Status und Polarität im Gotischen, im Lichte des Kymrischen dargestellt 8774920405, 9788774920403

Die Ausführungen der vorliegenden Abhandlung sind im Grunde genommen einzig und allein speziellen Erwägungen über das We

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German Pages 154 [156] Year 1968

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Table of contents :
Einleitung
Die Konstitutionsachse. Die Konstitution der Sprache 11
Kapitel I: Status und Polarität, dargestellt am Beispiel des Kymrischen 19
I. Der neutral enuntiative Status 24
II. Der interrogative Status 28
III. Der responsive Status 30
IV. Der affektive Status 32
V. Der exoptative Status 34
VI. Der subordinierte neutrale Status 38
VII. Der subordinierte interrogative Status 40
VIII. Der subordinierte affektive Status 41
IX. Der subordinierte konditionale Status 42
X. Der subordinierte relative Status 46
Kapitel II: Gotisch 55
Kapitel III: Status und Polarität im Gotischen 62
I. Der neutral enuntiative Status 63
II. Der interrogative Status 87
III. Der responsive Status 95
IV. Der affektive Status 98
V. Der exoptative Status 104
VI. Der subordinierte final-konsekutive Status 109
VII. Der subordinierte affektive Status 111
VIII. Der subordinierte neutrale Status 114
IX. Der subordinierte interrogative Status 122
X. Der subordinierte konditionale Status 124
XI. Der subordinierte konzessive Status 131
XII. Der suppletive Status 134
Schlusserwägungen 138
Bibliographie 143
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Status und Polarität im Gotischen, im Lichte des Kymrischen dargestellt
 8774920405, 9788774920403

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Odense University Studies in Linguistics • Vol. 2

Status und Polarität im Gotischen im Lichte des Kymrischen dargestellt Von

Niels Danielsen

Odense University Press • 1968

Denne afhandling er af det humanistiske fakultet ved Arhus Universitet antaget til oflfentlig at forsvares for den filosofiske doktorgrad Arhus Universitet, den 25. marts 1968 H . F riis Johansen

h. a. dec.

ODENSE U N IV ER S IT ET S F OR L AO ODENSE U N I V E R S I T Y PRESS

1968 . 9

A N DE LSB OGTR YKKE RIET I ODENSE

ERRATA S. 7 Z. 6: einletungsweise lies: einleitungsweise

An m eine E ltern

Vorwort

Die Ausführungen der vorliegenden Abhandlung sind im Grunde genommen einzig und allein speziellen Erwägungen über das Wesen der sprachlichen »Negation« entsprungen. Schon vor Jahren wurde ich mit diesem heiklen Problem konfrontiert, als ich den kühnen Entschluss fasste, eine von der Universität in Kopenhagen gestellte Preisaufgabe über die mittelhochdeutschen Negationen und deren Gebrauch zu beantworten. Der damals einietungsweise entworfene Versuch einer allgemeinen Negationstheorie hatte sich das Ziel gesetzt, ein methodisch erschöpfenes Fundament für die Untersuchung des umfangreichen Stoffes zu schaffen, das die früheren spekulativen und phänomeno­ logischen Darstellungen des betreffenden Themas an Klarheit und Einfachheit über­ treffen sollte. Ich kann mich heute nur noch freuen, das meine frühen, traditionell­ weitschweifigen Betrachtungen nie den Weg in die Druckerei gefunden haben. Bei O tto Jespersen heisst es, gerade wo von verwickelten Manifestationen der Nega­ tion die Rede ist (vgl. Negation in English and Other Languages S. 62): «... on closer inspection we find that in spite of great differences between languages in this respect there are certain underlying principles that hold good for all languages.» Eingehendere Studien haben mich in den letzten Jahren zu der tieferen Erkenntnis geführt, dass eine zweckmässige Behandlung der sprachlichen »Negation« nur möglich ist, wenn man sich diese Feststellung des vielseitigen dänischen Sprachforschers vor Augen hält. Die Aufgabe wird hierdurch nichts weniger als simplifiziert, und die Forschung des letzten Jahrhunderts beweist zur Genüge, dass das Ziel nicht gleich um die Ecke liegt und dass man nicht geradewegs zu diesem Ziel kommen kann. Macht man, trotz der schreckenden Spuren, einen erneuten Versuch, dem Problem auf den Grund zu kommen, scheint die äusserste Konsequenz des Wagestücks eine noch nie vorgenommene, genaue satzsemantische und satzmorphologische Analyse zu sein. Diese Analyse wird zugleich zu einer eindeutigen Einteilung der konstitutionellen Elemente führen können, wie sie in der Einleitung dieses Buches vorgeschlagen wird; umgekehrt lässt sich die betreffende Analyse erst endgültig durchführen, wenn die Zonengrenzen der konstitutionellen Elemente deutlich festgelegt sind, was mich dazu veranlasst hat, in meiner Einleitung die Einteilung der letzteren skizzenhaft anzudeuten. Auf intern-funktionellem Wege scheint sich somit der alte Traum von einem univer­ sellen Inhaltssystem doch realisieren lassen zu können (obwohl die Glossematik diese Möglichkeit ablehnt, vgl. Louis H jelmslev: Omkring sprogteoriens grundlœggelse, S. 68-73). Bei der Vollendung der vorliegenden Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht, allen denjenigen meinen wärmsten Dank auszusprechen, die zur Verwirklichung meines wissenschaftlichen Gesellenstücks beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof., Dr. L. L. H ammerich, der erst als mein Lehrer, später in unzähligen vielseitig anregenden Gesprächen stets bemüht war, mit seiner im Ganzen wirkenden Entelechie das Feuer zu schüren. Auch Herrn Prof., Dr. H enry L ewis t, meinem nie gesehenen Freund in Swansea, bin ich zu einem ganz besonderen - obwohl zu spät kommenden - Dank ver­ pflichtet, weil er mit geduldiger Sorgfalt mein kymrisches Material kontrollierte und mir mit manchen Ratschlägen behilflich war. Herrn Prof., Dr. M agne O ftedal danke ich herzlichst, weil er in bezug auf das Kymrische viele Verbesserungen in meinem ursprüng7

lichen Manuskript vorgeschlagen hat. Herrn V incent P hillips, M. A., bin ich für viele aufklärende Gespräche in Cardiff dankbar, und ich werde ihm nie vergessen, dass er mir einen lehrreichen Aufenthalt unter seinen walisischen Landsleuten ermöglichte, bevor ich den Setzer und den Drucker mit meinem Manuskript frei walten Hess. Es ist mir nicht mehr vergönnt, Herrn Prof., Dr. Louis H jelmslev t zu danken; durch seinen Unterricht wurde ich immer angeregt, das Unmögliche zu wagen, und er war bis zu seinem Tode stets darauf bedacht, meine wissenschaftliche Tätigkeit zu unterstützen. Meinem Freund, Herrn Amanuensis R einhold Schröder kann ich nicht genug danken für die mühevolle Arbeit, die er auf sich genommen hat, als er während meines Klinik­ aufenthaltes die deutsche Korrektur meines Manuskripts übernahm. Ich erachte es als eine angenehme Pflicht, meinen aufrichtigen Dank für seine wertvollen Hinweise und Winke zu äussern. Meiner Frau danke ich dafür, dass sie meine Habilitationsschrift geschrieben hat: mit ihrer nie erlahmenden Geduld war sie hinter der Schreibmaschine meine ständig wir­ kende Gegenpolarität. Zum Schluss möchte ich nicht unterlassen, Herrn Lektor G unnar A ndersen und Herrn Lektor R ainer R eiche meinen herzlichen Dank auszusprechen für wertvolle Anregungen während der zweiten Korrektur und für eine sorgfältige Durchsicht der­ selben. Auch meiner tüchtigen Heilgymnastin, Fräulein B odil T homsen, bin ich des­ wegen zu Dank verpflichtet, weil sie einsatzbereit war, als sie mir unversehends ihre Gaben als Korrekturleserin verriet. Endlich gebührt mein Dank der Druckerei in Odense dafür, dass sie stets verständ­ nisvoll auf alle meine Wünsche in bezug auf die Drucklegung des Buches und auf dessen technische Gestaltung eingegangen ist. Niels Danielsen

Inhaltsverzeichnis

E inleitung

Die Konstitutionsachse. Die Konstitution derSprache...................

11

K apitel I

Status und Polarität, dargestellt am Beispiel desKym rischen......... I. Der neutral enuntiative S ta tu s................................................... II. Der interrogative Status.............................................................. III. Der responsive Status.................................................................. IV. Der affektive S ta tu s .................................................................... V. Der exoptative Status ................................................................ VI. Der subordinierte neutrale S ta tu s............................................... VII. Der subordinierte interrogative S ta tu s ....................................... VIII. Der subordinierte affektive Status............................................... IX. Der subordinierte konditionale Status ....................................... X. Der subordinierte relative Status.................................................

19 24 28 30 32 34 38 40 41 42 46

K apitel II

G o tisc h ..................................................................................................

55

K apitel III

Status und Polarität im G otischen..................................................... I. Der neutral enuntiative S ta tu s................................................... II. Der interrogative Status............................................................... III. Der responsive Status.................................................................. IV. Der affektive S ta tu s ..................................................................... V. Der exoptative Status ................................................................. VI. Der subordinierte final-konsekutive Status................................. VII. Der subordinierte affektive Status............................................... VIII. Der subordinierte neutrale S ta tu s ............................................... IX. Der subordinierte interrogative S ta tu s ....................................... X. Der subordinierte konditionale Status ....................................... XI. Der subordinierte konzessive S ta tu s........................................... 12. Der suppletive S tatu s...................................................................

62 63 87 95 98 104 109 111 114 122 124 131 134

S c h l u sse r w ä g u n g e n ..............................................................................

138

B ibliographie .............................................................................................................

143

Einleitung Die Konstitutionsache. Die Konstitution der Sprache (E ine S kizze )

«La recherche des iois générales, tant morphologiques que phonétiques, doit être désormais Vun des principaux objets de ta linguistique. Mais, de par leur définition тёте, ces lois dépassent les Limites des families de langues; eiles s'appliquent a Vhumanité entière» (Antoine Meidet1),

In sämtlichen bis heute erschienenen Grammatiken und sprachtheoretischen Dar­ stellungen wird den fragenden Pronomina ein zurückgezogenes Leben auferlegt. Und „sonstige Fragewörter“ werden zumeist als kaum der Erwähnung wert eingeschätzt - lassen sie sich ja alle in einem zuverlässigen Handwörterbuch nachschlagen. Für den kleinen Knirps dagegen, der die für seine Eltern bunte Prüfungszeit des Fragealters erreicht hat, wo nichts unerklärt bleiben darf, auch nicht etwa, warum die Kuh da rot ist, ist diese Garnitur von fragenden Elementen nicht weniger als das fundamentale Hilfsmittel, um die ihm noch rätselhaften Erscheinungen der ihn umge­ benden, in die Dimensionen Raum und Zeit eingeriegelten Welt zu erhellen und aus­ zukundschaften; und kraft des hierdurch etablierten, am spriessenden Anfang der geistigen Tätigkeit eines Menschenlebens heftig einsetzenden Wechsels von Frage und Antwort heisst dies zu guter Letzt: die Kunst der Menschensprache erlernen, sich die mannigfaltig-launenhaften Möglichkeiten dieses zartbesaiteten Instruments nach seinem eigenen Bedürfnis aneignen und sie bestenfalls „beherrschen“ : „Quand Гепfant perçoit le monde qui l’entoure et apprend à classer ses sensations, il se rencontre chaque fois avec la connexion immédiate et indissoluble entre ces phénomènes de la réalité que sa conscience reflète par l’intermédiaire des Organes de sens divers et les phonations correspondantes qui représentent la réalité objective de «second ordre»; cela assure le développement normal et successif de son activité intellectuelle“2. Der Prozess hört niemals auf. Auch der Erwachsene fragt, nur ist die Intention seiner Fragestellung oft komplexerer Natur als die des Kindes (iþ þan was niuklahs, swe niuklahs rodida, swe niuklahs froþ, swe niuklahs mitoda; biþe warþ wair, barniskeins aflagida (1. Kor. XIII, 11)). Auch der Greis fragt. Die letzten Worte vor dem Tode kön­ nen durch ein Fragewort eingeleitet sein und der letzte Wunsch nach Definition dem 1 A. Meillet: „Linguistique historique et linguistique générale“, Paris 1921 (1. Bd., S. 13). 2 O. S. Akhmanova: „Le «nom propre» en tant que catégorie linguistique“, Cercetäri de lingvisticä, Mélanges linguistiques offerts à Emil Petrovici par ses amis étrangers à Toccasion de son soixantiéme anniversaire, Anul III (Supliment), Academia Republicii Populäre Romine, Filiala Cluj. Cluj 1958 (S. 16).

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Fragenden unerfüllt bleiben. Ohne Fragewörter keine Definitionen. Ohne Defini­ tionen keine menschliche Sprache, mag sie auch noch so unbeholfen sein. Viggo Brondal unterscheidet in seinen Studien über die sprachlichen Kategorien „Ordklasserne“ 3 zwei Haupttypen von Pronomina: 1) die demonstrativen, 2) die unbestimmten, „obwohl sie oft auch zugleich als fragende und relative fungieren“ . Diese beiden Typen hält Brondal nach der von ihm gegebenen Definition, die genau mit derjenigen von Apollonios Dyskolos gegebenen von den Pronomina (dviiovoptai) als Ausdruck der Substanz (oòaía) übereinstimmt, für die zentralen Klassen von Pronomina (S. 109). Brondal, der sonst nirgends in seinem Buch auf die fragenden Pronomina eingeht, betrachtet also augenscheinlich die pronominal-fragende Funk­ tion als eine Nebenfunktion des von ihm aufgestellten zweiten Typus, der unbestimm­ ten Pronomina. Die Brondalsche Auffassung von den interrogativen Pronomina ist wegen der zusammengedrängten Darstellungsform, die seinen kurzen Abschnitt über die Pronomina kennzeichnet, ziemlich dunkel, zumal die fragenden Pronomina nur ein einziges Mal, und zwar in dem oben erwähnten Zusammenhang, erwähnt werden. Bei Paul Diderichsen4 heisst es, dass die Pronomina Gegenstände bezeichnen, ohne diese zu benennen oder zu beschreiben, indem sie bloss gleichsam eine Art leeren Rahmen aufstellen, der angibt, ob der Gegenstand als bestimmt oder unbestimmt gedacht wird (vgl. auch Brondal S. 110). Die Abgrenzung und die Einteilung derselben werden wegen des abstrakten Charakters ihrer Bedeutung als schwierig und unsicher bezeichnet. Die fragenden Pronomina rechnet Diderichsen zu den unbestimmten (S. 50). Unter den unbestimmten trenne man hvem („wer“), hvad („was“), hvis („wes­ sen“) und hvilken („welcher“) als fragende (interrogative) Pronomina ab, weil sie fragende Haupt- und Nebensätze einleiten können. Die gleichen Wörter können auch Relativsätze, teils attributive, teils unabhängige, einleiten; dies berechtige aber keineswegs dazu, dieselben in „fragende“ und „relative Pronomina“ einzuteilen, was man früher oft getan habe (S. 51). Das Bestreben, die Pronomina einzuteilen und gegeneinander abzugrenzen, hat seit dem griechischen und lateinischen Altertum den Philosophen und Grammatikern viel Kopfzerbrechen verursacht. Der Versuch einer solchen Klassifizierung der prono­ minalen Elemente darf aber nicht aufgegeben werden, um so mehr, als dieselben sozusagen das semantische Gerüst der Sprache bilden. Ein neuerliches Experiment lässt sich unserer Ansicht nach erfolgreich durchführen. Nur muss die ganze Sache aufs neue überlegt und augenscheinlich von einer anderen Seite und mit anderen Mitteln als den bisher benutzten angegriffen werden. Nach den eingangs vorgeführten Erwägungen über die wesentliche Rolle der fragen­ den Elemente möchten wir den interrogativen Pronomina einen viel bedeutsameren Platz nicht nur innerhalb des Pronominalsystems, sondern überhaupt in der seman­ 3 Viggo Brondal: „Ordklasserne44 (avec un résumé en français), Kopenhagen 1928. 4 Paul Diderichsen: „Elementar dansk Grammatik44 (2. teilweise umgearbeitete Ausgabe), Kopenhagen 1957.

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tischen Struktur der Sprache zuerkennen. Und nicht bloss den fragenden Pronomina, sondern dem ganzen Inventar von Fragewörtern als solchen möchten wir diesen im System strategisch vorgeschobenen Posten einräumen. Das Inventar von Interrogativa in einer beliebigen Sprache nennen wir die Konsti­ tutionsachse dieser Sprache. Betrachten wir vergleichsweise die Konstitutionsachse fünf verschiedener indoeuropäischer Sprachzustände (Latein, Gotisch, Polnisch, Frühmittelwalisisch und Kymrisch). Aus der umseitigen Parallelaufstellung von diesen fünf unterschiedlich hervortre­ tenden Konstitutionsachsen geht folgendes hervor: Das Inventar der Konstitutionsachse besteht in jeder Sprache aus einer begrenzten Menge echter, nicht periphrasierter Interrogativa. Das System ist in jeder Sprache verschieden ausgeformt, obwohl gewisse Elemente in allen Sprachen mit fast voraus­ zusagender Konstanz wiederkehren. So ist das Lateinische augenfällig reich an echten Konstitutionsachsenmitgliedern (das lateinische Inventar ist in unserem Schema keineswegs erschöpft, wovon sich ein jeder überzeugen kann, der ein lateinisches Lexikon zu Rate zieht). Demgegenüber ist das kymrische Inventar äusserst arm an echten Mitgliedern, was sich daran zeigt, dass das fragende pa („welcher“), mit irgendeinem Zonennenner („Ding“, „Zeit“, „O rt“, „A rt“, „Menge“ u.s.w.) oder mit irgendeiner Präposition oder anderen ähn­ lichen Indikatoren verbunden, durch die ganze Achse hindurch eine dominierende Funktion aufweist. Das Inventar des Gotischen und des Polnischen ist in unserer Übersicht gänzlich erschöpft, und die beiden Sprachen müssen sich innerhalb mehrerer Zonen mit unechten Achsenmitgliedern (Umschreibungen und „extensiven“ Lehn­ elementen aus anderen Zonen) behelfen, um gegen das Lateinische aufzukommen. Dafür hat das Polnische ein besonderes adjektivisches Element, das dem lateinischen Genitiv cujus entspricht, das Frühmittelwalisische hat teils ein besonderes Element paöiw 5, das dem lateinischen Dativ cui entspricht, teils ein auf ähnliche Weise in der lateinischen Musterachse nicht vorzufindendes Interrogativum pieu = „cujus est“ .6 Für das polnische czyj ( = „wessen“) und das frühmittelwalisische paöiw ( = „wem“) borgen Gotisch und Latein (wie Deutsch) Kasusformen von wer {hwas / quis). Unser System ist - wie aus dem Folgenden hervorgeht - zweidimensional. Die Kasuskate­ gorie lässt sich praktisch als einer dritten Dimension zugehörig anschauen. Die gotischen Formen hwis und hwamma sowie die lateinischen cujus / cui und die pol­ nische Dativform komu sind somit einer anderen Dimension entlehnt und nur als flektierte Oberbauformen zu den anderswo angeführten Nominativformen hwas / quis / kt о zu betrachten. Die Genuskategorie findet dagegen überall, wo sie im System in Frage kommt, im zweidimensionalen System ihren Platz. In unserer schematischen 5 vgl. J. Morris Jones: “A Welsh Grammar (Historical and Comparative)”, Oxford 1913. (S. 293: “ Ml. W. paôiw, pyÔiw ‘to whom?’ . . . its formation is obscure”). 6 Leonard Bloomfield (“ Language”, London 1961, 6. Ausg.): “Interrogative verb-substitutes occur in some languages” (S. 260, 15.9.). (Vgl. unten).

13

Latein

Gotisch

Polnisch

Frühmittelwalisisch

Kymrisch

quis quisnam

hwas hwarjis

kto

pwy / bwy pwy’n, pa un, p’un

pwy pwy’n, pa un, p’un

(cujus) (cujusnam)

(hwis) (hwarjis)

czyj

(pieu . . . y)

(pwy biau . . . / eiddo pwy) (pwy) (im Status constructus)

(cui) (cuinam)

(hwamma) (hwarjamma)

(komu)

paôiw, py$iw

(i bwy)

quid quidnam

hwa (hwarjata ?)

CO

peth / beth pa beth, ba beth

pa beth / beth

quis / qui quisnam / quinam

który hwarjis*) hwarjis + Gen. со za hwas + Gen. Plur.**)

pa, py / ba, by pa un (o) / Plur. pa rei (o)

pa / pa ryw pa un (o), p’un (o) / Plur.pa rai (o)

uter

hwaþar

[który]

[pa un]

[pa un, p’un]

jaki

pa gyfryw

pa fath {pa sut / sut)

(t) qui/quälis hwileiks quandö

hwan

kicdy

pa bryd, pa awr, pa Ôyô

pa bryd, pryd, pa awr, pa ddydd, pa adeg

ubi

hwar

gdzie

pa le, pie / ble

pa le, pie / ble ymhle ( „geschehen“ : sta góxi ( > stóxi)? — „was machst du?“, sta sü? = „was geht?“ o: „was ist los?“). Man bemerke noch ein drittes Element ce (= „was ?“) in der festen Formel ce sbd? ( = „was ist geschehen ?“). Demgegenüber das sonst immer in der Bedeutung „was?“ fungierende ciz, wie zum Beispiel in dem Satzрь jombkdarun ciz? ( = „was gibt’s in der Kanne?“)13. 4) In der khalkha-mongolischen Konstitutionsachse tritt auch ein besonderes ver­ bales Mitglied xaitsi- ( = „wohin gehen?“) a u f12. Die gotischen adverbialen Imperative hiri, hirjats, hirjiþ können demnach als identifikative (demonstrative) Elemente einer entsprechenden Zone aufgefasst werden, deren Feld in der Konstitu­ tionsachse von keinem Einzelelement ausgefüllt ist.14. Wolfgang Krause schreibt zu diesen gotischen adverbialen Imperativen in seinem „Handbuch des Gotischen“ 15 § 239,2 Anm. 1: „Das Pronominaladverb hiri „hierher“ wurde vom Sprachgefühl als 2. Sg. Ipv. aufgefasst und dazu Du. hirjats und PL hirjiþ gebildet.“ Wolfgang Krause hat mit dem Ausdruck Sprachgefühl etwas sehr Wesentliches 9 E. Jacottet: «Grammaire Soubiya», Première partie (Études sur les langues du Haut-Zambèze), Paris 1896 (S. 33, § 54). n> Clement M. Doke: “Text Book of Zulu-Grammar”, 5. Ausg., Cape Town 1954 (§ 134, b). 11 Henri Carbou: « Méthode pratique pour l’étude de l’arabe parlé au Ouaday et a Test du Tchad », Paris 1954 (Nouveau tirage) (S. 30). 12 Nikolaus Poppe: „Khalkha-mongolische Grammatik“, Wiesbaden 1951 (§ 192). 13 T. H. Пахалина: »Ишкашимский язык«, Академия Наук СССР. Moskau 1959 (S. 48-49). 14 Н. С. de Gabelentz et J. Loebe: Ulfilas. Veteris et Novi Testamenti Versionis Gothicae Fragmenta quae supersunt. Voluminis II pars posterior, Grammaticam linguae gothicae continens, Leipzig 1846, S. 154: „Imperative von einem verlorenen Verbum . . . sind hiri (hier du), hirjats (hier ihr beide), hirjiþ (hier ihr)“. Eine so radikale Schlussfolgerung braucht man kaum zu ziehen! 13 Wolfgang Krause: „Handbuch des Gotischen“, 2., verbesserte Auflage. München 1963.

17

getroffen. Wenngleich die Sprachen der Erde strukturell auch noch so verschieden her­ vortreten, so ist das abstrakte „Sprachgefühl“ Gemeingut der Menschheit. Im Anfang war der Mensch, und das Sprachgefühl war bei dem Menschen, und der Mensch sprach die Sprache, die sich mit den unterschiedlichsten phonetischen Mitteln sowohl syntak­ tisch als auch morphologisch verfänglich bunt entfaltet. Die reichen Möglichkeiten der Konstitutionsachse sind von diesem vielbesaiteten Instrument höchst ungleich ausgenützt worden, das potentielle Inventar dieser Achse ist aber a priori dasselbe für einen jeden, der die Sprache des Menschen spricht. Mario Pei drückt das folgendermassen aus16: “ Perhaps mankind’s language runs parallel with mankind itself. The human being manages to live, whether his food is fish, rice, and seaweed or bread, butter, and steak. He achieves trans­ portation, whether by oxcart, camelback, horse, motorcar, or airplane. He trades, whether by barter, wampum, cocoa beans, gold, banknotes, or checks. He communicates with his fellow man, whether by parts of speech, roots, inflected forms, or polysynthetic sentence words. Mechanically, the essential part of man is the human form, which all men hold in common. Linguistically, the essential part of language is the sound-making machinery we call speech. But what gives significance to man is the purposeful breath of life itself. What gives significance to language is meaningful transfer. The means by which human life and activity are sustained are secondary to the purpose of life itself. They may vary and diverge infinitely in manner, but they inevitably converge in their aim. The means by which language achieves its purpose are just as infinite. It is the semantic purpose that never changes and is common to all tongues.”

16 Mario Pei: “The Story of Language”, Revised Edition, London 1965.

18

KAPITEL I

Status und Polarität dargestellt am Beispiel des Kymrischen

Die Theorie der Konstitution auf die Sprache anzuwenden bedeutet, nach den kon­ stitutionellen Elementen zu suchen, sie genau zu fassen und sie in bezug auf ihre Funktion und Aktivität innerhalb des Systems gegeneinander abzugrenzen. Aber dabei kommt man augenscheinlich nicht umhin, eine satzsemantische Analyse zu unternehmen. Diese besteht darin, Aussagen nach ihrem unterschiedlichen Charakter zu klassifizieren, seien sie vom Sinn her positiv oder negativ gemeint. Zum Zwecke dieser Analyse nach Charakter und Sinn sehe ich mich gezwungen, die Termini Status und Polarität einzuführen. Hierbei kann jede dieser Erscheinungen ihre eigenen satzmorphematischen Manifestationen haben*, es kann aber auch, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird, das Zusammenspiel der beiden in bezug auf die auf der Ausdrucksebene hervortretenden Zeichen zu verschiedenerlei Zusammenfällen führen. Hier, wo es darum geht, zu illustrieren, was wir unter den Begriffen Status und Polarität verstehen, ist es, wie stets, wenn sich jemand das Recht herausnimmt, neue Termini einzuführen, angebracht, mit einem erlösenden Beispiel herauszurücken. Oder anders ausgedrückt: es wäre wünschenswert, eingangs die Erscheinung an einem Sprachzustand zu demonstrieren, wo sie besonders deutlich und möglichst unkompli­ ziert hervortritt, um dann später eine gewisse Ordnung in das ziemlich verwickelte gotische System bringen zu können, indem wir dieses im Lichte des klareren Aus­ gangspunkts betrachten. Auf der Suche nach einer solchen zur Illustration geeigneten Sprachform bleibt man unwillkürlich beim Kymrischen stehen. Nirgends innerhalb der indoeuropäischen Sprachfamilie kommt die von uns nachzuweisende Erscheinung so konsequent, so explizite und zugleich deutlich ausgeformt zum Vorschein wie in dieser keltischen Sprache. Auf den folgenden Seiten werden wir auf das Status- und Polaritätssystem, so wie es im modernen Südwalisischen vorliegt, etwas näher eingehen, weil wir uns keine idealere Grundlage unserer weiteren Erwägungen vorstellen können. Gerade das Walisische kann in weitem Ausmasse dazu dienen, neues Licht auf manche Er­ scheinungen im Gotischen zu werfen. Eine systematische Aufstellung, wie sie im vorliegenden Kapitel versucht wird, ist vorher noch nie in Angriff genommen worden, und sie muss naturgemäss auf einer * In solchen Fällen werden wir im folgenden den Ausdruck „Rollenverteilung“ verwenden.

2*

19

Arbeit „im Felde“ beruhen*: als Material für unsere einleitende schematische Behandlung der im Kymrischen auftretenden Erscheinungen, die für unsere weitere Darlegung Relevanz haben, wollen wir um der Verdeutlichung willen zunächst vorwiegend zwölf in immer neuen Erscheinungsformen wiederkehrende Standard­ sätze benutzen. Die Satztypen sind nach dem Prinzip des geringstmöglichen zweckmässigen Aufwandes gewählt, d.h. sie repräsentieren das zulässige Inventar­ mindestmass, um sämtliche Für den Gegenstand unserer Erwägungen einschlägigen syntaktischen, morphologischen und phonetischen Symptome für alle Satztypen erschöpfend veranschaulichen zu können. Bevor wir aber an die Behandlung des zwölfgliedrigen Minimalinventars herangehen, möchten wir ein für unsere Aus­ einandersetzungen als optimal zu betrachtendes Inventar von „positiven“ Haupt­ sätzen aufstellen, aus dem wir dann diejenigen zwölf Typen herausnehmen, die als Vertreter genügen, um sämtliche das Optimalinventar betreffenden Status- und Polari­ tätserscheinungen eindeutig zu illustrieren:

Gruppe /: Sätze mit dem persönlichen Pronomen der dritten Person der Einzahl (ef) oder Mehr­ zahl (jhwy) als Subjekt und finiten Formen des Verbums bod („sein“) als Satzverbal; Beispiel: у mae e f yng Nghaerdydd(„er ist in Cardiff“), bzw. у maent hwy yng Nghaerdydd („sie sind in Cardiff“) (Sätze dieser Art mit den persönlichen Pronomina der ersten oder zweiten Person beider Numeri als Subjekt verhalten sich wie Gruppe IV): 1) 2) 3) 4) 5) 6)

(Präsens:) у mae e f yng Nghaerdydd (Futurum:) bydd e f yng Nghaerdydd (Impf. I:) yr oedd e f yng Nghaerdydd (Impf. II:) byddai e f yng Nghaerdydd (Perf.:) bu e f yng Nghaerdydd (Plusqvpf.:) buasai e f yng Nghaerdydd

(= (= (= (= (= (=

„er „er „er „er „er „er

ist in Cardiff“) wird in Cardiff sein“) war in Cardiff“) pflegte in Cardiff zu sein“) ist in Cardiff gewesen“) war in Cardiff gewesen“)

Gruppe II: Sätze mit bestimmtem Substantiv als Subjekt und finiten Formen des Verbums bod („sein“) als finitem Satzverbal; Beispiel: у mae'r llyfr ar у bwrdd („das Buch liegt (eigtl. ist) auf dem Tisch“) : 7) (Präsens:) у mae’r llyfr ar у bwrdd 8) (Futurum:) bydd llyfr ar у bwrdd

( = „das Buch liegt auf dem Tisch“) ( = „das Buch wird auf dem Tisch liegen“)

Für eine anregende Korrespondenz und für kritische Durchsicht eines umfangreichen Satz­ materials bin ich dem zuverlässigsten Kenner der modernen kymrischen каваребооста Dr. Henry Lewis f (Swansea) sehr verbunden.

20

9) (Impf. I:) yr oeddу llyfr ar у bwrdd ( = „das Buch lag auf dem Tisch“) 10) (Impf. II:) byddaVr llyfr ar у bwrdd ( = „das Buch pflegte auf dem Tisch zu liegen“) 11) (Perf.:) bü*r llyfr ar у bwrdd ( = „das Buch hat auf dem Tisch gelegen“) 12) (Plusqvpf.:) buasaVr llyfr ar у bwrdd ( = „das Buch hatte auf dem Tisch gelegen“) Gruppe I II : Sätze mit unbestimmtem Substantiv als Subjekt und finiten Formen des Verbums bod („sein“) als Satzverbal; Beispiel: ym ae llyfr ar у bwrdd („es liegt (eigtl. ist) ein Buch auf dem Tisch“): 13) (Präsens:) у mae llyfr ar у bwrdd 14) (Futurum:) bydd llyfr ar у bwrdd 15) (Impf. I:) yr oedd llyfr ar у bwrdd 16) (Impf. I I :) byddai llyfr ar у bwrdd 17) (Perf.:)

bu llyfr ar у bwrdd

18) (Plusqvpf.:) buasai llyfr ar у bwrdd

( = „es liegt ein Buch auf dem Tisch“ ) ( = „es wird ein Buch auf dem Tisch liegen“) ( = „ein Buch lag auf dem Tisch“) ( = „es pflegte ein Buch auf dem Tisch zu liegen“) ( = „ein Buch hat auf dem Tisch gelegen“) ( = „ein Buch hatte auf dem Tisch gelegen“)

Gruppe IV: Durch finite Formen des Verbums bod („sein“) periphrasierte Sätze; Beispiel: yrydym пГп mynd Гг dref (eigtl. „wir sind im Gehen zur Stadt“ o: „wir gehen zur Stadt“, „wir sind auf dem Wege zur Stadt“); ganz ähnlich verhalten sich Sätze von diesem Typus mit dem persönlichen Pronomen der ersten und zweiten Person Einzahl oder der zweiten Person Mehrzahl als Subjekt (yr ydw yf Vn mynd Гг drefjyr ydwyt 1Гп mynd Гг dref; yr ydych chwi9n mynd Гг dref). Sätze mit dem persön­ lichen Pronomen der dritten Person der Einzahl oder der Mehrzahl als Subjekt ver­ halten sich wie Gruppe I (y mae e f yn mynd Гг dref; у maent hwy yn mynd Гг dref): 19) 20) 21) 22) 23)

(Präsens:) (Futurum:) (Impf. I :) (Impf. II:) (Perf.:)

yr ydym пГп mynd Гг dref ( = „wir gehen zur Stadt“) byddwn пГп mynd Гг dref ( = „wir werden zur Stadt gehen“) yr oeddem пГп mynd Гг dref ( = „wir waren auf dem Wege zur Stadt“) byddem пГп mynd Гг dref ( = „wir pflegten zur Stadt zu gehen“) buom пГп mynd Гг dref ( = „wir sind auf dem Wege zur Stadt gewesen“) 24) (Plusqvpf.:) buasem пГп mynd Гг dref ( = „wir waren auf dem Wege zur Stadt gewesen“) 21

Gruppe V : Sätze mit dem finiten Satzverbal im Aktiv; als ein für alle drei Personen beider Numeri geltender Prototypus sei hier beispielsweise ein Satz in der dritten Person der Einzahl angeführt: clyw e f у newyddion („er hört die Nachrichten“): 25) (Präsens:) clyw e f у newyddion 26) (Impf.:) clywai e f у newyddion 27) (Aorist:) clywodd e f у newyddion 28) (Plusqvpf.:) clywsai e f у newyddion

( = „er hört die Nachrichten“) ( = „er pflegte die Nachrichten zu hö­ ren“) ( = „er hörte die Nachrichten“) ( = „er hatte die Nachrichten gehört“)

Gruppe VI: Sätze mit dem finiten Satzverbal im Passiv; Beispiel: clywir у rhaglen ganfiloeddо ЪоЫ („das Programm wird von Tausenden von Leuten gehört“): 29) (Präsens:)

clywir у rhaglen gan filoedd о bobl 30) (Impf.:) clywidу rhaglen gan filoedd о bobl 31) (Aorist:) clywydу rhaglen gan filoedd о bobl 32) (Plusqvpf.:) clywsidy rhaglen gan filoedd о bobl

( = „das Programm wird von Tausenden von Leuten gehört“) ( = „das Programm pflegte von Tausenden von Leuten gehört zu werden“) ( = „das Programm wurde von Tausenden von Leuten gehört“) ( = „das Programm war von Tausenden von Leuten gehört worden“)

Gruppe VII: Sätze, in denen ein besonders hervorgehobenes (bzw. betontes) prädikatives Glied den Satz einleitet; als Beispiel für alle Sätze dieser Kategorie mag das erste von folgenden einfachen Gefügen dienen: 33)

llyfr yw hwn swynol yw'r gerddoriaeth hwn yw'r tŷ*

( = „dies ist ein Buch“) ( = „schön ist die Musik“) ( = „dies ist das Haus“)

(In solchen Sätzen ist die Präsensform vom Verbum bod („sein“) yw, wenn das hervorgehobene Prädikativ ein Substantiv, ein Adjektiv oder ein Pronomen ist, in anderen Fällen mae, dem ein relatives Element unmittelbar vorausgeht: ysgrifennu у mae Hywel ута у mae e f gyda ni у mae'r bachgen

( = „Hywel schreibt“) ( = „hier ist er“) (== „bei uns ist der Junge“))

* dialektographisch stark begrenzter Typus (vgl. S. 31: twp yw hi, onide?; S. 50: (nid) cryf yw Ieuart).

