauben. Das Recht zum Besitz (§ 986 I) tritt schließlich in den Vordergrund, wenn es dann darum geht, ob der Eigentümer, der seine Möbel oder seine Wohnung in die Ehe eingebracht hat, diese "vergemeinschafteten" Sachen von seinem Partner unter Berufung auf sein Eigentum gern. § 985 wieder herausverlangen kann. Falls dies regelmäßig nicht gelingen sollte, so müßte jedoch in Ausnahmefällen eine flexible Anpassung der Gebrauchsüberlassungspflicht an geänderte Bedingungen möglich sein. Es soll versucht werden, die Entwidmung der Ehewohnung oder des Hausrates als actus contrarius der Widmung näher zu bestimmen. Könnte nicht die Widmung zum Kreis derjenigen Fragen zählen, die die Ehegatten durch einvernehmliche Regelung i. S. des § 1356 I lösen 1 2
§§ ohne Angabe des Gesetzes sind solche des BGB. Nachweise und im einzelnen unten §§ 7-9.
§ 2: Grundlegung
17
müssen, folglich die Entwidmung den Gesetzen folgen, die für die Abänderung oder Aufhebung der Regelungen nach § 1356 gelten? Die Erörterung zweier mit dem Thema eng verbundener Einzelfragen soll schließlich das Bild abrunden: Wie können Ehegatten bei ungestörter Ehe einander Hausrat übereignen? Und: Kann der Eigentümer bei Beschädigung überlassenen Hausrates oder Wo~raumes durch den Partner von diesem Ersatz verlangen? § 2.
Grundlegung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Problemkreis: Ehegattenbesitz an Ehewohnung und Hausrat, also mit den rechtlichen Zusammenhängen zwischen drei mehr oder weniger abstrakten Begriffen. Eine begriffliche Grundlegung ist dem Verständnis daher dienlich:
I. Der Besitz Gemessen an den Auseinandersetzungen um den richtigen Begriff vom Besitz im 19. Jahrhundertl haben heute die Kontroversen ihre Schärfe verloren, die Kodifikation des Besitzrechts~ hat streitschlichtend gewirkt.'!. Ganz ausgestanden ist der Streit um das "Wesen des Besitzes" allerdings nicht4 • 1. Rechtshistorische Untersuchungen müssen den zeitgenössischen Begriffsinhalt ins Auge fassen. So kann es beispielsweise nicht gelingen, die Besitzlage am eingebrachten Gut der Frau in der Konzeption des 1. Entwurfs zum BGBvon 1888 mit heutiger Begrifflichkeit zu fassen, denn dieser Entwurf folgte im Besitzrecht der von Savigny begründeten Besitzlehre des Gemeinen Rechts. Danach war eigentlicher oder juristischer Besitz nur bei Sachherrschaft mit Eigenbesitzwillen (animus domini) anerkannt5 , jede andere Sachherrschaft galt als Inhabung in fremdem Namen, (bloße) Detention genannt. Mieter oder Nießbraucher galten nur als Inhaber, nicht als Besitzer. Konsequenterweise konnte der Ehemann, der das eingebrachte Gut seiner Frau wie ein Nießbraucher 1 Grundlegend: Savigny, Das Recht des Besitzes (1803); Jhering, 'Ober den Grund des Besitzschutzes, 1869; ders., Der Besitzwille, 1889; ders., Der Besitz, JheringJB 32,41; Gierke, Die Bedeutung des Fahrnisbesitzes, 1897. Z So verstanden meint "Besitzrecht" den Inbegriff der Normen, die sich auf den Besitz als solchen und den Besitzschutz beziehen. Davon streng zu scheiden ist das "Recht zum Besitz", gelegentlich leider auch Besitzrecht genannt. a Staudinger/Seuffert, Vor § 854 Rz.1: " ... wesentliche Vereinfachung der früher so verwickelten Materie". 4 VgI. Sandtner, Kritik der Besitzlehre, Diss. München 1968. 5 Savigny, ebd., § 9; § 797 des 1. Entwurfs, vgI. Synopse bei Mugdan IU, S.IV.
2 A. Sdlulz
§ 2:. Grundlegung
18
verwalten sollte6 , auch nicht als Besitzer des Ehegutes, das seiner Frau gehörte, angesehen werden. 2. Das BGB in seiner verabschiedeten Fassung erkennt jede selbständige Sachherrschaft als Besitz an, § 854, nur die unselbständige, weisungsgebundene wird gern. § 855 wie die frühere Detention angesehen. An den Besitzwillen sind nur mehr vereinzelt unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft'i. Eine Sache kann auch mehrere Besitzer haben: Unmittelbarer Mitbesitz liegt vor, wenn mindestens zwei Personen gleichzeitig die tatsächliche Gewalt über die Sache ausüben (§ 666)8. Gern. § 868 kann der Besitz jedoch auch gestuft sein in mittelbaren und unmittelbaren Besitz, d. h. ein unmittelbarer Besitzer übt die tatsächliche Gewalt auf Dauer eines zeitlich begrenzten Rechtsverhältnisses für den mit der Sache nicht in tatsächlicher Berührung stehenden mittelbaren Besitzer aus. Dieser ist jenem rechtlich übergeordnet. Der mittelbare Besitz ist die Anerkennung der geistigen Sachherrschaft9 und ebenfalls vollwertiger Besitz1o • 3. Nach heute überwiegend vertretener Auffassung ist "Besitz" die rechtliche Anerkennung der tatsächlichen Beziehung zu einer Sache, prinzipiell ohne Rücksicht auf die Rechtsbeziehung zu ihrl l • Diese Trennung von Besitz und Recht zum Besitz ist römischrechtlichen Ursprungs12• Häufig ist es zweifelhaft, ob von tatsächlicher Sachherrschaft gesprochen werden kann, weil die Orientierung am Tatsächlichen schwierig ist. In diesen Fällen findet sich oftmals der Versuch, von dem Recht an der Sache (oder auf die Sache) auf die tatsächliche Besitzlage zu schließen, eine Schlußfolgerung, die es "eigentlich" nicht geben dürfte. Dieser Schluß begegnet auch und gerade bei der Beurteilung des Ehegattenbesitzes1.'!. e §§ 1292, 1883 des 1. Entwurfs, vgl. Mugdan IV, S. XV ff. §§ 900, 927, 937 ff., 955. 8 Vgl. Palandt/Bassenge, § 866 Anm. 1; Baur, SachR, § 7 D 11 .. 9 H. Westermann, SachR, § 8, 1. 10 SoergeIlMühl, § 868 Rz. 2; Baur, SachR, § 7 B !II, 1 a. 11 h. M.: Westermann, SachR, § 8, 1; Baur, SachR, § 3 !I, 1 a, § 7 B 11, 1 bb; Erman/Werner, Vor 854 Rz. 1; a. A.: Sandtner, Diss., S. 47 ff. 1! Ulpian, D 41, 2, 12, 1: Nihil eommune habet possessio eum proprietate; ders., D 43, 17, 1, 2: Seperata esse debet possessio a proprietate; Paulus, D 41, 2, 1, 3: res faeti non iuris; vgl. Kaser, Römische Rechtsgeschichte, § 94 I, 1; Windscheid, Pandekten, 9. Aufl., § 148: "Indem wir von Besitz reden, sehen 7
wir von dem Recht zu besitzen ab." 13 Erle, Besitzverhältnisse unter Ehegatten, Diss. 1960, S. 59 ff., meint sogar, erst das Recht der Ehegatten zum Mitbesitz bestimmen zu müssen, um
II. Das Recht zum Besitz
19
4. Die Frage nach dem "Wesen des Besitzes", Faktum oder Recht14, ist durch das BGB nicht beantwortet worden; wir stehen einer Streitentscheidung heute kaum näher als 1900. Soweit die Frage praktisch wird, ist ihr nachzugehen15 , ansonsten begnügt man sich heute zu Recht mit der pragmatischen Einsicht, daß das Faktum Besitz eine rechtliche Stellung verleiht16 • II. Das Recht zum Besitz Das BGB sieht, wenn es von Besitz spricht, von dem Recht zu besitzen ab17• Das Recht zum Besitz findet sich in § 98618 • Diese Vorschrift geht systematisch von einer geklärten Besitzlage aus, denn ob dem Inhaber der Sache ein Recht zum Besitz zur Seite steht, wird erst gefragt, wenn sicher ist, daß er Besitzer ist19 • Gleichwohl finden sich immer wieder Entscheidungen, die den Besitz aufgrund des Rechtes zum Besitz bestimmen wollen. Es muß sich zeigen, ob argumentative Nachlässigkeit oder aber Unstimmigkeit des Besitzbegriffes dafür verantwortlich zu machen sind. Das Recht zum Besitz folgt dem materiellen Recht, es kann dinglicher Natur (Pfandrecht, Nießbrauch) aber auch schuldrechtlichen Ursprungs sein (Miete, Vorbehaltskauf). Die Frage, ob darüber hinaus auch Rechte zum Besitz anzuerkennen sind, die sich aus den "tatsächlichen Lebensverhältnissen"2o ergeben, die "familienrechtlicher Natur"21 sind oder noch konkreter, die aus der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft" folgen, führt zum Kern dieser Arbeit: Gibt die ungestörte Ehe dem Nichteigentümer-Ehegatten ein Recht zum Besitz der Ehewohnung und des Hausrats des anderen Ehegatten? dann damit die tatsächliche Besitzsituation beschreiben zu können. - Diese Vorgehensweise ist verfehlt; die Besitzverhältnisse sind häufig nicht so, wie sie sein sollten. Vorläufig läßt sich sagen, daß die mehr vom Recht zum Besitz ausgehende Vorgehensweise bis 1950, der Schluß vom Tatsächlichen auf den (unmittelbaren!) Besitz in der Folgezeit dominierte. 14 Schon Jhering diente diese Frage als Illustration für das Getümmel im juristischen Begriffshimmel, Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, S.282. 15 Exemplarisch für den deliktischen Schutz des Besitzes, vgl. Medicus, AcP 165 (1965), 115 (137 ff.). Ansonsten vgl. zum "Besitz" die kaum übersehbare Literatur bei StaudingerlSeuffert, Vor § 854 Rz. 10. 18 Vgl. StaudingerlSeuffert, Vor § 854 Rz. 10; RGRK-Kregel, Vor § 854 Rz. 2: "rechtsähnliche Stellung"; Palandt/Bassenge, Vor § 854: "vorläufiges Recht". 17 Vgl. oben Anm. 11 und 12. 18 Auch in § 868. 19 § 986 I: "Der Besitzer kann ... ". 2G RGRK-Pikart, § 986 Rz. 3. 21 Erman/Hefermehl, § 986 Rz. 5; Palandt/Bassenge, § 986 Anm. 2 a. 22 SoergellMühl, § 986 Rz. 5. 2"
20
§ 2: Grundlegung
Ein Vergleich mit anderen, gesicherten Rechten zum Besitz liegt nahe, insbesondere, wenn Diederichsens These von der "inneren Gleichartigkeit aller Besitzrechte,,2:) richtig wäre.
III. Das Recht auf Besitz Endlich ist vom Recht zum Besitz das Recht auf Besitz zu unterscheiden. Mit diesem ist der Anspruch eines Nicht-Besitzers auf Einräumung des Besitzes gemeint;U. Der Anspruch auf Besitzüberlassung unterscheidet sich vom Recht zum Besitz. Dieses stabilisiert die Besitzlage, jener dynamisiert sie. Recht auf und Recht zum Besitz stehen jedoch augenscheinlich nicht neutral nebeneinander. Der Mieter beispielsweise hat einen Anspruch auf den Besitz der Mietsache aus den §§ 535, 536. Ist er unmittelbarer Besitzer, so steht ihm aus eben diesen Vorschriften ein Recht zum Besitz zur Seite. Den Zusammenhang zwischen Recht auf Besitz und Recht zum Besitz gilt es zu beachten, wenn im dritten Teil dieser Arbeit versucht werden soll, aus der Pflicht des Eigentümer-Ehegatten, die Ehewohnung und den Hausrat dem Partner zu überlassen, das Besitzrecht des Nichteigentümers zu bestimmen.
IV. Der Rechtsbegriff "Ehewohnung" Eine Legaldefinition dessen, was unter "Ehewohnung" zu verstehen ist, findet sich nicht25 • Die Rechtsprechung zu § 1 HausratsVQ26 hat den Begriff konturiert. Danach ist Ehewohnung die Bezeichnung
der gemeinsamen Räumlichkeiten, in denen beide Ehegatten wohnen, gewohnt haben oder bestimmungsgemäß wohnen sollten2T • In welcher rechtlichen Beziehung die Ehegatten zu der Wohnung stehen, ist gleichgültig28, sie mag gemietet, geliehen, Eigentum eines oder beider Ehegatten sein. Die Ehewohnung muß nicht abgeschlossen sein, auch ein einzelner Raum, Nebenräume, Baracken, sogar Wohnwagen29 gelten als solche, wenn nur die definitionsgemäßen Voraussetzungen vorliegen. 23 Diederichsen, Das Recht zum Besitz aus Schuldverhältnissen, S.93; grundlegend: MaTtin Wolff, Das Recht zum Besitz, FS Koch, 1903; Raiser, Eigentumsanspruch und Recht zum Besitz, FS Wolff. U Zur Definition des Anspruchs: § 194. !$ Erwähnung in § 1567 I, 2; §§ 1 ff. HausrVO. H Die HausrVO als 6. DVO zum EheG stammt aus der Endphase des 2. Weltkrieges und gilt, mehrfach geändert, bis heute fort. 27 BayObLG FamRZ 71, 36 m. w. Nachw.; Erman/Ronke, § 1 HausrVO RZ.13. 28 BayObLGZ 56, 156 . • 1 BGH DRspr. 164,44 b = HW 52, 452; BGH LM NT. 1 zu § 3 HausrVO.
V. Der Hausrat
21
1. Sind mehrere Wohnungen vorhanden, so ist für jede zu prüfen, ob sie Ehewohnung ist, denn nach verbreiteter Ansicht3() können die Ehegatten auch über mehrere Ehewohnungen gebieten.
Diese Ansicht ist allerdings nicht bedenkenfrei: Die Ehewohnung ist von besonderer Bedeutung für das gemeinsame Leben. Deshalb hat beispielsweise der sogenannte "räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe" gegenüber Dritten besonderen Schutz gefunden31 als materieller Reflex der eigentlich schutzwürdigen ideellen Verbindung. Die Ehewohnung verdient und erfährt eine rechtliche Sonderbehandlung, weil sie Mittelpunkt und räumlicher Rückhalt der Familie ist. Zweitwohnungen, die als Kapitalanlage dienen, Ferienwohnungen oder Geschäftsräume mit Schlafgelegenheit stellen eheliche Vermögenswerte, aber keine Ehewohnung dar32• 2. Das Wort "bestimmungsgemäß" in der Definition des Rechtsbegriffes "Ehewohnung" weist auf ein wichtiges Detail hin: Wohnraum wird zur Ehewohnung, indem die Eheleute ihn dazu bestimmen (Widmung), entweder durch einen Beschluß oder durch die tatsächliche Betätigung des Widmungswillens. 3. Auch auf eine gewisse Dauer ist nicht zu verzichten. Ein von den Ehegatten für einige Tage angemietetes Hotelzimmer wird nicht zur Ehewohnung.
v.
Der Hausrat
Der Begriff Hausrat (§§ 1 ff. HausrVO) findet sich im BGB nicht, die §§ 1361 a, 1369, 1370, 1932 sprechen von Haushaltsgegenständen. Die Begriffe decken sich33 ; Hausrat ist gebräuchlicher und wird im weiteren Verlauf der Arbeit mit folgender Bedeutung verwendet34 :
Alle beweglichen Sachen, die von den Eheleuten für die gemeinsame Wohnung, Hauswirtschaft oder das Zusammenleben bestimmt sind. Hausrat muß in mancherlei Hinsicht rechtlich anders behandelt werden als das übrige Vermögen der Ehegatten, weil er für das gemeinsame eheliche Zusammenleben die materielle Grundlage bildet. Ob ausgesprochene Luxusgegenstände zum Hausrat rechnen35 , muß anhand 30 BayObLGZ 56, 156; MünchKomm-Müller-Gindullis, § 1 6. DVO EheG Rz. 8.; HOffmann/Stephan, § 1 6. DVO EheG Rz. 24. 31 BGHZ 6, 360. a! Vgl. aber KG FamRZ 74, 198 f.; zust. MünchKomm-Müller-Gindullis, § 1 6. DVO EheG Rz. 8. 13 Vgl Erman/Ronke, § 1 HausrVO Rz.14; Hoffmann I Stephan, § 1 6. DVO EheG Rz. 29; MünchKomm-Müller-Gindullis, § 1 6. DVO EheG Rz. 10. M Ausgehend von Kuhnt, Acp 150, 132; ansonsten vgl. Anm.33. 35 Dagegen BayObLGZ 52, 281 im Anschluß an die amtliche Begründung DJ 44, 278 zu § 1; allerdings Klavier kein Luxus.
§ 2: Grundlegung
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des tatsächlichen Gebrauchs dieser Sachen durch die Ehegatten und der Bestimmung für das Zusammenleben ermittelt werden. Nicht die Schlichtheit, sondern die Widmung innerhalb der Lebensgemeinschaft entscheidet darüber, ob es sich um Hausrat handelt36 • Somit sind die zum ausschließlich persönlichen Gebrauch eines Ehegatten dienenden Sachen (vgl. § 1362 11) kein Hausrat, da sie nicht dem gemeinsamen ehelichen Leben zu dienen bestimmt sind3T • Im einzelnen gibt es viele Grenzfälle38 , der Kreis der beweglichen Sachen, die (potentiell) Hausrat sein könnten, ist kaum einzugrenzen, so daß die Anschauung des Lebens gerade in kritischen Fällen nicht weiterhilft. Das entscheidende Kriterium ist, wie schon bei der Ehewohnung, in der Widmung zu sehen. Beispiel: Daß eine Waschmaschine, bzw. das täglich benutzte Geschirr dem Hausrat zuzurechnen sind, macht keine Schwierigkeit. Ob dagegen die Schallplattensammlung, die Musikinstrumente, Kunstwerke und der PKWS8 zum Hausrat zählen, ist nur danach zu entscheiden, ob sie der ehelichen Lebensgemeinschaft gewidmet, ob sie - um es etwas überspitzt zu sagen vergemeinschaftet worden sind.
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So auch MünchKomm-Müller-Gindullis, ebd.; Palandt/Diederichsen,
§ 1369 Anm. 2 a.
So schon die Amtliche Begründung DJ 44, 278 zu § 1 HausrVO. Vgl. MünchKomm-Wacke, § 1361 a Rz. 5; Erman/Ronke, § 1 6. DVO EheG Rz. 14 f.; viele Beispiele bei Kuhnt, AcP 150, 133 f. 38 Wohl nicht haltbar AG Bremen, FamRZ 64, 370: PKW niemals Hausrat; vgl. KG FamRZ 75, 164 f.; MünchKomm-Müller-Gindullis, § 1 6. DVO EheG Rz. 10; Erman/Ronke, § 1 HausrVO Rz. 14; und jetzt: OLG Karlsruhe, FamRZ 76,93; OLG Köln, FamRZ 80, 249; Weimar, JR 78, 180. 37 38
Erster Teil
Ehegattenbesitz an Hausrat und Ehewohnung; ein Abriß historischer Auffassungen und Entwicklungen §
3. Vorbilder
Die Frage nach Besitz und Besitzberechtigung der Ehegatten läßt sich nicht befriedigend beantworten, ohne die historischen Vorgaben und Entwicklungen einzubeziehen. Dies gilt in besonderem Maße, weil das Familienrecht vielfach umgestaltet worden ist, aber auch in heutigen Regelungen noch Rudimente obsoleten Rechts sich finden, die für ein unhistorisches Verstehen unzugänglich sind. Welche Vorbilder haben auf den Gesetzgeber des BGB der Jahrhundertwende gewirkt, was den Ehegattenbesitz an Hausrat und Ehewohnung anbetrifft? In den Partikularrechten lassen sich zwei Betrachtungsweisen dieses Problems unterscheiden: Die besitzrechtliche Bevorzugung des Mannes war entweder im Güterrecht verankert (güterrechtliche Lösung, unten I) oder wurde als Ausfluß der prinzipiellen männlichen Vorherrschaft verstanden (unten II).
I. Das Ehegüterrecht der Partikularrechte 1. Das römische Dotalrecht kennt keine Sonderregel für Haus oder Hausrat. Von allen Güterrechten beließ das gemeinrechtliche der Frau die größte Selbständigkeit]; es galt der Grundsatz, "daß die Ehe weder der Frau an dem Vermögen des Mannes, noch dem Manne an dem Vermögen der Frau irgendwelche Rechte"2 verlieh. Charakteristisch ist die Dotation. Als Ausgleich für den Aufwand des Mannes, der die finanziellen Lasten der Ehe zu tragen hatte, gewährte die Frau selbst oder deren Vater die dos 3 , deren Eigentümer der Mann wurde4 • Dernburg, Pandekten, 5. Aufl., Bd. UI, § 11. Windscheid, Pandekten, 9. Aufl., § 491. 3 = ein seitens der Frau dem Manne zugewendetes Vermögen: vgl. Dernburg, § 13. , Nicht unbestritten aber h. M., vgl. Windscheid, aaO., § 496; Dernburg, § 18. 1
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§ 3: Vorbilder
Da Hausrat und Wohnraum als materieller Aufwand für das gemeinsame Leben zum Pflichtenprogramm des Mannes zählten, war dieser in aller Regel deren Besitzer, entweder weil er sie aus seinem Vermögen bereitgestellt hatte oder weil sie zwar als Teil der dos von der Frau herrührten, diese jedoch während der Ehe im Eigentum und Besitz des Mannes sich befand. Besitz der Frau an Hausratsstücken war aber nicht ausgeschlossen~. 2. Auch im Preußischen Allgemeinen Landrecht (ALR) fehlte eine Spezialvorschrift für Hausrat oder Ehewohnung. Diese Materie wurde - ungenannt - vom Güterrecht erfaßt: Das ALR sah als gesetzlichen Güterstand Gütertrennung und ehemännliche Verwaltung der eingebrachten Sachen der Frau wie ein Nießbraucher vor (ALR H, 1, §§ 231, 205)6. Diese erfaßte Hausrat und Ehewohnung, denn von der männlichen Verwaltung ausgenommen war nur das Vorbehaltsgut, "was nach seiner Beschaffenheit zum Gebrauch der Frau gewidmet ist" (ALR H, 1, § 206). Als Nießbraucher war der Mann Gewahrsamsinhaber (ALR I, 7, § 1) und nach dem Besitzbegriff des ALR "unvollständiger Besitzer" (ALR I, 7, § 6). Es ist bemerkenswert, daß nach Dernburgs Auffassung die Frau "vollständigen Besitz an ihrem, in der Hand des Mannes befindlichen Gut" behielt", und gegenseitige possessorische Klagen für möglich gehalten wurden8 • Der gesetzliche Güterstand des ALR, der nur wenig modifiziert in das BGB übernommen wurde, war das Vorbild für die güterrechtliche Auffassung des Ehegattenbesitzes. Aus den güterrechtlichen Vorschriften ergab sich die Befugnis (und Pflicht) des Mannes, Hausrat und Ehewohnung in Besitz zu nehmen und zu verwalten. 3. Im französischen Recht dominierte die Gütergemeinschaft in einer besonderen Ausprägung. Die Standarderläuterung des französischen Rechts für den deutschen Juristen sagte zu unserer Frage: "Der Mann ist der Herr der Gemeinschaft"9 und "Der Mann ist wie Herr auch Besitzer der Gütergemeinschaft«1O. Dies kann man für ein Beispiel der patriarchalischen Sichtweise halten, Alleinbesitz des Mannes wegen seines prinzipiellen Vorrechts. Die Frau hatte jedoch die KlagemöglichI Ulpian, D 41, 2, 16: Quod uxor viro aut vir uxori donavit pro possessore possidetur. • Zitiert nach Hattenhauer, Allgemeines Landrecht für die Preußischen staaten von 1794, Textausgabe. 7 Dernburg, Preußisches PR III, § 30 I, 1. 8 Ebd.; Auch Förster, Preußisches PR IV, § 208 Anm.37 sah schon das Dilemma: "Da die Eheleute einen getrennten Besitz regelmäßig nicht haben ...... e Zachariä von Lingenthal, Handbuch des Französischen Civilrechts, III, S.224. 10 Ebd., S. 226.
II. Der Mann als Haushaltungsvorstand
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keit gern. Art. 1443 Ce auf Gütersonderung, mit der Folge, dann "ihr Vermögen nach Gefallen nutzen und gebrauchen" zu könnenl l • Also wurde auch im französischen Recht der Ehegattenbesitz güterrechtlich beurteilt.
11. Besitzt deT Mann kTaft seineT Stellung als HaushaltungsvoTstand? Wir haben gesehen, daß bereits das Güterrecht den Mann bevorrechtigte oder - neutraler formuliert - die Auffassung von der Rolle des Mannes in der Ehe abbildete12 • Es war also regelmäßig unnötig, unmittelbar aus dem patriarchalischen Prinzip den Alleinbesitz des Mannes an der Ehewohnung und dem darin befindlichen Hausrat abzuleiten. Dieser Gedanke mußte aber auftauchen, wenn das Güterrecht eine Antwort schuldig blieb, beispielsweise bei Gütertrennung ohne Verwaltung durch den Mann oder beim Vorbehaltsgut der Frau. Das Direktionsrecht des Mannes war in allen Partikularrechten des 19. Jahrhunderts so selbstverständlich, daß es in den Motiven zum späteren § 1354 a. F. noch ohne weitere Begründung heißen konnte: "Es entspricht der natürlichen Ordnung des Verhältnisses, daß die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten (...) dem Ehemanne zusteht13." Alle Partikularrechte gingen von dieser Ordnung aus: ALR 11, 1, § 184: Der Mann ist das Haupt der ehelichen Gesellschaft. Art. 213 Ce: Le marie est le chef de la famille. § 91 ABGB: Der Mann ist das Haupt der Familie. In dieser Eigenschaft steht ihm vorzüglich das Recht zu, das Hauswesen zu leiten.. 14 Windscheid : Die Frau ist dem Manne Gehorsam schuldig. Ließen sich aus diesem Prinzip Schlußfolgerungen für den Ehegattenbesitz ziehen? 1. So war beispielsweise unter der Geltung des ALR über die Klage einer getrennt lebenden Ehefrau zu entscheiden, die Vorbehaltsgut herausverlangte. Das RG wies die Klage ab mit der Begründung, die Frau sei gesetzlich (ALR 11, 1, §§ 175, 184, 194, 679) verpflichtet, in der ehelichen Wohnung mit ihrem Mann zu leben. Sie dürfe sich nicht eigenmächtig vom Mann trennen, insoweit sei sie "während der Ehe in dem Zachariä von Lingenthal, ebd., S. 273. Förster, Preußisches PR IV, §208: "Das ehemännliche Nießbrauchsrecht hängt mit der ehemännlichen Vorherrschaft zusammen." 11 Motive IV, S. 105 = Mugdan IV, S. 59. 14 Pandekten, § 490, Anm.10. Er fährt fort: "Richterliche Hilfe wird aber dem Manne zu diesem Ende nicht gewährt." 11
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§3: Vorbilder
Eigentum und dem Besitz ihrer gesetzlich vorbehaltenen Sachen beschränkt"15. Diese Entscheidung relativierte die güterrechtliche Sichtweise. Letztlich sollte wohl der ehewidrig handelnden Frau richterliche Hilfe versagt werden. 2. Die güterrechtliche Betrachtungsweise konnte weiters in der Zwangsvollstreckung zu Schwierigkeiten führen. Es handelte sich um Fälle der folgenden Art: Ist aus einem Urteil gegen den Mann in Sachen zu vollstrecken, die sich in einer von der Frau allein gemieteten Wohnung befinden, selbst wenn die Frau vom Mann getrennt lebt? Hierzu das RG: "Aus der Stellung des Mannes als Haushaltungsvorstand ergiebt sich eine thatsächliche Vermutung dafür, daß der Ehemann alle innerhalb der häuslichen Gemeinschaft vorhandenen Gegenstände mit· Ausnahme der zum persönlichen Gebrauch der Ehefrau bestimmten Sachen in seinem ausschließlichen Gewahrsam hatl'." Die Vermutung übertrug praktisch die Wirkung der Praesumptio Muciana auf die Zwangsvollstreckung1"1. Diese Entscheidung reicht sicherlich nicht als Stütze der Meinung18 aus, der Ehemann sei wegen seiner Stellung als Haushaltsvorstand generell als unmittelbarer Alleinbesitzer aller Sachen angesehen worden. Das RG mußte ein vollstrekkungsrechtliches Problem bewältigen, nicht die tatsächlichen Besitzverhältnisse bestimmen. 3. Die Rechtsprechung war von dem Argument "Haushaltungsvorstand" so fasziniert, daß es zunächst auch nach Inkrafttreten des BGB nicht verschwand19. Aber nur das OLG Celle wollte die Vermutung des männlichen Gewahrsams zur faktischen Rechtslage erstarken lassen. Die Gründe sollen ausführlicher zu Wort kommen, denn es handelt sich um die erste Äußerung der Rechtsprechung, die die Besitzverhältnisse20 durch die Ehe als solche bestimmt sieht21. "Aus der Stellung des Mannes als Haushaltungsvorstand (1354 BGB) folgt ohne weiteres dessen Gewahrsam an allen Haushaltungsgegenständen (...). RG Gruchot, Bd. 24, S. 486. Seuffert, Archiv 55, 125. 17 Vgl. den heutigen geschlechtsneutralen § 739 ZPOI 18 So aber Kremer, Besitz und Besitzberechtigung, Diss., S. 3. 11 OLGZ 2, 220: "Vermutung, daß alle (...) Gegenstände (...) im Besitz des Mannes sich befinden". Vgl. auch OLGZ 15, 399. 20 Die Zeitgenossen sahen im Gewahrsam unmittelbaren Eigen- oder Fremdbesitz; vgl. Falkmann/Mugdan, Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., § 57,1. Insofern ist die Entscheidung für ~iie Beurteilung der Besitzlage erheblich. 21 Ein Argumentationsmuster, das später zu großen Ehren kommt. 16 11
II. Der Mann als Haushaltungsvorstand
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Ob die Eheleute unter gesetzlichem Güterrecht oder in Gütertrennung leben, ist gleichgültig, denn nicht aus dem Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des Mannes, sondern aus seiner Stellung als Haushaltungsvorstand ist sein Gewahrsam herzuleiten!!." Diese Entscheidung, die darauf abzielte, Gläubiger der Frau abzuweisen, blieb fast einzig~. Sie war auch nicht haltba~, ließ sich doch zugunsten des Mannes über die Besitzvermutung auch die Vermutung des Eigentums, § 1006, begründen, die auch bei Gütertrennung immer die Frau für ihr Eigentum beweispflichtig gemacht hätte. Verfügungen des Mannes über Sachen seiner Frau gegen deren Willen wären auch bei Gütertrennung wirksam, da § 935 nicht geholfen hätte; ganz abgesehen von den Besitzschutzrechten, die dem Mann gestattet hätten, der Frau den Umgang mit ihren eigenen Sachen unmöglich zu machen. § 4. Die güterrechtliche Lösung des BGB
Das BGB in der Fassung vom 1. 1. 1900 kannte keine ausdrückliche Besitzregelung für Hausrat und Ehewohnung. § 1354 I, 2 a. F. gab zwar dem Ehemann das Recht, die Ehewohnung zu bestimmen. Diese Vorschrift unterstrich die Vorherrschaft des Mannes in einer besonders wichtigen Fraget, schwieg sich über die Rechtsbeziehungen zu der Wohnung jedoch aus. § 1361 I, 2 a. F. deutete die Sonderstellung von Hausratsgegenständen bei Getrenntleben an2 •
Allgemein hielt der BGB-Gesetzgeber das Besitzproblem mit der Kodifikation des Ehegüterrechts3 für ausreichend gelöst, das heißt, der Besitz an Hausrat und Ehewohnung sollte der güterrechtlichen Zuordnung folgen. OLGZ 13, 200. Ähnlich Kress, Besitz und Recht, S. 280: "Dem Ehemann und Vater steht deshalb der Alleinbesitz auch an solchen beweglichen Sachen zu, deren Inbesitznahme und Verwaltung ihm kraft Rechtssatzes untersagt ist." U Dagegen dann: RG JW 1911, 327 f.; RG Seuffert Archiv 77, Nr.83; OLG Hamburg LZ 23, 614. 1 Planck, § 1354 Anm. 1. ! Vgl. auch die Surrogationsvorschrift des § 1382 a. F. 3 Bei der Konzeption des Familienrechts standen die Kommissionen vor der Aufgabe, über 100 verschiedene Spielarten des Ehegüterrechts zu vereinheitlichen, vgl. Motive IV, S. 134 ff. = Mugdan IV, S. 74 ff. Nach einer Bestandsaufnahme der verbreitetsten Regelungen wählte man die sogenannte Verwaltungsgemeinschaft zum gesetzlichen Güterstand, §§ 1363 ff. a. F. Die Bezeichnung ist mißverständlich: Dieser Güterstand beließ die Vermögensmassen getrennt und räumte während bestehender Ehe dem Mann die Verwaltung und Nutzung des eingebrachten Gutes der Frau ein, §§ 1363, 1373. Davon ausgenommen blieb das Vorbehaltsgut der Frau, § 1365 ff. a. F. (ausschließlich zum persönlichen Gebrauch bestimmte Sachen und Arbeitserträge, H
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§ 4: Die güterrechtliche Lösung des BGB
Ausdruck dieser Auffassung des Gesetzgebers ist im gesetzlichen Güterstand der Verwaltung und Nutznießung § 1373 a. F.:
"DeT Mann ist beTechtigt, die zum eingebTachten Gute gehöTenden Sachen in Besitz zu nehmen." In dem Entwurf zur 2. Lesung, in dem eine solche Vorschrüt erstmals auftauchte, hieß es sogar: "ist zum Besitze (...) berechtigt"4. Die Protokolle dokumentieren den Geltungsgrund dieser Vorschrift, wenn es heißt, es habe allgemeines Einverständnis darüber bestanden, "daß dem Manne als Haupte der Familie das Recht, die Ehegutsgegenstände in Besitz zu nehmen, zustehen müsse"5, § 1373 a. F. mithin nur bekräftige, was ohnehin rechtens sei. Diese Vorschrift wies durch ihre systematische Stellung im Güterrecht der nun einsetzenden Diskussion des Ehegattenbesitzes die Richtung, sie hat der güterrechtlichen Betrachtungsweise zum einstweiligen Sieg verholfen. Die Probleme waren jedoch damit beileibe nicht ausgestanden, je nach Güterstand und nach Art des in Rede stehenden Vermögensstückes waren die Meinungsverschiedenheiten teilweise beträchtlich. - Es ist zu differenzieren:
I. DeT gesetzliche GiiteTstand deT VeTwaltung und Nutznießung 1. Der Alleinbesitz des Mannes an seinen eigenen Sachen, selbst wenn es sich um hauptsächlich von der Frau benutzten Hausrat handelte, galt als selbstverständlich6 • 2. Die Diskussion um den Besitz am eingebrachten Gut der Frau ist aufschlußreich.
Anfangs umstritten war die Frage, ob der Mann sich mit Gewalt gegen seine Frau den Besitz verschaffen dürfe'!'. Eine gemäßigte Meinung, die dies ablehnte und bei Streitigkeiten auf den Klageweg verwies, setzte sich durchS. Anschaulich sah Dernburg in einem Handge§ 1367 a. F.). Ein Anteil am Ehegewinn stand der Frau nicht zu. Es standen noch 4 Wahlgüterstände zu Gebote, vgI. unten § 4 III. , VgI. Synopse bei Mugdan IV, S. XVII. I Protokolle IV, S. 165 sub VI. = Mugdan IV, S. 754. • So beispielsweise Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl., § 176 Anm. 20; RGRK, 4. Auf1., § 1363 Anm. 6; RG JW 14, 147. 7 Dafür: Cosack, Lehrbuch des deutschen Bürgerlichen Rechts, 5. Aufl., § 322 Anm.l; Crome, System des deutschen Bürgerlichen Rechts, § 574 Anm. 12; dagegen: Endemann, § 176 Anm.16; Oertmann, JheringJB 44 (1902), 208; Dernburg, Bürgerliches Recht, 3. Auf1., IV, § 4, S.l1; Planck, § 1373 Anm.2. 8 Staudinger/Engelmann, 9. Auf1., § 1373 Anm.2 m. w. Nachw.; RGRK, 4. Auf1., § 1373 Anm. 2; SoergellSiebert, 6. Auf1., § 1373 Anm. 1.
I. Der Güterstand der Verwaltung und Nutznießung
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menge der Jungverheirateten eine "seltsame Ouvertüre des ehelichen Zusammenlebens"9. a) Hatte der Mann den Besitz der zum eingebrachten Gut gehörenden Sachen erworben, so galt er einer herrschenden Meinungl° als alleiniger unmittelbarer Besitzer. b) Nicht so eindeutig wurde die Frage beantwortet, welche besitzrechtlichen Beziehungen der Frau zu ihren eingebrachten Sachen blieben. Mehrheitlich hieß es, die Frau werde mittelbare Besitzerinl1 • Dies wurde bestritten12, die Frau sei nur Besitzdienerin, ihre Rechte gegen Dritte als mittelbare Besitzerin dürfe sie ohnehin nicht geltend machen (§§ 869 iVm 1400 11 a. F.), außerdem sei der Mann gern. § 1373 kraft Gesetzes und nicht aufgrund Rechtsgeschäfts zum Besitz berechtigt, es fehle an einem ähnlichen Verhältnis im Sinne des § 86813• Diese Streitfrage wurde lebhaft diskutiert14 , letztlich hat sich aufgrund folgender überzeugender Argumente Oertmanns die Ansicht, die der Frau mittelbaren Besitz am Eingebrachten einräumte, durchgesetzt15 : Eine von der Frau begonnene Ersitzung könne nicht mehr vollendet werden, wolle man ihr mit Inbesitznahme durch den Mann jede Besitzposition absprechen16 , der § 1006 sei ihr genommen, sie sei bei einer Herausgabeklage gern. § 985 nicht passivlegitimiert. Auch sei es dogmatisch geboten, die Verwaltung durch den Mann als "ähnliches Verhältnis" i. S. des § 868 anzusehen, da diese einem Nießbrauch sehr ähnlich sei, der im § 868 die beispielhafte Aufzählung anführtl'l. 8 Dernburg, Bürgerliches Recht IV, § 4, S. 11. 10 Cosack, ebd., § 322 Anm. 1; Endemann, § 176 Anm. 13; Dernburg, aaO., § 42 Anm.3; SoergellSiebert, 6. Aufl., § 1373 Anm.2; RGRK, 4. Aufl., § 1373 Anm. 4; Staudinger/Engelmann, § 1373 Anm. 4 a. 11 Cosack, ebd., Anm.2; Endemann, 8. Aufl., § 176 Anm.17; Planck, § 1373 Anm. 4; Schilling, Arch. f. Bürg. R. 19 (1901), 338. 1! Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 3. Aufl., § 176 Anm.12; Ullmann, AcP 92 (1901), 306. 13 Überdies stehe der Mann nicht in einem rechtsgeschäftlichen Abhängigkeitsverhältnis, wonach er seine Frau als Oberbesitzerin anerkennen müßte, Endemann, ebd. 14 Die breite Darstellung obsoleter Streitigkeiten der Vergangenheit ist häufig fruchtlos. Diese Frage ist aber plötzlich wieder aktuell geworden: In einer neuen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Ehe (als solche!) als ähnliches Verhältnis i. S. des § 868 angesehen, BGH NJW 79, 976; der gleiche Sachverhalt - Übereignung unter Ehegatten - für die Verwaltungsgemeinschaft: RGZ 108, 122. Vgl. im übrigen die umfangreiche Literatur bei Staudinger/Engelmann, § 1373 Anm. 4 b. 16 Dann h. M.: Soergel/Siebert. 6. Aufl., § 1373 Anm.3; RGRK, 4. Aufl., § 1373 Anm. 4; Staudinger, ebd., RGZ 51, 23; RGZ 105, 20; 108, 122; Warneyer Rspr. 1923/24 Nr. 104; Dresden LZ 22, 418; OLG Dresden JW 1921, 686. 1& Oertmann, JheringJB 44, S. 218 f. 17 Vgl. zum ALR oben § 3 I, 2; zum 1. Entwurf des BGB: Mugdan IV, S. XV f., insbesondere § 1292 des 1. Entwurfs.
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§ 4: Die güterrechtliche Lösung des BGB
Unter dem Druck der besseren Argumente änderten Ullmann und Endemann ihre Auffassungl 9 • c) Zusammenfassung: Bis 31. 3. 1953 (Art. 117 I GG) galt: Beim gesetzlichen Güterstand hat der Mann an seinen eigenen und den eingebrachten Sachen seiner Frau unmittelbaren Besitz. Dieser bleibt der mittelbare Besitz und das Eigentum am Eingebrachten. Die Verwaltung und Nutznil;ßung durch den Mann begründet ein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis. Die Frau ist unmittelbare Eigenbesitzerin ihres Vorbehaltsgutes. d) Die Frau als Besitzdienerin. Mittelbarer Besitz ist "vergeistigter" Besitz ohne unmittelbare Sachherrschaft. Für eingebrachte Wertpapiere im Safe des Mannes war der mittelbare Besitz, den die h. M. der Frau beließ, recht anschaulich. Anders beim Hausrat und der Ehewohnung. Auch für diese galt: Gehörten sie zum eingebrachten Gut, so war die Frau nur mittelbare Besitzerin, gehörten sie gar dem Mann, war die Ehegattin gänzlich vom Besitz ausgeschlossen. Tatsächlich stand sie den Gegenständen häufig näher als der Mann. Juristisch versuchte man diese tatsächlichen Lebensverhältnisse dadurch zu bewältigen, daß man die Frau als Besitzdienerin i. S. des § 855 ansah19• Dies befremdet heute, sind doch "Weisungsunterworfenheit"'2O bzw. Befehl und Gehorsam'21 kennzeichnend für den Besitzdiener. So wurde gegen diese Ansicht auch heftig protestiert'2'2, man dürfe die Ehefrau nicht in die Stellung eines Besitzdieners herabdrücken. Den Anhängern'23 des unselbständigen Besitzes der Frau ging es jedoch nicht um deren Herabwürdigung, sondern um den Besitzschutz: Der Ehefrau sollte mit Hilfe des § 860 ermöglicht werden, trotz des Alleinbesitzes des Mannes das Familiengut gegen Drittstörer verteidigen zu können. 18 Ullmann, Arch. f. Bürg. R. 22 (1903), 106; Endemann, 8. Aufl., § 176 Anm.16. 19 Cosack, § 193 f.; OLG Hamburg, Seuffert Archiv 75, 307. Heck, SachR, § 18 Ir, S. 68 meint, dies sei die h. M. gewesen, aber zweifelhaft, vgl. Kremer, Diss. aaO., S.5, und ausdrücklich dagegen: Martin Wolff, JheringJB 44, 149 Anm.13. 20 Baur, SachR, § 7 C I, 2. 11 Wolff/Raiser, SachR, § 6 IrI. 22 Thiesing, DJ 1937, 930 (935); Winkler, DR 23, 131: Die Frau sei nicht sozial abhängig, sie sei dem Mann gleichgestellt und Leiterin des Hauswesens. 23 Mit dieser Begründung für Besitzdienerschaft: Opet/Blume, Das Familienrecht, § 1373 Anm. 2; Cosack, 7.18. Aufl., Bd. Ir/2, § 48,1; vgl. auch Westermann, SachR, 1. Aufl., § 20 I, 2 b.
u. Besitzverhältnisse bei Gütertrennung
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Eine Kritik der Besitzdienerschaft der Frau, die nicht die Anerkennung des unmittelbaren Mitbesitzes forderte, minderte also die konkreten Rechte der Ehefrau24 • e) Gelegentlich wurde bereits in den zwanziger Jahren dieses Bild als unzeitgemäß verurteilt. Jedenfalls am Hausrat müsse unmittelbarer Mitbesitz der Ehegatten angenommen werden~lIi. Diese Ansicht schien jedoch mit § 1373 a. F. unvereinbar, sie hat sich vor Inkrafttreten des Art. 3 II GG nicht durchsetzen können26 •
11. Die Besitzverhältnisse bei Gütertrennung Konsequenterweise mußten die Anhänger der güterrechtlichen Betrachtungsweise bei Gütertrennung dem Mann, aber auch der Frau unmittelbaren Alleinbesitz an ihren Sachen zubilligen, auch wenn sie gemeinsam benutzt wurden27 • Diese für die Mannesherrschaft gelegentlich bittere Sichtweise ließ sich nur durch großzügige Annahme, die Ehefrau habe ihre Sachen dem Mann in Verwaltung gegeben, § 1430 a. F., abmildern28 • Andernfalls ergab sich folgendes Bild: Jeder Ehegatte war Alleinbesitzer seiner Sachen. Verfügungen des Mannes über Sachen seiner Frau gegen deren Willen mußten an § 935 scheitern. Besitzschutzrechte standen dem Mann, der das Eigentum seiner Frau verteidigen wollte, nicht zu Gebote29 • Der Widerspruch gegen diese das patriarchalische Bewußtsein störende Auffassung verwundert nicht: "Soll der Ehemann, der Besitzer der für den gemeinsamen Haushalt gemieteten Wohnung ist, von dem Besitz der darin befindlichen Sachen ausgeschlossen sein, nur weil sie der Frau gehören30 ?" Blume sah die Antwort in der ehelichen Lebensgemeinschaft als solcher, sie führe zu einer Gemeinschaft der Ehegatten im Gebrauch der von ihnen in den gemeinsamen Haushalt eingebrachten Sachen und damit zu einer Besitzgemeinschaft, also zu Mitbesitz31 • 24 Es ist das Verdienst von Winkler, DR 1923, 131, diese Konsequenz erkannt zu haben. !5 Winkler, ebd.; Müller-Erzbach, AcP 142, 34 f.; Landsberg, JW 21, 686; Heck, Grundriß des SachR, § 18 II, S. 68. 20 Immerhin sah § 1362 1,1 Mitbesitz der Ehegatten als möglich an: " ... oder im Besitz beider Ehegatten ..."; Staudinger/Engelmann gegen Mitbesitz: "wenig überzeugend", § 1373 Anm. 4 a. 27 RG Seuffert Archiv 77, Nr.83; OLG Hamburg, LZ 23, 614 = OLGZ 43, 354; Soergel/Siebert, 6. Aufl., § 1365 Anm.l und § 1426 Anm.2; Staudinger/ Engelmann, Vor § 1426 Anm. 1. 28 Dies wurde vor allem bei den kraft Gesetzes eingetretenen Fällen der Gütertrennung gerne vermutet, vgl. Knopp, Der Besitz der Ehefrau, Diss. S.34. 28 Anderer Ansicht: Wurzer, DR 1922, 155. 30 Blume, JW 1922, 93 (94).
