Christliche Sittenlehre: Teil 2,1 Allgemeine Geschichte der christlichen Sittenlehre, 1. Geschichte der vorchristlichen und altkatholischen Sittenlehre 9783111433981, 9783111068428


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German Pages 399 [400] Year 1819

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Vorrede
Inhaltsanzeige
Zweyter Theil. Allgemeine Geschichte der christlichen Sittenlehre
Einleitung
Erste Abtheilung. Vorgeschichte des Christenthums
Erstes Kapitel. Sittenlehre des Hebraismus
Zweytes Kapitel. Sittenlehre des Iudenthums
Zweyte Abtheilung. Geschichte der christlichen Sittenlehre
Einleitung
Erster Abschnitt. Katholicismus
Erster Zeitraum. Don den Aposteln bis zu Konstantin dem Großen; die christliche Kirche im römischen Reiche verfolgt oder bloß geduldet
Erstes Kapitel. Allgemeine Bildungsgeschichte der christlichen Kirche
Zweytes Kapitel. Kirchliche Sittenlehre
Drittes Kapitel. Die Sittenlehre und das Kirchenleben der Häretiker
Zweyter Zeitraum. Von Konstantin dem Großen bis zu Gregor dem Großen; das Christenthum Staats, religion des Römischen Reichs
Erstes Kapitel. Allgemeine Bildungsgeschichte der christlichen Kirche
Zweytes Kapitel. Kirchliche Sittenlehre, mit Ausnahme des Augustinischen Systems
Drittes Kapitel. System des Augustinus
Viertes Kapitel. Häretiker
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Christliche Sittenlehre: Teil 2,1 Allgemeine Geschichte der christlichen Sittenlehre, 1. Geschichte der vorchristlichen und altkatholischen Sittenlehre
 9783111433981, 9783111068428

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Lhristliche

S i t t e n l e h r e. Von

Dr. Wilhelm Martin Leberecht de Wette.

Zweyter Theil.

Allgemeine Geschichte der christlichen Sittenlehre.

Erste Hälfte.

Geschichte der vorchristlichen und altkatholischen Sittenlehre.

Berlin, 1819. Gedruckt und verlegt

bei G. Reimer.

Vorrede. ©ctö Bestreben, eine gedrängtere einheitliche Dar. stellung der Geschichte der Sittenbildunq und Sitt tenlehrc in der christlichen Kirche zu geben, wird Meiner Arbeit hoffentlich eine Stelle sichern neben dem schätzbaren, von mir dankbar benutzten Werke des Herrn D. Staudlin. Eigene Forschung und Ansicht >vird man nicht vermiffen, und namentlich habe ich die Sittenlehre der Kirchenlehrer durchaus »uö den Quellen geschöpft, jedoch hierbei' die Leiung jenes trefflichen Vorgängers nicht verschmäht. Daß ich so viel Verfaffungs- und Dogmengeschichte vit aufgenommen habe, wird man nicht Mißbilligen, penn man nicht die Sittlichkeit zu sehr von den an­ dern Gebieten des Lebens absondern will. Uebrigenö wird die folgende Geschichte einer solchen Aus­ führlichkeit in diesem Stück nicht mehr bedürfen, da es vorzüglich darauf ankam, den Gang zu bezeichneu, den die Kirche in ihrer Ausbildung genommen, und kurze Andeutungen werden nunmehr genügen.

Vorrede.

XV

Es

war nicht möglich, die ganze Geschichte der

christlichen Sittenlehre in einen Band zusammenzu­ drängen; doch wird die Geschichte des Pabstthnms und

d:S Protestantismus wenigstens nicht stärker

ausfallen.

An der Fortsehung des Werks wird un­

unterbrochen gearbeitet, die Vollendung des Gan­ zen aber wird sich über den anfangs gesehten Termin hinaus verschieben. Berlin Len 15. September 1819. Der Versasser.

Jnhaltsa nzeige. Zweyter Theil. Allgemeine Geeichte der christlichen Sittenlehre. Einleitung. Verhältniß der Geschichte jur Offenbarung. §. 99- (Die Geschichte stellt das Relative und Bedingte dar: zu­ erst in der Vorgeschichte des Christenthums die Vorberei­ tungen in der Sittenbildung der Menschen auf die christ­ liche Offenbarung hin. S. 1—3.) § Ivo. (Zweyten- in Beziehung auf die Geschichte der christlichen Kirche zeigt sie die Einführung der christlichen Offenbarung ins Leben. S. 3—4.) 101. (Philosophische Behandlung der Geschichte der Sittenlehre S. 5. 6.)

Erste Abtheilung.

Vorgeschichte de< Christenthums. Erstes Capitel.

Sittenlehre des HebralsmuS. I. Vorgeschichte. 102. (Nothwendigkeit,, auf die Zeitverhäktniffe, unter welchen M-se und sein Volk auftrat, zurückzugehen. S. 7. 8 ) §. 103. (Ueberblük des Zustandes der ersten Völker auf der Stufe der Sinnlichkeit. S. 8—10.)

▼i

Inhaltsanzeige.

§. 104. (Uebergang aus btcsrm Zustand in den zweyten der Ge­ wohnheit durch den Despotismus G. 10— 12 ) §. 105. (Entstehung u Bedeutung des CastenweseuS. S. 12.13.) §. 106. (Bildungsstufen der Religion: Fetischismus, Sterndienst, Symbolik, Menschenvergötterung S. 13—16 ) §. 107. (Sittlich politischer Einfluß der Religion. S 16—18 ) § 108. (Ausbildung der Wissenschaft durch die Schrift. S. i8- «9 ) §. 109 (Castcnwesen Ln der Religion oder Priesterthum. S. 19. 20.) II. Mose und seine Stiftung §. 110. (Mose erhebt sein Volk zu einem vom Castenwesen und Bilderdienst freyen Leben und dadurch zu einem höhern Grad der sittlichen Freyheit. S. 21 -—23.) §. iir. (Nähere Entwickelung dieses Gewinnes für die Bildung. S. 23 — 25) $ 112. (Mängel der Mosaischen Stiftung, in sofern sie poli­ tisch, volkSthumlich war und unvollendet blieb. S. 25—30.) III.

D i e Propheten.

§. uz. (Stiftung des Propheten- und Königthums; freyes Her­ vortreten der sittlichen Freyheit, aber auch desto regerer Kampf derselben, prophetisches Märtyrerthum, messianische Hoffnung S. 30 — 35) IV.

Die Weisheit der Hebräer und ihre Sittengesetzgebung.

§. 114. (Religiöses Princip derselben, und daher Richtung zur Speculatwn bey dem Uebergewicht der Erfahrung. S. 35 — 38 ) $• (Begriffe von der Tugend und reinen Sittlichkeit. S. 38-43 ) §. 116. (Begriffe von der allgemeinen Menschenliebe. ©.43—46.) § ll7* (Beschränktes, aber achtungewerthes Streben nach 23cU; koml.lcnhelt S 46 — 49) §. 118* (Lebensansicht der Hebräer in Absicht des Lebensgenus­ ses. S. 49 —51) V.

Die Zu rechnungs- und Vergeltung Slehre der Hebräer.

§. 119. (Mängel in der rechtlichen Zurechnung, Unklarheit der religiösen Zurechnung in gewissen Gebräuchen. S. 5'—54.) $• 120. (Voraussetzung der Freyheit; Mangel des Begriffs und Gefühls vom Gewissen. G 54 — 57 )

Inhaltsallzeige.

ni

§. I2i. (Vergeltung durch Lohn und Strafe. S 57 — 61.) §. 122. (Zweifel über die Vergeltung, Lösung derselben im Luch Hiob. S. 61 — 63.) $ 123. (Durchgeführte Zweifel KohclethS in der Ansicht der Vergänglichkeit «Her Dinge. G. 63 —07.) § 124. (Keime des Todes, die da- Hebräerthum in sich trägt. S. 67 — 68) Zweytes Capitel.

Sittenlehre des Judenthums. I. Wiederherstellung des Volks und Staate- nach demExil, Entstehung de- JudenthumS. 8- 125. (Unglücklicher Ver,uch der Wiederherstellung des Volks; Mangel an selbst (Mnbtgcm Ge »st, Satzungswesen, Gesetzge lehrte, ausländischer Einfluß vom Morgen her ©.68—72 ) II.

Das Griechenthum und sein Einfluß auf das Juden thu m 5. 126. (Geist der Freyheit und Liebe in der Bildung der Grie­ chen und deren Mängel; griechisches Weltreich S 72—75) § 127. (Berührung der Griechen und Juden in Palastina; Antiochus Epiphanes; Makkabäer. S. 75 — 77) § 128 (Vermischung griechischer Weisheit mit der jüdischen in Alexandria. S. 77 — 79 ) III. DaS römische Weltreich. $. 129. (Herrschsucht und Lieblosigkeit der Römer; ihre Welt­ herrschaft S. 79—81 ) § 130. (Ihr Einfluß auf tie Juden S. 81—83) IV. Weishertslehre Jesus, deS Sohnes SirachS und des B. der Weisheit SalomoS. §. 131. (Principien der Weisheit nach Jes. S. S. 84—86) §. 132. (Rach dem Buch her Weisheit. S 86 37) §. 133. (Ideen von ^Bestimmung des Menschen, Lugend und Sittlichkeit. S. 87—89) § 134 (Ideen der Liebe und Vollkommenheit S 39 — 9**) §. 135- (Ansicht vom Lebensgenuß. S. 91 92) $. 136. (Zurechnungslehre des Jes. S. S. 92. 93.) 8 137. (Des Buchs der Weisheit. S. 04 95.) V. Sittenlehre Philoe von Alexandria. §• 138. (Principien der Sittenlehre nach Philo. S. 95 —97-)

mi

Inhalt-anzeige.

§. 139.

(Dessen Ideen von der Lugend und Menschenbestimmun-.

S. 97-99) §. 140. (Bon der Liebe #nb Vollkommenheit. §. 141.

(Zurechnung-lehre.

S. 99—101.)

S. 101 —103.)

VI.

Erg ebnisse für die Entstehung und Au-r breitung de- Christenthum-. §. 142. (Negative Vorbereitungen für da- Christenthum durch Aufhebung der bisherigen Beschränktheit; Mangel einer S. 103— 105.) positiven Gemeinschaft §« 143. (Nur der Gottmensch konnte Stifter der neuen höhern Gemeinschaft werden und wurde e-. S. 105. 106.)' 5. 144. (Daß er in Judäa auftrat, erinnert an einen natürli­ chen Zusammenhang vor» und rückwärts, reicht aber nicht hin zu einer genügenden Erklärung. S. 106 —108.)

Zweyte Abtheilung. Geschichte der christlichen Sittenlehre. Einleitung. §. 745.

(Nachweisung des geschichtlichen Elemente- im Christen­ thum. Kampf de- heiligen Geiste- mit dem Geiste der Welt und Zeit. S. 109 — 111.) §. 146. (Die Geschichte des christlichen Leben- betrifft zunächst die Formen der Gemeinschaft, Verhältniß dieser Formen -um ganzen Leben, sichtbare und unsichtbare Kirche. S. ui — 114.) §. 147. (Eintheilung der Geschichte der christlichen Sittenlehre in Massen und Zeiträume. S. 114—116.)

Erster Abschnitt. Katholicismus. Erster

Zeitraum.

von den Aposteln bi« ,u Constaatin dem Großen; die christlich« Kirche im römischen Reich verfolgt oder bloß geduldet. Erste«

Capitel.

Allgemeine BildungSgeschichte der christlichen Kirche. §. 148.

I. Einfluß der Zeitbildung. (Gegensatz de- christlichen Geiste- der Freyheit und Liebe

Inhaltsanzeige.

ix

mit dem alten Geist -er Knechtschaft und der Lieblosigkeit. G. nti. 117.) Z. 149.

(Nachmessung dieses Gegensatzes bey den

Juden,

ÄK

mern, Griechen in ihrer politischen und wissenschaftlichen Richtung. $. 150.

S. 117—119.)

(Gefahr, welche dem Christenthum der Gegensatz mit der

weltlichen Gesinnung bringt, durch den sich an dasselbe an­ schmiegenden Mysticismus. Z

151»

S. 119. 120.)

(Wichtigkeit des bischöflichen Ansehens für die Bildung

und Erhaltung der christlichen Gemeinschaft; Wahrheit und Schein desselben. §. 152.

S. 120—123.)

(Frühes Wachsthum dieses Ansehens, dessen Ausartung

um so drückender wurde. §

153*

S. 123. 124.)

(Vermehrung desselben in seinem äusser« Schein durch die

Diöcesan-Verfassung und Synoden. §. 154.

S. 124—127.)

(Die Einheit der Kirche auf den Primat PeM gegrün­ det; Katholicismus.

§. 155.

S. 127—129.)

(Entstehung des Priesterstande» oder einer heiligen Caste.

S. 129 —131 ) §. 156. (Untergang der alten Demokratie. §. 157.

S. 13z. 132.)

(Natürliche Nothwendigkeit der Ausbildung bei Formen-

wesen- in der Kirche. III. j. 15g.

S. 132 — 137.)

Die Kirchenlehre.

(Geschichtliches und spekulatives Element de» Christen, thums, Gleichgewicht beyder in den Aposteln, Uebergewicht des

einen und des andern in den Judenchristen und den

Gnostikern. §. 159.

S. 138 — 140)

(Geltendmachung der Ueberlieferung gegen die letzter«, falscher Glaube an dieselbe, untergeordneter Gebrauch der heiligen Schrift.

§. 160.

S. 140—142.)

(Geist der christlich theologischen Diffenschaft,

Mangel

einer vollkommenen Einigung der Philosophie und Offenba­ rung. S. 142 —145) §. 161. (Gegensatz des Traditionsglaubens,

mit

Wahn und Aberglaube schon jetzt verbindet. §. 162

welchem sich S. 145. 146.)

(Freyheit, welche der sittlichen Erkenntniß selbst von den Traditionsgläubigengelaffenist.

§. 163.

S

147 —149.)

(Gesetzgeberisches Ansetzn der Bischöfe für die kirchliche Sitte.

§. 164.

S. 149 — 151.)

(Gleiches Ansehen derselben in Glaubenssachen.

i5i~i53)

Seite

Inhatksanjeige.

X

§. 165. (Behandlung der kehre von der Zukunft Christi und der Auferstehung. S 153 —155) Z 166. 167 (Behandlung der Lehre von der Gottheit Christi. S. 155—161.) IV. Kirchenleben und Kirchenzucht.

Z. 168. (Worin das Kirchenleben besteht; Gemeinschaft der An­ dacht in Symbolen. S. 161) $• 169. (Sinnlich mystische Vorstellungen von der Taufe. S. 162— 166) $• 17°« (Ansicht vom Abendmahl in seiner Feyer als Liebesmahl und Dankopfer; leibliche Gegenwart Christi. S. 166 — 168.) 5- 171. (Geist der Werkheiligkeit in Ansehung de- Gebets, des Fastens; sinnlicher Cultus. S. :68 — 171) §. 172. (Geist der Kirchenzucht: Disciplin«! arcani. @>. 171.172.) §. i73* (Strenge, halb weltliche Sittenzucht, Rückfall zur jüdi­ schen Gcsctzeszucht. S 172 - 176.) $. 174. (Kirchliche Gesetzgebung über die Kirchenstrafen nach der Größe bei Sünden Erlaßlichc und unerläßliche Sünden. Schisma des Novatianus. S. 176 —179.) §. 175 (Kirchliche Sittengcsetzgebung S. ,79 — 181.) V.

j.

Z. $. J. §.

Verhältniß der Kirche zum Staat und zum ganzen Heidenthum. 176. (Spaltung der Kirche und des Staat-, Verweigerung des Staats - und Kriegsdienste- und der Eidschwüre durch die Christen. S 181 — 184? 177. (Verfolgungen, Märtyrerthum, Wichtigkeit und Ueberschätzung desselben S 184—188) 176. (Dolkerbofi der Christen, ihre Verachtung der heidni­ schen Bildung. S. 188 — 191.) 179. (Weitverachtung, falsche Entsagung-lehre, Keime bst Mönchsthums S. 191 —194 ) 180. (Vorthkilhafte Wirkung der Verfolgungen auf den sitt, lichen Zustand der Gemeine. S. 194 — 196.) Zweyte- Capitel.

Kirchliche Sittenlehre. I. Grundsätze und Quellen derselben. §. i8i. (Oberste- Princip: die göttliche und menschliche Ver­ nunft in ihrer Einheit. S. 196—202)

JnhaltSanzeige. §

iS«.

(Xnetfennnng bei Gebrauch« der Philosophie.

xi @ 202

— 206.) §. 183. (Verhältniß bc6 L. X. Jura N T., beyder Ueberein­ stimmung. S. 206—2« 9) z. 184. (Deren Verschiedenheit, allegorische Erklärung de- 2f. L. S. 209 — 214) §. 185. (Allegorische Erklärung deS N. X S. 214 215.) II.

WeiSheitslehre.

$ ,86. 187. (Ideen von der Menschenbeftimmung. @. 215—220). §. 188—190. (Ideen vom Guten, von der Lugend unb !83oU* kommenheit. S- 220 — 236.) $. 191. (Meinungen von der Enthaltung und dem Märtyrer- thum. S. 236 — 240.) $. 192. ^Uebersicht und Beurtheilung der kirchlichen Sittenlehre. S. 240. 241.) III.

Bon der Zurechnung und Buße.

$. 193 —195. (Ideen von der Freyheit, als der ersten Voraus­ setzung bey der Zurechnung. S $41 —2.9 ) $. 196. (Ideen von der Kenntniß des Guten und Dösen, als der zweyten Voraussetzung. S. 249. 250 ) $. 197. (Von der Buse. S 250 — 253 ) $. 198. (Fehler dieser Zurechnunqslehre. S. 253 — 256.)

Drittes

Capitel.

Die Sittenlehre und das Kirchenleben der Häretiker. §. §. §. §. $. §.

199. (Classification und Bedeutung der Häresen. S. 256. 257.) 20u. (Judaistrende Häretiker. S 257 — 260.) 201. 202. Die Gnostiker. S. 2«'o — 267.) 203. (Die Montanisten. S. 267. 268 ) 204. (Kirchenleben der Häretiker. S. 263 — 270.) 205. (Vergleichung desselben mit dem katholischen Kirchenleleben. S. 270. 271.)

XII

Inhaltsanzeige.

Zweyter Zeitraum. Von Constantia dem Großen bis zu Gregor de« Großen; das Christenthum Staat-religion de- römischen Reiche. Erstes Capitel.

Allgemeine Dildungsgeschichte der christlichen Kirche. I. Verhältniß der Kirche zum Staat. (Entschiedener Sieg des Christenthums über das Heidenrhum. S. 271 — 273.) 207. (Grundfehler, den tue Kirche begeht, indem sie sich imt der Gewalt des Staats gegen das Heidcnthum bewaffnet. S. 273 — 276.) 203. (Rechtmäßiger und unrechtmäßiger Einfluß der Kaiser auf die Kirche. S. 276 — 279.) 209. (Falsche Vorrechte der Kirche: schiedsrichterliche Rechts pflege, Strafamt, kirchliche Gerichtsbarkeit, privilegirter Gerichtsstand der Cleriker. S. 280 — 284.) 210. (Unrechtmäßige Begünstigung der Kirche Ln Ansehung des Besitzes weltlicher Güter. S. 284. 235 ) IT. Wachsthum der Hierarchie. 2ii. (Vermehrung der Geistlichkeit, Auszeichnung und unums schränkte Gewalt der Bischöfe S. 285. 286.) 212. (Auszeichnung des Clerus durch Klerdung und Tonsur, durch Ausnahme von der Kirchenzucht und Unmöglichkeit des Austritts; Cliaractcr indelebili«. S. 286 — 288 ) 213. (Untergang der Freyheit der Gemeine. S 283. 289) 214. (Ausbildung der äuffern Einheit der Kirche durch die Patriarchalverfaffung und die ökumenischen Synoden. S. 289 290.) 215. (Fortschritte der römischen Bischöfe zur kirchlichen Ober­ herrschaft. S. 291—293.) 216. (Ueberhandnahme des Formenwesens, unterdrückter lei­ dender Zustand der Laien. S. 293. 294.)

§. 206. §. §. §

V

$. 5.

t.

§.

III. Die Kirch en lehre. (Verderbliche Glaubensauteritat der Svnoden. S. 294 — 296.) §. 2,8- (Mönchische Verachtung der Wissenschaft und Verfall der­ selben bey den Herden. S. 296 — 298). §. 219. (Ansetzn und Gebrauch der Bibel, Uebcrgewicht der Ueberlieferung. S. 298—301.) §. 217.

Jnhaltüanzeige.

xm

§. 330. (Zurücksetzung der Philosophie, eigenthümliche theologische Spekulation mit formalem Gebrauch der Philosophie, besonders der Aristotelischen. S. 301 — 303.) §. 22i. (Beschränkte Untersuchungsfreyheit, Unduldsamkeit gegen Andersdenkende, Ketzerverfolgung. S. 303 — 305.) $. 222. (Arianischer Streit. S. 305 — 307 ) §. 223. (Streitigkeiten über das Verhältniß der göttlichen und menschlichen Natur in Christo. S. 307—310.) §. 224. (Augustinus Lehre von der menschlichen Unfähigkeit. S. 310-313) IV.

Kirchenleben und Kirchenzucht,

z.

225. (Don der Taufe und dem Abendmahl. S. 313—315.) §. 226. (Wachsthum der äusser» Pracht des Gottesdienstes, ge­ setzlicher Zwang dazu. S. 315—3*7 ) §. 227. (Zunahme des kirchlichen Satzungswesens, Einmischung der Staatsgewalt, erste Ketzer-Hinrichtungen. ©.317.318.) $. 22L. 229. (Kirchliche Gesetzgebung über Keuschheit und Ehe. S. 319 — 322) §. 230. (Ueber das Mönchsleben. S. 322. 323.) §. 231. (Ueber die Sitten der Geistlichen. S 323. 324.) §. 232. (Veränderungen, welche mit der Kirchenzucht vorgingen; Milderung derselben. S. 324 — 327 ) §. 233. (Elnfluß des christlichen Gerstes auf die weltliche Gesetz­ gebung. S. 327 — 329 ) 5- 234 (Auf das Volksleben im Großen. S.329 — 331.) §. 235. (Das Mönchsthum. S. 33i —334 )

Zweytes

Capitel.

Kirchliche Sittenlehre, mit Ausnahme des Augustinischen Systems. I.

Grundsätze und Quellen derselben.

-§♦ 236. (Einheit der göttlichen und menschlichen Vernunft. S. 334-337.) §. 237. (Gebrauch der Vernunft und Schrift. S. 338—341.) II. §. 238

Weisheitslehre.

(Bestimmung des Menschen.

S 34». 342.)

§. 239. (Ideen vom Guten und von der Tugend. S. 342—345.) §. 240. (Lehre von der Entsagung, Ehelosigkeitrc. S. 345—350 'i §. 241. (WeckheiligkeitSlehre. S. Z50. 351.)

xiv S

§. 8 Z.

Inhaltsanzeige.

III. Don der Zurechnung und Buße. 242. (Aberkennung der Freyheit und Kenntniß des Gesetze-. S. 35T. 352 243. (SVvon vom Sündenfall. S. 353. 354.) 244 (Bon der Buße. S. 354—336.) 245 (Von der Vergeltung. S. 356.)

Drittes Capitel.

System des Augustinus. I. Grundsätze und Quellen. 5. 246. 247. l Leugnung der menschlichen Freyheit zum Guten. S. Z56-363.) 5. 248. (Auguftinu Ansicht vom Fall Adams. S. 363 — 365.) $. 249.250. ('velagius Meinung von der menschlichen Freyheit und der Gnade. S. 365 — 368.) §. 251. Pelagianische Ansicht vom Sündenfall. S. 368—370.) §.252. l Semipelagiamsmus S 370. 371.) $. 253. (Gebrauch der Vernunft und Schrift nach Augustinus. S. 37 l 374-) 5. §. §. §.