22

Von dem oben angeführten 33gliedrigen Optimalmaterial lassen wir folgende zwölf Satztypen als Minimalinventar für unsere Untersuchung gelten: a) (Präsens:) у mae'r llyfr ar у bwrdd

( = „das Buch liegt auf dem Tisch“)

b) (Impf. I:)

( = „das Buch lag auf dem Tisch“)

c)

yr oedd у llyfr ar у bwrdd

(Plusqvpf.:) buasaVr llyfr ar у bwrdd

( = „das Buch hatte auf dem Tisch gelegen“)

d) (Präsens:) у mae llyfr ar у bwrdd

( = „es liegt ein Buch auf dem Tisch“)

e)

(Impf. I:)

{= „ein Buch lag auf dem Tisch“)

f)

(Plusqvpf.:) buasai llyfr ar у bwrdd

yr oedd llyfr ar у bwrdd

( = „ein Buch hatte auf dem Tisch ge­ legen“)

g) (Präsens:) yr ydym nVn mynd Vr dref ( = „wir gehen zur Stadt“) h) (Impf. I:) i)

j)

yr oeddem nVn mynd Vr ( = „wir waren auf dem Wege zur dref Stadt“) (Plusqvpf.:) buasem nVn mynd Vr dref ( = „wir waren auf dem Wege zur Stadl gewesen“)

(Impf.:)

clywai e f у newyddion

k) (Plusqvpf.:) clywsai e f у newyddion

( = „er pflegte die Nachrichten zu hören“) ( = „er hatte die Nachrichten gehört“)

l)

( = „dies ist ein Buch“)

llyfr yw hwn

Von ihnen vertreten die Typen a-c sämtliche Mitglieder der Gruppen I—II, die Typen d -f die Mitglieder von Gruppe III, die Typen g-i alle Mitglieder der Gruppe IV und die Typen j und к sämtliche Mitglieder der Gruppen V und VI auf eine für unsere Darlegung ausreichende Weise. Der Typus 1 gilt, wie schon oben erwähnt, für alle Sätze, die ein betontes, nicht finites Glied enthalten. Nachdem wir das für unsere weitere Beschreibung genügende Material ausgesucht haben, wollen wir uns jetzt an das eigentliche Thema unserer Erwägungen heran­ machen, indem wir die beiden Gegenpolaritäten des in erster Reihe näher zu be­ trachtenden Status konfrontieren:

23

I. DER NEUTRAL ENUNTIAT1VE STATUS P R O P O S IT IV

R E K U S A T IV

a) у b) yr c) r fe

m ae' r llyfr ar у bwrdd oedd у llyfr ar у bwrdd buasai'r llyfr ar у bwrdd* 1 r ■у rnllyfr г ar у bwrdd L. j j I fuasai }

nidy w 'r Uyfr ar у bwrdd nid oeddy llyfr ar у bwrdd . f ., „ „ . . . m , buasai * .4r llyfr ar у bwrdd (fuasai)

d) у e) yr f) fe

mae llyfr ar у bwrdd oedd llyfr ar у bwrdd buasai llyfr ar у bwrdd* 1 .„ , ,, > fuasai llyfr arу bwrdd }

nid nid . m

oes llyfr ar у bwrdd oedd llyfr ar у bwrdd , .„ . , buasai llyfr ar у bwrdd ,„ (fuasai)

g) yr ydym nVn myndi'r dref h) yr oeddem ni'n mynd i'r dref i) buasem ni'n mynd i'r dref* 1 . . - > fe fuasem m n mynd i r dref J

nid ydym ni'n myndVr dref nid oeddem ni'n myndi'r dref . f , _ nt buasem m n mynd i r dref ( f )

j)

. nt chlywai ef у newyddion

clywai ef у newyddion* 1 - . . . ... > fe glywai ef у newyddion J k) clywsai ef у newyddion* Ì , . . ... ? fe glywsai ef у newyddion J

. ff , _ m chlywsai ef у newyddion ’chlywai ef mo'r newyddion 'chlywsai ef mo'r newyddion

l)

llyfr yw hwn

nid llyfr yw hwn

Es handelt sich hier augenscheinlich um Sätze, die als mehr oder weniger subjektive Äusserungen eines sprechenden Individuums aufgefasst werden können, das mit seiner Aussage durchaus keine weitere Intention hat als diejenige, irgendeine Person der Aussenwelt an irgend etwas Auszusprechendem teilnehmen zu lassen, wobei stillschweigend vorausgesetzt wird, dass Hauptsätze dieser Art innerhalb längerer Satzperioden bzw. innerhalb komplexerer Auseinandersetzungen durch parallel­ verbindende, disjunktive, adversative, konklusive, kausale oder konzessive Elemente an andere Sätze angereiht werden können. Unser zwölfgliedriges Material derarti­ ger enuntiativer Sätze tritt teils nicht-verneint (propositiv), teils verneint (rekusativ) hervor. Wir haben die Bezeichnungen positiv und negativ aufgegeben, da sie bereits von den Logikern beschlagnahmt sind und sich schon deswegen kaum eignen, um eine so unlogische und launenhafte Erscheinung wie die Sprache eindeutig und ergiebig zu beschreiben. Die Sprache spielt mit der scharfen logischen Grenze zwischen „positiv“ und „negativ“, und es scheint berechtigt, den beiden logischen, kategorischstrengen Begriffen mit zwei neuen polaren Geminibegriffen die Spitze zu bieten, die als Gerät einer souveränen Beschreibung der kapriziösen und beugsamen Sprache D ie se V arian te vertritt zu g leich je d e en tsp rech en d e S atzstru k tu r, w o ein u n b eto n tes S u b ­ jek t od er P räd ik a tiv direk t v o r dem S atzverb al steht.

24

dienen mögen. Mit der Einführung der Begriffe „propositiv“ und „rekusativ“, deren Verwendung ausschliesslich der Tatsache zuzuschreiben ist, dass wir keine besseren haben herausgeheimnissen können - „denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein“ (Mephisto) -, sollten wir jetzt imstande sein, uns über das seit unvordenklichen Zeiten bestehende, unglückliche logisch-sprachliche Durch­ einander hinwegzusetzen, das durch den philosophisch-linguistisch kontroversen Ge­ brauch der beiden Bezeichnungen „positiv“ und „negativ“ verursacht worden ist. Selbst die Sprachpsychologen vom Anfang unseres Jahrhunderts waren auf das Miss­ verhältnis aufmerksam17. Laut Ferdinand de Saussure sollte die Sprache ebenso gute, um nicht zu sagen bessere Möglichkeiten haben als die Philosophie, das vor­ liegende Problem eindeutig zu lösen: „Psychologiquement, abstraction faite de son expression par les mots, notre pensée n’est qu’une masse amorphe et indistincte. Philosophes et linguistes se sont toujours accordés a reconnaître que, sans le secours des signes, nous serions incapables de distinguer deux idées d’une façon claire et constante. Prise en elle-même, la pensée est comme une nébuleuse où rien n’est nécessairement délimité. II n’y a pas d’idées préétablies, et rien n’est distinct avant l’apparition de la langue“ 18. - Nun muss man, wie es scheint, mit dem klar und kon­ stant vorliegenden Arbeitsmaterial der Sprache selbst - frei von allen philosophischen Überlegungen - ans Werk gehen und letzten Endes dadurch eine Atmosphäre schaffen, wo Linguisten und Philosophen endlich so weit kommen, dass sie miteinander sprechen können. Wie aus dem oben aufgestellten Material hervorgeht, ist die propositive Polarisa­ tion des neutralen Status durch eins von zwei Polarisationszeichen charakterisiert, denen auf der rekusativen Polaritätsseite entsprechende rekusative Polarisations­ zeichen gegenüberstehen. Nur der Typus 1 weicht hiervon ab, weil er unter keinen Umständen mit einem spezifisch propositiven Polarisationszeichen versehen werden kann. Sonst ist die propositive Polarisation in den Typen a, b, d, e, g, h durch das Zeichen yr (vor mae / maent y) angegeben*, die übrigen Typen lassen sich durch das die weiche Mutation hervorrufende Element fe propositiv kennzeichnen (im Nordwalisischen kommt die entsprechende fakultative Propositivierung durch das Element mi zustande). Die rekusative Polarisation ist in allen Typen durch das Element nid bezeichnet, das vor Konsonanten die Form ni hat und die gemischte Mutation hervorruft. Nur das anlautende b- in den Formen von bod („sein“) entzieht sich (obwohl nicht konse­ quent) dieser Mutation. Die Typen j und к weisen zwei Varianten auf, wo das ni wegfällt, die dadurch verursachte Mutation aber aufrechterhalten wird und das 17 Vgl. Jac. van Ginneken: «Principes de linguistique psychologique», Paris 1907 (S. 199: «La négation dans la langue naturelle n’est pas la négation logique, mais l’expression du sentiment de la résistance» (§ 227». 18 Ferdinand de Saussure: «Cours de linguistique générale», 5. Ausg., Paris 1962 (S. 155). * у schwindet in der modernen Sprache oft vor mae und maent. Das propositive Statuszeichen yr schwindet überall, wo das Subjekt oder das Prädikativ vor dem Satzverbal steht.

25

Element то ( < 'ddim o \ vgl. frz. ‘pas (de)\ mhd. ‘niht') den Zweck verfolgt, den rekusativen Charakter der beiden Satztypen hervorzuheben.* Der Typus 1 unterscheidet sich von den anderen Typen teils dadurch, dass er mit keinem expliziten propositiven Polarisationszeichen versehen ist, teils dadurch, dass auf der rekusativen Seite immer (auch vor Konsonanten) das rekusative Polarisations­ zeichen nid auftritt, welches keinerlei Mutation hervorruft. Hiermit ist aber die Beschreibung des Verhältnisses zwischen den beiden neutralen Gegenpolaritäten keineswegs erschöpft: dem in den Typen a und d auf der propositiven Seite auftretenden Satzverbal mae entsprechen auf der rekusativen Seite yw ( ydyw) beziehungsweise oes. Konjunktivische Sätze treten in dem neutral enuntiativen Status nur vereinzelt deutlich konjunktivisch auf. Beim grössten walisischen Grammatiker J. Morris-Jones heisst es (“Elementary Welsh Grammar” 19, S. 131, § 307,2): “Some recent writers wrongly use the short forms as ind., thus gwell fa i hynny instead of gwell fyddai hynny ‘that would be better’”, nachdem er auf S. 129 behauptet hat, als Konjunktivformen gelten neben den Kurzformen von bod auch die langstämmigen Formen: “Also with the stem bydd- throughout, thus, pres, byddwyf byddych, byddo, etc.; and impf. byddwn, etc., like the second impf, ind.” Hier ist also offenbar von einem Widerspruch beziehungsweise von einem lässlichen Schnitzer die Rede. Wenn “some recent writers ‘wrongly’ use the short forms” des Konjunktivs für den „Indikativ“, hat dies zweifels­ ohne seinen natürlichen Grund: die auf S. 129 als konjunktivisch anerkannten und auf S. 131 als konjunktivisch demnach fälschlich verworfenen Langformen werden automatisch in solchen Konstruktionen, wo das Bedürfnis einer explizite konjunk­ tivischen Ausdrucksweise empfunden wird, mit den entsprechenden deutlich konjunk­ tivischen Kurzformen ausgetauscht, indem der in der Regel bei fast sämtlichen Verba vorliegende Synkretismus Impf. Ind./Impf. Konj. in diesem Fall, wo eine Wahlmög­ lichkeit besteht, umgangen wird. Wie dem auch sei: wir müssen feststellen, dass der Satztyp gwell fa i hynny - ob „fälschlich“ verwendet oder nicht - tatsächlich (und naturgemäss) vorliegt. Er ist wegen des nach vorn geschobenen nicht-finiten Elements mit dem Typus 1 zu vergleichen. Ein besonderer konjunktivischer Satztyp liegt in einer ànò koivou („Wortökonomie“)-Konstruktion wie gorau po gyntaf20 ( = „je früher, je besser“) vor. Da das finite Verbal nicht satzeinleitend ist, lässt sich der Satz nicht durch fe propositivieren. Eine solche Propositivierung ist übrigens auch überflüssig, da der Satz nur propositiv denkbar ist. * Oft wird das rekusative Polarisationszeichen ni(d) durch das Element ddim (in den Typen d-f nach den finiten Formen oes> oedd, bydd / fydd durch das unmutierte Dissimilationsergebnis dim) erweitert (vgl. frz. ‘ne . . . pas'). In der gesprochenen Sprache zeigt sich dabei eine Ten­ denz, das erstere Element ni(d) abgehaspelt auszusprechen oder gänzlich wegzulassen. In der geschriebenen Sprache wird in der Regel blosses ni(d) verwendet. 19 J. Morris-Jones: “An Elementary Welsh Grammar”, 6. Ausgabe, Oxford 1953. 20 Vgl. Myrddin Jenkins: “A Welsh Tutor” (University of Wales Press), Cardiff 1962 (S. 139).

26

Hiernach können wir sogleich ein für allemal feststellen, dass die Modi Indikativ und Konjunktiv (‘subjunctive’) nicht statusetablierend sind. Diese Modi treten mit der sie kennzeichnenden, ihrem entschiedenen Charakter eines inneren sprachlichen Ausdrucksmittels für logische Kompatibilität oder Nicht-Kompatibilität entspringen­ den, ausgesprochenen Kontext- bzw. Situationsbestimmtheit in allen Sprachen, wo sie nebeneinander Vorkommen, in den verschiedensten Satztypen auf21a und zersprengen infolge dieser sublimen, gegenseitig sich komplettierenden Funktion alle Status-und Satztypgrenzen. Hierbei hat sich in manchen Sprachen eine überhandnehmende Gesetzmässigkeit bei der Verwendung der beiden herausgebildet, in anderen Sprachzuständen kann man einen sich mehr oder weniger frei entfaltenden ,,dem Schmucke der Rede dienenden Wechsel” beobachten (vgl. K. Tomanetz21b zum spätmittel­ hochdeutschen Modusgebrauch in der Sprache der galanten Dichtung sowie Antonín Beer210 zum Modusgebrauch in der gotischen Bibelübersetzung)*.2 21a „Der modus gibt nicht das übereinstimmen oder nicht-übereinstimmen des satzinhaltes mit irgend etwas ausserhalb des textes (wie etwa empirischen oder psychologischen Sachverhalten) an; aber er gibt (u.a.) das (logische) übereinstimmen oder nicht-übereinstimmen mit anderen Sätzen des textes an“ (s. Gunnar Bech: „ Zur syntax des tschechischen konjunktivs mit einem anhang über den russischen konjunktiv“, Travaux du Cercle linguistique de Copenhague, Vol. VII, Kopenhagen 1951 (S. 87 § 32: Zur logik der modi)). Diese Schlussfolgerung in bezug auf die Logik der Modi muss vor der eisernen Stringenz einer duchgeführt strukturalistischen Betrachtung als die einzig annehmbare gelten. (Vgl. im übrigen Louis Hjelmslev: „Omkring sprogteoriens grundlæggelse“, Kopenhagen 1943 (S. 6ff.); Louis Hjelmslev: „Sproget“, Kopenhagen 1963 (S. 7-11)). 2tb K. Tomanetz (in seiner Rezension von O. Erdmanns „Grundzüge der deutschen Syntax nach ihrer geschichtlichen Entwicklung“, Stuttgart 1886) in Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien, 39. Jahrgang, Wien 1888 (S. 74:) „Ferner wäre beim speciell mhd. Moduswechsel auch daran zu denken, dass die höfische Ausdrucksweise es natürlich auf Eleganz abgesehen hatte und darum Wechsel in der Ausdrucksweise begünstigte . . . ein solcher beabsichtigter, nur dem Schmucke der Rede dienender Wechsel der Modi konnte im Mhd. um so leichter eintreten, als schon im Mittelalter die Grenze zwischen Conjunctiv und Indicativ vielfach sehr stark verwischt war und nicht allein Conjunctiv eintreten konnte, wo sonst gewöhnlich Indicativ bei bloss gedachtem Gedankeninhalt gesetzt werden konnte.“ 2ic Antonín Beer: „Príspévek к dëjinám otázky о vlivu vëty hlavní na zpúsob véty vedlejSí v jazycích germánských. I. V jazyce gotském“, Véstník íeské Akademie Cfsare FrantiSka Josefa pro védy, slovesnost a umëní (Roðník XIX (1910)), Prag 1910. Beer skizziert in seinem Artikel den die Jahrhundertwende kennzeichnenden lebhaften Meinungsaustausch über den Modus­ gebrauch, lobt hierbei (S. 52) die Tomanetzschen Feststellungen und schliesst sich in bezug auf das Gotische Mourek und Delbrück an, die dem von der griechischen Vorlage völlig unabhängigen Modusgebrauch der Wulfilanischen Bibelübersetzung das Wort geredet hatten (Vgl. V. E. Mourek: „Syntaxis sloíených vêt v gotStinè“, Prag 1893 (S. 96); B. Delbrück: „Der germanische optativ im Satzgefüge“, Paul und Braunes Beiträge, XXIX. Band, Halle a. S. 1904 (S. 262 Fussnote)). * Nebenher haben sich in der Einkleidung des neutral enuntiativen Status in den verschiedenen ieur. Sprachen (sowie in nicht-ieur. Sprachen) unterschiedlich verwirklichte modale Ausdrücke realisiert: (y mae’n) rhaid i ti fynd : du musst gehen : тебе надо уйти : oportet te abire u.s.w. (SUBSTANTIV)

(VERBAL)

(ADVERB)

ты должен уйти (ADJEKTIV)

(UNPERS. VERBAL)

27

Im folgenden werden wir vorwiegend an Hand unseres zwölfgliedrigen Minimal­ materials die übrigen Statusformen betrachten, mit denen wir unseres Erachtens in der modernen südwalisischen Schriftsprache rechnen müssen: II. DER INTERROGATIVE STATUS PROPOSITIV a) a b) a c) a

REKUSATIV

y w 'r lly fr a r у b w rd d ?

o n id y w 'r lly fr a r у b w rd d ?

o e d d у Uyfr ar у b w rd d ?

onid

o e d d у Uyfr a r у b w rd d ?

oni

bu a sa i

fu a s a i

>

lly fr a r у b w rd d ?

>

lly fr ar у b w rd d ?

(fu a s a i )

d) a e) a f) a

o es lly fr a r у b w rd d ? o e d d lly fr a r у b w rd d ? fu a s a i lly fr a r

у

b w rd d ?

onid onid oni

o es lly fr a r у b w rd d ? o e d d lly fr a r у b w rd d ? bu a sa i lly fr a r у b w rd d ?

(f u a s a i )

g) a h) a i) a

y d y m nVn m y n d i'r d r e f? o ed d em fu a s e m

пГп m yn d Гг d r e f? п’Гп m yn d Гг d r e f?

j) л g ly w a i e f у n e w y d d io n ? k)

a

g ly w s a i e f у n ew yddion

l) ai lly fr y w hwn ?

?

onid onid oni

y d y m nVn m y n d V r d r e f? o ed d em nVn m yn d bu asem пГп m yn d (fu a sem )

Гг d re f? Гг d re f?

oni oni

ch lyw sa i e f у n ew yddion

onid

lly fr y w hwn ?

ch lyw a i e f у n ew yd d io n ?

?

Der interrogative Status hat auf der propositiven Seite als Polarisationszeichen das die weiche Mutation hervorrufende Element a (in den Typen a-к) bzw. ai (im Typus 1). Auf der rekusativen Seite ist das entsprechende Polarisationszeichen onid / oni (letzteres vor Konsonanten, die dann, falls sie mutationsfähig sind, die weiche M uta­ tion erfahren - mit Ausnahme des anlautenden b- der finiten Formen des Verbums bod („sein“), wo die Mutation nicht konsequent eintritt) bzw. onid (im Typus 1), das sowohl vor Vokalen wie vor Konsonanten auftritt, ohne irgendwelche Mutation zu verursachen. Im Gegensatz zum neutralen Status weisen die Typen a und d auf den beiden Polaritätsseiten dasselbe Satzverbal auf (yw bzw. oes). Ausserdem ist dieser Status in der geschriebenen Sprache durch ein Fragezeichen, in der gesprochenen Sprache durch Frageton gekennzeichnet22. 22 Zur Frageintonation überhaupt vgl. Eduard Hermann: „Probleme der Frage“ (I— II), Aus den Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, Göttingen 1942 (zum Kymrischen I. Teil S. 215,25 b). In mehreren Sprachen ist Frageton das einzige Kennzeichen des interrogativen Status. So verweist Eduard Hermann (S. 216) beispiels­ weise auf Thumb: „Handbuch der neugrichischen Volkssprache 2“, 1910, wo es S. 171 heisst: „Die Entscheidungsfrage wird nur durch den Ton gekennzeichnet und bedarf keines besonderen Fragewortes, nicht einmal einer besonderen Wortstellung, doch kann das Satzglied, nach dessen Existenz gefragt wird, also meist das Prädikat, an die Spitze treten; z.B. fjpÖe ó ç

28

Wenn ein spezifisches Fragewort den Satz einleitet, gibt es zwei Möglichkeiten: 1) Entweder ist nicht mehr von einem Status, sondern nur von Polarität die Rede (dies ist beispielsweise immer der Fall in gewissen Prädikativsätzen, wo das Subjekt ein bestimmtes Substantiv, ein bestimmtes Adjektiv oder ein Pronomen ist, vgl. S. 51 Punkt 2): das Fragewort allein impliziert die Frage, der Satz ist konstitutionell und wird mit keinerlei interrogativen Status-Polarisationszeichen versehen (Beispiel: pwy ydynt hwy? ( = „wer sind sie?“), beth yw hwn? ( = „was ist dies?“); 2) oder aber unmittelbar nach dem Fragewort tritt in weitem Ausmasse eine relative Konstruktion ein (vgl. den untergeordneten relativen Status S. 51 Punkt 2):pwy a gyneuoddу tân? ( = „wer hat das Feuer angezündet?“), beth sydd yn у sosban? ( = „was ist in der Sossenschüssel ?“), pam (yr) ydym nVn mynd Vr dref? ( = „warum sind wir auf dem Wege zur Stadt?“), ble (y) mae'r llyfr? ( = „wo ist das Buch?“), pa brydу mae'r trên yn mynd i Aberystwyth? ( = „wann fährt der Zug nach Aberystwyth?“), sut у bu hi arno e f yn Llundain ? ( = „wie hat er sich in London zurechtgefunden ?“). Vgl. Myrddin Jenkins: “A Welsh Tutor”, S. 156-177 sowie John T. Bowen & T. J. Rhys Jones23 und “Dysgu Cymraeg”24.

crou; oder ó (,fe fuasem ni n mynd i г dref) }

o ed d em b u asem

na

bu asem {fu a sem )

(,ni buasem ni’n mynd i г dref) J (fuasem)

j) elywai

(»elywai ef у newyddion) 1 ? (,feglywaiefy newyddion) J k) clywsai (»clywsai ef у newyddion) Ì ,. / > (,fe glywsai ef у newyddion) J

ff .y r ... 4 na chlywai (,m chlywai ef у newyddion) J J J .. . , . ,, . r ... 4 na chlywsai (,ni chlywsai ef у newyddion)

l) ie (,llyfr yw hwn)

nage (,nid llyfr yw hwn)

Der responsive Status umfasst solche unvollständigen Sätze, die eine Frage vorausset­ zen, auf die sie als defektiv realisierte Antworten zu betrachten sind, die mit der diese Sätze prägenden Wortökonomie Bejahung oder Verneinung durch ein Mindestmass an syntaktischem Aufwand ausdrücken, um der eben gestellten Frage als vollgültige Erwiderung Genüge zu tun. Sämtliche Elemente unseres unter Punkt III aufgestellten Materials, die vor den Klammern stehen, vertreten solche Satztypen, die alle als Ant­ worten auf die unter Punkt II (dem interrogativen Status) angeführten Fragen anzu­ sehen sind. Als satzvertretendes Erwiderungswort gilt für den Typus 1 auf der propositiven Seite ie ( = „ja“), auf der rekusativen Seite nage (— „nein“). Entsprechende satzvertretende Erwiderungsworte sind sonst nur als Antworten auf Fragen im Perfektum oder Aorist möglich, wo sie dann als do ( = „ja“) und naddo ( = „nein“) hervortreten. Also: a fuom nVn mynd Vr dref? do, buom nVn mynd Vr dref bzw. naddo, ni buom nVn mynd Vr dref j a glywodd e f у newyddion? do, elywodd e f у newyddion; naddo, na chlywodd e f у newyddion. Sonst kommt der responsive Status dadurch zustande, dass das Satzverbal der gestellten Frage wiederholt wird (in den Typen a und g immer in der unverkürzten Form), propositiv ohne explizites Polarisationszeichen, rekusativ mit dem Polarisa­ tionszeichen пае / na (letzteres vor Konsonanten, wo es die gemischte Mutation her­ vorruft - dies gilt hier wieder nicht ausnahmslos für das anlautende b- der finiten 30

Formen von bod). Oft folgt spontan nach dem unvollständigen rekusativen Status ein den Gedankengang wieder aufgreifender Satz im neutralen Status. Als eine sehr häufig vorkommende responsive Statusmöglichkeit gelten noch die finiten Formen des Verbum vicarium gwneud ( = „tun“), die in den Typen j und к statt des wiederholten Satzverbals eintreten können: a gymeri di Ann Morris yn wraig i ti? gwnaf (eigtl. „nimmst du Ann Morris zur Ehe? Ja, das tue ich“ o: „willst du Ann Morris zur Ehe nehmen? Ja, das will ich“). Demgegenüber die entsprechende, vor dem Altar kaum zu erwartende rekusative Antwort: na wnaf („nein, das tue ich nicht“, о: „nein, das will ich nicht“), wo na vor dem hierdurch anlautend gewordenen Vokal aufrechterhalten wird. (Der responsive Status gilt natürlich im Kymrischen wie in anderen Sprachen sub­ sidiär auch als „Responsum“ auf eine gerade im neutralen Status ausgedrückte Äusserung, wenn er einen eben entworfenen Gedankengang entgegenkommend bzw. nicht-entgegenkommend wieder aufgreift.) Die unter diesem Status auf der propositiven Seite angeführten Sätze gelten als im eigentlichen Sinne affirmativ, diejenigen auf der rekusativen Seite als infirmativ. Dem defektiven Satzmaterial des responsiven Status entsprechen streng genommen ähnliche Elemente im interrogativen Status (vgl. deutsch „nicht wahr?“, engl, “isn’t it ?”, “hasn’t he ?”, “doesn’t she ?” u.s.w., frz. «n’est-ce pas ? »), die einen im neutralen Status ausgedrückten Gedankengang fragend wieder aufgreifen: Sätze im Perfektum oder Aorist: ni bu eich tad yma ddoe, ai do ? ( = „euer Vater war gestern nicht hier, ob ja? (o: (oder) war er?)“) (wo eine infirmative Antwort erwartet wird) bu eich tad yma ddoe, onido ( < onid do) ? ( = „euer Vater war gestern hier, ob nicht ja? (o: nicht wahr?)“) (wo eine affirmative Antwort erwartet wird) Im übrigen gelten folgende defektive interrogative Statuselemente (opus cit. 20, S. 154-156): I) Es wird eine affirmative Antwort erwartet: dyna'r bont9 onid e? ( = „das ist die Brücke, nicht wahr?“) twp yw hi9 onide? ( = „sie ist dumm, nicht wahr?“) brawd eich mam oedd William Rowlands iefe ? ( = „der Bruder eurer Mutter war William Rowlands, nicht wahr?“) eich cefnder chwi a fu farw ddoe ynte ? ( = „es war euer Vetter, der gestern gestorben ist, nicht wahr?“) (wo in allen Fällen eine affirmative Antwort erwartet wird) 31

2) Nach einem Satz in der rekusativen Polarisation des neutralen Status wird eine infirmative, nach einem Satz in der propositiven Polarisation des neutralen Status eine affirmative Antwort vorausgesehen: nid dyna'r tŷ, ai e? ( = „das ist nicht das Haus, (oder) ist es?“) pedair milltir sydd Гг dref aie ? ( = „vier Meilen sind es zur Stadt, nicht wahr?“) Wenn wir jetzt zur Behandlung des affektiven und des exoptativen Status übergehen, liegt es in der Natur der Sache, dass sich eine Beschreibung an Hand unseres zwölfgliedrigen Minimalmaterials nicht durchführen lässt. Wir werden es uns deshalb erlauben, diese beiden Statusformen mit einem für die Untersuchung adäquaten und zweckmässigen Material zu behandeln. IV. DER AFFEKTIVE STATUS Die auf grauem Hintergrund gedruckten Formen von clywed (= engl. “to hear”) sind überall durch entsprechende Formen vom Verbum gwrando -f die Präp. ar (= engl, “ to listen to”) zu ersetzen, da das Zeitwort clywed wegen seiner semantischen Prägnanz kaum in der Form eines negativen Imperativs auftreten kann.

Dieser vierte Status ist durch drei Charakteristika gekennzeichnet: 1) durch das Fehlen eines expliziten propositiven Polarisationszeichens, 2) durch das situationsbestimmte Auslassen des Subjekts in der 2. Person beider Numeri, ein Usus, der sich auch auf 32

die 3. Person der Mehrzahl und die unpersönliche Passivform ausgebreitet hat, 3) durch einen statusetablierenden Modus (Einen Modus wollen wir nur als status­ etablierend betrachten, insofern sein Gebrauch auf einen - und nur einen - bestimm­ ten Status als spezifisches Kennzeichen begrenzt ist). (Vgl. wieder das Eskimoische, wo der spezifisch fragende Modus als einziges Kennzeichen des interrogativen Status gilt). Die rekusativen Mitglieder unseres imperativen Materials haben wir in Klammern angebracht, da sie in der modernen Sprache nur noch höchst selten verwandt werden. Sie gelten in weitem Ausmasse als altmodisch und zur biblischen Sprache gehörig (na ladd ( = ,,du sollst nicht töten“), na wna odineb ( = ,,du sollst nicht ehebrechen“), na ladrata ( = ,,du sollst nicht stehlen“) u.s.w.). Das rekusative Polarisationszeichen ist in solchen Sätzen пае / na (letzteres vor Konsonanten, wo es bei denjenigen, die mutationsfähig sind, die gemischte Mutation hervorruft). In der modernen Sprache wird der in allen kymrischen Grammatiken als „negativ“ bezeichnete Imperativ propositiv ausgedrückt. Dies geschieht durch die Verbindung der propositiven Imperativformen des Verbums peidio (eigtl. = engl, “to cease”, “to stop” ; “to forbear”) mit der Präposition ag / â (eigtl. = „mit“), deren kurze Variante â die spirantische Mutation hervorruft (p, t, c > ph, th, ch), und dem Verbal­ nomen desjenigen Verbalbegriffs, auf dessen Unterlassung die ganze imperativische Konstruktion zielt. Der affektive Status ist wie der exoptative eine volitive Statusform. Die oben vorge­ führten imperativischen Satztypen unterscheiden sich von exoptativen Sätzen (vgl. unten) dadurch, dass sie ein auf der propositiven Seite provokatives, auf der rekusa­ tiven Seite prohibitives Desideratum + Adresse ausdrücken. Mit den imperativischen Sätzen sind, wie von Louis Hjelmslev in seinen Vorlesun­ gen über das Kasussystem im Lateinischen hervorgehoben wurde, die Vokative „irgendwie“ verwandt (Louis Hjelmslev hat von diesem Gesichtspunkt aus den Vokativ nicht für einen Kasus gehalten). Es heisst in seinem «La catégorie des cas» (I)25 S. 4: «Nouvel indice d’un manque de délimination rigoureuse, DENYS DE THRACE se permet l’innovation choquante qui consiste à enrichir Teffectif casuel par le vocatif. Bien qu’il ait été suivi a cet égard par la tradition européenne des derniers deux mille ans, on attend toujours la démonstration qui rendrait licite cet étrange placement du vocatif. II semble en effet impossible de trouver une parenté de signification entre le vocatif et les cas, en grec aussi bien qu’en toute autre langue.» - Auf S. 96 folgt Hjelmslevs Definition eines Kasus: «Est cas une catégorie qui exprime une relation entre deux objets.», und S. 97 heisst es weiter: «La définition qui vient d’être donnée permet à coup sûr d’exclure le vocatif de la catégorie casuelle. Par opposition à tout véritable cas, le vocatif a précisément ceci de particulier de ne pas exprimer une relation entre deux objets.» Die Hjelmslevsche Argumentation 25 Louis Hjelmslev: «La catégorie des cas» (I/II), Acta Jutlandica VII/IX, Aarhus 1935/1937. (DIONYSII THRACIS „Ars grammatica“ ed. G. Uhlig. Lipsiae 1883).

3

33

verliert dadurch erheblich an Gewicht, dass sie mit dem nicht wohldefinierten frz. Begriff “objet” ein bisschen zu leichtbeschwingt operiert. Hans Krähe („Indogermanische Sprachwissenschaft“ II, Berlin 1959, § 2 S. 7) bezeichnet den Vokativ („der streng genommen ein selbständiger Satz ist“) als Aus­ druck des nominalen Anrufs. Nach L. L. Hammerich („Indledning til tysk grammatik“, Kopenhagen 1935, § 50) wird durch den Vokativ ein Subjekt ohne hörbares Prädikatselement realisiert, wobei dasjenige, was über dieses Subjekt ausgesagt, diesem Subjekt mitgeteilt oder von diesem Subjekt gefordert wird, ungeäussert bleibt. Wir wollen demnach den Vokativ als dem affektiven Status angehörig betrachten, weil er die reine Adresse bezeichnet, wobei ein unformuliertes situationsbestimmtes Desideratum oft in der blossen Äusserung des Vokativs implizite vorliegt. Weiter wollen wir Satztypen wie die folgenden als affektiv betrachten: dyma'r llyfr = frz. void le livre = lit. ita iknygá; russ. вот книга ( = got. sai her bokos (vgl. Mark. XIII, 21: sai her Xristus/)); dyna'r llyfr \ dacw'r llyfr = frz. voilà le livre — russ. вон книга ( = got. sai jainar bokos (vgl. Mark. XIII, 21: sai jainar (Xristus)!)). In den französischen und gotischen Konstruktionen schimmern ganz deutlich imperative Satzgefüge durch. Sätze dieser Art sind aufgrund ihres semantischen Charakters nur propositiv denkbar. V. DER EXOPTATIVE STATUS PROPOSITIV

REKUSATIV

A) 1) о a m iddo e f g ly w e d у n ew y d d io n ! (= „möge er doch die Nachrichten hören!“)

4) о a m iddo e f b eid io â c h ly w e d y new yddion ! (=„möge er doch nicht die Nachrich­ ten hören !“)

2) о na ch lyw a V r n ew yddion ! (= „wenn er doch die Nachrichten hörte!“) 3) о na ch lyw saV r n ew yddion ! (== „wenn er doch die Nachrichten gehört hätte!“) 5) о na p h e id ia i â c h lyw e d у n ew yddion !

(= „wenn er doch nicht die Nachrichten hörte!“) 6) о na p h e id ia sa i â c h lyw e d у n ew yddion ! (= „wenn er doch nicht die Nachrichten gehört hätte!“) B)

d a boch chw i (= „leben lion f o eich N a d o lig

Sie wohl!“)

na

a to D u w

(= „Gott erlaube es nicht!“)

(= „fröhliche Weihnachten!“)

Das zur Demonstration des exoptativen Status dienende Material haben wir in zwei Gruppen, A und B, eingeteilt. Die Satztypen von Gruppe A sind als Versuche aufzu34

fassen, den Mitgliedern j und к unseres ursprünglich durchgeführten zwölfgliedrigen Minimalmaterials die Einkleidung dieses Status zu geben. Die etwas gekünstelten Ergebnisse unseres Bestrebens deuten auf die Begrenztheit der Anwendungsmöglich­ keiten dieses Status hin. Sätze dieser Art sind besonders in der dichterischen Sprache äusserst verbreitet: о na byddaVn haf о hyd\ ( = „ach, wenn es nur immer Sommer wäre!“), о na bawn i fe i у nant! ( = „ach, wäre ich nur wie das Bächlein!“), о na bai heddwch drwÿr byd! ( = „ach, wenn nur immer Frieden auf der Welt wäre!“), о na bawn yn fw y tebyg i lesu Grist yn byw! ( = „wenn ich nur mehr wie Jesus Christus lebte!“) (der Anfang eines beliebten walisischen Kirchenliedes), о na wrandawsai e f arnaf! (== „ach, hätte er nur auf mich gehört!“), о nad atebwn у llythyr! ( = ,.ach, wenn ich nur den Brief beantwortet hätte!“)- (Man beachte, dass na vor Vokal als nad hervortritt.) Der ex optative Status umfasst folgende Satztypen: a) zwei propositive (1 und 4), die rein nominal sind (ungefähr: „achfür sein Hören der Nachrichten!“ : „ach für sein Unterlassen des Hörens der Nachrichten!“) und als Zeichen der propositiven Polarisation kein eigentliches Element haben, da о (wie auf der rekusativen Seite) ausschliesslich den Status bezeichnet und für den reinen Wunsch steht, wobei alles, was nach diesem das Thema des Wunsches signalisierenden Element о folgt, als Glied einer Satzkonstruktion betrachtet werden kann, deren unformuliertes finites Verbal des Wünschens implizite dem Statuszeichen о inne­ wohnt (Diese Sätze (1 und 4) beziehen sich auf etwas Zukünftiges und drücken einen erfüllbaren Wunsch aus*), b) vier rekusative (2, 3, 5, 6), in denen teils (2 und 3) der ausgedrückte Wunsch als a) möglicherweise erfüllbar oder ß) rein hypothetisch aufzufassen ist (in solchen Sätzen wird das Imperfektum Ind. bzw. Konj. verwendet** - im Falle bod das Impf. II des Ind. bzw. das Impf. Konj.), teils (5 und 6) dieser Wunsch als eine Hypothese her­ vortritt, deren sichere Unerfüllbarkeit darauf beruht, dass zum Zeitpunkt der Äusserung dieses Wunsches bereits Tatsachen eingetreten sind, die seine mögliche Erfüllung vereiteln (in solchen Sätzen wird das Plusquamperfektum des Indikativs verwendet). Alles, was in diesen Satztypen auf der rekusativen Seite nach dem Statuszeichen folgt, hat den Charakter eines untergeordneten Satzes, dessen Sinngehalt, nämlich der Ausdruck eines Wunsches, dem Statuszeichen о implizite innewohnt. * “If the wish or desire is that he may n o t hear the news, then p e id io , lit. ‘cease (from)’ could be used: о na p h e id ia i â c h ly w e d у n ew yddion ‘would that he may not hear the news’, which is equivalent to saying ‘I hope he does not hear the news’. If the wish applies to tomorrow’s news, then о na p h e id ia i â c h ly w e d у n ew yddion y f o r y , or о am iddo b eid io â c h lyw e d у new yddion y f o r y ” (Dr. Henry Lewis in einem Brief). ** vgl. opus cit. 5, S. 316 in einer Fussnote zu § 171 11,2 über die Bedeutung des Imperfektums: “It denotes a possible or hypothetical as opposed to an actual thing; cf. О na w elw n Wms. 508 ‘Oh that I am unable to see’ i.e. would that I saw! The impf, use comes through forms like g w e la i ‘he could see’ > ‘he saw’, as in e f a w elei lannerch . . . e f a w elei ca rw etc. W.M. I.“

35

Über den Charakter des rekusativen Polarisationszeichens dieser Gruppe von Satz­ typen (ina / nad) sind sich die Sprachforscher nicht einig. J. Morris Jones (A Welsh Grammar, Historical and Comparative, Oxford 1913) steht mit unseren oben vorge­ führten Auseinandersetzungen gänzlich in Einklang, wenn er S. 316, § 171 II, 2 in einem ganz anderen Zusammenhang das Phänomen beiläufig berührt: „ 0 na welwn Wms. 508 ‘Oh that I am unable to see’ i.e. would that I saw!“ . Myrddin Jenkins dagegen (“A Welsh Tutor”, University of Wales Press, Cardiff 1962, S. 137) möchte das dem einleitenden о folgende Element nad / na in den rekusativen exoptativen Sätzen nicht als eine „negative“ Grösse betrachten (“The na is not a negative, but has an intensifying function”). Dies ist aber kaum stichhaltig. Das kymrische о na ent­ spricht nämlich genau dem gotischen wainei, welches Wilhelm Luft („Gotische wortdeutungen. 1. wainei“ , Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Ge­ biete der indogermanischen Sprachen, Band XXXVI. Neue Folge Band XVI, Güters­ loh 1900 (S. 143)) sehr überzeugend als eine Verbindung der Interjektion wai mit dem negativen Element nei erklärt. Das Element na (vor Konsonanten) ruft die gemischte Mutation hervor. (Das an­ lautende b- der finiten Formen vom Verbum bod („sein“) erfährt nicht konsequent diese Mutation.) Wir bemerken, wie die Funktion des verbalen Elements peidio ( = engl, “to cease (from)”), dessen Gebrauch uns schon vom affektiven Status her bekannt ist, im exoptativen Status auf eine verfänglich durchkreuzende Weise jede Verwendung der logischen, ausserhalb der Sprache liegenden Begriffe der „Negation“ und der „Affir­ mation“ auf der linguistischen Ebene gänzlich sinnlos erscheinen lässt. Die oben als Ausgangspunkt für unsere Erwägungen über den kymrischen exoptativen Status benutzten und von Dr. Henry Lewis empfohlenen rekusativen Satzkonstruktionen negativen Inhalts mit den einleitenden Elementen о na und finiten Formen von p e id io werden von jüngeren walisischen Linguisten als ‘o b so le sc en t ’ bezeichnet. Wir haben trotzdem bei unseren Ausführungen an dem Lewisschen Material festgehalten, weil es uns die beste Möglichkeit einer einfachen und zugleich aufschlussreichen Beschreibung der in Frage kommenden Statusrealisationen bietet. Nach dem walisischen Experten Vincent Phillips sind folgende rekusative Optativkonstruktionen negativen Inhalts in der kymrischen Gegenwartssprache vorherrschend: 1) Konstruktionen, in denen das rekusative Polarisationszeichen d a s E lem en t ‘dd im ' (vgl. frz. ‘p a s') erfährt: о na f y d d a i

ef

ddim y n

cau 'r d rw s

eine f e s t e E rw eiteru n g durch

(= „ach, wenn er nur nicht die Tür schliessen würde“)

In der wohlgepflegten Schriftsprache wählt man indessen eine radikale Umschreibung, um den ungefähren Inhalt dieses Satzes wiederzugeben: о na f y d d a i lassen“)

e f y n g a d a e l у d rw s a r a g o r

(= „ach, wenn er nur die Tür würde offen stehen

Man macht sich offensichtlich alle Mühe, um diejenigen Optativkonstruktionen zu vermei­ den, deren logisch-semantische Eindeutigkeit von der Hinzufügung des sonst überall in der Schriftsprache verpönten Erweiterungselements ‘ddim ' abhängig sein würde t

36

2) Konstruktionen mit der Präposition

heb

(= „ohne“) nach folgendem Verfahren :

о na f y d d a i e f heb g a u 'r drw s (Der Sprechende wünscht, dass etwas gerade Eingetretenes womöglich geändert wird) о na fu a s a i heb g a u 'r drw s (Der Sprechende wünscht, dass etwas in der Vergangenheit tatsächlich Eingetretenes und Unabänderliches nicht geschehen wäre) (= „ach, wenn er nur nicht die Tür geschlossen hätte!“)26 (Vgl. hierzu beispielsweise eine dänische Konstruktion wie: äh> om han d o g ikke ville vœre uden to ven i denne s a g / mit besonderem Nachdruck auf das Statuszeichen om bzw. mit gleicher Betonung dieses Statuszeichens und des Polarisationszeichens ik k e (= „ach, wenn er nur nicht in dieser Angelegenheit zögern würde!“)***). Den Konstruktionen mit heb stehen solche mit wedi (= „nach“) gegenüber, die dann einem entsprechenden positiven Gedankengang Ausdruck geben: о na fu a s a i wedi

cau'r d rw s

(= „wenn er nur die Tür geschlossen hätte!“)

Konstruktionen mit der Präposition sonderen Nachdruck: о na f y d d a i

e f yn cau'r drw s

yn

(— „in“) legen auf das Gleichzeitigkeitsmoment be­

(= „ach, wenn er nur im Begriff wäre, die Tür zu schliessen!“)

Das unter Gruppe В angeführte Material vertritt einen sehr begrenzten Vorrat an kurzen Wunschformeln, die immer im Präsens Konjunktiv stehen und den Wunsch nach etwas Erfüllbarem zum Ausdruck bringen. Die propositive Seite hat kein expli­ zites propositives Polarisationszeichen - in der Regel werden solche Sätze von einem nominalen Glied eingeleitet die rekusative Seite ist durch das Zeichen nad / na gekennzeichnet. (Für na gilt in bezug auf die Mutation eines folgenden mutationsfähi­ gen Konsonanten dieselbe Regel wie unter Gruppe А ; in unserem Beispiel na ato Duw ist in Übereinstimmung mit den für die gemischte Mutation geltenden Gesetzen ein anlautendes g- weggefallen, wie es übrigens auch in unserem oben (unter der Be­ handlung von Gruppe A) angeführten Beispiel о na wrandawsai e f arnaf der Fall ist, wobei die Kurzvariante na vor dem durch diesen Prozess anlautend gewordenen Vokal aufrechterhalten wird.) Der exoptative Status ist wie der affektive eine volitive Statusform. Er unterscheidet sich vom affektiven dadurch, dass er ein vom Sprechenden gehegtes, nichtprovokatives oder -prohibitives Desideratum ohne intentionsbestimmte Adresse zum Ausdruck bringt. Bei der Behandlung der rekusativen Polarisation des exoptativen Status haben wir in unseren Erwägungen schon die Grenze zwischen Überordnung und Unterordnung 26 Vgl. zu dieser Konstruktion Melville Richards: “ Cystrawen Y Frawddeg Gymraeg”, Car­ diff 1938, S. 42, §48.2,3,4. ** Auch im Kymrischen können, südwalisischen Sprachexperten zufolge, rein satzprosodische Kriterien dafür entscheidend sein, ob eine rekusative Polarisation eines exoptativen Status als positiv oder negativ zu verstehen ist: о n a d a teb w n у lly th y r! (= „ach, wenn ich nur den Brief geschrieben hätte!“): о nad ateb w n у lly th y r / (mit besonderem Nachdruck auf n a d ) (= „ach, wenn ich nur nicht den Brief geschrieben hätte!“).