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§ 5: Neuorientierung durch sozialen Wandel
Dieser Einwand verließ bereits die Bahnen güterrechtlicher Denkweise. Dafür war die Zeit jedoch noch nicht reif. Eine übermächtige Zahl verteidigte die güterrechtliche Auffassung, mitbenutzen bedeute nicht ohne weiteres mitbesitzen32 , ja die Intention der vertraglichen Trennung der Gütermassen verlange geradezu die Fernhaltung des Mannes vom Besitz33. Zusammenfassung: Somit blieb es bis 1953 allgemeine Meinung, daß bei Gütertrennung jeder Ehegatte Alleinbesitzer seiner Sachen sei und keinerlei besitzrechtliche Beziehungen zu den Sachen des Partners bestünden.
III. Sonstige Güterstände Für die verbleibenden Güterstände ergab sich ein im wesentlichen dem gesetzlichen Güterstand ähnliches Bild: Die Ehefrau blieb unmittelbare Besitzerin ihres Vorbehaltsgutes; im übrigen hatte sie an den ihr gehörenden Sachen bzw. am Gesamtgut mittelbaren Besitz. Den Sachen des Mannes begegnet sie allenfalls als Besitzdienerin. 1. Die allgemeine Gütergemeinschaft kannte die Verschmelzung der Gütermassen zu Gesamthandseigentum, §§ 1438, 1442 a. F. Die Verwaltung oblag dem Mann, § 1443 a. F.; ihm stand nach dieser Vorschrift der unmittelbare Besitz des Gesamtgutes zu. Die Frau galt als mittelbare BesitzerinM. 2. Die Errungenschaftsgemeinschaft kombinierte den gesetzlichen Güterstand mit der Gütergemeinschaft. Für das eingebrachte Gut der Frau verwies § 1525 II a. F. auf den uns bekannten § 1373 a. F., für die Errungenschaft galt über § 1519 II a. F. der § 1443 a. F. (oben 1.).
3. Die Fahrnisgemeinschaft verwies in § 1549 a. F. auf § 1443 a. F. Für das eingebrachte Gut der Frau galt über die §§ 1550 II, 1525 II a. F. wieder der § 1373 a. F. § 5. Neuorientierung durch sozialen Wandel Die güterrechtliche, auf der männlichen Vorherrschaft gegründete Betrachtungsweise des Ehegattenbesitzes blieb nicht unangefochten. 11 Am Rande: Daß der richtungsweisende neue Gedanke geboren wurde, um Rechte des Mannes zu wahren, nicht um seinen Machtüberschuß zu beschneiden, wundert nicht. Daß dieser Gedanke jedoch später zu der Anerkennung des vollen Mitbesitzes der Frau geführt hat, ist eine List der Rechtsgeschichte. 32 Vg!. Planck, Vor § 1426 Anm.2; Staudinger I Engelmann, Vor § 1426 Anm. 1; Soergel, 6. Aufl., § 1426 Anm.2; RGRK, 4. Aufl., § 1426 Anm.2; RGZ 108,122. 33 So Wurzer, DR 1922, 155. M Planck, § 1443 Anm.2; Staudinger/Engelmann, § 1443 Anm.5 a; Soergel. 6. Auf!., § 1443 Anm.l; RGZ 105,20.
§ 5: Neuorientierung durch sozialen Wandel
33
Änderungen des sozialen Lebens, Wandel kollektiver Mentalitäten, politische Umwälzungen und juristisch-praktische Unzulänglichkeit zwangen zum überdenken herrschender Meinungen. Die vorliegende Arbeit hat es mit besonders schnell veraltendem Recht zu tun. Im Eherecht ist kaum ein Stein auf dem anderen geblieben1 • Daher ist es reizvoll, die Wirkungszusammenhänge zwischen gesellschaftlichem Wandel und Wandel des Rechts in den Blick zu nehmen. Die These, Recht wandle sich mit den gesellschaftlichen Umständen, wirke jedoch auch auf sie ein2 , ist plausibel und erfährt kaum Widerspruch. Soll sie wissenschaftlich nachgewiesen werden, bedarf es eines mehr sozial- als ideengeschichtlichen Ansatzes3 • Die rechtsgeschichtliche Forschung sollte sich also nicht auf den Wandel des Rechts beschränken, der sich in neuen Gesetzen und den dazu erstellten Materialien und Begründungen dokumentiert, denn die Interdependenz von Recht und Gesellschaft kann ohne eine exakte Kenntnis der gesellschaftlichen Zustände nicht begriffen werden. Also gilt es, die soziale Wirklichkeit aufzusuchen". Welche gesellschaftlichen Veränderungen wirkten treibend auf eine Rechtsänderung ein? Konkreter: Welche gesellschaftlichen Umstände brachten die güterrechtlich-patriarchalische Lösung des Besitzproblems ins Wanken und die Anerkennung des Ehegattenmitbesitzes auf den Weg? Auch wenn sicher ist, daß sich redlicherweise monokausale Wirkzusammenhänge nicht herausarbeiten lassen, soviel läßt sich sagen: Die Rollenerwartung des BGB von 1900 an die Ehefrau wurde durch stetig wachsende Erwerbstätigkeit auch .verheirateter Frauen enttäuscht (unten I), gleichzeitig wurde die Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen von einer Außenseiteridee zum Gemeingut (unten 11), auch 1 Gernhuber, Neues Familienrecht, S.3, hält noch den Begriff "Torso für einen Euphemismus". Z Heldrich in Dörner, Industrialisierung und Familienrecht, S. 5 f. S Zum Begriff vgl. Kocka, Strukturgeschichte Sozialgeschichte - Gesellschaftsgeschichte, Archiv für Sozialgeschichte 1975, 1 ff. Zur Methodendiskussion vgl. Landau, Rechtsgeschichte und Soziologie, VSWG 61 (1974), 145; Wesei, Zur Methode der Rechtsgeschichte, KritJ 1974, 337; G. Dilcherl Horn, Sozialwissenschaften im Studium des Rechts, Bd. IV. 4 Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 52, fordert vom Juristen den "Durchbruch zur Wirklichkeit". Die mühsam zu rekonstruierende Geschichte des Alltags rückt in zunehmendem Maße in den Blick historischer Forschung: 3 Zeitschriften: VSWG, Archiv für Sozialgeschichte, und seit 1975 "Geschichte und Gesellschaft". Die Familie der Vergangenheit ist sogar ein Forschungsschwerpunkt: Vgl. Conze (Hrsg.), Sozialgeschichte der Familie; Hausen, Familie als Gegenstand historischer Sozialwissenschaft, Geschichte und Gesellschaft 1975, 171; Rosenbaum, Zur neueren Entwicklung der historischen Familienforschung, Geschichte und Gesellschaft 1975, 210; MitterauerlSieder, Vom Patriarchat zur Partnerschaft, 1977.
3 A. Schub
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§ 5: Neuorientierung durch sozialen Wandel
der politische Zusammenbruch des Kaiserreiches, der Weimarer Republik und des "Dritten Reichs" haben ihre Spuren hinterlassen (unten III). Schließlich wird zu zeigen sein, daß auch die Ehewohnung des Jahres 1980 mit der der Jahrhundertwende kaum noch etwas gemein hat 5 (unten IV). I. Hausfrauenehe veTSUS DoppelveTdieneTehe
§ 1356 a. F. ordnete an: "Die Frau ist berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten." Abgesehen von der Formulierung, die die erwartete Arbeitsleistung eher verdeckt und den Eindruck erweckt, es sei anzuleitendes Personal vorhanden6 , konstituiert diese Vorschrift die klassische Rollenverteilung, die Hausfrauenehe7 • Fragen wir einmal nicht ausschließlich nach der geistesgeschichtlicheri Wurzel8 , sondern nach der dem Gesetzgeber von 1900 vor Augen stehenden Wirklichkeit. 1. Die Hausfrauenehe wurde durch die stetige Zunahme der Frauenarbeit in Frage gestellt. (Weibliche Erwerbstätigkeit war dem Familienrecht des BGB nichts gänzlich Fremdes, wurde aber nur subsidiär zur Berufstätigkeit des Mannes anerkannt, § 1360 II a. F. 9 .)
1895 arbeiteten bereits 6,58 Millionen Frauen, davon waren 16,1 0 /0 verheiratet, das hieß etwa jede zehnte Ehe war keine "Hausfrauenehe" mehr10 • In der Erhebung von 1907 ist dann auch die Mitarbeit und Mithilfe von Frauen im ehemännlichen Geschäft und in der Landwirtschaft statistisch erfaßt. Danach waren 25,8 % der verheirateten weiblichen Bevölkerung erwerbstätig1 !, mehrheitlich als Hilfskräfte des Mannes. Im Bürgertum ist die außer Hauses arbeitende Ehefrau Anfang des Jahrhunderts noch kaum vorstellbar, dennoch kann seit dem Inkraft5 Wenn wir über Ehewohnungen und Hausrat als familienrechtliches Problem reden, sollten wir schon eine an der Wirklichkeit orientierte Vorstellung über die ehelichen Wohnverhältnisse haben. 8 1895 hatten immerhin 10 % der Haushalte Dienstboten. 7 Zur ideengeschichtlichen Entwicklung vgl. Dörner, S. 71; besser noch Marianne Weber, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, S. 424 ff. e Das wäre keineswegs fruchtlos, ist jedoch ein ausgetretener Pfad; vgl. Fels, Die deutsche bürgerliche Frauenbewegung, S. 20 ff., S. 84 ff.; oben Fn.7. 9 Immerhin wurde der Erwerb Vorbehaltsgut, § 1367 a. F. 10 Statistisches Jahrbuch des Deutschen Reiches, Bd. 111 (1895), S.205. 11 Statistik des Deutschen Reiches, Bd.203 und Bd. 402 III, S.439; ob sich von 1895 bis 1907 eine Veränderung der Einstellung zur Berufstätigkeit der Frauen, insbesondere bei verheirateten Frauen, durchgesetzt hat (so Reulecke, Veränderungen des Arbeitskräftepotentials, in: Mommsen [Hrsg.], Industrielles System, S.90) oder vielmehr die bessere Statistik den Zahlensprung bewirkt hat, mag hier offenbleiben; vgl. auch Hohorst, Kocka, Ritter, Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch, S. 68 Anm. 9.
I. Hausfrauen- versus Doppelverdienerehe
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treten des BGB die Hausfrauenehe tendenziell immer weniger die Alleingeltung beanspruchen, denn die Entwicklung ging weiter: 1925 lag die Erwerbstätigkeitsquote verheirateter Frauen bereits bei 28,7 6 / 012 • Auch das "Dritte Reich" hat diesen Trend nicht aufgehalten. Ein von den nationalsozialistischen Machthabern 1933/34 in Szene gesetzter "Kampf dem Doppelverdienertum"13, einerseits um den Arbeitsmarkt zu entlasten, andererseits um die Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter wieder aufzuwerten, blieb im wesentlichen ohne Wirkung. Nach etwas ungesicherten Zahlen soll das Arbeitskräftepotential der erwerbsfähigen (15-60jährigen) verheirateten, verwitweten oder geschiedenen Frauen 1939 zu 36 Ofo ausgeschöpft gewesen sein1.4. 2. Exaktere Angaben lassen sich für die Nachkriegszeit finden. Die Erwerbsquote (= von 100 verheirateten Frauen sind x erwerbstätig) entwickelte sich folgendermaßen: 195015 25,0 1961" 32,4 197017 35,3 197818 40,2 Allerdings differenziert die Statistik nicht nach Ganz- oder Halbtagsbeschäftigung. Präzisere Aussagen über Art und Dauer der Frauenarbeitstätigkeit findet sich in einer besonderen Studie des Statistischen Bundesamts für das Jahr 197019 : Danach waren 1970 von den verheirateten erwerbstätigen Frauen: (1) (2) (3) (4) (5)
Selbständige .......................... 5,6°/0 Mithelfende Familienangehörige ....... 24,9 Ofo Beamte, Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,8 0/0 Angestellte ............................ 30,2 Ofo Arbeiterinnen ......................... 37,3 Ofo
Also sind 69,3 6 / 0 abhängig erwerbstätig (Ziff. 3, 4, 5).
in aller Regel wohl außer Hauses -
Von dieser Gruppe der abhängig erwerbstätigen verheirateten Frauen arbeiteten wöchentlich: Statistik des Deutschen Reiches, Bd.402, S. 439. Winkler, Frauenarbeit versus Frauenideologie, Archiv für Sozialgeschichte 1977, 103. 14 Winkler, Frauenarbeit im Dritten Reich, S. 198. 15 Statistisches Jahrbuch 1953, S. 43,123. 18 Statistisches Jahrbuch 1963, S. 140. 17 Statistisches Jahrbuch 1971, S. 38, 128. 18 Statistisches Jahrbuch 1980, S.93. 10 Die Frau in Familie und Beruf, in: BT-Drucks. VI 3689, insbes. Tabellen IV, 5 und VI, 7. 12 13
3"
§5: Neuorientierung durch sozialen Wandel
36
1-24 Stunden ............................ 25-39 Stunden ........................... 40 und mehr ..............................
21,4 °/0 19,8 % 56,1 0/0
Für 1970 haben wir oben eine Erwerbsquote von 35,3 0/0 angegeben. Wenn wir nun eine Ehe, in welcher die Frau weniger als 25 Wochenstunden arbeitet oder im ehemännlichen Geschäft oder der Landwirtschaft mithilft, als "Nebenverdienstehe" definieren und alle anderen FäHe als echte Doppelverdienerehen, so ergibt sich für 1970 folgendes Bild: Hausfrauenehen ......................... . 64,7 Ofo Nebenverdienstehen ..................... . 13,1 35,3 o/c 0 Doppelverdienerehen .................... . 22,2 Ofo
0/0}
Es ist davon auszugehen, daß auch bei weiter steigender Erwerbsquote verheirateter Frauen der Anteil der Nebenverdienstehen eher noch wachsen wird, denn Bedarf und Nachfrage für Halbtagsbeschäftigungen ~ind erheblich. Völlige Abkehr von der Hausfrauenehe und Hinwendung zur Doppelverdienerehe entsprechen nicht dem Willen einer Bevölkerungsmehrheit und sind in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Jedenfalls aber zählt die Zunahme der Berufstätigkeit der Ehefrau zu den sozialen Faktoren, die eine Novellierung des Familienrechts des BGB aus dem Jahre 1900 erforderlich gemacht haben. 11. Gleichberechtigung als Reformprogramm
§ 1354 I, 1. Hs. a. F. lautet:"Dem Mann steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu." Die güterrechtliche Lösung des Ehegattenbesitzes bildet das ehemännliche Primat getreulich ab. Dieses wurde angegriffen und schließlich zu Fall gebracht:
Die Forderung nach rechtlicher Gleichstellung von Mann und Frau war schon im Gesetzgebungsverfahren zum BGB vernehmlich erhoben worden20 • Eine Chance hat sie bei der autoritärkonservativen Mehrheit nicht haben können. Nicht vergessen sollte sein, daß das Plenum des Reichstages nur aus Männern bestand und nur von solchen gewählt war21 • 20 Petitionen der Frauenvereine, vgl. insbesondere die Reden der Liberalen Traeger, Rickert und des Sozialisten Bebel im Reichstag, Steno-Prot. bei Mugdan IV, S. 1305 ff.; Bulling, Die deutsche Frau und das bürgerliche Gesetzbuch; Menger, Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen,
S. 48 ff.
II. Gleichberechtigung als Reformprogramm
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So heißt es in den Motiven, "nichts läge dem Entwurf ferner als der Gedanke der sogenannten Emanzipation der Frau"22. In einer Begründung zum Scheidungsrecht findet sich zwar auch, "daß nach den sittlichen Grundanschauungen des deutschen Volkes (...) der Ehefrau in der Ehe prinzipiell eine gleichberechtigte Stellung wie dem Ehemann gebührt"23, aber der gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutznießung huldigte diesem Prinzip nicht, er war ein "fester Stützpunkt des Herrenrechts des Mannes"24.
1. Aber die Dominanz des Mannes im Eherecht wurde schon bald auch von breiteren Kreisen für unzeitgemäß gehalten. Einen schubhaften Legitimitätszuwachs erfuhr der Gedanke der Gleichberechtigung durch die Verhältnisse im 1. Weltkrieg25. Die Leistung der Frauen an der "Heimatfront" auf Feldern, die nach der patriarchalischen Vorstellung dem Mann "natürlicherweise" vorbehalten waren, mußten zum Umdenken zwingen26 • Das Frauenbild, das dem Familienrecht des BGB zugrunde lag, Marianne Weber ironisierte es als: "unfertiges, kindliches, weltfremdes, schutzbedürftiges, anschmiegendes Weib, das in demütiger Verehrung als niedere Magd zu dem hohen Stern der Herrlichkeit aufschaut"zr, war durch die Notwendigkeiten des Kriegsalltages unzeitgemäß gewor...; den. Die Idylle, die Hörle gegen die drohende Emanzipation zu verteidigen suchte, war zerbrochen. Ahnungsvoll hatte er 1910 davor gewarnt, "daß durch die Ausschaltung der Frau aus dem ihrer körperlichen und gemütlichen Anlage und ihrer Zweckbestimmung entsprechenden häuslichen Wirkungskreis, ihre übermäßige Einmischung in die öffentlichen Angelegenheiten und Beteiligung an dem ränkevoUen politischen Parteileben (...) schließlich zum Verderben des Staates der Untergang des Familienlebens herbeigeführt wird"zs. 11 Resigniert meinte Bebei, daß, säßen statt der Abgeordneten deren Frauen im Saale, das verabschiedete Familienrecht wohl anders aussähe, Mugdan IV, S. 1309. H Motive IV, S.737 = Mugdan IV, S.391. za Motive IV, S. 582 = Mugdan IV, S. 312. 14 M. Weber, Ehefrau ... , S.458. 15 Die Konsequenzen für den Ehegattenbesitz kündigten sich durch Aufsätze an, wie: v. Eicken, JW 1914, 1116 f., Ist die Ehefrau (...) eines Kriegsteilnehmers Besitzerin seines ihr anvertrauten während seiner Abwesenheit fortgeführten Gewerbebetriebes, namentlich auch seiner ihr anvertrauten Habe oder nur Besitzdienerin? H Adelheit Bäumer, Die Frau im deutschen Staat, sah im Krieg "das entscheidende verändernde Ereignis: Sie (die Frauen, d. Verf.) wurden die tragenden Kräfte der heimatlichen Volkswirtschaft, die Stützen der Sozialverwaltung. Durch alle Zweige der Arbeit hatten sie nie gekannte Möglichkeiten der Bewährung", S.36. !7 M. Weber, ebd., S.498. IB Hörle, ArchBürgR 31,117.
38
§ 5: Neuorientierung durch sozialen Wandel
2. Die Revolution von 1918 erfüllte die Forderungen der Frauen nach Gleichberechtigung im öffentlichen Leben: Durch §§ 1, 5 der VO vom 30.11. 191829 wurde das aktive und passive Wahlrecht für Frauen eingeführt. Art. 109 I, 2 WRV lautet: "Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten"30, Art. 119 I, 2 WRV: "Sie (die Ehe, d. Verf.) beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter." a) Diese Vorschrift war allerdings nur Programm3\ sie gab den Familienrechtlern jedoch Anlaß, über die Berechtigung des dem BGB zugrundeliegenden patriarchalischen Ehebildes neuerlich nachzudenken. So verhandelte der 33. Deutsche Juristentag die Frage: Welche Richtlinien sind für die zukünftige Gestaltung des ehelichen Güterrechts aufzustellen?32
Der gesetzliche Güterstand war also wieder zur Disposition gestellt, man wollte die Gleichberechtigungs-"Verheißung" von den personenrechtlichen auf die vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe übertragen33• Die ehemännliche Nutznießung und Verwaltung wurde einhellig abgelehnt; im Abschlußantrag forderte man die "Einführung der Gütertrennung in Verbindung mit einer Beteiligung beider Gatten an der Errungenschaft"34 . Die angestrebte Gesetzesänderung wurde mit der "politischen und wirtschaftlichen Selbständigkeit der Frau"35 und als "Befreiung der Frau von der Vorherrschaft des Mannes"36 begründet. Eine Gesetzesnovellierung kam jedoch nicht zustande. b) Sieben Jahre später legte sich der Juristentag das Problem vor, wie das Familienrecht des BGB insgesamt mit dem Gleichberechtigungs2U RGBl. 1918, S. 1345; seit 1908 (Vereinsgesetz, RGBl. 1908, S.151) konnten Frauen in den Parteien mitarbeiten. 30 Diese Vorschrift war mehr als ein Programms atz, zahlreiche Autoren sahen in Art. 109 I WRV bereits ein allgemeines Willkürverbot für den Gesetzgeber, vgl. die Nachw. bei Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 109 Anm. 1 f., der die Vorschrift allerdings für einen "lapidaren Al\lsspruch" hielt. Überdies bot das Wort "grundsätzlich" die Möglichkeit, "den letzten Folgerungen einer geistlosen Gleichmacherei" auszuweichen, wie eine konservative Kommentierung vermerkt, Freytagh-Loringhoven, Die Weimarer Verfassung in Lehre und Wirklichkeit, 1924, S. 296. 31 Vgl. Anschütz, Art. 119 Anm. 2, 3. 32 Vhdlg. 33. Juristentag, Heidelberg 1924, S. 325 ff.; Referate von Kipp, Wieruszowski, Marie Munk; vgl. auch Munk, JW 24, 1816; Heinsheiner, DJZ 24,667. aa Wieruszowski, Vhdlg. 33. Juristentag, S. 331 f. U Ebd., S. 384. 35 Marie Munk, Vhdlg. 33. Juristentag, S.339. 38 Kipp, ebd., S.345; ders., S.339: "Bekanntlich haben gerade in unseren Tagen die Frauen einen grundsätzlichen Sieg auf allen Gebieten errungen."
H. Gleichberechtigung als Reformprogramm
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postulat des Art. 119 WRV in Einklang gebracht werden könnte. Referate und Diskussionen stellten die Legitimität der Gleichberechtigung mit keinem Wort mehr in Frage. Der Ausruf: ,,§ 1354 muß fallen!,,:n fand lebhafte Zustimmung. Die Abgeordnete Lüders äußerte Genugtuung, daß der Juristentag mit Entschiedenheit die Frauenforderungen aufgenommen habe, die "noch vor nicht allzu langer Zeit im Hohen Hause des Reichstages mehr Gelächter als Verständnis hervorgerufen haben"38. Als treibende Kräfte nannte man die gewandelte "Stellung der Frau im Berufs-, im Wirtschaftsleben und der Kultur"39, "die neue soziale Situation des weiblichen Geschlechts"40, allgemein die "neue Wirklichkeit"41; der Abschlußantrag hatte schließlich folgende Einleitung: "Die das Rechtsverhältnis der Ehegatten und Eltern regelnden Teile des Familienrechts des BGB können nicht nur wegen der in der Reichsverfassung ausgesprochenen Gleichstellung der Geschlechter nicht mehr aufrechterhalten werden, auch die veränderten sozialen und kulturellen Funktionen der Frauen verlangen dies 42." Hier begegnet eine fast akademisch reine, durch kein weiteres Argument erweiterte Initiative, überkommenes Recht zu reformieren, weil der zu regelnde Lebenssachverhalt ein anderer geworden, weil die soziale Wirklichkeit dem Recht entglitten war. Nur zu einer Änderung des Familienrechts kam es nicht! 3. In der dunklen Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wurde die Reform des Ehegüterrechts weiter diskutiert, die Akzente lagen nur nicht mehr auf "Gleichberechtigung", sondern auf der "Erhaltung und Schutz der gesunden Familie"43. Die Befreiung der Frau war als "liberales Gedankengut"44 nicht mehr opportun, nun schickte man sich an, "die Frau ins Haus zurückzuführen"45 und die Mutterrolle wieder aufzuwerten. Anknüpfend an die Weimarer Zeit blieb das Hauptreformziel jedoch die Beteiligung der Frau am Zugewinn bzw. an der Errungenschaft der Ehezeit46 • Das ehemännliche Primat stand indes nicht mehr Vhdlg. d. 36. Dt. Juristentages, Bd. 2, 120, Heymann. Ebd., S. 123. 3D Schultz, ebd., S. 82. 40 Weber, ebd., S. 96. " Ebd., S. 96. 42 Ebd., S. 141. ca Felgentraeger, DR 35, 88. " Ders., JbAkDR 1937, 71. t5 Gförer, DR 34, 151 (152). 48 Durchgängige Forderung aller in Anm.43-45 genannten Autoren; vgl. auch Stoll, DJZ 33, 1233; Bosch, DJ 35, 783; Boehmer, JbAkDR 39/40, 62; Steinhaus, ZAkDR 36, 320. 37
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zur Diskussion, es verkörpert ja gewissermaßen das "Führerprinzip" im Familienleben. So nennt Boehmer die Ehefrau zwar eine "gleichberechtigte Lebensgenossin"47 und befürwortet gleichwohl das Recht des Mannes, seiner Frau das außerhäusliche Arbeiten zu verbieten ... Andere sprechen nicht mehr von gleichberechtigt, sondern vieldeutig von der "Ebenbürtigkeit der Frau"48 oder apostrophieren sie als "gleichwertige Kameradin"49. Aber auch der nationalsozialistische Gesetzgeber hat das eheliche Güterrecht "trotz Abschaffung des Parlamentarismus"oo nicht zu novellieren vermocht. 4. Die geschilderten Versuche, das Familienrecht zu novellieren, zeigen zweierlei: Die Änderung der sozialen Vorgaben allein vermag überkommenes Recht nicht zu beseitigen. Zusätzlich handelt es sich um ein Problem der Offentlichkei~l: Das Ungenügen einer Regelung muß erkannt werden und in das Bewußtsein auch der nicht unmittelbar mit ihr befaßten Kreise eindringen. Ob die geschilderten Juristentage diese Aufgabe erfüllt haben, ist zweifelhaft. Zudem handelt es sich auch um eine Machtfrage: Dem Gesetzgeber darf nicht aus ideologischen Gründen an dem überkommenen Recht gelegen sein (Männlichkeit, Stärke, Heim und Herd, Mutterschaft als Versatzstücke des Nationalsozialismus). Außerdem muß er legislatorische Notwendigkeiten effizient und zweckrational behandeln können, eine Fähigkeit, die dem Berliner Reichstag der Parteienzerpslitterung und wechselnder Regierungen in den zwanziger Jahren auf weite Strecken fehlte.
Somit zeigt sich auch, daß Rechtsgeschichte zureichend nicht von der Gesellschaft und ihren Zuständen her geschrieben werden kann; an dem sozialen Hintergrund jeden Rechts darf sie jedoch niemals vorbeigehen.
IH. Vom Unte,.tan zum Staatsbü,.ge,. Welche Spuren hinterlassen politische Umwälzungen im individuellen Bewußtsein und Verhalten? Hat die Revolution von 1918 auch die neben dem Güterrecht zweite Säule der herrschenden Meinung über den Ehegattenbesitz, die männliche Vorherrschaft als "Herr der Familie", ins Wanken gebracht? Im Kaiserreich sah Marianne Weber noch die "Vaterdominanz mit dem dynastisch-militärischen Charakter des deutschen Staatswesen"52 Ebd., S. 72. Stoll, S. 1233 . .. Felgentraeger, JbAkDR 37, 79. 50 Voll Hoffnung: Steinhaus, S.320. 51 Zum Begriff der "Öffentlichkeit", Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 13 ff. 62 Weber, Ehefrau ... , S. 411. 47
«S
III. Vom Untertan zum Staatsbürger
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verwoben. Maßgebend für den § 1354 a. F. sei der Respekt gewesen, "welchen die Erfolge Bismarcks dem deutschen Bürgertum vor allem Autoritären und in diesem Sinne ,Männlichen' beigebracht hatte"53. Angenommen es wäre richtig, daß der Vater sich um so autoritärer verhalten kann, je mehr der Staat selbst autoritär bestimmt ist;M, so müßte in der Weimarer Zeit, begünstigt durch den liberaleren Charakter des Staatswesens, die männliche Vorherrschaft ins Wanken gekommen sein. Und tatsächlich haben wir gesehen, daß sogar die eher zum Beharren neigenden Juristen auf den Juristentagen 1924 und 1931 der Forderung nach Abschaffung des § 1354 a. F. applaudierten. Und doch folgen die Bürger in ihrem Bewußtsein und privaten Verhalten nicht willig jeder Verfassungs- und Gesetzesänderung. Insbesondere der ordnende Einfluß eherechtlich~r Normen auf die persönlichen Beziehungen der Ehegatten wird gewöhnlich außerordentlich gering eingeschätzf!6; hier dominieren außerrechtliche Faktoren. Sicherlich hätte sich ein liberales Klima der Gesellschaft mit einem rüde aufrechterhaltenen Patriarchat nicht vereinbaren lassen. Aber dieser liberale Grundkonsens hat sich in der Weimarer Zeit gerade nicht durchsetzen können, allzu mächtig waren die Hinterlassenschaften der Vergangenheit. Überdies wurde der neue Staat von breiten Kreisen nicht akzeptiert. So zeigt insbesondere die Anfälligkeit gegenüber der nationalsozialistischen Ideologie, welche Faszination von autoritärem Verhalten 14 Jahre nach Ausrufung der Republik noch ausging. Somit kann von einer Überwindung des Patriarchats durch die Weimarer Verfassungswirklichkeit nicht eigentlich gesprochen werden; privates Verhalten im höchstpersönlichen Bereich und staatliche Verfaßtheit sind wohl doch inkommensurabel. Bemerkenswert ist aber auch, daß die Herrschaft des Nationalsozialismus und der Fortbestand antidemokratischer Bewußtseinshaltungen in der Weimarer Zeit den Abbau der väterlichen Autorität und das Vordringen partnerschaftlicher Verhaltensweisen nicht aufgehalten haben56 • Damit hätte sich der behauptete Zusammenhang zwischen autoritärer Familienstruktur und autoritärem Staatswesen endgültig als nicht bestehend erwiesenti'l'. " Ebd. Neidhard, Die Familie in Deutschland, S.52. &5 VgI. Schwiemann, Eherecht und Ehewirklichkeit, FS Gschnitzer, S.378; Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S. 30. M Schelsky, Wandlungen der deutschen Familie, S. 306, meint, die Totalität des Systems habe auch zur politischen Mobilisierung der Frauen außerhalb der Familie geführt (der Ideologie entgegengesetzt). In der vereinnahmten Jugendbewegun,g sei ein selbstbewußter und weniger unterwürfiger Typ Frau erzogen worden; vgl. auch Winkler, oben Anm. 14. 17 So auch König, Die Familie der Gegenwart, S. 19. U
§ 5: Neuorientierung durch sozialen Wandel
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Vielmehr scheint ganz allgemein eine Veränderungsrichtung innerhalb der industriellen Gesellschaften zu bestehen, hin zu einer partnerschaftlichen Aufgabenverteilung in der Familie58 • Die männliche Dominanz ist in diesem Jahrhundert also per se in einer Phase des Niedergangs begriffen. Politische Umwälzungen mögen den Trend hemmen oder befördern. Dieser läßt sich nicht aufhalten. IV. Bedeutungswandel der Ehewohnung
Wir sprechen in diesem Kapitel von der Interdependenz von Recht und sozialem Wandel. Das Familienrecht und auch das "Recht der Ehewohnung" sind nicht beim Stande von 1900 verharrt, wobei wir die veränderte Rolle der Frau, Wandel kollektiver Mentalitäten, politische Umwälzungen und wirtschaftliche Notwendigkeiten als Triebkräfte ausgemacht haben. Ist in diesem Umbruch die Ehewohnung und ihr Wert für die Bevölkerung identisch oder jedenfalls im wesentlichen gleich geblieben? 1. Fragen wir also: Wie haben um die Jahrhundertwende die Eheleute gewohnt? Wie haben wir uns die Ehewohnung jener - noch so nahen Zeit - vorzustellen? Die Antwort stößt auf größere Schwierigkeiten als erwarte1;'i9.
Beschrieb Thomas Mann60 eine typische Ehewohnung? "Darf ich Sie bitten, meine Herren ... auf einen Augenblick, sagte er und führte sie die Treppe hinauf, über den Korridor und durch die Säulenhalle ins Landschaftszimmer, wo des feuchten und kalten Herbstwetters wegen schon geheizt war. (...) Wohin sollte er sich wenden? In den Salon? (...) Warten? Irgendwo, vielleicht im Rauchzimmer? (... ) Er ging in sein Ankleidekabinett hinauf... Er ging über die Gesindetreppe ins Erdgeschoß hinab, über die Diele und den kalten Flur bis zum Garten. (...) Erstmals in solcher Stunde, als er im zweiten Stock an der Galerie lehnte und durch das lichte Treppenhaus hinunterblickte, ... kam der kleine Johann aus seinem Zimmer." Oder Wilhelm Kaisen61 ?: "In der Küche, die gleichzeitig Hauptwohnraum war, gab es zu jener Zeit nur den Tisch, die Stühle und den Schrank. In der Ecke stand der unentbehrliche Kohlenherd. Für jeden einen TeUer, eine Tasse und einige Töpfe und Schüsseln, damit ist die Liste bald erschöpft. Es gab weder eine Wasser68 Vgl. Mitterauer/Sieder, Vom Patriarchat zur Partnerschaft; Wurzbacher, Leitbilder gegenwärtigen deutschen Familienlebens; Schelsky, ebd., S. 290 ff.; König, ebd., § 16. iU Vgl. Niethammer, Wie wohnten Arbeiter im Kaiserreich?, Archiv für Sozialgeschichte 1976, 61 ff.; ders. (Hrsg.), Wohnen im Wandel. 80 Thomas Mann, Buddenbrooks, zitiert nach Sonderausgabe 1931, S. 533,
622f. 81
Kaisen, Meine Arbeit, mein Leben, S. 11 f.
IV. Bedeutungswandel der Ehewohnung
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leitung, noch Gas, noch elektrisches Licht, es gab weder Bad noch Toilette im Haus."
Beide Wohnungen haben sicher existiert; welche typisch war, läßt sich allein anhand zeitgenössischer quantifizierender Quellen, insbesondere anhand der Wohnungsstatistiken, entscheiden. Der seit der Reichsgründung rapide wachsende Grad der Industrialisierung hatte ein ebensolches Anwachsen der Städte im Gefolge. Die Unterbringung der neuen Städter gestaltete sich schwierig. Den Zeitgenossen der Jahrhundertwende war "die Wohnungsfrage" ein Begriff, mit dem sie den ,Siegeszug der Mietskaserne, Schlafgängerwesen, überbelegung und - aus bürgerlicher Sicht - sittliche Verelendung assozüerten. Bürgerlichem, sozialreformerischem Engagement verdanken wir auch die Erfassung und DarteIlung der städtischen Wohnsituation62 • über die Ehewohnung um 1900 lassen sich danach folgende Behauptungen empirisch absichern: a) Die Eheleute wohnten mehrheitlich zur Miete. Diese Aussage galt für die meisten Arbeiterfamilien und das Kleinbürgertum in den Städten63• Sie galt für die einfache Landbevölkerung nur mit Einschränkungen. Dieser Personenkreis lebte im eigenen (Bauern-)Haus bzw. im Osten in Wohnraum, der vom Gutsherrn als Lohnersatz zur Verfügung gestellt wurde. Das gehobene Bürgertum wohnte im eigenen Hause, gelegentlich bereits in der repräsentativen Stadtwohnung. . b) Die Eheleute wohnten beengt. Um die Jahundertwende ließ sich Fürst Pless in Oberschlesien ein Anwesen mit 400 Zimmern errichten. Eine Ausnahme natürlich, dennoch stand dem wohlhabenden Bürgertum um 1900 mehr Wohnraum zur Verfügung als je zuvor und jemals danach. Das von Thomas Mann beschriebene Lübecker Patrizierhaus hat hier seinen Platz. Die repräsentative Villa mit erheblichem Personalaufwand war Prestige- und Lebensziel. Das Besitzbürgertum wohnte in Ehewohnungen, von denen zu Recht als Zentrum des Familienlebens, Stätte des geistigen Aus81 Der Verein für Socialpolitik, 1872 auf Initiative Gustav Schmollers gegründet, initiierte 1885/86 und 1901 eine umfangreiche Erhebung über die Wohnungsfrage, die zwar nicht das ganze Reich abdeckte, auch die städtischen Wohnverhältnisse als Problemherd überbetonte, jedoch gleichwohl die wertvollste Quelle darstellt; vgl. Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 30, 31, 94,95. es Allein im Ruhrgebiet gab es bei 10 % der Arbeiter noch eigenen Hausbesitz aus vorindustrieller Zeit, vgl. Niethammer, Archiv für Sozialgeschichte, 1976, 72, 76.
44
§ 5: Neuorientierung durch sozialen Wandel
tausches, des gemeinsamen Musizierens etc. die Rede sein konnte. Wohnungen, die Zuflucht vor einer bedrohlichen Außenwelt boten. My horne is my castle - eine bürgerliche Idee. Die Massen-Wirklichkeit sah anders aus: Als Beispiel sei München herausgegriffen, dessen Wohnverhältnisse im Vergleich zu Berlin, Breslau und Hamburg noch vorteilhaft abschnittenM. So waren 1895 80 Ofo der Wohneinheiten Ein- bis Dreizimmerwohnungen, in welchen 76°io der Münchner Bevölkerung lebten65 • Einen Eindruck von der drangvollen Enge gibt die Belegungsziffer
(= Bewohnerzahl je Zimmer): Danach lebten in Einzimmerwohnungen
durchschnittlich 3,2, in einer Zweizimmerwohnung 2,2 (also total 4,4), und in einer Dreizimmerwohnung immer noch 1,5 (total 4,5) Personen in jedem Zimmer66 •
Entschlüsselt man den Durchschnittswert, so zeigt sich, daß in München von 1000 Einzimmerwohnungen nur 154 mit einer Person besetzt waren, 260 mit 2,210 mit 3, 160 mit 4, 100 mit 5 und noch 60 mit 6 Personen6'7. Diese Wohnsituation hatte zur Folge, daß von einer Entfaltung des Familienlebens in der Ehewohnung für breite Kreise nicht gesprochen werden konnte, die Familie war in einer zu kleinen Wohnung "eingepfercht", mit der Folge, daß Freizeitaktivitäten und Geselligkeit außer Hauses im Verein, in der Partei oder der Kneipe, der Wohnzimmerersatz zukam, stattfinden mußten68• c) Die Eheleute wohnten häufig nicht allein. So waren in Berlin 1890 von den meistvorkommenden Ein- bis Dreizimmerwohnungen nur etwa die Hälfte ausschließlich von Familienangehörigen bewohnt69 , in den restlichen Wohnungen wurde der Raum mit Einmietern, Schlafgängern oder Gehilfen geteilt. Gerade Familien mit Kindern waren überdurchschnittlich oft gezwungen, Fremde in der ohnehin engen Wohnung aufzunehmen·w. 2. Exkurs: Die Ehewohnung unserer Tage und ihre Ausstattung. a) Die Ehewohnung ist größer geworden. Lindemann, Wohnungsstatistik, Schrift d. V. f. Socialp., Bd.94, 261 ff. es Ebd., S. 288 f.; 292 f.; d. h. in den verbleibenden 20 % vier- und mehrzimmrlgen Wohnungen lebten nur 24 % der Bevölkerung sehr viel weniger beengt. •• Ebd., S. 324 f. 17 Schrift d. V. f. Socialp., Bd.94, S.329. 68 Ritter, Gerhard A., Das Deutsche Kaiserreich, S.17; Reulecke (Hrsg.), Fabrik, Familie, Feierabend. eg Schrift d. V. f. Socialp., Bd. 94, 362. 70 Ebd., S. 365. M
IV. Bedeutungswandel der Ehewohnung
45
Von 100 Ehepaaren mit und ohne Kindern lebten 1972 in Wohnungen: unter 40 ml
40--60rnl
60--100 ml 100 und mehr
3,9 %71 21,3% 54,0% 20,7%
Die Tendenz zur größeren Ehewohnung hält weiter an72• b) Die Belegungsziffer (= Personen je selbstbewohnter Raum) sinkt stetig, ein Zeichen zugleich für die kleiner werdenden Familien wie für das vergrößerte Raumangebot der heutigen Ehewohnung. Von 100 Ehepaaren lebten 1972 in Ehewohnungen, deren Belegungsziffer bis 0,5 betrug 24,7 %71 0,6-1,0 betrug 65,2 % 1,1-1,4 betrug 6,5 % 1,5 und mehr 3,6 % c) Auch der Komfort der Ehewohnungen steigt: 82,5 % der Ehewohnungen waren 1972 mit Bad und WC in der Wohnung ausgestattet74 • d) Für unsere rechtliche Fragestellung besonders interessant ist die immer größere Bedeutung der Eigentümer-Ehewohnung. So lebten 1972 bereits 37,3 % aller Ehepaare in der eigenen Wohnung (Hauseigentum bzw. Eigentumswohnung)7Ö, erwartungsgemäß über dem Durchschnitt liegt der Eigentümeranteil bei Altehen (= mehr als 10 Ehejahre): 44 0f0'f8. Noch ist die gemietete Ehewohnung häufiger anzutreffen als die Eigentümerwohnung. Es ist jedoch bereits absehbar, daß sich in den nächsten 20 Jahren das Verhältnis umkehren wird'". e) Die Sättigung der bundesrepublikanischen Haushalte mit elektrischen Haushaltsgeräten wie Waschmaschine, Kühlschrank, Herd, Radio- und Fernsehgerät ist allgemein bekannt. f) Zusammenfassung: Die Versorgung mit geeigneten Ehewohnungen ist natürlich nicht voll befriedigend, kinderreiche Familien und Ehe71 Quelle: Statistisches Bundesamt, 1 % Wohnungsstichprobe 1972, Heft 6, Wohnsituation der Familien, S. 11. 72 Vgl. 2. Bericht über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drucksach. 7/3502, S.98. 71 Quelle: Statistisches Bundesamt, 1 % Wohnungs stichprobe, aaO. 74 Ebd., 17,5 % ohne diese Elementarausstattung erschrecken! 75 Ebd. 78 VgI. 2. Bericht, aaO., BT-Drucks. 7/3502, S.99, 174; nur 21 % der Jungehen in eigener Wohnung. 77 Neue noch unveröffentlichte Zahlen deuten auf ein derzeitiges (1980) tatsächliches Verhältnis von 43 % zu 57 % hin. Der Mietwohnungsbau ist fast zum Erliegen gekommen, Eigenheim- und Eigentumswohnungsbau tragen die derzeitige Baukonjunktur.
§ 6: Praktisches Ungenügen
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paare mit geringem Einkommen sind immer noch unterversorgtT8. Dennoch ist die Wohnsituation eines " durchschnittlichen " Ehepaares heute quantitativ besser als je seit Beginn der Industralisierung. Heute kann die Ehewohnung tatsächlich für breiteste Kreise räumlichen, schützenden Rückhalt bieten. Auch findet tatsächlich das Familienleben in der Ehewohnung statt, mag auch nur das Fernsehgerät die Familie versammeln. Die Räume müssen nur noch in seltenen Fällen mit familienfremden Dritten geteilt werden, das Raumangebot ist größer geworden, die Belegungsdichte hat allgemein abgenommen, immer mehr Familien wohnen im eigenen Haus oder in der Eigentumswohnung. Gerade dieser letzte Umstand veranlaßt uns, das Rechtsproblem Ehewohnung nicht mehr in erster Linie als Frage der Mietberechtigung aufzufassen'19, sondern der ehegerechten Widmung von Wohnungseigentum besondere Aufmerksamkeit zu schenken. § 6. Praktisches Ungenügen der güterrechtlichen Betrachtungsweise
Nicht nur der Wandel der sozialen Verhältnisse, auch die juristischpraktische Unzulänglichkeit der herrschenden güterrechtlichen Betrachtungsweise führte eine Neuorientierung herbei.
