117 25 35MB
German Pages 352 Year 1976
KAY-MICHAEL WILKE
Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik
Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Tb o m a s 0 p perman n, Tübingen
Band4
Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik Grundlagen und ausgewählte Probleme des gegenseitigen Verhältnisses der beiden deutschen Staaten
Von
Dr. Kay-Michael Wilke
DUNCKER & HUMBLOT/BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
@ 1976 Duncker & Humblot, Berl!n 41
Gedruckt 1976 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlln 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03584 4
D 21
Für Gertrud
Vorwort Angesichts der kaum noch zu übersehenden Literatur zur Rechtslage Deutschlands, die kein Problem unbehandelt und unbeantwortet läßt, wird man sich nach Sinn und Aufgabe eines weiteren Werkes zu diesem Rechtsgebiet fragen. Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein, nach Grundlagenvertrag, Grundlagenvertragsurteil und ersten Folgevereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik eine kritische Bilanz zu ziehen. Ferner sollen verschiedene Ansätze für die zukünftige Entwicklung des innerdeutschen Verhältnisses aufgezeigt werden. Dabei wurde versucht, das eigene politische Vorverständnis- soweit man dies überhaupt kann- nicht in die Entscheidungen einfließen zu lassen, um zu möglichst objektiven Ergebnissen zu kommen. Daß dies nicht immer gelungen ist, wird nicht verkannt. Aufgrund des methodischen Ansatzes werden manche der gefundenen Ergebnisse Kritik hervorrufen, eine Kritik, die durchaus beabsichtigt ist. Denn nur durch eine konstruktive Kritik ist es möglich, im Abwägen der verschiedenen Argumente die bestmögliche Lösung für die Zukunft Deutschlands zu finden. Inwieweit diese Lösung dann einer Umsetzung in die politische Realität des innerdeutschen Alltags zugeführt werden kann, ist eine Sache der- nicht immer kontinuierlichenPolitik, die nach anderen Maßstäben entscheiden muß als die Rechtswissenschaft. Die vorliegende Untersuchung stPllt meine überarbeitete Dissertation dar, die dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Tübingen im Herbst 1974 vorgelegt wurde. Literatur, Rechtsprechung sowie die weitere Entwicklung der innerdeutschen Beziehungen bis einschließlich Juni 1975 sind eingearbeitet worden. Nur durch die Unterstützung von mehreren Seiten war es mir möglich, die Arbeit zu vollenden und zu veröffentlichen. An erster Stelle möchte ich hier meinem verehrten Lehrer und Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Themas Oppermann, danken für seinen Rat und seine Hilfe, und der es mir auch ermöglichte, daß die Dissertation in die Reihe "Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht" aufgenommen wurde. Weiter möchte ich meinen Dank Herrn Dr. Hans Heinrich Mahnke aussprechen, der mir manchen Weg für die Bearbeitung der praktischen Probleme des innerdeutschen Verhältnisses aufzeigte.
Vorwort
8
Den größten Dank aber schulde ich meiner Ehefrau, die nicht nur die mit der Erstellung der Arbeit verbundenen Belastungen ertrug, sondern mir auch immer wieder aufmunternd zur Seite stand. Bei der Anfertigung des Manuskripts war sie eine unerläßliche Hilfe. Schließlich möchte ich mich auch noch bei Herrn Ministerialrat a. D. Dr. J. Broermann dafür bedanken, daß er die Dissertation in das Programm seines Verlages aufgenommen hat. Tübingen, im Juli 1975
Kay-Michael Wilke
Inhaltsverzeichnis 21
Einleitung
Teil1
Grundlegende Aspekte der Rechtslage Deutschlands A. Staatenuntergang und Konti nuität im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
I. Einleitung und Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
II. Voraussetzungen des Staatenunterganges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wegfall der Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wegfall des Staatsgebietes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26 26 26 27
III. Untergangsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Annexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Okkupation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dismembration 4. Sezession 5. Debellation 6. Der Zeitablauf als zusätzlicher Faktor des Staatenunterganges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 28 28 30 31 32
IV. Voraussetzungen der Kontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erhaltung der Staatselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Selbstverständnis des Staates als Kriterium der Kontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Indizien für die Kontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35 35
33
35 40
V. Die ausländische Staatenpraxis in bezug auf Staatenuntergang und Kontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zarenreich und UdSSR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Osterreich 1918 ........ . .. . . . .............. . : . . . . . . . . . . . . . . 4. Osmanisches Reich und Republik Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Osterreich 1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Athiopien, Tschechoslowakei und Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Estland, Lettland und Litauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zusammenfassung der Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40 40 40 42 43 44 45 46 47
B. Deutschland nach 1918 und 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
I. Einleitung II. Das Deutsche Reich nach 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50 50
10
lnhaltsverzeichnis III. Deutschland 1945 bis 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutschlandtheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Bundesverfassungsgericht und die Deutschlandtheorien 3. DDR und Deutsches Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Souveränität und Vier-Mächte-Verantwortung . . . . . . . . . . . . a) Einleitende Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Souveränität der BRD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt und Umfang der Vier-Mächte-Rechte . . . . . . . . . . . . d) Die Souveränität der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52 52 53 55 56 56 58 61 64
IV. Grundprobleme der Kontinuität des Deutschen Reiches nach 1945 1. Ausgangspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untergang durch Annexion oder Debellation . . . . . . . . . . . . . . 3. Untergang durch Dismembration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Haltung des Auslandes zur Kontinuität des Deutschen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland . . . . . . . c) Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) UdSSR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Sonstige Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Feindstaatenklauseln in der UN-Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 69 71 71 72 72 72 72 73 73 73 73 74 74 75
V. Die Regierungserklärung 1969 und ihre rechtlichen Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 VI. Theorien über den Fortbestand des Deutschen Reiches . . . . . . . . . 1. Einleitung 2. Die Teilordnungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik an der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lösung praktischer Probleme aufgrund der Teilordnungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Feindstaatenklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Zugehörigkeit zu einem der beiden deutschen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zugehörigkeit zu beiden deutschen Staaten . . . . . . . (c) Gesamtstaatsunmittelbares Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . (d) Berlin als dritte Teilordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Territorium sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Staatsangehörigkeit in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Nachfolge in Verträge des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77 77 77 77 78 85 85 86 86 87 89 89 91 92 95
Inhaltsverzeichnis
11
(5) Nachfolge in das Reichsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (6) Schulden, Wiedergutmachung, Reparationen . . . . . . . . . . 98 (7) Oder-Neiße-Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Die Teilidentitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Geschichte der Theorie und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4. Die Schrumpfstaat theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Kritik an der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Lösungsansätze der Schrumpfstaattheorie . .... .. . .... . . 103
5. Die Sezessionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 C. Deutsche Ostpolitik 1969 bis 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
I. Einleitung
109
II. Die Verträge von Moskau und Warschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . llO III. Das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ll6 1. Die vierseitigen Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Die innerdeutschen Verhandlungen zur Ausfüllung des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 IV. Der Verkehrsvertrag ................ . .... . .................. . 119 V. Resumee der Ostpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 VI. Der Grundver tr ag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Einzelregelungen des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleich des Grundvertrages mit der 20-Punkte-Erklärung von Kassel und dem Vertragsentwurf der DDR von 1969 . . . . 4. Abschließende Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121 121 121
VII. Einzelprobleme zum Grundvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Qualifikation des Grundvertrages . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundvertrag und völkerrechtliche Anerkennung der DDR . . 3. Grundvertrag und Kontinuität des Deutschen Reiches
132 132 133 134
129 131
Teit 2 Das Grundvertragsurteil des Bundesverfassungsgerichts A . D ie Entscheidungsformel des Bundesv erfassun gsgeri chts
137
I. Relevanz des Tenors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Bindungswirkung des Tenors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 III. Gesetzeskraft des Tenors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Allgemeiner Umfang der Gesetzeskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Spezieller Umfang der Gesetzeskraft im Fall der Grundvertragsentscheidung .......... . . .. . .. . . .. .. . ........ ..... . . . 139
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Inhaltsverzeichrtis IV. Probleme der Kopplung von Tenor und Gründen . . . . . . . . . . . . . . 1. Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versuch einer Begründung für die Kopplung .......... .. . .. 3. Folgen der Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zulässigkeit und Notwendigkeit der Kopplung . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung ............... , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142 142 143 145 147 149
B. Die materielle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Recht s-
lage Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
I. Vorbemerkung zum politischen Wert des Verfahrens . ......... II. Notwendigkeit des Sachurteils ........... . ................... III. Deutschlands Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Theorie des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Teilidentität in bezug auf Raum und Staatsvolk . . . . . . . . . . . . 3. Verantwortung der BRD für ganz Deutschland . . . . . . . . . . . . 4. Die Identität der BRD als Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Art. 23 GG, der Gebietsbestand der BRD und Wiedervereinigung .... .... ...... . . ........ .. ... . .... ........ .. . .. . ... .. 6. Die Beweiskraft des Art. 23 GG für den Identität der BRD mit dem Deutschen Reich ............. . .... ............ .... .... 7. Lösung von Einzelproblemen ..... . .................. .... .. a) Allgemeine Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtslage Berlins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenze zwischen BRD und DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Innerdeutsche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Oder-Neiße-Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Nation ...... ... .................. .. ................... h) Vier-Mächte-Verantwortung und Souveränität der beiden Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150 151 154 154 156 157 159 160 163 165 165 166 167 168 169 169 170 171
IV. Die politischen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts .. 173 V. Ausführungen zu völkerrechtlichen Problemen des Grundvertrages ... . . ... . ......... . ............ . ............. . . . ....... 174 VI. Die Konsequenzen der Entscheidung für die Außenpolitik der Bundesrepublik in den Jahren 1949 bis 1969 ................... 178 VII. Aufnahme des Urteils und Kritik am Urteil . ......... .. ...... 182 VIII. Durchsetzbarkeit des Urteils und der Theorie gegenüber der DDR 183 Teil3
Ausgewählte Einzelprobleme des heutigen deutsch-deutschen Verhältnisses A. Die Frage nach der deutschen Nation . . ................ ... ....... . .. . 187
I. Entwicklungslinien in der Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Volk, Staat und Nation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Inhaltsverzeichnis
13
III. Kulturnation und Staatsnation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 IV. Volk, Staatsvolk und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 V. Staatsvolk und Nation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 VI. Das deutsche Staatsvolk seit 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die deutsche Nation seit 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die deutsche Nation aus der Sicht der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Nation in der BRD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die gesamtdeutsche Staats- und Kulturnation . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die deutsche Nation heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
192 193 193 195 195 197
VIII. Die Zukunft der deutschen Nation ............................. 199 B. Die innerdeutschen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
I. Einleitung
........................................... .. ..... 203
li. Die inter-se-Doktrin im Commonwealth-Recht .. .. .. ... . ..... . 203
III. Bestandsaufnahme der innerdeutschen Beziehungen . . . . . . . . . . 205 IV. Modell der besonderen innerdeutschen Vertragsbeziehungen .. 1. Voraussetzungen ......................................... 2. Rechtliche Grundlage ................. . ............ . . . ..... 3. Praktische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Modellvariante auf der Basis des Ireland Act 1949 .. .. ...... 5. Anwendung der Gliedstaatbeziehungen gegenüber der DDR
207 207 207 210 212 214
V. Aktualisierung der besonderen deutsch-deutschen Beziehungen 1. Bereich der BRD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenüber und in Drittstaaten ............................ 3. Aufgaben der Bundesregierung aufgrund des Grundvertragsurteils des Bundesverfassungsgerichts .....................