37

überschreiten müssen. Viele Sprachen, unter ihnen sämtliche indoeuropäischen, operie­ ren in grösserem oder geringerem Umfange mit untergeordneten Sätzen. Die Er­ scheinung der Unterordnung ist im Kymrischen nicht so ausgenutzt wie zum Beispiel im Deutschen, was daran deutlich wird, dass man in weitem Ausmasse nominale Konstruktionen verwendet, wo das Deutsche Konstruktionen mit Nebensätzen be­ nutzt. Wir werden im folgenden die Phänomene Status und Polarität, wie sie in unter­ geordneten Sätzen des Walisischen auftreten, möglichst schematisch behandeln. VI. DER SUBORDINIERTE NEUTRALE STATU S (idywed = „er sagt (Jdass . . . ) “, dywedodd = „er sagte (/dass . . . ) “) PROPOSITIV a) (d yw ed fo d

у

у bw rdd) у llyfr ar у bw rdd) / у buasai V llyfr ar у bwrdd llyfr ar

REKUSAT1V nadу w > llyfr ar у bwrdd nad oeddy llyfr ar у bwrdd / na buasai V llyfr ar у bwrdd (fuasai)

d yw ed /

b) (d y w ed o d d fo d

d y w ed o d d /

c)

d y w ed o d d

d y w ed o d d

d) (d yw ed fo d llyfr ar

у

bw rdd)

у bw rd d) / у buasai llyfr ar у bwrdd

d yw ed /

e) (d y w ed o d d fo d llyfr ar

d y w ed o d d /

f)

d y w ed o d d

d y w ed o d d /

g) h)

(d y w ed ein b o d n i’n m yn d i ’r d ref)

i)

d y w ed o d d /

(d y w ed o d d ein b o d n i’n m yn d i’r d r e f)

у buasem nVn mynd Гг dref

у clywai ef у newyddion / у clywsai e f у newyddion

d yw ed d y w ed o d d d y w ed o d d

nad oes llyfr ar у bwrdd nad oedd llyfr ar у bwrdd na buasai llyfr ar у bwrdd (fuasai)

/ nadydym пГп myndГг dref / nadoeddemnVn mynd Гг dref / na buasem пГп mynd Гг dref (fuasem) na chlywai e f у newyddion / na chlywsai ef у newyddion

j)

d y w ed o d d /

d y w ed o d d /

k)

d y w ed o d d

d y w ed o d d d y w ed o d d d y w ed o d d

/ na chlywai ef mo'r newyddion / na chlywsai ef mo'r newyddion

Mit betontem Satzglied im untergeordneten Status: a)

d y w ed

b) d y w ed o d d

c)

d y w ed o d d

d)

d y w ed

e)

d y w ed o d d

f)

d y w ed o d d

g) h)

d y w ed o d d

i)

d y w ed o d d

d y w ed

j)

d y w ed o d d

k)

d y w ed o d d

l)

38

d y w ed

/ mai ar у bwrdd у mae V llyfr / mai ar у bwrdd yr oedd у llyfr / mai ar у bwrdd у buasai ’r llyfr

d y w ed o d d

/ mai ar у bwrdd у mae llyfr / mai ar у bwrdd yr oedd llyfr / mai ar у bwrdd у buasai llyfr

d y w ed o d d

/ mai Гг dref yr ydym пГп mynd / mai Гг drefу r oeddem пГп mynd / mai Гг dref у buasem пГп mynd

d y w ed o d d d y w ed o d d

/ mai > newyddion a glywai ef / mai V newyddion a glywsai ef

d y w ed o d d

/ mai llyfr yw hwn

d yw ed d y w ed o d d d yw ed d y w ed o d d d yw ed

/ nad ar у bwrdd у mae > llyfr / nad ar у bwrdd yr oedd у llyfr / nad ar у bwrdd у buasai > llyfr / nad ar у bwrdd у mae llyfr / nad ar у bwrdd yr oedd llyfr / nad ar у bwrdd у buasai llyfr

/ nad Гг dref yr ydym nfn mynd / nad Гг dref yr oeddem пГп mynd / nad Гг dref у buasem пГп mynd nad у newyddion a glywai ef / nad у newyddion a glywsai ef

d y w ed o d d /

d yw ed

/ nad llyfr yw hwn

Stellen wir zuerst fest, dass in den propositiven Satztypen a, b, d, e, g, h in solchen Fällen, wo in der vom übergeordneten Verbum abhängigen Konstruktion kein betontes Satzglied vorkommt, die Möglichkeit einer neutralen Unterordnung nicht besteht, da man statt einer Nebensatzkonstruktion eine nominale Konstruktion ver­ wendet: ,,er sagt(e) das Sein des Buches auf dem Tisch“, „er sagt(e) das Sein eines Buches auf dem Tisch“, „er sagt(e) unser Sein im Gehen zur Stadt“ . (Ein finites Prä­ sens kommt in solchen Sätzen niemals vor, ein Imperfektum nur, wenn es von einem Präsens (bzw. Futurum) im übergeordneten Satz abhängig ist.) Sonst werden die neutral untergeordneten propositiven Sätze durch у eingeleitet, wenn sie kein betontes Glied aufweisen; diejenigen aber, die ein betontes Satzglied enthalten, sind in allen Fällen durch das entsprechende Element mai (bzw. taw) gekennzeichnet. Für die erste Kategorie von neutral untergeordneten Nebensätzen gilt das rekusative Element nad / na, dessen letztere, vor Konsonanten auftretende Variante die gemischte Mutation hervorruft (nur das anlautende b- von den finiten Formen von bod („sein“) wird nicht konsequent mutiert). Die Typen mit betontem Satzglied haben immer, auch vor Konsonanten, nad, das keine Mutation hervorruft. Das rekusative nad / na hat zwei Funktionen. Erstens ist es Zeichen der neutralen (bzw. reinen) Unterordnung, zweitens gilt es als rekusatives Polarisationszeichen. Da dies unter den gegebenen Bedingungen die gemischte Mutation hervorrufende Ele­ ment mit dem entsprechenden propositiven у (bzw. mai) direkt kommutabel ist, halten wir es für berechtigt, um das Polaritätssystem nicht unnötigerweise zu stören, den auf der propositiven Seite auftretenden entsprechenden Elementen у / mai die beiden entsprechenden Funktionen zuzuerkennen. Sie fungieren demnach teils als Zeichen der neutralen (ireinen) Unterordnung, teils als propositive Polarisations­ zeichen (vgl. lat. te rogo / ut venias | te rogo / ne venias). Die in den mit betontem Satzglied angeführten Typen a-к nach dem betonten Glied auftretenden Zeichen у und a sind relative Elemente (vgl. den untergeordneten relativen Status), die eine kymrische Sondererscheinung gewisser zusammengesetzter Satzgefüge darstellen, wo ein vorhergehendes betontes Glied vorausgesetzt wird. Mit der Polarität der neutral untergeordneten Sätze haben sie unmittelbar nichts zu schaffen.

39

VII. DER SUBORDINIERTE INTERROGATIVE STATUS (gofyn = „er fragt (/ob . . gofynnodd = „er fragte (Job . . . ) “) PROPOSITIV a)

g o fy n

/ a ydyw > llyfr ar у bwrdd a oedd у llyfr ar у bwrdd / a fuasai V llyfr ar у bwrdd

REKUSATIV g o fy n

/ onid ydyw V llyfr ar у bwrdd onid oedd у llyfr ar у bwrdd / oni buasai V llyfr ar у bwrdd

b) g o fy n n o d d /

g o fy n n o d d /

c)

g o fy n n o d d

g o fy n n o d d

ifu a sa i) d)

g o fy n /

e)

g o fy n n o d d /

f)

g o fy n n o d d /

g)

g o fy n /

h) g o fy n n o d d / i)

g o fy n n o d d /

j)

g o fy n n o d d /

a oes llyfr ar у bwrdd a oedd llyfr ar у bwrdd a fuasai llyfr ar у bwrdd a ydym пГп mynd Гг dref a oeddem пГп mynd Гг dref a fuasem пГп mynd Гг dref

k) g o fy n n o d d /

a glywai ef у newyddion a glywsai ef у newyddion

l)

ai llyfr yw hwn

g o fy n /

g o fy n / g o fy n n o d d / g o fy n n o d d /

g o fy n / g o fy n n o d d / g o fy n n o d d /

g o fy n n o d d / g o fy n n o d d / go fy n /

onid oes llyfr ar у bwrdd onid oedd llyfr ar у bwrdd oni buasai llyfr ar у bwrdd {fuasai) onid ydym ni'n mynd Гг dref onid oeddem пГп mynd Гг dref oni buasem пГп mynd Гг dref (fuasem) oni chlywai ef у newyddion oni chlywsai ef у newyddion onid llyfr yw hwn

Wie aus dem oben aufgestellten Satzmaterial hervorgeht, bedarf der untergeordnete interrogative Status keiner näheren Beschreibung: er ist mit dem entsprechenden übergeordneten interrogativen Status (vgl. II) völlig identisch. Nur ist hier zu be­ merken, dass in der modernen Sprache die zu meidenden rekusativen Konstruktionen mit ‘os na{d) . . . ’ eine immer regere Wirksamkeit entfalten (wahrscheinlich unter Beeinflussung vom englischen 4 f . . . not os nad ydym nVn mynd Vr dref\ os nad ydyw V llyfr ar у bwrdd, os na chlywai e f у newyddion u.s.w. (In solchen Sätzen ist somit von einer Rollenverteilung die Rede: os ist Statuszeichen, na(d) ist rekusatives Polarisationszeichen.) Den untergeordneten neutralen Statussätzen mit betontem Satzelement entsprechen im untergeordneten interrogativen Status solche Nebensätze, die durch die Elemente ai (unterordnend/propositiv) und onid (unterordnend/rekusativ) eingeleitet werden, wobei auch hier direkt nach dem betonten Satzglied ein untergeordneter relativer Status folgt (vgl. den untergeordneten relativen Status S. 50-52, Punkt 1 und ЗА):

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a) gofyn / ai b) gofynnodd / ai ar у c) gofynnodd / ai ar у

ar у bwrdd у mae'r llyfrgofyn / onid ar у bwrdd у mae'r llyfr bwrdd yr oedd у llyfr gofynnodd / onid ar у bwrdd yr oedd у llyfr bwrdd у buasai 'r llyfrgofynnodd / onid ar у bwrdd у buasai 'r llyfr

d) gofyn / ai ar у bwrdd у mae llyfr e) gofynnodd / ai ar у bwrdd yr oedd llyfr f) gofynnodd / ai ar у bwrdd у buasai llyfr

gofyn / onid ar у bwrdd у mae llyfr gofynnodd / onid ar у bwrdd yr oedd llyfr gofynnodd / onid ar у bwrdd у buasai llyfr

g) gofyn / ai i'r dref yr ydym ni'n mynd h) gofynnodd / ai i'r dref yr oeddem ni'n mynd i) gofynnodd / ai i'r dref у buasem ni'n mynd

gofyn / onid i'r dref yr ydym ni'n mynd gofynnodd / onid i'r dref yr oeddem ni'n mynd gofynnodd ( onid i'r dref у buasem ni'n mynd

j) gofynnodd / ai у newyddion a glywai ef k) gofynnodd / ai у newyddion a glywsai ef

gofynnodd / onid у newyddion a glywai ef gofynnodd / onid у newyddion a glywsai ef

0

gofyn / ai llyfr yw hwn

gofyn / onid llyfr yw hwn

VIII. DER SUBORDINIERTE AFFEKTIVE STATU S {gofala = „sieh zu“ / gofalwch = „sehet zu“) PROPOSITIV (1. Pers. Sing.) gofala fy mod i’ n clywed у newyddion! (gofala / у clywaf (clywyf) у newyddion!) (= „sieh zu, dass ich die Nachrichten höre!“) (2. Pers. Sing.) gofala dy fod ti* n clywed у newyddion! (gofala / у clywi' r newyddion! I у clywych у newyddion!) (= „sieh zu, dass du die Nachrichten hörst!“) (3. Pers. Sing.) gofala ei fod ef yn clywed у newyddion! (gofala / у clyw (clywo) 'r newyddion!) (= „sieh zu, dass er die Nachrichten hört!“) (1. Pers. Plur.) gofala ein bod ni’ n clywed у newyddion! (gofala / у clywn (clywom) у newyddion!) (= „sieh zu, dass wir die Nachrichten hören!“) (2. Pers. Plur.) gofalwch eich bod chwi’ n clywed у newyddion! (gofalwch / у clywch (clywoch) у newyddion!) (= „sehet zu, dass ihr die Nachrichten hört!“) (3. Pers. Plur.) gofala eu bod hwy’ n clywed у newyddion! (gofala / у clywant (clywont) у newyddion!) (= „sieh zu, dass sie die Nachrichten hören!“)

REKUSATIV (1. Pers. Sing.) gofala / na chlywaf (chlywyf) у newyddion! (= „sieh zu, dass ich die Nachrichten nicht höre!“) (2. Pers. Sing.) gofala / na chlywi’ r newyddion! / na chlywych у newyddion! (— „sieh zu, dass du die Nachrichten nicht hörst!“) (3. Pers. Sing.) gofala / na chlyw (chlywo) 'r newyddion! {— „sieh zu, dass er die Nachrichten nicht hört!“) (1. Pers. Plur.) gofala / na chlywn (chlywom) у newyddion! (= „sieh zu, dass wir die Nachrichten nicht hören!“) (2. Pers. Plur.) gofalwch / na chlywch ( llyfr ar у bwrdd 1 j , ? p e bai r llyfr ar у bwrdd J c) p e

buasai V llyfr ar у bwrdd

pe n a bai

pe

. r Uyfr ar у bwrdd

na buasai > llyfr ar у bwrdd (fuasai)

d) -

e)

petai llyfr ar у bwrdd 1 , . „ . , ,, pe b a i llyfr ar у bwrdd J

f)

pe

buasai llyfr ar у bwrdd

,

. „

p e n a bai

pe

.

.

..

llyfr ar у bwrdd

na buasai llyfr ar у bwrdd (fuasai)

g> h) petaem nVn mynd /> dref 1 . pe b a em ni n mynd i r dref J i)

pe

buasem nVn myndi'r dref

j)

pe

clywai ef у newyddion clywsai ef у newyddion

k) p e

,

p e n a b aem (faem ) pe

pe pe

l) petai hwn yn llyfr 1 . . . . > p e bai hwn yn llyfr J

^

llyfr fai hwn

pe

pe

^ m n myndi r dref

na buasem ni'n myndVr dref (juasem) na chlywai ef у newyddion na chlywsai ef у newyddion

pe na bai

hwn yn llyfr 7 7

nid llyfr fai hwn

43

Dem ganzen rekusativen Komplex pe na + Satzverbal entsprechen als prägnante propositive Polarisationsgegenstücke innerhalb dieser Kategorie von Sätzen nur die kontrahierten Typen, die b-, e-, h-, 1-Varianten petawn i (1. Person Sing. Impf. Konj.), petait ti (2. Person Sing. Impf. Konj.), petai e f (3. Person Sing. Impf. Konj.), petaem ni (1. Person Plur. Impf. Konj.), petaech chwi (2. Person Plur. Impf. Konj.) und petaent hwy (3. Person Plur. Impf. Konj.), deren infigiertes -t- auf einer mittelwali­ sischen Partikel yt beruht, die das anlautende b- der Konjunktivformen im Imperfek­ tum von bod vertrieben hat (vgl. John Morris-Jones: “An Elementary Welsh Gram­ mar”, Oxford 1953, § 307,3). Sonst ist pe (vor Vokal ped) überall als Signal des Irrealis aufzufassen; die propositive Seite hat kein spezifisches Polarisationszeichen, die rekusative Seite hat überall das rekusative Polarisationszeichen na{d), dessen Variante na vor Konsonanten auftritt und die gemischte Mutation hervorruft (nur vor den finiten Formen von bod („sein“) nicht konsequent). Die unter Typus 1 an letzter Stelle angeführte Variante ohne propositives Polarisationszeichen und mit dem festen, keine Mutation hervorrufenden rekusativen Polarisationszeichen nid gilt als altmodisch und wird kaum in der modernen Sprache verwendet. Auf der rekusativen Seite ist in diesen Satztypen, die als sinnverwandte IrrealisAlternativen zu den mit oni(d) eingeleiteten Konditionalsätzen gelten, von einer Rollenverteilung die Rede: pe(d) bezeichnet die Unterordnung, na(d) die rekusative Polarisation. Es ist von grösstem Belang festzustellen, dass sowohl os / oni(d) als auch pe im Gegensatz zu allen anderen unterordnenden Faktoren etwas Verbales an sich haben. (Vgl. John Morris-Jones: “An Elementary Welsh Grammar”, Oxford 1953, § 406: “In Early Modern Welsh о and od were used before verbs, о before initial consonants, od before vowels; os was only used before a verb to indicate ‘if . . . him’, etc., . . . , the -s being the infixed pronoun. Before a noun os was used then, as now, the -s being the verb ‘to be’ (y).s” ; auch § 307,3: “The b- of bo, bei is hardened to p in certain construc­ tions, . . . ; pey у or pei yd ‘were it that’ used in the sense of ‘if’ before the imperfect subjunctive or pluperfect; these have become pe or ped in Modern Welsh.”) Man vergleiche hierzu eine deutsche Konstruktion wie „es sei denn, dass . . das nieder­ ländische ‘tenz if ( < ‘het enz if) nebst lat. ‘niw’ / si, got. ‘nibaV / ‘jaèa/’27, ahd. ‘nibu\ alts, ‘neba\ In den zuletzt genannten Elementen möchten wir, ohne dass wir uns im übrigen mit etymologischen Erwägungen befassen wollen, irgendeine indoeuro­ päische, unpersönliche konditionale Sachverhalt-Kurzform der *(e)s- / *bhew- („sein“)Stämme wiedererkennen (vgl. in diesem Zusammenhang auch das russische если 27 С. C. Uhlenbeck („Aanteekeningen bij Gotische etymologieen“, Tijdschrift voor Nederlandsche Taal- en Letterkunde, 25. Bd., Leiden 1906) behauptet (S. 281, Punkt 138): „Het element -ba(i) in iba(i), niba(i) is niet van -bai in jabai te scheiden.“ Eine solche Betrachtung, die von vornherein eine etymologische Verwandtschaft zwischen 4bai' und 'nibai' für gegeben hält, scheint in eine Sackgasse zu führen (vgl. unten S. 132-134 und Sigm. Feist: „Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache“, 3. Aufl., Leiden 1939, zu den betreffenden gotischen Elementen).

44

( Сесть ли)*). Sind ja doch die „Konjunktionen“ lat. si, ahd. (/-)—, alts. *(/-)—, got. ba bu -ba(i) die einzigen, die augenscheinlich kraft ihres verbalen Inhalts die „Satznegation“ haben an sich ziehen können28. Hiervon unterscheiden sich nur 1) das später gebildete und äusserst selten auftretende lateinische ‘ntdum' (eigtl. „damit nicht inzwischen“ , э: „geschweige denn, dass“), wo ein final satz- (bzw. status-)vertretendes rekusatives Polarisationszeichen mit dum verschmolzen zu sein scheint: ‘vix in ipsis tectis frigus vitatur / nedum in mari sit facile abesse ab iniuria temporis’ (vgl. Rubenbauer / Hof­ mann: „Lateinische Grammatik auf sprachwissenschaftlicher Grundlage“ , Mün­ chen / Berlin 1929, § 262,2) - sowie 2) das sanskritische ned ( = „damit nicht“): das rekusative Polarisationszeichen eines subordinierten finalen Status (vgl. opera cit. 107). oni(d) kann die Funktion von 1pe na(dy übernehmen und tritt in hypothetischen Doppelsätzen auf (meistens in der Formel ‘oni baV (wo bai die dritte Person der Ein­ zahl von bod im Imperfektum Konjunktiv ist) mit der Präposition i oder dem Verbal­ nomen bod): oni bai iddo neidio i mewn / byddai hi wedi boddi = oni bai ei fod wedi neidio i mewn / byddai hi wedi boddi (= „wenn er nicht hineingesprungen wäre, wäre sie ertrunken“)

{

onid aethaVr lleidr i dŷ ei chwaer / ni chawsai ei ddal ( = „wenn der Dieb nicht ins Haus seiner Schwester gegangen wäre, wäre er nicht gefangen worden“)** Wie wir schon bei der Behandlung des untergeordneten interrogativen Status bemerkten, treten in der modernen Sprache in weitem Ausmasse rekusative Konstruk­ tionen mit ‘os na{d)y statt oni(d) auf, was für einen syntaktischen Anglizismus gehalten werden muss. (Es handelt sich in solchen Sätzen wieder um eine Rollenverteilung: os ist Statuszeichen, na(d) ist rekusatives Polarisationszeichen.)

* S. dazu die eingehenderen Erwägungen über diese Frage in meiner Studie „Zum Wesen des Konditionalsatzes, nicht zuletzt im Indoeuropäischen4*, Odense University Studies in Lin­ guistics, Vol. 1, Odense 1968. 28 Die lat. Etymologen wollen eine Verwandtschaft zwischen 4j /’ und 4sic9 sehen; diese in ver­ schiedenen Darstellungen verfochtene Theorie hat den Charakter einer nicht genügend unter­ bauten Feststellung (vgl. Alois Walde: „Lat. Etym. Wörterbuch44, Heidelberg 1930, Bd. 2, S. 530; A. Ernout/A. Meillet: « Dictionnaire étymologique de la langue latine», Paris 1951, Bd. 2, 1098 («si est le meme mot que sic»). ** Vgl. „Dysgu Cymraeg. Y Pumed Llyfr44 (opus cit. 30, S. 156-157).

45

X. DER SUBORDINIERTE RELATIVE STATUS P R O P O S IT IV a) у llyfr b) у llyfr

R E K U S A T IV

I syd d ar у bwrdd / (у sydd ar у bwrdd) / a oedd ar у bwrdd

у

a fuasai ar у bwrdd

у

c) у llyfr /

/ (n id у w ar у bwrdd) / n a d у w ar у bwrdd llyfr / {nid oedd ar у bwrdd) / nad oedd ar у bwrdd llyfr / (ni buasai (fuasai) ar у bwrdd) / na buasai (fuasai) ar у bwrdd

у llyfr

d)

llyfr /

llyfr /

e)

llyfr

sydd ar у bwrdd I (y sydd ar у bwrdd) / a oedd ar у bwrdd

llyfr

f)

llyfr

/ a fuasai ar у bwrdd

llyfr

h) (n y)n i

sy d d y n mynd Гг dref / (y sydd yn mynd Гг dref) / a oedd yn mynd Гг dref

i)

(n y)n i

/ a fuasai ’л mynd Гг dref

j)

у n e w y d d io n /

/ (n id yd y m yn mynd Гг dref) / nad yd ym yn mynd Гг dref (n y)n i / (nid oeddem yn mynd Гг dref) / nad oeddem yn mynd Гг dref (n y)n i / (ni buasem (fuasem) yn mynd Гг dref) I na buasem (fuasem) yn mynd Гг dref

g) (n y)n i /

k) у n ew y d d io n /

(n y)n i

a glywai e f

у n ew y d d io n /

a glywsai e f

у n e w y d d io n

у mae ef (= „schreiben tu t er“ ) M ) c o fia f у d iw rn o d / у gwelais ef (= „ ich erinn ere m ich an den

L) y sgrifen n u /

(=

(ni chlywai ef) / na chlywai ef / (ni chlywsai ef) I na chlywsai ef

у mae ef) (= „schreiben tu t er nicht“) c o fia f у d iw rn od / na welais ef / (ni welais ef) (nid ysgrifen n u /

T ag, w o

ich ih n sa h “ ) h w n y w ’r

{nidyw ar у bwrdd) / nad yw ar у bwrdd / (nid oedd ar у bwrdd) I nad oedd ar у bwrdd / (ni buasai (fuasai) ar у bwrdd) / na buasai {fuasai) ar у bwrdd

tŷ I yr hojfwn fyw ynddo

( = „ ich erinn ere m ich an d en T ag, w o ich ih n n ich t sa h “) hw n y w ’r tŷ

„ d ies ist das H a u s, w o ich w o h n e n

m ö c h te “ )

/ na hoffwn fyw ynddo / (ni hoffwn fyw ynddo)

( = „ d ie s ist d as H au s, w o ich n ich t w oh n en

d y n a ’r fford d

/ у deuthum

m ö c h te “)

( = „ d a s ist der W eg, a u f dem ich k a m “ ) h w n y w ’r tŷ

/ ÿ m ganed

( = „ d ie s ist das H a u s, w o ich geb oren w u rd e“ ) N ) p w y / a gyneuodd у tân? ( = „ w er h at das F eu er a n g e z ü n d et? “ )

Es mag einen Engländer oder einen Kontinentalindoeuropäer befremden, dass Relativsätze im Kymrischen durch einen besonderen relativen Status gebildet werden. 46

Es ist bei solchen Sätzen nicht von einem eigentlichen Relativpronomen die Rede, sondern wieder von direkt kommutablen Polarisationszeichen, die ausserdem die Funktion relativ unterordnender Faktoren erfüllen. Wir wagen es, die relativen Elemente von einem synchronischen Gesichtspunkt aus als solche direkt kommutablen Polarisationszeichen schlechthin zu betrachten, indem wir uns hierbei auf ein paar Bemerkungen in Holger Pedersens „Vergleichende Grammatik der keltischen Spra­ chen“29 stützen. Es heisst hier im ersten Teil des zweiten Bandes S. 235 zum keltischen Relativpronomen: „M an muss von einem erstarrten N. A. Sing. Neutr. *jod (skr. ja d gr. ö) ausgehen, woraus im Keltischen *0 entstand.“ S. 236 heisst es weiter: „Von dem relativen Pronomen a ist wohl die c[ymr]. Fragepartikel a ‘num’ (als Einleitung einer direkten oder indirekten Frage) etymologisch verschieden; sie ist vielleicht = lat. at. Das Sprachbewusstsein hatte sie aber jedenfalls mit dem Relativpronomen vermischt.“ Wie aus dem oben aufgestellten Material hervorgeht, ist die Behandlung der Komplexität, die die Bildung kymrischer Relativsätze kennzeichnet, eine äusserst heikle Sache, die durch die Tatsache nicht weniger heikel wird, dass wir eingestehen müssen, dass die angeführten Satztypen bei weitem nicht ausreichen, um das ausser­ ordentlich verwickelte Phänomen erschöpfend zu beschreiben. In diesem Zusammen­ hang ist es aber vor allem wichtig festzustellen, dass wir es im Kymrischen mit einem konsequent durchgeführten relativen Status zu tun haben, auf dessen Manifesta­ tionen wir im folgenden nur eingehen wollen, insofern sie für unsere weiteren Erwägungen von Belang sind30. Als relative Statuselemente gelten im Kymrischen teils solche, die beispielsweise germanischen, romanischen, balto-slawischen, griechischen oder unsertwegen arme­ nischen, albanischen oder indo-iranischen Relativpronomina entsprechen (Typus a-к), teils solche, die als adverbial-relativ bezeichnet werden müssen (Typus L, M und N). Ursprünglich wurde na(d) als spezifisches unterordnend/rekusatives Polarisations­ zeichen adverbial-relativer Sätze verwendet und ni(d) in derselben Funktion in allen anderen Fällen (also in solchen Sätzen, die beispielsweise rekusativen deutschen Relativsätzen entsprechen, die durch ein spezifisches Relativpronomen eingeleitet werden). Später hat sich aber die scharfe Grenze zwischen den Funktionsgebieten der beiden Elemente verwischt, die sich jetzt in allen Fällen gleichwertig verwenden lassen*, wobei die beiden vor Konsonanten auftretenden Varianten na / ni die gemischte Mutation hervorrufen (nur vor den finiten Formen von bod nicht konse29 Holger Pedersen: „Vergleichende Grammatik der keltischen Sprachen I-II1/2“, Bd. I Göttingen 1909, Bd. Ш Göttingen 1911, Bd. II2 Göttingen 1913. 30 Zur Bildung und Funktion der kymrischen Relativsätze vgl. John T. Bowen and T. J. Rhys Jones: „Welsh“ , The English Universities Press Ltd., London 1960/61, S. 121-124; „Dysgu Cymraeg. Y Pumed Llyfr“ (revised by Henry Lewis, Elwyn Davies and Ieuan Williams), Cardiff 1960, S. 131; Myrddin Jenkins: “A Welsh Tutor”, Cardiff 1962, S. 126-133. * Vgl. John Morris-Jones: “An Elementary Welsh Grammar”, Oxford 1953, § 241.

47

quent). In der modernen Sprache macht sich eine ausgesprochene Tendenz geltend, in allen Fällen na(d) zu gebrauchen, und die modernsten sprachreinigenden Tenden­ zen gehen dahin, den Gebrauch von na(d) in allen Fällen vorzuschreiben. Besonders bemerkenswert ist die in den Typen a, d, g auftretende, spezifisch relative Präsensform sydd(vor Konsonanten auch sy) vom Verbum bod(„sein“), die für alle Personen beider Numeri gilt*. Propositiv tritt sie teils als sydd, teils (und zwar seltener) als у sydd (bzw. ysydd) auf. Sonst tritt überall in den Typen b, c, e, f, h, i, j, к auf der propositiven Seite das unterordnend/propositive Polarisationszeichen a auf, wo man im Deutschen ein Relativpronomen im Nominativ oder Akkusativ hat. Dies pronominal-relative a ruft die weiche Mutation hervor: aeth у dyn / a laddodd у ci / adref ( = „der Mann, der den Hund tötete, ging nach Hause“) у mae’r llyfr / a brynais ddoe / аг у bwrdd ( = „das Buch, das ich gestern kaufte, liegt auf dem Tisch“) In solchen Konstruktionen, die zum Beispiel deutschen Konstruktionen mit einem Relativpronomen im Genitiv entsprechen, verwendet man im Kymrischen ein ganz anderes Verfahren, und zwar eine adverbial-relative Konstruktion (mit у (vor Vokal oder h y r \ vgl. Typus M) bzw. eine entsprechende pronominal-relative Konstruktion mit a, indem man sozusagen zwei übergeordnete Sätze, von denen der letztere ein possessives Element enthält, mittels der Partikel y(r) (bzw. a) zusammenfügt, wodurch diese Partikel unterordnend/propositives Polarisationszeichen wird und so dem - wie oben erwähnt - in allen Fällen geltenden rekusativen Polarisationszeichen na(d) / (ni(d)) gegenübersteht: dyma'r dyn ( = „hier ist der Mann“) canodd ei fab yn у côr ( = „sein Sohn sang im Chor“) dyma’r dyn / у canodd ei fab yn у côr / a ganodd ei fab yn у côr ( = „hier ist der Mann, dessen Sohn im Chor sang“) dyma’r dyn / na chanodd ei fab yn у côr I (ni chanodd ei fab yn у côr) ( = „hier ist der Mann, dessen Sohn nicht im Chor sang“) In solchen Fällen, in denen das Deutsche ein Relativpronomen im Dativ setzt, werden wieder in den entsprechenden kymrischen propositiven Statussätzen sowohl das adverbial-relative Zeichen y(r) als auch das pronominal-relative Zeichen a verwendet (noch immer dem entsprechenden, mutationhervorrufenden rekusativen na(d) (bzw. * Vgl. John Morris-Jones: “An Elementary Welsh Grammar”, Oxford 1953, § 240.