I. Wohnungszuteilung nach der Scheidung So lautete die meist diskutierte! ehevermögensrechtliche Streitigkeit vor 1945: Wem steht nach der Scheidung die Ehewohnung zu? Wegen der Wohnungsknappheit nach dem I. und im 11. Weltkrieg war der Verbleib in der Wohnung äußerst erstrebenswert. Ein Ehegatte mußte jedoch weichen, um die Scheidung räumlich zu vollziehen. Das Problem liegt außerhalb unserer Fragestellung, soweit es mietoder im engeren Sinne scheidungsrechtliche Streitfragen aufwirft, es hat jedoch drei für uns wichtige Auswirkungen gehabt: Erstens ist der familienrechtliche Charakter der Wohngemeinschaft der Ehegatten deutlich geworden, zweitens wurde das Gebrauchsrecht des NichtmieterVgI. BT-Drucks. 7/3502, S.99. So noch Hanisch, NJW 63, 1033. 1 Eine rückschauende Darstellung der Diskussion bei Klemm, DR 44, 882; es lassen sich allein 9 Dissertationen ausmachen, deren Lösungsbeitrag allerdings gering blieb. Besondere Bedeutung kam der Aufsatzliteratur zu: von Blume, AcP 125, 272; 127, 101; Roquette, JW 39, 392; ders., DR 41, 2262; Scholtz, DR 41, 691; ders., DR 43, 833; Stutzer, DR 39, 1358; Dahm, DR 41, 1593; Weise, DR 43,1061. Rechtsprechung: LG Berlin, JW 29,2631; DR 39, 934; DR 41,2567; OLG Zweibrücken, DR 41,1891; OLG Königsberg, HRR 1942, 97; DR 44, 69 f.; OLG Stettin, DR 43, 615; OLG Hamburg, DR 43, 348; KG, DR 44, 369; DR 44, 370; einen Abschllllß bildet RG, DR 44, 69 = DJ 43, 591. 78
78
I. Wohnungszuteilung nach Scheidung
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Ehegatten entdeckt und als drittes Ergebnis der Diskussion ist 1944 die Hausratsverordnung als 6. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz in Kraft getreten.
1. Die Lösungsansätze Alle Erörterungen der Frage, wem die Wohnung nach der Scheidung zustehen solle, nahmen ihren Ausgang bei den Rechtsbeziehungen zu ihr während bestehender ungestörter Ehe: In den meistvorkommenden Mietwohnungsfällen wurde nach der Person des Mieters differenziert. a) Eine "schuldrechtliche Meinung" begnügte sich damit und kam zu dem Ergebnis: Der Mieter behalte die Wohnung, der Nichtmieter müsse weichen; seien beide Ehegatten Mieter, so sei an eine Auflösung nach Gesellschafts- oder Gemeinschaftsrecht zu denken2 • b) Eine Mehrheit der Autoren und später auch die Rechtsprechung meinten jedoch zu Recht, das Hauptaugenmerk auf die Widmung der Wohnung gerade als Ehewohnung richten zu sollen mit der Konsequenz, daß familienrechtliche und nicht schuldrechtliche Gesichtspunkte bei der Verteilung der Wohnung den Ausschlag geben sollten3 • Als relevante Gesichtspunkte tauchten Schuldausspruch des Scheidungsurteils, Bedürftigkeit oder Wohnwürdigkeit auf. Ausgangspunkt dieser überlegung war § 1353 I, 1 a. F.: "Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet." Diese, wie es hieß von einer sittlichen zur Rechtspflicht erhobene Verpflichtung, in einer gemeinsamen Wohnung zusammenzuleben4 , gab den von Ehegatten bewohnten Räumen eine besondere Qualität. Die Einbeziehung des § 1353 zeigte: Die Ehewohnung ist nicht nur Mietsache, zugleich bildet sie den Mittelpunkt des Familienlebens;;, es ist unsachgerecht, sie wie Räume zu behandeln, die von zwei Freunden gemeinsam angemietet worden sind. Daher nahm eine "familienrechtliche Meinung"e eine familienrechtliche Wohngemeinschaft im Innenverhältnis unabhängig von Güterstand und Mietberechtigung an. Eben diese sei bei der Verteilung aufzulösen. Gegen diese Konstruktion ließ sich einwenden, spätestens mit der Scheidung sei die Rechtspflicht aus § 1353 erloschen, für die Verteilung Roquette, JW 39, 393; LG Berlin, DR 41,2567. v. Blume, AcP 125,272; 127, 101; stutzer, DR 39, 1358; Scholtz, DR 41, 691; Weise, DR 43,1061; RG, DR 44, 69. 4 Staudinger/Engelmann, § 1353 Anm. 1, 2 d; die häusliche Gemeinschaft galt den Kommentaren als erste und wichtigste Pflicht des § 1353; Soergel, 6. Aufl., § 1353 Anm. 1. 5 OLG Stettin DR 43, 615. • Vgl. oben Anm.3. 2
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§ 6: Praktisches Ungenügen
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der Wohnung sei man auf das Schuldrecht zurückgeworfen'l. Die Befürworter einer familienrechtlichen Abwicklung beriefen sich dagegen dar.,. auf, die eheliche Wohngemeinschaft überdauere die Scheidung, jedenfalls sei die Verteilung durch die vorgängige Nutzung als Ehewohnung bestimmt.Diese Auffassung setzte sich durch und wurde in der HausratsVO fixiert. 2. Auswirkungen auf den Ehegattenbesitz Welche Strahlkraft entfaltete diese Diskussion auf unser Problem? Sie hat die Stellung der gemieteten Ehewohnung im Schnittpunkt von Schuld- und Familienrecht deutlich gemacht, zugleich Mietsache und Mittelpunkt des Familienlebens, ein mietrechtliches Außenverhältnis neben dem eherechtlichen Innenverhältnis. Die erstmals schärfer gesehene familienrechtliche Verpflichtung des Mieterehegatten, gem. § 1353 den Nicht-Mieter bei sich aufzunehmen, mußte auch eine Neuorientierung im Besitzrecht der Ehegatten einleiten. So kommt beispielsweise Hertha Bauer auf die selbst gestellte Frage: "Gibt es nun ein Besitzrecht der Frau bei Alleinmiete des Mannes kraft Familienrechts?"s immerhin zu der Antwort, es gebe zwar intern ein "Gestattungsrecht der Frau auf Mitbenutzung", dies sei aber kein Besitzrecht. Als Begründung heißt es, das Recht der Frau stehe nur auf familienrechtlicher Grundlage9 , womit die Autorin wohl den schwachen, nur relativ wirkenden Charakter illustrieren will. Dahm geht noch weiter: "Diese Lebensgemeinschaft schließt in erster Linie die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft in sich und verpflichtet bzw. berechtigt zum Mitbesitz1o !" Diese eher beiläufige Bemerkung fällt allerdings ohne jede Auseinandersetzung mit der herrschenden güterrechtlichen Betrachtungsweise des Besitzproblems. Soweit die anderen Autoren· auf den Besitz zu sprechen kommen, erweisen sie sich als Anhänger der h. M.l l • Am konsequentesten fächert Roquette die Besitzsituation an der Ehewohnung im dreigliedrigen Verhältnis auf12• Danach sei bei gesetzlichem Güterstand der Mann, wenn er allein gemietet habe, unmittelbarer So Roquette, DR 41, 2265. Bauer, Die Rechtsbeziehungen an der ehelichen Wohnung während Bestehens der Ehe, Diss. 1935, S. 8. 7
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v Ebd., S. 9, 10, 13.
Dahm, DR 41, 1593. Vgl. Stutzer, DR 39, 1361, liSp; Goldschmidt, Diss., Das Recht der Ehewohnung, S. 13, 15, 23. 10
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II. Die Hausratsverordnung
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Besitzer, der Vennieter mittelbarer Besitzer, die Frau allenfalls Besitzdienerin. Haben beide gemietet, gelte der Mann als unmittelbarer, die Frau als mittelbare Besitzerin 1. Stufe und der Vennieter als mittelbarer Besitzer 2. Stufe. Eben dieses Bild ergebe sich, wenn die Frau allein gemietet habe: "Die Frau, obwohl die eigentliche Mieterin, wird in die Stellung einer mittelbaren Besitzerin abgedrängt13." Die h. M. war also in einem ersten Anlauf nicht zu erschüttern. Dennoch war der Anspruch des Nichtmieter-Ehegatten auf Mitbenutzung der Ehewohnung gem. § 1353 ein dogmatischer Angriffspunkt, den die güterrechtliche h. A. bot. Die Existenz dieses Rechts hatte die Diskussion um den Verbleib der Ehewohnung entdeckt, dessen Rechtsnatur blieb zunächst dunkel. 11. Die Hausrafsverordnung
Aufgrund einer Ennächtigung in § 131 EheG vom 6.7.1938, die Vorschriften des BGB soweit erforderlich zu ändern und zu ergänzen, erließ der Reichsjustizminister die 6. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz, die sog. HausratsVO vom 21. 10. 4414• Diese Verordnung schuf die Möglichkeit, in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach der ,Scheidung auf Antrag die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat durch den Richter regeln zu lassen, § 1 I HausrVO a. F. Der Richter kann ohne Rücksicht auf die Parteien des Mietvertrages die Wohnung dem Bedürftigeren und Würdigeren nach Billigkeit zuteilen, §§ 5, 2 HausrVO a. F.; auch Teilung ist möglich. Der beteiligte Vennieter sieht sich unter Umständen einem neu gestalteten Mietverhältnis bzw. einem neuen Mieter gegenüber. Ist ein Ehegatte Eigentümer der Ehewohnung, so ist dieses regelmäßig zu beachten, Eigentum soll nur bei unbilliger Härte hintantreten, § 3 I HausrVO a. F. Hausrat, der beiden Ehegatten gemeinsam gehört, verteilt der Richter gerecht und zweckmäßig. Alleineigentum eines Ehegatten ist regelmäßig zu respektieren, § 9 HausrVO, es sei denn, es handelt sich um notwendige Gegenstände, auf die der Nichteigentümer angewiesen ist, und dem Eigentümer ist eine Überlassung zuzumuten. In diesem Fall Roquette, JW 38, 2595, liSp; ders., DR 41, 2164 f. Ders., DR 41, 2265, liSp. 14 RGBl. 1944, I, 256 oder leichter zugänglich in einem Kommentar, z. B. Palandt, 7. Aufl., Anhang II zum EheG; vgl. weiters die amtl. Begründung, DJ 44, 278; Kuhnt, AcP 150 (1949), 130; Klemm, DR 44, 882. 12
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" A. Sdlulz
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kann der Richter ein Mietverhältnis begründen, aber auch Eigentum übertragen. Besonders hervorzuheben ist die dogmatische Plazierung des Problemkreises "Ehewohnung/Hausrat" im Familienrecht. Die HausratsVa geriert sich als Durchführungsverordnung zum Ehegesetz, schuld- und sachenrechtliche Zuordnung werden für eine familienrechtlich motivierte Billigkeitsentscheidung relativiert. Die va galt nach dem Kriege fort15 und ist seither mehrfach geändert worden16 , zuletzt durch das 1. EheRG vom 14.6.1976.
III. RGZ 87, 56 Neben der Diskussion um den Verbleib der Ehewohnung nach der Scheidung bewirkte eine schon aus dem Jahre 1915 rührende Reichsgerichtsentscheidung eine gewisse Relativierung der güterrechtlichen Sichtweise, die letztlich auch zu einer Verankerung des Ehegattenbesitzes im Recht der allgemeinen Ehewirkungen beitrugl"1. 1. Dies war der Sachverhalt: Die Ehefrau lebt von ihrem Mann unberechtigt getrennt. Die Frau verlangt Herausgabe ihr gehörender, zur Einrichtung der Ehewohnung verwendeter Gegenstände. Es besteht Gütertrennung. Der IV. ZS des RG erörtert in der Entscheidung, wie sie in die amtliche Sammlung aufgenommen worden ist, ausschließlich Argumente, die eine Klageabweisung stützen könnten und geht vom prinzipiellen Bestehen eines Herausgabeanspruchs aus. Die nicht genannte Anspruchsgrundlage ist § 985. Eigentlich wäre ein erstes erörterungsbedürftiges Problem die Passivlegitimation des Mannes gewesen. Nach der zur Zeit der Entscheidung herrschenden güterrechtlichen Auffassung hätte bei Gütertrennung der Mann nicht Besitzer der Sachen seiner Frau sein dürfen. Das RG ging jedoch - sicher zu Recht! - davon aus, daß jedenfalls bei dauernder Abwesenheit des Eigentümers dessen zurückgebliebene Sachen im unmittelbaren Besitz des anderen Ehegatten sich befinden18 • Das erstinstanzliche Landgericht19 hatte in der aus § 1353 folgenden Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft den Grund der KlageabweiVgL Kuhnt, AcP 150 (1949), 131 f.; B. Vogel, JR 49, 430. VgL MünchKomm-Müller-Gindullis, Vor 6. DVO EheG Rz. 5-10. 17 RGZ 87, 56. 18 Diese Konsequenz wurde zugunsten der im Kriege zurückgebliebenen Ehefrau nur sehr zögernd oder gar nicht gezogen, vgL Eicken, JW 14, 1117. 10 Die Ansicht des Berufungsgerichts, es handele sich um einen Beitrag zum ehelichen Aufwand gem. § 1427 II a. F., und außerdem habe gem. § 1354 a. F. der Mann über die Entfernung der Gegenstände zu entscheiden, weist das RGzurÜck. 15
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!Ir. RGZ 87, 56
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sung gesehen und den allgemeinen Grundsatz aufgestellt, daß die Frau ihre zur Einrichtung des ehelichen Haushalts verwendeten Sachen dieser Bestimmung nicht wieder entziehen und deshalb auch nicht wieder herausverlangen dürfe, wenn sie unberechtigt vom Mann getrennt lebe. Das RG widerspricht der Allgemeingültigkeit dieser These, hält jedoch den Ausgangspunkt, Begrenzung des Herausgabeanspruchs durch die familienrechtliche Generalklausel, für richtig. Folgende Sätze des RG bestimmen in der Folgezeit die Entscheidungen der Untergerichte bei Herausgabeklagen unter Ehegatten und gehen in die Kommentare ein: "Die Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs der Frau ist nur dann als unzulässig zu erachten, wenn sie nach den Umständen des einzelnen Falles dem sittlichen Wesen der Ehe widerstreitet. (...) Die Ehegatten haben die Pflicht, auch bei der Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche untereinander ihr Verhalten so einzurichten, daß es mit dem sittlichen Wesen der Ehe in Einklang bleibt. Die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche muß aber, wenn sie den Umständen nach dem Wesen der Ehe widerstreitet, überhaupt als ausgeschlossen angesehen werden. Denn es kann nicht der Wille des Gesetzes sein, einem Ehegatten, dem es die Rechtspflicht zu einem dem sitUichen Wesen der Ehe entsprechenden Verhalten auferlegt, die gegen diese Verpflichtung verstoßende Durchsetzung eines vermögensrechtlichen Anspruchs zu ermöglichen!!O." 2. Diese Entscheidung, die dem zum ALR ergangenen Urteil des RG aus dem Jahre 1879 21 ähnelt, ist in zweierlei Hinsicht bedeutsam. Dem Gericht erschien die durch das Güterrecht bestimmte Zuordnung von Eigentum und Besitz für eine ehegerechte Entscheidung nicht mehr als ausreichend. Die Lösung wird in der Generalklausel gesucht, und damit ist zweitens auch der § 1353 für das Feld des ehelichen Vermögens fruchtbar gemacht. Anzumerken bleibt, daß das Gericht auf eine Einzelfallprüfung drängt, also keine für alle Konstellationen gültigen vermögensrechtlichen Folgerungen aus der Generalklausel zieht. 3. Zufall ist es sicher nicht, daß keineswegs der Kampf der Frauen um gleiche Rechte in der Ehe, sondern im Gegenteil die Behauptung männlicher Ansprüche auch im Güterstand der Gütertrennung das Ehevermögensrecht in der Rechtsprechung fortentwickelt hat22 • Herausgabeklagen von unberechtigt getrennt lebenden Männern sollten eher häufiger gewesen sein. Jedoch erst aufgrund der Klage einer Frau wurde ein Ausweg durch die Einführung einer neuen Betrachtungsweise gesucht und gefunden. Zur Ehrenrettung des Konservatismus der Obergerichte läßt sich allerdings anführen, daß sich neue Gesichtspunkte, sofern sie bessere Wege weisen, in Eigengesetzlichkeit ent!!O RGZ 87, 61 (63). RG Gruchot, Bd.24, 486, 22 VgI. Sachverhalt von RG Gruchot 24, 486; RGZ 87, 56; so auch die Tendenz der Anm. v. Blume, JW 22, 93; so später BGHZ 12, 380. 21
§ 6: Praktisches Ungenügen
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falten und später häufig mit anderer Stoßrichtung auch der anderen Partei dienstbar sind~.
IV. Die Herausbildung einer neuen h. M.: Schlichter Mitbesitz der Ehegatten an Hausrat und Ehewohnung Erst die Zeit nach 1945 brachte den durch den sozialen Wandel und praktisches Ungenügen notwendigen Abschied vom güterrechtlich begründeten Alleinbesitz des Mannes. 1. Vorweg
Das Gesetz kennt den Mitbesitz nur unter dem Aspekt des Besitzschutzes, § 866. Voraussetzung ist, daß mehrere die Sachherrschaft an der ganzen Sache ausüben. Von "schlichtem" ist in Abgrenzung zum "gesamthänderischen" Mitbesitz die Rede, wenn jeder Mitbesitzer die Sachherrschaft allein, nur durch die Rücksicht auf den anderen begrenzt, ausüben kann. 2. Der Verfassungsauftrag Nur zögernd setzten Art. 3 iVm Art. 117 GG ein Umdenken und eine Abkehr von der vorher herrschenden güterrechtlichen Betrachtungsweise des Ehegattenbesitzes in Gang. So standen noch die 7.-12. Auflage (bis 1954) des Palandt zu der alten Auffassung24, die 10. Auflage (1956) des RGRK wiederholte die Vorkriegsthese: Weil mitbenutzen nicht mitbesitzen bedeute, bestehe "in der Regel kein Mitbesitz der Eheleute"25. Auch der BGH bestätigte noch einmal die alte h. M.26 • Doch dann setzte sich eine neue Meinung, die an die Arbeiten von v. Blume, Landsberg und He~ anknüpfte, mit zunehmender Resonanz für die Anerkennung des schlichten Mitbesitzes der Ehegatten an Hausrat und Ehewohnung ein28• 3. Die neue Ansicht stützte sich im wesentlichen auf zwei Argumente: a) Mit der zwingend vorgeschriebenen Gleichberechtigung der Frau sei eine besitzrechtliche Bevorzugung des Mannes nicht mehr zu rechtfertigen, so daß sich insoweit die Stellung der beiden Ehegatten zueinander und zu Dritten auch in tatsächlicher Hinsicht gewandelt habe. u 1940 wies das KG eine Herausgabeklage eines Ehemannes unter Hinweis auf § 1353 ab, vgl. DR 41, 2000 f. sc Palandt/Lauterbach, 12. Aufl., § 1373 Anm.3. !5 RGRK-Kregel, § 854 Anm. 3 a, § 868 Anm.1; so auch Knopp, Diss., Der Besitz der Ehefrau, S. 14 ff. ze BGHZ 2,167. !1 Vgl. oben § 4 1,2 e. 28 Vor allen H. Westermann, SachR, 1. Aufl., § 20; Boehmer, MDR 50, 455; Creifelds, JR 50, 452.
IV. Die neue h. M.: Mitbesitz der Ehegatten
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b) Noch gewichtiger war das zweite Argument. Die h. M. verkenne den Besitzbegriff. Besitz sei tatsächliche Sachherrschaft, also sei auch der Ehegattenbesitz durch die tatsächlichen Verhältnisse bestimmt, die Gleichstellung von Recht zum Besitz (§ 1373 a. F.!) und Besitz widerspräche dem Wesen des Besitzes29 • Die eheliche Lebensgemeinschaft führe zu gemeinsamer Benutzung der ehelichen Wohnung und ihrer Einrichtung. Daraus folgert Westermann: "An den gemeinsam benutzten Sachen haben die Ehegatten danach Mitbesitz. Sachen im ausschließlichen Gewahrsam eines Ehegatten besitzt er allein30 ." c) Die neue Auffassung fand wachsende Zustimmung31 , und mit Eintritt des Gleichberechtigungs-Stichdatums hielten auch viele ehemalige Anhänger der güterrechtlichen Betrachtungsweise die Zeit für gekommen, Mitbesitz anzuerkennen32, wenngleich noch vieles unklar blieb. So wollte Gerstberger Mitbesitz "mindestens für die Einrichtungsgegenstände"33, Seuffert dagegen "besonders für die Ehewohnung"34 anerkennen. 4. Widerstände Mit der Anerkennung des Mitbesitzes der Frau entstanden neue vollstreckungsrechtliche Probleme. Es zeigte sich nun, daß ein (verstecktes) Hauptmotiv der alten h. M. gewesen war, den Gläubigern des Mannes den vollstreckenden Zugriff auf den Hausrat zu erleichtern. Dem stand der § 809 ZPO im Wege, sofern die Ehefrau nicht zur Herausgabe bereit war. Falls nur ein Titel gegen den Mann vorlag und man der Frau mit der neuen Meinung Mitgewahrsam zubilligte, so mußte ihre Erinnerung gem. § 766 ZPO wegen Verstoßes gegen §§ 808, 809 ZPO Erfolg haben, wenn der Gerichtsvollzieher gegen ihren Willen Hausratsstücke gepfändet hatte. Dieser mißlichen Lage war die alte Lehre mit der Annahme von Alleingewahrsam des Mannes aus dem Wege gegangen. Die Anhänger der neuen Ansicht mußten diese Schwierigkeit ausräumen, um der Anerkennung des Mitbesitzes den Weg zu ebnen. a) Es wurden im wesentlichen drei Auffassungen vertreten: Pfändung des Herausgabeanspruchs des Mannes gegen die Frau (aber: existiert der überhaupt?), Duldungstitel gegen die Frau und Irrelevanz ihres Mitgewahrsam.g35. zg H. Westennann, ebd., § 20 I, 2 b. ao Ebd., vgl. auch Schultz, MDR 52, 153; die erste veröffentlichte Entscheidung dieses Tenors: KG, JR 49, 383. 31 SoergellButtweg, 8. Aufl., 866 Anm. 3; Ennan/Westennann, 1. Aufl., § 854 Anm.8; Ennan/Gerstberger, 1. Aufl., § 1373 Anm. 3; Reinicke, NJW 53, 684. a: PalandtlLauterbach, 14. Aufl., Vor § 1373; StaudingerlSeuffert, § 855 Anm.4a. 33 Erman/Gerstberger, § 1373 Anm.3. M StaudingerlSeuffert, § 855 Anm. 4 a.
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§ 6: Praktisches Ungenügen
b) Die Lösungsansätze brauchen hier nicht vertieft zu werden, denn das Gleichberechtigungsgesetz von 1957 bewältigte das Problem: § 739 ZPO n. F. verlängert die Eigentumsvermutung des § 1362 zugunsten der Gläubiger eines Ehegatten auf den in der Zwangsvollstreckung entscheidenden Gewahrsam. 5. Durch dieses Wort des Gesetzgebers, natürlich auch durch die Streichung des § 1373 a. F. war der Abschied von der güterrechtlichen Betrachtungsweise endgültig vollzogen. In der Folgezeit wird von Lehre und Rechtsprechung der Ehegattenbesitz nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht mehr nach dem Güterrecht beurtei1t36 • Die Nachkriegsrechtsprechung, die noch vereinzelt der Frau den Mitgewahrsam abgesprochen3'T, doch mehrheitlich schon vor 1957 die neue Ansicht akzeptiert hatte38 , ist seither ohne Ausnahme bei gemeinsamer Benutzung und ungestörter Ehe vom unmittelbaren Mitbesitz der Ehegatten ausgegangen39 • Gleichwohl sind nicht alle Probleme des Ehegattenbesitzes mit § 739 ZPO ausgestanden. Diese Vorschrift gilt nur, soweit die Vermutung des § 1362 reicht: Nicht also bei Getrenntleben und bei ausschließlich zum persönlichen Gebrauch bestimmten Sachen. Diese Fragen haben jedoch aktuelle Bedeutung. Wir werden sie im 2. Teil dieser Arbeit aufgreifen, eine Darstellung als historisches Problem ist nicht angemessen.
V. TheoTetische und methodische Zusammenfassung Wandel des Rechts Die Auffassung des Ehegattenbesitzes hat sich von 1900 bis heute grundlegend gewandelt. Wir haben versucht, Gründe und Triebkräfte aufzuzeigen. Läßt sich anband dieser Ergebnisse allgemeiner sagen, wie der Wandel des Rechts in der Zeit zu erklären ist? 1. Die Rechtsentwicklung folgt der sozialen Entwicklung. Allerdings erfolgt die Anpassung überkommenen Rechts nicht prompt und folgerichtig, eine wesentliche soziale Veränderung zeitigt jedoch früher oder 85 Vgl. überblicksartig: Müller, H., Zwangsvollstreckung gegen Ehegatten, S. 21 ff.; Reinicke, NJW 55, 228, Anm. zu LG Ansbach; Pohle, MDR54, 705; 55, 1; Beitzke, ZZP 68, 244; Breetzke, NJW 53, 734; Knopp, NJW 53, 1210; Dölle, JZ 53, 351 (358). 88 Nicht so eindeutig bei der Gütergemeinschaft, vgl. unten § 8. 37 OLG Hamburg, NJW 54, 1688; LG Ellwangen, NJW 53, 1227. 88 BGHZ 12, 380; LG Celle, NdsRpfl.. 55, 214; LG Ansbach, NJW 55, 228; KG, Rpfl.. 57, 415; OLG Hamm, NJW 56, 1681; OLG Köln, NJW 54, 1895; LG Münster, FamRZ 55, 137, Nr. 130. 30 Vgl. z. B. LG Tübingen, JZ 65, 107 m. Anm. Baur; OLG Celle, FamRZ 71, 29; BGH FamRZ 71, 633; BGH, NJW 79, 976.
v. Zusammenfassung
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später eine gesetzgeberische Reaktion oder eine andere Anpassung des Rechts an die Wirklichkeit. Hierbei ist nicht ausschließlich die "Wucht des sozialen Drucks"40 für die Anpassungsschnelligkeit bestimmend. Sie ist es nur, sofern Gesetzgeber, Rechtsprechung oder Lehre die neuen Bedürfnisse zweckrational und effizient lösen können und eine funktionierende Öffentlichkeit die entstehenden Ungereimtheiten vermittelt; mit anderen Worten, sofern das Rechtssystem offen verfaßt ist. 2. Auch Recht schafft soziale Wirklichkeit. Im Familienrecht ist die Wechselwirkung zwischen Recht und sozialer Wirklichkeit allerdings recht einseitig zugunsten der prägenden Kraft der Verhältnisse verschoben. Die das Familienrecht verändernde Kraft des Faktischen dominiert über die auf die soziale Wirklichkeit einwirkende Forderung des ge~etzten Rechts. In diesem Befund eine Bestätigung des materialistischen Axioms, die ökonomisch-soziale Basis bestimme den rechtlichen "Überbau", sehen zu wollen, wäre sicher überspitzt. Eine Erklärung des Wandels im Recht ausschließlich mit Hilfe sozialer Notwendigkeiten ist unzureichend; zu Recht spricht Friedmann von einer "reichen Skala der Wechselwirkungen"41.. Jede dogmatische Verkürzung auf Alleinkausalität oder letzte Kausalität eines Faktors kann nur zu verzerrten, als falschen Ergebnissen führen. 3. Formale Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeit des gesetzten positiven Rechts zu gesetzgeberischen Glättungen oder Fortentwicklung des Rechts durch Rechtsprechung oder Wissenschaft. Auch dieser, im Innern des juristischen Systems ablaufende Wandel macht Rechtsgeschichte, die sozialgeschichtlich motiviert nicht übersehen werden darf.
40
41
Friedmann, Recht und sozialer Wandel, S. 32.
Ebd.
ZweiteT Teil
Die Besitzverhältnisse an Hausrat und Ehewohnung nach heutigem Recht § 7. Besitz an Hausrat und Ehewohnung im gesetzlichen Güterstand und bei Gütertrennung
Eine herrschende Ansicht1 sieht die Ehegatten im Regelfall bei ungestörtem Zusammenleben als schlichte Mitbesitzer der Ehewohnung und des Hausrates. Dies soll unabhängig davon gelten, wer Mieter oder Eigentümer der Wohnung ist, losgelöst auch davon, wem die Hausratsstücke gehören. Eine differenzierte Begründung dieser Ansicht findet sich allerdings nicht. So heißt es, Mitbesitz entspreche dem "Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter"2 oder dem "allgemeinen Rechtsempfinden"3. Ebenfalls sehr allgemein gehalten ist das Argument H. Westermanns, daß die Ehegatten die tatsächliche Sachherrschaft "i. d. R. gemeinschaftlich"4 ausüben oder die These Gernhubers, Ehegatten seien Mitbesitzer "kraft simpler gemeinschaftlicher Sachherrschaft"li. I. Das VeTjassungSo,Tgument
Das Argument, Art. 3 II GG mache die Ehegatten zu Mitbesitzern der Ehewohnung und des Hausrates, verfehlt den Kern des Problems. 1 Gernhuber, FR, § 19 III, § 34 II, 3j Beitzke, FR, § 14 I, 4j H. Westermann, SachR, § 20 Ij Baur, SachR, § 7 D II, 1 c; Wolff/Raiser, SachR, § 9 Anm.l; Palandt/Bassenge, § 866 Anm. 1 b; Soergel/Mühl, § 866 Rz.6; Staudingerl Seuffert, § 866 Rz.2; Staudinger/Hübner, Vor § 1353 Rz.34; Erman/Heckelmann, § 1364 Rz.5; MünchKomm-Haase, § 866 Rz.21; bzgl. Ehewohnung: BGH FamRZ 71, 633; LG Tübingen, JZ 65, 107; LG Mannheim, NJW 62, 815; OLG Hamm, NJW 56.1681; BGHZ 12,380; bzgl. Hausrat: BGH, NJW 79, 976; OLG Celle, FamRZ 71, 28; KG, Rpfl. 57, 415; LG Ansbach, NJW 55, 228; KG, JR 49,383. I Baur, SachR, ebd., auch Erman!Heckelmann, § 1364 Rz.5; LG Tübingen, JZ 65,107. a BGRK-Finke, § 1364 Rz. 7; ähnlich Staudinger/Hübner, Vor § 1353 RZ.34: ..Lebenserfahrung" . 4 SachR, § 20 I; so auch BGH, FamRZ 71, 6341iSp; eigenartig SoergeIlMühl, § 866 Rz. 6: .. Die Besitzverhältnisse zwischen Eheleuten bestimmen sich (...) nach der tatsächlichen Besitzlage ... I FR, § 34 II, 3.
II. Der Besitz im Rechtssinne
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Zunächst einmal ist gegen die Relevanz des Art. 3 Ir GG einzuwenden, daß zwar eine einseitige Bevorzugung des Ehemannes bei der Beurteilung der Besitzlage gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz verstoßen würde6 , daß es aber kein Verstoß gegen Art. 3 GG sein kann, wenn - unabhängig vom Geschlecht - der Eigentümer (oder Mieter) besitzrechtlich anders behandelt wird als der Nichteigentümer. Wenn man mit sachen- und familienrechtlichen Argumenten zu dem Schluß kommen sollte, daß der Eigentümer der Ehewohnung oder des Hausrates als alleiniger unmittelbarer Besitzer anzusehen ist, so wäre gegen diese Beurteilung mit dem Hinweis auf das Verfassungsrecht nichts zu bewirken.
11. TheoTetische GTundlegung: Mitbesitz kraft gemeinschaftlicheT SachheTTschaft Wenn es heißt, Mitbesitz sei wegen gemeinschaftlicher Sachherrschaft anzunehmen, so wird die Antwort auf die Frage, ob der zivilrechtliche Tatbestand "Mitbesitz" vorliegt, richtigerweise bei dessen Voraussetzungen gesucht. Dieser Ansatz muß also im einzelnen vertieft werden. 1. Mitbesitz
Das Gesetz kennt den Mitbesitz in § 866 nur unter dem Gesichtspunkt des Besitzschutzes. Dieser Vorschrift lassen sich aber Hinweise auf die Voraussetzungen des Mitbesitzes entnehmen. Dieser liegt danach vor, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich auf gleicher Stufe eine Sache besitzen. Von schlichtem Mitbesitz ist die Rede, wenn jeder Mitbesitzer allein, soweit es die gebotene Rücksicht auf den oder die anderen zuläßt, auf die Sache einwirken kann, während man von gesamthänderischem Mitbesitz spricht, sofern die Mitbesitzer nur alle gemeinsam den Besitz ausüben können'1'. Die Definition des Mitbesitzes setzt logisch den von uns noch nicht präzisierten Begriff des Besitzes voraus. Als Zwischenergebnis kann aberfestgehalten werden: Sollte sich zeigen lassen, daß beide Ehegatten gemeinschaftlich unmittelbare Besitzer der Ehewohnung oder eines Hausratsgegenstandes sind, so sind sie Mitbesitzer dieser Sachen. 2. Unmittelbarer Besitz Welche tatsächlichen Voraussetzungen begründen den unmittelbaren Besitz? In § 854 I heißt es, unmittelbarer Besitz werde erlangt, indem die tatsächliche Gewalt über eine Sache erlangt werde. So ist § 1373 a. F. gern. Art. 117 GG automatisch außer Kraft getreten. VgL SoergellMühl, § 866 Rz. 1; Erman/O. Werner, § 866 Rz. 1 ; Baur, SachR, § 7 D II, 1. t
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§ 7: Besitz an Hausrat und Ehewohnung
a) Damit ist für eine herrschende MeinungS bereits der Begriff "Besitz" bestimmt - Besitz sei die tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache9 , kürzer: unmittelbare Sachherrschaft1o • Diese Ansicht geht von der "Identität von tatsächlicher Sachherrschaft und unmittelbarem Besitz"ll aus. Demgegenüber wird von anderen Autoren diese Identität bestritten, zumeist mit dem Argument, daß Besitz ein Recht sei12 oder jedenfalls eine geschützte Rechtsposition verleihe, die durch die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft bedingt, nicht aber mit ihr identisch sei. Diesem Einwand ist insoweit zuzustimmen, als der juristische Begriff immer etwas anderes ist als die Elemente der Wirklichkeit, die er beschreibt. Auch zeigt § 855, daß Sachherrschaft nicht immer Besitz bedeutet, § 856 11, daß auch ohne aktuelle Sachherrschaft Besitz möglich ist. § 857 schließlich erweist, daß auch und gerade die Schutzwürdigkeit einer Position nach der Auffassung des Gesetzgebers für die Bestimmung des Besitzes bedeutsam sein kann13 • b) Die Aussage der Identitätslehre muß also wie folgt verstanden werden: Abgesehen von der Frage, ob zusätzlich ein besonderer Besitzbegründungswille zu verlangen ist1 " hat der unmittelbare Besitz gem. § 854 I die Erlangung der unmittelbaren Sachherrschaft als Voraussetzung. Und somit sehen sich alle Autoren mit dem Hauptproblem der Besitzlehre konfrontiert: Wann kann denn nun von "tatsächlicher Gewalt" oder von Sachherrschaft gesprochen werden? . c) Die Antwort der herrschenden Lehre15 lautet, es handele sich um einen elementaren Begriff des menschlichen Zusammenlebens, der nach der Verkehrsanschauung bzw. nach der "Auffassung des Lebens" zu bestimmen sei, auf welche das Gesetz verweise. Dieser Lehre wird vorgeworfen, sie kapituliere vor den begrifflichen Schwierigkeiten. Gerade bei der problematischen Grenzentscheidung, ob schon (bzw. noch) Besitz vorliegt, könne die Verantwortung nicht 8 Soergel/Mühl, § 8611 Rz.4; Erman/O. Werner, § 854 Rz.2; H. Westermann, SachR, § 9 I, 1; Wolff/Raiser, SachR, § 5. 8 Soergel!Mühl, ebd. 10 Erman/O. Werner, ebd. 11 H. Westermann, SachR, ebd. 12 E. Wolf, SachR, § 2 A Ir; Sandtner, Kritik der Besitzlehre, S. 47-49; jetzt auch MünchKomm-Haase, Vor § 854 Rz. 2 ff. 13 VgI. hierzu Heck, SachR, § 10, S. 40 f. und als Beleg, wt!lche Schwierigkeit § 857 für die Anhänger der Identitätslehre bildet: Soergel!Mühl, § 857 Rz. 1; Wolff/Raiser, SachR, § 12. 14 VgI. Soergel!Mühl, § 854 Rz. 7 m. w. Nachw. 15 Ausgehend von Goldschmidt, Grundlagen der Besitzlehre, S.71 ff. Staudinger I St!uffert, § 854 Rz.2; Erman/O. Werner, § 854 Rz.2; Baur, SachR, § 7 B Ir, 1; Wolff/Raiser, § 5 IIr; Soergel!Mühl, § 854 RZ.6.
II. Der Besitz im Rechtssinne
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an eine außerjuristische Instanz abgegeben werden. Kegel: "Denn woher weiß der gemeine Mann mehr als wir?16" Das Verteidigungsvorbringen der Verweisungslehre, der Verkehr müsse den Besitz achten, also sei es "zweckmäßig, daß der Verkehr selbst die Maßstäbe bestimmt, nach denen die vom Verkehr zu beachtende Herrschaftslage bewertet werden soll"17, beinhaltet die Selbstverständlichkeit, daß das Recht den Bedürfnissen des Alltags gerecht werden muß, erklärt aber nicht, warum der Jurist die Bedeutung seiner Begriffe nicht selbst soll erkennen können. Die Verweisung auf die Lebensauffassung ist zumeist auch nur eine Floskel, denn auch die Lehrbücher und Kommentare, die zunächst die Bedeutung der Verkehrsauffassung herausgestellt haben, argumentieren im Einzelfall juristisch systematisierend, indem die Rechtsfolgen des Besitzes untersucht werden und in eine Gesamtschau des Besitzrechtes eingebracht werden18 ; eine Vorgehensweise, die dem "Verkehr" in Unkenntnis des Besitzrechts des BGB unmöglich wäre. d) Es muß also eine juristische Begriffsbestimmung des Besitzes i. S. des § 854 I in Angriff genommen werden. aa) Heck hat dies vor etwa 50 Jahren versucht. Er betrachtet den Besitz als einen gewollt unbestimmten Blankettbegriff, dem vom Gesetzgeber die Hilfsbegriffe "tatsächliche Gewalt" erläuternd beigegeben seien19. Die Ausfüllung des Blanketts sei durch Interessenabwägung "nach Maßgabe der gesetzlichen Werturteile, der ratio legis, zu vollziehen"20. Als Grundlage dieser Wertung bestimmt Heck die innere Berechtigung des Besitzschutzes: Ihm liege das anerkennenswerte "Interesse des Besitzers an der Erhaltung der Sache in seiner eigenen Interessensphäre"21 zugrunde. Wenn man dieses Kontinuitätsinteresse berücksichtige, so gehe es auch in den Begriff des Besitzes ein: Besitz im Rechtssinne sei gegeben, wenn eine Sachlage vorliege, bei der Kontinuitätsinteressen den Besitzschutz rechtfertigen22 • bb) Kegel23 bemüht sich um eine präzisere Begriffsbestimmung des Besitzes, indem er versucht, das Vorliegen tatsächlicher Sachherrschaft detaillierter abstrakt zu bestimmen. 11
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Kegel, FS v. Caemmerer, S. 151. H. Westermann, SachR, § 9 I, 4. Vgl. beispielsweise Baur, SachR, § 6 und § 7 B II, 1 a. Heck, Grundriß des Sachenrechts, § 5, S. 19. Ebd., S.21. Ebd., S. 13. Heck, SachR, S. 21. FS v. Caemmerer, S. 149 ff.
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§ 7: Besitz an Hausrat und Ehewohnung
Sachherrschaft sei gegeben, wenn jemand seinen Willen in bezug auf die Sache durchsetzen könne, denn Herrschaft bedeute immer die Möglichkeit, den eigenen Willen durchzusetzen. Diese Möglichkeit könne fast sicher oder nur noch entfernt wahrscheinlich sein; für den Tatbestand des Besitzes sei "überwiegende Wahrscheinlichkeit"U der Willensbehauptung zu verlangen und ausreichend. Diese Lehre versucht also, den Begriff Sachherrschaft nicht als elementar hinzunehmen, sondern sinnvoll weiter zu zergliedern. Ähnlich hatte vorher nur E. Wolf argumentiert, wenn es in seinem Lehrbuch des Sachenrechts heißt, Sachherrschaft sei ein Herrschaftsverhältnis über eine Sache und dieses sei anzuerkennen, "wenn der Machtinhaber nach dem Inhalt dieses Verhältnisses die dauernde Handlungsmöglichkeit hat, auf den Gegenstand einzuwirken oder in ihm Erfolge herbeizuführen ,,21;. ce) An eine begriffliche Grenze stößt jedoch auch die Kegel'sche Formel: Wann ist es überwiegend wahrscheinlich, daß der Wille zur Beherrschung sich behauptet, wann reicht die Wahrscheinlichkeit nicht mehr aug26? Um dergleichen Grenzfälle beurteilen zu können, betont Kegel, der keineswegs behauptet, eine endgültige abstrakte Formel für den Besitztatbestand gefunden zu haben, die Notwendigkeit "rechtspolitische(r) Wertentscheidungen"27. Worauf es ihm zu Recht ankommt, ist jedoch, daß diese Entscheidungen in einem juristischen Diskurs gesucht und gefunden werden müssen. 3. Stellungnahme Es ist richtig, einen juristisch-normativen Besitzbegriff anzustreben. Dabei ist zunächst der Begriff der "tatsächlichen Gewalt" zu bestimmen, denn die Entscheidung des Gesetzgebers, den Besitztatbestand an die tatsächliche Sachherrschaft anzuknüpfen, ist zu berücksichtigen. Erst in einem zweiten Schritt kann der Lehre Hecks folgend mittels einer Abwägung der Interessen geprüft werden, ob nach der ratio legis der Inhaber der Sachherrschaft als Besitzer im Rechtssinne angesehen werden kann. a) Ausgangspunkt der Analyse ist § 854 1. "Tatsächliche Gewalt" ist gleichbedeutend mit tatsächlicher Herrschaft28 • Da es um die Herrschaft einer Person über eine Sache geht, ist der Begriff Sachherrschaft zutreffend. Herrschaft verlangt zweierlei: Die Fähigkeit der MachtausEbd., S. 168. E. Wolf, Lehrbuch des SachR, § 2 A II, S. 32. IS Vgl. Baur, SachR, § 7 I Anm. 1. 17 FS v. Caemmerer, S. 151. !8 h. M., vgl. für viele Baur, SachR, § 7 B II; "Gewalt" bedeutet in diesem Zusammenhang ein Herrschaftsverhältnis etwa vergleichbar dem Begriff "elterliche Gewalt" 1. S. des § 1626 a. F. U
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11. Der Besitz im Rechtssinne
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übung (beherrschen können) und der entsprechende Wille (beherrschen wollen). Somit läßt sich Sachherrschaft definieren als (potentielle) Fähigkeit, dem eigenen Willen gemäß mit einer Sache zu verfahren. Potentielle Fähigkeit ist ausreichend, weil eine dauernde aktuelle Willensherrschaft nicht zu verlangen ist. Wichtig ist allein, daß im Bedarfsfall die Sache dem gewollten Zugriff zu Gebote steht. In diesem Zusammenhang ist Kegel zuzugeben, daß die Wahrscheinlichkeit, daß sich der Wille in bezug auf eine Sache realisieren läßt, unterschiedlich groß sein kann. Nahezu alles kann seinem Besitzer entwunden werden. Richtigerweise ist derjenige Inhaber der Sachherrschaft, dessen Erfolg bei dem Versuch, mit der Sache nach eigenem Willen zu verfahren, überwiegend wahrscheinlich ist29 • b) Im einzelnen lassen sich folgende Anhaltspunkte für das Vorliegen der Sachherrschaft nennen: aa) Besitzer kann nur sein, wer überhaupt die Chance hat, seinen Willen zur Sachbeherrschung zu realisieren. Das bedeutet auch, daß, wer vom Zugang ausgeschlossen ist, wem eine Sache verschlossen ist, nicht Besitzer ist30, es sei denn, die Zugangsverhinderung ist ihrer Natur nach nur vorübergehend, § 856 11. bb) Besitz ist das Verhältnis einer Person zu einer Sache. Beherrschung ist nur möglich, wenn ein räumlicher Zusammenhang zwischen der Person und der Sache besteh~l. cc) Das Gesetz fordert, daß der Besitz von den Rechtsgenossen geachtet werden muß, also ist Erkennbarkeit des Beherrschtseins erforderlich 32• Es muß dem Rechtsverkehr erkennbar sein, daß eine Person, wenn auch nur "vergeistigt", die Hand auf der Sache hat, zumal das Gesetz das Ansichnehmen besitzloser Sachen gestattet. Das Lehrbuchbeispiel "Pflug auf dem Felde"33 zeigt, daß hier, wenn es um die Erkennbarkeit der Herrschaft geht, die Verkehrsauffassung ihren Platz hat. Ob ein vergeistigtes Band zwischen Person und Sache noch als erkennbare Herrschaft gelten kann, ist unterschiedlich nach Region und Zeit34 • It Kegel, FS v.Caemmerer. S.168, der sehr anschaulich von "Kraftfeldern" spricht. 10 So auch H. Westermann, SachR, § 9 U, 4. Sl VgI. Wolff/Raiser, SachR, § 5 IU, 4; Baur, SachR, § 7 11, 1 a. S2 So auch SoergellMühl, § 854 Rz. 5; StaudingerlSeuffert, § 854 Rz.2; Westermann, SachR, § 911,3; BGHZ, 44, 32. SI Der Bauer ist auch Besitzer seines auf dem Felde zurückgelassenen Pfluges. 114 So schon Planck/Brodmann, Vor § 854 Anm. 3 unter Hinweis auf Motive 111, S. 83.