II. Wereheitslchre. 254. (Bestimmung des Menschen. S 374 —3*6 ) 255- (Idee de. Guten t;nb der Lugend. S 377 — 379.) 206. ..Von der DoUkommcnhert. S. 379 — 381.) 257. (Werkheiligkeit. S. 33». 382.)

Viertes Capitel.

Häretiker. $. 258. (Charakter im Ganzen. S. 382. 383.) §. 259. (Aerianer, Messalianer, Eustardianer. G. 383. 384.) tz. 260. ^Jovinianus, VigilantiuS. S 384. 385.)

Einleitung

Zweyter Theil Allgemeine Geschichte der christli­ chen Sittenlehre. Einleitung. Verhältniß der Geschichte zur Offenbarung.

§. 99« wir die christliche Sittenlehre in ihrer un­ abhängigen Vollendung, als abgeschlossenes System der Regeln,

nach welchen die menschliche Natur vervoll­

kommnet werden soll, kennen gelernt haben, müssen wir sie nun auch als geschichtliche Erscheinung in ihrer Ab, hängigkeit von

zeitlichen

Verhältnissen

und

in ihrer

Beziehung auf die mit ihr in Zusammenhang stehende Fortbildung des Menschengeschlechts betrachten. haben schon gezeigt (§. 7.),

Wir

daß die Ansicht derselben

alS einer Offenbarung die andere als einer geschichtli­ chen Erscheinung nicht ausschließt,

und daß wir sie

nach der letzteren sogar In ihrem Werden aufzufassen suchen müssen. Erzeugniß

Ein rein Entstandenes, ein rrklarbarrs

begreiflicher Ursachen

werden wir

darum

nicht aus ihr machen, so wenig alS in der Natur und Zweyter Theil.

A

t

Einleitung.

Geschichte die Erklärung je zum Unbedingte« und Ur­ anfanglichen aufsteigen kann, und daher immer Uner­ klärtes in ihre Rechnung aufnehmen muß. Ja der Geschichte giebt es zwar eine Verkettung der Dcgrbenheiten, und es können selbst die Wechselwirkungen der geistigen Kräfte, wie sie sich gegenseitig anregen und verstärken, bis auf einen gewissen Grad nachgewiesen «erden; aber die Kräfte selbst müssen als «in Gegeb, nes und Unerklarbares genommen werden, wie sie sich finden ($. 49'. Wir bemerkten (§. 44), daß durch das, «aS wir Offenbarung nannten, der Fortschritt der Menschenbildung auf eine unbegreifliche Weise, durch Freyheit, weiter geführt werde, daß aber der Fortschritt doch auf derselben Linie geschehe, widrigenfalls es kein Fortschritt wäre. D ese Linie werden wir nun in der Geschichte aufjusuchen haben, und auf derselben den Stufengang, den die Bildungsgrschichte nimmt. Hier stoßen wir ebenfalls auf solches, was wir Offen­ barung zu-nennen haben, auf Freyes und Ursprüngli­ ches, wodurch Neues degonneo ober das Alte weiter gebildet wird, finden aber auch eine Fortleitung durch »ermittelte Nach» und Ausbildung, ' »bey gewisserma­ ßen die Erklärung möglich ist. Haben wir nun diesen Stufengang verfolgt, so werden wir dahin gelangen, «0 die christliche Offenbarung eintritt, und die Vorbe­ reitungen und Veranlassungen erkennen, unter denen Christus als d»r Anfänger eines neuen Lebens auftritt. Damit werden wir ihn jwar nicht ju einem Sohne fei­ ner Zeit machen, der alles, waS er war, aus ihr ge­ schöpft, aber wohl die Nothwendigkeit einsehen, daß er kommen mußte, wenn das Menschengeschlecht in sei­ ner Entwickelung fortgehen sollte, und di« Sehnsucht

Einleitung.

g

begreifen, von welcher die Besseren vor ihn» durchdrun­ gen waren, und die er allein stillen konnte.

Zugleich

werden wir aus der dis ju ihm hin verfolgten Dildungogeschichte der Menschheit die Möglichkeit einse­ hen, daß er auftreten konnte, daß die Welt für fein» Erscheinung empfänglich und des göttlichen Lichts und der göttlichen Freyheit, die er brachte, fähig geworden war $. 49.)

Und dadurch wird uns das Menschliche

im Christenthum in feinem rechten Lichte erscheinen, wie es mit dem Göttlichen eins ist. So wie wir schon auf anthropologischem Wege oder auf dem Wege der innern Geschichte die Nothwendigkeit der Erlösung durch Christum und deren Angemessenheit zur mensch, lichen Natur nachgewiesen, so wird uns nun die äussere Geschichte, das Abbild jener, dasselbe zeigen.

Und ba­

tst der Nutzen, den uns eine solche geschichtliche For­ schung gewährt: die christliche Offenbarung wird «a< dadurch dem Leben näher gebracht. $. 100, Hierauf müssen wir sehen, wie das Christenthum, «ach seinem Auftritt, in die Geschichte der Menschen eingreift, und fit beherrscht und neu gestaltet. Wenn wir vorher zeigen, wie die Welt, von Sehnsucht ge­ trieben, sich nach dem Lichte hindrängt, welche- in Christo erscheinen soll, und durch mancherley Anregun­ gen vorbereitet wird, dasselbe würdig aufzunehmen! so haben wir hier zu zeigen, wie das wirklich erschienene Licht aufgenommen worden, wie es die Finsterniß über­ wunden, mit derselbe» gekämpft, aber sich auch damit vermischt hat. Wenn wir dort Vorbilder der Of­ fenbarung aufsuchen, so erforschen wir hier, wie sich dieselbe in dem Abbild der christlichen Kirche abge, A 2

+

Einleitung.

drückt hat.

Hier werden wir nun mehr einen unuit#

(erbrochenen Zusammenhang der Geschichte können, als vorher.

verfolgen

Das Christenthum läßt sich nicht

als rin aus dem Früheren entstandenes Producr bt* trachten, und es bleibt immer ein nicht auszufüllender Abstand zwischen ihm und dem Früheren.

Selbst in

der Geschichte des A. T. müssen wir auf dir vollstän­ dige geschichtliche Verknüpfung und Ableitung.Verzicht leisten, weil

wir da Qffcnbarung

annehmen.

in der Geschichte der christlichen Kirche,

Aber

die wir als

ein aus der christlichen Offenbarung Abgeleitete­ ansehen, und wo wir keine neue Offenbarung mehr an­ nehmen, ist eine vollständigere und geschichtlich begreif­ lichere Verkettung brr Begebenheiten und Erscheinun­ gen aufzufinden.

Die wirkenden Kräfte find freylich

auch hier kein Gegenstand der Erklärung, wir ahnen auch hier die Wirkung des göttlichen Geistes; aber die christliche Offenbarung giebt überall den Weg und die Rjchtung, in der sich alles bewegt, und bas Maß, wornach alle- zu messen ist. Diese geschichtliche Verfolgung des Einflusses der christlichen Offenbarung auf die Bildung der Menschen wird uns übrigens jenen Nutzen, die Offenbarung auf das Leben beziehen zu lernen, in einem viel höheren Grade gewähren.

Wir werben zunächst die Fehler ein­

sehen, welche die Menschen in der Aneignung derselben begingen, und uns selbst davor hüten; zweytens wird unS die belebende, verjüngende und alles ergreifende Kraft des christlichen Geistes in ihrer ganzen Fülle er­ scheinen, wenn wir sehen, daß fich nichts seinem Ein­ flüsse hat entziehen können, und alles Widerstrebende von ihm überwunden worben ist.

Einleitung. §.

5

ior.

Da wir die Geschichte theil- alS das Vorbild, theil- als das Abbild des Urbild,- der christlichen Of­ fenbarung ansehen, und diese in wissenschaftlicher Ein­ heit darzustellen versucht haben: so

müssen wir auf

dieselbe Einheit auch bey jener ausgehen, welches al­ le» bingS eine schwierige Aufgabe ist.

Wir müssen die

Menge einzelner Materialien, welche die Geschichte bar­ bier,

IN

Massen jusammen ju werfen, und zu bedeu­

tenden lebendigen Geschichtsbildern zu gestalten suchen. Eine Zusammenstellung von lose aneinander gereihetea Siktenvorschrifte.i und sittlichen Grundsätzen, die der oder zener Sittenlehrer vorgetragen, ist keine Geschichte der Sittenlehre, sondern eine bloße Compilation und Vorarbeit dazu.

Diese Geschichtsmassen müssen wir

dann auf philosophische Principien zurückzuführen oder dadurch zu erläutern suchen, bey welchem Geschäft phi­ losophische und geschichtliche Beurtheilung sich lebendig durchdringen müssen.

Diese Anfoderung der philoso­

phischen Behandlung der Sittengeschichte ist ganz un­ erläßlich; denn die Geschichte, mit der wir es zu thun haben (und freylich auch alle Geschichte, al- lebendi­ ges Ganzes) ist nichts als die Erscheinung sittlicher Ideen. Die Gefahr zu irren ist freilich sehr groß, wäh­ rend der Zusammenraffer geschichtlichen Stoffs bitfee Gefahr sich fast gar nicht aussetzt; aber je höher die Aufgabe, desto schwieriger die Lösung, und so wollen wir uns dadiirch nicht abschrecken lassen. Nun entsteht aber die Frage, ob wir bey unsrer Geschichte vorzüglich auf das sittliche Leben oder auf die wissenschaftliche Behandlung der Sittenlehre oder auf beydes zu achten haben?

Wir haben allerdings

6

Einleitung.

den Zweck, die Geschichte deS sittlichen Leben- tu geben. Da aber die Erkenntniß vom Leben nicht ge­ trennt werden kann, und die Regel desselben abgirbt (so wie sie auch bey jeder einzelnen Handlung den Obersatz oder die Regel bildet); und da in der christlichen Kirche, Kraft deS sie beherrschenden Geistes der Wahr­ heit, die Erkenntniß als das Herrschende anzusehen ist: so dürfen wir unsere Geschichte auch allerdings Ge­ schichte der Sitkenlehre nennen. Kurz, unser Zweck ist, eine Geschichte des von selbstbewußter Er­ kenntniß geleiteten sittlichen Lebens |u ge­ ben. Mithin haben wir von der Wissenschaft nur das­ jenige ausjuheben, was sich aus dem Leben hervorge, bildet hat, und wieder ins Leben zurückgegangen ist. Es giebt in der wissenschaftlichen Behandlung der Sit­ tenlehre Manches, was nur der Schule als solches oder dem besondern Charakter und der Bildung des Gelehrten, dem sie eigen ist, angehört, und dieses müssen wir von dem ächten Lebensgrhalt auszuscheiden suchen. Dieses wissenschaftlich oder schulmäßig Eigenthümlich« tritt am meisten in der neuern Zeit hervor, wo sich überhaupt mehr alS je die Schule vom Leben abgesondert hat. Don der wissenschaftlichen Behandlung der Sittenlehre werden wir auch «ine Geschichte versuchen, die zwar in den Hauptmomentrn mit zener gleichen Schritt hält, aber füglich für sich behandelt werden kann *). *) Eine schjtzbare Vorarbeit }u dem, was wir in einem höher» wissenschaftlichen Geiste versuchen wollen, hat geliefert: Stäudlin Geschichte der Sittenlehre Jesu. Göttingen lB. t?99- 2. B 1802. 3 B. IM2 8 Für da« X T. ist noch zu vergleichen: C. Bauer biblische Moral des X. T. Leipzig 1303. 2 Thle. y.

Erste Abtheilung. Vorgeschichte des Christenthums. Erstes Capitel.

Sittenlehre des Hebraismus.

I.

Vorgeschichte. §.

.

102

Die Aufgabe, deren kösung uns die Vorgeschichte des Christenthums zeigen soll, ist: wie die Menschheit zur Empfänglichkeit der höchsten Freyheit und Selbst­ ständigkeit, die in Christo erschienen, emporgehoben und jur Sehnsucht nach dieser Erscheinung gebracht wor­ den.

Daß in dieser Entwickelung Mose und baS he­

bräische Volk eine vorzügliche Stelle behaupte,

zeigt

unS schon der Zusammenhang deS Christenthums mit dem Judenthum.

Wir können aber nicht richtig er­

kennen und würdigen, waS Mose geleistet, wenn wir nicht auf die Zeitverhältnisse sehen, in denen er es leistete, und die theils von ihm benutzt, theils umge­ bildet und gesteigert worden.

Wir müssen also wenig­

stens einen flüchtigen Blick auf die Geschichte der Völ­ ker werfen, die vor den Hebräern auf dem Schauplatz der Geschichte erscheinen, vorzüglich aber auf diejeni­ gen, die mit denselben in näherer Berührung stehen *)♦

*) Dergl. Ehr. k. W. Stark Das Leben und dessen höchster Zweck. Erster Theil. 1817. ©. 2-. ff, mit dessen Jdeen-ang mir ziemlich gleichen Schritt Hallen werden.

8

Vorgeschichte des Christenthums. Jene Selbstständigkeit und Freyheit gehört sowohl

dem Gebiet der Klugheit als dem der Weisheit an.

Wir haben beyde im System geschieden,

da fie

aber im Leben stets innig mit einander verbunden sind, so werden wir wohl thun, beyde in ihrer gemeinschaft­ lichen Entwickelung in der Geschichte ju betrachten, und zu sehen, wie sich der Mensch feiner Selbstständigkeit be­ wußt wird, zugleich in Ansehung der Zwecke seines Lebens und in Ansehung der Mittel fie zu erreichen, wie sich das sittliche und rechtliche Gefühl neben der immer mehr gewonnenen

Herrschaft über die Natur

und der Einsicht in ihre Gesetze

und dem wachsenden

Reichthum an Bequemlichkeit und Ordnung des Lebens kund giebt. §. 103. Zur Selbstständigkeit und Freyheit steigt der Mensch empor durch die Stufen der Sinnlichkeit und Gewohn­ heit (§. 16).

Da sich dieser Stufengang im Großen,

wie im Kleinen, drückt:

in Völkern, wie in Individuen ab­

so dürfen wir wohl die Dildungsstände der

Völker vorzugsweise der Sinnlichkeit, der Gewohnheit, dem freyen Geist anweisen, wobey freylich nur auf das Vorherrschen des Einen gegen das Andere gesehen wer­ den muß, indem keines ganz fehlen kann.

Allerdings

mag daS Urleben der Menschheit, wie sie eben aus dem Schooß der Mutter Erde hervorgegangen, in ihrer er­ sten Jugendherrlichkeit, über diese Scheidung gewisser­ maßen erhaben gewesen seyn.

Gleich anfangs trat der

freye Geist siegreich hervor als Herrscher der Natur, aber nicht mit der Freyheit des gebildeten Verstandes, sondern brS ahnenden Gefühls, mit theurgischer, nicht

sittlicher

Kraft.

Dieser höhere

Zustand,

welcher

wahr-

Sittenlehre des HebraiSmu». sicheinlich

9

mit einem erhöheten Leben der Natur ver­

bunden war, wich nachher einem andern,

in welchem

der Mensch mehr auf sich selbst gewiesen wurde, und aa< dem innigen Zusammenhange mit der Natur her­ austrat.

Damit begann die Geschichte, und von je­

nem höbern Leben zeugen nur noch die Mythen. Auf dem geschichtlichen Standpunkt nun dürfen wir in der Entwickelung

der

alten Völker einen frühern Zustand

der Sinnlichkeit annehmen, wie wir ihn noch heute bey den Völkern neu entdeckter Erdtheile finden,

und an

dessen Grenze wenigstens wir noch zu Moses Zeit die arabischen Nomaden und selbst gewissermaßen die He­ bräer erblicken.

In der höchsten Reinheit, in welcher

er freylich geschichtlich nicht vorkommt,

besteht dieser

Zustand darin, daß der Mensch in Allem nur vom Au­ genblick und der augenblicklichen Regung abhängt, daß er auf diese

Weise

sowohl seine Bedürfnisse befrie­

digt, als auch fein höheres geistiges Leben lebt.

Er

ist Jäger und Höhlenbewohner, und stchert sich somit nicht regelmäßig vor Gefahr, Mangel und den widri­ gen Einflüssen der Natur.

Etwas mehr Regel und Ord­

nung bringt schon die Viehzucht in das Leben, so wie sie auch die Rohheit der Sitte etwas mildert, und den Geist freyer macht;

doch können wir auf die feinern

Uebergänge hier nicht achten.

DaS sittliche Gefühl de-

Naturmenfchrn kündigt sich nur in sinnlicher Freyheits, und Ehrliebe und in der durch die natürliche Empfin­ dung selbst gegebenen Familien - und Stammesliebe an, wahrend der Fremden Recht nicht anerkanntem Ver­ hältniß gegen sie nur die Gewalt geachtet, und das eigene durch sie verletzte Recht mit Härte und Rohheit gerochen wird.

Im geselligen Verhältniß erscheint al-

io

Vorgeschichte des Christenthums.

lerbingS viel Freyheit und Gleichheit der Einzelnen ge* gen einander. Die Familie gehorcht dem Hausvater, der Stamm dein Fürsten, aber nicht als Knechte durch Gewalt gebändigt, sondern durch Natur und Sitte unterworfen. Die Gewalt kann in diesen einfachen Ver­ hältnissen, bei der natürlichen Gleichheit der Menschen, noch nicht so überwiegend hervortreten. Es ist aber doch auch nicht das klare Bewußtseyn der Freyheit, wodurch diese äußere Freyheit entsteht, es ist kein mit Freyheit selbstzeschaffrneS Verhältniß, sondern ein na­ türlich entstandenes und geschütztes. Gegen Fremde wird ungescheut Willkühr und Gewalt geübt, und die Gefangenen oder Erkauften müssen als Knechte dienen. Doch kann Stamm gegen Stamm noch nicht untersochend auftreten, weil da- unstäte Leben die Freyheit deS Schwächer» durch die Leichtigkeit der Flucht schützt. Seine Vollkommenheit findet der Naturmensch allein in der Entwickelung, Steigerung und Aeusserung der sinnlichen Kraft, also in Waffrnäbung, Tapferkeit und dergleichen, übrigens aber liebt er noch wenig das thä­ tige Leben, sondern huldigt der Trägheit, weil alle Thätigkeit vom Geist ausgeht und dieser noch gefan­ gen liegt. §.

104.

Sobald die Menschen Ackerbau treiben, und feste Wohnsitze wählen, treten sie in einen höheren Zustand über, lernen dir Narur mehr beherrschen, erweitern ihre Kenntnisse und Fertigkeiten, und fügen sich mehr in sichere Ordnungen des Lebens ein; dadurch wird auch der Geist schon mehr seiner selbst bewußt, und dir Menschen lernen die Thätigkeit lieb gewinnen. Aber durch dieses Alles kommen sie in Gefahr, die

Sittenlehre des Hebraismus.



Beute der stärkeren stnnlkchen Kraft |u werden, der Gewalt zu unterliegen.

vud

Die fortgeschrittene ver-

manntchfachte Bildung bringt mehr Unterschiede unter dle Menschen, und hebt die natürliche Gleichheit aus; ehe sie nun ihre Gleichheit rechtlich schätzen lernen, wird dle Ungleichheit irgendwo rin entschiedenes Ueber* gewicht gewinnen, und eS wird eine Zwingherrschaft (DeSpoti-muS) entstehen.

Meistens aber wird ein gan­

zer Stamm unterjochend auftreten, und zwar ein wil­ der nomadischer gegen ackerbauende, weil die rohe ungeschwächte Kraft deS ersten die durch Bildung ge­ schwächte der zweyten überwältigt, und diese nicht ent­ fliehen können «egen ihreS festen Wohnsitzes.

So dür­

fen wir uns den Nimrod wohl als einen Stamm­ führer einer Jägerhorde denken, unter welcher er selbst der stärkste und beste Jäger war (i Mos. io, 8.). Die durch Zwang und Willkühr gewonnene Herrschaft wird nun auch mit Zwang und Willkühr geübt «erben, und well daS Leben aus seinem engen Kreise herausgetre­ ten ist, und durch die Bildung an manntchfalttgrr Thä­ tigkeit gewonnen hat: so wird der Despot irgend eine Unternehmung ergreifen, und für die Ausführung der­ selben ble Kräfte und da- Leben feiner Unterthanen opfern.

ES werden Städte gebaut, Kriege geführt,

und wohin sie der Treiber treibt, dahin muß die Menge unwillkährlich folgen.

In jenem ersten Zustand d«S

Lebens könnte brr Despotismus, wenn auch entstanden, fich doch nicht wirklich geltend machen, weil feine Na­ tur die Willkühr ist, und diese im Naturleben so we­ nig Spielraum hat.

Aber so wie die Willkühr auf der

Freyheit wurzelt, so ist auch dieser Despotismus der Urbergang zu einem höhrrn Lebe« der Freyheit.

Wie

12

Vorgeschichte de- Christenthum«.

finden ihn als das erste Moment der beurkundeten Ge­ schichte in den asiatischen Reichen, woher alle unsere Bildung stammt,

in Assyrien, Babylonien, Persien,

Indien. §>

105.

Aus der großen Masse deS der Willkähr des Des­ poten

unterworfenen Volkes aber werden sich wohl

gleich anfänglich einige Classen ausscheiden, deren der König als seines Beystandes bedarf, die Krieger und die Priester (die Weisen und Zauberer), und man kann annehmen, daß sie mit ihm zum erobernden Stamm gehören, in welchem noch jene natürliche Gleichheit be­ standen, und mit in das neue Verhältniß übergegan­ gen ist.

Sie werden durch ihren Einfluß und durch

erworbene Rechte die Willkähr des Herrschers jägeln, mit ihm zugleich aber über die unterworfenen Classen gesetzlos herrschen.

Das ursprünglich natür­

lich Entstandene wird nun durch Gewohnheit geschützt werden, der Beruf und das Recht oder die Rechtlo­ sigkeit der verschiedenen Classen stellt sich im Castenwesen fest, und aus diesen streng gezogenen Kreisen kann nichts heraustreten, machen.

und feine Freyheit geltend

In der Gewohnheit sehen wir schon erwaS

der Freyheit und Regelmäßigkeit ähnliches, man hängt doch nicht mehr von

Augenblick und Zufall ab, und

der Willkähr ist etwas gew-hrt.

So stimmt damit

sehr überein, daß bad 0;e;ul)i der Menschenrechte im Castenwesen weniastens in einzelnen Menschenclas­ sen klar und sicher hervortritt, während es freylich in den übrigen noch unterdrückt ist: es ist damit für das sittliche

Leben doch

ein theilweiser Gewinn gemacht.

So auch ist der Gemeingeist, der sich wenigstens in den

Sittenlehre des Hebraismus.

13

Tasten, wo nicht im Volke, bildet, ein nicht zu verach­ tender Gewinn, da er eines Theiles umfassender ist, als im engen Stammverhältniß der Wilden, andern Theils sich auf geschichtliche, nicht natürliche Verhältnisse be­ zieht.

Was die sonstige Bildung betrifft,

so hat flch

hier der Geist von der Natur losgerissen, und lebt in der Gewohnheit, d. h. im Gedächtniß und in der Ueber­ lieferung.

Künste und Wissenschaften werden vor­

herrschend nicht durch freye Erfindungskraft

fortge­

bildet, sondern vom Vater auf den Sohn fdrtgepfianzt. Aber welche große Schatze uns auf diesem Wege über, liefert, und wieviel dadurch einer freyern Bildung vor­ gearbeitet worden, ist bekannt.

Aach hatte so das Doll-

kommrnheitsstreben der Menschen einen größer« ussd ediern Spielraum gewonnen, und sie fühlten, wenn auch dunkel, den Werth der edlern geistigen Güter. Dieses Castenwefen finden wir ebenfalls bey de» oben genannten Völkern, so wie auch bey den Chine­ sen, und eS besteht bey diesen und den Indiern noch heutiges Tages.

Aber in einer schon höheren Ausbil­

dung und mehr geläutert durch den sittlichen Geist er­ scheint es bey den A eg yptern, welche keine bloß zum Dienen bestimmten Casien hatten, und deren Priesterstamm durch den geistigen Einfluß der Religion die Willkähr der Könige dem Gesetz unterworfen

hielt, und so­

gar eine gewisse Gleichheit Aller, selbst der Sklaven und Freyen, (wenigstens in Ansehung des TodkschlagS) geltend machte. — Doch die Gestaltung und den Ein­ fluß der Religion in allen diesen Bildungszuständen müssen wir noch besonders beleuchten.

§.

106.

Das sittliche Leben findet in der Religion feine

i4

Vorgeschichte des Christenthums.

Begründung und Vollendung, und wir haben darauf zu achten, ob und wie sich darin das sittliche Bewußt­ seyn ausspricht.

Sehen wir vom muthmaßlichen Ur-

leden der Menschheit ab, in welchem ihr wahrscheinlich eine

sehr

klare und reine Anschauung der Welt und

des göttlichen Lebens, wiewohl nur in sinnlich gebun­ dener Ahnung geworden war, wovon noch die ältesten Mythen zeugen: so dürfen wir in der Entwicklungsge­ schichte als die erste Stufe der Religion de.. Feti­ schismus annehmen, welcher dem Zustand der Sinn­ lichkeit anheim fällt.

Von einer augenblicklichen Re­

gung ergriffen, findet der Mensch in irgend einer Na­ turerscheinung, in einem nützlichen oder schädlichen Thier v-er einem Gestirn, die Ahnung der höhern Kraft, welche die ganze Natur und ihn selbst bewegt, und bildet sich daraus seinen Gott.

Hier ist er noch ganz von der

Sinnlichkeit befangen, und das Bewußtseyn seiner «i, grnen geistigen schläft.

Natur,

besonders aber der sittlichen,

Das Gefühl der UnseUgkrit, das sich als Furcht

vor dem Zorne der Götter ausspricht, hängt freylich mit dem sittlichen Bewußtseyn zusammen, aber nur mit­ telbar.

In der Anschauung des Göttlichen in der Na­

tur wird nun die Religion noch lange befangen blei­ ben, wenn sie sich auch mehr erweitert und freyer ge­ staltet.

Im Strrndienst, mit Astronomie verbunden,

schaut der Mensch eine wenn auch nur physische Weltordnung an, welcher seine stttliche, auch nur noch durch geistige Naturnothwendigkeit (Gewohnheit) fest, gehaltene Lebensorbnung entspricht,

daher wir diese»

Dienst da ausgebildet finden, wo das Castrnwrsen herrscht. Man

regelt durch den Sternenlauf die äusseren Orb,

uuugea des Lebens, die Geschäfte des Ackerbaus vor,

Wittenlehre des Hebraismus.

nehmlich, und ahnet darin immer etwas von der höhern sittlichen Ordnung. Ein anderer Weg der Fort« dildung der Religion geht durch die Abstraktion und willkührliche Bezeichnung oder Symbolik, wobey der Verstand schon freyer waltet. Man faßt eine unsichtbare Kraft der Natur auf, bezeichnet sie durch natürliche oder selbstgefchaffene Bilder, und betet darin den Naturgeist an. Noch mehr Freyheit und sittliches Bewußtseyn zeigt sich, wenn die Gottesdienste sich geschichtlich gestalten, wenn große Wohlthäter des Menschengeschlechts, Erfinder und Gesetzgeber, zu Gegenständen der Verehrung werden, wenn man das Gött­ liche in Menschengestalt verehrt; denn nichts anderes als die freye sittliche Geisteskraft, wenn auch noch in roher und dunkler Erscheinung, kann hier die Huldi­ gung auf sich ziehen. Diese geschichtlichen Elemente sehen wir schon bedeutend hervortreten in der ägypti­ schen Religion, und dadurch, so wie durch die kehre von der Unsterblichkeit der Seele und einer ewigen Be­ lohnung und Bestrafung, machte sich der sittliche Geist derselben, in einem hohen Grade geltend. Ja, wir dür­ fen glauben, daß die ägyptischen Priester sich selbst zur Idee einer höchsten Ursache der Welt erhoben und so die höchste Einheit im Seyn der Dinge geahnet haben, waü auf das sittliche Bewußtseyn sehr belebend wir­ ken mußte. Die Religion lebt Im Gekühl, und auf der durch sie hervorgebrachten GefählSstimmung beruht fast alles. Den Naturdiensten pflegt ein roher wollüstiger Enthusiasmus oder das höchste Gefühl der Sinnenlust zur Seite zu gehen: man ahnet in der angebeteten Naturkraft die höchste Zweckmäßigkeit, und giebt sich ihr mit vollem Gefühl im Genuß der Wollust hin. Da-

i6

Vorgeschichte des Christenthums.

durch aber wird der Geist nur desto mehr an die Sinn, lichkeit gefesselt, und sinkt in desto größere Selbstver» gessenheit. Höher und dem sittlichen Gefühl näher steht die im Adonis - und Osiris-Dienst mit hervortretende Anschauung der Vergänglichkeit und Unzweckmäßigkeit der Dinge, wobey sich ein Gefühl der Schuld regt, bas sich in Aegypten wahrscheinlich auf ein geschichtli­ ches Factum gründet. In der sittlichen Welt ist der Zwiespalt des Guten und Bösen, welcher sich im litt» tergang und Leiden sinnlich abspiegelt; und wo diese Idee aufgefaßt ist, wacht schon daS sittliche Bewußt­ seyn. Bedeutend ist auch bey den Aegyptern der Ernst und die Schwermuth ihrer ganzen Gefühlsstimmung, ihre Achtung gegen die Todten und die Betrachtung des Todes, in welcher sie sich gefallen. Ein solcher Ernst erhebt den Geist über die Schranken der Natur, weil er ihn von der frohen Lebenslust abzieht; er begünstigt das Nachdenken und die Betrachtung, so wie die Selbst­ beherrschung *). §.

107.

2« allen Formen ihrer Ausbildung wird die Re­ ligion züchtigend und heiligend auf das Leben wir­ ken. Immer wird sie das Gefühl der Achtung und Scheu vor einem Höheren und Heiligen erwecken, und den Menschen, der sich sonst noch keinem menschlichen Gesetz unterwerfen will, dem göttlichen, wenn auch noch nicht klar erkannten, sich unterordnen lehren. Diese Scheu wirb sich auch in Handlungen ausdrücken, und wären es auch nur Gebräuche: immer ist doch damit das ge, Wonnen, daß sich der Mensch durch höhere geistige Be, weggründe bestimmen läßt. Aber eine Art von Ge, brä«. *) Bergt, über Religion und Theologie, 6. 70.

Sittenlehre des HebraiSmuS.

17

brauchen wirkt noch besonders mächtig auf die Sitt­ lichkeit, eS sind die Reinigungen.

In der körper­

lichen Unreinigkeit, durch die sich der Mensch seiner Göt­ ter unwürdig fühlt,

spiegelt sich die innere ab, und

hält er auf äußere Reinigkeit, so wird er auch auf die innere achten lernen.

In beiden zeigt sich die Unab­

hängigkeit und Selbstständigkeit

des Menschen,

und

wie sehr die Enthaltung von gewissen Genüssen, wenn auch nur augenblicklich, zum Beyspiel zum Behuf einer Opferhanblung, geübt, den rohen Menschen zur Selbst­ beherrschung aufregen könne, ist klar.

Diese Reinig«

keitszucht finden wir nun besonders auch bei den Aegyptern ausgebildet,

und von den Priestern als den

Heiligsten und Weisesten in vollkommenster Strenge ge­ übt.

Außerdem wird die Religion auch andere Ord,

„ungen schützen,

und Einrichtungen

des

Lebens

heiligen

den Ackerbau und die Gewerbe,

aber das Rechts- und Ctaatsverhaltniß.

und

vorzüglich

Alle alte Re­

ligionen sind theokratisch, und stellen eine Vermischung von bürgerlichen, sittlichen und religiösen Gesetzen dar. Je nachdem nun der bürgerlich sittliche Zustand ausge­ bildet ist, wird auch der politische Einfluß der Religion sittlich reiner oder unreiner seyn.

Sie wird den De­

spotismus heiligen, wo er besteht, und eine göttliche unbedingte Verehrung deck Herrschers fordern; sie wird gleicherweise das Recht der herrschenden Casten schützen, und nur in einer

höheren Ausbildung,

wie bei den

Aegyptern, wird sie selbst den Herrscher dem göttlichen Gesetz unterwerfen, und das Tobtengericht über König und Unterthanen

üben.

Da wo das ausgesprochene

Gesetz nicht hinreicht, in außerordentlichen Fallen des Lebens für das Ganze sowohl als für das Einzelne, ist

Zweyter Theil.

©

i8

Vorgeschichte des Christenthums.

das Mittel der religiösen Zucht und Herrschaft baS Orakel. Ist der Mensch noch in der dunkeln Ahnung Gottes in der Natur befangen, so achtet er anfalle auffallende Bewegungen und Zufalle in der Natur, und findet darin Winke der Götter; ist er schon zu einem höhere» politisch sittlichen Bewußtseyn gelangt, so wer­ den ihm seine Priester und Weisen den Willen der Göt­ ter enthüllen. §.

108.

So ist nun auch die Religion mit der Wissenschaft in der innigsten Verbindung, und beyde halten gleichen Schritt. Von der Erkenntniß der Gesetze der Natur in Physik und Astronomie nebst Mathematik erhebt sich der Geist, die Fesseln der Sinnlichkeit immer mehr abstreifend, zu philosophischen Begriffen über die ewi­ gen Gesetze der Welt und seines eigenen Ceyns. Hierbey ist entscheidend, wie die Willküyr des Verständegeweckt und befördert wird durch Bezeichnung. Nur in der Sprache lebt der Verstand sein eigenes selbstbewußtes keben, und bildet fich eine verständigende Ge­ meinschaft für Mittheilung und Wechselwirkung. Aber die Sprache verknüpft nur das lebende Geschlecht, und die Sage begründet eine sehr unvollkommene Form der Ueberlieferung. Dazu bedarf es der Schrift, welche die Erbschaft der Väter allein sicher überliefert. Die Sprache ist um so vollkommener, je mehr fit sich dem freyen Begriff anschließt, und von der sinnlichen An­ schauung losgerissen hat; auf ihrer untersten Stufe wird si> in Uebereinstimmung mit dem Eeberdenspicl bloße Bilder und keine Begriffe, noch weniger aber deren freye Verbindung bezeichnen. So ist auch die unvoll­ kommenste Art von Schrift die Bilderschrift, «eil sie

Sittenlehre des HebraiSmuS.

19

dem Begriff nur schlecht dient, und eine eigene Kunst der Entzifferung verlangt, die nicht jedermanns Cache, sondern das Geheimniß nur Weniger seyn kann« Oie Buchstabenschrift ist hingegen leicht gelernt, und schließt sich auf das innigste an di« Sprache an, deren feinste und freyest« Bewegungen sie ausdrückt. Diese Erfindüng samt der ungemein geistigen Ausbildung einer schönen Sprache verdanken wir dem Volke der Se­ miten, und deren Verbreitung wenigstens den Phöni­ ziern. Dieses seefahrende Volk, durch seinen Wohnsitz dem an ruhigen festen Besitz und an feste Ordnungen heftenden Ackerbau abgewandt, erreichte unter allen alten Völkern den höchsten Grad der Freyheit und Beweglichkeit, der sich in der Entfernung des Castenwesens, in städtischem Gemcinsinn und Bürgergleich­ heit, in erfinderischer Betriebsamkeit und kühnem Un­ ternehmungsgeist, so wie auch im Gebrauch der Buch­ stabenschrift, deutlich zeigt, und den Uebergang zu ei­ ner neuen Bildungsstufe macht. Die Aegypter haben die Wissenschaften zu hoher Vollkommenheit ausgebil­ det, aber nur als Eigenthum der Priestercaste und in der Hülle der Hieroglyphen, worin sie den Andern un­ zugänglich war. Oie Buchstabenschrift konnte dies« Schatze erst zum Eigenthum des ganzen Volkes machen, ja von Volk zu Volk verbreiten. $.

109.

Aber nicht allein die Wissenschaft, auch die Relk, gion überhaupt lag noch in den Bauden des Castengeistes, und so wie das Recht ungleich vertheilt, so wie der Beruf an die Geburt gekettet war, so war die Kenntniß und Verehrung der Götrrr das Eigenthum der Priestercaste, welche den Uebrigen nur so viel da-

au

Vorgeschichte des Christenthums.

von spendete,

als sie für gut hielt; ein Verhältniß,

welches t'ur diesen ganzen Bildungszustand bezeichnend ist.

Von dem beherrschenden Einfluß ausgezeichneter

Geister auf das Volk geht alles religiöse Leben,

wie

alle übrige T.ldnng, aus: es stehen Gottbegeisterte auf, und ziehe» die Uebrigcn mit sich fort zum Dienste des Gotkcs, de» sie erkannt haben.

2ßau nun sonst Ein­

zelne thun, war durch das Castenwesen Eigenthum ei, ncs Stammes geworden, etwa der Nachkommen alter Propheten und Weisen: dieß konnte aber nur entstan­ den seyn und fortbestehen dadurch, daß man nicht er­ ziehend und bildend und sonnt zu sich heranziehend, son­ dern herrschend und niederdrückend auf das Volk wirk­ te,

daß man in ihm keine Einsicht und freye sittliche

Regung,

sondern bloß Furcht und Staunen erwecken,

daß man es nicht zur Selbsithätigkeit erheben, sondern in leidender Abhängigkeit und Empfänglichkeit erhalten wollte.

Und davon war der Grund kein anderer als

derselbe, aus welchem man dem Volke fein volles Recht int

bürgerlichen Leben und seine Freyheit vorenthielt,

Mangel an Gerechtigkeit und Liebe.

Die Mittel aber,

wodurch man seinen Zweck erreichte, waren jene Hie, roglyphik und die religiöse Symbolik in heiligen Gebrauchen und Sagen.

Man verhüllte die Ideen

des Gottesdienstes in Bilder, um bloß das Gefühl auf unbestimmte Weise anzuregen, die Erkenntniß aber im Dunkeln zu lassen, damit das Volk nicht selbstthätig sein Verhältniß und seine Pflichten zu den Göttern begrtffi, und nicht seine heilige Scheu vor den Priestern als den Vertrauten der Gottheit aufgäbe.

Sittenlehre des HebraismuS. II.

sr

Mose und seine Stiftung. §.

HO.

Was Mose tfyat, that tr mit Liebe und Frey, heit für die Liebe und Freyheit. Er fand sein Volk noch an der Grenze des ersten Dildungszustandes, ohne Ackerbau und die diesen be­ gleitende Ausbildung in Kunst und Wissenschaft, aber auch ohne die Verknöcherung

der Lebeusverhälkniffe

durch den Geist der Gewohnheit im Castcnwescn, und ohne daS Gift des Despotismus, im Genuß jener na­ türlichen Freyheit und Gleichheit, die das Erbthcil der ungebildeten Völker ist.

Was ihre väterliche Religion

betrifft, so können wir kaum durch die Hülle, welche die Geschichte vorgezogen, hindurchdringen, um die da­ malige Gestalt derselben bestimmt aufzufassen. Es scheint, daß in diesem Volke sich die Erinnerung an btt Uroffenbarung der Menschheit, in welcher die Idee des «Inen höchsten Gottes ahnend gefaßt war, reiner er­ halten hat, als in den übrigen Völkern, vieücicht dar­ um, weil es im einfachen Familienleben beschlossen blieb, und nicht in die Zersplitterung der entwickelnden Bil­ dung gerieth.

Darf man der Sage trauen, so scheint

Abraham, indem er sich aus der Gemeinschaft seines in sme Zersplitterung und somit in Götzendienst verfal­ lenden Stammes in die Einsamkeit des Nomadenlebens begab, das Erbtheil der Urwelt gerettet, und zum Ei­ genthum seiner Familie gemacht zu haben, indem er den Weltgott als seinen Hausgott verehrtes.

Der

*) Was der Derf. in der Bi'bl Dsgmatik §. 5". 2te 2tufl. §• 6z. hiervon abweichend aufgestellt, mag immer »och als wabrscheM' lrche Vermuthung prüfend verglichen werden. ist hierüber nicht möglich.

22

Vorgeschichte des Christenthums.

Aufenthalt feiner zum Volke erwachsenen Familie in Aegypten drohte ihr jenes Erbtheil zu rauben, indem stk mit der Bildung und Verbildung in Berührung kam. Die Aegppter versuchten es, den Hebräern ihre Unab­ hängigkeit zu entreißen, und sie unter das Joch der Knechtschaft zu b.ugen; und der Bilderdienst scheint bey ihnen

auch

Eingang gefunden

zu

haben.

Da trat

Mose als Retter auf, ein Hebräer von Geburt, ein Aegypter von Bildung.

Nicht genug aber, daß er sei­

nem Volke die alte nomadische Freyheit und seinen al» ten Glauben wiedergab, er wollte ihm zugleich eine hö­ here Stelle unter bcn Völkern anweisen, ihm seine na­ türlichen Güter durch Bildung sichern und dadurch steigern,

ihm die Blüthe ägyptischer Weisheit ohne

deren Beymischung von Ungerechtigkeit und Aberglau­ ben aneignen, und es eben dadurch über dieses Volk emporheben.

Zwey Punkte aber waren es vorzüglich,

In denen er über dir ägyptische Bildung hinausstrebte: dir Entfernung des Eastenwesens und des Bilder­ dienstes samt der Mythologie und Eeheimnißkrämerey; worin er sich sehr durch die natürliche Einfachheit sei­ nes Volkes unterstützt sah; denn es kannte die StammesUngleichheit nicht,

und der eingedrun^ne Hang zum

Bilderdienst und zur Mythologie war noch nicht ganz herrschend.

Ec konnte es

daher unternehmen,

eine

Republik, ähnlich der phönicischen, aber auf dem tie­ feren Grunde einer sittlich religiösen Begeisterung, zu stiften,

und

den Dienst

ebenfalls republikanisch, Volks zu machen, indem

Eines

unsichtbaren Gottes,

zum Eigenthum des ganzen er alles Bilderspiel unter­

sagte, und somit den Priestern das Mittel einer reli­ giösen Zwingherrschaft über die Gemüther entriß.

«Sttttttlehre des Hebraismus.

«z

Sonach dürfen wir behaupten, daß Mose mit eben so viel Weisheit als sittlicher Begeisterung und klebe den höchsten Zielpunkt im menschlichen keden: Selbst­ ständigkeit des Geistes und Achtung der Men­ schenwürde, erfaßt, und mit eben so großer Freyheit des Verstandes — der Klugheit — und der Willens­ kraft diese Idee ins Werk ju setzen, unternommen hat. Er schuf, frey von den Banden der Gewohnheit, und nur leicht an die väterlichen Sitten seine- Stammesich anschließend, ein neues sittliches keden, dem Dienst der Heiligkeit und Freyheit gewidmet *). In ihm trat in überwiegender Fülle und Kraft der Geist der sittli­ chen Freyheit ins kebrn, wenn schon nickt in absoluter Vollendung; und wir dürfen daher in dem, was er ge­ stiftet,

eine göttliche Offenbarung und ihn als

einrn Gottgesandten erkennen. $. in. Betrachten wir nun die Mosaische Stiftung näher, so werden wir den Gewinn, den darin die Menschheit für ihre höhere Entwickelung gemacht, genauer erken­ nen, aber auch zugleich die Mängel derselben entdecken. Die Religion Mose's war theokratisch, wir im ganzen Alterthum, das Staats- und Volksleben heiligend; aber der sittliche Geist, den sie athmete, war reiner und freyer, well Gott nicht in Thier- oder Menschengestalt, nicht in dunkeln zwcydemigen Sagen, sondern in Ge­ bräuchen und Anstalten, die das Herz und Gewissen ansprachen,

und darüber hinaus in der freyen Idee

(weil er unsichtbar war) angeschaut und begriffen wur-

*) Ttc i t. Histor. V, Mose» .. r-wes litui eontmioi ^uc cctetis momlibui indidir

«4

Vorgeschichte des Christenthum-.

de. Hier erhob sich der Geist über die Natur, und schaute das Göttliche nur in sich und in der sittlichen Menschenwelt; und da das Joch der Priesterherrschaft gebrochen war, jeder Hebräer sich als Sohn Gottes fühlte, und an Heiligkeit ein Priester, und das ganze Gemeinwesen ein Priesterreich (2 Mos. 19, 6) seyn sollte: so erhob sich der Geist zu einem bisher nid)t gekannten Grade der Selbstständigkeit. Der litt# liche Ernst, der die Aegypter so vortheilhaft auszeich# nete, war hier zur Andacht gesteigert im Gedanken an »inen höchsten heiligen Willen. Daß nun alle Verhält­ nisse des Lebens bis tief herab durch die Idee des höchsten Richters und Gesetzgebers geheiligt waren, mußte für ein Volk, das noch nicht zu freyer Verstau# drsbildung erhoben war, von mächtiger segensreicher Wirkung seyn. In heiligen, von Gott selbst gegebenen Gesetzen, im Gericht, das an Gottes Statt gehalten wurde, im priesterlichen Gottesspruch, in Reinigungs# und Sühnungsgebräuchcn, in vaterländischen Festen war um die sittliche Rohheit ein mächtiger Damm ge# zogen, und dem besseren Geiste mannichfache wirksame Regung gegeben; und was besonders wichtig ist, es wurde ein großartiger, auf alle diese sittlich religiösen Vorzüge gegründeter Gemeingeist im Volke entzündet, in dem stch Alle, ein jeder mit seinem Selbstgefühl, wiederfanden, und durch einander erhoben fühlten. So wir in der Religion die höchste sittliche Idee er­ griff-» war, so fanden sich die Gesetze der Gerechtig­ keit auf eine sehr vollkommene Weise verwirklicht im Ctaatsleben. Gleichheit Aller, nicht nur vor dem Ge­ setz (5 Mos. 17, 23.), sondern auch im Besitz nach dem freilich nicht haltbaren Institut der Unveräußerlichkeit

Sittenlehre des Hebraismus.

25

der Stammgüter, große Milbe in Ansehung der Leib­ eigenschaft, Heilighaltung der Familienverhältnisse; eine Gemeine-Verfassung mit einer natürlichen, nicht brüt# kenden Stamm-Aristokratie unter der obersten Leitung der hierarchischen Aristokratie der Priester — welche große VorzügeSodann was die edlere Sitte betrifft, strenges Halten auf Gesundheit, Reinigkeit, Keuschheit, Anempfehlung der Treue, Redlichkeit und Eroßmuth ge­ gen den Mitbürger, Untersagung des Wuchers, Aufhe­ bung der Schulden in gewissen Zeiträumen und Ein­ schärfung der Mildthätigkeit gegen

die Armen

und

Fremden. Die Liebe zum Vaterland und Volk war übri­ gens der Inbegriff alles Strebens nach Vollkommenheit, aber sie war durch die Religion geheiligt, und konnte daher die Quelle einer höheren sittlichen Begeisterung werden. Endlich war auch durch den geistigen Charakter der Religion und durch die Einführung der Buchstaben­ schrift

dem Streben nach Wahrheit

ein mächti­

ger Vorschub gethan; keine Geheimnisse der Weisheit, sondern lauter Gemeingut, und dadurch lebendige Zusammenwirkunq. §.

112.

Aber die Zeit war noch nicht gekommen, wo das Vollendete in Wirklichkeit treten konnte, der mensch­ liche Geist war noch nicht zu heit und Reife gelangt: Mosaischen Stiftung,

seiner

wahren Frey­

wir finden

daher an der

obschon sie aus

einem reinen

Herzen und freyen Geiste hervorgegangen, große Män­ gel und Flecken,

die aber nicht dem Geist,

der

sie erzeugt, und so auch nicht Gott, der die Offenbarung dazu gegeben, sondern der Zeit zur Last fallen.

Ja

s6

Vorgeschichte des Christenthums.

Mose wollte sich der menschliche Geist seiner Anecht, schaft, worin ihn der Naturgeist hielt, entwinden; er Krach auch die bisherigen Bande, ließ sich aber neue anlegen, dir er sich selbst geschaffen:

er gewann statt

Ler vollkommenen Freyheit Joel 3.), dem Volke Israel werde rin neues Herz gegeben werden,

damit es die Gebot«

Gottes halte (Ezech. 26, 2> ff.), daß Jehova ihm seine Furcht ins Her; legen werde, damit es nicht von ihm weiche (Irrem 32, 40.).

Zugleich hoffen sie, was frey­

lich der Tugend der Hebräer so sehr fehlet, Freyheit und Selbstständigkeit in der Ueberzeugung: das Gesetz soll dem Volke ins Innere gelegt, ins Her; geschrie­ ben werden, so daß keiner den andern ;u lehren brauche (Jerem. 31, 330, Alle sollen von Gott gelehrt seyn (Jes. 54, 13.), Gotteserkenntniß solle, wie Wasser das Meer, das Land bedecken (Jes. 11, 9.).

Darum aber

weissagt Jercmla '(«. a. O.) auch einen neuen Dun d, der eben darin bestehen soll, daß das Gesetz in dal Her; geschrieben sey, und nicht auf Stein,

also den

Bund der Liebe und Freyheit: unstreitig der größte

Sittenlthre des Hebraismus.

45

Gedanke im A. T., und den ganzen Hebraismus ab­ schließend. UebrigenS folgt auS dem religiös theokratischen Geist der Hebräer von selbst, daß ihre Tugend religiös und theokratisch war, daß ihnen alS die erste Sünde oder Thorheit (n^)) die Gottlosigkeit und die Abgötterey galt, und als der Inbegriff alles Guten, al, ler Gerechtigkeit, die Treue gegen Jehova, dieHaltuog seines Bundes. §.

Il6.

Die stärkste Schattenseite der hebräischen Sitten­ lehre ist unstreitig ihre eingeschränkte Ansicht von der menschlichen Vollkommenheit und der Mangel der reinen Menschenliebe; doch finden sich auch hier Hinneigungen zum Besseren. Im Geiste der Mosaischen Politik lag freylich der Völkerhaß, doch in seiner größ­ ten Stärke nur gegen die Erbfeinde Israels, die Cananiter, Philister und einige arabische Völkerschaften. Es war Schwäche, doch wohl auch eine Regung von Erbarmen, daß man bas System der Ausrottung nicht streng befolgte, und nicht nur Cananiter neben den Is­ raeliten wohnen ließ, sondern auch zum Bürgerrecht zu­ ließ. Späterhin knüpften David und Salomo Freund­ schafts - und Handelsverbindungen mit fremden Völ­ kern an, welches allerdings dem Mosaischen Absonde­ rungsgeist zuwider und, in Verbindung mit dem übri­ gen Regierungssystem Salomos, der Theokratie und ganzen Eigenthümlichkeit des Volks gefährlich wurde. Streng verworfen wurden von den Propheten die Bünd­ nisse, die in der Zeit der Uebermacht Assyriens und Babyloniens auf der einen und Aegyptens auf der an­ dern Seite mit brr einen ober der andern Macht ge­ schlossen wurden (vgl. Irf. 30 ff. Hos. 5, 13. io,

44

Vorgeschichte des Christenthums.

6. u. a. St.); aber diese würden wohl von jeder ge­ sunden Politik verworfen werden müssen.

Die Pro,

phete» drangen auf Selbstständigkeit, Selbstvertrauen auf die eigene Kraft und tapfere, entschlossene Selbst, Vertheidigung; die Könige aber suchten in charakterlo, sem Buhlen mit fremden Mächten ihr Heil.

Ausser

Bit feit politischen Verhältnissen war der Geist der Men, schenliebe weniger beschränkt.

Gegen Fremde wird

Milde geboten (2 Mos. 23, 9. ,

ja man soll ihn lie,

Bett wie. sich selbst (3 Mos. 19, 34.), so wie auch den Welksgenoffen (V. 18.).

Unter diesen Fremden sind

|k:nvde?f Einwanderer, Flüchtlinge u. dgl. zu verste­ hen, daher sie besonders der Wohlthätigkeit und Frey, gebigkeit empfohlen werben (3 Mos. 19, 9 f. $4, 19 — 21.

14, 29.).

5 Mos.

Gegen die Sitten und Steif,

-ion der Ausländer war freylich strenger Gegensatz, weil sich der Dienst Eines Gottes nicht mit dem Götzendienst vertrug; und sonach hatten die Hebräer keinen Sinn für das, worin andere Völker ihren Stolz fanden, für ihre Bildung, Wissenschaft und Kunst; dieß ihnen zum Vorwurf machen?

aber wer will

Dieser Gegensatz

war nothwendig, und in den messianischen Hoffnungen lag die Idee, dieser Gegensatz werde einst aufgehoben Und Ein Reich Gottes auf Erden hergestellt werden. Die Heiden sollten nicht vom Heile ausgeschlossen seyn, nur mußten sie den Irrthum und die Sünde lassen. Diese Erweiterung der Ansicht haben wir den Prophe­ ten zu verdanken.

Zwar herrschte immer vorzüglich

der Gedanke: „ Gruß deinen

Grimm auf die Völker,

die deinen Namen nicht anrufen" (Ps. 79, 6. jo, 25.), aber das Buch Jona lehrte,

Irrem.

daß Gott de»

tugfertigen Heiden Verzeihung angedeihen lasse. Scho»

Sittenlehre des HebraismuS.

45

Jeremia hielt sich „gefetzt über Völker und Reich«" (Irrem, i, io.), und drohte nickt nur den Helden Straf«, sondern verkündigte auch ihre Bekehrung sJerrm. 12, 14—17.);

der spätere Prophet aber, dessen Weissa­

gungen unter Iesaias Namen übrig find, hält sich $um „Licht der Heiden" berufen (Jes. 49. 6.).

Es schlum­

merte daher immer unter dem Dölkerhaß der Hebräer eine höhere Liebe zur Menschheit, die aber nur im Chri­ stenthum zum Leben erwachen konnte. Gegen die Volksgenossen konnte di« Liede

schon

wärmer hervor reten: „du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selber" (3 Mos. 19, itz. , war hier die Grund­ idee, die auch Christus als das zweyte große Gesetz an­ sah.

Allerdings scheint der Vers, der Gesetzsammlung

3 Mos. 19. die Idee der Liebe besonders klar und rein ausgefaßt zu haben;

«der wir finden auch sonst An­

knüpfungspunkte dafür in daraus entwickelten einzel­ nen Vorschriften.

Mit Unrecht wollte Michaelis *)

in dieses Gesetz einen bloß rechtlichen Sinn legen, daß nämlich das Gericht den-enigen,

der seinen Nächsten

aus Haß angebe, abweisen solle; aber dieß gehört zu den vielen scharfsinnigen Schiefheiten dieses Gelehrten, der den Seist der Mosaischen Gesetze nicht gefaßt hat» Es ist ein rein sittliches Gesetz, oder vielmehr eine sitt­ liche Ermahnung, wie denn dieser D»rfaffer mehr den Sittrnlehrer als den Ges tzaeber nia-dt.

Damit hän­

gen zusammen die Dor'chr«sken: „Du sollst deinen Näch­ sten nickt dass n in deinem Herzen" iD. 17.), „du sollst nicht verlämvven"

V. >6.) „du sollst n« ^t rachgierig

v»d nachtragend seyn gegen die Söhne deines Dvlls" ') Mosaisches Recht, VI. »h. S. 3t. f.

46

Vorgeschichte des Christenthums.

(58. ig. vgl. Epr. 26, ii.

24, 28.

25, 2i.), womit

eigentlich eine feinere Gerechtigkeit gefodert wird, und was schon mehr eine positive Foderung der Liebe ent­ hält; „du sollst deinen Nächsten warnen, auf daß du nicht seinethalben Schuld tragest" (58. 17.). Hier soll für das sittliche Wohl des Nächsten gesorgt werden, nach anderen Vorschriften (2 Mos. 23, 4. 5.) für die Habe desselben.

Zur Liebe gehört auch, daß man keine

Zinsen für ein Darlehn nehmen (2 Mos. 22, 25.) und dem Armen den verpfändeten Mantel nicht über Nacht vorenthalten

soll (V. 26.),

die Anempfehlung der

Wohlthätigkeit gegen Arme (3 Mos. 19, 9. f.

5 Mos.

24, 19—21.), der Ehrerbietung gegen Alte (3 Mos. 19, 32.), der Schonung und Aufmerksamkeit gegen Ge­ brechliche (3 Mos. 19, 14.

§.

5 Mos. 27, ig.v u. dgl. m.

HZ«

Das Streben nach Vollkommenheit war allerdings innerhalb des hebräischen Volks selbst sehr eingeschränkt, indem dessen Volkseigenthümlichkeit so scharf begranzt und der freyen Liebe so wenig Spielraum gelassen war; aber überall ist doch rin ernster, lauterer sittlicher Sinn nicht zu verkennen. strengen

Die unterste Stufe nehmen

die

Sitten in Absicht auf körperliche Reinigkeit

ein, aber diese äusserliche feine Zucht ist doch die noth­ wendige Bedingung einer höher» geistigen Reinigkeit, die auch dadurch mit bezweckt wurde.

Höchst achtungs-

werth ist die Strenge gegen alle Ausschweifungen in Befriedigung des Geschlechtstriebs, worin sich der sitt­ liche, über Naturtrieb und Naturbegeisterung erhabene Geist des Hebraismus zeigt, und wodurch der Grund gelegt ist zu der feinern christlichen Sitte des Familien­ lebens.

Die Salomonsche Weisheit ist vorzüglich die

Sittenlehre des Hebraismus.

47

kehrerln der Keuschheit, während die Thorheit zur Hurerey verführt (Epr. 7. 9 13-) Oie Dielweiberey war gerade nicht verboten, aber doch nicht begünstigt, und wir dürfen annehmen, daß die einweibiqe Ehe bey den Hebräern in der Regel war. Die Weisen rühmen sehr den Werth einer edlen wackern Hauefrau (Spr. 12, 4. 91, 10 ff.); Hausli^keit der Frauen aber ist nur in der Monogamie möglich. Die Frauen schein«! nicht unter der Knechtschaft zu stuften, die mit der Vielwei­ berei verbunden zu seyn pstegt, und treten in der Ge­ schichte nicht selten mit großer Freyheit und Selbst­ ständigkeit auf. Uebrigens finden wir bey den Hebräern nicht jene wollüstige Indolenz, welche die heutige» Mor­ genländer auszeichnet, und die eine Frucht der Vielweiberey ist. Ueber die eheliche Treue wachte» die He­ bräer mit einer Strenge, die zwar weniger die Tu­ gend als solche oder die innere Unbeflecklheit, als die äussere bezweckte, und nicht selten zum Trug reizen mußte; aber daS Fehlerhafte liegt nicht sowohl in der Gestnnung, als in der Aeusserung derselben oder in den Formen des Rechts und der Sitte. Die Erziehung der Kinder in der Familie war ebenfalls sehr ernst und streng, za wohl oft ha>t; denn die Weisen rachen zum fleißigen Gebrauch d»r Ruthe Spr 13, 24. 19, ig. 23, 13.): aber man sorgte auch für die geistige Bil­ dung durch Unterweisung ttn väterlichen Gesetz und in der Geschichte des Vaterlandes. Gehorsam ist die Haupt­ tugend der Kinder gegen die Eltern, welche nölh.gen, falls durch den Zwang der Gesetze aufrecht erhalten wird (5 Mos. 2l, 18 f.,: so baß also selbst innerhalb der Familie daü Bild der gesetzlichen Zucht und Ord­ nung wiederkehrt. Dieser strenge Charakter verbreitet

48

Vorgeschichte des Christenthums.

sich über MeS.

Aus mehrern Sittensprüchen, in de,

nen die Geschwätzigkeit des Thoren getadelt,

und die

Wortkargheit der Weisen gepriesen wird (Spr. io, i-» 17, 28. u. fl.), steht man, daß baS äussere Betragen der Hebräer ernst und kalt war, und baß sie Also die Würbe

des Mannes nicht mit Scherz und Laune zu

vereinbaren wußten.

Bezeichnend ist auch ihre Förm­

lichkeit in Höflichkeitsbezeigungen, worin sich ihre ge­ setzliche Strenge ebenfalls abdrückt.

Aber ein warme-

Zugenblebrn athmet uns aus der unverqlrtchiich schö­ nen Freundschaft DavibS und Jonathans und dem un­ schätzbaren Ueberreste der

erotischen Poesie entgegen,

und zeigt uns, baß bey den Hebräern auch die zarte­ ren Blüthen des Lebens gediehen, und nicht ganz ver­ kannt wurden,

denn die Geschichte jener Freundschaft

ist mit Liebe erzählt. — Die Schätzung der innern von «llem Aussenwerk unabhängigen Menschenwürde, das Bestreben,

diese ins Leben herauszubilden,

sich schon in einem hohen Grade.

und zeigt

Der reiche Gottlose

wird dem frommen Armen nachgesetzt (Spr. 19, 1 f. ag, 6.) und Weisheit höher geschätzt als Silber und Gold VBpr. g, 10 f. >; aber diese Weisheit ist doch auch zugleich die Klugheit, welche Reichthum und Ehre ver­ schafft lSpr. 8, i8>), und der vollkommene Mann ist den Hebräern vorzüglich der fleißige, arbeitsame, ord­ nungsliebende und somit glückliche Bürger. geschränkt ist auch jene Weisheit!

Wir ein­

Sie besteht gewöhn­

lich in Kenntniß der Gesetze und Geschichte und in Lebensersadrung.

Was darüber hinausging, die höhere

Weisheit der Propheten und Dichter wird als ein Ge­ schenk Gottes betrachtet, dessen man nicht durch eige­ nes Bestreben konnte theilhaftig

werden.

Von

den Kün­ sten

Sittenlehre des Hebraiüirms.

49

sten übten die Göyenhassenden Hebräer die Dilbnerey wenig, Dichtkunst, Musik und Tanz aber mit vieler klebe, und wieviel sie in der erstern geleistet, in der sie die schönsten Blüthen ihres religiösen kebrnö niedergelegt, ist bekannt, obschon sich ihre Einseitigkeit auch darin abdrückt.

Ein großer Aufschwung der Gedanken und

tiefer Ernst deS Gefühls, aber in großer Einförmig­ keit und ohne reiche und harmonische Gestaltung. Im politischen Leben sind die Hebräer nie groß gewesen. Ihre politische Begeisterung war ohne Haltung, fast immer nur das Werk der augenblicklichen Erregung, gleichen Schritt haltend mit ihrer Treue gegen die theokratische Verfassung. Ist sie freylich einmal erregt, so ist sie großartig und gewaltig', weil sie auf der höch­ sten Idee der Andacht ruht.

Nur Ein König, zugleich

der größte der Dichter, war vom Geist der Theokra­ tie wahrhaft durchdrungen, und lebte dafür ein kräftk, ges, thatrnreiches und standhaftes Leben.

Die erha­

bene Tugend der Aufopferung, welche die Propheten kennen und üben, ist noch nicht allgemein anerkannt, und oft der Spott des vornehmen und niedern Pöbels gewesen. $.

i iS.

Bey der ernsten Strenge, die durch bas Ganze der hebräischen Sittenbildung geht, ist es zu verwundern, daß Mose in seiner Gesetzgebung nicht als Feind der Lebenslust erscheint, und keine finstere Askese vorge­ schrieben hat.

Allerdings find die Waschungen und

Reinigungen ein Saum, der der rohen Lust angelegt ist; aber nur ein einziges Fasten hat er geboten, auf­ fallend wenig für ein rohes unbändiges Volk. Den Wein verbot er nur den Priestern bei, ihrer Verricht

5o

Vorgeschichte deS Christenthums.

tung, obgleich er den Aegyptern verboten war.

Ge­

lübde der Entsagung standen frey, wovon das des so­ genannten Nasiräats allerdings die Keime einer my­ stisch asketischen Lebcnsansicbt enthält. Aber ob man gleich den lebenslänglichen Nasiräern, wie aus Simsons Geschichte erhellet, eine höhere wunderbare Weihe zuschrieb, so hat diese Ansicht doch nie das ganze Volk durchdrungen, das durch den Geist der Mosaischen Ver­ fassung zu sehr an das thätige Leben gewiesen war. Auch hier wirkten die Propheten läuternd und aufklä­ rend, und zeigten die Nichtigkeit solcher äusserlichen Gebräuche ohne den lebendigen thätigen Geist der Liebe. Es war nicht ungewöhnlich, daß die Hebräer In der Trauer und besonders auch in der Reue und Buße fasteten, und sich casieyctcn; und bey der Lebhaftigkeit der Morgenländer war dieß ein passendes Zeichen der innern Stimmung.

Aber das Vorurthril lag nahe,

daß darin die Reue und Buße bestehe.

Dagegen spricht

treffend der Prophet: „Ist solches ein Fasten, das ich liebe, wenn ein Mensch sich casteyet?

Wenn er wie

Binsen seinen Kopf hängt, und auf Sack und Asche sich bettet?

Willst du solches nennen ein Fasten und

einen Tag des Wohlgefallens Jehovas? Ist das nicht vielmehr ein Fasten, das ich liebe, zu lösen die Fesseln des Frevels, die Bande des Joches, die Gefesselten in Freyheit zu setzen, und wenn ihr jegliches Joch losrei­ ßet? Zu brechen den Hungrigen dein Brod, und wenn du die Armen, Verfolgten ins Haus führest? Wenn du den Nackten stehst, und ihn kleidest, und dich dei­ nem Nebeniuenschen nicht entziehest?" .Ief. 58, 5 ff.). Die Propheten pflegten freylich selbst eine strenge fru­ gale Lebensart zu führen, in härenem Mantel zu ge-

Sittenlehre des HebraiSmus. hen, ln Wildnissen ju wohnen u. s. w. ten es in dem rechten

61mm:

§,

Aber fie tha­

sie wollten damit ihre

Unabhängigkeit sichern, deren sie als Sittenrichter bedurften.

Sie dienten nicht wie die Anachoreten in

ihrer Entsagung der Trägheit und Thatenscheu, sondern fie thaten es gerade, um desto mehr wirksam zu seyn, und stellen uns so dasselbe Muster edler Entsagung auf, das uns auch Jesus, wiewohl in höherer Vollendung, aufstellt.

Aber nicht alle Propheten lebten so, nament­

lich ist es von Jesaia und Jeremta nicht bekannt, «eil diese in anderen Verhältnissen lebten, und zufolge dersel­ ben mehr wirken konnten, wenn sie am Leben Theil nah­ men, und in der Mitte der Mitbürger, za selbst in der Nähe des Hofes blieben: zum Zeugniß, daß nur durch den Zweck und die Gesinnung jeder Handlung und Le­ bensweise der Werth ertheilt werde.

V.

Die Zurechnungs- und Vergeltungslehre der Hebräer.

§.

119.

Die Gesetze der sittlichen sprungs,

Welt find ewigen Ur­

aber sie kommen dem Menschen erst rrfah-

rungömäßig,

durch Anregung seiner innern geistigen

Selbstthätigkeit, zum Bewußtseyn.

Allen politischen

Anstalten liegen jene ewigen Ideen zum Grunde, und doch kommen fie dadurch erst zum Bewußtseyn.

So

bey den Hebräern, bey denen die Theokratie die Stelle der sittlichen Zucht vertrat.

Je unvollkommner nun

die Rechtsverfassung, desto unvollkommner die sittlichen Begriffe.

Dieß bewährt sich an der sittlichen ZurechD a

5-i

Vorgeschichre der Christenthums.

nungslehre der Hebräer, welche noch sehr mit der rechtlichen zusammenfällt. Dem Geiste des orientalischen Despotismus gemäß und in Folge der Ansicht, die tut Alterthum durch den herrschenden Geist der Gewohn­ heit allgemein verbreitet war, wonach der Einzelne mehr als ein Glied seines Stammes und seiner Familie, und als Erbe der Eigenthümlichkeit seiner Vater, als für fld) selbst, betrachtet wurde, war es bey den Hebräern früherhin gewöhnlich, das Verbrechen des Vaters auch an den Söhnen und an der ganzen Familie zu stra­ fen (4 Mos. 16, 3i. f. Jos. 7, 24. 2 Kön. 21, 13. vgl. 2 Kön. 9, 26.), und diese nicht einmal rechtliche, geschweige sittlich richtige Zurechnung wurde sogar auf die göttliche Ctrafgerechtigkeit übergetragen (2 Mos. 20, 5. 6.), wobey freylich die richtige geschichtlich reli­ giöse Betrachtung mit zum Grunde liegt, daß das Verderbniß der Vater auf die Söhne fortgeerbt und von diesen theils mit, theils ohne ihre Schuld gebüßt wird. Aber mit Recht wurde diese Zurcchnungslchre später­ hin sowohl in rechtlicher (5 Mos. 24, 16.) als in religiöser Hinsicht «Ezech. 18.) aufgegeben, und der Grund­ satz aufgestellt, daß nur |et?er seine eigne Schuld büßen solle. Sonst war die rechtliche Zurechnung richtig be­ stimmt in den Gesetzen über die Blutrache. Die Wuth der Rächenden pflegte auch über bitfenigtn herzufal­ len, welche einen unabsichtlichen Mord begangen hat­ ten; diese aber schützte das Gesetz (4 Mos. 35, 22 f.). Hingegen gab cs nach der theokratischen Sühnungs­ lehre unabsichtliche Vergehungen, durch die man sich verschuldete, und für welche man sich durch Sündund Schuldopfer zu tnrfooncn hatte, j. B. wenn je­ mand ein Gesetz übertreten, ohne es zu wissen, und es

Sittensehre des Hebraismus.

55

nachher iitnt geworden, wenn er sich verunreinigt hatte, ohne es ju wissen und ohne bas gesetzliche Verfahren dabey zu beobachten und man ihn nachher darauf auf­ merksam gemacht hatte.

Selbst für natürliche Verun,

reinigungrn durch Krankheit,

oder bey den Weibern

durch die monatliche Reinigung, waren Sühnungen be­ stimmt,

als wenn sie eine Schuld mit sich brächten.

Ja, ein Mord, dessen Thäter unbekannt war,

mußte

gesühnt, und so die Schuld, die auf der Gemeine, in deren Mitte er geschehen war, haftete, getilgt werden (5 Mos. 21, i —9.).

Hierbey liegt nicht eine bloß recht­

liche Ansicht zum Grunde, denn der Richter straft nicht bloße Versehen, wenn die Unwissenheit nicht verschul­ det ist, noch weniger straft er eine Gemeine, wenn in ihrer Mitte ein Verbrechen begangen

worden,

ausser

im Fall des Verdachts, daß sie an der Schuld Theil genommen; sondern man könnte sagen, daß hier, zumal in den Fällen natürlicher Verunreinigungen und deS unbekannten Mords,

alle Zurechnung aufgehoben

und die bloße Naturansicht vorwalte.

sey,

Richtiger aber

ist es, hierin eine Ahnung der religiösen Zurechnung^ wenn auch nur dunkel gefühlt, zu finden.

Nach die­

ser sehen wir auch bas, was durch Geburt und Natur bestimmt ist, als durch Freyhert bestimmt an, laßt sich eine Unwissenheit,

und so

die, natürlich und mensch­

lich betrachtet, entschuldbar ist, vor Gott als eine Schuld betrachten, und eben so lassen sich Krankheiten als zu­ zurechnend denken, weil uns im Uebel das Böse zue Erscheinung kommt.

Die Sühnung des Mords aber,

dessen Thäter unbekannt war, hatte den religiösen Zweck, da die rechtliche Sühnung durch Strafe nicht Statt pnden konnte, sie wenigstens symbolisch abzubilden, und

54

Vorgeschichte des Christenthums.

somit dem Gefühl der Gerechtigkeit gewissermaßen ge­ nug zu thun. Freylich mochten diese Gebrauche, die nur für da- Gefühl Bedeutung hatten, in dieser kirch­ lich difciplinarifchen Behandlung leicht zu den» Vorurtheil fähren, alS komme es nur auf die äussere Hand­ lung, nicht aber auf das Innere derselben, die Gesin­ nung, an. Dieß sieht man aus dem Gebet, welchebey der Sühnung des unbekannten Mords gesprochen werden sollte, und worin Gott gebeten wird, nicht un­ schuldiges Blut auf das Volk Israel zu legen, d. h. es nicht im Ganzen für diesen Mord zu strafen, für welchen kein Einzelner! konnte gestraft werden. Zwar läßt sich selbst dieses noch entschuldigen, indem eine Gemeinheit immer eine gewisse Schuld trägt an den Verbrechen, die in ihrer Mitte begangen werden, da es ihr zum Vorwurfe gereicht, daß m ihr die Kraft des Guten nicht so mächtig ist, daß das Böse noch solche Gewalt bekommen kann, in groben Verbreche» sich zu offenbaren. Dahin gehört auch die Ansicht, daß durch die Bosheit der Bewohner ein Land entweihet wird (Jerem. 3, 1.), worin ebenfalls ein guter Sinn »erborgen ist. Aber eS ist klar, wie nahe hier überall daS Mißverständniß lag, und wie es auch bey den He­ bräern wirklich Platz fand. §. 120. Hiernach läßt sich erwarten, daß der Begriff der Freyheit, worauf es bey der Zurechnung zunächst ankommt, bey den Hebräern noch sehr im Dunkeln lie­ gen werde; doch ist die Voraussetzung derselben da, und nirgends wird da- Böse als Werk des Schicksalangesehen. Wenn Gott die Menschen, wie den Pha­ rao, verstockt, wenn er sie zum Bösen reiht (2 Sam.

Sittenlehre des HebraismuS.

55

24, 1.?/ wenn er sie mit Blindheit schlagt, und in ihr sittliches Verderben immer tiefer finken läßt: sc ist da­ mit die eigene Verschuldung der Menschen nicht auf, gehoben, und es ist diese Ansicht nichts alS die Unter­ ordnung der besondern menschlichen Thätigkeit unter die Idee der Weltregierung, in deren Plan daS Böse, aber nicht um des Dösen, sondern um des Guten wil, len, mitliegt, weil doch alles, waS geschieht, durch Gott geschehen muß (vergl §. 93.). Eben so ist die Frey­ heit des Menschen nicht aufgegeben, scndern nur seine Abhängigkeit von Gott erkannt in der Ansicht, daß ihn der Geist Gottes treibt zu allen großen und guten Hand­ lungen, weil die Freyheit wohl Unabhängigkeit von Na­ turgesetzen, nicht aber von den Gesetzen der höher» Welkordnung in sich schließt. Als Beleg für die Vor­ aussetzung der Freyheit bey den Hebräern kann die Sage vom Sündenfall gelten, welcher der Gedanke jum Grunde liegt, daß die Menschen daS göttliche Ge­ bot, trotz der UeberredungSkunst der Schlange und dem Vorwitz des Weibes, hätten halten können, und daß sie eS mit freyem Willen übertreten haben, weßwegen sie auch gestraft worden. Gott sagt zu Kain: „die Sünde liegt vor der Thüre, du aber herrsche über sie" (i Mos. 4, 7.), zu welcher Herrschaft also im Menschen die Kraft vorausgesetzt wird. In der galt, Jen Geschichte des Volks Israel liegt die Idee des freyen Abfalls von Gott: Gott will es immer zum Guten führen, es will aber sein Heil nicht. „Siehe, ich habe dir heute vorgelegt Leben und Glück, Tod und Unglück", sagt Mose (5 Mos. 30, 15.); aber Is­ rael wählte Tod und Unglück mit freyem Entschluß. Auch in der beständigen Aufforderung zur Besserung

5

Vorgeschichte deö Christenthums.

liegt die Idee der Freyheit; die ganze Geschichte ist darauf angelegt,

die Israeliten zu züchtigen und zu

bessern; der ernste Mahnungsruf der Propheten geht durch fit hindurch von Anfang bis zu Ende,

und er»

innert bdS Volk , sie ist ein Baum des fibuid (3, 18. vgl. V. 22.), sie mehret die Lebenstage Die Thorheit dagegen führt zum

Tode

9, 11.).

9, ir. ff.)

„Der Lohn der Demuth und Furcht Jehovas ist Reich­ thum, Glück und kebea" (Spr. 22, 4 j.

So wie nurt

Sittenlehre des Hebraismus.

59

die sittliche Selbstbeurtheilung leicht zu einem Uebermaaß von Selbstzufriedenheit ohne Demuth führte: so fehlte in Hinsicht auf das äussere Schicksal die Er­ gebung, weil diese nur in der Erhebung über die Er­ scheinung der Ding« zu finden ist; eS haderten die Frommen mit Gott, wenn ihnen nicht der Lohn für ihre Thaten wurde, wenn die Gottlosen lm eigenen Volke über die Gerechten, wenn die gottlosen Heiden über daS Volk Gottes den Sieg^ davon trugen. Auf der andern Seite ist es, nach der religiösen Zurechnung, dem Menschen natürlich, im Unglück eine Strafe für seine Sünden zu erblicken (§. 40. 96.). Aber hat er das Unglück nicht verschuldet, so soll er dasselbe nur auf das Gefühl der Unwürdigkeit überhaupt beziehen, und sich dadurch nicht seine Selbstzufrieden­ heit stören lassen, so wie er in der Idee der Verge­ bung der Sünden für jenes Gefühl selbst und die da­ durch erhaltene Strafe Trost finden wird: so daß ihm also daS Unglück nur ein käuterungsmittel seiner Sitt­ lichkeit wird, ihn aber nicht niederdrückt.

Aber dieses

schöne Gleichgewicht finden wir nicht bey den Hebräern. Die Strafe, in der sie ihre Schuld erblicken, wirft sie oft in das dumpfe Gefühl der Zerknirschtheit, in wel­ chem der heitere Muth untergeht.

Sie haben freylich

auch die Ansicht vom Unglück, als einer göttlichen Züch­ tigung (Spr. 3, i2.

Hiob 5, 17.

Ies. 10, 5. 12. u.

a. St.), wobey also der Muth und die Hoffnung ist; es belebt sie ein großes Vertrauen auf die Destimmung ihres Volkes, das nie ganz die Liebe IehovaS verlie­ ren kann; sie kennen auch die Vergebung der Sün­ den nicht bloß durch Opfer, sondern auch durch lautere Reue, Zutrauen ^zu Gott und Demuth (Ps. 32. Mich.

tio 6,

Vorgeschichte des Christenthums.

6

ff.

Spr. 28, 13.), so wie durch ächte in Liebe

und Frömmigkeit erwiesene Besserung (Spr. 16, 6.): aber es fehlt doch in diesen Gefühlen die rechte Hal­ tung, und mehrere Psalmen, und der ganze Jeremia mit seinen Klageliedern zeugen von einer Trostlosigkeit und Niedergeschlagenheit, die eines vom Geist des Chri­ stenthums erfüllten Gemüths unwürdig

wäre.

Der

nächste Grund ist der Mangel der freyen, eigenen, sitt­ lichen Eelbstbeurtheilung.

Sucht der Mensch die Re­

gel derselben ausser stch, so gerath er in einen Zustand -er Ungewißheit, in dem ihn äussere Zufälle nur desto harter treffen, und jedes Unglück ihm als ein Ver­ dammungsurtheil erscheint. „Verirrungen

So betet der Psalmist:

wer sieht sie ein? von den unerkannten

sprich mich loSJ

Auch vor den Frevlern schütze deinen

Knecht, laß sie nicht über mich herrschen!

Dann bin

ich rein von großer Missethat" t). Die ursprüngliche Gleichheit aller Menschen leitet Philo daraus ab, daß Gott bey Bekanntmachung der zehen Gebote Jeden einzeln ange­ redet habe, welches er vorzüglich den Großen und Ge­ waltigen ans Herz legt e). Er erkennt die Wahrheit, daß die Tugend gesellig und menschenliebend, für das Wohl des Nebenmenschen thätig seyn müsse, und er­ klärt es für eine Einseitigkeit, sich von der menschli­ chen Gesellschaft zurückzuziehen, und dem Dienst Gotte­ in ruhiger Betrachtung zu widmen f); aber weil daZeitalter so verderbt sey, so findet er es verzeihlich, wenn die Frommen, um nicht vom Strome des Ver­ derbens mit fortgerissen zu «erden, in die Einsamkeit a) De cliariiate p. -01 sqq. b) l)e Ahraliamu p. 35^ sqq.

c) BescndcrS in bem Buche quotl omius probas liLei. d) D* chaiiute p. -17. e) De decalogo p. 7 lb. p. ;bot

f)

Gittenlehre des Judenthumß.

101

(ließen g), und rühmt die Essener und Therapeuten, welche dieses thaten h). Daß er selbst in dieser feenfbesten Richtung befangen war, haben wir schon oben bemerkt, und die Ursache angegeben, wozu noch kommt, daß er von der sinnlichen Natur deS Menschen ju ungünstig dachte, und sie zwar nicht zerstört, aber zu sehr nie­ dergedrückt wissen wollte. ES versteht sich hieraus von selbst, daß er für die Vollkommenheit des menschlichen kebens in seiner allseitigen zusammenstimmenden Aus­ bildung den offenen unbefangenen Sinn nicht haben konnte, und daß seine kebensanficht die volle reiche Ge­ stalt eines Volkslebens nicht faßte.

§. 141. Philo's Begriffe von der menschlichen Freyheit sind bestimmt und klar a), so wie er auch daS Ge­ wissen richtig als den innern Ankläger und Richter beschreibt b). Ausgezeichnet ist aber feine Anficht von der Vergeltung. Die Tugend bringt schon durch ihre« Genuß die Glückseligkeit mit sich, hat also ihren eignen Lohn in sich selbst c). Diese Glückseligkeit besteht in Vertrauen und ungestörter Freude verbunden mit dem Anschauen Gottes d). Dagegen besteht die Strafe deBösen in Traurigkeit und Furcht e). Die Tugend ist ewig f), und macht unsterblich g), während daS Laster g) li) a) b) c)

Quod omnis probus liber p. 874. Ib. p. 8-6 sqq. De \ iia contemplativa p. 88g. sqq. De opif. p. 3*. Quod Deus immutabilU p. 3oo. De decalogo p. y56. Quod dcterius potioii insidiatur p. 166, De agricult. p. 210. d) De praem. et pocnis p. 914. e) Ib. p. 921. f) Le^. Alleg. I. p. 48. g) De opif. p. 35,

102

Vorgeschichte des Christenthums

der Seele den Tod bringt h). Ein Tag ohne Schuld hingebracht ist einem ganzen tugendhaften keben gleich zu achten; denn die Tugend ist nicht nach der Größe, sondern nach dem innern Werthe zu messen i). Auch «ine äussere Vergeltung nimmt Philo an, der göttliche kcgos ist nicht nur Helfer, sondern auch Rächer 1>). Ein Volk, welches das Gesetz erfüllt, und der Weisheit lebt, wird mit Reichthum, Macht und Sieg gesegnet, selbst Krankheiten llitb von ihm fern; das Gegentheil aber trifft die Gottlosen 1). Diese Ansicht beruht tbeilS auf natürlichen Gründen, indem Philo mit Recht be­ hauptet, daß die Uebel des menschlichen kebens, Krank, Heiken u dz!., aus der Sünde entspringen >>>), theils auf den Weissagungen des Gesetzes (5 Mos. 28.), welche er mit seinen Betrachtungen begleitet. Die durch die göttliche Strafe gebesserten Ueberlreter des Gesetzes werden einst wieder in den Zustand des vollkommnen Glücks versetzt, und die keiden, die sie vorher erdul­ det, auf ihre Verfolger geworfen werden«). Alle Uebel, welche der Mensch leidet, betrachtet Philo als Mittel der Züchtigung und Besserung, und einen voll, kommnen innern Zustand dcS Menschen dachte er sich in natürlicher Verbindung mit äusserer Glückseligkeit. Uebrigens kennt er noch eine ewige Vergeltung in dem geistigen keben nach dem Tode an. Die reinern Gei­ ster schwingen sich auf zum Aether, indem sie diesen h Leg AlDg. I. p 60. i; De pracin, et pornis p. 927. k) De sunmiis p. ]) De priem, p. ärt»rerthum

die

stärkste Waffe gegen die Angriffe der feindlichen Welt war, starker als alle Gemeinschaflsformcn, weil darin die sittliche Kraft lag:

so mußte die Kirche, für ihre

Erhaltung besorgt, auf dieses Schutzmittel einen un­ begrenzten Werth legen, und zwar einen Werth, der nicht gerade nach der Innern sittlichen Beschaffenheit, sondern nach der äusseren Wirkung und Geltung abgc» messen war; denn diese war nicht nothwendig durch jene bestimmt, und war der Kirche für ihren äusseren Zweck an sich schon wichtig.

§. 178. So wie die Verfolgungen selbst schon durch die Feindseligkeit der Kirche gegen die Heiden herbeyge» führt waren, so vermehrten sie auch wiederum diese Stimmung, und machten, daß das Ungesunde und Lei­ denschaftliche darin mehr hervortrat, so daß die Be«

KatövircisinuS.

Erster Zeitraum.

lSs)

schuld,gung des Men scheu Hasses 2, wohl nicht un» gegründet war. Zn diesem Haß gehörte auch die Der« werfung der heidnischen Dilbuiiz l.-> der Wissen sch äst, Dichtung und Kunst. Im Besitz der unmittelba­ ren höchsten Wahrheit des Glaubens und gleichsam von dkescn, trunken betrachtete die Kirche die verständige, t'f spitzfindige Weisheit der Griechen mit argwöhni­ schem Auge; die Dichtung und Kunst aber, die mit dem Götzendienst innig verwebt und von einem sittli­ chen Geist beseelt war, welcher dem höheren christlichen Geist der HciGjfeit nicht entsprach, mußte den Chri­ sten noch viel verdächtiger vorkommen. Ein Zwiespalt o!ro zwischen dem Christenthum und der heidnischen Bildung war natürlich, und die Zeit war noch nicht gekommen, denselben ganz zu heben. Die griechische Philosophie fand allerdings bey den aufgeklärteren Chri­ sten ihre Anerkennung und Benutzung; jedoch erkann­ ten sie dieselbe nicht mit unbefangenem Blick als die eigenthümliche Blüthe der griechischen Menschheit, son­ dern behaupteten gewöhnlich einen Einstuß der hebräi­ schen Weisheit auf dieselbe, welcher wohl schwerlich, in dieser Art wenigstens nicht, Statt gefunten hakte b). lstoch weniger aber konnten sie sich zu der vornrtheils, freien Würdigung der dichterischen und künsiicrischen Bildung der Griechen erheben. Sie fanden darin e.ir Werk des Teufels, und die eigenthümliche siuliche Ent­ wickelung des menschlichen Geistes konnten sie darin

? Tacit. Annal. L. XV, c. b j Clausen de apologttis Plaronis cjusdernqne philoso . plnat' atbitns (Elaviiiae 1817 ) p. vj1’. turti uuyt die S?f hauptunZ fccv Äir^cnrat^r

190

Geschichte der christlichen Sittenlehre.

nicht fassen c).

Sie konnten sich nicht von der Dezie»

hung auf den Götzendienst losmachen, nicht das Reine vom Unreinen scheiden, und die sittliche Schönheit darin -lieb ihnen verhüllt.

Diese Befangenheit war aller­

dings durch das geschichtliche Verhältniß der Kirche nothwendig bedingt.

Co lange noch der Götzendienst

und die übrige heidnische Sitte im Leben bestand, mußte der Kampf gegen diese auch die damit verwebte Bil­ dung treffen, und die Scheidung,

die wir setzt aus

dem geschichtlichen Standpunkt machen können, den damaligen Christen nicht möglich.

war

Doch brachte

diese ihre Befangenheit große Nachtheile mit sich. Här­ ten sie die geschichtliche Nothwendigkeit und den innern Werth der heidnischen Bildung anerkannt, und nicht gegen sie feindlich angekämpft,

hätten sie die Heiden

zwar von den Mangeln und Flecken derselben überzeugt, ihnen aber nicht zugemuthet, sie ganz von sich zu wer­ fen:

so hatte können alles Gute derselben schon da»

mals, wie es späterhin geschehen ist, in das Christen­ thum aufgenommen werden, und dieses härte nicht den Untergang der Bildung und den Eintritt der Darbarey begünstigt.

Auch wäre der Gegensatz der Kirche

gegen das Heidenthum nicht

so feindselig geworden.

Die Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit, mit welcher die Christen die heidnische Bildung beurtheilten, die Hef­ tigkeit, mit der sie sich von derselben losrissen, statt sie zu sich herüber und hinauf zu ziehen, stiftete einen ge­ genseitigen Haß, welcher dem Geiste Christi fremd war. c) Clemens Alex. nimmt jedoch den Sternendienst für eine göttliche Veranstaltung, bannt bic Heiden nrcht in AtherömuS »erftnkcn sollten. Strom. L. VI. p. 7«p. Vgl. Orig. c. Cels. L. V. p. 583. Comment in Job. Opp* T. IV. p. r?x

Katholicismus.

Erster Zeitraurm.

191

liutt entstand aber auch durch Verwerfung der Heid, nischen Bildung eine Lücke im christlichen Leben ,, die sich schwer rächte.

Die christliche Kirche hatte noch

nicht Ihren eigenen Grund und Boden erobert und wurzelte noch auf dem Volksthum der Heiden.

Natürlich

konnte sie noch nicht ihre eigene wissenschaftliche und künstlerische Bildung haben oder doch höchstens die An, fänge dazu.

So aber kam es, daß die christliche Le,

bensansicht für die freye Entfaltung des menschlichen Geistes zur Schönheit verschlossen blieb, und daß sie eine düstere Farbe erhielt, welche mit der Heiterkeit in Christo übel stimmte.

Die reine Freude an der Lust

und Schönheit des Leben- konnte tut Herzen des Chri­ sten keinen Platz gewinnen.

Der Spruch des Apostels:

„die Erde ist des Herrn, und was sie erfüllet" (i Cor. io, 26.) war in seinem umfassenden Sinn damals un­ verstanden.

Daß das Heidenthum in seinem innern

besseren Leben als geschichtliche Entwickelung auch dem Herrn gehöre, daß alle rein menschliche Erscheinung, also auch die Dichtung und Kunst der Heiden, eine Offenbarung feines Geistes sey, konnte man nicht fassen. $. 179. Die dogmatische Grundlage dieser Weltverachten­ den kebensansicht war der Glaube an die baldige Zu» tunst Christi und das Ende der Welt.

Die Idee des

Sieges des christlichen Geistes über alles Unlautere und Gottlose im menschlichen Leben wurde dahin miß­ verstanden, daß man den Untergang alles irdischen Le­ bens erwartete.

Darin zeigte sich der Irrthum, den

Gegensatz des Christenthums gegen die Welt als einen feindlichen, zerstörenden zu fassen, im höchsten Begriff. Wohl sollte das Christenthum die Menschheit von der

igi

Geschichte der christlichen Sittenlehrc.

Richtung auf bas Irdische, von Wollvsi, Selbstsucht und aller fleischlichen Gesinnung auf das Höhere hin, lenken, und die Welt, insofern sie von Gott abgefal­ len, nicht aber als Geschöpf Gottes, zerstören.

Nach

jener mißverstandenen Ansicht aber erschien das gegen­ wärtige Leben alS ein bloßer Vorbereitungsjusiai.d zu einem neuen höheren Leben,

worin nichts Sinnliches

und Zeitliches Platz finden würde, und daraus folgte, daß man sich aller Anhänglichkeit an die Welt entsclilagrn müsse.

Nur trat dabey die Gefahr ein, daß man,

indem man das gegenwärtige Leben aufgab, alles Le­ ben und alle kräftige gesunde Thätigkeit dafür aufgab, baß die sittliche Gesinnung und Handlungsweise eine solche Richtung nahm, durch welche das Leben zerstört oder doch unterdrückt und gehemmt wurde.

Zu die,

sein Glauben gesellte sich nun der sittliche Grundsatz, daß die menschliche Natur durch den Sündenfall ver­ derbt und der Geist In die Gewalt des Fleisches gera esen sey,

von welcher man ihn bcfrcyen müsse;

ein

richtiger Grundsatz, wenn diese Dcfrcyung durch Kampf geschehen soll; aber es drängte sich der Irrthum ein, daß sie durch Abziehung des Geistes vom Fleisch, durch Unterdrückung des letztern, nicht durch Bezähmung, also durch Vermeidung des Kampfes, geschehen müsse, wodurch das Leben zerstört oder doch gehemmt wurde.

Allerdings zeigt auch

hierin die katholische

Kirche mehr Mäßigung und einen gesündern Geist, als die Ketzer und Schismatiker, welche entweder gerade­ zu das Fleisch als das Princip der Sünde betrachte­ ten,

oder doch eine bittere Strenge gegen die Sinn­

lichkeit ausgeübt wissen wollten; aber von der wahren Mittelstraße entfernte sie sich ebenfalls.

Der Haß ge-

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

193

gen die Creatur in ungebührlicher Enthaltung von Le­ bensgenüssen wurde gemäß den Aussprüchen deS Apo, stets (i Cor. 10, 26. 1 Lim.4, 4.) verworfen-); man schätzte und empfahl die christliche Heiterkeit, als Gott allein wohlgefällig b); aber im Gegensatz gegen das unkeusche und wollüstige Heidrnthum legte man einen zu hohen Werth auf die Enthaltsamkeit, auf Fa­ sten, Ehelosigkeit u. dgl., wie wir denn schon eini­ ges dahin gehörige, selbst gesetzlich bestimmt, gefunden haben. Mochte man dergleichen Uebungen auch ohne mürrische und ängstliche Stimmung vollzogen wissen«:): immer mußte dadurch die heitere kebensansicht getrübt «erben. Hätte man nun alle Christen zu dieser fittli, chen Strenge verpflichtet geglaubt, wie ) c) d)

Dial. c. Trypli. j. 3—8. p. 161 — 109. Apol. I. j 14. p. 5a. Apol. II. f. 8. p. 94. j. i3. p. 97 Ib. $. 10. p. 95.

e) Apol. I. Z. 5. p. 46 k) ApoL 1. j. 28. p. Gl.

g) lliid. §. ia. p. 5e.

ig8

Geschichte der christlichen Sittenlehre.

wegen seiner Weisheit würdig gewesen, GotteS Sohn zu heißen; er ist aber auf eine ausserordentliche Art von Gott gezeugt h). So wie alle, die vor ihm ver­ nünftig gelebt, Christen, und die unvernünftig gelebt, seine Feinde gewesen i): so ist der Christ von der gött­ lichen Kraft des Logos durchdrungen, welche die Lei­ denschaften und bösen Lüste aus der Seele vertreibt, und Rübe und Heiterkeit in fle einfährt; er folgt ihm als fernem Anführer und Lehrer, wird ans einem sterb­ lichen Menschen ein Unsterblicher und Gott, und geht in die scl'gen Wohnungen des Himmels rin >-). Dieselbe Lehre von der aus Gott gezeugten Ver­ nunft, welche von Anfang der Führer des Menschen­ geschlechts gewesen, durch Mose und die Propheten gewirkt, die heidnischen Weisen erleuchtet, und zuletzt in Christo Mensch geworden, hat Clemens von Alex­ andrien!^ Der Mensch, insofern er eine vernünftige Seele hat, ist das Geschöpf und Ebenbild dos Logos, welcher Gottes Ebenbild ist m-; der Logos ist Nie Sonne des menschlichen Geistes, jedem Menschen, zumal de­ nen, dir sich der Wissenschaften befleißigen, ist ritt göttlicher Funke eingehaucht n); es ist ihm ritt Gesetz angeboren, welches mit Gottes Gesetz eins ist«»); Gott h) Ibid.

§.

22. p. 5;.

i) lb. §. '*6. p. 71. >) Oiaf. ad Grate. $ 5, p. 5. l) Piotrept. p. 7. Paedagog. L,. I. p. i5l sq. i34. Pro* trept. p. ^9. Strom. I. p. .3^9. Protrept. p. 86. m) Piotiept. p. 6. p. 78. Strom. L. II. p. $83. Hieik Wirb

das anqebornc Ebenbild (Tottes unterschieden von der crroeibenen Gottähnltchkett (6uotoo*0, n) Protrept. p. by.

•) Strom. L. I. p. 437.

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

199

liebt allermeist den Menschen alS da- vollkommenste Geschöpf, und der Mensch ließt Gott p): und schon dadurch besteht die Gemeinschaft deS Menschen mit Gott. Diese Gemeinschaft aber wurde erst vollkom« men hergestellt durch die Menschwerdung des SohneGottes, wodurch „bet Mensch lernte, wie er könne Gott gleich werde«" q>. Das Princip der christlichen Sitten, lehre ist also de« Clemens, wie dem Justin»-, die Vol­ lendung der Menschheit zur Gottgleichheit oder die Ein, heit der menschlichen und göttlichen Weisheit in Christo. Origenes hält hierin gleichen Schritt mit sei­ nem Lehrer Clemens. Seine Ansicht von Christo, de« Sohn Gottes, ist ganj sittlich. Der LogoS hat sich mit der Seele Jesu innig vereinigt, weil sie ihn am mei, strn liebte, diese Vereinigung war der Lohn ihrer tu­ gendhaften klebe >)« Dieser Logos ist ihm die Weis­ heit, die Tugend, welche alle Tugend, die Vernunft, welche alle Vernunft umfaßtr und mit ihm hat sich die Seele Christi verbunden, als welcher allein der höch, sien Weisheit, Vernunft und Gerechtigkeit theilhaftig geworden s). Alle Menschen, in sofern sie Vernunft haben, haben Theil am göttlichen Logos, und stehen in Gemeinschaft mit Gottr); in der Vernunft besteht das Ebenbild Gottes, und dieselbe Tugend ist Gottes und der Menschen u); derselbe Logo-, der im Anfang bey Gott war, ist auch in den Menschen v), nur daß die p) Faedag. Lu I. p. l55. Proirept. p. 8. t) De Princ. L. IT. c. 6. (. 5. p. go. Dgl. cfcfn §« 166. e) C. Cels. L. V. 5. 3q. p. 608. t) De princ L. I. c. 5. p. 62. m) C. Cels. L, IV. §. 19. 20. p. 52V.. v) Comment, in Joh. Vol. IV. p fc8.

*oo Geschichte der christlichen Sittenlehre. menschliche Vernunft vor der Menschwerdung des kogos noch unvollkommen wat w), und die Schwachheit der Menschen eines Mittlers bedurfte, welches der Sohn Gottes ist x). Auch hat Gott allen Menschen das Gesetz des Guten und Wahren inS Her; (die Ver­ nunft) gegraben, welches allen geschriebenen Gesetzen der Völker vorzuziehen, und dessen Kenntniß sammt der menschlichen Freyheit diejenigen unentschuldbar macht, welche sündigen y); aber durch die Bosheit der Men, scheu ist dieses Gesetz verdunkelt worden, und es mußte durch Mose und Christus wieder ans Licht gebracht werden z). Don jeher hat Gott für die Besserung der Menschen gesorgt, und stieg im Logos in alle gute See­ len, Propheten und Weise--): und so stimmen freylich die Lehren des Christenthums selbst mit den Aussprü­ chen der griechischen Philosophen überein, und sind als nichts neues zu betrachten bb). Selbst $ er füllt an hat keine andere Ansicht, ob­ gleich er es nicht zu dieser Klatheit und Durchbildung gebracht hat. Ihn» ist das oberste Princip der Sit« tenlehre der Wille Gottes, welcher der Urheber der Wahrheit ist rc). Obgleich er diesen göttlichen Willen nicht seiner innern Güte und Wahrheit, sondern der w) lb. p. 44. к) I)e princ. L. II. c. §. i. p. 8g. }) C. Cels. L. V. f. .3;. p. 6o3. f. 4o. p. 60g. Comment, in ep. ad Rom. p. 480. 5o). Sog. 586.: Lex mcnti* < onvcnit cum lege Dei et consentit ei. llonnl, XX 1J. in Genes, p. 106. ln Joanii. Vol. IV. p. 76 sq. a) C. Cels. L. J. f. 4. j. p. .323 sq. аа) C. Cels, L, IV. §. 5. p. bb) lb. L. 1. §. 4. 5. er) De cult. fern. c. 1. Vol. III. p. 48. De poenit. c. 4. Vol, IV. p. 46. De patient. c. 4. p. 6.

KatholiciSnntS.

Erster Zeitraum.

eoi

göttlichen Majestät wegen, aus Demuth, nicht auS Urberzeugung, befolgt wissen will m, Lt, I. p. 346 sq.

eo4

Geschichte der ck^ristlichen Sittenlehre.

Wissenschaft tiu Gebiete der Erfahrung und des Ver­ standes bleibt.

Clemens versieht aber darunter nur den

christlichen Glauben, der sich auf die Schrift stützet als das Wert Gottes, und er will damit auch eine Er» kenntnlß aus Gründen verbunden wissen, indem er ge­ gen die Basilidianer behauptet, er sey keine Sache der Natur, sondern ein Werk der Freyheit e).

Obgleich

er aber den Glauben für das Höchste halt; so betrach­ tet er doch die Philosophie als nothwendig und nützlich. Sie ist ein göttliches Geschenk, und dient nicht nur zur Vorbereitung auf den Glauben, indem sie das Gemüth von der Sinnlichkeit reinigt und zur Ausfassung der Wahrheit fähig macht, ie übern auch jur Befestigung des Glaubens, indem sie ibn gegen die Angriffe der Zweifler schätzt 0*

Diejenigen, welche von keiner Phi­

losophie wissen wollen, und sich mit dem Glauben be­ gnügen, sind in demselben Irrthum, als wollten sie den Weinstock nicht pflegen, und doch von demselben Trau­ ben lesen.

Der Weinstock ist der H^rr, von welchem

durch Bearbeitung des Bodens und Veschneidung der Reben, welche durch Vernunft geschieht, Früchte ju lesen sind t0.

Was man ebne Vernunft thut, wird

wider die Vernunft gethan h;.

Das Gute, das im

Menschen liegt, wirb durch Bildung entwickelt, durch Bildung gelangt der Mensch ;ur Lugend i).

Freulich

kann die Wahrheit nicht ohne den Sohn Gottes gefun­ den werden, und die Philosophie kann sich nicht selbst «) Ib. L. II. p. 43a s. I. p, 333 $q. p. 556. g) lb. p. 34i. k) ti>. p. 543. i) lb. f. 336.

Katholicismus. Erster Zeitraum.

soz

di« Vollendung geben; sie ist nur eine Nebrnursache oder Nebenqurlle der Wahrheit, nur die Zutost, wäh­ rend der Glaube das Brod ist; aber sie dient zur Auf­ klärung und Befestigung des Glaubens L). Origen e s vertheidigt das Christenthum gegen die Vorwürfe, welche CelsuS aus i Cor. 1. genommen hatte, daß es di» Weisheit verachte, und sich an die Einfältigen und Ungelehrten wende. Cr zeigt, daß der Apostel i* dieser Stelle bloß gegen die falsche aufgeblasene Weis­ heit der Welt rede, und die wahre Weisheit nicht nur gestatte, sondern auch fodere; denn die Bildung sep btt Weg zur Tugend I). Zwar empfehle das Christenthum vielen Menschen, welche zur eigenen Prüfung weder Fähigkeit noch Zeit haben, den einfältigen Glauben, der auch di«' herrlichsten Wirkungen hervorbringe; doch sey zu wünschen, baß alle sich der weltlichen Geschäfte «ntschlügen und sich der Philosophie befleißigten m). Anderwärts unterscheidet er die menschliche und -ött, lichr Weisheit, jene sey Mittel und Weg zu dieser als dem Ziele, diese sey di« feste Speise der Vollkomme­ nen, von welcher der Brief an die Hebräer 5,14. rede n), Tertullian dagegen, wie er schwankender Na­ tur, unklar und ungebildet ist, betrachtet die Phtloso, phte mit argwöhnischen Augen. Da die Ketzer von derselben einen falschen Gebrauch gemacht, so nennt er Ib. p 5;j — 577.

h)

l) C. Ccls. L. III. §. 44« 49» k 476. 4&0' m) Ib. L, I. §. 9. 10. p. 337 sq. Ib. L. VI. c. 12. i3. p. 638 sq. In bet Ep. ad Gregor, Vol. I. p. 3o. nennt et bis Philosophie bte Vorübung j«m

)

l

Obriftcntbvm

so6

Geschichte der christlichen Sittenlehre.

sie Me Mutter aller Ketzereyen o).

Nachdem Chrlstus

erschienen, sey keine Untersuchung mehr nöthig

. und

wenn er die Philosophen nicht widerlegen kann, so

such­

tet er sich hinter den Buchstaben der Schrift, wie i. 53. wenn er die Körperlichkeit der Seele beweißt Anch die Tradition und selbst die Gewohnheit, die er von jener ableitet, muß ihm als Schutzmauer gegen die Spe­ kulation und als Beweismittel dienen; und er giebt ihr ein um so größeres Gewicht, wenn die Autorität der Schrift fehlt r).

Wenn es aber seine Absicht fo-

bert, so muß die Gewohnheit der Wahrheit weichen, und sehr frei)(innig klingt der Ausspruch: Ketzerei) sey, was wider die Wahrheit streite, wenn es auch eine alte Gewohnheit sey e).

Wir haben schon gesehen, daß

er einer freyen Entwickelung des sittlichen kebtns durch die Offenbarungen des Paraclet ($. 162.) Raum gab; aber da er sie mehr von höheren Einwirkungen, Vi­ sionen und Offenbarungen, als vom verständigen Nach­ denken erwartete t): so wurde diese sonst richtige An­ ficht der Deckmantel für die Echwärmerey und die ab­ sprechende Willkühr.

§.

183.

Mit Recht erkannten Alle die Schrift als die Hauptquelle der christlichen Sittenlehre.

Hierbey ha­

ben wir darauf ju achten, in welche- Verhältniß sie 0) De praescript. liaeret. c. 7. Vo). II. p. 8. Adv. Hermögen, c. 8. p. 90. De anima c. 3. Vul. IV. p. 214. p) De praescript. 1, c. p. 10. q) De anim. c. 7. p. 221 sq. r) De corona milit. c. 3. 4. Vol. IV. p. 340 sqq, •) De virgin. vcland. c, 1. Vel. III. p. 2. 1) De idololttr. c. i5. VoJ IV. p. 170. de virgg. vel. c. 17. p. 33.

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

207

daS Alte Testament zum Neuen Testament gefetzt Ha­ len.

Eine gewisse Classe von Gnostikern wollte da- A.

T. nicht als Offenbarung des wahren höchsten Gottes anerkennen, weil der Geist des Jubenthums sich mit dem Geist des Evangelium- nicht zu vertragen schien: sie hielten den im A. T. sich offenbarenden Gott für ein niederes, dem höchsten Gott untergeordnetes We­ sen. Dgl. §. 2oi.

Don dem mythologischen Wahn ab­

gesehen, daß es ausser dem Einen wahren Gott noch andere Götter gebe, hatte diese Ansicht den Fehler, daß sie den historischen Zusammenhang zwischen dem A. und R. T. zerriß, und den Stufengang der göttlichen Of­ fenbarung verkannte, wodurch auf alle die Erweckung und Belehrung Verzicht geleistet wurde, welche aus der historischen Betrachtung des A. T. geschöpft werben kann, und welche ln so reichem Maaße die Apostel dar­ aus schöpfen.

Der gute Geist der katholischen Lehrer

zeigt fich auch in diesem Gegensatze gegen den GnostieismuS, daß sie das A« T. für die Offenbarung des­ selben Gottes, welcher sich durch Christum geoffenbaret hat, und beyde Offenbarungen nicht für widersprechend halten a).

Nun aber zeigen flch bey Vergleichung drS

A. T. mit dem N. T. auf den ersten Blick die wich­ tigsten Verschiedenheiten, auch in Ansehung der Sit­ tenlehre, und eS ist die Frage, wie man diese Verschie­ denheiten ansah, und worin man dir Einheit fand. Diese fand man in den allgemeinen und nothwendigen Gesehen, welche ihre Gewahr in sich selbst tragen, und a) Clemens Strom. L. III. p. 54g. Origen, c. Cels. L. VII. §. 26. p. 712. Homil. in Levit. V. js. 1. p. ao5. De princ. L. II. c. 4. p. 84 sq. Ep. ad Rom. Vol. IVj>. 533. u. 0. St. Iren. adv. Haeies, IV, 9. Ter tu 11. adv. Marc. L. 11. c. 17 — 19.

so8

Geschichte der chrisilichen Sittenlehre.

durch ihre Uebereinstimmung mit dem Gesetz der Na« tut und dem Geist des Evangeliums bestätigt werden. Nach Justin enthalten die Sittengesetze Moses das« Wenige, waS von Natur gut, fromm und gottselig ist, und die sie beobachtet haben, sind selig geworden b). Theophilus sieht sie als allgemeine Gesetze an, die für alle Menschen gelten, so wie sich dergleichen auch Hey bett Propheten und in den Evangelien finden, welche mit demselben übereinstimmen, indem alle von demsel« den Geist eingegeben find c). Clemens findet im Mo­ saischen Gesetz die Regel der Gerechtigkeit rf), den De« ralogus und ähnliche Sittengesetze hält er auch für die Christen verbindend e), vbschon das Gesetz für die Bö­ fen und nicht für die Guten gegeben k), und nicht hin, reichend ist jur Seligkeit g). DaS Gesetz ist von Gort gegeben durch den kogoS, «S ist geistlich, und wird durch den, der rS gegeben, durch den kogoS am besten erklärt h): so baß also Clemens mit Recht das 93er« bindende deS Mosaischen Gesetzes nur nach christlichen Principien bestimmte. Origenes fand im Mosaischen Gesetz das Gesetz der Natur wieder, das jedoch «ehr mit dem Evangelium übereinstimme, weil in diesem al­ les nach der natürlichen Billigkeit bestimmt sey i). WaS aber mit dem Naturgesetz und dem Evangelium über­ einstimme, und also für Christen gelte, das bestimmte Orib) Dial, c. Tryph. f. 45. p. i4i. c) Ad Autolyc. L. III. §. 9 — 12. p. 386 — 583* d) Strom. L. II. p. 420. «) Piedig. L. 111. p. 304. f) Strom. L. IV. p. 567. g) Quis dives salvetur. c. 8. p* 18. cd. Ittig* b) Stiom. L. I. p. 42I. i) Comment m cp. td Rem, Vol. IV. p. 486

Katholicismus. Erster Zeitraum.

sog

Origenes frey nach dem Geiste deS Christenthum-: wer geistlich sey, für den sey das Gesetz geistlich, wer fleisch, lick, für den sey es fleischlich k). Jrenäus (welcher überhaupt beyde Testamente für eins dem Wesen nach und nur der Größe nach für verschieden hielt I), be­ frachtet die jkhen Gebote als die natürlichen Gesetze, dir Gott den Menschen von Anfang eingepflanzt, und ohn? deren Beobachtung keiner selig werden könne m). Christus hat sie nicht aufgehoben, sondern erweitert und c.fällt, indem er nicht bloß böse Handlungen, son­ dern auch böse Gedanken verboten (vgl. Matth. 5.), und har bezeugt, baß er daS Ende und der Zweck des iwd sey n). Tertullian sieht die Gesetze deS sCKcaloguß und andere Sittengcsetze des A. T. als Vor­ schriften deS guten Gottes an o); aber Christus hat dieselben ergänzt x). §. 184Nun aber erkennen Alle einen großen Theil deS s-itlichen GrhaltrS des A. T. für unverträglich mir t■ >n Christenthum, oder doch nicht für verbindend für (£:>ri|Ten. Nach Justin ist die Beschneidung sammt all » Ceremoiüalgesetzrn nicht nothwendig zur Seliatcu, weil sonst die Frommen vor Mose nicht hatten s->-> lig werden können a). Alle diese Gesetze wurden am der Verstocktheit der Juden willen gegeben b), «Bte-

k)

lb. p. 584.

l) Adr, liaeies. L. IV. c. 9, m) L. c. cap. l5. n) lb. c. 12. i3.

o) Adv. Marc. L. II. c. 17. sq. Vol. f y p) De orat. c. 1. V©1. IV. p. 2. a) D1.1I. c. Tr^plu §. 19. 20. p. 118 sqq.

b) lb. c. 21. p. 120.

210

Geschichte der christlichen Sittenlehre.

wohl der im Iudenthnm geborne Christ dieselben be»b» achten, und doch an Christum glauben kann; nur darf man sie den Heiden nicht aufdringen c). Clemens scheint die Opfergesetze (und wohl alle übrige Ritualgesetze» nicht zur Sittenlehre zu ziehen d), erklärt sich aber über den Unterschied derselben nicht genauer. Ire» «äus hält dafür, daß die andern Mosaischen Gesetze, ausser dem DecaloguS, um der Rohheit der JSraeliten und ihres Hangs zur Abgötterey willen gegeben wor, den; Christus hat sie aufgehoben, damit die Menschen Gott einen freyen und kindlichen Gehorsam leisteten e). Nach Tertullian ist das A. T. im N. T. theils ver­ ändert, wie die Beschneidung, theils ergänzt, wie das übrige Gesetz, theils erfüllt, wie die Weissagungen, theils vollendet, wie der Glaube selbst 0. WaS er von der Beschneidung sagt, gilt wahrscheinlich von allen Ritualzesetzen, in denen Tertullian, wie auch die an­ dern Kirchenlehrer, eine geheime Vorbedeutung auf Chri­ stum und christliche Dinge fand g). Nach Irrnäus deutet die leibliche Beschneidung die geistliche an, die Opfer beuten das wahre Opfer, nämlich Glauben, Ge­ horsam, Rechtschaffenheit an h), und ähnliches sagt Justin!). OrigeneS greift hier am meisten, durch, indem er den Grundsatz feststellt, daß alle Gesetze und Geschichten, welche, buchstäblich verstanden, unpassend c) lb.

46. 47. p, 1-tl sq.

d) Strom. L. I. p 42 j.

c) Adv Haer. L. IV. c, i3. Acdnlich Consritutt. Apuat, L. J. c. C. f) De or.il. c. 1. Vol. IV- p 2. g) Adr. Marc. L. II. c iq p. 97. h) Adv. Ilaer. L. IV. c. 10. 17 i) Dial, c. Tryph, § -io—41. p. 1Z7 sqq.

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

211

Und widersinnig ftnb, die reibet die Natur de>r Dinge und die Wahrheit der Religion streiten X), obe r unser» nirnftig und unmöglich sind 1), geistlich >.a!!c gotisch) müs­ sen verstanden werden. Daß Gesetze, nie das vierte Gebot, buchstäblich zu nehmen seyn, leide keinen Zwei­ fel; bey andern aber müsse man tuten geistlichen Sinn suchen m). Da- Mosaische Gesetz stimme mit dem Na, turgesetz nur dem Geiste nach überein, tvad daher in demselben wider diese- streite, müsse geistlich erklärt werden n). Cs giebt ein doppeltes Gesetz, ein buch­ stäbliches und ein geistliches, »ene- tobtet, dieses ma­ chet lebendig »). Der Jude in« Fleisch versteht bas Gesetz fleischlich, der Jude im Geist aber (der Christ) geistlich p). Auf diese Weise erklärte Orige,ies die Mo­ saischen Ritualgefetze q), und glaubte ihnen nur dadurch einen Vorzug als göttlicher Gesetze vor den menschli­ chen anderer Völker zu sichern r). Wenn er nun diese geistliche Auslegung so geübt hatte, daß er in den alttestamentlichen Einrichtungen und Geschichten den in­ nern flttlichen Geist von der äusser» politisch-geschicht­ lichen Gestaltung unterschieben hatte: so wäre nichts dagegen zu sagen. Es ist allerdings richtig, waö er sagt, daß, so wir der Mensch auS l'cib und Geist de1) llomil. IV. in Levit. $. Vol. II. p. 20 l) De princ. L. IV. c. 17. rZ. p. 178 sq. m) De princ. L. IV. c. i9* p. 180 sq.

n) Comment, in Ep. ad Rom. Vol. IV. p. t) C. Gels. L» VII. c. 20. p. 70S. Dgl. ül-rr tu Schriftcr klärunß des C t ig(n e5 überhaupt H11 i 1 On^mau L. II. c. 2. quaest, i3. p. 241. p) Homil. in Levit. V. §. 1. p. 2/. «.) S. die HomLlien Über den Lemmas. y) Homil. in Leva, VH. § p. 2L. 0 2

2i2

Geschichte der christlichen Sittenlehre.

sieht, auch in der Schrift der Geist von der leiblichen Hülle ju sondern ist.

Aber schwankend ist hier schon

der von ihm gemachte Unterschied der Seele und des derselben entsprechenden sittlichen Sinnes, und des Geisies und des demselben entsprechenden geistlichen Sin­ nes.

Richtig gefaßt wäre der geistliche Sinn die Idee,

der sittliche die geschichtliche Erscheinung derselben, und der leiblich« oder buchstäbliche das erfahrungsmäßige Aeußerliche darin.

Aber auch den sittlichen Sinn reißt

er von der Geschichte los, und die Auffassung dessel ben ist nichts

als eine willkührliche sittliche Betrach­

tung $um Nutzen und Frommen des Betrachters. Auch läßt er nicht immer das Buchstäbliche und Geistliche in und durch einander bestehen, sondern, wenn ihm ic, nes anstößig ist, so verwandelt er es ganz In den ihm gefälligen geistlichen Sinn, und dringt diesen selbst dem Gesetzgeber auf, wie z.

wenn er gegen Cclsus

behauptet, die Ausspräche: Du wirst vielen Völkern leihen und von niemanden borgen (5 Mos. 28,

12.,

du wirst über viele Völker herrschen und «brr dich wird niemand herrschen (5 Mos. 15, 6.,), seyen im Sinne Moses von geistlichem Reichthum und geistlicher Herr­ schaft ju verstehen «).

Nachher muß er aber doch zu,

gestehen, daß die Juden wirklich eine weltliche Herr, fchast gehabt und behauptet haben, und daß sie, wenn sie als Nation nicht untergehen wollten, nothwendiger Weise ihre Gesetze buchstäblich

befolgen mußten;

er,

kennt also den politischen Charakter des Judrnthums »nd dessen naturgemäße Nothwendigkeit an t).

s) C. Cels. L. VII. p, ’jO'j. 1) Ib. c, 26, p. 713.

War»

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

215

um scheidet er nun nicht gleich das für die Jude« und ihre Verfassung Gültige von dem, was für Christen gilt? Richtig sagt er, Gott habe die jüdische Verfas­ sung müssen untergehen lassen, damit daS Christenthum mit feiner geistlichen Gesetzgebung Platz gewinnen könne: hierin lag die ganze Rechtfertigung, dir er suchte. Fol, gewidrig handelt er auch, wenn er dasjenige, waS von den Ritualgefetzcn allgeiminr Gültigkeit haben soll, nicht aus der Natur der Sache, nach der Regel des Gei­ stes, bestimmt, sondern dafür geheime Andeutungen im Auedruck des Gesetzes, also im Buchstaben sucht, wie er cs z. D. mit dem Verbot des Dlutessens macht u). Auch andere Lehrer, wie Irenaus, erklären alttestamenkliche Geschichten, die ihnen anstößig scheinen, alle, gorisch als Vorbilder. So willkährlich dieß Verfah­ ren ist, so schätzte r6 doch die Freyheit des Geistegewissermaßen, und es gereicht in dieser Hinsicht de» Origcnes zum Lobe, daß er darin am freyesten ver­ fährt, während Jrenäus noch mehr am Buchstaben hangt. Er stillt den Grundsatz auf, daß wir Hand­ lungen der Patriarchen und Propheten, welche die Schrift tadelt, allerdings auch tadeln müssen, ohne sie ihnen vorzuwerfen, indem wir Gott zu danken haben, daß ihnen durch die Ankunft des Herrn ihre Sünden ver» geben sind; daß hingegen Handlungen, welche die Schrift erzählt, ohne sie zu tadeln, von uns auch nicht geta delt, sondern vorbildlich erklärt werden müssen. Denn wir sind nicht weiser als Gott und dürfen unS nicht über unfern Herrn erheben wollen. Nichts ist von dem.

2>4

Geschichte der christliche,» Sittenlehre.

was in der Schrift ohne Tadel erzählt ist, überflüßlg v). So erklärt er die Dlurfchande Lots mit seinen Töch­ ter» als Vorbild der beyden Kirchen, brr jüdischen und christlichen, und entschuldigt sowohl die Handlung des Vaters als der Töchter. Origenes giebt eine ähnliche Elklärung, ohne doch die Trunkenheit des Lot zu ent­ schuldigen -w). Eben so lax ist die Beurtheilung, welche IrenauS von dem Raube giebt, den die Israeliten an den Aegyptern verübten, indem sie deren kostbare Eefäsie mitnahmen, die'sie im guten Zutrauen von ihnen geliehen erhalten hatten. Er sinder darin eine gerechte Entschädigung des sauren Dienstes, den sie Ihren Fein­ den geleistet hatten x). Ob nun gleich hierin etwas Wahres liegt, so hatte er doch anerkennen müssen, daß es eine gewaltthätig« und eigenmächtige Art brr Ent­ schädigung war. Auf ähnliche Weise urtheilt Ter« tullian über diese Cache y). Dahin führte die An­ hänglichkeit an den Buchstaben und der Mangel einer freyen geschichtlichen Ansicht, welche das Wesen von der Erscheinnng trennen lehrt. §. 185.

Auch das N. T. erklärte OrlgeneS allegorisch, und untergrub zum Theil den historischen (Sinn, Zum Theil ist seine alleqorischr Erklärung nichts weiter als dir tropische, mithin selbst wieder grammatisch, wie v) A«lv, Ilacrcs, IV, 3i. y\) Homil. V in Genes. p. 73 ff.

Dgl. c. Gels. L, IV,

c- A p. 358 t wo er bje Lehre der stoischen Philosophie, datz d«e Geschlechrsvernuschungen gleichgültige Vwge seyn, zur Vvtherdigung braucht. *) Adv. Uaeres, IV, 3o,

>) Adv« Marc, II,

30,

p, loo,

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

215

z.D. in Ansehung bet Gebote, niemanden auf der Straße ju grüßen, bad rechte Auge, daS einen ärgert, auszureißea, den luikcn Backen darzureichen, wenn man auf den rechten einen Schlag erhalten a). Aber die Un­ sicherheit seiner Regel zeigt sich in der Beurtheilung der Vorschrift des Apostels, nicht die Vorhaut über­ zuziehen (1 Cor. 7, ig.), die er nicht buchstäblich teil verstanden wissen, weil der Apostel sie nur beyläufig gebe, well nichts dagegen spreche, daß jemand des An­ stands wegen die Vorhaut überziehe, endlich weil die 0ad)e unausführbar sey (!) b). Noch auffallender und verderblicher zeigt sich seine Willkühr, wenn er die Ge­ schichte von der Austreibung der Käufer und Verkäu­ fer allegorisch auslegt und die geschichtliche Thatsache bezweifelt, weil sie »hm anstößig und unglaublich ver­ kommt c).

II.

WeisheitSlehre.

$. i$6. Die Idee der Menschenbestimmung oder Men­ schenvollendung haben die Kirchenlehrer im Logos oder Schn Gottes aufgefaßit, nach dessen Bilde der Mensch umgestaltet, von dessen Kraft er durchdrungen werden soll, wie wir dieß schon gefunden haben a). Es ist aber der Mühe werth, diese Idee weiter zu verfol­ gen, und in Beziehung auf die menschliche Natur auf­ zufassen. Wir haben gesehen, daß die Kirchenväter aj De princ, L. IV. c. 18. p. 177 sq. I) Ibid. c) Comment, in Joli. p. lSd sq. * Justin. Orat. ad Cracc. §. 3, p. *>. * u.

C.

Sl

$x6

Geschichte der ehristiicheu ^iktet.ioyre.

eine Anlage zur Gottahnlichkeit im Menschen anneh­ men, das Ebenbild Gottes oder des Logos: die Ent­ wickelung und Vollendung dieser Anlage ist ihnen die siul'che Bestimmung des Menschen. Das Ebenbild Gottes id-AMv), lehrt Clemens, hat der Mensch brl der Schöpfung empfangen, die Achnlichlcit mit Gott aber o/wo,,-) soll er durch Vervollkommnung erwer­ ben. Diese Eottähnllchkeit aber setzt er nad) Plato in die Gerechtigkeit, Heiligkeit und Klugheit l>). Das Ziel des Christen ist unendlich; er soll beu Geboten Gottes folgen, und nach denselben durch die Kenntniß des Willens Gottes tadellos und weise leben; er soll der wahren Vernunft ähnlich werden, und durch den Sohn zur vollkommenen Kindschaft gelangen o, wo­ durch ihm als höchster Lohn die Ruhr werden wird 6). Der Gnostiker (Weise) ist dem Clemens derjenige, der diese Gotlahnllchkeit, so viel als möglich, erstrebt, nichts unterlaßt, was daj» führen kann, enthaltsam, gedul­ dig, gerecht lebt, die Leidensckjaften beherrscht, von sei­ ner Habe mittheilt, und nach Kräften wohlthut mit Wort und That c-i. Der Weg zu dieser Vergottung ist uns durch den Lrgos gezeigt, von dem wir gelernt haben, wie der Mensch Gott gleich werden könne f). Er macht durch seine göttliche Lehre aus den Men­ schen Götter-;). Clemens liebte den Ausdruck, daß der Mensch durch Tugend und Gottesfurcht nicht allein b) buom. L. II. p. 499. Bill. §. 191. Not. m. c) I bul. p. j'io.

d) Ibid. p. ")0i. Paedag. p. iso. e) Siiom. L. II. p. f8o.

f) Proticpt

p. 7. vgl. eben Ibid. p. SS sq.

§.

181. Not. g.

Katholicismus.

Ernster Zeitraum.

217

Gott ähnlich, sondern ein Gott werde. „Derjenige, wacher Christo gehorcht, ist ein im Fleische wandelnt>n Gott" k >. Aber eben dadurch wird er erst Mensch; wer Gott dienet, dienet sich selbst, und durch die Rei­ nigung seiner selbst gelangt er zum Anschauen Gottes 0» Diese Idee der Menschenbesiimmung hat Iren Lu­ der Hauptsache nach ebenfalls. Ihm ist sie auch die GorrahnUchkeit, oder die göttliche Vollkommenheit. Gott hat den Menschen nicht vollkommen geschaffen aber nicht auS Ohnmacht, sondern weil der Mensch als Geschöpf (fncius) nothwendig geringer als der Schöp­ fer (mfcctns) seyn mußte, und deßwegen auch nicht der görtlichen Vollkommenheit fähig war, daher auch der Logos nicht so erschien, wie er war, sondern wie ihn die Menschen fassen konnten. Gott aber gab dem Menschen vermöge feiner Güte die Fähigkeit, durch ein ewiges Zunehmen an Vollkommenheit der Gottähn­ lichkeit und göttlichen Herrlichkeit in der Unsterblich­ keit theilhaftig ju werben. Diese Stufenfolge hat Gott geordnet, daß der Mensch erst entstand, bann junahm, dann erstarkte, dann verklärt ward, und verklärt zum Anschauen Gottes gelangte. Erst mußte die Natur er­ scheinen, dann das Sterbliche vom Unsterblichen ver­ schlungen werden, und endlich der Mensch Gottähnlichkeit erlangen. Und dieses geschieht durch den Willen und das Gebot des Vaters, die bildende Kraft des Soh­ nes und die nährende und stärkende Gemeinschaft des Geistes k). Der Mensch ist Gottes Sohn nach der NaL) Strom. VII. p. 761.

Mehrere ähnliche Stellen hat Petr

ter p. 88. gesammelt, i) L. IV. p. 033. k) Adv. Haeres. L. IV. c. 38.

siß

Geschichte -er christlichen Sittcnlrhre.

tut, die ihm anerfchaffen ist, er fr fl aber Gottes Sohn im sittlichen Sinne werden durch Gehorsam I). Ge­ horsam führt zar ewigen Ruhe und zur Seligkeit, welche wir der Eottahnlichkrit eins ist m). Gott hat dem Mensche» die Eilenntniß des Guten und Bösen und die Freyheit zwischen beydem zu Wahlen gegeben; durch Freyheit soll er nun biß Gute, welches der Ge­ horsam gegen Gott ist, Wahlen. Der Mensch soll erst Mensch seyn, die Ordnung des Menschen bewahren, und dann an der Herrlichkeit Gottes Theil nehmen »). Cuni) dem Tertull ian dürfen wir dieselbe 'Ansicht beylegen, obschon sie den ihm nicht ausgebildet ist. Der Mensch ist nach dem Ebenbild Gottes, d. h. mit Freyheit geschaffen «), und in der Taufe wird dieses Ebenbild wiederhergestellt, indem der Mensch den Geist Gottes wieder rnipfa«gt, den er durch die Sünde ver­ loren hatte p). Ter tull ian halt also auch die Gott«chnlichkeir für die Bestimmung des Menschen, ja er sagt, dast wir Götter werden können, wenn wir es verdienen, indem wir etwas Göttliches an unL haben«;). Origenes Ideen von dcr Bestimmung des Men­ schen und besten sittlicher Vollendung hangen genau zusammen mit seinen Ideen von dein llrfruingc und Wesen der menschlichen Seele. Der bessere Theil derstlben ist nach Gottes Ebenbild geschaffen, und diesem J) Ib. c. 41. iv) Ibid. c. 39. 11) Ibid. o) Adv. Marc. L. II. c. 5. X*A I p. 69. p) De baptism. c. 3. Vol. IV. p. »t)i. q) Adv. IIermo£. c. 3. Y#l. IV. p. 8'\

Katholicismus. Erster Zeitraum.

2IK

ifjrtn ursprünglichen Wesen nach war sie rein und gut; weil sie aber da» Vermögen der Freyheit hatte, fi> konnt-« sie sündigen, und alle Seelen bis auf eine, die Seele Christi, habm gesündigt, und sind zur Strafe cder iwegen ihrer Liebe zu den sichtbaren Dingen in die irdische Natur der Dinge verstoßen worden. Hier haben sie nicht nur irdische Luder angenommen, son­ dern auch eine irdische Seele, welche der Materie be­ st rundet ist, und zwischen Geist und Leib mitten inne Hebt a;. So wie nun die Sielen gefallen sind, indem sic der Vernunft, die sie in sich tragen, zuwider han, teilen und die Nachahmung Gottes unterließen bj: so ist nach ihrem Fall ein Widerstreit in ihnen zwischen teilt vernünftigen Triebe, der auf das Gute gerichtet ist, und teilt sinnlichen Triebe (rravraoia), welcher die Quelle der Degierden ist c). Auch sind sie der Erre­ gung von aussen ausgesetzt, welche zu guten und bö­ sen Handlungen antreibt. Das ist der Kampf des Gei­ stes und Fleisches d), in welcher die Vernunft frey ist und keiner Gewalt zu unterliegen braucht, ohne daß sie es will e). Das Gute besteht in dem freyen Ent­ schluß nach der Regel der Vernunft, das Böse in der freyen Abweichung davon. Das Böse liegt nicht in der Materie oder Sinnlichkeit, sondern in dem Willen f). Der Teufel ist eben so wenig Ursache des Gea) De pnnc, L. II. c. 8. p. d) Comment, in Cp. e) De pnnc, 1. c, p.

c. g.

6, p, gg. c, ie. $, 7. p, ltü.

Vgl. L. 1. c, 5. p. 63. p ng ul H um. p. 535 599. ho

k) Ct Gels. L. IV* c. 06. p. jf>3 s), wobey er aber wieder das Ange­ nehme mit dem Gurrn verwechselt, denn die Seligkeit ist dag höchste Gut. Dem Christen ist der Genuß nicht Zweck, er lebt nicht, um zu genießen, sondern genießt, um zu leben c). Nicht aus Furcht vor der Strafe, noch um der Verheißung einer Gabe willen, sondern rein um deS Guten willen muß der Mensch das Wort des Heils ergreifen «1 >. Die Wurzes alles Guten im Christen ist der Glaube, und ihm so nothwendig als der kebensathem. Mit ihm ist die Liebe und die Er­ kenntniß und alle Tugenden e\ Die Kenntniß Gottes ist der Grund des Lebens, Unkenntniß desselben der Tod. Das oberste Gebot ist die Liebe Gottes, und. a) Strom. L. IV. p. 5*> 1>)

Ibid. p. G26.

c) Paedag. L. II. p. i63. ). Die Quelle und der Gipfel aller Sittlichkeit ist nach QrigeneS die Rechtgläublgkrlt. Da ihm die Sittlichkeit in der Reinheit des Herzens bestand, so wußte er zu dieser Reinheit auch die Reinheit vom fal­ schen Glauben rechnen; und er hielt eS für schlimmer, von der Wahrheit im Glauben abzuweichen, als in der That zu irren. Dtejenigen, welche von den Hauptleh, ren der Kirche, von Go't und Christo abgefallen, beur­ theilt er härter, als Andere, welche nur in etwas von der Regel der Wahrheit abgewichen k). Da der Glaube der Ketzer falsch sey, so sey auch ihre Tugend Sünde, »ttl alles, was nicht aus dem Glauben kommt, Sünde sey I). So wahr hierin der Grundgedanke ist, dag nämlich alle wahre Sittlichkeit aus dem Glauben kommt; so unterscheidet Origenes doch nicht den Glauben von der verständigen Reflexion darüber, welch« irrig seyn g) Comment, in #p ad Rom. p. 5o7. h) Comment, in Matth, p. 609. i) ln Matth. Cummrnt. sertes p. 881 X) lb p. 852. 1) Gemment, in ep. ad Rom. p. C70

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

127

kau«, «ährend jener noch gesund ist, und er schied nicht genug die Frömmigkeit alS Pflicht gegen Gott und alS Pflicht gegen die Kirche; denn die Kirchen­ lehre ist ihm hierbey offenbar die Regel derWahrheit m). Dem System von der Praexistenj der Seele in­ folge sollte man erwarten, daß OrigeneS die sittliche Vollkommenheit in die Strenge gegen daS Fleisch und den Haß der Welt setzen würde; aber davor bewahrte ihn der gesunde Gedanke, daß die Sünde nicht im Fleisch liege. In seiner Jugend batte er sich zwar entmannt, um den Versuchungen oder Derläumbungen zu entge­ hen, welche ihm der Umgang mit dem andern Geschlecht in seinem Lehrberuf bringen konnte, nach dem mißver­ standenen Ausspruch Jesu: „ES giebt Verschnittene, welche sich selbst verschneiden um de- Himmelreichwillen"; aber späterhin hat er diese buchstäbliche Aus­ legung bestimmt verworfen, und erklärt die Stelle rich, tlg von der Ausrottung der Begierden mittelst deLogo-, da- Selbstentmannen aber mißbilligt er aus dem richtigen Grunde, daß «er zu diesem Mittel seine Zuflucht nehme, die Kraft der Enthaltsamkeit verken­ ne »); so wie er e- auch für eine unvollkommene Art der Enthaltsamkeit erkennt, daß ein Hoherpriester der Athrnienser die ZrugungStheile mit Schierlingssaft zu bestreichen pflegte, um zum Opfer geschickt zu siyn o). Bey der Au-legun- der Stellt von dem reichen Jüng­ ling fragt er: wie man durch da- Verkaufen der Habe Vollkommenheit erlangen könne, da da- Entbehren dem — — sicut evangelium docet, ccrtissime credunt er

omnii, quaecumque feruntur in coclesiit. *1) Comment, in Matth, p. 0)2 sqq. o) C. Cell. L VII. c. 48 p. 729.

3*8

Geschichte der christlichen Sittenlehre.

Reichthums «och nicht die Bezähmung des Jähzorns, Gelassenheit, Sorg - und Furchtlosigkeit, Reinheit von Wollust und allen Begierden und himmlische Weisheit mittheile, worin allein die Vollkommenheit bestehe p)? Ec empfiehlt auch Hiebey keineswegs eine solche freywillige Armuth, wie sie späterhin die Mönche zu üben pflegten, sondern versteht die Stelle von der Güterge­ meinschaft und Mittheilung an die Armen, ob er gleich allerdings glaubt, daß das Weggeben des Reichthums an die Armen und die damit verbundene Losmachung von den irdischen Angelegenheiten, unter Mitwirkung der Gebete der Armen und mit Gottes Hälfe, nach und nach zur Vollkommenheit, d.h. zur Reinheit des Gemüths von Leidenschaften, führen könne q). Er schätzt in der Thut die Enthaltsamkeit von irdischen Genüs­ sen, wenn sie in der Gesinnung mit Freyheit geübt wird, sehr hoch, so wie er selbst das Leben eines As­ keten führte; er lobt diejenigen Christen, die aller Un­ reinigkeit und Unzucht, allen unkeuschen und fleischli­ chen Lüsten so weit abgesagt haben, daß sie wie wahre Priester des Herrn, die von keiner Gemeinschaft mit dem andern Geschlechte wissen, nicht nur die That selbst fliehen, sondern auch ihre Seelen ganz rein und unbe­ fleckt erhalten r); und er findet darin eine der göttli­ chen Wirkungen des Christenthums, daß seine Beken­ ner nicht nur billiger, ernsthafter, beständiger und tu­ gendhafter geworden, sondern etliche auch sich frcywillig der erlaubten Wollust, die man in der Ehe genießt, p) Comm. in Matth, p, 674. q) Ib. p. 676. 6"8. 1) C. Gels. 1. c.

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

229

begeben, theils aus Liebe zu einer mehr als gemeinen Zucht und Reinigkeit, theils darum, damit sie des Got­ tesdienstes mit einer desto größer» Unschuld und Hei­ ligkeit warten möchten s). Er mag allerdings das uneheliche Leben zu hoch geachtet haben, denn ob er gleich die rechtmäßige Ehe für unsündlich hält t), so findet er doch selbst im ehelichen Beyschlaf etwas Un­ reines u); nach der Stelle 1 Cor. 7, 25. zahlt er die Bewahrung der Jungfrauschaft geradezu zur Vollkom­ menheit v), und die zweyte Ehe halt er eines Christen nicht ganz würdig w). Aber bey ihm haben alle der­ gleichen Ansichten noch die Frische und Lebendigkeit der Begeisterung, weßwegen man die Richtung ans das Uebertriebene und Einseitige gern übersieht; und be­ sonders gereicht ihm dabey zum Lobe, daß er bey al­ lem diesem auf die Gesinnung dringt, wodurch alle Un­ lauterkeit entfernt wird. Dasselbe gilt vom Martyrertode, den Origenes sehr nachdrücklich empfiehlt und als die Vollendung der christlichem Lugend ansteht. Er glaubt, daß der Mär­ tyrer von Gott reichlich belohnt werde, weil er mit Verachtung seines irdischen Lebens Gott von ganzer Seele liebex), und jemehr dabey Entsagung geübt 5) C. Gels, L, I. c. 26. p. 345. t) Homil. VI. in Num, p. 288. u) Ir iiolvo\uoi rco)q ovtojv ymI txY.ad-ccQö frt rin tojv xgafitmp oxpQQSvaloiq. Comment, in Matth, p. 827. Nec tarnen tem­

pore illo, quo conjugales actus geruntur, praesentia Spi­ ritus dabitur, etiamsi propheta esse vidcatur, qui of­ ficio generationis obsequitur. Homil. VI. in Num. p.283. v) Comment, in ep. ad Rom. p. 5oy. w) Homil. XIX. in Jerem. p. 267. Homil. XVII. in Lue. p. 9-53. x) Exhortat. ad Martyr. §. 2. p. 27s. §. 4* p. 276.

*3°

Geschichte der christliche» Citteulehre.

werde, desto größer sey das Verdienst)). Der Märty ertod ist ihm das beste Mittel, jur Gemeinschaft mit G.'tt ju gelangen, indem sich die Se«le vom Körper ablöse, der sie niederdrücke z); durch denselben werde der Mersch erhöhet, mehr erhöhet, als wenn er bloß gerecht sey, indem (Sott dadurch verklärt werde aa). Er betrachtete den Maityrertod als einen Sieg über die bösen Geister, deren Macht dadurch gebrochen wer­ de i'b . Er hielt ihn für versöhnend; so wie durch die Wassertaufe Vergebung für die begangenen 6un> den erlangt werde, so tilge die Blutläuse auch die jukünftigen Sünden; fleckenlos und der Macht des Teu­ fels unerreichbar erhebe sich die Seele des Märtyrers empor ju dem himmlischen Altar, wo der Hohepriester Christus ist; die Märtyrer beten um Vergebung der Sünden für Andere, denn der wahre Märtyrer sey der unbefleckte Priester cc). .Darin ist wohl viel Uebertriebenes oder wenigstens konnte es leicht jum Uebermaaß gedeutet werden: aber Origenes hatte auch eine sehr reine und hohe Vorstellung vom Märtyrerthum, und sah dabey weniger auf die äussere That, als auf die darin erprobte Gesinnung. Der wahre Märtyrer soll sich während der ganzen Zeit der Verfolgung rein er­ halten von allen bösen Gedanken der Ableugnung und deS Zweifels, womit ihn der Teufel |n beflecken sucht, y) lt>. § I *>. p. 285 sq. 2) IS. . l7 p. 507. a*) lb. s. 5o p. 5og. bb) C. ClIs. L. VIII. c. 44. p. 774. Comment, in Joann. p. 1 >3 cc) Exhort, ad toart. $. 3o. p. 29Z. Homil. VII. in Jud

r

*73.

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

251

er sott Alles erfragen, sowohl den Schimpf und Spott, als aucd das Mitleid der Widersacher; er soll sich nicht von der Liebe der Gattin und Kinder ober irgend de­ rer, «eiche ihm am liebsten sind, abziehen lasse», nicht dem irdische:« Besitz und dem Leben anhangen, sondern von Allem abgewandt, ganz Gott und dem Leben, wel­ ches mit und bey ihm ist, ergeben, nach der Bereini­ gung mit dem Sohne Gottes und denen, die an ih« Theil haben, trachten ;. Die Keuschheit nennt er die schönste Tugend, die Grund­ lage der Heiligkeit?); und ob er gleich die Ehe für rtne göttliche Einrichtung und für nothwendig zur Fort­ pflanzung des Menschengeschlechts hält q), so ist ihm ch die mit de« ehelichen Beyschlaf verbundene Wol-htl etwas Unreines und Sündhaftes r); er betrachtet die Ehe nach i Cor. 7. als etwas bloß Erlaubtes, das drsscr sey, als Brunstleiden, aber nicht in sich selber gut n); keusche Ehelosigkeit empfiehlt er daher als den höchsten Grad von Heiligkeit t) und als einen Chiliar 1») De anima c. 16. p. 240.

o) lb. c. P 2q8. p) De pudic. c. 1. p. 5**4 : Pudicitia Ros morum, Jionar coiporum, dccur sexuiim, integntas sanguini% fides generis, fundamentum sanclitatii, piaeiudicium omnis benae mentis. c|) Ad tixoiem L. I. c. 2. p. 74. de anima c. 27. p. £70: Natura veneranda, non eruüescenda est. Cunctibvum kibido, non conditio foedavit. Excessus, non Status est impudicus. Si quidem benedietns Status apudDrum etr. r) De exhortat. ad cast. c. 9. p. i2j : Et mainmuniuni et •tuprum commixtio caiwis------- Ergo, inquis, iam er jprimas id est unas nuptias destruis7 i;cc inmieiito: q uoniam et ipsae ex eo constant qued est stuprum. SJet) Optimum est homini inulieicm non attingfie rt itlco principalis sanctitas, ejuia caiet stupii affin ha i< . a) Ad ujroicm L. I. c. 3. p. 76. t) lb. c. 4. p. 78 xq.: AdJiibe soroiuni nostrartim exempl a, qiiarum nomina peues Dominum , — — quae m< •itii sanctitatcm anteponunt; roalwnt enim Deo nuber*

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

855

Ihn, der das nahe Ende der Welt erwartete, künw merke es ihn wenig, wenn auch das Menschengeschlecht ausu irbe u). Unbedingt verwirft er die zweyte Ehe v), und di? Erlaubniß deS Apostels berichtigt er durch die höycreu Einsichten, die er seinem Parakltt verdankt w). Dazu war er in Ansehung der Sittenjucht kleinlich und pedantisch Er eifert gegen den weiblichen Putz mit einer dünnen Strenge, die sich an Aeusserlichkeiten dangt und den Haß gegen die Cceatur zur Quelle hat x). Er bringt auf die Verschleierung der Jungfrauen, welche ln Carchago nicht üblich war, als auf etwas zur christ, Uchen Sitte nothwendig Gehöriges, und braucht alle mögliche Cpitzfändigkritrn, um daS, was angeblich der Paraklet geeffenbarer, zu bekräftigen y). Eben so klein­ lich streng ist er in Ansehung deS Fastens, welches er ebenfalls für nothwendig hält, und daS er gegen die klaren AuSfprüche der Schrift und gegen die freysinnigrre Ansicht mancher Christen, die er sinnliche Men­ schen (Psychicos) schilt, durch gezwungene Erkiärui»!> gen und weit hergeholte Beweisgründe vertheidigt Deo speciosae, Deo sunt puellae etc. Sic aeterniun sibi bonum domini occupaveriint, ac iam in terris, nott nubendo, de farailia angelica deputantur. e) Ibid. c. 5. p. So sq. Nam quid gesü.imus liberos gorere, quos cu-m liabemus praemitiere optamus respeetu scilicet imminentitim angustiaruan, ctipidi et ipsi ini^ quissimo isto seculo eximi et recipi ad dominum. v) De monogamia. De exhort, castit. an mehrern CtcQltl. w) De monogamia c. i4. p. iG5: Regnavit duiitia cordis usque ad Cliristum: regnaveiit et in/irmitaa carnis us» que ad Paracletum. Nova lex abstulit lcpudium. Nova pi Ophelia secundum mainmonium, non minus repudium puoiis. x) De habitu muliebri. De cultu. Gmunarum. y) De virg^. velandis. l) De jejutio adv. Psychicos.

sz6

Geschichte der christlichen Sittenlehre.

Er schreibt dem Fasten ausserordentliche Wirkungen zu; es ändere die Natur, mache zur Gemeinschaft mit Gott geschickt, wende Gefahren ab, lösche Verbrechen aus, »erschaffe Kenntniß der göttlichen Geheimnisse aa). Na­ türlich, daß Tertullian den Märtyrertod nicht bloß für sehr verdienstlich hält, sondern ihn auch mit Strenge federt. Er schätzt ihn vorzüglich darum so hoch, weil er der Abgötterey widerstrebe bb), und halt ihn für das beste Mittel der Sündenvergebung nach der Taufe ec), wiewohl der Märtyrer Andern keine Sünden vergeben kann dd). Die Flucht in der Verfolgung verwarf er unbedingt, und schrankte die biblischen Aussprüche und Beyspiele, welche sie rathen, auf die Zeit Jesu und der Apostel ein ec), wiewohl er anderwärts die flucht für besser hält als die Ablrugnung lf). $. iyi. In der Ansicht, daß die Enthaltung von sinnli­ chem Genuß, besonders von der Befriedigung des Ge# schlechtstri'ebes, zur höheren sittlichen Vollkommenheit gehöre, stimmen die meisten andern Kirchenlehrer über­ ein. Im Hirten des Hermas wird schon der Wunsch, ein schönrö Mädchen zum Weibe zu haben, für Sünde erklärt ai, dagegen für sehr verdienstlich, wenn man an) Ih. c. fi. p. 4qq $m. L. IV. p. e) Ilomil. in Levit. XV. p. 2u p) De poerutem. c, g. p. ',g sq. q) De lapsis p. 1J7. Ep. 5l„ p. 6k t) Stiem. L. II. p. 45g.

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

-55

lich, well Gott feine Seele böse erschaffen, weil der Mensch alles könne, was er wolle, und wenn es einem schwer falle, sich ju bessern, die Schuld davon in fei* item Willen liege s); er nahm aber doch Todsünden an, wozu er die Lästerung des Glaubens rechnet, für welche nur eine einmalige Buße Statt finde, während Sän ' den in Worten und Thaten Immer wieder durch Buße gut gemacht werben können t). Tertullian ließ auch die zweyte Buße, wiewohl ungern, zu, und stellte die­ selbe als eine unverdiente Gnade Gottes vor, die man nicht mißbrauchen dürfe, um in Hoffnung darauf zu fündigen u). Der Uebergang;u:n Montanismuck machte ihn aber späterhin strenger, so daß er gewisse grobe Sünden, z. B. Ehebruch und Hurerey, als unerläß­ lich ansah, welche nicht durch Buße, sondern nur durch Strafen getilgt würden, während andere erlaßlich seyen, und durch Züchtigung Verzeihung erhalten könnten v). Jedoch will er nicht von der für die ersteren zu lei> stenden Buße abschrecken, indem sie zwar nicht di» Kirche, aber vielleicht Gott vergeben könne, und mar. daher die Buße nicht vergeblich übernehme w). §. 198. In dieser Zurechnungslehre sind zwey Irrthümer offenbar, in die man entweder schon verfallen war, oder welche doch sehr nahe lagen. Der erste ist, daß der Glaube als erste und oberste Bedingung der Sünden­ vergebung in Schatten gestellt, und dadurch die Wert$) C. Ctls. L. III. §. 6g. p. 49* sq l) Homil. XV. in Levit. p. 263. u) Le poenit, c. 7. p. 55 sq. y) De pudicit. C. 2. p. ^70 sq. w, lbid. c. 5. p, 071 sq.

es4

Geschichte der christlichen Sitrenlehre.

Heiligkeit begünstigt wurde. Es war ein richtiges Ge­ fühl, daß man von den Gläubigen sittliches Thun so# derte, und nicht wollte, baß sie sich auf den Glauben verließen; und da dle damaligen Christen -roßentheils vom Juden- oder Heidenthum übergetreten waren, und als Erwachsene mit freyem Entschluß die Taufe erhal­ ten hatten: so war die Gefahr geringer. Aber sie nahm in dem Maaße zu, als die Zahl der gebornrn Chri­ sten zunahm, in denen der Glaube nicht so lebendig und die Wiedergeburt nicht so gründlich geschehen war. Für diejenigen, die nach der Taufe in ein sündhaftes Leben gerathen waren, und nachher zurückkehrten, war dann der Trost des Glaubens abgeschnitten. Der zweyte Irrthum hängt mit dem vorigen zusammen. Die Werkheiligkeit schon wies den Chri­ sten an das äussere Leben, und zog ihn von dem In­ nern ab; noch mehr aber geschah dieß durch den gro­ ßen Werth, den man auf die äussere Darlegung der Reue legte, und durch die dadurch herbeygefährte Ver­ wechselung der Buße vor der Gemeine mit der Buße vor Gott, welche Hey Tertullian und Cyprian schon sehr bestimmt vorkommt. So wie nun die Ge­ meine durch die äussern Bußhandlungen zufrieden ge­ stellt wurde, so glaubte man auch dasselbe von Gott, und der Ausdruck aatisfaccre Deo a), wenn er auch noch nichts, als die Zufriedenstellung Gottes oder die Leistung seiner Foderungen bedeutete, führte doch leicht auf den unsittlichen Begriff einer Genugthuung, zwmal da man sich auch schon die Ausdrücke Ersatz (c oma) Tertull. de poenit. e. 5. p, 3o. Cyprian« de lapsis p. i35. i3y.

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

655

pens-atio) und Preis (pretium)b) von der Buße «rlawbtr. Eia dritter Fehler, der hinzukam, lag in den finnlichen und lohnsüchtigen Begriffen von der Vergel, tun- durch ewigen Lohn und Strafe. Die besseren Kirchenlehrer, wie Clemens und Origen es, tzrrlangten von der Tugend Uneigennützigkeit, und erkann­ ten die Bilder von ewiger Seligkeit und Derdammniß höchsten- für nothwendig zur Erweckung beS großen Haufens. Aber mit der chiliustischen Ansicht vom Reiche Gottes war auch eine craffere Auffassung der kehre vom letzten Gericht verbunden, welche der uneigennü­ tzigen Reinheit der Tugend allerdings Eintrag thun mochte. Doch ist dieses viel weniger in Anschlag zu bringen als die Anficht, welche Alle mit einander ge­ mein haben, baß die christliche Vollkommenheit eine höhere Seligkeit begründe, als die bloße Tadellofigkeit und Pflichtmäßigkeit. ES ist dieß nicht falsch, da daEtreben nach Vollkommenheit die Selbstzufriedenheit steigert, diese aber nur unter dem Urtheil Gottes be­ steht, mithin auch eine Steigerung des Wohlgefallens Gottes und der ewigen Seligkeit mit sich führt. Auch ist diese Vorstellung biblisch begründet (§. 96.). Aber die Kirchenväter scheinen darin zu irren, dass fle bey Empfehlung der Vollkommenheit zu sehr auf die da­ durch zu erlangende höher« Herrlichkeit hinweisen, unbdadurch «her die Lohnsucht als die reine Liebe zu dem, was in sich schön und vollkommen ist, erwecken, auch dem geistlichen Stolze Nahrung geben. War es aus­ gemacht, daß die jungfräuliche Keuschheit den obersten

«56

Geschichte der christlichen Sittenlehre.

Rang im Himmelreich einnehmen würbe, so konnt» es nicht fehlen, daß diejenigen, welche sich btrftlben be­ flissen, sich für besser hielten als andere Menschen: womit sie aber schon auf die wahre Schönheit tc«f« Lugend, welche in Scham und Bescheidenheit besteht, Derjtcht leisteten.

Drittes Capitel.

Die Sittenleh'-e und das Kirchenleben brr Häretiker. §. 199. Man kann alle häretische Parteyen dieses Zeit­ raums, nach ihrer Stellung zur geschichtlichen Offen­ barung, in drey Classen eintheilen:

i)

Judaisiren-

be Häretiker, welche aus allzu großer Anhänglich­ keit an daS Mosaische Gesetz die christliche Freyheit und Allgemeinheit aufgaben; 2) Gnostiker, welche in -Kritik und Auslegung der Schrift und Auffassung des Geschichtlichen der Offenbarung zu frey verfuhren, za wohl gar Schrift und Offenbarung für verfälscht und unvollendet ansahen und durch freyen Gebrauch der Vernunft die Fehler verbessern und die Lücken ergän­ zen wollten, mithin der Vernunft in Religionssachen zu große Rechte einräumten; 3) Montanisten, welche tle Offenbarung auch als unvollendet ansahen, jedoch nur in Ansehung der Sitte und Kirchenzucht, und neue Offenbarungen zuließen, aber auf dem Wege der Be­ geisterung, daher sie, wie die Gnostiker der Philosophie, so der Schwärmerey zu viel einräumten a;. aj Lchnlich Stäudlin a,

0,

O. S. 45».

Alle diese An

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

257

Ansichten finden sich auch in der katholischen Kirche, nur in Maaß und Schranken gehalten.

So stehen die

Alexandriner den Gnostikern am nächsten, und Tertullian schließt sich an die Montanisten an.

Dadurch un­

terscheiden sich aber Katholiker und Häretiker, daß diese immer auf ein AeussersteS treten, während jene In der Mute stehen; daß diese eben darum zu viel Eigenthäm» lichkeit und Willkährlichkeit in ihre Systeme hineintra» gen, während jene sich an das Gemeinsame

halten.

Wenn alles Leben, in Schwingung, die Gesundheit des­ selben aber darin besteht, daß die Schwingung immer Schwingung bleibt, also immer von einem Aeussersten zum andern Aeussersten zurückkehrt, und

mithin

die

Mitte gehalten wird: so können wir sagen, daß sich in den zum Aeussersten strebenden Häretikern das Leben der Kirche, in den die Mitte haltenden Katholikern aber die Gesundheit desselben offenbart. Häresen müssen seyn, sagt der Apostel, damit sich die Wahrheit bewähre (1 Cor. ii, 19.).

Ohne häretische Bewegungen würde

die Kirche erstarren.

Das Festhalten der rechten Mitte

ist übrigens keines einzelnen Lehrers Sache;

denn so

nothwendig jeder seiner Ansicht das Gepräge der Eigen, thümlichkeit geben muß, so nothwendig ist es, daß bey kräftiger und ausgezeichneter Eigenthümlichkeit ein Hin» ausiireben aus dem Mittelpunkt seyn wird.

Nur die

ganze Kirche in ihrer Gesammtheit wird auf der Mitte unwandrlbuk feststehen müssen. §.

200.

Was die judaisirenden Häretiker

betrifft,

so haben auf ihr sittliches System folgende Punkte Einluß, in welchen sie von den Katholikern abwichen. 1) 0ir nahmen von den Evangelien nur bas der He» ZvcpierLheil.

R

258

Geschichte der christlichen Sittenlehre.

träte au, und die Paulini scheu Briefe verwarfen fle, hatte« sich also voy der allseitigen Auffassung und Ent» Wickelung der Offenbarung ausgeschlossen, und wäre» «inseitig auf Einem Standpunkt, dem palästinischen, stehen geblieben, so wie fle sich auch in dem engen Raum von Palästina und den umliegenden Gegenden fingt* schloffen hielteu.

Den Apostel PauluS verwarfen und

bestritten fle als Jrrlehrer, oder nahmen auf ihn keine Rücksicht.

2) S»e leugneten die Gottheit Christi. Sie

hielten ihn entweder für den Sohn des Joseph, einen gerechten Menschen und den obersten Gesandten Got­ tes oder den Messias; oder sie gaben wohl auch feine übernatürliche Zeugung und seine Verbindung mit dem Geist Gottes ober der Weisheit ju, nannten ihn auch wohl Sohn Gottes a), aber sie erhoben sich nicht ju der spekulativen Idee der Einheit der Gottheit und der reinen Menschheit, und gaben mithin das

wahrhaft

christliche Princip der Sittenlehre auf, wodurch die­ selbe über alle volkiiche und zeitliche Beschränkung er­ haben ist.

3; AuS beyden Ansichten floß ihre Anhäng­

lichkeit an das Mosaische Gesetz, welches sie entweder als allgemein

nothwendige Bedingung zur Seligkeit

allen Christen aufdringen wollten, wie die Lbiontten, oder nur für gedorne Juden nothwendig hielten, wie die Nazaräer, wenigstens diezenigen, welche Hie­ ronymus kannte, welche auch die pharisäischen Satzun­ gen verwarfen b).

Zu den freysinnigern Iudenchristra,

welche nicht auf die vollständige Beobachtung des Ge«

a) Hicronym. cp. 74. ad Augustin. T. IV. P. II. p. 02'S

b)

H i c 1 o 11 y m. Comment, in Jes. T. 111. p. 79. 85. 2*3o.

Dergl. Walch Ketzerhistorie, 1. LH. S. 107.

Katholicismus.

Erster Zeitraum.

259

fetzrS drangen, gehört auch der Berf. der Pseudocle«eutimfchen Homtiien, welcher auch, so wie die Elcefaiten und Nafaräer < Nasiräer), die Opfer verwarf ) und die Luge l>), oder überschätzen, wie die Mohlthällgkeit, zumal gegen die Kirche >), oder die innere Nachbildung und Aufnahme der Dreyeinigkeit, wodurch das Ebenbild Gottes im

Menschen wiederhergestellt

1) De liaptibino contr. Dentist. L. II. c. S. 5

t De Genen ad litt. lib. imperf. c. 1.:

q laerendi

d .ibi-

tatio catholicae iidei metas nun debet cxcedeie. a) De vera relig. iin. b

De dortima ch^ist. L. 1. c. 10.

De moribus ecclc5. rath. e. 11.

Katholicismus.

Zweyter Zeitraum.

375

werde c). Diese Gottahnlichkeit setzte er in die klebe Gottes als deS höchsten GnteS, welche Seligkeit giebt. Die Seligkeit nämlich besteht in dem Genuß des wah­ ren Gutes d). Zwecke des Handelns nannte er Ge­ genstände des Genusses, die wir um Ihrer selbst wil­ len lieben: Mittel dagegen sind ihm nur Gegenstände des Gebrauches; die Erreichung der wahren Zwecke giebt Seligkeit e). Die Welt ist nicht Zweck, sondern Wittels), die Liebe derselben keine Liebe, sondern Be­ gierde, Liebe Gottes und des Nächsten ist Liebe x); auch der Mensch ist nicht höchster Zweck, weder für sich selbst, noch für Andere, rori.' er sonst die Seligkeit in sich trüge, was nicht seyn kann h). Nur Gott oder die Dreyeinigkeit ist das höchste Gut, welches unver­ lierbar ist i), denn in Gott ist die unwandelbare Weis­ heit k). Der Mensch ist nur um Gottes willen zu lirc) De tiinitate XIV, 10. d) De moribut eccl. cath. c. 3; Beatus neque ille dici polest, qui non habet quod aniat, qualecunque lit: neque qui habet quod aniat, si noxium sit; neque qui non amat quod habet, etiamsi Optimum sit. — — Quartum restat ut video, ubi beata vita invemri queat, cum id quod est homini > opuinnni, 11 amatur et habetur. e) De doctiina ein ist L. I. , nisi in liac vita. Et quam vili emas attcmle

b) Senn. LX. c. io.

Non cigo itis in re^nuin, qnia non pectasi.s, sei quia vcstia pet cata trlceinus) ni» 1 e de­ in i sti 1.

с) Enchiridion c. 70 iqq.

De . iv itaic Dt i L. XXT. c. 27.

d) De ci>it. Dji XXII, de, * : Opera imsiia bona, quande ipsins potms vnlentm qiuni notii 1, itii.c nokis ad Sabbatum adipisccnduro lniputanttir, Qula si nubis ea tribueriiLus, servilia eruir,

582

Geschichte der christlichen Sittenlehre.

kohnsucht war nur ein Umweg vorgerrichnet, auf der sie zu demselben Ziele gelangen konnte e). Ausser dem Almosen zählt Augustinus noch zu den Mitteln der Sün­ denvergebung das Fasten und da- Gebet-t), welches letztere die täglichen leichten Vergehungen sühne g); was aber leichte und schwere Vergehungen seyen, will er dem göttlichen Urtheil anheim gestellt wissen h). Keine Sünde halt er für so schwer, daß sie nicht dem Bußfertigen vergeben werden könne, jedoch nur in der Kirche, nicht ausser derselben, da sie allein im Besitz des heiligen Geistes sey, durch welchen allein Sünden können vergeben werden i,\

Vi ertes Capitel.

Häretiker. §. 2S8. Ausser den Pelagianern, welche keine eigene Sckic ausmachten, den Manichäern, welche der vo­ rigen Periode angehören, und den mit ihnen und den Gnostikern verwandten Prtsctllianisten, kennt diese e) Opus imperf. conti. Julian I, i53: Ilis i ertc opeiibus inerces imputatur sccimdum debitum : debetur cnim mciccs, si Raut, sed giatia, qitac non debctni , j.>raeredit ut Raut. Debetur inquam bona mciccs oprribus bo­ nnimm b()iiis, sed non debetur gratis, qtiac ipsos liomines operatui bonos ex non bonis. f Contra ep. Parmeniani. L. II. c. IO. g) Enchiiid. c 71. h) lb. c. 78.

i) lb.

c. (V„

Katholicismus. Zweyter Zeitraum.

383

Periode keine Häretiker von einer bedeutenden spekula­ tiven Richtung und eigenthümlichen Sittenlehre: viel­ mehr treten diejenigen, welche für die Sittengeschichte von einiger Wichtigkeit sind, gegen daS Kirchrnleben der katholischen Kirche, die Hierarchie derselben und den übertriebenen Werth, den sie auf Gebrauche und duf# serliche Tugendübungen legte, auf: rotld)td ganj na­ türlich war, da jcbe Uebertreibung Widerspruch er­ regt, und die Last der Priesterherrschaft und deS duf# serlichen Gottesdienstes zu drückend wurde, als daß nicht das Gefühl christlicher Freyheit sich dagegen sollte empört haben. §.

259.

Aerius und seine Anhänger leugneten den we­ sentlichen Unterschied zwischen den Bischöfen und Aeltesten, und deren Würde und Amtsverrichtungen. Eie ertannttr das Geber und Opfer der Lebendigen für die Todten für unnütz und unverdienstlich, verwarfen die festgesetzten Fasttage, indem für die Christen kein Ge­ setz gegeben sey, und das Fasten auS freyem Trieb ge, schehen müsse, und hielten namentlich das große Fa­ sten vor Ostern nicht; endlich Zerwarfen sie das unter den Christen einiger Gegenden noch übliche Schlachten des Osterlamms als einen jüdischen Gebrauch a). Aus den verworrenen Nachrichten über die Mesi salianer oder Euchrten (Beter) scheint so viel her» vor.ugehen, daß sie, wie andere Schwärmer oder My­ stiker, dem thätigen arbeitsamen Leben abhold waren, und den kirchlichen Gottesdienst gering achteten, ja so» a' Epiphan. haerts. LXXV. Anaceph. T. II. Opp» p 148. Dgl. Walch KetzeU'iftorle, 3. Tl>. S. 330 ff.

384

Geschichte der christlichen Cictenlehre.

zar die Sakramente als etwas Gleichgültiges b'track»teten, und nur dem Ge bete die wahre Kraft die Seele '. Die Eustathianer übertrieben die

Verachtung

des Ehestandes ur.h die Enthaltsa^nleit; wodurch sie sich aber mehr auereichnen, ist, daß sie die öffentlichen gottesdienstlichen Veisammlunqshauftr und den darin gehaltenen Gottesdienst verachteten, und dagegen Pri, vatversammlungen ohne Aeltesten hielten; Versammlungen an den, den

baß sie die

Märtyrer» gewidmeten

Oertern und die damit verbundenen gottesdienstlichen Handlungen verwaisen; daß sie die in der Kirche ge­ wöhnlichen Fasten nicht hielten, dagegen am Sonntage fasteten c\ §.

z6o.

Iovinianus leugnete die Verdienstlichkeit de§ oheloscn Standes und des Fastens, und behauptete, daß zwischen der ehrlosen und ehelichen Keuschheit, und der Enthaltsamkeit vom Genuß und dem Genuß mit Dank, sagung kein Unterschied in Ansehung der Belohnung sey, wie er denn überhaupt der Annahme eines Stufenunterschiedes in der ewigen Seligkeit widersprach a), VigIlantius erklärte die Verehrung der HeiliKtn und ihrer Rcl q ucn für Abgötterey und leugnete __________ _

die

b) Tlir oflorct. 1 ist. ccrles. Li IV. c. 10. ITacrct f.ibiilar. L IV c ii Vgl. 53$a l cb a a O. S Mi ff. Andere Nachrichten sind widersprechend und offenbar übet*-trieben «) Sy nod. Gnngr. bet) INI a n s i Gelltet, co icil. ampliss. T. II. p. 107 sqq. Vgl. Walch a. a S. 563 ff. Hieronyro, aJv. Juvtti. L. I. c. 3

S. 64g ff.

^Zl. Walch 5, a

Katholicismus. Zweyter Zeitraum.

385

die Fürbitte derselben für dle Lebendigen; er tadelte das Verkaufen der Habe jum Besten der Armen, und hielt es für besser, nach und nach Wohlthaten davon ju spenden, auch mißbilligte er die Gewohnheit, Almo­ sen nach Jerusalem zu schicken, und dagegen die ein­ heimischen Armen Noth leiden zu lassen; von den Fa­ sten und der Ehelofigkeit scheint er, wie Jovintanu-, gedacht zu haben; er tadelte ferner das Mönchslebe« und hielt es für schädlich für die menschliche Gesell­ schaft; endlich mißbilligte er die gottesdienstlichen Nacht, wachen wegen der dabey vorfallenden Mißbräuche b). b) Hieionyra. cp. 3”. ul Ripirium und adrcn. VigiUntium Übet.