48

dem zu meidenden ni{d)) auf der Gegenseite entsprechend, mit denen sie, wie in allen übrigen Relativsatztypen, direkt kommutabel sind): dyma’r dyn ( = „hier ist der Mann“) rhoddais yr arian iddo ( = ,,ich gab ihm das Geld“) dyma’r dyn / у rhoddais yr arian iddo / a roddais yr arian iddo ( = „hier ist der Mann, dem ich das Geld gab“) dyma’r dyn / na roddais yr arian iddo / (m roddais yr arian iddo) ( = ,,hier ist der Mann, dem ich das Geld nicht gab“) Einer etwa im Deutschen üblichen Konstruktion, in der ein Relativpronomen von einer Präposition regiert wird, entspricht im Kymrischen eine Fügung mit dem adver­ bial-relativen y(r) bzw. dem pronominal-relativen a (propositiv) | na(d) / (ni(d)) (rekusativ), und zwar wird sie nach folgendem Verfahren realisiert: dyma’r llyfr ( = „hier ist das Buch“) darllenais у stori ynddo ( = „ich las die Geschichte darin“) dyma’r llyfr / у darllenais у stori ynddo I a ddarllenais у stori ynddo ( = „hier ist das Buch, in dem ich die Geschichte las“) oder: yr oedd yr ogof yn oer ( = „die Höhle war kalt“) aethom iddi ( = „wir gingen in sie hinein“) yr oedd yr ogof / yr aethom iddi / yn oer / a aethom iddi / yn oer ( = „die Höhle, in die wir hineingingen, war kalt“) yr oedd yr ogof / nad aethom iddi / yn oer / (inid aethom iddi / yn oer) ( = „die Höhle, in die wir nicht hineingingen, war kalt“) Das rein adverbial-relative y(r) (rekusativ na(d) / (ni(d)) (vgl. Typus M) hat im übrigen ein sehr weites (vor allem zeitliches und örtliches) Funktionsfeld: ni chofiaf у dydd / ý th welais ( = „ich erinnere mich nicht an den Tag, wo ich dich sah”) dyma’r fan / у croesodd yr afon ( = „dies ist die Stelle, wo er den Fluss überquerte“) daeth yr amser / na {ni) ddymunai e f fynd ymhell о gysur ei dŷ ei hun ( = „die Zeit kam, wo er nicht wünschte, sich von den Bequemlichkeiten seines eigenen Hauses zu entfernen“) gwelais у cae / na (ni) chaniataVr ffermwr i chwi chwarae arno ( = „ich sah das Feld, auf dem euch der Bauer nicht zu spielen erlauben wollte“) 4

49

Wie es aus diesen letzten Exempeln hervorgeht, ist die untergeordnete rein adverbialrelative Statusvariante mit dem untergeordneten neutralen Status völlig identisch, nur dass auf der rekusativen Seite neben na(d) auch das ursprünglich spezifisch pronominal-relative ni(d) als unterordnend/rekusatives Polarisationszeichen möglich (obwohl zu meiden) ist. Im übrigen möchten wir auf folgende Hauptfunktionen der unterordnend/relativen Elemente aufmerksam machen: 1) Ein Satz im neutralen propositiven Status wie у mae e f yn ysgrifennu ( = „er schreibt“) ist folgendermassen aufgebaut: propositives Polarisationszeichen (у) + Copula (mae) + persönliches Pronomen (ef) + die Präposition yn („in“) + Verbalnomen (ysgrifennu = „(die Handlung) zu schreiben“). Wird nun der Verbal­ begriff besonders hervorgehoben („,schreiben tut er“), wird das Verbalnomen nach vorn gerückt und die Präposition ausgelassen; dem Verbalnomen folgt dann eine adverbial-relative Konstruktion (vgl. Typus L): ysgrifennu I у mae e f (= „schreiben tut er“)

nid ysgrifennu / у mae e f ( = „schreiben tut er nicht“)

Wenn das Prädikativ kein Substantiv, Adjektiv oder Pronomen ist, verwendet man in allen Prädikativsätzen, wo das Prädikativ besonders betont wird, ein ähnliches adverbial-relatives Gefüge: yn у tŷ / yr ydym ni (— „im Hause sind wir“) yma / у mae Hywel ( = „hier ist Hywel“)

nid yn у tŷ / yr ydym ni ( = „im Hause sind wir nicht“) nid yma / у mae Hywel ( = „Hywel ist nicht hier“)

Ist das betonte Prädikativ ein Substantiv, ein Adjektiv oder ein Pronomen und das Subjekt ein bestimmtes Substantiv, ein bestimmtes Adjektiv oder ein Pronomen, verwendet man in solchen „emphatischen“ Satzgefügen die Konstruktion, die in unserem oben vorgeführten zwölfgliedrigen Minimalmaterial durch den Typus 1 vertreten wird. Dasselbe gilt in solchen Sätzen, wo das Subjekt ein emphatisches Pronomen und das Prädikativ ein bestimmtes Substantiv oder Adjektiv ist: llyfr yw h\m (= „dies ist ein Buch“) cryfyw Ieuan ( = „stark ist Ieuan“) hwn yw John ( = „dies ist John“) chwychwi yw'r Ueidr ( = „Sie sind der Dieb“)

nid llyfr yw hwn ( = „dies ist kein Buch“) nid cryf yw Ieuan (— „Ieuan ist nicht stark“) nid hwn yw John ( = „dies ist nicht John“) nid chwychwi yw'r lleidr ( = „nicht Sie sind der Dieb“)

Ist in solchen Prädikativsätzen das Subjekt betont und das Prädikativ unbestimmt oder nicht nominal, folgen in allen Fällen, wo das Subjekt kein emphatisches Pronomen ist, direkt nach dem Subjekt die für das Verbum bod geltenden Relativ­ 50

konstruktionen (im Präsens sydd (sỳ)9 in den übrigen Tempora pronominal-rela­ tive Konstruktionen mit a (propositiv) | na(d) / (ni(d)) (rekusativ)): John I sy dd yn feddyg ( = „John ist Arzt“) John I s y d d yn ysgrifennu ( = „John schreibt“) John / sy d d yn gryf ( = „John ist stark“) John I s y dd yma ( = „John ist hier“) John I sy gyda mi ( = „John ist bei mir“)

nid John j s y d d yn feddyg nid John / sy dd yn ysgrifennu nid John / s y d d yn gryf nid John j sy d d yma nid John / sy gyda mi

2) Unmittelbar nach den Interrogativa tritt (nach pwy ( = „wer?“) und beth ( = „was?“ ) regelmässig, nach den übrigen aber nicht ganz konsequent) eine relative Konstruktion ein (ausser in solchen Prädikativsätzen, wo das Subjekt ein bestimm­ tes Substantiv bzw. Adjektiv oder ein Pronomen ist): pwy / a oedd yn cam yn у côr ? (ni wn i pwy / a oeddynt beth / s y dd ar у fo rd ? (ni wn i beth / s y d d ar у ford

(= (= (= (=

„wer sang im Chor ?“) „ich weiss nicht, wer sie waren“)) „was gibt es auf dem Tisch?“) „ich weiss nicht, was es auf dem Tisch gibt“)) ble / у gwelaist ti f y chwaer? ( = „wo hast du meine Schwester gese(besser: ble welaist ti fy chwaer?) hen?“) ymhle / у clywsoch chwVr stori honno ? ( = „wo habt ihr die Geschichte gehört ?“) paham / nad oeddech yn yr ysgol ddoe ? ( = „ warum wart ihr gestern nicht in der Schule?“) sut / у bu hi arno e f yn Llundain ? ( = „wie ist es ihm in London gegangen ?“) sawl blodeuyn / s y d d yn yr ardd? ( = „wieviele Blumen gibt es im Garten ?“) aber: pwy ydyw’r dynion ? beth yw hwn ? pwy yw'r hynaf? pa dref yw hon?

( = „wer sind die M änner?“) ( = „was ist dies?“) ( = „wer ist der älteste?“) ( = „welche Stadt ist diese?“)

3) Im übrigen folgt überall nach einem besonders hervorgehobenen Satzglied ein relativer Status (vgl. unten A). (Dies ist auch in vielen Wunschformeln der Fall, wobei hier der relative Status im Präsens Konjunktiv steht, was wiederum dafür ein Kriterium ist, dass der Modus Konjunktiv nicht statusetablierend ist - vgl. unten B.) Die gleiche relative Konstruktion bemerken wir in solchen Sätzen, die eine konstitutionelle Frage beantworten, in der gleich nach dem einleitenden Konstitutionsachsenmitglied (einem einzelnen Interrogativum bzw. einem um­ schriebenen Fragekomplex) ein relativer Status folgt : in derartigen antwortenden Sätzen nimmt die Bezeichnung der Erscheinung, nach der gefragt wird, dem Mitglied der Konstitutionsachse entsprechend, den satzeinleitenden Platz ein; der 4

*

51

antwortende Satz fängt also nicht mit einem Verbal an (vgl. unten C). Uns sind solche Relativkonstruktionen schon bei der Behandlung derjenigen unterge­ ordneten neutralen und interrogativen Statusformen begegnet, die ein betontes Satzglied enthalten: A) у newyddion / a glywai e f dyweddodd mai у newyddion / a glywai e f ai у newyddion / a glywai ef?

( = „er hörte die Nachrichten“) ( = „er sagte, dass er die Nachrichten hörte“) ( = „waren es die Nachrichten, die er hörte?“) gofynnodd iddo ai у newyddion / ( = „er fragte ihn, ob er die Nachrichten a glywai e f hörte“) llwynog / a ddaliasant hwy / ac nid ( = „einen Fuchs haben sie gefangen und dwrgi keinen Otter“) ffermwr Pen-bryn / b i a u ' r defaid* ( = „der Pen-bryn-Bauer besitzt die Schafe“) yn у cae gwair / у gwelodd f y mrawd у bachgen bach ( = „auf der Wiese hat mein Bruder den kleinen Jungen gesehen“) bore ddoe / у clywais am farwolaeth eich tad ( = „gestern morgen war es, dass ich vom Tode eures Vaters hörte“)

B) Duw / a’ch bendithio iddo Ef l y byddo'r diolch

( = „G ott segne euch“) ( = „Ihm (Gott) sei Dank“)

C) pwy / a gyneuodd у tân ? - Arthur / a gyneuodd у tân ( = „wer hat das Feuer angezündet?“ - „Arthur hat das Feuer angezündet“) beth / s y d d yn у sosban ? - cawl / s y dd yn у sosban ( = „was ist in der Sossenschüssel ?“ - „Es ist Suppe in der Sossenschüssel“) pa bryd / у clywaist am farwolaeth ein tad? - bore ddoe / у clywais am farwolaeth eich tad ( = „wann hörtest du vom Tode unseres Vaters?“ - „Gestern morgen hörte ich vom Tode eures Vaters“) Auch nach einem unbestimmten übergeordneten Satzglied folgt, wenn der unter­ geordnete Satz einen präsentischen oder futurischen Inhalt hat, ein relativer Status im Konjunktiv, was wieder dafür ein Kennzeichen ist, dass der Modus Konjunktiv nicht statusetablierend ist: * Zum besonderen relativen Verbal piau der hat. der besitzt.. . “) vgl. John Morris-Jones: “An Elementary Welsh Grammar” , Oxford 1953, § 240 und § 319: pwy / biau'r tŷ drws nesaf? pwy /b ia u 'r defaid у na ? ni wn i pwy / piau hi

52

(= „wer hat das Haus nebenan?“) (= „wessen sind die Schafe dort?“) (= „ich weiss nicht, wer es besitzt“)

Ые шае’г dyn / a wnelhyn imi? ( = „wo ist der Mann, der dies für mich täte?“) у mae’r dyn yn addo pum punt i unrhyw un j a ddarganfyddo'rperlau ( = „der Mann verspricht einem jeden, der die Perlen finden mag, fünf Pfund“)

Vom restlichen kymrischen Satztypeninventar bleibt uns nur noch übrig festzustellen, dass es sich durchgehend von den oben erwähnten Satztypen in irgendeiner Weise formal unterscheidet, welche uns veranlasst, es kategorisch gegen unsere so genannten Statusformen abzugrenzen: Es ist durch irgendein gedankenverhältnistragendes (und deshalb niemals als neutral anzusehendes) Merkmal gekennzeichnet (vgl. unten S. 138), welches unter keinen Umständen mit einem innerhalb des Systems des jeweiligen Inventars von spezifischen Einzelsatztypen entsprechenden gegenpolaren Element direkt kommu­ tabel ist. Es handelt sich 1) um solche Fragesätze, die durch ein Mitglied der Konstitutions­ achse eingeleitet werden (wobei unter Umständen, wie oben erwähnt, der relative Status direkt nach dem Konstitutionsachsenmitglied einsetzen kann); Beispiel: beth oedd hi o'r gloch ? (— „wieviel Uhr war es?“), 2) um sämtliche bis jetzt nicht behandelten untergeordneten Sätze (wobei zu beachten ist, dass Nominalsatzkonstruktionen im Kymrischen vielfach durch Unterordnung etablierten Satzgefügen in anderen ieur. Sprachen entsprechen): Typus I (dem gedankenverhältnisausdrückenden Subordinationsglied folgt auf beiden Seiten der Polaritätsachse direkt der subordinierte neutrale Status): PROP.: aeth e f ifwrdd fe i у gwelai mohonof ( = „ . . . , damit . . . “) REK.: aeth e f ifwrdd fe i na welai mohonof (= damit nicht . . . “) Typus II (dem gedankenverhältnisausdrückenden Subordinationsglied folgt nur auf der rekusativen Seite eine subordinierte neutrale Statusstruktur): PROP.: pan blygont i awdurdodу brenin, Hadder hwy ( = „wenn .. .“(zeitlich)) REK.: pan na phlygont i awdurdod у brenin, Hadder hwy ( = „wenn . . . nicht. . . “) Typus III (nur die rekusative Polarisation eines neutral subordinierten Status wird nach dem gedankenverhältnisausdrückenden Unterordnungsglied realisiert): PROP.: (gan i chwi ddywedydу gwir ni chosbaf chwi) (= „für“ („wegen“) . . .) —

REK.:

------------------------------------------------------------------------------------

gan na ddywedasoch у gwir cosbaf chwi

(Nom inalkonstruktion)

(-■ ,,da, dieweil. . . nicht. . . “) 53

Typus IV {ein Sondertyp: dem gedankenverhältnisausdrückenden Subordinations­ glied {hyd = „bis“) folgt eine rekusative Polarisation, die mit derjenigen des sub­ ordinierten konditionalen bzw. interrogativen Status identisch ist, oder das Subordi­ nationsglied weicht gänzlich dieser rekusativen Polarisation): arhoswch yma {hyd) от ddêl rhywun ( = „bleibt hier, bis jemand kommt“) (Vgl. im übrigen: „Dysgu Cymraeg. V Pumed Llyfr“ (revised by Henry Lewis, Elwyn Davies and Ieuan Williams), Cardiff (University of Wales Press) 1960 (S. 151 ff.); Myrddin Jenkins: “A Welsh Tutor”, Cardiff (University of Wales Press) 1962 (S. 192 ff.); J. Morris Jones: “A Welsh Gram­ mar, Historical and Comparative”, Oxford 1913 (S. 440ff.); Melville Richards: “Cystrawen Y Frawddeg Gymraeg”, Cardiff 1938; Stephen J. Williams: “ Elfennau Gramadeg Cymraeg”, Car­ diff 1959).

Unsere am Beispiel des Kymrischen dargelegten Beobachtungen haben uns Mittel an die Hand gegeben, mit denen wir nun dem Sprachzustand der gotischen Bibel­ übersetzung und der Skeireins zu Leibe rücken wollen.

K A P IT E L II

Gotisch

Im vorigen Kapitel haben wir als Grundlage für unsere Erwägungen über Status und Polarität einen idealen Sprachzustand benutzt, von dessen Geltung als erstrebens­ werter Sprachform einer souveränen und ihren eigenen habituellen Regeln gehorchen­ den Zunge ein jeder sich überzeugen mag, der sich die Mühe macht, nach Pontypridd oder Caerfyrddin zu reisen. Ganz anders verhält sich die Sache, wenn wir uns an das Gotische heranwagen. Die seit dem Beginn des vorigen Jahrhunderts geführte Diskus­ sion darüber, inwieweit „die gotische Bibelübersetzung gotisch sei“ oder nicht, geht immer noch weiter und scheint geradezu ein beliebtes Steckenpferd der Philologen geworden zu sein. So gut wie jedes Werk und fast jeder Artikel, der die gotische Sprache oder grammatische und syntaktische Probleme derselben behandelt, gibt in weiterem oder beschränkterem Ausmasse seinen Beitrag zu dieser Diskussion, und in nahezu jeder Notiz über gotische Einzelerscheinungen schimmert die Debatte durch. Bevor wir an die eigentliche Besprechung des Hervortretens der Status- und Polari­ tätserscheinungen im Gotischen herangehen, sehen wir uns veranlasst, auf die bisheri­ gen Ausführungen über die „Echtheit“ der gotischen Sprache, wie sie im beschränkten Untersuchungsmaterial der der Nachwelt überlieferten Teile der Bibelübersetzung Wulfilas und der Bruchstücke der Skeireins vorliegt, ganz kurz einzugehen, um dann später diesen Sprachzustand im Vergleich zum Idealbeispiel des Kymrischen zu charakterisieren. Es sei von vornherein bemerkt, dass wir den bisher geführten Mei­ nungsaustausch über die Souveränität oder Nicht-Souveränität des Gotischen als im wesentlichen unnütz und unfruchtbar betrachten; besonders grell wird die Ausein­ andersetzung bei denjenigen Kontrahenten, die auf der einen Seite für eine gänzliche Beflecktheit durch das Griechische oder auf der anderen Seite für eine vollständige Selbständigkeit (bzw. „Reinheit“) des gotischen Sprachtextes fechten. Unnütz sind die Ergebnisse einer derartigen kategorischen wissenschaftlichen Einstellung, die letzten Endes in einer gewissen Voreingenommenheit wurzelt, die dann entweder eine völlige Treue der heiligen Vorlage gegenüber oder aber eine bewundernswerte stilistische bzw. idiomatische Eigenständigkeit des Germanischen beweisen will31; 3i So kommt zum Beispiel George O. Curme in seinem Artikel “Is the Gothic Bible Gothic?** (The Journal of English and Germanic Philology, Volume X, No. 1, Urbana, 111., U.S.A. 1911) zum Ergebnis “that Wulfila uniformly wrote idiomatic Gothic and that his language is just as good Gothic where it conforms closely to the Greek as where it deviates widely’’ (S. 162). Dieser Schluss ist als das Resultat eines mystischen Sichhineinlebens in den gotischen Text aufzufassen. Der mit der geistigen Vertiefung des Betrachters eines Kunstwerkes zu vergleichende

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unnütz, weil sich auch bei der Beurteilung von selbst ausserordentlich kurzen und einfachen Satzgefügen oft bei weitem nicht genug beweisen lässt. Unfruchtbar, weil wir praktisch nur eine grossenteils zerbröckelte Übersetzung der Evangelien und der Episteln vor uns haben und uns die habituelle gotische Sprache auf immer verborgen und unkontrollierbar bleibt. Schon Zahn32 legt im Jahre 1805 in seiner Ausgabe des Ihreschen Textes des Codex Argenteus die entscheidende Grundlage der ganzen Problemstellung. Sein offenbar ungewollter Beitrag zum unvorhergesehenen nachfolgenden Streit ist eigentlich als ein unbefangenes Pro et Contra aufzufassen - ein gesunder Standpunkt der Mitte, den man klüglich hätte unwidersprochen stehen lassen sollen. Unter den Überschriften „Ob die Sprache im Codex Argenteus Gothisch sey oder nicht?“ (S. 26) und „Hat Ulfilas aus dem Griechischen oder Lateinischen übersetzt?“ heisst es S. 30 in seiner historisch-kritischen Einleitung: „Ulfila ist nur in so weit dem griechischen Muster treu geblieben, als es die Gesetze der eignen (goth.) Sprache erlaubten“ . . . „Alles ist bei ihm wörtlich treu, so lange es die Regeln seiner Sprachlehre und den Wohllaut nicht dadurch beleidigen musste“ . S. 32 schreibt er zu den Stellen Luk. 1,3, Luk. IX, 50, Luk. XIX, 22 und Luk. V, 3: „Was sind diese angeführten Stellen anders, als spätre in Italien nach dem Lateinischen gemachte Interpolationen, von denen der erste Uebersetzer selbst nichts wusste?“ . S. 36 fährt er aber folgendermassen fort: „Ulfilas folgt seinem griechischen Original von Wort zu Wort nach, und behält sogar treu die griechische Wortfolge bei, so lange es, ohne die Regeln seiner Sprach­ lehre und seinen Wohllaut zu verletzen, geschehen kann, so dass zuweilen bei seiner Treue die Deutlichkeit leidet. Er umschreibt oder übersetzt mit gewissenhafter Ängstlichkeit jedes Wort richtig und genau, und da, wo es fehlt, welches jedoch selten geschieht, verstand er entweder sein Original nicht und las falsch, oder seine Sprache wollte sich demselben nicht anschmiegen.“ In seiner Grammatik bemerkt er folgendes zur Stellung der gotischen Partikel ni: „Eben so seltsam ist der Gothe in seiner Wortfolge, wenn das Wort ni, nicht, vorkommt. Ganz ohne Regel, wie es scheint, bloss des Wohllauts wegen, wirft er dasselbe bald hie bald dort hin, um durch Mystizismus wird S. 151-152 offen zugestanden: “Impelled by some strong, mystic force this feeling has always sought to penetrate beneath the surface and outward appearance of things. While the intellect tried to grasp logical forces and grammatical laws, it tried to comprehend the whole by feeling it. Thus in the course of these studies many attempts have been made to feel the way to the meaning of the Gothic forms just as we feel our way into the riches of a modern masterpiece.“ 32 Ulfilas Gothische Bibelübersetzung, die älteste Germanische Urkunde, nach Ihre’ns Text, mit einer grammatisch-wörtlichen Lateinischen Uebersetzung zwischen den Zeilen, samt einer Sprachlehre und einem Glossar, ausgearbeitet von Friedrich Karl Fulda, das Glossar um­ gearbeitet von W. F. H. Reinwald, und den Text, nach Ihre’ns genauer Abschrift der silbernen Handschrift in Upsal, sorgfältig berichtigt, die Uebersetzung verbessert und ergänzt, auch mit Ihre’ns Lateinischer Uebersetzung neben dem Texte, und einer vollständigen Kritik und Erläuterungen in Anmerkungen unter demselben, samt einer historisch-kritischen Einleitung versehen, herausgegeben von Iohann Christian Zahn, Weissenfels/Leipzig 1805.

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die Stellung desselben seine Perioden runder und wohl tönender zu machen. Von den vielen Beweisen dieser Behauptung, welche man fast auf allen Seiten des Textes finden kann, führe ich nur Joh. 6,22 an. thatei mith ni quam siponjam, steht offenbar für thatei ni quam mith siponjam, und ist, wie ich glaube, wohllautender dabei. Diese Bemerkung giebt auch vielleicht der Stelle Joh. 14,11 das beste Licht.“ (Welcher von den beiden Sätzen das beste und wohlklingendste Gotisch vertritt - das wird man weder beurteilen können noch dürfen. Dass Zahn für die erstere Partei ergreift, ist wohl einfach dem subjektiven Urteil seines deutschen Sprachgefühls zuzuschreiben. Wenn aber ein so einfacher Satz in die Überlegungen über wohlgepflegtes Gotisch contra Hudel-Gotisch einbezogen wird, hört für uns jede Diskussion auf). So weit der Wegbereiter Zahn - und weiter ist man bis heute nicht gekommen: Der gotischen Sprache wird eine nicht geringe Unabhängigkeit gewährt, andererseits mache sich eine nicht unabweisbare Treue der griechischen Wortfolge gegenüber deutlich geltend. Was nicht richtig mit dem griechischen Original übereinstimmt, müsse auf Missver­ ständnissen oder Verlesungen des Übersetzers beruhen, oder die später in Italien auf­ tretenden ostgotischen Abschreiber werden dafür verantwortlich gemacht, weil sie in der Zwischenzeit Gelegenheit hatten, das Lateinische, nicht zuletzt in biblischer Aus­ formung, zu pflegen. Das steht aber alles ein für allemal in den umfangreichen und bis in die kleinsten Details gehenden meisterhaften Untersuchungen G.W.S. Friedrichsens33ab aus den Jahren 1926 und 1939 zu lesen. Als zweiter, der die Sprache des gotischen Textes beurteilt, ergreift Castiglione*34 im Jahre 1819 das Wort; sein innerhalb der Wulfila-Forschung fast herostratisch be­ rühmtes, der Sprache des Gotenbischofs jede Selbständigkeit absprechendes Urteil lautet folgendermassen: „Tanta vero religione usus est Ulphilas, quae numquam eum sineret sacri autographi oblivisci. Graecum ergo exemplar totidem saepe verbis interpretatus est, obscurum obscure vertit, ambiguum in ambiguitate reliquit, syntaxim ipsam collocationemque verborum servavit; ita ut in ulphilano libro g rae cu m ha b e as t e x t u m goth ici s q ui de m v oc ab ul is co n v est itu m , borealibus tarnen idiotismis plane carentem. Quare et nostra gothici exemplaris latina interpretatio minus fere ad Ulphilam accedit quam ipse graecus contextus“ (S. XX). Aus den weiteren Erwägungen Castigliones in dieser Einleitung zu den von Angelo Mai aufgefundenen Ambrosianischen Bruchstücken geht aber hervor, dass der Verfasser diese Übersetzungstechnik berechtigt findet, da Wulfila daran gelegen sei, das göttliche Wort des heiligen Textes möglichst treu wiederzugeben. In deutlichem Gegensatz zu diesem Urteil Castigliones steht in ebendemselben Jahre in der ersten Ausgabe der Deutschen Grammatik von Jacob Grimm (S. XLVI) зза G w . S. Friedrichsen: “The Gothic Version of the Gospels, A Study of its Style and Textual

History” . Oxford University Press, London 1926. ззь G. W. S. Friedrichsen: “The Gothic Version of the Epistles, A Study of its Style and Textual History” . Oxford University Press, London 1939. 34 Ulphilae partium ineditarum in Ambrosianis palimpsestis ab Angelo Maio repertarum specimen coniunctis curis eiusdem Maii et Caroli Octavii Castillionaei editum. Mediolani 1819.

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eine kurze Bemerkung zur Biegsamkeit der Sprache Wulfilas: dessen Übersetzung sei gelehrt und treu, aber mit Rücksicht auf die Eigentümlichkeit des Gotischen, wie sich leicht beweisen lasse; sie wisse feine Beziehungen des Urtextes zu unterscheiden und glücklich zu bezeichnen; selbst abstrakte Sätze (man sehe den Brief an die Römer) fügen sich so ohne Zwang in die gotische Rede35. Sechzehn Jahre später findet Castiglione in A. F. Ribbeck36 einen Gesinnungsge­ nossen, als dieser sich (S. 40 ff.) über diejenigen Stellen bei Zahn hermacht, wo der letztere dem gotischen Bibeltext des Codex Argenteus eine gewisse Unabhängigkeit von der griechischen Vorlage eingeräumt hatte. Ribbeck hält die gotische Sprache für gänzlich korrumpiert: „Eine Hauptschwierigkeit für die Auffassung des der gothischen Sprache eigenen syntaktischen Gebrauchs entsteht begreiflicherweise aus der knechtischen Treue*, mit welcher Wulfila seinem griechischen Texte folgt. Wo er daher in auffallenden Constructionen mit den griechischen übereinstimmt, wird man immer zweifelhaft sein können, ob man es nur mit einer gräcisierenden Sprachverrenkung oder mit einer wirklich deutschen Ausdrucksweise zu thun hat, so lange nicht das Vorkommen d e rs e l b e n Satzform in völliger U n a b h ä n g i g k e i t vom Griechi­ schen ihr das deutsche Bürgerrecht sichert.“ . . . „Er folgt hier dem griech. Vorbilde so durchaus knechtisch Wort für Wort, dass es in der That mit einem Wunder hätte zugehen müssen, wenn die gut griechische Wortfolge auch eine gut gothische ge­ blieben und nicht die ärgsten Verrenkungen auch für das Gefühl damaliger Leser entstanden wären.“ Im Jahre 1843 erfährt die von Castiglione und Ribbeck verfochtene, kategorische Auffassung des gotischen Bibeltextes als eines sprachlich verrenkten und zum Teil noch dazu misslungenen Abbildes der Sprache der griechischen Vorlage gerechte Gegenrede, und zwar in J. Loebes Prolegomena zu dem ersten Bande der von ihm und H.D.v.d. Gabelentz besorgten Wulfila-Ausgabe (S. XXV-XXVI)37. Dieser objektive und

35 Jacob Grimm: „Deutsche Grammatik“, I. Ausgabe, Göttingen 1819. 36 A. F. Ribbeck: „Syntax des Ulfila“, Germania, Neues Jahrbuch der Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache und Alterthumskunde, hrsg. von v.d. Hagen („Berliner Germania“), Erster Band, Berlin 1836. * Vgl. hierzu die sich 61 Jahre später von jenseits des Atlantik erhebende und fast gleichlautende, den Stand der gotischen Bibelsprache stark herabwürdigende Stimme: “ For the study of wordorder, Wulfila is of little value, owing to the slavish way in which he followed the Greek order.” (George H. McKnight: “The Primitive Teutonic Order of Words” , The Journal of Germanic Philology, Volume I, Bloomington, Ind., U.S.A. 1897 (S. 147)). 37 Ulfilas. Veteris et Novi Testamenti Versionis Gothicae Fragmenta quae supersunt ad fidem codd. castigata latinitate donata adnotatione critica instructa, coniunctis curis ediderunt H. C. de Gabelentz et Dr. J. Loebe, Lipsiae 1843. (In den Jahren 1843 und 1846 folgen noch: Ulfilas. Veteris et Novi Testamenti Versionis Gothicae Fragmenta quae supersunt ad fidem codd. castigata latinitate donata adnotatione critica instructa cum glossario et grammatica linguae gothicae, coniunctis curis ediderunt H. C. de Gabelentz et Dr. J. Loebe. Voluminis II pars prior. Glossarium linguae gothicae continens. Voluminis II pars posterior. Grammaticam linguae gothicae continens, Lipsiae 1843/46.)

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nüchterne Einschlag eines wirklichen Kenners des Gotischen sowie des Griechischen gibt der Sprache Wulfilas, was ihr mit Fug und Recht an eigener Physiognomie zu­ kommt, in vollem Masse wieder. Zusammenfassend heisst es S. XXVIII: „Maximam autem ex comparatione interpretationis nostrae utilitatem nasci ad restituendam textus graeci integritatem nemo adhuc negavit: quamquam enim non pauca enumeravimus loca, in quibus Ulfilas sive per errorem, sive de consulto a graecis discessit, et permulta etiam alia sunt, ubi eum sermonis gothici ingenium a diligentiore graecorum imitatione avocavit; tarnen versionem nostram primo omnium loco ponere non dubitamus, propterea quod non solum fidissime graeca reddidit, sed etiam quia nulla alia lingua graecae propius cognata, nulla magis idonea est, quae textus graeci tanquam imaginem exprimat, quam gothica.“ Von jetzt an nimmt die im vorigen Jahrhundert in erster Reihe auf deutschem Boden geführte Diskussion über die Souveränität oder Nicht-Souveränität der gotischen Sprache zu, ein Streit, der sich in den siebziger Jahren besonders lebhaft entfaltet und um die Jahrhundertwende seine von einer fast einmaligen Heftigkeit gekennzeichnete Kulmination erreicht38. Bei jeder sprachwissenschaftlichen Beurteilung der Verfassung des gotischen Textes ist es vor allem von Wichtigkeit, dass man bei der Wertung jeder einzelnen Periode, jedes einzelnen Satzes, jedes einzelnen Wortes niemals ausser acht lässt, dass der Text, den wir vor uns haben, einen ganz bestimmten Charakter hat: er ist eine Über­ setzung. Und zwar keine Übersetzung wie jede beliebige andere, sondern eine Bibel­ übersetzung. Ganz allgemein ist eine Übersetzung, die sich das Ziel setzt, der Vorlage möglichst wortgetreu zu bleiben, von vornherein dazu bestimmt, als schlecht oder kaum besonders wohlgelungen zu gelten. Eine Übersetzung dagegen, die sich er­ quickende stilistische Freiheiten erlaubt oder besonderen Wert auf eine idiomatische Wiedergabe legt, wird in der Regel als wohlgelungen empfunden werden, insofern sie dabei nicht die Grenze des Erlaubten überschreitet - sie bleibt aber der Vorlage weniger treu. Eine Bibelübersetzung wird immer in dem Sinne an die Vorlage be­ sonders gebunden sein, dass das heilige Original verpflichtend ist. In unserem Zusam­ menhang kommen die Feststellungen des Bibeltextkritikers Hans Freiherr von So­ den39 nun äusserst gelegen: „Der Grad des Gräzisierens - alle Bibelübersetzungen graezisieren - wird dem Sprachkolorit der verschiedenen Gemeinden entsprochen haben; und wie Gräzismen und sonstige Wörtlichkeiten einerseits in dem Mass aus­ geschieden wurden, als man das griechische Original vergass, so drangen sie anderer­

es Eine ausgezeichnete und fast vollständige Übersicht und Wertung der betreffenden, bis 1901 geführten Diskussion über den Wulfila-Text findet sich bei H. Stolzenburg: „Die Übersetzungs­ technik des Wulfila untersucht auf grund der bibelfragmente des Codex argenteus“ , Zeitschrift für deutsche Philologie, XXXVII. Bd., Heft 1, Halle a.S. 1905 (S. 145-165). 39 Hans Freiherr von Soden: „Das lateinische neue Testament in Afrika zur Zeit Cyprians“ (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur, Dritte Reihe Dritter Band), Leipzig 1909.

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seits in dem Masse ein, als man aus den bruchstückweisen und lokalen Interpretatio­ nen eine vollständige und einheitliche, das Original zu ersetzen fähige Übersetzung zu gewinnen bemüht war.“ (S. 130-131). „Man würde den gräzisierenden Formen von к ohne Einschränkung das höhere Alter zusprechen, wenn davor nicht die Beobach­ tung warnte, dass к bis ins Fehlerhafte, ja Unmögliche hinein gräzisiert.“ (S. 121). Das letztere gilt bekanntlich in ganz besonderem Grade für die gotische Bibel. Was ist wohl im ganzen Wulfila-Text griechischer als eben der zweite Korinther­ brief? Was bei einer sprachlichen Wertung einer Bibelübersetzung, der gotischen sowie jeder anderen, von besonderem Belang sein muss, ist also weniger, was sprachlich gewöhnlich, sondern vielmehr, was sprachlich möglich ist: Im Gegensatz zu unserem kymrischen Ausgangspunkt haben wir es in der gotischen Bibelübersetzung, wie in jeder anderen Bibelübersetzung, mit einer Extremsprache zu tun. Hierbei ist es auf der anderen Seite für jede Erwägung über den Stand der Sprache des gotischen Bibeltextes höchst belangreich, dass man sich die nicht zu unter­ schätzende, schon von Fr. Kauffmann40 zu Papier gebrachte Annahme vor Augen hält, dass die Sprache des zur Zeit Wulfilas auf dem Balkan ansässigen germanischen Gotenvolkes sicherlich ohnehin einem starken griechischen Einfluss ausgesetzt gewesen sei, und dass der Kolonialschriftsprachtyp der sich zwei Jahrhunderte nach der Übersetzung des Chrysostomos-Textes durch Wulfila in Italien befindlichen Völkerwanderungsgruppe reichlich Zeit dazu gehabt habe, sich späterhin in kaum erstaunenerweckendem Ausmasse romanisieren zu lassen. (Übrigens ist es wohl mm allgemein anerkannt, dass der kaum fuglos als arianisch anzusehende Wulfila sowohl den Chrysostomos-Text als auch die Itala gekannt hat41.) Wenn wir den Sprachzustand des gotischen Bibeltextes unter diesem Gesichtspunkt betrachten - als den Kolonialtyp des germanischen Völkerwanderungsstammes par

40 Fr. Kauffmann: „Das problem der hochdeutschen lautverschiebung“, Zeitschrift für deutsche Philologie, XXVI. Bd., Heft 1, Berlin/Stuttgart/Leipzig 1914 (S. 340: „Aber auch der sprach­ zustand der Westgoten, wie wir ihn aus ihren alten denkmälern kennen lernen, ist kein rein volkstümlicher mehr. Auf den Wortschatz geprüft, hinterlässt er den eindruck der Sprach­ mischung, der durch die merkmale des satzbaus und des lautvorrates verstärkt wird.“ S. 341: „Nach längerem aufenthalt im abendland sind die Goten schliesslich der romanisierung erlegen und haben im 6. jh. unverkennbare Symptome einer italienisierung ihrer spräche hinterlassen (urkunden, Salzburg-Wiener hs.)“). 41 L. L. Hammerich: “An Ancient Misunderstanding (Phil. 2,6 ‘robbery’)” , Historisk-filosofiske Meddelelser udgivet af Det Kongelige Danske Videnskabernes Selskab, Bd. 42, Nr. 4, Kopen­ hagen 1966, S. 7: “Wulfila was a learned man, very well versed in the Constantinopolitan theology of his time, not without knowledge of the Itala and some Latin Fathers.” (Vgl. hierzu A. G. van Hamel: “ Gotisch Handboek” , Haarlem 1923, S. 11: „Daar Wulfila naar alle waarschijnlijkheid zieh van een voorbeeld bediende, waarin een Grieksche en een Latijnsche tekst van het N. T. naast elkaar stonden, kan ook een Latijnsche tekst een zekeren invloed op zijn werk gehad hebben. Dat moet dan de Oudlatijnsche „Itala“, niet de jongere „Vulgata“ geweest zijn.“)

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excellence42 -, eröffnen sich unübersehbare Perspektiven.Wir haben dann allen Grund, die gotische Bibelübersetzung als eine wohlgelungene Arbeit zu betrachten, und wir dürfen mit Massmann43 annehmen, mehr als irgend eine andere Sprache sei es un­ bedingt die gotische, welche gleichzeitig und mit tieferen Mitteln der Wortableitung, des Wurzelzusammenhangs und des Satzbaus begabt, ohne sich selbst Gewalt antun zu müssen und somit ihren Zweck zu verfehlen, Wort für Wort den griechischen Text der heiligen Schriften treu zu begleiten und wahrhaft wiederzugeben vermöchte. Diese Hervorhebung des Philologen Massmann von der „anschmiegenden Treue und verständigen Gewissenhaftigkeit der gotischen Übersetzung“ dem griechischen Originale gegenüber Hesse sich glänzend mit der von einem der grössten Sprach­ forscher unseres Jahrhunderts in bezug auf jede sprachwissenschaftliche Behandlung des gotischen Textes formulierten Zielsetzung vereinbaren: „II est naturel que l’interprétation du gotique ait commencé par une confrontation minutieuse du texte avec son modèle grec. Mais ce travail philologique, méritoire et nécessaire, ne tient pas lieu d’une description linguistique. La täche de cette description consistera à prendre pour objet non une traduction, mais une langue. Quand on aura fermement établi ce principe que le gotique doit être étudié et analysé pour lui-même, la condition première sera acquise d’une description qui atteindra la syntaxe gotique, non le revétement gotique d’une syntaxe grecque.“ (E. Benveniste: «La conjonction ei dans la syntaxe gotique», Bulletin de la Société de linguistique de Paris, 47. Bd., Paris 1951 (S. 56)). Unter diesem Gesichtspunkt wollen wir uns jetzt dem eigentlichen Thema unserer Untersuchung zuwenden.

42 Vgl. Hugo Gering: „Über den syntactischen Gebrauch der Participia im Gotischen“, Zeit­ schrift für deutsche Philologie, Fünfter Band, Halle 1874 (S. 431: „Was die anwendung der participia betrifft, so hat sich Vulfila im allgemeinen seiner Vorlage mit grösster treue ange­ schlossen, sodass häufig, wie in einer interlinearversion, wort für wort dem griechischen texte genau entspricht. Es ist jedoch in diesem umstände kein beweis für sklavische abhängigkeit des Übersetzers von seinem original zu erblicken, vielmehr ist der einfache grund davon der, dass die griechische und gotische spräche, wie sie zeitlich neben einander bestanden, so auch in ihrem ganzen Charakter eine grosse ähnlichkeit hatten.“). 43 Vgl.: Ulfilas. Die heiligen Schriften alten und neuen Bundes in gotischer Sprache, hrsg. von H. F. Massmann, Stuttgart 1857 (S. I f.).