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§ 7: Besitz an Hausrat und Ehewohnung
dd) Das Pflugbeispiel zeigt auch, daß die Art der Sache35 ein weiterer Anhaltspunkt bei der Bestimmung des Besitzers sein kann. e) Schließlich ist zu fragen, ob die Rechtsfolgen des Besitzes der Situation angemessen sind. Diesem Vorgehen liegt der systematische Gedanke zugrunde, daß das Gesetz nicht einen Sachverhalt als Besitz im Rechtssinne verstanden wissen will, zu dem die Rechtsfolgen des Besitzrechtes nicht passen.
Unproblematisch ist dieser Schluß jedoch nicht, denn die Funktionen des Besitzes sind vielfältig und heterogen. Regelmäßig wird nur gefragt: Besteht eine Situation, die des Besitzschutzes würdig ist36 ? Oder mit Heck, dessen Lehre sich hier einordnen läßt: Besteht ein schutzwürdiges Kontinuitätsinteresse3"7? Diese Vorgehensweise ist prinzipiell brauchbar, wenngleich die Entscheidung des Gesetzgebers, den Besitztatbestand an die Sachherrschaft zu binden, nicht ignoriert werden darf. Dem systematischen Argument kommt jedoch Hilfsfunktion zu, wenn in Grenzfällen zu entscheiden ist, ob ein Sachverhalt als Sachherrschaft i. S. des § 854 I anzusehen ist oder nicht. Auf eine gewisse Zirkelschlüssigkeit muß jedoch hingewiesen werden. Was man in das Gesetz als Geltungsgrund des Besitzschutzes hineinlegt, beeinflußt unmittelbar die Ergebnisse 38 • Die Frage nach der Würdigkeit ist also nur vorsichtig eingesetzt tauglich 39, denn es gibt auch den bösgläubigen nichtberechtigten Besitzer, der nicht zum Nichtbesitzer erklärt werden kann, weil man ihn des Besitzschutzes nicht für würdig erachtet40• Mit positiver Stoßrichtung ist der Hinweis auf die adäquaten Rechtsfolgen eher denkbar: Ist ein Sachverhalt zu beurteilen, bei dem die Herrschaft einer Person nicht zweifelsfrei feststeht, so ist sie als Besitzerin dann zu erachten, wenn die Rechtsfolgen des Besitzes angemessen erscheinen und somit Sinn und Zweck des Besitzrechtes in seiner Gesamtheit entsprochen werden kann. In diese Gesamtabwägung sind im übrigen mit dem gleichen Recht neben der Schutzfunktion41. (§§ 858-867, 1007, 823) die ErhaltungsfunkH. Westermann, SachR, § 9 !I, 3; StaudingerlSeuffert, § 854 Rz.2. VgI. Planck/Brodmann, Vor § 854 Anm. 3; LG Köln, MDR 51, 356. 11 SachR, S. 24. as Wie ist das Kontinuitätsinteresse des Diebes am Diebesgut zu beurteilen? Wenn man die Berechtigung des Besitzschutzes in der Erhaltung des Rechtsfriedens sieht, ist anders zu entscheiden als bei ausschließlich individueller Betrachtungsweise, vgl. Planck/Brodmann, Vor § 854 Anm. 6. aD So auch Soergel/Mühl, § 856 Rz. 6. 40 Vgl. § 858!1. 41 Terminologie nach Baur, SachR, § 6. 35
3e
Ir!. Besitz des Hausrats
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tion (z. B. § 986 11, 935) und die Vermutungsfunktion (§ 1006) miteinzubeziehen. Die ausschließliche Betonung des Besitzschutzes ist nicht gerechtfertigt. d) Mit dieser theoretischen Fundierung sollen nun die Besitzverhältnisse der Ehegatten exakter bestimmt werden.
111. Die Besitzverhältnisse am Hausrat bei ungestörter Ehe im gesetzlichen Giiterstand oder bei Gütertrennung 1. Der Regelfall gemeinsamer Benützung
Der Tatbestand stellt sich typischerweise wie folgt dar: Die Ehegatten verwenden den Hausrat mit unterschiedlicher Benutzungsintensität beide. Manche Hausratsstücke sind Eigentum des Mannes, manche gehören der Frau, andere stehen im Miteigentum beider Ehegatten. Teilweise wissen diese, wem die Sachen gehören, bei manchen Hausratsgegenständen haben sie es vergessen, insbesondere in den Fällen des § 1370 wissen sie es nicht. Keiner der Ehegatten hält Hausratsstücke unter Alleinverschluß oder käme auf den Gedanken, dem Partner den Umgang mit bestimmten Gegenständen zu verwehren. a) Damit, wie die h. L.42 es tut, von Mitbesitz der Gatten an allen Hausratsgegenständen gesprochen werden kann, müssen beide gemeinschaftlich die Sachherrschaft über den gesamten Hausrat innehaben. Wir haben mit Kegel definiert: Sachherrschaft ist die (potentielle) Fähigkeit, dem eigenen Willen gemäß mit einer Sache zu verfahren. Wenn im Regelfall, wie oben skizziert, beide Ehegatten den Hausrat benützen oder jedenfalls benützen können, so können sie ihn damit jederzeit dem eigenen Willen dienstbar machen. Normalerweise handelt es sich bei dem Hausrat um dauerhafte Güter, deren Bestimmung das "Gebrauchtwerden" ist. Dieser Bestimmung kann jeder Ehegatte den Hausrat nach eigenem Gutdünken zuführen. Allerdings nur, soweit nicht die Benützung durch den Partner gestört wird. Aber diese Herrschaftsgrenze ist dem Mitbesitz immanent und schließt die Sachherrschaft nicht aus. Die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Willensdurchsetzung ist sehr hoch, da der Hausrat in der Ehewohnung leicht zugänglich und räumlich auf begrenzter Fläche versammelt bereitsteht. Ein übergeordnetes Entscheidungsrecht eines Ehegatten, etwa des Eigentümers, über den Gebrauch eines Hausratsgegenstandes besteht in der partnerschaftlichen Ehe regelmäßig nicht. Somit sind beide Ehegatten Inhaber der tatsächlichen Gewalt. 4!
Vgl. oben
§
7 pr. Anm. 1.
§ 7: Besitz an Hausrat und Ehewohnung
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b) Damit ist aber der Tatbestand des Mitbesitzes noch nicht ohne weiteres gegeben. Damit von Besitz im Rechtssinne gesprochen werden kann, ist die Erkennbarkeit der Sachherrschaft zu fordern und insbesondere zu fragen, ob von der Interessenlage her die Anerkennung des Mitbesitzes gerechtfertigt ist. Der räumliche Zusammenhang zwischen Hausrat und beiden Ehegatten wird durch dessen Aufbewahrung in der Ehewohnung oder auf dem Hausgrundstück hergestellt. Eben dieser Umstand läßt auch Dritte die Herrschaftsverhältnisse erkennen. Wenn bewegliche Sachen in das Organisationsgefüge "Haushalt" einbezogen sind, so ist für den Außenstehenden deutlich, daß die Sache nicht besitzlos ist. Auch die Art der Sache ist für die Beurteilung der Sachherrschaftsverhältnisse erheblich. Die Zweckwidmung des Hausrates, seine Gemeinschaftsdienlichkeit, ist ein weiteres Indiz für gemeinschaftliche Sachherrschaft als "übliche Beherrschungsart"43. c) Schließlich ist in einer Gesamtwürdigung zu fragen, ob die gemeinschaftliche Sachbeherrschung der Ehegatten als Mitbesitz im Rechtssinne qualifiziert werden kann, ob die Anerkennung des Mitbesitzes in dem Einzelfall des gemeinsam benützten Hausrates sich in das Besitzrecht als Ganzes einfügt. Hinsichtlich der verschiedenen Funktionen des Besitzes ist zu differenzieren: aa) Besitzschutz: Die Rechtsprechung schränkt mit Hilfe des§ 1353 I, 2 die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft ein oder schließt sie sogar ganz aus". So würde wohl auch der Eigentümer-Ehegatte, wenn man ihn für den Alleinbesitzer seiner Hausratsstücke halten wollte, in der Realisierung seiner Besitzschutzansprüche gegen den Partner eingeschränkt sein. Aber dies leistet auch § 866, der den Besitzschutz unter Mitbesitzern begrenzt. Diese Vorschrift befriedet also den gemeinsamen Gebrauch des Hausrates, wenn man Mitbesitz annimmt, soweit es um die Grenzen der gemeinsamen Benützung geht, ohne daß es des Rückgriffes auf die Generalklausel bedürfte, so daß man § 866 und damit auch die Anerkennung des Mitbesitzes als ehegerecht bezeichnen darf. Das Besitzrecht ermöglicht die Rechtsfolge, die ansonsten über die Generalklausel erschlossen werden müßte. Als Mitbesitzer kann jeder Ehegatte Besitzstörungen Dritter wie ein Alleinbesitzer abwehren. Dies ist angemessen, denn der NichteigenDiese Formulierung verwendet Westermann, SachR, § 9 II, 3. Vgl. BGHZ 53, 356; 61, 105; RGZ 87, 56; HRR 1938, 1162; dazu MünchKomm/Wacke § 1353 Rz. 31; krit. Jayme, FamRZ, 70, 390. U U
III. Besitz des Hausrats
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tümer-Ehegatte hat ein schutzwürdiges Interesse daran, daß seine Zugriffsmöglichkeit auf den Hausrat, der einen Teil der materiellen Grundlage der ehelichen Lebensgemeinschaft bildet, erhalten bleibt45 , Auch der Nichteigentümer ist also des Besitzschutzes würdig, auch ihm ist in der Terminologie Hecks ein "schutzwürdiges Kontinuitätsinteresse" zuzubilligen. Zudem dürfte jeder Ehegatte gern. § 1353 I, 2 verpflichtet sein, die Familienhabe zu verteidigen46 • Es ist also sachgerecht, die Herrschaftslage so zu beurteilen, daß die gebotene Verteidigung auch rechtlich möglich ist. bb) Erhaltungsfunktion: Im gesetzlichen Güterstand dokumentiert § 1369 das anerkennenswerte Interesse des Nichteigentümers am Fortbestand der Nutzungsmöglichkeit des Hausrates. Bei Mitbesitz wird dieses wünschenswerte Ergebnis bei Verfügungen des Eigentümers gern. § 931 auch durch § 986 II erzielt. Dies hat bei Gütertrennung praktische Relevanz. Wieder gleichen sich die Rechtsfolgen, die der Mitbesitz vermittelt und die im Eherecht für sachgerecht gehalten werden; ein weiteres Indiz für die Angemessenheit des Mitbesitzes. Mitbesitz gefährdet auf der anderen Seite nicht das Erhaltungsinteresse des Eigentümers, denn gleichviel ob Mitbesitz anerkannt wird oder nicht, scheitert eine Verfügung des Nichteigentümers über einen Hausratsgegenstand des Partners an § 935, da auch der Bruch des Mitbesitzes als Abhandenkommen anzusehen ist4T • ce) Vermutungsfunktion: Ein gewisses Risiko für den Eigentümer eines Hausratsgegenstandes stellt hingegen die Vermutungsfunktion des Besitzes dar, wenn man beim Hausrat auch den Nichteigentümer als Besitzer ansehen will, denn§ 1006 streitet bei Mitbesitzern für gemeinschaftliches Eigentum nach Bruchteilen48 • Die Gefahr, eventuell später das Eigentum nicht beweisen zu können, ist nicht von der Hand zu weisen. Unten wird zu zeigen sein, daß jeder Ehegatte unterhaltsrechtlich zur Bereitstellung von Hausrat verpflichtet ist. Man kann es als notwendiges Element dieser Pflicht ansehen, auf die Vermutungsfunktion des Alleinbesitzes zu verzichten. Dieser Gedanke liegt auch § 8 II HausrVO zugrunde, so daß für Hausrat, der während der Ehezeit angeschafft worden ist49 , wiederum Kongruenz zwischen sachenrechtlicher Rechtsfolge des Mitbesitzes (§ 1006) und familienrechtlicher Wertentscheidung (§ 8 II HausrVO) festzustellen ist. 46 Im Ergebnis ähnlich: Kremer, Diss., S.28: "Die Schutzwürdigkeit der äußeren Sachbeziehung der Ehegatten zum Hausrat (... [ist, d. Verf.]) nicht aus dem Vermögensrecht, -sondern aus der ehelichen Lebensgemeinschaft selbst abzuleiten." " VgI. Gernhuber, FR, § 19 I, 2; RG, JW 33, 427. 47 VgI. Palandt/Degenhart, § 935 Anm. 4 a. 48 Baur, SachR, § 7 D II, 2 b; Soergel/Mühl, § 1006 Rz. 8. 4g Nur für diesen vermutet § 8 II HausrVO Miteigentum. 5 A. Schul.
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§ 7: Besitz an Hausrat und Ehewohnung
d) Zusammenfassung: Eine Gesamtwürdigung der Sachherrschaftslage bezüglich des Hausrates, was Zugriffsmöglichkeit, Erfolgswahrscheinlichkeit des Sachbeherrschungswillens, Erkennbarkeit der Herrschaftsbeziehung, Art der beherrschten Gegenstände, Stimmigkeit mit dem Besitzrecht als Ganzem, sowie die familienrechtliche Interessenlage des Nichteigentümers an der Fortdauer ungehinderter Benutzungsmöglichkeit angeht, ergibt, daß bei gemeinsamer Benützung des Hausrates beide Ehegatten als Mitbesitzer im Rechtssinne anzusehen sind. 2. Von diesem Regelfall sind Ausnahmen denkbar. a) Hält ein Ehegatte Hausrat unter Alleinverschluß, so fehlt dem anderen die potentielle Fähigkeit, nach Belieben mit diesen Dingen zu verfahren. Wenn es sich nicht um eine ihrer Natur nach nur vorübergehende Verhinderung der Ausübung der Sachherrschaft handelfSo, so ist der von der (Mit-)Benützung ausgeschlossene Ehepartner nicht Besitzer, weil ihm die Sachherrschaft fehlt. b) Die ausschließlich zum persönlichen Gebrauch eines Ehegatten bestimmten Sachen (Kleidung, Beruf, Hobby) befinden sich regelmäßig im Alleinbesitz des Benützerglil. Sie sind schon definitionsgemäß aus dem Kreis der Hausratsgegenstände ausgegrenzt. Zwar bringt es die enge räumliche Verbindung innerhalb der Ehewohnung mit sich, daß jedenfalls für Außenstehende eine Trennung des Besitzes kaum möglich ist. Aber zwischen den Ehegatten wird regelmäßig die exclusive Sachherrschaft eines Partners anerkannt werden. Es dürfte üblich sein, um Erlaubnis zu fragen, bevor die persönlichen Sachen des Partners benützt werden, so daß von selbständiger Sachherrschaft nicht mehr gesprochen werden kanno2 • Die Rechtsfolgen des Mitbesitzers passen überdies nicht, wenn es um die persönlichen Gegenstände eines Ehegatten geht. Auch in der Ehe muß es individuelle Freiräume mit Anspruch auf Ausschließlichkeit geben. § 866 ist nur angemessen, wenn es um den vergemeinschafteten, nicht aber, wenn es um den individuellen Bereich geht. Der vom Mitbesitz ausgeschlossene Ehegatte kann jedoch im Einzelfall, wenn es um die Abwehr von Besitzstörungen durch Dritte geht, als Besitzdiener die persönlichen Sachen des Partners verteidigen, vgl. so Vgl. § 856 H. So verliert der Ehemann, der tagsüber außer Hauses seiner Arbeit nachgeht, während dieser Zeit ebensowenig den Mitbesitz wie die Ehefrau, die Hausratsstücke vorübergehend einer Angestellten als Besitzdienerin anvertraut, vgl. für die Besitzdienerin § 855 letzter Hs. ~1 h. M.: Palandt/Bassenge, § 866 Anm. 1 b; SoergellMühl, § 866 Rz.6; RGRK-Kregel, § 866 Rz. 7; RGRK-Scheffler, § 1363 Anm. 6; Staudinger/Hübner, Vor § 1353 Rz. 35. 52 Anders jedoch, wenn einem Ehegatten die Sorge auch für die persönlichen Sachen des Partners anvertraut ist.
IV. Besitz der Ehewohnung
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§ 860. Hier ist Besitzdienerschaft sachgerecht und stellt keine Mißachtung der Gleichberechtigung dar, sondern ist die notwendige Respektierung eines (auch besitzrechtlichen) Freiraumes in der Ehe, in welchen der Partner nur weisungsunterworfen eindringen darF.
IV. Besitz der Ehewohnung im gesetzlichen Güterstand und bei Gütertrennung Nach heute herrschender MeinungM sind die Ehegatten bei gesetzlichem Güterstand oder bei Gütertrennung regelmäßig als Mitbesitzer der Ehewohnung anzusehen, unabhängig davon, ob beide Partei des Mietvertrages sind oder nur einer gemietet hat; unabhängig auch davon, wer bei einer Eigentümerwohnung Eigentümer ist. 1. Aus vollstreckungsrechtlicher Sicht wird jedoch die Mindermeimung"5 vorgetragen, der nichtrnietende Ehegatte sei nur Besitzdiener. § 739 ZPO hat für die beweglichen Sachen den Widerstand gegen den Mitbesitz wegen vollstreckungsrechtlicher Bedenken gegenstandslos gemacht; für die Ehewohnung gilt diese Vorschrüt ihrem Wortlaut nach nicht. Das Argument Pohles jedoch, ein Ehegatte, der den anderen die eheliche Wohnung mieten läßt, gebe damit zu erkennen, daß er über die gemietete Wohnung keine selbständige Sachherrschaft ausüben wolle, ist eine die soziale Wirklichkeit verfehlende Unterstellung. Letztlich wird hier wiederum der unmittelbare Besitz mit Hilfe des Rechtes zum Besitz (aus dem Mietvertrag) bestimmt. 2. Die Begründung des Mitbesitzes muß in einer Analyse der Sachherrschaftssituation gesucht werden. a) Es ist zu fragen: Üben beide Ehegatten gemeinschaftlich die Sachherrschaft über die Ehewohnung aus? Sachherrschaft ist die potentielle Fähigkeit, dem eigenen Willen gemäß mit einer Sache zu verfahren. In aller Regel hat jeder Ehegatte einen Schlüssel'i6 für die Wohnung in Händen, und alle Räume der Wohnung stehen beiden Ehegatten zur Benützung frei. Mit hoher Erfolgserwartung kann auch der nichtrnietende Ehegatte bzw. der Nichteigentümer die ganze Wohnung dem 53 Insoweit ist die Entscheidung des LG Bonn, FamRZ 67, 678, richtig; vgl. auch StaudingerlSeuffert, § 855 Rz. 6 b; a. A. Palandt/Bassenge, § 855, 4 b. 54 Vgl. die Nachweise oben Anm.1. 65 Pohle, MDR 55, 1 (4 f.); Stein/Jonas/Pohle, 18. Aufl., § 855 Anm. I, Fn. 5 a; Reinicke, NJW 53, 681; LG Ellwangen NJW 53, 1227; LG Hannover, GerVZ 54, 105; OLG Köln, NJW 58, 598 f.; zuletzt: Dietrich, Die Individualvollstreckung, S. 208 f. 56 Vgl. zur Begründung von Mitbesitz durch die Existenz mehrerer Schlüssel: RGZ 77, 201 (207); BGH LM, § 854 Nr. 8 = MDR 73, 572; MünchKommHaase, § 854 Rz. 15.
§ 7: Besitz an Hausrat und Ehewohnung
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eigenen Willen dienstbar machen. In dieser Realisierung seiner Herrschaft über die Wohnung ist er nur durch die Entfaltungs- und Nutzungswünsche des Partners begrenzt. Die. Möglichkeit beider Ehegatten, die gesamte Wohnung dem eigenen Willen gemäß zu nutzen, macht beide zu Inhabern der tatsächlichen Sachherrschaft. b) In einer wertenden Gesamtabwägung ist zu entscheiden, ob von Mitbesitz im Rechtssinne gesprochen werden kann. Definitionsgemäß handelt es sich bei einer Ehewohnung um gemeinsame Räumlichkeiten, die beiden Ehegatten zu dienen bestimmt sind, so daß als "übliche Beherrschungsart"5'J auch gemeinsame gleichberechtigte Sachherrschaft vermutet werden kann. Auch die Art der Sache weist also auf Mitbesitz hin, mehr als ein Indiz ist dies aber nicht. Jedoch zeigen auch die Rechtsfolgen des Mitbesitzes dessen Eignung als rechtliche Charakterisierung der Herrschaftsverhältnisse der Ehegatten über ihre Wohnung: § 866 ist für die Streitigkeiten der Partner über die Benutzung der Wohnung ehegerecht. Daß ggf. § 1353 in seiner anspruchsbegrenzenden Funktion Besitzschutzansprüche unter Ehegatten beschränkt, zeigt die Richtigkeit der Wertung, die auch dem Nichtmieter- bzw. Nichteigentümer-Ehegatten Mitbesitz der Ehewohnung zuspricht. Jeder Ehegatte kann als Besitzer störende Dritte abwehren. Dies ist ein billigenswertes Ergebnis, denn auch der Nichteigentümer hat ein schutzwürdiges Interesse daran, daß seine Zugriffsmöglichkeit auf die gemeinsame Wohnung erhalten bleibt, denn sie stellt den räumlichen Rückhalt der ehelichen Lebensgemeinschaft darM. Die gemeinsame Sachherrschaft beider Ehegatten sollte also als Mitbesitz im Rechtssinne angesehen werden. Wem die Wohnung gehört, bzw. wer sie gemietet hat, ist im gesetzlichen Güterstand oder bei Gütertrennung insoweit gleichgültig, wenn die Partner die Wohnung gemeinsam bewohnen. 3. Ausnahmen Der Einzelfall kann anders gelagert sein. So mag bei großzügigen Wohnverhältnissen jeder Ehegatte neben gemeinsam benützten Zimmern auch über Wohnräume für sich allein verfügen, mit der Möglichkeit, den anderen vom Zutritt auszuschließen. Er ist dann Alleinbesitzer dieser Räume, sofern nicht lediglich ein Fall des § 856 11 vorliegt. Daß eine solche Regelung unter Umständen dem rechtsverstandenen Wesen der Ehe, § 1353 I, 2 widerstreiteV'9, ist für die Beurteilung der VgL Westermann, SachR, § 9 II, 3. Der Bundesgerichtshof hält den "räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe" zu Recht für besonders schützenswert, BGHZ 6, 361. 67
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V.Zwangsräumung der Ehewohnung
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Besitzverhältnisse unbeachtlich, denn für diese ist nur die tatsächliche Sachherrschaft maßgebend. V. Die ZwangsTäu.mung deT Ehewohnung
Aus der Anerkennung des Ehegatterunitbesitzes im Recht der Ehewohnung erwächst ein vollstreckungsrechtliches Problem von erheblicher Bedeutung: Ist bei der Zwangsräumung einer Ehewohnung immer auch ein Titel gegen den Ehegatten nötig? Folgende Fälle mögen das Problem verdeutlichen: Mund F wohnen in der allein von M gemieteten Wohnung des Vermieters V. V kündigt dem M und erwirkt einen Räumungstitel nur gegen M. F widersetzt sich der Räumung. Oder: . F hat vom geisteskranken G eine Eigentumswohnung gekauft. Später hat sie geheiratet und ihren Gatten M einziehen lassen. Der Vormund V des G erwirkt ein Räumungsurteil allein gegen F. M widersetzt sich der Räumung. 1. Sind beide Ehegatten Mieter der Wohnung60 , so ist nach einhelliger Meinung ein Räumungstitel gegenbeide Ehegatten nötig61 • 2. Ob dies auch erforderlich ist, sofern nur ein Ehegatte gemietet hat, ist nach wie vor umstritten. Folgende Auffassungen werden vertreten: a) Es reiche ein Titel gegen den Mieter-Ehegatten, denn der andere sei gar nicht Besitzer, sondern nur Besitzdiener62 • Diese in letzter Zeit neuerlich aufgetauchte Meinung ist unrichtig, auch der NichtmieterEhegatte ist in aller Regel Mitbesitzer der Ehewohnung63 • Auch die Versuche, dem Begriff des Besitzdieners das Odium sozialer Minderwertigkeit zu nehmen64 , erweisen sich recht bald als erneute Verkennung des materiellen Rechtes aus prozeßrechtlicher Sicht. So hält es Dietrich für sachgerecht, daß dem Vermieter gegen den Nichtmieter-Ehegatten kein Räumungsanspruch zustehe und daß dieser keinerlei Besitzschutzrechte habe65 , was überdies noch mißverständlich ist: §860! Toleranter ist Streck, Generalklausel, Diss., S. 84 ff. Davon geht § 569 b wohl als Regelfall aus. G1 VgI. Müller, ZV gg. Ehegatten, S.49 m. w. Nachw.; Stein/Jonas/Münzberg, § 885 Anm. I; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 885 Anm. 1 B; Schmidt-Futterer, MDR 62, 700 li. Sp.; Staudinger/Hübner, § 1353 Rz.42. 8! VgI. oben Anm.55. ea Dies erkennt nun in der 19. Aufl. auch Stein IJonas IMünzberg, § 885 Anm. I, Fn. 19, 20, an. t i So Dietrich, Individualvollstreckung, S. 204 ff. 65 Ebd., S. 207. GD
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§ 7: Besitz an Hausrat und Ehewohnung
So erkennen dann auch alle weiteren Lösungsansätze den Ehegattenmitbesitz an. b) Die wohl verbreitetste Ansicht will einen einzigen Titel gegen den Mieterehegatten ausreichen lassen, weil der andere "lediglich abgeleiteten und vom Besitzrecht des Mieterehegatten abhängigen Mitbesitz" habe68 • Dieser Standpunkt wird den Bedürfnissen der Praxis gerecht, wie es in einer Entscheidung heißt67 ; er ist jedoch nicht haltbar. Es gibt keinen "akzessorischen", abgeleiteten oder abhängigen Mitbesitz68 • Seine Anhänger verkennen den Besitzbegriff und schließen vom Recht zum Besitz auf den tatsächlichen Besitz. Der Mieterehegatte, dem wirksam gekündigt wurde, verliert sein Recht zum Besitz aus dem schuldrechtlichen Mietvertrag. Er bleibt jedoch unmittelbar Besitzer der Wohnung, solange er seine Sachherrschaft und den Willen zu besitzen nicht aufgibt. Eben weil dies so ist, müssen Mieter so oft im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Besitz gesetzt werden. Der Besitz ist nicht dem Recht zum Besitz akzessorisch. Also bleibt der Nichtmieter-Ehegatte Mitbesitzer, auch wenn das Besitzrecht des Mieter-Ehegatten entfällt. Am Rande: In der Praxis wird der Vermieter jedoch häufig mit nur einem Titel zum Ziele kommen, denn die Lehre von der Irrelevanz des Mitbesitzes des anderen Ehegatten ist herrschend. Zudem wird dieser sich häufig nicht wehren. Und eine Vollstreckung, die entgegen §§ 886 bzw. 809 ZPO durchgeführt wurde, ist sicher nicht nichtig.
c) Baur69 bietet als Lösung des Problems § 885 11 ZPO an, aus dem sich ergebe, daß das Gesetz mit Familienangehörigen, die durch die Räumung betroffen werden, rechnet, sie aber nicht als Räumungsschuldner behandelt. Daraus folgert Baur, das Gesetz gehe davon aus, daß der Räumungstitel gegen den Schuldner auch die Zwangsräumung gegen die Familienmitglieder gestattet. Dieses Ergebnis sei auch wünschenswert, denn im Unterschied zu Fällen, wo beide Ehegatten gemietet haben, sei es ausgeschlossen, daß der Nichtmieter-Ehegatte im Räumungsprozeß andere, unter Umständen durchschlagende Einwendungen geltend machen könne, da sein Recht zum Besitz von dem des Mieterehegatten abhänge. Dazu ist kritisch zu sagen: Daß § 885 11 ZPO auch den Mitbesitz des Ehegatten für unbeachtlich erklären will, ist eine ee Stein/ Jonas/Münzberg, § 885 Anm. I, Fn. 19, 20; Thomas/Putzo, § 885 Anm. 2 b; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 885 Anm.1 B unter Berufung auf OLG Hamm, NJW 56, 1681 und LG Mannheim, WM 62, 111; LG Tübingen, JZ 65, 107; weitere Nachw. bei Müller, ZVgg. Ehegatten, S.56 Fn.145 . • 7 LG Tübingen, ebd. es Vgl. Rheinspitz, NJW 62, 1402; Baur, JZ 65, 108; Müller, ebd., S. 56 f. 89 JZ 65, 108; ders., Fälle und Lösungen im Zwangsvollstreckungsrecht, 3. Aufl., S. 33 f.; zustimmend: Gerhardt, VoUstreckungsrecht, § 13 II, 2 b, S.200.
V. Zwangsräumung der Ehewohnung
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Überinterpretation dieser Vorschrift und ihrer doch eher beiläufigen Erwähnung der Familienangehörigen. Überdies war sie schon 1900 mit diesem Wortlaut Gesetz. Die Anerkennung des Ehegattenmitbesitzes ist, wie wir wissen, neueren Datums. Wenn diese Vorschrift von zur Familie gehörigen Personen spricht, so werden in diesen allenfalls Besitzdiener und eben gerade nicht gleichberechtigte Mitbesitzer gesehen. Daher läßt sich mit § 855 II ZPO allein die Überflüssigkeit eines zweiten Titels nicht erweisen. d) Eine vierte Meinung sieht deshalb keinen anderen Weg, als grundsätzlich einen Räumungstitel gegen beide Ehegatten zu verlangen70 • Dies sei auch praktisch begrüßenswert, denn auch der Nichtmieter habe ein schutzwürdiges Interesse daran, "durch seine Beteiligung an dem Räumungsprozeß mit dafür sorgen zu können, daß alle zu Gebote stehenden Einwände vorgebracht werden"n. Dieses Argument ist nicht gerade gewichtig. In der Praxis dürfte die Kündigung der Ehewohnung die Anspannung aller Kräfte beider Ehegatten auslösen. Ist es für diese nicht von Vorteil, wenn ein Ehegatte nicht Partei ist und daher problemlos als Zeuge auftreten kann? Auch wird ein Vermieter gar nicht immer wissen, daß sein Mieter verheiratet ist und daher mit einem Mitbesitzer zu rechnen ist. Soll im übrigen auch ein nichtverheirateter Mitbesitzer (aufgenommener Freund oder Verwandter) sich der Zwangsräumung erfolgreich widersetzen können? Der Vermieter kennt nur seinen Vertragspartner. Dies gilt ebenso für die Rückabwicklung fehlgeschlagener Veräußerung von Wohnraum, auch in diesen Fällen kennt der Veräußerer nur den Erwerber. e) Daher ist im Ergebnis der herrschenden Ansicht zuzustimmen: Ein Titel gegen den Vertragspartner muß genügen. Die Begründung darf jedoch nicht die Gleichberechtigung und die tatsächlichen Sachherrschaftsverhältnisse bzw. den Besitzbegriff verkennen oder ausschließlich auf Praktikabilität abstellen. Der schlichte Mitbesitz und die noch näher zu untersuchenden Rechte an der Wohnung erwachsen dem Nichtmieter-Ehegatten aus der ehelichen Lebensgemeinschaft. Sein Anspruch auf Mitbenützung der Wohnung entfällt jedoch, sofern dem Mieter wegen Entziehung der Mietsache die Überlassung unmöglich wird, gleichviel, ob die Überlassungspflicht im Unterhaltsrecht oder in § 1353 I, 2 gesucht wird. Zudem besteht dieses Gebrauchsüberlassungsverhältnis nur im Innenverhältnis der ehelichen Lebensgemeinschaft, d. h. materiellrechtlich 70 Müller, ZV, S. 60 f. m. w. Nachw.; OLG Hamburg, MDR 60, 769; Schumacher, DGVZ 63, 150; MünchKomm-Wacke, § 1362 Rz. 37; wohl auch Soergel/Lange, § 1362 Rz. 16. 71 Müller, ebd.
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§ 7: Besitz an Hausrat und Ehewohnung
kann sich der nichtmietende Partner einem Räumungsverlangen des Vermieters nicht widersetzen, wenn das Recht zum Besitz des MieterEhegatten entfallen ist. Zu fragen ist also, wie der unbestreitbare fortdauernde Mitbesitz des nichtmietenden Partners in der Zwangsvollstreckung unbeachtet gelassen werden kann. Denkbar wäre eine Fiktion des Alleinbesitzes des Mieter-Ehegatten, also eine analoge Anwendung des § 739 ZPO"12. Diese Vorschrift beseitigt das Hindernis des Mitbesitzes des nichtschuldenden Ehegatten, soweit die Vermutung des § 1362 reicht. Daß § 1362 nur für bewegliche Sachen gilt, ist leicht erklärlich: Die Rechtszuständigkeit bei Immobilien ist in aller Regel unschwer festzustellen, das Grundbuch gilt als richtig, § 891. Damit ist aber noch nicht erwiesen, daß auch in der Zwangsvollstrekkung in unbewegliche Sachen der ehebedingte Mitbesitz erheblich sein muß; der Gegenschluß, § 739 ZPO nenne gerade und absichtsvoll die Ehewohnung nicht, der Gesetzgeber habe sich also gegen die Irrelevanz des Ehegattenmitbesitzes im Falle der Vollstreckung in Immobilien entschieden, ist nicht zwingendT3 • Vielmehr ist der Rechtsgedanke des § 739 ZPO, der Gedanke nämlich, daß der Ehegatte, der materiellrechtlich seine Inanspruchnahme nicht verhindern känn, dies auch nicht durch die Berufung auf den vollstrekkungsrechtlich bedeutsamen Gewahrsam können soll, auch auf die Fälle übertragbar, in welchen nur ein Ehegatte Partei des Mietvertrages ist. Bedenken gegen eine Analogie zu § 739 ZPO ergeben sich allenfalls aus folgendem: Dem Vollstreckungsgläubiger in das bewegliche Vermögen droht ohne die § 1362, § 739 ZPO ein völliger Ausfall seines Anspruchs gegen einen Ehegatten. Demgegenüber scheint der Räumungsgläubiger durch Klage gegen beide Ehegatten sein Recht sicher durchsetzen zu können, denn beide sind Schuldner jedenfalls eines Vindikationsanspruchs. Aber dies setzt voraus, daß der Vermieter Eigentümer der Wohnung ist, was durchaus nicht immer der Fall zu sein braucht. Außerdem besteht diese Möglichkeit in der Praxis nur, sofern der Vermieter von dem mitbesitzenden Ehepartner weiß. - Eine Abwägung der Interessen des Nichtmieter-Ehegatten, am Räumungsprozeß als Partei beteiligt zu sein, gegen das Interesse des Vermieters, seinen Anspruch im Wege einer Klage nur gegen den Vertragspartner realisieren zu können, fällt zu Gunsten des letzteren aus. 71 So auch Merkert, JR 66, 380 und Mohrbutter, Handbuch, § 19 III, 3 a; vorsichtig zustimmend Staudinger/Hübner, § 1353 Rz.42. 78 So wohl Müller, S. 53.
§ 8: Besitzverhältnisse in der Gütergemeinschaft
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Man sollte also mittels einer Analogie zu § 739 ZPO den ehebedingten Mitbesitz eines Ehegatten, der zum Vermieter (bzw. Verkäufer) von Wohnraum in keinerlei vertraglichen Beziehungen steht, in der Zwangsvollstreckung unberücksichtigt lassen, denn die Interessenlage des Räumungsgläubigers ist in diesem Falle der von § 1362, § 739 ZPO erfaßten Fallgruppe gleichgelagert74• § 8. Die Besitzverhältnisse in der Gütergemeinschaft
Im Recht der Gütergemeinschaft finden sich zwei Vorschriften, die den Besitz der Ehegatten am Gesamtgut ausdrücklich ansprechen: § 1450 I, 2 und § 1422. Für den Fall gemeinschaftlicher Verwaltung heißt es: "Der Besitz an den zum Gesamtgut gehörenden Sachen gebührt den Ehegatten gemeinschaftlich." Für den Fall der Verwaltung durch nur einen Ehegatten regelt § 1422, daß dieser "insbesondere berechtigt (ist), die zum Gesamtgut gehörenden Sachen in Besitz zu nehmen". In aller Regell rechnen Ehewohnung und Hausrat zum Gesamtgut, so daß bei der Bestimmung der BesitzverhäItnisse diese Vorschriften zu beachten sind. Es ist zu düferenzieren:
I. Besitzverhältnisse bei gemeinschaftlicher Verwaltung Aus § 1450 I, 2 kann nicht unmittelbar geschlossen werden, daß bei gemeinschaftlicher Verwaltung Mitbesitz an Hausrat und Ehewohnung gegeben ist, denn § 1450 I, 2 gibt nur ein Recht auf Mitbesitz. Die Besitzverhältnisse des Einzelfalles sind sachenrechtlich aufgruna. der tatsächlichen HerrschaftsverhäItnisse zu bestimmen. Und bei gemeinschaftlicher Verwaltung wird für jeden Ehegatten eine ungehinderte Benutzungs- und Zugriffsmöglichkeit die Regel sein, so daß beide Partner die tatsächliche Sachherrschaft ausüben. Zudem ist jeder Ehegatte nicht nur verwaItungsberechtigt, sondern auch zur Mitwirkung an der Verwaltung verpflichtet, § 1451, so daß für beide nach der Interessen- und Pflichtensituation die Besitzschutzrechte angemessen sind. Obwohl Hausrat und Ehewohnung zum Gesamthandsvermögen zählen, ist schlichter, nicht gesamthänderischer Mitbesitz anzunehmen, da jeder Ehegatte die Sachherrschaft allein ausüben kann~l, auf die rechtsgeschäftliche Verfügungsmacht kommt es dabei nicht an. Vgl. Larenz, Methodenlehre, S.366. Wohnungseigentum und einzelne Hausratsstücke können auch zum Vorbehaltsgut zählen, § 1418. Dann ist die familiengerechte Gebrauchsüberlassung wie bei Gütertrennung zu beurteilen. 74
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§ 8: Besitzverhältnisse in der Gütergemeinschaft
§ 866 befriedet den gemeinsamen Gebrauch. Im Falle völliger Besitzentziehung ist Klage gegen den eigenmächtig handelnden Ehegatten möglich3 • Besitzwehr und -kehr wird man wohl unter Ehegatten als ausgeschlossen ansehen müssen.
11. Verwaltung des Gesamtgutes durch einen Ehegatten Sehr viel problematischer ist die Beurteilung des Besitzes der Ehewohnung und des Hausrates bei Verwaltung durch nur einen Ehegatten, §§ 1422-1449. Es ist nicht richtig, von § 1422 ohne weiteres auf die tatsächlichen Besitzverhältnisse zu schließen, denn diese Vorschrift begründet lediglich ein Recht zur Inbesitznahme4 • Gegen die Ansicht, § 1422 mache den verwaltenden Ehegatten zum Alleinbesitzer auch der Wohnung und des Hausrates, wendet sich dann auch eine wohl h. M. in der Literaturo. Es wird geltend gemacht, dieser Alleinbesitz lasse sich mit § 1353 I, 2, der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft, oder - allgemeiner - mit dem "Wesen der Ehe" nicht vereinbaren, jedenfalls an Hausrat und Ehewohnung sei Mitbesitz auch des nichtverwaltenden Ehegatten anzunehmen8 • Diese Argumentation ist ungeeignet. Zunächst dürfte § 1422 S.l als lex specialis der Gebrauchsüberlassungspflicht aus der Generalklausel vorgehen". Außerdem ist einmal mehr der Schluß von dem Recht auf den Mitbesitz auf die tatsächliche Besitzsituation zurückzuweisen. Richtig ist einzig der Ansatzpunkt einiger Autoren8 , die auf die tatsächliche Sachherrschaft im Einzelfall abstellen. So schreibt beispielsweise Felgentraeger, die Wirklichkeit des ehelichen Zusammenlebens ! VgI. Baur. SachR. § 7 D I1, 1 b. Nach einer h. M. kann jeder Ehegatte die Besitzschutzrechte auch selbständig geltend machen, die Vorschriften über den Besitzschutz seien leges speciales zur grundsätzlich gemeinschaftlichen Zuständigkeit in der von beiden Partnern verwalteten Gütergemeinschaft; vgl. MünchKomm-Kanzleiter, § 1450 Rz. 20; Erman/Heckelmann, § 1450 Rz.2; Soergel/Gaul. § 1450 Rz. 11; a. A. Staudinger/Felgentraeger, § 1450 Rz. 35. 3 Anspruchsgrundlage § 861 und § 1450 I, 2 i. V. m. § 1455 Zif.8. Eine einheitliche Zuständigkeit des Familiengerichts gem. § 621 Zif. 8 ZPO wäre wünschenswert. , So jedoch Baur. SachR, § 7 D H, 1 c; Palandt/Diederichsen, § 1422 Anm.3 unter Hinweis auf RGZ 105, 20 zu § 1443 a. F.! Stein/Jonas/Münzberg, § 808 Anm. H, Fn. 33. 5 Vgl. Mikat, FS Felgentraeger, S.328; Gernhuber, FR, § 38 VI, 2; Ermanl Heckelmann, § 1422 Rz.4; MünchKomm-Kanzleiter, § 1422 Rz.13; Soergel/ Gaul, § 1422 Rz. 7; Staudinger I Fe1gentraeger, § 1422 Rz. 12-14. 8 Ausgehend von BGHZ 12,380: Mikat, ebd.; Heckelmann, ebd.; wohl auch Gaul, ebd.; Felgentraeger, ebd. 7 a. A. MünchKomm-Kanzleiter, § 1422 Rz. 12. 8 Staudinger I Felgentraeger, § 1422 Rz. 12; Gernhuber, FR, § 38 VI, 2; Ermann/Heckelmann, ebd.
11. Verwaltung durch nur einen Ehegatten
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präge "bei gewissen Gegenständen die Besitzlage abweichend vom Schema der Gütergemeinschaft"o. Daran ist etwas Wahres: Ungeachtet der besonderen Konstellation des Einzelfalles muß für den Regelfall vermutet werden, daß auch bei der Verwaltung durch nur einen Ehegatten der nichtverwaltende Ehegatte ungehindert dem eigenen Entschlusse folgend alle Hausratsstücke in Gebrauch nehmen und alle Räume der Wohnung betreten und bewohnen kann. Die gemeinschaftliche Zweckwidmung des Hausrates und der Ehewohnung ist also praktisch stärker als das exclusive Inbesitznahmerecht des Verwalters. Selbst in einer traditionalen bäuerlichen Familie, in der noch am ehesten Gütergemeinschaft mit Alleinverwaltung durch den Mann vereinbart wird1o, ist der Haushalt, sind Wohnung und Hausrat der Herrschaftsbereich der Frau. Es ist lebensfremd, die Zugriffsmöglichkeit der Frau als untergeordnet dem letztlich ausschlaggebenden Willen des Mannes unterworfen anzusehen, wenn es um die Verwendung dieser Dinge geht. Begreift man Sachherrschaft als (potentielle) Fähigkeit, mit einer Sache dem eigenen Willen gemäß tatsächlich (nicht rechtlich!) verfahren zu können, so ist davon auszugehen, daß im Regelfall trotz § 1422 auch der nichtverwaltende Partner Mitinhaber der Sachherrschaft über Hausrat und Ehewohnung ist. Man könnte zwar einwenden, die Vereinbarung der Verwaltung durch nur einen Ehegatten zeige doch gerade, daß auch nur dieser das Gesamtgut alleinverantwortlich beherrschen solle. Aber dies dürfte regelmäßig so nicht gewollt sein. Die Eheleute beabsichtigen zwar die Übertragung der rechtsgeschäftlichen Verfügungsrnacht auf nur einen Ehegattenl l. Dieser soll die wirtschaftlichen Entscheidungen und die geschäftlichen Außenbeziehungen in der Hand haben, nicht jedoch auch die interne Benützung des Gesamtgutes, soweit es um den täglichen Bedarf geht, letztentscheidlich regeln. Und für den Tatbestand des Besitzes ist auf tatsächliche Herrschaft und schutzwürdiges Kontinuitätsinteresse, nicht aber auf die rechtsgeschäftliche Verfügungsrnacht abzustellen. "Wer Verwaltung durch den Partner wählt, will in der Regel nicht unmittelbaren Besitz aufgeben. Und wer Alleinverwaltung übernimmt, will in der Regel den Partner vom üblichen Mitbesitz der Ehegatten nicht ausschließen12." Denkbar wäre jedoch noch, daß trotz Sachherrschaft über Hausrat und Ehewohnupg die Position des nichtverwaltenden Ehegatten nicht als Mitbesitz im Rechtssinne anzusehen ist. Aber dagegen sprechen gewichtige Argumente: • Ebd. 10 Vgl. zur Häufigkeit MünchKomm-Kanzleiter, § 1450 Rz. 3. U Vgl. § 1422, S. 1, 1. Alt. 11 Gernhuber, FR, § 38 VI, 2.
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§ 9: Die Besitzverhältnisse bei faktischem Getrenntleben
Beide Ehegatten sind unabhängig vom Güterstand gleichermaßen auf Hausrat und Wohnraum angewiesen. Der nichtverwaltende Ehegatte muß vor dem mutwilligen Ausschluß vom Mitgebrauch durch den Verwalter geschützt werden. Dies ermöglicht § 866, der immerhin bei völliger Besitzentziehung die Klagemöglichkeit offenläßt. Der nichtverwaltende Ehegatte hat ein schutzwürdiges Kontinuitätsinteresse, so daß es angemessen ist, auch ihm gegen Dritte die Besitzschutzrechte eines Besitzers zu eröffnen13• Auf den Indizienwert der gemeinschaftsdienlichen Zweckwidmung von Ehewohnung und Hausrat, Indiz für Mitbesitz, wurde schon mehrfach hingewiesen. Diese Widmung wird auch durch die Vereinbarung der Alleinverwaltung nicht zerstört. So muß die regelmäßig vorliegende Sachherrschaft beider Ehegatten über Wohnung und Hausrat trotz Alleinverwaltung als Mitbesitz im Rechtssinne angesehen werden.