216 216 216
VI. Einwendungen gegen die Gliedstaatbeziehungen .............. 1. Einleitung ...... .. ....................................... 2. Gliedstaatbeziehungen als Aggression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gliedstaatbeziehungen als Diskriminierung .......... . .... 4. Gliedstaatbeziehungen und das Gebot der Nichteinmischung
219 219 220 224 225
217
VII. Zusammenfassung .... . ................ . .............. . .. . ... 230 VIII. Exkurs 1: Die Verfassungsrevision in der DDR vom 7.10.1974 231 IX. Exkurs 2: Der preußische Kulturbesitz . . . ............ ... .. . ... 232 X. Exkurs 3: Vermögensrechtliche Fragen ... . ............. . . .... 235 XI. Exkurs 4: Berlin ... ..... .......................... .. ........ 238 C. Der innerdeutsche Handel nach dem Grundvertragsurteil . . . . . . . . . . . . 243
I. Geschichte des innerdeutschen Handels .................. .... .. 243 II. Das Protokoll über den innerdeutschen Handel zum EWGVertrag ..................... . ...................... . ........ 244 III. Die Bedeutung des innerdeutschen Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
14
Inhaltsverzeichnis IV. Der innerdeutsche Handel nach dem Grundvertrag . . . . . . . . . . . V. Der innerdeutsche Handel und seine Einordnung in die Deutschlandtheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
246 248 248 249
VI. Zusammenfassung und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 D. Die Ständigen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland und der
Deutschen Demokratischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
I. Einleitung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
II. Einzelregelungen des Protokolls über die Errichtung Ständiger Vertretungen ...... . ............... .. .................... .. . 257 III. Ergänzungen des Protokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 IV. Wertung des Protokolls . ................................... .. . 261 V. Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 E. Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik in der UNO . .... . . .. ..... .. .. . ............... ... .................. .... 264
I. Einleitung
264
II. Mitgliedschaft in der UNO und völkerrechtliche Anerkennung .. 265 III. Mitgliedschaft und gegenseitige Rechtsbeziehungen ....... . ... 267 IV. Mitgliedschaft und Sonderbeziehungen ....... .. ............ ... 269 V. Mitgliedschaft und die Rechtslage Deutschlands ..... .... .. . .... 200 VI. Zukunft der Zusammenarbeit der beiden deutschen Staaten in der UNO und ihrer Sonderorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 F. Republikflucht und Fluchthilfe . ................. . ............. . ..... 274
I. Vorbemerkung
.............. .. ..... ... .................... . . 274
II. Strafbarkeit der Fluchthilfe in der BRD .... . . ...... . . .... . ... 275 III. Geltung des Grundrechts aus Art. 11 GG für DDR-Deutsche ... 275 IV. Aufgaben der Bundesregierungaufgrund des Transitabkommens im Hinblick auf die Fluchthilfe über die Transitstraßen ........ 1. Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche Bindungen der BRD im Rahmen multilateraler Verträge . ..... .... ..... . ... . ............ . ................ 3. Vertragliche Bindungen der BRD im Rahmen bilateraler Verträge mit der DDR ..... . .. .. . . ....... . .... ..... ....... . . .. 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277 277 279 281 284
V. Völkerrechtliche Haftung der BRD für Fluchthilfe ............ 285 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 G. Rechtshilfe in Strafsachen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokrat ischen Republik . . . .... .. . . .. . ..... . . ... 290 I. Der Fall Ingrid Brückmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
Inhaltsverzeichnis
15
Il. Umfang und Grenzen der Rechtshilfe in Strafsachen . . . . . . . . . . . 292 1. Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 2. Die Gerichte der DDR im Rahmen des § 1 RHG ......... ... 293 111. Überlegungen für die künftige Rechtshilfe zwischen beiden deutschen Staaten ........ .. .............. ... ..................... 1. Politische und deutschlandrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . 2. Novellierung des Rechtshilfegesetzes ... ................... . 3. Grundlinien eines Rechtshilfeabkommens der BRD mit der DDR ............. .. ................. . ................. . .. a) Voraussetzungen ....... . .......... . ........... . ....... b) Einzelpunkte . .. . .... . .... . ... ... .. . .. .. .. . . ... . .. . .. . . IV. Schlußbemerkung
300 300 301 302 302 304
. .. . . ...................................... 308
V. Exkurs: Rechtliche Aspekte eines Rückkehrzwangs für DDRBürger .............. .. ............... .. ............. . . . ..... 309
Teit 4
Aussiebten und Alternativen zur Zukunft der beiden deutseben Staaten A. Wiedervereinigung -
Aussichten und Konsequenzen
313
I. Chancen der deutschen Wiedervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3'13
II. Konsequenzen für die Zukunft . ......... . . . .... . ........... . .. 315 B. Deutschlands R echtslage -
Zukunft und Alternati ve
319
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Sticllwortverzeicllnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Abkürzungsverzeichnis ABlEGL AdG AI>N AHKABl AHKG AJIL AK All E.R. Ann. Dig. AöR AP APoluZg ArchVR AWD BAnz BB BGB BGBl BGH BGHStE BGHZE BK/L BK/0 BI. f. dt. u. int. Pol. BSozGE Bulletin
BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG CDU CIM CIV
csu
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Teil 1 = Rechtsvorschriften) Archiv der Gegenwart Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission in Deutschland Gesetz der Alliierten Hohen Kommission in Deutschland American Journal of International Law Außenpolitische Korrespondenz All England Law Reports Annual Digest of Public InternatiOnal Law Cases Archiv des öffentlichen Rechts Außenpolitik Aus Politik und Zeitgeschichte Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsdienst Bundesanzeiger Betriebsberater Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Berlin KommandanturalLetter Berlin Kommandantura/Order Blätter für deutsche und internationale Politik Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Christlich Demokratische Union Convention internationale concernant le transport des marchandises par chemin de fer Convention internationale concernant le tranSport des voyageurs et de bagages par chemin de fer Christlich Soziale Union
Abkürzungsverzeichnis CSSR DAP DArchiv DDRV Deutschlandvertrag DöV DUD DV DVBl EA EG EGKS EuGH EuR EVG EWG EGWV
FAZ
FRG GATT GBl GG Görlitzer Vertrag Grundvertrag GV GVBl GVG HLKO ICLQ IGH
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JfOR JIR
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JR JuS JZ KG KPD KRABl KSZE 2 Wllke
17
Tschechoslowakei Deutsche Außenpolitik Deutschland Archiv Verfassung der DDR Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten Die öffentliche Verwaltung Deutschland Union Dienst Deutschlandvertrag Deutsches Verwaltungsblatt Europa Archiv Europäische Gemeinschaften Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europa Recht Europäische Verteidigungsgemeinschaft Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Frankfurter Allgemeine Zeitung Federal Republic of Germany General Agreement on Tariffs and Trade Gesetzblatt (DDR) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Abkommen zwischen der DDR und der Republik Polen über die Markierung der festgelegten und bestehenden deutsch-polnischen Staatsgrenze Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der BRD und der DDR Grundvertrag Gesetz- und Verordnungsblatt für West-Berlin Gerichtsverfassungsgesetz Haager Landkriegsordnung The International and Comparativ Law Quarterly Internationaler Gerichtshof Internationales Recht und Diplomatie Journal du Droit International Jahrbuch für Ostrecht Jahrbuch für ·Internationales Recht Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart (neue Folge) Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristenzeitung Kammergericht Kommunistische Partei Deutschlands Amtsblatt des-Kontrollrats in Deutschland Konferenz für-Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
18