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K A PITEL III

Status und Polarität im Gotischen

„Das Verbum ist das Leben des Satzes“ . So drückt sich ein armenischer Grammatiker sentenzhaft aus44. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass eine Behauptung, die einen bestechenden Gedanken in der treffenden Einkleidung eines Sprichwortes aus­ drückt, oft nur die halbe Wahrheit aussagt. Eine strengere wissenschaftliche Formu­ lierung hat die Guliansche Sentenz bei Antoine Meillet (opus cit. 1 Bd. II, S. 4) ge­ funden: «И у a deux espèces de mots essentiellement differentes: le verbe qui sert à énoncer des procès: il mange, il vient, il repose, il verdit, il existe, etc., et le nom, qui sert à énoncer des notions: homme, roi, Pierre, chien, maison, nourriture, venue, repos, vert, tout, existence, etc. - Suivant que le prédicat est nom ou verbe, la phrase est nominale ou verbale, c’est à dire qu’elle sert à énoncer une notion ou un procès.» Dieses ‘postulat choquant’, wie sich Louis Hjelmslev hätte ausdrücken können, möchten wir mit einem ganz geläufigen Beispiel aus der Alltagssprache zurückweisen: „Und ich zur Tür hinaus, blitzschnell in die erste beste Strassenbahn, im Hui die siebzehn Stufen meiner Wohnung hinauf und - mir nichts dir nichts - eins hinter die Löffel!“ Hier ist kein einziges Verbal, es sei finit oder infinit, vorhanden, an Prozessen fehlt es aber keineswegs - das Leben und die Handlung in der beschriebenen Situation werden sogar durch das Fehlen der Verba besonders plastisch hervorgehoben. Derartige Sätze wie der eben vorgeführte sind in der gotischen Bibel verhältnismässig selten. Abgesehen von verschiedenen Interjektionen und Vokativen nebst satzvertretenden Erwiderungswörtern (jai, ne) sind verballose Sätze ziemlich gering an Zahl, und wo sie auftreten (so besonders in den paulinischen Briefen), sind sie als Bestrebungen aufzu­ fassen, bei der Übersetzung den in dem griechischen Original vorliegenden Nominal­ sätzen oder formelhaften Ausdrücken möglichst getreu zu bleiben. Solche Satztypen sind als Sonderfälle (zumeist elliptischen Charakters) zu betrachten, die sich mittels einer satzsemantischen Analyse ohne Schwierigkeiten in eine Klassifikation von Statusformen oder konstitutionellen Sätzen einreihen lassen. Der Hauptteil des Satzinventars des vorliegenden gotischen Textes ist mit dem „Lebensnerv“ eines Satz­ verbals versehen und wird somit das wesentliche Material für unsere Erwägungen bilden. 44 Kevork H. Gulian: “ Elementary Modern Armenian Grammar”, New York (Library of Con­ gress Catalog Card No. 54-11490) (S. 20).

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I. DER NEUTRAL ENUNTIATIVE STATUS In diesem Status ist nur in einem Fall von einer expliziten Polarität die Rede, und zwar wo das Satzverbal die 3. Person Sing. Präs. Ind. von wisan (= „sein“) ist. Hier steht das propositive ist dem rekusativen nist gegenüber. Wir unterscheiden bei der Behandlung solcher Sätze zwischen zwei semantischen Hauptkategorien*: A. Solche Sätze, wo von der reinen Existenz oder von Vorhandensein (bzw. von einer Nicht-Existenz oder Nichtvorhandensein) die Rede ist: ist / nist haben hier die Funktion eines Verbum substantivum. Ein entsprechendes Polaritätsverhältnis ist uns in dieser Verbindung aus anderen Sprachen bekannt. (Vgl. türk. var:yok; ung. van : nines; russ. есть: нет ( + Gen.); poln. je s t: nie та ( + Gen.); lit. yrà (ësti) : nèrà u.ä.) jah anþar ist manag (Mark. VII, 4), ainis þus wan ist (Mark. X, 21), þanuh ist þus hauhiþa faura þaim miþanakumbjandam þus (Luk. XIV, 10), jah nauh stads ist (Luk. XIV, 22), nauh ainis þus wan ist (Luk. XVIII, 22), fraujin þaurfts þis ist (Luk. XIX, 34), ist magula ains her (Joh. VI, 9), iþ ist biuhti izwis I ei ainana izwis fraletau in pasxa (Joh. XVIII, 39).

propositiv :

maizei þaim anþara anabusns nist (Mark. XII, 31), jah nist anþar alja imma (Mark. XII, 32), maiza in baurim qinono praufetus Iohanne þamma daupjandin ainshun nist (Luk. VII, 28), nist hindar uns maizo fim f hlaibam jah fiskos twai (Luk. IX, 13), jah inwindiþa in imma nist (Joh. VII, 18), nist Judaius nih Kreks, nist skalks nih fr eis, nist gumakund nih qinakund (Gal. III, 28), jah wiljahalþei nist at imma (Eph. VI, 9), jah nist wiljahalþei at guda (Kol. 111,25).

rekusativ :

B. Solche Sätze, in denen die 3. Person Sing. Präs. Ind. von wisan die Funktion eines Prädikatsvermittlers hat. Ein ähnliches PolaritätsVerhältnis tritt in anderen Sprachen deutlich zu Tage. (Vgl. türk. -dir/-dir/-dur/-dür: degil(dir); lit. yrà : nêrà; tschech. j e : neni; klassisch, neupers. ä s t: nist; Cockney is : ain't u.ä.) iþ þata managizo þaim us þamma ubilin ist (Matth. V, 37), bi sunjai gudis sunus ist sa (Matth. XXVII, 54), azitizo ist ulbandau þairh þairko neþlos galeiþan, þau gabigamma in þiudangardja gudis galeiþan (Mark. X, 25), jah auk razda þeina galeika ist (Mark. XIV, 70), Johannes ist namo is (Luk. I, 63), all mis

propositiv :

*

Es sei b eilä u fig d a ra u f au fm erk sam g em ach t, dass im sp rach lich en A u sd ru ck d ie G ren ze z w i­ sch en d en b eid en betreffen d en K a teg o rien in den v ersch ied en en S p rach en u n tersch ied lich g e zo g en w ir d :

1) (Ausdruck der Existenz bzw. des reinen Vorhandenseins:) : chin. yeou span, hay engl. : there is a boy here = frz.: ily a un garçon ici = ung.: itt van fìú está JE izay — a fiú itt van the boy is here le garçon est ici es\está the boy is good = le garçon est bon = afiú /-r/jó 2) (Й

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atgiban ist fram attin meinamma (Luk. X, 22), þata auk leik meinata Ы sunjai ist mats jah þata bloþ mein bi sunjai ist draggk (Joh. VI, 55), умfuls ist, fidurdogs auk ist (Joh. XI, 39), jah auk u f waira qens at libandin abin gabundana ist witoda (Röm. VII, 2), jah þan sums gredags sumzuþ-þan drugkans ist (1. Kor. XI, 21), sa stikls so niujo triggwa ist in meinamma bloþa (1. Kor. XI, 25), ak so wairþida unsara us guda ist (2. Kor. III, 5), iþ ainhwarjammeh unsara atgibana ist ansts bi mitaþ gibos Xristaus (Eph. IV, 7), Seina fairguni ist in Arabia (Gal. IV, 25), iþ unsara bauains in himinam ist (Phil. 1П, 20), jah is ist haubiþ leikis (Kol. I, 18), þata auk ist m l ja gudis (1. Thess. IV, 3), aþþan leikeina usþroþeins du fawamma ist bruks, iþ gagudei du allamma ist bruks (1. Tim. IV, 8), Lukas ist miþ mis ains (2. Tim. IV, 11), so ist weitwodei sunjeina (Titus, I, 13), sa iupaþro qimands ufaro allaim ist (Skeir. IV, b) und an vielen anderen Orten. nist siponeis ufar laisarja nih skalks ufar fraujin seinamma (Matth. X, 24), nist meina wairþs (Matth. X, 37 und 38), iþ þata du sitan a f taihswon meinai aiþþau a f hleidumein nist mein du giban (Mark. X, 40), nist guþ dauþaize, ak qiwaize (Mark. XII, 27), nist her (Mark. XVI, 6), nist siponeis ufar laisari seinana (Luk. VI, 40), aþþan guþ nist dauþaize, ak qiwaize (Luk. XX, 38), so meina laiseins nist meina (Joh. VII, 16), so weitwodiþa þeina nist sunjeina (Joh. VIII, 13), sa manna nist fram guda (Joh. IX, 16), so siukei nist du dauþau (Joh. XI, 4), nist skalks maiza fraujin seinamma nih apaustaulus maiza þamma sandjandin sik (Joh. XIII, 16), jah þata waurd / þatei hauseiþ / nist mein (Joh. XIV, 24), nist skalks maiza fraujin seinamma (Joh. XV, 20), þiudangardi meina nist us þamma fairhwau (Joh. XVIII, 36), sa nist is (Röm. VIII, 9), nist auk þiudangardi gudis mats jah dragk (Röm. XIV, 17), nist gaþiwaids broþar aiþþau swistar in þaim swaleikaim (1. Kor. VII, 15), jaþ-þan leik nist ains liþus, ak managai (1. Kor. XII, 14), jah nist sildaleik (2. Kor. XI, 14), nist mikil (2. Kor. XI, 15), Xristus izwis nist du botai (Gal. V, 2), wiþra þo swaleika nist witoþ (Gal. V, 23).

rekusativ :

In der gotischen Bibelübersetzung werden neutral enuntiative Statussätze in folgenden Fällen explizite propositiv, wo in der griechischen Vorlage vorkommende, nicht explizite propositivierte finite Verbalelemente durch Umschreibungen mit wisan wiedergegeben werden: A. wo ist die Funktion eines Verbum substantivum hat: ainisþus wan ist ( = потере!) (Mark. X, 21), nauh ainis þus wan ist ( = ^eírcei) (Luk. XVIII, 22), fraujin þaurfts þis ist ( = xpelav exev) (Luk. XIX, 34). B. wo ist als Prädikatsvermittler fungiert: jah auk razda þeina galeika ist ( = ópoiáÇei) (Mark. XIV, 70), all mis atgiban ist ( = яаре800т|) fram attin meinamma (Luk. X, 22), iþ пи gafulgin ist ( = äKpußrj) faura augam þeinaim (Luk. XIX, 42),silba uswahsans ist ( = f|XiKÍav ë/ei) (Joh. IX, 21), ju fuls ist ( = öÇei) (Joh. XI, 39), jah guþ hauhiþs ist ( = èôoÇáo0T|) in imma (Joh. XIII, 31), in þamma hauhiþs ist ( = è8o^áo0r|) atta meins (Joh. XV, 8), batizo ist (= oup póvov aus­ drückt: aþþan ni bi þans bidja ainans, ak bi þans galaubjandans þairh warnda ize du mis (Joh. XVII, 20), nih þan ana þaim hlaibam ainaim seinaizos mahtais filusna ustaiknida, ak jah in þaim fiskam (Skeir. VII, c) (vgl. auch Luk. IV, 4: jah andhof Iesus wiþra ina qiþands: gamelid ist þat/ei ni bi hlaib ainana libaid manna, ak Ы all waurde gudis). Es liegt in der Natur der Sache, dass sich ein engagiertes ni in der Regel auf ein identifikatives Element bezieht, was schon aus mehreren der oben angeführten Beispiele hervorgeht (ni ik . . . , ni bi þans þatain(eí)\ vgl. deutsch „nicht den hättest du wählen sollen“, „nicht mir ist dein Glück zu verdanken“ , „nicht zum selben Resultat wäre ein Naturwissenschaftler gekommen“ , „nicht so ist seine Reak­ tion zu verstehen“ u.s.w.): iþ ni swa sijai in izwis (Mark. X, 43), jah ni swa samaleika was weitwodiþa ize (Mark. XIV, 59), akei ni in þamma garaihtiþs im, iþ sajei ussokeiþ 75

mik / frauja ist (1. Kor. IV, 4), ni swa auk / ei anþaraim iusila, iþ izwis agio, ak us ibnassau (2. Kor. VIII, 13), iþ jus ni swa ganemuþ Xristu (Eph. IV, 20)*. - Zu diesem Material möchten wir noch folgendes Beispiel aus dem Lukas-Evangelium hinzufügen: jah ainshun drigkandane fairni ni suns wili jugg (Luk. V, 39), wo das rekusative Polari­ sationszeichen sich vor ein konstitutionell als identifikativ-absolut zu betrachtendes, zeitlich punktuelles Semantem (suns) verlagert; man vergleiche die dem gotischen ‘suns' entsprechenden deutschen und dänischen Ausdrücke Sofort’ und ‘med det samme\ wo das Identifikative explizite hervortritt. Im folgenden Beispiel bezieht sich ein engagiertes ni sowohl auf in þis wie auf þatainei: þo пи insakana wesun fram Iohanne, ni in þis þatainei / ei fraujins mikilein gakannidedi / ak du gatarhjan jah gasakan þo afgudon haifst SabaiUiaus jah Markailliaus (Skeir. IV, d). Angesichts des letzten Beispiels kann es nicht verwundern, dass ein ganzer untergeordneter Satz in ein rekusatives Engagement eingehen kann, wo­ bei entweder 1) ni + þatj-, ni + þej- fragmentarisch einen zu ergänzenden überge­ ordneten rekusativen Satzinhalt andeuten, oder 2) ein ganz isoliertes ni einen solchen übergeordneten Satzinhalt vertritt: ni þat/ei attan sehwi hwas, nibai saei was fram attin, sa sahw attan (Joh. VI, 46) (vgl. Joh. VI, 26, VII, 22; Röm. IX, 7; 1. Kor. X, 20; 2. Kor. I, 24, III, 5; Phil. III, 12, Phil. IV, 11. 17; 2. Thess. III, 9; Skeir. IV, b) niþe/ei saurgaiþ, ak ei frijaþwa kunneiþ (2. Kor. II, 4) (vgl. Joh. VI, 38, XII, 6) ni I ei aftra uns silbans uskannjaima izwis, ak lew gibandans izwis hwoftuljos fram uns (2. Kor. V, 12) (vgl. 2. Kor. XIII, 7) nu fagino, ni / unte gauridai wesuþ, ak unte gauridai wesuþ du idreigai (2. Kor. VII, 9) Man vergleiche hierzu die beiden Beispiele Röm. IX, 10 und 2. Kor. VIII, 19, wo n iþat-ain einen ganzen Satz vertritt: gahaitis auk waurd þat-ist: bi þamma me la qima, jah wairþiþ Sarrin sunus; aþþan ni þatain, ak jah Raibaikka us ainamma galigrja habandei Isakis, attins unsaris (Röm. IX, 9-10) gah-þan-miþ-sandidedum imma broþar, þizei hazeins in aiwaggeljon and allos aikklesjonSy aþþan ni þatain, ak jah gatewiþs fram aikklesjom miþ gasinþam uns miþ anstai þizai andbahtidon fram uns du fraujins wulþau jah gairnein unsarai (2. Kor. VIII, 18-19) Es bleiben uns nur noch folgende Fälle zu erwähnen übrig, wo ni von ist „geschie­ den“ ist: a) ni mannahun auk ist / saei taujiþ mäht in namin meinamma jah magi sprauto ubilwaurdjan mis (Mark. IX, 39) * Vgl. hierzu in untergeordneten Satzgefügen: þaiþ-þan liþjus allai ni þata samo taui haband (Röm. XII, 4), ei in ugkis ganimaiþ ni ufar þat/ei gameliþ ist / fraþjan (1. Kor. IV, 6), unte og / ibai aufto qimands ni swaleikans, swe wiljau, bigitau izwis (2. Kor. XII, 20).

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b) ni hwashun ist / saei aflailoti gard aiþþau broþruns aiþþau aiþein . . . (Mark. X, 29) c) ni ainshun auk ist manne / saei ni gawaurkjai maht in namin meinamma (Luk. IX, 50) d) ni waihts ist utaþro mans inngaggando in ina / þatei magi ina gamainjan (Mark. VII, 15) e) ni waiht auk ist gahuliþ / þatei ni andhuljaidau / jah fulgin / þatei ni ufkunnaidau (Matth. X, 26) f) so hauheins meina ni waihts ist (Joh. VIII, 54) g) þata bimait ni waihts ist, jah þata faurafilli ni waihts ist (1. Kor. VII, 19) h) ni waiht mis wulþrais ist (Gal. II, 6) i) ni und waiht iusiza ist skalka (Gal. IV, 1) In den Fällen a-d ist vom Verbum substantivum die Rede, in den Fällen e-i ist das Zeichen ist Prädikatsvermittler. Vergleichen wir das hier aufgestellte Satzmaterial mit dem oben andernorts er­ wähnten Beispiel: j) maiza in baurim qinono praufetus Iohanne þamma daupjandin ainshun nist (Luk. VII, 28) Als wichtigstes Ergebnis aller unserer bis jetzt vorgeführten Erwägungen über Status und Polarität können wir jetzt folgendes feststellen: Der Satztyp j ist rekusativ. Das rekusative Polarisationszeichen bezieht sich ne­ gierend auf ainshun, auch wenn dieses in der Subjekt-Stellung steht (im Gegensatz zu den sonst damit zu vergleichenden dänischen und englischen Konstruktionen Чкке . . . nogen', "not . . . anybody'). Dieser got. Konstruktion entspricht eine französische mit ‘personne (Subj.) ne .. Die Satztypen a-i sind propositiv mit negativen universell-generalisierenden Disposi­ tionalien (semantischen Nullfeldern) als Satzgliedern (im vorliegenden Material vorwiegend Subjektfelder, was naturgemäss dem Charakter dieses Materials zuzu­ schreiben ist). (Man vergleiche engl. ‘nobody’, "nothing', ahd. "nioman', "niwiht' u. ä.) Dass sich im Falle "ni waiht' ein derartiges spezifisch negatives Dispositionale heraus­ gebildet hat, geht besonders deutlich aus folgendem Beispiel hervor: waurdam weihan du ni waihtai daug (2. Tim. II, 14), wo die ganze Verbindung "ni waiht' von einer Präposition regiert wird, ohne getrennt zu werden. Die Verbindung "ni und waiht' in unserem Beispiel i) entspricht dem augen­ scheinlich als untrennbar empfundenen Element "und hwa' der Konstitutionsachse. Dieses Element scheint sowohl in räumlicher wie in zeitlicher Bedeutung fungiert zu haben ( = ,,wie weit?“ / „wie lange?“), obwohl es nur (viermal) in der letzteren Bedeutung belegt ist: und hwa at izwis sijau ? und hwa þulau izwis ? (Mark. IX, 19), und hwa siau at izwis jah þulau izwis ? (Luk. IX, 41), und hwa saiwala unsara hahis ? (Joh. X, 24). Hieraus können wir folgende Schlussfolgerung in der Form einer Regeldetri ziehen: 77

Mitglied der Konstitutionsachse: hwa undhwa Negativ universell-generalisierendes Dispositionale: ni waiht ni und waiht, wo ‘ni und waiht’ ( = „in keinem Ausmasse“) vor einem Komparativ im deutschen „um nichts“ sein Gegenstück findet. Das anderswo zu beobachtende Eindringen anderer Präpositionen zwischen den Negator und das negierte Element findet wohl gerade darin seine praktische Erklärung, dass gewisse Verbindungen von Präposition und Konstitutionsachsenmitglied (vor allem hwa) als besonders fest empfunden worden sind. In den entsprechenden negativ universell-generalisierenden Koordinaten tritt demgemäss der Negator vor die Verbindung: Präp. + negiertes Element, wobei dieses Verfahren dann potentiell allgemein verwertbar geworden zu sein scheint: 4ni in waihtaV (Gal. VI, 14; Phil. I, 20.28; Skeir. VII, c), ‘ni du ainaihurí (Luk. IV, 26). Wir sehen keinen Grund, die übrigen Elemente unseres Materials, die der festen Verbindung ‘ni waiht’ ( = „nichts“) entsprechen, von diesem Element formell und funktionell zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang ist es nun von einem gewissen Belang, folgende drei Parallelstellen aus drei verschiedenen Evangelien zu konfrontieren: a) nih allis ist hwa fulginis / þatei ni gabairhtjaidau / nih warþ analaugn, ak / ei swikunþ wairþai (Mark. IV, 22) b) ni auk ist analaugn / þatei swikunþ ni wairþai j nih fulgin / þatei ni gakunnaidau jah in swekunþamma qimai (Luk. VIII, 17) c) ni waiht auk ist gahuliþ / þatei ni andhuljaidau / jah fulgin / þatei ni ufkunnaidau (Matth. X, 26) Es ist hierbei interessant zu bemerken, dass die Anreihung, die in den ersten beiden Fällen durch nih bzw. nih þan zustande kommt, im letzten Fall durch das Element jah etabliert wird (bzw. sich etablieren lässt): zwei propositive Sätze werden aneinander­ gereiht. In seinem Artikel über die Negation im Gotischen (opus cit. 50, S. 68) schreibt Vilém Hurtig als Einleitung zu seinen Ausführungen über die „quantitativen“ Nega­ tionen folgendes: „MySlenka о sobë se nepopírá, ale popírá se platnost’ její vztahem к urðité osobë nebo vëci, к urðité prostore, к urðitému öasu, к urðitému zpúsobu. Teprve poprenim quanta (obvodu, rozsahu platnosti) rusí se také predpokládaný vztah mezi podmëtem a výrokem. Pri torn tfeba liSiti tri zpúsoby negace quantitativné*: 1) ni manna mag 2) ni manna ni mag 3) manna ni mag

oöSeìç 8úvaxai“ .

* (Übers.: „Der Gedanke an sich wird nicht verneint, sondern seine Gültigkeit wird verneint in bezug auf eine bestimmte Person oder auf ein bestimmtes Ding, auf einen bestimmten Raum, auf eine bestimmte Zeit, auf eine bestimmte Art und Weise. Erst durch die Verneinung eines Quantums (des Bereichs bzw. des Umfanges der Gültigkeit) wird auch die vorausgesetzte Be­ ziehung zwischen dem Subjekt und der (Satz)aussage aufgehoben. Hierbei muss man drei Arten von quantitativer Negation unterscheiden*4.)

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Schon die drei ersten Worte der zitierten Einleitung machen klar, dass wir es hier mit einer Behandlung der Negationen zu tun haben, die wie die zuerst von Gebauer51 und Mourek52 zur Ausführung gebrachte und später von Delbrück (opus cit. 49, S. 6-7) mit Dankbarkeit aufgenommene auf die Kantische Kategorientafel schielt. (Das Verfahren wurde allerdings von Delbrück mit anderer Endabsicht benutzt und als für eine historisch-vergleichende Darstellung ungeeignet bezeichnet.) Hurtig unterscheidet wie Gebauer und Mourek zwischen qualitativer und quantitativer Negation, eine Unterscheidung, die durch die Tatsache heillos widersprüchlich wird, dass sich unter den von den Mitgliedern der Konstitutionsachse angegebenen Zonen eine befindet, die die reine Qualität bezeichnet (lat. qualis, got. kwileiks, tschech. jaký, deutsch welcherlei), und die in der Kategorienreihe der negativ universell-generalisierenden Dispositionalia ( = Hurtigs „quantitative“ Negationen) inner­ halb dieser Zone in unzähligen Sprachen vertreten ist (tschech. nijaký (!), deutsch keinerlei). Die drei von Hurtig oben vorgeführten „quantitativen“ Negationstypen haben ausserdem den bedauerlichen Nachteil, dass der mittlere Typus {ni manna ni mag) tatsächlich kein einziges Mal im gotischen Text mit dem Element manna belegt ist (vgl. unten unter Typus II). Hurtigs dreigliedriges Prototypmuster muss demnach als ein bloss gedachtes Idealsystem betrachtet werden, auf das wir als solches gleich in unabecelicher Reihenfolge kurz eingehen werden: Typus I: manna ni mag Der Satz ist rekusativ: das rekusative Polarisationszeichen ni nimmt den dem rekusativen Polarisationszeichen des neutral enuntiativen Status unmittelbar zukommenden präverbalen Platz im Satze ein. Das rekusative Polarisationszeichen hat eine zweifache Rolle: 1) es ist Zeichen der rekusativen Polarisation, 2) es bezieht sich negierend auf den Zonennenner manna. Typus II: ni manna ni mag Der Satz ist rekusativ. Das Subjekt dieses Idealtypus hat die Form eines negativen Dispositionale, das ein semantisches Nullfeld bezeichnet und mit dem rekusativen Polarisationszeichen solidarisch bleibt. Der gotische Typus ist uns z.B. aus den slavischen Sprachen, aus dem Jiddischen und aus dem Cockney-Englischen bekannt {nobody ain't never doing nothing here), wobei ganze Reihen von negativen universell­ generalisierenden Dispositionalien innerhalb desselben rekusativen Satzgefüges 51 I. Gebauer: „Über die Negation, insbesondere im Altböhmischen*’, Archiv für Slavische Philologie, Bd. 8, Berlin 1885. 52 V. E. Mourek: „Über die Negation im Mittelhochdeutschen44, Sitzungsberichte der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, Jahrg. 1902, Bd. XII, Prag 1903. (Zu Gebauer und Mourek gesellen sich noch: M. Knörk („Die Negation in der altenglischen Dichtung41, Kieler Diss. 1907), M. Rauert („Die Negation in den Werken Alfreds44, Diss. Kiel 1910) und Eugen Einenkel („Die englische Verbalnegation44, Anglia (Neue Folge, Bd. 23, 1911)).

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semantische Nullfelder bezeichnen können. Im Gotischen ist dieser Typus zehnmal belegt (aber wie erwähnt kein einziges Mal mit manna): 2mal (a-b) tritt das negativ universell-generalisierende Dispositionale vor, 8mal (e-j) nach dem rekusativen Polarisationszeichen + Satzverbal auf: a) b) c) d) e) f) g) h) i) j)

ni þanaseiþs ni gaman þizos aglons faura fahedai (Joh. XVI, 21) akei nu ni þanaseiþs ni kunnum (2. Kor. V, 16) jah ni andhof imma wiþra ni ainhun waurde (Matth. XXVII, 14) jah ni fraletiþ ina ni waiht taujan at tin seinamma aiþþau aiþein seinai (Mark. VII, 12) [niu andhafjis ni waiht? (Mark. XV, 4) (in einem interrogativen Status)] jah mann ni gataihun in jainaim dagam ni waiht þizei gasehwun (Luk. IX, 36) ni mahtedi taujan ni waiht (Joh. IX, 33) [þatei inuh mik ni maguþ taujan ni waiht (Joh. XV, 5) (in einem untergeordneten Satz)] und hita ni beduþ ni waihtais in namin meinamma (Joh. XVI, 24) [iþ mis ni sijai hwopan ni in waihtai (Gal. VI, 14) (in einem exoptativen Status, vgl. S. 105)]

Typus III: ni manna mag Der Satz ist propositiv mit einem negativ universell-generalisierenden Dispositionale als Subjekt, das ein semantisches Nullfeld bezeichnet (vgl. deutsch niemand kennt ihn, engl, nobody knows him, dän. ingen kender ham). Dabei kann sich im Gotischen der Negator ni auf mehrere Elemente im Satze beziehen: jah anaks insaihwandans ni þanaseiþs ainohun gasehwun (Mark. IX, 8), ni hwanhun aiw rodida manna, swaswe sa manna (Joh. VII, 46), jah ni mannhun skalkinodedum aiw hwanhun (Joh. VIII, 33), jah ni aiw ainshun mag frawilwan þo us handau attins meinis (Joh. X, 29), ni auk manna hwanhun sein leik fijaida (Eph. V, 29) (wo auk sein Recht auf den zweiten Platz im Satze erhält) und an mehreren Orten in anderen Satztypen. Typus III ist nur zweimal mit dem semantischen Nullfeld nach dem Satzverbal belegt: jah a f mis silbin tauja ni waiht (Joh. VIII, 28) [þatei Iohannes gatawida taikne ni ainohun (Joh. X, 41) (in einem untergeordne­ ten Satz)] Nach den bisher angeführten jErwägungen über das gotische ni scheint es nun gerechtfertigt zu sein, die übliche Bezeichnung dieses Elements als „Negation“ schlechthin anzutasten. Wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, hat das Zeichen ni mindestens zwei Hauptfunktionen, die nur schlecht denselben Namen tragen können: es ist entweder 1) rekusatives Polarisationszeichen (mit etwaigen Sonderaufgaben oder Nebenfunktionen) oder 2) Negator (Konstituent negativer universell-generalisierender Dispositionalia). 80

Im folgenden werden wir uns, des eigentlichen Themas unserer Darstellung einge­ denk, auf die Behandlung der ersteren dieser beiden Hauptfunktionen konzentrieren. Bei der Erörterung der oben als Ausgangspunkt benutzten, das Polaritätsverhältnis ist: nist verpfuschenden ‘л/ . . . -Sondertypen haben wir durch eine eingehendere Betrachtung jedes einzelnen der besprochenen Typen einen idealen Anlass gefunden, wesentliche, allgemein geltende Kriterien dafür aufzustellen, warum das rekusative Polarisationszeichen aus irgendeinem Grund vom Verbalkern einer jeweilig gegebenen rekusativen Konstruktion wegstrebt. Unsere bisherigen Ausführungen implizieren an und für sich schon zur Genüge, dass der natürliche und zu erwartende Platz des rekusativen Polarisationszeichens direkt vor dem Verbal ist: das rekusative ni ist ausgeprägt präverbal, wo keine besonderen Faktoren dieser Tatsache entgegenwirken. Auf viele belangreiche, und zwar auf die wesentlichsten besonderen Faktoren dieser Art etwas näher einzugehen, hatten wir oben bei der Behandlung der Typen A -F eine natürliche Gelegenheit. Das bisher benutzte Material ist aber nicht ganz aus­ reichend gewesen, um das Bild zu vervollkommnen; es bleibt uns noch übrig, an Hand des sonstigen, im gotischen Text auftretenden rekusativen neutral enuntiativen Satzmaterials folgende, in diesem Zusammenhang relevanten Erscheinungen schema­ tisch vorzuführen: 1) Das rekusative Polarisationszeichen verlagert sich vor ein Element, das ein SiNE(„ohne“)-Semem enthält. Die Erscheinungistaus anderen indoeuropäischen Sprachen bekannt, vgl. deutsch:,,nicht ohne Bedenken habe ich für ihn gebürgt“, „nicht ohne Erfolg ( = nicht vergebens) haben wir für unsere Ideale gekämpft“ : gawaurstwans jaþ-þan bidjandans ni sware anst gudis niman izwis (2. Kor. VI, 1) (vgl. unte ni sware þana hairu bairiþ (Röm. XIII, 4) nih arwjo hlaib matidedum at hwamma (2. Thess. III, 8), wo das rekusative Polarisationszeichen allerdings kraft seiner anreihenden Funktion an den ersten Platz im Satze gebunden ist. 2) Nach einem vorausgehenden untergeordneten Satz tritt zweimal das konklusive Element þauh zwischen das rekusative Polarisationszeichen und das Satzverbal: sa/ei ni andnimiþ þiudangardja gudis swe barn / niþauh qimiþ in izai (Mark. X, 15) iþ weiseis her / ni þauh gaswulti meins broþar (Joh. XI, 32) (in einer Apodosis, vgl. unten Punkt 3). 3) Wenn eine nach einem subordinierten konditionalen Status folgende rekusative Apodosis mit dem konklusiven Element þau versehen ist, tritt in einer solchen Apodosis das Polarisationszeichen ni vor das Element þau, wobei der Komplex ‘л/ þau' satzeinleitend steht und das rekusative Polarisationszeichen sich ziem­ lich weit vom Satzverbal verlagern kann: nibai managizo wairþiþ izwaraizos garaihteins þau þize bokarje jah Fareisaie / ni þau qimiþ in þiudangardjai himine (Matth, V, 20) iþ jabai ni afletiþ mannam missadedins ize / ni þau atta izwar aftetiþ missadedins izwaros (Matth. VI, 15) 6

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iþ jabai jus ni afletiþ / ni þau atta izwar sa in himinam afletiþ izwis missadedins izwaros (Mark. XI, 26) iþ blindai weseiþ / ni þau habaidedeiþ frawaurhíais (Joh. IX, 41) iþ weseis her / ni þau gadauþnodedi broþar meins (Joh. XI, 21) nih wesi sa ubiltojis / ni þau weis atgebeima þus ina (Joh. XVIII, 30) iþ jabai silbans uns stauidedeima / ni þau — (1. Kor. XI, 31) 4) Das Element nauhþanuh scheidet das rekusative Polarisationszeichen vom Satzverbal: ni nauhþanuh galagiþs was in karkarai Iohannes (Skeir. Ill, a) (ad Joh. III, 24) (vgl. Joh. VII, 39: unte ni nauhþanuh was ahma sa weiha ana im / unte Iesus nauhþanuh ni hauhiþs was) Im letzten, in Klammern als Supplement angeführten Beispiel bemerken wir das augenscheinlich gewollte Wechselspiel zwischen ni nauhþanuh und nauhþanuh ni. Ausser in diesem Exempel tritt nauhþanuh dreimal (Joh. VII, 30, Joh. VIII, 20; Röm. IX, 11) in einem rekusativen Satz vor dem Polarisationszeichen ni auf. Das wuchtigere nauhþanuh scheint somit im Verhältnis zum rekusativen Polarisationszeichen eine grössere Beweglichkeit als das oben unter Typus В erörterte nauh gehabt zu haben. Die in demselben Beispiel Joh. VII, 39 zu beobachtende Erscheinung, dass das rekusative Polarisationszeichen vor das Partizip einer durch wisan umschriebe­ nen Verbalform tritt (ni hauhiþs was), muss als echt gotisch betrachtet werden. Das Verfahren ist bekanntlich bei den Verbindungen eines Partizips der Präterito-Präsentia skulan, magan, kunnan mit dem Finitum von wisan konsequent durchgeführt (vgl. oben Typus C). Auch an mehreren anderen Orten sind ähn­ liche rekusative Konstruktionen mit Umschreibungen durch Partizip in Ver­ bindung mit finiten Formen von wisan oder wairþan belegt, wobei die Reihen­ folge ni + Partizip + Verb als echt gotisch anzusehen ist: aþþan nauhþanuh ni gabauranði wesun (Röm. IX, 11) ni gaaiwiskoþs warþ (2. Kor. VII, 14), fram aiwa ni gahausiþ was (Joh. IX, 32) (vgl. hierzu in anderen Satztypen Joh. XII, 5 (ni frabauht was)y Joh. XII, 42 (ni uswaurpanai waurþeina), Joh. XVIII, 36 (ni galewiþs wesjau), Luk. VIII, 27 (ni gawasifis was), Luk. XVII, 18 (ni bigitanai waurþuríj). Entsprechende rekusative Umschreibungskonstruktionen mit nachgestelltem Partizip scheinen lateinischen Entsprechungen nachgebildet worden zu sein (vgl. hierzu die eingehende Darstellung Paul Cebullas in dessen Dissertation „Die Stellung adverbieller Bestimmungen im Deutschen“53, S. 3-8). Nur ganz selten tritt das Element nih als einfaches rekusatives Polarisationszeichen auf. Das gotische nih entspricht in dieser Funktion dem altisländischen ne ( = „nicht“), 53 Paul Cebulla: „Die Stellung adverbieller Bestimmungen im Deutschen“, Inaugural-Disserta­ tion, Breslau 1910.

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von dessen Gegenstück né (— „und nicht“, „auch nicht“) es etymologisch nicht zu scheiden ist: akei nih skama mik (2. Tim. I, 12) {nih hier = griech. ойк) (vgl. hierzu in einem affektiven Status Matth. X, 34 {nih = цт|) sowie das oben andernorts besprochene Beispiel Joh. VI, 38: nih ( = oi>x) þe/ei taujau wiljan meinana) Hiermit dürften wir die Funktionen und das syntaktische Hervortreten des rekusativen Polarisationszeichens unter besonderer Berücksichtigung des neutral enuntiativen Status so gut wie erschöpfend behandelt haben. Es bleibt nur noch übrig, dieje­ nigen neutral enuntiativen Statussätze zu betrachten, die durch die feste Figur ‘nih þan’ bzw. *nip-pan9 eingeleitet werden: a) nip-pan giutand wein niujata in balgins fairnjans, aiþþau distaurnand balgeis, bipeh pan jah wein usgutnip jah balgeis fraqistnand; ak giutand wein juggata in balgins niujans, jah bajopum gabairgada (Matth. IX, 17) b) nip-pan qam lapon uswaurhtans, ak frawaurhtans (Matth. IX, 13) c) nih pan us aihwatundjai trudanda weinabasja (Luk. VI, 44)* d) nip-pan panaseips gadaurstedun fraihnan ina ni waihtais (Luk. XX, 40) e) nih pan ainshun swepauh balpaba rodida bi ina in agisis Iudaie (Joh. VII, 13) f) nih pan auk fram mis silbin ni qam, ak is mik insandida (Joh. VIII, 42) g) nip-pan nauhpanuh qam Iesus in weihsa, ak was nauhpanuh in pamma stada / par ei gamotida imma Marpa (Joh. XI, 30) h) nih pan qam / ei stojau manased, ak / ei ganasjau manased (Joh. XII, 47) i) nih pan rodeip a f sis silbin, ak swa ftlu swe hauseip rodeip (Joh. XVI, 13) j) nip-pan insandida mik Xristus daupjan, ak wailamerjan (1. Kor. I, 17) k) nip-pan mag augo qipan du handau: peina ni parf9 aippau aftra haubip du fotum: iggqara ni parf; ak filu mais pai/ei pugkjand lipiwe leikis lasiwostai wisan / paurftai sind (1. Kor. XII, 21-22) l) nih pan swepauh pai / izei bimaitanai sind / witop fastand, ak wileina izwis bimaitan (Gal. VI, 13) m) nih pan atta ni stojip ainohun, ak staua alia atgaf sunau (Skeir. V, c) (ad Joh. V, 22) * Die Funktion von 'nih pan* ist in der Bibelstelle Luk. VI, 44 ausgesprochen satzanreihend: ni auk us paurnum lisanda smakkans, nih pan us aihwatundjai trudanda weinabasja. Eine ähnliche adjunktive Funktion in anderen Formen von Anreihung weist die feste Figur 'nih pan* ('nip pan*) in folgenden Fällen auf: ni auk ist bagms gods taujands akran ubilf nih pan bagms ubils taujands akran god (Luk. VI, 43); ni waiht nimaip in wigt nih waluns nih matibalg nih hlaib nih skattans, nih pan tweihnos paidos haban (Luk. IX, 3) (vgl. zu diesem Satz: A. M. Sturtevant: “The Imperative Use of the Gothic Infinitive haban in Luke IX, 3“, Modern Language Notes 41, Baltimore 1926 (S. 382 f.)); pannu dulpjam ni in beista fairnjamma, nip pan in beista balwaweseins jah unseieins, ak in unbeistein unwammeins jas-sunjos (1. Kor. V, 8); vgl. hierzu die nur einmal belegte satzanreihende Funktion von 4nip-pan* in einem untergeordneten Satzgefüge 1. Tim. I, 4. 6*

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n) nih pan ana þaim hlaiban ainaim seinaizos mahtais filusna ustaiknida, ak jah in þaim fiskam (Skeir. VII, c) Das gotische 4nih pari / 4nip-pari verhält sich im vorliegenden Satzmaterial folgendermassen zu den jeweils in der griechischen Vorlage auftretenden, entsprechenden satz­ einleitenden Elementen: got. 4nih pari / ‘nip-pari: griech. oí)6è (Beisp. a, c, f), got. ‘nip-pan’ : griech. ob . . . 8è (Beisp. к), got. ‘niþ-þan nauhpanuri: griech. оиясо 8è (Beisp. g), got. ‘nip-pan þanaseiþs’ : griech. ouKéxt 8è (Beisp. d), got. ‘nih pan’ : griech. ou5è yàp (Beisp. 1, m), got. ‘nih pari / 4nip-pari: griech. oi) yàp (Beisp. b, h, i, j). Im Beispiel e scheint der gotische Übersetzer die satzeinleitende Figur souverän, ohne einen in der benutzten Vorlage gegebenen Anlass verwendet zu haben. Es ergibt sich aus dieser zum Vergleich dienenden Übersicht, dass die satzeinleitende Verbindung 4nih pan / 4nip-pan’ teils durch ,,auch nicht44, „denn nicht“, „und nicht“ zu übersetzen ist, teils eine emphatische Funktion hat (vgl. opus cit. 49 S. 44-45). Die satzeinleitende Stellung dieser nicht gemeingermanischen, dem Gotischen eigenen Figur 4nih pari* / 4nip-pari ist als ideal zu betrachten: strategisch beherrscht sie den ganzen Satz, und sie kann von ihrem vorgeschobenen Platz aus die beiden Haupt­ funktionen: 1) die eines Negators, 2) die eines rekusativen Polarisationszeichens mit etwaigen Sonderaufgaben ausüben. In den Beispielen d und e tritt sie als Negator auf, in den übrigen vorgeführten neutral enuntiativen Statussätzen (a-c, f-n) hat sie die Funktion eines rekusativen Polarisationszeichens, wobei in allen Fällen (ausser dem in der Form einer Anreihung auftretenden Beispiel c) dem rekusativen Satz eine durch ak eingeleitete Alternative folgt, welche dann entweder fragmentarisch oder in der Form eines ganzen propositiven Satzes hervortritt. In den Exempeln f und m wird das rekusative Polarisationszeichen ni an dem für dieses zu erwartenden Platz vor dem Satzverbal wieder aufgegriffen, wodurch eine zweifache Rekusativierung zustande kommt. Dies scheint besonders im Beispiel m dadurch gerechtfertigt zu sein, dass sich das rekusative ni hier der zugleich negierenden Funktion in bezug auf das Element ainohun widmet. Im Beispiel f nimmt sich 4nih pari der besonderen engagierten Rolle des rekusativen Polarisationszeichens vor der folgenden propositiven Alternative an, ni wird als einfaches rekusatives Polarisationszeichen vor dem Satzverbal wieder aufgegriffen54. Abgesehen von denjenigen neutral enuntiativen Statussätzen mit einer 3. Pers. Sing. Ind. vom Verbum wisan als Satzverbal, wo eine mit den wenigen oben erwähnten Ausnahmen durchgeführte Polarität is t: nist zutage tritt, gilt im übrigen für das Gotische (im Gegensatz zum Kymrischen), dass sich propositive neutral enuntiative Statussätze von den entsprechenden mit dem Polarisationszeichen ni (seltener nih, nih pan ( . . . ni)) versehenen rekusativen Sätzen dadurch unterscheiden, dass sie 5* Vgl. Alfred Koppitz: „Gotische Wortstellung“, Zeitschrift für deutsche Philologie, XXXII. Bd., Halle a. S. 1900 (s. 433^63) und XXXIII. Bd., Halle a.S. 1901 (S. 7-45), bes. XXXIII. Bd. S. 23-24, wo die betreffende zweifache Rekusativierung erörtert wird.