§ 1422 ist wohl zu weit gefaßt. Zwar macht § 1422 den Mitbesitz an Hausrat und Ehewohnung nicht unmöglich, denn die Vorschrift etabliert ja nur ein Inbesitznahmerecht, von dem im Einzelfall kein Gebrauch gemacht werden muß. Aber dennoch sollte § 1422 einschränkend interpretiert werden, als lautete er: "ist insbesondere berechtigt, die zum Gesamtgut gehörenden Sachen mit Ausnahme des Hausrats, der Ehewohnung und der zum persönlichen Gebrauch. des anderen bestimmten Sachen in (Allein-)Besitz zu nehmend•. § 9. Die Besitzverhältnisse bei faktischem Getrenntleben Das Getrenntleben der Ehegatten ist im Ehescheidungsrecht1 nach dem 1. EheRG außerordentlich bedeutsam geworden, denn an das Getrenntleben knüpft das Gesetz die Vermutung des Scheiterns (vgl. §§ 1565, 1566). Regelmäßig geht also nach der neuen Regelung dem Antrag auf Scheidung eine Zeit des Getrenntlebens voraus (Ausnahme: § 1565 11). Da im Rahmen dieser Arbeit Probleme der auseinanderbrechenden und der geschiedenen Ehe nicht untersucht werden können, sollen hier nur die Besitzverhältnisse getrenntlebender Ehegatten bestimmt werden, die zeitweise oder immer ohne häusliche Gemeinschaft leben, ohne 13 Das Notverwaltungsrecht des § 1429 eröffnet auch dem nichtverwaltenden Partner einen gewissen Handlungsspielraum. 14 Im Ergebnis ebenso MünchKomm-Kanzleiter, § 1422 Rz. 12: § 1422 habe nur das "echte" Vermögen der Ehepartner im Auge. 1 Eine Einführung gibt Diederichsen, NJW 77, 273, 601.
I. Dauerndes faktisches Getrenntleben
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dies als eine Störung ihrer Ehe oder als Wartezeit vor der Scheidung zu betrachten. Eine solche Gestaltung des ehelichen Lebens mag dauerhaft bei Schauspielern, ähnlich unstet lebenden oder sehr individualistisch eingestellten Ehepartnern vorkommen. Das vorübergehende Getrenntleben ist vergleichsweise sicher eine häufigere Erscheinung. So übersiedelt nach einem Stellungswechsel oft nur der arbeitende Ehegatte an den weiter entfernten neuen Arbeitsort, sei es, weil zunächst keine geeignete Wohnung für die Familie gefunden wird oder Schulprobleme der Kinder zu befürchten sind, sei es, weil zunächst erprobt werden soll, ob die neue Arbeitsstelle von Dauer sein wird. Bei wachsender Mobilität der Arbeitskräfte werden Fälle dieser Art zukünftig eher häufiger werden. Von nicht unerheblicher Bedeutung sind auch die erzwungenen Trennungen durch Strafhaft eines Partners. Auch Jungverheiratete, die noch keine gemeinsame Wohnung gefunden haben, leben häufig zunächst noch getrennt, d. h. ohne häusliche Gemeinschaft~. Allerdings gilt für alle diese Fälle, daß die Ehegatten nicht im Sinne des § 1567 I getrennt leben, denn diese Vorschrift, eine gesetzliche Bestimmung des rechtlichen Begriffes des "Getrenntlebens", verlangt neben dem Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft zusätzlich, daß ein Ehegatte diese auch nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Diese subjektive Trennungsabsicht liegt in den skizzierten Fällen gerade nicht vor, so daß man zur Unterscheidung von "rein faktischem Getrenntleben" sprechen kann. Was im folgenden über den Besitz bei Fehlen der häuslichen Gemeinschaft gesagt werden kann, gilt jedoch im wesentlichen auch für das Getrenntleben mit Trennungsabsicht3 •
Im einzelnen:
I. Dauerndes faktisches GetTenntleben 1. Leben die Ehegatten auf Dauer jeder in einer eigenen Wohnung, so ist jeder Partner Alleinbesitzer des von ihm benützten Wohnraumes und der darin befindlichen beweglichen Sachen, denn nur er ist in der Lage, mit Wohnung und Hausrat dem eigenen Willen gemäß zu ver!
Vgl. MünchKomm-Wacke, § 1362 Rz. 14.
Auch zu besitzrechtlichen Besonderheiten kommt es im Falle des Getrenntlebens innerhalb der Ehewohnung, vgl. § 1567 I, 2; dazu auch BGH, FamRZ 78, 671; FamRZ 79, 470. 3
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§ 9: Die Besitzverhältnisse bei faktischem Getrenntleben
fahren. Dem anderen Ehegatten fehlt regelmäßig die Möglichkeit und der Wille, im Lebensbereich des Partners Sachherrschaft auszuüben. Somit existieren zwei unabhängige, jeweils eindeutig von nur einem Ehegatten beherrschte Machtkreise. 2. Es ist fraglich, ob dieser untypische Tatbestand die Eigentumsvermutung des § 1362 I, 1 ausschließt; schärfer: ob auch rein faktisches Getrenntleben gemeint ist4 , wenn § 1362 I, 2 bei Getrenntleben die Vermutungswirkung des Satz 1 entfallen läßt. Dagegen könnte sprechen, daß § 1567 den Begriff des "Getrenntlebens" definiert, dies die neuere Vorschrift ist und daher dokumentiert, was der Gesetzgeber heute unter Getrenntleben verstanden wissen will. Gegen diesen Einwand spricht entscheidend eine teleologische Auslegung des § 1362 I, 2: Diese Vorschrift will nicht entgegen dem System der Gütertrennung in zwei von drei Güterständen einen Ehegatten mit seinen beweglichen Sachen für die Schulden des anderen haften lassen, sondern sie soll ausschließlich eine kaum zu überwindende Beweisnot des Außenstehenden beheben. Diesem ist nämlich bei dem im Falle ungetrennten Zusammenlebens regelmäßig vorliegenden Mitbesitz der Nachweis kaum möglich, daß die Sache, auf die zugegriffen werden soll, Alleineigentum des Schuldners ist, denn § 1006 begründet die Vermutung des Miteigentums. Auch ist es leicht möglich, daß der nichtschuldende Ehegatte gefährdete Sachen in Alleinbesitz nimmt; § 1006 stritte dann sogar für dessen Alleineigentum. Hauptzweck des § 1362 I, 2 ist es also, die im räumlichen Bereich der Ehe wegen des Mitbesitzes irreführende Vermutungsfunktion des § 1006 auszuschaIten5 • Daher ist andererseits die Vermutung des § 1362 I, 1 nicht mehr gerechtfertigt, wenn die Ehegatten über getrennte, jeweils als Alleinbesitzer kontrollierte Herrschaftskreise gebieten, denn die Wahrscheinlichkeit, daß die Vermutung des § 1006 richtig ist, ist dann größer als die, das § 1362 I, 1 etwas Wahres vermutet. § 1362 I, 2 gilt also auch bei rein faktischem Getrenntleben. Diese Ansicht ist auch einzig praktikabel: Der Gerichtsvollzieher kann feststellen, daß der Schuldner-Ehegatte nicht bei dem nichtschuldenden Partner wohnt. Festzustellen, ob jener mit oder ohne Trennungsabsicht getrennt lebt, ist dem Gerichtsvollzieher dagegen nicht zuzumuten6 • 4 Dafür eine h. M.: OLG Köln, FamRZ 65, 510; MünchKomm-Wacke, § 1362 Rz. 14; Erman/Heckelmann, § 1362 Rz.lO; SoergellLange, § 1362 Rz.5; Staudinger/Hübner, § 1362 Rz. 10; Gernhuber, FR, § 22 II, 3. 5 VgI. Gernhuber, FR, § 22 II, 1.
II. Vorübergehendes faktisches Getrenntleben
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H. Vorübergehendes faktisches GetrenntZeben
Wenn die Ehegatten das Getrenntleben nicht wollen, aber dennoch über zwei unabhängige Herrschaftskreise gebieten, so gilt nichts anderes als bei dauerndem Getrenntleben (so im Beispiel der Jungvermählten, die noch ohne Wohnung sind). Hat ein Ehegatte eine alleinbenutzte, auswärtige Wohnung und lebt außerdem noch gelegentlich in der Wohnung des Partners (Wochenendheimfahrer) oder hat dies jedenfalls später wieder vor (wie der in Strafhaft befindliche Ehegatte), so sind die Besitzverhältnisse differenzierter zu beurteilen. Der auswärtig arbeitende Ehegatte ist dann Alleinbesitzer seiner dortigen Wohnung und der darin befindlichen beweglichen Sachen. Daß die Gläubiger des anderen Ehegatten sich nicht auf § 1362 I, 1 berufen können, ist wegen der eindeutigen Besitzlage gerechtfertigt. Aber hinsichtlich der gelegentlich noch gemeinsam benützten Wohnung muß etwas anderes gelten. Die regelmäßige, aber immer nur vorübergehende Unterbrechung der Sachherrschaft des Wochenendheimfahrers läßt diesen seinen Mitbesitz, soweit solcher bei dauernder Anwesenheit gegeben wäre, nicht verlieren. Dies ergibt sich aus § 856 11. Bleibt der abwesende Ehegatte Mitbesitzer, so ist es nach Sinn und Zweck des § 1362 I, 1 auch gerechtfertigt, daß seinen Gläubigern die Eigentumsvermutung zugute kommt. Ist die Trennung also nicht so nachhaltig, daß sie den Mitbesitz an Wohnraum und Hausrat des verlassenen Lebenskreises beendigt, so kommt § 1362 I, 2 nicht zum Zuge. Wann ein in Strafhaft befindlicher Ehegatte seinen Mitbesitz verliert, kann nicht pauschal entschieden werden. Zeitige Haft ist "ihrer Natur nach vorübergehend", § 856 11. Auch erlauben der jetzt regelmäßig gewährte Hafturlaub (§ 13 StVollzG) und Ausgang (§ 11 1 Zif. 2 StVollzG) eine Aktualisierung der Sachherrschaft. Auf dem Briefwege kann der einsitzende Ehepartner mit Anregungen und Bitten, wie mit den gemeinsamen Dingen zu verfahren ist, seinen Sachherrschaftswillen kundtun. Da im Regelfall in der verlassenen Ehewohnung sich der Großteil der Habe des Einsitzenden befindet, ist dieser auch des Besitzschutzes würdig. Gegen Verfügungen des verbliebenen Partners schützt § 935 I, wenn man Mitbesitz annehmen will. Angesichts dieser Interessenlage ist in aller Regel bei zeitigen Freiheitsstrafen die Fortdauer des Mitbesitzes eines in Strafhaft befindlichen Ehegatten anzunehmen. Konsequenterweise gilt in diesen Fällen § 1362 I, 1 fort'T. Dieses Ergebnis ist auch praktisch richtig: Liegt dauerndes Getrenntleben in I
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VgI. Erman/Heckelmann, § 1362 Rz. 10. Anders OLG Köln, FamRZ 65, 510.
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§ 9: Die Besitzverhältnisse bei faktischem Getrenntleben
zwei Wohnungen vor, so ist die Vennutung, daß sich mit dem Besitz auch das Eigentum entwirrt hat8 , begründet. Gläubiger des einen Ehegatten werden beim anderen auch nur dessen für sie unverwertbare Sachen anfinden. Besteht dagegen nach wie vor Mitbesitz, so handelt es sich in der Regel auch um ein Gemenge aus Sachen beider Ehegatten. § 1362 I, 2 ist also erst anzunehmen, wenn die Ehegatten zwei in Alleinbesitz· kontrollierte Herrschaftskreise geschaffen haben. IH. Exkurs: Getrenntleben innerhalb einer Wohnung Zu Recht hat das 1. EheRG aus sozialen Gründen auch das Getrenntleben innerhalb der ehelichen Wohnung anerkannt, sonst wäre die Ehe sozial schwacher Partner, die keine zweite Wohnung bezahlen können, abgesehen von § 1565 II unscheidbar. § 1567 I, 2 ist allerdings logisch mißglückt, da der Gesetzgeber in Satz 1 das "Getrenntleben" u. a. mit dem Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft definiert, dann jedoch in Satz 2 das Nichtbestehen der häuslichen Gemeinschaft für einen Sonderfall mit dem Getrenntleben. Alfred Wolf schlägt in Anknüpfung an die frühere Rechtsprechung zu § 48 EheG vor, nur die "vollkommene tatsächliche Trennung"O solle auch innerhalb der Ehewohnung zur Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft führen. Dem ist die neueste höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ohne Einschränkungen gefolgt, "zumindest die gemeinsame Benutzung einzelner Räume (Flur, Küche, Toilette, Bad)u1O müsse möglich sein, allerdings dürfe kein gemeinsamer Haushalt geführt werden und dürften keine wesentlichen persönlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten bestehen; es sei zu verlangen, daß die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft in dem nach den gegebenen Umständen weitestgehenden Umfang herbeigeführt werdel1 • Dieser praktizierbaren Auffassung ist zu folgen. 1. Was folgt daMus für den Besitz? An den Sachen in den einzeln benutzten Räumen und an diesen selbst hat der dort lebende Ehegatte alleinigen unmittelbaren Besitz. Dagegen Sind die getrenntlebenden Ehegatten im Regelfall Mitbesitzer der notgedrungen gemeinsam benutzten Räume und Hausratsgegenstände. Dies ist wegen der besonders streitgefährdeten Situation auch sachgerecht;§ 866 befriedet den gemeinsamen Gebrauch. VgI.. Gernhuber, FR, § 22 II, 3. MünchKomm-Wolf, § 1567 Rz. 25; BGH, LM, §48 EheG, Nr.14 69,80; OLG Frankfurt, FamRZ 78, 328. 10 BGH, FamRZ 78, 671. 11 BGH, FamRZ 79, 470. 8 g
= FamRZ
ur. Getrenntleben in einer Wohnung
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2. Aus der Möglichkeit, innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt zu leben, ergibt sich ein weiteres, bislang kaum beachtetes Problem: Kann ein Ehegatte dem Gerichtsvollzieher, der für einen Gläubiger des anderen vollstrecken will, entgegenhalten, er lebe innerhalb der Wohnung von dem Schuldner-Ehegatten getrennt, so daß § 1362 I, 2 zum Zuge kommt? a) Wird der Einwand des Getrenntlebens nachweislich arglistig zur Vollstreckungsvereitelung erhoben, so wird nach allgemeiner Meinung12 § 1362 I, 1 angewendet. b) Wie aber ist zu verfahren, wenn die Eheleute tatsächlich innerhalb der Ehewohnung getrennt leben? Wacke will ohne Einschränkung die Vermutungswirkung des § 1362 I, 1 fortbestehen lassen, ein Getrenntleben nach § 1567 I, 2 sei zu ignorieren13• Dem muß widersprochen werden. Die Trennung innerhalb der ehelichen Wohnung ist kein Getrenntleben minderer Qualität oder minderen Rechts. Angesichts der Besitzlage, Alleinbesitz eines Ehepartners an dem exclusiv benutzten Wohnungsteil, ist es nicht mehr gerechtfertigt, zu Gunsten der Gläubiger des anderen Ehepartners dessen Eigentum zu vermuten. Denn in aller Regel wird jeder Ehegatte zur Vorbereitung des Getrenntlebens seine Sachen in einem Wohnungsteil um sich versammeln, so daß § 1006 I mit größerer Wahrscheinlichkeit etwas Richtigeres sagt als § 1362 I, 1: Es kann vermutet werden, daß die beweglichen Sachen, die sich im Wohnungsteil eines Partners in dessen Alleinbesitz befinden, auch dessen Eigentum sind. Eine fortdauernde Ungewißheit über das Eigentum herrscht in dem gemeinsam benützten Wohnungsteil14 • Hier ist angesichts des Mitbesitzes der Ehegatten aufgrund gemeinschaftlicher Sachherrschaft, der in der Verteilung des Eigentums keine Entsprechung findet, wiederum § 1362 I, 1 sachgerechter als § 1006 I. Dies kompliziert die Aufgaben des Gerichtsvollziehers: Wird ihm von dem nichtschuldenden Ehegatten der Einwand des Getrenntlebens innerhalb der Ehewohnung entgegengehalten und eventuell durch Vorlage eines Beschlusses des Familiengerichts im Hausratsverfahren nach § 1361a BGB, § 18a HausrVO glaubhaft gemacht, so ist dieser zu beachten. In dem vom nichtschuldenden Ehegatten bewohnten Teil der Räumlichkeiten darf also gern. § 1362 I, 2, § 809 ZPO nicht vollstreckt werden. 11
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vgl. Staudinger I Hübner, § 1362 Rz. 10; MünchKornm-Wacke, § 1362 Rz.
MünchKomm, ebd. Der BGH denkt an "Flur, Küche, Toilette, Bad", FamRZ 78, 67l.
6 A. SdlUlz
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§ 9: Die Besitzverhältnisse bei faktischem Getrenntleben
Auf die beweglichen Sachen, die sich in dem notgedrungen gemeinsam benützten Wohnungsteil finden, kann gern. § 1362 I, 1 BGB, § 739 ZPO zugegriffen werden. In dem exclusiv vom Schuldner-Ehegatten bewohnten Teil der Räume kann schon nach allgemeinen Regeln vollstreckt werden.
DTitteT Teil
Gehrauchsüherlassungsanspruch und Recht zum Besitz § 10. Der Gebrauchsüberlassungsanspruch
Die Frage, ob die ungestörte Ehe ein Recht zum Besitz des Hausrates oder der Ehewohnung gibt, läßt sich nur beantworten, wenn das logisch vorgängige Problem geklärt ist, ob der Nichteigentümer-Ehegatte die Mitbenützung verlangen kann. Wir haben bereits oben1 auf den eigenartigen Zusammenhang zwischen dem Recht auf Besitz und dem Recht zum Besitz hingewiesen und bei den obligatorischen Besitzrechten im Gebrauchsüberlassungsanspruch die Begründung und einen Anhaltspunkt für die Dauerhaftigkeit des Rechtes zum Besitz gesehen. Die Beschreibung des unmittelbaren Besitzes der Ehegatten im 2. Teil dieser Arbeit erbrachte folgendes Bild: Im Regelfall sind sie Mitbesitzer des Hausrates und der Ehewohnung. Nun ist also zu fragen, ob der Eigentümer-Ehegatte auch zur Herstellung dieser regelmäßig vorzufindenden Situation verpflichtet ist, oder, wenn die tatsächliche Besitzverteilung nicht diesem Regelfall entspricht, ob für den vom Mitbesitz ausgeschlossenen Ehegatten ein durchsetzbarer Anspruch auf Mitbenutzung und Einräumung des Mitbesitzes besteht. Seit BGHZ 12, 380 erkennt die Rechtsprechung2 einen solchen Gebrauchsüberlassungsanspruch an. Auch das Schrifttum3 ist einhellig dieser Ansicht. Vgl. oben § 2 UI. BGHZ 12, 380 (399 f.); OLG Hamm, NJW 56,1681; BGH, FamRZ 71,691; BGH, NJW78, 1529; BGHZ 67, 217; LGMünchen I, FamRZ 70, 84; OLG stuttgart, NJW 70, 101; OLG Celle 71,28; OLG Bremen, FamRZ 65, 77; noch a. A., RGZ 87, 58. 3 Vgl. Gernhuber, FR, § 19 III, 1; § 23, 2; ders., FamRZ 59, 465; Beitzke, FR, § 12 III, 2 g; Dölle, FR I, § 33 I, 3; Henrich, Familienrecht, § 7 III, 1 c; Rolland, § 1353 Rz. 12, 13; Palandt/Diederichsen, § 1353 Anm. 2 b bb; Vor § 1414 Anm.l; Soergel/Lange, § 1353 Rz. 6; Erman/Heckelmann, § 1353 Rz. 17; Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 37; MünchKomm-Wacke, § 1353 Rz. 30; RGRKScheffler, § 1353 Anm.3; Jauernig/Schlechtriem, § 1353 Anm.3; Kremer, Diss., aaO., S. 72 ff.; ders., FamRZ 54, 187; Hanisch, NJW 63, 1033; Müller, JR 63,367; Brühl, FamRZ 54, 210; H. P. Westermann, Materialien zum ausländischen und internationalen Privatrecht, Bd. 29, S. 11; Erle, Die Besitzverhältnisse unter Ehegatten seit Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes; Lill, Ehewohnung und Hausrat im Familienrecht europäischer Staaten. 1
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§ 10: Der Gebrauchsüberlassungsanspruch
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Herrscht im Ergebnis Einigkeit, so unterscheiden sich die Begründungen nicht unerheblich. Auch ist es sicher nicht immer eine Selbstverständlichkeit4 , den anderen Ehegatten den eigenen Hausrat mitbenutzen zu lassen, wie die folgenden Fälle, die in den Problemkreis einführen mögen, zeigen: (1) Fernseh/aU:
M hat sein Fernsehgerät in die Ehe mitgebracht. Zunächst genießen M und F gemeinsam das Programm. Eines Tages schafft M sein Gerät auf den Speicher und verschließt es dort nachhaltig, fernsehen sei ungesund und geistfeindlich. Was kann F unternehmen? Sicher nicht auf den ersten Blick zu entscheiden ist der (2) Möbel/aU:
M und F leben in gesetzlichem Güterstand. F hat einige alte Möbel geerbt, die sie bei einem Spediteur eingelagert hat. M. möchte die Antiquitäten zur Ausstattung der Ehewohnung verwenden. F meint, alte Möbel seien nicht mehr zeitgemäß. - Hat M einen durchsetzbaren Anspruch auf Einbringung der Möbel? Auch im Recht der Ehewohnung ist der Mitbenutzungsanspruch des Nichteigentümer-Ehegatten nicht immer zweifelsfrei: (3) Eigenheim/all:
Mund F wohnen in einer Stadtwohnung. Sie bauen auf dem Lande ein Haus und wohnen dort zunächst nur am Wochenende. M zieht ganz hinaus und verwehrt der F den Zutritt, er brauche seine Ruhe, die Stadtwohnung sei für F groß genug. Diese verlangt den Zugang zum Landhaus$. Und noch unsicherer läßt sich die Grenze zwischen ehelicher Gemeinsamkeit und individuellem Freiraum ausmachen im (4) Jagdhütten/all:
M verfügt über eine Jagdhütte aus seiner Junggesellenzeit, die er mehrmals im Jahr für einige Tage aufsucht. F, die er niemals mitnimmt, verlangt die Gestattung der Mitbenutzung und die Aushändigung eines Schlüssels. Auch sie brauche Erholung; außerdem vermutet sie ehewidrige Treffen des M mit dritten Personen. Natürlich liegen die Fälle nicht gleich. Fall (I) und (3) betreffen die Wiedereinräumung des Mitbesitzes eines Hausratsstückes bzw. einer gemeinsam bewohnten Wohnung. Die beiden anderen Fälle zielen auf die erstmalige Mitbenutzung von Gegenständen, die noch nicht Hausrat sind, bzw. von Wohnraum der (noch) nicht Ehewohnung ist. Fall (2) und (4) unterscheiden sich jedenfalls darin, daß im Fall (4) der in Anspruch genommene Ehegatte die Sache selbst benutzt. , So aber Müller, JR 63, 367. 5 Sachverhalt nachgebildet OLG Bremen, FamRZ 65,77,
I. Die Begründungsversuche
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Dergleichen Unterscheidungen werden von der h. M.6 regelmäßig vernachlässigt, sie sind jedoch von großer Bedeutung, wie sich zeigen wird. Fragen wir nun: Wie läßt sich ein Gebrauchsüberlassungsanspruch des Nichteigentümer-Ehegatten hinsichtlich Ehewohnung und Hausrat dogmatisch begründen?
I. Die BegTÜndungsversuche 1. BGHZ 12, 380: Gebrauchsüberlassungsvertrag nach Art der Leihe.
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes setzte die Diskussion über die Gebrauchsüberlassungspflicht in. Gang - BGHZ 12, 380. Dieser Sachverhalt war zu entscheiden: Die Klage richtet sich gegen Eheleute, deren Ehewohnung in einem der Frau gehörenden Haus sich befand. Ein nach Besatzungsrecht eingesetzter Treuhänder verlangte die Räumung des Grundstückes. Es war nur noch zu entscheiden, ob der Mann für die Herausgabeklage des mit Eigentümerbefugnissen handelnden Treuhänders gern. § 985 ebenfalls passivlegitimiert war. Es war also zu prüfen, ob auch der Mann, dem die Wohnung nicht gehörte, deren Besitzer war. Dazu der IV. Zivilsenat: "Nimmt die Frau, die EigentÜMerin eines Grundstückes ist, den mit ihr in Gütertrennung lebenden Mann bei ungestörter Ehe in die von ihr benutzte Wohnung auf, dann widerspricht es der Lebenserfahrung, den Mann in die Stellung eines bloßen Besitzdieners herabzudrücken. Auch wenn keine besondere Vereinbarung der Ehegatten vorliegt, ist mit Rücksicht auf die gegenseitige Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB) der stillschweigende Abschluß eines Gebrauchsüberlassungsvertrages hinsichtlich der Wohnung nach Art einer Leihe (§ 598 BGB) anzunehmen ... Es würde der Stellung des Mannes nicht entsprechen, wollte man ihm in diesem Falle jede selbständige Nutzungsbefugnis der ehelichen Wohnung versagen7 ." Richtigerweise hätte das Gericht die konkreten Herrschaftsverhältnisse an der Wohnung untersuchen müssen. Das Schwergewicht der Ausführungen des Senats liegt dagegen auf der Frage, ob dem Mann auch ein Recht zum Besitz zur Seite steht. Das wäre bei einer Erörterung des § 986 am Platz gewesen, nicht aber bei der Frage, ob der Mann überhaupt Besitzer war. Also hat auch der BGH nicht der Versuchung widerstanden, den unmittelbaren Mitbesitz mit dem Recht zum Besitz zu begründen8 • • Vgl. oben Anm. 2 und 3. BGHZ 12, 399 f. 8 Ein Mieter oder Entleiher einer Sache ist nicht deren unmittelbarer Besitzer wegen des Miet- oder Leihvertrages, sondern aufgrund seiner Sachherrschaft; vgI. dazu richtig OLG Hamm, NJW 56,1681. 7
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§ 10: Der Gebrauchsüberlassungsanspruch
Das überflüssigerweise Gesagte fand Beachtung9 • Vor allem der Gebrauchsüberlassungsanspruch des Nichteigentümer-Ehegatten rückte in das Blickfeld. Der BGH hatte den Mitbesitz der Ehewohnung für rechtmäßig gehalten. So lag es nun nahe, nach einem zugrundeliegenden Anspruch auf Herstellung dieser als rechtmäßig erkannten Besitzlage zu forschen. Einen solchen Anspruch mußte es geben, denn erst wenn er erfüllt war, konnte sinnvollerweise gefragt werden, ob die Besitzlage dauert1o• a) Der BGH sucht die Verpflichtung, dem Partner die gleichberechtigte Mitbenutzung zu gestatten, in einem "Gebrauchsüberlassungsvertrag nach Art einer Leihe", der für Gernhuber sich allerdings als ein reines "Kunstprodukt eines lebensfremden juristischen Denkens"ll darstellt. Aber es lohnt sich, diesen Gedanken dennoch ein wenig weiter zu verfolgen, wenngleich auch der BGH ihn wohl inzwischen fallengelassen hat12, denn die Vertragstheorie hat sicher einen verständnisfördernden Effekt. Ihr ist nämlich folgendes zugute zu halten: Unterstellt man den Vertragsabschluß, so ließe sich ein Anspruch des Nichteigentümers auf Zulassung zum Mitbesitz schuldrechtlich begründen. Auch die Frage nach dem Recht zum Besitz wäre beantwortet, denn wenn der Nichteigentümer-Ehegatte den Mitbesitz inne hat, so wäre er gegen eine Herausgabeklage durch das vertragliche Recht zum Besitz gewappnet. So wären beispielsweise unsere Ausgangsfälle (1) und (3) (Fernsehgerät und Eigenheim) mit der Vertragstheorie leicht zu lösen: In beiden Fällen wäre das Verhalten des Eigentümers als vertragswidrig zu beurteilen und dem Nichteigentümer ein Anspruch auf erneute Gebrauchsüberlassung aus Vertrag zuzubilligen13• Es mag sogar noch angehen, dem Verhalten des Eigentümer-Ehegatten, der seinen Partner mitbenutzen läßt, den schlüssigen (nicht "stillVor allem Kremer, Diss.; FamRZ 54,187. Dieser inneren Logik folgt, wie mehrfach dargelegt, auch unsere Darstellung. Sie rechtfertigt sich auch mit der Hoffnung, durch eine klare Konturierung des Gebrauchsüberlassungsanspruchs den Blick für Stärke und Grenzen des Besitzrechtes zu öffnen. 11 Gernhuber, FR, § 19 UI, 1; ebenfalls ablehnend die meisten der oben in Anm. 3 genannten Autoren; zustimmend allerdings RGRK-Scheffler, § 1353 Anm. 3; Erman-Heckelmann, § 1353 Rz. 17. a Vgl. BGH IV. ZS, NJW 78, 1530; dann aber wieder BGH V. ZS, NJW 79, 977: "Ähnlich wie bei den Rechtsverhältnissen der Verwahrung oder Leihe (...) (ist) der Hausrat zum gemeinsamen Gebrauch zu überlassen." 13 Konsequenterweise wäre jedoch auch zu prüfen, ob nicht eine Kündigung entsprechend § 605 erfolgt ist. D
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I. Die Begrundungsversuche
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schweigenden"!) Erklärungswert beizulegen: "Benutze Hausrat und Wohnung mit, betrachte ihn als geliehen." Die schlüssige Annahme der Offerte ließe sich in der Inbesitznahme sehen. b) Aber die Vertragstheorie versagt in folgender zentraler Fallgestaltung: Kann der Nichteigentümer die Mitbenützung von Hausrat oder Wohnraum verlangen, auch wenn dies der Eigentümer nachdrücklich verweigert und in der Vergangenheit einVertragsschluß diese Sache betreffend nicht zustandegekommen ist? (Vgl. oben Fall (2), (4), Antiquitäten, Jagdhütte.) Die Anhänger der Vertragstheorie könnten sich auf den Standpunkt stellen, daß jeder Ehegatte bis zur erstmaligen Mitbenutzung die Entscheidungsfreiheit behält, ob er seine Wohnräume oder seinen Hausrat der ehelichen Lebensgemeinschaft widmen will oder nicht. Dies ist aber ersichtlich nicht die Auffassung des BGH. Das Gericht hält vielmehr den Eigentümer familienrechtlich zum Abschluß des Gebrauchsüberlassungsvertrages für verpflichtet: " ... ist mit Rücksicht auf die gegenseitige Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB) der stillschweigende Abschluß (...) anzunehmen"14. Will man eine solche Pflicht anerkennen, so ist nicht mehr einzusehen, wozu es des Gebrauchsüberlassungsvertrages bedarf. Der Mitbesitz hätte seinen Rechtsgrund im Vertrage und dieser in der familienrechtlichen Pflicht, ihn so und nicht anders abzuschließen. Auf den Vertrag kann also ohne Einfluß auf das Ergebnis verzichtet werden, wenn man etwas schlichter annimmt, daß der Eigentümer gern. § 1353 oder unterhaltsrechtlich verpflichtet ist, seinem Partner die Mitbenützung zu gestatten. Überdies tut die Vertragstheorie der Rechtsgeschäftslehre Gewalt an, indem sie einen rechtsgeschäftlichen . Willen unterstellt, wo im ehelichen Alltag keiner gebildet, geschweige denn bewußt geäußert wird15 • Dies zeigt einmal mehr: Auf der Suche nach der Lösung eines familienrechtlichen Problems liegt es zunächst nahe, auf bewährte Rechtsinstitute der ersten drei Bücher des BGB zur Veranschaulichung der Fallkonstellation und als argumentatives Schild gegen den Vorwurf gesetzesungebundener Entscheidungsfindung zurückzugreifen. Später trägt das Familienrecht die Lösung selbst. So wird später zu zeigen sein, daß die Widmung einer beweglichen Sache zum Hausratsstück oder die Widmung der Ehewohnung als einvernehmliche Regelung der Ehegatten i. S. des § 1356 I, 1 durchaus BeBGHZ 12, 399 f. Weiter ist ungeklärt, ob eine minderjährige Ehefrau wirksam einen Gebrauchsüberlassungsvertrag abschließen könnte. u
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§ 10:
Der Gebrauchsüberlassungsanspruch
ruhrungspunkte mit einem Vertrage aufweisen. Aber entscheidend und mit der Vertragstheorie nicht zu beantworten ist die Frage, öb Wohnraum oder eine bewegliche Sache der ehelichen Lebensgemeinschaft überhaupt gewidmet werden muß. Sie kann nur familienrechtlich beantwortet werden. 2. Ausdrücklich gegen den BGH bezieht das LG Wiesbaden16 Stellung. Der Abschluß eines Leihe- oder Gebrauchsüberlassungsvertrages sei dem richtigen juristischen Verständnis nicht förderlich, vielmehr werde durch die Aufnahme in das Haus des Ehegatten ein "eigenes familienrechtliches Verhältnis" begrundetl"J. Dieser Begriff ist zwar auch nicht sonderlich erhellend, signalisiert aber den Durchbruch zur eigenständigen familienrechtlichen Beurteilung der Gebrauchsüberlassung18. Die Entscheidung versucht auch die der Besitzüberlassung vorgängige Pflicht herauszuarbeiten: Der Eigentümer-Ehegatte habe das Haus in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht bzw. als Beitrag zum ehelichen Aufwand zur Verfügung gestellt. Diesen neuen Gesichtspunkt gilt es festzuhalten: Die Überlassungspflicht angesiedelt im Unterhaltsrecht im weiteren Sinne19• 3. Das OLG Bremen20 dagegen sieht den Mitbenutzungsanspruch in § 1353 I begründet: "Aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft ergibt sich insoweit für die Ehegatten die Pflicht, sich die Benützung dieses räumlich-gegenständlichen Bereiches, in erster Linie also der Ehewohnung, zu gestatten." Diese Sichtweise beherrscht seither die Rechtsprechung. Es findet sich jedoch keine Entscheidung, die über eine formelhafte Wiedergabe dieser These hinausgeht21. H. Zusammenfassung
Die Begründungen für die Gebrauchsüberlassungspfiicht stützen sich einerseits auf einen fiktiven Vertragsschluß, andererseits auf die UnterNJW 55, 226. Ebd., ebenso Dölle, FR I, § 33 I, 3. 18 VgI. die Entwicklung der Auseinande'rsetzung zwischen schuld- und familienrechtlicher Lösung der Ehewohnungsvergabe nach Scheidung, vgI. oben § 6 I, 11. 18 Diese Auffassung hat vor allem in der Literatur Anklang gefunden, vgI. Kremer, Diss., S. 72-95; MünchKomm-Wacke, § 1353 Rz. 30. 20 FamRZ 65, 77. !1 So beispielsweise LG Tübingen, JZ 65, 108: "Die eheliche Lebensgemeinschaft umschließt auch die Verpflichtung, den anderen Gatten alle Haushaltsgegenstände mitbenutzen zu lassen, ohne Rücksicht auf das eigene Eigentumsrecht hieran." Vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 66, 449; BGH, NJW 78,1529; BGHZ 71, 216. 18
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II. Zusammenfassung
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haltsverpfiichtung oder auf das Wesen der Ehe, bzw. die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Eine kritische Prüfung der Argumente unterbleibt leider, die Begründungen sind formelhaft erstarrt und sichern nur mehr ein allgemein für richtig gehaltenes Ergebnis. Gernhuber ist dem Problem sicher am intensivsten nachgegangen22 ; in seinem Resümee vereinigt auch er die beiden Begründungen, die tragfähig erscheinen, nachdem die Gebrauchsüberlassungsverträge des BGH als obsolet zu gelten haben: Die Überlassungspflicht sei weithin in der Unterhaltsverpflichtung enthalten und dann in § 1353 nur insoweit verwurzelt, als er Urgrund auch der Unterhaltsverpflichtung sei; nur sofern ein Unterhaltsanspruch nicht bestehe, habe die Generalklausel selbständige Bedeutung23• Hier ist doch zu fragen: Welche eigenständige Bedeutung hat in dieser Argumentation das Unterhaltsrecht? Steht, wenn es als Anspruchsgrundlage versagt, immer die Generalklausei bereit? Diese Zusammenhänge gilt es im folgenden aufzuhellen. § 11. Das Unterhaltsrecht als Grund der Gebrauchsüberlassung
Angeregt durch das LG Wiesbaden versuchen einige Autoren, die Gebrauchsüberlassungspflicht ganz oder jedenfalls auch im Ehegattenunterhaltsrecht anzusiedeln1 • Dieses ist allerdings seit jener Entscheidung und der Arbeit Kremers völlig umgestaltet worden: Die vor dem Gleichberechtigungsgesetz im Gesetz gemachte Unterscheidung zwischen Unterhaltsanspruch, § 1360 a. F., und der Verpflichtung, den ehelichen Aufwand zu tragen, z. B. § 1389 a. F., ist aufgegeben worden2 • Die Neufassung durch das Gleichberechtigungsgesetz begründet nun die gegenseitige Pflicht beider Ehegatten zur Leistung des Familienunterhalts. Durch das 1. EheRG sind schließlich die §§ 1360 I, 2 und 1360a 11, 2 geschlechtsneutral gefaßt worden; damit wurde das Leitbild der Hausfrauenehe getilgt3. n FR, § 19 III, 1; ders., FamRZ 59, 465; breiter natürlich die beiden einschlägigen Dissertationen: Kremer (1956); Erle, (1960), die allerdings nur wenig Resonanz gefunden haben. D Gernhuber, FR, § 19 III, 1. 1 LG Wiesbaden, NJW 55, 226; Kremer, Diss., S.27-95; ders., FamRZ 54, 187; zust. Erman/Heckelmann, § 1353 Rz. 17; MünchKomm-Wacke § 1353 Rz. 30; Dölle, FR I, § 33 I, 3; Gernhuber, ebd. ! Nach der alten Rechtslage wären Gebrauchsüberlassungsansprüche des Mannes gegen die Frau nur schwer zu begründen gewesen, denn im Regelfall war nur der Mann unterhaltspflichtig; Ausnahme § 1360 II a. F. a Seit dieser Umgestaltung ist eine unterhaltsrechtliche Begründung der Gebrauchsüberlassung nicht mehr gründlicher versucht worden.
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§ 11: Gebrauchsüberlassung als Unterhalt
Zu fragen wäre: Wie läßt sich der nun wechselseitigen Unterhaltsverpflichtung eine Pflicht zur Gebrauchsüberlassung von Wohnraum und Hausrat ableiten?
I. Eignung des Unterhaltsrechts Eine grundsätzliche Voraussetzung eines solchen Anspruches wäre, daß Ehegattenunterhalt überhaupt in Natur durch die Überlassung eigener Vermögensstücke zum Mitgebrauch geleistet werden kann. 1. Gern. § 1360 S. 1 kann der Ehegattenunterhalt durch Arbeit oder aus dem Vermögen geleistet werden. Die Pflicht des Eigentümer-Ehegatten, die Mitbenützung seiner Sachen zu gestatten, wäre als Unterhalt unter Einsatz des Vermögens anzusehen, wobei dieses zwar nicht aufgebraucht, aber dennoch anderer Verwendung entzogen wird. So kann beispielsweise der Hauseigentümer, der sein Haus der Familie als Unterkunft zur Verfügung stellen muß, dieses nicht vermieten oder allein nutzen. Der Ehegatte, der seine als Hausrat tauglichen Gegenstände vergemeinschaftet, verliert die exclusive Nutzungsmöglichkeit und wird in der Verfügung beschränkt, § 1369. Als Unterhalt aus dem Vermögen paßt eine Gebrauchsüberlassung sich also in das System ein.
2. Auch daß es sich um Unterhalt in Natur handelt, ist nicht systemwidrig, denn dieser genießt - anders als im Recht des Verwandtenoder Geschiedenenunterhalts, vgl. § 1612 - Priorität4 (vgl. § 1360a H, 1; § 1360 a HI: § 1612 gilt gerade nicht). Auch ist die Unterhaltsschuld ein familienrechtliches Dauerrechtsverhältnii', dem eine Gebrauchsüberlassungspflicht als eine nicht nur einmal, sondern dauernd zu erfüllende Schuld strukturverwandt ist. 3. Die Unterhaltspflicht kann auch ihrem typischen Inhalt nach die Überlassung von Hausrat und Wohnraum umfassen, denn gern. § 1360a erstreckt sie sich auf alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushaltes zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten zu befriedigen. Darunter versteht eine h. M. den gesamten Lebensbedarf der Familie6 , zu dem auch die Mitbenützung des erforderlichen Hausrats und Wohnraumes zählt. Zwischenergebnis: Die Unterhaltspflicht ist prinzipiell" geeignet, den rechtlichen Rahmen einer Gebrauchsüberlassung von Hausrat oder Ehewohnung zu ziehen8 • 4
Vgl. Soergell HelTmann Lange, § 1360 a Rz. 10; MünchKomm-Wacke
§ 1360 a Rz. 14.
RÜhllGöppinger/Mutschler, Unterhaltsrecht I, Rz. 42. Palandt/Diederichsen, § 1360 a Anm.1; Rolland, § 1360 Rz. 2; MünchKomm-Wacke, § 1360 Rz. 3; Erman/Heckelmann, § 1360 a Rz.4. S 8
H. Überlassung der Ehewohnung
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Hinsichtlich der Objekte der überlassungspflicht ist im folgenden zu differenzieren: H. UnteThaltsTechtliche BeTeitstellung deT Ehewohnung
1. Zur Einführung ein Fall (NotunteTkunft): Die Familie (M und F, ein Kind) wohnt äußerst beengt noch bei den Eltern der F. M besitzt eine größere Wohnung (gleichviel ob gemietet oder als Eigentümer) und benützt diese als Zuflucht vor dem Familienleben. Hat Feinen unterhaltsrechtlichen Anspruch auf öffnung dieser Wohnung? Eine der ersten Unterhaltspflichten beider Ehegatten ist die Sorge für die Wohnung9 • Ein Dach über dem Kopf gehört zu den elementarsten Lebensbedürfnissen, ist also typischerweise dem Unterhaltsrecht zuzurechnen. Zwar gehören die Erwerbs- und Errichtungskosten für ein Eigenheim nicht mehr zum angemessenen Familienunterhalt1o, hier geht es aber nur um die Bereitstellung bereits vorhandenen Wohnraumes. Also wäre in dem oben skizzierten Notunterkunftsfall M grundsätzlich verpflichtet, diese angemessene Wohnung bereitzustellen. Fraglich ist allerdings, ob sich der Unterhaltsanspruch auch auf eine ganz bestimmte Wohnung richtet oder nur auf irgendeine Unterkunft. Auch wenn Unterhaltsansprüche generell auf Befriedigung der Bedürfnisse mit vom Schuldner zu bestimmenden Mitteln zielen, so sollte doch kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, daß die F zu Recht die Öffnung gerade der exclusiv von M genutzten Wohnung verlangen kann, es sei denn, er böte eine andere unterhaltsrechtlich angemessene Wohnung anl l • Der Unterhaltsschuldner erfüllt seine Pflicht durch die Einräumung des Mitbesitzes und der gleichberechtigten Mitbenützung. 2. Die Problemfälle ergeben sich erst dann, wenn die Wohnsituation des anspruchstellenden Ehegatten nicht so unbefriedigend ist wie in dem eingangs geschilderten Notunterkunftsfall. Der Unterhaltsanspruch 7 Es ist auf die Grenzen des Ehegattenunterhalts hinzuweisen: §§ 1360 f. gelten nur für die ungestörte Ehe, für Eheleute, die nicht getrennt leben. 8 So schon RGZ 138, 5. 9 SoergeIlLange, § 1360 a Rz. 3, 10; Staudinger/Hübner, § 1360 a Rz. 3; Staudinger/Gotthardt, § 1610 Rz. 9; BrühllGöppinger/Mutschler, I, Rz. 205; RGRK-Scheffler, § 1610 Anm. 4; Gernhuber, FR, § 21 I, 11; Brühl, FamRZ 57, 277; zu § 1389, a. F.: RGZ 87, 56 (57 f.); BGH, LM, § 1389 Nr. 1; OLG Hamm, FamRZ 67,174 (Unterhaltspflichtverletzung, § 170 b StGB). 10 BGH, NJW 66, 2401. 11 Die Existenz der benötigten Wohnung konkretisiert den zunächst abstrakten Unterhaltsanspruch.