LG lit. LSA MDR Moskauer Vertrag MRG MV NATO ND NJ NJW NPD NZZ ÖBGBl OLG PolM Pol. Stud. Prager Vertrag PV RGBl RGStE RGW RHG RIAA ROW Rs RsprGH RuStAG RuP RzW SED SJIR SJZ SPD SRP SSR StAG StEG Steno. StGB StGBl StPO StZ
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Tübinger Brief Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) United Nations Organization United Nations Document Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über Fragen des Verkehrs Vierteljahreshefte für Wirtschaftsforschung Vereinte Nationen Verordnung Verordnungsblatt Verordnungsblatt für die britische Zone Volume Volksrepublik Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer Vereinigte Wirtschaftsdienste Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen Westeuropäische Union Wertpapier Mitteilungen Weimarer Reichsverfassung Wiener Übereinkunft über diplomatische Beziehungen Warschauer Vertrag Wörterbuch des Völkerrechts Wiener Vertragsrechtskonvention Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Politik Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Zölle und Verbrauchersteuern
Einleitung Im Oktober 1944 erschien in der führenden amerikanischen Zeitschrift für Völkerrecht, dem American Journal of International Law, ein kurzer Aufsatz von Kelsen1• Er befaßt sich darin mit der von ihm als sicher angenommenen bedingungslosen Kapitulation Deutschlands und deren rechtlichen Folgen. Fast genau 29 Jahre danach verkündet das oberste bundesdeutsche Gericht, das Bundesverfassungsgericht, am 31. 7. 1973 seine Entscheidung zum Grundvertrag zwischen der BRD und der DDR2 , in der es sich mit der Rechtslage Deutschlands nach 1945 befassen mußte. Kam Kelsen3 zu dem Ergebnis, daß das Deutsche Reich untergehen müsse, so stellt das BVerfG fest, daß es weiterexistiere4 • Beide nehmen mit ihren Aussagen zu dem Vorgang der militärischen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 7. 5. 1945 in Reims und 8. 5. 1945 in BerlinKarlshorst Stellung. Zwischen dem Aufsatz von Kelsen und dem Urteil des BVerfG liegt eine Zeitspanne, in der sich eine nicht mehr zu überblickende Literatur zur Rechtslage Deutschlands entwickelte. Es wurde das zentrale Thema der deutschen, vor allem aber der bundesdeutschen Staats- und Völkerrechtsliteratur. Eine Übersicht bieten die verschiedenen Teilbibliographien, die seit 1960 erschienen sind5 • Weit mehr als nach 1918 wurde die objektive Klärung der Rechtsla5e Deutschlands durch politische Wunschvorstellungen und Absichten behindert. Allerdings beruhte dies in erster Linie auf der Bipolarisierung der Welt in ein nicht kommunistisches und in ein kommunistisches Lager in der Zeit des sog. kalten Krieges von 1945 bis Anfang der sechziger Jahre6 • Während dieser Phase haben beide Seiten in einer unglücklichen Weise Politik und Recht vermengt, um dann unter Zuhilfenähme des jeweiligen Rechts meist unverhohlen politische Ziele zu verfolgen. Erst die Mitte der sechziger Jahre einsetzende Entspannung zwischen den Repräsentanten beider Lager, USA und UdSSR, ermöglichte auch eine AJIL Vol. 38, S. 689 ff. BVerfGE 36, 1 ff. 3 AJIL Vol. 38, S. 692. 4 BVerfGE 36, 1, 16. s Rauschning, Gesamtverfassung, S. 117 ff.; ders., Bibliographie, S . 62 ff.; v. Münch, S. 571 ff.; Kieler Symposium, S. 327 ff.; Gascard, Bibliographie, 1
2
&Mft 6
N oack, S. 94.
.
Einleitung
22
Entkrampfung des deutsch-deutschen Verhältnisses, das unlösbar mit dem politischen Schicksal der jeweiligen Führungsmacht verbunden ist. In der Entwicklung von einzelnen Theorien zum rechtlichen Schicksal Deutschlands nach 1945 trat ungefähr Ende der fünfziger Jahre eine Beruhigung ein7 , da alle Möglichkeiten durchgespielt waren. Es begann die zweite Phase der bundesdeutschen Staats- und Deutschlandrechtsliteratur, die gekennzeichnet ist von der Zusammenfassungs der Meinungen. Die regierungsamtliche These des Fortbestandes des Deutschen Reiches, 1949 begründet9 , stand außer jedem Zweifel. Außenpolitisch wurde ihr mit dem zweifelhaften Instrument der Hallstein-DoktrinNachdruck verliehen. Zeigte schon die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Jugoslawien im Jahre 1968 eine gewisse Kursänderung in der Politik, so brachte die Bundestagswahl1969 und der damit verbundene politische Richtungswechsel die entscheidende Zäsur10• Alles, was nun in Politik und Wissenschaft nachfolgte, ist vor dem Hintergrund der Regierungserklärung 1969 zu sehen. Das dort abgegebene Anerkenntnis, daß die DDR ein Staat sei, leitete die deutsche Ostpolitik und die dritte Phase in der deutschlandrechtlichen Literatur ein, deren Merkmale das Überdenken der bisherigen Positionen und die Suche nach einem neuen Selbstverständnis der BRD sind. Die Ostverträge von Moskau, Warschau und Prag sowie das Vier-Mächte-Abkommen und die Vereinbarungen mit der DDR haben eine Unzahl von Aufsätzen, Monographien und Büchern hervorgebracht, deren Kernfrage immer wieder die Frage nach der Rechtslage der beiden deutschen Staaten war. Hinzu kam in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion die Deutsche Frage, gestellt als Frage nach der Deutschen Nation11 • Ausgelöst wurde diese Erörterung durch die von der Bundesregierung stark betonte "Einheit der Nation" 12, die als Brücke über den Graben der deutschen Teilung13 oder Spaltung14 eine Annäherung und sogar die Wiedervereinigung ermöglichen soll. 7 Die letzte neue Theorie stammt von Marschall von Bieberstein, der die Bürgerkriegs- oder Prätendententheorie begründete (Marschall von Bieber-
stein, S . 127 ff.).
Schuster hat mit seinem Buch die umfassende Zusammenfassung vorgelegt. Bundeskanzler Adenauer am 21. 10. 1949 vor dem Bundestag (Text nach v. Münch, S. 202 ff.). 10 Oppermann, EA 1971, S. 83. 11 Schweigler, S. 9. 8
9
12 Regierungserklärung vom 28. 10. 1969 (Texte, Bd. IV, S. 9 ff., S. 12), die von der Wahrung der Einheit der Nation durch Entkrampfung spricht. 13 Der westdeutsche Terminus für die Tatsache der zwei Staaten in Deutschland (Sontheimer I Bleek, S. 23). 14 Der ostdeutsche Terminus (Sontheimer I Bleek, S. 23).
Einleitung
23
Knapp vier Jahre bestand sowohl zu dem einen als auch dem anderen Problem eine fast babylonische Verwirrung der Meinungen und Theorien, da auch die Bundesregierung die Entscheidung in der einen oder anderen Richtung nicht fällen wollte oder konnte. Erst das BVerfG löste mit seiner Grundvertragsentscheidung den "gordischen Knoten" der Rechtslage Deutschlands. Aber mit seiner kategorischen Feststellung, daß das Deutsche Reich von 1867 nicht nur die militärische Kapitulation, sondern auch die Organisation der BRD und der DDR überlebt habe, gab es keine völlig zufriedenstellende Antwort. Denn unklar blieb, auf welche Weise es weiterexistiert. Nicht nur in diesem Punkt wurde der äußere Druck auf das Gericht spürbar, zeigte sich die, nach dem Inkrafttreten des Grundvertrages keineswegs mehr angebrachte, Hast und wurde der damit verbundene, zwangsläufig grobflächige Raster der Gründe für den aufmerksamen Leser sichtbar. Die innerdeutschen Beziehungen und der innerdeutsche Handel, die gegenseitige Anerkennung und die Deutsche Frage, all diese Probleme wurden zwar von dem Gericht erörtert, aber die Antworten, die die Gründe des Urteils auf diese und andere Fragen geben sollten und geben, stellen sich im Vergleich zu den teilweise umfangreichen Erörterungen in der wissenschaftlichen Literatur nicht umfassend genug dar. Statt einer Klärung hat die Entscheidung neue Fragen aufgeworfen, was die seit dem 31. 7. 1973 erschienene Fachliteratur in der BRD und auch der DDR vor Augen führt. Grundproblem blieb weiterhin, was mit dem Deutschen Reich nach 1945 geschah. Von der Beantwortung dieser auch nach Grundvertrag und Grundvertragsurteil aktuellen Frage hängt die Lösung aller weiteren Probleme innerdeutscher Beziehungen ab, die seit den ersten deutsch-deutschen Vereinbarungen um einige neue Varianten wie etwa Fluchthilfe oder Ständige Vertretungen bereichert wurden. Das Völkerrecht und das deutsche Staatsrecht können dabei zwar den maximalen Lösungsrahmen aufzeigen, aber allein die politische Entscheidung und der durch die Integration in das jeweilige ideologische System noch offene Spielraum werden in letzter Konsequenz für die Rechtslage Deutschlands, deren Lösung und die Zukunft von BRD und DDR verantwortlich zeichnen.
TEIL 1
Grundlegende Aspekte der Rechtslage Deutschlands A. Staatenuntergang und Kontinuität im Völkerrecht I. Einleitung und Begriffsdefinition Das Problem der Kontinuität oder Identität ist kein spezifisch deutsches Problem. Auch andere Staaten hatten nach Strukturveränderungen die Frage zu beantworten, ob der jeweilige Staat untergegangen ist oder nicht. Die Beantwortung ist nicht immer frei von Emotionen und politischen Wünschen gewesen. Hier kann das Völkerrecht und die Staatenpraxis eine Hilfe an die Hand geben, die manchen Zweifel ausräumt. Es darf aber nicht übersehen werden, daß über Kontinuität und Identität nicht allein mit dem Instrumentarium des Völkerrechts entschieden werden kann. Denn dieses Problem gehört zu dem Grenzbereich, an dem Völkerrecht, Staatsrecht, Politik, Geschichte und nationales Selbstverständnis aufeinanderstoßen. Rechtlich kann weder die alleinige Anwendung des Völkerrechts noch die des Staatsrechts eine befriedigende Lösung anbieten. Vielmehr nur das Ineinandergreifen der beiden Rechtsgebiete1 kann versuchen, das Problem zu lösen. Kontinuität und Identität betreffen nach herrschender Meinung2 denselben Kompiex. Allerdings meinen beide Begriffe nicht denselben Vorgang, so daß sie etwa gegeneinander austauschbar wären. Kontinuität, und in diesem Sinne wird das Wort nachfolgend verwandt, bedeutet die rechtliche Fortexistenz eines Staates und sieht somit den historiSchen Ablauf von dem entscheidEmden Zeitpunkt an in Blickrichtung Zukunft. Identität geht einen Schritt weiter und besagt, daß der Staat A nicht nur rechtlich weiterexistiert, sondern sogar mit dem Staat A' rechlieh identisch ist. Insofern ist die Blickrichtung der Identität grundsätzlich nach rückwärts gewandt, da rückschauend das Ereignis bewertet wird. Von dieser inhaltlichen Bedeutung ist auszugehen.
1 2
Ermacora, S. 1151; Fiedler, ZfPol1973, S. 170. Bernhardt, WVR, Bd. II, S. 295; Kimmnich, DVB11970, S. 438.
26
Teil 1: Grundlegende Aspekte der Rechtslage Deutschlands II. Voraussetzungen des Staatenunterganges 1. Einleitung
Das Problem, ob der Staat als Inbegriff des geordneten Gefüges unter einem Machtträger untergegangen ist oder nicht, kann sich nur dann stellen, wenn innere und/oder äußere Ereignisse die Gesamtstruktur des Staates derartig beeinträchtigt haben, daß der Fortbestand des Rechtssubjekts bei objektiver Betrachtung zumindestens zweifelhaft erscheint. Dabei stellt die bejahende Beantwortung der Frage nach der Kontinuität nur eine negative Aussage dar: es hat kein Untergang des Staates stattgefunden3. Eine Definition der Kontinuität muß in erster Linie negativ all die Tatsachen feststellen, die nicht geschehen sind. Somit bedeutet Kontinuität positiv ausgedrückt: Nichtvorliegen der Untergangsgründe. Der Untergang des Staates ist im Prinzip dann gegeben, wenn eines der drei klassischen Staatselemente- Staatsgewalt, Staatsgebiet, Staatsvolk - entfällt', wobei der plötzliche Untergang des gesamten Staatsgebietes, etwa durch ein Naturereignis wie bei der sagenhaften Insel Atlantis, und der Untergang des gesamten Staatsvolkes, etwa durch eine Epidemie, als rein hypothetische Ursachen außer acht bleiben können. Als für den Untergang des Staates relevante Gründe kommen demnach nur der Wegfall der Staatsgewalt und der Teilwegfall des Staatsgebietes in Betracht. 2. Wegfall der Staatsgewalt
Der Wegfall der Staatsgewalt ist der in der Praxis am häufigsten vorkommende Fall5 • Das Fehlen dieses Staatselementes zieht dann, je nach dem historischen Ablauf, den Untergang des einen oder der beiden anderen Staatselemente nach sich. Daraus rührt auch die starke Betonung der Staatsgewalt gegenüber den beiden anderen Elementen her6 • Ein Wegfall der gesamten Staatsgewalt bedingt nicht nur einen Wegfall der obersten Staatsorgane, die den Staat nach außen vertreten, wie z. B. Nichtexistenz der Staatsregierung, sondern den Wegfall der Staatsgewalt bis zur untersten Ebene, die vor Eintritt des den Untergang auslösen3 4
Marek, S. 547; Fiedler, ZfPol1973, S. 155. Jellinek, S . 283 ff. So sind die bei Marek, S. 191 ff., angeführten
5 Beispiele für ihre Untersuchung der Kontinuität im 20. Jahrhundert alle durch Wegfall der Staatsgewalt in den Problemkreis von Kontinuität und Staatenuntergang gelangt, wobei man allerdings darüber streiten könnte, ob zuerst das Staatsgebiet und dann die Staatsgewalt weggefallen ist oder die Reihenfolge umgekehrt war; Ermacora, S. 1151, sagt, daß es sich beim Staatsuntergang immer- um einen Untergang der Staatsgewalt handelt. 6 Nawiasky, Allgemeine Staatslehre, S. 7; Ermacom, S. 57 f.
A. Staatenuntergang und Kontinuität im Völkerrecht
27
den Ereignisses in der Lage war, Hoheitsakte zu setzen und deren Durchführung zu veranlassen7 • Als weiteres Erfordernis für den Staatsuntergang ist es notwendig, daß die Staatsgewalt endgültig untergeht. Eine vorübergehende Suspendierung der Staatsgewalt bedeutet nach allgemeiner Ansicht nicht den Untergang des Staates, wenn die Fortsetzung der Ausübung der Staatsgewalt in angemessener Frist erfolgt8 • Erst das Chaos ist der Beweis für den Untergang der Staatsgewalt, sofern dieser Zustand länger andauert und die Gründe für den Wegfall des Staatsgebietes nicht eingreifen, somit ein isolierter Wegfall der Staatsgewalt gegeben ist. Bei einem kumulativen Wegfall von Staatsgewalt und Staatsgebiet dagegen ist die Feststellung des Wegfalls der Staatsgewalt ohne Zeitfaktor in der Regel ausreichend. 3. Wegfall des Staatsgebietes
Sofern der tatsächliche Wegfall des Staatsgebietes vorliegt, unterscheidet man zwischen totalem und nur teilweisem, sowie zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Verlust des Territoriums. Für die Untersuchung der Frage aber, ob ein Staat weiterexistiert und etwa mit dem "Vorgänger"9 identisch ist, sind die Unterscheidungen von sekundärer Bedeutung. Eine größenmäßige Veränderung des Territoriums stellt kein gewichtiges Indiz für oder gegen die Kontinuität dar10• Als Hauptgründe für den Wegfall des Staatsgebietes erkennt das Völkerrecht an11 : a) b) c) d) e) f)
Annexion (Einverleibung); Okkupation (Besetzung); Dismembration (Auflösung); Sezession (Abtrennung); Zession (Abtretung); Fusion (Zusammenschluß).
Diese tatsächlichen Vorgänge, die den Verlust des Staatsgebietes oder den Untergang des Staates bedingen, können nur theoretisch isoliert auftreten, ohne daß nicht zugleich ein Verlust oder Teilverlust der Staatsgewalt und des Staatsvolkes, dem dritten Staatselement, eintritt. 7 Verdross, WVR, Bd. III, S. 480. s Bernhardt, WVR, Bd. II, S. 296.
9 Rechtlich kann es sich nicht um einen Vorgänger handeln, da es bei Kontinuität nicht einen Altstaat und einen Neustaat gibt, so daß dies hier im historischen Sinne zu verstehen ist. 10 Bernhardt, WVR, Bd. li, S. 295. 11 Berber, Bd. I, S. 336.
28
Teil 1: Grundlegende Aspekte der Rechtslage Deutschlands
Die angeführten Gründe zerfallen in zwei Gruppen, die sich in einem wesentlichen Punkt unterscheiden. Zession und Fusion sind die regelmäßig friedlichen Untergangsgründe, während die übrigen angeführten Ereignisse fast immer mit Gewalt verbunden sind. Dieses Moment der gewaltsamen Zerstörung der Staatsgewalt und des Staatsgebietes hat wieder Auswirkungen auf die Beurteilung, wann ein Staat untergegangen ist. Während nämlich bei einem friedlichen Untergang der oben angeführte Zeitfaktor außer acht gelassen werden kann, spielt er eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung von gewaltsamen Vorgängen. 111. Untergangsgründe 1. Annexion
Die gewaltsame Annexion12, die zwar völkerrechtswidrig ist, aber dennoch vorkommt, hat nicht nur die Inkorporation des eroberten Gebietes zum Ziel, sondern auch die Ausdehnung der erobernden Staatsgewalt auf das eroberte Gebiet. Sie ist gekennzeichnet vom Willen der Endgültigkeit der Annexion. Die gewaltsame Annexion stellt seit 1932 keinen rechtsgültigen Titel für den Erwerb eines Gebietes dar. In diesem Jahr wurde die nach dem amerikanischen Außenminister benannte Stimson-Doktrin13 verkündet, die zum Inhalt hat, daß gewaltsame Gebietsveränderungen keine rechtlichen Folgen der Art hätten, daß das eroberte Gebiet, vom Zeitpunkt der endgültigen Beseitigung der dortigen Staatsgewalt an gerechnet, zum Territorium des Eroberers rechtlich gehöre. Daß faktisch dennoch diese Folge eintritt, ist für die rechtliche Bewertung irrelevant. Ein rechtsgültiger Erwerb scheitert an dem Mangel der rechtswidrigen Aneignung, so daß das Institut der Ersitzung z. B. nicht eingreifen kann. Ob der Mangel heilbar ist, ist umstritten, dürfte aber zu verneinen sein14• Die Stimson-Doktrin ist die logische Fortsetzung des Briand-KellogPaktes von 192815, der den Krieg als Mittel der Politik ächtet. In der westlichen Völkerrechtslehre ist anerkannt18, daß sich bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges schon der Satz des Völkergewohnheitsrechtes gebildet hatte, daß eine gewaltsame Gebietsveränderung nur eine rechtswidrige u Bindschedler, WVR, Bd. I, S. 68 f.; Berber, Bd. I, S. 344; gewaltsam hier im Sinn von physischer Gewalt oder Androhung derselben. u Dahm, Bd. I, S. 606 f.; Berber, Bd. II, S. 33. 14 Bindschedler, WVR, Bd. I, S. 69, weist auf die Gültigkeit von annexionistischen Akten hinaufgrunddes allgemeinen Völkerrechts, schränkt aber dies im Hinblick auf den Briand-Kellog-Pakt ein; ebenso Verdross, S. 288. 15 RGB11929 II, S. 97 ff. 18 Berber, Bd. II, S. 38 f.; a. A. Dahm, Bd. I, S. 607 f.; Streitstanddarstellung bei Dahm, Bd. I, S. 608, Anm. 20.
A. Staatenuntergang und Kontinuität im Völkerrecht
29
faktische Veränderung. der Verhältnisse darstelle, die rückgängig zu machen ist. Seit 1945 kommt die Norm des Völkervertragsrechts hinzu -Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta - , die das Gewaltverbot für die Mitglieder der Organisation statuiert. Heute besitzt dieser Rechtssatz für die gesamte Völker-17 und Staatengemeinschaft Gültigkeit. Seine Verbindlichkeit ist doppelt normiert durch Völkergewohnheits- und Völkervertragsrecht. 2. Okkupation
Bei der Okkupation unterscheidet man zwischen friedlicher Besetzung (occupatio pacifica) und kriegerischer Besetzung (occupatio bellica)18 • Obwohl die occupatia pacifica in der Form der militärischen Besetzung auch in Friedenszeiten vorkommen kann19, ist die kriegerische Besetzung des Staatsgebietes im Rahmen der Kampfhandlungen der RegelfalL Die Folgen der Okkupation sind zweifelhaft, da die occupatio bellica nicht automatisch den Verlust des Staatsgebietes und der Staatsgewalt zur Folge haben muß, nämlich dann, wenn der Wille, die Okkupation als Dauerzustand einzurichten20 , fehlt. Ausgangspunkt der kriegerischen Besetzung ist die Tatsache, daß eine kriegsführende Partei gezwungen ist, zur Niederringung des Feindes dessen Staatsgebiet zu besetzen. Diese Art der Besetzung ist eine erlaubte Folge des Krieges, wobei in der Regel der Wille des Besetzenden dahingeht, die Okkupation nach Beendigung des Krieges aufzuheben. Der Wille auf dauernde Okkupation als Folge der occupatio bellica ist als verschleierte Annexion zu werten. Demnach stellt sich die kriegerische Besetzung nur als eine faktische Behinderung in der Ausübung der Staatsgewalt dar21 • Sie hat auf die Staatsgewalt nur bedingt rechtliche und in erster Linie tatsächliche Folgen22 , da sie eine Beschränkung der Territorialhoheit ist. Die Besetzung hat dann zu enden, wenn das mit ihr verfolgte Ziel erreicht ist, die militärische Niederringung des Feindes. Daraus folgt auch ihr nur vorübergehender Charakter. Die Okkupation ist also im Gegensatz zur Annexion nicht mit dem Zeichen der Endgültigkeit versehen. Eine weiterandauernde Besetzung kann nur dann völkerrechtsgemäß sein, wenn sie aus kriegsbedingten Gründen notwendig ist23 , oder wenn 17 Frowein, S. 53 f., bejaht die Gültigkeit dieses Satzes auch für das de factoRegime. 1s Uhler, WVR, Bd. I, S. 193. 1• Uhler, WVR, Bd. I, S. 194. 20 Dahm, Bd. I, S. 583; Uhler, WVR, Bd. I, S. 195. u Verdross, S. 295. 22 Verdross, S ..463. 23 So wohl aus französischer Sicht die Besetzung des Rheinlandes 1923.
Teil 1: Grundlegende Aspekte der Rechtslage Deutschlands
30
dies im Einvernehmen mit dem besetzten Staat erfolgt24. Im letzten Fall hat sich dann die occupatio bellica in eine occupatio pacifica umgewandelt. Da diese Umwandlung aber erst nach Abschluß eines Friedensvertrages erfolgen kann, ergeben sich Schwierigkeiten bei der Qualifikation der Besetzung, die im Zeitraum zwischen Erreichung des Kriegszieles und vor Abschluß des Friedensvertrages erfolgt. Bis zu einem bestimmten Punkt wird man diese Besetzung noch der occupatio bellica zurechnen oder zumindestens als Ausfluß einer solchen ansehen können. Doch wenn ein - völkerrechtlich nicht bestimmter - Zeitraum verstrichen ist, z. B. die Zeit, in der Friedensverträge normalerweise abgeschlossen werden könnten25, vorbei ist, muß man zu dem Institut einer friedlichen Besetzung kommen, die ihren Rechtsgrund teils im Recht der Sieger auf eine Besetzung, teils in der von dem besetzten Land gewünschten, aber vertraglich nicht vereinbarten friedlichen Besetzung findet~ 6 • Wenn die Doppelnatur der Besetzung aber keine faktischen Beschränkungen der Territorialhoheit mehr aufweist, sondern nur noch in der Stationierung von Truppen zum Ausdruck kommt, so ist die Besetzung als beendet anzusehen27, auch wenn den Truppen noch Vorrechte und Befreiungen zustehen. Denn diese, wenn auch vertraglich abgesicherten, Rechte haben ihren Geltungsgrund in den Privilegierungen, die das Völkerrecht bestimmten Fremden als Teil des allgemeinen Fremdenrechts zukommen läßt28 • 3. Dismembration
Wenn ein Staat in zwei oder mehr neue Staaten aufgeteilt wird29 , wobei jeder Staat ein neuer Staat für sich darstellt30, spricht man von Dismembration31. Dabei stellt die Dismembration eine Form der Aufgliederung dar, die von der Abtrennung (Sezession)32 scharf zu trennen ist. Die Dismembration führt zum völligen Untergang des vorher bestehenden Staates, was in der Wortwahl von "to break up into" durch Oppenheim33 24
Verdross, S. 295.
Während man noch nach dem 1. Weltkrieg diesen Zeitraum mit 5 bis 6 Jahren ansetzen konnte, zeigte sich nach dem 2. Weltkrieg, daß man für den 25
Abschluß von Friedensverträgen keine festen Zeiträume mehr ansetzen kann. 26 Uhler, WVR, Bd. I, S. 194, nennt dies ein "occupatio sui generis". 27 So z. B. Art. 1 DV. 2s Berber, Bd. I, S. 401 f. Kelsen I Tucker, S. 416. Oppenheirn I Lauterpacht, S. 164. st v. Münch, WVR, Bd. III, S. 523. 32 v. Münch, WVR, Bd. III, S. 523.