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durch kein spezifisches propositives Polarisationszeichen gekennzeichnet sind. Hier­ mit sei aber keineswegs gesagt, dass sich neutral enuntiative Statussätze nicht propositivieren lassen. Als propositivierendes Element fällt eines sogleich ganz besonders in die Augen: das 34mal belegte raihtis tritt kein einziges Mal in einem rekusativen Satz auf; nur einmal (Skeir. V, c : anþarana raihtis ni ainnohun stojandan) steht es in einer absoluten Konstruktion direkt vor einem m, welches im betreffenden proposi­ tiven Gefüge die Funktion eines Negators hat. Es übersetzt 14mal griech. yàp;oòyàp wird aber kein einziges Mal durch ni + raihtis wiedergegeben. Vergleiche hierzu C. Marold: „ . . . ; raihts ist = eòGúç, rectus, unser „recht“ ; daraus ergiebt sich von vornherein für raihtis eine bestätigende, bekräftigende Bedeutung. Denn der Übergang aus der lokalen Bedeutung „gerade“ in die übertragene „richtig“ liegt schon in den frühesten Zeiten diesem Worte nicht fern, wie denn das Adverb raihtaba stets die übertragene Bedeutung hat. Dagegen ist raihtis vollständig zu der Bedeutung einer blossen Partikel herabgesunken und hält die Grundbedeutung nur insofern fest, als es dem Satze, den es einleitet, bestätigende Wirkung erteilt“55. Das propositivierende Element raihtis tritt aber als solches in einer ganzen Menge von anderen Satztypen auf, so z.B. einmal in einem konstitutionellen Fragesatz: hwaþar ist raihtis azetizo qiþan: afletanda þus frawaurhteis, þau qiþan: urreis jah gagg? (Matth. IX, 5), wodurch jede Überlegung in bezug auf dessen etwaige spezifische Funktion als Polarisations­ zeichen innerhalb irgendeines bestimmten Status von vornherein ausgeschlossen ist. Wir können sofort ein für allemal feststellen, dass der Modus Indikativ sowie der Modus Optativ unter keinen Umständen als statusetablierend zu betrachten sind. Dies lässt sich einfach aus den zahlreichen, bis jetzt publizierten gotischen Modus­ untersuchungen56 eindeutig folgern: beide Modi kommen in den verschiedensten Satztypen (nicht zuletzt in Nicht-Statusformen) vor, und die Verwendung derselben trotzt allen Zäunen zwischen den gegeneinander abgegrenzten Statusformen. Ein paar illustrative Beispiele mögen, um der Vervollkommnung willen, noch dazu dienen, zu veranschaulichen, wie innerhalb des neutral enuntiativen Status der Optativ neben dem Indikativ seine Funktion ausübt. Hierbei vermengt sich bei der Verwendung des gotischen Präsens Optativ zur Wiedergabe des griechischen Futurs, das dem Gotischen fehlt, innerhalb des neutral enuntiativen Status das Modale dermassen mit dem Temporalen, dass es kaum irgendwo möglich ist, die beiden Funktionen von einem rein gotischen Gesichtspunkt aus mit Sicherheit zu unterscheiden (vgl. hierzu den affektiven Status, S. 99): 55 C. Marold: „Über die gotischen Konjunktionen, welche ouv und yáp vertreten“, Programm des königlichen Friedrichs-Kollegiums zu Königsberg i. Pr., Königsberg 1881 (S. 24). 56 so z.B. E. Bernhardt: „Der gotische Optativ“ (A. Der Optativ im hauptsatze. I. Der wünschende Optativ. II. Adhortativus. III. Optativus potentialis. B. Der Optativ im nebensatze. I. Der optativ in den abhängigen aussage- und fragesätzen. II. Der optativ nach ei (þei, þeei). III. Der optativ im bedingungssatze. IV. Der optativ im relativsatz. V. Der optativ im temporalsatze. VI. Der optativ in vergleichungssätzen), Zeitschrift für deutsche Philologie, 8. Bd., Halle 1877 (S. 1-38).

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jah pan рапа gard is diswilwai ( = Siapnáaai) (Mark. Ill, 27) mis fraweit leitaidau ( = èjioì èKÔÍKrjaiç) (Röm. XII, 19) (Dass èori bzw. ëa ia i zu ergänzen ist, impliziert das daneben stehende dvTarcoSdxHo; dies besagt aber an und für sich nichts Sicheres in bezug auf den Gedankengang des völlig um­ formulierten gotischen Satzes.) jabai hwas wili frumists wisan / sijai (saxat) allaize aftumists jah allaim andbahts (Mark. IX, 35), inuh þis bileiþai ( = KaxaXsixj/Ei) manna attin seinamma jah aiþein seinai, jah sijaina ( = eaovxai) þo twa du leika samin (Mark. X, 7-8), iþ ni swa sijai ( = laxai) in izwis; ak sahwazuh / saei wili wairþan mikils in izwis / sijai ( = ëatai) izwar andbahts; jah sa/ei wili izwara wairþan frum ists/ sijai ( = ëaiai) allaim skalks (Mark. X, 43-44), jah pan gaumjais ( = SiaßXsyeig) uswairpan gramsta pamma in augin broprs peinis (Luk. VI, 42), qipais ( = èpeîç) пи: usbruknodedun astos / ei ik intrusgjaidau (Röm. XI, 19) u.s.w. Das Präteritum des Optativs findet sich innerhalb des neutral enuntiativen Status ausser in wenigen unabhängigen Fällen wie: mäht wesi auk pata balsan frabugjan in managizo pau prija hunda skatte jah giban unledaim (Mark. XIV, 5), aippau barna izwara unhrainja weseina, ip nu weiha sind (1. Kor. VII, 14), mahtedi swepauh jah inu mans leik9 waldufnja pataine gudiskamma galausjan allans us diabulaus anamahtai (Skeir. I, b), patuh wesi wipra pata gadob (Skeir. I, c) in einer ganzen Reihe von Apodosen verschiedener Konditionalsatzgefüge (unte / jabai in Saudaumjam waurpeina mahteis pos waurpanons in izwis / aippau eis weseina und hina dag (Matth. XI, 23), jabai allis Mose galaubidedeip / ga-pau-laubidedeip mis (Joh. V, 46), unte / ip in Twrai jah Seidonai waurpeina mahteis pozei waurpun in izwis / airis pau in sakkum jah azgon sitandeins gaidreigodedeina (Luk. X, 13) u.ä.)*. * Zum Gebrauch der Modi im Gotischen s. vor allem: V. E. Mourek: „Über den Einfluss des Hauptsatzes auf den Modus des Nebensatzes im Gotischen“, Sitzungsberichte der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften, Jahrgang 1892, Prag 1893 (S. 263-296); V. E. Mourek: „Syntaxis slozených vét v gotStinë, Prag 1893 (S. 96: „Jedno z dokladú uvedených vychází na jevo zcela nepochybnè: U lfila s zvlá§të ve volbé m odû je s t n a p ro sto neodvislý od p rv o p isu !“ (Ubers.: „Eins geht offenbar aus den angeführten Belegen ganz unzweifelhaft hervor: Wulfila ist in der Moduswahl ganz und gar unabhängig von der Vorlage!“)); V. E. Mourek: „Nochmals über den Einfluss des Hauptsatzes auf den Modus des Nebensatzes im Gotischen“ , Sitzungsberichte der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften, Jahrgang 1895, Prag 1896 (S. 5: „Wulfllas spräche folgt äuszerst biegsam jeder psychologisch veranlassten nuancierung des gedankens und ist in diesem psychologischen sinne sehr strenge folge­ richtig. Eine logisch strenge folgerichtigkeit kennt sie natürlich ebensowenig, wie jede andere mit ihren ausdrucksmittein frei schaltende spräche, unbekümmert um die regeln und „gesetze“, die ihr nach jahrhunderten gelehrte grammatiker gerne aufdrängen möchten.“); B. Delbrück: „Der germanische Optativ im Satzgefüge“, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Paul und Braunes Beiträge), XXIX. Bd., 1. Heft, Halle a.S. 1903 (S. 262 (Fussnote):

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Nachdem wir jetzt am Beispiel des neutral enuntiativen Status im Gotischen das Hauptgewicht auf den Nachweis der Bedeutung gelegt haben, die die Einführung des PolaritätsbegrifTs für die Erforschung der sprachlichen „Negation“ hat, werden wir uns im folgenden vorwiegend auf solche Erscheinungen konzentrieren, die direkt unsere weiteren Erwägungen über Status und Polarität betreffen.

II. DER INTERROGATIVE STATUS Als potentiell verwendbares Zeichen der propositiven Polarisation des interrogativen Status gilt im Gotischen die enklitische Partikel -w, die in der Regel dem ersten Ele­ ment des Satzes angehängt ist: skuldu ist in sabbatim þiuþ taujan aiþþau unþiuþ taujan, saiwala nasjan aiþþau usqistjan ? (Mark. III, 4), magutsu driggkan stikl / þanei ik driggka / jah daupeinai / þizaiei ik daupjada / ei daupjaindau ? (Mark. X, 38), skuldu ist kaisaragild giban kaisara, þau niu gibaima ? (Mark. XII, 14), wileidufraleitan izwisþana þiudan Iudaie ? (Mark. XV, 9), wileizu / ei qiþaima,fon atgaggai us himina jah fraqimai im, swe jah Heleias gatawida ? (Luk. IX, 54), skuldu ist unsis kaisara gild giban þau niu ? (Luk. XX, 22), sau ist sa sums izwar / þanei jus qiþiþ þat/ei blinds gabaurans waurþi ? (Joh. IX, 19), witudu hwa gatamda izwis? (Joh. XIII, 12), swau andhafjisþamma reikistin gudjin ? (Joh. XVIII, 22), abu þus silbin þu þata qiþis þau anþarai þus qeþun bi mik ? (Joh. XVIII, 34), wileidu nu / ei fraletau izwisþanaþiudan Iudaie? (Joh. XVIII, 39), þau ainzu ik jah Barnabas ni habos waldufni du ni waurkjan? (1. Kor. IX, 6). Einmal im gotischen Text ist das Zeichen -w der ersten von zwei explizitierten Möglich­ keiten angehängt, die das Konstitutionsachsenmitglied hwas wieder aufgreifen: hwas frawaurhta, sauþau fadrein is / ei blinds gabaurans warþ ? (Joh. IX, 2) ( = saufrawaurhta þau fadrein is / ei blinds gabaurans warþ ?). Dreimal tritt das propositive Polarisationszeichen -w in interrogativen Statussätzen auf, deren Satzverbal mit einem Präverbium versehen ist. In allen drei Fällen steht das Zeichen in der Tmesis: ga-u-laubjats þatjei magjau þata taujan ? (Matth. IX, 28), iþ sweþauh sunus mans qimands bi-u-gitai galaubein ana airþai? (Luk. XVIII, 8), þu ga-u-laubeis du sunau gudis? (Joh. IX, 35). In propositiven Doppelfragen wird das Zeichen -u in folgenden Fällen zweifach ver­ wertet, indem es bei den jeweils gleichlautenden Präpositionen der durch die disjunk­ tive Partikel þau verknüpften Präpositionsglieder auftritt, wo diese innerhalb des „Dass der Übersetzer den griechischen text einfach nachgeahmt habe, wird man angesichts der freiheit und Selbständigkeit, mit der gerade die bedingungssätze von ihm behandelt worden sind, nicht annehmen wollen.“)* Vgl. im übrigen opera cit. 97.

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disjunktiven interrogativen Satzgefüges eine parallele Funktion haben (Hierbei kann das wiederholte Polarisationszeichen in der korresponsiven Form -uh. . . -uh auftreten.): uzu waurstwam witodis ahman nemuþ þau uzu gahauseinai galaubeinais ? (Gal. III, 2. 5) daupeins Iohanrtis uzuh himina wasþau uzuh mannam ?(Luk. XX, 4) (Mark. XI, 30) Angesichts dieser beiden letzten, je zweimal belegten Satztypen kann es kaum be­ fremden, dass die beiden folgenden propositiven Doppelfragen von anerkannten Sprachforschern auf eine ähnliche syntaktische Formel gebracht worden sind: þú is sa qimanda þau anþarizuh beidaima ? (Matth. XI, 3) þu is sa qimanda þau anþaranu wenjaima? (Luk. VII, 19. 20) In bezug auf diese Doppelfragen hat W. Schulze57 als erster die Annahme einer Kontraktion vom persönlichen Pronomen þu mit der enklitischen Partikel -и verfoch­ ten: „Durch die besondere gestaltung des Satzakzentes wird die kontraktion und ihre syntaktische funktion für das ohr kenntlich gemacht worden sein“ (S. 565). Viele Gelehrte, darunter Wilh. Streitberg (vgl. „Die gotische Bibel“ zu den Stellen), haben diese Theorie beifällig und ohne Bedenken aufgenommen58. Erst im Jahre 1959 hat Oscar F. Jones einen Versuch gemacht, die von Schulze entworfene Theorie anzu­ fechten59, indem er sie als eine linguistische Fata Morgana bezeichnet. Die Jonesschen Ausführungen sind unseres Erachtens zu wenig überzeugend, um die mehr als ein halbes Jahrhundert herrschende Schulzesche Auffassung zum Wanken zu bringen. Für Jones ist es u.a. von grösstem Belang festzustellen, dass es im gotischen Text nur elf einfache nicht-konstitutionelle Fragesätze (eleven one-clause direct questions) mit enklitischer Partikel -u gibt, gegenüber einunddreissig ohne -w, und dass man folglich auch in den vorliegenden ‘þu is sa qimanda . . . ’ -Sätzen dem Übersetzer ein gewisses Mass von Flexibilität (a certain amount of flexibility) einräumen muss (S. 209). Schon der Titel des Jonesschen Artikels deutet darauf hin, dass der Verfasser sich weniger darum kümmert, dass es sich hier ausgerechnet um Doppelfragen handelt. Zwar sind diese beiden Doppelfragen von einer ganz anderen Art als die übrigen oben erwähnten: die mit enklitischen propositiven Fragepartikeln versehenen 57 Wilhelm Schulze: „Zur gotischen Grammatik“, Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen, Bd. XL, Berlin 1907 (S. 563-565). 58a Karl Brugmann und B. Delbrück: „Grundriss der vergleichenden Grammatik der indoger­ manischen Sprachen“, 2. Aufl., 2. 3., Strassburg 1916 (S. 982). b Ferdinand Wrede in Stamm-Heyne’s Ulfilas, 13. und 14. Auf!., Paderborn 1920 (Lautlehre S. 292 § 18 Anm. 2). c Wilhelm Streitberg: „Gotisches Elementarbuch“, 5. und 6. Auf!., Heidelberg 1920 (S. 222). d Ernst Kieckers: „Handbuch der vergleichenden gotischen Grammatik“, München 1928 (S. 287). 59 Oscar F. Jones: “Art Thou He Who Is to Com e... 7”, Festschrift für John G. Kunstmann, University of North Carolina Studies in the Germanic Languages and Literatures, Nr. 26, (Middle Ages - Reformation / Volkskunde), Chapel Hill 1959 (S. 208-214).

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Elemente haben keine parallele Funktion innerhalb der betreffenden Satzgefüge. Auf der anderen Seite ist jedenfalls in der Matthäus-Stelle das enklitische -uh im zweiten Satzteil so ausgesprochen korresponsiv, dass es kaum ohne ein Gegenstück (-w) im ersten Satzteil denkbar ist (man vergleiche das korresponsive nih - nih9welches auch als ni - nih auftritt, z.B. Joh. VIII, 19: ni mik kunnuþ nih attan meinana; vgl. Matth.V, 34-36 und Röm.VHI, 38-39).Wie dem auch sei-w ir haben es hier mit zu spärlichen Belegen zu tun, um endgültige Schlussfolgerungen ziehen zu können. Vor­ läufig scheinen aber die Ausführungen Schulzes zu gewichtig zu sein, um sich von der Jonesschen Argumentation erschüttern zu lassen. Dem potentiell verwendbaren propositiven Polarisationszeichen -u des interroga­ tiven Status stehen auf der rekusativen Seite drei Zeichen mit unterschiedlicher Funk­ tion gegenüber: I. niu, II. ibai und III. nibai, von denen das letzte nur sehr selten vorkommt: I. niu ist in der Regel satzeinleitend. Die enklitische Partikel -m, deren Funktion in propositiven interrogativen Statussätzen oben behandelt worden ist, ist in entsprechen­ den rekusativen Statussätzen mit dem Element ni verschmolzen und bildet mit diesem eine feste Einheit: ein rekusatives Polarisationszeichen des interrogativen Status. Es wird hauptsächlich in solchen Fällen verwendet, wo A) nur eine bejahende Antwort möglich ist, B) eine bejahende Antwort vorausgesetzt wird oder C) eine verneinende Antwort dem Fragenden befremdlich sein würde: A und В (nur eine bejahende Antwort ist logisch möglich, oder eine bejahende Ant­ wort wird von vornherein vorausgesetzt): niu jah þai þiudo þata samo taujand? (Matth. V, 46), niu jah motarjos þata samo taujand? (Matth. V, 47), niu saiwala mais ist fodeinai jah leih wastjom? (Matth. VI, 25), niu jus mais wulþrizans sijuþ þaim? (Matth. VI, 26), niu þeinamma namin praufetidedum jah þeinamma namin unhulþons uswaurpum jah þeinamma namin mahtins mikilos gatawidedum ? (Matth. VII, 22), niu twai sparwans assarjau bugjanda ? (Matth. X, 29), niu hauseis hwan filu ana þuk weitwodjand? (Matth. XXVII, 13), niu þata ist sa timrja, sa sunus Marjins, iþ broþar Iakoba jah Iuse jah Iudins jah Seimonis ? jah niu sind swistrjus is her at unsis ? (Mark. VI, 3), niu gameliþ ist þat/ei razn mein razn bido haitada allaim þiudom ? (Mark. XI, 17), niu sa ist sunus Iosefis ? (Luk. IV, 22), niu bai in dal gadriusand? (Luk. VI, 39), niu taihun þai gahrainidai waurþun ? (Luk. XVII, 17), niu Moses gaf izwis witoþ ? (Joh. VII, 19), niu ist gameliþ in witoda izwaramma: ik qaþ9guda sijuþ? (Joh. X, 34), niu twalif sind hweilos dagis? (Joh. XI, 9), niu qaþ þus þat/ei / jabai galaubeis / gasaihwis wulþu gudis? (Joh. XI, 40), niu waist þat/ei waldufni aih ushramjan þuk jah waldufni aih fraletan þuk? (Joh. XIX, 10), niu im apaustaulus? niu im freis? niu lesu Xristau fraujan unsarana sahw? niu waurstw meinata jus sijuþ in fraujin? (1. Kor. IX, 1), vgl. Luk. XIV, 28. 31, XV, 4. 8, XVII, 89

8, XVIII, 7, Joh. VI, 42. 70, VH, 25. 42, XVIII, 11, Röm. VII, 1, IX, 21, 1. Kor. V, 6, VIII, 10, IX, 8. 24, X, 16. 18, XIV, 23, 2. Kor. ХП, 18, 1. Thess. II, 19. C (die Verwendung von niu impliziert, dass eine verneinende Antwort unwilliges Erstaunen beim Fragenden hervorrufen würde und hat oft geradezu zum Zweck, eine bejahende Antwort hervorzulocken): niu ussuggwuþ aiw hwa gatawida Daweid, þan þaurfta jah gredags was, is jah þai miþ imma ? (Mark. II, 25), niu kara þuk þiz/ei fraqistnam ? (Mark. IV, 38), niu andhafjis waiht, hwa þai ana þuk weitwodjand? (Mark. XIV, 60), mu andhafjis ni waiht ? (Mark. XV, 4), niu wisseduþ þat/ei in fiaim attins meinis skulda wisan ? (Luk. II, 49), niu wituþ hwis ahmane sijuþ ? (Luk. IX, 55), niu sa ist safei sat aihtronds ? (Joh. IX, 8), niu þuk sahw ik in aurtigarda miþ imma ? (Joh. XVIII, 26), niu galaubeis þat/ei ik in attin jah atta in mis ist? (Joh. XIV, 10), niu pans inna jus stojip? (1. Kor. V, 12), þau niu kunnuþ izwis patjei Iesus Xristus in izwis ist ? (2. Kor. XIII, 5), vgl. Mark. XII, 26, Joh. VIII, 48, XI, 37, XVIII, 25, Gal. IV, 21. In den beiden folgenden Fällen ist niu satzvertretend: niu / ei ana lukarnastaþan satjaidau? (Mark. IV, 21), niu/ duþe airzjai sijup, ni kunnandans mela nih mäht gudis ? (Mark. XII, 24). Nur in zwei Fällen steht niu nicht an dem zu erwartenden satzeinleitenden Platz; beidemal tritt es vor das Satzverbal: ip gup niu gawrikai pans gawalidans seinans, pans wopjandans du sis dagam jah nahtam, jah usbeidands ist ana im ? (Luk. XVIII, 7), pata witop niu hauseip ? (Gal. IV, 21). Hierzu kommen noch einige Fälle, wo vor die durch niu eingeleitete fragende Satz­ konstruktion verschiedene Satzteile rücken: es handelt sich hier um 1) absolute Kon­ struktionen oder 2) vorgeschobene substantivische Satzglieder (die im folgenden niuFragesatz durch ein Pronomen wieder aufgegriffen werden oder logisch zu ergänzen sind) verbunden mit einem Relativsatz: 1) izwara hwas raihtis wiljands kelikn timbrjan, niu frumist gasitands rahneip manwipo / habaiu du ustiuhan (Luk. XIV, 28), aippau hwas piudans gaggands stigqan wipra anparanapiudan du wigan ina, niu gasitandsfaurpispankeip / siaiu mahteigs mip taihun pusundjom gamotjan pamma mip twaim tigum pusundjo gaggandin ana sik? (Luk. XIV, 31), hwas manna izwara aigands taihuntehund lambe jah fraliusands ainamma pize, niu bileipip po niuntehund jah niun ana aupidai jah gaggip afar pamma fralusanin / unte bigitip pata ? (Luk. XV, 4). Die in diesen letzten drei Beispielen an der Spitze stehenden Gefüge müssen - jeden­ falls von einem gotischen Gesichtspunkt aus - als absolute Nominativkonstruktionen 90

betrachtet werden: hwas ist in diesen Konstruktionen als Indefinitum (Dispositionale) zu beurteilen, welches semantisch im sanskr. yá-h ( = „(wenn) jemand“) sein Gegen­ stück findet60. Eine Funktion als Konstitutionsachsenmitglied ( = „wer?“) kann hwas in diesen Sätzen unmöglich erfüllen: es wäre dann als Subjekt (bzw. Teil des Sub­ jekts) der vollständigen betreffenden Satzgefüge aufzufassen, die Sätze wären dem­ nach konstitutionell und die Verwendung des Status-Polarisationszeichens niu damit ausgeschlossen: vor niu ist ein Einschnitt - und mit dem ausgesprochen satzeinlei­ tenden niu wird ein ganz neues Statusgefüge angefangen. Die Ansicht, nominativische Partizipialkonstruktionen seien im Gotischen möglich gewesen, ist schon von Antonín Beer61 vertreten worden, wenn auch in bezug auf andere im gotischen Text vorkommende syntaktische Verbindungen (Mark. VI, 21 und Joh. XI, 44). Unsere drei oben angeführten absoluten nominativischen Partizipialkonstruktionen entsprechen genau anderswo zu beobachtenden, auch direkt vor ww-Fragesätzen auftretenden Satzgefügen, die durch jabai eingeleitet werden (vgl. wieder hierzu sanskr. yá-h = „wenn jemand“) : aiþþau suma qino drakmans habandei taihun, jabai fraliusiþ drakmin ainamma / niu tandeiþ lukarn jah usbaugeiþ razn jäh sokeiþ glaggwaba I unte bigitiþ ? (Luk. XV, 8), jabai auk hwas gasaihwiþ þuk þana habandan kunþi in galiuge stada anakumbjandan / niu miþwissei is siukis wisandins timrjada du galiugagudam gasaliþ matjan? (1. Kor. VIII, 10), vgl. 1. Kor. XIV, 23. 2) stiklþanei g af mis atta, niu drigkau þana ? (Joh. XVIII, 11), stikls þiuþiqissais þanei gaweiham, niu gamainduþs bloþis fraujins ist? (1. Kor. X, 16), hlaifsþanei brikam, niu gamainduþs leikis fraujins ist? (1. Kor. X, 16) (Vgl. hierzu eine ähnliche Satz­ konstruktion mit vorgeschobenem Präpositionsglied: aþþan bi dauþans, þatei urreisand, niu gakunnaideduþ ana bokom Mosezis ana aihwatundjai9 hwaiwa imma qaþ guþ qiþands: ik im guþ Abrahamis jah guþ Isakis jah Iakobis ? (Mark. XII, 26).) Tritt niu im zweiten Satzteil einer disjunktiven Doppelfrage als Gegenstück zum propositiven Polarisationszeichen -w in deren erstem Satzteil auf, werden automatisch sämtliche oben erwähnten semantischen Richtlinien für die Verwendung von niu aufgehoben: niu wird semantisch neutralisiert und impliziert somit in bezug auf die Polarität der zu erwartenden Antwort nichts: skuldu ist kaisaragild giban kaisara, þau niu gibaima ? (Mark. XII, 14), skuldu ist unsis kaisara gild giban þau niu ? (satzver­ tretend!) (Luk. XX, 22). 60 C. R. Lanman: “A Sanskrit Reader’*, Cambridge, Mass. (Harvard University Press) 1959. (S. 221: “-5. ya in special connections: ya ya, whoever, whichever, whatever, whosoever, etc. . . . -6. two or more relatives in the same clause: yo ’tti yasya yadä mänsam, when (who) someone eats the flesh of (whom) someone (ad Hitopadeáa V, 46) . . . -7. ya, if anybody, si quis . . . ” .) 61 Vgl. A. Beer: „Gab es einen gotischen nominativus absolutus?“, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Paul und Braunes Beiträge), Bd. XXXVII, Halle a. S. 1911 (S. 169-171).

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II. ibai (nur Luk. XVII, 9 iba) ist vorwegnehmend rekusativ ( = „wohl nicht?“, „doch nicht?“). Es ist immer satzeinleitend und impliziert in den meisten Fällen, dass eine verneinende Antwort erwartet wird62: ibai lisanda a f þaurnum weinabasja aiþþau a f wigadeinom smakkans ? (Matth. VII, 16), ibai magun sunjus bruþfadis qainon und þata hweilos / þei miþ im ist bruþfaþs? (Matth. IX, 15), ibai magun sunjus bruþfadis und þatjei miþ im ist bruþfaþs / fastan ? (Mark. II, 19), ibai lukarn qimiþ duþe \ ei u f melan satjaidau aiþþau undar ligr ? (Mark. IV, 21), ibai mag blinds blindana tiuhan ? (Luk. VI, 39), iba þank þus fairhaitis skalka jainamma / unte gatawida þat/ei anabudan was ? (Luk. XVII, 9), ibai þau us Galeilaia Xristus qimiþ ? (Joh. VII, 41), ibai witoþ unsar stojiþ mannan ( . . . ) ? (J°h. VII, 51 und Skeir. VIII, c-d), ibai þu maiza is attin unsaramma Abrahama / saei gadauþnoda ? (Joh. VH!, 53), ibai mag unhulþo blindaim augona uslukan? (Joh. X, 21), ibai inwindiþa fram guda ? (Röm. IX, 14), ibai qiþiþ gadigis du þamma digandin: hwa mik gatawides swa? (Röm. IX, 20), ibai afskauf guþ arbja seinamma? (Röm. XI, 1), ibai Pawlus ushramiþs warþ in izwara, aiþþau in namin Pawlus daupidai weseiþ? (1. Kor. I, 13), ibai bi mannam þata qiþa, aiþþau jah witoþ fiata qiþiþ? (1. Kor. IX, 8), ibai swinþozans imma sium? (1. Kor. X, 22), (aiþþau) ibai þaurbum swe sumai anafilhis boko du izwis aiþþau us izwis anafilhis? (2. Kor. Ш, 1), ( þú in propositiven Doppelfragen ist es nun zweifelhaft, ob in mehreren Sätzen des folgenden propositiven Materials eine ähnliche Kontraktion þu + -w > þú, bzw. пи + -и > nû vorliegt oder nicht. Der gotische Text bietet folgendes Material propositiver interrogativer Statussätze, in denen entweder das potentiell verwendbare Polarisationszeichen -w gänzlich fehlt (hier scheinen sich in manchen Fällen nicht zuletzt lautliche Gründe 93

geltend zu machen) oder das Zeichen -u infolge der eben erwähnten Kontraktion nicht deutlich zu Tage tritt6*: qamt her faur mel balwjan unsis ? (Matth. VIII, 29), pu is þiudans Iudaie ? (Matth. XXVII, 11 und Mark. XV, 2), swa jah jus unwitans sijuþ? (Mark. VII, 18), þu is Xristus sa sums þis þiuþeigins? (Mark. XIV, 61), qamt fraqistjan unsis? (Luk. IV, 34), gasaihwis þo qinon ? (Luk. VII, 44), þata izwis gamarzeiþ? (Joh. VI, 61), sums gudis im ? (Joh. X, 36), galaubeis pata? (Joh. XI, 26), saiwala peina faur mik lagjis? (Joh. XIII, 38), nu galaubeip? (Joh. XVI, 31), witop frawaurhts ist? (Rom. VII, 7), pata nupiupeigo warp mis daupus? (Röm. VII, 13), disdailips ist Xristus? (1. Kor. I, 13), pau inaljanom fraujin? (1. Kor. X, 22), (ibai . . . ?), pau aikklesjon gudis fra kunnup jah gaaiwiskop pans unhabandans? (1. Kor. XI, 22), hazjau izwis? (1. Kor. XI, 22), duginnam aftra uns silbans anafilhan ? (2. Kor. Ill, 1), aftra pugkeip izwis / ei sunjoma uns wipra izwis? (2. Kor. XII, 19), pannu Xristus frawaurhtais andbahts? (Gal. П, 17), swa unfropans sijup? (Gal. III, 3), anastodjandans ahmin nu leika ustiuhip ? (Gal. III, 3), swa filu gawunnup sware ? (Gal. III, 4), ip nu swe fijands izwis warp sunja gateihands izwis? (Gal. IV, 16). Diejenigen rekusativen interrogativen Statussätze, die durch kein spezifisches rekusatives Polarisationszeichen des interrogativen Status gekennzeichnet sind, weisen am häufigsten das Polarisationszeichen ni, seltener nih oder nei auf: a) ni frapjip pamm/ei all pata utapro inngaggando in mannan ni mag ina gamainjan ? (Mark. VII, 18), ni pata ussuggwud/ patei gatawida Daweid, pan gredags was, silba jah pai/ei mip imma wesun ? (Luk. VI, 3), ni bigitanai waurpun gawandjandans giban wulpu guda, niba sa aljakunja ? (Luk. XVII, 18), (swalaud melis mip izwis was) jah ni ufkunpes mik, Filippu? (Joh. XIV, 9), du mis ni rodeis? (Joh. XIX, 10). (Wo das Satzverbal die 3. Person Präs. Ind. vom Verbum wisan ist, ist natürlich die Polarität is t: nist zu beobachten: witop frawaurhts ist ? (Röm. VII, 7), disdailips ist Xristus? (1. Kor. I, 13) : nist uspamma leika? (1. Kor. XII, 15 und 16)). b) nih pata gamelido ussuggwup . . . ? (Mark. XII, 10), nih dwala gatawida gup handugein pis fairhwaus? (1. Kor. I, 20). c) nei auk puhtedi pau in garaihteins gaaggwein ufargaggan po faura ju us anastodeinai garaidon garehsn ? (Skeir. I, c). Das im ganzen gotischen Bibeltext nur zweimal belegte nei ist stark emphatisch und hat augenscheinlich die besondere Funktion, den logisch positiven Inhalt derjenigen Sätze, in denen es als rekusatives Polarisationszeichen auftritt, beson­ ders hervorzuheben und zu unterstreichen. Die Verwendung dieses Zeichens ist in solchen Ausrufungssätzen ideal, die logisch einen positiven Inhalt haben, die aber als Wirkungsmittel ein rekusatives Polarisationszeichen enthalten, vgl. 2. Kor.63* 63 Erwägungen über die in Frage kommenden Kontraktionen finden sich bei: M. H. Jellinek: „Geschichte der gotischen Sprache“, Berlin und Leipzig 1926 (S. 96); Fernand Mossé: «Ma­ nuel de la langue gotique», 2. Ausg., Paris 1956 (S. 45).

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Ш, 8: hwaiwa nei mais andbahti ahmins wairþai in wulþau ? In diesem letzteren Bei­ spiel tritt nei in einem konstitutionellen Ausruf auf; es ist demnach von vornherein ausgeschlossen, dieses Element als spezifisches Polarisationszeichen irgendeines Status zu betrachten. Das fünfmal belegte Element an entzieht sich völlig unseren Überlegungen über Status und Polarität; es leitet zwar in allen fünf Fällen, wo es auftritt, Fragesätze ein - in vier von diesen Fällen ist aber von konstitutionellen Fragen die Rede, wobei die Fragepartikel an ( = „denn“) die Funktion hat, das im Fragesatz Ausgedrückte als eine logische Weiterführung65 des gerade vorher Geäusserten hervortreten zu lassen, und unmittelbar vor dem Mitglied der Konstitutionsachse steht: an hwa taujaima ? (Luk. П1, 10), an hwas ist mis nehwundja ? (Luk. X, 29), an hwas mag ganisan? (Luk. XVIII, 26), an hwas ist, frauja . . . ? (Joh. IX, 36); an nuh þiudans is þu? (Joh. XVIII, 37). Es bleibt in diesem Zusammenhang nur noch übrig, auf das Element waitei ganz kurz einzugehen. Betrachtet man die Stelle Joh. XVIII, 35: waitei ik Iudaius im?, ist man versucht, waitei als eine Art Fragepartikel aufzufassen. Vergleicht man aber mit der Stelle 1. Kor. XVI, 6, so stellt sich heraus, dass eine solche Auffassung nicht Stich hält. Die betreffende Stelle aus dem ersten Brief des Paulus an die Korinther lautet: iþ at izwis waitei salja aiþþau jah wintru wisa. Die Verwendung von waitei in diesem neutral enuntiativen Status zeigt aufs deutlichste, dass waitei ungefähr dem deutschen „vielleicht“ entspricht und keineswegs spezifisch interrogativ ist. (Vgl. zum got. waitei das aus der polnischen Umgangssprache bekannte, mit einem sprechenden Achselzucken hingeworfene „ja wiem / czy . . . “ = „ich weiss / ob . . . “ bzw. „wer weiss / ob . . . " = „vielleicht“.) III. DER RESPONSIVE STATUS Bei der Behandlung des responsiven Status im Gotischen ist es vor allem von Interesse, die satzvertretenden Erwiderungselemente zu betrachten, da bei diesen eine deutliche Polarität zu beobachten ist:

65 Vgl. Leo Meyer: „AN im Griechischen, Lateinischen und Gothischen“ , Berlin 1880 (S. 15if.).

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PROPOSITIV {Frage) ga-u-laubjats þatei magjau þata taujan? galaubeis þata?

ibai ni hausidedun?