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§ 11: Gebrauchsüberlassung als Unterhalt
ist nämlich nach oben begrenzt durch das Kriterium der "Angemessenheit"12. So stößt auch der unterhaltsrechtliche Gebrauchsüberlassungsanspruch an diese Grenze. Nur eine den Verhältnissen beider Ehegatten angemessene Wohnung ist durch das Unterhaltsrecht geboten. Verfügt ein Partner über ungewöhnlich großzügig dimensionierten Wohnraum, so ist fraglich, wie weit der Überlassungsanspruch des NichteigentÜffiers (bzw. Nichtmieters) reicht13• 3. Zunächst aber ist zu fragen, ob der unterhaltsrechtliche Gebrauchsüberlassungsanspruch, auch wenn man ihn im Überpflichtbereich14 eventuell versagen muß, Ausnahme oder Regel im Recht der Ehewohnung darstellt? Das Gesetz nennt in § 1360 die Rechtspflicht: Angemessener Unterhalt. Und es nennt den Maßstab: Nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich (§ 1360 a 1). Angemessener Unterhalt befriedigt den gesamten Lebensbedarf der Familie16, er orientiert sich am Angemessenen, nicht am existentiell Unabdingbaren. Dies ist unbestritten. Streit herrscht allerdings, wie das konkrete Anspruchsniveau eines Ehepaares zu bestimmen ist. Deutlicher: Welcher Wohnstandard ist einem bestimmten Ehepaar unterhaltsrechtlich angemessen? Das Gesetz scheint von einer auffindbaren, objektiven Bezugsgröße auszugehen, und so wird auch gelegentlich als objektiver Maßstab der Lebensstil gleicher Berufskreise oder Gesellschaftsschichten empfohlen16• Dieser "ständischen" Betrachtungsweise wird von ihren Kritikern Verfehlung der sozialen Wirklichkeit und mangelnde Praktikabilität vorgeworfen, entscheidend seien die materiellen Verhältnisse der Ehegatten selbstrr • Wobei auch bei dieser Sichtweite die Schwierigkeit, das Angemessene zu bestimmen, nicht geringgeschätzt werden darf, denn welcher Richter kann schon entscheiden, was bei einem verfügbaren Familieneinkommen von X DM angemessener Konsum ist ... 11 Vgl. Gernhuber, FR, § 21 I, 11; Rolland, § 1360 a .Rz. 3; Erman/Heckelmann, § 1360 a Rz. 5; ausführlich Streck, GeneralklauseI, S. 135 ff. 18 Der oben skizzierte Eigenheimfall und wohl erst recht der "Jagdhüttenfall" rechnen zu dieser nicht eindeutigen Kategorie, dazu sogleich unten 4.). 1f "überpflichtig" bedeutet: Von der Unterhaltspflicht nicht mehr erfaßt. 15 h. M. vgl. oben Anm. 6. 18 Staudinger/Hübner, § 1360 a Rz. 23. 17 MünchKomm-Wacke, § 1360 a Rz. 4 f.: "Mittelstandsgesellschaft"; Brühl! Göppinger/Mutschler, I, Rz. 328 f.; Gernhuber, ebd.; Streck, ebd.
II. Überlassung der Ehewohnung
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Dennoch läßt sich allgemein feststellen: Da es keine andere Bezugsgröße für das Angemessene gibt als diejenige, die durch den tatsächlich gelebten Aufwand der Eheleute mit vergleichbarem Einkommen und vergleichbarer Bedarfssituation gebildet wird, lebt ein Großteil aller Ehepaare in einer Ehewohnung, die dem angemessenen Wohnkomfort nahekommt, also in einer Ehewohnung, die auch unterhaltsrechtlich geboten ist. 4. Die Gebrauchsüberlassung im überpflichtbereich Reseroatsfall: Der unterhaltspflichtige M ist Eigentümer einer 6-Zimmerwohnung. Die ansonsten bescheideneren Verhältnisse der Ehegattten gebieten unterhaltsrechtlich eine 3-Zimmerwohnung. M läßt die F nur drei Räume mitbenutzen.
Hier scheint der Fein unterhaltsrechtlicher Anspruch auf Öffnung der ganzen Wohnung nicht zuzustehen. Aber vielleicht scheint dies nur so: Die Gebrauchsüberlassung bereits vorhandener Räumlichkeiten ist etwas anderes als die Neuanschaffung oder -anmietung. § 1360 a bietet durch die unbestimmten Rechtsbegriffe einigen Spielraum für die richterliche Beurteilung. Immerhin ist der überpflichtige Wohnraum ja im Stammvermögen des einen Ehegatten vorhanden und für die Verhältnisse der Lebensgemeinschaft mitbestimmend. Viele Fälle, in denen die Ehegatten eigentlich "über ihre Verhältnisse" wohnen, wird man also durch eine großzügige Mitberucksichtigung gerade des gelebten Wohnkomforts lösen können. Sind sich die Partner einig, daß sie für die Wohnung überdurchschnittliche Opfer bringen wollen, so ist dieser Entschluß zu respektieren, denn den Eheleuten steht es frei zu bestimmen, was sie für angemessen halten. Problematisch wird es erst, wenn im Vermögen eines Ehegatten Wohnraum sich findet, den der Partner zu benutzen begehrt, wiewohl die Eheleute ansonsten angemessen i. S. der §§ 1360 f. untergebracht sind. Man könnte sagen, daß § 1360a I die Opfergrenze markiert: Wo es unterhaltsrechtlich geboten ist, muß der Eigentümer auf die exclusive Nutzung seines Eigentums im Interesse der ehelichen Lebensgemeinschaft (bzw. Familie) verzichten. Was nicht gegen die Unterhaltsverpflichtung verstößt, ist vielleicht sittlich anstößig, jedoch rechtlich nicht zu ändern. Gernhuber18, dem diese Fallkonstellation ein erstes Argument gegen die Alleintauglichkeit des Unterhaltsrechts zur Begründung der Gebrauchsüberlassungspflicht ist, gibt dagegen zu bedenken: 18
FamRZ 59, 468.
§ 11: Gebrauchsüberlassung als Unterhalt
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"Das Wochenendhäuschen kann schwerlich Reservat des glücklichen Eigentümers sein und bleiben, und zwar auch dann nicht, wenn das Unterhaltsrecht keinesfalls ein Wochenendhäuschen gebietet." Nun, dies ist gerade die Frage19 ! Das Einrichten oder Aufrechterhalten eheferner Reservate entspricht sicher nicht der anzustrebenden harmonischen Ehe. Andererseits spricht einiges dafür, daß sich jeder Ehegatte, auch ohne getrennt leben zu wollen, ein räumliches Refugium einrichten können muß, sofern nur für die Wohnbedürfnisse der Restfamilie angemessen gesorgt ist. Vorerst ist diese Fallkonstellation zurückzustellen, vielleicht läßt sich ein Gebrauchsüberlassungsanspruch hinsichtlich des Wochenendhäuschens mit § 1353 I, 2 begründen, unterhaltsrechtlich besteht dieser jedenfalls nicht. 5. Eine weitere Fallgruppe erweist nach Gernhubers Ansicheo die Unmöglichkeit, den Gebrauchsüberlassungsanspruch ausschließlich unterhaltsrechtlich zu beurteilen. Es handelt sich um Fälle, in welchen der auf Überlassung in Anspruch genommene Ehegatte nicht unterhaltspflichtig ist. Wie hat man sich bei prinzipiell wechselseitiger Unterhaltspflicht diese Fälle vorzustellen? Etwa wie den HausfrauenfaU: M verdient gut. F versorgt Haushalt und Kinder und ist Eigentümerin einer Wohnung. M. könnte unschwer eine ebensolche anmieten. Das LG Mönchengladbach21 meinte in einem ähnlichen Fall, die Frau sei nicht verpflichtet, den Nutzungswert der Wohnung unentgeltlich in die Ehe einzubringen, da sie ihre Unterhaltspflicht durch Haushaltsführung und Kindessorge voll erfüllt habe.
Gotthardt22 widerspricht dieser Entscheidung, die Gebrauchsüberlassung vollziehe sich auf dem Boden des § 1353 I. Aber läßt sich diese berechtigte Kritik nicht auch unterhaltsrechtlich begründen, wäre die F nicht trotz der Haushaltsführung gem §§ 1360 f. verpflichtet, ihre Wohnung bereitzustellen? Die Ehegattin erfüllt durch die Haushaltsführung ihre Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt beizutragen, § 1360, S.I, 2. Alt. Daneben bleibt die Verpflichtung bestehen, bei Bedarf das Vermögen einzusetzen, § 1360, S. 1, 1. Alt. Somit spitzt sich die Frage zu: Wer ist vorrangig unterhaltspflichtig, wenn Wohnraum zum Vermögen eines Ehegatten gehört, jedoch der andere mit Arbeitseinkommen auch eine ausreichende Ehewohnung unterhalten kann? lU
110 21 22
Vgl. Erle, Diss., S.73, zweifelnd wie hier. FR, § 19 II!, 1.
NJW 61, 878. Anm. zu LG Mönchengladbach, ebd.
III. Gebietet das Unterhaltsrecht die Gebrauchsüberlassung von Hausrat?95 Eine Rangordnung der Unterhaltsquellen schreibt das Gesetz nicht voz023. Es entspricht aber wirtschaftlicher Vernunft, sächlichen Bedarf der Familie, der im Vermögensstamm eines Ehegatten bereits vorhanden ist, nicht noch einmal anzuschaffen, denn auch wenn sich das Vorhandene anderweitig wirtschaftlich nutzen läßt, übersteigen in der Regel die Ausgaben für eine Neuanschaffung die Einnahmen aus der Nutzung gebrauchter Sachen beträchtlich, auch steuerlich ist Eigennutzung zumeist günstiger. Dies gebietet auch eine Auslegung des § 1360 im Lichte des § 1353: Jeder Ehegatte muß Einschränkungen seines Vermögens im Interesse der ehelichen Lebensgemeinschaft hinnehmen24 • Also hätte das LG Mönchengladbach die Gebrauchsüberlassung auch unterhaltsrechtlich anerkennen müssen. Die zweite von Gernhuber benannte Fallgruppe hat somit keine eigene Bedeutung mehr. Befindet sich unterhaltsrechtlich benötigter Wohnraum im Stamm des Vermögens eines Ehegatten, so ist dieser verpflichtet, ihn der Familie zu öffnen, auch wenn er ansonsten seine Unterhaltspflicht anderweitig erfüllt.
III. Gebietet das UnteThaltsTecht auch die GebTauchsübeTZassung von HausTat? 1. Zum Familienunterhalt zählen auch die Aufwendungen für die Anschaffung und Erhaltung der Wohnungseinrichtung25. Dies ist unmittelbar einsichtig, denn zum Lebensbedarf einer Familie genügt der schlichte Wohnraum nicht. Möbel, Küchengerät, Bett- und Tischwäsche, Geschirr usw. sind bei durchschnittlichem Lebenszuschnitt unverzichtbar. Wenn sogar die Anschaffung dieser beweglichen Sachen zum Unterhaltsanspruch rechnet, so natürlich erst recht die Überlassung zum Gebrauch. Hier interessiert nicht, welcher Ehegatte mit welchen Mitteln den Hausrat anzuschaffen hat, sondern allein, ob derjenige, in dessen Vermögen sich dergleichen Gegenstände befinden, sie dem anderen Ehegatten zur Mitbenutzung überlassen muß.
Dies ist regelmäßig zu bejahen. Und was den Kreis der so erfaßten Gegenstände angeht, so ist zu wiederholen, daß der Ehegattenunterhalt nicht eine Minimalsicherung, sondern die Angleichung an den Standard vergleichbarer Eheleute garantiert. Dies hat bei weiterer Verbreitung mittelständischer Lebensformen eine erhebliche Ausweitung des Kreises der "üblichen" Hausratsgegenstände im Gefolge. VgI. MünchKomm-Wacke, § 1360 Rz. 12; Rolland, § 1360 Rz. 22. VgI. RGZ 87, 56; am Rande: Wie zu entscheiden wäre, wenn beide Ehegatten über Wohnraum verfügen, der als Ehewohnung taugen könnte, ist nicht leicht zu sagen. Man wird wohl die größere sonstige Unterhaltslast entscheiden lassen müssen. 25 Rolland, § 1360 Rz. 4; MünchKomm-Wacke, § 1360 a Rz. 5. 23
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§ 11: Gebrauchsüberlassung als Unterhalt
Ein Ehegatte, der solche Gegenstände in seinem Vermögen vorfindet, ist unterhaltsrechtlich verpflichtet, sie dem Partner zur Mitbenützung zu überlassen. Vom Durchschnittsinventar abgesehen, gibt es große Unterschiede, was die üblichkeit des Hausrates anbetrifft, so daß die Frage, ob ein Gegenstand zum Mitgebrauch überlassen werden muß, unterhaltsrechtlich oft nur schwer entscheidbar ist. Allerdings ist hier eine wichtige Unterscheidung zu treffen: Ist eine bewegliche Sache bereits als Haushaltsgegenstand von beiden Ehegatten benützt worden, handelt es sich also bereits um Hausrat (Fernsehfall)26, so reicht die unterhaltsrechtliche Gebrauchsüberlassungspflicht weiter, als wenn es darum geht, eine bewegliche Sache erstmals in den Kreis der Haushaltsgegenstände einzugliedern (Möbelfall)2"I'. Ein unterhaltsrechtlicher Anspruch auf erstmalige Gebrauchsüberlassung sollte nur für typischen, im Anspruchsniveau standardisierten Hausrat oder bei nachweislichem Sonderbedarf anerkannt werden. Die Entscheidung darüber, ob bewegliche Sachen, die nicht üblicherweise als Hausrat eingesetzt werden, überhaupt der ehelichen Lebensgemeinschaft gewidmet werden sollen, muß beim Eigentümer verbleiben und kann unterhaltsrechtlich28 nicht erzwungen werden. 2. Ähnlich wie im Recht der Ehewohnung29 wird man auch beim Hausrat eine Erweiterung der Unterhaltspflicht befürworten müssen, wenn der an sich nicht unterhaltspflichtige Ehegatte Eigentümer eines benötigten Hausratsstückes ist. In solchen Fällen entspricht es praktischer Vernunft, den Hausrat nicht noch einmal vom anderen Ehegatten anschaffen zu lassen. Beispiel: Auch wenn der gutverdienende M sämtlichen sächlichen Bedarf bereitstellt, so ist die mittellose F, die den Haushalt führt, gleichwohl unterhaltsrechtlich verpflichtet, ererbtes Geschirr der ehelichen Lebensgemeinschaft zu widmen. M braucht es nicht anzuschaffen.
3. Auch beim Hausrat begegnet das Problem der überpflichtigen Gebrauchsüberlassung. Für die Vergangenheit gilt § 1360 b, nicht aber für die Zukunft. Beispiel: Weigert sich F eines Tages, die Weiterbenutzung ihres kostbaren Porzellans zu gestatten, und bietet die Bereitstellung eines schlichteren, den sonstigen Verhältnissen der Ehegatten tasächlich eher angepaßen Geschirrs 18 M hat ein Fernsehgerät in die Ehe mitgebracht. Eines Tages verschließt M das Gerät nachhaltig, F verlangt Wiedereinräumung des Mitbesitzes. 27 F hat ererbte alte Möbel beim Spediteur eingelagert, M möchte sie zur Ausstattung der Ehewohnung verwenden. 28 Zu der Frage, ob. § 1353 I, 2 die Erstwidmung auch dieser Sachen zum Hausrat fordert, vgI. unten § 10 IV. U Oben § 11 II, 5.
IV. Klag- und Vollstreckbarkeit
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an, so läßt sich ein unterhaltsrechtlicher Anspruch auf Mitgebrauch des liebgewonnenen Porzellans für M wohl nicht mehr begründen. Für die Zukunft besteht also ein unterhaltsrechtlicher Anspruch auf Gebrauchsüberlassung unangemessen luxuriösen Hausrates nicht. Die Berücksichtigung des enttäuschten Vertrauens des Nichteigentümers wird durch § 1353 gewährleistet. Dazu sogleich.
IV. KlagbaTkeit und VollstTeckbaTkeit des unteThaltsTechtZichen GebTauchsübeTlassungsanspTuches Ist der unterhaltsrechtliche Gebrauchsüberlassungsanspruch auch klag- und vollstreckbar?
1. Allgemein können Unterhaltsansprüche im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden. Der Regelfall ist die Klage auf Zahlung einer Geldsumme. Der Familienunterhalt ist jedoch gem. § 1360 a zu einem erheblichen Teil in Natur zu leisten, Gebrauchsüberlassungsansprüche sind ausnahmslos Naturalansprüche. Daher begegnet hier die zulässige Leistungsklage auf Naturalleistung3°. - Der unterhaltsberechtigte Ehegatte kann auf Überlassung konkreter Räume und Hausratsstücke zum Mitgebrauch klagen. Ausschließlich zuständig ist gem. §§ 23 a Nr. 2 23 b, Nr. 6 GVG und § 621 I, Nr.5 ZPO das Familiengericht. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt § 621 II ZPO:U. 2. Steht eine Vollstreckbarkeit dieser Ansprüche § 888 II ZPO entgegen? Die Abgrenzung einer Unterhaltsklage von einer Herstellungsklage ist nicht ohne Problem. Mit der Verortung des Anspruchs im Unterhaltsrecht ist noch nicht dargetan, daß er auch vollstreckbar ist. So heißt es, der Umfang der Herstellungsklage werde nicht von § 1353 bestimmt, sondern von der Weite des Gedankens, der sie schuf~. Ist die Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung eines Überlassungsanspruchs bezüglich Hausrat oder Wohnung untunlich? Heckelmann will § 888 II ZPO zum Zuge kommen lassen, "wenn der Anspruch auf Herstellung eines der ehelichen Lebensgemeinschaft entsprechenden Zustandes gerichtet ist"33. Wenn man diese Formel ernst nimmt, so verbietet sich die Vollstreckbarkeit der Gebrauchsüberlassungsansprüche, denn das Begehren, Hausratsstücke oder die Wohnung mitbenutzen zu ao Vgl. Brühl I Göppinger I Mutschler, II Rz. 1132. Vgl. Baumbach/Lauterbachl Albers, § 621 Anm. H 2, 3; Brühl I Göppinger I MutschIer, II Rz. 1145. B! Gernhuber, FR, § 23, 2; ebenso: Erman/HeckelmalID, § 1360 a Rz. 33; vgl. auch MünchKoInrn-Wacke, § 1360 Rz. 34. 11 Erman/Heckelmann, ebd. S1
7 A. Sdlulz
§ 11: Gebrauchsüberlassung als Unterhalt
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dürfen, ist regelmäßig zugleich das Ansinnen an den Partner, das rechte eheliche Verhalten zu zeigen, es sei denn, es ginge ausnahmlos um die Linderung einer materiellen Bedürftigkeit. Gernhuber dagegen schließt die Vollstreckung erst dann aus, wenn sie "unserem Empfinden" widerspricht34• Es ist also zu fragen, ob ein mit Vollstreckungszwang durchgesetzter Gebrauchsüberlassungsanspruch als anstößig empfunden wird. Dies wird man verneinen können: Der Anspruch ist begrenzt, bleibt im vermögensrechtlichen Bereich, führt also nicht zu einer zwangsweisen Durchsetzung ehegemäßen Verhaltens im engeren Kreise der ehelichen Pflichten, sondern dient der materiellen Absicherung des Ehepartners35 • Natürlich ist eine Zwangsvollstreckung dem ehelichen Frieden nie zuträglich; dies gilt aber bereits für jede Klage unter Ehegatten. Und es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die Zwangsvollstreckung eines unterhaltsrechtlichen Gebrauchsüberlassungsanspruches ein größeres Ärgernis oder gar eine tiefere Peinlichkeit als der vorgängige Prozeß darstellt36 • Somit sind die unterhaltsrechtlichen Gebrauchsüberlassungsansprüche auch mit Vollstreckungszwang durchsetzbarr. V. Zusammenfassung
Das Ehegattenunterhaltsrecht ist prinzipiell auch zur Begründung der Pflicht eines Ehegatten tauglich, seinem Partner die Mitbenützung der eigenen Wohnung bzw. des eigenen Hausrates zu gestatten. Im einzelnen ist zu differenzieren: Befindet sich im Vermögensstamm eines Ehegatten Wohnraum und sind die Eheleute nicht ihren Verhältnissen entsprechend untergebracht, so ist der Wohnungseigentümer gem. §§ 1360 f. verpflichtet, diesen Wohnraum der ehelichen Lebensgemeinschaft zu öffnen (Notunterkunftsfall). Der Anspruch wird erst durch Einräumung des Mitbesitzers erfüllt. Sind die Eheleute auch bei Berücksichtigung des weiteren im Vermögen eines Ehegatten vorhandenen Hauseigentums für die BestimEbd. Das OLG Bremen spricht in diesem Zusammenhang vom räumlichgegenständlichen Bereich der Ehe, der den uneingeschränkten Schutz der staatlichen Ordnung genieße, FamRZ 65, 77. Die Terminologie ist im Verhältnis der Ehegatten untereinander unglücklich; der Grundgedanke, daß vermögensrechtliche Ansprüche vollstreckbar sein müssen, ist richtig. ,86 Vgl. BGH, NJW 77, 378. 37 Ebenso Gernhuber, FR, § 19 III, 1; 23, 2; Streck, Generalklausel, S. 161 ff. (165), Hanisch, NJW 63, 1038, M
3S
V. Zusammenfassung
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mung des unterhaltsrechtlich angemessenen Wohnkomforts zufriedensteIlend untergebracht, so besteht ein unterhaltsrechtlicher Zugangsanspruch des Nichteigentümers zum weiteren Wohnraum des anderen Ehegatten nicht. Dies kann zwar zu unbefriedigenden Reservatsbildungen führen, ist aber unterhaltsrechtlich nicht zu ändern (Reservatsfall, Jagdhüttenfall). Stellt ein Ehegatte gleichwohl überpflichtig Wohnraum zur Verfügung, so gilt § 1360 b für die Vergangenheit, für die Zukunft verlangen die §§ 1360 f. nur die Überlassung angemessenen Wohnraumes. Allerdings leben Eheleute zumeist in angemessenen Ehewohnungen, so daß für die Mehrzahl der Fälle das Unterhaltsrecht die Gebrauchsüberlassung der Ehewohnung abdeckt. Ähnliches beweglichen verpflichtet, Partner zur fall).
gilt für den Hausrat: Ein Ehegatte, der Eigentümer einer Sache ist, die als Hausrat benötigt wird, ist gem. §§ 1360 f. sie der ehelichen Lebensgemeinschaft zu widmen und dem gleichberechtigten Mitbenützung zu überlassen (Fernseh-
Dies gilt nicht für unangemessen luxuriöse Hausratsstücke; werden diese gleichwohl überlassen, so gilt für die Vergangenheit § 1360 b, für die Zukunft besteht kein unterhaltsrechtlicher Oberlassungsanspruch, sofern der Eigentümer angemessenen (schlichteren) Ersatz bereitstellt. Alle unterhaltsrechtlichen klag- und vollstreckbar.
Gebrauchsüberlassungsansprüche
sind
§ 12. Ist § 1353 I, 2 geeignet, einen tJ'berlassungsanspruch zu begründen?
Zahlreiche Autoren, vor allem aber die Rechtsprechung siedeln den Anspruch auf Gebrauchsüberlassung von Ehewohnung und Hausrat in der Generalklausel des § 1353 an, die das Eherecht eröffnetl. Die Argumentation verläuft - gerafft dargestellt2 - etwa wie folgt: § 1353 verpflichtet die Ehegatten wechselseitig zur ehelichen Lebens1 SoergellLange, § 1353 Rz. 6; Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 21 und Vor § 1353 Rz. 37; RGRK-Scheffler, § 1353 Anm.3; Palandt/Diederichsen, § 1353 Anm. 2 b bb; Rolland, § 1353 Rz. 12 f.; H. P. Westermann, Rechtslage der
Familienwohnung, Materialien zum ausländischen und internationalen Recht, 29, S. 11 ff.; Hanisch, NJW 63,1038; Marloh, FamRZ 56, 264; Brühl, FamRZ 54, 215; Erle, Diss., S. 86; Streck, Generalklausel, S.112 f.; Gotthardt, NJW 61,879; Beitzke, § 12 III, 2 g; BGH, NJW 79, 976; BGHZ 71, 216; BGHZ 67, 217 (221); 12, 380 (400); OLG München, FamRZ 70, 86; OLG Celle, FamRZ 71, 28; OLG Stuttgart, NJW 70, 101; OLG Bremen, FamRZ 65, 77; LG Tübingen, JZ 65, 107. 2 Wobei auch eine so allgemein gehaltene Begründung sich kaum einmal findet, die meisten Autoren und Entscheidungen begnügen sich mit einer formelhaften Wiedergabe des Ergebnisses.
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§ 12: § 1353 als Anspruchsgrundlage
gemeinschaft. Das Gesetz enthält eine Präzisierung der weiteren, von der Generalklausel umfaßten Einzelpflichten nicht, diese sind aus dem "sittlichen Wesen der Ehe" zu erschließen3 • Vor allen anderen ist die Pflicht zum Zusammenleben zu nennen\ und diese erfüllt sich regelmäßig erst in häuslicher Gemeinschaft als dem "örtlichen Mittelpunkt der ehelichen Lebensgemeinschaft überhaupt"5. Also sind die Ehegatten auch zur häuslichen Gemeinschaft verpflichtet6 , und ein Teilaspekt dieser Pflicht ist die Gebrauchsüberlassung. Der Eigentümer-Ehegatte muß seinem Partner die Mitbenützung eigenen Hausrates und der Wohnung gestatten, denn gerade in dieser und mit jenem vollzieht und erfüllt sich die häusliche Gemeinschaft. Die Argumentation ist in sich schlüssig, jedoch sehr allgemein. Eine Einschränkung oder jedenfalls schärfere Konturierung des Überlassungsanspruches hat keiner seiner Befürworter versucht. Es ist anerkannt, daß die im § 1353 I, 2 verankerten Pflichten situationsbedingt und von Fall zu Fall verschieden sind, selbst die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft kann entfallen7 , gleichwohl scheint die auf § 1353 I, 2 gestützte Gebrauchsüberlassungspflicht unverbrüchlich zu gelten. Soweit ersichtlich, hat sich auch noch niemand darum bemüht, die Weite des Überlassungsanspruches bei der verweigerten Ersteinbringung von Wohnraum und potentiellen Hausratsstücken auszuloten (Möbelfall, Reservatsfall). Auch ist kaum geklärt, ob ein Ehegatte Wohnraum oder Hausratsstücke, die er zunächst bereitwillig. der ehelichen Lebensgemeinschaft gewidmet hat, wieder einziehen kann. Für eine differenzierte Antwort auf solche Fragen eignet sich die skizzierte pauschale Argumentation der h. M. nicht. Eine Kritik dieser Ansicht muß etwas breiter angelegt werden.
I. Anwendbarkeit des § 1353 im Vermögensrecht Eingangs ist zu fragen, ob § 1353 überhaupt zur Begründung eines Gebrauchsüberlassungsanspruches taugt. Dies ist zu bejahen. Nach inzwischen wohl allgemeiner Meinung erzeugt § 1353 auch bezüglich des Ehegatten-Vermögens Rechte und a Soergel/Lange, § 1353 Rz. 5; Staudinger/Hübner, § 1353 Rz. 11; RGZ 97, 286 (287). , SoergellLange, ebd., Rz. 6; Staudinger I Hübner, ebd., Rz. 14; MünchKomm-Wacke, § 1353 Rz. 29, nennt es Wohngemeinschaft. I RGZ 53, 340. 8 RGZ 137, 103. 7 Vgl. Gernhuber, FR, § 18 V, 2.
II. Entstehungsgeschichte
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Pflicllten8 • Dieser Ansicht ist beizutreten. Es ist auch keine "gewagte Systemwidrigkeit"e, die Generalklausei des Eherechts nicht nur anspruchsbegrenzend (Regulativfunktion), sondern auch anspruchsbegründend einzusetzen10 • Der Bedeutungszuwachs des § 242 im Schuldrecht mag als Beispiel dienen. Somit ist § 1353 prinzipiell auch geeignet, die vermögensrechtliche Gebrauchsüberlassungspflicht zu tragen.
11. Entstehungsgeschichte dieseT VOTschrift Auch die Entstehungsgeschichte des § 1353 steht der extensiven Anwendung der Generalklausel nicht entgegen. 1. So heißt es in den Motiven, es sei bezweckt: "den rechtlichen Inhalt des durch die Ehe unter den Ehegatten begründeten persönlichen Rechtsverhältnisses durch ein allgemeines Prinzip zum Ausdruck zu bringen (...). Den sittlichen Grundgedanken des durch die Ehe unter den Gatten begründeten persönlichen Verhältnisses durch einen leitenden Grundsatz im Gesetz auszusprechen, empfiehlt sich namentlich auch um deswillen, weil dadurch die über die rechtlichen Wirkungen der Ehe im einzelnen gegebenen Vorschriften ihre richtige Beleuchtung gewinnen und zum rechtlichen Ausdrucke gebracht wird, daß, wie im Obligationsrecht Treu und Glauben, so im Eherecht das sittliche Wesen der Ehe die Grundlage bildet, von der bei der Auslegung des Gesetzes und der Beurteilung aller Rechtsverhältnisse der Ehegatten untereinander auszugehen istt l ." Offenbar geht der Gesetzgeber davon aus, daß sich die Einzelpflichten am Maßstab "Wesen der Ehe" begründen und messen lassen. Ließe sicl'l dieses durch einen richterlichen Erkenntnisakt zeitgültig festlegen, so wären an alle Ehen die gleichen Anforderungen zu stellen. Daß dies nicht in aller Strenge gewollt war, beweist der Hinweis auf die "obwaltenden Umstände" in einem abschließenden Satz: "Aus diesem Grundsatz folgt, daß die Gatten zu einer solchen Lebensgemeinschaft, aber auch nur zu einer solchen, berechtigt und verpflichtet sind, wie sie dem Wesen der Ehe entspricht und wie sie unter Berücksichtigung des Wesens der Ehe nach den obwaltenden Umständen für Ehegatten sich gebührt und mit der rechten ehelichen Gesinnung vereinbar ist1l." Eine exakte Methode, wie konkrete Einzelpflichten gewonnen werden sollten, war damit kaum beschrieben. Immerhin war aber ein Rahmen 8 Vgl. Gernhuber, FamRZ 59, 465 gegen den in seiner Ablehnung vermögensrechtlicher Relevanz des § 1353 ohne Gefolgschaft gebliebenen Wägenbaur, FamRZ 58, 398; vgl. auch Streck, GeneralklauseI, S. 83; Rolland, § 1353 Rz. 6; Lüke, in: FS Bosch, S.633; für viele Entscheidungen BGHZ 67, 217 (221); OLG Celle, FamRZ 71, 30; a. A. auch Welzel, Arch. f. Bürg. R. 26, 77 f. t So Wägenbaur, ebd., S.400. 10 Gernhuber, ebd., S.467: "Höchste Stufe der Relevanz". 11 Motive IV, S. 104 = Mugdan IV, S. 58. 12 Motive IV, S. 105 bzw. bei Mugdan IV, S. 59.
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§ 12: § 1353 als Anspruchsgrundlage
abgesteckt, innerhalb dessen sich zunächst alle Präzisierungsversuche13 bewegten. Dieser Rahmen hieß "Wesen der Ehe". 2. § 1353 nach dem 1. EheRG Die Gewißheiten über die "richtige Ehe" haben sich verflüchtigt, dennoch ist auch nach der jüngsten Umgestaltung des Eherechts die Generalklausel des § 1353 erhalten geblieben. Wie es hieß, gerade um gewandelten Anschauungen Rechnung tragen zu können, ist die Offenheit der Generalklausel ausdrücklich bestätigt worden14 • In den Materialien heißt es: "Alle weiteren Wesensmerkmale der ehelichen Gemeinschaft ergeben sich aus dem in unserem Kulturkreis anerkannten Ehebild, wie es in der Rechtsprechung seinen Niederschlag gefunden hat. Die Eheleute sind vor allem gehalten, sich allen wichtigen gemeinsamen Angelegenheiten im partnerschaftlichen Zusammenstehen zu widmen. In dem Begriff der ehelichen Gemeinschaft kommt die Auffassung des Gesetzgebers von der Ehe als einer Partnerschaft gleichen Rechts und mit gleichen Pflichten mit besonderen Anforderungen auf gegenseitige Rücksichtnahme und Selbstdisziplin am besten zum Ausdruck15." Es hat sich einiges geändert seit 190016 ! Mehr denn je sind die Ehegatten auf Konsens angewiesen, kennzeichnend für das 1. EheRG ist eine Selbstbeschränkung der Staatsgewalt, immer weniger wird die Notwendigkeit gesehen, "den Eheleuten vorzuschreiben, wie sie ihre Ehe führen sollen"!'f. Dennoch bleibe nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein Kernbestand von Pflichten erhalten, der einer (wirksamen) Disposition der Ehegatten nicht zugänglich ist18 • Daru rechnet nach allgemeiner Meinung19 jedenfalls auch die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft, die gewöhnlich zur Begründung der Ge13 Mit erwartungsgemäß recht unterschiedlichen Ergebnissen: Welzel, Archiv f. Bürg. R. 26 (1905), 54 (71 ff.); Joerges, Die eheliche Lebensgemeinschaft, 1912, S. 18-35; v. Marchtaler, Das Recht auf die eheliche Lebensgemeinschaft und sein Schutz, 1932, S. 45 ff. 14 Im Vermittlungsausschuß wurde eine weitere Konkretisierung der Einzelpftichten gefordert, dafür fand sich keine Mehrheit. 15 BT-Drucks. 7/4361, S. 6 ff., 25 f. 18 Roth-Stielow meint, der Gesetzgeber habe die Norm bei gleichbleibendem Wortlaut geändert, Komm., § 1353 Anm.l; MünchKomm-Wacke, § 1353 Rz. 5: "Normqualität entscheidend verändert". 17 H. J. Vogel, FS Broda, S.409. 18 BT-Drucks. 7/650, S.95. 18 Der Bundesjustizminister hält "Beistand, Unterhalt, häusliche Gemeinschaft sowie die Achtung der Persönlichkeit des anderen" für "wesentliche Strukturelemente", H. J. Vogel, FS Broda, S.410; vgl. auch Gernhuber, FR, § 18 II; ders., FamRZ 79, 197 sub V; Ambrock, JR 78, lf.
IIr. Methodische Probleme
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brauchsüberlassung herangezogen wird. Die Mißachtung der aus § 1353 sich ergebenden Pflichten ist für ein Scheidungsbegehren zwar nicht mehr ausschlaggebend. Insofern hat die Generalklausel an Bedeutung verloren. Daß sie damit jedoch überhaupt relativiert worden ist und eine Verletzung der Pflichten sanktionslos bleibt, ist aber unrichtig20 . So bleibt beispielsweise die vermögensrechtliche Relevanz des § 1353 I, 2 sanktionsbewehrt; die Ehegattenmitarbeit - ein zweites Beispielist nicht mehr ausdrücklich geregelt21 und muß nun mit Hilfe der Generalklausel gemeistert werden22 •
111. Die Schwierigkeit, konkrete Pflichten aus der Generalklausel abzu.leiten Wie ist nun zu verfahren, um aus der Generalklausel konkrete Pflichten für den Einzelfall zu gewinnen? Gesucht wird nicht mehr und nicht weniger als ein Maßstab, der einen rationalen juristischen Diskurs darüber erlaubt, was ein Ehegatte dem anderen als Rechtspflicht schuldet. 1. Das "Wesen der Ehe" eignet sich zur Ableitung konkreter Pflichten nicht. Scheuerle hat überzeugend das Wesensargument als ein "Kryptoargument, d. h. eines, hinter welchem sich andere Argumente verbergen"23, analysiert. Als Kategorie der philosophischen Definitionslehre ist das "Wesen" zwar unverzichtbar - es gibt sicher wesentliche und akzidentelle Bestimmungen einer Sache. Ungeeignet ist es aber als Rechtsquelle. Sätze des logischen Typus: Aus dem Wesen der Ehe folgt ... verdecken die zugrundeliegenden Wertungen und sind kaum kritisierbar24 • 2. Nun sollte man aber auch nicht so tun, als sei jede Aussage über die Ehe juristisch ohne jeden Wert. Die sophistische Tradition, alles für relativ und ungesichert zu erklären, hilft bei der Lösung praktischer Fragen25 nicht weiter.
Juristisch-praktische Problemlösungen müssen sich in einem anerkannten Gesprächszusammenhang diskutieren und beurteilen lassen. So aber MünchKomm-Wacke, § 1353 Rz. 4 f. Früher: § 1356 II, a. F. tI Vgl. Diederichsen, NJW 77,218. !I Scheuerle, Das Wesen des Wesens, AcP 163 (1964), 430. 24 Ein Verhalten, das dem Einen dem anerkannten, Ehebild schlichtweg zu widersprechen scheint, ist dem Anderen geradezu die Bestätigung seiner Vorstellungen, vgl. E. Wolf, JZ 67, 659; dagegen Weinkauff, JZ 68, 15; und neuerlich E. Wolf, JZ 68, 172. 25 Wenn Streck, ein Anhänger der interindividuellen Ehelehre, nur formale Pflichten anerkennen will, Diss., aaO., S. 52, 58, so ist ihm entgegenzuhalten, daß formale Pflichten im Einzelfall allemal konkret werden. !O 21
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§ 12: § 1353 als Anspruchsgrundlage
Die Sicherung und Kontrolle der Ergebnisse erfolgt in einem dialogischen Prozeß rationalen Argumentierens26• a) Den erforderlichen Gesprächszusammenhang hat zunächst - von den Motiven inspiriert - das "sittliche Wesen der Ehe" gebildet. Und der dialogische Austausch erbrachte anerkennenswerte Ergebnisse. Er ist jedoch heute formelhaft erstarrt, auch gibt es weniger Gemeinsamkeiten, was die unverzichtbaren Inhalte der Ehe angeht, denn je. Aber eine Diskussion wird durch den Austritt aus dem Gesprächszusammenhang nicht neu belebt, sondern unmöglich. Dies ist den Anhängern interindividueller Ehelehren2'T zu bedenken zu geben. b) Den Weg für eine Neubelebung weist der Reformgesetzgeber des 1. EheRG. Er spricht von dem in "unserem Kulturkreis anerkannten Ehebild". Dieses wird durch die Bezugnahme auf "Partnerschaft, Rücksichtnahme, Mitsprache, Mitentscheidung"28 coloriert. Das Votum des Gesetzgebers für eine pragmatisch-weltliche Auffassung29 der Ehe ist zu beherzigen. Bei der Ausbildung der konkreten Ehepflichten ist also von der Ehe als einer typischen Verhaltensform, die ihre Wirklichkeit aus der gesellschaftlichen Praxis und den mit ihr verbundenen Vorstellungen bezieht, auszugehen. Leitlinien sind Gleichberechtigung, Partnerschaft und Konsenspflicht. c) Die wichtigste Rolle bei der Lösung von Einzelfragen spielt die Rechtsprechung, deren Aufgabe es jetzt ist, wieder "Pflöcke in den Boden zu rammen"ao, welche die Weite und die Grenzen der Generalklausel markieren. Zu fordern ist, daß in den Urteilsgründen der Zukunft offengelegte Wertungen den formelhaften Rekurs auf das nebulöse "Wesen der Ehe" vergessen machen, damit eine offene Diskussion der Ergebnisse wieder möglich ist. 18 Vgl. MünchKomm-Roth, § 242 Rz. 23; Larenz, Methodenlehre, S. 203 f., sieht die Gerichte als Sprachrohr des allgemeinen Rechtsbewußtseins, wenn es darum geht, Generalklauseln mit Leben zu erfüllen; vgl. auch Larenz, Richtiges Recht, S.12 ff. !1 Sie verstehen die bürgerliche Ehe als offenen Rahmen, in dem sich die Erwartungen der Ehegatten erfüllen sollen, der Staat jedoch auszugrenzen sei. Vgl. Pawlowski, Das Studium der Rechtswissenschaft, S. 296 ff.; E. Wolf, JZ 68, 172; 67, 749; NJW 68, 1497; schließlich modifiziert Streck, GeneralklauseI. %8 BT-Drucks. 7/4361, S.6, 25. !D Damit ist der institutionellen Ehelehre zwar nicht die logische Berechtigung, sehr wohl jedoch die juristisch-praktische Relevanz entzogen. Vgl. als Anhänger dieser Lehre Bosch, FamRZ 66, 61; Dölle, FR I, § 5 I, 2; Larenz, JZ 68, 96; Mikat, FamRZ 63, 65 (70); Weinkauff, JZ 68, 15. 10 Die treffende Metapher von Lüke, FS Bosch, S. 632.
IV. Die auf § 1353 gestützte Überlassung im einzelnen
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d) Eine weitere Methode, konkrete Einzelpflichten zu gewinnen, ist die klassisch-juristische: Auch bei der Auslegung der Generalklausel können die speziellen eherechtlichen Normen herangezogen werden; die Bedeutung von Fallgruppenbildung und Systematisierung wurde schon hervorgehoben, die Interessenabwägung, das Praktikabilitätsargument, selbst das Begriffsargument verdienen den Vorzug vor dem Wesensargument.
IV. Die auf § 1353 I, 2 gestützte Gebrauchsüberlassung im einzelnen Am Ende eines abstrakten Exkurses ist es sicher nicht überflüssig, den Standort der Untersuchung nochmals zu fixieren. Es geht um den Gebrauchsüberlassungsanspruch des Nichteigentümer-Ehegatten bei ungestörter Ehe. Das Unterhaltsrecht gibt in begrenztem Umfang einen solchen Anspruch. Im überpflichtigen31 Bereich versagt das Unterhaltsrecht jedenfalls für die Zukunft. Hier könnte § 1353 eintreten, der wie wir gesehen haben - generell für einen derartigen Anspruch tauglich wäre. Dabei ist die Ersteinbringung überpflichtigen Wohnraumes bzw. Hausrates von der Verpflichtung, einen bereits hergestellten überpflichtigen Zustand dauern zu lassen, zu unterscheiden.
1. Die Ersteinbringung Ergibt sich aus der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft die Einzelpflicht, sämtlichen im Stammvermögen des einen Ehegatten vorhandenen Wohnraum, den dieser selbst nutzt, dem anderen Ehegatten bzw. der Familie zu öffnen, wiewohl ein unterhaltsrechtlicher Gebrauchsüberlassungsanspruch nicht besteht, weil die Wohnverhältnisse angemessen sind? Rolland32 bejaht diese Frage, die Beschränkung eines Ehegatten auf Teile der Räumlichkeiten sei nicht gerechtfertigt, auch wenn die bereitgestellten Räume groß genug seien. Er beruft sich auf das OLG Bremen und übersieht dabei, daß das Gericht nicht über die erstmalige Öffnung vorhandenen Wohnraumes, sondern über die Zulässigkeit der Sperrung eines bereits gemeinsam genutzten Hauses zu befinden hatte 33• Also verwendet das OLG Bremen die Generalklausel in Regulativfunktion, nicht anspruchsbegründend. Aber auch Gernhuber34 will räumliche Reservate wegen § 1353 generell nicht zulassen. "Überpflichtig" bedeutet: Von der Unterhaltspflicht nicht mehr erfaßt. Rolland, § 1353 Rz. 12. aa Das OLG, FamRZ 65, 77 entschied sinngemäß: Einmal zugelassene Mitbenützung kann nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden. " FamRZ 59, 465. 31
az
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§ 12: § 1353 als Anspruchsgrundlage
Eine Begründung dieser Ansicht fehlt, da das Ergebnis den Verfasser überzeugt. Und letztlich hat Gernhuber schon recht, sich auf sein Rechtsgefühl zu berufen. Wahrheitsfähige Deduktionen aus der Generalklausel darf man nicht erhoffen, erst ehegerechte Ergebnisse, die sich verallgemeinern lassen, erfüllen die Generalklausel mit Leben. Dennoch sollten sich flankierende Argumente für und wider einen unbegrenzten Gebrauchsüberlassungsanspruch finden lassen. Um diese richtig würdigen zu können, sei zur Illustrierung der "Jagdhüttenjall" in Erinnerung gerufen: M verfügt über eine Jagdhütte aus seiner Junggesellenzeit, die er mehrmals im Jahr für einige Tage aufsucht. F, die er niemals mitnimmt, verlangt die Gestattung der Mitbenützung und die Aushändigung eines Schlüssels. Auch sie brauche Erholung; außerdem vermutet sie ehewidrige Treffen des M mit dritten Personen. a) Gegen einen allgemeinen, nach oben unbegrenzten Gebrauchsüberlassungsanspruch läßt sich § 1360 a ins Feld führen. Man kann sagen, diese Vorschrift markiere die Obergrenze, jenseits derer der Einsatz des Eigentums für den anderen Ehegatten von Rechts wegen nicht mehr verlangt werden könne. Auch hat der Reformgesetzgeber den partnerschaftlichen Charakter der Ehe in den Vordergrund gestellt, was an den Konsenswillen der Ehegatten hohe Anforderungen stellt und die Annahme zwingender, der Ehegattendisposition enthobener Pflichten einschränkt35 • Größere Freiheit birgt auch ein größeres Risiko. Weiter: Auch in der ehelichen Lebensgemeinschaft muß Raum für individuelle, nicht vergemeinschaftete Lebensgestaltung verbleiben. b) Was spräche für einen unbegrenzten Gebrauchsüberlassungsanspruch? Das Rechtsgefühl einer Bevölkerungsmehrheit36, die beispielsweise über den Jagdhüttenfall zu befinden hätte, könnte zugunsten der vom Mitbesitz ausgeschlossenen Ehefrau streiten. Jedoch lassen sich darüber allenfalls spekulative Aussagen treffen. Auch kann man Minderheitsverhalten wohl nur sehr bedingt aufgrund von Mehrheitsmeinungen beurteilen. Ein gewichtigeres Argument: Der gelegentliche Aufenthalt im ehefernen "Reservat" sät Mißtrauen; und jeder Ehegatte hat die Pflicht, den "bösen Schein" zu meiden3'l'. c) Die Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft im engeren Sinne trägt dagegen einen unbegrenzten Gebrauchsüberlassungsanspruch nicht, SI
se S7
Vgl. Gernhuber, FamRZ 79, 193 ff.; H. J. Vogel, FS Broda, S.409. "Gerichte als Sprachrohr des allgemeinen Rechtsbewußtseins". Vgl. RGZ 138, 73.
IV. Die auf § 1353 gestützte überlassung im einzelnen
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denn das "Reservat" rechnet ja gerade nicht zum gemeinsamen Wohnbereich. So mag im Einzelfall sich ein Ehegatte im exclusiv genutzten Wohnraum seiner Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft entziehen. Dem anderen Ehegatten steht in diesem Fall ein im Wege der Herstellungsklage geltend zu machender Anspruch auf Rückkehr in die Ehewohnung, kein Anspruch auf Öffnung der neuen Unterkunft des anderen zu. d) Wie also ist zu entscheiden? Das dem Gesetz entlehnte Argument wiegt am schwersten. § 1360 a markiert die Grenze, bis zu welcher dem Eigentümer zwingend geboten ist, sein Eigentum der Familie zu widmen. Somit ist ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung überpflichtig vorhandenen Wohnraumes, der nicht als Ehewohnung gewidmet ist, auch nicht auf § 1353 I, 2 zu stützen. 2. Die Ersteinbringung hausratstauglicher beweglicher Sachen Für Hausrat gilt prinzipiell nichts anderes. Auch hier markiert das Unterhaltsrecht die Grenze. Ist ein Ehegatte Eigentümer beweglicher Sachen, die als Hausrat taugen könnten, ist aber andererseits eine unterhaltsrechtlich angemessene Ausstattung vorhanden, so kann nicht die Generalklausel den gesetzlichen Wall gegen die Begehrlichkeiten eines Ehegatten auf das Eigentum des anderen niederreißen. Dies ist zusätzlich noch durch folgenden Gedanken begründet: Der Kreis der potentiell als Hausrat geeigneten beweglichen Sachen ist überhaupt nicht einzugrenzen. Ein genereller Anspruch des Nichteigentümer-Ehegatten auf Mitbenützung der nicht (mehr) unterhaltsrechtlich gebotenen hausratstauglichen Sachen würde tendenziell zu einer Besitzgemeinschaft an allen beweglichen Sachen führen. § 1353 I, 2 würde den Eigentümer verpflichten, seine gesamte Fahrnis mit Ausnahme der wegen ihrer Eigenart nicht zum Hausrat taugenden Sachen als Hausrat der Lebensgemeinschaft zu widmen. Einzig §§ 1360 f. vermögen einen Anhaltspunkt für den Umfang der Gebrauchsüberlassungspflicht zu geben. Auch die Entscheidung des Gesetzgebers für die Zugewinngemeinschaft mit Gütertrennung als gesetzlicher Güterstand ist ein Indiz dafür, daß eine Vergemeinschaftung aller hausratstauglichen beweglichen Sachen nicht gewollt sein kann. Deren Eigentümer muß nur dann auf seine exclusive Nutzungsmöglichkeit verzichten, wenn er unterhaltsrechtlich dazu verpflichtet ist. Ist die Familie angemessen versorgt, so bleibt beim Eigentümer die Entscheidung, ob eine bewegliche Sache der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden, ob das Risiko des Verlustes an Verfügungsrnacht (§ 1369) eingegangen werden soll. Die Eheleute müssen sich einigen, welche Gegenstände dem gemeinsamen Leben dienen sollen. Diese Entscheidung kann ihnen ein Ge-
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richt nur abnehmen, wenn es darum geht, ob die Gebrauchsüberlassung einer bestimmten Sache unterhaltsrechtlich angemessen ist. Ein über das Unterhaltsrecht hinausgehender Anspruch darauf, hausratstaugliche bewegliche Sachen erst zu Hausrat zu machen, besteht nicht. 3. Die Gebrauchsüberlassung bereits gemeinsam benützten Wohnraumes, der unterhaltsrechtlich nicht mehr geschuldet wird Diese Fallgruppe unterscheidet sich von der soeben diskutierten in einem wesentlichen Punkt, denn nun heißt das Problem: Kann der NichteigentÜffier-Ehegatte die Mitbenützung überpflichtigen Wohnraumes verlangen, der bereits zur Ehewohnung zählt? Begrifflich ist diese Frage recht leicht zu beantworten. In dem Begriff der EhewohnungSS ist bereits die Gemeinschaftsdienlichkeit impliciert; Ehewohnung seien Räume, die beiden Ehegatten zu dienen bestimmt sind. Durch die einvernehmliche Widmung (§ 1356 I; im einzelnen unten § 13) der Räume für die eheliche Lebensgemeinschaft werden beliebige Räume zur Ehewohnung und stehen dann beiden Ehegatten zur Verfügung. Also ist das Bestreben eines Ehegatten, Wohnraum, der einmal zur Ehewohnung bestimmt worden ist, dem Partner zu entziehen, der Versuch, die Entwidmung der Räume zu betreiben. Verdrängt jener diesen aus Teilen der Ehewohnung, so sollte ein auf § 1353 I, 2 gestützter Anspruch auf Wiederherstellung der widmungsgemäßen gemeinschaftlichen Nutzung bejaht werden. Mit Hilfe der ehelichen Generalklausel wird der Ehegatte, der von einer getroffenen Regelung abweicht, also gezwungen, den ungestörten Zustand wiederherzustellen. Zwischenergebnis: Jeder Ehegatte kann von seinem Partner die Mitbenützung der ganzen Ehewohnung verlangen, gleichviel, ob diese unterhaltsrechtlich angemessen oder überpflichtig komfortabel ist. Dieses Zwischenergebnis mag unbeweglich und begriffsjuristisch wirken. Dies scheint aber nur so. Zwar gilt der Satz: Räume, die zur Ehewohnung rechnen, müssen bei ungestörter Ehe ausnahmslos dem Partner zum Mitgebrauch überlassen werden. - Die notwendige Flexibilität geht jedoch nicht verloren, sondern findet sich im Rahmen der Frage, ob nicht eine wirksame Entwidmung der Ehewohnung vorliegt und mit dieser Entwidmung auch die Gebrauchsüberlassungspflicht erloschen ist (dazu unten § 13). 4. Für überpflichtig eingebrachten Hausrat gilt im Grunde nichts anderes. Hausrat wird von den Ehegatten für das gemeinsame Leben bestimmt und ist schon seinem Begrüfe nach vergemeinschaftet und für beide 18
VgI. oben § 2 IV.
IV. Die auf § 1353 gestützte Überlassung im einzelnen
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Ehegatten bereitgestellt. Daß einmal gewidmeter Hausrat der freien Dispositionsbefugnis des Eigentümers entzogen und der Lebensgemeinschaft zu dienen bestimmt ist, zeigt im gesetzlichen Güterstand zusätzlich auch § 1369, der den Fortbestand gemeinschaftlicher Nutzungsmöglichkeit sicherstellen soll. Es gilt: Solange eine bewegliche Sache zum Hausrat zählt, besteht die Gebrauchsüberlassungspflicht des Eigentümers. Entzieht dieser der Familie ein Hausratsstück, so versucht er damit zugleich seine Sache aus dem Kreis des Hausrates auszugliedern, sie zu entwidmen, sie gewissermaßen in den Kreis der "normalen" beweglichen Sachen zurückzuholen. Ob und wann dies gelingen kann, hängt von der Rechtsnatur der Widmung und von der Interessenlage ab39 (dazu sogleich). Zwischenergebnis: Hausrat ist vom Eigentümer-Ehegatten dem Ehepartner zum Mitgebrauch zu überlassen, gleichviel, ob er unterhaltsrechtlich angemessen ist (Anspruchsgrundlage dann §§ 1360 f.) oder überpflichtig aufwendig ist (Anspruchsgrundlage dann § 1353 I, 2).
5. Schließlich bleibt zu fragen, ob auch die auf § 1353 I, 2 gestützten Gebrauchsüberlassungsansprüche klag- und vollstreckbar sind. Bedenken bestehen allenfalls gegen die Vollstreckbarkeit, denn alle ehelichen Rechtspflichten sind zunächst einmal klagbar40 • Dieses ist auch durch das 1. EheRG nicht geändert worden. Gem. § 888 11 ZPO wäre der auf § 1353 I, 2 gestützte Gebrauchsüberlassungsanspruch nicht mit Vollstreckungszwang durchsetzbar, sofern es sich dabei um eine Verurteilung zur "Herstellung des ehelichen Lebens" handelte. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, die zwangsweise Durchsetzung höchstpersönlicher Verhaltensweisen und Handlungen, also solcher Pflichten, die nur und gerade vom beklagten Ehepartner tätig erfüllt werden können, auszuschließen. Und angesichts dieses Normzweckes zeigt sich, daß ein Gebrauchsüberlassungsanspruch, auch wenn er auf § 1353 I, 2 beruht, als vermögensrechtlicher Anspruch41. außerhalb des für die Eheherstellungsklage gezogenen Rahmens liegt. Im Grunde handelt es sich bei dem Gebrauchsüberlassungsanspruch im überpflichtbereich immer noch um einen unterhaltsähnlichen Anspruch, so daß er nicht im Wege der Herstellungsklage als Ehesache gem. § 606 ZPO geltend zu machen ist, sondern als Familiensache i. S. des § 621 ZPO angesehen werden sollte. Ein titulierter Gebrauchsüberlassungsanspruch im überpflichtbereich ist also auch zwangsweise durchsetzbar. Vgl. in diesem Zusammenhang besonders § 1369. Vgl. Gernhuber, FR, § 23, 1; kritisch und einschränkend MünchKommWacke, § 1353 Rz. 9 f. 41 Vgl. auch OLG München, NJW 63, 49. 18 40
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§ 13: Grenzen der Gebrauchsüberlassungspfticht
§ 13. Gl'Ienzen und Ende der Gebrauchsüberlassungspflicht
Wir haben als Zwischenergebnis festgehalten: Der Eigentümer muß seine Wohnung bzw. seine bewegliche Sache, sofern sie Ehewohnung ist bzw. zum Hausrat zählt, dem Partner zum Mitgebrauch überlassen, auch wenn dies unterhaltsrechtlich nicht mehr geboten ist. Zwei Fälle mögen zeigen, daß diese Forderung gelegentlich zu starr ist: (1) Porzellanfall: F hat altes Meißener Porzellan in die Ehe mitgebracht, das den Eheleuten als Eßgeschirr dient. Nachdem M mehrfach grob fahrlässig Teile davon zerschlagen hat, beschafft F moderne Industrieware und zieht ihre Kostbarkeiten aus dem Verkehr. (2) Villenfall: Die Doppelverdienerehegatten wohnen in einer dem M gehörenden Villa. Die Vermögensverhältnisse verschlechtern sich wegen des Ausfalls der Arbeitsfähigkeit eines Ehegatten deutlich. M meint, die einzige Möglichkeit sei, das Obergeschoß zu vermieten. F weigert sich, das Obergeschoß freizugeben. Die Gebrauchsüberlassung ist den Begriffen "Ehewohnung" und "Hausrat" immanent. Es gibt keine Ehewohnung, die bei ungestörter Ehe nicht zur Gänze überlassen werden müßte und keinen Hausrat, den ein Ehegatte exclusiv für sich besitzen darf. Damit ist aber auch bereits die Grenze der Gebrauchsüberlassungspflicht beschrieben, sie endet, wo Wohnraum aufhört "Ehewohnung" zu sein, und wo eine bewegliche Sache nicht mehr zum "Hausrat" rechnet. Dem Vorgang der Entwidmung hat also jetzt unser Interesse zu gelten: I. Wie verliert Wohnraum die Qualität "Ehewohnung"? Eingangs haben wir definiert, Ehewohnung sei die Bezeichnung der gemeinsamen Räumlichkeiten, in denen beide Ehegatten wohnen, gewohnt haben, oder bestimmungsgemäß wohnen sollen!. Hier zeigt sich, was beliebigen Wohnraum zur Ehewohnung macht, nämlich die Bestimmung dazu. Wir wollen besser von Widmung sprechen und uns der hier interessierenden Entwidmung nähern, indem wir die Widmung näher untersuchen. 1. Die Widmung als einvernehmliche Regelung i. S. des § 1356 I. In aller Regel herrscht zwischen den Ehegatten Einigkeit, welche Wohnung Mittelpunkt des gemeinsamen Lebens, also Ehewohnung werden soll. Ein Entscheidungs- oder Bestimmungsrecht eines Ehegatten oder von dritter Seite gibt es nicht mehr, die Ehegatten müssen sich irgendwie einigen. 1
VgI. oben § 2 IV.
I. Widmung und Entwidmung
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Auch die Entscheidung, wie groß die Ehewohnung sein soll, ist eine gemeinschaftliche Angelegenheit, die partnerschaftlich zu lösen ist und von der Mehrheit der Eheleute auch gemeinsam gelöst wird. Eine ausdrückliche Einigung ist bei der Auswahl einer Mietwohnung bzw. dem Ankauf einer Ehewohnung anzunehmen. Bei der selbstverständlichen Weiterbenützung vorhandenen Wohnraumes (F zieht nach der Hochzeit bei M ein) zeigt die tatsächliche Handhabung den übereinstimmenden Willen der Ehegatten. Somit gehört auch die Auswahl und Bestimmung der Ehewohnung zum Kreis derjenigen Fragen, die durch einvernehmliche Regelung der Ehegatten entschieden werden müssen. Gegenseitiges Einvernehmen verlangt der Reformgesetzgeber des 1. EheRG für alle Fragen der Haushaltsführung, § 1356 I. Die volle Tragweite der Regelung ehelicher Einzelfragen durch Einvernehmen wird erst jetzt richtig erkannt, und die rechtliche Durchdringung des Geflechts von Einzelentscheidungen, Beschlüssen, die ausdrücklich gefaßt wurden, und Regelungen durch wortlose Praxis gehört sicher zum Schwierigsten, was der Reformgesetzgeber der Rechtsprechung und Lehre aufgegeben hat. Gernhuber spricht von autonomen Akten und untergliedert je nach Intensität der Planung und Entscheidungssuche in Beschlüsse (planende Akte) und Ordnungen (beiläufigere Modulationen der konkreten Ehe)l!. Wacke will - dem Verwaltungsrecht entlehnt - in "Grundverhältnis und Betriebsverhältnis"a differenzieren; nur Entscheidungen, die das Grundverhältnis betreffen, seien im gegenseitigen Einvernehmen zu treffen. Dies mag auf sich beruhen, denn für die durchschnittlich seßhafte Familie ist die Auswahl und Bestimmung der Ehewohnung sicher dem Grundverhältnis zuzurechnen bzw. in der Terminologie Gernhubers als Beschluß zu qualifizieren. Welche Auswirkungen hat dieser Befund auf den Begriff "Ehewohnung"? Wohnraum wird von den Ehegatten einvernehmlich als Ehewohnung gewidmet. Nicht allein das faktische gemeinsame Wohnen, sondern die gewollte Indienstnahme für die eheliche Lebensgemeinschaft läßt beliebigen Wohnraum zur Ehewohnung werden. Ganz deutlich wird dies, wenn ein Ehegatte die Wohnung verläßt; die Tatsache allein, daß die Ehegatten nicht mehr gemeinsam in der Wohnung leben, führt nämlich nicht zur Entwidmung4 • 2 Gernhuber, FR, § 18 III; ders., FamRZ 79, 196; daneben nennt er noch Verträge. a MünchKomm-Wacke, § 1356 Rz. 9. , Sonst hätten die Vorschriften der HausrVO, die von "Ehewohnung" sprechen, keinen Sinn!
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§ 13: Grenzen der Gebrauchsüberlassungspflicht
Ebenso wie die Widmung muß also auch die Entwidmung durch eine einvernehmliche Regelung der Ehegatten erfolgen (actus contrarius). 2. Allerdings ist die Rechtsnatur des gegenseitigen Einvernehmens noch nicht abschließend geklärt, Eine starke Meinung sieht darin eine vertragliche Vereinbarung;. Es handele sich, wenn auch in den meisten Fällen nicht ausdrücklich vereinbart, um ein durch übung oder Duldung zustandegekommenes Rechtsgeschäft6 • Wacke läßt die Frage offen, ob es sich um ein Rechtsgeschäft handelt, und nimmt einen Beschluß durch zusammenlaufende, parallele Erklärungen an. Die meisten Vorschriften des Allgemeinen Teiles über Willenserklärungen will er zu Recht nicht anwenden'f. Andere wollen nur einen Realakt annehmen8 oder lehnen jedenfalls eine Bindung im rechtsgeschäftlichen Sinne· ab 9 • Der rechtsgeschäftsähnliche Charakter des Ehegatten-Einvernehmens sollte jedoch anerkannt werden, denn es entfaltet seine Wirkungen, weil sie von den Ehegatten gewollt sind. Ob man mehr dem Vertrag zuneigt oder der Beschlußtheorie, hat wohl kaum praktische Auswirkungen. Der Sache nach liegt der Vergleich mit einem Gesellschafterbeschluß nahe. 3. Abänderung Zum Problem wird die Abänderung einmal getroffener Regelungen. Konkreter: Wie kann einvernehmlich als Ehewohnung gewidmeter Wohnraum wieder entwidmet werden? a) Daß dies durch ändernde einvernehmliche Regelung beider Ehegatten erfolgen kann, steht außer Frage10 • Dies kommt alle Tage vor: Ehegatten ziehen um, die alte Wohnung ist dann nicht mehr Ehewohnung, oder sie untervermieten Teile der Wohnung und gliedern damit diese Räume aus.
b) Also ist das wirkliche Problem die einseitige Entwidmung. Da eine einvernehmlich geschaffene Ordnung auch beim Nichteigentümer 'Diederichsen, NJW 77, 219; Palandt/Diederichsen, § 1356 Anm.2 a bb; Lüke, FS Bosch, S.634; Kurr, FamRZ 78, 2; Erman/Heckelmann, § 1356 Rz. 4---6; Roth-Stielow, § 1353 Rz. 7: "familienrechtliche Zustands- und Beitragsregelung sui generis". 8 Für Rechtsgeschäft aber gegen Schuldverhältnis und Vertrag: Gernhuber, FR, § 18 IH, 4; ders., FamRZ 79, 196 f. 7 MÜflchKomm-Wacke, § 1356 Rz. 9; gegen die §§ 104 ff. auch Gernhuber, ebd. 8 Ambrock, § 1353 Anm. H, 2; § 1356 Anm. I, 1. • Rolland, § 1356 Rz. 6. 10 Für viele: Erman/Heckelmann, § 1356 Rz.5; Gernhuber, FamRZ 79, 199.
I. Widmung und Entwidmung
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ein schutzwürdiges Vertrauen auf deren Fortbestehen entstehen läßt, ist eine willkürliche und grundlose Abänderung unwirksam. Andererseits muß es aber ein jus variandil l nur eines Ehegatten geben, sonst wäre der beharrende Partner über Gebühr bevorteilt, wenn er sich in jedem Fall einer Änderung oder Anpassung widersetzen könnte. Sollte die Reduzierung des Raumangebotes auf das unterhaltsrechtlich Notwendige nicht einseitig möglich sein, so müßte sich jeder Ehegatte sehr sorgfältig überlegen, ob er überpflichtig Wohnraum zur Verfügung stellen will, um nicht Gefahr zu laufen, für alle Zeiten an dieser (zu) großen Wohnung festgehalten zu werden. aal Bei der Konzeption des § 1356 ging auch der Gesetzgeber des 1. EheRG von einer einseitigen Anpassungsmöglichkeit aus12 • Rolland läßt die Bindung fortfallen, wenn die für die getroffene Regelung maßgebenden Umstände bei Abschluß nicht vorgelegen oder sich später nicht unwesentlich geändert haben13• Andere suchen nach Anpassungsmechanismen unter der Herrschaft der elausula rebus sie stantibus14, Gernhuber dagegen will Eheordnungen einseitiger Aufkündigung dann preisgeben, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, und lehnt sich dabei an Grundsätze an, die für Dauerrechtsverhältnisse entwickelt wurden16 • bb) Eine allgemeingültige Entscheidung dieser Frage scheint kaum möglich, zu unterschiedlich sind die denkbaren Gegenstände einvernehmlicher Regelungen. Viele haben einen stark personalen Einschlag, so daß bei diesen auch die Veränderung subjektiver Einstellungen einzelner Ehepartner Berücksichtigung finden muß. Die Ehefrau, die sich einmal mit einem Hausfrauendasein einverstanden erklärt hat, kann von ihrem Mann rechtlich nicht wirksam daran gehindert werden, wieder berufstätig zu werden, wiewohl sich an den objektiven Gegebenheiten nichts geändert hat, denn auch die nicht vollstreckbare Herstellungsklage dürfte in der Regel unbegründet sein, wenn ein einsehbarer persönlicher Grund für den Sinneswandel vorgetragen wird. Sind dagegen im ehelichen Vermögensrecht durch einvernehmliche Regelungen Ordnungen geschaffen worden, so betreffen diese die Lebensbedingungen beider Ehegatten gleichermaßen, so daß es gerechtfertigt ist, für eine Abänderung die subjektiven Beweggründe eines Ehegatten nicht ausreichen zu lassen, da ein Festhalten an einmal geSo Bosch, FamRZ 77, 571. BT-Drucks. 7/650, S. 97 f. 11 Rolland, § 1356 Rz. 6. 14 Erman/Heckelmann, § 1356 Rz. 6; MünchKomm-Wacke, § 1356 Rz. 8; vgl. auch Ambrock, § 1356 Anm. I, 1; allg. zur clausula-Lehre: MünchKomm-Roth, § 242 Rz. 458 f. 15 Gernhuber, FR, § 18 III, 4; ders., FamRZ 79, 199 f. II
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schaffenen vermögensrechtlichen Ordnungen auch nicht so belastend ist wie im persönlichen Bereich die Einschränkung der individuellen Handlungsfähigkeit. Hat beispielsweise M seine luxuriöse Villa als Ehewohnung bereitgestellt, so kann er nicht ohne weiteres den Umzug in eine Mietwohnung der Innenstadt verlangen, nur weil ihm das Vorstadtleben nicht mehr gefällt. e) Wann ist eine einseitige Entwidmung der Ehewohnung wirksam? Die Antwort auf die Frage, wann eine Entwidmung durch den Eigen;,. tümer-Ehegatten wirksam ist, hat also folgendes zu berücksichtigen: Im Einzelfall muß auch eine einseitige Entwidmung möglich sein. Dadurch sind allerdings die Interessen des anderen Ehegatten in erheblichem Maße betroffen, eine Abwägung der Interessen ist also unabdingbar. Da die einseitige Entwidmung die seltene Ausnahme bleiben muß, sind an sie strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere ist die Anbindung an ein objektives Datum notwendig. aa) Welche Kriterien lassen sich der Rechtsprechung entnehmen? Die hier sich abzeichnende Auffassung, daß auch eine einseitige Entwidmung einer Ehewohnung möglich sein muß, ist keineswegs revolutionär. Auch in veröffentlichten Urteilen und im Schrifttum findet sich der Satz, daß kein Partner vom anderen erwarten kann, "daß der äußere gegenständliche Bereich der Ehe für ihn unter allen Umständen und zu allen Zeiten im selben Umfang und in derselben Art wie bisher erhalten bleibt"16. Neu ist allein die Einsicht, daß die notwendige Interessenabwägung dogmatisch zu der Frage gehört, ob eine einseitige Entwidmung der Ehewohnung durch den Eigentümer wirksam ist. Einige von der Rechtsprechung entwickelte Kriterien lassen sich für unsere Zwecke fruchtbar machen: Richtig ist der Ansatzpunkt des BGH, die "Umstände des Einzelfalles"17 zu berücksichtigen; auch dem OLG Stuttgart, das "alle gegenseitigen schutzwürdigen Belange der Ehepartner abwägen"18 will, ist zuzustimmen. Sicher auch richtig ist die Einsicht, daß regelmäßig das Interesse des Eigentümers, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (§ 903), dem Interesse des Nichteigentümers, "sich im äußeren gegenständlichen Be16 BGHZ 37, 38 (42); LG Karlsruhe, FamRZ 66, 355 (357); AG Wuppertal, ZMR 65, 81 f.; BGH, FamRZ 72, 363; OLG Stuttgart, NJW 70,101; Dunz, Anm. zu LG Duisburg, NJW 62, 1301; Rolland, § 1353 Rz. 31; Dölle, FR I, § 33 I, 4; Westermann, Mat. zum ausländischen und internationalen Privatrecht, 29,
S.13. 17
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BGHZ 37, 42. NJW 70, 101.
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reich (der ehelichen Lebensgemeinschaft, d. Verf.) ungestört entfalten"19 zu können, widerstreitet. bb) Von den oben dargestellten Meinungen, wann eine von den Ehegatten einvernehmlich getroffene Regelung auch einseitig zerstört werden kann, genügen nicht alle diese Kriterien. (1) Die Möglichkeit eines Widerrufes im einseitigen Akt~O ohne die Veränderung eines objektiven Datums ist abzulehnen, da sie das zunächst einmal schützenswerte Interesse auf Fortbestand einer getroffenen Regelung bei Fortbestand der objektiven Gegebenheiten nicht ausreichend würdigt. (2) Diesem Vorwurf setzt sich die c1ausula-Lehre nicht aus. Für deren Anwendung spricht auch die Nähe aller Gebrauchsüberlassungsansprüche zum Unterhaltsrecht, denn die Rechtsprechung~l sieht seit jeher den Unterhaltsanspruch unter dem clausula-Vorbehalt. Diese Lehre ist jedenfalls dann abzulehnen, wenn mit ihr eine automatische Anpassung ohne umfassende Interessenabwägung ermöglicht werden soll. Auch wenn eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse zu verzeichnen ist, darf nicht automatisch die Bindung des Eigentümers an die familiengerechte Widmung seines Eigentums entfallen.
(3) Gernhubers Vorschlag, eine Kündigung aus wichtigem Grunde, ähnlich wie bei Dauerrechtsverhältnissen zuzulassen, erfüllt dagegen alle Kriterien: Anknüpfung an ein objektives Datum, den "wichtigen Grund", Interessenabwägung und Einzelfallprüfung (vgl. §§ 626, 554a, § 723 I).
Man sollte jedoch entgegen § 723 I, 2 die Grundsätze der Kündigung aus wichtigem Grund erweiternd auch dann anwenden, wenn sich ein objektives, verschuldensunabhängiges Datum geändert hat, und wird zu befriedigenden Ergebnissen kommen. (4) Aber das Institut, das geschaffen wurde, um flexibel auch auf die Veränderung objektiver Gegebenheiten reagieren zu können, ohne die Abwägung der Interessen zu vernachlässigen, ist die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage~, deren Anwendung auch in Betracht zu ziehen wäre. Gernhuber wendet ein, es gebe keinen "Kreis fester Verhaltensmuster"23, aus dem sich das einer veränderten Situation Angemessene bestimmen ließe. BGHZ 37, 42. Vgl. Palandt/Diederichsen, § 1356 Anm.2 a ce, zu berücksichtigen: Ausmaß der Gebundenheit der Lebensinteressen. 21 RGZ 106, 235; 111, 287; für Unterhaltsverträge: BGH, NJW 62, 2147; VersR 66, 37; 68, 451. 2Z Vgl. MediCus, BR Rz. 151 ff.; Gernhuber, BR, 8.137 ff. m. w. Nachw. (140); Wieacker, FS Wilburg, 8. 229 ff. !3 FamRZ 79, 199 f 19
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Grenzen der Gebrauchsüberlassungspflicht
Dem ist sicher zuzustimmen, wenn es um persönliche Verhaltensweisen geht, nicht aber im vermögensrechtlichen Bereich. Zudem bietet das Unterhaltsrecht ja gerade einen Maßstab24 , an dem bei veränderten Gegebenheiten die Gebrauchsüberlassungspflicht des Eigentümer-Ehegatten gemessen werden kann. Für die Anwendung der Lehre von der Geschäftsgrundlage spricht auch ihre Flexibilität in der Rechtsfolge: Bevor eine Regelung gänzlich preisgegeben wird, ist an eine Anpassung zu denken. II. Einzelfälle
Die abstrakten Überlegungen müssen sich im Einzelfall bewähren. Noch einmal der Villenfall: Die Doppelverdienerehegatten wohnen in einer dem M gehörenden Villa. Die Einkommensverhältnisse verschlechtern sich wegen des Ausfalles der Arbeitsfähigkeit eines Ehegatten. M meint, die einzige Möglichkeit sei, das Obergeschoß zu vermieten; F weigert sich, dieses zu räumen. Eine Entwidmung der Ehewohnung kann niemals wirksam sein, wenn nicht zugleich eine ausreichende und angemessene anderweitige Unterbringung angeboten wird25 • Davon ist hier jedoch auszugehen; die Reduzierung auf das Untergeschoß beläßt der Familie eine angemessen große Wohnung. 1. Wenn man mit Gernhuber nach einem wichtigen Grund sucht, so ist der Ausfall der Erwerbsfähigkeit sicher als ein solcher anzusehen, wenn man sich nicht in allzu enger Anlehnung an § 723 I, 2 darauf versteift, dieser müsse vom anderen Teil verursacht worden sein. Weiter wäre zu fragen, ob die "Fortsetzung des ehelichen Lebens im bisherigen Rahmen als unzumutbar" erschein~. In diese Zumutbarkeitsprüfung sind alle Umstände des Einzelfalles einzubringen. Wägt man das Beharrungsinteresse der F gegen das Änderungsinteresse des M ab, so wird im vorliegenden Fall letzteres überwiegen, zumal M allein ehegerechte Motive verfolgt, indem er für eine Konsolidierung des Gesamteinkommens der Ehegatten angesichts der neuen Umstände sorgt. 2. Zum gleichen Ergebnis führt jedoch auch die Anwendung der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage. Wendet man beispielsweise die Formel an, die Medicus2'l vorschlägt, so wäre die Geschäftsgrundlage entfallen, wenn ein Umstand entfallen ist, 24 §§ 1360 f.: .. Angemessen", .. nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich". !5 OLG Stuttgart, NJW 70, 101; AG Wuppertal, ZMR 65, 81 f. 28 Gernhuber, FamRZ 79, 200. 27 aaO., Rz. 165.
II. Einzelfälle
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den der Eigentümer bei der einvernehmlichen Widmung der Ehewohnung vorausgesetzt hat, (2) der für ihn auch so wichtig war, daß er mit dieser Wohnungsregelung nicht einverstanden gewesen wäre, wenn er die Richtigkeit seiner Voraussetzungen als fraglich erkannt hätte, und (3) auf dessen Berücksichtigung der andere Ehegatte sich redlicherweise hätte einlassen müssen. Im Villenfall wird man annehmen können, daß M bei der Widmung der ganzen Villa von einem Doppelverdienst ausgegangen ist (ad [1]), hypothetisch wird man auch vermuten müssen, daß er auf eine kleinere Ehewohnung gedrungen hätte, wäre ihm der Ausfall der Erwerbsfähigkeit bekannt gewesen (ad [2]); schließlich ist das dritte normative Element mit ähnlichen Erwägungen auszufüllen, die oben die Zumutbarkeit bestimmt haben. (1)
M kann also die Wohnverhältnisse den veränderten Gegebenheiten anpassen, als Maßstab bietet sich regelmäßig das Unterhaltsrecht an. 3. Die relevanten Gründe einer wirksamen einseitigen Entwidmung sind kaum alle abzuschätzen. Typischerweise können wohl folgende Fallgruppen erheblich werden: a) Änderungen der Familienstruktur Geburt eines Kindes, Außerhausgehen der Kinder, Aufnahme oder Auszug verwandter Personen, auch Todesfälle können eine andere Wohnung gebieten, wobei an eine Verkleinerung genauso wie an eine Vergrößerung zu denken ist. Beispiel: Mund F sind in der Villa der F einsam geworden; die vier Kinder haben das Haus verlassen. Die vermögendere F kauft eine leichter zu bewirtschaftende Eigentumswohnung und will das Haus verkaufen. M widersetzt sich. Solche Fälle sind nicht pauschal zu entscheiden, auch das Interesse des M, in der gewohnten Umgebung zu verbleiben, ist von beträchtlichem Gewicht. Dennoch muß dann, wenn die Interessen der Eigentümerin überwiegen, dieser die einseitige Entwidmung auch gegen den Willen des M gelingen. Der Versuch des M, ein Veräußerungsverbot zu erwirken, wird scheitern. b) Änderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse Gerät die Familie in finanzielle Bedrängnis, so kann der Eigentümer auch einseitig die ihm gehörenden Räume entwidmen, allerdings nur, sofern das unterhaltsrechtlich Gebotene nicht unterschritten wird28 (Beispiel: Villenfall). 18 Ähnlich LG und OLG Karlsruhe, die "einen besonderen wirtschaftlichen Zweck, der der Ehegemeinschaft nützlich ist" ggf. für bedeutsam halten, FamRZ 66, 357 r. Sp.; BWNotZ 64, 164; vgl. auch BGH, FamRZ 72, 364.
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§ 13: Grenzen der Gebrauchsüberlassungspflicht
Denkbar auch, daß bei gleichbleibender Einkommenssituation der Wohnkomfort der Vergangenheit zu teuer wird, sei es, daß die Miete oder sonstige Lasten zu drückend, sei es, daß die Heizkosten unerträglich werden. Auch dergleichen Veränderungen können berechtigter Anlaß einer (auch einseitigen) Einschränkung der Wohnverhältnisse sein. e) Schuldhaftes Verhalten des Nichteigentümers Es sind Fälle denkbar, in denen schuldhaft pflichtwidriges Umgehen des NichteigentÜIners mit dem Wohnraum des Partners diesem das Recht gibt, einseitig zu entwidmen. Dies ist gerechtfertigt, weil die für die Fortführung der Gebrauchsüberlassung nötige Vertrauensgrundlage zerstört ist. Beispiel: Mund F wohnen im Haus des M; dieser arbeitet, jene ist Hausfrau. F läßt Villa und Garten völlig verkommen. Ermahnungen fruchten nicht. M mietet eine zureichend große Mietwohnung an und will sein Haus verkaufen.
Hier wird die F dem M in die Wohnung folgen müssen. 4. Die Beispiele zeigen, daß in der partnerschaftlichen Ehe ohne prinzipielles Entscheidungsvorrecht im Konfliktfall dem Eigentum neue Bedeutung zuwächst.
III. Wie verlieren bewegliche Sachen die Qualität "Hausrat"? Hausrat sind alle beweglichen Gegenstände, die von den Eheleuten für die gemeinsame Wohnung, die Hauswirtschaft oder das Zusammenleben bestimmt sind. Diese Definition zeigt, daß für den Hausrat prinzipiell nichts anderes gilt als für die Ehewohnung. Auch er wird durch eine einvernehmliche Regelung von den Ehegatten der Lebensgemeinschaft gewidmet, wenn auch sicher häufiger als die Wohnung nicht ausdrücklich, sondern durch faktische Indienstnahme. Problematisch ist wiederum nur die einseitige Entwidmung durch den Eigentümer. Die für die Ehewohnung entwickelten Grundsätze sind auch auf den Hausrat übertragbar: 1. Änderungen der Familienstruktur Gelegentlich wird eine Änderung der Familienstruktur den Eigentümer-Ehegatten in den Stand versetzen, seine Sachen einseitig wieder zu entwidmen. Beispiel: Die Kinder der F und des M sind dem Säuglingsalter entwachsen. F möchte ihren ererbten Kinderwagen sowie die Babywäsche einer Freundin schenken. M widersetzt sich.
III. Entwidmung von Hausrat
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Bei Gütertrennung wird man eine einseitig wirksame Entwidmung durch F für möglich halten müssen. Die veränderte Bedarfsstruktur läßt bei Abwägung aller Interessen eine Anpassung zu. Fraglich ist, ob im Güterstand der Zugewinngemeinschaft § 1369 außer Acht gelassen werden kann. Begrifflich geht dies natürlich: Durch eine einseitig wirksame Entwidmung rechnet die bewegliche Sache nicht mehr zum Hausrat, damit ist § 1369 nicht anwendbar, denn dieser gilt nicht für ehemaligen Hausrat. Dieses Ergebnis berücksichtigt die dem § 1369 zugrundeliegende Intention: Die eheliche Lebensgemeinschaft soll vor dem Verlust ihrer materiellen Substanz bewahrt werden. 2. Änderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse Daß finanzielle Gründe eine einseitige Entwidmung von Hausrat wirksam sein lassen, ist seltener als im Recht der Ehewohnung. Dennoch lassen sich solche Fälle denken: Beispiel: Durch einen Unglücksfall kommt die Familie in finanzielle Not. M möchte einige seiner wertvollen alten Möbelstücke verkaufen.
3. Schuldhaftes Verhalten des Nichteigentümers Diese Fallgruppe dürfte im Recht des Hausrates von überragender Bedeutung sein. Wenn der Nichteigentümer die nötige Sorgfalt im Umgang mit dem vom Partner zur Verfügung gestellten Hausrat vermissen läßt, so muß dieser die Möglichkeit haben, diese Gegenstände wieder einzuziehen, sofern dadurch der unterhaltsrechtlich gebotene Standard nicht unterschritten wird. Beispiel: M zerstört mehrfach grob fahrlässig empfindliches Porzellan der F. Diese beschafft moderne Industrieware und zieht ihre Kostbarkeiten aus dem Verkehr.
§ 14. Vermittelt die Ehe ein Recht zum Besitz der Ehewohnung und des Hausrates?
Das BGB sieht, wenn es vom Besitz spricht, von dem Recht zu besitzen ab. Das Recht zum Besitz findet sich in § 986, auch in § 868. Ob dem Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ein Recht zum Besitz zur Seite steht, kann also erst gefragt werden, wenn sicher ist, daß er Besitzer ist. Im zweiten Teil dieser Arbeit haben wir gesehen, daß die Ehegatten im Regelfall schlichte Mitbesitzer des Hausrates und der Ehewohnung sind.
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§ 14: Gibt die Ehe ein Recht zum Besitz?
Wenn es nun darum geht, ob der Ehegattenmitbesitz auch dauerhaft rechtlichen Bestand hat, wird die Frage nach dem Recht zum Besitz virulent. Kann ein Ehegatte gem. § 985 Herausgabe eines gemeinsam benutzten Fernsehgerätes, seiner Briefmarkensammlung oder die Räumung des Eigenheimes verlangen, s·ofern er nur Eigentümer ist? Oder hilft dem Nichteigentümer ein Recht zum Besitz i. S. des § 986 I? Oder ein anderes selbständiges Gegenrecht?
I. Unzulässige Rechtsausübung oder Recht zum Besitz? 1. Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit solche Fälle oft ohne Berücksichtigung des § 986 I unter Zuhilfenahme des § 1353 I entschieden; die Geltendmachung eines Herausgabeanspruches müsse als ausgeschlossen angesehen werden, wenn sie den Umständen nach dem Wesen der Ehe widerstreitel. 2. In der Literatur heißt es dagegen, die Rechtsmißbräuchlichkeit bzw. genauer die Ehewidrigkeit eines Herausgabeverlangens sei überhaupt nur zu prüfen, sofern der Vindikationsanspruch nicht bereits wegen des Bestehens eines Besitzrechtes i. S. des § 986 I ausgeschlossen ist2 • Jüngste Rechtsprechung hat diesen Einwand beherzigt und diskutiert jetzt auch den § 986 13 • Dieser Ansatz ist im Grunde richtig. Die Begründung des Bundesgerichtshofes, ein Besitzrecht ergebe sich "aus dem Wesen der Ehe, die auch auf die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten einwirkt"'" befriedigt allerdings keineswegs. Und auch in der Literatur findet sich keine exaktere Ableitung des Besitzrechtes des Nichteigentümer-Ehegatten. Diese ist aber möglich:
11. Recht zum Besitz und Pflicht zur Gebrauchsüberlassung Die Lösung, die hier vorgeschlagen werden soll, ist durch die ausführliche Erörterung des Gebrauchsüberlassungsanspruches bereits vorgezeichnet. Zu diesem gilt es, die Brücke zu schlagen. Der Grundgedanke ist einfach: Solange ein Ehegatte verpflichtet ist, Wohnräume 1 Noch zurückhaltend RGZ 87, 56; dann aber OLG München, HRR 38, 1162; KG, DR 41,2000; LG Köln, MDR 48,50; LG Karlsruhe, FamRZ 54, 223; LG Berlin, JR 56, 106; LG Wiesbaden, NJW 55, 225; AG Wuppertal, ZMR 65, 81. ! Gernhuber, FR, § 19 II, 3; Erman I Heckelmann, § 1353 Rz. 17; Rolland, § 1353 Rz. 32; Palandt/Bassenge, § 986 Anm. 2 a.; Palandt/Diederichsen, § 1353 Anm. 2 b bb; RGRK-Pikart, § 986 Rz. 3; Staudinger/Berg, § 986 Rz. 1. a OLG Stuttgart, NJW 70, 101; BGH, IV. ZS, FamRZ 76, 691 = BGHZ67, 217; BGH, V. ZS, NJW 78, 1529 = BGHZ 7l, 216; OLG Karlsruhe, NJW 78, 2100; nicht ausdrücklich BGH, VIII. ZS, NJW 79, 976. 4 BGH, NJW 78, 1530, li. Sp.
II. Pflicht zur Gebrauchsüberlassung
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oder Hausratsgegenstände dem anderen Ehegatten zum Mitgebrauch zu überlassen, kann er sie nicht unter Berufung auf sein Eigentum herausverlangen. Dieser Gedanke zählt formelhaft als "dolo faeit, qui petit, quod statim redditurus est" zum juristischen Elementargut. Die Berufung auf Treu und Glauben ist entbehrlich, wenn der erfüllte Gebrauchsüberlassungsanspruch dem Nichteigentümer-Ehegatten ein Recht zum Besitz gibt, auf welches der Vindikationsschuldner nach einer h. M. sich nicht einmal zu berufen braucht, da es als Einwendung behandelt wird!>. Es kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, dem Wesen des Rechtes zum Besitz im einzelnen nachzugehen6 , da die meisten Streitfragen für unser Problem nicht erheblich sind. Unbestritten ist nämlich, daß in zweigliedrigen Verhältnissen, in denen gerade der Vindikationsgläubiger (Eigentümer) verpflichtet ist, dem Vindikationsschuldner (Besitzer) die Besitzposition einzuräumen und zu belassen, die er durch sein Herausgabeverlangen zerstören will, ein Recht zum Besitz i. S. des § 986 vorliegt'1. Eben diese Situation besteht, wenn der Eigentümer-Ehegatte der unterhaltsrechtlich oder (im Überpflichtbereich) gem. § 1353 I, 2 zur Gebrauchsüberlassung verpflichtet ist, dennoch unter Berufung auf sein Eigentum die Sache vom gebrauchsberechtigten Nichteigentümer herausverlangt. Zwar ist das Recht zum Besitz allein schuldrechtlich nicht zureichend beschrieben, es ist auch ein sachenrechtliches Institut; der Besitzberechtigte hat über die obligatorische Beziehung zum Eigentümer hinaus ein Recht "wenn schon nicht an der Sache, so doch wenigstens auf die Sache"s. Aber für unsere Zwecke reicht die Einsicht, daß eine schuldrechtliche Gebrauchsüberlassungspflicht des Eigentümers, solange me besteht, immer ein Besitzrecht i. S. des § 986 zur Entstehung bringt. Ausschlaggebend ist also, ob die besondere Beziehung zwischen Eigentümer und Besitzer die vorübergehende oder dauernde Spaltung von 5 Vgl. Baur, SachR, § 11 BI, 1 m. w. Nachw.; a. A. RGRK-Pikart, § 986 Rz. 24; BGH, NJW 55, 340; WM 66, 1068. e Vgl. hierzu vor allem Diederichsen, Das Recht zum Besitz aus Schuldverhältnissen; Raiser, Eigentumsanspruch und Recht zum Besitz, FS Wolff, S. 123 ff.; Zeuner, Zum Verhältnis zwischen Vindikation und Besitzrecht, FS Felgentraeger, S. 423 ff.; M. WOlff, Das Recht zum Besitz, FS Koch, 1903, S.150 ff. 7 Vgl. Baur, SachR, § 11 A II, 1; Westermann, SachR, § 30 II, 3; Wolff/Raiser, SachR, § 84 IV, 1 a; SoergellMühl, § 986 Rz. 4; RGRK-Pikart, § 986 Rz. 15; Staudinger/Gursky, § 986 Rz. 8; MünchKomm-Medicus, § 986 Rz. 13, 16. S Diederichsen, ebd., S. 6.
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§ 14: Gibt die Ehe ein Recht zum Besitz?
Eigentum und Besitz rechtfertigt9. Die Rechtfertigung der Beschränkung des Eigentümer-Ehegatten findet sich im Unterhaltsrecht bzw. der Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft. Also steht dem Nichteigentümer, der im Rahmen der eherechtlichen Gebrauchsüberlassung Wohnung und Hausrat des Partners mitbenützt, ein Recht zum Besitz zur Seite.
IH. Die Tragweite des Besitzrechtes Handelt es sich um ein absolutes oder lediglich relatives Besitzrecht? § 986 geht von der inneren Gleichartigkeit aller Besitzrechte aus10 , dennoch besteht zwischen dinglichen und schuldrechtlichen Besitzrechten ein Unterschied, der häufig mit dem Begriffspaar "absolut-relativ" beschrieben wirdl1 • Das Besitzrecht des Nichteigentümer-Ehegatten ähnelt sicher mehr dem eines Entleihers oder Mieters als dem des Pfandgläubigers, da es auf der relativen Unterhaltspflicht des Eigentümers fußt. Es ist daher den relativen Besitzrechten zuzurechnen, welche nur (Ausnahme: § 986 II!) zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten wirken12 • 1. Konsequenzen für die Ehewohnung Vorrangig sichert das Besitzrecht des Nichteigentümers diesen gegen das Räumungsbegehren des Partners. Es ist aber die mißliche Konsequenz des nur relativen Besitzrechtes, daß der Nichteigentümer-Ehegatte einem Erwerber der Ehewohnung sein Besitzrecht nicht entgegenhalten kann. Beispiel: M und F wohnen im Haus der F. F veräußert das Hausgrundstück an D. Dieser wird im Grundbuch eingetragen und verlangt von M Räumung.
In der Zugewinngemeinschaft kann unter Umständen § 1365 helfen. Ansonsten geht es dem Nichteigentümer nicht besser als dem Entleiher eines Grundstücks. a) Den Ehegattenbesitz vielleicht doch dinglich, etwa wie einen Nießbrauch aufzufassen, verbietet sich schon deswegen, weil das Verheiratetsein nicht eintragungsfähig ist13 • Vgl. Erman/Hefermehl, § 986 Rz. 7. Vgl. Diederichsen, S.93, 159: Die Vorschrift differenziert nicht. 11 RGRK-Pikart, § 986 Rz. 7; Palandt/Bassenge, § 986 Anm. 2; Diederichsen, 8
10
S.94f.
12 Palandt/Bassenge, § 986 Anm. 2 a, rechnet ohne Begründung das Ehegattenbesitzrecht zu den absoluten; wie hier: Hanisch, NJW 63, 1039. 13 Eintragungsfähig aber ein familienrechUiches Veräußerungsverbot, vgl. OLG München, FamRZ 69, 92, 151.
III. Die Tragweite des Besitzrechtes
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b) Nun ließe sich noch an eine entsprechende Anwendung des § 571 denken, die zu einer gewissen Verdinglichung des Ehegattenwohnrechtes führen würde. Aber § 571 ist eine Ausnahmebestimmung, deren analoge Anwendung auf andere Rechtsverhältnisse nicht möglich ist14. Bedenkt man zudem, daß der § 571 für den Erwerber zumindest auch die günstige Konsequenz hat, den Mietzins einfordern zu können, der beharrende Nichteigentümer-Ehegatte hingegen ohne Gegenleistung fremden Wohnraum benutzen könnte, so ist an eine Analogie zu § 571 nicht mehr zu denken. c) Dem Ehegatten, dessen Wohnrecht durch eine drohende Veräußerung gefährdet ist, bleibt allerdings die Möglichkeit, einen familienrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen den pflichtwidrigen handelnden Partner, unter Umständen im Wege einstweiliger Verfügung, geltend zu machen. Ein familienrechtliches Veräußerungsverbot ist auch eintragungsfähig15. d) Im Einzelfall hilft zudem § 138 i. V. m. Art. 6 GG: Die Veräußerung der Ehewohnung ist nichtig, wenn der erwerbende Dritte einverständlich zum Nachteil des anderen Ehegatten mit dem pflichtwidrig handelnden Teil zusammenwirkt (Kollusion)16. Beispiel: Ein Freund des Ehemannes erwirbt das Haus des M, um auf diese Weise dessen Frau daraus zu verdrängen.
2. Konsequenzen für den Hausrat Von überragender Bedeutung ist das Besitzrecht wiederum, wenn es um die Abwehr der Vindikation des Eigentümers geht, § 986 I, 1. Aber darüber hinaus entfaltet es noch weitere Wirkungen: Es schützt in gewissen Fällen vor Verfügungen des Eigentümers über Hausratsgegenstände. a) In der Zugewinnungsgemeinschaft erfüllt bereits § 1369 I diesen Zweck. b) Bei Gütertrennung dagegen sind Verfügungen des Eigentümers über seinen Hausrat grundsätzlich wirksam (Ausnahme wiederum: Kollision, § 138). Veräußert der Eigentümer das Hausratsstück allerdings gern. §§ 929, 931, so bewährt sich das Besitzrecht. Beispiel: M braucht Geld. Er verkauft dem D die ihm gehörende Waschmaschine und übereignet sie unter Abtretung des Herausgabeanspruches
Vgl. auch BGH, NJW 64, 765; Palandt/Putzo, § 571 Anm. 1 c. Ausführlich: Hanisch, aaO., 5.1037; Gernhuber, FR, § 19 III, 2; LG München, FamRZ 69, 92; OLG München, ebd. 18 Hanisch, aaO.; Gernhuber, ebd.; Rolland, § 1353 Rz. 14; zu weitgehend: Brühl, FamRZ 57, 259 f. 14
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§ 14: Gibt die Ehe ein Recht zum Besitz?
gegen F. Die Eheleute leben in Gütertrennung. F weigert sich, die Maschine an D herauszugeben. § 986 11 läßt auch ein nur relativ wirkendes Besitzrecht gegen den Dritterwerber wirken, wenn die übereignung gem. § 931 erfolgte. c) Wie aber, wenn die übereignung gem. § 929, S. 1 erfolgte?
Beispiel: M entwindet der F einen gemeinsam benützten Teppich, der ihm gehört, und übereignet ihn dem D gern. § 929, S. 1. Was kann die in Gütertrennung lebende F unternehmen? In diesen Fällen ist der NichteigentÜßler weitgehend rechtlos. Besitzschutzanspruche versagen, weil der Eigentümer-Ehegatte nicht mehr Besitzer und der Besitz des Erwerbers nicht fehlerhaft ist. Der Erwerber hat frei von Rechten Dritter wirksam Eigentum erworben. Ein weitergehender Schutz wäre nur zu erreichen, wenn das Ehegattenbesitzrecht absolut aufgefaßt wird. Wollte man das Besitzrecht der F wie das einer Pfandgläubigerin oder Nießbraucherin ansehen, so wäre im "Teppichfall" in analoger Anwendung des § 935 ein rechtsfreier Erwerb durch D nicht möglich1", überdies verhinderte § 936 11 bei dessen Kenntnis vom Rechte das Erlöschen des Besitzrechtes. Aber es läßt sich kein Argument dafür finden, daß das Besitzrecht des NichteigentÜßlers am Hausrat absolut wirkt. Im Gegenteil: Verkehrsschutzgründe, der Vergleich mit der Ehewohnung und die Verankerung im nur relativ wirkenden Unterhaltsrecht sprechen gegen den absoluten Charakter des Besitzrechtes. Auch 1369 wäre nahezu überflüssig, wenn das Ehegattenbesitzrecht nicht nur relativ wirkte. Also ist bei Gütertrennung der Nichteigentümer gegen den Verlust von Hausratsstücken nur gefeit, wenn er den Mitbesitz der Gegenstände zu keiner Zeit verliert. Der im Immobiliarbereich erfolgversprechende Weg, ein Veräußerungsverbot18 zu erwirken, ist zum Schutze des Hausrates wohl nur selten gangbar, da dem Nichteigentümer kaum "Vorwarnzeit" bleibt.
IV. Das Erlöschen des Besitzrechtes während ungestörter Ehe Der Bestand aller Besitzrechte richtet sich grundsätzlich nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis, der Wegfall des Anspruches auf den Besitz der Sache vernichtet auch das Besitzrecht. So erlischt das Ehegattenbesitzrecht, wenn die Gebrauchsüberlassungspflicht endet; diese besteht, solange Wohnraum zur Ehewohnung rechnet und bewegliche Sachen zum Hausrat gehören. Aber auch nur VgI. § 1032, S.2, § 1208, S.2. Rechtlich wäre dies zulässig, §§ 935, 938 ZPO, §§ 135, 136 BGB, und in aller Regel auch begründet, §§ 1360 f., 1353 I; aber: §§ 135 II, 932! VgI. auch Stein/Jonas/Grunsky, § 938 Anm. II, 2. 17
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IV. Das Erlöschen des Besitzrechtes
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solange: Haben die Ehegatten einvernehmlich Ehewohnung oder Hausrat entwidmet oder ist ausnahmsweise die einseitige Entwidmung durch den Eigentümer wirksam, so entfällt auch das Recht zum Besitz für den Nichteigentümer. 1. Zwar kennen die meisten Schuldverhältnisse, die ein relatives Besitzrecht erzeugen, eine ausdrückliche Vorschrift19 , die die Rückgabe der Sache anordnet; den Anhängern der sogenannten Lehre vom "Vorrang des Vertragsverhältnisses" Beweis dafür, daß dann der Vindikationsanspruch ausgeschlossen sei und der Eigentümer versuchen müsse, im besonderen Rückabwicklungsverhältnis seine Sache wiederzuerlangen20 • Aber dergleichen findet sich im Familienrecht nicht. Es gibt neben dem § 985 keine Vorschrift, die dem Eigentümer die Wiedererlangung seiner Sachen ermöglicht, die nicht mehr überlassen werden müssen. Roth-Stielow will zwar in den § 1360 beinen "familienrechtlichen Ausgleichsanspruch"21 hineinlesen, diese Vorschrift aber ist nach Wortlaut und Stellung nur Anspruchsregulativ, nicht selbst Anspruchsgrundlage.
2. Somit kann der Streit um den Vorrang der Sonderverbindung auf sich beruhen. Es gilt: Ist der Gebrauchsüberlassungsanspruch durch einvernehmliche oder einseitig wirksame Entwidmung der Ehewohnung oder des Hausratsstückes weggefallen, so steht dem Eigentümer der Vindikationsanspruch zu.
Vgl. §§ 556, 604, 667, 695, 732 S.1. Raiser, FS WoIff, S. 123 (133 ff.); ders., JZ 61, 529; zustimmend: Soergel/ Mühl, Vor § 985 Rz. 6; Baur, SachR, § 11 B 1,2; a. A. die h. M.: vgl. z. B. BGH, MDR 69, 128; Westermann, SachR, § 30 I; Erman/Hefermehl, § 985 Rz. 3; Staudinger/Gursky, § 985 Rz. 16; Diederichsen, S.154 f. 21 NJW 70, 1033. 18
20
Vierter Teil
Varia § 15. Die Ehe als gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis
In einer jüngst veröffentlichten Entscheidung mußte der Bundesgerichtshof darüber befinden, ob eine während ungestörter Ehe erfolgte Übereignung des Hausrates von einem Ehegatten auf den anderen wirksam wart. § 929 schied aus, weil vor und nach der übereignung auch der verfügende Ehemann unmittelbarer Mitbesitzer blieb. Der Senat hielt jedoch den Tatbestand des § 930 für erfüllt, denn die "Ehe sei ein ähnliches Verhältnis i. S. des § 868"2. Dieses Urteil gibt uns die Gelegenheit, das Bild des Ehegattenbesitzes auf der Stufe des mittelbaren Besitzes zu vervollständigen. Der mittelbare Besitz taucht erst an dieser Stelle auf, denn für die Bestimmung des mittelbaren Besitzers ist Kenntnis des Verhältnisses nötig, vermöge dessen auch dieser die Sache beherrscht. Nachdem das Wesen der Gebrauchsüberlassung von Hausrat und Ehewohnung unter Ehegatten geklärt ist, kann nun gefragt werden: Wird der Eigentümer-Ehegatte, der seine Sachen dem Partner zum Mitgebrauch überläßt, deren mittelbarer Besitzer (unten I)? Nur wenn sich diese Frage bejahen läßt, kann weiter untersucht werden, ob die Übereignung von Hausrat in der Ehe nach § 930 zu beurteilen ist (unten II).
I. Wird der Eigentümer, der seiner Gebrauchsüberlassungspflicht genügt, zum mittelbaren Besitzer des überlassenen Hausrates bzw. Wohnraumes? Ausgangspunkt aller Überlegungen ist § 868, der die Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes benennt. Das Reichsgericht spricht von zwei Pfeilern, auf denen er ruht: auf dem unmittelbaren Besitz des Besitzmittlers und einem Besitzmittlungsverhältnis3 • 1. In Fällen ehebedingter Gebrauchsüberlassung wird der Nichteigentümer unmittelbarer Mitbesitzer. Der Eigentümer allerdings bleibt es regelmäßig auch. 1 2
3
BGH, NJW 79, 976 Ebd. RGZ 105, 413 (415).
=
BGHZ 73, 253.
I. Mittelbarer Besitz des Eigentümers
127
Kann der mittelbare zugleich unmittelbarer Besitzer sein? Dies ist wohl denkbar.4 • Zwar läßt sich dagegen einwenden, der mittelbare Besitz sei in dieser Situation entbehrlich. Seine Funktion, auch dem, der keine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit hat, Besitzrechte zu erhalten, wird nämlich bereits durch den verbliebenen unmittelbaren Mitbesitz erfüllt. Aber es ist nichts dem Besitzrecht Fremdes, daß mehrere Besitztatbestände in einer Person zugleich erfüllt sind. Dabei braucht es nicht zu störenden Ungereimtheiten der Rechtsfolge zu kommen5 • Es schadet also nicht, daß auch der zur Überlassung verpflichtete Ehegatte unmittelbarer Besitzer bleibt, wenn jedenfalls der den Besitz mittelnde Ehegatte unmittelbaren Besitz verlangt. 2. Die zweite Voraussetzung ist das Vorliegen eines Besitzmittlungsverhältnisses. Von den in § 868 ausdrücklich benannten Rechtsverhältnissen trifft keines die Gebrauchsüberlassung von Hausrat und Ehewohnung unter Ehegatten. Also ist zu fragen, ob diese sich im Rahmen eines "ähnlichen Verhältnisses" i. S. des § 868 vollzieht. Wir haben gesehen, daß der Eigentümer unterhaltsrechtlich verpflichtet ist, dem Partner den Mitbesitz des Hausrates und der Ehewohnung einzuräumen. Wenn dies geschehen ist, so ist dieser jenem "gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt"6. Die erfüllte Gebrauchsüberlassungspflicht begründet also zwischen den Ehegatten ein durch §§ 1360f, 1353 I, 2 konkretisiertes Rechtsverhältnis i. S. § 868. Damit handelt es sich um ein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis. 3. Daneben wird häufig verlangt, der unmittelbare Besitzer, der Besitzmittler, müsse wissen, daß er für einen anderen besitz (Besitzmittlungswille)'7. Bei Besitzmittlungsverhältnissen, die kraft Gesetzes entstehen, also nicht vom Willen der Beteiligten abhängen, ist der Wille des unmittelbaren Besitzers, für einen anderen zu besitzen, wohl nicht zu verlangens. , VgI. § 1206; auch den Sachverhalt von Seuffert Archiv 62, 57; unklar Soergel/Mühl, § 866 Rz. 4. Vermietet beispielsweise ein Hauseigentümer ein Schlafzimmer und gestattet die gleichberechtigte Mitbenutzung der Küche und des Badezimmers im Vertrag, so sind Eigentümer und Mieter Mitbesitzer der gemeinsam benützten Räume, zugleich ist der Mieter Besitzmittler, der Eigentümer mittelbarer Besitzer. S VgI. Fall bei Baur, SachR, § 7 B IH, 1 b bb am Ende. s § 868. 7 Für vertragliche Konstitute, SoergeIlMühl, § 868 Rz. 6; Baur, SachR, § 7 B III.
B BayObLG, RdL 1953, 274 (276 li. Sp.); Palandt/Bassenge, § 868 Anm. 2 a aa; BGHZ 9, 78; Erman I O. Werner, § 868 Rz.4; a. A. SoergeIlMühl, § 868 Rz.6 m.w.Nachw.
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§ 15: Die Ehe als Besitzmittlungsverhältnis
Beispiel: Ein Ehegatte, der im Haus des Partners wohnt, wird wissen, daß er die Räume nicht als ihm gehörend besitzt. Beim Hausrat liegen die Dinge anders, man denke nur an die Fälle des § 1370! Hier sollte nicht das Bewußtsein des Nichteigentümers, Fremdbesitzer zu sein, darüber entscheiden, ob mittelbarer Besitz vorliegt oder nicht.
4. Konsequenzen: Überläßt ein Ehegatte in Erfüllung seiner Gebrauchsüberlassungspflicht Hausrat oder Wohnraum, so ist er zugleich unmittelbarer Mitbesitzer und mittelbarer Besitzer dieser Sachen. Der mittelbare Besitz des überlassenden Gatten gewinnt an Bedeutung, wenn dieser den unmittelbaren Besitz verliert, sei es durch einen längeren Aufenthalt an einem dritten Ort, sei es durch freiwilliges oder erzwungenes Getrenntleben. Dann erhält der mittelbare Besitz dem Eigentümer die besitzrechtlichen Rechtsfolgen9 , die ihm zuvor schon der unmittelbare Mitbesitz vermittelt hat. II. O'beTeignung von HausTat unteT Ehegatten
Läßt sich der mittelbare Besitz des Eigentümer-Ehegatten auch für die Übereignung VOn Hausrat dienstbar machen? Ausgangsfall: M will der F sein Fernsehgerät übereignen. 1. Wäre der Ehegatte, der über sein Eigentum verfügen will, nur mittelbarer Besitzer, etwa weil der erwerbende Ehegatte die Sache bereits unter Alleinverschluß hält, so könnte jener "kurzer Hand" gern. § 929 S. 2 übereignen. M weilt beruflich für 6 Monate im Ausland, telefonisch einigt er sich mit F, daß sie Eigentümerin des Apparates werden soll. Sie wird es mit dieser Einigung. 2. Eine Kombination von § 929 S. 1 und S. 2 liegt vor, wenn der veräußernde Ehegatte seine Besitzposition aufgibt. M einigt sich mit F über den Eigentumsübergang und läßt es zu, daß sie das Gerät in ihrem Zimmer für sich allein benützt. 3. Aber im Regelfall geschieht weder das eine noch das andere, vielmehr besitzen die Ehegatten einen Hausratsgegenstand vor wie nach der Übereignung als schlichte Mitbesitzer. M und F sind sich einig, daß künftig F Eigentümerin des Fernsehgerätes sein soll und benützen es weiter gemeinsam wie zuvor. a) Der BGH wendet § 930 an; die Übergabe werde dadurch ersetzt, daß "im Rahmen des bestehenden Besitzmittlungsverhältnisses der Ehe"lo zukünftig der Erwerber mittelbarer Besitzer und der Verauße• §§ 869. 900, 927, 937, 985. 10
BGH, NJW 79, 976.
H. übereignung von Hausrat
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rer Besitzmittler sei. Gernhuber entscheidet ebenso, verlangt jedoch zusätzlich eine " (erkennbare) Umkehrung der Besitzerrolle"u. Was darunter zu verstehen ist, bleibt unklar. Strenge Anforderungen an die Erkennbarkeit wird man wohl nicht stellen können, denn in aller Regel ändert sich im Tatsächlichen gerade nichts. b) Baur dagegen will in diesen Fällen die bloße Einigung der Ehegatten ausreichen lassen, § 930 sei "reichlich gezwungen "12. Tatsächlich verlangt auch der BGH kaum mehr als die Einigung, denn das Besitzkonstitut wird von den Ehegatten nach Auffassung des Senats ja nicht vereinbart, sondern besteht kraft Gesetzes. Neben der Einigung des § 929 wird einzig verlangt, daß "die Beteiligten die gesetzliche Rechtsfolge (des gesetzlichen Besitzkonstituts, d. Verf.) im Auge gehabt und übereinstimmend in ihren Willen aufgenommen haben"13, damit gern. § 930 das übergabeerfordernis erfüllt ist. c) Stellungnahme: Seit RGZ 108, 124 ist zu Recht anerkannt, daß auch gesetzliche Besitzkonstitute trotz des Wortlautes des § 930 ausreichen können1 \ denn es ist nicht einzusehen, daß die an einer Übereignung Beteiligten, zwischen denen ein hinreichend konkretes gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis besteht, ein inhaltsgleiches gewillkürtes Konstitut vereinbaren sollen, um § 930 zu genügen. Damit jedoch die Berufung auf § 930 dessen Zweck: (Übergabeersatz) nicht verfehlt, ist dem BGH zuzustimmen, daß die Beteiligten auch das gesetzliche Besitzkonstitut in ihren Willen aufgenommen haben müssen. Das bedeutet, daß ein Ehegatte, der seine Sachen dem Partner bei Fortdauer der gemeinschaftlichen Benützung übereignen will, sich jedenfalls laienhaft darüber Gedanken machen muß, daß er diese künftig für den Partner als fremde Sachen sorgsamer behandeln muß.
Die Ehegatten werden in aller Regel eine hinreichend deutliche Vorstellung von dieser Sachlage haben, denn allein die· Tatsache, daß· sie sich einigen, daß ein Partner Alleineigentümer bei weiterhin gemeinschaftlicher Sachherrschaft werden soll, läßt auf ein aktualisiertes Bewußtsein der Diskrepanz von Eigentums- und Besitzlage schließen. Es ist also möglich, die Übereignung von Hausrat in der ungestörten Ehe nach § 929, 930 zu beurteilen. Es lassen sich jedoch auch Argumente für die Ansicht Baurs finden, der eine schlichte Einigung ausreichen lassen will. Gegen die Anwendung des § 930 spricht nämlich folgendes: Sinn und Zweck: dieser Vorschrift15 ist es, unter gewissen VoraussetFR, § 19 Hr, l. SachR, § 51 V, 4 b. 13 BGH, NJW 79, 977. 14 h. M.: Baur, SachR, § 51 V, 4 a; H. Westermann, SachR, § 40 H, 3; a. A. RGZ 126, 21 (25). 15 Baur, SachR § 51 V, 1: "Vereinfachungsprinzip". 11 12
9 A. Sdlulz
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§ 16: Ersatzansprüche
zungen auch dann eine übereignung wirksam sein zu lassen, wenn auch in Zukunft der Veräußerer, nicht der Erwerber, die tatsächliche Sachherrschaft innehat. So lag noch der Fall der übereignung unter Eheleuten, den das RG zu entscheiden hatte16 • Da heute jedoch allgemein Mitbesitz der Ehegatten am Hausrat anerkannt wird, ist regelmäßig auch der intendierte Erwerber das Eigentum Mitbesitzer; eine Situation, die für die Anwendung des § 930 durchaus untypisch ist. Bei näherem Hinsehen erweist sich, daß die übereignung von Hausrat genau auf der Grenze zwischen § 929 S. 2 (Fremdbesitzer wird Eigenbesitzer) und § 930 (Eigenbesitzer wird Fremdbesitzer) angesiedelt ist. Angesichts dieses Befundes kann wohl auch der Ansicht Baurs zugestimmt werden. Dies bedeutet allerdings, daß eine Ausnahme von dem Grundsatz gemacht werden muß, § 929 S. 2 dann nicht anzuwenden, wenn der Veräußerer auch nach der übereignung (Mit-)Besitzer bleibt. Praktisch liegen beide Ansichten ohnehin eng beieinander, denn wenn eine dingliche Einigung beweisbar ist, so wird es wohl kaum einmal gelingen darzutun, die Beteiligten hätten das gesetzliche Besitzkonstitut nicht hinreichend im Auge gehabt und in den Willen aufgenommen. § 16. Schadens- und Nutzungsersatzansprüche
Diese Untersuchung wäre unvollständig, wenn nicht auch die Frage behandelt würde, ob dem Eigentümer, der in Erfüllung seiner Gebrauchsüberlassungspflicht Wohnraum oder Hausrat zur Verfügung gestellt hat, bei Verschlechterung oder Verlust dieser Sachen ein Ersatzanspruch zusteht. Der Regelfall dürfte die Beschädigung oder Zerstörung einvernehmlich gewidmeten Wohnraumes oder Hausrates bei der bestimmungsgemäßen Benützung sein (unten I). Ausnahmsweise aber kann der Schadensfall auch eintreten, nachdem die Gebrauchsüberlassungspflicht und damit auch das Besitzrecht des Nichteigentümers bereits erloschen sind (unten II).
I. Eigentumsverletzungen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch 1. Die zufällige Verschlechterung oder gar den zufälligen Untergang bereitgestellten Hausrates oder der Ehewohnung muß der Eigentümer selbst tragen. Beispiel: Der Blitz schlägt in das Haus des M ein, dieses und sämtlicher von M bereitgestellter Hausrat verbrennen. 18 RGZ 108, 122. In diesem Fall war nur der verfügende Ehemann unmittelbarer Besitzer, vor und nach der Verfügung; § 1373 a. F. als Besitzkonstitut.
I. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch
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Daß in diesem Fall dem M kein Ausgleich zustehtt, leuchtet ein: Der Blitz wäre eingeschlagen, gleichviel, ob das Haus als Ehewohnung gedient hat oder nicht. Aber gerade beim Hausrat liegt es häufig anders: Die Gefahr, daß eine bewegliche Sache untergeht, die dem Zugriff der ganzen Familie ausgesetzt ist, ist erheblich größer als bei exclusiver Nutzung. Dennoch ist ein Ausgleich nicht vorgesehen und wohl auch kaum praktikabel. Die Hinnahme solcher Verluste wird man mit dem Gedanken der ehelichen Solidarität legitimieren müssen, der auch dem § 1359 zugrundeliegt. Mittelbar werden diese Verluste im gesetzlichen Güterstand bei der Berechnung des Zugewinnausgleiches berücksichtigt (der eigene Zugewinn fällt niedriger aus!), darüber hinaus trägt zusätzlich § 1370 dieser Situation Rechnung. 2. Anders, wenn der Nichteigentümer die Eigentumsverletzung zu vertreten hat: Beispiele: F stellt versehentlich das Bügeleisen nicht ab. Das Haus des M und sämtlicher Hausrat werden Opfer der Flammen. Bei einem Familienfest schleudert der ausgelassene M ein Sektglas gegen die Wand und trifft unbeabsichtigt ein wertvolles Ölbild der F, das erheblich beschädigt wird.
Grundsätzlich bestehen gegen die wechselseitige Haftung der Ehegatten keine Bedenken, die Rechtsgüter eines Verheirateten sind auch gegen widerrechtliche Eingriffe durch den Partner geschützt2 • Daß Ersatzansprüche in der ungestörten Ehe in aller Regel nicht geltend gemacht werden, spricht nicht gegen ihre Existenz, auch wäre § 1359 ohne Sinn, wenn es keine Ersatzansprüche gäbe. Als Anspruchsgrundlagen für einen Schadensersatz bei Beschädigung des Hausrates oder der Ehewohnung kommen das Recht der Sonderbeziehung und das allgemeine Deliktsrecht in Betracht. a) Positive Forderungsverletzung Die Gebrauchsüberlassung der Ehewohnung und des Hausrates gründet im Unterhaltsrecht. Es besteht ein gesetzliches (familienrechtliches) Dauerschuldverhältnis3 • Pflicht des Eigentümers ist es, seinem Partner den vollen Mitbesitz Von einer Versicherung sei einmal abgesehen. Vgl. Gernhuber, FR, § 22 I, 1; Dieckmann, Zur Haftung unter Ehegatten, FS Reinhardt, S. 51 ff.; Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlung, 1971, S.167 ff.; ders., FamRZ 70, 389; vgl. auch RG, JW 17, 656: Klage nicht automatisch Eheverfehlung. 1
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§ 16: Ersatzanspruche
zu ermöglichen und zu belassen. Aber auch diesen treffen Pflichten, die zwar nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet, aber dennoch durch Auslegung erschlossen werden können: Er hat die "mitbenutzten Sachen mit der erforderlichen Sorgfalt zu behandeln und zu bewahren"4. Ob man dies durch eine Annäherung an den Pflichtenkreis eines Verwahrers oder Entleihers" erschließen oder eine eigene familienrechtliche Pflicht dieses Inhalts anerkennen will, macht letztlich kaum einen Unterschied. Wichtig ist nur: Die Gebrauchsüberlassung vollzieht sich im Rahmen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses, aus welchem sich auch für den im wesentlichen begünstigten Nichteigentümer Sorgfaltspflichten ergeben. So spricht nichts dagegen, bei schuldhaften Pflichtverstößen des Nichteigentümers das allgemein anerkannte Institut der positiven Forderungsverletzung6 anzuwenden. Da die sorgfältige Behandlung der zum Mitgebrauch überlassenen Sachen typischerweise zu den aus der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Pflichten rechnet, gilt für den Verschuldensmaßstab § 1359. Außerdem haftet der Nichteigentümer entsprechend §§ 548, 602 nicht für normale Abnützung. b) Daneben ist es dem Eigentümer nicht verwehrt, wegen widerrechtlich schuldhafter Verletzung seines Eigentums durch den Partner von diesem gern. § 823 I Ersatz zu fordern. § 1359 gilt auch im Deliktsrecht, wenn sich die unerlaubte Handlung zugleich als eheliche Pflichtverletzung darstellt, denn die in der Sonderverbindung angeordnete Privilegierung strahlt auf den deliktischen Anspruch aus". Da die Gebrauchsüberlassung von Hausrat und Wohnraum der Realisierung der ehelichen Lebensgemeinschaft dient, ist bei Zerstörung oder Beschädigung § 1359 also auch im Deliktsrecht anzuwenden. c) Aber wie sorglos darf ein Ehegatte mit dem vom Partner gestellten Hausrat bzw. der Ehewohnung umgehen? § 1359 erhebt die eigenübliche Sorgfalt zum MaßstabS. Dabei ist sicher, daß § 1359 bei grober Fahrlässigkeit nicht hilft, § 277. a So begriffen hat der vom LG Wiesbaden, NJW 55, 226, geprägte Begriff vom "eigenen familienrechtlichen Verhältnis" einen Sinn, vgl. auch Dölle, FR I, § 33 I, 3. , BGH, NJW 79, 977 r. Sp. 5 So der BGH, ebd Die Nähe zu den obsoleten "Gebrauchsüberlassungsverträgen nach Art der Leihe" ist offensichtlich; die Pflichten sollten besser im Familienrecht gesucht werden, § 1353 I. a Es ist anerkannt, daß dieses Institut nicht nur auf vertragliche, sondern auch auf gesetzliche Schuldverhältnisse Anwendung flnden kann, vgl. hierzu und allgemein zur .pFV: MünchKomm-Emmerich, Vor § 275 Rz. 184 ff., insbes. Rz. 242, 246; Medicus, BR, Rz. 306 ff.; Fikentscher, SR, § 47. 7 Vgl. Gernhuber, FR, § 22 I.
I. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch
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Bei leichter Fahrlässigkeit aber kann der in Anspruch genommene Ehegatte seine Haftung abwenden, wenn er nachweist, in vergleichbaren eigenen Angelegenheiten nicht sorgfältiger zu handeln. Konkret wäre also der Umgang mit überlassenen Sachen mit der den eigenen entgegengebrachten Sorgfalt zu vergleichen. Nicht zu verkennen ist, daß der allzu Nachlässige bevorzugt ist. Es wird daher vorgeschlagen, § 1359 normativ zu korrigierenD: Nicht wie der Ehepartner tatsächlich mit seinen Sachen verfahre, sondern wie er mit ihnen umgehen könne, sei maßgebend. Das tatsächliche Verhalten sei allerdings Hinweis auf die Fähigkeiten. Diese Auslegung läßt sich mit dem Wortlaut ("anzuwenden pflegen") nicht vereinbaren und entspricht wohl nicht Sinn und Zweck dieser Vorschrift: Man soll den Partner nehmen, wie er ist und wie man ihn kennt; er schuldet nicht die Sorgfalt eines (objektivierten) durchschnittlichen Ehegatten, sondern nur die ihm eigene. Wacke10 schlägt darüber hinaus vor, in Fällen ehebedingter Gebrauchsüberlassung die vom Eigentümer angewandte Sorgfalt zum Maßstab zu erheben. Sonst sei es diesem nicht zuzumuten, seine Sachen aus der Hand zu geben; in allen anderen Fällen sei die eigenübliche Sorgfalt des Schädigers maßgeblich. Für diese Ansicht findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt, sie führt auch zu eigenartigen Ergebnissen: Soll die ungeschickte Hausfrau die Briefmarkensammlung ihres peniblen Mannes sanktionslos zerstören dürfen, nicht aber seinen von beiden Ehegatten benützten Fernsehapparat? Noch einleuchtender wäre sogar die umgekehrte Distinktion: Daß eingebrachter Hausrat zerstört wird, ist unter dem Aspekt "Schicksalsgemeinschaft" leichter zu verwinden als der Verlust ausschließlich zum persönlichen Gebrauch bestimmter Sachen durch die übliche Ungeschicklichkeit des Partners. Also ist auch bei der Beschädigung gebrauchsüberlassener Sachen die übliche Sorgfalt des Schädigers maßgeblich. d) Neben dem privilegierten Haftungsmaßstab wird gelegentlich noch eine in § 1353 begründete Pflicht des geschädigten Ehegatten angenommen, unter gewissen Umständen einen Schadensersatzanspruch nicht geltend zu machenl l • 8 Vgl. Steininger, Die deliktische Haftung zwischen Ehegatten, Diss. Hamburg 1970; Tatzel, Die diligentia quam in suis im ehelichen Verhältnis, Diss., Tübingen 1970, S. 34 ff.; besser: Rother, Haftungsbeschränkungen im Schadensrecht, 1965, S.185 ff.; MünchKomm-Wacke, § 1359; Deutsch Haftungsrecht I, S. 281 f. 8 Vgl. MünchKomm-Wacke, § 1359 Rz. 4; zweifelnd, aber wohl zust. Gernhuber, FR, § 22 I, 2; für die Anwendung "gleitender Fahrlässigkeit" Deutsch, ebd., zust. Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 26 H, 3.2. lG MünchKomm-Wacke, § 1359 Rz.12.
§ 16: Ersatzansprüche
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Die Voraussetzungen dieser Pflicht sind bislang kaum konkretisiert worden, auch läßt sich gegen sie einiges einwenden12, dennoch sollte die Möglichkeit der Korrektur in krassen Einzelfällen13 genutzt werden, denn es muß das - verfassungsrechtlich gebotene! - Bestreben der Gerichte sein, am Auseinanderbrechen einer gefährdeten Ehe nicht noch tätig mitzuwirken. Aber die Geltendmachung eines Ersatzanspruches ist sicher dann nicht ausgeschlossen, wenn hinter dem ersatzpflichtigen Gatten eine Haftpflichtversicherung steht. In diesen Fällen ist die Realisierung des Ersatzanspruches vielmehr für beide Ehegatten von großem Interesse. 3. Zusammenfassung Zufällige Verschlechterungen bereitgestellten Wohnraumes und Hausrats hat der Eigentümer hinzunehmen, einen gewissen Ausgleich schaffen im gesetzlichen Güterstand der Zugewinnausgleich und § 1370. Hat der Nichteigentümer-Ehegatte die Verschlechterung zu vertreten, so haftet dieser dem Eigentümer zugleich wegen positiver Forderungsverletzung und wegen Delikts. Die Haftung ist allerdings in zweierlei Hinsicht eingeschränkt: Zunächst privilegiert § 1359 den Schädiger, überdies ergibt sich aus § 1353 ein Verbot ruinöser, existenzgefährdender Ersatzklagen.
11. Haftung des nichtberechtigten Ehegatten auf Nutzungs- und Schadensersatz Zur Verdeutlichung des Problems: Die Doppelverdienerehegatten leben in einer der F gehörenden Villa. Die Vermögensverhältnisse verschlechtern sich wegen des Ausfalles der Arbeitsfähigkeit eines Ehegatten deutlich. F meint, die einzige Möglichkeit sei, das Obergeschoß zu vermieten; sie reduziert ihren Lebenskreis auf das Erdgeschoß und fordert M auf, das Obergeschoß freizugeben. Dieser meint, es sei an anderer stelle zu sparen. Die Vermietung unterbleibt, außerdem läßt M das Obergeschoß derart verwahrlosen, daß es renoviert werden muß. F hat gegen Meinen Räumungsanspruch gern. § 985, denn das Besitzrecht des M ist durch die einseitige Entwidmung des oberen Teiles der Ehewohnung erloschen. Der Ausfall des Arbeitseinkommens eines Ehegatten ist ein relevanter Umstand, der die einseitige Entwidmung durch die Eigentümerin wirksam sein läßt. - Ist § 985 anwendbar, so sind es 11 RGZ 87, 56; HRR 1938,1162; insbesondere: BGHZ 53, 356; 61,105; MünchKomm-Wacke, § 1353 Rz. 31; Rolland, § 1359 Rz. 6; Palandt/Diederichsen, § 1359 Anm. 1. 12 Ablehnend Jayme, FamRZ 70, 390; kritisch auch Dieckmann, aaO., S. 58~ 13 Richtig: MünchKomm-Wacke, § 1353 Rz. 31: "Verbot ruinöser, existenzgefährdender Ersatzklagen ".
H. Haftung des nichtberechtigten Ehegatten
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auch die §§ 987 ff., denn das Familienrecht bietet für die Rückabwicklung der Gebrauchsüberlassung keine Sonderordnung an14• 1. Nutzungsherausgabe Insbesondere wäre für den Eigentümer, dessen Sachen vom Partner nichtberechtigt benützt werden, ein Anspruch auf Nutzungsherausgabe von Interesse. Weiß der Nichteigentümer, daß er nicht (länger) zum Besitz berechtigt ist, so ist erstens über § 990 I, 2 der Weg zu § 987 frei15 , zweitens erklärt § 990 II zusätzlich Verzugsrecht, insbesondere also § 286 für anwendbar. a) Darüber hinaus wenden die Gerichte in gefestigter Rechtsprechung16 § 988 auch auf den rechtsgrundlos erworbenen Besitz und auch dann an, wenn ein ursprünglich vorhanden gewesener Rechtsgrund weggefallen ist. Die zweite Alternative wäre zugunsten des Eigentümers nach wirksamer Entwidmung (Fall!) anzunehmen, der Partner hätte die Nutzung nach Bereicherungsrecht herauszugeben. b) Im Schrifttum17 wird diese Rechtsprechung wegen kaum zu lösender Ungereimtheiten in dreigliedrigen Verhältnissen abgelehnt und vorgeschlagen, Bereicherungsansprüche mit den §§ 987 ff. konkurrieren zu lassen. Diese vorzugswürdige Ansicht ändert an dem Ergebnis nichts; ist der Rechtsgrund des Mitgebrauchs, die überlassungspflicht, weggefallen, so ist der Nichteigentümer gem. §§ 812 I, 2, 1. Alt., 818 I zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet. e) In der Praxis werden solche Nutzungsherausgabeansprüche nicht häufig realisiert, dennoch können sie nicht für gänzlich ausgeschlossen gelten, denn die Ehe verpflichtet nun einmal nicht dazu, uneingeschränkt die Nutzung eigener Sachen durch den Partner zu dulden. Es 1« Eine stark im Vordringen befindliche Meinung will zwar § 985 neben dem Rückgabeanspruch der Sonderverbindung frei konkurrieren, jedoch die Folgean9prüche hinter den speziellen Vorschriften zurücktreten lassen, vgI. Medicus, BR, Rz.593; StudKomm-Wolf, Vor § 985 Rz. 4 b; eingeschränkt Erman I Hefermehl, Vor § 987 Rz. 6. Diese Ansicht hat viel für sich. Nur weiß man nicht, welche Vorschriften des Eherechts für die Folgeansprüche in Frage kämen; wie hier BGHZ 71, 216. 15 Eine Meinung steht jedoch auf dem Standpunkt, kein Ehegatte könne ein Recht an der Ehewohnung verlieren, vgI. Ambrock, JR 78, 2; so leider auch BGHZ 71, 216 (222 f.), so daß man in der Mehrzahl der Fälle einem beharrenden Ehegatten nachträgliche Bösgläubigkeit 1. S. des § 990 I, 2 nicht wird vorwerfen können, vgI. auch BGHZ 32, 76 (92). 18 RGZ 163, 348; BGHZ 10, 350 (357); BGH, NJW 72, 480; WM 65, 476 (479). 17 SoergellMühl, Vor § 987 Rz.I5-18 m. w. Nachw.; Medicus, BR, Rz. 600; Pinger, Funktion und dogmatische Einordnung des Eigentümre-Besitzer-Verhältnisses, 1973, S. 49 f., 57; MünchKomm-Medicus, § 988 Rz. 9.
136
§ 16: Ersatzansprüche
sind Fälle denkbar, in denen einem Ehegatten, der die Sachen des anderen nichtberechtigt besitzt, die Zahlung einer Nutzungsentschädigung zugemutet werden muß, da sonst das Eigentum gegen übergriffe durch den Partner unerträglich ungeschützt wäre18 • 2. Schadensersatz Ist der Nichteigentümer nicht (mehr) zum Besitz berechtigt, so darf er sicherlich nicht besser stehen als zu Zeiten seiner Besitzberechtigung. a) Dieses Ergebnis läßt sich trotz § 993 I letzter Hs. dadurch erreichen, daß ausnahmsweise § 823 I Anwendung findet, wenn der nichtberechtigte Fremdbesitzer sein vermeintliches Besitzrecht überschreitet19 • Es ist allerdings fraglich, ob dem Ehegatten, der weiß, daß der Eigentümer seine Sachen der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr widmen will, noch das Privileg des § 1359 zugute kommen soll. Auch wenn in solchen Fällen von Bösgläubigkeit i. S. des § 990 I, 2 noch nicht gesprochen werden kann, ist dennoch die Anwendung des § 1359 zu versagen, denn die in dieser Vorschrift vorausgesetzte "Nachsicht,,2Q ist nicht mehr veranlaßt, wenn der Nichteigentümer sich über den erklärten Willen des Eigentümers hinwegsetzt. b) Schließlich ist in krassen Einzelfällen von der Kenntnis der Nichtberechtigung auszugehen, mit der Folge, daß der Nichteigentümer gern. §§ 990 1,2; 989 neben § 823 I haftet. Die Verjährung bestimmt sich dann nach § 195. Eine weitere Steigerung bringen die §§ 990 H, 287; Haftung auch für zufälligen Untergang, sofern die Verzugsvoraussetzungen vorliegen. 3. Zusammenfassung Der Ehegatte, der nichtberechtigt Hausrat oder Wohnraum des Partners besitzt, ist in den Grenzen des § 1353 zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet; für Schäden haftet er als Fremdbesitzer im Exzeß deliktisch, bei Kenntnis von der Nichtberechtigung auch gern. §§ 990 I, 2; 989. 18 Man stelle sich die Situation einer Ehefrau vor, die ein Mietshaus geerbt hat, an der Vermietung jedoch dadurch gehindert wird, daß der Ehemann dieses für seine Hobbies benützt ... 18 "Fremdbesitzerexzeß", vgl. Medicus, BR Rz. 586, 595; Baur, SachR, § 11 BI, 3; SoergeIlMühl, Vor § 987 Rz. 15 f.; h. M. 20 Rolland, § 1359 Rz. 3.
Anhang
Rechtsprechungsühersicht Diese abschließende Rechtsprechungsübersicht versammelt die Judikatur zu dem Problemkreis dieser Arbeit. Dabei werden die chronologisch aufgeführten Entscheidungen danach unterschieden, ob sie den Ehegattenbesitz als solchen (unten I) oder das Recht zum Besitz (unten II) betreffen, weiter danach, ob es sich um die Ehewohnung (jeweils 1.) oder um Hausrat (jeweils 2.) handelt.
I. Ehegattenbesitz 1. Ehewohnung
OLGHamburg RG RG LG Ellwangen BGH OLGKöln OLGHamburg LGMünster
12. 3. 1920 20. 9. 1921 10. 6.1922 15. 6.1953 26. 2. 1954 16. 7.1954 6. 8.1954 9.11.1954
OLGHamm LGMannheim LGTübingen BGH
13. 3. 1956 22. 1. 1962 15. 7. 1964 13. 10. 1971
Seuffert Archiv 75, 307 JW 1922, 93 RGZ 105, 19 NJW 1953, 1227 BGHZ 12, 380 = FamRZ 1954, 198 NJW 1954, 1895 NJW 1954, 1688 FamRZ 1955, 137 Nr. 130 = MDR 1955,104 NJW 1956, 1681 NJW 1962, 815, 1402 JZ 1965, 107 FamRZ 1971, 633
2. Hausrat
RG KG OLGCelle OLGKiel RG RG RG
6. 6. 1899 4. 2. 1901 27. 4. 1905 8.. 2.1907 30. 1. 1911 6.11.1913 20. 9. 1921
OLGDresden OLGHamburg RG KG LG Karlsruhe LG Ansbach LGCeUe
28. 3.1923 5. 5. 1923 13.12.1923 28. 8.1948 1. 7.1954 25. 10. 1954 16. 5. 1955
Seuffert Archiv 55, Nr. 125 OLGZ 2, 220 OLGZ 13,200 OLGZ 15,399 JW 1911, 327 JW 1914,146 Seuffert Archiv 77, Nr. 83 = JW 1922, 93 LZ 1922, 418 LZ 1923, 614 = OLGZ 43, 354 Warneyer Rspr. 1923/24, Nr. 104 JR 1949, 383 FamRZ 1954, 223 NJW 1955, 228 Nds.Rpfl. 1955, 214
138
Anhang: Rechtsprechungsübersicht
KG OLGCelle BGH
23. 9. 1957 20.11. 1970 31. 1. 1979
Rpfl. 1957, 415 FamRZ 1971, 28 NJW 1979, 976
n. Reeilt zum Besitz 1. Ehewohnung
RG OLGMünchen BGH LG Wiesbaden LG Mönchengladbach LGDuisburg BGH BGH OLGBremen AG Wuppertal LG Karlsruhe LGDetmold OLGMünchen OLGMünchen OLG Stuttgart LGMünchen OLGMünchen KG BGH BGH BGH OLGHamburg OLG Stuttgart OLGCelle
3. 1.1934 13. 4. 1938 26. 2.1954 10. 9. 1954 13. 9.1960 14.11.1961 14. 3. 1962 8. 1. 1964 5. 5.1964 30. 7.1964 28. 4. 1966 23.10.1968 4. 12. 1968 20. 12. 1968 28. 5.1969 4. 9.1969 17. 9. 1969 23. 9. 1969 22. 3. 1972 13.10.1976
9. 8. 1979 19.10.1979 29.11.1979
HRR 1934, 1024 HRR 1938, 1162 BGHZ 12,380 NJW 1955, 225 NJW 1961, 878 NJW 1962, 1301 BGHZ 37, 38 = NJW 1962, 1244 NJW 1964, 765 FamRZ 1965, 77 ZMR1965,81 FamRZ 1966, 355 MDR 1969, 576 FamRZ 1969, 93 FamRZ 1969, 92 NJW 1970, 101 FamRZ 1970, 84 FamRZ 1970, 86 FamRZ 1969, 650 FamRZ 1972, 363 BGHZ 67, 217 = FamRZ 1976, 691 = NJW77,43 BGHZ 71, 216 = FamRZ 1978, 496 = NJW 1978, 1529 FamRZ 1980, 249 FamRZ 1980, 49 FamRZ 1980, 242
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7. 4. 1978
2. Hausrat
RG RG RG KG LGKöln OLGCelle LG Berlin BayObLG BGH
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