Vorlesungen über die Sittenlehre: Teil 1,2 Die allgemeine Sittenlehre [Reprint 2018 ed.] 9783111468969, 9783111102030


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Inhalt
Dreyzehente Vorlesung. Entwickelung der Lebensansicht des Weisen
Vierzehente Vorlesung. Fortgesetzte Entwickelung der Lebensansicht des Weisen
Fünfzehente Vorlesung. Beschluß der Entwickelung der Lebensansicht des Weise
Sechszehente Vorlesung. Von der Klugheit, welche die Mittel ju den Zwecken erkennt und gebraucht
Siebzehente Vorlesung. Von der Klugheit im ganzen Menschenlebe
Achtzehente Vorlesung. Die Bildungsaufen der Klughei
Neunzehente Vorlesung. Die allgemeine Sittengesetzgebung in der Verbindung von Weisheit und Klugheit / oder die Uebersicht der Pflichtenlehr
Zwanzigste Vorlesung. Von der Bildungsfähigkeit, Freyheit und Abhängigkeit des Menschen
Einundzwanzigste Vorlesung. Von der Gemeinschaft als der Bedingung alles sittlichen Lebens
Zweyundzwanzigste Vorlesung. Von der Zurechnung und Zufriedenheit
Dreyundzwanzigste Vorlesung. Von der Zurechnung der Handlungen oder dem Gewisien
Vierundzwanzigste Vorlesung. Von der Beurtheilung fremder Handlungen und der Ansicht des Bösen in der Wel
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Vorlesungen über die Sittenlehre: Teil 1,2 Die allgemeine Sittenlehre [Reprint 2018 ed.]
 9783111468969, 9783111102030

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Vorlesungen über die

S i t t e n l e h k e. Don

Dr.

Wilhelm Martin Leberecht de Wette.

Erster Theil. Die allgemeine (Sitte n (< fy r *.

2. B a »

93 c r I i ii / 6 e i)

®. Reimer. 1 S 2 3.

Inhalt.

Ayrv.

Die

Gcschickuchkelt deS Malers f1 sinnliche Gewalt an, mit welcher sie auf da« Ge. müth wirken, und ohne welche schwerlich ein Entschluß zu Stande käme. Der Tugendhafte unterscheidet sich nur dadurch vom Lasterhaften, welcher sich von tbierischer Sinnlichkeit beherrschen läßt, daß seine Sinnlich, keit mit den edlen Trieben in Einklang und von reinen Gefühlen durchdrungen ist, und daß er die sinnlichen Anregungen zu beherrschen weiß; aber in Sinnlich, keit lebt und handelt er ebenfalls.

Beobach­

ten wir uns, wenn wir mit dem Entwerfen und Aus­ führen eines wohlthätigen Planes, mit der Arbeit an einem guten Werke beschäftigt sind: wie davon unser ganzes Wesen erfüllt und durchdrungen ist, wie lebhaft unser Her, schlägt,

wie die Einbildungskraft mit der

Aussicht auf den gewünschten Erfolg beschäftigt ist, wie lebhaft

wir uns darüber

gegen unsere Freunde mit.

theilen, wie gern wir manche Mühe und Beschwerde ertragen, wie gern wir manche Erholungen und Genüsse entbehren, um zu unserm Zwecke zu gelangen! So soll eö seyn,

anders kann es nicht seyn, wenn ein gute«

Werk gelingen soll, und doch ist eine solche Stimmung nicht frey von sinnlicher Beymischnng. Wenn der Mär­ tyrer des Glauben« in den Flammen des Scheiterhau­ fens, in der Qual eines marrrrvollen Todes, standhaft bleibt, und unter den Zuckungen des gemarterten KörprrS die Heiterkeit des Geistes behauptet: so ist eS aller­ dings der Glaube des gottgcweihten Herzens, die Kraft des freyen Geistes, wodurch er dieses vermag. Aber dieser Glaube muß sich mit der Lebhaftigkeit der Vorstellung der Pflicht, diese Kraft mit der sinnlichen Stärke des Willens waffnen, um den Kampf gegen die

245 aufgeregte sinnliche Natur zu bestehen; die Begeisterung muß in ihm stärker seyn, als daS Gefühl deS Schmer­ zes, die Liebe zu Gott stärker,

als die Selbstliebe ,

oder er erliegt unter der Last der Leiden.

Aber diese

nothwendige Verbindung des Geistes mit der Sinnlich­ keit, dir nicht zu vermeidende sinnliche Beymischung in der Stimmung und Gemüthsverfassung des Tugendhaften führt mancherley Gefahren mit sich.

Der Eifer für

ein gutes Werk kann leidenschaftlich ungestüm,

und

dadurch verunreinigt werden; die Begeisterung kann durch ei« Uebergewicht der Sinnlichkeit in Schwär­ merey ausarten, so daß dann das Werk der Tugend mißlingt,

oder gar in das Entgegengesetzte umschlägt.

Durch übertriebenen Eifer kann man des guten Zweckeganz verfehlen, indem man in der Ausführung gewalt­ sam und ungerecht wird,

und zu schlechten Mitteln

greift. Ein Märtyrrrtod auü Leidenschaft und Trotz ist kein wahrer Märtyrertod; die Standhaftigkeit, welche ihre Nahrung aus einem unreinen, mit Haß erfüllten Herzen zieht, ist nicht die ächte Standhaftigkeit. Wie oft haben die Menschen aus gerechtem, aber leidenschaft­ lichem Unwillen gefehlt, wie oft haben sie aus zu weit getriebenem Eifer für das Wohl ihrer Freunde Unheil gestiftet! nicht

ES ist kein gutes,

in giftige Leidenschaft

wirklich schon verkehrt hat.

rdlcS Gefühl,

das sich

verkehren könnte,

und

Selbst die Frömmigkeit

hat sich mit Schwert und Dolch bewaffnet, und ist die Geißel der Menschheit geworden. Menschen, die wir sind!

O arme, schwache

In Sinnlichkeit erwachsen,

mit tausend Banden an diese Erde und ihre Lüste ge­ kettet, selbst in unserer höchsten GeisteSerhebuog dev

246 Irdischen Kraft und Nahrung bedürftig und der Lockun-rr Leidenschaft empfänglich/ wie können wir uns an­ maße« , freu zu seyn und unü die Herren unsers Willenzu nennen! Demüthigen wir uns im Gefühl unserer Schwachheit/ erkennen wir/ wa- wir sind/ und täusche» unS nicht mit titeln Vorspiegelungen! Nehmen wir auch an / daß die gute Willenskraft tu einem Menschen das bleibende Uebergrwichk erlangt hat/ und daß das Gefühl seines Herzens eben so rern - als stark ist: so wird er selbst am wenigsten in Abrede sey«/ daß ausserordentliche Fälle eintreten können, welche ihn ganz ausser Fassung bringen/ daß ihm Versuchungen kommen können, denen er erliegt. Irgend eine Belei­ digung/ die ihm selbst oder seinen Geliebten widerfährt/ kann ihn zur Rachgier reizen / der Anblick einer unge. rechten/ empörenden That, welche ein Uebrrmächtiger an einem Schwachen begeht, kann ihn mit Zorn entstanimeu, so daß er in der ersten Aufwallung etwas be­ geht , was er nachher bereut; in einer schwache» Stunde kann er der Lockstimme der Sirene Gehör geben, und in das Ney der Verführung fallen. Wer wird sich anmaßen, nie und unter keinen Umständen von der Bahn der Tugend abgelockt werden zu können? wer wird sich die Kraft zutrauen, jeder Versuchung zu widerstehen? Wie stark die Kraft des guien Willens sey, sie ist doch eine endliche, beschränkte Kraft; und waS rndlich und beschränkt ist, findet irgend wann seinen überlegenen Feind, dem cS den Sieg lassen muß. Kein Mensch ging je über diese Erde, ohne daß er gerehlt oder geirrt; kein Herz sank in die Gruft, dag. ganz rein von irdischer Befleckung geblieben wäre. Kein Mensch

sah je de« Tode in- Auge, ohne daß ih« der Blick auf das zurückgelegte Leben eine Menge Fehler und Vtbgehnagen gezeigt, um die er Gott um Vergebung zu bitten hatte. Vor das Sterbebette des reuigen Sunder- trete der Stolze, der sich und der menschlichen Natur die Freyheit des Willens beymißt, und lerne sich beuge«! Aber wie? werden wir die menschliche Freyheit leug­ nen ? wollen wir den Menschen zum Thiere herabwür­ digen , welches blind und willenlos dem dunkeln Triebe folgt? KeineSwegeS!

Der Mensch hat das Vermöge»

der Freyheit; e- ist schwach und beschränkt, aber nicht ohnmächtig und nichtig;

und eS ist nur in der

Art beschränkt, daß eö immerfort gestärkt und erweitert werden kau«, und daß dem Wachsthum desselben keine bestimmbare Grenze gesetzt ist.

Wie gering das ««
t< Stifter desselben, noch ehe wir waren, wohlgethan and aas das «»schätzbare Gut der Freyheit erworben, dankbar erwiedern, und da sie unsern Dank nicht mehr selbst empfangen könne«, unsere Liebe den Söhnen de- Vaterlandes, unsern Brüder», zuwenden, und für sie wirken, kämpfen und bluten! Dem aber, der un- bi- in den Tod geliebt, von dessen Liebe wir Gnade um Gnade empfangen haben, gehöre die ganze Fülle unserer Liebe, ihre reinste, heiligste Kraft; und diese sollen wir dadurch erweisen, daß wir unsere Brü­ der lieben, wie er unS und das ganze Menschengeschlecht geliebt hat, daß wir mit aller Inbrunst unserer Seele, mit allem Etter und aller Begeisterung, mit aller Hut. gebung,

mit Aufopferung aller zeitlichen Güter, für

dir Wahrheit und Gerechtigkeit leben. Das ist mein Gebot, daß ihr euch einander liebt, so wie ich euch

geliebt habe: das waren die Worte des

scheidenden Erlöser-, deren sanfter Wiederhall in jedem christlichen Gemüth ertönen soll, daS ist sein Bet mächtniß, da- wir heilig halten sollen. — Mao erzählt, daß der Apostel Johannes, dem wir auch die Ueberlie« feruug jener unschätzbaren Worte verdanken, zu Ephesus, wo er seine letzten Leben-tage zubrachte,

als er nur

noch in die Versammlungen der Christen getragen werden konnte, und nicht mehr vermögend war, zusammenhangend zu reden, jedes Mal in der Versammlung noch diese Worte aulgrsprochen habe: unter einander! Am

Ende sey

Kinder, man

liebt euch

der beständige»

Wiederholung nberdrüßig geworden, und habe ihn ge­ fragt.- warum er nur immer dieses sage? Da habe er geantwortet: Es ist des Herrn Gebot, und es ist genug,

573

wenn nur dieses erfüllt wird. — Ja wohl ist «S genug/ wenn nur dieses erfüllt wird, und man sollte nicht müde werden, eS zu wiederholen. Kinder, liebt euch! Liebe lehrt uns dir Natur, Liebe lehrt uns das Vater­ land, Liebe lehrt uns die Kirche Christi; Liebe begegnet «ns auf allen Wegen, und mahnt uns zur Gegenliebe. Vierte Lehre. Unser Unvermögen. allein z« stehen, die Schwachheit unserer Kräfte, unsere Hinnei­ gung zum Irrthum und zur Sünde soll in Demuth von unS anerkannt werden; die Demuth aber macht end das Bedürfniß der Hülfe unserer Nebenmenfch«« und der göttlichen Leitung in der Gemeinschaft fühlbar, und führt unS in dieselbe rin. Demuth ist die Bedin­ gung der Gemeinschaft. Wenn Gott einen Einzelne« mit besondern Kräften ausgerüstet hat, daß er als Führer «nd Haupt an die Spitze treten kann, oder daß er Stifter einer neuen Lebensordnung wird.- so sollen die Andern demüthig ihm folgen und gehorchen. Wer Alles «et in ßch selbst findet, nur sich und seiner Einsicht «nd Kraft vertraut, und hochmülhig seinen eigene» Weg gehr, wird sich nicht an Andere anschließen, «nd die Gemeinschaft nicht nur von sich selbst abweisen, sondern auch die Feststellung und Verbreitung derselbe« stören. Hat man das Selbstvertrauen, es besser z« machen, als Andere, und es bieten sich Mittel und Gelegenheit dar, selbst an die Spitze zu treten: so ist ,c herbenzunihren suchen, was uns das Beste scheint. Der Bürger kämpfe für die Erhailung seiner allen Gesetze und Versassungen, wenn er sie nicht mit träger Selbstsucht, sondern aut Liebe zur Gerechtigkeit liebt. Aber hat eine übermäch­ tige Gewalt sie zerstört, und hindert, sie wieder aufzu-

m bauen,

so füge er sich in da- Unvermeidliche, und

versöhne sich mit dem 9tenen/ wad die Zeit gebracht hat. MttthigeS Streben und demüthige Ergebung sollen mit einander verbunden seyn,

wie Thätigkeit und Ruhe/

Wechsel und Einklang, Kampf und Friede. Fünfte Lehre.

Die Bedingung, unter welcher

wir uns die Wohlthaten der Gemeinschaft

und

der

Führungen des Schicksals zu eigen machen können/ ist Glaube und Hoffnung: Glaube an daü Gute und dessen siegendes Uebergewicht im Menschenleben, ver­ möge dessen wir e< überall erwarten, und die Hoffnung, daß sich Alle-, auch selbst da- Böse und Verderbliche, zum Besten lenken wird. Der Glaube ist mit der Liebe, welcher er entspricht und entgegenkommt, die erhaltende Kraft in der ganzen Statur und im ganzen Menschenle­ ben.

Die Liebe bietet bad Gute, der Glaube empfängt

ei mit vertrauensvoller Hingebung.

Liebend reicht die

Mutter dem Kinde die Brust, vertrauend schmiegt sich dieses an sie an als an die Quelle bed Leben-. Der Vater gibt dem Sohne liebevollen Rath, gläubig empfängt ihn der Sohn.

Vertrauensvoll horcht der Schüler auf den

Lehrer, und glaubt seinem Munde ald der Quelle der Wahrheit.

Liebend neigt der Jüngling sein Herz zur

Jungfrau, und bietet ihr die Hand, um sie durch bai Lcben zu führen; und sie vertraut ihm ihr ganze- Schick­ sal an, auf seine starken Schultern legt sie die Sorge für ihr Glück.

Liebe und Vertrauen knüpft bad Band

der Freundschaft. Vertrauen vereinigt die Menschen zur bürgerlichen Gesellschaft, indem ein jeder im Verein Ruhe und Sicherheit zu sindeu hofft.

In all diesen

Verhältnissen lehn uns der Glaube bad Beste von unser»

280 Rebevmenschen erwarten, wir hoffen in ihnen Freunde, Thrilnrhmer, Beförderer zu finden.

DaS Mißtrauen ift

erst eine Frucht der Untreue, durch mtldx das Vertrauen -rtanscht worden, und ist den Menschen nicht natürlich; daS Vertrauen ist angeboren,

das Mißtrauen erlernt.

Aber so wie dieses das Erzeugniß der Sünde ist, so ist eS auch hinwiederum der Same vieler Sünden. vor allen Dingen das

Hinderniß

Es ist

der Gemeinschaft,

Indem eö den Menschen in seinen Brüdern Feinde finden, und fich vor ihnen durch lieblose Vorsicht sichern lehrt. Wo aber Jeder in dem Andern böse, ergennülzige Ab. sichten vermuthet, da kann keine herzliche Freundschaft bestehen; nur wenn sich daS Herz dem »erzen hingibt, da wachsen sie in Liebe zusammen. Gemeinschaft gestlflet.

Vertrauen hat alle

Vertrauend schlossen sich an die

Weisesten und Tapfersten die roden Völker der Vorzeit, und folgten ihnen in den Kamps; Vertrauen hob die Herzoge der alten Deutschen auf dem Schild empor. Glaube,

Vertrauen

ließ die Israeliten in Aegypie«

Mose als ihrem Heerführer folgen, und das Mißtrauen, das sie ihm bisweilen bewiesen, mußten sie immer hart büßen.

Glaube,

Vertrauen versammelte dir Jünger

um unsern Herrn, »»d bildete in ihnen die erste Grund, läge der Kirche, welche dann wuchs und fich etrbmtttt, indem die Völker lhrer Predigt ei» gläubiges Herz ent. gegen brachten. Mißtrauen dagegen entfernte den größte» Theil der Juden von ihrem Heiland, und machte, daß sie in Verstockung verharrten.

Glaube, Vertrauen grün.

bete die protestantische Kirche; die redlichen,

offenen

Herzen, die aufrichtigen Freunde der Wahrheit, empfin. gen Luther und Zwingli als tre treuen Boten des

281 Evangelium«, während die Uebrtgeu durch Mi-tra«eu, Eigendünkel und Selbstsucht a» den alten Irrthümer« hangen blieben.

Da« Vertrauen macht für alle wohl­

thätigen, heilsamen Neuerungen und neuen Erscheinungen im menschlichen Leben empfänglich.

Der Gläubige und

Vertrauende sieht darin unbefangen daS Tute, und er­ wartet davon Gute«,

während der Mißtrauische die

fehlerhaften Seiten scharfsichtig entdeckt, und nicht-, «IS böse Folgen, erwartet. DaS Vertrauen und der Glaube bestehe« in der Ueberzeugung

von

der überwiegenden Herrschaft de-

Gutea im Menschengeschlecht, und diese Ueberzeugung ruht zuletzt auf dem Vertrauen zu Gotte- allmäch­ tiger Leitung und Mitwirkung. Die menschliche Natur ist schwach und sündhaft, aber Gott läßt daKute in ihr zuletzt immer die Oberhand gewinnen, und bringt selbst auS dem Bösen Gute- hervor.

ES gibt

Menschen, welche da< wa- seit dreißig Jahren in Staat und Kirche vorgegangen ist, für nicht-, alS eine Aus­ geburt de« Bösen, ansehen, und darin nicht-, al- Ver­ irrung und Derderbniß, erblicken wollen.

Glaubt ihr

denn, ihr Ungläubigen und Mißtrauischen, daß Gott ein ganze- Geschlecht der Herrschaft de- Böse« Preigeben, und daß ganze Völker während eine- Menschen, alter- nicht- al- Böse- hervorbringen können?

Da-

Gute ist in dem, wa- ihr so verkennt, unstreitig mit dem Bösen gemischt, aber da- Gute ist «vbezweifelt darin,

oder Gott müßte die Zügel der Weltherrschaft

au- seiner allmächtigen Hand haben fallen lassen. Nein! »ichtS soll unö den Glaube» nehmen, daß die Mensch­ heit uruer Gotte- Leitung und Mitwirkung stet- vor-

282 wärt- luin Bessern schreitetUnd dem Glauben -ehe die Hoffnung mit ihrem heiter«/ in die Zukunft gerichteten Auge zur Seite! Die schwarz umwölkt der Gesichtskreis ft»/ wie unlösbar die Verwirrung erscheine, in welcher die menschlichen Verhältnisse liegen: mit Gottes Hülfe wird die Sonne durchbrechen, und Ordnung und Ein. klang in das Verworrene kommen. Endlich isi die Bedingung der Erhaltung aller Gemeinschaft die Treue, welche daö entgegengebrachte Dcrlrancn nicht täuscht, der bewiesenen Liebe die gleiche Liebe erwiedert, und an dem geschlossenen Bunde festhält. Treue, unwandelbare Treue, Treue biö in den Tod, ist das heilige Siegel, welches auf die Gemeinschaft gedrückt werden muß, damit sic Festigkeit und Bestand erhalte.

Treue ist die Pflicht, welche von uns von allen

Seiten gefordert wird: Treue gegen Eltern, Geschwister, Gatten, Kinder;

Treue gegen Freunde,

Treue gegen

Len Staat, gegen Mitbürger und Eidgenossen; Treue gegen die Glaubensgenossen, und Treue gegen Christum und Gott.

Wie in einem Gebäude Stein an Stein,

Balken an Balken, Säule an Gesims fest und unwandel. bar hält, so daß eines auf dem andern ruht:

so trägt

und hält die Treue das ganze menschliche Leben, und rin Verhältniß stützt sich auf daS andere; wer in dem einen treu ist, der ist es auch in dem andern.

Nehmt nur

einen Balken, eine Säule hinweg, so stürzt das ganze Gebäude nach und nach zusammen.

So lockert und zer.

reißt der Untreue das ganze Leben, wenn er ein Brr. hältviß zerstört, und darin dag Vertrauen verletzt. Treue, unwandelbare Treue, Treue bis in den Tod, sey unser Vahlspruch! Ae» allen Dingen aber laßt uns dem Vater.

283 lande und der Kirche Treue beweisen; denn da- find die stärksten Grundvesten deS Leben-.

Treue Dienste

dem Daterlande, unverbrüchliche DundeStreue den Eid­ genossen !

Es wanke die Weit und drohe den Einsturz,

aber unsere Treue soll unerschütterlich fest stehen.

E-

drause der Sturm der Gefahren heran, der Treue er­ wartet ihn festen Fusse-.

Eö tobe der Vulkan, und

drohe un- mit seinem Feuermeerr zu begraben; begraben

kann

er un-, aber nicht treulos machen.

An Ihm

aber, unserm Haupte, wollen wir als seine engverbun-

tcncn,

treuen Glieder am innigsten festhalten;

ntchtS

soll unS scheiden von der Liebe Christi, weder Tod, noch Lebe»,

weder Gegenwärtiges, noch Zukünftige-;

und

wenn der Athem deS Leben- un- treulos wird, und die sterblichen Glieder auseinander fallen: so schlingen wir

nnS

nur inniger an ihn, die Scheidewand fällt, der

unsterbliche Geist vermählt sich mit seinem Geiste, und tue Treue empfängt ihren ewigen Lohn.

Zweyundzwanzigste Vorlesung. Von »er Anrechnung und Zufriedenheit: Aufrie« denheik mit dem Schicksal, oder Glückseligkeit.

Nunmehr stehen wir am Ziele; ich meine nicht sowohl das Ziel unserer Betrachtungen, als das Ziel des mensch, lichen Handelns, da- wir bisher nach allen seine» Br. dingungeu und Gesetzen kennen gelernt haben, und dessen Ergebniß nun zu betrachten ist. Wir haben den Menschen gleichsam wie einen Wrttläufer von seinem Auslauf an auf seiner Bahn begleitet, haben ibn alle Hindernisse und Schwierigkeiten überwinden, Berge ersteigen, Schluch. ten überspringen, sehen;

Flüsse

und Seen durchschwimmen

jetzt langt er am Ziele seine- Streben- an:

was ist nun sein Lohn? Die Tugend ist keine Taglöhnerarbeit, und der Aus­ druck Lohn ist nur bildlich zu verstehen.

Aber rrwaS

dem Lohne deS Arbeiter- ähnliche- verlangt der Mensch für jede seiner Bestrebungen.

Wen» der Lohnarbeiter

de- Tage- Last und Hitze getragen hat,

und nun mit

dem erhaltenen Lohne zu Hause geht; so hat er das er. reicht, wa- er wollte, er hat wenigsten- für diesen Tag vollendet, und ist zufrieden. ES ist im mensch, lichen Lebe» ei» Wechsel von Arbeit u»d Ruhe, Strebe»

285 und Vollendung, Kampf und Friede, Thätigkeit und Genuß und Betrachtung. Der Mensch hält gleichsam von Zeit zu Zeit inne in seinem Streben, und fragt sich: bin ich auch auf dem rechten Wege? Er blickt jurück ans die durchlaufene Dahn, und fragt: wa6 habe ich nun bi- jetzt vollbracht- Er beurtheilt sich selbst in seinem Thun und Streben; er handelt nicht bloß, sonder« betrachtet auch sein Handeln. Don dieser Selbstbeurtheilung und Betrachtung hängt die Zufriedenheit de- Mensche« ab, und nur da­ von, nicht von äusser» Verhältnissen. Verschiedene sind bey ganz verschiedenem Ergebniß ihrer Arbeit zufrieden. Der Eine hat den Tag über nur so viel verdient, als er für die Stillung

feines und des Hungers seiner

Kinder bedarf, und ist eben so zufrieden, als ein An­ derer, der mit feinem Tagwerke so viel erworben hat, daß er damit sechs Familien, wir jene, an einem Tage sättigen könnte. Dagegen sind auch solche, welche den gleichen Lohn empfangen, nicht gleich znfrieden damit. Jene Arbeiter,

welche der Herr des Weinbergs zu

verschiedenen Stunden des Tags gedungen hatte, und welche alle einen Denar erhielten, waren nicht alle z«. frieden: diejenigen, welche den ganzen Tag gearbeitet, wollte» mehr haben, als diejenigen, welche nur wenige Stunden gearbeitet hauen. Die Quelle dieser verschie­ denen Zufriedenheit liegt in den verschiedenen Ansprü­ chen und Anfoderungen, welche di« Menschen an sich und das Leben machen. Der arme Taglöhner, der nicht­ gelernt hat, als gemeine Handarbeit, ist zufrieden, wenn

er durch seine Arbeit nur seinem dringenden

Mangel abhelfen tann; er fühlt, daß er keine große»

286 Ansprüche an das Leben machen kann/ und mach: sie daher anch nicht. Der Geschicktere hingegen kann und darf mehr verlange«/ und würde nicht mit dem dürf­ tigen Lohne des Handarbeiter- zufrieden seyn.

Jene

Arbeiter im Weinberg«/ welche den ganzen Tag aber gearbeitet hatte«/ waren darum unzufrieden/ weil sie am unrechten Orte den Maßstab gerechter, gleicher Ber. grltung anwendeten, und den Herr» tadelten, daß er gegen die Andern zu freygebig gewesen war: ihre Un­ zufriedenheit entsprang also au- falschen Ansprüchen. Wären die andern/ später gedungenen nicht hinzugekom­ men, so wären sie mit ihrem Denar zufrieden nach Hause gegangen/ weil sie dann diese Ansprüche nicht gemacht, und nicht dadurch ihre Zufriedenheit gestört hätten. Die Zufriedenheit also und die Unzufriedenheit ist da- Ergebniß eine- Urtheils, welches der Mensch über sich und sein Leben fället.

Welche Bewandtnis eS mit

diesem Urtheil habe, ist nunmehr der Gegenstand unsci er Betrachtung/ wollen.

welchem

wir einige

Stunden wid,„e„

ES ist ein hochwichtiger Gegenstand, und er

verdient e-/ daß wir dabey verweilen. Ziifriedenheii.' « höchste- und einziges Glück deö Menschen! o Quelle de- Heil- und der Seligkeit! o Himmel auf Erden! Wer zufrieden ist / der hat Alle-, der ist reich, der ist glücklich / der ist König.

Der Gefangene »» sinüern

Kerker, der zufrieden ist und ein gutes Gewissen bat, vertauscht sein LovS nicht mit dem Neichen und Mäch. tigen. der in Genüssen schwelgt, dem aber Gewissensbisse die innere Ruhe stören.

Dem Zufriedenen lächelt die

Welt im heiter» Sonnenlichte, auch wen» sich die Sonne

287 hinter schwarzen Wolken verbirgt: er frügt die Quelle de- Lichtes in sich selbst. Wie auf gewissen Gemählden, welche die heilige Familie darstellen, alles Licht von dem Christkinde ausgeht, und die übrigen Figuren im Abglanze dieses Lichtes dastehen: so trägt auch jeder Mensch den Quell der Seligkeit in sich selbst, und die Welt um ihn her färbt sich mir den Farben seines Gei­ stes. Jene Mahler wollten Christum durch diese schöne sinnbildliche Darstellung als den selbstständigen, sich selbst und Andern genügenden Quell de- geistigen Heils bezeichnen ; aber selbstständig ist jeder Mensch, oder soll eS seyn, in sofern er «in geistiges Wesen ist, und so wie alle seine Handlungen aus innerer Quelle entspringe« sollen, so kann auch seine Zufriedenheit nur in ihm selber liegen. Darum erschien eben Christus, der Lichtquell, auf Erden, um uns die Freyheit zu geben, und den Strahl der von der Aussenwelt unabhängigen Seligkeit «ns in die Brust zu senken. Zufriedenheit hat ihren Namen vom Frieden; man ist zufrieden, wenn man im Frieden, über Kampf und Streit hinweg ist. Friede — o bey diesem Worte regen sich die schönsten Gefühle des Herzens! Glückliches Vaterland, über welches der Friede sein goldenes @c# siedrr breitet, und sein Füllhorn des Segens ausschüttet! VS blühen die Fluren, nur von den Hufen der -eißigen Zugthierr, nicht der kriegerischen Rosse, getreten; ruhig sieben die Hütten deS Landmannt und doll seine Speicher; in den Städten regt sich lebendig daS Gewerbe, h« Künste blühen, und jede wohlthätige, heilsame Thätigkeit gedeihet. Glückliche- Vaterland, in welchem bey dem äusser» Frieden -uch der innere herrscht, das nicht von

288 Zwietracht und Partheyenwuth zerfleischt ist, in welchem fern Streit iü, «tt der edle c» einander

zuvorzuthun

in

Wettstreit der Guten, gemeinnützigen Werken,

in Beförderung dr< gemeinen Wohls, in Aufopferung für da» Glück des Vaterlandes: Glückliches Haus, in welchem der Friede und die Eintracht herrschet, wo die gleichgesinnten Herzen -ch im Werke der Liede und Tugend vereinigen, und nur der Wettstreit besteht, wer de« Andern in Liebe übertreffen könne! Aber aller Friede liegt nur in deS Menschen Brust, in seiner Ge. uügsamkeit, in seinem aus keine falschen Güter gerich. ttlen, und darum in sich selbst ruhigen Herzen. stört den Frieden der Völker?

DaS

die Leidenschaft der

Herrsch, und Eroberungssucht, die selbstsüchtige An. maßung der Machthaber oder der Partheyen, die Unge­ rechtigkeit und der Uebermuth, die sich unterdrückend und zerstörend gegen das eigene Volk oder nach aussen wenden.

DaS Glück der Familien wird ebenfalls nur

dvrch die Unzufriedenheit ihrer Glieder gestört.

Der

Satt«, der in feinem Geschäfte durch Unfleiß oder durch Unredlichkeit zurückgekommen, und daS Vertrauen seiner HandelSfreunde oder Vorgesetzten verloren hat, trägt die Vorwürfe seines Gewissens in de» friedlichen Schoost seiner Familie, und läßt, was er verschuldet, seiner Gattin «nd seinen Kindern entgelten. Die Gattin, unzu. frieden mit den beschränkten Glücksgütern ihres Mannes, und ihren Aufwand nach dem, welchen Andere machen, meffend, stört durch Ungenügsamkeit und Vrrschwen. dung-sucht die Ruhe de- Mannes, der ihr mehr zuge­ steht , als er sollte, und sich dadurch in RahruugSsorgen stürzt.

Ltidevschafteo von mancherley Art, welche da-

289 unruhige Gemüth beherrschen und treiben, Mangel an Selbstbeherrschung und Selbstverleugnung, stören zu­ nächst den eigenen Frieden, und dann auch den Frieder» -er Lebenögenossrn.

Nur die Unzufriedenen stören den

Frieden der Andern, der Zufriedene verbreitet Frieden um sich her: wie ihm die Welt im Sonnenglanze strahlt, so verbreitet er um sich her Licht und Wärme, jeder fühlt sich an seiner Seite wohl, und möchte mit ihm

das

Leben durchwandeln. O laßt uns nach Zufriedenheit streben, damit wir

den Frieden der Welt begründen helfen! Nach Zufrie. denheit sehnt sich eines Jeden Herz; sie ist das gemein­ schaftliche Ziel, nach welchem Alle ringen. Und doch sind so Wenige zufrieden, und Unzufriedenheit ist daS fast allgemeine Loos der Sterblichen. Ist denn die Kunst, Zufriedenheit zu finde», so schwer? Ist es ein Geheim­ niß, das dem Sterblichen nicht zu enthüllen vergönnt ist? Ach! es ist eine ganz leichte, einfache Kunst, die sich der Mensch nur durch sein eigenes, unvernünftiges Beginnen erschwert; das Geheimniß liegt offen vor Aller Augen, aber der trübe Blick des unruhigen Geistes kann cs nicht erkenne». Die Zufriedenheit hängt von dem Urtheile deS Men. fchrn über sich selbst und die Welt ab.

Laßt unS nun

sehen, worauf eS bey diesem Urtheil ankommt.

Sind

wir darüber im Klaren, so haben wir einen großen Schritt zur Sicherung unserer Zufriedenheit gethan; denn die Quelle

der Unzufriedenheit

ist die

falsche

Srlbstbeurtheilung und dtr falsche Anspruch, den man an das Lebe» macht. Bd. II.

29U

Eta Urtheil verlangt eine Regel, nach welcher cs geschehe, einen Maßstab, den man an das zu Beur:heilende anlege. Ist diese Regel, dieser Maßstab falsch, so muß auch das Urtheil falsch ausfallen. Welches ist nun die Regel, welche wir bey unserer Selbstbeuriheilung und bey der Beurtheilung der Welt anwenden sollen? ES ist dieselbe Regel, nach welcher wir unsere Handlungen einzurichten, und uns selbst und unser Leden zu beurtheilen haben. ES sind drey Hauptstücke des Leben-: die Erkenntniß der Regeln und Gebote, daHandeln nach denselben und die Beurtheilung der letz­ tem nach den erstem. Der Mensch soll und will, dann handelt er, und dann ist die Frage, ob er gethan, waS er wollte und sollte, und ob er mit sich selbst zu« frieden seyn kann. So schließen sich überall im Leben diese drey Stücke aneinander: Wunsch und Verlangen, Streben und Ringen, und dann Zufriedenheit oder Unzufriedenheit. Die Regeln aber, nach denen wir handeln und unsere Zufriedenheit messen, und welche in ihrer vollkommenen Richtigkeit nur die Weisheit aufstellt, gründen sich, wie wir wissen, auf die Triebe de- Menschen; der Mensch ist zufrieden, wenn er seine Triebe befriedigt findet, in dem Maße, als es die Statur fodert, und die wahre Lebensweisheit billigt. ES wird daher das angemessenste Verfahren seyn, wenn wir die Zufriedenheit des Menschen in Beziehung auf jeden dieser Triebe inS Auge fassen, und für unsere Betrachtung in Gemäßheir dieser Triebe verschiedene Standpunkte nehmen. Heute wollen wir uns mit der Zufriedenheit de- Menschen in Ansehung -e- sinnli­ chen Triebe - beschäftigen.

291 Die Befriedigung des sinnlichen Triebe- i- zum Theil des Menschen selbstthätiges Werk. Wie ihm die Natur die Bedürfnisse und die Begierden eiagepflanzt,

so bar sie ihm auch die Kräfte verliehen,

dieselbe« zu befriedigen durch Arbeit und vorsorgende Klugheit.

Und was die

sinnliche Natur foden, das

foderr auch in gewisser Hinsicht der Trieb zur Vollkom­ menheit, das gebietet die Weisheit, ja, selbst der sitt­ liche Trieb; denn die Achtung für die sittliche Würde de- Menschen wird dadnrch verletzt, wenn der Mensch seinen Bedürfnissen erliegt, und nicht auch in der sinn­ lichen Natur mit einer gewissen Freyheit und Unabhän­ gigkeit auftritt.

Wir können daher die Beurtheilung

unsere- sinnlichen, äusseren LebenSzustandeS, insofern er unser eigenes Werk ist, füglich zu der Selbstbeurtheilung in Ausrhuiig unseres sittlichen Verhaltens ziehen, indem wir uns vermöge derselben Unfleiß und Mangel an Sparsamkeit und Fürsorge als sittliche Fehler zu­ rechnen.

Wir wollen für jetzt bey der Ansicht unsere-

äusseren LebenSzustandeS, insofern wir darin von der Natur und vom Schicksal abhängig sind, siehe» bleiben. Denjenigen äussern Leben-zustand, welcher den Foderungen deü sinnlichen Triebes entspricht,

und die

Mittel zur Befriedigung desselben darbietet, nennen wir glücklich. Glück nenne» wir überhaupt die Zusammtnstimmung unftrer Wünsche mit den Verhältnissen der Natur und den Zufällen des Lebens, und zunächst versteht man unter dem Glücke des Lebens den dem sinnlichen Triebe zusagenden äussern Zustand des Menschen. Unglücklich dagegen nennen wir denjenigen äusser»

Leben-zustand , welcher unserm sinnlichen Triebe wider, spricht.

Der Gegenstand unserer Betrachtung ist als»

mit andern Worte» die Zufriedenheit de- Menscheu in Ansehung seine- Glücke-. Baß wir unsere- äusseren Glücke- nicht vollkommen Herr sind, ist eine Wahrheit/ welche ein Jeder ersah, re» hat, und noch täglich erfährt.

Wie Viele- kommt

hierbcy aus die Verhältnisse der Geburt an! Dem Einen hat ein sreundlicheS Schicksal schon vor alle- in Bereitschaft gestellt, einem

der Geburt

wa- sich der Mensch zu

bequemen, angenehmen Leben wünschen kann.

Der Rcugeborne erhält die sorgfältigste Pflege, und in dem Maße al- sich sein Bewußtseyn entwickelt, breitet sich vor ihm der Reichthum, die Fülle,

der Glanz

eine- mit allen Mitteln de- Leben-genusse- au-gestattetcn Daseyn- vor seinen Augen auS.

Ein Solcher har fei»

Glück nur zu erhalten und zu behaupten, er braucht die Mühe nicht, e- erst zu gewinnen. findet zwar

den Uebcrfluß nicht vor,

Ein Anderer aber doch die

nöthigen Mittel, um sich auszubilden, und die Kennt. Nisse »iid Geschicklichkeiten zu erlangen,

durch welche

er selbst der Urheber glänzender GlückSumständr werden kan».

Auch ihm hat die Natur, wenn auch nicht un­

mittelbar und nicht mit einem Male, Looü bereitet.

ein glückliche-

Andere Kinder behandelt da- Schicksal

mit stiefmütterlicher Härte.

Der Mangel, da- Elend

empfängt sie beym Eintritt in- Leben; alle rauhen Ein­ flüsse dringen auf die zarten Menschenpflanzeu ein, so daß sie sich nur kümmerlich entwickeln können.

Am

meisten aber sind die Kinder der Armen deßwegen zu beklagen, daß sie meisten- verhindert sind, sich durch

293 eigene Kraft, durch Fleiß und Geschicklichkeit, einen bessern Lebenszustand zu bereiten, und daß sie in der kümmerlichen Lage verharren müssen, in welche sie die Geburt verseht hat.

Indeß haben oft auch diejenigen,

welche mit Gaben und Hülfsmitteln ausgestattet sind, in ihren Unternehmungen mit einem widrigen Schick­ sal zu kämpfen, so daß sie nicht- vor sich bnnge«, und nie zum ruhigen Genusse der Früchte ihrer Arbeit ge, langen können.

Keiner kann sagen, daß er ohne die

Gunst der Umstände durch eigene Kraft allein seinen Zweck erreichen werde. Hat aber auch Jemand durch Erbschaft oder durch eigene Betriebsamkeit alle- dasjenige erhalten, was er zu seinem Glücke verlangen kann: so ist es eben ein Glück, etwas dem Zufalle unterworfenes, und im Nu kann eS

sich in Unglück

verwandeln.

Der Zufälle,

welche «ns unser Vermögen und unsere sorgenfreye Lage rauben können, sind unendlich viele: die entfesselte Ge­ walt der Elemente, politische Umwälzungen, die Derherrungeu des Krieges, die Untreue und Unredlichkeit der Menschen können in kurzer Zeit den Neichen arm machen, und eine wohlhabende Familie an den Bettel­ stab bringen. Kein menschliches Glück ist so fest gegrün­ det, daß eS nicht erschüttert, und über den Haufen geworfen werden könnte. Wie sollen wir uns nun bey dieser unserer Abhän­ gigkeit vom Schicksal in Ansehung unserer Glücksum­ stände verhalten, damit wir die Zufriedenheit behaupten? Welche Ansicht und Stimmung ziemt dem wohlgesinnten, weisen Manne, damit ihm nicht die innere Ruhe gestört werde?

Die Zufriedenheit und GrmülhSruhe, welche

294 der Mensch in Ansehung seiner äusser» Umstände behaup. trt, macht seine Glückseligkeit au-.

Was haben

wir nun zu thun, damit uns nichts Aeussere- unsere Glückseligkeit raube? Die Anerkennung unserer Abhängigkeit bringt schon von selbst da- rrchle Gefühl mit, durch welches unsere Zufriedenheit gesichert wird, es ist kein anderes, als -a- der Ergebung.

Wer abhängig ist, kann nicht-

bessere- thun, al- sich ergeben in da-, wa- die höhere Gewalt über ihn beschlossen hat. Ei« ohnmächtige» Wi­ derstreben ist eben so unnütz, al- verderblich; denn ereibt die Kraft auf, und trübt die Freudigkeit deü Ge­ müth- : ein anmaßlicheS Selbstvertrauen und Verkennen der Abhängigkeit

dagegen

stürzt

in eine gefäbrltche

Sicherheit, in welcher uns die Schläge de- Schicksalunvorbereitet treffen.

Wer Ergebung bat, wird unter

allen Umstanden, im Glück und Unglück, glückselig sey». ES sind aber drey Verhältnisse und Beziehungen, unter welchen sich diese- Gefühl der Abhängtgkrtt, diese Ergebung, geltend machen soll: ersten- in Beziehung auf unsere Bemühungen für die Gründung und Erhö­ hung unsere- Glücke-; zweyten- in Beziehung auf den Genuß desselben, so lange cS besteht; drittenin Beziehung auf die Verluste, die wir daran leiden. ES ist de- edlen Menschen würdig, nach einer sorgen, freyen,

angenehmen äussern Lage,

nach Mittel» zur

Erleichterung und Verschönerung de- Leben-, zur Be. förderung seiner Bildung und Wirksamkeit, und überHaupt nach Glück-gütern zu streben.

Aber er soll an

diesen Gegenstand de- Streben- nie sein Herz hängen

295 fb daß er denselben um sein selbst willen suchte, und die Freyheit de» Geiste» daran hingäbe; sondern er soll bedenken, daß äussere Güter nie einen Theil seiner Person und seine» eigenen Leben» ausmachen solle«, sondern nur äussere Zufälligkeiten und Mittel sind, und daß er in dem Streben darnach von der Gunst de» Schicksals abhängig ist. Behauptet er diese Gesinnung, daun wird er immer darauf gefaßt seyn, daß ihn Widerwärtigkeiten treffen können, und wird jede Ver­ eitelung seiner Absichten ohne Murren ertragen. Er wird «a demselben Augenblicke voll Eifer und Thätig­ keit, und voll selbstverleugnender Hingebung seyn: nur der unbesonnene, ungestüme Eifer verträgt sich nicht mit einer solchen Fassung; je umsichtiger und überlegter aber das Streben ist, desto mehr sindet das Bewußt­ seyn der menschlichen Abhängigkeit im Gemüthe Raum. Derjenige, welcher durch Erbschaft oder eigenen Erwerb im Besitze und Genusse von Glücksgütern ist, hat sich besonder» sehr zu hüten, daß er sich nicht davon abhängig mache. Die Gewohnheit zu genießen erzeugt das Bedürfniß zu genießen, und es ist das gewöhnliche LooS der Wohlhabenden, daß sie mehr Bedürfnisse, al» die Andern, haben. ES ist daher dringend zu rathen, daß man sich so wenig, alö möglich, von den» einfache» Leben entferne, und sich so auf einen möglichen Verlust feint# Vermögens gefaßt halte. Besonders ist es die Pflicht wohlhabender Eltern, ihre Kinder einfach zu erziehen, und dadurch unabhängig zu machen. Je weniger man bcdarf, desto unabhängiger ist man. Die Verhältnisse de» Lebens sind bey uns so geordnet, daß ein Jeder, der gewisse Kenntnisse und Geschicklichkeiten besitzt, sich so viel selbst

296 erwerben, oder einstweilen so viel durch freundschast. liche Unterstützung erhalten kann, alS für die nochvendigsten Bedürfnisse des Lebens erforderlich »st. Der mithin nicht mehr Ansprüche macht, kann dem nöglichen Verluste seiner Güter und seines bisherigen Er­ werbs ruhig entgegen seben, während der Verwöhnte und Anspruchsvolle dadurch zu Boden geschmettert wird. Trifft unS nun ein solcher UnglückSsall, wodurch wir in Noth und Mangel gestürzt werden: so laßt und mit Hiob denken: der Herr hatS gegeben, der Herr Haid genommen, der Name des Herrn sey gelobt! Betrachten »vir unser Unglück so, als habe sich unser Verhältniß zur Aussknwrll geändert, wir selbst aber seyen dieselben geblieben. wie es auch in der That der Fall ist. Dad wir von geistigem Werthe in und tragen, bleibt und in jeder Lage, und auch die Liebe der Nnftigen und der Freunde bleibt und; ja, dann bewährt fit sich erst recht. Der Freund, der uns im Unglücke verläßt, ist nie unser Freund gewesen; und danken wir es dem Schick­ sal , daß wir diese heilsame, obschon schmerzliche Er­ fahrung gemacht haben, wofür und die treue Liebe der Uebrigen reichlich entschädigt. Nie ist die Liebe und Freundschaft erfreulicher und tröstlicher, als im Unglück, und dieses verwandelt sich dadurch in ein wahres Glück. O die Glückseligkeit zweyer liebender Gatten, welche sich aus den Trümmern ihres irdischen Glückes fest umarmt halten, und einander schwören, treu zusammen auszuharren, Alles mit einander standhaft zu tragen, einander zu trösten und zu erheitern! Sir sind glück­ seliger , als diejenigen, welche in der Fülle des Glückes schwelgen, und alle Freuden kennen, nur nicht die

297 himmlische der reinen, treuen Liebe. Wie VemtdenSwerkh ist der Unglückliche, um welchen sich seine Freunde ver­ sammeln , und sich beeisern, ihm die erfahrene Mißgunst des Schicksal- durch Beystand, Rath und Unterstützung zu vergüten!

Ja, da- Unglück bringt nicht allein de«

Segen mit sich, daß offenbar wird, was der Unglück­ liche Andern gilt; es entwickelt sich auch die in ihm ruhende Kraft, so daß er sich muthig über sein Schick­ sal erhebt, und sich neue Hülfsquellen eröffnet.

Denn

mit der Ergebung paart sich in einem gesunden Gemüth auch das Detrauen, das Vertrauen zu sich selbst, daVertrauen zu seinen Freunden, daS Vertrauen zu Gott. Ein kräftiges, redliches Streben kann oft mißlinge», aber es mißlingt nicht immer; ist die eine Stütze ge­ sunken, so ergreift man eine andere, welche vielleicht nicht täuscht.

DaS Leben ist so reich an HülfSquelle»,

daß wenn man nur den Muth nicht verliert, und sich der Unterstützung der Freunde zu rühmen hat, sich gewiß am Ende ein Ersatz de- verlorenen Glückes finden wird. Eines der wichtigsten äusseren Güter ist die Gesund­ heit: aber gerade in Ansehung dessen sind wir am metstey von der Natur abhängig.

Man kann seine Gesundheit

eher zu Grunde richten, als wieder herstellen und erhal­ ten.

Tausend Zufälle bedrohen täglich dieses köstliche

Gut, und der Feind lauert oft lange verborgen, hi­ er zerstörend hervorbricht.

ES kommt so vieles auf die

uns von der Natur verliehene LcibeSbeschaffenheit an. Wie manches unschuldige Kind bringt die Anlage zu einem ewigen Siechthum, die Erbschaft der Eltern, mit auf die Welt, und lernt nie daS frohe Gefühl der Gesundheit auf dieser Erde kennen!

ES ist dieß