Antwort 1) jai, frauja (Matth. IX, 28) jai, frauja (Joh. XI, 26-27) (vgl. Matth. XI, 9, Luk. VII, 26, Luk. X, 21) Mark. VII, 28 (= „doch!“) 2) raihtis! (Röm. X, 18) (= „wohl“ , „doch“) REKUSATIV

{Frage) niu jah þu þize siponje pis is? wileidu nu ei fraletau izwis þana þiudan ludaie?

witoþ frawaurhts ist? þata nu þiuþeigo warþ mis dauþus? ibai inwindiþa fram guda? ibai afskauf guþ arbja seinamma? þannu Xristus frawaurhtais andbahts?

Antwort 1) ne, ni im (Joh. XVIII, 25) ne þanay ak Barabban (Joh. XVIII, 40) (vgl. Luk. I, 60, Joh. VII, 12) 2) ni ei (1. Kor. VII, 17) 3) nis-sijai! (Röm. VII, 7) nis-sijai! (Röm. VII, 13) nis-sijai! (Röm. IX, 14) nis-sijai! (Röm. XI, 1) nis-sijai (Gal. II, 17) (vgl. Luk. XX, 16, Röm. XI, 11)

Diese als erschöpfend zu betrachtende Übersicht mag im grossen ganzen für sich selber sprechen. Besonders ist zu bemerken: 1) Die Annahme, raihtis sei als ausgeprägt propositivierendes Element zu betrach­ ten, wird durch die Tatsache gestärkt, dass dieses Element als propositives Erwide­ rungswort schlechthin verwendet wird. 2) Das satzvertretende rekusative ne tritt in dem responsiven Beispiel aus Joh. XVIII, 40 in einem Engagement vor einem Identifikativum (þana) auf, das sich auf ein Glied in dem Fragesatz bezieht, auf den geantwortet wird. 3) In der Verbindung *ni eV impliziert das Element ei augenscheinlich den Inhalt eines zu ergänzenden untergeordneten Satzes (vgl. 1. Kor. VII, 17). 4) ‘nis-sijai' wird vorwiegend in den paulinischen Briefen verwendet und zwar in solchen Fällen, wo der Sprechende eine von ihm selbst gestellte Frage beantwortet. (Dies trifft nur Luk. XX, 16 nicht zu.) Es entspricht überall griech. \ir\ yevoixo.64 Neben dem propositiven jai kommt im gotischen Text auch die Form ja mehrmals vor. Sie ist immer hypostatisch verwendet: sijaiþ-þan waurd izwar: ja ja , ne ne (Matth. V, 37) (vgl. 2. Kor. I, 17-20). Wo die Möglichkeit besteht, eine Frage mit einem von den oben vorgeführten satz­ vertretenden Erwiderungselementen zu beantworten, wird dieses Verfahren in der 64 Vgl. Jacob Wackernagel: „Vorlesungen über Syntax mit besonderer Berücksichtigung von Griechisch, Lateinisch und Deutsch“ , Zweite Reihe, Basel 1924 (S. 248-312 über die Negation; S. 258: „Leicht kann man in erregter Rede einer Verneinung die Form der Ablehnung geben; es genüge, auf das uns zumal aus den paulinischen Briefen bekannte pf) yévoixo „das sei ferne“, temperamentvoll statt „gewiss nicht“ , hinzuweisen“).

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Regel benutzt. Seltener wird das Satzverbal des Fragesatzes in der von der Frage indizierten bzw. geforderten Form wiederholt (Der gotische Übersetzer folgt hier seiner griechischen Vorlage.): PROPOSITIV Frage magutsu driggkan stikl/ þanei ik driggka . . . ? þu is Xristus sa sunus þis þiuþeigins?

Antwort magu (Mark. X, 39) ik im (Mark. XIV, 62) REKUSATIV

Frage ibai jah þu þize siponje is þis mans?

Antwort ni im (Joh. XVIII, 17) (vgl. Joh. XVIII, 25: ne, ni im)

In sämtlichen vorliegenden Fällen dieser Art ist die rekusative Polarisation durch das Zeichen ni gekennzeichnet, welches genügt, um sie gegen die nicht spezifisch bezeichnete propositive Polarisation abzugrenzen. Kein einziges Mal kommt im gotischen Text ein responsiver Status dadurch zu­ stande, dass das Satzverbal einer Frage durch eine Form des Verbum vicarium taujan wieder aufgegriffen wird (vgl. deutsch „ja, das tut er“, „nein, das tue ich nicht“). Es bleibt nur noch übrig, diejenigen trivialen Fälle zu nennen, wo in einem responsiven Satz dasjenige isoliert-wortökonomisch zum Ausdruck kommt, wonach ein Mitglied der Konstitutionsachse in einem vorhergehenden Erkundigungssatz fragt: (hwis ist sa manleika jah so ufarmeleins ?) kaisaris (Mark. XII, 16) (vgl. Luk. XX, 24) (hwana sokeiþ ?) Iesu, þana Nazoraiu (Joh. XVIII, 5 und 7) (hwan filu skalt fraujin meinamma ?) taihuntaihund käse alewis (Luk. XVI, 5-6) (aþþan þu hwan filu skalt ?) taihuntaihund mitade kaurnis (Luk. XVI, 7) Wo eine Form des Satzverbals des vorausgehenden Fragesatzes in der Antwort nicht als Erwiderungselement wiederholt wird, oder wo das Satzverbal des Fragesatzes in der Antwort nicht zu ergänzen ist, handelt es sich nicht um einen responsiven Status, wie verlockend responsiv solche Sätze auch aussehen mögen. Sie sind vielmehr einfach als neutral enuntiative Statussätze zu bestimmen, deren oft an Formelhaftigkeit gren­ zende Wortökonomie von der vorhergehenden Frage in der Weise bedingt und gerechtfertigt wird, dass der Inhalt dieser Frage zu ergänzen ist als ein zur fragmen­ tarisch ausgedrückten Replik gehöriger Nebensatz (dass- oder ob-Satz): propositiv :

(þu is þiudans Iudaie?) þu qiþis (Matth. XXVII, 11 u. Mark. XV, 2) (vgl. auch Joh. XVIII, 37) {in hwis ? unte ni frijo izwis ?) guþ wait (2. Kor. XI, 11) 7

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REKUSATIV:

(iba þank þus fairhaitis skalka jainamma, unte gatawida þatei anabudan was ?) ni man (Luk. XVII, 9) (а изрека и рщечи, jep je на н>има засниван догматски став цркве, у оно врщеме jaBn>an>a хереза, место на Manoj нщанси значен>а nojeAHHHx рщечи); diese Bemühung des Übersetzers vollzieht sich „gerade in einem Bibeltext, der für die Orthodoxie der Kirche zu Kriegszeiten von beson­ derem psychologischen Belang war“ (Индоевропска глаголска система Haj6on>e je (углавном) очувана у грчком je3HKy. Зато je од 3Ha4aja проучаван>е глаголске системе Wulfilinog готског je3HKa да се види kojhm се je3H4KHM сретствима Wul­ fila служио да у готском, Kojn има факултативни вид, надокнади празнине у rnaroncKoj системи времена, и то у тексту Библще kojh je у врщеме борби за ортодоксност цркава био нарочито ос)етл>ив) (Ivan Pudic, opus cit. 68 S. 12 bzw. S. 8). Solange wir nicht wissen, wie Wulfila in jedem einzelnen Fall, wo er in einem affektiven Status den Optativ verwendet, die entsprechende griechische Stelle in der Vorlage aufgefasst hat, und ob sich hinter der Verwendung eines solchen Optativs in manchen Fällen irgendeine Sonderintention verbirgt, scheint es kaum unmittelbar möglich, eine eindeutige Abgrenzung in bezug auf die Verwendung der beiden Modi innerhalb des affektiven Status gegeneinander vorzunehmen. Auch wir wollen in

* Vgl. L. L. Hammerich (opus cit. 41 S. 6-7: “In doubtful cases it may be very hard to determine how Wulfila understood precisely the Greek language which he mastered so well, while, on the other hand, the literary Gothic language, into which he translated “his” Greek language, and which he had elaborated himself consistently, is several centuries older than any longer text in the other Teutonic languages, and differs considerably in such basic structures as tense and aspect..

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dieser Verbindung an keinen Versuch einer solchen Abgrenzung herangehen, sondern überlassen ihn einem kommenden Teamwork von Linguisten, Philologen, Psycho­ logen, Theologen und Historikern. Ohne uns zu weit vorzuwagen, glauben wir aber behaupten zu dürfen, der Gote habe bei der Verwendung des Optativs im affektiven Status ein sehr wirksames Mittel gehabt, besonderes Gewicht auf den Wunschfaktor zu legen, wo ihm dies aus irgend­ einem Grunde angelegen war, dass er aber, wo es ihm darum zu tun war, ein gewisses Gleichgewicht zwischen Wunsch und Adresse zu etablieren bzw. das Hauptgewicht auf die Adresse zu legen, den Imperativ verwendet habe (letzteres vor allem in solchen Fällen, wo es um die sofortige Verwirklichung eines Wunsches ging)71. Diese einfache satzsemantische Regel, die bei einem eingehenden Studium des gotischen Bibeltextes kein einziges Mal im Widerspruch zu dem vorliegenden Material von affektiven Statussätzen steht, scheint zur tieferen Erkenntnis jedes einzelnen Beispiels von kaum zu unterschätzendem Wert zu sein: 1) Sie steht durchaus damit im Einklang, dass der provokative gotische Imperativ der 2. Pers. in der Regel (obwohl nicht durchgängig) einem griechischen Imp. Aor., der gotische provokative Optativ derselben Person dagegen zumeist einem griechischen Imp. Präs, formal entspricht (vgl. E. Bernhardt: „Der gotische Optativ“, opus cit. 56 S. 3-5 und (v. d. Gabelentz-)Loebes Grammatik, opus cit. 14, § 186). 2) Sie stimmt auch in natürlicher Weise mit der Tatsache überein, dass in prohibitiven Sätzen (rekusativen affektiven Statussätzen) der Optativ der 2. Pers. vorherr­ schend, obwohl keineswegs alleinherrschend ist (vgl. E. Bernhardt, opus cit. 56 S. 3; A. G. van Hamel, opus cit. 71c S. 181; M. M. Guchman, opus cit. 66 S. 180 : Импе­ ратив почти никогда не употреблялся после отрицания, его заменял оптатив). 3) Sie scheint geradezu die Auffassung über den Haufen zu werfen, die 3. Pers. des Imperativs sei im Gotischen im Aussterben begriffen, da sie im gotischen Text nur viermal belegt ist (vgl. Bernhardt: „Der gotische Optativ“, opus cit. 56 S. 6: „Offenbar sind diese formen im aussterben begriffen; in allen übrigen fällen ist der Optativ dafür eingetreten; der an eine dritte person gerichtete befehl schien offenbar weniger geeignet, eine unmittelbare erfüllung hervorzurufen“). In den vier Bibelstellen, wo sie belegt ist, 71a Vgl. T. le Merchant Douse: “An Introduction, Phonological, Morphological, Syntactic, to the Gothic of Ulfilas” , London 1886 (§ 108, IV S. 245: “But colloquially, when one person is addressing another, the imperative proper is generally preferred, even with ni”). b Vgl. G. H. Balg: “The First Germanic Bible Translated from the Greek by the Gothic Bishop Wulfila.. Milwaukee 1891 (§ 91, Note 1, S. 276: “It should be noticed that in affirmative sentences the hortative optative expresses what should be, or be done, either now or in the future, while the imperative generally implies that which the subject desires to be, or be done, immediately”). c Vgl. A. G. van Hamel: „Gotisch Handboek“, Haarlem 1923 (§ 181, S. 180-181: „De optatief is de mogelijkheidswijs en de wenschelijkheidswijs. In hoofdzinnen komt hij in de volgende gevallen voor: . . . 3. als imperativus, wellicht met eenige verzachting van het bevel. Vooral bij blijvende voorschriften en in negatieve zinnen“). d Vgl. noch Ferdinand Wrede in Stamm-Heynes Ulfilas (Paderborn 1920), § 238, S. 380.

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vertritt sie stets einen griechischen Imp. Aor., und es ist entweder von der Aufforderung zur sofortigen Effektivierung eines Wunsches die Rede: atsteigadau nu a f þamma galgin (Matth. XXVII, 42) lausjadau nu ina (Matth. XXVII, 43) atsteigadau nu a f þamma galgin (Mark. XV, 32), oder der Wunsch des Sprechenden klingt kaum mit, rückt auf jeden Fall stark in den Hintergrund: aþþan qiþa þaim unqenidam jah widuwom: goþ ist im / jabai sind swe ik. iþ jabai ni gahabaina sik / liugandau (1. Kor. VII, 8-9) In allen anderen Fällen tritt das blosse Wunschmoment mehr in den Vordergrund, und die 3. Pers. Optativ findet ihre natürliche Verwendung (z.B. swa liuhtjai liuhaþ izwar in andwairþja manne (Matth. V, 16), jabai hwas wili afar mis gaggan / afaikai sik silban jah nimai galgan seinana dag hwanoh jah laistjai mik (Luk. IX, 23), jabai mis hwas andbahtjai / mik laistjai (Joh. XII, 26), jabai hwas habai ausona hausjandona / gahausjai (Mark. VII, 16) u. a. a. O., vgl. Cuendet S. 82-88). 4) Sie kollidiert kein einziges Mal mit der von Otto Behaghel aufgestellten Haupt­ regel, der gotische Adhortativus (1. Pers. Plur.) werde bei den imperfektiven Verba vorwiegend durch Optativformen, bei den perfektiven Verba hauptsächlich durch die mit den Formen der 1. Pers. Plur. des Präs. Ind. identischen Imperativformen ausgedrückt72. An einigen Stellen scheint bei der Moduswahl in einem affektiven Status die Sub­ jektivität des sich äussernden Individuums deutlich durch: goleiþ izwis misso in frijonai weihai (1. Kor. XVI, 20) goljaiþ izwis misso in frijonai weihai (2. Kor. XIII, 12) goljaiþ broþruns allans in gafrijonai weihai (1. Thess. V, 26) goleiþ bzw. goljaiþ übersetzt in allen drei Fällen genau dieselbe griechische Form (àanácшт0е) der Vorlage. In allen drei Bibelstellen dienen die Sätze dazu, einen Brief an eine Gemeinde abzuschliessen, und sie haben augenscheinlich an den betreffenden Stellen genau dieselbe Funktion. Für die Wahl des Modus scheint jeweils ausschliess­ lich die subjektive Würdigung des Übersetzers ausschlaggebend gewesen zu sein. Man vergleiche hierzu beispielsweise die Stelle Eph. IV, 27, wo in der ambrosianischen Handschrift A ein Imperativ, in der ambrosianischen Handschrift В ein Optativ steht73: ni gibiþ staþ unhulþin (Handschrift A) | nih gibaiþ staþ unhulþin (Handschrift В) 72 О. Behaghel: „Der gotische adhortativus“, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Paul und Braunes Beiträge), 43. Bd. 1. Heft, Halle a.S. 1917 (S. 325-327). 73 Vgl. Vilh. Uppström: „Gotiska Bidrag med särskild Hänsyn tili de Ambrosianska Urkunderna“, Uppsala 1868 (S. 40).

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(Vgl. im übrigen zu den Parallelstellen, wo der gotische Übersetzer bald den Imperativ, bald den Optativ gewählt hat, (v.d. Gabelentz-)Loebes Grammatik § 186, 1 Anm. 2, S. 152). Nur propositiv denkbar sind die Satzkonstruktionen, in denen das in der Regel als Interjektion zu charakterisierende Element sai als Satzglied auftritt und innerhalb eines Satzgefüges die verbale Funktion eines Imperativs hat74: sai þana staþ/ þarei galagidedun ina (Mark. XVI, 6) sai nu selein jah hwassein gudis (Röm. XI, 22) Hierzu kommen noch die beiden Beispiele aus dem Markus-Evangelium, wo ‘sai her9 und ‘sai jainar9 wie die entsprechenden französischen Elemente ‘void*/‘voilà9 den imperativischen Einschlag nicht verleugnen: sai, her Xristus, (aippau) sai, jainar (Mark. XIII, 21) Die sogenannten adverbiellen Imperative hiri, hirjats, hirjiþ sind nur propositiv belegt. Die Möglichkeit, dass sie sich im Gotischen auch rekusativ verwenden liessen, kann nicht ausgeschlossen werden: hirjats afar mis (Mark. I, 17), jah hiri laistjan mik nimands galgan (Mark. X, 21), hirjiþ (Mark. XII, 7), jah hiri laistjan mik (Luk. XVIII, 22), hiri jah saihw (Joh. XI, 34), Lazaru, hiri ut! (Joh. XI, 43) In isolierten Fällen wird, sicherlich nach griechischem Vorbilde, der Infinitiv im affektiven Status verwertet: propositiv: faginon rekusativ :

miþ faginondam, gretan miþ gretandam (Röm. XII, 15) nih pan tweihnos paidos haban (Luk. IX, 3)75

An Stelle des in der Regel in affektiven Statussätzen verwendeten rekusativen Polarisationszeichens ni kommt nur einmal im ganzen gotischen Text das Zeichen nih vor, einem einfachen griechischen |if| entsprechend: nih ahjaip pat/ei qemjau lagjan gawairpi ana airpa (Matth. X, 34) Nicht selten tritt in der gotischen Bibelübersetzung das persönliche Subjektsprono­ men in affektiven Statussätzen auf (einmal ist auch weis in Verbindung mit einem Adhortativus belegt): 74 Vgl. Jacob Wackernagel: „Vorlesungen über Syntax mit besonderer Berücksichtigung von Griechisch, Lateinisch und Deutsch“, Erste Reihe, Basel 1920 (S. 211: „Dass einzelne Adver­ bien und Interjektionen, weil der Aufforderung dienend, neben Imperativen und ihnen analog verwendet werden und infolge dessen gelegentlich verbale Endung erhalten, ist früher (S. 71 f.) nachgewiesen worden. Umgekehrt können Imperative ihre verbale Natur einbüssen und in die Klasse der Interjektionen einrücken“). 75 Vgl. A. M. Sturtevant: “The Imperative Use of the Gothic Infinitive haban in Luke IX, 3“, Modern Language Notes 41, Baltimore 1926 (S. 382f.).

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iþ þu gagg jah gaspillo þiudangardja gudis (Luk. IX, 60) nu hauhei mik þu, atta (Joh. XVII, 5) þu nu arbaidei swe gods gadrauhts Xristaus Iesuis (2. Tim. II, 3) iþ þu andaþahts sijais in allaim (2. Tim. IV, 5) gaggam jah weis (Joh. XI, 16) sijaiþ nu jus fullatojai (Matth. V, 48) swa nu bidjaiþ jus (Matth. VI, 9) jah jus taujaid im samaleiko (Luk. VI, 31) gibiþ im jus matjan (Luk. IX, 13) Diese Erscheinung ist für unsere Erwägungen ohne Belang, da das Pronomen bald vor, bald nach dem Satzverbal steht76, und weil sich überhaupt Wortstellungskriterien bei der Beschreibung und der gegenseitigen Abgrenzung der gotischen Statusformen nicht verwenden lassen77.

V. DER EXOPTATIVE STATUS Wie bei der Darstellung der kymrischen Statusformen festgestellt wurde, bezeichnen die zu diesem Status gehörigen Sätze einen selbstgehegten Wunsch ohne intentions^ bestimmte Adresse (Reaktionsziel). Wird der im Satze ausgedrückte Wunsch be­ sonders betont, lässt sich im Gotischen wie in vielen anderen indoeuropäischen Sprachen ein besonderes statuseinleitendes Zeichen verwerten: so entspricht dem lat. utinam, dem griech. öipsXov, dem dän. gid u. ä. ein diesem Zwecke dienendes got. Zeichen wainei. Von diesem wainei ist nun zu bemerken, dass es im Gegensatz zu den entsprechenden, beispielsweise vorgeführten lat., griech. und dänischen Elementen offensichtlich als rekusativ zu werten ist (dem kymrischen ‘o na' entsprechend). Es scheint aus der Wunschpartikel wai und dem emphatischen rekusativen Polarisations­ zeichen nei zusammengesetzt zu sein; das Zeichen nei tritt zweimal im gotischen Text in Fragesätzen auf (2. Kor. III, 8 und Skeir. I, c) und hat augenscheinlich, wie oben festgestellt, in beiden Fällen die Funktion, den logisch positiven Inhalt dieser Sätze hervorzuheben. 76 Das vollständige Material findet sich bei Ernst Friedrichs: „Die Stellung des Pronomen personale im Gotischen“, Inaugural-Dissertation, Jena 1891 (S. 20-24). 77* Vgl. George H. McKnight: “The Primitive Teutonic Order of Words”, The Journal of Germanic Philology, Volume 1, Bloomington, Ind. 1897 (Word-Order in Gothic S. 146-151). ъ Georges Cuendet: «L’ordre des mots dans le texte grec et dans les versions gotique, arménienne et vieux slave des Évangiles», Paris 1929 (S. 87: «Les divergences entre le grec et le gotique se réduisent done a fort peu de chose; Wulfila peut s’en tenir a Fordre de son modèle tout en restant d*accord avec les tendances du germanique . . . ») . c J. Fourquet: «L’ordre des éléments de la phrase en germanique ancien», Paris 1938 (S. 275: «II n’est done pas surprenant que la position du pronom en gotique apparaisse comme un fait secondaire, et dépende de la disposition des éléments majeurs de la phrase, et de nuances de situation»).

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Das Element wainei tritt dreimal in der gotischen Bibel auf: jah wainei þiudanodedeiþ / ei jah weis izwis miþþiudanoma (1. Kor. IV, 8) wainei jah usmaitaindau þai drobjandans izwis (Gal. V, 12) Die bei der Behandlung des Kymrischen erwähnte und zum Beispiel im Englischen deutlich zu beobachtende Erscheinung, dass dieser Status im sprachlichen Ausdruck zur syntaktischen Unterordnung tendiert (lat. utinam = engl, would / that .. .) , tritt im dritten gotischen Beleg in sehr überzeugender Weise zu Tage: vor das Zeichen wainei schleicht sich das Zeichen ei des neutral subordinierten Status (der der Wunsch­ partikel wai innewohnende Satzinhalt scheint als zu ergänzender übergeordneter Faktor betrachtet werden zu müssen): ei wainei usþulaidedeiþ meinaizos leitil hwa unfrodeins (2. Kor. XI, 1) Das spärliche gotische Material weist nur diese drei durch das Element wainei ge­ kennzeichneten Satzgefüge auf, die alle lat. utinam-Sätzen entsprechen. Wie man im Gotischen ‘utinam ne'-Sätze ausgedrückt hat, lässt sich nicht genau sagen. Es gibt keinen einzigen Beleg. (Von der Stelle Gal. V, 13* ausgehend, fühlt man sich versucht, das von einem wissenschaftlichen Gesichtspunkt aus unzulässige Fingerspitzengefühl walten zu lassen und Konstruktionen mit ‘þatainei ei . . . nV als kaum unwahrschein­ lich zu betrachten.) Sonst bietet die gotische Bibel noch die folgenden Stellen, wo (fast ausschliesslich propositive) exoptative Statussätze ohne verstärkendes Element auftreten: ni þanaseiþs us þus aiw manna akran matjai (Mark. XI, 14), iþ guþ þulainais jah þrafsteinais gibai izwis þata samo fraþjan in izwis misso bi Xristu Iesu (Röm. XV, 5), iþ guþ lubainais fulljai izwis allaizos fahedais (Röm. XV, 13), aþþan silba guþ jah atta unsar jah frauja unsar Iesus Xristus garaihtjai wig unsarana du izwis (1. Thess., Ill, 11), aþþan izwis frauja managjai jah ganohnan gataujai friaþwai in izwis misso jah allans (1. Thess. III, 12), aþþan silba guþ gawairþjis gaweihai izwis allandjo jah gahailana izwarana ahman jah saiwala jah leik unfairinona in quma fraujins unsaris Iesuis Xristaus gafastaindau (1. Thess. V, 23), aþþan silba frauja gawairþeis gibai izwis gawairþi sinteino in allaim stadim (2. Thess. III, 16), gibai armaion frauja Auneiseifauraus garda (2. Tim. I, 16), gibai frauja imma bigitan armahairtein at fraujin in jainamma daga (2. Tim. I, 18)(vgl. 2. Thess. II, 16-17 und III, 5). Zu diesem propositiven Satzmaterial ist nur noch ein einziges rekusatives Beispiel hinzuzufügen: iþ mis ni sijai hwopan ni in waihtai (Gal. VI, 14). Diese exoptativen Statussätze zeigen in gewissen Fällen eine Tendenz, sich in das Formelhafte zu verlagern, indem die 3. Pers. Sing. Präs. Opt. von wisan oder wairþan elliptisch ausfällt (nur propositive Belege sind vorhanden): * Gal. V, 13: þ a ta in e i ib a i þ a n a fre ih a ls du lew a leik is tau jaiþ.

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þiuþida sa qimanda in namin fraujins! þiuþido so qimandei þiudangardi in namin attins unsaris Daweidis, osanna in hauhistjam! (Mark. XI, 9-10), wulþus in hauhistjam guda jah ana airþai gawairpi in mannam godis wiljins! (Luk. II, 14), þiuþida sa qimanda þiudans in namin fraujins; gawairþi in himina jah wulþus in hauhistjam! (Luk. XIX, 38), ansts fraujins unsaris Iesuis Xristaus miþ ahmin izwaramma (Röm. XVI, 24), iþ guda awiliuþ (1. Kor. XV, 57), ansts fraujins Iesuis miþ izwis! (1. Kor. XVI, 23), ansts izwis jah gawairpi fram guda attin unsaramma jah fraujin Iesu Xristau! (2. Kor. I, 2), aþþan guda awiliuþ þamma sinteino ustaiknjandin hroþeigans uns in Xristau jah daun kunþjis seinis gabairhtjandin þairh uns in allaim stadim (2. Kor. II, 14), awiliud guda in þizos unusspillodons is gibos (2. Kor. IX, 15), ansts fraujins unsaris Iesuis Xristaus jah frijaþwa gudis jah gaman ahmins weihis miþ allaim izwis! (2. Kor. XIII, 13), gawairþi ana im jah armaio jah ana Israela gudis (Gal. VI, 16), imma wulþus in aikklesjon in Xristau Iesu in alios aldins aiwe! (Eph. Ill, 21), gawairþi broþrum jah friaþwa miþ galaubeinai fram guda attin jah fraujin Iesu Xristau! (Eph. VI, 23), ansts miþ izwis (Kol. IV, 19),frauja miþ allaim izwis! (2. Thess. Ill, 16), ansts, armaio, gawairþi fram guda attin jah Xristau Iesu fraujin unsaramma! (1. Tim. I, 2), aþþan þiudana aiwe, unriurjamma, ungasaihwanamma, ainamma, frodamma guda sweriþa jah wulpus in aldins aiwe! (1. Tim. I, 17), ansts jah gawairþi fram guda attin jah Xristau Iesu nasjand unsaramma! (Titus I, 4) (vgl. 2. Kor. VIII, 16, Gal. I, 3, VI, 18, Eph. I, 2. 3, VI, 24, 1. Thess. V, 28, 2. Thess, I, 2, III, 18, 2. Tim. I, 2). - Hierzu kommen noch folgende Konstruktionen mit wai: aþþan wai izwis þaim gabeigam (Luk. VI, 24), wai izwis, jus sadans nu (Luk. VI, 25), wai izwis, jus hlahjandans nu (Luk. VI, 25), wai þus Kaurazein! wai þus Baipsaidan! (Luk. X, 13) (vgl. die Grussformel hails in Mark. XV, 18: hails, þiudan Iudaie! und in Joh. XIX, 3: hails þiudans Iudaie!). Einen Sonderfall subtilster Art haben wir in der Stelle Luk. I, 38 vor uns: wairpai mis bi waurda peinamma Der Satz ist subjektlos und erinnert durch dieses Merkmal an einen imperativischen Ausdruck. Auf der anderen Seite scheint es rein unmittelbar mit grossen Schwierig­ keiten verbunden zu sein, irgendeine Adresse nachzuweisen. Bei näherer Betrachtung lässt sich dieser heikle Satz in zweierlei Weisen beurteilen: 1) ohne eigentliche Adresse, als Ausdruck dafür, dass der Wille des Sprechenden zur absoluten Unterwerfung auch als dessen Wunsch aufzufassen ist, nach dem Re­ zept: dein Wille ist mein Gesetz, und so will ich es! 2) Ein vages und äusserst abstraktes Adresse-Moment klingt mit: als Adresse ist unter diesem Gesichtspunkt jedes Geschehen, und das heisst in der vorliegenden Lage jede beliebige Intention aufzufassen, die der Engel an dem Mädchen zu realisieren für gut befände. Diese abstrakte Adresse ist in der betreffenden Situa­ tion in der Geburt Christi konkretisiert: sie liegt in der ganzen Situation als zu ergänzendes Moment verborgen. 106

Wir scheinen mit diesem Beispiel zu der Urquelle vorgedrungen zu sein, wo sich Optativ und Imperativ verzweigen. Die verschiedenen indoeuropäischen Sprachen gehen hier auseinander; wir wollen in diesem Zusammenhang nicht sämtliche indo­ europäischen Bibelübersetzungen in bezug auf diese Lukas-Stelle vergleichen, sondern begnügen uns damit, einige wenige zur Illustration dienende Exempel vorzuführen: Das Griechische des Neuen Testaments verwendet den Optativ des Aorists (yévoiio). Das Lateinische und das (Althoch)deutsche verwenden den Konjunktiv (fiat mihi secundum verbum tuum : uuese mir after thinemo uuorte (Tatian) : es geschehe mir, wie du gesagt hast); das Dänische verwendet den mit dem Infinitiv identischen Konjunk­ tiv : mig ske efter dit ord. Das Kymrische verwendet den Imperativ und hat sprachlich nur die Möglichkeit, diesen Satz im affektiven Status auszudrücken: bydded i mi yn öl dy air di. Das Englische verwendet den mit dem Infinitiv identischen Konjunktiv(?) / Impe­ rativ (?): be it unto me according to thy word. Das Gotische verwendet den Optativ: den satzungsgemäss als Optativ bezeichneten Modus, in welchen der ursprüngliche indoeuropäische Konjunktiv und der ursprüng­ liche ieur. Optativ aufgegangen sind; dieser Optativ dringt bekanntlich in weitem Ausmasse in den Bereich des Imperativs ein. Gerade an dieser Stelle halten wir es für unnötig und unpraktisch, die Form wairþai als einen imperativisch verwerteten Optativ zu betrachten. Die Form entspricht einem griechischen Optativ in der Vor­ lage, und der gotische Optativ hat hier eine unverkennbar handgreifliche Möglich­ keit, bei der Wiedergabe des Griechischen seine spezifische Urfunktion auszuüben. Eine genauere Untersuchung und Darstellung der Urfunktionen des Optativs und des Imperativs und deren Abgrenzung gegeneinander muss unseres Erachtens in Sätzen dieser Art ihren Ausgangspunkt nehmen, wobei sämtliche Sprachzustände, die dazu dienen können, Licht in das Problem zu bringen, in die Erforschung dieser komplexen Frage mit einbezogen werden müssen. Der exoptative Status kann einen Wunsch ausdrücken, der, obwohl sein kenn­ zeichnendes Gepräge der Selbstgehegtheit bewahrend, einen geradezu provokativen Charakter annehmen kann. Das schönste Beispiel für einen Satz dieser Art bietet uns die gotische Bibel im Briefe Pauli an Philemon: jai, broþar, ik þeina niutau in fraujin (Philem. 20) Wulfila bleibt seiner griech. Vorlage möglichst getreu und verwendet seinen eigenen, dem Zwecke vortrefflich dienenden Optativ, um diesen provokativen Optativ Aoristi der ersten Person (ôvaí|ir|v) wiederzugeben. Die deutsche Bibel gibt - verständlich die ganze Konstruktion mittels einer Imperativumschreibung wieder: gönne mir, dass ich mich an dir ergötze in dem Herrn; ein ähnliches Verfahren beobachten wir z.B. in King James Version: Yea, brother, let me have joy of thee in the Lord, und in der dänischen Bibelübersetzung: lad mig dog fâ gavn af dig i Herren!

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Hierzu können wir nun die vielumstrittene* Bibelstelle Luk. II, 29 vergleichen: nu fraleitais skalk þeinana in gawairþja (Luk. II, 29) Hier steht freilich in der griech. Vorlage eine 2. Pers. Präs. Ind. (àrcoX6siç). Indem wir vorläufig vom Griechischen gänzlich absehen - das Griechische folgt wie jede andere Sprache seinen eigenen Gesetzen*78 - dürfen wir wohl in bezug auf den in dieser Bibelstelle von Wulfila gewählten Optativ genau dieselbe Funktion wie in der Stelle Philem. 20 erkennen. Die Lukas-Stelle wäre wohl ohne weiteres in einer der Philemon-Stelle entsprechenden Formulierung mit dem wunschhervorhebenden Element jai auch denkbar (etwa: jai, frauja, nu fraletais skalk þeinana in gawairþja). Der grammatisch sehr weitgespannte gotische Optativ kommt hier offensichtlich wieder dem gotischen Übersetzer sehr gelegen: in diesem Sonderfall ist ein provoka­ tiver exoptativer Status am Platze; der Wunsch wird ausgedrückt, indem das Moment des allzu erhabenen Reaktionsziels gleichsam verdeckt totgeschwiegen bleibt. Das Reaktionsziel ist in den Augen des sich bewusst erniedrigenden Sprechers zu gehoben, als dass sich von vornherein irgendeine Reaktion von jenem erwarten Hesse: eine vom Wünschenden gewollte Mauer ist zwischen ihm und der Adresse etabliert. Wie aus den obigen Erwägungen hervorgeht, kommt der exoptative Status je nach dem Grade, der Art und dem Charakter des jeweiligen Wunsches im sprach­ lichen Ausdruck in unterschiedlichster Weise zustande. (Dies gilt bekanntlich nicht nur für das Gotische - man vergleiche beispielsweise unsere eingangs vorgeführte Darstel­ lung des exoptativen Status im Kymrischen.) Nach den obigen Ausführungen über die für das Gotische anzusetzenden über­ geordneten Statusformen, werden wir uns jetzt an die Darstellung der untergeordneten gotischen Statussätze heranmachen, indem wir sie in der in bezug auf den Sprachzustand der gotischen Bibel zweckmässigsten Reihenfolge betrachten werden. * S. V . d. Gabelentz-Loebe (opus cit. 37 zur Stelle) und Artur Köhler: „Der syntaktische Ge­ brauch des Optativs im Gothischen“, Karl Bartschs Germanistische Studien, 1. Bd., Wien 1872 (S. 89), die beide 1frale[i]tais’ als einen adhortativen Optativ betrachten; Carl Schirmer: „Über den syntaktischen Gebrauch des Optativs im Gotischen“, Inaugural-Diss., Marburg 1874, wo auf S. 11, unter Berücksichtigung des griech. Präs. Ind. ànoXb£iç der Vorlage, die got. Form 'frale[i]tais’ als ein Optativ potentialis aufgefasst wird; Wolfgang Krause opus cit. 15 bezeichnet diesen Präs. Opt. schlechthin als einen Ausdruck des als erfüllbar gedachten Wunsches (S. 206 § 208,1 a). 78 Vgl. Der grosse DUDEN, „Die Grammatik der deutschen Gegenwartssprache“, Mannheim 1959 (S. 432-33 § 857, B. Die Satzarten: 1. der Aussagesatz, 2. der Aufforderungssatz (Wunsch­ oder Befehlssatz), 3. der Ausrufesatz, 4. der Fragesatz. - S. 433: „Beachte: Die Satzarten gehen vielfach ineinander über: Sie kommen doch morgen. (Aussagesatz) Sie kommen doch morgen! (Ausrufesatz) Sie kommen doch morgen ? (Fragesatz)“). (Wunschsatz) 1 Die Hinzusetzung dieser beiden Möglich(Befehlssatz) J keiten wäre wohl auch denkbar!