29
30
33 "When a State breaks up into fragments which themselves became States ..., it becomes extinct as an International Person.'' (Oppenheim I Lau-
terpacht, S. 164).
A. Staatenuntergang und Kontinuität im Völkerrecht
31
deutlicher zum Ausdruck kommt als durch die deutsche Bezeichnung "Aufgliederung". Die Folgen dieses Vorganges sind neben dem Untergang des Staates durch den kumulativen Wegfall des gemeinsamen Staatsgebietes und der gemeinsamen Staatsgewalt, daß diejenigen Rechtsnormen zum Tragen kommen, die bei den Staaten zur Anwendung gelangen, die miteinander verschmolzen sind unter Aufgabe der eigenen Rechtspersönlichkeit34 des einen von zweien. Beispiel für eine Dismembration ist der nicht unbestrittene Fall der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn nach 1918. Nach überwiegender Ansicht ist Österreich-Ungarn vermittels Aufgliederung untergegangen und sowohl Österreich als auch Ungarn sind neben den anderen Nachfolgestaaten neu entstandene35 nichtidentische Staaten, die das Völkerrechtssubjekt Österreich-Ungarn nicht fortsetzen. Diese Auffassung haben nach 191936 Österreich37 und z. B. auch die Tschechoslowakei38 vertreten. 4. Sezession
Der Loslösung (Sezession oder Emanzipation) liegt der Gedanke der Abtrennung eines Teils vom weiterbestehenden Ganzen zugrunde39• Hier ist davon auszugehen, daß der Rest- oder Rumpfstaat weiterbestehen bleibt, obwohl die Abtrennung eines Teils seines Staatsgebietes einen schwerwiegenden Eingriff in die Gesamtstruktur des vormaligen Staates darstellt. Entscheidend, ob Sezession oder Dismembration vorliegt, ist das Verhalten und das Selbstverständnis des weiterexistierenden und des neu entstandenen Staates40 • Sieht sich keiner der beiden Staaten als mit dem bisher bestehenden Gesamtstaat identisch an, so liegt der Vorgang der Dismembration vor. Betrachtet sich dagegen der territorial verkleinerte Altgesamtstaat als mit dem bisherigen Völkerrechtssubjekt identisch und behauptet die kontinuierliche Fortführung desselben, so liegt der Fall der Loslösung eines Teils vom Ganzen vor. Die Möglichkeit, daß bei einer territorialen Aufteilung eines Gesamtstaates beide Teile sich für mit dem bisherigen Staat identisch erklären, lehnt die Völkerrechtslehre ab41 • Der Staat Pakistan hat zwar diese Position einmal eingenom34
Oppenheim I Lauterpacht, S. 164. Dahm, Bd. I, S. 97, Anm. 5; Kelsen I Tucker,
S. 416. Nach dem Abschluß des Friedensvertrages von St. Germain. 37 Dahm, Bd. I, S. 97, Anm. 5. 38 Dahm, Bd. I, S. 105, und S. 105, Anm. 16. 39 Berber, Bd. I, S. 337; Dahm, Bd. I, S. 95; Kelsen I Tucker, S. 416 f.; Oppenheim I Lauterpacht, S. 166. 4o Dahm, Bd. I, S. 97. 41 Schuster, S. 91 f.; Dahm, Bd. I, S. 94; Blumenwitz, Grundlagen, S. 95. 3s 36
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Teil 1: Grundlegende Aspekte der Rechtslage Deutschlands
men42 , als er sich um die Mitgliedschaft in der UNO nicht neu bewerben wollte, aber diese Rechtsansicht wurde fast einhellig als mit dem geltenden Völkerrecht nicht in Einklang abgelehnt43• Zu dem Selbstverständnis der beiden Staaten im Falle einer Sezession muß die adäquate Rechtsauffassung der übrigen Völkerrechtssubjekte treten, so daß erst bei einer Entsprechung von Selbstverständnis und Rechtsauffassung eindeutig geklärt ist, ob eine Dismembration vorliegt oder eine Sezession44• Dieses wesentliche Unterscheidungsmerkmal für die verschiedenen Rechtsvorgänge wird an zwei Beispielen aus der Staatenpraxis deutlich. Nach der Loslösung Belgiens von den Vereinigten Niederlanden am 4. 11. 1830 sah sich das Königreich der Niederlande als mit dem durch den Wiener Kongreß von 1814/15 geschaffenen Staat identisch an. Die Teilung des Gesamtstaates wird daher als Fall der Sezession betrachtet45, da auch die entsprechende Rechtsauffassung der übrigen damaligen Völkerrechtssubjekte gegeben war. Die Republik Österreich dagegen betrachtet sich als Nachfolgestaat der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn48, und sieht z. B. die Rechtsgrundlage zur Übernahme von Schulden des Kaiserreichs nur in dem Friedensvertrag von 191947 , nicht etwa in der Identität zwischen Republik und Monarchie, da sich nicht die anderen Staaten losgelöst haben, sondern das Kaiserreich insgesamt zerfallen ist. Eine adäquate Rechtsauffassung der übrigen Völkerrechtssubjekte ist nur teilweise gegeben, so daß der historische Vorgang 1918 nicht eindeutig rechtlicherfaßt ist. 5. Debellatlon
Wie sich schon aus dem lateinischen WOrtursprung ergibt, handelt es sich bei der Debellation um einen Vorgang, der eine direkte Folge einer kriegerischen Auseinandersetzung darstellt48• Kennzeichen der debellatio ist eine völlige Niederringung des Feindes und die damit verbundene völlige Auflösung der Staatsgewalt49 • Dieser Wegfall eines Staatselementes wird dann in der Regel zum Untergang des Staates führen, so daß das Subjekt als internationale Rechtsperson aufhört zu existieren50• Darstellung des Vorgangs im UN-Yearbook, Vol. 2, S. 39 f . UN-Yearbook, Vol. 2, S. 40; UN-Official Record, S. 38 ff. " Dahm, Bd. I, S. 97. 45 Dahm, Bd. I, S. 97; v. Münch, WVR, Bd. III, S. 523. 48 Kelsen I TuckeT, S. 384, 416; Dahm, Bd. I, S. 97, Anm. 5. 47 Dahm, Bd. I, S. 97, Anm. 5; Deutschösterreichs Antwort, S. 7. 48 Berber, Bd. I, S. 342, Bd. II, S. 100. 49 Verdross, S . 250 f.; ders., WVR, Bd. III, S. 480. so Berber, Bd. II, S. 99 f. 42
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A.
Staatenuntergang und Kontinuität im Völkerrecht
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6. Der Zeitablauf als zusätzlicher Faktor des Staatenunterganges
Ein wesentlicher Faktor, der bei der allgemeinen Darstellung der Untergangsgründe außer acht geblieben war, ist der Zeitablauf. Heute besteht im Völkerrecht die vorherrschende Meinung, daß eine vorübergehende Beseitigung der Staatsgewalt die Kontinuität des Staates nicht beeinträchtigt51 , wenn die sonstigen Elemente des Staates in ihrem Wesenskern erhalten bleiben52• Der Zeitfaktor ist derart bedeutend, daß er auch den eindeutig zum Ausdruck gebrachten Willen des Annektierenden oder Okkupierenden auf eine auf Dauer angelegte Herrschaft, den animus occupandi53, aufheben kann und die tatsächliche Nichtausübung der Staatsgewalt, selbst wenn diese völlig zerstört wird, nicht zum Anlaß für den Staatenuntergang nimmt54• Offen ist allerdings die Frage, wie lange die Nichtausübung oder Nichtexistenz der Staatsgewalt andauern darf, denn es gibt hier keine anerkannten Regeln. Sicher ist nur, daß z. B. eine Unterbrechung von zehn Jahren keine negativen Auswirkungen auf die Kontinuität eines Staates hat55, bzw. positiv einen Staatsuntergang nicht herbeiführt. Eine Festlegung der Obergrenze, ab der die Unterbrechung relevant wird und eine Kontinuität nicht mehr gewährleistet ist, stößt auf erhebliche Schwierigkeiten. Diese rühren zum großen Teil daher, daß Staaten, deren eigenständige Staatlichkeit länger unterbrochen war, ihre Identität und Kontinuität nicht nur mit völkerrechtlichen Normen, sondern auch mit ethnischen und nationalen Ansprüchen sowie dem Willen zur Identität begründen56• So sieht etwa Algerien57 die Unabhängigkeit 1961 nur als Ende der französischen Militärbesetzung an, obwohl es einer objektiven Betrachtung schwer fällt, im Jahre 1830 die Ansätze eines algerischen Staates zu finden. Man muß daher die Lösung der oben gestellten Frage in einer Einzelfallregelung sehen, die auf den jeweiligen bestimmten Staat abstellt und nicht verallgemeinerungsfähig ist. Zwar bedeutet dies eine Rechtsunsicherheit, aber das Grundprinzip der völkerrechtlichen Irrelevanz der Nichtexistenz des Staates über einen gewissen Zeitraum hinweg bleibt im Ansatz erhalten und bedarf nur der jeweils konkreten Ausgestaltung. Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der faktischen Beseitigung der Staatsgewalt über einen längeren Zeitraum hin ist, ob die Be51 Verdross, S. 250 f.; ders., WVR, Bd. III, S. 480; Bernhardt, WVR, Bd. II, S. 298; Menzel, S. 219. 52 Kelsen I TuckeT, S. 384. 53 Dahm, Bd. I, S. 583. st Mahnke, S. 105 f. 55 Bernhardt, WVR, Bd. II, S. 296; Mahnke, S. 106; Verdross, WVR, Bd. III, 8. 480. 56 Mahnke, 8.106 f., und 107, Anm. 37. 57 Mahnke, 8.107.
3 Wilke
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Teil 1: Grundlegende Aspekte der Rechtslage Deutschlands
urteilung der Möglichkeit der Wiederorganisation der Staatsgewalt nach deren Suspendierung für den völkerrechtlich unwesentlichen Zeitraum ex post oder ex ante zu erfolgen hat. Einige Autoren38 treten für eine ex ante-Betrachtung ein, um der augenblicklichen Lage dann gerecht zu werden. Denn nur durch eine ex ante-Betrachtung sei die Lösung der jeweiligen Gegenwartsprobleme zu erreichen. Einer solchen Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die Vorteile einer ex post-Betrachtungliegen auf der Hand, denn sie berücksichtigt nicht nur den rein faktischen Geschehensablauf, sondern umgeht auch das Problem, das sich stellt, wenn aus einer ex ante-Betrachtung der Staatsuntergang zu folgern ist, eine objektive ex post-Betrachtung aber zum Faktum der Kontinuität gelangt. Während diejenigen, die den Standpunkt einer ex post-Betrachtung vertreten, den Nachweis der Identität unter Hinweis auf die nur vorübergehende Beseitigung der Staatsgewalt in einem völkerrechtlich irrelevanten Zeitraum führen können, müssen diejenigen, die die konträre Position einnehmen, über die Frage der Identität und Kontinuität mittels einer Fiktion entscheiden50 • Der Staat wird also nur so behandelt, als wenn er nicht untergegangen sei. Der wesentliche Unterschied zwischen Tatsache- so die ex post-Betrachtung-und Fiktion- so die ex anteBetrachtung - besteht darin, daß letztere zwar eine gleichwertige Regelung erreicht, aber der Tatsache nicht gleichwertig ist. Die Fiktion braucht nicht unbedingt den wahren Tatsachen zu entsprechen, wiewohl sie nicht deren Gegenteil behaupten muß. Sie ist eine "suggestive Verweisungsform"60. Zwar ist es übertrieben, die Fiktion als Heuchlerei abzutun, wie dies bei Hegel61 der Fall ist, aber sie stellt zumindestens eine Annahme dar, die in ihrer Gültigkeit von der Realität unabhängig ist62 • Das minus der Fiktion gegenüber der Tatsache ist also gegeben. Hinzukommt, daß eine Fiktion der Identität, so wie sie Dahm63 versteht, neben den philosophischen Bedenken auch eine Gefahr für das Selbstverständnis des Staates bedeutet. Denn die Rechtsposition eines nur fiktiv identischen Staates ist gegenüber den übrigen Völkerrechtssubjekten erheblich schwächer als die eines tatsächlich identischen Staates, wenn die Frage der Kontinuität und Identität von Wichtigkeit wird. Daher ist die Aufassung der ex ante-Betrachtung abzulehnen und hat die Beurteilung der Wiederherstellungsmöglichkeit der Staatsgewalt ex post zu erfolgen. Bernhardt, WVR, Bd. II, S. 296; Dahm, Bd. I, S . 91. Dahm, Bd. I, S. 91: Theorie der wiederhergestellten Staatsgewalt; Kelsen I Tucker, S. 385: re-established. 80 Esser, S . 133. 61 Philosophie des Rechts, § 3 a. E. &2 Apel/ Ludz, S. 95. oa Dahm, Bd. I, S. 91. 58
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A. Staatenuntergang und Kontinuität im Völkerrecht
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IV. Voraussetzungen der Kontinuität 1. Erhaltung der Staatselemente Die Darstellung der Gründe, die einen Staatsuntergang bewirken können, zeigt deutlich auf, daß die Bestimmung der Kontinuität leichter durch negative als durch positive Feststellungen erfolgen kann. Demzufolge geht auch jede Kontinuitätsbehauptung von zwei Elementen aus: den fehlenden Untergangsgründen und der Erhaltung der drei Staatselemente84, wobei aber nicht ein bestimmter Umfang der Elemente gegeben sein muß, sondern nur der Kern des einzelnen Elements85• Ein unveränderter Bestand der Staatsgewalt, des Staatsvolkes und des Staatsgebietes ist daher nur ein, wenn auch sehr starkes, Indiz für die Kontinuität. 2. Das Selbstverständnis des Staates als Kriterium der Kontinnitit Weiter muß, wie schon bei der Darstellung der Sezession ausgeführt wurde, das Bewußtsein gegeben sein, daß der alte Staat fortbesteht, gleich ob die Staatsgewalt untergegangen ist oder nicht. Das Selbstverständnis des Staates in seinen natürlichen Gliedern entscheidet mit über Kontinuität und Untergang. Es kommt dem Volk, unabhängig von der einzelnen Person, eine bedeutende Rolle zu: Der Wille zum Fortbestand und Selbstverständnis müssen beachtet werden. Dürig06 hat in seinem grundlegenden Bericht die Bedeutung dieser beiden Elemente aufgezeigt. Seine rechtsphilosophischen Überlegungen, die zu der von ihm als viertes Staatselement87 qualifizierten "objektiven geistigen Tradition" 88 führen, beweisen den hohen Stellenwert des staatlichen Selbstverständnisses69. Mag auch die Qualifizierung als viertes Element zu hoch gegriffen sein, so kommt doch in der Untersuchung aufgrund der, gewollten oder ungewollten, Überzeichnung zu Recht die Relevanz der Bewußtseinssphäre deutlich zum Ausdruck. Dabei betont er70, und dies darf nicht übersehen werden, daß die Wirkung des Selbstverständnisses nicht absolut ist, sondern nur im Bereich der Möglichkeit liegt. Das voluntaristische Element, das SchätzeF 1 stark betont, wirft aber einige Probleme auf, 64 65
Bernhardt, WVR, Bd. II, S. 298. Kelsen I Tucker, S. 384: "if the territory remains essentially the same".
VVDStRL Bd. 13, S. 27 ff. Dürig, VVDStRL Bd. 13, S. 49. 68 Dürig, VVDStRL Bd. 13, S. 49 ff. 69 Dürig, VVDStRL Bd. 13, S. 50, 54. 70 Dürig, VVDStRL Bd. 13, S. 50. 11 S. 78: der Wille zur Kontinuität ist die Ergänzung des Selbstverständnisses; während allerdings Dürig, VVDStRL Bd. 13, S. 50 die Auffassung anderer Staaten außer acht lassen will, geht Schätzel, S. 78, den anderen, richtigen Weg, indem er von dem "von den anderen Staaten anerkannten Willen" spricht, ohne allerdings die sich daraus ergebenden Probleme zu untersuchen. 66
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a•
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Tei11: Grundlegende Aspekte der Rechtslage Deutschlands
wobei die Lösung sowohl für dieses als auch für das Element des Selbstverständnisses gilt. Vorweg ist zu klären, ob das Selbstverständnis des Staates, der Wille zur Kontinuität und die erklärte Rechtsposition ohne Hinzutreten weiterer Aspekte den Staatsuntergang oder die Staatskontinuität regeln können. Dies wird man wohl eindeutig verneinen können. Die Einnahme der Rechtsposition muß vor dem Hintergrund grundlegender Umwälzungen erfolgen. Ob dabei die Auffassung des Staates und die objektiven Tatbestände des Völkerrechts kongruent sind, kann nur eine Indizwirkung haben. Auch kann der alleinige Wille zur Kontinuität oder gar Identität dann wenig erreichen, wenn das Übergewicht der dagegensprechenden Tatsachen zu groß ist. Die Auffassung von der Kontinuität bzw. Diskontinuität des Staates muß mit der Rechtsansicht der übrigen Völkerrechtssubjekte harmonieren. Durch die Teilung der Welt in zwei Blöcke und die dementsprechende Teilung der Völkerrechtslehre in eine westliche oder bürgerliche und eine sozialistische wird die Frage aufgeworfen, wieviel Staaten die adäquate Rechtsauffassung teilen müssen, um das genannte Erfordernis zu erfüllen. Nicht erforderlich i~t zweifelsfrei, daß alle Staaten und Völkerrechtssubjekte dieselbe Rechtsauffassung vertreten müssen. Dies läßt sich daraus ableiten, daß im Völkerrecht, das als genossenschaftliches Recht7' kein übergeordnetes, zentrales Rechtssetzungsorgan kennt73, das Prinzip der mehrheitlichen Zustimmung herrscht74 • Beispielhaft zeigt sich dieser Grundsatz daran, daß die Völkerrechtslehre für das AnerkenntBerber, Bd. I, S.17 ff. Berber, Bd. I, 8.17. 74 Berber, Bd. I, S. 18, verlangt einstimmige Beschlußfassung und lehnt jede Majorität ab. Wenn man aber bedenkt, daß seit dem Erscheinen des Buches im Jahre 1960 rund ein Drittel der heutigen Staaten, nämlich über 40 Staaten der Dritten Welt, erst neu entstanden sind, kann man den Satz nicht mehr in dieser absoluten Form aufrechterhalten und muß das Prinzip einer größtmöglichen Zustimmung anwenden, das aus den von Berber, Bd. I, S. 22, und S. 22, Anm. 2, angeführten Gegebenheiten der Schwierigkeit einer universellen Zustimmung folgt. Allerdings muß man darauf abheben, welcher Staat die Zustimmung verweigert. Sind dies Staaten, deren sozio-ökonomisches und militärisches Gewicht sehr beträchtlich ist, muß man eine allgemeine Geltung in Zweifel ziehen. Andererseits läßt das im Völkerrecht anerkannte Prinzip der Gleichwertigkeit aller Staaten ein Abstellen auf die Macht des einzelnen Staates als unzulässig erscheinen. Die Lösung des Problems wird in einem Mittelweg zu finden sein, der zwar das Gewicht des einzelnen Staates berücksichtigt, aber auch dem Prinzip der Gleichrangigkeit gerecht wird. Denn die veränderte Weltlage läßt ein allgemeines "Vetorecht" der Hauptindustrienationen nicht zu, da dies unter veränderten Vorzeichen der Situation bis 1939 entsprEchen würde. Ansätze zu diesem Prinzip der größtmöglichen Zustimmung waren auf der UN-Weltrohstoffkonferenz 1974 zu erblicken, indem die Industrienationen die Forderungen und Beschlüsse der Dritten Welt nicht generell ablehnten, sondern auf das erfüllbare Maß zurückschraubten; vgl. hierzu Verdross, ZaöRV Bd. 26, S. 692. 12
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A. Staatenuntergang und Kontinuität im Völkerrecht
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nis des Völkergewohnheitsrechts und der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Art. 38 IGH-Statuts nur die Zustimmung der überwiegenden Mehrzahl der zivilisierten Staaten fordert75 und nicht die aller. Für die Richtigkeit einer derartigen Rechtsansicht spricht das fehlende "all" in Art. 38 Abs. llit. c IGH-Statut, wonach der Rechtsgrundsatz nur "by civilized nations" anerkannt sein muß76 • Das Problem der adäquaten Rechtsauffassung tritt dann besonders scharf hervor, wenn die Meinung der Völkerrechtsgemeinschaft geteilt ist, und diese Teilung sich darin widerspiegelt, daß der eine politische Block geschlossen die eine, der andere geschlossen die konträre Rechtsposition einnimmt. In einer solchen Situation eine Zustimmung von der Mehrheit der Staaten beider Blöcke zu verlangen bedeutet, daß die Entscheidung, ob Kontinuität vorliegt oder nicht, wohl kaum getroffen werden kann, außer die Umstände sind derartig eindeutig, daß sich der gesamte Komplex erübrigt. Zur Lösung des Problems der adäquaten Rechtsauffassung ist es daher notwendig, von diesem Erfordernis bezüglich der Quantität teilweise abzurücken. Man kann dann in solchen Fällen eine Lösung dahingehend anstreben, daß nicht die verbalen oder schriftlichen Äußerungen zu der Frage der Hechtsansicht entscheiden, sondern das tatsächliche Verhalten. Gerade dieses wird in der Regel Aufschluß über die tatsächliche Rechtsansicht geben. Hierbei kann aber bei einem Widerspruch zwischen Ist und Soll die Situation eintreten, daß aus dem Ist(= tatsächlichen Verhalten) kein Rückschluß gezogen werden darf. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn bei der betreffenden Handlung die Folge ausdrücklich verneint wird, wie sich dies z. B. in der Rechtsverwahrung dokumentiert77 • Liegt eine adäquate Rechtsauffassung vor, so dient sie als Indiz für die Richtigkeit der vom Staat vertretenen Ansicht. Steht dagegen die Auffassung des Staates im Gegensatz zu der der überwiegenden Mehrzahl der übrigen Völkerrechtssubjekte, so ist festzustellen, worin dieser Gegensatz seinen wirklichen Ursprung hat. Ergibt sich eine politische Motivation mit völkerrechtlicher Verbrämung, so hat einer derartige Ansicht außer Betracht zu bleiben. Bleiben aber die Auffassungen nach einer solchen Untersuchung weiterhin begründet konträr, so zeigen sich zwei Lösungsmöglichkeiten: eine praktische oder machtpolitische und eine rechtliche. Die machtpolitische Entscheidung der Frage nach der Identität oder Kontinuität liegt darin, daß die eingenommene Position des Staates durch die gegenteilige Auffassung der Mehrheit der anderen Staaten unterlaufen wird, indem diese Staaten dem betreffenden Staat gegen75 76
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Verdross, Quellen, S. 127; Brunner, S. 54, 58; Berber, Bd. I, S. 43. Englischer Text nach BGB11973 II, S. 431 ff. Seidl-Hohenveldern, S. 65.
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Teil1: Grundlegende Aspekte der Rechtslage Deutschlands
über ihre Rechtsauffassung mittels der Anwendung von wirtschaftlichem und politischem Druck durchsetzen78. Ein derartiges Verhalten der Völkerrechtsgemeinschaft - unabhängig von der rechtlichen Bewertung eines solchen Verhaltens- kann nur dann zum Erfolg führen, wenn das Objekt sich dem Druck nicht zu widersetzen vermag. Widersteht es dagegen etwa aufgrund seiner Stellung, Macht oder wirtschaftlichen Position derartigen Versuchen, wird sich die Auffassung des Staates durchsetzen79. Dafür, daß der Wille und das Selbstverständnis sich durchsetzen sollen, spricht die Überlegung, daß für diese beiden Elemente die, allerdings widerlegbare, Vermutung der Richtigkeit gilt. Die rechtliche Lösungsmöglichkeit besteht darin, daß der Auffassung der Vorzug gegeben wird, die dem Gedanken der Kontinuität Rechnung trägt. Unter mehreren Theorien, die verschiedene Abstufungen der Iden-'tität vertreten, hat diejenige den Vorrang, die dem Grundsatz der größtmöglichen Kontinuität am nächsten kommt. Dies deshalb, weil das Völkerrecht von dem Prinzip der größtmöglichen Kontinuität beherrscht wird80. Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit dem Selbstverständnis und der Selbstdarstellung des Staates kann sich aus folgender Konstellation ergeben: Das Selbstverständnis, so wie es die Organe des Völkerrechtssubjekts, also die Regierung, vertreten, und das Selbstverständnis des Staatsvolkes decken sich nicht, aber die Staatsgewalt vermag es aufgrund ihrer Machtmittel, ihren Standpunkt nach innen und außen zu vertreten. Dies kann bei allen nicht-demokratischen Staaten der Fall sein, die vom Staatsvolk "unabhängig" sind. Hierbei ist Unabhängigkeit im Sinne einer fehlenden Legitimation zu verstehen81• Verlangt man von einem solchen Staate, daß die vom Staatsvolk vertretene Auffassung auch von den Staatsorganen vertreten wird, so ist ein derartiges Verlangen als Einmischung in innere Angelegenheiten zu qualifizieren82• Außerdem ist dies aus der Überlegung heraus abzulehnen, daß das Völkerrecht innerstaatliche Vorgänge in der Regel nicht zur Kenntnis nimmt83• Es muß also die offizielle Auffassung gelten, was aber nicht dem Satz zuzuschreiben wäre, daß jedes Volk die Regierung hat, die es verdient, sondern allein Praktikabilitätserwägungen. Beispiel: Türkei nach 1923 (Dahm, Bd. I, S. 86, Anm. 1). Beispiel: Österreich nach 1918 (Dahm, Bd. I, S. 97, Anm. 5). 80 Dahm, Bd. I, S. 85. 81 Die fehlende Legitimation kann zwar nicht darüber entscheiden, ob der Staat existiert oder nicht, da im Völkerrecht nur nach der Effektivität gefragt wird, aber in diesem Zusammenhang muß man die Legitimität einer Staatsgewalt danach bemessen, ob sie bereit ist, sich einer Prüfung durch das Staatsvolk zu unterziehen (Wahlen) oder ob sie nach Machterringung unabhängig vom Volk "auf Bajonetten", überspitzt ausgedrückt, regiert. 82 Berber, Bd. I, S. 183 f. ss Berber, Bd. I, S. 236. 7B 79
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Läßt man also diese offizielle Rechtsauffassung gelten, muß als nächstes beantwortet werden, welche Auffassung zum Tragen kommt, wenn diese Staatsgewalt abgelöst wird und die neue Staatsgewalt die konträre Position einnimmt. Die Lösung kann nur darin erbli