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VI. DER SUBORDINIERTE FINAL-KONSEKUTIVE STATUS Dieser untergeordnete Status, der seiner Bedeutungsfunktion nach deutschen ,,auf dass“ ( = 1) „damit“ , 2) „so dass“)-Sätzen entspricht, tritt in weitem Ausmasse final, zum Teil auch konsekutiv hervor, wobei es oft äusserst schwierig sein kann, im vor­ liegenden gotischen Material die beiden Funktionssphären gegeneinander genau abzugrenzen und zu entscheiden, ob das Hauptgewicht auf das Finale oder das Konsekutive zu legen ist. Die konsekutiven „so dass“-Sätze haben im Gegensatz zu den explikativen „(so) dass“-Sätzen (wie z.B. 1. Kor. IX, 24: swa rinnaiþ / ei garinnaiþ) dasjenige mit den finalen „damit“-Sätzen gemeinsam, dass sie an keinen Einzel­ begriff im Hauptsatze angeschlossen werden, sondern den Hauptgedanken des Haupt­ satzes aufnehmen; es ist hierbei für die finalen Sätze besonders kennzeichnend, dass sie die vom Hauptsatzsubjekt gehegte Absicht zum Ausdruck bringen. Der subordinierte final-konsekutive Status ist durch eine in einem gewissen Aus­ masse realisierte Kommutabilität von Status/Polarisationszeichen : ei (þei) : ibai ge­ kennzeichnet. Das rekusative Status/Polarisationszeichen ibai (dem sehr häufig das Element aufto (Matth. XXVII, 64 ufto) folgt) ist in folgenden Satzgefügen belegt: sijais waila hugjands andastauin þeinamma sprauto und þatjei is in wiga miþ imma / ibai hwan atgibai fiuk sa andastaua stauin jah sa staua þuk atgibai andbahta jah in karkara galagjaza (Matth. V, 25), hait nu witan þamma hlaiwa und þana þridjan dag / ibai ufto qimandans þai siponjos is binimaina imma jah qiþaina du managein: urrais us dauþaim (Matth. XXVII, 64), ni haitaisfrijonds þeinans nih broþruns þeinans nih niþjans þeinans nih garaznans gabeigans / ibai aufto jah eis aftra haitaina þuk jah wairþiþ þus usguldan (Luk. XIV, 12), niu frumist gasitands rahneiþ manwiþo / habaiu du ustiuhan / ibai aufto, biþe gasatidedi grunduwaddju jah ni mahtedi ustiuhan, allai þai gasaihwandans duginnaina bilaikan ina (Luk. XIV, 28-29), iþ in þiz/ei usþriutiþ mis so widuwo / fraweita þo / ibai und andi qimandei usagljai mis (Luk. XVIII, 5), ak leik mein wlizja jah anaþiwa / ibai anþaraim merjands silba uskusans wairþau (1. Kor. IX, 27), ganah þamma swaleikamma andabeit þata fr am managizam! swaei þata andaneiþo izwis mais fragiban jag-gaþlaihan / ibai aufto managizein saurgai gasiggqai sa swaleiks (2. Kor. II, 6-7), aþþan fauragasandida broþruns / ei hwoftuli unsara so fram izwis ni waurþi lausa in þizai halbai / ei swaswe qaþ gamanwidai sijaiþ / ibai / jabai qimand miþ mis Makidoneis jah bigitand izwis unmanwjans / gaaiwiskondau weis (2. Kor. IX, 3-4), iþ freidja / ibai hwas in mis hwa muni ufar þatjei gasaihwiþ aiþþau gahauseiþ hwa us mis (2. Kor. XII, 6) Jah ussok im aiwaggeli/þatei merja in þiudom, iþ sundro þaim/ei þuhta / ibai sware rinnau aiþþau runnjau (Gal. II, 2), nih niujasatidana / ibai aufto ufarhauhiþs in stauai atdriusai unhulþins (1. Tim. Ill, 6). Da sich die Bedeutungssphären von „auf dass . . . nicht“ und „sonst . . . “ vielfach überschneiden - das oben vorgeführte Satzmaterial bezeugt zur Genüge diese Tat­ sache - wollen wir ohne Bedenken die final-konsekutiv unterordnende Funktion von 109

ibai in folgenden beiden Belegen aus dem Markus-Evangelium ansetzen, indem wir die Stellen mit unbefangenen gotischen Augen betrachten79 (Gabelentz-Loebes Glossar80 (S. 87) setzt unnötigerweise ein übergeordnetes „supplirtes“ ogands an): ni manna plat fanins niujis siujiþ ana snagan fairnjana / ibai afnimai fullon a f þamma, sa niuja þamma fairnjin, jah wairsiza gataura wairþiþ (Mark. II, 21), ni manna giutiþ wein juggata in balgins fairnjans / ibai auf to distairai wein þata niujo pans balgins,jah wein usgutnip jah pai balgeis fraqistnand (Mark. II, 22) Hiernach wird es vielleicht weniger befremden, dass das Element nibai, welches ohnehin in seiner exzeptiven Grundfunktion tatsächlich einem deutschen „sonst“/dän. „ellers“ gleichkommen kann (vgl. 1. Kor. XV, 2: niba sware galaubideduþ: dän. „ellers var det til ingen nytte, at I kom til troen“ ; 2. Kor. XIII, 5: nibai aufto ungakusanai sijuþ: dän. „ellers stär I ikke prove“ *) - dass dieses nibai sich einmal im gotischen Text mit dem funktionell final-konsekutiv unterordnenden ibai {aufto) ( = ,»damit nicht (etwa)“) vermischt: ei saihwandans saihwaina jah ni gaumjaina, jah hausjandans hausjaina jah ni frapjaina / nibai hwan gawandjaina sik jah afletaindau im frawaurhteis (Mark. IV, 12)81 Die Bedeutungssphäre des subordinierten final-konsekutiven Status ist durch die semantische Funktion des innerhalb dieses Status potentiell verwertbaren rekusativen Polarisationszeichens ibai angegeben. Dem rekusativen ibai gegenüber, welches in diesem Status die auch in anderen Statusformen zu beobachtende, ausgesprochen vorwegnehmend-rekusative Funktion ausübt, steht auf der propositiven Seite teils ein ausserordentlich häufig belegtes ei („auf dass“ - „damit“/„so dass“), teils ein äusserst selten verwendetes pei. Die syntaktische Situation ist allein dafür bestimmend, ob die durch diese Elemente eingeleiteten Sätze als subordinierte final-konsekutive Statusformen aufzufassen sind. Nur zweimal tritt pei in einem propositiven, subordinierten final-konsekutiven Status auf: pata rodida izwis / þei in mis gawairpi aigeip (Joh. XVI, 33), twaim hundam skatte hlaibos ni ganohai sindpaim / þei nimai hwarjizuh leitil (Joh. VI, 7) 79 Ähnlich bei Ludwig Tobler: „Conjunctionen mit mehrfacher Bedeutung“, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Paul und Braunes Beiträge), V. Bd., Halle a.S. 1878 (S. 368 zu den Stellen). 80 H. C. de Gabelentz et Dr. J. Loebe: „Ulfilas. Veteris et Novi Testamenti versionis gothicae fragmenta quae supersunt. Voluminis 11 pars prior. Glossarium linguae gothicae continens“, Lipsiae 1843 (Glossarium der gothischen Sprache von H. C. v. d. Gabelentz und Dr. J. Loebe, Leipzig 1843). * Vgl. „Bibelen. Den gamle og Den nye Pagts kanoniske Boger“, Det danske Bibelselskab, Kopenhagen 1956. 81 E. Bernhardt (Die gotische Bibel des Vulfila, Halle 1884) und W. Streitberg (Die gotische Bibel, 2. Aufl. Heidelberg 1919) sehen sich veranlasst, das im Codex Argenteus belegte nibai in ibai zu korrigieren.

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Überall, wo im subordinierten final-konsekutiven Status das potentiell verwend­ bare, vorwegnehmend/rekusative ibai nicht verwertet wird, ist auf der rekusativen Seite die Rollenverteilung ei (seltener (nur einmal) þeí) (Zeichen der betreffenden Unterordnung) + ni (Zeichen der rekusativen Polarisation) zu beobachten: a) iþ pu fastands salbo haubiþ þein jah ludja þeina pwah / ei ni gasaihwaizau mannam fastands, ak attin þeinammaþamma in fulhsnja (Matth. VI, ll-lS ),ja h ni stojid/ ei ni stojaindau (Luk. VI, 37), pata rodida izwis / ei ni afmarzjaindau (Joh. XVI, 1), ni auk wiljau izwis unweisans, broþrjus, þizos runos / ei ni sijaiþ in izwis silbam frodai (Röm. XT, 25), ni matja mimz aiw / ei ni gamarzjau broþar meinana (1. Kor. VIII, 13) jah bifilusnai andhuleino / ei ni ufarhafnau / atgibana ist mis hnuþo leika meinamma, aggilus Satanins / ei mik kaupastedi / ei ni ufarhugjau (2. Kor. XII, 7), þai nauþjand izwis bimaitan / ei hweh wrakja galgins Xristaus ni winnaina (Gal. VI, 12), ni us waurstwam / ei hwas ni hwopai (Eph. II, 9), aþþan ni þatainei ina, ak jah mik / ei gaurein ana gaurein ni habau (Phil. II, 27), jus attans, ni gramjaiþ barna izwara du þwairhein / ei ni wairþaina in unlustau (Kol. III, 21), aþþan ni wileima izwis un­ weisans, broþrjus, bi pans anaslepandans / ei ni saurgaip swe pai anparai/ paiei ni haband wen (1. Thess. IV, 13), nih arwjo hlaib matidedum at hwamma, ak winnandans arbaidai naht jah daga waurkjandans j ei ni kauridedeima hwana izwara (2. Thess. III, 8), skal auk is weitwodipa goda haban fram paim uta / ei ni atdriusai in idweit jah hlamma unhulpins (1. Tim. III, 7), ip inu pein ragin ni waiht wilda taujan / ei ni swaswe bi naupai piup peins sijai, ak us lustum (Philem. 14) (vgl. Luk. IV, 10-11. 42, VIII, 10. 12, (IX, 45), Joh. VI, 50, VII, 23, XII, 35. 39-40, XVIII, 28. 36, Röm. VII, 3, 1. Kor. I, 14-15. 17, IV, 6, VII, 5, XVI, 2, 2. Kor. I, 9, II, 3. 5. 10-11, IV, 3-4, V, 14-15, VI, 3, VII, 9, IX, 3. 4. XIII, 10, Gal. V, 17, Eph. IV, 14, 1. Thess. IV, 6, 13, 1. Tim. Ill, 7, VI, 1, Philem. 19) b) galisip pos aflifnandeins drauhsnos / þei waihtai ni fraqistnai (Joh. VI, 12) Aus dem oben vorgeführten Material geht mit aller Deutlichkeit hervor, dass es für den final-konsekutiven Status symptomatisch ist, dass solche etwaigen Elemente, auf die sich das rekusative Polarisationszeichen negierend bezieht, durchgängig Mitglieder der Konstitutionsachse sind. VII. DER SUBORDINIERTE AFFEKTIVE STATUS Der subordinierte affektive Status ist im Gegensatz zum entsprechenden finalen durch eine offenbar in weitem Ausmasse idiomatisch bestimmte, nur teilweise realisierte Kommutabilität von Status/Polarisationszeichen e i: ibai (Gal. VI, 1 iba) gekenn­ zeichnet. Das rekusative Status/Polarisationszeichen ibai, dem sich das Element auf to niemals anschliesst, ist in folgenden Typen von Satzgefügen belegt: a) saihwip / ibai fram izwis misso fraqimaindau (Gal. V, 15), saihwip / ibai hwas ubil und ubilamma hwamma usgildai (1. Thess. V, 15) 111

b) andsaihwands þuk silban / iba jah þu fraisaizau (Gal. VI, 1) (Cod. B: atsaihwands þuk silban / ibai . . . ) c) aftra qiþa / ibai hwas mik muni unfrodana (2. Kor. XI, 16) d) þatainei / ibai þana freihals du lewa leikis taujaiþ (Gal. V, 13) Demgegenüber steht folgendes, durch ei eingeleitete propositive Satzmaterial: a) saihwiþ / ei atsaihwiþ izwis þis beistis Fareisaie jah beistis Herodis (Mark. VIII, 15) saihwiþ / ei unagands sijai at izwis (1. Kor. XVI, 10) saihw þata andbahti þatjei andnamt in fraujin / ei ita usfulljais (Kol. IV, 17) In der unter diesem Punkt angeführten Markus-Stelle VIII, 15 (saihwiþ / ei atsaihwiþ . . . ) erkennt schon W. Wilmanns („Deutsche Grammatik“82 III, 235) einen Imperativ in einem durch ei eingeleiteten untergeordneten Satz. W. Streitberg schreibt in scharfem Gegensatz hierzu in seinem „Got. Elementarbuch“ 83 § 344 Anm .: „Ver­ einzelt scheint ei (ähnlich dem Gebrauch von ab[ul]g. i) als kopulative Partikel ver­ wendet zu werden“, und Streitberg hält es für „ausgeschlossen, dass die Konjunktion ei mit dem I m p e r a t i v verbunden werden könne“. Dieser mit der geschwächten Beweiskraft eines Postulats hervortretenden Streitbergschen Ansicht, ei sei in verein­ zelten gotischen Bibelstellen * als kopulativ zu betrachten, schliessen sich ohne Kritik G. Cuendet (opus cit. 67 S. 41) und A. Music84 an, gerade wo es darum geht, das ei unserer Markus-Stelle VIII, 15 zu erklären, obwohl B. Delbrück85 schon in der Zwischenzeit die Wilmannssche Annahme eines jedenfalls in bezug auf Mark VIII, 15 anzusetzenden untergeordneten Imperativs in sehr überzeugender Weise gerecht­ fertigt hatte. Delbrück kommt die von Streitberg postulierte kopulative Bedeutung der sonst durchgängig unterordnenden Partikel ei unglaublich vor. Die Ausführungen Delbrücks gewinnen gegenüber dem Streitbergschen Postulat dadurch an Gewicht, dass sie den Charakter einer überzeugenden Beweisführung haben: Delbrück macht sich die Mühe, seine Theorie mit aufschlussreichen Beispielen für untergeordnete Imperative zu unterbauen, die vor allem im Altnordischen auftreten, die aber auch isoliert im Heliand und bei Otfrid, ja sogar im Griechischen zum Vorschein kommen (vgl. Kühner-Gerth II, I, S. 238). „Die Erklärung,“ heisst es bei Delbrück (S. 21-22), 82 W. Wilmanns: „Deutsche Grammatik“, 3. Abteilung 1. Hälfte, Strassburg 1906. 83 W. Streitberg: „Gotisches Elementarbuch“, 2. Auf!., Heidelberg 1906 (vgl. hierzu noch V. E. Mourek: „Syntaxis sloiených vët v gotStinë“, Rozpravy Ceské Akademie Cisare Franti§ka Josefa pro vëdy, slovesnost a umëní v Praze, Tfída III (Filologická), Rolník II, tíslo 1, Prag 1893 (S. 157 § 123), wo ei als „einfach deiktisch“ gewertet wird). * Matth. XXVII, 49 und Mark. XV, 36 (let / ei saihwam) mit einem Adhortativus in einem unter­ geordneten Satz; Joh. XVI, 17 (hwa ist þata / þatei qiþiþ unsis, leitil / ei ni saihwiþ mik, jah aftra leitil jah gasaihwiþ mik?), wo sich die durch ei etablierte Unterordnung als idiomatischer gotischer Sprachgebrauch erklären lässt (vgl. unten S. 113 u. 115-116). 84 A. Musil: „Die gotischen Partikeln ei undþeV\ Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Paul und Braunes Beiträge), 53. Band, 1. Heft, Halle a.S. 1929 (S. 236). 85 B. Delbrück: „Germanische Syntax V, Germanische Konjunktionssätze“, Abhandlungen der sächsischen Akademie der Wissenschaften, Philologisch-Histor. Klasse, Bd. XXXVI, No. IV, Leipzig 1919 (S. 20 § 13: „Imperativsätze mit a/“).

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„denke ich mir so, dass die Sätze zunächst ohne äusserliche Verbindung waren, z.B. tue mir einen Gefallen, schneide mir ein Hemde zu. Dann machte die innerliche Ver­ bundenheit ein äusseres Zeichen wünschenswert, und es stellte sich als solches die geläufige und farblose Konjunktion dass ein. Doch brachte die Konkurrenz optativischer dassSdAzt den imperativischen bald den Untergang.“ Delbrücks allgemein am Germanischen orientierte Argumentation ist zu gewichtig, als dass sie sich nicht auch in bezug auf das Gotische verwenden Hesse. Wir wollen hiernach in den beiden folgenden Beispielen ohne Bedenken einen untergeordneten Adhortativus ansetzen: b) let / ei saihwam / qimaiu Helias nasjan ina (Matth. XXVII, 49) let I ei saihwam / qimaiu Helias athafjan ina (Mark. XV, 36) Das gotische ei hat - wie im oben erörterten Beispiel Mark. VIII, 15 - auch in diesen beiden Bibelstellen kein Gegenstück in der griechischen Vorlage. Die gotische Formu­ lierung, die die unverbundenen griechischen Imperative durch eine Konstruktion mit einem übergeordneten Imperativ und einem subordinierten affektiven Status ersetzt, scheint genau so idiomatisch zu sein wie die altslawische Konstruktion des Codex Zographensis und des Codex Marianus: ‘ostani da vidimb . . . ’ oder wie die serbokroa­ tische Übersetzung des Vuk Karadzió: 'stani da vidimo . . . ’ mit einem über­ geordneten Imperativ und einem subordinierenden da ( = got. ei), welches allerdings von einem slawischen Gesichtspunkt aus angebUch als final unterordnend betrachtet werden muss (vgl. opus cit. 84 S. 236 Punkt 7)86. Es bleibt noch übrig, das folgende propositive Satzmaterial des subordinierten affektiven Status vorzuführen: c) þatainei / þizei unledane ei gamuneima/ þatei usdaudida þata silbo taujan (Gal. II, 10) (wo ei von -ei in þatainei hinwegstrebt!) d) / ei jah in þizai anstai managnaiþ (2. Kor. VIII, 7) / ei samo hugjaima jah samo fraþjaima (Adhortativus) (Phil. III, 16) / ei aflagjaiþ jus Ы frumin usmeta þana fairnjan mannan þana riurjan bi lustum afmarzeinais, anuþ-þan-niujaiþ ahmin fraþjis izwaris jah gahamoþ þamma niujin mann þamma bi guda gaskapanin in garaihtein jah weihiþai sunjos (Eph. IV, 22-24) ak I ei uns silbans du frisahtai gebeima du galeikon unsis (2. Thess. III, 9) ak I ei usfulliþ waurþi þata gamelido (Joh. XIII, 18) ak I ei usfullnodedi waurd þata gamelido in witoda ize (Joh. XV, 25) In sämtHchen unter Punkt d vorgeführten Beispielen ist vor dem untergeordneten 86a Quattuor evangeliorum codex glagoliticus olim Zographensis nunc Petropolitanus, edidit V. Jagié. Berlin 1879. b MapiHHCKoe четвероевангел1е съ примкчашями и приложешями, трудъ И. В. Ягича, (Памятникъ глаголической письменности) (Quattuor evangeliorum versionis palaeoslovenicae codex Marianus glagoliticus, edidit V. Jagió), Skt. Petersburg 1883. 0 Die serbokroatische Bibelübersetzung von Vuk Karadiil (Novi zavjet), Wien 1877.

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Status ein übergeordneter affektiver Satzinhalt zu ergänzen, bzw. lässt sich ein solcher Inhalt ergänzen. In folgenden Fällen ist auf der rekusativen Seite von einer Rollenverteilung *ei . . . пГ die Rede: a) saihw j ei mann ni qiþais (Matth. VIII, 4) saihwats / ei manna ni witi (Matth. IX, 30) saihw / ei mannhun ni qiþais waiht (Mark. I, 44). Die Rollenverteilung scheint bevorzugt worden zu sein, wenn das rekusative Polari­ sationszeichen des subordinierten affektiven Status einen Zonennenner bzw. ein Dispositionale vom Typus mannahun negiert. (Vgl. zu den drei unter Punkt a aufgeführten rekusativen Sätzen die beiden Objekt­ sätze bzw. Inhaltssätze nach saihw(iþ), die nicht durch ei, sondern durch þatei einge­ leitet werden: saihw þat/ú praufetus us Galeilaia ni urreisiþ (Joh. VII, 52), saihwiþ þat/ei ni boteiþ waiht (Joh. XII, 19).) b) þannu пи I ei faur mel ni stojaiþ (1. Kor. IV, 5) (Vgl. hierzu folgende Beispiele, wo die Verbindung 'þannu nu' eine ausgesprochen auffordernde Funktion hat: þannu пи hwarjizuh unsara fram sis raþjon usgibiþ guda (Röm. XIV, 12), þannu пи, broþrjus, anahaitam bidai izwis jah bidjam in fraujin Iesua I ei swaswe andnemuþ at uns hwaiwa skuluþ gaggan jah galeikan guda, swaswe jah gaggaiþ,jah gaaukaiþ mais (1. Thess. IV, 1), þannu nu ni slepaima swe þai anþarai, ak wakaima jah warai sijaima (1. Thess. V, 6)). VIII. DER SUBORDINIERTE NEUTRALE STATU S Dieser untergeordnete Status umfasst zunächst 1) sämtliche durch das Zeichen ei subordinierten Sätze, die weder final-konsekutiv noch affektiv sind und 2) sämtliche durch das Zeichen þei subordinierten Sätze, die nicht final-konsekutiv sind. Im Gegensatz zu den in entsprechender Weise auf der propositiven Seite durch ei (seltener þei) bezeichnten, subordinierten final-konsekutiven und den auf der propositiven Seite ebenfalls durch ei gekennzeichneten, subordinierten affektiven Statusformen weist der subordinierte neutrale Status auf der rekusativen Seite konsequent durch­ geführte Rollenverteilung (ei (bzw. þeí) + ni)* auf. Zu diesen beiden durch ei bzw. þei untergeordneten Varianten kommt noch eine dritte hinzu, und zwar 3) diejenige, die infolge einer Polarisationsverschiebung (vgl. unten) auf der propositiven Seite das * Nur wo das finite Satzverbal eine 3. Pers. Sing. Präs. Ind. vom Verbum wisan ist, tritt eine Polarität i s t : n ist explizite zutage (die Form ist ist in einem durch ei subordinierten neutralen Status zufälligerweise kein einziges Mal belegt, lässt sich aber aus dem einmal belegten gegen­ polaren n ist (2. Kor. I, 18) für diesen Status erschliessen): /ei þ a ta w aurd unsar þ a ta du izw is nist j a ja h ne. Umgekehrt lässt sich die Form n ist für die entsprechenden durch þ e i unter­ geordneten Statussätze aus der Matthäus-Stelle IX, 15 erschliessen: / þei m iþ im ist bru þfaþs.

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Zeichen der Unterordnung ibai und auf der rekusativen Seite ähnlich wie die beiden erstgenannten Varianten durchgeführte Rollenverteilung (ibai + ni) aufweist. Uber diese drei Varianten ist nun im vorliegenden Zusammenhang des weiteren zu bemerken: 1. Die neutral unterordnende Partikel ei hat ein ausserordentlich weites Funktions­ feld: sie ist dabei wie das gleichwertige deutsche „dass“ als neutral anzusehen; sie drückt dann meistens kein bestimmtes Gedankenverhältnis aus*, übt aber im Gegensatz zum deutschen Gegenstück „dass“ ( = got. þatei), welches eine im weitesten Sinne zugleich grammatische Abhängigkeit bezeichnet, eher die rein syntaktisch unterordnende Funktion als solche aus*87. Das funktionelle Hervor­ treten dieser Partikel innerhalb des gotischen Textes muss als eine interne gotische Angelegenheit, eine im Verhältnis zur griechischen Vorlage souverän sich entfal­ tende Erscheinung behandelt und ihre Verwendung allein im Lichte der syntak­ tischen Struktur des Gotischen gewertet werden88. Es mag hierbei ganz interessant sein, festzustellen, wieviele syntaktische Möglichkeiten des griechischen Originals im Gotischen durch subordinierte neutrale e/-Statussätze wiedergegeben werden. Es handelt sich hier vorwiegend um solche untergeordneten Sätze, die im Grie­ chischen durch öxt oder iva eingeleitet werden, aber auch um solche, die durch ÖTicöç (Matth. VIII, 34, IX, 38, Mark. III, 6, Luk. VII, 3, X, 2), ei (Mark. IX, 42, XV, 44, 1. Kor. I, 16, VII, 16, Phil. III, 11)**, ja sogar щ (Mark. IX, 21; vgl. Luk. XVI, 1) und (йоте (Matth. XXVII, 1) eingeleitet sind. In ein paar Fällen vertritt got. ei ein nebenordnendes griech. Kai (Luk. VIII, 1, Joh. XVI, 17), ohne jedoch vom gotischen Gesichtspunkt aus seinen unterordnenden Cha­ * Vgl. opus cit. 78 S. 320 § 600: „Die Konjunktionen dass und ob. Diese beiden Konjunktionen können nur unterordnend verwendet werden. Sie drücken dann kein bestimmtes Gedanken­ verhältnis aus wie die bisher genannten Konjunktionen, sondern bezeichnen eine rein gramma­ tische Abhängigkeit.“ 87 Vgl. A. C. Bouman: „Bijdrage tot de syntaxis der „dat“-zinnen in het Germaansch“, Utrecht 1918 (S. 33: „Ons onderzoek samenvattend zien we dus, dat ei het eigenlijke zinverbindende woord was in 4 gotisch, thatei werd nog in z’n bestanddeelen gevoeld, evenals andere casus van 4 pron. dem.“); (s. auch: Oskar Erdmann: „Uber got. ei und ahd. thaz“, Zeitschr. für deutsche Philologie, IX. Bd., Halle 1878 - vor allem die Seiten 45-51). 88 Vgl. E. Benveniste: «La conjonction ei dans la syntaxe gotique», Bulletin de la Société de linguistique de Paris, Bd. 47, Paris 1951 (S. 53: «C’est du gotique même qu’il faut partir, et ce sont les relations internes de la syntaxe gotique qu’on doit dégager. Si ei rend des conjonctions variées du grec, on doit supposer qu’il possède, non pas les sens additionnés de öxi -f i v a 4K ai + eìç ...» mais un sens nécessairement different dans une syntaxe qui a ses exigences et sa structure particulières.»). ** V. d. Gabelentz-Loebe (opus cit. 37) und Heyne (opus cit. 62) führen in ihren Glossaren ei als Konjunktion indirekter Fragen auf. Schon H. Klinghardt („Die Syntax der gotischen Partikel « “. Zeitschr. f. deutsche Philologie, VIII. Bd., Halle 1877) stellt fest, dass ei von einem gotischen Gesichtspunkt aus in keinem Falle als Fragepartikel zu werten ist, auch wenn es griech. ei wiedergibt: überall lassen sich solche durch ei eingeleiteten untergeordneten Sätze durch germanische dass-Sätze treffend übersetzen. 8*

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rakter zu verlieren*. Manchmal erlaubt sich der gotische Übersetzer die Freiheit einer Subordination durch ei, wo in der griechischen Vorlage kein syndetisches Glied vorliegt (Matth. X, 23. 42, XXVII, 17, Mark. X, 51, XIV, 12, XV, 12, Luk. VI, 12, IX, 54, XVIII, 41, Joh. XIII, 29, 2. Kor. V, 1, Gal. X, 16), und schliesslich übersetzen subordinierte neutrale ei-Sätze sehr häufig verschiedenerlei griechische Infinitivkonstruktionen. Eine eingehendere Beschreibung des jeweiligen Verhältnisses der got. neutral subordinierenden Partikel ei zur griechischen Vorlage würde aber in diesem Zusammenhang zu weit führen und wäre gänzlich ohne Relevanz für unsere Unter­ suchung, da sie letzten Endes bloss zu einer Erörterung griechischer Syntax (durch ein gotisches Monokel betrachtet) führen würde. (Vgl. E. Benveniste, opus cit. 88 S. 53: „Quand done on croit fixer exactement l’usage gotique en superposant chaque emploi gotique à celui du grec, cette rigueur dans la littéralité conduit a décrire non le gotique, mais bien plutôt, à travers le gotique, le texte grec.“) Besondere Berücksichtigung verdienen diejenigen Sonderfälle, wo der durch ei subordinierte neutrale Status nach einem übergeordneten konstitutionellen Frage­ satz den Charakter eines locker angehängten Kausalsatzes hat (vgl. Delbrück, Vergl. Syntax 3,35 189): hwileiks ist sa / ei jah windos jah marei ufhausjand imma ? (Matth. VIII, 27), jah hwas þus þata waldufni atgaf / ei þata taujis? (Mark. XI, 28), hwas frawaurhta, sau þau fadrein is / ei blinds gabaurans warp ? (Joh. IX, 2), þu hwas is / ei andwaurdjais guda ? (Röm. IX, 20) Für unsere Darstellung ist es im übrigen, wenn wir mit dem Kymrischen ver­ gleichen, von besonderer Wichtigkeit, die relative Funktion der subordinierten neutralen e/-Statussätze im Gotischen festzustellen: 1) Deutschen, durch relative Pronomina untergeordneten Nebensätzen entspricht der durch ei subordinierte neutrale Status in folgenden beiden Fällen: þishwazuh / ei qiþai du þamma fairgunja: ushafei þuk jah wairp þus in marein! jah ni tuzwerjai in hairtin seinamma, ak galaubjai þata / ei þat/ei** * Zur Stelle Joh. XVI, 17 (leitil / ei ni saihwiþ mik = ptKpöv xai ob 0e©peíxè pe) (vgl. Luk. VIII* 1: jah warþ biþe afar þata / ei jah is wratoda and baurgs jah haimos = Kai éyévexo èv тф Ka0e£fte Kai auiòç ÖicbSsuev Kaxà rcóXiv Kal K þatei). Eine solche Verschmelzung, die sonst regelmässig eintritt, hat sich beim unmittelbar folgenden Relativum naturgemäss vollzogen: suBORD. NEUTR. Status I 1

I

(,,dass“-Satz) I

I

I

I

. . . þ a t a / e i þat/ei qiþiþ / gagaggiþ

I______[

suBORD. NEUTR.

status

и (relativ)

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2. Die durch die Partikel þei subordinierten neutralen Statussätze entsprechen in folgenden Fällen deutschen durch die Konjunktion „dass“ neutral untergeordneten Nebensätzen: propositiv:

anabusn niuja giba izwis / ei frijoþ izwis misso swe ik frijoda izwis / þei jah jus frijoþ misso izwis90 (Joh. XIII, 34), bi þamma ufkunnand allai / þei meinai siponjos sijuþ (Joh. XIII, 35), amen amen qiþa izwis / þei greitiþ jah gaunoþ jus, iþ manaseþs faginoþ (Joh. XVI, 20),jah ni qiþa izwis / þei ik bidjau attan bi izwis (Joh. XVI, 26), man auk / þei guþ uns apaustaulms spedistans ustaiknida (1. Kor. IV, 9), hazjuþ-þan izwis, broþrjus / þei allata mein gamunandans sijuþ (1. Kor. XI, 2) REKUSATIV:

insaihwiþ du fuglam himinis / þei ni saiand nih sneiþand nih lisand in banstins, jah atta izwar sa ufar himinam fodeiþ ins (Matth. VI, 26), amen amen qiþa þus / þei hana ni hrukeiþ / unte þu mik afaikis kunnan þrim sinþam (Joh. XIII, 38), þata auk qiþa, broþrjus / þei leik jah bloþ þiudinassu gudis ganiman ni magun, nih riurei unriureins arbjo wairþiþ (1. Kor. XV, 50)90 90 Vgl. zu diesem Satz E. von Sallwürk: „Die Syntax des Vulfila“ I., Beilage zu dem Programm des Grossherzoglichen Pädagogiums u. Realgymnasiums zu Pforzheim, Pforzheim 1875 (S. 31: „In Joh. 13,34: „ein neu gebot gebe ich euch, dass ihr euch unter einander liebet, wie ich euch geliebt habe, auf dass auch ihr einander lieb habet“ - hat der griech. text in beiden finalsätzen iva. Der got. Übersetzer sagt in merkwürdiger Übereinstimmung mit der Luther’schen Übersetzung: anabusn niuja giba izvis, ei frijoþ izvis misso sve ik frijoda izvis, pei jah jus frijod misso izvis. Es ist auch nicht zu verkennen, dass das Iva des zweiten finalsatzes einen andern sinn in sich schliesst als das des ersten. Bei aller treue, mit der Vulfila dem original folgt, zeigt er an solchen stellen gerade die freiheit und feinheit, mit der er die mittel der gotischen spräche verwendet“). Vom Sallwürkschen Gebrauch der Bezeichnung „Finalsatz“ dürfen wir uns keineswegs verleiten lassen, wo es sich um einen gotischen Text handelt, der eine griechische Iva-Konstruktion wiedergibt - der Ausdruck „final“ wird hier in der denkbar unzulässigsten Fahrlässigkeit verwendet. (Die in der griechischen Vorlage auftretenden, von Ausdrücken des Bittens abhängigen Iva-Sätze gibt der gotische Übersetzer konsequent durch neutral unter­ geordnete e/-Statussätze (= deutsche bzw. germanische ,,dass“ -Sätze) wieder; so z.B. allein nach Formen des Verbums bidjan: Mark. V, 10. 18. 23, VI, 56, VII, 26. 32, VIII, 22, XIII, 18, Luk. VII, 36, VIII, 31. 32, IX, 40, Joh. XVII, 15 (zweimal), XVII, 20-21 (zweimal), 1. Kor. XVI, 15-16, 2. Kor. VIII, 6, IX, 5, XII, 8, XIII, 7, Eph. I, 16-17, Kol. 1,9, IV, 3,1. Thess. IV, 1, 2. Thess. I, 11, III, 1-2, 12) (vgl. hierzu Matth. VIII, 34, IX, 38, Luk. VII, 3, X, 2, wo ei nach einer Form von bidjan griech. örccoç vertritt).) The Holy Bible (King James Version) gibt den Satz folgendermassen wieder: “ A new commandment I give unto you, That ye love one another: as I have loved you, that ye also love one another” und steht hier mit der dänischen Bibel­ übersetzung völlig im Einklang: „En ny befaling giver jegjer, at I skal elske hverandre: Iigesom jeg har elsket jer, skal ogsâ I elske hverandre“ . Eins ist sicher: die englische und die dänische Version folgen wortgetreu dem griechischen Original - Luther erlaubt sich eine finale Finesse, die wir bei aller Freiheit und Feinheit, womit Wulfila die Mittel seiner Sprache verwendet, kaum ohne weiteres in dem gotischen Bibeltext wiedererkennen dürfen: die Verwendung von pei mag einfach als eine stilistische Bestrebung gedeutet werden, eine unglückliche zweifache Unterordnung durch ei zu vermeiden.

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In einem Falle hat ein durch þei untergeordneter Statussatz den Charakter eines locker angefügten Kausalsatzes (vgl. Delbrück, Vergl. Syntax 3,351): hwadre sa skuli gaggan / þei weis ni bigitaima ina ? (Joh. VII, 35) Sonst haben die durch þei untergeordneten neutralen Statussätze überall relative Funktion, wobei das Element þei in der Regel als fester Bestandteil von potentiellrelativen Pronominal- oder Adverbialverbindungen auftritt: 1) þei als unterordnendes Element von potentiell-relativen Pronominalverbindungen: a) jah þishwammeh / þei wiljau / giba þata (Luk. IV, 6) b) jah swor izai þat/ei þishwah / þei bidjais mik / giba þus und halba þiudangardja meina (Mark. VI, 23), wairþiþ imma þishwah / þei qiþiþ (Mark. XI, 23), allata þishwah / þei bidjandans sokeiþ / galaubeiþ þatjei nimiþjah wairþiþ izwis (Mark. XI, 24), akei jah nu wait / eiþishwah / þei bidjis guþ / gibiþ þus guþ (Joh. XI, 22), amen amen qiþa izwis þatlei þishwah / bei bidjiþ attan in namin meinamma / gibiþ izwis (Joh. XVI, 23) bidei mik þishwizuh / þei wileis / jah giba þus (Mark. VI, 22) þatahwah / þei wileiþ / bidjiþ, jah wairþiþ izwis (Joh. XV, 7), ak ik gawalida izwis / ei jus sniwaiþ jah akran bairaiþ, jah akran izwar du aiwa sijai / ei þatahwah / þei bidjaiþ attan in namin meinamma / gibiþ izwis (Joh. XV, 16) 2) þei als unterordnendes Element von potentiell-relativen Adverbialverbindungen: a) þishwaduh / þei gaggaiþ in gard / þar saljaiþ (Mark. VI, 10), iþ at izwis waitei salja aiþþau jah wintru wisa / ei jus mik gasandjaiþ þishwaduh / þei ik wrato (1. Kor. XVI, 6) b) jah þishwaruh / þei ina gafahiþ / gawairpiþ ina (Mark. IX, 18), þishwaruh / þei merjada so aiwaggeljo and alia manaseþ, jah þat/ei gatawida so / rodjada du gamundai izos (Mark. XIV, 9)* *) Es erscheint hiernach höchst rätselhaft, wie man auf den Gedanken hat kommen können, das Element þei sei in den potentiell-relativen Verbindungen von der „Konjunktion“ þei zu scheiden und beruhe auf einer Kontraktion *þa (endungsloses Neutrum) + ei (s. hierzu: Jo­ hannes Schmidt (Zeitschr. f. vgl. Sprachwissenschaft (Kuhns Zeitschr.) XIX. Bd., S. 284); H. Paul (Paul und Braunes Beiträge IV. Bd., S. 467); A. M. Sturtevant („Gotica“ , The Ger­ manic Review 8 (1933), S. 340 f.). Wenn man den Statusbegriff einführt und þei als Status­ zeichen schlechthin betrachtet, ergeben sich sämtliche potentiell-relativen Verbindungen aus folgenden Regeidetriaufstellungen: 1) bishwazuh ei (bei) bishwah bei — ------------- : ------- --------- — (Mark. VII, 11, Gal. V, 17, Phil. IV, þishwazuh sa/ei x x = þishwah þat/ei g щ jy 23) 2) bishwazuh (sa)ei sahwazuh saei - ---------- — -----: -----------------þatahwahþei (Joh. XV, 7. 16) þishwah þatei (þei) x x = (. þatahwah þatei ?) 3) þishwaduh þei (Mark. VI, 10, 1. Kor. XVI, 6) þishwaruh þei (Mark. IX, 18, XIV, 9) þishwaduh þadei (Matth. VIII, 19, Mark. VI, *þishwaruh þarei? 56, Luk. IX, 57)

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3) Schliesslich tritt das neutral subordinierende þei einmal mit adverbial relativer Funktion in der Verbindung ‘und þata hweilos / þeV auf: ibai magun sunjus bruþfadis qainon und þata hweilos / þei miþ im ist bruþfaþs ? (Matth. IX, 15) 3. Abhängig von übergeordneten Formen vom Verbum ogan (sowie in einem Beleg von einer Form des Verbums biwandjan, s. unten) tritt der subordinierte neutrale Status mit dem Element ibai als Zeichen der neutralen Unterordnung hervor: aþþan og j ibai aufto swaswe waurms Aiwwan uslutoda filudeisein seinai, riurja wairþaina fraþja izwara a f ainfalþein jah swiknein þizai in Xristau (2. Kor. XI, 3), unte og / ibai aufto qimands ni swaleikans swe wiljau bigitau izwis, jah ik bigitaidau izwis swaleiks swe ni wileiþ mik / ibai aufto þwairheins, aljan, jiukos, bihaita, birodeinos, haifsteis, bifaiha, ufswalleinos, drobnans; / ibai aftra qimandan mik guþ gahaunjai at izwis jah qaino managans þize faura frawaurkjandane jan-ni idreigondane ana unhrainiþai þoei gatawidedun, horinassau jah aglaitja (2. Kor. XII, 20-21), og izwis / ibai sware arbaididedjau in izwis (Gal. IV, 11) Die gotische Konstruktion ‘og ibai . . . ’ entspricht genau dem lateinischen ‘timeo ne .. . ’ und dem griechischen (poßoOpai \ir\ — Wo im Lateinischen und Griechischen der angeschlossene Satz durch die uralte „Prohibitivnegation“ eingeleitet wird, „hat diese Partikel den Charakter einer Konjunktion erhalten“91. Historisch gesehen hat also in solchen Fällen eine durch die Unterordnung hervorgerufene Polarisations­ verschiebung stattgefunden, indem das ursprüngliche rekusative Polarisationszeichen eines asyndetisch angereihten Hauptsatzes blosses Zeichen des subordinierten neutra­ len Status geworden ist. Von einer rein synchronischen Betrachtung her müssen wir einfach feststellen, dass im Griechischen \ir\ sowie im Lateinischen ne nach gewissen Verbalen des übergeordneten Satzes (z.B. nach denjenigen des Fürchtens92) als Zeichen der neutral subordinierten propositiven Polarisation hervortreten, wobei man von einer Art Rektionsverhältnis zwischen dem übergeordneten Satzverbal und dem subordinierten Status sprechen muss. Im Griechischen tritt als rekusatives Polarisationszeichen eines derartigen sub­ ordinierten neutralen Status die Partikel oi> auf91, wobei die bekannte Rollenverteilung (|xf| unterordnend, ob Zeichen der rekusativen Polarisation) erscheint:

91) Karl Brugmann: „Kurze vergleichende Grammatik der indogermanischen Sprachen“, Strass­ burg 1904 (S. 668 § 912). 92) Vgl. w. W. Goodwin: “ Syntax of the Moods and Tenses of the Greek Verb”, New York 1965 (S. 131 § 365: Clauses with pf| after Verbs of Fearing, etc.); Hans Lindemann: “Griechische Grammatik II“ (Satzlehre S. 103 § 163) (in: Griechisches Unterrichtswerk hrsg. von Dr. Hans Färber), München 1957.

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PROPOSITIV:

REKUSATIV: