130 35 32MB
German Pages 306 Year 1991
H. LAMPERT I J. ENGLBERGER I V. SCHÜLE
Ordnungs- und prozeßpolitische Probleme der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland
Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J, Broermann
Heft 411
Ordnungs- und prozeßpolitische Probleme der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland
Von Heinz Lampert · Josef Englberger Ulrich Schüle
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Lampert, Heinz:
Ordnungs- und prozesspolitische Probleme der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland I von Heinz Lampert; Josef Englberger; Ulrich Schüle. Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Volkswirtschaftliche Schriften; H. 411) ISBN 3-428-07077-1 NE: Englberger, Josef:; Schüle, Ulrich:; GT
Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-07077-1
Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist das Ergebnis sechsjähriger Forschungsarbeit, die im Rahmen einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschergruppe des Volkswirtschaftlichen Instituts an der Universität Augsburg geleistet wurde. Die Verfasser, insbesondere Diplom-Ökonom Josef Englberger und Diplom-Ökonom Dr. Ulrich Schüle, danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung ihrer Forschungsarbeiten und für die Förderung der Drucklegung der vorliegenden Arbeit. Obwohl die Autoren die Verantwortung für diese Veröffentlichung gemeinsam tragen, sei darauf hingewiesen, daß das erste Kapitel und die Abschnitte 1. und 2.4. des dritten Kapitels von Heinz Lampert, das zweite Kapitel und Abschnitt 3.3. des dritten Kapitels von Ulrich Schüle und die Abschnitte 2.1. bis 2.3. sowie 3.1. und 3.2. des dritten Kapitels von Josef Englberger erarbeitet und verfaßt wurden. Augsburg, im Dezember 1989
Heinz Lampert
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Anlaß und Zielsetzung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
I. Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland und ihre Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
1. Zielsetzung, Fragestellungen und Aufbau der Analyse .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
19
2. Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . .... . . . . . . . . . .. . . . .. . . .. .. .. .. .. . . . . . . . . . .
19
2.1. Die Arbeitsmarktordnung als integraler Bestandteil der Wirtschaftsund Sozialordnung . .. . . . . .. .. . . .. . . .. . .. . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . .. . .
19
2.2. Arbeitsmarktpolitische und arbeitsmarktpolitisch relevante Zielsetzungen der Wirtschafts- und Sozialpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
2.2.1. Arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
2.2.2. Arbeitsmarktpolitisch relevante Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . .
24
2.2.3. Zusammenfassende Darstellung des Zielsystems . . . . . . . . . . . . .
26
2.3. Konsequenzen des Zielsystems und der Möglichkeiten seiner Realisierung für die arbeitsmarktpolitische Konzeption, insbesondere für die Ordnung der Arbeitsmärkte und für die Verteilung der arbeitsmarktpolitischen Befugnisse . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . .. .. . . .. .. .. ..
29
2.3.1. Individuelle Arbeitsvertragsfreiheit und Wettbewerb als Elemente der Arbeitsmarktordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
2.3.2. Die Notwendigkeit der Begrenzung individueller Arbeitsvertragsfreiheit und die Notwendigkeit der Regulierung des Wettbewerbs ....................................................
30
2.3.2.1. Unvollkommenheiten der Arbeitsmärkte als Ursache arbeitsmarktpolitischer Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
2.3.2.2. Marktformen und ihre Konsequenzen als Ursache arbeitsmarktpolitischer Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
2.3.3. Grundlegende Merkmale der Arbeitsmarktordnung in einer Sozialen Marktwirtschaft . . .. . . .. .. . . .. .. . . .. . . . . . . . .. . .. . . . .. ..
34
2.3.3.1. Überblick .. .. .. .. . . .. .. . .. .. . .. .. . . . . . .. . . . . . . .. . . . .. . .
34
8
Inhaltsverzeichnis 2.3.3.2. Mindestnormen des Arbeitnehmerschutzes . . . . . . . . . .
35
2.3.3.3. Mindestnormen für die Arbeitsentgelte . . . . . . . . . . . . . .
36
2.3.3.4. Mindestnormen für die Betriebsverfassung . . . . . . . . .
37
2.3.3.5. Soziale Sicherung im Falle der Arbeitslosigkeit . . . .
38
3. Leitbildkonformität und Probleme der praktischen Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .
39
3.1. Die Leitbildkonformität der praktischen Arbeitsmarktpolitik . . . . . . .
39
3.2. Problembereiche der Arbeitsmarktordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
3.2.1. Die Problematik der Tarifautonomie . .... .. .. . . . . . . .. . . .. . . . . .
41
3.2.2. Mangelhafte Abstimmung zwischen dem Bildungssystem und dem Beschäftigungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
3.2.2.1. Der Zusammenhang zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
3.2.2.2. Allokationspolitische Defizite des Bildungs- und Ausbildungssystems und Möglichkeiten ihrer Reduzierung ................. .. . ... . ......... . ....... . .......
47
3.2.3. Die Verteilung des Beschäftigungsrisikos und ihre Problematik bei niedrigem Beschäftigungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
3.2.4. Die Finanzierung der Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit
55
3.2.5. Diskontinuität und Instabilität des Aufgabenvollzuges . . . . . . .
58
3.2.6. Die Trägerschaft der Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . .
60
3.2.7. Entwicklungstendenzen des Arbeitnehmerschutzes . . . . .. . ....
61
3.3. Die prozeß- und strukturpolitische Leistungsfähigkeit der Arbeitsmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
3.3.1. Intentionen und konzeptioneller Hintergrund des AFG . .. . . .
64
3.3.2. Begrenzte Leistungsfähigkeit des Instrumentariums des Arbeitsforderungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
Inhaltsverzeichnis
II. Die "vorausschauende Arbeitsmarktpolitik" und ihre Problematik
76
1. Konzeptioneller Hintergrund, Ziele und Instrumente des AFG . . . . . . . . . . .
77
1.1. Konzeptioneller Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .
77
1.2. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
1.3. Prophylaktisch ausgerichtete Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
1.4. Vorausschauende Arbeitsmarktpolitik- eine Utopie? . . . . . . . . .. ... .
85
2. Die Informationsbedarfe vorausschauender Arbeitsmarktpolitik und die Möglichkeiten ihrer Deckung .................. . . . .. . .......... , . . . . . . . . . . . .
86
2.1. Die Notwendigkeit detaillierter Arbeitsmarktprognosen . . . . . . . . . . . . .
86
2.2. Zur Erfüllbarkeit der Prognoseanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
Informationspolitische Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
2.3.1. Suboptimale Kombinationen der Prognosedimensionen ... ..
94
2.3.2. Arbeitsmarktpolitisch orientierte Strukturberichterstattung . .
95
2.3.3. Das Konzept der differenzierten Information . .. . . . . . . .. . .....
100
2.3.4. Personalbedarfsermittlung durch Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . .
102
3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
Reform der Arbeitsmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105
1. Reformen im Bereich der arbeitsmarktpolitischen Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105
2. Modifikation der Arbeitsmarktordnung ...... . . .. . .... . ........... . . .. . ....
108
2.1. Rechtliche Grundlagen des Tarifvertragssystems und deren Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
2.1 .1. Rechtliche Grundlagen der Tarifautonomie und des Tarifvertragssystems im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .
108
2.1.2. Begründungen für die tarifrechtliehen Bestimmungen . . . . . . .
114
2.2. Die Kritik an der Tarifautonomie und Vorschläge zur Modifikation der Tarifautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118
2.3.
m.
9
10
Inhaltsverzeichnis 2.2.1. Eingeschränkter Individualwettbewerb auf dem Arbeitsmarkt als Folge der Tarifautonomie .. .. ........ .... .. .... .. .... .. .. ..
119
2.2.1.1. Die Kritik an der Tarifautonomie.. ........ ........ .. . 119 2.2.1.2. Änderungsvorschläge .. .. .. .... .. .. .. ...... .. .. .. .. .. . 128 2.2.2. Vorschläge zur Ausdehnung der Vereinbarungskompetenzen der Betriebspartner . .. . .. . .. . . . . . .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . 130 2.2.2.1. Die Kritik an der gegenwärtigen Kompetenzverteilung zwischen der Tarifvertrags- und der Betriebsebene ............................................ . .....
130
2.2.2.2. Reformvorschläge .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
133
2.3. Probleme der vorgeschlagenen Änderungen des Tarifvertragssystems
136
2.3.1. Argumente zugunsten der Begrenzung des Individualwettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
136
2.3.2. Probleme einer Verlagerung tariflicher Vereinbarungsbefugnisse auf die Betriebsebene .. .. ................ .... .. .. .. .. .. ..
158
2.4. Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie durch vermögenspolitische Absicherung und Sozialpartnerschaft . . . . . . . . . . . . . 167 3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik .. .. .. .. .... .. .. .. .. . 174 3.1. Flexibilisierung der Lohnstruktur .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
174
3.1.1. Arbeitsmarkttheoretische Aspekte der Lohnstruktur .. .. .. .. . 175 3.1.1.1. Theoretische Argumente zugunsten flexibler Lohnrelationen . . . . . . . . .. . . .. . .. . . . . . . . . .. . . . . . . .. .. .. . . . . . . .
175
3.1.1.2. Theoretisch fundierte Einwände gegen die Forderungen nach einer Flexibilisierung der Lohnstruktur . . . 180 3.1.2. Überblick zur Entwicklung der Lohnstruktur in den siebziger und achtziger Jahren .... ...... .... .. .. .. .. ...... .... .. .. .. .....
184
3.1.2.1. Die Problematik empirischer Lohnstrukturanalysen ..
184
3.1.2.2. Die Entwicklung der interindustriellen Lohnhierarchie und Lohnstruktur in der Bundesrepublik seit Anfang der siebziger Jahre .... .. .. .. ...... .. .. .. .. .. . 186 3.1.2.3. Die Entwicklung der intraindustriellen Lohnstruktur
189
3.1.2.4. Die Entwicklung der interregionalen Lohnstruktur . 192 3.1.3. Zusammenfassung . . . . . . . . . .. .... .. . . . . .. . . .... .. ... .. . .. . . . . .. .
196
Inhaltsveneichnis
11
3.2. Flexibilisierung der Arbeitszeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3.2.1. Einleitung . .. .. . . . . . . .. .. . . . ... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...
198
3.2.2. Regelungsebenen und Problembereiche im Zusammenhang mit der Arbeitszeitgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199
3.2.2.1. Regelungsebenen .. .......... ................... . ..... . 199 3.2.2.2. Problembereiche der Arbeitszeitgestaltung . . . . . . . . . . 201 3.2.2.2.1. Arbeitszeitpolitische Maßnahmen im Rahmen einer Politik zur Humanisierung des Arbeitslebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3.2.2.2.2. Probleme der Koordination von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . 203 3.2.2.2.3. Probleme der Arbeitszeitgestaltung aus einzelwirtschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3.2.3. Gestaltungsformen und Verbreitung unkonventioneller Arbeitszeitformen am Beispiel der Teilzeitarbeit und flexibler Arbeitszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3.2.3.1. Kriterien zur Systematisierung unterschiedlicher Formen der Arbeitszeitgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3.2.3.2. Gestaltungsformen und Bedeutung der Teilzeitarbeit 210 3.2.3.2.1. Formen der Teilzeitarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3.2.3.2.2. Verbreitung der Teilzeitarbeit . . . . . . . . . . . . 210 3.2.3.3. Gestaltungsformen und Verbreitung flexibler Arbeitszeiten .. ................ .. . . .. . .. .. ............. . ...... . 214 3.2.3.3.1. Gestaltungsformen flexibler Arbeitszeiten 214 3.2.3.3.2. Verbreitung von flexiblen Arbeitszeitformen .....................................
218
3.2.3.4. Flexible Formen des Übergangs in den Ruhestand 223
12
Inhaltsverzeichnis 3.2.4. Bewertung von Teilzeitarbeit und flexibler Arbeitszeit aus arbeitsmarkt-, sozial- und familienpolitischer Sicht .. .. .. .. ..
225
3.2.4.1. Bewertung von Teilzeitarbeit und flexiblen Formen der Arbeitszeitgestaltung aus arbeitsmarktpolitischer Sicht . .. . ................ .. .... .. ................ .. ..... 226 3.2.4.2. Bewertung von Teilzeitarbeit und flexiblen Formen der Arbeitzeitgestaltung aus sozial- und familienpolitischer Sicht . .. . . . .. .. . . .. .. . . .. . .. . . . . . . . .. .. .. . . . .. . . 230 3.2.5. Zusammenfassung ............... .................. . ..... .. ..... 240 3.3. Verbesserung der Mobilitätsförderung im Rahmen des AFG .... ... 240 3.3.1. Förderungsstrategien ... . . . . . . . . . .. .. . . . . . . .. .... . . . . . . .... . .. . . 241 3.3.1.1. Vermehrte Mobilitätsförderung ............ ...... .... 241 3.3.1.2. Bedarfsorientierte Anpassungsförderung . . . . . . . . . . . . 245 3.3.1.3. Verstärkte Bildungsförderung .. . . . . . .. .. .. .. . . . . . . . . . 248 3.3.2. Berufsbildungsberatung und Berufsbildungssystem . . . . . . . . . . 250 3.3.2.1. Berufsbildungsberatung .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 250 3.3.2.2. Berufsbildungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 3.3.3. Kompetenzgewinn durch Kompetenzverlagerung . . . . . . . . . . . . 254 3.3.4. Fazit .. .. .. . . . . . .. . . .. .. .. .. .. . . . .. .. .. . . . . .. .. .. .. . . . . . . .. .. . . .. . 255 Zusammenfassung und Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
257
Literaturverzeichnis . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. .. .. .. . . . .. . . .. . . . . . . .. .. .. . . . . .. . .. . . ..
274
Tabellenverzeichnis Tabelle 1:
Der Anteil der Beiträge an der Finanzierung der Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit 1974 bis 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
Tabelle 2:
Beschäftigungs- und Entlastungseffekte ausgewählter Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik 1973 bis 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
Tabelle 3:
Lohnstückkostenänderung und Beschäftigungsänderung in der Industrie (Arbeiter) 1960 bis 1988 ...... .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ... .
171
Tabelle 4:
Verbleib von Schulabgängern . .. . ....... . . . . . . . ...... .. .... ..... . .... 252
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Das Zielsystem der Arbeitsmarktpolitik und seine Determinanten . . .
27
Abbildung 2: Entwicklung von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage 1960 bis 1990. Erwartungen der Bundesanstalt für Arbeit Mitte 1973 .. ... .
91
Abbildung 3: Die Ausbildung in den industriellen Metall- und Elektroberufen 244
Abkürzungsverzeichnis Abs. AFG Arun. Art. Aufl.
AVE
AZO BAG Bd. BDA BeschFG BetrVG BetrVG 1952 BOB BGBI. I, II BMA BT-Drucksache BVerfG BUrlG BVerfGE bzw. ca. ders., dies. DGB d. h. Diss. DIW ebd. Einf. Einl. etc. f., ff.
Absatz Arbeitsförderungsgesetz (vom 25. Juni 1969; BGBL. I, 582) Arunerkung Artikel Auflage Allgemeinverbindlicherklärung Arbeitszeitordnung (vom 30. April 1938; RGBI. I, S. 447) Bundesarbeitsgericht Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Beschäftigungsförderungsgesetz (vom 26. April 1985; BGBI. I, s. 710) Betriebsverfassungsgesetz (vom 15. Januar 1972; BGBI. I, s. 13) Betriebsverfassungsgesetz 1952 (vom 11. Oktober 1952; BGBI. I, S. 681) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I, Teil II Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Bundesurlaubsgesetz (Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer vom 8. Januar 1963; BGBI. I, S. 2) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise circa derselbe, dieselbe(-n) Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Dissertation Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin ebenda Einführung Einleitung et cetera folgende
Abkürzungsverzeichnis GewO GG
H.
15
Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (vom 23. Mai 1949; BGBl. I, S. l)
IfW
Heft herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber, herausgegeben HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung, Harnburg Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, München Institut für Weltwirtschaft, Kiel
IG insbes. i. s. (d.) i. V. m.
Industriegewerkschaft insbesondere im Sinne (der, des) in Verbindung mit
Jg.
Jahrgang
JArbSchG
Jugendarbeitsschutzgesetz (Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend, vom 12. April 1976; BGBl. I, S. 965) Ladenschlußgesetz (Gesetz über den Ladenschluß vom 28. November 1956; BGBI. I, S. 875) Mitbestimmungsgesetz (Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4. Mai 1976; BGBl. I, S. 1153) Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Milliarde(-n) Mutterschutzgesetz (Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter, in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 1968; BGBl. I, S. 315) mit weiteren Nachweisen
h. L. h.M. Hrsg., hrsg. HWWA(-Institut) Ifo(-Institut)
LadschlG MitbestG MittAB Mrd. MuSchG m.w.N. N.F. Nr. (-nr.) 0.
J.
0.
0.
o. Verf. Rdnr.
RWI
s.
s. Sp. Stat. BA Stat. Jb. Stat. Th. Tab. TVG
Neue Folge Nummer ( -nummer) ohne Jahr ohne Ort ohne Verfasser Randnummer Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Essen Seite siehe Spalte Statistisches Bundesamt Statistisches Jahrbuch Statistisches Taschenbuch Tabelle Tarifvertragsgesetz (vom 9. April 1949; Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949, S. 55, 68)
16 u.a. usw. u. u. vgl. Ziff. Zs. z. T.
Abkürzungsverzeichnis und andere, unter anderem und so weiter unter Umständen vergleiche Ziffer Zeitschrift zum Teil
Einleitung Anlaß und Zielsetzung der Untersuchung Die Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel legte 1977 ihren Abschlußbericht vor. In ihm hatte sie auf beachtliche Defizite und Mängel in der Strukturstatistik, der Strukturprognose, der Strukturtheorie und der Strukturpolitik hingewiesen und empfohlen, die Strukturstatistik zu verbessern, das prognostische Potential für eine sektorale Strukturpolitik auszubauen, die Strukturforschung zu verstärken und - analog zum Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - einen "Sachverständigenrat für Strukturfragen" einzusetzen. Die Bundesregierung griff die Empfehlung auf, das prognostische Potential zu verstärken und beauftragte 1978 die fünf großen Wirtschaftsforschungsinstitute der Bundesrepublik - das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung, das IfoInstitut für Wirtschaftsforschung, das Institut für Weltwirtschaft und das Rheinisch-Westfalische Institut für Wirtschaftsforschung- "eine gesamtwirtschaftliche Analyse der strukturellen Entwicklung der Wirtschaftsbereiche" zu erstellen. Die Bundesregierung hatte im Zusammenhang mit der Übertragung der Strukturberichterstattung an die Institute die Erwartung geäußert, daß die Hochschulforschung ergänzende und vertiefende Beiträge zu den in der Berichterstattung der Forschungsinstitute behandelten Fragen leisten werde. Diese Erwartung, die erwähnten Defizite in der Erforschung des wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandels und das Interesse an wissenschaftlicher Zu.sammenarbeit veranlaSten die Inhaber der Lehrstühle des Instituts für Volkswirtschaftslehre der Universität Augsburg zur Gründung einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschergruppe, die 1982 zunächst unter dem Generalthema "Strukturanalyse - theoretische Fundierung, methodische Aspekte und wirtschaftspolitische Relevanz" die Arbeit aufnahm und sie programmgemäß nach Ablauf des sechsjährigen Förderungszeitraumes beendete. Über die zahlreichen Forschungsergebnisse gibt die vom Institut für Volkswirtschaftslehre herausgegebene Reihe ,,Arbeitspapiere zur Strukturanalyse" Rechenschaft, in der 57 Berichte erschienen sind. Im Rahmen der Strukturberichterstattung sollten nach Meinung der Bundesregierung insbesondere auch die Auswirkungen des Strukturwandels auf den Arbeitsmarkt sichtbar gemacht werden. Das von Professor Lampert geleitete Teilprojekt trug den Titel "Informationsbedarfe für eine vorausschauende Arbeits2 Lampen
18
Einleitung
marktpolitik im Rahmen einer Strukturberichterstattung". Ziel dieses Projektes war es zunächst, den Informationsbedarf zu ermitteln, der sich aus der im Arbeitsförderungsgesetz angelegten Konzeption einer "vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik" ergibt und festzustellen, wie dieser Informationsbedarf mit Hilfe einer entsprechend angelegten Strukturberichterstattung gedeckt werden konnte. Es zeigte sich bald, daß eine Arbeitsmarktpolitik, die den Eintritt von struktureller oder technologisch bedingter Arbeitslosigkeit und den Eintritt unterwertiger Beschäftigung antizipativ verhindem soll, nicht zu realisieren ist (vgl. dazu Kapitel II, insbesondere Abschnitt 2). Daher rückte die Fragestellung in der Vordergrund, durch welche Modifikationen die Funktionsfähigkeit der Arbeitsmärkte und der Arbeitsmarktpolitik erhöht werden kann, um den Strukturwandel auf den Arbeitsmärkten besser als bisher bewältigen zu können, vor allem in bezug auf die Ziele optimale Allokation des Faktors Arbeit und Minimierung der sozialen Anpassungslasten der Arbeitnehmer an den StrukturwandeL Aus diesem großen Problemkomplex wählten wir- auch unter Berücksichtigung der laufenden arbeitsmarktpolitischen Diskussionen - drei zentrale Fragestellungen aus: 1. Läßt sich die Funktionsfähigkeit der Arbeitsmärkte durch eine Änderung der Arbeitsmarktordnung, insbesondere durch Modifikationen der Tarifautonomie, verbessern? Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung wurde auch die Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie durch eine vermögenspolitische Ergänzung der Lohnpolitik erörtert (vgl. dazu Kapitel III, Abschnitt 2.). 2. Läßt sich die Funktionsfähigkeit der Arbeitsmärkte durch eine stärkere Flexibilisierung der Lohnstruktur erhöhen (vgl. dazu Kapitel III, Abschnitt 3.1.)? 3. Läßt sich die Funktionsfähigkeit der Arbeitsmärkte durch eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit (einschließlich der Lebensarbeitszeit) verbessern (vgl. dazu Kapitel III, Abschnitt 3.2.)? Die Analyse zentraler aktueller ordnungs- und prozeßpolitischer Probleme und Reformvorschläge hätte nach unserer Überzeugung unzulänglich bleiben müssen, wenn nicht vorher die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland dargestellt worden wären, insbesondere die arbeitsmarktpolitischen und die arbeitsmarktpolitisch relevanten Zielsetzungen der Wirtschafts- und Sozialpolitik, deren Konsequenzen für die arbeitsmarktpolitische Konzeption und die Verteilung der arbeitsmarktpolitischen Befugnisse sowie die Leitbildkonformität der praktischen Arbeitsmarktpolitik. (Vgl. dazu Kapitel I).
Kapitel I
Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland und ihre Problematik 1. Zielsetzung, Fragestellungen und Aufbau der Analyse Zielsetzung dieses Kapitels ist die Beantwortung der Frage, inwieweit die Arbeitsmarktordnung der Bundesrepublik Deutschland in der Lage ist, die der Arbeitsmarktpolitik gesetzten Zielsetzungen, insbesondere die Vollbeschäftigung, zu erreichen. Die Beantwortung dieser Frage setzt eine Darstellung der ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik voraus (Abschnitt 2.). Dabei geht es zunächst darum, für die Arbeitsmarktordnung als integralem Bestandteil der Wirtschafts- und Sozialordnung jene Merkmale, Grundsätze, Regelungen und Ziele herauszuarbeiten, die der Arbeitsmarktordnung von der Gesamtordnung her als ,,Neben"-Bedingungen gesetzt sind (Abschnitt 2.1.). Im Anschluß daran sollen das zentrale Ziel der Arbeitsmarktpolitik, die Vollbeschäftigung, präzisiert und jene Wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele dargestellt werden, deren Verfolgung ebenfalls zu den Aufgabengebieten der Arbeitsmarktpolitik gehört, wie z. B. die optimale Allokation des Faktors Arbeit, bzw. die Ziele, die durch die Arbeitsmarktpolitik nicht verletzt werden sollen, wie z. B. das der Geldwertstabilität (Abschnitt 2.2.). Dann soll untersucht werden, inwieweit und unter welchen Bedingungen die Arbeitsmarktordnung prinzipiell geeignet erscheint, die ihr übertragenen Aufgaben zu lösen bzw. welche Probleme als ungelöst anzusehen sind (Abschnitt 3.).
2. Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland 2.1. Die Arbeitsmarktordnung als integraler Bestandteil der Wirtschafts- und Sozialordnung Die Arbeitsmarktordnung ist ein außerordentlich bedeutender Teil der Wirtschafts- und Sozialordnung, da in den industrialisierten Gesellschaften die ganz
z•
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Kap. I: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
überwiegende Mehrzahl aller Gesellschaftsmitglieder zur Existenzsicherung auf die vertraglich abgesicherte Verwertung ihrer Arbeitskraft angewiesen ist. Die Qualität dieser Märkte und die auf ihnen gegebenen bzw. zustandekommenden Bedingungen in bezug auf die rechtlichen und faktischen Möglichkeiten des Markteintritts, des Qualiflkationserwerbs, die Lohnhöhe, die Lohnnebenleistungen, die betrieblichen Sozialleistungen, die Arbeitszeit, die Arbeitsplatzausstattung, die Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie in bezug auf die Arbeitsplatzsicherheit bestimmen Lebensqualität und Lebenslage der Arbeitnehmer nachhaltig. Es ist daher auch kein Zufall, daß - wie gleich zu zeigen sein wird - zahlreiche, für die Wirtschafts- und Sozialordnung der Bundesrepublik geltende, im Grundgesetz enthaltene Freiheitsverbürgungen und sozialstaatliche Normen die Arbeitsmarktordnung determinieren und daß die Arbeitsverwaltung einer der gewichtigsten Zweige der öffentlichen Verwaltung ist. Um so erstaunlicher ist es, daß in den Veröffentlichungen maßgeblicher geistiger Väter der Sozialen Marktwirtschaft, so z. B. bei Walter Eucken, Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow und Alfred Müller-Armack, nur Fragmente einer arbeitsmarktpolitischen Konzeption existieren und daß nur sporadische Äußerungen und Anregungen zur Arbeitsmarktpolitik zu fmden sind 1• Nichtsdestoweniger hat der Gesetzgeber in der Bundesrepublik eine Arbeitsmarktordnung geschaffen, die als konform zur Wirtschafts- und Sozialordnung und zu den relevanten Grundgesetznormen zu bezeichnen ist. Entsprechend der Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft, eine Synthese zwischen wirtschaftlicher Freiheit als untrennbarem Teil persönlicher und politischer Freiheit einerseits und den sozialstaatliehen Ideen sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit andererseits zu schaffen, sollen die wirtschaftlichen Beziehungen und Aktivitäten prinzipiell im Rahmen wettbewerblieh gestalteter Märkte von den Wirtschaftssubjekten koordiniert und gesteuert werden - soweit durch eine marktwirtschaftliche Steuerung soziale Ziele nicht verletzt werden und soweit, wenn soziale Ziele verletzt werden, eine nachträgliche Korrektur dieser unerwünschten Ergebnisse besser beurteilt wird als die Aufhebung marktwirtschaftlieber Ordnungselemente. Die Märkte sollen nach Möglichkeit so geordnet werden, daß sie von vornherein sozialen Zielen entsprechen, insbesondere der Gleichheit der formalen Freiheit, der rechtlichen Gleichheit der Startbedingungen und der Leistungsgerechtigkeit. Wenn funktionsfähiger Wettbewerb nicht herstellbar ist, soll Prozeßpolitik betrieben werden, bei Nichtverfügbarkeil oder bei Versagen marktkonformer Instrumente notfalls durch den Einsatz nicht marktkonformer Instrumente. 2
1
2
Vgl. dazu H. Lampert, 1981, S. 756 ff.
Ebenda, S. 759.
2. Die ordnungspolitischen Grundlagen
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Als ordnungspolitische Postulate, denen die Arbeitsmarktordnung vom Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft und vom Grundgesetz her zu genügen hat, sind zu nennen 3 : 1. der Schutz der Menschenwürde -
auch im Arbeitsleben (Art. I GG);
2. das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2, Abs. 1 GG), d. h. auch der Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet, also auch der Schutz der Wettbewerbsfreiheit im Arbeitsleben;
3. gleiche rechtliche Startchancen für alle, Gleichberechtigung von Mann und Frau und das Verbot der Diskriminierung von Personen wegen ihres Geschlechtes, ihrer Abstammung, ihrer Rasse, ihrer Heimat und Herkunft, ihres Glaubens, ihrer Religiosität oder ihrer politischen Anschauungen (Art. 3, Abs. 2 und 3 GG); 4. die Koalitionsfreiheit, nach der jedermann und alle Berufe das Recht haben, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden und ihnen beizutreten (Art. 9, Abs. 3 GG); 5. die persönliche Freizügigkeit als Bestandteil der persönlichen Freiheit (Art. 11 GG); 6. die Freiheit der Berufs- und Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG); 7. die Gewährleistung des Privateigentums an Produktionsmitteln (Art. 14 GG), die Grundlage für marktwirtschaftliche Unternehmens- und Betriebsverfassungen ist. Die Bedeutung dieser Gewährleistung liegt zum einen darin, daß sie Privatpersonen zu Arbeitgebern macht, die Arbeitsverhältnissse begründen, aber auch auflösen können, also über die Beschäftigung entscheiden, zum anderen darin, daß mit der Dispositionsbefugnis der Eigentümer an Produktionsmitteln auch die Befugnis gekoppelt ist, die Unternehmensleitung zu bestellen, über den Faktoreinsatz, über die Verwertung des Produktes und über den Produktionsertrag zu disponieren. Daraus, insbesondere aus der Dispositionsbefugnis über den Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit, ergibt sich ein Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer; 8. die sozialrechtlichen Verbürgungen der Sozialen Marktwirtschaft bzw. die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes (Art. 20, Abs. 1 und Art. 28, Abs. 1), die eine besondere Verantwortung des Staates für die Herstellung und Wahrung sozialer Gerechtigkeit begründet und auf die Ausgestaltung mehrerer Dimensionen der Arbeitsmarktordnung einwirkt, nämlich auf die Arbeitneh-
3 Daß sowohl die Soziale Marktwirtschaft als auch das Grundgesetz als Bezugsbasis für arbeitsmarktpolitisch relevante Postulate genannt werden, besagt nicht, daß die Verfasser die Auffassung vertreten, nur das Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft entspreche dem Grundgesetz. V gl. zu diesem Problemkreis und zur Meinung der Verfasser dazu H. Lampert, 1990, S. 100 ff.
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik merschutzrechte, die Form und die Verfassung 4 der Arbeitsmärkte und die Rechte der Arbeitnehmer.
Aus diesen Normen ergeben sich für die Arbeitsmarktordnung folgende Merkmale: Die Arbeitsmärkte sind in dem Sinne freie Märkte, daß jeder Arbeitsfähige und Arbeitswillige auf der Grundlage der Freiheit der Berufswahl und der Arbeitsplatzwahl sowie der Freizügigkeit mit anderen Arbeitsfahigen und Arbeitswilligen um bestimmte Arbeitsplätze und jeder Gewerbetreibende auf der Grundlage der Arbeitsvertragsfreiheit mit anderen Gewerbetreibenden um die Arbeitskräfte in Wettbewerb treten kann. Aus diesem freien Zugang zu den Arbeitsmärkten, der Arbeitsvertragsfreiheit, der persönlichen Verantwortung der Arbeitskräfte für ihre Erwerbschancen und der Privatheit der Arbeitsverhältnisse ergibt sich die Notwendigkeit, durch wirtschafts-, insbesondere beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen dafür zu sorgen, daß jeder Arbeitsfähige und Arbeitswillige auch eine Chance hat, Beschäftigung zu finden. Der Schutz der Menschenwürde und das Ziel der sozialen Gerechtigkeit gebieten es, angesichts der Dispositionsbefugnisse der Arbeitgeber und je nach der Beschaffenheit der Arbeitsmärkte sowie ihrer Fähigkeit, elementare Interessen der Arbeitnehmer zu gewährleisten, die Ordnung der Arbeitsmärkte und den Grad ihrer Vollkommenheit so zu beeinflussen, daß Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit nicht verletzt werden. Wie diese Beeinflussung konkret auszusehen hat, ist aus den bisherigen Überlegungen allein noch nicht ableitbar. Dazu müssen weitere Zielsetzungen herangezogen werden, die die Arbeitsmarktpolitik nachhaltig mitbestimmen.
2.2. Arbeitsmarktpolitische und arbeitsmarktpolitisch relevante Zielsetzungen der Wirtschafts· und Sozialpolitik Die Zielsetzungen, die die Arbeitsmarktpolitik bestimmen, lassen sich unterteilen in solche, die für diese Politik unmittelbar von Bedeutung sind, die also durch Arbeitsmarktpolitik in erster Linie erreicht werden müssen (arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen), und in solche, die nur mittelbar über die Arbeitsmarktpolitik erreicht werden sollen bzw. die durch sie beeinflußt werden, wie z. B. die Geldwertstabilität (arbeitsmarktpolitisch relevante Zielsetzungen). 2.2.1. Arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen
Die arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen lassen sich zusammenfassen in dem wesentlichen Ziel, die Arbeitsmärkte als die für die Beschäftigungsmöglichkeiten 4 Verfassung ist hier gemeint im Sinne des Grades der Vollkommenheit bzw. der Unvollkommenheit der Märkte.
2. Die ordnungspolitischen Grundlagen
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und für die Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer entscheidenden Märkte so zu beeinflussen, daß für alle Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen eine möglichst ununterbrochene, ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung zu bestmöglichen Bedingungen gesichert und die Nachfrage nach Arbeit auf den verschiedenen Arbeitsmärkten gedeckt wird 5 • Diese Zielformulierung trägt den im Abschnitt 2.1. genannten Grundforderungen der Wirtschafts- und Sozialordnung, insbesondere den Forderungen nach freier Entfaltung der Persönlichkeit, Freiheit der Berufswahl und der Arbeitsplatzwahl, Freizügigkeit, Wettbewerbsfreiheit und- mit der konkretisierungsbedürftigen Formulierung "zu bestmöglichen Beschäftigungsbedingungen" - auch der Forderung nach Sozialstaatlichkeil Rechnung. Die Zielformulierung schließt außerdem die im folgenden explizierten Teilziele in sich. 1. Bei einem gesamtwirtschaftlichen Überangebot an Arbeit stellt sich das Ziel der Beseitigung des Ungleichgewichtes, d. h. der Arbeitslosigkeit. Die Aufgabe, die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen "im Rahmen der Sozial- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung darauf auszurichten, daß ein hoher Beschäftigungsstand erzielt und aufrechterhalten . . . wird", ist auch in § 1 des AFG festgelegt. Allerdings ist dieses Ziel- wie an anderer Stelle darzulegen sein wird - nicht allein und nicht vorwiegend mit arbeitsmarktpolitischen Mitteln lösbar, wenn es sich um eine konjunkturell oder durch Wachstumsschwäche verursachte Arbeitslosigkeit handelt, weil die arbeitsmarktpolitischen Instrumente des AFG für die Bekämpfung dieser Arten der Arbeitslosigkeit nicht effektiv genug und primär darauf ausgerichtet sind, strukturell verursachte Arbeitslosigkeit zu beseitigen. 6 2. Betrachtet man die Nachfrage nach Arbeit und das Angebot an Arbeitjeweils nach Umfang und Struktur als gegeben, dann stellt sich- unabhängig davon, ob der Gesamtarbeitsmarkt im Gleichgewicht ist oder nicht - die Aufgabe, die vorhandenen Arbeitsplätze unter Berücksichtigung der Neigungen der Arbeitskräfte jeweils mit den geeignetsten, leistungsfähigsten Arbeitskräften zu besetzen, also eine optimale Allokation des Faktors Arbeit zu bewirken. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß das AFG als Zielsetzung auch die Vermeidung "unterwertiger Beschäftigung" proklamiert(§ 2). Es istjedoch die Frage, ob es sinnvoll ist, dieses Ziel zu setzen, weil es nur unter ganz spezifischen Bedingungen erreichbar ist. 7 3. Geht man davon aus, daß sich die Struktur der Nachfrage nach Arbeit ändert, weil sich die Struktur der Nachfrage nach Gütern oder- durch Veränderungen s In § 2 des Arbeitsförderungsgesetzes wird dieses Ziel ausdrücklich erwähnt: "Die Maßnahmen nach diesem Gesetz haben insbesondere dazu beizutragen, daß weder Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung noch ein Mangel an Arbeitskräften eintreten oder fortdauern ...". 6 Vgl. dazu I. 3.3.2. 1 Vgl. dazu m. 1.
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
der Preisstruktur oder der Produktionstechnik bedingt- das Faktoreinsatzverhältnis ändert, so daß die Nachfrage nach bestimmten Arbeitsqualifikationen steigt oder auch sinkt, dann wird die Aufgabe erkennbar, derartige partielle strukturelle Arbeitsmarktungleichgewichte zu verringern oder zu beseitigen (Arbeitsmarktausgleichspolitik). Das AFG spricht in § 1 und § 2 von der ständigen Verbesserung der Beschäftigungsstruktur nach Gebieten und Wirtschaftszweigen, von der Sicherung und Verbesserung der beruflichen Beweglichkeit der Erwerbstätigen und von der Vermeidung, dem Ausgleich oder der Beseitigung solcher nachteiligen Folgen, die sich für die Erwerbstätigen aus der technischen Entwicklung oder aus wirtschaftlichen Strukturwandlungen ergeben können. 4. Die in der obigen obersten arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung enthaltene Formulierung "zu bestmöglichen Beschäftigungsbedingungen" stellt auf alle Dimensionen der Arbeitsausübung ab. Die wichtigsten und meisten dieser Dimensionen lassen sich durch zwei Zielgrößen erfassen: zum einen ist von großer Bedeutung die Höhe des Arbeitsentgelts, zum anderen all das, was sich unter das Stichwort "humane Arbeitsplätze" subsumieren läßt. Dazu gehören in erster Linie a) tägliche, wöchentliche, jährliche und Lebensarbeitszeiten, die die Gesundheit nicht beeinträchtigen und nicht nur eine Regeneration ermöglichen, sondern die auch familienfreundlich sind und eine Tcilnahme der Erwerbstätigen am politischen, kulturellen und religiösen Leben sowie an Fortbildungsmaßnahmen ermöglichen; b) eine möglichst gesundheitsneutrale und familiengerechte Verteilung der Arbeitszeit im Zeitkontinuum; c) Schutz der Gesundheit durch Gesundheits- und Unfallschutz, insbesondere im Wege der Substitution körperlicher Arbeit durch Maschinenarbeit und mit Hilfe der Vermeidung psychischer Überlastungen; d) Vermeidung menschenunwürdiger Behandlung von Arbeihlehrnern; e) Reduzierung der Fremdbestimmtheit der Arbeit und Förderung der Entfaltung der Persönlichkeit 8 • 2.2.2. Arbeitsmarktpolitisch relevante Zielsetzungen
Neben den eben explizierten, unmittelbaren arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen sind für die Ableitung arbeitsmarktpolitischer Konzeptionen auch arbeitsmarktpolitisch relevante Zielsetzungen zu berücksichtigen. Damit sind gemeint: 1. Zielsetzungen, auf die die Arbeitsmarktpolitik indirekt durch die Erreichung oder das Verfehlen arbeitsmarktpolitischer Ziele einwirkt, wie z. B. das Wirtschaftswachstum;
s Vgl. dazu als grundlegende Literatur: F. Froemer, 1975, W. D. Winterhager, 1975, E. Sahm, 1976, E. Gaugler, 1977, W. Meier, 1979, L. v. Rosenstiel und M. Weinkamm, 1980, H. Matthöfer, 1980.
2. Die ordnungspolitischen Grundlagen
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2. Zielsetzungen, die zu verfolgen der Arbeitsmarktpolitik aus übergeordneten Gesichtspunkten, z. B. aus dem sozialer Gerechtigkeit, aufgegeben ist; 3. Zielsetzungen, die die Arbeitsmarktpolitik als Nebenbedingungen beachten muß, die sie also nicht beeinträchtigen soll, wie z. B. die Geldwertstabilität. Zu den Zielsetzungen, auf die die Arbeitsmarktpolitik indirekt einwirkt und die durch eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik gefördert werden sollen, gehört - im AFG unter § 1 ausdrücklich genannt - das Wirtschaftswachstum. Daß sowohl die Erhöhung des Beschäftigungsgrades als auch die Verringerung partieller Arbeitsmarktungleichgewichte das Wachstum fördert, bedarfkeines Beweises. Keines ausführlicheren Beweises bedarf es auch, daß die Erreichung des Hauptzieles der Arbeitsmarktpolitik die soziale Sicherheit und den sozialen Frieden fördert. Denn die Reduzierung der Arbeitslosigkeit reduziert den Bedarf an Sozialtransfers, setzt also Mittel für andere sozialpolitische Zwecke frei, erhöht die Einnahmen des Systems der sozialen Sicherung und verbessert die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen das System sozialer Sicherung. Auch die bei steigendem Beschäftigungsgrad steigenden Steuereinnahmen und die Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage erhöhen indirekt den Grad an sozialer Sicherheit. Daß die Verringerung der Arbeitslosigkeit den sozialen Frieden in der Gesellschaft erhöht, ist eine generell akzeptierte Auffassung. Aus der Tatsache, daß die Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik seit 1975 den sozialen Frieden nicht spürbar beeinträchtigt hat, kann nicht auf das Gegenteil geschlossen werden. Ein Teil der Zielsetzungen, die zu verfolgen der Arbeitsmarktpolitik aus sozialen Gründen aufgegeben ist, hat ebenfalls Eingang in das AFG gefunden. So haben nach § 2 die Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik insbesondere dazu beizutragen, daß die berufliche Eingliederung Behinderter gefördert wird, daß Frauen, die durch Familientätigkeit gebunden sind oder waren, beruflich eingegliedert werden und daß ältere sowie andere Erwerbstätige, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erschwert ist, beruflich eingegliedert werden. Das zu den obersten gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Zielen der Bundesrepublik zu rechnende Ziel sozialer Gerechtigkeit hat jedoch nicht nur zu einer sozialpolitischen Orientierung, d. h. zu einer Problemgruppenorientierung des Einsatzes arbeitsmarktpolitischer Mittel geführt, sondern impliziert auch das Ziel, im Bereich der Arbeitsentgelte und in dem der Verteilung von beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegschancen Regelungen zu praktizieren, die dem Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit entsprechen. Als Zielsetzung, die die Arbeitsmarktpolitik als Nebenbedingung zu beachten hat, ist vor allem die Geldwertstabilität zu nennen. Sie nicht besonders zu beachten, wird den Gewerkschaften und teilweise den Arbeitgebervereinigungen nicht selten zum Vorwurf gemacht, soweit die Verteilung lohnpolitischer Zuständigkeiten in Verbindung mit anderen Systemeigenschaften, insbesondere mit der Art und Weise der Verteilung der finanz- und geldpolitischen Befugnisse und mit
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
der Funktion der öffentlichen Hände als Tarifvertragsparteien die Gefahr mit sich bringt, daß über das lngangsetzen einer Lohn-Preis-Spirale der Geldwert beeinträchtigt wird. Als ein weiteres Ziel, das durch die Verlagerung eines Teils der arbeitsmarktpolitischen, insbesondere der lohnpolitischen Befugnisse auf die Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber als gefährdet gilt, ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft zu erwähnen. 2.2.3. Zusammenfassende Darstellung des Zielsystems
Die arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen sind in Abbildung 1 im Überblick dargestellt. Im folgenden sollen nur jene Zielbeziehungen interpretiert werden, die für die Ableitung einer arbeitsmarktpolitischen Konzeption Bedeutung haben. Auf die Interpretation von Zielbeziehungen zwischen den metaökonomischen und den obersten ökonomischen Zielen wird verzichtet. Die Abbildung macht erkennbar, daß die metaökonomischen Ziele sowohl das arbeitsmarktpolitische Zielsystem beeinflussen als auch in vielfältiger Weise die Qualitätsmerkmale der Arbeitsmarktordnung mitbestimmen. Zentrale Bedeutung für das arbeitsmarktpolitische Zielsystem haben der Schutz der Menschenwürde und die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Pfeile 1 und 2), aus denen sich das Ziel möglichst weitgehender Humanisierung der Arbeitsplätze ableitet, das wiederum Orientierungsgröße für den Arbeitszeitschutz, den Gesundheitsschutz, den Persönlichkeitsschutz und die Gestaltung der sozialen Arbeitsumwelt ist, insbesondere der Beziehungen zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern (Pfeil 26). Das Ziel der freien Entfaltung der Persönlichkeit zieht, wenn es sich nicht nur um ein formales, sondern ein nutzbares Grundrecht handeln soll, das Vollbeschäftigungsziel nach sich, weil erstens Persönlichkeitsentfaltung in nicht wenigen Fällen durch Arbeit erfolgt und weil zweitens die Persönlichkeitsentfaltung in bestimmtem Umfang die Möglichkeit voraussetzt, über Einkommen verfügen zu können (Pfeil 3). Auch die metaökonomischen Ziele soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit setzen der Arbeitsmarktpolitik Normen, denn das zuerst genannte Ziel gebietet es, möglichst allen Erwerbsfähigen und Erwerbswilligen Arbeitsgelegenheit zu geben, also für Vollbeschäftigung zu sorgen und auch schwer vermittelbare Personen in das Beschäftigungssystem einzubeziehen (Pfeile 18 und 19). Die soziale Sicherheit verlangt ebenfalls, daß Vollbeschäftigung erstrebt wird, weil die soziale Sicherheit um so höher sein kann, je höher der Beschäftigungsgrad ist (Pfeil 17) 9. Während bestimmte metaökonomische Ziele das arbeitsmarktpolitische Zielsystem mit defmieren, sind andere gleichzeitig Voraussetzungen für die Erreichung 9
Vgl. dazu im einzelnen H. Lampert, 1985, S. 200 f .
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Kap. I: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
arbeitsmarktpolitischer Ziele. Das gilt z. B. für die Freiheit der Berufswahl und die Freiheit der Arbeitsplatzwahl, die zum einen einen möglichst hohen Beschäftigungsgrad erfordern, weil der materiale Gehalt dieser Ziele davon abhängt, ob bestimmte Berufe überhaupt eine Entscheidungsalternative darstellen und ob Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, also tatsächlich gewählt werden können (Pfeil12) und weil zum anderen die Freiheit der Berufswahl und der Arbeitsplatzwahl Voraussetzung dafür sind, daß die Ziele des Arbeitsmarktausgleichs und der optimalen Allokation der Arbeit erreicht werden können (Pfeil 13). Solche Normen wie die Freiheit der Berufs- und der Arbeitsplatzwahl sind daher die Ziele der Arbeitsmarktpolitik inhaltlich mitbestimmende Finalziele und Instrumentalziele der Arbeitsmarktpolitik in einem. Neben den skizzierten Zielgruppen finden sich solche, die - wie z. B. das Ziel gleicher Startchancen (Gleichberechtigung) und die Freizügigkeit - die prozeß- und strukturpolitischen Zielsetzungen der Arbeitsmarktpolitik inhaltlich nicht oder wenig beeinflussen und vor allem Voraussetzung für die Erreichbarkeit arbeitsmarktpolitischer Ziele sind. Von den vier obersten Wirtschafts- und sozialpolitischen Zielen prägen vor allem das Ziel der Erhöhung der ökonomischen Wobifahrt für alle und das der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft die Arbeitsmarktpolitik (Pfeile 22 bis 24). Das Wohlfahrtsziel verlangt sowohl Vollbeschäftigung bei gleichzeitigem Gleichgewicht auf allen Teilarbeitsmärkten wie auch die Maximierung der Produktionseffizienz durch die Sicherung optimaler Allokation des Faktors Arbeit. Diese Ziele der Arbeitsmarktpolitik sind gleichzeitig auch Folge des Zieles der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft, weil die Wettbewerbsfähigkeit bei Vollbeschäftigung in geringerem Maße durch Sozialtransfers belastet wird, bei funktionierendem Arbeitsmarktausgleich keine arbeitsmarktbedingten Produktionsengpässe einerseits und keine strukturbedingte Arbeitslosigkeit auf Teilarbeitsmärkten andererseits auftreten und bei optimaler Allokation des Faktors Arbeit die Produktionseffizienz aus der Sicht des Arbeitskräfteeinsatzes maximiert ist. Die Interpretation des arbeitsmarktpolitischen Zielsystems soll einem späteren Abschnitt vorbehalten bleiben, die Interpretation der Konsequenzen der metaökonomischen und der obersten wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele für die Arbeitsmarktordnung folgt im nächsten Abschnitt.
2. Die ordnungspolitischen Grundlagen
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2.3. Konsequenzen des Zielsystems und der Möglichkeiten seiner Realisierung für die arbeitsmarktpolitische Konzeption, insbesondere für die Ordnung der Arbeitsmärkte und für die Verteilung der arbeitsmarktpolitischen Befugnisse Wie Abbildung 1 veranschaulicht, beeinflussen vor allem die metaökonomischen Ziele, aber auch die obersten Ziele der Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Qualitätsmerkmale der Arbeitsmarktordnung.
2.3.1. Individuelle Arbeitsvertragsfreiheit und Wettbewerb als Elemente der Arbeitsmarktordnung
Ein grundlegendes, vielleicht das wesentlichste Merkmal der Arbeitsmarktordnung wird durch das Grundrecht auffreie Entfaltung der Persönlichkeit in Verbindung mit dem Privateigentum an Produktionsmitteln konstituiert, nämlich die individuelle Arbeitsvertragsfreiheit (Pfeile 4 und 14), die generell eines der elementaren Prinzipien eines Gesellschafts- und Wirtschaftssystems ist, das auf einer stark individualistisch geprägten, gleichwohl sozial orientierten Sozialphilosophie beruht und daher dezentral gesteuert wird. Diesem Qualitätsmerkmal der individuellen Arbeitsvertragsfreiheit komplementär ist das Prinzip eines geordneten Wettbewerbes zwischen den Anbietern und den Nachfragem, d. h. ein Wettbewerb, der sowohl der Verwirklichung des Rechtes auf freie Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes (Pfeil 11) wie auch der effizienten Nutzung des Privateigentums an Produktionsmitteln dient (Pfeil 15). Für die Ableitung arbeitsmarktpolitischer Konzeptionen ganz entscheidend ist es, daß dieser individuellen Arbeitsvertragsfreiheit und der Wettbewerbsfreiheit aus wenigstens zwei Gründen ein begrenzender Rahmen gezogen wird. Der erste Grund liegt darin, daß - erfahrungsgemäß nicht nur auf den Arbeitsmärkten und nicht nur im wirtschaftlichen Bereich- die unbeschränkte Freiheit einzelner und ein ungeordneter Wettbewerb aufgrund ungleicher persönlicher, ökonomischer und sozialer Fähigkeiten, Begabungen, Lebenslagen und Positionen zwangsläufig Einschränkungen der Freiheit der weniger Fähigen, der weniger Begabten und der weniger Starken zur Folge hat 10, der zweite Grund darin, daß auch ohne bewußte Ausnutzung ökonomischer und sozialer Stärken auf Kosten ökonomisch und sozial Schwacher eine unbeschränkte individuelle Arbeitsvertragsfreiheit und ein ungeordneter Wettbewerbaufgrund spezifischer Eigenschaften von Arbeitsmärkten mit metaökonomischen Zielen in Konflikt geraten würden, insbesondere in bezug auf die soziale Gerechtigkeit, die soziale Sicherheit und den sozialen Frieden. 10
Vgl. H. J. Seraphim, 1955, S. 78 ff.
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
2.3.2. Die Notwendigkeit der Begrenzung individueller Arbeitsvertragsfreiheit und die Notwendigkeit der Regulierung des Wettbewerbs
Die spezifischen Eigenschaften von Arbeitsmärkten, die besondere Begrenzungen der individuellen Arbeitsvertragsfreiheit und Regulierungen des Wettbewerbs notwendig erscheinen lassen, lassen sich zwei Begriffen subsumieren: es sind einerseits Marktunvollkommenheiten, die die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs beeinträchtigen und arbeitsmarktpolitische Aktivität erforderlich machen und es sind andererseits die Formen der überwiegenden Zahl der Arbeitsmärkte, die in Verbindung mit Marktunvollkommenheiten und bestimmten Ausprägungen der Lebenslage der Anbieter von Arbeitsleistungen eine Begrenzung der Arbeitsvertragsfreiheit und des Wettbewerbs bedingen. Zunächst sollen die Marktunvollkommenheiten und ihre Wirkungen, dann die Marktformenprobleme unter Rückgriff auf die einschlägige Literatur skizziert und anschließend die notwendigen Einschränkungen der individuellen Arbeitsvertragsfreiheit sowie die erforderlichen Regulierungen des Wettbewerbs auf den Arbeitsmärkten abgeleitet werden. 2.3 .2 .1. Unvollkommenheiten der Arbeitsmärkte als Ursache arbeitsmarktpolitischer Eingriffe Die Unvollkommenheiten der Arbeitsmärkte sind so häufig und ausführlich beschrieben worden 11 , daß es hier genügt, die wesentlichen Friktionen auf den Arbeitsmärkten knapp zu beschreiben. Im Sinne der Markttheorie von Heinrich von Stackelberg ist der Gesamtarbeitsmarkt ein typisch unvollkommener Markt, der sich aus tausenden von Märkten zusammensetzt, die sich fachlich-beruflich, nach dem Qualifikationsniveau der angebotenen und nachgefragten Arbeit sowie personell, d. h. nach dem Geschlecht, dem Familienstand und dem Lebensalter der Arbeitskräfte, unterscheiden. Die Vielzahl der durch die Heterogenität der Arbeitskräfte voneinander getrennten Elementarmärkte wird durch die räumliche Dimension der Arbeitsmärkte, d. h. durch die Tatsache vervielfacht, daß für jede homogene Arbeitsqualität regionale und lokale Märkte existieren, die durch die Kosten der Raumüberwindung voneinander getrennt sind.
Das Ausmaß der zwischen den Elementarmärkten bestehenden Interdependenzen und damit die Möglichkeiten des Ausgleichs von Marktungleichgewichten bzw. die Möglichkeiten der Herstellung optimaler Allokation des Faktors Arbeit werden durch die gegenseitige Substituierbarkeit von Arbeitskräften bestimmt. Diese Substituierbarkeit ist zu einem Zeitpunkt um so geringer, d. h. sie zu u Vgl. dazu E. Willeke, 1956, S. 326 ff., K. W. Rothschild, 1975, G. Brinkmann, 1981, S. 287 ff., H. J. Müller, 1985, Sp. 284 ff.
2. Die ordnungspolitischen Grundlagen
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schaffen kostet um so mehr Zeit, je größer die Qualifikationsunterschiede zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen sind, und das heißt je größer der Zeitbedarf des Erwerbs bestimmter Qualiftkationen ist, und je stärker die Qualifikation durch spezifische Fähigkeiten und Begabungen determiniert wird. Die Substituierbarkeit ist ferner um so geringer, je höher die finanziellen Kosten der Raumüberwindung, also eines Umzugs sind, je höher die Arbeitnehmer die sozialen Kosten räumlicher Mobilität einschätzen (Verlust des sozialen Beziehungsnetzes, Verlust der vertrauten Umgebung), je stärker sie familiär gebunden sind, je schwerer vergleichbar verschiedene Arbeitsplätze in bezugauf Arbeitseinkommen, Sozialleistungen, Aufstiegschancen, Arbeitsplatzsicherheit und Betriebsklima sind und je geringer generell die Markttransparenz ist. Die Wirkungen dieser Marktunvollkommenheiten bestehen nicht nur in Beeinträchtigungen des Zieles optimaler Allokation der Arbeit, so daß die Arbeitskräfte nicht in die Verwendungen gelenkt werden, in denen sie jeweils ihre höchste Produktivität erreichen, sondern auch in der Entstehung bzw. Aufrechterhaltung von Ungleichgewichten auf bestimmten fachlichen und regionalen Teilmärkten, insbesondere auch in strukturellen Ungleichgewichten, die den gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgrad beeinträchtigen. Daher leitet sich aus diesen Marktunvollkommenheiten die Notwendigkeit ab, zur Förderung des Arbeitsmarktausgleiches und zur Förderung optimaler Allokation die Marktunvollkommenheiten wenigstens graduell zu verringern: durch Arbeitsvermittlung, Arbeitsberatung und Berufsberatung sowie durch Förderung der beruflichen Bildung, Umschulung, der Fort- und der Weiterbildung und durch die Förderung der regionalen Mobilität 12• Welche Maximen für die Arbeitsmarktausgleichspolitik im Rahmen einer Sozialen Marktwirtschaft Beachtung verdienen, soll an anderer Stelle aufgezeigt werden 13 • 2.3.2.2. Marktformen und ihre Konsequenzen als Ursache arbeitsmarktpolitischer Eingriffe Unter den Bedingungen individueller Arbeitsvertragsfreiheit und freien Wettbewerbs auf den Arbeitsmärkten sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber zwar formalrechtlich gleichgestellt, de facto aber in einer ungleichgewichtigen Position, die sich aus folgenden Fakten ergibt 14 : 1. Auch in entwickelten Industriegesellschaften sind die meisten Gesellschaftsmitglieder darauf angewiesen, zur Sicherung ihrer Existenz ihre Arbeitsfähig12 Zur Arbeitsmarktausgleichspolitik vgl. D. Mertens, J. Kühl, 1977, S. 284 ff. und H. Lampert, 1985, S. 203 ff. 13 Vgl. dazu ill.3. 14 Vgl. dazu E. Willeke, 1956, S. 326 ff., E. Arndt, 1957, S. 58-79, K. W. Rothschild, 1975, s. 11 ff.
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Kap. I: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
keit ökonomisch zu verwerten, d. h. sie stehen unter Angebotszwang. Demgegenüber ist bei den Kapitaleignern zwar prinzipiell ein Druck zur Verwertung des Kapitals gegeben, dieser Druck ist jedoch nicht so intensiv wie der Angebotsdruck der Arbeitnehmer und zeitlich nicht so urunittelbar wirksam. 2. Die in der Regel oligopsonistische bzw. monopsonistische Struktur der Arbeitsmärkte, d. h. die Tatsache, daß auf einem Arbeitsmarkt die Zahl der Anbieter von Arbeitsleistungen größer ist als die Zahl der Nachfrager, daß also der Wettbewerbsdruck auf der Anbieterseite größer ist als auf der Nachfragerseite. Dadurch ist die Arbeitnehmerposition schwächer als die der Arbeitgeber. 3. Bei sinkendem Arbeitseinkommen reagiert das Arbeitsangebot "anomal", wenn die Arbeitsanbieter das gegebene Lohnniveau als zu niedrig ansehen, um einen bestimmten Lebensstandard zu sichern. Diese Angebotsausweitung bei sinkenden und niedrigen Arbeitseinkommen kann Lohnsenkungen bewirken. 4. Die Marktüberlegenheit der Arbeitgeber wird durch die im vorigen Abschnitt dargestellten Marktunvollkommenheiten verstärkt 15• Ein Marktmechanismus ist auf den Arbeitsmärkten nicht nur aus den bisher dargestellten Gründen nicht funktionsfähig und gefährdet Ziele wie soziale Sicherheit (durch niedrige Arbeitseinkommen), soziale Gerechtigkeit 16 und Wohlstand für alle 17 • Vielmehr ist noch eine spezifisch wirtschaftsethische Dimension zu berücksichtigen. Sie ergibt sich daraus, daß die Arbeitskraft vom Menschen als ihrem Träger nicht zu trennen ist. Das macht es zum einen erforderlich, die Arbeitsmärkte und die Arbeitsbedingungen so auszugestalten, daß die Menschenwürde, die Gesundheit und die Substanz der Arbeitskraft geschützt werden und darüber hinaus, daß das Problem der Verteilung des Produktionsertrages auf die
15 In jüngster Zeit stellen einige Ökonomen, u. a. B. Molitor, 1988, S. 50 ff. die Notwendigkeit einer Einschränkung wettbewerblieber Lohnbildung in Frage, weil die Bedeutung der anomalen Angebotsreaktion, des Angebotszwanges und der Lohnkonkurrenz der Arbeitnehmer sowie die Unvollkommenheit der Arbeitsmärkte in Wohlstandsgesellschaften so stark zurückgegangen sei, daß eine Organisation des Angebotes durch die Gewerkschaften fragwürdig werde. Wir halten diese graduellen Änderungen der Angebotsbedingungen nicht für so gravierend, daß sie die prinzipielle Marktunterlegenheit des Faktors Arbeit gegenüber dem Kapital aufheben. Vgl. dazu auch m. 2. 16 Die soziale Gerechtigkeit kann zum einen dadurch verletzt werden, daß auf unterschiedlichen, z. B. regionalen Arbeitsmärkten wegen unterschiedlicher Angebots- I Nachfragebedingungenfür die quantitativ und qualitativ gleiche individuelle Arbeitsleistung unterschiedliche Entgelte gezahlt werden, zum anderen dadurch, daß auf "freien" Arbeitsmärkten der Anteil der Arbeitnehmer arn Gesamtprodukt (Lohnquote) wesentlich niedriger sein könnte als auf organisierten Märkten. 11 Dieses Ziel könnte dadurch beeinträchtigt werden, daß das Lohnniveau und vor allem die Löhne für unqualifizierte Arbeit merklich niedriger sein könnten als auf organisierten Märkten.
2. Die ordnungspolitischen Grundlagen
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an der Produktion beteiligten Produktionsfaktoren so gelöst wird, daß dabei neben ökonomischen Kriterien auch das Ziel sozialer Gerechtigkeit berücksichtigt wird. Ökonomische Kriterien, denen die Ordnung der Arbeitsmärkte genügen sollte, sind: 1. daß metaökonomische Ziele und ökonomische Ziele aus dem interpretierten Zielkatalog nicht oder allenfalls geringfügig beeinträchtigt werden. Genannt seien hier insbesondere: ein hoher Beschäftigungsstand, die Preisniveaustabilität, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft sowie die optimale Allokation der Arbeit; 2. der Doppelcharakter der Löhne als Arbeitsentgelt, d. h. als Kostenfaktor und als Quelle der Massenkaufkraft, die die volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage maßgeblich mitbestimmt. Dies bedeutet einerseits, daß die Lohnkosten insgesamt die Vollbeschäftigung und die Preisniveaustabilität nicht gefährden sollten, daß sie andererseits aber so hoch sein sollten, daß das Wachsturn der Konsumgüternachfrage nicht hinter dem Wachstum der volkswirtschaftlichen Produktivität zurückbleibt. Das Problem sozialer Gerechtigkeit stellt sich - kurz dargestellt 18 - wie folgt dar. In einer marktwirtschaftliehen Ordnung wird die Leistung des Faktors Arbeit durch den Arbeitslohn abgegolten. Die Kapitaleigentümer, die als Organisatoren der Produktion das Recht der Disposition über den Produktionsprozeß, über den Einsatz der Produktionsfaktoren und über die Verwendung des Produktes haben, beziehen neben der Verzinsung als Entgelt für den Faktor Kapital im Falle Unternehmerischen Erfolges auch Gewinneinkommen 19 und haben das Recht der Verfügung über diesen Gewinn. Dieser Gewinn ist jedoch weder der ökonomischen Leistung des Kapitals noch der Leistung der Unternehmensführung allein zurechenbar, weil er Ergebnis des Zusammenwirkens aller an der Produktion beteiligten Faktoren ist 20 • Zusätzlich wird die Verteilungsproblematik dadurch kompliziert, daß es keine "in der Natur der Sache" liegenden, also keine objektiven Kriterien für die Zurechnung des Gewinnes auf die Faktoren Boden, Arbeit, Kapital und Unternehmerleistung gibt, so daß ein sozialer Konsens zwischen den an der Produktion Beteiligten über die Verteilung der Gewinne gefunden werden muß. Vgl. die ausführliche Darstellung von H. Lampert, 1985, S. 211 f. Das Entgelt für die Unternehmerische Leistung, den Unternehmerlohn, betrachten wir als Arbeitsentgelt. 20 Vgl. zu dieser Problematik insbes. G. Briefs, 1926, S. 145 ff., E. Arndt, 1957, 1. Kap., und K. W. Rothschild, 1969, S. 57 ff. Vgl. auch Sachverständigenrat, Gutachten 1972/73: ,,In unserer Wirtschaftsordnung begünstigen die gesetzten Unternehmensverfassungen solche Unternehmensformen, in denen Kapital das Verlustrisiko trägt und somit auch die Gewinne erhält, die Kapitaleigner also die Bezieher des Residualeinkommens sind" (Ziffer 504). "Es ist . . . nicht selbstverständlich, daß allein dem Kapital das Residualeinkommen zuwachsen soll" (Ziff. 505). 18 19
3 Lampert
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
Die bisherige Darstellung dürfte erkennbar gemacht haben: 1. Die individualrechtliehen Freiheitsverbürgungen in der Bundesrepublik machen zwar eine an den Zielen der Entfaltung der Persönlichkeit, der Freiheit der Berufswahl und der Arbeitsplatzwahl, der Freizügigkeit und der Freiheit der Nutzung der Eigentumsrechte orientierte Arbeitsmarktordnung erforderlich, d. h. eine· Ordnung, die durch individuelle Arbeitsvertragsfreiheit und möglichst freien Wettbewerb charakterisiert ist.
2. Aufgrund von Unvollkommenheiten der Arbeitsmärkte und spezifischen Marktstrukturen sowie aufgrund von besonderen Eigenschaften des Gutes ,,Arbeitskraft" im Vergleich zu anderen Gütern bestehtjedoch die Notwendigkeit, die individuelle Arbeitsvertragsfreiheit zu begrenzen und den Wettbewerb zu regulieren, um den Zielen Schutz der Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Wohlstand für alle, soziale Sicherheit, soziale Gerechtigkeit und sozialer Friede gerecht zu werden. Daher ist es erforderlich, neben den Qualitätsmerkmalen individuelle Freiheit und geordneter Wettbewerb auf beiden Marktseiten ein drittes Qualitätsmerkmal zu verwirklichen: die Setzung und Einhaltung von Mindestnormen. Was zu diesen Mindestnormen gehört und wie sie ausgestaltet werden müssen, um nicht die Durchsetzung der individualrechtliehen Freiheitsverbürgungen zu verhindern, soll im folgenden Abschnitt abgeleitet werden. 2.3.3. Grundlegende Merkmale der Arbeitsmarktordnung in einer Sozialen Marktwirtschaft
2.3.3.1. Überblick In den vorhergehenden Abschnitten wurden als Merkmale einer der Sozialen Marktwirtschaft entsprechenden Arbeitsmarktordnung die individuelle Arbeitsvertragsfreiheit, ein geordneter Wettbewerb auf beiden Marktseiten und die Durchsetzung von Mindestnormen herausgestellt. In diesem Abschnitt soll abgeleitet werden, was diese Qualitätsmerkmale konkret erfordern. Die individuelle Arbeitsvertragsfreiheit muß sich auf alle Elemente richten können, die im Rahmen der geltenden Rechtsordnung Vertragsgegenstand sein können, d. h. vor allem der Inhalt der zu erbringenden Arbeitsleistung, die Dauer der jährlichen, monatlichen und wöchentlichen sowie täglichen Arbeitszeit (chronometrische Dimension), die Lage der Arbeitszeit (chronologische Dimension), das Arbeitsentgelt, freiwillige Sozialleistungen (wie Urlaubsgeld, Betriebsrenten, Gewinnbeteiligungen u.ä.), Kündigungsmodalitäten. Eine Einschränkung dieser Vertragsfreiheit ist nur hinsichtlich der Einhaltung von Mindestnormen zu machen, die durch das Arbeitsrecht und das Sozialrecht gesetzt sind.
2. Die ordnungspolitischen Grundlagen
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Geordneter Wettbewerb auf beiden Marktseiten bedeutet zunächst einmal, daß der Markteintritt nur durch unverzichtbar erscheinende Qualitätserfordernisse begrenzt wird (z. B. auf den Märkten ärztlicher und pflegerischer Dienstleistungen, der Rechtsberufe, der Lehrberufe usw.). Zum anderen sollen- wiederum unter Beachtung einschlägiger Mindestnormen, z. B. hinsichtlich der täglichen Arbeitszeit- Wettbewerbsparameter sein: die Qualität der Leistung, das Angebot an Arbeitszeit, dre Effektivlohnhöhe, sonstige geldwerte Leistungen und Aufstiegschancen. Geordneter Wettbewerb heißt aber auch, daß die Wettbewerbsparameter, insbesondere. die Arbeitsentgelte, nur oberhalb von Mindestnormen, z. B. Mindestlöhnen, variiert werden dürfen. Geordneter Wettbewerb heißt ferner, daß der Staat als oberster Träger der Arbeitsmarktpolitik versucht, die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs durch die Reduzierung von Arbeitsmarktunvollkommenheiten mit Hilfe geeigneter Instrumente zu erhöhen 21 • Die schon mehrmals apostrophierten Mindestnormen müssen sich, wenn die im relevanten Zielsystem enthaltenen sozialen Ziele erreicht werden sollen, auf drei Bereiche richten: 1. auf den Schutz der Arbeitnehmer vor Gefährdungen, die aus der Arbeit im Betrieb und aus dem Arbeitsverhältnis erwachsen können; 2. auf die Arbeitsentgelte; 3. auf die Betriebs- und Unternehmensverfassung. 2.3 .3.2. M indestnormen des Arbeitnehmerschutzes Aus der Arbeitsausübung in den Betrieben können den Arbeitnehmern zahlreiche Gefahren drohen 22 , insbesondere -
Beeinträchtigungen der Gesundheit, der Arbeitsfähigkeit, der zeitlichen Voraussetzungen für die Entfaltung der Persönlichkeit und die Wahrnehmung von Aufgaben für die Familie durch zu lange Arbeitszeiten und zu geringe Ruhe- und Erholungspausen;
-
Beeinträchtigungen der Gesundheit und des Arbeitsvermögens durch den Umgang mit gesundheitsgefährdenden Roh-, Betriebs- und Hilfsstoffen sowie mit technischen Anlagen und durch die Arbeitsplatzumwelt;
-
Beeinträchtigungen der Lebenslage, insbesondere eines Minimums an Lebens- und Planungssicherheit durch die Befristung bzw. kurzfristig mögliche Kündigung von Arbeitsverhältnissen.
21 Das sind im wesentlichen die im AFG festgelegten Instrumente der Arbeitsvennittlung, der Arbeits- und Berufsberatung, der Berufsbildungsförderung, der Förderung der regionalen Mobilität und der Zahlung von Arbeitslosenunterstützung, die Zeiten der Sucharbeitslosigkeit fmanziell erleichtert. 22 Vgl. zu den Zielen und Instrumenten des Arbeitnehmerschutzes H. Winterstein, 1977, S. 300 ff. und H. Lampert, 1985, V. Kapitel.
3*
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
Als besonders schutzbedürftig gelten Jugendliche, Mütter und Schwerbeschädigte. Für die Lebenslage und Lebensqualität der Arbeitnehmer, aber auch für die Eigentumsrechte der Unternehmungseigentümer haben die Regelungen des Arbeitszeitschutzes, des Gefahrenschutzes und des Bestandsschutzes der Arbeitsverhältnisse so grundlegende Bedeutung, daß Träger des Arbeitnehmerschutzes nur der auf die Wahrung des Gemeinwohlinteresses verpflichtete Gesetzgeber sein kann. 2.3 .3 .3. Mindestnormen für die Arbeitsentgelte
Um sicherzustellen, daß auch niedrige Arbeitsentgelte bei Vollzeiterwerbstätigkeit einer ,,Normal"-Arbeitskraft existenzsichernd sind und um eine aus Marktüberlegenheit resultierende Ausbeutung von Arbeitnehmern zu verhindern, ist es unverzichtbar, Mindestlöhne zu setzen 23 • Als zuständige Institution ist entweder eine staatliche Stelle oder die Übertragung entsprechender lohnpolitischer Befugnisse auf die organisierten Arbeitsmarktparteien, d. h. die Einführung kollektivvertraglicher Regelungen denkbar. Die Beurteilung dieser beiden Möglichkeiten hängt davon ab, inwieweit sie zu einem Interessenausgleich zwischen den Konfliktparteien führen können, ohne die arbeitsmarktpolitischen Ziele zu verletzen, aber auch davon, inwieweit durch das gewählte Verfahren der Mindestlohnfestlegung die Interessen Dritter, insbesondere der Gesamtgesellschaft, berührt werden. Verhandlungen und Vereinbarungen zwischen den organisierten Arbeitsmarktparteien haben im Vergleich zur staatlichen Festlegung von Mindestlöhnen für sich 24: 1. daß der gefundene Kompromiß für beide Seiten akzeptabel erscheint. Dadurch ist auch ein Beitrag zum sozialen Frieden geleistet; 2. daß die Entscheidung jenen übertragen ist, die die besten Informationen über die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der relevanten Betriebs- und Arbeitswelt haben; 3. daß sie den Gewerkschaften die größte Chance einräumen, die Arbeitsnormen unter den gegebenen ökonomischen Rahmenbedingungen an die mögliche Obergrenze zu drücken und im ungünstigsten Fall eine Reduzierung der Nominallöhne zu verhindern; 4. daß sie dem für die Soziale Marktwirtschaft geltenden Subsidiaritätsprinzip entsprechen; 5. daß sie es erlauben, bei der Lohnfestsetzung für die Arbeitnehmer verschiedener Regionen, Branchen, verschiedenen Geschlechtes und verschiedener Qua23 24
Diese Möglichkeit hat auch W. Eucken, 1952, S. 303 f. vorgeschlagen. Vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei H. Lampert, 1985, S. 212-219.
2. Die ordnungspolitischen Grundlagen
37
lifikation die Lohn- und Gehaltsstruktur unter sozialen Gesichtspunkten zu modifizieren. Als Probleme sind mit den Verhandlungslösungen verbunden: 1. die Gefahr einer Beeinträchtigung der Preisniveaustabilität; 2. die Gefahr der Beeinträchtigung der Lenkungsfunktion der Lohn- und Gehaltsstruktur, d. h. der optimalen Allokation des Faktors Arbeit, wenn die Lohnunterschiede zu stark gegen Marktentwicklungen verringert werden oder wenn eine Verringerung von Lohnunterschieden gegen die Marktentwicklung verhindert wird. Auf diese Gefahren soll näher eingegangen werden, wenn die Qualitätsmerkmale der Arbeitsmarktordnung vollständig abgeleitet sind. Festgehalten sei zunächst nur, daß die Festsetzung von Mindestlöhnen durch die Arbeitsmarktparteien einer staatlichen Mindestlohnfestsetzung vorzuziehen ist, wenn die beiden aufgezeigten Probleme zufriedenstellend gelöst werden können.
2.3.3.4. Mindestnormenfür die Betriebsverfassung Es wurde bereits herausgestellt, daß die Arbeitskraft vom Menschen als ihrem Träger nicht zu trennen ist, und daß sich daraus die Notwendigkeit ergibt, die Menschenwürde und andere elementare Interessen der Arbeitnehmer in den Betrieben. zu schützen. Zu diesen Interessen gehören insbesondere das Interesse, vor Überforderungen geschützt zu sein, gleichbehandelt und leistungsgerecht entlohnt zu werden. Besonderes Gewicht erhält dieses Schutzbedürfnis dadurch, daß das wirtschaftliche Schicksal der Arbeitnehmer und die Qualität ihres Arbeitslebens weitgehend durch Arbeitgeberentscheidungen bestimmt wird und diese Entscheidungen notwendigerweise primär an ökonomischen, nicht an sozialen Kriterien orientiert sind. Deswegen erscheint es geboten, Vorkehrungen dafür zu treffen, daß die Einhaltung geltender staatlicher und tariflich vereinbarter Mindestnormen in den Betrieben kontrolliert wird und daß bei betrieblichen Entscheidungen, soweit es ökonomisch vertretbar erscheint, soziale Interessen der Belegschaft berücksichtigt werden 25 • Die sozialen Mindestnormen für eine solche Betriebsverfassung sind, da es um die Schaffung der Voraussetzungen für die Verwirklichung wesentlicher metaökonomischer Ziele geht, vom Gesetzgeber zu setzen.
zs A. Müller-Armack hat sich bereits 1948 für die Schaffung einer "sozialen Betriebsordnung" eingesetzt, "die den Arbeitnehmer als Mensch und Mitarbeiter wertet, ihm ein soziales Mitgestaltungsrecht einräumt, ohne dabei die betriebliche Initiative und Verantwortung des Unternehmers einzugrenzen". A. Müller-Armack, 1974, S. 99.
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Kap. I: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
2.3.3.5. Soziale Sicherung im Falle der Arbeitslosigkeit Da Vollbeschäftigung nicht jederzeit gesichert werden kann, wie die letzten 15 Jahre entgegen den in den 60er Jahren dominierenden Erwartungen gezeigt haben, gehören zu einer einer Sozialen Marktwirtschaft entsprechenden arbeitsmarktpolitischen Konzeption Lohnersatzleistungen im Falle der Arbeitslosigkeit, die so ausgestaltet sein sollten, daß sie die Bereitschaft zur Erwerbstätigkeit nicht durch vergleichsweise hohe Arbeitslosenunterstützungen und durch eine lange Bezugsdauer beeinträchtigen. Solche Lohnersatzleistungen sind auch erforderlich, weil selbst bei hohem Beschäftigungsgrad im Zusammenhang mit dem permanent ablaufenden Strukturwandel und der Ausübung des Rechtes auf freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl friktioneile Arbeitslosigkeit auftritt. Mit der bisherigen Darstellung sind folgende Elemente einer Arbeitsmarktordnung abgeleitet, die einer sozialen Marktwirtschaft entspricht: 1. die Sicherung grundlegender Freiheitsrechte, wie freie Entfaltung der Persönlichkeit, Freiheit der Berufs- und Arbeitsplatzwahl, Freizügigkeit und Freiheit der Nutzung der Eigentumsrechte an produzierten Produktionsmitteln einerseits sowie die Sicherung sozialer Ziele, wie Wahrung der Menschenwürde, Gleichheit der Startchancen, soziale Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und sozialer Friede andererseits durch eine Kombination von
a) individueller Arbeitsvertragsfreiheit und Wettbewerb auf beiden Arbeitsmarktseiten mit b) kollektiven, auf der Grundlage der Tarifautonomie geschlossenen Arbeitsverträgen sowie staatlich gesetzten Arbeitnehmerschutzrechten. Durch die Tarifvertragspolitik und die Arbeitnehmerschutzrechte soll die optimale Faktorallokation möglichst wenig beeinträchtigt werden; 2. die Institutionalisierung der Arbeitsmärkte im Sinne der Schaffung von Einrichtungen zur Minimierung und Überwindung von Arbeitsmarktunvollkommenheiten, d. h. zur Sicherung des Arbeitsmarktausgleichs durch Berufs- und Arbeitsberatung, Arbeitsvermittlung sowie Förderung der beruflichen und regionalen Mobilität; 3. eine zieladäquate Ausgestaltung der Betriebs- und Untemehmensverfassung; 4. das zentrale Ziel einer am Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft orientierten Arbeitsmarktpolitik, nämlich das Ziel, für alle Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen eine ununterbrochene, den individuellen Neigungen und Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung zu bestmöglichen Bedingungen, insbesondere in bezug auf das Arbeitsentgelt und die Arbeitszeit, zu sichern. Als Unterziele sind erforderlich:
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
39
a) die Herstellung und Erhaltung der Vollbeschäftigung mit Hilfe systemkonformer, d. h. im wesentlichen global wirkender Instrumente der Geld- und Fiskalpolitik; b) die Integration wirtschaftlich und sozial in besonderer Weise im Wettbewerb um Arbeitsplätze benachteiligter Personen, insbesondere behinderter, gesundheitlich beeinträchtigter und älterer Personen;
5. eine Sicherung der Existenz unverschuldet arbeitslos gewordener, arbeitswilliger und arbeitsflihiger Personen durch die Zahlung von Lohnersatz; 6. die eingesetzten Instrumente der Arbeitsmarktpolitik sollen - abgesehen von ihrer Zielkonformität - marktkonform sein , d. h. die Funktionsflihigkeit der Arbeitsmärkte nicht bzw. möglichst wenig beeinträchtigen.
3. Leitbildkonformität und Probleme der praktischen Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik Deutschland 3.1. Die Leitbildkonformität der praktischen Arbeitsmarktpolitik Überprüft man die in der Bundesrepublik verwirklichten Arbeitsmarktordnungen und die betriebene Arbeitsmarktprozeß- und Arbeitsmarktstrukturpolitik, dann ergibt sich ein sehr hohes Maß an Leitbildkonformität in bezug auf die Grundorientierung des Leitbildes an einer ausgewogenen Synthese zwischen individualrechtliehen Freiheitsverbürgungen und sozialstaatliehen Normen, wie soziale Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und sozialer Schutz im Arbeitsleben sie darstellen 26 • An der grundsätzlich freiheitlichen und wettbewerbliehen Orientierung der Arbeitsmarktordnung sind keine Zweifel angebracht, wenngleich durch die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit der materiale Gehalt der Freiheit der Berufswahl und der Arbeitsplatzwahl geringer ist als er bei höherem Beschäftigungsgrad wäre. Der Wettbewerb um die Arbeitskräfte ist auf beiden Marktseiten funktionsflihig: die Märkte sind ganz überwiegend offene Märkte, den Arbeitsmarktakteuren stehen oberhalb der gesetzten Mindestnormen zahlreiche Aktionsparameter zur Verfügung und die Arbeitsmarktpolitik baut- wenn auch vielfach nicht in dem erwünschten Umfang 27 - Arbeitsmarktunvollkommenheiten ab. Die sozialen Schutznormen in den Bereichen Arbeitszeitschutz, Gefahrenschutz, Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse und Sicherung von Arbeitnelunerrechten durch die Betriebsverfassung sind im großen und ganzen hochentwickelt; 26
21
Vgl. dazu H. Lampert, 1981, S. 768 ff., 1984, S. 677 ff. und 1987, S. 226 ff. Vgl. zur Effizienz der Arbeitsmarktpolitik I. 3.3.2.
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Kap. I: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
zum Teil so weit, daß nicht selten eine zu starke Beeinträchtigung der ökonomischen Effizienz befürchtet wird und die Schutzregelungen für kontraproduktiv gehalten werden. 28 Auch die Tarifautonomie erfüllt ihre Schutzfunktion. Doch auch in diesem Bereich werden seit einigen Jahren Funktionsmängel diagnostiziert, insbesondere wird in der Tarifautonomie eine Ursache für die Arbeitslosigkeit in der Gesamtwirtschaft und auf Teilmärkten gesehen 29 • Der hier bestehende Korrekturbedarf wird an anderer Stelle zu diskutieren sein 30• Die Tatsache, daß -soweit überhaupt Reformen angeregt werden- ganz überwiegend "Modifikationen" der Tarifautonomie, nicht jedoch ihre Beseitigung gefordert werden, spricht dafür, daß die Tarifautonomie als Qualitätsmerkmal der Arbeitsmarktordnung nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. Daher läßt sich festhalten: die Arbeitsmarktordnung der Bundesrepublik weist eine hohe Leitbildkonformität auf- ungeachtet der Tatsache, daß Anlaß besteht, Verbesserungen dieser Ordnung zu diskutieren. Ein analoges Urteilläßt sich- wie an anderer Stelle zu belegen sein wird 31 -für die Arbeitsmarktpolitik ableiten. Auch sie ist in hohem Maße Ieitbild- und aufgabenkonform, jedoch verbesserungsfahig und verbesserungsbedürftig. Die neuralgischen Bereiche der Arbeitsmarktordnung und die Problembereiche der Arbeitsmarktpolitik sollen im folgenden dargestellt werden. 3.2. Problembereiche der Arbeitsmarktordnung Wenn man die potentielle oder auch die tatsächliche Beeinträchtigung metaökonomischer, wirtschafts- und sozialpolitischer bzw. arbeitsmarktpolitischer Ziele als Maßstab zugrundelegt, können folgende Problembereiche der Arbeitsmarktordnung festgestellt werden: 1. die Tarifautonomie, die die Preisniveaustabilität, das außenwirtschaftliche Gleichgewicht, das Vollbeschäftigungsziel und die optimale Faktorallokation beeinträchtigen kann; 2. die Verteilung des Risikos der Unterbeschäftigung in der Gesellschaft, dessen Folgen überwiegend die Arbeitnehmer und hier wiederum die wirtschaftlich und sozial Schwächeren treffen; 3. eine unzulängliche Abstimmung von Bildungssystem und Beschäftigungssystem, die dazu führen kann, daß Diskrepanzen zwischen Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage bestehen, die nur mit hohen ökonomischen und sozialen Kosten wieder beseitigt werden können; Vgl. dazu I. 3.2.7. Vgl. dazu W. Engels u. a., 1986 sowie die Literaturübersicht bei F. Buttler, 1986 und R. Vaubel, 1989. 30 Vgl. dazu I. 3.2.1. 31 Vgl. dazu I. 3.3. 28
29
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
41
4. die Finanzierung der Aufgaben der Bundesanstalt, die - wie zu zeigen sein wird - unter dem Aspekt gerechter Lastenverteilung fragwürdig ist; 5. die Diskontinuität und Instabilität des Aufgabenvollzugs aufgrundzahlreicher diskretionärer Eingriffe des Gesetzgebers in das Arbeitsförderungsgesetz und seinen Vollzug; 6. die Trägerschaft der Arbeitslosenversicherung, die die Arbeitsmarktparteien von einer mit finanziellen Sanktionen gekoppelten Beschäftigungsverantwortung freistellt. 7. bestimmte Mindestnormen des Arbeitnehmerschutzes, von denen behauptet wird, daß sie beschäftigungshemmend und für die geschützten Personenkreise kontraproduktiv wirken. Im folgenden sollen diese Problemkreise näher dargestellt, das Gewicht der Probleme und die Dringlichkeit ihrer Lösung abgeschätzt und zu einzelnen dieser Probleme Lösungsvorschläge unterbreitet werden. 3.2.1. Die Problematik der Tarifautonomie
Die Tarifautonomie gilt als ein Instrument, das erstens zu einer gleichgewichtigen Arbeitsmarktform führt und zweitens gleichzeitig die ökonomisch und unter dem Aspekt sozialer Gerechtigkeit beste Beilegung des Verteilungskonfliktes zwischen Arbeit und Kapital ermöglicht - unter der Voraussetzung, daß der Staat als Träger der wirschaftspolitischen Verantwortung und die Zentralnotenbank als geld-, kredit- und währungspolitisch steuernde Institution fähig sind, durch die Setzung entsprechender Rahmenbedingungen zu verhindern, daß durch die Tariflohnpolitik gesamtwirtschaftliche Ziele, insbesondere die Preisniveaustabilität und die Vollbeschäftigung gefährdet werden 32• In Verbindung mit der Tarifautonomie werden drei Gefahren gesehen: 1. die Gefahr einer Verletzung des Ziels der Preisniveaustabilität;
2. die Gefahr einer Verletzung des Vollbeschäftigungsziels; 3. die Gefahr einer Verletzung des Zieles optimaler Faktorallokation durch eine lohnstrukturnivellierende Lohnstrukturpolitik. In diesem Abschnitt soll die Problematik der Verletzung der Preisniveaustabilität und des Vollbeschäftigungszieles behandelt werden 33 •
32 Vgl. zu diesen Problemen H. Arndt, 1984, K. W. Rothschild, 1963, G. Bombach, 1969, H. Giersch, 1977, B. Külp, 1981, H. Lampert, D. Schönwitz, 1986, U. Teichmanri, 1988. 33 Zur Lohnstrukturproblematik vgl. III. 3.1.
42
Kap. I: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
Eine Gefährdung der Preisniveaustabilität durch die Tariflohnpolitik wird aktuell, wenn es den Gewerkschaften gelingt, über mehrere Jahre hinweg Lohnzuwächse durchzusetzen, die im Rahmen einer bestimmten Bedingungskonstellation dazu führen, daß die Gesamtkosten der Produktion je Produkteinheit steigen 34• Eine derartige expansive Lohnpolitik wird begünstigt, wenn die staatliche Wirtschaftspolitik die Vollbeschäftigung mit höchster Priorität versieht und durch eine staatliche Ausgabenexpansion oder I und durch eine expansive Geld- und Kreditpolitik eine solche Lohnpolitik monetär subventioniert, statt ihre Spielräume durch eine restriktive Politik einzudämmen. Die Erfahrungen in der Bundesrepublik zeigen, daß die Gewerkschaften in Situationen, in denen Lohnerhöhungen, die nicht kostenniveauneutral waren, den Beschäftigungsgrad erkennbar zu gefährden drohten, zu einer Lohnpolitik bereit waren, die die Gefährdungen der Preisniveaustabilität reduzierte und vollbeschäftigungskonform waren. Das bestätigen den Gewerkschaften die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände 35 und der Sachverständigenrat in zahlreichen seiner Gutachten 36. Allerdings gab es auch Perioden, in denen die durchgesetzten Lohnerhöhungsraten je geleisteter Arbeiterstunde merklich höher lagen als die Zunahme des Produktionsergebnisses je geleisteter Arbeitsstunde 37 : die Jahre 1965/66, 1969 bis 1975 und 1980/81. Die genannten Perioden waren teils Jahre, in denen die Gewerkschaften davon ausgingen, daß die regierungsamtliche Wirtschaftspolitik das Vollbeschäftigungsziel höher bewertete als die Preisniveaustabilität38- wie die Periode 1969 bis 1975 -,teils Jahre, in denen die Gewerk34 Nach dieser These der kostenniveauneutralen Lohnpolitik, die im wesentlichen vom Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung konzipiert wurde, wird der Verteilungsspielraum durch die Zuwachsrate der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität bestimmt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß dieser Verteilungsspielraum eingeengt bzw. erweitert wird durch 1. die Veränderung der Kapitalkosten je Produkteinheit, 2. die Lohnsummeneffekte der Veränderung der Beschäftigtenstruktur, 3. die Veränderung der von den Arbeitgebern zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge, 4. die Veränderungen der TermsofTrade und 5. die Veränderungen der Arbeitszeit. Vgl. dazu Sachverständigenrat, Gutachten 1964/65, S. 137. 35 Vgl. dazu Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), 1987, s. 193. 36 Sachverständigenrat, Gutachten 1970/71, Ziff. 239; 1975/76, Ziff. 122; 1976/77, Ziff. 112 und 118; 1977/78, Ziff. 388 und 389 ("die Einsicht, daß mittelfristig ein Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Beschäftigung besteht, ist im Grunde nicht gering, auch bei den Gewerkschaften nicht"); 1978/79, Ziff. 384 ("in den Jahren seit der Rezession von 1975 ist die Gewöhnung an niedrigere Lohnsteigerungsraten gelungen") und 394; 1979/80, Ziff. 333; 1983/84, Ziff. 428; 1985/86, Ziff. 283. 37 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Statistisches Taschenbuch 1988, Tab. 3.3. 38 Vgl. dazu auch H. Eisold, 1989, der meint, daß mit dem Übergang zur keynesianisch orientierten Globalsteuerung das Gleichgewicht zwischen tarifpolitischer Entscheidungskompetenz und beschäftigungspolitischer Verantwortung sukzessive zu Lasten des Staates verschoben wurde und daß die Abgabe einer staatlichen Beschäftigungsgarantie die Tarifpartner von der Notwendigkeit entband, in ihren tarifpolitischen Entscheidungen die Beschäftigungswirkungen zu berücksichtigen.
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
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schaften versuchten, die durch die Ölpreisexplosionen verursachten Realeinkommensverluste durch extrem hohe nominale Lohnzuwachsraten zu kompensieren -wie die Jahre 1974175 und 1980/81. In diesen Jahren war aber auch- das ist der Vollständigkeit halber hinzuzufügen- der Verhandlungswiderstand der Arbeitgeber nicht stark genug, um maßvollere Lohnabschlüsse zu erzwingen 39• Wenn man den Gesamtzeitraum seit Gründung der Bundesrepublik ins Auge faßt, dann kann man den Gewerkschaften aufs ganze gesehen und unter Würdigung aller Umstände nicht absprechen, ihrer Verantwortung gerecht geworden zu sein 40 • "Unter Würdigung aller Umstände" soll heißen: 1. daß man den Gewerkschaften das Recht zugestehen muß, zu versuchen, verteilungspolitische Ziele zu verfolgen 41 ; 2. daß eine aus beschäftigungspolitischen Gründen zurückhaltende Lohnpolitik, die sich an Projektionen über die Entwicklung makroökonomischer Größen orientiert, mit dem Risiko einer Verschlechterung der Verteilungsposition der Arbeitnehmer behaftet ist, wenn die Projektionen die Entwicklung des Verteilungsspielraumes unterschätzen 42; 3. daß die Gewerkschaften bei zurückhaltender Lohnpolitik nicht sicher sein können, daß sich auch andere sozioökonomische Gruppen und wirtschaftspolitische Akteure an den Zielen der Preisniveaustabilität und der Vollbeschäftigung orientieren. Die verteilungspolitischen Risiken vollbeschäftigungskonformer Lohnpolitik werden offenbar auch vom Sachverständigenrat für so groß gehalten, daß er sich seit 1970 in mehreren seiner Gutachten mit der verteilungspolitischen Position der Gewerkschaften, den Determinanten der Eink:ommensverteilung, den Zusam39 Auf diesen Sachverhalt wies der Sachverständigenrat in seinem Gutachten 1974/ 75, Ziff. 337, besonders hin: "Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei betont, daß die Verantwortung für diesen Irrtum (gemeint war der Irrtum der Gewerkschaften über die reale ökonomische Situation des Jahres 1974, in dem die IG Metall Lohnerhöhungen forderte, die bei 20 %lagen, H. L.) selbstverständlich beide Tarifpartner zugleich trifft, diejenigen, die gefordert haben und diejenigen, die gewährt haben. Wenn die Arbeitgeber Lohnsteigerungen zugestehen, die so hoch sind ... , so haben sie ihre gesamtwirtschaftliche Funktion in der Lohnpolitik nicht erfüllt, die eben darin besteht, Bedingungen zu verteidigen, unter denen die Produktivkräfte der Volkswirtschaft erhalten, ausgebaut und genutzt werden können.". 40 Dieses Urteil wird möglicherweise mehrheitlich, aber nicht generell geteilt. Zu anderen Einschätzungen der gewerkschaftlichen Lohnpolitik vgl. H. Giersch, 1977, S. 251 ff. und Arbeiten aus dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel, ferner A. Oberhauser, 1985, s. 201 ff. 41 So auch Sachverständigenrat, Gutachten 1972/73, Ziff. 440. Vgl. zum Gewicht der Makroverteilung für die Gewerkschaften auch H. Hardes, 1974, S. 125 ff. und H. Pfromm, 1975, S. 92 ff. 42 Vgl. zur Problematik von Projektionen H. Hardes, 1974, S. 73 ff., U. Teichmann, 1988, S. 339 und Sachverständigenrat, Gutachten 1978/79, Ziff. 397: ,,Bei hoher Unsicherheit über die künftige Entwicklung der Preise und der Produktivität ist es verständlich, daß die Gewerkschaften Risiken von sich und ihrer Mitgliedern fernhalten wollen.".
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
menhängen zwischen Einkommensverteilung und Vermögensverteilung und mit den Möglichkeiten befaßt hat, eine beschäftigungszielkonforme Lohnpolitik durch eine Kombination mit einer Gewinnbeteiligungspolitik bzw. mit Hilfe einer nachträglichen Korrektur einer Verschlechterung der Verteilungsposition für die Gewerkschaften akzeptabel zu machen 43 • Ungeachtet ihrer im wesentlichen positiven Einschätzung der gewerkschaftlichen Lohnpolitik sind die Verfasser der Auffassung, daß die Problematik der Zielverletzung durch die Tarifautonomie einer Lösung bedarf. Sie kann jedoch nach unserer Meinung nicht darin gesehen werden, die Tarifautonomie einzuschränken. Denn zum einen sind die vorgeschlagenen Änderungen der Tarifautonomie in bezug auf ihre Effekte fragwürdig, wie an anderer Stelle gezeigt werden soll 44 , zum anderen müssen die Verluste in Rechnung gestellt werden, die durch Einschränkungen der Tarifautonomie eintreten können und die die möglichen, überdies aber fraglichen Gewinne an ökonomischer Stabilität übersteigen. Zu diesen Verlusten gehört insbesondere eine Gefährdung des sozialen Friedens, die vor allem dann auftreten kann, wenn die den Gewerkschaften in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten übertragenen Funktionen in einer Zeit eingeschränkt werden, in der ihr Einfluß eher rückläufig ist. Ein Konzept zur Lösung der Schwachstellen der Tarifautonomie wird in Abschnitt 111. 2.4. dargestellt. 3.2.2. Mangelhafte Abstimmung zwischen dem Bildungssystem und dem Beschäftigungssystem
3.2.2.1. Der Zusammenhang zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem Die Entwicklung der Bildungssysteme allgemein und im besonderen der Berufsbildungssysteme in den neuzeitlichen westlichen Industriegesellschaften wurde zwar nachhaltig durch die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch durch die Entwicklung der Beschäftigungssysteme bestimmt 45 • Für eine Ergänzung der betriebsgebundenen Berufsausbildung bestand jedoch bis in das 19. Jahrhundert hinein kein Bedarf. Selbst im Berufsbildungswesen der Gegenwart hat die Aufgabe, für die beruflichen Anforderungen theoretisch zu qualifizieren, traditionelle Bildungsziele, nämlich die Vermittlung allgemeiner und politischer Bildung, nicht verdrängt. Die Orientierung der allgemeinbildenden Schulen an Inhalten und Erfordernissen des Arbeits- und Wirtschaftslebens im Sinne von Entscheidungshilfen für die Berufswahl der Absolventen wird überwiegend als zu gering beurteilt 46 • 43 Zu nennen sind insbesondere die Gutachten 1970/71, Ziff. 234 ff.; 1972/73, Ziff. 501 ff. ("Gewinnbeteiligung bei begrenzter Haftung"), 1973/74, Ziff. 331; 1975/76, Ziff. 370 ff.; 1976/77, Ziff. 361 ff.; 1978/79, Ziff. 401 und 1981/82, Ziff. 337 ff. 44 Vgl. dazu III. 2.3. 45 Vgl dazu J. Zabeck, 1985. 46 Vgl. dazu I. 3.2.2.2.
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
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Qualität und Intensität der Beziehungen zwischen dem Bildungs- und dem Beschäftigungssystem in der Bundesrepublik sind wesentlich durch das Grundrecht der Freiheit der Berufswahl und der Arbeitsplatzwahl geprägt. Aus diesen Freiheitsrechten folgt, daß der Staat die Berufs- und die Arbeitssplatzwahlentscheidung der Gesellschaftsmitglieder nur auf dem Wege der Beratung und des Angebotes von finanziellen Hilfen bei der Inanspruchnahme beruflicher Ausbildungseinrichtungen, d. h. indirekt mit führenden Mitteln der Wirtschaftspolitik, beeinflussen kann. Um so größeres Gewicht kommt der Aufgabe zu, zwischen dem Bildungs- und dem Beschäftigungssystem "neue und bessere Abstimmungsmechanismen zu finden" 47 • Aus der Sicht der auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft Angewiesenen hängt unter diesen Umständen die Möglichkeit, durch den Eintritt in das Beschäftigungssystem und den Verbleib in ihm ihre Existenz zu sichern, von folgenden Voraussetzungen ab: 1. daß der Einzelne bereit und fähig ist, sich die für die Übernahme beruflicher Aufgaben erforderlichen Qualifikationen zu erwerben. Die erforderlichen Qualifikationen werden durch das Bildungssystem vermittelt. Dieses bestimmt über seine formalen Abschlüsse die Chancen des Zugangs zu den verschiedenen Ebenen des Beschäftigungssystems 48 • Zum anderen hängt die Möglichkeit des Qualifikationserwerbs davon ab, daß eine Berufsausbildung erworben werden kann 49 ; 2. die von den Arbeitskräften erworbenen Qualifikationen müssen nachgefragt werden. Dies ist nicht nur davon abhängig, daß die beruflichen, qualifikatorischen und regionalen Angebots- I Nachfragestrukturen übereinstimmen, sondern auch davon, daß konjunkturelle Arbeitslosigkeit vermieden werden kann. Denn bei höherer und länger andauernder Arbeitslosigkeit setzt aufgrund von Selektionsprozessen der Arbeitgeber ein Arbeitskräftewettbewerb ein, durch den die vergleichsweise höher qualifizierten, leistungsstärkeren, gesünderen und jüngeren die weniger qualifizierten, die leistungsschwächeren, gesundheitlich beeinträchtigten und älteren Arbeitskräfte verdrängen. Die mangelhafte Abstimmung zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem, die in der einschlägigen Literatur vielfach konstatiert und beklagt wird 50, läßt Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, 1977, S. 511. So wenden sich z. B. Hauptschüler vor allem gewerblich-technischen Berufen zu, Realschüler gehobenen kaufmännischen Berufen. Vgl. dazu H. Franke, 1987, S. 155. 49 Bekanntlich war dies aufgrundder Wachstumsverlangsamung in Verbindung mit dem Einrücken der geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre in das Erwerbspersonenpotential in den Jahren 1975 bis 1987 ein gravierendes Problem. so Vgl. dazu Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, 1977, S. 483, 490 und 493; A. Hegelheimer, 1971, W. D. Winterhager, 1973; G. Kühlewind, M. Thessaring, 1975; J. Zabeck, 1985, H. Franke, 1987; vgl. insbes. auch einschlägige Arbeiten aus dem lAB, unter anderem H. Saterdag, H. Stegmann, 1980; H. Kraft, 1982; dies. 1983 und 1987. 47
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Kap. I: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
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sich an mehreren Indikatoren ablesen. Z. B. hat das Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung festgestellt, -
daß Mitte der 80er Jahre jeder sechste Schulabgänger, der sich um einen betrieblichen Ausbildungsplatz bewarb, keine Zusage erhielt, so daß er auf andere Ausbildungswege ausweichen oder eine Tätigkeit als Ungelernter oder Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen mußte;
-
daß nur jeder zweite Jugendliche seinen Wunschberuf erlernen konnte 51 ;
-
daß ( 1980) nach Abschluß der Berufsausbildung 80% der Ausgebildeten vom Ausbildungsbetrieb ein Übernahmeangebot erhielten, jedoch 29% von sich aus den Ausbildungsbetrieb verlassen wollten 52; 1970 schieden mehr als die Hälfte der männlichen Erwerbspersonen mit einer betrieblichen Berufsausbildung innerhalb des ersten Jahres nach Abschluß der Ausbildung aus dem Betrieb aus; für 20% der Ausscheidenden war das Ausscheiden mit dem Übergang in eine un- bzw. angelernte Tätigkeit verbunden 53 ;
-
daß die Absolventen betrieblicher Ausbildung die Diskrepanzen zwischen dem Ausbildungs- und dem Beschäftigungssystem vielfach nur durch einen Berufswechsel überwinden können 54; nach einer Untersuchung deslABhatte 1980 jede vierte erwerbstätige Fachkraft bis zu einem Jahr nach Abschluß der Ausbildung bereits mindestens einmal den Beruf gewechselt und jede zweite Fachkraft, die nicht mehr im Ausbildungsbetrieb beschäftigt war und mindestens einmal den Beruf gewechselt hat, war Ende 1980 erwerbslos 55 ;
-
daß ein großer Teil der Übergänge von einer Facharbeitertätigkeit in die Tätigkeit eines Hilfsarbeiters oder angelernten Arbeiters bereits im ersten Jahr nach Abschluß der betrieblichen Berufsausbildung erfolgt 56;
-
daß 1985 jeder vierte 23- bis 24jährige Erwerbstätige mit abgeschlossener betrieblicher Berufsausbildung bereits den Beruf gewechselt hat und daß 37% der 23- bis 24jährigen seit Verlassen der allgemeinbildenden Schule mindestens einmal erwerbslos waren 57•
Die Tatsache, daß hohe Prozentsätze von Ausgebildeten innerhalb relativ kurzer Zeit aus den Ausbildungsbetrieben ausscheiden, ist im deutschen Berufsausbildungssystem strukturell vorprogrammiert, weil in diesem System traditionell das Handwerk und Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten mehr Jugendliche ausbilden als sie selbst zur Nachwuchssicherung brauchen 58 • 51
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53 54 55 56 57 58
H. Franke, 1987, S. 153. H. Stegmann, H. Kraft, 1987. H. Hotbauer, H. Kraft, 1974. Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, 1977, S. 502. H. Stegmann, H. Kraft, 1983. Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, 1977, S. 503. H. Stegmann, H. Kraft, 1987. J. Zabeck, 1985, Sp. 681.
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
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Je größer die Diskrepanz zwischen dem Bildungssystem und dem Beschäftigungssystem unter dem Gesichtspunkt bedarfsgerechter Berufsausbildung und optimaler Einpassung der neu in das Beschäftigungssystem Eintretenden sind, um so größer sind die Fehlinvestitionen beruflicher Bildung, die Entwertung des Humankapitals, die persönlichen Enttäuschungen Betroffener, die erforderlichen öffentlichen Aufwendungen für berufliche Umschulung, Fort- und Weiterbildung und die privaten, wirtschaftlichen und psychischen Kosten des Erwerbs verwertbarer beruflicher Kenntnisse. Die Schwachstellen der Abstimmung zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem sollen im folgenden aufgezeigt werden. 3.2 .2 .2. Allokationspolitische Defizite des Bildungs- und Ausbildungssystems und Möglichkeiten ihrer Reduzierung Dem Bildungs- und Ausbildungssystem der Bundesrepublik werden folgende Mängel nachgesagt: 1. Das Bildungssystem ist zu wenig am Beschäftigungssystem und arn Arbeitsund Wirtschaftsleben orientiert 59 , d. h. konkret: a) es vermittelt nicht in erwünschtem Umfang die im Wirtschaftsleben erforderliche Fähigkeit, ohne Hilfe durch Dritte zu lernen; b) es bereitet die Schulabgänger zu wenig auf die vor allem in Zukunft auftretende Notwendigkeit vor, lebenslang zu lernen und es verfügt nicht im erforderlichen Umfang über die institutionellen und fmanziellen Voraussetzungen für lebenslanges Lernen 60; c) es fehlt ihmtrotzmehrerer Anläufe zu einer pädagogischen Neuorientierung der Grundlagenbildung in bezug auf die hoch technisierte post-industrielle Gesellschaft, eine in den Unterricht integrierte Hinführung der Schüler zur Arbeits- und Wirtschaftswelt 6 1 und eine praktische Berufsorientierung 62 ; d) es vermittelt zu wenig Fähigkeiten, sich im Wirtschaftsleben zurechtzufinden, z. B. durch die Beschaffung und Verwertung einschlägiger Informationen, durch die Einübung von Bewerbung und Vorstellung, durch die Vermittlung von Kontakt- und Artikulationsfähigkeit, durch die Vermittlung eines Arbeitsethos, das unter voller Wahrung der Menschenwürde, des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und anderer Grundrechte den gesellschaftlichen und individuellen Wert der Erwerbsarbeit einsichtig H. Hofbauer, H. Kraft, 1974. W. D. Winterhager, 1973, S. 33 f. 61 "Auch die Einführung der Gemeinschaftskunde und die Bemühungen um das Fach Wirtschaftslehre haben nicht merklich dazu beigetragen, daß sich die Bildungsangebote der allgemeinbildenden Schulen an den Bedingungen der Arbeits- und Wirtschaftswelt orientieren". Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, 1977, S. 483. 62 Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, 1977, S. 511. 59
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
macht und Verständnis dafür weckt, daß Vollbeschäftigung bei Wahrung der Freiheit der Berufs-, Arbeitsplatz- und Wohnortwahl und bei bestmöglichen Beschäftigungsbedingungen nicht erreichbar ist ohne Anpassungsbereitschaft, ständige Lernbereitschaft und Mobilitätsbereitschaft. 2. Die berufliche Bildung stellt noch zu wenig auf die Vermittlung von Schlüsselqualiftkationen ab 63, die zur raschen und reibungslosen Erschließung von wechselndem Spezialwissen befähigen und ist nicht ausreichend am Prinzip der Stufenausbildung orientiert, das darauf abstellt, auf der Basis einer breiten Grundausbildung eine allgemeine und- darauf aufbauend- spezielle Fachausbildung zu vermitteln. 3. Die Politik beruflicher Fortbildung und Umschulung ist nicht optimal entwikkelt, weil a) im Vergleich zu den übrigen Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit die Ausgaben für die berufliche Bildung relativ und absolut mit steigender Arbeitslosigkeit sinken; b) keine ausreichend hohen Mindestanforderungen an die Träger der beruflichen Bildungseinrichtungen gestellt werden 64; c) nicht im Rahmen des Möglichen Vorsorge getroffen ist, daß bedarfsgerecht und zielgruppengerecht umgeschult und fortgebildet wird 65 , was zum Teil durch verstärkte Einbeziehung der Träger der regionalen und lokalen Wirtschaftspolitik sichergestellt werden könnte 66 • Zur Verringerung der Abstimmungsdefizite zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem liegen folgende Vorschläge vor: 1. Jeder Jugendliche sollte nach Möglichkeit mit einem Abschluß aus der Schule
entlassen werden, weil Schulabgänger ohne Abschluß oder ohne berufliche Ausbildung beruflich "heute fast keine Chance mehr" haben 67 • 2. Generell sollte eine enge Koppelung des Bildungs- mit dem Beschäftigungssystem angestrebt werden 68 • Dazu gehört im einzelnen: a) eine in den allgemeinbildenden Schulen frühzeitig einsetzende intensive Berufsberatung und vorberufliche Orientierung, um die Berufsfindung zu erleichtern 69; Vgl. dazu D. Mertens, 1974. Zum Teil handelt es sich um private Träger, zum Teil um Verbände, wie z. B. das Kolping-Bildungswerk. Bei der Verteilung der Mittel für die institutionelle Förderung der beruflichen Bildung spielt vielfach der Gesichtspunkt gleichmäßiger Berücksichtigung der Verbände eine vorrangige Rolle. 65 Vgl. dazu D. Garlichs, F. Maier, 1982, S. 102 f. sowie D. Garlichs, 1983, S. 182 ff. 66 A. Deeke, H. Seifert, 1981, S. 165 ff.; U. Engelen-Kefer, 1978, S. 182 ff. ; G. Kleinhenz, 1982, S. 61 ff.; G. Schmid, 1983, S. 162. 67 H. Franke, 1987, S. 159. 68 Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, 1977, S. 489. 63
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3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
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b) die Schaffung günstiger Anpassungsvoraussetzungen für das Beschäftigungssystem durch -
die Vermittlung einer breiten Grundausbildung7o;
-
die "Vermittlung von Qualifikationen, die sowohl an der aktuellen Brauchbarkeit orientiert sind als auch Mit- und Umdenken fördern und die Bildungsvoraussetzungen für späteres Weiterlernen schaffen" 71 , d. h. die Vermittlung einer polyvalenten Berufsausbildung;
-
eine frühzeitig einsetzende kontinuierliche Bildungsberatung 72;
-
die Schaffung durchlässiger Bildungswege und gegenseitig anrechenbare Qualifikationen, um Korrektur- und Aufbaumöglichkeiten nicht zum Ausnahme-, sondern zum möglichen Regelfall zu machen 73 •
Die Möglichkeiten der Abstimmung zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem stoßen auf mehrere Grenzen. Sie liegen zum einen in den in der Gesellschaft dominierenden bzw. akzeptierten Bildungszielen, zu denen - soweit es sich nicht um das Berufsbildungssystem handelt- vorwiegend die Vermittlung von Allgemeinbildung und politischer Bildung gehören, die nicht ohne Schaden für die Persönlichkeitsentwicklung und für die Entfaltung von Fähigkeiten, Begabungen und Talenten unter eine bestimmte Grenze herabgedrückt werden können; zum anderen werden solche Grenzen der Abstimmung durch die Komplexität und insbesondere durch die Dynamik des Beschäftigungssystems gesetzt. Diese Dynamik läßt in unserer Gegenwart für die Mehrzahl der Berufe eine das ganze Berufsleben anhaltende, einmal erworbene berufliche Funktionstüchtigkeit nicht zu. Angesichts der ablaufenden technologischen, organisatorischen und produktionsbezogenen Strukturwandlungen lassen sich die Anforderungen an bestimmte Berufe und ihre möglichen Veränderungen im Laufe eines mehrere Jahrzehnte umfassenden Arbeitslebens nicht vorhersehen 74. Dazu kommt noch das Problem, daß sich die Änderungen in der Struktur des Beschäftigungssystems und in den Qualifikationsanforderungen nur grob - für eine vorausschauende Berufsberatung und für eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik zu grob - prognostizieren lassen 75. Daher wächst der beruflichen Umschulung und der beruflichen Weiterbildung für die optimale Allokation der Arbeit und für die Vermeidung struktureller Arbeitslosigkeit entscheidende Bedeutung zu.
Ebenda, S. 511. Ebenda, S. 490 und 493, H. Franke, 1987, S. 161 f. 11 Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, 1977, S. 493. n Ebenda. 73 Ebenda, S. 494. 74 Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, 1977, S. 490. 75 V gl. dazu II. 2.2. 69
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Kap. I: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
3.2.3. Die Verteilung des Beschäftigungsrisikos und ihre Problematik bei niedrigem Beschäftigungsgrad
Unter dem Aspekt sozialer Sicherheit, sozialer Gerechtigkeit und des materialen Gehalts der Freiheit der Berufswahl und der Arbeitsplatzwahl ist das Beschäftigungsrisiko und seine Verteilung auf die sozialen Gruppen in freiheitlichen, dezentral gesteuerten Wirtschaftssystemen mit privater Organisation der Mehrzahl der Unternehmungen ein nach wie vor ungelöster Problemkomplex. In allen entwickelten, durch Arbeitsteilung charakterisierten Wirtschaftssystemen ist Grundlage für die wirtschaftliche Sicherung der individuellen Existenz und der Existenz der Familien, die über einem den einzelnen unter bestimmten Voraussetzungen zugebilligten und gesellschaftlich real einlösbaren Existenzminimum liegt, die ökonomische Verwertung ihrer Arbeitskraft. Die prinzipielle Verwertbarkeit und die Höhe des erzielbaren Arbeitseinkommens hängen einerseits vom angeborenen und erworbenen Arbeitsvermögen ab, insbesondere vom Niveau und der konkreten Ausprägung der Berufsbildung, andererseits von dem ökonomischen Wert, der bestimmten beruflichen Qualifikationen, genauer: der mit ihrer Hilfe erbrachten Arbeitsleistung, zugemessen wird.
In Systemen, die sich vorwiegend und insbesondere auch auf den Arbeitsmärkten freier, dezentralisierter Entscheidungen bedienen, um die wirtschaftlichen Aktivitäten zu steuern, die individuellen Wirtschaftspläne zu koordinieren und die Teilsysteme bzw. das Gesamtsystem in ökonomische Gleichgewichtslagen zu bringen, liegt die Verantwortung für den Erwerb einer Berufsausbildung entsprechend den Grundrechten auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und Freiheit der Berufswahl bei den Individuen bzw. bei den Familien. Die Berufswahlentscheidungen und die Last der Verantwortung werden in der Bundesrepublik erleichtert durch die Berufsberatung, durch das weitgehende Fehlen von rechtlichen Zugangsbarrieren zu den Ausbildungsinstitutionen und durch fmanzielle Entlastungen, die vor allem beim Einschlagen zeitaufwendiger Bildungs- und Ausbildungsgänge ins Gewicht fallen und auf mehr Gleichheit bei den materiellen Startchancen hinwirken. Sozialpolitisch, beschäftigungspolitisch und arbeitsmarktpolitisch wesentlich ist jedoch, daß das Risiko für die Verwertbarkeit individuellen Arbeitsvermögens, das heißt auch das Risiko von Fehlinvestitionen, bei den Trägern dieses Arbeitsvermögens liegt und weitgehend von den Einzelnen getragen werden muß, obwohl die Verwertbarkeit des Arbeitsvermögens durch die Nachfrage nach Arbeitsleistungen determiniert wird. Aufgrund der Tatsache, daß sich die Nachfrage nach Arbeit insgesamt und ihre Struktur schneller ändern als das Gesamtangebot an Arbeit und seine Struktur sich an diese Änderungen anpassen kann, kann der Wert eines bestimmten Arbeitsvermögens steigen, konstant bleiben, aber auch für kürzere oder längere Perioden (der Arbeitslosigkeit) entwertet werden. Diese Gefahr der Entwertung von Arbeitsvermögen ist ein gesamtwirtschaftliches, prozeßpolitisches, aber auch ein ordnungspolitisches Problem.
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsma.!t.:tpolitik
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Sie ist ein gesamtwirtschaftliches Problem, weiles-wie die letzten 15 Jahre erneut gelehrt haben - offensichtlich bisher weder in den überwiegend marktwirtschaftlich gesteuerten, noch in den verwaltungswirtschaftlich gelenkten Wirtschaftssystemen möglich ist, dauerhaft Vollbeschäftigung zu sichern. 76 In solchen Fällen länger anhaltender, größerer, gesamtwirtschaftlich ins Gewicht fallender Arbeitslosigkeit 77 ist nolens volens die Verwertbarkeit von Arbeitsvermögen bestimmter Art und bestimmten Umfanges unmöglich, weil ein Teil der Arbeitsanbieter mehr oder weniger lang arbeitslos ist. Ein Beschäftigungsrisiko tragen die Arbeitsanbieter jedoch selbst dann, wenn es gelingt, VOllbeschäftigung zu sichern. Denn in einem nichtstationären Zustand ist wirtschaftliche Entwicklung bei Vollbeschäftigung notwendig mit Wandlungen der Nachfragestrukturen, der Produktionsstrukturen, der Kostenstrukturen und der Beschäftigungsstrukturen verbunden. Daher kann kein Wirtschaftssystem sichere Arbeitsplätze in dem Sinne gewährleisten, daß jedem Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen auf Dauer ein bestimmter Arbeitsplatz gesichert werden kann. Ein realistisches Ziel kann es nur sein, darauf hinzuwirken, daß prinzipiell alle Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen unter der Voraussetzung einer bestimmten Bereitschaft zur beruflichen und räumlichen Mobilität eine reale Chance haben, ohne größere Unterbrechungen erwerbstätig sein zu können. Die soziale Problematik der Vermeidung bzw. der Minimierung des Beschäftigungsrisikos bei hohem gesamtwirtschaftlichem Beschäftigungsgrad, d. h. bei rein struktureller Arbeitslosigkeit, ist sicherlich geringer als bei länger andauernder konjunktureller Arbeitslosigkeit, für die einzelnen von Arbeitslosigkeit Betroffenen jedoch in gleicher Weise gravierend. Obwohl gerade die Arbeitsmarktpolitik der Bundesrepublik für den Fall struktureller Arbeitslosigkeit beträchtliche Hilfen vorsieht- angefangen von der Arbeitslosenunterstützung über die Berufsberatung, die individuelle finanzielle Förderung der beruflichen Umschulung, der beruflichen Weiterbildung und der regionalen Mobilität bis hin zu Lohnkostensubventionen verschiedener Art für schwer vermittelbare Personen 78 - ist die Frage zu stellen, welches Maß an Mobilitätsbereitschaft eine Gesellschaft von ihren Arbeitskräften und deren Angehörigen glaubt verlangen zu können 79 Vgl. dazu H. Lampert, 1984, S. 682 f. Als eine gesamtwirtschaftlich ins Gewicht fallende Arbeitslosigkeit sehen wir eine Arbeitslosenquote von mehr als 4 bis 5 % an. 78 Vgl. dazu I. 3.3.2. 79 Vgl. dazu K. W. Rothschild, 1975, S. 21: ,,Der Mobilitätsaspekt der aktiven Arbeitsmarktpolitik sollte aber nicht ausschließlich unter ,technokratischen' Gesichtspunkten gesehen werden. Es geht nicht ausschließlich darum, die ,ineffiziente' Allokation der Arbeitskräfte zu beseitigen und die Arbeitgeber gemäß den Bedürfnissen ,der Wirtschaft' umzuverteilen. Denn wir haben es ja hier nicht mit Waren, sondern mit Menschen und ihren Bedürfnissen und Präferenzen zu tun. Umschulungen und Übersiedlungen können starke emotionale Belastungen bedeuten, die in Rechnung gestellt werden sollten. Eine humane Arbeitsmarktpolitik kann sich daher nicht einfach als Ersatz für einen versagenden Marktmechanismus verstehen, sondern wird bei ihren Maßnahmen die Bedürfnisse der Arbeiter ebenso zu berücksichtigen haben wie jene ,der Wirtschaft' .". 76
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Kap. 1: Die-rdnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
und in welchem Umfang sie es für geboten bzw. für gerechtfertigt hält, mobile Arbeitnehmer für die mit der Mobilität verbundenen wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Belastungen zu entschädigen 80 und immobile Arbeitnehmer mit Sanktionen zu belegen. 81 In diesem Problemzusammenhang stellt sich auch die Aufgabe, festzulegen, bis zu welchen Grenzen die Gesellschaft eine gleichsam "negative" berufliche Mobilität, d. h. eine berufliche Dequalifizierung, für zumutbar hält. 82 Das Beschäftigungsrisiko und seine Verteilung in einer Gesellschaft ist nicht nur ein prozeß- und strukturpolitisches Problem, sondern auch ein ordnungspolitisches. Denn Arbeitslosigkeit kann nicht nur konjunkturell und strukturell verursacht sein, sondern allein auch durch Unternehmerische Fehlentscheidungen hervorgerufen werden. Da derartige Fehlentscheidungen Arbeitnehmer treffen, Arbeitslosigkeit verursachen und die Verwertung von Arbeitsvermögen mindestens vorübergehend verhindern können, muß es als eine unzutreffende Beurteilung der Realität erscheinen, wenn - vor allem, aber nicht nur im Zusammenhang mit der Mitbestimmung und mit der Verteilung wirtschaftlicher Chanc~n und Risiken auf Kapitaleigentümer, Unternehmer und Arbeitnehmer- geltend gemacht wird, die Arbeitnehmer trügen kein Risiko und seien infolgedessen nicht zu Mitverantwortung und Mitbestimmung legitimiert 83 • Eine solche Einschätzung muß angesichts der Beeinträchtigung der Lebenslage von Arbeitskräften und ihrer Familien im Falle einer Arbeitslosigkeit als gravierendes Fehlurteil eingeschätzt werden. Der folgende Überblick soll die Vielfalt der Wirkungen der Arbeitslosigkeit für die Betroffenen vor Augen führen 84• A. Unmittelbare finanzielle Belastungen
1. der Verlust der Differenz zwischen Nettoarbeitseinkommen und Arbeitslosenunterstützung während der Dauer der Zahlung eines Arbeitslosengeldes; 80 Solche Anreize und Kompensationszahlungen wären in Zeiten stärkerer Unterbeschäftigung zwar nicht unbedingt erforderlich, weil dann der ökonomische Druck auf die Lebenslage die Arbeitnehmer bei relativ niedriger Arbeitslosenunterstützung oder nach Erlöschen der Ansprüche auf Unterstützung zu Allpassungen zwingen würde. Eine Wirtschaftsordnung jedoch, die in Anspruch nimmt, sich mehr als andere an sozialen Zielen zu orientieren, wird die Erwartungen an die berufliche und regionale Mobilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer nicht in erster Linie von ökonomischen Erfordernissen her artikulieren dürfen. 81 B. Gahlen weist 1981, S. 859 f. darauf hin, daß mit zunehmendem Wohlstand die Kosten des Strukturwandels immer weniger akzeptiert werden und der Protest Einzelner gegen die Anpassungskosten auf der Mikroebenerational sei. Er meint, m. E. zutreffend, daß es besser sei, den marktwirtschaftliehen Anpassungsprozeß durch Strukturpolitik zu sichern, statt auf radikale marktwirtschaftliche Lösungen zu setzen. 82 Vgl. zu diesem Problemkreis H. J. Merk, 1980. 83 Vgl. zu diesem Problemkreis auch die Darstellung von Problemen der Unternehmensverfassung bei G. Briefs, 1926, S. 145-149 und 0. v. Nell-Breuning, 1968, S. 54 f. und S. 137. 84 Vgl. dazu Chr. Brinkrnann, 1976; Th. Kieselbach, A. Wacker, 1985; I. Frerich, 1987, S. 497 ff. und G. Kleinhenz, 1989 (mit zahlreichen Literaturnachweisen).
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
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2. der Verlust der Differenz zwischen Nettoarbeitseinkommen und Arbeitslosenhilfe während der Zahlung von Arbeitslosenhilfe, die bei Vorliegen von Bedürftigkeit gezahlt wird; 3. der Verlust der Differenz zwischen Nettoarbeitseinkommen und Sozialhilfe, die nach Ausschöpfung der Ansprüche auf Arbeitslosengeld und auf Arbeitslosenhilfe bei bestehender Bedürftigkeit gezahlt wird; 4. der Verlust des Nettoarbeitseinkommens nach Ausschöpfung der Ansprüche auf Arbeitslosengeld bei fehlendem Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Natürlich sind die Verluste um so größer, je länger die Arbeitslosigkeit dauert. Die Einkommensverluste können sich reduzieren, wenn der Wegfall des Arbeitseinkommens bzw. von Teilen des Arbeitseinkommens zur Unterschreitung von Einkommensgrenzen führt, von denen ab Sozialleistungen gewährt oder erhöht werden (z. B. Wohngeld). B. Mittelbare finanzielle Einbußen durch 1. berufliche Dequalifizierung, soweit die neue Position mit geringerem Einkommen verbunden ist; 2. Verluste von beruflichem Erfahrungspotential, die zu Einkommenseinbußen und/ oder zu einer Verlängerung der Arbeitslosigkeit durch beeinträchtigte Qualifikation führen können. C. Psychische und soziale Belastungen, nämlich 1. Veränderungen der Zeitstruktur, die Langeweile verursachen; 2. Beeinträchtigung von Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und der Identität, vor allem bei sich häufenden Fehlbewerbungen und anhaltender Arbeitslosigkeit; 3. Psychosomatische Erkrankungen; 4. Soziale Abkapselung und Isolation; 5. die Gefahr der Demoralisierung und der Kriminalisierung. Besonders gravierend sind die psychischen und sozialen Folgen der Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen 85, weil diese Arbeitslosigkeit 1. die Entwicklung von Leistungmotivation, Selbstbewußtsein, Zugehörigkeitsgefühl und subjektiver Sicherheit beeinträchtigt bzw. verhindert; 2. zur Aufgabe von Berufswünschen und Zukunftsvorstellungen sowie 3. zur Entstehung fatalistischer und depressiver Stimmungslagen führen kann. Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen bedeutet eine Verkümmerung der Jugendphase, kann einem Scheitern der beruflichen und sozialen Integration gleichkommen, zu einer Entfremdung von den politischen und kulturellen Institutionen der ss Vgl. F. X. Kaufmann, J. Quitmann, 1984, S. 65 ff.
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
Gesellschaft führen und eine lebenslange Benachteiligung nach sich ziehen, weil die Jugendphase aufgrund der Interaktion von Bildungssystem und Beschäftigungssystem die für den späteren Erwachsenenstatus entscheidende Lebensphase ist. 86 Die bisherige Darstellung dürfte deutlich gemacht haben, daß die Anbieter von Arbeitsleistungen beträchtliche Risiken tragen, nicht beschäftigt, d. h. arbeitslos zu werden. Dadurch wird die Bedeutung und die Notwendigkeit einer auf die Erreichung eines hohen Beschäftigungsgrades und auf die Minimierung der strukturellen Arbeitslosigkeit gerichteten Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik unterstrichen. Diese Aufgaben stellen sich um so dringlicher, als die Beschäftigungs- bzw. Arbeitslosigkeitsrisiken innerhalb der Gruppe der Arbeitsanbieter ungleich verteilt sind. Im Laufe der Entwicklung der Arbeitslosigkeit seit 1975 ist immer deutlicher geworden, daß Arbeitnehmer eher von Arbeitslosigkeit bedroht sind und daß ihre Arbeitslosigkeit länger andauert, wenn sie ohne berufliche Ausbildung, gesundheitlich beeinträchtigt, älter und Frauen sind. Diese empirisch immer wieder nachgewiesene und viel diskutierte "Strukturalisierung" der Arbeitslosigkeit 87 könnte leicht zu dem Urteil führen, die Arbeitslosigkeit sei überwiegend strukturell verursacht. Bei der Diagnose ist jedoch zu beachten, daß eine primär durch Wachstums- und Konjunkturschwächen verursachte Arbeitslosigkeit zu einer Strukturalisierung führen kann, weil die Arbeitgeber im Lau II." der Zeit die weniger qualifizierten, gesundheitlich mehr oder minder beeintr;i,lnigten und älteren Arbeitnehmer durch qualifizierte, gesündere und jüngere ersetzen und weil durch die Arbeitslosigkeit ein Verdrängungswettbewerb der Arbeitnehmer induziert wird, in dessen Verlauf die Besseren, die Gesünderen, die Jüngeren und die Stärkeren die Schlechteren, die gesundheitlich Beeinträchtigten, die Älteren und die Schwächeren verdrängen. 88 Aus dem Gewicht des Beschäftigungsrisikos nach Art und Umfang und aus der besonderen Betroffenheit wirtschaftlich und sozial Schwacher durch dieses Risiko bei länger anhaltender Verfehlung des Vollbeschäftigungszieles ergibt sich, daß es eine zentrale Aufgabe der Wirtschafts-, der Beschäftigungs- und der Arbeitsmarktpolitik ist, dieses Risiko stärker als bisher zu vermeiden und die von ihm Betroffenen gegen die bis an die Grenze der Existenzvernichtung gehenVgl. dazu I. 3.2.2.1. Vgl. dazu die jährlich in den Mitteilungen zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erscheinenden Berichte über den Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland sowie die Darstellung der Struktur der Arbeitslosigkeit für jeweils Ende September eines Jahres in den amtlichen Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit; vgl. ferner W. Sengenberger, 1978; H. Seifert, 1979; W. Karr, 1979; G. Schmid, 1980; H. Seifert, 1984, S. 125 ff. 88 Vgl. dazu Autorengemeinschaft, 1978, S. 66; Autorengemeinschaft, 1983, S. 340 ff.; G. Schmid, 1980 und I. Frerich, 1987, S. 497. In diesem Zusammenhang ist auch aufschlußreich, daß die Unternehmungen an den Facharbeitern oft nicht primär ihre funktionalen Fähigkeiten, sondern ihre extrafunktionalen Qualitäten (Verantwortungsbereitschaft, Genauigkeit, Verläßlichkeit usw.) schätzen und daher Facharbeiter häufig auf Arbeitsplätzen für halbqualifizierte Arbeitnehmer beschäftigen (G. Schmid, 1986, S. 75). 86 87
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
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den wirtschaftlichen und sozialen Folgen abzusichern. Aufgerufen ist aber nicht nur die Politik, die dem Vollbeschäftigungsziel höhere Priorität geben muß als bisher, sondern auch die Wissenschaft, die mehr Ressourcen für die Aufgabe einsetzen sollte, neue Ideen, neue Konzepte für die Reduzierung des Problems der Arbeitslosigkeit, für die Verbesserung der Beschäftigungspolitik und für die Verbesserung der Arbeitsmarktpolitik zu entwickeln. 3.2.4. Die Finanzierung der Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit Im Zusammenhang mit der Leitbildkonformität der Arbeitsmarktordnung bzw. der Arbeitsmarktpolitik ist auch die Leitbild- und Zielkonformität des Finanzierungs- und des Trägersystems der Arbeitsmarktpolitik relevant. In bezug auf beide Aspekte sind Leitbild- und Zielinkonformitäten zu konstatieren.
Die Mittel für die Durchführung der Aufgaben der Bundesanstalt sind durch Beiträge aufzubringen, soweit die Mittel nicht durch Umlagen aufgebracht werden (§ 167 AFG). Umlagen sind vorgesehen für die produktive Winterbauförderung und für das Konkursausfallgeld (§§ 186 a-d). Subsidiär gewährt der Bund Darlehen, wenn die Bundesanstalt ihren Bedarf nicht aus den Einnahmen und der Rücklage decken kann(§ 187 Absatz 1). Wenn auch diese Darlehen zur Deckung des Bedarfs nicht ausreichen, dann gewährt der Bund die erforderlichen Zuschüsse nach Art. 120 des Grundgesetzes(§ 187 Absatz 2). Soweit es sich um die Durchführung von Auftragsangelegenheiten handelt, nämlich um die Durchführung der Arbeitslosenhilfe oder um andere Auftragsangelegenheiten, wie z. B. befristete Arbeitsmarktprogramme, trägt die Kosten (unter Ausschluß der Verwaltungskosten) der Bund (§ 188). Diese Regelungen bedeuten, daß die Aufgaben der Bundesanstalt - ausgenommen die produktive Winterbauförderung, das Konkursausfallgeld, die Arbeitslosenhilfe und besondere Auftragsangelegenheiten - in erster Linie durch die Beiträge der versicherungspflichtigen Arbeitnehmer und ihrer Arbeitgeber zu finanzieren sind. Zu diesen Aufgaben, die aus den Beiträgen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber fmanziert werden, gehören nicht nur die Zahlung von Arbeitslosengeld, sondern auch die Arbeitsvermittlung, die Berufsberatung, die individuelle und institutionelle Förderung der beruflichen Bildung, die Förderung der Arbeitsaufnahme, Berufsförderungsleistungen für die Rehabilitation, die Zahlung von Kurzarbeitergeld und Schlechtwettergeld sowie Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung. Nach dem Prinzip ordnungspolitischer Systemgerechtigkeit der Finanzierung öffentlicher Leistungen werden Beiträge als Finanzierungsmittel für bestimmte Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge eingesetzt, insbesondere für die Abdeckung von Risiken, von denen bestimmte soziale Gruppen bedroht sind und gegen die sie sich nicht privatwirtschaftlich absichern können (Sozialversiche-
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
rung). Beitragsfmanzierte öffentliche Leistungen sollen dem Prinzip der kostenmäßigen Äquivalenz 89 entsprechen, d. h. diejenigen, die Anspruch auf Leistungen haben, sollen als Gruppe diese Leistungen finanzieren. Dieses Prinzip der kostenmäßigen Äuqivalenz ist verletzt bei den Informations-, Beratungs- und Vermittlungsleistungen der Arbeitsverwaltung, auf die jedermarm unabhängig von einer Versicherungs- oder Beitragspflicht Anspruch hat. Die Finanzierung der individuellen und institutionellen Förderung der Berufsbildung durch Beiträge widerspricht dem Prinzip ordnungspolitischer Systemgerechtigkeit der Finanzierung, weil den pflichtversicherten Arbeitnehmern - aus denen übrigens die Gruppe der Beamten ausgegliedert ist, weil sie nicht vom Risiko der Arbeitslosigkeit bedroht ist - zugemutet wird, Bildungsmaßnahmen für Arbeitnehmer zu finanzieren, die nicht nur im Interesse der geförderten Arbeitnehmer, sondern auch im Interesse der Gesamtgesellschaft liegen - wie auch der Erwerb von Bildung generell, der im übrigen in den Bereichen der Schul-, Fachschul-und Hochschulbildung nicht gruppenspezifisch, sondern aus allgemeinen Steuermitteln institutionell und individuell gefördert wird. Diese Ungleichbehandlung ist in keiner Weise gerechtfertigt und letztlich nur daraus zu erklären, daß im Laufe der Entwicklung der Arbeitsverwaltung, deren Aufgaben ursprünglich auf Arbeitsvermittlung und Arbeitlosenversicherung konzentriert waren, mehr und mehr nicht gruppenspezifische öffentliche Aufgaben übertragen wurden. Zweifel an einer dem Ziel sozialer Gerechtigkeit und dem Prinzip der kostenmäßigen Äquivalenz entsprechenden Aufgabenfinanzierung sind auch bei der Finanzierung all jener Aufgaben angebracht, die zwar primär den Geförderten zugute kommen- z. B. die Förderung der Arbeitsaufnahme, die Zahlung von Kurzarbeitergeld und von Schlechtwettergeld sowie die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen-, deren Erfüllung aber doch in hohem Maße in die Verantwortung der Gesamtgesellschaft fällt und dem allgemeinen öffentlichen Interesse dient, denn die prophylaktische Vermeidung von Arbeitslosigkeit und die Beseitigung von Arbeitslosigkeit können nicht als Aufgaben betrachtet werden, deren Lösung allein oder überwiegend den von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmern obliegt. 90 Wie Tabelle 1 zeigt, wurden in der überwiegenden Mehrzahl der Jahre in der Periode 1974-1988 die Gesamtausgaben der Bundesanstalt zu mehr als 60 Prozent durch Beitragsfmanzierung abgedeckt. Der Anteil der Ausgaben für Arbeitslosengeld an den Gesamtausgaben war demgegenüber durchgängig erheblich niedriger als der Anteil der Beitragseinnahmen an den Gesamtausgaben, so daß jährlich erhebliche Überschüsse der Beitragseinnahmen über die Ausgaben der Arbeitslosenversicherung erzielt wurden. 1983 bis 1986 beliefen sich diese Überschüsse auf die stattliche Summe von 64,2 Milliarden DM. Vgl. dazu H. Zimmermann, K.-D. Henke, 1987, S. 129 und S. 176 f. Vgl. zur Begründung I. 3.2.3. Vgl. auch H. Lampert, 1981, S. 769 f. und G. Schmid, 1986. 89
90
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
57
Tabelle 1 Der Anteil der Beiträge an der Finanzierung der Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit 1974 • 1986 Jahr
Beiträge Arbeitslosengeld Gesamtausgaben in Mrd. in% in Mrd. in% in Mrd. DM DM der Ge- DM der Gesamtsamtausgaausgaben ben
Überschuß der Beiträge über das Arbeitslosengeld in Mrd. DM
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986
10,44 18,05 16,30 15,78 18,37 20,59 22.83 31,68 38,95 40,05 38,66 39,21 41,43
7,366 8,886 13,894 14,873 16,256 17,084 18,501 19,241 26,221 30,491 32,111 30,601 30,402
70,5 49,2 85,2 94,2 88,5 83,0 81,0 60,7 67,3 76,1 83,1 78,0 73,4
3,551 7,765 6,905 6,283 6,270 7,467 8,110 13,294 18,027 17,103 14,143 14,085 14,047
34,0 43,0 42,4 39,8 34,2 36,2 35,5 42,0 46,3 42,7 36,4 35,9 33,9
3,815 1,121 6,689 8,590 9,986 9,617 10,391 5,947 8,194 13,388 17,968 16,516 16,355
Quellen: Institut der deutschen Wirtschaft, Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland 1980, 1983 und 1988 (Spalte 5); Sozialbudget, Materialband 1980 und 1986 (Spalten 2 und 3).
Die Auffassung, daß die Finanzierung der Mehrzahl der Aufgaben der Bundesanstalt dem Prinzip sozialer Gerechtigkeit und dem Grundsatz kostenmäßiger Äquivalenz widerspricht, vertreten nicht nur Wissenschaftler 91 , sondern auch die Arbeitgebervereinigungen und die Gewerkschaften. 92 Jüngst hat auch der Bund der Steuerzahler eine Änderung der Finanzierung gefordert 93 • Die Dominanz der Beitragsfinanzierung des arbeitsmarktpolitischen Instrumenteneinsatzes stellt vermutlich auch eine institutionelle Barriere gegenüber einer Expansion der aktiven Arbeitsmarktpolitik dar, weil die Arbeitsmarktpolitik erhebliche externe Effekte hat, die zu finanzieren den Arbeitnehmern schwerer zugemutet werden kann als der Gesamtheit der Steuerzahler. 94
91
Vgl. z. B. G. Brück, 1976, S. 243; B. Molitor, 1971, S. 91; H. Lampert, 1981,
s. 769 f .
Vgl. auch G. Brück, 1976, S. 242. Vgl. Stellungnahme Nr. 24 des Karl-Bräuer-Instituts des Bundes der Steuerzahler, Zur Defizitentwicklung bei der Bundesanstalt für Arbeit, Oktober 1988, S. 7 f. 94 Vgl. dazu G. Schmid, 1987, S. 105 f. 92 93
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
3.2.5. Diskontinuität und Instabilität des Aufgabenvollzuges
Eng mit der Finanzierungsproblematik hängt das Problem zahlreicher diskretionärer politischer Eingriffe in den Vollzug der Aufgaben der Bundesanstalt und das Problem der damit verbundenen Beeinträchtigung der sozialen Selbstverwaltung zusammen. Die zahlreichen, in den letzten 20 Jahren erfolgten Eingriffe des Gesetzgebers in das Leistungsrecht sind sicherlich auch durch aktuelle EntwiekJungen bedingt und teilweise durch Finanzierungsengpässe unvermeidlich gewesen. Nichtsdestoweniger liegen diese Veränderungen auch in dem langfristig erkennbaren Trend der Gefährdung des Prinzips sozialer Selbstverwaltung 95 • Es ist hier nicht der Raum, um die zahlreichen Änderungsgesetze zum AFG systematisch zu analysieren. Die wichtigsten waren -
das Haushaltsstrukturgesetz vom 18. Dezember 1975, das vor allem die Förderung der beruflichen Bildung einschränkte;
-
die Einführung von Rentenversicherungsbeiträgen für Leistungsempfanger durch das 21. Rentenanpassungsgesetz vom 25. Juli 1978, durch die die notleidende Rentenversicherung auf Kosten der seinerzeit günstigeren Finanzlage der Bundesanstalt entlastet wurde;
-
das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz vom 22. Dezember 1981, das verschiedene Anspruchsvoraussetzungen erhöhte und Leistungen reduzierte;
-
das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982, das u. a. die Bemessungsgrundlage für die Rentenversicherungsbeiträge absenkte, das Verhältnis zwischen Beschäftigungsdauer und Leistungsdauer verschlechterte und Leistungen kürzte;
-
das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983, das u. a. die Leistungssätze für das Arbeitslosengeld, das Kurzarbeitergeld und das Schlechtwettergeld für kinderlose Leistungsempfanger absenkte;
-
die 7. Novelle des AFG vom 20. Dezember 1985, die die Bezugszeiten des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitnehmer erhöhte, damit gleichzeitig aber den Bund von der Arbeitslosenhilfe entlastete, sowie die sog. Qualifizierungsoffensive einleitete;
-
die 8. Novelle des AFG vom 14. Dezember 1987, die der Bundesanstalt Aufgaben der beruflichen Bildung Jugendlicher und insbesondere der Sprachförderung von Aussiedlern, Asylanten und Flüchtlingen übertrug;
95 Vgl. dazu H. Lampert, 1984, S. 37 ff. Zur Einschränkung der Selbstverwaltung durch das AFG vgl. B. Weller, 1970, S. 40, sowie die Stellungnahme des Verwaltungsrates der Bundesanstalt zu dem Regierungsentwurf eines AFG, Bundestagsdrucks. V I 2291, s. 5.
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
-
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das Gesetz zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988, das wiederum beachtliche Leistungskürzungen verschiedener Art bringt 96•
Es liegt uns fern, die Heraufsetzung von Leistungsvoraussetzungen und die Leistungseinschränkungen als "drastischen Leistungsabbau", "verschärften Eingliederungsdruck" oder "Begünstigung der betrieblichen Rekrutierungsbedingungen" bezeichnen zu wollen, wie es gelegentlich in der Literatur geschieht 97 • Es liegt uns auch fern, die Einführung von Rentenversicherungsbeiträgen für Leistungsempfänger oder gewisse Beitragsentlastungen in der Arbeitslosenversicherung zugunsten stärkerer Beitragsbelastungen in der Rentenversicherung als "sozialen Verschiebebahnhof' zu apostrophieren. Die letzten 15 Jahre waren für die Finanz- und die Sozialpolitiker eine harte Zeit. Was jedoch kritisch festzuhalten bleibt, ist:
1. es ist ein Verstoß gegen das Prinzip sozialer Gerechtigkeit, der Bundesanstalt immer wieder und zum Teil extrem versicherungsfremde Aufgaben, wie etwa die Sprachförderung, zu übertragen und mit der Finanzierung die Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber zu belasten; 2. es stellt eine ordnungspolitische Verfehlung dar, die Entscheidungsspielräume der Selbstverwaltung schrittweise einzuengen; 3. es ist ein Verstoß gegen das von Eucken formulierte Prinzip der Konstanz der Wirtschaftspolitik und ein Verstoß gegen die Rationalität, sowohl auf die Verengung als auch auf die Erweiterung von Finanzierungsspielräumen der Fisci und der Parafisci jeweils kurzfristig zu reagieren, statt, wie es der Sachverständigenrat jüngst gefordert hat, die Arbeitsmarktpolitik zu verstetigen und sie mittelfristig auszurichten, um bei der Verwaltung, den Leistungsempfängern und den Maßnahmeträgern keine Unsicherheit zu erzeugen, ihr Engagement nicht zu entmutigen, ihre Erwartungen zu stabilisieren und der lokalen wie der regionalen Beschäftigungspolitik stabilere Planungsgrundlagen zu verschaffen 98 • Mehr Kontinuität in der Arbeitsmarktpolitik wäre gleichbedeutend mit höherer Effektivität. Sie wäre dringend zu wünschen, um das ordnungs- und prozeßpolitisch bis heute ungelöste Problem der Sozialen Marktwirtschaft, nämlich Arbeitslosigkeit größeren Umfangs, besser als bisher zu bewältigen. Auf die Lösung dieser Aufgabe müßten wir viel mehr politische Energie und mehr wissenschaftliche Ressourcen verwenden als bisher.
96 Vgl. dazu K. J. Bieback, 1989, S. 104 ff. Vgl. ferner zu dieser Problematik J. Kühl, 1986, s. 34 ff. 97 Vgl. H. Pfriem, H. Seifert, 1978, S. 68 ff. 98 V gl. Sachverständigenrat, Sondergutachten vom Oktober 1982, Ziff. 88 und Sachverständigenrat, Gutachten 1987/88, Ziff. 128.
60
Kap. I: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik 3.2.6. Die Trägerschaft der Arbeitslosenversicherung
Wie die Finanzierung der Aufgaben der Bundesanstalt, so ist auch die Organisation bzw. die Trägerschaft der Arbeitslosenversicherung ordnungspolitisch als nicht Ieitbild- bzw. zielkonform zu bezeichnen. Nicht wenige Autoren vertreten die Auffassung 99 , daß wegen des Zusammenhanges zwischen Lohnhöhe und Beschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit die Verantwortung für die Unterstützung Arbeitsloser eigentlich den Tarifvertragsparteien übertragen werden müßte, um sicherzustellen, daß die Gewerkschaften "bei ihren Lohnforderungen den möglichen Einfluß der Lohnhöhe auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Unternehmungen und damit auf ihre Beschäftigungskapazität" in Rechnung stellen. 100 Die Verwirklichung der im Prinzip richtigen Grundidee, die Gewerkschaften an den Kosten einer Arbeitslosigkeit zu beteiligen, die durch eine nicht beschäftigungszielkonforme Lohnniveau- und Lohnstrukturpolitik entsteht, erscheint jedoch in absehbarer Zukunft nicht realisierbar.101 Ein gegebenes Volumen an Arbeitslosigkeit kann auf vielfaltige Ursachen zurückgehen, die nicht eindeutig und auch nicht rechtzeitig, sondern, wenn überhaupt, dann erst mit großen zeitlichen Verzögerungen bestimmbar sind. Auch die verschiedenen Arten von Arbeitslosigkeit (friktionelle, saisonale, strukturelle, konjunkturelle), die zusammen ein bestimmtes Volumen an Arbeitslosigkeit ergeben, sind quantitativ nicht bestimmbar. Außerdem ist es kaum überzeugend zu rechtfertigen, nur Verstöße der Gewerkschaften gegen ihre beschäftigungspolitische Verantwortung mit finanziellen Sanktionen ahnden zu wollen und nicht auch die Arbeitgeber in diese Verantwortung einzubeziehen. Unabhängig davon, daß die Tarifvertragsparteien finanziell nicht direkt für die Folgen einer möglicherweise durch ihr Verhalten verursachten Arbeitslosigkeit in die Verantwortung genommen werden und wohl auch nicht genommen werden können, liegt ein Mangel der gegenwärtigen Trägerschaft der Arbeitslosenversicherung darin, daß die Tarifvertragsparteien zwar an der Selbstverwaltung der Bundesanstalt mitwirken, aber dennoch nicht ausreichend in die Bemühungen um und in die Verantwortung für die Verringerung und Beseitigung der Arbeitslosigkeit einbezogen sind. Die Existenz einer Arbeitslosen- "Versicherung", an die Arbeitgeber und Arbeitnehmer fortlaufend Beiträge zu zahlen haben, kann bei Arbeitgebern und Gewerkschaftsfunktionären den Eindruck erwecken, ihren Beitrag zur Lösung der Problematik geleistet zu haben, sich also nicht, auf jeden Fall weniger als der Staat, verantwortlich zu fühlen. Daher sollte nach 99 G. Albrecht, 1955, S. 192; R. Soltwedel, 1983; R. Vaubel, 1989, S. 28. Vaubel nennt als Befürworter des Vorschlags, die Tarifvertragsparteien für die Kosten der Arbeitslosenversicherung aufkommen zu lassen, auch C. Clark, F. v. Hayek, Hans Willgerodt und Herbert Giersch. 100 G. Albrecht, 1955, S. 192. 101 B. Molitor, 1987, S. 131 f.; N. Berthold, B. Külp, 1987, S. 88 f.
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
61
Möglichkeiten gesucht werden, die Verbände der Arbeitgeber bzw. Arbeitgebervertreter und die Gewerkschaften stärker als bisher für die Entwicklung von Problemlösungskonzepten heranzuziehen, z. B. durch eine verstärkte Lokalisierung und Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik, die es erlaubt, alle möglichen lokalen Träger von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Repräsentanten arbeitsmarktpolitischer Akteure in Arbeitsmarktkonferenzen zusammenzubringen, um die Arbeitsmarktlage zu analysieren, Beschäftigungsmöglichkeiten zu eruieren und zusammen mit den örtlichen Trägern der Wirtschafts- und Sozialpolitik Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. 102 Z. B. könnte mit großer Wahrscheinlichkeit durch eine Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Arbeitgebern bei der Ermittlung des lokalen bzw. regionalen Arbeitskräftebedarfes und seiner Deckung durch entsprechend ausgerichtete Umschulungs- und Berufsbildungsprogramme die Effizienz der Berufsbildung nennenswert erhöht werden. Durch Lokalisierung bzw. Regionalisierung könnte die Arbeitsmarktpolitik auf die spezifischen örtlichen ökonomischen und sozialen Bedingungen und Bedürfnisse abgestellt werden. 3.2.7. Entwicklungstendenzen des Arbeitnehmerschutzes
Seit Beginn der 80er Jahre werden bestimmte Entwicklungstendenzen des Arbeitnehmerschutzes für problematisch gehalten. In den Mittelpunkt der Kritik sind insbesondere gerückt 103: 1. der Arbeitszeitschutz für Frauen, insbesondere Mütter und Jugendliche, der so sehr ausgedehnt worden sei, daß die Arbeitskosten für diese Arbeitnehmer unverhältnismäßig stark gestiegen sind, so daß aus dem gut gemeinten Schutz eine Benachteiligung auf den Arbeitsmärkten wurde;
2. der im Rahmen von Tarifverträgen für ältere Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit vereinbarte Kündigungsschutz habe das Beschäftigungsrisiko für diese Arbeitnehmergruppen erhöht und drohe zu Freisetzungen zu führen, bevor die den Sonderschutz herbeiführenden Kriterien erfüllt sind; 3. die Notwendigkeit, im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes und des Kündigungsschutzgesetzes bei Entlassungen die soziale Rechtfertigung nachzuweisen, die Entwicklung der Arbeitsrechtsprechung bei Überprüfungsverfahren von Kündigungen, die die Arbeitgeber systematisch benachteiligen und zu vermehrten Abfindungszahlungen geführt haben, sowie die Sozialplanverpflichtungen der Unternehmungen seien zu Beschäftigungshindernissen geworden.104 102 Vgl. dazu H. Seifert, 1988; G. Bosch u. a. 1987; D. Garliebs u. a. 1983 und die bei H. Lampert, 1982, S. 132 angeführte Literatur. 103 Vgl. dazu R. Soltwedel, D. Spinanger, 1976; W. Stützel, 1978; 0. lssing, 1979; R. Soltwedel, 1981; W. Engels u. a., 1986. 104 A. Vogt, 1981; D. Reuter, 1982; Chr. Watrin, 1984, S. 331 ff.; H. M. Schellhaaß, 1984; C. Zimmerer, 1984.
62
Kap. I: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
Das angesprochene Problemfeld ist zu breit und zu komplex, um in dieser Arbeit systematisch behandelt werden zu können. In einer Reihe von Punkten ist die Kritik an bestimmten Schutznormen wegen der eindeutig negativen Wirkungen dieser Normen überzeugend, z. B. in bezugauf die Rechtsprechung zu § 613 a, Absatz 4 BGB, die beim Aufkauf eines sanierungsbedürftigen Unternehmens verlangt, daß alle bestehenden Beschäftigungsverhältnisse übernommen werden, so daß oft nur der Konkurs als Alternative bleibt. 105 Auch die zum Teil sehr hohen Belastungen der Unternehmungen durch Sozialplanverpflichtungen, durch die lange Verhandlungsdauer über den Interessenausgleich und durch undifferenzierte, von den tatsächlichen Einbußen der Arbeitnehmer unabhängige Höhen der Abfindungszahlungen 106 haben zu einer Umbewertung der Effekte von Sozialplänen geführt. Eine stärkere Ausrichtung von Abfindungszahlungen auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer und ihre Wiederbeschäftigungschancen scheint ebenso geboten wie eine Umwidmung von Sozialplanmitteln für die Finanzierung von Beschäftigungsplänen bzw. für die Erhöhung der Vermittelbarkeil von Arbeitnehmern, die durch Arbeitslosigkeit bedroht sind. Auch eine stärkere Orientierung der Arbeitsrechtsprechung an den Funktions- und Existenzbedingungen der Unternehmungen scheint geboten. Allerdings sind nach unserer Einschätzung die Grenzen einer "Deregulierung" im Arbeitnehmerschutzrecht enger und die zu erwartenden Beschäftigungseffekte von Deregulierungen geringer als von den Protagonisten einer Deregulierung eingeschätzt. 107 Relativ eng erscheinen uns die Grenzen von Deregulierungen wegen der Funktion, d. h. des sozialpolitischen Sinns, von Schutzvorschriften. 108 Die Einführung eines Kündigungsschutzes für Arbeitnehmer und die Einführung Chr. Watrin, 1984, S. 335. Vgl. zu Einzelheiten Informationsdienst des Instituts der Deutschen Wirtschaft (iwd) vom 12. März 1987, S. 6 ff. 101 Vgl. zur Problematik der Beschäftigungseffekte von Flexibilisierungen F. Buttler, 1986, Abschnitt 3. 108 Ein Beispiel dafür ist die Forderung des Kronherger Kreises (W. Engels u. a., 1986, S. 29 f.), die Sozialplanbestimmungen nach § 112 Betriebsverfassungsgesetz zu streichen. Denn "eine solche Abfindungspflicht ist vom Grundgedanken her positiv zu beurteilen. Die betriebsbedingte Kündigung läßt sich ... als die teilweise Überwälzung des wirtschaftlichen Unternehmensrisikos auf die Arbeitnehmer verstehen. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, durch Betriebsänderungen, verbunden mit Entlassungen, die Substanz des Unternehmens und damit seinen Vermögenswert zu erhalten und gleichzeitig die Rentabilität zu sichern, wiederherzustellen oder zu verbessern. Der Arbeitnehmer hingegen gibt dabei den ihm als Existenzgrundlage dienenden Arbeitsplatz . . . auf und opfert gleichzeitig- mindestens zunächst- die Rentabilität seiner Arbeitskraft" (W. Zöllner, 1978, S. D 146). Eine Modifikation der einschlägigen Vorschriften zur Vermeidung von unzumutbaren Belastungen und Gefährdungen der Existenz von Unternehmungen, die erst durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entgegen dem Sinn von Sozialplänen möglich geworden sind, scheint dagegen nicht ungerechtfertigt. Im übrigen wurden die Möglichkeiten, Sozialpläne zu erzwingen, durch die Einfügung des § 112 a in das Betriebsverfassungsgesetz durch das Beschäftigungsförderungsgesetz vom 26. April 1985 bereits eingeengt. 105
106
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
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eines besonderen Kündigungsschutzes für bestimmte Gruppen (Mütter, Schwerbeschädigte) sind im Prinzip gerechtfertigte Maßnahmen zur Reduzierung des für die Arbeitnehmer nach wie vor hohen Risikos, arbeitslos und d. h. in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht zu werden, und sind im Grunde Reaktionen auf die Unfahigkeit, Vollbeschäftigung zu sichern. Der Arbeitnehmerschutz ist eine Reaktion der Sozialpolitik auf das Versagen unvollkommener und nicht regulierter Märkte. Daher besteht die Gefahr, daß eine nicht sorgfältig abwägende Deregulierung um bestimmter partieller Deregulierungen willenpartielle Unzulänglichkeiten staatlicher Regulierungen durch Marktversagen ablöst und die wirtschaftlichen Risiken in der Gesellschaft auf die wirtschaftlich und sozial Schwächeren verlagert. Schließlich ist bei der Urteilsfindung über Sinn und Unsinn, Zweck und Unzweckmäßigkeit von Deregulierungen im Arbeitnehmerschutz zu bedenken, daß die Wirkungen des gruppenspezifischen Arbeitszeitschutzes und des gruppenspezifischen Bestandsschutzes vom gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgrad abhängig sind. Im Falle einer insgesamt, aufgrund wirtschaftlichen Wachstums oder aufgrund von lohnstückkostenneutralen Arbeitszeitverkürzungen steigenden Arbeitskräftenachfrage werden die beschäftigungshemmenden Effekte bestimmter Inflexibilitäten- soweit sie überhaupt bestehen- geringer, ihr Schutzeffekt wird wieder größer werden. Ferner wird leicht übersehen, daß Bestandsschutzkosten durch Lohnkosten substituierbar sind. 109 Unter dem Aspekt politischer Durchsetzbarkeil verdienen relative Lohnverzichte den Vorzug gegenüber in ihren Beschäftigungswirkungen unbestimmten Flexibilisierungen. 110
3.3. Die prozeß- und strukturpolitische Leistungsfähigkeit der Arbeitsmarktpolitik Analysen der Notwendigkeit und der Möglichkeiten einer Reform der Arbeitsmarktpolitik setzen eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit dieser Politik in bezug auf ihre prozeß- und ihre strukturpolitischen Ziele voraus. Das wesentliche prozeßpolitische, im AFG festgelegte Ziel ist es, einen hohen Beschäftigungsstand zu erzielen; wesentliche strukturpolitische Ziele sind die Vermeidung unterwertiger Beschäftigung und die Verbesserung der Beschäftigtenstruktur sowie die Sicherung und Verbesserung der beruflichen Mobilität der Erwerbstätigen. 111 H. M. Schellhaaß, 1984, S. 158-166. Damit soll nicht gegen Flexibilisierungen argumentiert werden, die unter Bewertung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Wirkungen für wünschenswert bzw. notwendig gehalten werden. 111 Von den prozeß- und strukturpolitischen Zielen kann man die in§ 2, Ziffer 3 bis 6 AFG kodifizierten primär sozialpolitischen Ziele unterscheiden. Danach haben die Maßnahmen des AFG dazu beizutragen, daß "3. nachteilige Folgen, die sich für die Erwerbstätigen aus der technischen Entwicklung oder aus wirtschaftlichen Strukturwandt09
110
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
Die Frage nach der prozeß- und strukturpolitischen Leistungsfähigkeit der auf der Grundlage des AFG betriebenen und zu betreibenden Arbeitsmarktpolitik ist, vor allem seit den 80er Jahren, d. h. seit sich die 1975 einsetzende Massenarbeitslosigkeit als nicht nur vorübergehend, sondern als dauerhaft erwies, immer wieder gestellt und- je nach Erwartungen und der Interpretation der im Zusammenhang mit Effizienzanalysen gewonnenen Ergebnisse - unterschiedlich beantwortet worden. Eine Reihe von Autoren schreibt der Arbeitsmarktpolitik die Aufgabe und die Möglichkeit zu, das Niveau der Arbeitslosigkeit beträchtlich zu reduzieren. 112 Solche Erwartungen und Einschätzungen scheinen uns aus wenigstens drei Gründen nicht gerechtfertigt, nämlich erstens nicht aus der Intention des Gesetzgebers und der Konzeption des Gesetzes heraus, zweitens nicht aufgrund der begrenzten Wirksamkeit der Instrumente der Arbeitsmarktpolitik und drittens nicht wegen der finanziellen, der Arbeitsmarktpolitik im AFG gezogenen Grenzen.
3.3.1. Intentionen und konzeptioneller Hintergrund des AFG
Für die Erwartungen, die der Gesetzgeber mit dem AFG bei seiner Verabschiedung verband, scheint es aufschlußreich, daß in den die Zfl.elbeschreibung enthaltenden §§ 1 und 2 ein hoher Beschäftigungsstand und die Vermeidung von Arbeitslosigkeit nicht direkt als ein durch die Arbeitsmarktpolitik zu erreichendes Ziel formuliert sind, sondern daß die Maßnahmen nach dem AFG "darauf auszurichten" (Hervorhebung von H. L.) sind, daß ein hoher Beschäftigungsstand erzielt wird und daß die Maßnahmen "dazu beizutragen" (Hervorhebung von H. L.) haben, daß Arbeitslosigkeit, unterwertige Beschäftigung und ein Mangel an Arbeitskräften nicht eintreten oder fortdauern. Der Verabschiedung des AFG im Jahre 1969 war das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz des Jahres 1967 vorausgegangen, mit dessen Hilfe man glaubte, jederzeit einen hohen Beschäftigungsstand erreichen und auf Dauer aufrechterhalten zu können. 113 Die neu konzipierte, vorausschauende Arbeitsmarktpolitik des AFG sollte mit einer auf der Grundlage des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes für möglich gehaltenen kontinuierlichen Vollbeschäftigungspolitik verknüpft werden. Die Arbeitsmarktpolitik wurde als Ergänzung einer antizyklischen Konlungen ergeben können, vermieden, ausgeglichen oder beseitigt werden, 4. die berufliche Eingliederung körperlich, geistig oder seelisch Behinderter gefördert wird, 5. der geschlechtsspezische Ausbildungsstellen- und Arbeitsmarkt überwunden wird und Frauen, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erschwert ist, beruflich eingegliedert und gefördert werden, 6. ältere und andere Erwerbstätige, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erschwert ist, beruflich eingegliedert werden ...". m Als Beispiele seien genannt: H. Seifert, 1978, S. 516; K. J. Bieback, 1978, S. 393; J. Kühl, 1977, S. 92 ff. 113 J. Kühl, 1986, S. 22. Vgl. auch H. Seifert, 1984, S. 7 ff.
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
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junkturpolitik verstanden, sie sollte maßgeblich zur Lösung struktureller Aufgaben beitragen und vor allem die Berufsbildung fördern. 114 Die Entstehungsgeschichte des AFG, die Diskussionen im Deutschen Bundestag während der Debatte des Gesetzentwurfes und das seinerzeit vorherrschende Verständnis von den Möglichkeiten wirtschafts-und sozialpolitischer Gestaltung sprechen dafür, daß die Instrumente des AFG komplementär zur Beschäftigungspolitik im weitesten Sinne (zu der vor allem die Geld-, die Finanz-, die Wachstums- und die Konjunkturpolitik zu rechnen sind) 115 zur Erhaltung der Vollbeschäftigung, vor allem aber zum Arbeitsmarktausgleich, zur Erhöhung der beruflichen Mobilität und zur Schaffung einer wachstumsadäquaten Beschäftigtenstruktur beitragen sollten. Daher wird im folgenden vor allem auf den Beitrag der Arbeitsmarktpolitik zur Erhöhung des Beschäftigungsgrades und zur Verbesserung der Beschäftigtenstruktur eingegangen.
3.3.2. Begrenzte Leistungsfähigkeit des Instrumentariums des Arbeitsförderungsgesetzes Für die Messung der Leistungsfahigkeit des im AFG verankerten Instrumentariums müssen die Ziele herangezogen werden, deren Erreichung erstrebt wird. Konzentriert man sich auf die Instrumente, mit deren Einsatz über die graduelle Vervollkommnung der Arbeitsmärkte hinaus beschäftigungs-und sozialpolitische Erwartungen verbunden werden, 116 dann geht es um die Überprüfung der Effizienz der wesentlichen Instrumente der "aktiven Arbeitsmarktpolitik", nämlich der beruflichen Fortbildung und Umschulung sowie der betrieblichen Einarbeitung, der Eingliederungsbeihilfe, der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und des Kurzarbeitergeldes.1 17 Vgl. dazu I. 1. 11s Im Sinne der in der Literatur vorherrschenden Sprachverwendung verstehen wir unter Beschäftigungspolitik die Summe der überwiegend geld- und finanzpolitischen Instrumente, die das Ziel verfolgen, durch die Beeinflussung der für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung wichtigen Kreislaufdeterminanten und der Bestimmungsgrößen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sowie des gesamtwirtschaftlichen Angebotes einen hohen Beschäftigungsstand zu erreichen und zu sichern. Demgegenüber verstehen wir unter Arbeitsmarktpolitik die Gesamtheit der Maßnahmen, die die Arbeitsmärkte so gestalten und beeinflussen sollen, daß bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische Ziele erreicht werden. Ansatzpunkt der Arbeitsmarktpolitik sind die Akteure der Arbeitsmärkte, insbesondere die Anbieter von Arbeitsleistungen, auf die mit speziellen verhaltensbeeinflussenden Instrumenten - überwiegend indirekt - Einfluß zu nehmen versucht wird. Vgl. zur Definitionsproblematik auch H. Lampert, 1982, S. 118 ff. 116 Der Verringerung von Marktunvollkommenheiten, die Anpassungsvorgänge erschweren, dienen vor allem die Arbeitsvennittlung, die Berufsberatung und die Arbeitsberatung. m Andere Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die als weitgehend unumstritten gelten und deren Eignung zur Verringerung der Arbeitslosigkeit als erwiesen gelten kann, wie die Förderung der Arbeitsaufnahme, das Schlechtwetter- und das Wintergeld 114
5 Lampert
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
Gemessen an den Gesamtausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik in den Jahren 1975 bis 1986 wurden im Jahresdurchschnitt aufgewendet 118 : -
für die berufliche Fortbildung, Umschulung und die betriebliche Einarbeitung nach § 41-50 AFG 28,1% (2,68 Mrd. DM),
-
für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach § 91-96 AFG 12,2% ( 1,22 Mrd. DM),
-
für Kurzarbeitergeld nach§ 63-73 AFG 14,0% (1,30 Mrd. DM),
-
für Eingliederungsbeihilfen nach§ 54 AFG 3,6% (0,31 Mrd. DM).
In der folgenden Darstellung werden die quantitativ relativ unbedeutenden Eingliederungsbeihilfen nicht berücksichtigt. 119 Unter beschäftigungs- und sozialpolitischen Aspekten sind bei einer Analyse der Mitteleignung von Bedeutung: 1. die Wirkungen auf das Beschäftigungsniveau; 2. die Wirkungen auf die Beschäftigtenstruktur; 3. die Wirkungen auf den Umfang der Arbeitslosigkeit (,,Entlastungseffekte"); 4. die sozialpolitischen Wirkungen, insbesondere die Zielgruppengenauigkeit jener Instrumente, die die Eingliederung von Problemgruppenangehörigen fördern sollen (ältere Arbeitslose, Arbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen, Arbeitslose mit fehlender beruflicher Qualiftkation und Langzeitarbeitslose). Weitgehende Übereinstimmung besteht in der einschlägigen Literatur darüber, daß die Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung, einschließlich der Förderung der betrieblichen Einarbeitung, die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und das Kurzarbeitergeld hinsichtlich ihrer sozialen bzw. sozialpolitischen Wirkungen ganz überwiegend positiv zu beurteilen sind, weil sie - allein schon durch die Lohnersatzleistung (Unterhaltsgeld bei der Fortbildung und Umschulung sowie Kurzarbeitergeld) bzw. durch die Lohnzahlung (bei der betrieblichen Einarbeitung und bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) und den erneuten Erwerb sowie sonstige Maßnahmen zur Förderung der Sauwirtschaft, werden in die folgenden Überlegungen nicht einbezogen. 11s Errechnet nach G. Schmid, 1987, S. 70. 119 Diese Eingliederungsbeihilfen für Arbeitssuchende, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erschwert ist, werden wenig in Anspruch genommen (H. Seifert, 1978, S. 523), es sei denn, sie liegen bei wenigstens 70 bis 80% des tariflichen Lohnes (Sachverständigenrat, Gutachten 1980/81, Ziff. 123), sie weisen hohe Mitnehmereffekte, Rotationseffekte oder Verdrängungseffekte auf (G. Schmid, 1987, S. 88; G. Schmid, K. Semlinger, 1980, S. 85 und S. 183; Sachverständigenrat, Gutachten 1980/81, Ziff. 123; K. Semlinger, K. Lücker, 1983) und haben kaum Wirkungen auf das Beschäftigungsniveau, sondern ändern nur die Beschäftigtenstruktur (H. Seifert, 1978, S. 522 f.; Sachverständigenrat, Gutachten 1976/77, Ziff. 91; Bundesanstalt für Arbeit 1978, S. 45; H. Albeck, 1982, S. 9 ff.), weil sie zu einer Substitution teurer durch billigere Arbeitskräfte führen.
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
67
von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld - die wirtschaftliche und soziale Lage der Geförderten verbessern, ihre Eingliederungschancen erhöhen bzw. eine Eingliederung bewirken und dadurch die Langzeitarbeitslosigkeit nicht auf die Schultern eines im wesentlichen gleichbleibenden Kreises legen, sondern das Risiko der Arbeitslosigkeit gleichmäßiger verteilen. 12o Weitgehende Übereinstimmung besteht auch darüber, daß die Zielgruppengenauigkeit der Förderung der beruflichen Weiterbildung und der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Wünsche offen läßt, weil die Angehörigen der sogenannten Problemgruppen des Arbeitsmarktes unter den geförderten Teilnehmern unterrepräsentiert sind. 121 Sehr unterschiedliche Auffassungen werden dagegen in bezug auf die Wirkungen der Förderung der beruflichen Weiterbildung und der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf den Beschäftigungsgrad und die Arbeitslosigkeit vertreten. Ein vollständiger Überblick über die Auffassungsunterschiede kann hier wegen der Vielzahl vorliegender Arbeiten nicht gegeben werden. Allerdings können die wesentlichen Unterschiede in der Einschätzung der Wirkungen aufgezeigt werden. Die positivsten Einschätzungen der Beschäftigungs- und Entlastungswirkungen finden sich ohne Zweifel bei Mitarbeitern des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung, die seit vielen Jahren- ausgehend von den Teilnehmern an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung und an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie von den Beziehern von Kurzarbeitergeld- "Beschäftigungseffekte" und "Entlastungseffekte" (im Sinne einer Vermeidung bzw. Reduzierung von Arbeitslosigkeit) der Maßnahmen errechnen. Die Ergebnisse dieser Berechnungen sind in Tabelle 2 wiedergegeben. Die Beschäftigungseffekte des Kurzarbeitergeldes werden durch die Umrechnung des durch Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitsvolumens aufbeschäftigte Personen ermittelt. Die Entlastungswirkungen des Kurzarbeitergeldes werden mit zwei Dritteln der Beschäftigungswirkung angesetzt, weil sich ein Beschäftigungsrückgang erfahrungsgemäß zu zwei Dritteln in Arbeitslosigkeit niederschlägt. 122 Die Beschäftigungseffekte der Vollzeitmaßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung werden der Zahl der Teilnehmer an diesen Maßnahmen gleichgesetzt. Die Entlastungswirkungen werden ermittelt als die Summe aus der Zahl jener Teilnehmer, die vor der Förderungsmaßnahme arbeitslos waren und zwei Dritteln der Beschäftigungswirkung, die durch die übrigen Teilnehmer eintritt. 123 120 Vgl. dazu A. Hellmich, 1982, S. 120 ff.; H. Hofbauer, 1985, S. 113; W. Laatz, R. Jauss, 1989, S. 45. 121 Vgl. H. Seifert, 1984, S. 191-200; H. Hofbauer, 1979, S. 42; A. Hellmich, 1982, S. 119; G. Schmid, 1987, S. 104; Sachverständigenrat, Gutachten 1980/81, Ziff. 124 und Gutachten 1987/88, Ziff. 127. 122 Vgl. zu den methodischen Grundlagen der Ermittlung der Beschäftigungs- und Entlastungseffekte des Kurzarbeitergeldes R. F1echsenhar, 1978.
s•
100 115 127 97 65 63 73 91 111 120 117 128 134 154 187
100 113 127 97 65 63 73 91 111 120 117 128 134 154 187
68 79 93 76 54 52 60 74 92 103 105 118 124 143 172
16 73 223 96 55 50 29 46 108 202 216 132 90 75 97
44 292 773 277 231 191 88 137 347 606 675 384 235 197 278
3 6 30 58 61 77 75 59 55 40 60 95 116 129 146
2 3 16 29 38 51 51 41 38 29 45 71 87 102 115
4 8 41 75 72 90 86 68 63 46 67 105 128 142 161
ti-
-~~
gungseffekt
Beschäf-
Teilnehmer 11 48 147 63 36 33 19 30 72 141 151 92 63 53 68
Entlastungseffekt
Kurzarbeitergeld
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen EntlaTeilBenehschäf- stungsmer effekt tigungseffekt
a) Vollzeitmaßnahmen zur beruflichen Bildung ohne Einarbeitung Quelle: MittAB 1978, S. 61 ; 1983, S. 344; 1985, S. 414; 1988, S. 461.
1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987
Fortbildungs- u. UmSChulungsförderung a) TeilEntlaBenehschäf- stungseffekt mer tigungseffekt 146 410 916 403 334 305 212 268 396 755 837 583 456 453 580
Teilnehmer 120 194 391 268 192 203 188 204 293 368 400 365 352 371 445
Beschäftigungseffekt
Summe
82 133 270 197 151 162 154 162 219 284 316 305 303 325 386
Entlastungseffekt
Entlastungseffekt in% d. Arbeitslosen 30.0 22.8 25.1 18.6 14.7 16.3 17.6 18.2 17.2 15.5 14.0 13.5 13.1 14.6 17.3 1975 I 87: 16.6 ca. 260.000 I Jahr
273 582 1074 1060 1030 993 876 889 1272 1833 2258 2266 2304 2228 2229
Arbeitslose
Tabelle 2: Beschäftigungs- und Entlastungseffekte ausgewählter Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik 1973 bis 1987
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3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
69
Die Effekte der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden ermittelt als Summe aus der Zahl der geförderten Teilnehmer, einer dazu in einer bestimmten Relation stehenden Zahl von "Stammarbeitern", die zusätzlich eingestellt werden bzw. deren Entlassung vermieden wird, und einer bestimmten Zahl von Beschäftigten, die sich aus der durch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ausgelösten Nachfrage nach Vorleistungen sowie aus Multiplikatoreffekten ergibt. Der Entlastungseffekt wird ermittelt als Summe aus der Zahl der geförderten Arbeitnehmer, zwei Dritteln der "Stammarbeiter" und zwei Dritteln der zusätzlich Beschäftigten. 124 Gegen diese Berechnungen wurden und werden eine Reihe von Einwänden vorgebracht. Ein Haupteinwand lautet, daß die Beschäftigungs- und die Entlastungseffekte allein deswegen nicht zuverlässig ermittelt werden können, weil der Vergleichszustand fiktiv ist, d. h. weil nicht bekannt ist, wie sich Beschäftigung und Arbeitslosigkeit ohne die Förderungsmaßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik entwickelt hätten. 125 Ein weiterer zentraler Einwand kritisiert, daß bei der Ermittlung der Beschäftigungswirkungen Mitnehmer- und Substitutionseffekte unberücksichtigt bleiben, so daß auch die Entlastungswirkungen, die ja auf der Basis der Beschäftigungswirkungen abgeleitet werden, überschätzt sind. 126 Bei der Evaluation der Beschäftigungswirkungen ist ferner zu berücksichtigen, daß die Aufnahme von Arbeit oft nicht auf eine Maßnahme, z. B. die berufliche Förderung, zurückzuführen ist, sondern durch den Einsatz zusätzlicher Mittel, z. B. durch die Zahlung von Einarbeitungszuschüssen oder Eingliederungsbeihilfen oder auch durch die Vermittlung in eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zustande kommt. Bei der Bewertung der Maßnahmen bleiben ferner außer Betracht die Qualität der vermittelten Arbeit und vor allem die Dauerhaftigkeit der Beschäftigung. Schließlich sollte auch erwähnt werden, daß sich die Arbeitsver-
123 Vgl. dazu Autorengemeinschaft, 1978, S. 62. Erstaunlicherweise werden die indirekten Beschäftigungswirkungen der Vollzeitmaßnahmen der beruflichen Bildung nicht berücksichtigt, die sich aus der Beschäftigung der Lehrpersonen ergeben. 124 Vgl. zu den methodischen Grundlagen der Ermittlung der Beschäftigungs- und Entlastungseffekte von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen E. Spitznagel, 1979 und 1980. 125 R. Möller, 1987, S. 373. 126 Vgl. dazu Sachverständigenrat, Gutachten 1984/85: Grenzen der Wirkungstiefe und Wirkungsbreite der Arbeitsmarktpolitik "ergeben sich einmal daraus, daß es auch bei sorgfaltigem Festlegen der Bedingungen, unter denen Mittel der Arbeitsförderung gewährt werden, zu Mitnahmeeffekten, Verdrängungseffekten oder anderen Anpassungsreaktionen kommen kann, die dazu führen, daß die eingesetzten Mittel nur zu einem Teil die ihnen zugedachte Wirkung entfalten. Auch wenn es schwer, wenn nicht sogar unmöglich ist, diesen Teil verläßlich zu bestimmen, so wäre es doch verfehlt, etwa die Anzahl der geförderten Beschäftigungsverhältnisse unbesehen als Beleg für den beschäftigungsfördernden Einfluß von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu nehmen" (Ziff. 398). Vgl. auch W. Breuer, A. Hellmich, 1979, S. 195; S. Ernst, 1981, S. 155 f.; R. Soltwedel 1982, S. 75 f.; M. Votteler, 1984, S. 166 ff.; H. Seifert, 1984, S. 166 f. und R. Möller, 1987, S. 375. Vgl. zum Einfluß des Substitutionseffektes auf die Beschäftigungswirkung E. Spitznagel, 1980, S. 84 ff., der zeigt, daß die Beschäftigungswirkungen bei der Berücksichtigung von Substitutionseffekten erheblich geringer sein können.
70
Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
waltung verständlicherweise bemüht, besonders die Teilnehmer an Förderungsmaßnahmen in Arbeit zu vermitteln. 127 Nach unserer Meinung werden von den Mitarbeitern des lAB, die die Entlastungseffekte ermitteln, diese Effekte stark überschätzt. 128 Dagegen betont U. Engelen-Kefer, daß die AFG-Maßnahmen keinen nennenswerten Einfluß auf das Niveau der Arbeitslosigkeit haben 129• Vor einer Überschätzung der Wirkungen der Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik auf den Beschäftigungsgrad und die Beschäftigtenstruktur in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sollten auch die Ergebnisse nicht weniger empirischer Untersuchungen, von denen einige im folgenden referiert werden, warnen. Zu den Einarbeitungszuschüssen nach § 49 AFG, die die Aufgabe haben, die Vermittelbarkeit solcher Arbeitnehmer zu erhöhen, die eine volle Arbeitsleistung erst nach einer Einarbeitungszeit erreichen können, wird festgestellt, daß sie keinen signiftkanten Einfluß auf die Arbeitslosigkeit haben 130, vermutlich weil die Mitnehmereffekte erheblich sind und zum Teil "normale" Arbeitskräfte durch subventionierte Arbeitnehmer substituiert werden. 131 Für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen stellt Schmid in einem Überblick über die Wirksamkeit arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen fest, daß der Beschäftigungseffekt der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zumindest bis 1980 "mittelmäßig" war, weil die Arbeitslosigkeit bei der größten Teilnehmerzahl an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nur um 0,3% entlastet wurde, weil im Anschluß an die Fördermaßnahme nur ein Drittel bis zur Hälfte in den regulären Arbeitsmarkt integriert wurden, weil zwischen 25 und 50% der Geförderten im Anschluß an die Maßnahme wieder arbeitslos waren 132, weil schwer vermittelbare Arbeitnehmer unterrepräsentiert waren 133 und weil beachtliche Mitnehmereffekte auftra121 Vgl. dazu R. Möller, 1987, S. 373 ff. Möller weist auch daraufhin, daß bestimmte Fördermaßnahmen, z. B. die sozialpädagogisch orientierten Informations- und Motivationskurse nach§ 41 a AFG, ihrer spezifischen Zielsetzung wegen kaum Beschäftigungseffekte haben (was H. Hofbauer, 1982, S. 432 bestätigt), daß in nicht wenigen Fällen eine Weiterbildung überhaupt nicht zur Sicherung der Vermittlungsfähigkeit erforderlich wäre und daß die Teilnahme an Bildungmaßnahmen auch deswegen von der Arbeitsverwaltung angeregt wird, weil in bestimmten Kursen bestimmte Mindestteilnehmerzahlen erreicht werden sollen. 128 Diese Auffassung vertritt auch G. Schmidt, 1982, S. 319. In neuerenArbeiten aus dem lAB finden Substitutionsprozesse zunehmend Berücksichtigung. Vgl. Chr. Sellin, E. Spitznagel, 1988, S. 494. 129 U. Engelen-Kefer, 1986, S. 302. 130 G. Schmid, K. Semlinger, 1980, S. 171; Forschungsstelle Sozialökonomik der Arbeit, 1982, S. 301 f. und die dort angegebene Literatur. 131 G. Schmid, K. Semlinger, 1980, S. 116 und K. Semlinger, 1980, S. 495. 132 Nach einem Kurzbericht des lAB vom 19. April 1985 waren Mitte 1984 56% der ausgeschiedenen Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unmittelbar im Anschluß an die Maßnahme wieder arbeitslos. 133 G. Schmid, 1987, S. 92. Für die 80er Jahre liegen nach Schmid keine zureichenden empirischen Studien vor.
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
71
ten 134. Die Integration in den regulären Arbeitsmarkt wird mit zunehmend ungünstigerer Arbeitsmarktsituation schwieriger, so daß die Beschäftigungsmöglichkeiten überwiegend durch die Bildung eines "zweiten Arbeitsmarktes" geschaffen werden. 135 Ein besonderes Problem stellt auch die Übernahme der Geförderten in Dauerarbeitsverhältnisse dar. 136 Schmid berichtet ferner, daß in den 80er Jahren die Mitnahme- und Substitutionseffekte eingedämmt werden ko~ten. 137 Zu positiveren Bewertungen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kommen Arbeiten aus dem lAB. 138 Die Effizienz der Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung ist nach Einschätzung von Schmid - gemessen am Wiedereingliederungskriterium - durch die Verschlechterung der Arbeitsmarktlage zwar beeinträchtigt worden, aber "im großen und ganzen noch beeindruckend". 139 Die Wirksamkeit dieser Fördermaßnahmen wird jedoch durch hohe Abbruch- bzw. Versagerquoten beeinträchtigt. 140 Die Erfolgsquoten sind für Problemgruppenangehörige deutlich niedriger als für die Angehörigen qualifizierter Gruppen. 141 Die Problemgruppenangehörigen sind bei den Teilnehmern an Berufsbildungsmaßnahmen unterrepräsentiert.142 Die Anteile der nach Abschluß der Bildungsmaßnahme Vermittelten schwanken je nach dem Geschlecht, dem Alter, der Vorbildung der Teilnehmer, der Maßnahmenart, insbesondere aber nach der Dauer der Arbeitslosigkeit vor Aufnahme der Weiterbildungsmaßnahme 143 sehr stark. 144 Die Entlastungseffekte werden bei hoher Arbeitslosigkeit eher gering eingeschätzt, weil die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und die Aufnahmebereitschaft der Betriebe für 134 Sachverständigenrat, Gutachten 1980/81, Ziff. 127. 135 W. Laatz, R. Jauss, 1989, S. 40 ff. 136 Vgl. dazu Chr. Sellin, E. Spitznagel, 1988, S. 487 f. m G. Schmid, 1987, S. 95. 138 Vgl. vor allem E. Spitznagel, 1982 und J. Kühl, 1983. Kühl weist aber auch auf die Schwachstellen der Maßnahmen hin. 139 G. Schmid, 1987, S. 83. Die Effizienz der Maßnahmen ist zum Teil sehr unterschiedlich. Z. B. sind Maßnahmen innerbetrieblicher Berufsbildung erfolgreicher als außerbetriebliche. Maßnahmen für Beschäftigte sind effektiver als die für Arbeitslose. 140 Der Anteil der Personen, die eine Maßnahme der beruflichen Erwachsenenbildung abbrachen oder ohne Erfolg beendeten, lag 1979 bei 20% (H. Hofbauer, 1979, S. 42); von den (vorher arbeitslosen) Teilnehmern an beruflicher Weiterbildung waren 1983 23% vorzeitig ausgeschieden (H. Hofbauer, W. Dadzio, 1984, S. 183); 1985 haben nur 77 %, 1986 nur 79% derjenigen, die eine berufliche Weiterbildung abgeschlossen haben, diese erfolgreich abgeschlossen (R. Möller, 1987, S. 374). 141 H. Hofbauer, 1985, S. 115 f. 142 H. Hofbauer, W. Dadzio, 1984, S. 187. 143 Je länger die Arbeitslosigkeit dauerte, um so geringer war die Chance der Wiedereingliederung (H. Hofbauer, 1985, S. 118). 144 Von den 41503 Teilnehmern an beruflicher Weiterbildung im Vollzeitunterricht, die im 1. Quartal 1983 eine solche Maßnahme mit Erfolg abgeschlossen haben, waren am 30. 06. 1983 63 % beschäftigt. Die Extremwerte des Beschäftigtenanteils beliefen sich auf 35% und 90%. Vgl. dazu H. Hofbauer, 1985, S. 119 und H. Hofbauer, W. Dadzio, 1987, S. 134 ff. Vgl. auch D. Garlichs, F. Maier, 1982, S. 100sowie H. Hofbauer, 1977, S. 471 ff.; ders. 1979; H. Hofbauer, W. Dadzio, 1984, S. 185 ff. und G. Schmid, 1987, s. 81 ff.
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
Absolventen von Berufsbildungsmaßnahmen fehlt, so daß sich Entlastungseffekte nur dort ergeben können, wo das Qualifikationsprofil der Absolventen von Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen mit der Struktur und dem Anforderungsprofil der offenen Stellen übereinstimmt. 145 In allen anderen Fällen wird die Qualifikation der Arbeitslosen erhöht bzw. es werden weniger Qualifizierte zugunsten höher Qualifizierter freigesetzt, die Struktur der Beschäftigung also verbessert, das Niveau der Arbeitslosigkeit jedoch nicht abgesenkt. Im Rahmen des arbeitsmarktpolitischen Programms der Bundesregierung für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen des Jahres 1979 wurde erstmals die berufliche Qualifizierung von Arbeitnehmern in Betrieben mit öffentlichen Mitteln gefördert. Trotz alles in allem positiver Bewertung 146 gilt auch für diese arbeitsmarktpolitische Instrumentenvariante, daß sie individuelle Arbeitslosigkeit verhindert, den Beschäftigungsgrad aber nicht erhöhen kann. Skepsis in bezug auf die Entlastungswirkungen der Berufsförderungsmaßnahmen zeigte sich auch in zahlreichen Arbeiten von Hofbauer und Dadzio aus den letzten Jahren zur Evaluierung der Berufsbildungsförderungsmaßnahmen. Sie sprechen nur davon, daß berufliche Weiterbildung "zum Abbau von (individueller) Arbeitslosigkeit beiträgt." 147 Der Beitrag der Berufsbildungsförderung zur Verbesserung der Beschäftigtenstruktur und zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch Sicherung der für ein stetiges Wachstum erforderlichen Arbeitskräftestruktur und Sicherung optimaler Allokation der Arbeitskräfte muß notwendigerweise bei Unterbeschäftigung geringer sein als bei Vollbeschäftigung - zum einen, weil dann der Bedarf an hochqualifizierten Kräften auch ohne die Förderungsmaßnahmen gedeckt werden kann, zum anderen, weil unter diesen Umständen die Maßnahmen weniger dazu dienen, die Knappheit an bestimmten Qualifikationen zu überwinden, als vielmehr dazu, Arbeitslose so weit zu qualifizieren, daß sie überhaupt vermittlungsfähig werden. Daß sich die berufliche Weiterbildung nach dem AFG immer mehr von einem prophylaktischen zu einem kurativen Instrument entwickelt hat und dazu entwickelt wurde 148 , ist allein daran ablesbar, daß Anfang der 70er Jahre etwa 145 Vgl. dazu F. Wolf, 1985, S. 425; Chr. Ehmann, 1986, S. 229 und R. Möller, 1987, S. 375. An der Zielgenauigkeit der beruflichen Weiterbildung sind Zweifel angebracht. Vgl. dazu H. Seifert, 1984, S. 181 f. 146 Vgl. dazu BMA (Hrsg.), 1983, D. Garlichs, 1982 und B. Keller, 1983. 147 H. Hofbauer, W. Dadzio, 1984, S. 191 und H. Hofbauer, 1985, S. 121: ,,Es ist auch nicht möglich, eine generelle (also eine vom Individuum losgelöste) Antwort auf die Frage zu geben, ob berufliche Weiterbildung zum Abbau von Arbeitslosigkeit beiträgt, weil mit den bisher zur Verfügung stehenden Erhebungsinstrumenten nicht festgestellt werden kann, ob ein ehemals Arbeitsloser, der nach Abschluß einer Weiterbildungsmaßnahme in eine Beschäftigung vermittelt werden konnte, an Stelle eines weniger Qualifizierten (der dafür entlassen wurde oder als Mitbewerber auftrat) oder zusätzlich eingestellt wurde". 148 Vgl. dazu H. Seifert, 1984, S. 175 ff. sowie D. Garlichs, F. Maier, 1982, S. 97 ff.
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
73
15% der in Vollzeitmaßnahmen beruflicher Bildung eintretenden Teilnehmer arbeitslos waren, 1980 jedoch fast 80% 149 und daß das Gewicht der Aufstiegsfortbildung gegenüber der Anpassungsfortbildung zurückgegangen ist. 150 Damit hat die Förderung der beruflichen Fortbildung und der Umschulung einen Teil ihrer eigentlichen Funktion verloren. Allerdings ist in der seit Jahren gegebenen Situation die Funktion der Weiterbildung, die Arbeitsmarktchancen gleichmäßiger zu verteilen, eine ausreichende Rechtfertigung für den Einsatz dieser Instrumentengruppe zu sehen. Die Effizienz der Berufsbildungs- und Umschulungsförderung könnte vermutlich erhöht werden, wenn die Arbeitsverwaltung erstens systematisch Informationen sammeln und auswerten würde, ob Lehrgangsteilnehmer eine dem Lehrgangsziel entsprechende berufliche Tätigkeit aufnehmen, d. h. ob und inwieweit die Teilnehmer an Berufsbildungsmaßnahmen die Lerninhalte beruflich verwerten können, und zweitens die Erfolgsgrade unterschiedlicher Berufsbildungsträger zu erfassen versuchte, um Mindestqualitäten beruflicher Weiter- und Fortbildung zu erreichen. Leichter als die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Berufsförderungsmaßnahmen ist das Kurzarbeitergeld in bezug auf seine Entlastungseffekte zu beurteilen. Durch das Kurzarbeitergeld kann der Eintritt von Arbeitslosigkeit für bestimmte Arbeitnehmer vermieden und durch Arbeitszeitreduzierung für größere Gruppen substituiert werden. Infolgedessen werden die ökonomisch und sozial destabilisierenden Effekte der Arbeitslosigkeit vermieden. Unter der Voraussetzung, daß die Verwaltung mißbräuchliche Inanspruchnahmen weitgehend verhindem kann, sind die Stabilisierungseffekte sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Unternehmungen, die Entlassungs- und Wiedereinstellungskosten sparen, offensichtlich. Faßt man die Ergebnisse der vorhergehenden Darstellung zusammen, dann ergibt sich folgendes Bild: Die Arbeitsmarktpolitik hat in den zurückliegenden 15 Jahren zum Teil erhebliche Anstrengungen unternommen, um durch den Einsatz der Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik die im Gesetz festgelegten Ziele zu erreichen. Durch den Einsatz der Instrumente wurden beachtliche Zahlen von Arbeitnehmern, insbesondere von Arbeitslosen, gefördert. Geht man von den "offiziellen", auch von der Bundesanstalt verwendeten Schätzungen der Arbeitsmarktentlastungen der behandelten Maßnahmen aus, obwohl diese Schätzungen- wie gezeigt- überhöht erscheinen und beim gegenwärtigen Forschungsstand notwendigerweise unvollständig und unsicher sind 151 , dann ergibt sich, daß zwischen 1975 und 1987 nie
149 15o 151
H. Hofbauer, 1985, S. 111. G. Schmid, 1987, S. 76 ff. G. Schmid, 1987, S. 103.
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Kap. 1: Die ordnungspolitischen Grundlagen der Arbeitsmarktpolitik
mehr als 16,6% der Arbeitslosen gefördert werden konnten und daß die Entlastungseffekte dementsprechend nicht über diesen Prozentsatz hinausgingen. Sozialpolitisch, d. h. aus der Sicht der jahresdurchschnittlich 260.000 betroffenen Arbeitnehmer, ist dies eine beachtliche Leistung, die nicht nur einen Beitrag zur Sicherung des sozialen Friedens darstellte, sondern auch die soziale Gerechtigkeit erhöhte, weil sie auch die Lebenslage von Angehörigen der Problemgruppen des Arbeitsmarktes durch eine partielle ,,Entstrukturalisierung" der Arbeitslosigkeit erleichterte, wenngleich nicht in sozialpolitisch wünschenswert und ausreichend erscheinendem Umfang. 152 Die Arbeitsmarktpolitik, die die Beschäftigungschancen einzelner Arbeitnehmer und einzelner Arbeitnehmergruppen erhöhte und durch Anpassung der Beschäftigtenstruktur an den Strukturwandel zu einer besseren Ausnutzung des Beschäftigungspotentials beitrug, konnte jedoch das Beschäftigungspotential, d. h. den Beschäftigungsgrad, allenfalls unwesentlich erhöhen. 153 Der wesentliche Grund dafür liegt darin, daß diese Instrumente überwiegend und primär die Qualiftkation und I oder die Kosten der Arbeitsanbieter beeinflussen, weniger dagegen bei der Nachfrage nach Arbeit ansetzen. Die in der Natur der Instrumente des AFG liegenden beschäftigungspolitischen Grenzen werden durch Grenzen der Finanzierbarkeit der Arbeitsmarktpolitik verstärkt. Je höher die Arbeitslosigkeit ist, um so mehr Mittel sind für die Versorgung der Arbeitslosen erforderlich, um so weniger können für die Finanzierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik eingesetzt werden. Schon 1980 hat Spitznagel154 - bezogen auf die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - und später auch Kühl 155 zutreffend festgestellt, daß mit dem Instrumentarium des AFG ein globales Ungleichgewicht am Arbeitsmarkt nicht wesentlich beeinflußt werden kann, weil der Mitteleinsatz dann Dimensionen erreichen würde, die politisch kaum durchsetzbar erscheinen - ganz abgesehen davon, daß Beschäftigungspolitik mit Hilfe des verfügbaren arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums auch deswegen nicht zu beachtlich großen Beschäftigungseffekten führen kann, weil für den Beschäftigungsgrad letztlich die Endnachfrage entscheidend ist. Die Auffassung, daß der Arbeitsmarktpolitik bei der Lösung des Problems der Unterbeschäftigung nur eine flankierende, den Strukturwandel auf den Arbeitsmärkten fördernde Rolle zukommen kann, vertritt auch der Sachverständigenrat.156 Nichtsdestoweniger hat die aktive Arbeitsmarktpolitik in Zeiten der Unter-
152 G. Schmid, 1987, S. 104. 153 B. Mettelsiefen, H. Seifert, 1981, S. 386 f.; H. Seifert, 1984, S. 164 f.; H. Lampert, 1982; H. P. Spahn, G. Vobruba, 1986, S. 22; R. Möller, 1987, S. 375; G. Schäfer, 1988. 154 E. Spitznage1, 1980, S. 89. 155 J. Kühl, 1983, S. 14 und 1986, S. 30. 156 Sachverständigenrat, Gutachten 1984/85, Ziff. 398 sowie Gutachten 1985/86, Ziff. 301 ff.
3. Leitbildkonformität und Probleme der Arbeitsmarktpolitik
75
beschäftigung neben ihren unverzichtbaren sozialpolitischen Aufgaben auch eine makroökonomische Funktion, die darin besteht, die Effizienz des Produktionsprozesses zu erhöhen. ts7
ts7 Vgl. dazu H. P. Spalm, G. Vobruba, 1986, S. 25: "Dazu gehört auch, ein irreversibles Herausfallen eines wachsenden Teils der Arbeitslosen aus dem effektiven, d. h. marktfahigen Arbeitsangebot zu verhindern. Ohne ,,konservierende" Maßnahmen würde sich ansonsten mit der Dauer der Arbeitslosigkeit die soziale und berufliche Qualifikation der Arbeitslosen vermindern, so daß sie als potentielle Konkurrenz der Beschäftigten nicht mehr in Frage kämen. Damit ist gesagt, daß eine Aufrechterhaltung eines Arbeitskraftangebotsüberschusses aus systemlogischen Gründen, d. h. für die Kapitalverwertung durchaus sinnvoll sein kann: die "industrielle Reservearmee" trägt zur Wahrung der Arbeitsdisziplin, Produktivität und Geldwertstabilität bei. Ohne die Arbeitsmarktpolitik, die das Arbeitskraftangebot "am Markt" hält, bleiben dagegen nach und nach nur noch die sozialen und fmanziellen Kosten der Arbeitslosigkeit bestehen, ihr funktionaler Beitrag entfallt. Mittels der Arbeitsmarktpolitik läßt sich somit aus der Arbeitslosigkeit ein Effizienzgewinn für das ökonomische System erzielen."
Kapitel II
Die "vorausschauende Arbeitsmarktpolitik" und ihre Problematik Die Arbeitsmarktprozeßpolitik hat ihre gesetzliche Grundlage im AFG. Mit der Verabschiedung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) im Sommer 1969 sollte die bisher betriebene reaktive, Fehlentwicklungen in erster Linie finanziell kompensierende Arbeitsmarktpolitik durch eine aktive, d. h. vorausschauende, vorbeugende und gestalterisch in den Wirtschaftsablauf eingreifende Arbeitsmarktpolitik abgelöst werden. Dieser Wandel der arbeitsmarktpolitischen Konzeption stand in engem Zusammenhang mit dem in den 60er Jahren in Politik und Gesellschaft weitverbreiteten Prognose- und Planungsoptimismus. Eingebettet in eine am Vollbeschäftigungsziel orientierte aktive Konjunktur- und Strukturpolitik sollte die vorausschauende Arbeitsmarktpolitik Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung von vomherein zu vermeiden suchen. Im folgenden wird diese Konzeption dargestellt (Abschnitt 1). Nicht nur aufgrundder Erfahrungen der letzten 15 Jahre, sondern grundsätzlich stellt sich die Frage, welche Informationsanforderungen eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik stellt und ob diese Anforderungen erfüllbar sind. Angesichts des permanent ablaufenden Wandels der Nachfrage-, Produktions- und Beschäftigungsstruktur und aufgrund des Zeitbedarfs des Instrumenteneinsatzes müssen die für die Arbeitsmarktpolitik Verantwortlichen wissen, wie sich Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsstruktur in Zukunft verändern werden und wie sich dies auf die Arbeitsnachfrage auswirken wird. Nur dann läßt sich das Arbeitsangebot vorausschauend entsprechend beeinflussen. Voraussetzung einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik ist daher die Verfügbarkeil geeigneter Arbeitsmarktprognosen. Daher soll im folgenden geprüft werden, ob und wie diese Informationsbedarfe gedeckt werden können (Abschnitt 2). Zunächst werden die Informationsanforderungen, die sich aus den Zielen des AFG und der Forderung nach einem effizienten Einsatz seiner Instrumente ergeben, herausgearbeitet und daraufhin untersucht, ob und inwieweit sie mit den Mitteln der Prognostik erfüllt werden können (Abschnitt 2.1.). Dabei wird nicht nur auf die Erfüllbarkeit der Prognoseanforderungen eingegangen, sondern auch die Frage beantwortet, inwieweit andere ausgewählte Informationsgrundlagenwie die Strukturberichterstattung und das von der Bundesanstalt für Arbeit ent-
1. Konzeptioneller Hintergrund, Ziele und Instrumente des AFG wickelte Konzept der differenzierten Information nen können (Abschnitt 2. 2.).
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als Prognosesubstitute die-
1. Konzeptioneller Hintergrund, Ziele und Instrumente des AFG Die in der zweiten Hälfte der 60er Jahre entwickelte Konzeption der vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik entspricht weitgehend den zur Zeit der Verabschiedung des Arbeitsförderungsgesetzes vorherrschenden wirtschaftspolitischen Leitvorstellungen: Die im AFG kodifizierte Arbeitsmarktpolitik sollte Bestandteil einer umfassenden Wachstums- und Strukturpolitik werden. Insbesondere sollte sie die keynesianische Stabilisierungspolitik ergänzen. 1.1. Konzeptioneller Hintergrund Die Konzeption der vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik muß vor dem Hintergrund des in ihrer Entstehungszeit vorherrschenden Planungs- und Stabilisierungsoptimismus gesehen werden 1: In der Wirtschaftspolitik dominierte die Überzeugung, daß der Staat mit einer aktiven Konjunkturpolitik für Stabilität, angemessenes Wachstum und Vollbeschäftigung sorgen könne. Diese Überzeugung wurde noch durch den weitverbreiteten Glauben verstärkt, mit den erstmals erstellten Wirtschafts- und Arbeitskräftebedarfsprognosen sowie mit den darauf beruhenden mittelfristigen Finanz- und Bildungsplänen lägen zuverlässige Instrumente für eine vorausschauende Wirtschaftspolitik vor. 2 Darüber hinaus beeinflußten die Erkenntnis, daß eine expandierende Volkswirtschaft nie ein über längere Zeiträume andauerndes Gleichgewicht erreicht, sowie die Vermutung, daß der Strukturwandel und der mit ihm verbundene technische Fortschritt zu einem ständig steigenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften führen werden, die neue Konzeption der Arbeitsmarktpolitik. Insbesondere fürchtete man, daß in zukunftsträchtigen Sektoren wachstumshemmende Arbeitskräftedefizite und Qualifikationsengpässe auftreten könnten: So könne "die Einführung neuer Erzeugungsmethoden ... leicht auf Hindernisse stoßen, wenn dazu berufliche Qualifikationen gebraucht werden, die nicht oder in nur unzureichendem Maße vorhanden sind und nur in langer Ausbildungszeit erworben werden können."3 1 Zur Einbindung der arbeitsmarktpolitischen Konzeption in die Stabilisierungsphilosophie der 60er Jahre vgl. auch F. Coester, 1967, S. 8 ff. sowie J. Kühl, 1982, S. 251 ff., H. Seifert, 1984, S. 7 ff. und H. Larnpert, 1989, S. 173 ff. 2 Vgl. z. B. L. Alex, A. Blüm, U. Frenzel, 1969; Bundesministerium für Wirtschaft, 1968, Bundesregierung, 1969, S. 26 ff.; Prognos, 1965. 3 Sachverständigenrat, Gutachten 1965, Ziff. 264.
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Kap. II: Die "vorausschauende Arbeitsmarktpolitik"
Auf der anderen Seite war in den 60er Jahren- vor allem aber während des Konjunktureinbruchs 1966/67 - deutlich geworden, daß der Strukturwandel auch zur Freisetzung von Arbeitskräften führen kann. Als Herausforderung für die Arbeitsmarktpolitik wurde vor allem die Situation im Kohlebergbau verstanden. Von 1957 bis 1967 hatte sich die Zahl der Bergarbeiter von 480 000 auf 240 000 halbiert. Mit einem Abbau von weiteren 80 000 Arbeitsplätzen wurde gerechnet. 4 Die durch diesen Strukturwandel erkennbar gewordene Notwendigkeit hoher Mobilität der Arbeitskräfte wurde nicht nur im Hinblick auf die individuellen Beschäftigungschancen der Betroffenen diskutiert. Vielmehr wurde sie angesichts der Erwartung, die Arbeitskräfteknappheit in den Wachstumsindustrien würde noch lange anhalten, als Voraussetzung zukünftigen Wachstums angesehen: "Bei konstantem gesamtwirtschaftlichem Arbeitsvolumen müssen die Wachstumsindustrien ihren Mehrbedarf an Arbeitskräften zu einem weit größeren Teil als in den 50er Jahren zu Lasten anderer Sektoren und Branchen decken. Deshalb steht die Frage, wie man die Mobilität der Arbeitskräfte fördern und überkommene Mobilitätshindernisse beseitigen kann, nach wie vor auf der Tagesordnung." 5 Als wichtigste Voraussetzung für eine erhöhte Mobilitätsfähigkeit und -bereitschaft der Arbeitskräfte wurde eine Verbesserung der beruflichen Bildung angesehen: "Ohne ausreichende berufliche Bildung gibt es kein Anpassungs- und Umstellungsvermögen der Arbeitnehmer. Berufliche Bildung ist die Voraussetzung jeglicher Mobilität." 6 Da man damit rechnen müsse, daß immer mehr Arbeitskräfte den ursprünglich erlernten Beruf im Laufe des Erwerbslebens aufgeben und einen neuen Beruf zu erlernen hätten, sei berufliche Bildung "also nicht ein einmaliger, zeitlich befristeter Vorgang, sondern ein Prozeß ständigen Lernens in der Berufsausbildung, in der beruflichen Fortbildung und ggf. in der beruflichen Umschulung." 7 Mit einer Politik der Förderung beruflicher Bildung und Mobilität könne man den Strukturwandel und mit diesem den weiteren Wachstumsprozeß fördern. Eine Arbeitsmarktpolitik, die sich diesem Ziel unterwirft, wurde als Bestandteil einer produktivitäts- und wachstumsfördernden Beschäftigungs- und Strukturpolitik verstanden. 8 Nicht mehr die Arbeitsvermittlung und die soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit durch die Arbeitslosenversicherung sollten die zentralen 4 Vgl. H. Ernst, 1967, S. 650; vgl. hierzu auch die Ausführungen des Abgeordneten Müller (Remscheid) zur ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Arbeitsförderungsgesetzes über die Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet, Müller, 1967, S. 7407f. s Sachverständigenrat, 1966, Ziff. 94. 6 H. Katzer, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1969, S. 327. 1 K. Zekom, 1969, S. 337. 8 Vgl. hierzu auch den Strukturbericht der Bundesregierung, 1969, S. 7 f., in dem die Arbeitsmarktpolitik nach dem AFG als Instrument der Strukturpolitik aufgeführt wird.
1. Konzeptioneller Hintergrund, Ziele und Instrumente des AFG
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Aufgaben der Arbeitsämter sein, sondern die vorausschauende Vermeidung der Arbeitslosigkeit mit Hilfe einer aktiven Strukturpolitik: "Hier steht im Vordergrund, daß es im Gegensatz zu der bisherigen Rechtsauffassung nicht mehr darum geht, etwa Arbeitslosigkeit zu versüßen oder zu verschönern, sondern es kommt darauf an, mit einem breiten Fächer berufsbildender Maßnahmen Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung gar nicht erst entstehen zu lassen." 9 Auch die Finanzen der Arbeitslosenversicherung sollten als Mittel der Konjunktur- und Strukturpolitik eingesetzt werden. Neben ihrer konjunkturpolitisch nahezu unumstrittenen Funktion als "built-in-stabilizer" 10 sollten sie dazu verwendet werden, "die Beschäftigungsstruktur in den regionalen und sektoralen Wirtschaftsbereichen zu verbessern." 11 Da vorausschauende Arbeitsmarktpolitik diesem Verständnis zufolge aktive Strukturpolitik sein sollte, schlug der Sachverständigenrat sogar vor, es sollte die damalige Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in ein "Bundesamt für Beschäftigung und Strukturpolitik" umgewandelt werden. 12 Dieses Bundesamt könne dann mit Hilfe mittelfristiger Strukturprojektionen die Maßnahmen zur Förderung der Mobilität so gestalten, daß sie die gesamtwirtschaftliche Produktivität wirksam erhöhten. Diese Arbeitsmarktpolitik sollte demnach die Konjunkturpolitik strukturpolitisch ergänzen: "Die Finanzpolitik, welche einen hohen Beschäftigungsstand in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht zu sichern hat, bedarf einer Ergänzung um speziellere und selektive Maßnahmen . ..". 13 Während die Konjunkturpolitik vermeiden soll, daß ausgeprägte konjunkturelle Arbeitslosigkeit entsteht, soll die Arbeitsmarktpolitik verhindern, daß der in einer wachsenden Wirtschaft notwendige Strukturwandel Arbeitslosigkeit hervorruft: "Der Arbeitsmarkt- und der Wirtschaftspolitik ist das Vollbeschäftigungsziel gemeinsam. Während jedoch die konjunkturpolitischen Maßnahmen der Wirtschaftspolitik meist auf eine Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage hinzielen, sind die Aktivitäten der Arbeitsmarktpolitik überwiegend angebotsorientiert und auf den einzelnen im Erwerbsleben stehenden Menschen bezogen." 14 9 Liehr, 1969, S. 12 909 A. Der Abgeordnete Jaschke formulierte wie folgt: "Was will nun dieses Gesetz an Neuem? Es will nicht, wie es vordem war, daß das Kind erst in den Brunnen fallen muß, damit man es wieder herausholt, sondern es will vielmehr das Kind vor dem Sturz bewahren. Mit anderen Worten: es will Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung nach Möglichkeit von vornherein ausschließen . ..". Jaschke, 1969, s. 12 905 A. 10 V gl. hierzu Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1974, S. 19. Zur vorausgegangenen Diskussion vgl. z. B. R. J. Willeke, 1951, E. Liefmann-Keil, 1961 sowie H. Lampert, 1962. 11 J. Siegers, 1969, S. 358. 12 Sachverständigenrat, 1966, Ziff. 95. 13 OECD, 1964, zitiert nach D. Mertens, 1970, S. 14. 14 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1974, S. 19.
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Kap. II: Die "vorausschauende Arbeitsrnarktpolitik"
Die Arbeitsmarktpolitik sollte ihre Instrumente dabei nicht nur begleitend, den Marktprozeß unterstützend einsetzen, sondern gestaltend "in Vorwegnahme des Wandels von Arbeitsplatzstrukturen" 15 in den Arbeitsmarkt eingreifen: "In einem dynamischen, ständig neue Bedingungen schaffenden Prozeß soll sie auf einem recht unvollkommenen Markt die Arbeitskräfte in jene Bereiche lenken, in denen sie am dringlichsten benötigt werden und gleichzeitig dazu beitragen, daß der Gesamtarbeitsmarkt wie die Teilarbeitsmärkte in einem auch gesellschaftspolitisch zufriedenstellenden Sinn ausgeglichen sind." 16 Die vorausschauende Arbeitsmarktpolitik bildete bei Verabschiedung des AFG somit einen Bestandteil der damals gültigen wirtschaftspolitischen Gesamtkonzeption.17 Sie sollte mit der keynesianischen Vollbeschäftigungspolitik verknüpft und in ein für eine wirksame Konjunkturregulierung als notwendig erachtetes ,,konzertiertes" Handeln aller am Wirtschaftsprozeß Beteiligten eingebunden werden. 18 Grundlage dieser wirtschaftspolitischen Konzeption war die Zuversicht, mit einer auf Konjunktur- und Strukturprognosen beruhenden, prophylaktisch ausgerichteten Politik das Wirtschaftsgeschehen weitgehend steuern zu können. 19 Die Entwicklung der arbeitsmarktpolitischen Konzeption "vom Reagieren zum Vorausplanen, vom Ausgleichen entstandenen Schadens zum Vorbeugen, vom liberalen Prinzip des Minimaleingriffs zur umfassenden sozial- und wirtschaftspolitischen Steuerung" 20 stellten einen Aspekt jener Tendenz dar, "an die Stelle von Krisenmanagement und interventionistischem Verwaltungshandeln eine vorausplanende Globalsteuerung zu setzen." 21 Eine wesentliche Voraussetzung für diese neue Politik stellte der Ausbau einer systematischen Arbeitsmarktbeobachtung und -forschung dar. Es galt, zu Erkenntnissen zu kommen, "die fundierte Schlüsse auf die Struktur des Arbeitsmarktes, seinen Wandel und seine künftige Gestaltung sowie die daraus abzuleitenden Maßnahmen ermöglichten". 22 Mit der Errichtung des Instituts für Arbeitsmarkt1s Ebenda, S. 21. 16 Bundesregierung, 1972, S. 25. 17 Zur Entstehungsgeschichte des AFG vorn Beschluß des Bundestages vorn
29. 6. 1966, die Bundesregierung solle einen Entwurf zur Novellierung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vorlegen, über den von der SPD eingebrachten Entwurf eines Arbeitsmarkt-Anpassungsgesetzes bis zur Verabschiedung des AFG vgl. J. Kühl, 1982, S. 252 ff. 18 Vgl. H. Katzer, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1969, S. 325 ff.; dies sei zugleich - so die Auffassung im Arbeitsministerium - Ausdruck eines gewandelten Bildes der Sozialpolitik, die nicht mehr nur Schutzpolitik, sondern vorausschauende und gestaltende Politik sein wollte. Vgl. F. Coester, 1967, S. 10. Zur Entwicklung der Sozialpolitik von der schichtspezifischen Schutzpolitik zur allgerneinen Gesellschaftspolitik vgl. H. Larnpert, 1980, insbes. S. 166 ff. 19 Vgl. hierzu Müller, 1969, S. 12 929 C: "Gerade die Entwicklungen der letzten Jahre ... zeigen deutlich, daß ohne eine vorausschauende Planung das Ziel einer kontinuierlichen Beschäftigung und die Sicherung der Arbeitsplätze nicht erreicht werden kann." 20 A. G. Brandenburg, 1975, S. 1. 21 Ebenda, S. 7.
1. Konzeptioneller Hintergrund, Ziele und Instrumente des AFG
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und Berufsforschung (lAB) durch die Bundesanstalt für Arbeit wurde hierfür eine institutionelle Grundlage geschaffen. Die Aufgaben des Instituts, das bereits 1967 die Forschungsarbeit aufnahm, wurden in § 6 des AFG festgeschrieben: Die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung des Instituts umfaßt praktisch alle Facetten des Arbeitsmarktgeschehens; sie hat aber im Hinblick auf die Aufgaben der Bundesanstalt zu erfolgen. Aufgrund der hohen wissenschaftlichen Kompetenz seiner Leitung und seiner Mitarbeiter, nicht zuletzt aber auch aufgrundder großzügigen Ausstattung 23 und seiner zumindest in Teilbereichen der Datenermittlung faktisch bestehenden Monopolstellung wurde das Institut sehr bald eine "für Fragen der Arbeitsmarktund Berufsforschung tonangebende wissenschaftliche Einrichtung." 24 Dies gilt in ganz besonderem Maße für seine mittel- bis langfristigen Arbeitsmarktprojektionen, mit denen das lAB seinen Auftrag, prognostische Aussagen als Grundlage für eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik zu liefern, zu erfüllen sucht.
1.2. Ziele Kernpunkt der mit Verabschiedung des Arbeitsförderungsgesetzes vorgenommenen Neuorientierung der Arbeitsmarktpolitik war also die Ablösung einer mehr absiehemden und abwartenden Arbeitsmarktpolitik durch eine Politik, die sich nicht nur an der augenblicklichen Marktlage orientiert, sondern die Vorsorge für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt- den erwarteten Strukturwandel quasi vorwegnehmend - in den Vordergrund stellt. Darüber hinaus wurde anstatt eines nur quantitativen Arbeitsmarktausgleichs auch ein qualitativer, die unterschiedlichen Entwicklungen auf den verschiedenen Teilarbeitsmärkten einschließender Ausgleich des Arbeitsmarktes angestrebt. Eine erste Umsetzung dieser Konzeption in arbeitsmarktpolitische Ziele wurde bereits mit der Formulierung des Arbeitsförderungsgesetzes vorgenommen: So wurde die allgemeine Zielsetzung, die Arbeitsmarktpolitik sei "darauf auszurichten, daß ein hoher Beschäftigungsstand erzielt und aufrechterhalten, die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert und damit das Wachstum der Wirtschaft gefördert wird" in § 1 dem Gesetz vorangestellt. Eine Auflistung der einzelnen arbeitsmarktpolitischen Ziele folgt in § 2 AFG. Demzufolge hat die Arbeitsmarktpolitik insbesondere dazu beizutragen, daß "weder Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung noch ein Mangel an Arbeitskräften eintreten oder fortdauern" (§ 2 Nr. 1 AFG). Die Vermeidung unterwertiger Beschäftigung wird im AFG erstmals als arbeitsmarktpolitisches 22 23 24
M. Baden, 1988, S. 14. Vgl. ebenda, S. 15. Ebenda, S. 15.
6 Lampert
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Kap. II: Die "vorausschauende Arbeitsmarktpolitik"
Ziel herausgestellt. Unterwertige Beschäftigung ist der Einsatz von Arbeitskräften auf Arbeitsplätzen, an denen sie ihre Leistungsfähigkeit nicht voll entfalten können. Darüber hinaus soll die Bundesanstalt für Arbeit mit ihren Maßnahmen darauf hinwirken, daß "die berufliche Beweglichkeit der Erwerbstätigen gesichert und verbessert wird" (§ 2 Nr. 2 AFG), und daß "nachteilige Folgen, die sich für die Erwerbstätigen aus der technischen Entwicklung oder aus wirtschaftlichen Strukturwandlungen ergeben können, vermieden, ausgeglichen oder beseitigt werden" (§ 2 Nr. 3 AFG). Da Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung keine über alle Arbeitnehmer gleich verteilte Risiken darstellen, soll die Bundesanstalt die berufliche Eingliederung jener Gruppen, deren Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erschwert ist, fördern. Hervorgehoben werden körperlich, geistig oder seelisch Behinderte (§ 2 Nr. 4 AFG), Frauen, die sich aufgrund spezifischer häuslicher und familiärer Verpflichtungen in ihrem ArbeitsangebotsverbalteD von dem der Männerunterscheiden (§ 2 Nr. 5 AFG), sowie die älteren Erwerbstätigen (§ 2 Nr. 6 AFG). Diese Problemgruppenorientierung der Arbeitsmarktpolitik stellt zwar kein die Konzeption der vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik konstituierendes Merkmal dar; sie muß jedoch als zusätzliche Bedingung bei der Verfolgung der anderen Ziele beachtet werden. In einem weiteren Punkt wird noch einmal die Verbesserung der sektoralen und regionalen Beschäftigungsstruktur als Ziel der Arbeitsmarktpolitik hervorgehoben (§ 2 Nr. 7 AFG). 25 Auch wenn der Gesetzgeber mit dieser Auflistung der Ziele im Arbeitsförderungsgesetz zu einer ersten Konkretisierung der arbeitsmarktpolitischen Konzeption beigetragen hat, so handelt es sich bei diesen Zielen immer noch um vage gehaltene Formulierungen, die für die praktische Politik einer weiteren Operationalisierung bedürfen. 26 Den Versuch einer solchen Operationalisierung unternahm die Bundesanstalt für Arbeit in ihren "Überlegungen zu einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik".27 So wurde in Anlehnung an die Vorstellungen der Bundesregierung vorgeschlagen, von einem hohen Beschäftigungsstand - also von Vollbeschäftigung - solle bei einer Arbeitslosenquote in Höhe von 0,7 bis 1,2% gesprochen werden. 28 2s Als § 2 Nr. 8 AFG kam später noch die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung hinzu. 26 G. Kleinhenz, 1975, spricht im Zusammenhang mit den qualitativen Zielen der Arbeitsmarktpolitik von ,,noch relativ beliebig interpretierbaren Ziel-Leerformeln"
(S. 32).
21 Vgl. Bundesanstalt für Arbeit, 1974 a, S. 9 ff. 28 Diese Definition ist keineswegs unumstritten. Als Beispiel einer anderen Auffassung vgl. z. B. U. Schüle, 1987, S. 136.
1. Konzeptioneller Hintergrund, Ziele und Instrumente des AFG
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Die Interpretation der qualitativen Ziele bereitete große Schwierigkeiten. So wurde z. B. zur Umschreibung unterwertiger Beschäftigung eine Vielzahl von "Kriterien" zur Diskussion gestellt, zugleich aber auf die fehlende Operationalisierbarkeit des Ziels hingewiesen: "Obwohl der Abbau unterwertiger Beschäftigung künftig zunehmend als gleichrangige Aufgabe neben die Sicherung der Arbeitsplätze und die Aktivierung zusätzlicher Arbeitskräfte treten wird, ist eine Auswahl aus den genannten Kriterien gegenwärtig nicht möglich. Es gibt kaum Möglichkeiten, die Bedingungen und Auswirkungen unterwertiger Beschäftigung festzustellen und zu prognostizieren." 29 Ähnliche Schwierigkeiten bereitete auch die Operationalisierung des Ziels "Verbesserung der Beschäftigungsstruktur". Nach einer Auflistung von vielen denkbaren Indikatoren wurde konstatiert: "Die Verbesserung der Beschäftigungsstruktur im Sinne des AFG ... kann gegenwärtig noch nicht in eine qualitative Zielprojektion der Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzstrukturen eingebaut werden."30 Weitergehende Bemühungen, zu quantifizierten Zieldefinitionen zu kommen, wurden angesichts einer völlig veränderten Arbeitsmarktsituation aufgegeben. 1978 wurde statt dessen hervorgehoben, daß das Ziel, zur Vollbeschäftigung zurückzukehren, für die Bundesanstalt Vorrang vor den anderen Zielen hat. 31
1.3. Prophylaktisch ausgerichtete Instrumente Neben der Arbeitsvermittlung und den kompensierenden Leistungen bei Arbeitslosigkeit, also den traditionellen Funktionen der Arbeitslosenversicherung, steht der Arbeitsverwaltung eine Reihe von eher prophylaktisch ausgerichteten Instrumenten zur Verfügung. Mit der Berufsberatung sollen die Arbeitsämter Hilfestellungen für die Berufswahl geben. Hierzu gehört zum einen die Frage nach der beruflichen Eignung, zum anderen aber auch die Frage nach den berufsspezifischen Beschäftigungschancen und -risiken. Daher hat der Gesetzgeber die Arbeitsverwaltung verpflichtet, bei ihrer Beratung "die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Berufe angemessen zu berücksichtigen" (§ 25 Abs. 1 Satz 2 AFG). Eine der vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik verpflichtete Berufsberatung soll daher vor der Berufswahl stehende Jugendliche, aber auch erwachsene Berufswechsler vor Fehleinschätzungen der Arbeitsmarktverhältnisse bewahren und letztendlich bewirken, daß Arbeitskräfte sich Berufen mit hohen Beschäftigungschancen zuwenden.32 29 Bundesanstalt für Arbeit, 1974 a, S. 19. 30 Bundesanstalt für Arbeit, 1974 a, S. 20. 31 Vgl. Bundesanstalt für Arbeit, 1978, S. 46 ff. 32 Auch die Arbeitsvermittlung trägt dazu bei, Fehlallokationen der Arbeitskräfte und
somit Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel zu vermeiden. 6*
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Kap. II: Die "vorausschauende Arbeitsmarktpolitik"
Den eigentlichen Kern des prophylaktisch ausgerichteten Instrumentariums bildet die Förderung der beruflichen Bildung. Gerade jene Überlegungen, die zur Neuformulierung der arbeitsmarktpolitischen Konzeption führten, finden hier ihren Niederschlag: Da "das gesamte Arbeitspotential im Zuge der technischen und sozialen Entwicklung einer steten Höherqualifizierung bedarf' 33 und die in einer formal abgeschlossenen Berufsausbildung erworbenen Qualifikationen nicht für das gesamte Erwerbsleben ausreichen, soll die Bundesanstalt für Arbeit die berufliche Ausbildung (§ 40 AFG), die berufliche Fortbildung (§ 41 bis 46 AFG) und die berufliche Umschulung(§§ 47 und 48 AFG) fördern. Die bei Bedarf mögliche Förderung der Berufsausbildung wurde als Ergänzung der mit demBaföGgroßzügig ausgeweiteten Unterstützung der Hochschulausbildung betrachtet. Der Gesetzgeber wollte damit jugendlichen Haupt- und Realschulabgängern auch bei fehlender finanzieller Unterstützung seitens des Elternhauses eine Berufsausbildung ermöglichen. Dies war angesichts der damaligen Qualifikationsstruktur der Erwerbstätigen- zwei von fünf Arbeitnehmern hatten keine Berufsausbildung - ein nicht nur sozialpolitisch sinnvolles, sondern auch arbeitsmarktpolitisch notwendiges Unterfangen. Mit der Förderung der beruflichen Fortbildung wurde der Arbeitsverwaltung ein Instrument an die Hand gegeben, mit dem sie Arbeitnehmer, die bereits im Berufsleben stehen und sich beruflich weiterbilden wollen, unterstützen kann. Es ist zu vermuten, daß der Gesetzgeber auch bei diesem Instrument die große Zahl Unqualifizierter vor Augen hatte. 34 Die Förderung der beruflichen Umschulung richtet sich an Arbeitnehmer, denen auch die Vermittlung neuer Kenntnisse im bereits ausgeübten Beruf nicht mehr weiterhelfen kann, weil sich die Beschäftigungschancen in ihrem Beruf aufgrundvon Verschiebungen in der Arbeitsmarktstruktur wesentlich verschlechtern. Ihnen soll ermöglicht werden, aus schrumpfenden Industriezweigen und aussterbenden Berufen unter Erlernung eines neuen Berufs in expandierende Branchen und Berufe zu wechseln. Ergänzt wird die Förderung der beruflichen Mobilität durch die Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsaufnahme, die sich aus den Leistungen zur Förderung der regionalen Mobilität(§ 53 AFG), der Eingliederungsbeihilfe (§ 54 AFG) und der finanziellen Unterstützung der Errichtung von Arbeitnehmer- und Jugendwohnheimen (§55 AFG) zusammensetzt. Die Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme können gewährt werden, "wenn und soweit eine Förderung zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt erforderlich erscheint, um Arbeitslosigkeit zu beseitigen, unmittelbar drohende ArbeitslosigD. Mertens, J. Kühl, 1977, S. 286. Der Anteil der Unqualifizierten an allen Arbeitslosen liegt seit über 10 Jahren bei ungefahr 60 %. Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft, Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, 1990, Tab. 18. 33
34
1. Konzeptioneller Hintergrund, Ziele und Instrumente des AFG
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keit abzuwenden und offene Arbeitsplätze zu besetzen". 35 Die Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsaufnahme dienen damit in erster Linie dem Ausgleich bereits bestehender bzw. unmittelbar bevorstehender Diskrepanzen zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage. Die anderen im AFG verankerten Instrumente sind entweder überwiegend sozialpolitisch motiviert - wie die Förderung der beruflichen Rehabilitation - , dienen der Bekämpfung bestehender Arbeitslosigkeit - wie die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen- oder sind zur Verstetigung der Beschäftigungsverhältnisse und der Kompensation kurzfristiger Verdienstausfälle-wie die Winterbauförderung und das Kurzarbeitergeld - gedacht. Diese Instrumente widersprechen zwar nicht der Konzeption einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik, sie prägen diese aber auch nicht. Dies gilt auch für die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Zahlung von Kurzarbeitergeld und die Förderung des Winterbaus. Mit diesen Instrumenten wird zwar ein Beitrag zur Verhütung der Arbeitslosigkeit geleistet. Es handelt sich hierbei jedoch nur um die Vermeidung unregelmäßig oder regelmäßig auftretender kurzfristiger Arbeitslosigkeit und keineswegs um die Vermeidung strukturell bedingter Arbeitsmarktstörungen, von denen eine Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Wachstums erwartet wird. Prophylaktisch ausgerichtete Instrumente des AFG sind somit insbesondere die Berufsberatung und die Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung.
1.4. Vorausschauende Arbeitsmarktpolitik - eine Utopie? Wie in Abschnitt 1 gezeigt, ist die dem AFG zugrundeliegende Konzeption zur Zeit der Verabschiedung des Gesetzes Ausfluß der damals vorherrschenden keynesianisch geprägten konjunkturpolitischen Stabilisierungsphilosophie, der zufolge der Staat die Verantwortung für Konjunktur und Vollbeschäftigung übernommen hatte. Da man davon ausging, daß die Wirtschaftspolitik, insbesondere die Fiskal- und die Geldpolitik, konjunkturelle Arbeitslosigkeit weitgehend zu verhindem vermögen, wurden der Arbeitsmarktpolitik vor allem strukturpolitische Aufgaben übertragen, nämlich die Verhütung und Beseitigung struktureller Arbeitslosigkeit und die Vermeidung unterwertiger Beschäftigung sowie die Förderung des Wachstumsprozesses durch Verhütung von ArbeitskräftemangeL Daher besteht das Instrumentarium des AFG fast ausnahmslos aus Mitteln zur Beeinflussung des Arbeitsangebotes. Als Hauptaufgabe wurde es angesehen, Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung vorausschauend zu bekämpfen. 35 § 3 Abs. 1 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Förderung der Arbeitsaufnahme (FdA-Anordnung) vom 28. Januar 1986 (Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit, S. 566).
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Kap. II: Die "vorausschauende Arbeitsmarktpolitik"
Arbeitsberatung, Berufsberatung und Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung und Weiterbildung spielen als prophylaktisch ausgelegte Instrumente eine besondere Rolle. Diese Instrumente sollten die Mobilität der Arbeitskräfte erhöhen und diese- gestützt auf mittel- bis langfristige Arbeitskräftebedarfsund Berufsprognosen - in die zukunftsträchtigen Branchen und Regionen lenken. Als wesentliches Instrument ist dabei die Förderung der beruflichen Weiterbildung anzusehen. Diese Aufgabenstellung, mit Hilfe von (Humankapital-)Investitionen lenkenden Eingriffen die strukturelle Entwicklung des Arbeitsmarktes zu bestimmen, macht deutlich, daß die Arbeitsmarktpolitik des AFG in ihrem Kern vorausschauende Strukturpolitik ist. Nicht nur im Lichte der Erfahrungen der letzten 15 Jahre, sondern grundsätzlich stellt sich die Frage, ob diese arbeitsmarktpolitische Konzeption in ihrer Struktur- und Prognoseorientierung eine Utopie ist und bleiben muß, weil die Informations- und Prognoseanforderungen nicht erfüllbar sind, die eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik als Grundlage braucht. Diese Frage soll im folgenden erörtert werden.
2. Die Informationsbedarfe vorausschauender Arbeitsmarktpolitik und die Möglichkeiten ihrer Deckung 2.1. Die Notwendigkeit detaillierter Arbeitsmarktprognosen Eine wesentliche Voraussetzung für den Einsatz des arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums im Sinne des Konzepts der vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik ist die Verfügbarkeil adäquater Informationen über das Arbeitsmarktgeschehen. Da eine problemadäquate Informationsbasis die Träger der Arbeitsmarktpolitik in die Lage versetzen muß, die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen zielgerecht einsetzen zu können, hängen der für eine rationale Arbeitsmarktpolitik .erforderliche Umfang und die dazu notwendige Qualität der Informationen von den Zielen und Instrumenten des AFG ab. Die Ableitung der aus der Sicht der vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik an eine Informationsbasis zu stellenden Anforderungen erfolgt daher im wesentlichen anband der den vorausschauenden Charakter der Arbeitsmarktpolitik widerspiegelnden Ziele und Instrumente des AFG.36 Das arbeitsmarktpolitische Ziel der vorausschauenden Vermeidung von Arbeitslosigkeit, Arbeitskräftemangel und unterwertiger Beschäftigung bedingt, daß die Träger der Arbeitsmarktpolitik drohende Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt bereits zu erkennen vermögen, bevor diese sich einstellen. Das ist nur möglich, wenn die zukünftigen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt vorausge36 Vgl. hierzu H. Lampert, U. Schüle, 1985, S. 10 ff.
2. Die Informationsbedarfe vorausschauender Arbeitsmarktpolitik
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schätzt werden können. Arbeitsmarktprognosen bilden daher eine notwendige Informationsgrundlage für die vorausschauende Arbeitsmarktpolitik Deshalb forderte auch der damalige Bundesarbeitsminister bei der parlamentarischen Beratung des AFG die Bundesanstalt für Arbeit auf, sie solle "die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ausbauen, um zu längerfristigen Aussagen zu kommen." 37 Im Falle der Berufsberatung führt die Aufgabe, berufliche Lösungen zu fördern, "die fachliche Anpassungen ermöglichen und insgesamt für die Zukunft ausgeglichene Arbeitsmarktverhältnisse versprechen," 38 dazu, daß die Beratungsfachkräfte bei ihrer Tätigkeit "den Nachwuchsbedarf der Berufe zugrunde legen"39 müssen. Dies erfordert, daß der zukünftige Bedarf an Arbeitskräften in einem bestimmten Beruf bekannt ist, den Arbeits- und Berufsberatern also nach Berufen oder zumindest Berufsgruppen gegliederte Bedarfsprognosen vorliegen. 40 Ebenso erfordert das Ziel, die Bundesanstalt solle mit Hilfe beruflicher Bildungsmaßnahmen einerseits die Arbeitslosigkeit und andererseits das Auftreten eines Fachkräftemangels vermeiden, Prognosen der zukünftigen Arbeitsmarktentwicklung. Im einzelnen müssen die über den Einsatz der Maßnahmen entscheidenden Berater wissen, -
in welchen Bereichen der Berufswelt in Zukunft Arbeitslosigkeit und in welchen ein Arbeitskräftemangel auftreten wird;
-
in welchem Ausmaß diese Ungleichgewichte Arbeitskräftebewegungen auslösen und inwieweit diese Mobilität der Arbeitnehmer zu einer Verringerung der Arbeitslosigkeit bzw. des Arbeitskräftemangels führt;
-
wie viele Arbeitnehmer umgeschult oder in einer Fortbildungsmaßnahme gefördert werden müssen, um die prognostizierte Arbeitslosigkeit bzw. den prognostizierten Mangel an Arbeitskräften zu vermeiden;
-
ob, in welchem Ausmaß und mit welchem Erfolg prognostizierte globale Ungleichgewichte zu tarifpolitischen Korrekturen durch die Sozialpartner und zu wachstums- und konjunkturpolitischen Maßnahmen seitens des Staates führen, und welcher Handlungsbedarf der Arbeitsverwaltung zum Ausgleich zwischen Teilarbeitsmärkten dann noch besteht.
Eine der arbeitsmarktpolitischen Konzeption des AFG entsprechende Förderung beruflicher Bildung setzt nicht nur die Verfügbarkeit von Prognosen voraus, die beruflich sehr tief gegliedert sind, sondern erfordert darüber hinaus Prognosen über die Entwicklung der Berufsinhalte; denn ohne Wissen über deren zukünftige Veränderungen sind keine Aussagen über die Verwertbarkeit der in der Ausbildung erworbenen beruflichen Qualiftkationen möglich. 37 H. Katzer, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1967, S. 7 403 C. 38 Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, 1969, S. 92. 39 Ebenda, S. 92. 40 Vgl. hierzu auch A. Chabemy, K. Parmentier, P. Schnur, 1982, S. 75 ff.
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Kap. ll: Die "vorausschauende Arbeitsmarktpolitik"
Zusätzliche Informationsbedarfe entstehen, wenn die Bundesanstalt nicht nur Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel, sondern gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag auch unterwertige Beschäftigung vermeiden will. Denn die Gefahr einer in der Zukunft drohenden unterwertigen Beschäftigung kann im allgemeinen nur dann erkannt werden, wenn Arbeitsmarktprognosen über die übliche Unterteilung in Sektoren und Berufe hinaus Indikatoren enthalten, die zur Identifizierung und Messung einer unterwertigen Beschäftigung geeignet sind. 41 Damit werden Arbeitsmarktprognosen notwendig, die einerseits die Arbeitskräfte nach "Qualifikationsniveaus" gegliedert ausweisen und in denen andererseits die Arbeitsplätze diesen Qualifikationsniveaus zugeordnet werden können. Diese Indikatoren müßten dabei schulische und berufliche Ausbildungsabschlüsse ebenso erfassen wie solche beruflichen Fähigkeiten, die Arbeitnehmer ohne formale Ausbildungsgänge erwerben. 42 Die notwendige Reichweite der Arbeitsmarktprognosen wird von der Dauer der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und - im Falle von Bildungsmaßnahmen-jenerDauer einer Anschlußbeschäftigung determiniert, die zur Amortisation der Maßnahmen nötig ist. Von der Amortisationsdauer der Bildungsmaßnahmen zu sprechen rechtfertigt die Tatsache, daß diese Investitionen in das Humankapital der Volkswirtschaft darstellen. Humankapitalinvestitionen sind aber wie alle Investitionen nur dann sinnvoll, wenn den durch sie entstandenen Kosten in den Folgeperioden Erträge gegenüberstehen. Bildungsmaßnahmen der Bundesanstalt können daher - rein ökonomisch gesehen - nur dann als sinnvoll bezeichnet werden, wenn die in der Maßnahme vermittelten Fähigkeiten und Kenntnisse nach Abschluß der Schulung für den Geförderten in der Berufswelt verwertbar sind. Daher müssen Arbeitsmarktprognosen über den Zeitpunkt des Wiedereintritts in eine Beschäftigung hinausreichen. Geht man im Falle einer beruflichen Umschulung von einer zweijährigen Ausbildungszeit aus, 43 berücksichtigt man für die Implementation eines Kurses und für eine anschließende Suchzeit jeweils 6 Monate und rechnet mit einer Amortisationszeit von z. B. drei Jahren, 44 dann müßten als Entscheidungsgrundlage geeignete Arbeitsmarktprognosen mindestens 6 Jahre umfassen. 41 Die Gefahr von in Zukunft drohender unterwertiger Beschäftigung ist in einzelnen Fällen auch ohne Prognosen zu erkennen- so z. B., wenn Ausbildungsgänge gewählt werden, die in Berufe münden, für die es ganz offensichtlich keinen Bedarf gibt. Als Beispiel sei der Arbeitsmarkt für Soziologen und Politologen genannt. Für solche Arbeitnehmergruppen ist unterwertige Beschäftigung (z. B. als Taxifahrer) häufig die einzige Alternative zur Arbeitslosigkeit. Zu diesem Zielkonflikt zwischen dem Ziel "Vermeidung von Arbeitslosigkeit" und "Vermeidung unterwertiger Beschäftigung" siehe Ill. 1. 42 Die bisher aufgetretenen Schwierigkeiten, solche Indikatoren überhaupt zu entwikkeln, wurden bereits in Abschnitt 1.2. angesprochen. 43 Nach §57 Abs. 3 AFG soll die Teilnahme an einer Umschulungsmaßnahme "in der Regel nur gefördert werden, wenn diese nicht länger als zwei Jahre dauert". 44 Das Beispiel einer dreijährigen Amortisationsdauer erfolgt in Anlehnung an § 46 Abs. 3 AFG. Dort ist festgelegt, daß Teilnehmer an Fortbildungs- und Umschulungsmaß-
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Arbeitsmarktprognosen, die sich nicht nur auf eng begrenzte Teilbereiche beziehen, müssen auf der Analyse der Determinanten der Arbeitsmarktentwicklung beruhen. Es ist notwendig zu wissen, warum sich Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage verändern, d. h. von welchen Bestimmungsgrößen sie abhängen, wie diese sich verändern und wie diese Veränderungen auf Angebot und Nachfrage einwirken. Ebenso müssen die Veränderungen der Determinanten ihrerseits auf ihre Bestimmungsgrößen zurückgeführt werden können. Notwendig sind also Arbeitsmarktmodelle, die die Realität zutreffend abbilden.
2.2. Zur Erfüllbarkeit der Prognoseanforderungen Voraussetzung für die Erstellung theoretisch fundierter Arbeitsmarktprognosen ist also die Existenz eines Determinantenmodells, das erlaubt, die zu prognostizierenden Variablen eindeutig auf ihre Bestimmungsgrößen zurückzuführen. Bereits die Erfüllung dieser grundlegenden Anforderung stößt auf bisher nicht gelöste Schwierigkeiten: Es ist noch nicht gelungen, alle Determinanten der Arbeitsmarktaggregate in einem Modell so abzubilden, daß das gesamte Netz der kausalen Beziehungen zwischen den Determinanten zu erkennen, eine eindeutige, kausale Rückführung der zu erklärenden Variablen auf ihre Bestimmungsgrößen möglich und eine zuverlässige Prognose durchzuführen ist. Die starke Interdependenz zwingt vielmehr zu vereinfachenden Reduzierungen des Determinantenmodells. An die Stelle der Determinantenanalyse tritt häufig die Fortschreibung in der Vergangenheit beobachteter statistischer Relationen unter der Annahme, diese Beziehungen würden auch in der Zukunft bestehen. Die Analyse ökonomischer Wirkungszusammenhänge wird somit durch die Setzung von Plausibilitätsannahmen substituiert. Die Variation nur einer solchen Annahme eines dem Prognostiker plausibel erscheinenden Rahmens verändert jedoch die Prognoseergebnisse. Die Eintrittswahrscheinlichkeit der Prognose hängt damit entscheidend von der Realitätsnähe der gesetzten Grundannahmen ab. 45 Da jede einzelne a-priori-Annahme des Prognosemodells zutreffend gesetzt werden muß, damit die Prognose mit der Realität übereinstimmt, steigt das Risiko einer Fehlprognose mit jeder zusätzlich als Rahmenbedingung in das Prognosemodell aufgenommenen Plausibilitätsannahme. Die Zahl der notwendigen Annahmen steigt ihrerseits mit dem Disaggregationsgrad der Prognose. Denn für alle Beziehungen zwischen den verschiedenen zu prognostizierenden Teilaggregaten müssen Annahmen getroffen werden. Dies bedeutet, daß die Zuverlässigkeit von Prognosen, d. h. die Eintrittswahrscheinlichkeit der prognostizierten Daten, mit dem Disaggregationsgrad der Prognose abnimmt. nahmen unter bestimmten Bedingungen nur dann gefördert werden, wenn sie sich verpflichten, "im Anschluß an die Maßnahme mindestens drei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung auszuüben.". 45 Vgl. hierzu auch P. Urban, 1973 sowie J. Wild, 1970, S. 553 ff.
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Ebenso nimmt die Zuverlässigkeit der Arbeitsmarktprognose mit zunehmender Länge des Prognosezeitraums ab, da die Wahrscheinlichkeit, daß in der Prognose nicht berücksichtigte exogene Einflußfaktoren auf die Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes einwirken, mit der Dauer des Prognosezeitraums zunimmt. Dies führt zu einem ,,Prognosetrilemma" 46: Eine Prognose mit gleichzeitig großer Detaillierung, langem Prognosezeitraum und hoher Zuverlässigkeit ist unmöglich. Mittel- bis längerfristige Strukturprognosen müssen auf eine hohe Trefferwahrscheinlichkeit verzichten: "'Zuverlässige' Informationen über die zukünftigen Beschäftigungsaussichten, wie sie häufig von der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gefordert werden, können aus Prognosen kaum abgeleitet werden. Ihre Zuverlässigkeit nimmt sowohl mit der Länge des Prognosezeitraums als auch mit dem Disaggregationsgrad der Prognose ab. " 47 Hinzu kommt, daß die Veröffentlichung von Prognoseergebnissen zu Anpassungsreaktionen der Betroffenen führen kann, die die a-priori-Annahmen der Prognose ad absurdum führen. Eine vorweggenommene Berücksichtigung dieser Anpassungsreaktionen bei der Prognoseerstellung würde jedoch zu einem anderen Prognoseergebnis und daher auch zu anderen als den antizipierten Anpassungsreaktionen führen. "Die Prognosen haben daher eine Tendenz, sich selbst durch ihre Wirkungen aufzuheben." 48 Es kann daher nicht verwundern, daß die in der Bundesrepublik in der Vergangenheit veröffentlichten Arbeitsmarktprognosen zum Teil hohe Abweichungen gegenüber der realen Entwicklung aufweisen. Dies gilt nicht nur für die in einzelnen Prognosen angegebenen sektoralen und beruflichen Feinstrukturen. Selbst globale Aussagen über den zu erwartenden Arbeitskräftebedarf wurden innerhalb recht kurzer Zeit von der Realität widerlegt. 49 So ging die Bundesanstalt für Arbeit noch in ihren im Jahr 1973 abgeschlossenen und 1974 veröffentlichten Überlegungen zu einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik davon aus, daß der gesamtwirtschaftliche Arbeitskräftebedarf von 1972 bis 1990 erheblich ansteige 50• Der gesamtwirtschaftliche Zusatzbedarf an Arbeitskräften werde stärker zunehmen als das Arbeitsangebot, die "inländische Potentiallücke" werde sich noch vergrößern. Mit welch immensem ArbeitsplatzüberschuB für die 70er und 80er Jahre gerechnet wurde, zeigt nebenstehende Abbildung. Diese Lücke müsse man auch in der zweiten Hälfte der 70er und in der ersten Hälfte der 80er Jahre mit der Bemühung zu schließen versuchen, Vgl. auch D. Mertens, 1982, S. 143 ff., insbes. S. 163 ff. M. Tessaring, 1980, S. 396. 48 Ebenda, S. 396. 49 Die bisher einzige systematische Evaluierung von Arbeitsmarktprognosen wurde im Jahr 1980 vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (lAB) der Bundesanstalt für Arbeit als Schwerpunktheft der Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Heft 3, S. 319-468) vorgelegt. so Vgl. Bundesanstalt für Arbeit, 1974 a, S. 30 ff. 46 47
2. Die Informationsbedarfe vorausschauender Arbeitsmarktpolitik
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zusätzlich Frauen, ältere und ausländische Erwerbspersonen für den deutschen Arbeitsmarkt zu aktivieren. 51 29
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Strategie I: KonatW~z: der 1973 erreichten Au.lindenah I von 2, SSMio erfordert bla 1990 zla&tzlich 12 M io E~ Strategie II: Langfrietiger Analleg aA 3Mio Auellnder erfordert zudtzlich o, 7Mio Erwem.peraonen bla 1990. Quelle: lnetit~o~t für Al'beltamerkt- l.nd Berufaforechung nach Übereicht 3 llld 4.
Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, Überlegungen zu einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik, Nürnberg, 1974, s. 32.
Abb. 2. Entwicklung von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage 1960 bis 1990. Erwartungen der Bundesanstalt für Arbeit Mitte 1973
Auch andere Prognosen, die vor 1975 veröffentlicht wurden, sahen die Trendumkehr auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht voraus: "Die weltweite Rezession 1974/75 bewirkte, daß Wirtschaftswachstum und Arbeitskräftebedarf, wie sie von den meisten Instituten vorgegeben oder projiziert wurden, nachträglich gesehen als zu hoch eingestuft werden müssen. Dies gilt insbesondere für die besonders konjunkturreagiblen Bereiche Verarbeitendes Gewerbe, Baugewerbe und Handel . . . Daß Arbeitslosigkeit das zentrale Problem werden könnte, wurde von keiner der frühen Projektionen für die 70er Jahre vorausgesagt." 52 51 Vgl. ebenda, S. 31 f.: Da die damalige Zielvorstellung der Bundesregierung zur Konsolidierung der Ausländerbeschäftigung die ungefahre Konstanz von 2,5 Mio. ausländischen Erwerbspersonen voraussetzte, ging die Bundesanstalt davon aus, es "wären inländische Reserven in Höhe von 1,2 Mio. zusätzlich zu aktivieren, um den bis 1990 vorausgeschätzten Arbeitskräftebedarf zu decken ...". 52 G. Kühlewind, 1980, S. 322.
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Hohe Abweichungen zwischen prognostizierter und tatsächlicher Entwicklung wiesen in der Vergangenheit auch die beruflichen Feinstrukturen auf. Zwar wurden die meisten Grundstrukturen in ihrer Richtung- nicht aber das Niveau -einigermaßen zutreffend prognostiziert. ,,Es verstärkt sich jedoch die Vermutung, daß angesichts der sehr unterschiedlichen Prämissen und Ergebnisse verschiedener Prognosen eine Übereinstimmung mit der späteren Realität oft nur zufällig zustandekommt" 53 Dies kann auch nicht verwundern, führt doch in den Projektionsmodellen eine nur um 0,1 Prozentpunkte höhere Wachsturnsrate der gesamtwirtschaftlichen Produktion oder eine um 0,1 Prozentpunkte niedrigere Zuwachsrate der Arbeitsproduktivität jährlich zu einem Mehrbedarf von etwa 25 000 Erwerbstätigen. Bei einem Prognosezeitraum von 10 Jahren kumuliert sich die Fehleinschätzung des Arbeitskräftebedarfs auf ungefähr 250 000 Erwerbstätige. Ein Prognosefehler in Höhe von einer Million Arbeitsplätzen wird also bereits dann erreicht, wenn -unter ceteris-paribus-Bedingungen- die Schätzung des jährlichen Sozialproduktwachsturns um 0,4 Prozentpunkte von der Realität abweicht. 54 Nach einer sehr euphorischen Prognosetätigkeit in den 60er und frühen 70er Jahren, die nicht zuletzt auf einer ,,kritiklosen Gläubigkeit an die Prognostik als Patentrezept für alle möglichen Entscheidungslagen" 55 beruhte, zeigte die Diskrepanz zwischen prognostizierter und tatsächlicher Entwicklung, daß nahezu alle Prognoseinstrumente an ihren Grenzen angelangt sind. 56 "Bei allen Verbesserungen, die sich in analytischer Hinsicht und auch in den Projektionsmethoden noch erreichen lassen mögen, werden mittelfristige Vorausschätzungen immer mit Unsicherheiten behaftet bleiben ... Man wird daher mittelfristige Vorausschätzungen des Arbeitskräftebedarfs ebenso wie des Arbeitskräfteangebots stets in entsprechenden Fehlergrenzen sehen rnüssen." 57 Die Arbeitsmarktforschung kann aufgrund der "erwiesenen immanenten Mängel der Prognostik ... lediglich Strukturtrends der Vergangenheit wiedergeben 53 M. Tessaring, 1980, S. 396; auch die vom lAB 1985 und 1986 veröffentlichten Projektionen der Arbeitslandschaft im Jahr 2000 (Beiträge aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 94 und 95), die von der Prognos AG in Zusammenarbeit mit dem lAB entstanden, unterliegen den hier beschriebenen Unsicherheiten. Vgl. hierzu auch W. Klauder, 1987, S. 11 ff. 54 Vgl. hierzu H. J. Barth, 1988, S. 22. 55 D. Mertens, 1980, S. 319. 56 Als Beispiel für auch damals sehr kritische Stimmen siehe R. Weber, 1967: "Welche Grenzen der Bundesanstalt im Hinblick auf die Möglichkeiten, durch vorausschauende Maßnahmen die Arbeitsmarktsituation mittel- oder gar langfristig zu gestalten, gesetzt sind, sollte uns gerade in diesen Monaten bewußt geworden sein ... Man kann nur über den Mut gewisser Forschungsinstitute staunen, die uns auch jetzt noch eine anhaltende Überbeschäftigung bis zum Jahre 1980 oder gar bis 2000 prophezeien, wobei man sich über die Grenzen wissenschaftlicher Analysen, auf deren Grundlagen man Prognosen erstellen kann, und phantasievoller Prophetie offenbar nicht ganz im klaren ist" (S. 74). 57 H. J. Barth, 1988, S. 22.
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und fortschreiben ..." 58• So erscheinen höchstens Voraussagen über die Grobstrukturen des Arbeitsmarktes, wie zum Beispiel über einen vermutlich weiter anhaltenden Trend zur Dienstleistungsgesellschaft, und Aussagen über die mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwartende Entwicklung einzelner exponierter Teilbereiche der Berufswelt denkbar. Zuverlässige Arbeitsmarktprognosen, die in beruflicher Feingliederung den überwiegenden Teil aller Arbeitsmärkte abdecken, sind jedoch nicht machbar. 59 Das Hauptproblem einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik besteht somit darin, daß Prognosen in der notwendigen Gliederung und Reichweite eine nur minimale Eintreffenswahrscheinlichkeit aufweisen, die für ihre Verwendung als Informationsgrundlage der Arbeitsmarktpolitik nicht ausreicht. Zu diesem Ergebnis kam auch B. Molitor in einer "Bilanz der Strukturberichterstattung aus der Sicht des Bundesministeriums für Wirtschaft" 60, in der er schrieb: "10 Jahre Strukturberichterstattung haben die Haltung des Auftraggebers in der Frage der Einbeziehung von Prognosen in die Forschungsaufträge nicht zu ändern vermocht. Obwohl wir durch die empirischen Strukturanalysen ein sehr viel klareres Bild vom wirtschaftlichen Strukturwandel gewonnen haben, lassen sich in den bisherigen Analysen keine theoretischen Ansatzpunkte für tragfähige Branchenprognosen erkennen. Der Auftraggeber hat zwar den Instituten freigestellt, in eigener Verantwortung längerfristige sektorale Prognosen zu erarbeiten. Die Institute waren aber bis heute kaum bereit, diese ihnen eingeräumte Möglichkeit zu nutzen und die damit verbundene wissenschaftliche Verantwortung zu tragen." 2.3. Informationspolitische Alternativen Da tief disaggregierte Berufsprognosen nicht in der erforderlichen Zuverlässigkeit erstellt werden können, stellt sich die Frage, ob eine suboptimale Kombination der Prognosedimensionen Aggregationsniveau, Reichweite und Zuverlässigkeit oder gar Prognosesubstitute eine für die Arbeitsmarktpolitik ausreichende Informationsbasis darstellen können.
D. Mertens, 1974, S. 38. Vgl. hierzu auch D. Mertens, 1969, S. 13: "Bei dynamischer Wirtschaftsentwicklung und in einer Volkswirtschaft ohne totale Arbeitskräfteplanung sind vollständig zuverlässige Prognosen des Bedarfs an Arbeitskräften nach einzelnen Berufen für längere Fristen wohl kaum jemals möglich."Vgl. auch M. Neumann, Bilanz der Strukturberichterstattung aus der Sicht der Wirtschaftswissenschaft, in: List-Forum, 1987/88, S. 303 ff., insbes. S. 310: "Wegen der Unmöglichkeit konkreter Branchenprognosen lassen sich weder sog. Zukunftsbranchen noch zukünftig schrumpfende Branchen identifizieren". 60 Vgl. List-Forum, 1987/88, S. 283. 58
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Kap. II: Die .,vorausschauende Arbeitsmarktpolitik"
2.3.1. Suboptimale Kombinationen der Prognosedimensionen
Wenn es unmöglich ist, zuverlässige mittel- bis längerfristige Strukturprognosen des Arbeitsmarktes zu erstellen, stellt sich die Frage, ob für arbeitsmarktpolitische Zwecke Voraussagen genügen, die auf einer der möglichen suboptimalen Kombinationen von Detaillierung, Reichweite und Zuverlässigkeit beruhen. Denkbare Kombinationen sind neben detaillierten Strukturprognosen mit größerer Reichweite, die bewußt auf eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit verzichten, z. B. Prognosen mittlerer bis größerer Reichweite, die zugunsten höherer Zuverlässigkeit auf eine Disaggregation verzichten. Gegen eine solche suboptimale Kombination der Prognosedimensionen sprechen allerdings folgende Argumente: -
Aufgrund ihrer Funktion als Orientierungsgrundlage für die Berufsberatung und als Entscheidungsgrundlage für den Einsatz von Bildungsmaßnahmen kann auf eine tiefe berufliche Gliederung der prognostizierten Arbeitsmarktdaten nicht verzichtet werden. ,,Jugendliche z. B., die vor der Berufswahl stehen, fragen nach Arbeitsmarktrisiken und -chancen für einzelne Ausbildungsgänge und Berufe. Selbst die für statistische Zwecke gebildeten 332 Berufsordnungen erweisen sich dafür allzu oft als zu grobe Aggregate." 61
-
Auch auf eine längere Prognosefrist kann, wie bereits im vorherigen Abschnitt gezeigt wurde, nicht verzichtet werden. Eine hohe Fehlerwahrscheinlichkeit der Prognose wird dadurch unvermeidlich. 62
-
Prognosen mit einer hohen Fehlerwahrscheinlichkeit, d. h. Informationen mit geringem Wahrheitsgehalt, sind nicht geeignet, als Basis für Berufsentscheidungen zu dienen. Schließlich entscheiden diese nicht unwesentlich über die faktischen Beschäftigungschancen der Betroffenen und damit über deren Möglichkeiten der Entfaltung ihrer Persönlichkeit durch Arbeit. 63
Das Hauptproblem einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik besteht somit darin, daß Prognosen in der notwendigen Gliederung und Reichweite eine nur minimale Eintreffenswahrscheinlichkeit aufweisen und suboptimale Kombinationen der Prognosedimensionen eine Informationsgrundlage darstellen, die für eine vorausschauende, die Arbeitskräfte unter Vorwegnahme des Strukturwandels lenkende Arbeitsmarktpolitik nicht ausreicht.
F. Stooß, 1980, S. 371. So auch A. Chabemy, K. Schober-Gottwald, 1976. (Es sind . .. ) "einigermaßen zuverlässige Aussagen über die wahrscheinliche zukünftige Entwicklung einzelner Ausbildungsgänge und Berufe nicht möglich."(S. 39). 63 V gl. hierzu auch D. Mertens, 1982: "Der Verzicht auf jede Eintreffenswahrscheinlichkeit durch unrealistische Scheingenauigkeiten läßt die Prognose zum reinen Glasperlenspiel werden." (S. 152). 61
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2.3.2. Arbeitsmarktpolitisch orientierte Strukturberichterstattung
Es mag auf den ersten Blick etwas verwundern, daß die in der Bundesrepublik seit etwas über zehn Jahren institutionalisierte Strukturberichterstattung unter dem Gesichtspunkt ihres Informationsgehaltes für eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik diskutiert wird. Der enge inhaltliche und konzeptionelle Zusammenhang wird jedoch deutlich, wenn man die Vorgeschichte der Strukturberichterstattung in die Betrachtung einbezieht. Diese Vorgeschichte ist in engem Zusammenhang mit der gesellschaftspolitischen Diskussion der frühen 70er Jahre über ,,Investitionsmeldestellen" und über eine "direkte Investitionslenkung" zu sehen. 64 Insbesondere in der größeren Regierungspartei und in den Gewerkschaften wurde diskutiert, wie der Staat im Rahmen einer "vorausschauenden Strukturpolitik für Vollbeschäftigung und humanes Wachstum" 65 auf die Investitionstätigkeit der Privaten Einfluß nehmen könnte. Als Grundlage einer solchen Investitionslenkung sollte eine vorausschauende Strukturberichterstattung aufgebaut werden. 66 Auch die Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel empfahl in ihrem 1977 nach über 6jähriger Arbeit vorgelegten Abschlußbericht eine Verstärkung der Strukturforschung, insbesondere den Ausbau der Strukturstatistik und des "Potentials für die Erstellung von Strukturprognosen" 67 sowie die Einrichtung eines unabhängigen Sachverständigenrats für Strukturfragen. 68 Die Bundesregierung folgte zwar nicht der Empfehlung, einen Sachverständigenrat für Strukturfragen einzurichten, vergab aber an 5 Konjunkturforschungsinstitute69 den Auftrag, eine Analyse der strukturellen Entwicklung der deutschen Wirtschaft zu erstellen. Dies war der Beginn einer periodischen Berichterstattung über die Ursachen und Formen des sektoralen Strukturwandels der deutschen Wirtschaft. Nach Vorlage erster Vor- und Zwischenberichte in den Jahren 1977 und 1979 kamen die Institute ihrer Aufgabe in bisher drei Berichterstattungs"Runden" (1980, 1983, 1987) nach. Waren zunächst noch an alle Institute im wesentlichen gleichlautende Aufträge vergeben worden, setzte sich nach und Vgl. hierzu E. Helmstädter, 1982, S. 54 f. So die Vorschläge einer SPD-Kommission vom Juli 1977; zitiert nach G. Voss, 1980, s. 8. 66 Vgl. hierzu D. Hocke!, 1980: "Von gewerkschaftlicher Seite wird die Hoffnung gehegt, daß die Strukturberichterstattung einen Beitrag zur Aufstellung eines volkswirtschaftlichen Rahmenplans leistet, in dem Regional- und Branchenprojektionen zu einheitlichen Landesentwicklungsplänen und einem Bundesentwicklungsplan zusarnmengefaßt werden." (S. 19). 67 Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, 1977, S. 141. 68 Vgl. ebenda, S. 133 ff. 69 Es handelt sich um das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW), das HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung in Harnburg, das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München, das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) und das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI). 64
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nach der Trend zur Schwerpunkt-Berichterstattung durch, in der zwei oder drei Instituten ein besonderes Thema zur Bearbeitung vorgegeben wird. Mißt man die Ergebnisse der arbeitsmarktpolitisch relevanten Strukturberichterstattung an der Aufgabe, im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Analyse der Entwicklung der sektoralen Wirtschaftsstruktur insbesondere die Auswirkungen des Strukturwandels auf den Arbeitsmarkt sichtbar zu machen, kann man den Instituten bescheinigen, daß diese Aufgabe im großen und ganzen erfüllt worden ist. 70 So hat die Strukturberichterstattung nicht nur dazu geführt, daß die statistischen Grundlagen für eine empirische Strukturforschung entscheidend verbessert wurden, 71 sondern dazu beigetragen, "daß die Diskussion um einzelne strukturpolitische Entscheidungen des Staates intensiver und vor dem Hintergrund ihrer gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen geführt worden ist ..." 72 Unter arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten hervorzuheben ist, daß die Strukturberichterstattung in einer Reihe von Fragen den Erkenntnisstand erweiterte oder zumindest die Erkenntnissicherheit erhöhte: -
Die Darstellung und Analyse von Veränderungen in der Berufs- und Qualifikationsstruktur der Arbeitskräfte sowie ihrer Verteilung auf die unterschiedlichen Wirtschaftszweige bestätigte und erweiterte das bisherige Wissen über den Strukturwandel und seine Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Insbesondere die Berichte des Jahres 1980, als erstmals die nach 60 Sektoren gegliederte Bundesstatistik ausgewertet werden konnte, lieferten wertvolle statistische Hinweise auf Veränderungen in der Beschäftigungsstruktur. 73
-
Die Hauptrichtung des Strukturwandels verläuft in der Bundesrepublik wie in anderen Industrieländern von der Waren- zur Dienstleistungsproduktion. Immer mehr Arbeitnehmer üben Dienstleistungsfunktionen aus. Die Nachfrage nach Fertigungsberufen hat daher abgenommen, die Nachfrage nach Trägern von Organisations- und Dispositionsberufen ist ebenso gestiegen wie die Nachfrage nach unternehmens-und personenbezogenen Dienstleistungsberufen. 74 Nicht zuletzt aufgrund der in der Strukturberichterstattung immer wieder herausgestellten Bedeutung des Dienstleistungssektors als Hauptträger des Beschäftigungswachstums werden nunmehr auch zunehmend Anstrengungen unternommen, diesen in der Statistik bisher eher vernachlässigten Bereich besser zu durchleuchten. 75
10 Vgl. H. Lampert, 1982 a, S. 342. Zur Aufgabe der Strukturberichterstattung, insbes. Erkenntnisse für die Arbeitsmarktpolitik zu liefern, siehe H. Tietmeyer, 1980, S. 205 f. 11 Vgl. hierzu M. Engelmann, 1980, S. 113 ff. 72 C. Noe, 1987, S. 21. Vgl. hierzu auch F. Rahmeyer, 1980 sowie J. Welsch, 1987, s. 23 ff. 73 Vgl. hierzu HWWA-Institut, 1980, S. 175; G. Fels, K.-D. Schmidt, 1981, S. 119; Ifo-lnstitut, 1980, S. 195 ff. sowie RWI, 1980, S. 212 ff., insbes. aber auch die in den Materialienbänden erstellten Branchenblätter. Einen Überblick über die arbeitsmarktpolitischen Aspekte der Strukturberichte des Jahres 1980 bietet H. Lampert, 1982 a, S. 338 ff. 74 Vgl. stellvertretend für alle K. Vogler-Ludwig I Ifo, 1983, S. 3 ff.
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Diese Strukturverlagerungen sind von den Arbeitnehmern am ehesten zu bewältigen, wenn sie auf branchenübergreifende berufliche Qualifikationen zurückgreifen können. Berufe mit weiterem Einsatzspektrum bilden somit gegenüber Berufen mit engen Bindungen an branchenspezifische Fertigungsverfahren einen besseren Schutz vor lang anhaltender Arbeitslosigkeit. 76 Bei spezialisierten Berufen, deren Qualifikation auf relativ eng begrenzte Tätigkeitsfelder in schrumpfenden Branchen zugeschnitten ist (z. B. Bergmann, Metallerzeuger und Textilverarbeiter), führt ein Arbeitsplatzwechsel hingegen sehr häufig zur Entwertung von HumankapitaL 77 Insofern ist zu begrüßen, daß der Anteil der Berufe mit enger Branchenbindung abgenommen hat. 78
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Eine bedeutende Rolle spielte in allen Berichtsjahren die Frage, wie sich Lohnniveau und Lohnstrukturen im Zeitablauf veränderten und inwieweit der Wandel von Beschäftigungs- und Berufsstrukturen durch Veränderungen im Lohngefüge beeinflußt wurden 79 • Neben eher pauschalen Aussagen 80 wurden eine Reihe detaillierter Analysen vorgestellt. 81 Mit weitgehender Übereinstimmung wurde festgestellt, daß sich die sektorale Lohnstruktur als bemerkenswert stabil erwies. Die Reihenfolge der Branchen ist heute im wesentlichen die gleiche wie zu Anfang der 70er Jahre. Nur der öffentliche Dienst scheint zwischen 1973 und 1986 in der Einkommensentwicklung zurückgeblieben zu sein; die Beschäftigten haben also einen Preis für die angesichts der hohen Arbeitslosigkeit wichtiger gewordene Arbeitsplatzsicherheit geleistet. 82 Diese Starrheit der sektoralen Lohnstruktur wird von den Instituten allerdings unterschiedlich beurteilt: Während das Institut für Weltwirtschaft hierin eine wesentliche Ursache der Arbeitslosigkeit erblickt 83 , kommt das Ifo-Institut zu dem Schluß, es sei angesichts der dominierenden Bedeutung der Nachfrage für die Beschäftigungsentwicklung "nicht zu erwarten, daß Lohndifferenzierung generell die Lösung der Anpassungsprobleme darstellt" 84 • Das DIW sah ebenso keinen Zusammenhang zwischen Lohnstruktur und Arbeitslosigkeit:
75 Vgl. z. B. H. Schedl, K. Vogler-Ludwig/Ifo, 1987, S. 19 ff.; B. Görzig u. a./DIW, 1988, S. 198 ff.; G. Buttler, W. Simon, 1987 sowie H. Lützel, 1987, S. 21 ff. 76 Vgl. RWI, 1980, S. 230. 11 Vgl. J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 78. 78 Vgl. HWWA-Institut, 1983, S. 97. 79 Vgl. dazu auch die Ergebnisse in ll1.3.1.2. 80 Vgl. z. B. HWWA-Institut, 1983, S. 105; IfW, G. Fels, K.-D. Schmidt, 1981, S. 122; RWI, 1987 a, S. 107 ff. 81 Vgl. z. B. U. Brasche u. a./DIW, 1984, S. 97 ff.; W. Gerstenherger u. a., 1988, S. 82 ff.; IfW, 1987, S. 79 ff.; K. Vogler-Ludwig I Ifo, 1983, S. 53 ff. 82 Vgl. H. H. Härtel u. a., 1988, S. 99 und W. Gerstenherger u. a., 1988, S. 82 ff. 83 Vgl. z. B. G. Fels, K.-D. Schmidt, 1981, S. 122; J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, s. 82 f . 84 K. Vogler-Ludwig/Ifo, 1983, S. 89.
7 Lampert
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"Die These, daß Beschäftigungsprobleme durch Nivellierung bedingt seien, wurde überprüft, konnte aber nicht bestätigt werden." 85 -
Zurückgeführt wird die geringe Anpassungsfahigkeit der Lohnstruktur auf wenig veränderte Produktivitätsniveaus, aber auch auf Gewerkschaftsmacht: So verweist das HWWA-Institut darauf, daß "sich die sektorale Einkommensentwicklung eher zugunsten von Branchen verschob, in denen Großunternehmen stark vertreten sind und die Gewerkschaften einen großen Einfluß haben."86
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Die Analysen der sektoralen Lohnstruktur zeigten darüber hinaus, daß die staatliche Subventionierung von Wirtschaftszweigen eher zu Einkommenserhöhungen in der subventionierten Branche als zur Sicherung von Arbeitsplätzen führt. So gibt dem Ifo-Institut "zu denken, daß eine Reihe von hochsubventionierten Zweigen sich in der Lohnhierarchie zwischen 1973 und 1986 noch nach oben geschoben" 87 hat. Neben der den Strukturwandel bremsenden Verzerrung der Lohnhierarchie verzögert die Subventionierung einzelner Branchen den notwendigen Schrumpfungsprozeß und führt zu einem "Anpassungsstau"88, ohne dabei die Beschäftigungsentwicklung dauerhaft von den Nachfragetrends abkoppeln zu können. In der Stahlindustrie dürften die Beschäftigungsprobleme durch umfangreiche Zuwendungen zur Modernisierung, die die für Stillegungen aufgewendeten Mittel bei weitem übersteigen, eher noch verschärft worden sein. 89
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Untersuchungen zur Ermittlung der Beschäftigungswirkungen neuer Technologien wurden in ersten Linie vom Ifo-lnstitut durchgeführt. Es zeigte sich, daß die Mikroelektronik zwar grundlegende Veränderungen in der Berufsund Qualifikationsstruktur mit sich bringt, daß aber der Diffussionsprozeß erheblich mehr Zeit in Anspruch nimmt, als in den 70er Jahren erwartet worden war. Das Ifo-Institut, das bereits in seinem ersten Bericht 1980 eher positive Beschäftigungseffekte der Mikroelektronik zu erkennen glaubte, weist daher auf die noch heute geringe Verbreitung der Informationstechnik hin: "Die Anwendung der neuen Informations- und Kommunikationstechniken steckt im Grunde erst in den Anfängen. Zwar verfügen in der Bundesrepublik nach jüngsten Informationen nahezu alle Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten über eine EDV-Anlage .. . Die interne und- erst recht- die externe Vernetzung der verschiedenen Rechner und Terminals und die koordinierte Informationsauswertung ist aber noch wenig entwickelt." 90 Aussagen
85 U. Brasche u. a./DIW, 1984, S. 149. Vgl. auch DIW, 1988, S. 267 ff. 86 H. H. Härtet u. a., 1988, S. 101. 87 W. Gerstenherger u. a., 1988, S. 84. Vgl. auch H. H. Härtet u. a., 1988, S. 100, Ifo-Institut, 1980, S. 230 und J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 103 f. 88 J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 1. Vgl. auch H. H. Härtet u. a., 1988, S. 205 ff. und RWI, 1987 a, S. 204 ff. 89 RWI, 1987 a, S. 220. 90 H. Schedt, K. Vogter-Ludwig, 1987, S. 160. Vgl. auch Ifo-Institut, 1980, S. 379 ff.
2. Die Informationsbedarfe vorausschauender Arbeitsmarktpolitik
99
über die Beschäftigungswirkungen im Saldo erscheinen dem Ifo-Institut noch nicht möglich. 91 -
Nur wenige arbeitsmarktpolitisch verwertbare Erkenntnisse erbrachten die Schwerpunktberichte über expandierende Produktions- und Beschäftigungsformen. 92 Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, daß die Erfassung der Schattenwirtschaft nach wie vor große Probleme bereitet; zum anderen standen den Instituten bei Erstellung der Gutachten noch keine Daten über die Auswirkungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes auf die Zahl befristeter Arbeitsverhältnisse, die Leiharbeit und die verschiedenen Formen der Teilzeitarbeit zur Verfügung.
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Die Untersuchungen über die Anpassungsreaktionen der Arbeitskräfte bestätigten die Notwendigkeit der beruflichen Qualifizierung. Zwar wurde die Mobilität der Arbeitskräfte zum Teil unterschiedlich bewertet 93; es wurde jedoch übereinstimmend darauf verwiesen, daß eine breit angelegte berufliche Qualifikation die Anpassungsfahigkeit der Arbeitskräfte erhöht. 94 Allerdings gilt es dabei, einen Mittelweg zwischen produktivitätsfördernder Spezialisierung und flexibilitätsfördernder Generalisierung zu finden. 95
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Die Bildungsexpansion der 60er und 70er Jahre scheint dabei wenig hilfreich gewesen zu sein: Obwohl die demographische Entwicklung von 1970 bis 1985 die Chance bot, die Beschäftigungsstruktur durch den Zugang einer hohen Zahl von adäquat ausgebildeten Berufsanfangern zu verbessern96, erfolgte eine Bildungspolitik, die zu wenig Rücksicht auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes nahm. "Das Ergebnis ist ein Nebeneinander von Facharbeitermangel und Facharbeiterüberschuß, von einem Akademikerdefizit in den meisten natur-und ingenieurwissenschaftlichen Bereichen und eine Akademikerschwemme auf dem geistes- und sozialwissenschaftliehen Gebietkurzum eine weitreichende Fehllenkung von Humankapital."97
91 Vgl. W. Gerstenberger, H. Schedl, K. Vogler-Ludwig, 1988, S. 190: "Gemessen an den Kopfzahlen lassen sich quantitative Beschäftigungswirkungen des Informationstechnikeinsatzesper Saldo bisher nicht verläßlich identifizieren.". 92 Vgl. J. Heinze, H. Schedl, K. Vogler-Ludwig/lfo, 1986, und RWl, 1986. Vgl. hierzu auch B. Görzig u. a./DIW, 1988, S. 190 ff. 93 Vgl. z. B. U. Brasche u. a./DIW, 1984, S. 152 ff.; Ifo-Institut, 1980, S. 214 ff.; RWl, 1980, S. 299 ff.; K. Vogler-Ludwig/ lfo, 1983, S. 42 ff.; während das Ifo-Institut im ersten Hauptbericht noch die Auffassung vertrat, daß sich die Arbeitslosigkeit nicht mehr als früher auf berufliche lnflexibilitäten zurückführen lasse (S. 217), verweist es 1986 darauf, daß "Kontraktion und verringerte Mobilität auf dem Kernarbeitsmarkt ... jene zu verstärkten Anpassungsaktivitäten gezwungen (haben), die neu ins Erwerbsleben eintreten, die arbeitslos sind oder ihren Arbeitsplatz bedroht sehen." Vgl. hierzu J. Heinze, H. Schedl, K. Vogler-Ludwig, 1986, S. 181. 94 Vgl. z. B. RWl (1980), S. 237 sowie K. Vogler-Ludwig I Ifo, 1983, S. 45 ff. 95 Vgl. K. Vogler-Ludwig /Ifo, 1983, S. 52. 96 Vgl. HWWA-Institut, 1988, S.47ff. 97 J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 188. Vgl. hierzu auch RWl, 1980 a, S. 113 ff. sowie K.-D. Schmidt, 1984, S. 109 ff.
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Kap. II: Die "vorausschauende Arbeitsmarktpolitik"
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Die Anpassungsfähigkeit der Arbeitskräfte wird nicht zuletzt durch Fortbildungs- und Umschulungsangebote erhöht. Dabei scheint eine berufliche Umschulung unter normalen Bedingungen nur zu Berufen gleichen Ausbildungsniveaus realisierbar. 98 Eine unabdingbare Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz insbesondere von Umschulungsprogrammen ist die finanzielle Förderung durch die Bundesanstalt für Arbeit. Diese Förderung diente allerdings nicht immer einer Verbesserung der Beschäftigungsstruktur. So wurde zeitweise auch in Berufe mit ungünstiger Arbeitsmarktsituation umgeschult. 99
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Eine Wirkungsanalyse und damit eine Beurteilung der Arbeitsmarktpolitik erfolgte in der Strukturberichterstattung nicht. Es wurde allerdings mehrfach darauf hingewiesen, daß die Arbeitsmarktpolitik der Bundesanstalt für Arbeit mit ihren angebotsorientierten Instrumenten nicht geeignet ist, zusätzliche Arbeitsplätze im erforderlichen Umfang zu schaffen. 100
Trotz dieser insgesamt positiven Bilanz weist auch die Strukturberichterstattung unter dem Aspekt ihres Informationsgehaltes für eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik Defizite auf. Dies trifft in besonderem Maße auf ihre prognostische Aussagefähigkeit zu. Denn Strukturprognosen, die als Grundlage einer Investitionen lenkenden, "vorausschauenden" sektoralen Strukturpolitik dienen können, sind denselben Unwägbarkeilen und Unsicherheiten unterworfen wie die für die Arbeitsmarktpolitik erforderlichen Berufsprognosen. Amtliche oder quasi-amtliche Strukturprognosen im Rahmen der Strukturberichterstattung wären daher von höchst problematischem Charakter. Daher beschränkte die Bundesregierung ihren Auftrag auch ausdrücklich auf die ex-post-Analyse des Strukturwandels. 101 Eine für die Zwecke der vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik geeignete Strukturprognose kann somit auch nicht im Rahmen der Strukturberichterstattung erstellt werden. 2.3.3. Das Konzept der differenzierten Information
Da Arbeitsmarktprognosen im Sinne einer herkömmlichen Angebots- bzw. Bedarfsvorausschau nicht in der notwendigen Qualität erstellt werden können, wurden als Ersatz Aussagespielräume in die Prognosen eingeführt und in Form von Alternativprojektionen veröffentlicht. Die Eintreffwahrscheinlichkeit wird dadurch erhöht, daß als Ergebnis nicht ein prognostizierter Wert, sondern ein prognostizierter Wertebereich, ein Prognoseintervall, ermittelt wird. Die WahrVgl. RWI, 1980, S. 236. Vgl. U. Brasche u. a./DIW, 1984, S. 210. 100 Vgl. z. B. W. Gerstenherger u. a., 1988, S. 199; K. Vog1er-Ludwig/Ifo, 1983, s. 91 ff. 101 Vgl. hierzu H. Tietmeyer, 1980, S. 210 f.; C. Noe, 1987, S. 29 sowie K. Löbbe, 1987, s. 469. 98
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2. Die Informationsbedarfe vorausschauender Arbeitsmarktpolitik
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scheinlichkeit, daß ein so gewonnener Wertebereich mit der künftigen Realität übereinstimmen wird, steigt mit der Länge des Intervalls. Die höhere Wahrscheinlichkeit einer Übereinstimmung mit der Realität wird jedoch mit Einbußen im Informationsgehalt für die Arbeitsverwaltung erkauft. Denn die aus solchen Berechnungen ermittelten Bedarfsspielräume stellen für die Arbeitsmarkt- und Berufsberatung keine ausreichende Informationsgrundlage dar: "Es ist zu erwarten, daß die Erstellung aussagefähiger Informationen zur Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes auf erhebliche Probleme stößt und das ,Machbare', nämlich die Beschreibung von Bedarfsspielräumen, für die individuelle Ausbildungs- und Berufsentscheidung nicht ausreicht." 102 Insbesondere läßt sich auf "Projektionen, die mit einem solchen Grad von Schwankungen arbeiten müssen, . . . eine konkrete Arbeitsmarktpolitik nicht aufbauen." 103 Sie sind für die Arbeitsmarktpolitik lediglich dann von Nutzen, "wenn die Randbedingungen, von denen sie ausgehen, im wesentlichen denen der jeweils gegebenen tatsächlichen Situation entsprechen. Ansonsten sind sie für die praktische Wirtschaftspolitik ohne Wert. 104 Daher wurde im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (lAB) bereits relativ früh das "Konzept der differenzierten Information als Prognosealternative" 105 entwickelt. An Stelle von auf Prognosen beruhenden pauschalen Empfehlungen werden zur Beurteilung der Beschäftigungsaussichten differenzierte Informationskataloge mit nahezu allen zur Verfügung stehenden, für Berufsentscheidungen relevanten Daten angeboten, deren Auswahl und Bewertung dem einzelnen - seinem speziellen Anliegen entsprechend - selbst überlassen bleiben. 106 Damit sollte eine Entscheidungshilfe geschaffen werden, die in unterschiedlichen Entscheidungssituationen anwendbar ist. Als Informationen zur Beurteilung der Beschäftigungsaussichten werden dementsprechend keine Daten über zu erwartende Arbeitsmarktverhältnisse angeboten, sondern einzelne Indikatoren für Beschäftigungsrisiken und -chancen bei der Ausbildungs- und der Arbeitsplatzwahl in übersichtlicher und systematischer Form aufgelistet. Mit diesem Konzept ist es gelungen, eine übersichtliche und systematisch aufgebaute Informationsgrundlage für die Beratungsfachkräfte in den Arbeitsämtern zu erstellen, die es ihnen erlaubt, in der Beratung zumindest die gegenwärtige Lage des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Äußerst problematisch A. Chabemy, K. Parmentier, P. Schnur, 1982, S. 88. J. H. Müller, 1978, S. 64. 104 Ebenda, S. 67. 105 A. Chabemy, K. Schober-Gottwald, 1976, S. 25. 106 Das Konzept der differenzierten Information wurde im sog. ABC-Handbuch verwirklicht. Vgl. hierzu Bundesanstalt für Arbeit, 1974 b sowie die von derselben als Beiträge aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 61.1 und 61.2 in den Jahren 1982 und 1984 veröffentlichten Aktualisierungen und Ergänzungen. Erläuterungen des Konzepts finden sich in A. Chabemy, K. Parmentier, P. Schnur, 1980, S. 398 ff. 102 103
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Kap. II: Die "vorausschauende Arbeitsmarktpolitik"
ist allerdings der Versuch, aus diese Informationskatalogen Erkenntnisse über zukünftige Beschäftigungsaussichten ableiten zu wollen, wie das folgende Zitat zeigt: "Die im Konzept enthaltenen Einzelinformationen haben - bis auf wenige Ausnahmen- selbst keinen prognostischen Anspruch, d. h., sie beinhalten keine Zukunftsaussage. Aufgrund bisheriger Erkenntnisse aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wird jedoch angenommen, daß die in der Gegenwart feststellbaren Unterschiede zwischen den einzelnen Ausbildungen und Berufen hinsichtlich der Beschäftigungsrisiken auch in Zukunft im wesentlichen erhalten bleiben." 107 Zukunftsbezogene Aussagen werden somit nach dem Konzept der differenzierten Information auf der Grundlage einfacher Trendextrapolationen genommen. Als Grundlage für eine vorausschauende Vermeidung qualitativer Arbeitsmarktungleichgewichte ist dieses Informationswerk daher nicht geeignet. 2.3.4. Personalbedarfsermittlung durch Befragungen Aufgrund der methodischen Probleme und der fehlenden Zuverlässigkeit der auf Modellen basierenden Prognosen des Arbeitskräftebedarfs wurde in der Diskussion bisweilen vorgeschlagen, diese durch Befragungen der Arbeitsnachfrager zu substituieren. 108 Dabei sollen die Erwartungen von Unternehmensleitungen und Personalchefs über ihren zukünftigen Personalbedarf ermittelt werden. :Mit derartigen Befragungen können wesentliche Nachteile von Prognosemodellen vermieden werden; insbesondere entfallt die Notwendigkeit, mehr oder minder spekulative Plausibilitätsannahmen über die Entwicklung von Wirtschafts- und Berufsstrukturen setzen zu müssen. Des weiteren bieten sie die Möglichkeit, regionale Spezifika des jeweiligen Arbeitsmarktes in vollem Umfang zu berücksichtigen. 109 Auf Betriebsbefragungen basierende Voraussagen des Arbeitskräftebedarfs wurden daher eher bei regional eng begrenzten Arbeitsmarktprognosen eingesetzt. So veröffentlichte zum Beispiel das Amt für Wirtschaftsförderung der Stadt Augsburg 1983 eine in seinem Auftrag durchgeführte mittelfristige Prognose des Arbeitskräftebedarfs der Industrie im Wirtschaftsraum Augsburg. 110 Prognostiziert wurde nicht nur das Beschäftigungsniveau, sondern auch die sektorale Beschäftigungsstruktur sowie die Berufsstruktur der im Verarbeitenden Gewerbe Beschäftigten. Weitere Studien, die auch den Dienstleistungssektor erfaßten, folgten. 111 101
A. Chaberny, K. Schober-Gottwald, 1976, S. 26.
1os Vgl. hierzu Bundesanstalt für Arbeit, 1978, S. 121; J. Fiedler, 1984, S. 155 ff.; P.
Hurler, 1984, S. 87 ff. sowie J. Kühl, 1976, S. 414 ff. 109 Vgl. P. Hurler, 1984, S. 99. 110 Vgl. P. Hurler unter Mitarbeit von H. Büscher, 1983. 111 Zu den Ergebnissen der ,,Augsburg-Studie" vgl. P. Hurler, 1987.
2. Die Informationsbedarfe vorausschauender Arbeitsmarktpolitik
103
Auch in einer von der IG Metall-Verwaltungsstelle Stuttgart in Auftrag gegebenen Studie wurden zur Ermittlung des zukünftigen Arbeitskräftebedarfs der Region Befragungen durchgeführt. 112 Die Befragungsergebnisse dienten allerdings nicht - wie bei der erstgenannten Studie - der Prognoseerstellung selbst. Vielmehr wurde eine Variante der vom lAB für die Bundesrepublik erstellten Alternativprojektionen auf den Stuttgarter Raum übertragen, wobei die BefragungSergebnisse dazu dienten, vermutete Abweichungen in der Produktivitätsentwicklung zu begründen. So sehr solche Befragungen auch den Informationsstand über regionale und lokale Arbeitsmarktentwicklungen erhöhen, auch sie unterliegen nicht unerheblichen Einschränkungen ihrer Zuverlässigkeit. Denn auch die Erwartungen der Unternehmensvertreter unterliegen der generellen Unsicherheit über die zukünftige Wirtschaftsentwicklung und den mittel- bis langfristig zu erwartenden Einsatz neuer Technologien. Zudem ist zu befürchten, daß die Bereitschaft der Unternehmen, Auskunft über den in ihrem Hause zu erwartenden Personaleinsatz zu geben, bei wiederholten, zur Routine gewordenen Befragungen stark abnimmt. Darüber hinaus werden auch viele Unternehmen, insbesondere die kleineren, schon deshalb keine quantifizierbaren Aussagen über ihren zukünftigen Personalbedarf machen können, weil sie - nicht zuletzt aufgrund ihrer geringen Größe -keine mittel- oder gar langfristige Personalplanung betreiben (können). Diese kleinen und mittleren Unternehmen 113 stellen aber eine beschäftigungspolitisch außerordentlich wichtige Arbeitgebergruppe dar: So hatten 1985 etwa 69 % aller Betriebe zwischen zwei und 99 Beschäftigte; von den ungefähr 18,5 Millionen außerhalb von Landwirtschaft, Staat, Post und Bundesbahn sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeitete etwa die Hälfte in Betrieben mit weniger als 100 Mitarbeitern. 114 Hinzu kommt, daß eine Befragung sich nur an die zur Zeit der Befragung bereits existierenden Unternehmen und Betriebe richten kann, so daß der aus Firmengründungen resultierende Arbeitskräftebedarf unberücksichtigt bleibt, bei inzwischen knapp 300 000 Firmengründungen im Jahr keineswegs eine quantite negligeable. 115 Diese "Störfaktoren" 116 führen letztlich dazu, daß die Ermittlung des zukünftigen Arbeitskräftebedarfs und infolgedessen die für den Einsatz der beruflichen Bildungsmaßnahmen so wichtige Identifizierung der zukünftigen Mangelberufe mißlingt. Vgl. G. Richter, 1988. Zur Abgrenzung und zum Beschäftigungsverhalten kleiner und mittlerer Unternehmen vgl. z. B. R. Blum, 1988; K. Hüttinger, 1984; K. Koenigs, R. Spies, 1985 sowie E. Marwede, 1983. 114 Vgl. hierzu U. Cramer, 1987, S. 17. 115 Zur Entwicklung von Unternehmensgründungen und -liquidationen vgl. H.-P. Fröhlich, U. Schüle, 1987, S. 28. 116 P. Hurler, 1984, S. 99. 112
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Kap. II: Die "vorausschauende Arbeitsmarktpolitik"
3. Fazit Die Arbeitsmarktprozeßpolitik wurde mit der Verabschiedung des AFG im Jahre 1969 neu konzipiert. Im Rahmen der damals gültigen wirtschaftspolitischen Gesamtkonzeption wurde ihr die Aufgabe zugewiesen, mit Hilfe einer planenden und vorausschauenden Unterstützung des Strukturwandels auf den Arbeitsmärkten Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung vorausschauend zu vermeiden sowie den Wachstumsprozeß durch Verhütung von Arbeitskräftemangel zu fördern. Voraussetzung für ein Gelingen dieser vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik ist es jedoch, daß den Entscheidungsträgem rechtzeitig adäquate Informationen über den zu erwartenden Wandel der Arbeitsmarktstrukturen zur Verfügung stehen. Zuverlässige mittel- bis längerfristige Strukturprognosen des Arbeitsmarktes sind daher für eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik unverzichtbar. Da es für die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aufgrund der immanenten Mängel der Prognostik unmöglich ist, zuverlässige Strukturprognosen des Arbeitsmarktes zu erstellen und verschiedentlich vorgeschlagene Prognosesubstitute als Grundlage einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik untauglich sind, stellt sich die Frage, wie die Konzeption der Arbeitsmarktpolitik zu modifizieren ist, um die Arbeitslosigkeit, insbesondere die strukturelle, zu minimieren. Es ist also zu untersuchen, welche Modifikationen der Arbeitsmarktpolitik deren Funktionsfähigkeit in bezug auf die Bewältigung des Strukturwandels erhöhen könnten. Hierzu gehört zum einen die Frage, inwieweit die Arbeitsmarktpolitik in ihrer Aufgabe, den Beschäftigtenstrukturwandel zu unterstützen, durch ordnungspolitische Korrekturen, insbesondere durch Modifikationen der Tarifautonomie sowie eine Flexibilisierung der Lohnstruktur und durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeitpolitik unterstützt werden kann. Zum anderen stellt sich die Aufgabe, nach Mitteln und Wegen zu suchen, die zu einer Erhöhung der Effektivität arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen führen könnten. Im Mittelpunkt steht dabei die Forderung nach einer Verbesserung der Mobilitätsförderung und einer stärkeren Bedarfsorientierung beruflicher Weiterbildung sowie nach einer stärkeren Einbeziehung der lokalen Arbeitsmarktakteure in die arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen.
Kapitel III
Reform der Arbeitsmarktpolitik Im folgenden Kapitel sollen Reformvorschläge für die Arbeitsmarktpolitik gemacht werden und einige in den letzten Jahren gemachte Reformvorschläge dargestellt und kritisch überprüft werden. Zu diesen Reformvorschlägen gehören vor allem Vorschläge zur Änderung der tarifvertragliehen Befugnisse der Tarifvertragsparteien sowie Vorschläge zur Flexibilisierung der Lohnstruktur und der Arbeitszeit. Vorher soll jedoch auf sinnvoll erscheinende Reformen im Zielbereich hingewiesen werden.
1. Reformen im Bereich der arbeitsmarktpolitischen Ziele Üblicherweise wird sowohl im wissenschaftlichen als auch im politischen Bereich der Erfolg der Politik am Zielerreichungsgrad gemessen, z. B. der Erfolg der Beschäftigungspolitik am erreichten Beschäftigungsgrad, der Erfolg der Geldpolitik am Grad der Zielerreichung in bezug auf die Geldwertstabilität und in bezugauf die Verstetigung der konjunkturellen Entwicklung. Aus dieser Art der Erfolgsmessung ergibt sich, daß der nachweisbare oder ausgewiesene Erfolgsgrad der Politik auch davon abhängt, ob die Ziele für die Politik bestimmter Handlungsbereiche im Sinne einer prinzipiellen Erreichbarkelt realistisch formuliert sind. Untersucht man die Ziele, die der Arbeitsmarktpolitik im Arbeitsförderungsgesetz vorgegeben sind und die in Abschnitt 2.2.1. des ersten Kapitels dargestellt wurden, unter diesem Aspekt prinzipieller Erreichbarkeit, dann stößt man auf zwei Zielformulierungen, die problematisch erscheinen bzw. mißverstanden werden können und daher die Erfolge der betriebenen Politik wegen unzulänglicher Erfolgsmaßstäbe in einem falschen Licht erscheinen lassen, nämlich erstens das Vollbeschäftigungsziel und zweitens das Ziel der Vermeidung unterwertiger Beschäftigung. Obwohl es in der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung des § 2 AFG heißt, daß die Maßnahmen nach dem Gesetz "dazu beizutragen" haben (Unterstreichung von H. L.), daß "weder Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung noch ein Mangel an Arbeitskräften eintreten oder fortdauern", daß also nur Beiträge zur Erreichung eines hohen Beschäftigungsgrades erwartet werden und nicht etwa die Sicherung der Vollbeschäftigung allein durch die Arbeitsmarktpolitik, waren in den ersten Jahren nach Ausbruch der Wachstums- und Beschäfti-
Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
106
gungskrise 1975 ff. die Erwartungen nicht weniger Politiker darauf gerichtet, daß die Arbeitsmarktpolitik zur Wiederherstellung der Vollbeschäftigung führen würde. Auch eine Reihe von Wissenschaftlern 1 schrieben der Arbeitsmarktpolitik die Aufgabe und die Möglichkeit zu, das Niveau der Arbeitslosigkeit beträchtlich zu reduzieren. Zu dieser Auffassung kann § 1 AFG verleiten, der besagt, daß die Maßnahmen nach diesem Gesetz "darauf auszurichten" sind, "daß ein hoher Beschäftigungsgrad erzielt und aufrechterhalten" wird. Die Analyse der LeistungsHihigkeit des Instrumentariums des AFG 2 hat gezeigt, daß die auf dem AFG beruhende Arbeitsmarktpolitik weniger den Beschäftigungsgrad erhöhen als vielmehr die registrierte Arbeitslosigkeit verringern kann 3• Das Instrumentarium des AFG ist weder von seiner Qualität her noch unter Berücksichtigung des politisch durchsetzbaren Volumens an Finanzierungsmitteln geeignet, bei einer Arbeitslosigkeit, die über die Grenze einer halben Million hinausgeht und nicht strukturell bedingt ist, zur Vollbeschäftigung zurückzuführen4. Vielmehr ist es darauf abgestellt, in Zeiten einer durch technologische Umbrüche sowie durch berufliche und regionale Immobilität verursachten strukturellen Arbeitslosigkeit den Beschäftigungsgrad zu erhöhen. Die Hauptlast der Wiederherstellung und der Sicherung der Vollbeschäftigung muß eindeutig bei einer Beschäftigungspolitik liegen, die weit mehr ist als Arbeitsmarktpolitik 5 • Unter diesen Umständen erscheint es sinnvoll, im Zusammenhang mit einer Nivellierung des AFG durch eine Umformulierung klarzustellen, daß die im AFG verankerten Maßnahmen - soweit es sich um die Beeinflussung des Beschäftigungsgrades handelt - darauf auszurichten sind, daß Arbeitslosigkeit verringert bzw. möglichst weitgehend vermieden wird. Nicht nur mißverständlich, sondern falsch formuliert ist die Aufgabe des Gesetzes in bezug auf die unterwertige Beschäftigung. Denn in § 2 heißt es: "Die Maßnahmen nach diesem Gesetz haben insbesondere dazu beizutragen, daß weder Arbeitslosigkeit und unterwertige Beschäftigung noch ein Mangel an Arbeitskräften eintreten oder fortdauern ...". Das Ziel der Vermeidung und das Ziel der Verringerung unterwertiger Beschäftigung wäre mit dem Instrumentarium des AFG nur dann erreichbar, wenn es der Wirtschaftspolitik gelingt, ein globales Arbeitsplatzdefizit zu verhindern und wenn darüber hinaus das Bildungssystem nicht wesentlich mehr Träger hochwertiger und nach ökonomischer Verwertung drängender Qualifikationen hervorbrächte als im Beschäftigungssystem nachge-
1
Vgl. dazu I. 3.3.
Vgl. dazu I. 3.3.2. 3 So auch G . Schäfer, 1988. 4 Vgl. dazu auch J. Kühl, 1986, S. 30: ,.Die Arbeitsmarktpolitik nach dem AFG ist allerdings weder nach ihrer Finanzierungsweise noch nach dem vorhandenen Maßnahmenbündel befahigt, das gesamtwirtschaftliche Arbeitsplatzdefizit zu mildem oder gar zu beseitigen". s Vgl. zur Abgrenzung dieser Politikbereiche I. 3.3.1. 2
1. Reformen im Bereich der arbeitsmarktpolitischen Ziele
107
fragt werden. Wenn nämlich- was an sich positiv zu beurteilen ist- die Zahl beruflich höher qualifizierter erwerbstätiger und erwerbswilliger Menschen die Zahl der entsprechend qualifizierten nachgefragten Arbeitskräfte übersteigt, ist unterwertige Beschäftigung gleichsam vorprogrammiert. Unser Bildungssystem verfolgt seit vielen Jahren mit Erfolg das Ziel, die Anteile der Jugendlichen, die höhere Schulen und Universitäten besuchen, zu erhöhen. Dieses Ziel wird wegen der hohen Einschätzung des Gutes "Bildung" weitgehend unabhängig von dem Arbeitskräftebedarf des Beschäftigungssystems verfolgt. Wollte man unterwertige Beschäftigung "vorausschauend" vermeiden, müßten das Bildungs- und das Beschäftigungssystem im Sinne vorausschauender, bedarfsorientierter Bildungsplanung miteinander verzahnt werden. Eine solche Verzahnung ist nicht nur angesichts unüberwindbar erscheinender Prognoseschwierigkeiten kaum erreichbar 6, sondern angesichts des Rechtes auf Bildung und der Freiheit der Berufswahl im Rahmen des Wertesystems unserer Gesellschaft auch nur begrenzt erstrebenswert. Selbst wenn die Struktur der angebotenen und der nachgefragten Arbeitskräfte bei Vollbeschäftigung übereinstimmen würde, würde unterwertige Beschäftigung dann entstehen, wenn ein globales Nachfragedefizit auftritt, weil dann bei den Arbeitnehmern ein Wettbewerb um die knappen Arbeitsplätze einsetzt, der zu einer Selektion führt, die ihrerseits zur Dequalifizierung führt: die höher qualifizierten, leistungsstärkeren, gesünderen und jüngeren Arbeitnehmer werden die weniger qualifizierten, leistungsschwächeren, gesundheitlich beeinträchtigten und älteren Arbeitnehmer verdrängen. Die Arbeitsmarktpolitik kann dann zwar für bestimmte der freigesetzten Arbeitnehmer durch Förderung der beruflichen Weiterbildung oder durch Umschulung unterwertige Beschäftigung verhindern, nicht aber die Zahl unterwertig Beschäftigter insgesamt verringern. Die Problematik unterwertiger Beschäftigung und ihrer Verringerung bzw. Vermeidung wird durch eine institutionell mangelhafte Abstimmung zwischen dem Bildungs- und dem Beschäftigungssystem erschwert 7 • Aus diesen Gründen sollte erwogen werden, das Ziel der Vermeidung unterwertiger Beschäftigung im AFG zu streichen, weil letztlich gar nicht vermieden werden sollte, daß die Gesellschaftsmitglieder über mehr Bildung, Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten verfügen als für den Einkommenserwerb erforderlich sind. Alternativ wäre zu erwägen, das Ziel in dem Sinne umzuformulieren, daß allenfalls durch die Maßnahmen des AFG eine Dequalifizierung von Arbeitnehmern möglichst weitgehend vermieden werden soll.
6 1
Vgl. dazu li. 2.2. Vgl. dazu I. 3.2.2.
108
Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
2. Modifikation der Arbeitsmarktordnung 2.1. Rechtliche Grundlagen des Tarifvertragssystems und deren Begründung Im folgenden Abschnitt soll zunächst ein kurzer Überblick zu den wesentlichsten rechtlichen Grundlagen und Regelungen im Bereich der Tarifautonomie gegeben werden. 1 Dabei wird besonders auf diejenigen Bereiche und Vorschriften eingegangen, die in Verbindung mit der arbeitsmarktpolitischen Diskussion über eine Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsmarktordnung (bzw. generell des Arbeitsmarktes) im Mittelpunkt stehen. Die von verschiedener Seite geäußerte Kritik an der Tarifautonomie und speziell an den in Abschnitt 2.1. dargestellten Bestimmungen wird in Abschnitt 2.2. behandelt. Abschnitt 2.3. beschäftigt sich dann mit der Frage, inwieweit die verschiedentlich dem Tarifvertragssystem gegenüber vorgebrachte Kritik gerechtfertigt erscheint und inwieweit es sich hieraus folgend empfehlen könnte, Änderungen im bestehenden Regelungssystem vorzunehmen. 2.1.1. Die rechtlichen Grundlagen der Tarifautonomie und des Tarifvertragssystems im Überblick
Im Grundgesetz ist, ähnlich wie in der Weimarer Reichsverfassung (Art. 159 WRV), die Koalitionsfreiheit als Grundrecht garantiert (Art. 9 Abs. 3 GG); Artikel 9 Absatz 3 GG bildet die Grundlage für die Tarifautonomie der Verbände der Arbeitsmarktparteien (Koalitionen). Das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG umfaßt sowohl die positive als auch die negative Koalitionsfreiheit des einzelnen, d. h. die Freiheit, sich mit anderen in einer Koalition zusammenzuschließen, wie auch das Recht, einer Koalition fernzubleiben (oder sie zu verlassen). 2 Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darüberhinaus den Bestand der (Arbeitsmarkt-) Koalitionen als Organisationen (Bestandsgarantie 3) sowie deren Recht auf Zweckt Unter Tarifautonomie soll im folgenden verstanden werden " . .. das Recht der Arbeitsmarktparteien, unbeeinflußt von Dritten, insbesondere vom Staat - eben autonom - Arbeitsmarktbedingungen zu vereinbaren, die als Mindestarbeitsbedingungen für alle dem Vertrag unterliegenden Arbeitnehmer und Arbeitgeber zwingend sind." Siehe H. Lampert, 1980, S. 301. 2 V gl. H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Ein!. Rdnr. 72, mitNachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum. Siehe zu Inhalt und Umfang der Koalitionsfreiheit ferner den Überblick bei G. Halbach u. a., 1987, S. 236 ff. J Vgl. BVerfGE 4, 96 ff. Diese Bestandsgarantie für die Koalition steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der historisch begründbaren sozialen Schutzrichtung der Koalitionsgewährleistung; vgl. J. Knebel, 1978, S. 50. Rein vom Wortlaut her beinhaltet Art. 9 Abs. 3 GG zunächst nur die Koalitionsfreiheit als Grundrecht des einzelnen.
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verfolgung (Betätigungsgarantie 4 ). 5 Die Gewährleistung der Tarifautonomie (bzw. eines Tarifvertragssystems) ist in einem ,,Kembereich" gegen staatliche Eingriffe besonders geschützt; Zweck dieses besonderen Schutzes ist es, den Sozialpartnern die Wahrnehmung ihrer primären Aufgabe zu ermöglichen, nämlich die Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge in sinnvoller Weise zu ordnen. 6 Die Erfüllung dieser Zwecksetzung liegt gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes im öffentlichen Interesse, im Sinne einer sozialen Befriedung der Gemeinschaft. 7 Gleichwohl gilt auch die Gewährleistung der Tarifautonomie nur in einem allgemeinen Sinne, nicht aber in der mit dem Tarifvertragsgesetz von 1948 erfolgten spezifischen Ausprägung; somit ist der Gesetzgeber auch frei in der sachgemäßen Fortbildung des Tarifvertragssystems, solange und soweit hierdurch der Kernbereich der Koalitionsfreiheit nicht verletzt wird. 8 Die kollektive Festlegung der Arbeitsbedingungen 9 erfolgt vorrangig im Rahmen von Tarifverträgen, die im allgemeinen von einer Gewerkschaft entweder mit einem einzelnen Arbeitgeber bzw. Untemelunen (Firmentarifvertrag) oder mit einem Arbeitgeberverband (Verbandstarifvertrag) abgeschlossen werden. 10 Die tarifvertragliehen Vereinbarungen legen einen Mindeststandard bezüglich der Arbeitsbedingungen fest. Die Bestimmungen bezüglich der Gestaltung von Arbeitsbedingungen haben im Falle beidseitiger Mitgliedschaft in einem der vertragsschließenden Verbände für Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Parteien 4 Im Sinne einer "spezifisch koalitionsgemäße[n] Betätigung" zur Verfolgung der in Art. 9 Abs. 3 genannten Zwecke (BVerfGE 17, 319 ff. (333); BVerfGE 18, 18 (26)). 5 Die Betätigungsgarantie umfaßt in der Hauptsache die Gewährleistung der Tarifautonomie dahingehend, daß es den Koalitionen möglich sein muß, durch Abschluß von Tarifverträgen die Arbeitsbedingungen sinnvoll zu ordnen; vgl. W. Zöllner, 1983, S. 105. 6 BVerfGE 4, 96 (107). Zum Inhalt und den Grenzen der Kernbereichsgarantie siehe z. B. H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Einl. Rdnr. 33 ff., 36 ff.; J. Knebel, 1978, S. 57; W. Zöllner, 1983, S. 106. Danach obliegt es dem Gesetzgeber, " ... die Tragweite der Koalitionsfreiheit dadurch zu bestimmen, daß er die Befugnisse der Koalitionen im einzelnen gestaltet und näher regelt." Dabei dürfen dem Betätigungsrecht der Koalitionen auch Schranken gezogen werden. Siehe BVerfGE 50, 290 (368). 7 BVerfGE 18, 18 (27). 8 BVerfGE 50, 290 (369). Dieser Kernbereich beschränkt sich auf die Garantie eines gesetzlich geregelten und geschützten Tarifvertragssystems, dessen Partner frei gebildete Koalitionen sein müssen; ein Tarifsystem ist deshalb aber nicht als ausschließliche (durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete) Form der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen anzusehen. Siehe hierzu BVerfGE 50, 290 (369 und 371). 9 Das heißt die Vereinbarung der Löhne, Arbeitszeiten und sonstige Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer; zu den sonstigen Arbeitsbedingungen zählen z. B. Vereinbarungen über Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Akkordbedingungen, Zuschläge, Einstellung und Kündigung, Lohn- und Gehaltsgruppen (meist in Manteltarifverträgen vereinbart). Vgl. L. Clasen, 1989, S. 17. 10 Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet das Tarifvertragsgesetz (TVG) vom 9. April1949, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 (BGBI. I, S. 1323). Vgl. vor allem § 2 Abs. 1 und § 2 Abs. 3 TVG. Zum 31.12.1988 waren ca. 32.000 Tarifverträge in Kraft, davon etwa 8.000 Firmentarifverträge; siehe L. Clasen, 1989, s. 17.
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des Einzelarbeitsvertrages als Mindestarbeitsbedingungen unmittelbare und zwingende Geltung (normative Wirkung; § 4 Abs. 1 TVG i. V. m. § 3 TVG) vorausgesetzt, die Parteien des Arbeitsvertrages fallen in den Geltungsbereich des betreffenden Tarifvertrages. 11 Eine Abweichung von den Tarifnormen ist bei beidseitiger Tarifgebundenheit grundsätzlich nur zugunsten des Arbeitnehmers möglich (§ 4 Abs. 3 TVG (2. Alternative), "Günstigkeitsprinzip"), eine Unterschreitung der tariflichen (Mindest-)Arbeitsbedingungen ist insoweit unzulässig.12 Gemäß § 4 Abs. 3 TVG (1. Alternative) kann außerdem dann von dem jeweils maßgeblichen Tarifvertrag abgewichen werden, wenn und insoweit die den Tarifvertrag schließenden Parteien Abweichungen ausdrücklich gestatten, indem sie eine "Tariföffnungsklausel" vereinbaren. 13 Außer in den Fällen, in denen eine Tariföffnungsklausel vorliegt, können bei beidseitiger Tarifgebundenheit von den Arbeitsvertragsparteien somit einzelvertraglich keine das Niveau der tarifvertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen unterschreitenden Vereinbarungen getroffen werden, da solche Vereinbarungen rechtlich als für den Arbeitnehmer "ungünstiger" gewertet werden. Eine Abweichung vom Tarifvertrag ist insoweit gemäß Günstigkeitsprinzip nur möglich im Falle von Vereinbarungen, die für den Arbeitnehmer eindeutig günstiger sind. Dabei sind für den Günstigkeitsvergleich entsprechend der herrschenden rechtswissenschaftlichen Lehre und der geltenden Rechtsprechung die einschlägige tarifliche Regelung und die abweichende Vereinbarung in einem bestehenden Arbeitsverhältnis heranzuziehen. Selbst wenn von den Vertragsfolgen her gesehen der Günstigkeitsvergleich eine untertarifliche Entlohnung bei Zugrundelegung der sonst bestehenden Situation des Arbeitnehmers (z. B. Arbeitslosigkeit) rechtfertigen könnte, verbietet sich entsprechend juristischer Lesart der Günstigkeitsvergleich im Falle der Vereinbarung einer untertariflichen Entlohnung- auch wenn der Arbeitnehmer zu tariflichen Bedingungen keine Arbeit finden würde. 11 Das heißt in den räumlichen, betrieblich-branchenmäßigen, fachlichen, persönlichen und zeitlichen Geltungsbereich; vgl. W. Zöllner, 1983, S. 331 ; H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, § 4 Rdnr. 43 ff. Beim betrieblich-branchenmäßigen Geltungsbereich wird auf die Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einem bestimmten Wirtschaftszweig abgestellt. Der beruflich-fachliche Geltungsbereich gibt an, für welche Arbeitnehmergruppen ein Tarifvertrag innerhalb eines Betriebes gelten soll. Vgl. H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, § 4 Rdnr. 71 ff., Rdnr. 90 ff.; W. Zöllner, 1983, S. 332. Der zeitliche Geltungsbereich bestimmt den Anfang und das Ende der Wirkung der tariflichen Rechtsnormen; H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, § 4 Rdnr. 124. 12 Vgl. W. Zöllner, 1983, S. 320 f.; H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, § 4 Rdnr. 238. Untertariflicher Lohn ohne arbeitsvertragliche Kompensationsleistungen gilt demzufolge immer als zuungunsten des Arbeitnehmers vereinbart (H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, § 4 Rdnr. 238). Diese Regelung wird begründet mit der Gefahr einer Schwächung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie in Krisenzeiten, wenn ein nicht ausschließlich am bestehenden Arbeitsverhältnis ausgerichteter Günstigkeitsvergleich möglich wäre, der in seiner Wirkung den Tarifvertrag aushöhlen würde (H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, § 4 Rdnr. 238). 13 Zur Öffnungsklausel siehe S. 113 f.
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Durch den Tarifvertrag wird somit ein "Mindestpreis" für die Arbeitsleistung (zumindest die der Organisierten) fixiert, der im Falle beidseitiger Tarifgebundenheit einem Unternehmen die Beschäftigung von Arbeitskräften unterhalb der Tarifnormen unmöglich macht. Die prinzipielle Problematik dieser Vorschrift aus arbeitsmarkt- bzw. beschäftigungspolitischer Sicht liegt darin, daß infolge der Geltung des Günstigkeilsprinzips bzw. bedingt durch dessen spezielle Interpretation zusätzliche (d. h. sonst mögliche) Beschäftigungsverhältnisse wenigstens zum Teil verhindert werden können, wenn und soweit die Beschäftigung eines Arbeitssuchenden aufgrund der geringen (Wert-)Grenzproduktivität seiner Arbeitsleistung aus der Sicht eines Arbeitgebers nur zu Bedingungen unterhalb des tariflich gesetzten Mindestniveaus rentabel wäre. Faktische Relevanz dürfte die arbeitsmarktpolitisch möglicherweise problematische Wirkung des Günstigkeitsprizips (bzw. seiner derzeitigen Auslegung) vor allem bei Überangebot auf dem Arbeitsmarkt erlangen. 14 Im Falle des Vorliegens bestimmter, in § 5 TVG spezifizierter Voraussetzungen kann- abweichend von den in§ 4 i. V. m. § 3 TVG getroffenen Regelungen zur Wirkung der Rechtsnormen eines Tarifvertrages - ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden (§ 5 Abs. 4 TVG). 15 Durch die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages wird der Geltungsbereich der Normen des betreffenden Tarifvertrages (normative wie auch dispositive Normen) auch auf die nicht- und die anders organisierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Außenseiter) ausgedehnt (vgl. § 5 Abs. 4 TVG); diese sind damit an den Tarifvertrag genauso gebunden wie Verbandsmitglieder. 16 Die bereits angesprochene prinzipielle Problematik des tarifrechtliehen Günstigkeilsprinzips kann im Falle eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages unter Umständen in verstärktem Maße relevant werden. Letzteres ist dann zu befürchten, wenn in Situationen mit Überangebot auf einem (Teil-)Arbeits14 Damit liegt die Entscheidung über das zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils realisierbare Volumen an rentablen Beschäftigungsverhältnissen bis zu einem gewissen Grade (auch) in der Hand der Tarifvertragsparteien. 15 Die Allgemeinverbindlicherklärung ist grundsätzlich durch den Bundesarbeitsminister auszusprechen (§ 5 Abs. 1 TVG); eine Delegation der Befugnis an die oberste Arbeitsbehörde eines Bundeslandes ist möglich, wenn der räumliche Geltungsbereich des Tarifvertrages nicht oder nur unwesentlich über ein Bundesland hinausgeht (§ 5 Abs. 6 TVG i. V. m. § 12 DVO). Siehe H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Rdnr. 36 zu § 5 TVG. Zum 1.1.1988 waren insgesamt 516 Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt. Die Zahl der Arbeitnehmer, die von den zum 1. 1. 1988 für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen erfaßt wurden, lag bei rund 4,5 Millionen. Siehe L. Clasen, 1988, s. 28 f. 16 Durch die Allgemeinverbindlicherklärung werden weder die Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Tarifvertrages ersetzt, noch ändern sich dadurch die Rechtswirkungen des Tarifvertrages. Auch tarifvertragliche Regelungen über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien können laut arbeitsgerichtlicher Entscheidung für allgemeinverbindlich erklärt werden. Vgl. zur Allgemeinverbindlicherklärung H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Rdnr. 71 ff. zu § 5 TVG.
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markt die in einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag getroffenen Vereinbarungen Arbeitsbedingungen festlegten, die von ihrem Niveau her in erheblichem Maße als Einstellungsbarrieren wirken würden, da bei Allgemeinverbindlicherklärung auch die nicht organisierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Einhaltung der Tarifvertragsnormen verpflichtet wären; die potentielle Konkurrenz nicht Tarifgebundener gegenüber den Organisierten würde ausgeschaltet. Unter diesen Umständen könnten durch die Allgemeinverbindlicherklärung ansonsten möglicherweise sich ergebende marktimmanente Ausgleichsprozesse verhindert bzw. die Bedeutung der faktischen Marktbedingungen für den Prozeß der Aushandlung von Tarifvereinbarungen vermindert werden. 17 In der Praxis sind die Tarifvertragsvereinbarungen im allgemeinen auch ohne Allgemeinverbindlicherklärung über den Kreis der jeweils unmittelbar tarifgebundenen Personen bzw. Betriebe hinaus von Bedeutung, d. h. die Arbeitsbedingungen der nichtorganisierten Arbeitnehmer entsprechen zumeist denen der Gewerkschaftsmitglieder. 18 Die tarifvertragliehen Arbeitsbedingungen können durch Bezugnahme auf den einschlägigen Tarifvertrag auch bei fehlender Tarifgebundenheit zur Grundlage des /der Arbeitsverhältnisse(s) gemacht werden (Bezugnahmeklausel, durch Abrede im Einzelarbeitsvertrag, durch Betriebsübung oder Betriebsvereinbarung), gelten dann aber nur mittelbar, d. h. kraft vereinbarter Geltung. 19 Die Tariflöhne haben hinsichtlich Niveau und Entwicklung einen erheblichen Einfluß auf die Effektivlöhne. 20 17 Eine weitere Voraussetzung für entsprechende beschäftigungshemmende Wirkungen einer Allgemeinverbindlicherklärung wäre, daß die Tarifvertragsnormen die alleinige und ausschlaggebende Einstellungsbarriere bilden. In jedem Fall müssen für eine Allgemeinverbindlicherklärung bestimmte, in§ 5 TVG genannte Voraussetzungen erfüllt sein (außerdem sind die Verfahrensvorschriften für eine Allgemeinverbindlicherklärung einzuhalten). Die entscheidungsbefugte Stelle (grundsätzlich der Bundesarbeitsminister) ist an die eine Allgemeinverbindlicherklärung befürwortende Stellungnahme des Tarifausschusses nicht gebunden. 18 Vgl. G. Halbach u. a., 1987, S. 242; L. Clasen, 1988, S. 26. Die Arbeitgeber (insbesondere jene, die tarifgebunden sind) dürften im allgemeinen an einer diesbezüglich gleichen Behandlung ihrer Beschäftigten interessiert sein - schon um den Arbeitnehmern keine zusätzlichen Anreize zum Gewerkschaftsbeitritt zu geben. Vgl. zu diesem Argument W. Zöllner, 1983, S. 340 f. Außerdem bedeutet eine (annähernd) gleiche Gestaltung der Arbeitsbedingungen von nicht tarifgebundenen im Vergleich zu gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern eine Erleichterung für die betriebliche Personalverwaltung (z. B. bei der Entgeltabrechnung). 19 Vgl. W. Zöllner, 1983, S. 331. Durch die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag wird keine Tarifgebundenheit im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 begründet, der Arbeitgeber kann sich folglich durch Kündigung des Arbeitsvertrages bzw. der Betriebsvereinbarung von der Geltung einer Bezugnahmeklausel befreien; auch die gleichzeitige Vereinbarung untertariflicher Arbeitsbedingungen mit einem (nicht tarifgebundenen) Arbeitnehmer wird in diesem Zusammenhang für zulässig gehalten. Siehe W. Zöllner, 1983, S. 331. Vgl. zu diesem Fragenkreis auch P. Hector, 1988, S. 26 ff., v. a. S. 31. 2o Es ist davon auszugehen, daß die Tariflohnentwicklung die Effektivlohnentwicklung gleichsam "vor sich herschiebt" (,,Aufstockungsthese"), auch wenn die sogenannte
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Das rechtliche Verhältnis zwischen Tarifebene und einzelbetrieblicher Ebene bzw. zwischen Tarifverträgen (v. a. überbetrieblich vereinbarten Verbandstarifverträgen) und Übereinkünften auf betrieblicher Ebene (zwischen Arbeitgeber bzw. Unternehmensleitung und Betriebsrat, v. a. Betriebsvereinbarungen) bestimmt sich insbesondere nach den im Betriebsverfassungsgesetz getroffenen Regelungen (§ 77 Abs. 3 S. 1 und § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG). Aus den §§ 77 Abs. 3 S. 1, 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ergibt sich im Verhältnis von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung eine "Sperrwirkung" zugunsten des Tarifvertrages im Sinne eines Tarifvorrangs bzw. -vorbehalts (,,Normsetzungsprärogative" der Tarifvertragsparteien). 21 Gemäß § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG sind Betriebsvereinbarungen über "Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen" unzulässig, soweit eine (anwendbare) Regelung durch Tarifvertrag vorliegt oder eine solche jedenfalls üblicherweise besteht. 22 Ferner besteht in den in § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten gemäß § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur insoweit, als für die in Frage stehenden Angelegenheiten keine Regelung durch einen geltenden und im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag existiert. 23 Die Tarifpartner haben allerdings die Möglichkeit, auf ihre ,,Normsetzungsprärogative" (nach § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG) zu verzichten und im Tarifvertrag den Abschluß ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zuzulassen(§ 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG). 24 Um einen bloß rahmensetzenden Verbandstarifvertrag abzuschließen, der auf einzelbetrieblicher Ebene Raum für die Konkretisierung entsprechend den jeweiligen Erfordernissen des Betriebes bzw. Unternehmens läßt, können die Tarifvertragsparteien anstatt oder in Verbindung mit der Vereinbarung einer Öffnungsklausel im jeweiligen TarifLohndrift (d. h. die Differenz zwischen der Wachstumsrate der Effektivlöhne und derjenigen der Tariflöhne) im Zeitablauf gewissen Schwankungen unterliegt; vgl. z. B. B. Külp, 1963, S. 166-182; J. Blum, 1983. 21 G. Halbach u. a., 1987, S. 296; W. Moll, 1980, S. 18 ff., v. a. S. 20 f. (bezügl. § 87 Abs. 1 BetrVG) sowie S. 37 (bezügl. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG). Vgl. hierzu im Hinblick auf die neuere Entwicklung in der Tarifvertragspraxis (v. a. die Bestimmungen des Manteltarifvertrages Metall i. d. Fassung vom 3. 7. 1984) auch R. Bender, 1987, S. 11171121. 22 Nach herrschender Lehre werden von der Sperrwirkung nur ,,materielle" Arbeitsbedingungen erfaßt; siehe W. Zöllner, 1983, S. 436. Geprüft wird das Vorliegen bzw. die "Üblichkeit" einer tariflichen Regelung anband der Elemente des tarifvertragliehen Geltungsbereiches mit Ausnahme des persönlichen, d. h. unerheblich ist die Frage der Tarifgebundenheit des einzelnen Arbeitgebers und die Zahl der tarifgebundenen Arbeitnehmer im Betrieb; vgl. W. Zöllner, 1983, S. 436 f., K. Fitting u. a., 1987, § 77 BetrVG, Anm. 54 ff., v. a. Anm. 58, jeweils mit weiteren Nachweisen. 23 G. Halbach u. a., 1987, S. 296. 24 Betriebliche "Öffnungsklausel" (Tariföffnungsklausel), als Ausnahme vom grundsätzlichen Vorrang des Tarifvertrages (vgl. § 4 Abs. 3 TVG). Durch eine Tariföffnungsklausel können den Tarifvertrag ergänzende oder von diesem abweichende Betriebsvereinbarungen zugelassen werden. Eine auf der Grundlage einer Tariföffnungsklausel zustandekommende Betriebsvereinbarung erlangt (wie jede Betriebsvereinbarung) für alle Arbeitnehmer im Betrieb Wirkung. Vgl. im einzelnen G. v. Hoyningen-Huene, U. Meier-Krenz, 1988, S. 293-318, hier S. 301 ff. 8 Lampert
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vertrag ferner die Gestaltung mittels einer sogenannten Bestimmungsklausel wählen: bestimmte Arbeitsbedingungen werden in diesem Fall tarifvertraglich nicht bis in alle Einzelheiten geregelt, sondern es werden nur Rahmenbedingungen vorgegeben; gleichzeitig wird im Tarifvertrag festgelegt, daß die zunächst unbestimmten Bedingungen von den im Tarifvertrag bestimmten Personen oder Stellen konkretisiert werden sollen. 25 Für den Bereich der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei den in§ 87 BetrVG geregelten erzwingbaren Mitbestimmungstatbeständen besteht darüberhinaus gemäߧ 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ein sogenannter konkreter Tarifvorrang 26, wonach ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nur gegeben ist, soweit für die in Frage stehenden Angelegenheiten keine Regelung durch einen geltenden und im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag besteht. 27 2.1.2. Begründungen für die tarifrechtliehen Bestimmungen Den Verbänden der Arbeitsmarktparteien wird durch Verfassung und Gesetz ermöglicht und - innerhalb gewisser Grenzen - garantiert, auf der Grundlage des Rechts der Koalitionsfreiheit im Rahmen der Tarifautonomie in kollektivvertragliehen Vereinbarungen Mindestnormen für die Arbeitsentgelte und die sonstigen Arbeitsbedingungen festlegen zu können. Darüberhinaus werden die Koalitionen (in Bestand und Handeln) gegenüber staatlichen Eingriffen wie auch gegenüber Vereinbarungen aufbetrieblicher und einzelvertraglicher Ebene in bestimmtem Umfang geschützt. Allerdings kann dieser vergleichsweise umfassende Schutz des Tarifvertragssystems durch das kollektive Arbeitsrecht wie angesprochen unter bestimmten Bedingungen ökonomisch beziehungsweise beschäftigungspolitisch nachteilige Wirkungen haben; insoweit bedürfen diese Regelungen daher einer besonderen Begründung. Gerechtfertigt werden die besonderen Schutzbestimmungen zugunsten des Tarifvertragssystems in der sozial- und arbeitsmarktpolitischen sowie arbeits2s Ist im Tarifvertrag eine sogenannte Bestimmungsklausel vereinbart, so werden bezüglich bestimmter Arbeitsbedingungen tarifvertraglich nur Rahmenbedingungen vorgegeben, mit der Maßgabe, daß von den im Tarifvertrag bestimmten Personen oder Stellen eine Konkretisierung der unvollständigen tariflichen Rahmenregelung vorzunehmen ist. Vgl. hierzu z. B. G. v. Hoyningen-Huene, U. Meier-Krenz, 1988, S. 293-318, hier S. 295 ff. 26 Vgl. § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG; siehe auch G. Halbach u. a., 1987, S. 306. 27 G. Halbach u. a., 1987, S. 296; vgl. auch W. Zöllner, 1983, S. 458; K. Fitting u. a., 1987, § 87 BetrVG, Anrn. 7. Die Sperrwirkung nach§ 77 Abs. 3 BetrVG einerseits und§ 87 Abs. 1 BetrVG andererseits unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Wirkungen, sie stehen zueinander in Konkurrenz und kommen nebeneinander zur Anwendung (,,Zwei-Schranken-Theorie"); vgl. W. Zöllner, 1983, S. 458. Die "Vorrangtheorie" betrachtet demgegenüber § 87 Abs. 1 BetrVG als die gegenüber § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG speziellere und damit vorrangige Norm. Siehe im einzelnen K. Fitting u. a., 1987, § 87 BetrVG, Anm. 7; W. Moll, 1980, S. 34 ff., v. a. S. 39.
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rechtlichen Literatur wie auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im allgemeinen mit den vorteilhaften Wirkungen eines Tarifvertrages. 28 Für die Arbeitnehmer hat der Tarifvertrag eine Schutzfunktion, indem er angemessene Arbeitsbedingungen bzw. ein Mindesteinkommen sichert, auch und gerade unter ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen und bei Überangebot an Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt. 29 Spiegelbildliche Wirkungen entfaltet der unabdingbare Tarifvertrag auch auf seiten der Unternehmen als Arbeitsnachfrager, und zwar insoweit, als durch einen Tarifvertrag der relevante Teilarbeitsmarkt (zeitlich befristet) "geordnet" wird. 30 Somit kann ein gegenseitiges Herunterkonkurrieren der Arbeitsbedingungen und Arbeitsentgelte der Beschäftigten unter ein Mindestniveau unter dem Druck des Wettbewerbs, der zwischen den Unternehmen auf dem Absatzmarkt sowie zwischen den Arbeitnehmern auf dem Arbeitsmarkt besteht, für den Geltungsbereich eines Tarifvertrages durch das Prinzip der Unabdingbarkeil der Tarifnormen weitgehend (nämlich innerhalb des Kreises der Tarifgebundenen) verhindert werden. 31 Die tariflichen Arbeitsbedingungen vereinheitlichen die Mindestkosten des Produktionsfaktors Arbeit für die Betriebe im Geltungsbereich eines Tarifvertrages in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht (je nach Geltungsumfang der Tarifbindung in zunehmend umfassender Weise). 32 Auf Arbeitgeberseite besteht vermutlich auch heute noch ein erhebliches Interesse daran, für die Unternehmen eines Tarifgebietes bezüglich des Einsatzes des Faktors Arbeit gleiche Wettbewerbsbedingungen - im Sinne gleicher tarifvertraglicher Mindestarbeitsbedingungen - zu schaffen. 33 Durch die Festlegung von Mindestnormen werden Schwankungen in den Arbeitsbedingungen nach einer Seite hin begrenzt; diese Schutz- und Ordnungsfunktion kann ein Tarifvertrag aber nur erfüllen, wenn die darin festgesetzten Mindeststandards bezüglich der Arbeitsbedingungen nicht durch konkurrierende Tarifaußenseiter (Arbeitnehmer wie Arbeitgeber) unterboten werden können. 34 Das Prinzip der Unabdingbarkeil ist somit Funktionsgrundlage der Schutz- und Ordnungswirkung, letztere wiederum bildet - wie erwähnt - eine wesentliche Begründung für die Entscheidung zugunsten eines Tarifvertragssystems. 35 28 Vgl. z. B. G. Halbach u. a., 1987, S. 244; H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Einleitung Rdnr. 1 ff.; H. Eisold, 1989a, S. 96. 29 Siehe z. B. BVerfGE 44, 322. 30 Vgl. z. B. H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Einleitung Rdnr. 5 ff., insbesondere Rdnr. 9; G. Hueck, H. C. Nipperdey, 1967, S. 657. 31 Vermeidung von ruinöser Konkurrenz der Arbeitnehmer um die Arbeitsplätze sowie einer Überwälzung wettbewerbsbedingter Lasten auf den Arbeitsmarkt ("Schmutzkonkurrenz") durch die Arbeitgeber. Vgl. z. B. G. Hueck, H. C. Nipperdey, 1967, S. 657. 32 H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Einleitung Rdnr. 9. Für die (tarifgebundenen) Unternehmen wird auf bestimmte und begrenzte Zeit eine feste Kalkulationsgrundlage bezüglich der Arbeitskosten geschaffen; H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Einleitung Rdnr. 6. Vgl. auch BDA, 1987, S. 31. 33 Vgl. G. Kleinhenz, 1987, S. 12. 34 H.-D. Hardes, 1988, S. 59; H. Lampert, 1986, S. 183 f.
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Insoweit als durch Tarifverträge somit angemessene Mindestarbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer gewährleistet und die Arbeitsmärkte geordnet werden, erweist sich die Tarifautonomie fürAnbieterund Nachfrager von Arbeitsleistungen gleichermaßen als vorteilhaft. Darüberhinaus sind Tarifverträge nach verbreiteter Auffassung auch aus gesamtwirtschaftlicher bzw. -gesellschaftlicher Sicht vorteilhaft, da (bzw. soweit als) durch kollektivvertragliche Vereinbarungen zwischen den Arbeitsmarktparteien im allgemeinen eine Entschärfung und Kanalisierung des Verteilungskonflikts zwischen den an der Produktion beteiligten Faktoren Kapital und Arbeit auf betrieblicher, überbetrieblicher und gesellschaftlicher Ebene möglich wird. Das auf Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie basierende Instrument Tarifvertrag ermöglicht es (prinzipiell) den beteiligten gesellschaftlichen Gruppen, die zwischen ihnen auftretenden Interessenkonflikte in kontrollierter und kanalisierter Form auszutragen (jedenfalls soweit sie den Bereich der Teilhabe der an der Produktion beteiligten Faktoren am Ertrag dieser Produktion betreffen). Insofern trägt die Tarifautonomie und das auf ihr fußende Tarifvertragssystem dieser Auffassung entsprechend wesentlich zur Sicherung des sozialen Friedens in der Gesellschaft bei ("Friedensfunktion" des Tarifvertrages). 36 Eine Festlegung der Arbeitsbedingungen mittels kollektivvertraglicher Aushandlung kann daneben aus gesamtwirtschaftlicher Sicht stabilisierend für den Wirtschaftsablauf wirken, sofern es hierdurch möglich ist, gesamtwirtschaftliche Aspekte bei der Vereinbarung der Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen (Stabilisierungsfunktion). 37 Der potentiellen Funktionalität eines Tarifvertragssystems in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung ist in Art. 9 Abs. 3 GG und im TVG Rechnung getragen worden; auf dieser Argumentation beruht auch die Begründung für die in § 5 TVG festgelegte Möglichkeit, einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären. 38 Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist § 5 TVG mit der Verfassung vereinbar. 39 Das Interesse nicht Tarifgebundener an der Wahrung ihres Grundrechts auf negative Koalitionsfreiheit wird durch 35 § 4 Abs. 1 S. I TVG wäre insoweit anzusehen als Resultat bzw. Konkretisierung einer Wertentscheidung des Gesetzgebers (nämlich zugunsten der Bejahung des Ordnungsprinzips Tarifautonomie). Vgl. H. Lampert, 1986, S. 184; siehe auch Abschnitt I. 2.3. Die tarifrechtliche Absicherung der Unabdingbarkeil löst sozusagen eine auf der einzelwirtschaftlichen Ebene bestehende "Prisoner's Dilemma Situation" auf. Vgl. F. Buttler, 1987, S. 203-224, hier S. 216 f. u. S. 219 f. 36 Vgl. H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Einleitung Rdnr. 14; BDA, 1985, S. 34; BDA, 1988, S. 41. 37 Vgl. H. Eisold, 1989a, S. 96. Zur Problematik der Tarifautonomie siehe Abschnitt I. 3.2.1. sowie 2.4. in diesem Kapitel. Die Ambivalenz des Tarifvertrages auch und gerade unter gesamtwirtschaftlichem Aspekt und die jedem Tarifvertrag zumindest prinzipiell immanente Gefahr einer Einigung der Vertragspartner zulasten Dritter sind seit langem bekannt; vgl. z. B. W. Zimmermann, 1928. 38 Zum Inhalt der Allgemeinverbindlicherklärung vgl. S. 111 f. 39 BVerfGE 44, 322 (338).
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die Regelungen bezüglich der Allgemeinverbindlicherklärung nicht verletzt. 40 Die Entscheidungsfreiheit des Bundesarbeitsministers bleibt gewahrt. 41 § 5 TVG ist, so das Bundesverfassungsgericht, im Zusammenhang mit der in Art. 9 Abs. 3 GG ausgesprochenen Verfassungsgarantie und der Intention des Gesetzgebers zu sehen. 42 Mit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages solle die "Durchsetzungskraft" tarifvertraglicher Normen erhöht und die "Effektivität der tarifvertragliehen Normsetzung" speziell in Wirtschaftsbereichen mit geringem tariflichen Organisationsgrad gesichert werden. 43
Mit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages wird somit nach allgemeiner, vor allem auch im juristischen Schrifttum verbreiteter Interpretation bezweckt, die Funktionalität tarifvertraglicher Normsetzung 44 auch in den Fällen sicherzustellen, in denen die Koalitionen diese Aufgabe nicht allein erfüllen können - sofern zu diesem Zweck ein staatliches Eingreifen erforderlich erscheint. 45 Tariftreue bzw. tarifgebundene Arbeitgeber sollen vor Unterbietungswettbewerb geschützt werden, ebenso soll der Schutz auf den Kreis der nicht organisierten Arbeitnehmer erstreckt werden mit dem ,,Ziel, den Außenseitern angemessene Arbeitsbedingungen zu sichern". 46 Der Schutzzweck und die Ord40 Vgl. BVerfGE 44, 322 (346 ff., 352), zur Vereinbarkeil der gesetzlichen Regelung der Allgemeinverbindlicherklärung mit der negativen Koalitionsfreiheit siehe vor allem BVerfGE 44, 322 (352). Dem Aspekt des Außenseiterschutzes wird in den Vorschriften zum Antrags- und Entscheidungsverfahren hinsichtlich der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages Rechnung getragen; vgl. § 5 Abs. 2 TVG bzw. die Durchführungsverordnung zum TVG (Verordnung zur Durchführung des Tarifvertragsgesetzes (DVO) vom 20.2.1970 (BGBI. I, S. 193), geändert durch die Verordnung vom 19.12.1988 (BGBI. I, S. 2307), in der Neufassung bekanntgemachtarn 16.1.1989 (BGBI. I, S. 77)). 41 Der Bundesarbeitsminister kann eine Allgemeinverbindlicherklärung nicht gegen ein ablehnendes Votum des Tarifausschusses aussprechen, ist aber umgekehrt an eine die Allgemeinverbindlicherklärung befürwortende Entscheidung des Tarifausschusses nicht gebunden. Siehe H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, § 5 Rdnr. 50 ff., hier v. a. Rdnr. 50f. 42 BVerfGE 44, 322 (338). 43 BVerfGE 34, 307 (316 ff.); BVerfGE 44, 322 (342). Die Allgemeinverbindlicherklärung bezwecke, eine "Schmutzkonkurrenz" zu verhindern, sie habe insofern instrumentelle Bedeutung, nämlich als Mittel, die von Artikel 9 Abs. 3 GG intendierte, autonome Ordnung des Arbeitslebens durch die Koalitionen abzustützen. Vgl. BVerfGE 44, 322 (342). Verwiesen wird dabei auch auf die einschränkende Bedingung des Vorliegens eines öffentlichen Interesses (vgl. § 5 Abs. 1 Ziffer 2 TVG). 44 Als Ausdruck der den Koalitionen vom Gesetzgeber zugewiesenen Aufgabe, das Arbeitsleben autonom in sinnvoller Weise zu ordnen. 45 Diese prinzipiell subsidiäre Regelungszuständigkeit des Staates habe dann einzugreifen, wenn die Koalitionen ihre Aufgabe "im Einzelfall nicht allein erftillen können und die soziale Schutzbedürftigkeit einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen oder ein sonstiges öffentliches Interesse" staatliches Eingreifen erfordern; BVerfGE 44, 322 (342). Vgl. auch H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Rdnr. 2 ff. zu § 5; G. Hueck, H. C. Nipperdey, 1967, S. 654 ff. 46 BVerfGE 44, 322 (342). Damit wird in noch umfassenderer Weise eine Absenkung der Arbeitsbedingungen unter ein aus sozialpolitischen Erwägungen als wünschenswert
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nung des betreffenden Teilarbeitsmarktes können ohne gesetzliche Regelung erreicht werden. 47 Der aus der Funktionalität tarifvertraglicher Normsetzung heraus zu begründende umfassende Schutz des Tarifvertragssystems bzw. der Tarifautonomie greift- wie dargestellt- auch gegenüber der betrieblichen Ebene: die rechtliche Vorrangstellung des Tarifvertrages gegenüber der Betriebsebene im Bereich der Arbeitsentgelte und sonstigen Arbeitsbedingungen (§§ 77 Abs. 3 S. 1, 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG) dient dazu, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie (ihrem Verfassungsrang entsprechend) zu sichern. Um eine Störung bzw. die (faktische) Aushöhlung der Tarifautonomie durch die Betriebsverfassung zu verhindern, werden die Träger der Tarifautonomie in ihrer Funktion und Bedeutung durch Statuierung eines "Tarifvorranges" geschützt. 48 Gleichwohl müssen die Tarifvertragsparteien vom Gesetzgeber verfügte Beschränkungen ihrer Position und Maßnahmen zur Fortbildung des Tarifvertragssystems hinnehmen, solange Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie in ihrem Kernbereich unangetastet bleiben. 49
2.2. Die Kritik an der Tarifautonomie und Vorschläge zur Modifikation der Tarifautonomie Die Kritik an der Tarifautonomie in ihrer gegenwärtigen Form, die gerade neuerdings von ökonomischer wie von juristischer Seite verstärkt vorgebracht wird, geht weitgehend übereinstimmend von der These aus, daß angesichts tatsächlicher oder angeblicher Fehler in Konzeption und I oder Praxis der Tarifautonomie Änderungen in der Verteilung der Vereinbarungsbefugnisse bezüglich der Arbeitsbedingungen notwendig sind, um durch einen höheren Anpassungsgrad der Arbeitsbedingungen an die Marktgegebenheiten die herrschende Arbeitslosigkeit zu verringern bzw. zu beseitigen. Diskutiert werden hauptsächlich zwei angesehenes Mindestniveau vermieden. Ferner soll ein Verdrängungsprozeß zu Lasten organisierter Arbeitnehmer (bzw. eine Selektion Arbeitsloser nach der Gewerkschaftszugehörigkeit) verhindert werden. 47 Das Bundesverfassungsgericht sieht darin einen Vorteil der Allgemeinverbindlicherklärung. Die Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG ist "ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung"; BVerfGE 44, 322 (340). Die Garantie des Kernbereichs spezifisch koalitionsgemäßer Betätigung soll damit möglichst angemessen berücksichtigt werden; BVerfGE 44, 322 (345). 48 G. Halbach u. a., 1987, S. 296 (kritisch zu diesem "teleologische[n] Moment" des Tarifvorranges z. B. R. Bender, 1987, S. 1119 f.). Daher ist es auch nicht zulässig, mittels Betriebsvereinbarung die Normen eines Tarifvertrages ohne Inhaltsänderungen für einen Betrieb als Ganzes zu übernehmen, d. h. unter Erstreckung der tariflichen Bestimmungen auf alle Beschäftigten einschließlich der nicht organisierten Arbeitnehmer (G. Halbach u. a., 1987, S. 296; W. Moll, 1980, S. 51 f.). Der Grund ist darin zu sehen, daß auch sogenannte "tarifübernehmende" Betriebsvereinbarungen die Attraktivität der Tarifvertragsparteien (insbesondere der Gewerkschaften) beeinträchtigen könnten; zu dieser Argumentation vgl. z. B. W. Moll, 1980, S. 52. 49 Vgl. auch BVerfGE 50, 290 ff., hier v. a. S. 366 ff.
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Wege einer Änderung der Arbeitsmarktordnung 1: Einerseits wird vorgeschlagen, die Befugnisse bzw. Zuständigkeiten hinsichtlich der kollektiven Aushandlung der Arbeitsbedingungen neu zu verteilen, im Sinne einer Stärkung der Kompetenzen der Akteure auf der betrieblichen Ebene (Arbeitgeber und Betriebsrat) bzw. einer Abschwächung des grundsätzlichen Vorrangs der tariflichen Vereinbarungsebene (siehe hierzu Abschnitt III. 2.2.2.). 2 Darüberhinaus werden aber z. T. auch noch umfassendere Änderungen im Tarifrecht für erforderlich gehalten, da, so die Begründung, die Arbeitslosigkeit sich nur durch Wiederherstellung bzw. Stärkung des Wettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt und eine Korrektur der konstatierten "Konstruktionsfehler" der Arbeitsmarktordnung beseitigen lasse 3; gefordert wird die Zulassung eines beidseitig intensiveren individuellen Wettbewerbs auf den Arbeitsmärkten einschließlich der Möglichkeit zur Vereinbarung untertariflicher Arbeitsbedingungen (vgl. Abschnitt III. 2.2.1.).
2.2.1. Eingeschränkter Individualwettbewerb auf dem Arbeitsmarkt als Folge der Tarifautonomie
2.2.1.1. Die Kritik an der Tarifautonomie Die in der Bundesrepublik verwirklichte Form der Arbeitsmarktordnung durch die Tarifautonomie der Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und das bestehende Tarifvertragssystems verhindern einen unbegrenzten Wettbewerb 1 Vgl. zu dieser Form der Unterscheidung auch H.-D. Hardes, 1988, S. 55 f.; ähnlich auch H. Eisold, 1989b. Die Befürworter von Maßnahmen zur Flexibilisierung des Tarifvertragssystems sind nicht immer eindeutig und ausschließlich einer der beiden Richtungen zuzuordnen; ferner bestehen teilweise deutliche Auffassungsunterschiede in der Frage, wie weit Modiflkations- bzw. Deregulierungsmaßnahmen hinsichtlich der Arbeitsmarktordnung reichen müßten bzw. inwieweit Wettbewerbselemente auf dem Arbeitsmarkt wiederhergestellt bzw. gestärkt werden sollten. 2 Fragen des Verhältnisses zwischen der Tarifvertragsebene und der Ebene der Mitbestimmung (nach BetrVG) sowie speziell nach dem Sinn und Zweck des tariflichen Vorrangprinzips gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG haben im Zusammenhang mit der Vereinbarung flexiblerer tariflicher Arbeitszeiten in den Tarifverträgen der Metallindustrie im Jahre 1984 in Rechtsprechung und arbeitsrechtlichem Schriftum verstärkt an Bedeutung gewonnen. Einer der Problempunkte des Manteltarifvertrages Metall von 1984 liegt in der Frage, ob durch die spezielle Art der Tarifvertragsgestaltung die nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer unzulässig in den Tarifvertrag einbezogen sind. Ausgangspunkt der Kontroverse ist die in diesem getroffene Vereinbarung, wonach die Verkürzung der Arbeitszeit, die als tarifliche Inhaltsnorm unmittelbar nur für organisierte (tarifgebundene) und bei tarifgebundenen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer gilt, in ihrer konkreten Form mittels Betriebsvereinbarung festgelegt werden soll, da eine Betriebsvereinbarung grundsätzlich für alle im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer gilt (unabhängig von deren Gewerkschaftszugehörigkeit). Vgl. R. Bender, 1987, S. 1117 f., mit Nachweisen zum kontroversen Meinungsstand hinsichtlich der rechtlichen Bewertung dieser Tarifvertragsnorm. 3 In diesem Sinne R. Vaubel, 1989, S. 30, der fordert, das Tarifvertragsrecht müsse "liberalisiert", d. h. für die Arbeitslosen "geöffnet" werden; siehe ebd., S. 30 u. S. 32.
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auf dem Arbeitsmarkt. Diese spezifische Ordnungsform der Arbeitsmärkte wird in der neueren arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Diskussion häufig als ein wesentlicher Grund dafür angesehen, daß die in der Bundesrepublik seit längerem bestehende hohe Arbeitslosigkeittrotz einer vergleichsweise günstigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in den Jahren nach 1983 nicht nachhaltig gesunken ist. Die Argumentation der Vertreter dieser Auffassung geht aus von der neoklassisehen Markt- bzw. Gleichgewichtstheorie: im Falle einer nur durch die Arbeitsmarktbedingungen bestimmten Lohnbildung mit einem ungehindert wirkenden Lohnmechanismus würden Ungleichgewichtslagen auf dem Arbeitsmarkt (bzw. auf den Arbeitsmärkten) infolge dadurch ausgelöster, korrigierend wirkender Lohnbewegungen kurz- bis mittelfristig beseitigt. 4 Eine Situation anhaltend hoher Arbeitslosigkeit mit einer Strukturierung nach Wirtschaftszweigen, Regionen und Arbeitnehmermerkmalen ist gemäß dieser Argumentation als Folge eines zu hohen und starren Reallohnniveaus sowie verzerrter bzw. unbeweglicher ("rigider") inter- wie auch intraindustrieller Lohnstrukturen anzusehen. 5 Entsprechend dieser Position liegt der Grund für die zu geringe Reagibilität der Löhne bzw. Lohnstrukturen im Falle geänderter Arbeitsmarktbedingungen letztlich in der spezifischen Gestalt der deutschen Arbeitsmarktordnung und der daraufberuhenden Form der Lohnbestimmung; das seit längerer Zeit hohe Niveau und die Struktur der Arbeitslosigkeit sei Folge einer ordnungsinduzierten Fehlkoordination von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage auf dem Arbeitsmarkt. 6 Damit stellt sich die Frage nach den Determinanten des Verhaltens der Kollektivverbände der Arbeitsmarktparteien. Kritiker der deutschen Tarifautonomie und des Tarifvertragssystems verwenden in ihren Analysen des Gewerkschaftsverhaltens (implizit oder explizit) zumeist Interpretationsmuster aus der Wohlfahrtstheorie und der mikroökonomischen Gewerkschaftstheorie. Die mikroökonomische bzw. wohlfahrtstheoretische Interpretation des Gewerkschaftsverhaltens geht aus von der Annahme, eine Gewerkschaft handle - als MonopolanbieteT von Arbeitsleistungen - gemäß einer utilitaristischen Nutzenfunktion mit den Argumenten Lohnhöhe und Beschäftigungsgrad der Gewerkschaftsmitglieder. 7 Im Modell des bilateralen Ar4 In der neoklassischen Lohntheorie wird für den Arbeitsmarkt von einer im relevanten Bereich mit der Lohnhöhe ansteigenden Arbeitsangebots- sowie einer fallenden Arbeitsnachfragefunktion ausgegangen. s These der auf ,,klassische[n)" Ursachen beruhenden Arbeitslosigkeit; siehe R. Vaubel, 1989, S. 20. Vgl. ferner N. Berthold, 1989, S. 233 f. Siehe auch III. 3.1. 6 Soltwedel spricht von einem "Konstruktionsfehler der Arbeitsmarktverfassung"; siehe R. Soltwedel, 1986, S. 388. 7 Vgl. z. B. die Argumentation bei R. Vaubel, 1989, S. 23 f. Im Monopol-Modell werden Gewerkschaften als Monopolanbieter von Arbeitsleistungen homogener Arbeitskräfte eines Industriezweigs interpretiert; die Möglichkeit von Verhandlungen der Gewerkschaft mit den Arbeitgebern bzw. einer Arbeitgeberorganisation wird dabei nicht berücksichtigt, ebensowenig die Möglichkeit intragewerkschaftlicher lnteressendivergenzen. Vgl. zu verschiedenen Theorien der Gewerkschaften C. Schnabel, 1989, vor allem S. 114 ff.
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beitsmarktmonopols werden demgegenüber Verhandlungen miteinbezogen, die Lohnbestimmung wird als Aushandlungsprozeß zwischen einer Gewerkschaft als Angebotsmonopolist und einem Arbeitgeberverband (Nachfragemonopol) interpretiert. 8 Analog zur preis- bzw. allokationstheoretischen Analyse von Gütermarktmonopolen hat sowohl im Modell des gewerkschaftlichen Angebotsmonopols am Arbeitsmarkt als auch im Fall des bilateralen Arbeitsmarktmonopols die Tarifpolitik im allgemeinen nachteilige Konsequenzen für das Sozialprodukt (bzw. Sozialproduktwachstum) sowie negative Beschäftigungs- und Wohlfahrtseffekte. 9 Die preistheoretische Sichtweise ist von ihrem Erklärungsgehalt her zunächst auf mikroökonomische Zusammenhänge beschränkt und somit nicht unbedingt für die Erklärung der Arbeitsmarktzusammenhänge auf gesamtwirtschaftlicher Ebene geeignet. Allerdings wird den aus der preistheoretischen Mikroanalyse abgeleiteten, von der Existenz bzw. dem Handeln von Gewerkschaften ausgehenden Wirkungen (im Vergleich zu einem reinen Wettbewerbsmarkt) mit zunehmendem Grad der Zentralisierung von Tarifvereinbarungen wachsende Erklärungsrelevanz auch für die Makrorelationen beigemessen. 10 Ein Schwachpunkt dieses "einfachen Monopolmodells" zur Analyse des Gewerkschaftsverhaltens ist darin zu sehen, daß entgegen der Annahme im Monopolmodell die Einkommens- und Beschäftigungsinteressen der Gewerkschaftsmitglieder vermutlich nicht gleichartig sind. Die einfache allokationstheoretische Monopol-Argumentation ist damit für sich genommen für die Analyse des Verhaltens von Arbeitsmarktverbänden unzureichend. In der ökonomischen (Gewerkschafts-)Theorie versucht man diesen Mangel durch Rückgriff auf Elemente einer politökonomischen Analyse zu umgehen. 11 Aus der entsprechend erweiterten theoretischen Basis folgt hinsichtlich des Gewerkschaftsverhaltens die Erwartung, daß Gewerkschaften mit überwiegend demokratisch strukturierter Binnenorganisation (wie in den westlichen Industrieländern) zu Lasten des Beschäftigungsziels eine aggressive Lohnpolitik betreiben dürften. 12 In Verbindung mit der sogenannten "insider-outsider-Hypothese" 8 Im Fall des bilateralen Arbeitsmarktmonopols wird ein rentenmaximierendes Verhalten der Gewerkschaft unterstellt (analog zur gewinnmaximierenden Unternehmung). Es gibt kein eindeutiges Marktergebnis. Vgl. die Darstellung bei D. Meyer, 1988a, S. 90 ff. Zum Modell des bilateralen Monopols vgl. ferner C. Schnabel, 1989, hier S. 100 ff. 9 D. Meyer, 1988a, S. 90 ff.; C. Schnabel, 1989, S. 116 ff. 10 Vgl. C. Schnabel, 1989, S. 149 f. Eine entsprechende (preistheoretische) Analyse findet sich z. B. bei D. Meyer, 1988a, S. 90 ff. 11 Vgl. zur folgenden Darstellung z. B. N. Berthold, 1989, S. 236 ff.; N. Berthold, 1987, S. 172 ff., S. 174 ff.; B. Külp, 1987, S. 104 ff. 12 In demokratisch strukturierten Gewerkschaften wird die Gewerkschaftsführung nur wiedergewählt werden, wenn sie die Interessen der Mehrheit der Mitglieder vertritt. Kann der innergewerkschaftliche Willensbildungsprozeß mit Hilfe des sogenannten Medianwähler-Modells modelltheoretisch zutreffend erklärt werden, so wird die Gewerkschaftsführung die Interessen des Medianwähler-Mitglieds vertreten. Wenn das ,,Median-
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schließlich folgt die Erwartung, daß die Gewerkschaften, sobald die (alle) Gewerkschaftsmitglieder einen Arbeitsplatz haben, dem Ent- bzw. dem Bestehen von Arbeitslosigkeit nur noch wenig Bedeutung beimessen werden. 13 Vielmehr, so die These, verfolgten Gewerkschaften in diesem Fall eher eine nur noch an den Interessen der Beschäftigten orientierte, "aggressive" Tarifpolitik, und zwar um so mehr, je besser die Kosten der gewerkschaftlichen Politik zumindest teilweise externalisiert werden können. 14 Anreize zu expansiver Lohnpolitik bieten dieser Argumentation nach vor allem dezentral strukturierte Tarifverhandlungssysteme, da es in einem dementsprechend ausgestalteten Verhandlungsrahmen den Gewerkschaften erleichtert werde, Sondervorteile für bestimmte Arbeitnehmergruppen zu erringen und die Kosten dieser Politik zu "mediatisieren". 15 Persistente gesamtwirtschaftliche Arbeitslosigkeit (wie z. B. in der Bundesrepublik und anderen europäischen Ländern) wäre darauf zurückzuführen, daß sich ein infolge ,,kontraktiver Schocks" (Angebotsschocks wie etwa in den frühen siebziger Jahren) und I oder zurückgehender gesamtwirtschaftlicher Nachfrage (so zu Beginn der achtziger Jahre) quasi schubweise erhöhtes Niveau der Arbeitslosigkeit durch in der Folgezeit zu hohe Lohnforderungen der Beschäftigten verfestigte und mitglied" im Vergleich zum Durchschnitt aller Mitglieder risikofreudiger und in geringerem Maße vom Risiko des Arbeitsplatzverlustes bedroht ist (z. B. infolge tarifvertraglieber Kündigungsschutzvereinbarungen), so wird von der Gewerkschaftsführung auf Kosten des Beschäftigungsziels eine aggressivere Lohnpolitik betrieben (im Vergleich zur Situation bei gleichen Risiken und Präferenzen der Mitglieder). Vgl. zu der entsprechenden Argumentation die Darstellung bei N. Berthold, 1989, S. 236 ff., 238 f., sowie N. Berthold, B. Külp, 1986, S. 183 ff., S. 186. Die Aussagen der mikroökonomischen (Monopol-)Theorie der Gewerkschaften bleiben somit in ihren wesentlichen Punkten gültig; vgl. C. Schnabel, 1989, S. 126 f. n In dem auf US-amerikanischen Arbeitsmarktgegebenheiten aufbauenden insideroutsider-Ansatz wird unterstellt, daß die beschäftigten Arbeitnehmer ("insiders") in Lohnverhandlungen mit dem Unternehmen im Vergleich zu Arbeitslosen und den in der Phase der Qualifizierung befmdlichen neu eingestellten Arbeitnehmern eine gewisse Machtposition innehaben, da dem Unternehmen im Falle eines Arbeitsplatzwechsels von ,,insidern" unter Umständen erhebliche Kosten entstehen (Ausbildungs- und andere fluktuationsbedingte Kosten, ferner Kosten durch gewerkschaftlich durchgesetzte Kündigungsschutzvorschriften und Abfindungsansprüche der Beschäftigten, die deren Beschäftigungsschutz erhöhen). Siehe hierzu z. B. N. Berthold, 1989, S. 238 f., C. Schnabel, 1989, S. 143 f. In der Bundesrepublik gelten wegen Fehlens diskriminierender Beschäftigungsregeln diese Formen der Externalisierung der Kosten der Lohnpolitik als nur beschränkt bedeutsam. Siehe N. Berthold, 1989, S. 240. 14 Im Sinne einer partiellen Kostenverlagerung auf andere Arbeitnehmergruppen, auf die Konsumenten und I oder die Steuerzahler insgesamt, z. B. mittels staatlicher Arbeitslosenversicherung und einer (aus Steuermitteln finanzierten) expansiven (,,keynesianischen") staatlichen Beschäftigungspolitik. Siehe N. Berthold, 1989, S. 240 ff., v. a. s. 242. 15 In diesem Sinne z. B. N. Berthold, 1989, S. 241 f. In dezentralen Verhandlungssystemen rechnen die Verhandlungspartner eher damit, daß ihr Verhalten von anderen Arbeitnehmern bzw. der Öffentlichkeit weitgehend unentdeckt bleibt und auf aggregierter Ebene wenig "spürbar" ist. Handeln in einer Mehrzahl von Tarifgebieten die relevanten Akteure in entsprechender Weise, so folgen daraus negative gesamtwirtschaftliche Wirkungen (Arbeitslosigkeit, Preisniveauerhöhungen).
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damit jeweils zu einem neuen- höheren- "Gleichgewichtsniveau" der Arbeitslosigkeit führte (,,hysteretische" Version der insider-outsider-Hypothese). 16 Unter Verwendung dieser Argumente der mikroökonomischen und politökonomischen Gewerkschaftstheorie sowie neuerer mikroökonomischer Analysen des Arbeitsmarktgeschehens wird die Tatsache der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik mit der Art der Ausgestaltung der deutschen Arbeitsmarktordnung (Tarifautonomie) bzw. des Tarifvertragssystems sowie der spezifischen Gestalt der Tarifpolitik der Arbeitsmarktverbände erklärt. 17 Die Bestimmungen des kollektiven Arbeitsrechts (Tarifvertrags- und Betriebsverfassungsrecht) verhinderten in Verbindung mit der faktischen Gestalt der tarifvertragliehen Normen einen "Preis-" Wettbewerb um die Arbeitsplätze und I oder Arbeitskräfte unterhalb einer tarifvertraglich gesetzten Schwelle. Da somit entsprechend dieser Anschauung ein funktionierender Marktmechanismus auf dem Arbeitsmarkt weitgehend fehlt, ist ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt bzw. den Arbeitsmärkten mittels relativ sinkender Löhne und Lohnkosten nicht erreichbar. Die Tarifautonomie der Arbeitsmarktverbände wird interpretiert als bilaterales Monopol bzw. Kartell, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden als Angebots- bzw. Nachfragemonopole bezüglich des Produktionsfaktors Arbeit. 18 In neoklassischer markttheoretischer Interpretation fehlt einem dergestalt den Marktwettbewerb begrenzenden System im allgemeinen die Fähigkeit, Marktungleichgewichtslagen in jedem Fall ökonomisch angemessen (d. h. über Änderungen in den relativen Preisen) zu verarbeiten. In der deutschen Tarifautonomie bzw. im Tarifvertragssystem in seiner faktischen Gestalt und Handhabung durch die Arbeitsmarktparteien wurde, so wird behauptet, diese latente Gefahr systembedingter Perpetuierung (oder sogar Erzeugung) von Gleichgewichtsstörungen in den letzten zwei Jahrzehnten wirksam. Die Tarifautonomie habe sich zu einem bilateralen Kartell entwickelt 19: die Tarifpolitik der Arbeitgeber- und Arbeitneh16 Vgl. hierzu 0. J. Blanchard, L. H. Summers, 1986, S. 15-75, v. a. S. 72; siehe auch 0. Landmann, 1989, S. 227 ff., sowie R. Vaubel, 1989, S. 24. Blanchard und Summers erwarten, daß die Interessen der Arbeitslosen zunehmend weniger Berücksichtigung fmden, je betriebsnäher die Lohnfestsetzung erfolgt; das deutsche System, das überbetriebliche Tariflohnverhandlungen und betriebliche Effektivlohnfestlegung kombiniert, gehört ihrer Ansicht nach zu den dezentralen Verhandlungssystemen; siehe ebenda, S. 46. 17 So z. B. Vaubel mit seiner" 'hyst~~etische[n]' Version der 'Insider-Outsider' -Hypothese ... , die auch auf die beiden Olpreisschocks abstellt"; die gewerkschaftlichen Lohnforderungen seien um so mehr gestiegen, als unter den Wirtschafts- und Arbeitsmarktbedingungen der siebziger und achtziger Jahre die Mitgliedschaftsentwicklung hinter der angestrebten Entwicklung zurückblieb. Siehe R. Vaubel, 1989, S. 24. Vgl. auch Eisold, der die ,,Kartellpolitik am Arbeitsmarkt als ordnungspolitisches Ke~pro blem der gegenwärtigen Beschäftigungskrise" betrachtet; H. Eisold, 1989a, S. 97. Ahnlieh Woll: Die unter dem Schutz des Arbeitsrechts erfolgte Karteliierung des Arbeitsmarktes verhindere den Abbau der Arbeitslosigkeit; vgl. A. Woll, 1988a, S. 184 f. 18 Vgl. z. B. D. Meyer, 1988a, hier S. 90 ff., v. a. S. 93. Ferner auch H. Eisold, 1989b, S. 98; B. Risch, 1986; K. Adomeit, 1985; A. Sölter, 1985. 19 H. Eisold, l989b, S. 98.
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merorganisationen, vor allem die Tarifpolitik der Gewerkschaften, entspreche -insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten- nicht den realen Arbeitsmarktbedingungen. Indem die Tarifvertragspartner, so der Vorwurf, seit Anfang der siebziger Jahre (aufgrund eines "Wechsel[s] des wirtschaftspolitischen Leitbildes"20 tarifpolitisch in einseitiger Weise Verbandsziele und die Interessen der Beschäftigten ("Arbeitsplatzbesitzer") auf Kosten der Arbeitssuchenden verfolgten, handelten sie zum Schaden der Arbeitslosen bzw. letztlich der Gesamtgesellschaft.21 Speziell im Hinblick auf das Beschäftigungsziel gilt das deutsche Tarifvertragssystem als zu stark zentralisiert, das Gewicht der tarifvertragliehen Normen für die Bestimmung der Arbeitsbedingungen als zu hoch. Unter marktwirtschaftliehen bzw. gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten müßten Tarifvereinbarungen angesichts der Möglichkeit sich ändernder Umweltbedingungen flexibel gestaltet sein. Von ordnungspolitischer Seite sollte dieses Ziel durch Verhinderung eines mißbräuchlichen Gebrauchs der Tarifmacht durch die Arbeitsmarktverbände ermöglicht werden. Hierfür wäre durch die Arbeitsmarktordnung eine wirksame (zumindest potentielle) Konkurrenz seitens nicht tarifgebundener Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Außenseiterkonkurrenz) zu gewährleisten. 22 Der jeweilige tarifvertragliche Geltungsbereich müßte gesamtwirtschaftlich gesehen demzufolge möglichst eng begrenzt werden. Die gegenwärtig bestehenden kollektivrechtlichen Bestimmungen wirkten aber gerade dahin, die Möglichkeit, daß nichtorganisierte Marktteilnehmer zu den Tarifgebundenen in Konkurrenz treten könnten, aufzuheben oder zumindest stark zu vermindern. 23 Das U nabdingbarkeits- bzw. 20 H. Eisold, 1989a, S. 96 f. Mit der Verlagerung des Schwergewichts der Wirtschaftspolitik auf eine Konjunkturpolitik der Globalsteuerung wurde, so der Vorwurf, die beschäftigungspolitische bzw. gesamtwirtschaftliche Verantwortung der Tarifparteien abgeschwächt und eine Externalisierung der Kosten gruppen- bzw. verbandsorientierter Tarifpolitik erleichtert (ebenda). In diesem Zusammenhang wird nicht selten die Arbeitsmarktentwicklung der 50er und 60er Jahre als Beispiel für die Wirkungen einer "angemessenen" Tarifpolitk angeführt: "Die Differenz zwischen den Effektiv- und den Tariflöhnen . .. war nach Branchen und Regionen ganz unterschiedlich ..."; W. Engels u. a., 1986, S. 19. Diese Tatsache zeige, daß der Lohn damals ein Marktpreis gewesen sei, ohne daß es zu einem Unterbietungswettbewerb zwischen den Arbeitnehmern gekommen sei. In den 70er Jahren sei diese Lohnspanne von der gewerkschaftlichen Tariflohnpolitik weitgehend eliminiert worden; seitdem bestehe Arbeitslosigkeit (,,Mindestlohnarbeitslosigkeit"). Siehe W. Engels u. a., 1986, S. 19. 21 Ein "markträumender Lohnfacher" sei von den Tarifparteien (namentlich den Gewerkschaften) verhindert worden; vgl. W. Engels u. a., 1986, S. 19. Siehe auch z. B. H. Eisold, 1989a, S. 96 f., der in diesem Zusammenhang von einer "faktische[n] Entsolidarisierung mit den Arbeitslosen" spricht (ebenda, S. 95). Vgl. ferner die Argumentation von Meyer, der der Tarifautonomie und der Arbeitsmarktordnung in ihrer derzeitigen Gestalt Ineffizienz vorwirft, da sie den Arbeitmarktverbänden bzw. den durch sie vertretenen Beschäftigten ein ,,Rent seeking" ermöglichten (d. h. Verhaltensweisen, die den Beschäftigten auf Dauer geschützte, die Opportunitätskosten des Faktors Arbeit übersteigende, pekuniäre wie nicht-pekuniäre Nutzenvorteile sicherten- zu Lasten der Arbeitslosen); D. Meyer, 1988a, S. 94 ff. Ähnlich auch H. Eisold, 1989a, S. 97. 22 In diesem Sinne D. Meyer, 1988a, S. 101; ähnlich H. Eisold, 1989a, S. 97.
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Günstigkeilsprinzip (nach § 4 Abs. 3 TVG) sowie der Tarifvorrang gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG schränkten die individuelle Vertragsfreiheit beträchtlich ein. Aufgrund der faktischen Gleichbehandlung organisierter und nicht organisierter Beschäftigter seitens der Unternehmen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, speziell bei der Entlohnung 24, profitierten (direkt oder indirekt) sowohl die organisierten als auch die nicht organisierten Beschäftigten in gleichem Maße von den Tarifvereinbarungen; im Ergebnis werde damit- in Verbindung mit der weiten Verbreitung von Tarifverträgen - eine umfassende Mindestlohnfunktion der tarifvertraglich fixierten Arbeitsbedingungen weit über den ursprünglichen Geltungsbereich der Tarifverträge hinaus sichergestellt. 25 Zudem werde durch Ausdehnung der Geltung der Tarifnormen auch auf die nicht Tarifgebundenen mittels Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen (durch den Bundesarbeitsminister gemäߧ 5 TVG) die bindende Wirkung der Tarifregelungen häufig sogar in Wirtschafts-/Tarifbereichen mit geringem Organisationsgrad garantiert. 26 Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages ist nach Meinung der Kritiker als staatliches Zwangsmittel, als Verletzung der Vertragsfreiheit 27 und der rechtsstaatlich vorrangigen Privatautonomie zu betrachten 28 , die Rechtsordnung bzw. der Staat sicherten damit die Tarifvertragsparteien und ihre Vereinbarungen noch zusätzlich gegen Unterbietungskonkurrenz ab. 29 Wie schon die Vorschriften zur unmittelbaren und zwingenden Geltung der Tarifnormen und die Interpretation des Günstigkeilsprinzip widerspreche auch die Allgemeinverbindlichkeit (als "zwangsweise Kartellierung" 30 den Kriterien einer marktwirtschaftliehen Gesichtspunkten Rechnung tragenden Arbeitsmarktordnung. 31
23 R. Soltwedel, 1986, S. 388; vgl. auch R. Söltwedel, 1984, S. 235 ff., insbesondere S. 239 f.; W. Engels u. a., 1986, S. 18; ASU, 1985, S. 19. Siehe auch H. Eisold, 1989a, S. 95 f. und S. 97. 24 Nach Ansicht von Risch zeigt sich insofern eine "De-facto-Allgemeinverbindlichkeit" der Tarifabschlüsse; B. Risch, 1986, S. 265. 25 B. Risch, 1986, S. 265. Vgl. bezüglich des tarifrechtliehen Günstigkeilsprinzips auch die Ansicht von Eisold, die gegenwärtige Rechtslage sei "aus volkswirtschaftlichen Gründen untragbar" und verstoße "gegen den Geist des ordnungspolitischen Leitbildes Soziale Marktwirtschaft", da Dauerarbeitslosigkeit für den einzelnen in höchstem Maße unsozial sei (H. Eisold, 1989b, S. 243). 26 Vgl. z. B. H. Eisold, 1989a, S. 95 f.; D. Meyer, 1988a, S. 98 f. 27 ASU, 1985, S. 26. 2s So B. Molitor, 1986a, S. 11. In ähnliche Richtung zielt auch der Vorwurf, die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages führe zu einer partiellen ,,Entmündigung" des einzelnen Arbeitnehmers und hindere ihn an einer freien Entfaltung seiner Persönlichkeit; siehe z. B. W. Engels u. a., 1986, S. 18. Mit der Mündigkeit der Arbeitnehmer begründet auch Adomeit seine Aexibilisierungsvorschläge hinsichtlich der Tarifautonomie; vgl. K. Adomeit, 1985, S. 36; ähnlich K. Adomeit, 1986, S. 14. 29 Vgl. D. Meyer, 1988a, S. 93 u. S. 98 f.; W. Engels u. a., 1986, S. 20; ASU, 1985, S. 26; ähnlich auch H. Eisold, 1989b, S. 245 ff. 30 D. Meyer, 1988a, S. 101. 31 Vgl. z. B. H. Eisold, 1989a, S. 97.
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Nach Meinung der Befürworter von Deregulierungsmaßnahmen hat deshalb auch das Rechtsinstitut der Allgemeinverbindlicherklärung- wie die Tarifpolitik der Tarifvertragsparteien generell - nachteilige Arbeitsmarktwirkungen: Die Schaffung zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeiten-durch Arbeitsverhältnisse mit zwischen Arbeitgeber und -nehmer frei vereinbarten Konditionen- werde verhindert, die Zahl der aus dem Markt ausscheidenden Unternehmen erhöht und ein Hemmnis für Unternehmensneugründungen geschaffen. 32 Weitere gesetzliche Bestimmungen, vor allem Arbeitnehmerschutzvorschriften, sicherten, so der Vorwurf, bestehende Wettbewerbsbeschränkungen zusätzlich ab. 33 Die ursprüngliche Begründung für dieAVEwie dafür, perGesetzdie Abdingbarkeil von Tariflöhnen bzw. Tarifvertragsbedingungen auszuschließen 34, istso wird behauptet - angesichts der heute herrschenden, das existenzsichemde Mindestniveau weit übersteigenden Lebensbedingungen der Arbeitnehmer ("Wohlstandsgesellschaft") und eines zumindest teilweise "überhöhten" Tariflohnniveaus nicht (mehr) relevant. 35 Zudem würden die (vordem) "vermögenslosen" Arbeitsanbieter (Arbeitskräfte) durch das System der sozialen Sicherung umfassend gesichert. 36 Ein nicht-wettbewerblieh organisierter Arbeitsmarkt könne auch nicht mit unterschiedlichen Verteilungsinteressen der am Produktionsprozeß beteiligten Produktionsfaktoren gerechtfertigt werden, da zwischen KapitalJ. B. Donges, K. W. Schatz, 1986, v. a. S. 52 f. Genannt werden in diesem Zusammenhang neben den Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes ein restriktives Ausländerrecht, Importrestriktionen und einer "Kriminalisierung der Schattenarbeit"; vgl. D. Meyer, 1988a, S. 93. Zur Absicherung des nicht wettbewerbsentsprechenden Lohnniveaus dienten zudem vielfältige Maßnahmen zur Verknappung des Arbeitsangebotes von bereits im Markt befindlichen Arbeitskräften (z. B. Normierungen der individuellen Arbeitszeit, Befähigungsnachweise als Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Berufe bzw. Tätigkeiten, Schutzbestimmungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen). Vgl. D. Meyer, 1988a, S. 93; B. Molitor, 1986c, S. 5972. Fraglich bleibt allerdings, ob und inwieweit arbeitslose Arbeitnehmer, die einer der besonders geschützten ,,Problemgruppen" angehören, durch Verbilligung ihrer Arbeitskraft ihre Beschäftigungsaussichten faktisch tatsächlich in nennenswertem Umfang erhöhen könnten; verwiesen sei hier nur auf die Möglichkeit von Gedenfalls kurzfristig) limitationalen Produktionszusammenhängen in vielen, vor allem "technikintensiven" Industriezweigen. Für eine eingehendere Auseinandersetzung mit den Vorwürfen vgl. Abschnitt lll. 2.3. 34 Die gesetzliche Festlegung der grundsätzlichen Unabdingbarkeit tarifvertraglicher Normen dient dazu, einen starken angebotsbedingten Lohndruck nach "unten" zu Lasten der Arbeitskräfte zu verhindem und somit der Gefahr einer Ausweitung des Arbeitsangebotes bei Lohnsenkungen ("anomale" Reaktion des Arbeitskräfteangebots) vorzubeugen. Siehe Abschnitt III. 2.1.2. 35 Vgl. W. Engels u. a., 1986, S. 18 f.; ähnlich B. Molitor, 1988, S. 51 f. 36 Der Wandel in den ökonomischen Verhältnissen der Arbeitnehmer zeige sich für die Gegenwart auch an dem in Arbeitnehmerhand befindlichen Vermögensbestand; vgl. B. Molitor, l986b, S. 237 f.; ähnlich auch H. Eisold, l989b, S. 245, der die All.e;emeinverbindlicherklärung für nicht mehr zeitgemäß hält. Fraglich bleibt jedoch, welche Höhe ein "existenzsichemdes" Mindesteinkommen eigentlich haben müßte. Vgl. im einzelnen Abschnitt III. 2.3. 32 33
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besitzernund Arbeitnehmern keine gegensätzlichen Interessen bestünden, vielmehr beide Seiten am Erfolg des Unternehmens bzw. Betriebes interessiert seien. Auf überholten Anschauungen beruhe angesichts der fortgeschrittenen ökonomischen Entwicklung auch die Meinung, daß auf einem wettbewerbliehen Arbeitsmarkt die Gefahr der Ausbeutung des Faktors Arbeit drohe. 37 Da der Arbeitgeber ein Konkursrisiko trage, bestehe auch keine systematische Ungleichheit hinsichtlich der materiellen Abschlußfreiheit der Arbeitsmarktkontrahenten. 38 Soweit die Meinung der Kritiker der Tarifautonomie; eine eingehendere Auseinandersetzung mit den einzelnen Kritikpunkten erfolgt in III. 2.3. Insgesamt betrachtet ist somit die deutsche Arbeitsmarktordnung nach Meinung ihrer Kritiker geprägt durch ein bilaterales Monopol; Tarifverträge hätten faktisch eine "Kartellwirkung". 39 Die angesichts dieser Karteliierung bestehende - quasi systemimmanente - Gefahr der Verletzung gesamtwirtschaftlicher Ziele (vor allem des Vollbeschäftigungszieles) durch eine tarifvertraglich erzwungene, nicht dem jeweiligen Wertgrenzprodukt der Arbeit entsprechende Entlohnung des Produktionsfaktors Arbeitsleistung 40 sei in den siebzigerund achtziger Jahren infolge beschäftigungsschädlicher tarifpolitischer Verhaltensweisen der Arbeitsmarktverbände wirksam geworden. Die anhaltend hohe und auf bestimmte Arbeitskräftegruppen konzentrierte Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik ist demzufolge entsprechend dieser Auffassung in ihrem hohen Niveau, ihrer Persistenz und ihrer Struktur (wenigstens zu wesentlichen Teilen) als "Mindestlohnarbeitslosigkeit"41 zu betrachten, die in tarifvertraglich fixierten, das Wettbewerbsniveau übersteigenden Mindestarbeitsbedingungen begründet liege. Das Überangebot auf dem Arbeitsmarkt gilt als Ausdruck der nicht (mehr) an den realen Arbeitsmarktbedingungen und am Ziel besserer Beschäftigungschancen für Arbeitslose orientierten Tarifpolitik. Da die Gewerkschaften unter den gegenwärtigen arbeitsrechtlichen Bedingungen auch ,,kein Interesse an einer Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit" durch entsprechende Lohnzurückhaltung hätten 42 , müssen gemäß dieser Argumentation umfassende Deregulierungsmaßnahmen der 37 In diesem Sinne z. B. B. Molitor, 1986b, S. 237 f. Eine geg_enteilige Meinung entspringe- so Molitor- letztlich marxistischem Gedankengut. Ahnlieh Woll, nach dessen Ansicht das geltende Arbeitsrecht "die Ausbeutungstheorie von Kar! Marx" impliziere, " . .. die schon historisch nicht stimmt, jedenfalls in der Gegenwart keinen Sinn macht"; A. Woll, 1988b, S. 427. Eisold wirft dem Bundesverfassungsgericht vor, es greife zur Rechtfertigung der Bestimmungen zur Allgemeinverbindlicherklärung auf die ,,mittelalterliche Zunftideologie" zurück; eine Argumentation mit den Wirtschaftsund Arbeitsmarktbedingungen des letzten Jahrhunderts sei für die Gegenwart nicht mehr zeitgemäß. Siehe H. Eiso1d, 1989b, S. 245. 38 B. Molitor, 1988, S. 52 f. 39 Vgl. z. B. D. Meyer, 1988a, S. 90 ff.; A. Woll, 1988a, S. 184 f. 40 D. Meyer, 1988a, S. 151. 41 Zum Argument der Mindestlohnarbeitslosigkeit siehe z. B. R. Soltwedel, 1981, S. 86 f. Zur Kritik an diesem Argument vgl. P. A. Görres,1981, S. 156-175. 42 Vgl. R. Vaubel, 1989, hier S. 24. Ähnlich K. H. Paque, 1989, S. 482 f.
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
Arbeitsmarktordnung eingeleitet werden, um durch eine Stärkung von "Marktkräften" die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpfen zu können und die gesamtwirtschaftlichen Wachstumschancen zu verbessern. 43 2.2 .1.2. Änderungsvorschläge
Als Strategie bzw. "Therapie" zur Überwindung der Arbeitslosigkeit wird vorgeschlagen, das Verfahren zur Festlegung der Arbeitsbedingungen zu verändern, um eine stärkere Ausrichtung der Arbeitsbedingungen an den Arbeits- und Gütermarktgegebenheiten bzw. an den relativen Knappheilen verschiedener Arbeitnehmerkategorien zu erreichen. 44 Auf seiten der Arbeitskräfte müsse ein Individualwettbewerb unter dem Niveau der Tarifnormen (d. h. Unterbietungswettbewerb) zugelassen werden, um den Arbeitskräften und hier vor allem den Arbeitslosen die Möglichkeit zu geben, eine Beschäftigung zu finden, wenn sie sich bereit erklären, zu einem gegenüber dem Tariflohn geringeren Lohn zu arbeiten. Auf Arbeitgeberseite sollte die Konkurrenz von Tarifaußenseitern durch die Abschaffung der Möglichkeit zur AVE verstärkt werden 45; zumindest sollten Änderungen in der praktischen Handhabung der AVE von Tarifverträgen vorgenommen werden. 46 Zur Stärkung des Wettbewerbs zwischen den Arbeitskräften empfiehlt man, das arbeitsrechtliche Günstigkeilsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) aufzugeben bzw. anders als bisher zu interpretieren. 47 Ein neu (bzw. zusätzlich) geschaffener Arbeitsplatz für einen Arbeitssuchenden sollte in jedem Fall als günstiger bewertet werden als Arbeitslosigkeit, d. h. auch bei untertariflichem Lohn bzw. bei untertariflichen Arbeitsbedingungen. 4849 Generell wird angestrebt, den Wettbewerbsgrad 43 In diesem Sinne z. B. R. Vaubel, 1989, S. 25 ff., S. 32. Zur Interpretation der Tarifautonomie als Ursache von Wachstumshemmnissen siehe D. Meyer, 1988a, s. 105 ff., s. 114 f. 44 Mit einer Lockerung von "Wettbewerbsbeschränkungen am Arbeitsmarkt" sollten marktwirtschaftliche Rückkoppelungsmechanismen zwischen Tarifpolitik und Arbeitslosigkeit installiert werden; H. Eisold, 1989a, S. 97. 45 W. Engels u. a., 1986, S. 16; ASU, 1985, S. 26; D. Meyer, 1988c, S. 248; R. Soltwedel, 1986, S. 389 f.; ders., 1984, S. 245 f.; H. Giersch, 1986, S. 288; A. Woll, 1988a, S. 186; ders., 1988b, S. 426; H. Eisold, 1989b, S. 246. 46 So etwa der Vorsitzende des Bundesverbandes Junger Unternehmer; siehe R. Hönsch, 1988, S. 22. 47 D. Meyer, 1988a, S. 319; H. Eisold, 1989b, S. 243 f. 48 K. Adomeit, 1985, S. 36. Soltwedel fordert, zumindest für Arbeitslose "das Recht auf Arbeit bei freier Lohnbildung" wiederherzustellen; siehe R. Soltwedel, 1986, S. 390. Nach Eiso1ds Meinung ist das Günstigkeitsprinzip mitverantwortlich für die Verfestigung der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik; deshalb sei das Günstigkeitsprinzip zumindest so lange zu "suspendieren", bis "die Tarifverbände die Belange der Arbeitslosen wirksam durch ihre tarifpolitischen Entscheidungen vertreten" (H. Eisold, 1989b, S. 244). Eine "einfache ökonomische Lösung" des Problems der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit bestünde nach Meinung von Woll darin, sämtliche (kollektivarbeitsrechtliche) Beschränkungen der Vereinbarungsfreiheit im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzugeben; vgl. A. Woll, 1988b, S. 427.
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auf Seiten der Arbeitsanbieter - d. h. zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen -zu erhöhen bzw. die Konkurrenz von Außenseiter-Arbeitnehmern zu ermöglichen oder den Arbeitsmarkt allgemein in einen (Lohn-)Wettbewerbsmarkt umzugestalten50. Der Kreis der Personen, denen das Recht zur Tariflohnunterbietung bzw. zur Unterbietung von tarifvertraglich bestimmten Arbeitsbedingungen gegeben werden sollte, wird unterschiedlich weit gezogen: So wird zum einen vorgeschlagen, allgemein einen ,,Lohnwettbewerb der Arbeitskräfte" zu ermöglichen 51 , zum Teil befürwortet man eine bedingte Zulassung der Möglichkeit zur Lohnunterbietung (für arbeitslose Personen 52, u. U. zusätzlich nur in bestimmten Regionen 53 und/ oder beschränkt auf die Angehörigen von Problemgruppen 54 bzw. Arbeitnehmer bestimmter Berufe 55 • 56 Ferner wird vorgeschlagen, ähnlich entsprechenden tarifvertragliehen Regelungen in einer Reihe von US-amerikanischen Unternehmen eine (zeitlich befristete) untertarifliche Entlohnung neu eingestellter Arbeitnehmer im Rahmen sogenannter "Einstiegstarife" bzw. in Form "gespaltener" Tariflohnsysteme zuzulassen 57 ; eine entsprechende Lösung könnte auch von 49 Vgl. auch die von Buchner erhobene Forderung, angesichts des erreichten Niveaus der individuellen Arbeitszeit und wegen der ambivalenten Wirkungen der gewerkschaftlichen Politik weiterer Arbeitszeitverkürzungen die einzelvertragliche Vereinbarung einer längeren als der tariflichen Arbeitszeit in Verbindung mit höherem Einkommen nicht länger als für den betreffenden Arbeitnehmer "ungünstig" (und damit unzulässig) anzusehen (subjektive, einzelfallbezogene Betrachtung der "Günstigkeit"). Siehe H. Buchner, 1988. 5o So z. B. A. Woll, 1988b, S. 429 f.; ähnlich auch E. Wenger, 1986, S. 122 ff. 51 So etwa H. Giersch, 1986, S. 274. Adomeit will die Unabdingbarkeit von Tarifverträgen für Zeiten der Arbeitslosigkeit aufheben; siehe K. Adomeit, 1985, S. 5. 52 R. Soltwedel, 1986, S. 390; ders., 1984, S. 240 f.; R. Vaubel, 1989, S. 30; ebenso K.-H. Paque, 1989, S. 482, der dabei auf die Gruppe der Langzeitarbeitslosen abstellt. 53 Vgl. z. B. R. Vaubel, 1989, S. 32; H. George, 1983, S. 268; ASU, 1985, S. 26. 54 H. George, 1983, S. 268. 55 R. Vaube1, 1989, S. 32. 56 Durch entsprechende ~!!schränkungen soll ein höheres Maß an allgemeiner Akzeptanz für eine Strategie der "Offnung" des Tarifvertragsrechts erreicht werden; in diesem Sinne z. B. R. Vaubel, 1989, S. 32. Die beschränkte Zulassung der Tarifunterbietung stehe in der mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz von 1985 eingeleiteten Entwicklungslogik; siehe ebenda. 57 H. Eisold, 1989a, S. 99; ders., 1989b, S. 248 ff. Ähnlich R. Vaubel, 1989, S. 30 Anmerkung 26. In einer Reihe von US-amerikanischen Unternehmen wurden seit Anfang der achtziger Jahre sogenannte "two-tiered wage contracts" vereinbart. In diesen Verträgen wurde u. a. eine untertarifliche Entlohnung neu eingestellter Arbeitskräfte im Vergleich zu den bereits längere Zeit im Unternehmen I Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern auch bei Verrichtung gleicher Tätigkeiten zugelassen. Zum Teil sehen diese Verträge eine entsprechend niedrigere Entlohnung nur für befristete Zeit vor (sogenannte ,,hiringin" Vereinbarungen). Daneben wurden aber auch Regelungen mit dauerhaft niedrigeren Eingangslöhnen der Neueingestellten vereinbart. Betroffen sind von zweistufigen Lohnsystemen vor allem Berufsanranger und Frauen. Entsprechende Vereinbarungen gab I gibt es u. a. in der Automobilindustrie, im Tarifvertrag der Lastwagenfahrer, bei zwei Luftfahrtgesellschaften, im US-Postdienst sowie im Einzelhandel und LebensmittelhandeL Vgl. hierzu z. B. J. Kühl, 1986a, S. 410 ff.; G. Trautwein-Kalms, 1986, S. 447 f.; D. J. B. Mitchell, 1985, S. 592 ff. 9 Lampert
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den Tarifparteien vereinbart werden. 58 Zudem ließe sich, so wird argumentiert, eine entsprechende Entgeltdifferenzierung zwischen neu eingestellten Arbeitnehmern und den Beschäftigten außer durch unterschiedliche Barlöhne auch durch eine nach der Betriebszugehörigkeitsdauer der einzelnen Arbeitnehmer gestaffelte Gewinnbeteiligungskomponente erreichen. 59 Mit einer solchen Form des "gespaltenen" Entgeltsystems hofft man, mögliche Nachteile einer Barlohndifferenzierung zu vermeiden und die Akzeptanz eines Systems "zweigleisiger" Entlohnung bei den Arbeitnehmern zu erhöhen. 60 Um zu vermeiden, daß tarifrechtliche Deregulierungsmaßnahmen statt zu nachhaltigen Beschäftigungserhöhungen nur zur Arbeitskräftesubstitution durch die Unternehmen führen, sollte das Recht zur Umgehung des tariflichen Günstigkeilsprinzips an betriebs- bzw. unternehmensbezogene Voraussetzungen gebunden sein, konkret an die nachweisliche Erhöhung des betrieblichen Personalbestandes. 61 Für den Fall der Abschaffung bzw. Modiftkation des tarifvertragliehen Günstigkeilsprinzips und der Abschaffung der Möglichkeit zur AVE erwartet man, daß die bestehende Arbeitslosigkeit ("Mindestlohnarbeitslosigkeit") sehr kurzfristig abgebaut werden könnte, zumindest in Wirtschaftsbereichen mit einer gewissen Variabilität des Faktoreinsatzverhältnisses. 62 Ferner seien von nicht tarifgebundenen Bereichen indirekte "Signalwirkungen" für die Tarifabschlüsse zu erwarten. 63 2.2.2. Vorschläge zur Ausdehnung der Vereinbarungskompetenzen der Betriebspartner
2.2 .2 .1. Die Kritik an der gegenwärtigen Kompetenzverteilung zwischen der Tarifvertrags- und der Betriebsebene Die Notwendigkeit von Modiftkationen im Verfahren zur Festlegung der Arbeitsbedingungen im Sinne einer Stärkung der betrieblichen Aushandlungsebene wird meist damit begründet, daß eine stärkere Ausrichtung der ArbeitsbedingunH. Eisold, l989a, S. 99. H. Eisold, 1989a, S. 99; ders., 1989b, S. 252 ff. 60 H. Eisold, 1989a, S. 99; ders., 1989b, S. 251 f. Nachteile ergeben sich amerikanischen Erfahrungen zufolge in Form von Störungen des innerbetrieblichen Klimas und der Rentabilität. 61 Nur dann sollten Neueinsteilungen unter Tarif zulässig sein; altersbedingt oder freiwillig ausscheidende Mitarbeiter wären aber zu berücksichtigen. Siehe R. Vaubel, 1989, S. 31. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang bisweilen auf eine ähnliche Regelung in der Spätzeit der Weimarer Republik, als die Regierung von Papen eine untertarifliche Entlohnung von Arbeitskräften unter bestimmten Bedingungen mittels Notverordnung zuließ. Vaubel sieht offenbar eine kausale Beziehung zwischen dieser Regelung und dem Rückgang der Arbeitslosenquote im Sommer 1932; siehe R. Vaubel, 1989, s. 31. 62 H. Eisold, l989b, S. 246. 63 H. Eisold, 1989b, S. 246 f. 58
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gen an den Arbeits- und Gütermarktgegebenheiten bzw. an den relativen Knappheiten verschiedener Arbeitnehmerkategorien erforderlich sei, um die herrschende Arbeitslosigkeit überwinden bzw. neue Beschäftigungschancen (durch wirtschaftliches Wachstum) schaffen zu können. 64 Durch eine größere Flexibilität der kollektivvertragliehen Vereinbarungen soll der Grad der Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Marktgegebenheiten erhöht und damit die betriebliche Flexibilität in der Anpassung an den strukturellen Wandel verbessert werden. 65 An der Tarifautonomie bzw. am Grundsatz kollektivvertraglicher Festlegung der Arbeitsbedingungen soll aber zumindest im Prinzip festgehalten werden. Den Ausgangspunkt für diese Argumentation bildet die These, daß großflächige Verbandstarifverträge ökonomisch nachteilig sind, da sie zu gleichen tarifvertragsbedingten Belastungen für Betriebe und Branchen mit jeweils sehr unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bzw. Belastbarkeit führen. 66 Im Vergleich zu den 50er und 60er Jahren habe die Streubreite im Niveau der Tarifabschlüsse tendenziell abgenommen, die Tarifstruktur nach Sektoren, Regionen und Qualifikationen war durch einen Trend zur Nivellierung gekennzeichnet. 67 Einzelne Tarifabschlüsse hätten in wachsendem Maße eine Leitfunktion für die Abschlüsse in anderen Tarifgebieten ("Modell-" Tarifverträge bzw. ,,Lohnführerschaft"68), würden also in Wirtschaftsbereichen mit zum Teil sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen praktisch unverändert übernommen. 69 Eine inter- und intrasektoral tendenziell vereinheitlichend wirkende Tarifpolitik bedeutet entsprechend der neoklassischen Lohnstrukturtheorie für "Grenzbetriebe" auf längere Sicht eine existenzgefährdende Belastung. Unter dem Einfluß nivellierend wirkender Verbandstarifverträge werden dieser Argumentation nach zudem in zunehmender Zahl Arbeitsplätze, insbesondere jene mit geringen Anforderungen an die Arbeitskräftequalifikation, unrentabel; zumindest sind sie in ihrem Bestand gefährdet. Aus der neoklassischen Lohnstrukturtheorie ergibt sich ferner die Erwartung, daß die Lohnnivellierung die (Einkommens-) Anreizwirkung zur beruflichen (Höher-)Qualifizierung vermindert. 70 Die poten64 Die Argumentation deckt sich insoweit zumindest teilweise mit den für eine Stärkung des Individualwettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt angeführten Begründungen (vgl. III. 2.2.1.). 65 H.-D. Hardes, 1988, S. 55; Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 345. 66 Vgl. z. B. H.-D. Hardes, 1988, S. 60. 67 H.-J. Rösner, 1984, S. 602; H.-D. Hardes, 1988, S. 60. Vgl. zur Lohnstrukturentwicklung Abschnitt III. 3. 1. 68 Vgl. hierzu z. B. J. Beckord, 1977. 69 Im Sinne eines ,,Bundeseinheitstarifls]"; siehe B. Rüthers, 1980, S. 395. Vgl. auch H. Eisold, 1989b, S. 91 ff.; H.-J. Rösner, 1984, S. 602; H. Lampert, 1986, S. 179 f. (mit weiteren Nachweisen). 10 So z. B. die Argumentation des Sachverständigenrates, der betont, eine "qualifikationsadäquate Lohndifferenzierung" sei gerade auch unter dem Aspekt der Anreizwirkung der Lohnrelationen für Qualifizierungs- und Weiterbildungsanstrengungen seitens der Arbeitnehmer notwendig; vgl. Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 340.
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tielle Schädlichkeit von zunehmend einheitlich gestalteten Tarifvertragsbedingungen zeige sich im empirischen Bild der Arbeitsmarktentwicklung der letzten beiden Jahrzehnte, vor allem der regionalen Verteilung der Arbeitslosigkeit im Bundesgebiet und der Qualifikationsstruktur der Arbeitslosen. Hieraus wird im Umkehrschluß gefolgert, daß eine stärkere einzelbetriebliche Ausrichtung der Tarifvertragsbedingungen (bzw. größere einzelbetriebliche Aexibilität derselben) die vermuteten ökonomischen Nachteile überbetrieblicher Verbandstarifverträge verringern und folglich eine Arbeitsmarktentlastung bewirken könnte. Betriebsräte verfügten, so die These, über eine größere Sachnähe, weshalb beschäftigungsorientierte Vereinbarungen eher zu erwarten seien als bei den Tarifabschlüssen der gewerkschaftlichen Arbeitnehmervertreter. 71 Zugunsten von Maßnahmen zur Stärkung der Betriebsautonomie wird ferner angeführt, der Betriebsrat sei ein demokratisch legitimiertes Organ der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, da er aus einer allgemeinen Abstimmung unter den Belegschaftsmitgliedern hervorgehe. 72 Für betriebsbezogene Tarifvereinbarungen spräche auch die vergleichsweise günstige Arbeitsmarktentwicklung in Ländern mit "betriebsnahen" Verhandlungssystemen und -Strukturen. 73 Von Maßnahmen zur Modifikation der Tarifautonomie im Sinne einer Erhöhung des Spielraums der Unternehmen bzw. Betriebe, von einem geltenden Tarifvertrag abzuweichen, erwartet man nicht nur eine Höhergewichtung des Aspekts der Arbeitsplatzsicherheit in den Tarifverhandlungen, sondern insbesondere auch eine Arbeitsmarktentlastung bzw. Beschäftigungsförderung durch höheres wirtschaftliches Wachtum. 74 71 H. Eisold, l989b, S. 258 f.; wegen der besseren Vertrautheit der Betriebsräte mit der wirtschaftlichen Situation ihrer jeweiligen Unternehmen seien Betriebsräte wahrscheinlich eher zu beschäftigungsorientierten Vereinbarungen bereit als gewerkschaftliche Arbeitnehmervertreter (ebenda, S. 259). Siehe in diesem Zusammenhang auch die gewerkschaftstheoretische Argumentation von Befürwortern eines verstärkten Individualwettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt (vgl. III. 2. 2. 2. l.).Offen bleibt allerdings die Frage der faktischen Durchsetzungsfahigkeit der betrieblichen Arbeitnehmervertretungen, vor allem in Mittel- und Kleinbetrieben. Vgl. hierzu im einzelnen III. 2. 3. n H. Eisold, l989b, S. 258. Siehe auch R. Vaubel, 1989, S. 29; eine Gewerkschaft sei dagegen der "Verband einer relativ radikalen Minderheit" (ebenda). Insofern verspricht sich Vaubel von Tarifverhandlungen auf Betriebsebene auch eine Entideologisierung der Verhandlungen (ebenda). 73 Eine dezentrale, betriebsbezogene Lohnpolitik (z. B. mittels tarifabweichender Betriebsvereinbarungen) habe "Ländern wie Japan und der Schweiz Massenarbeitslosigkeit erspart"; R. Vaubel, 1989, S. 29. 74 So betrachtet etwa der Sachverständigenrat eine betriebsnähere Tarifpolitik als einen der tarifpolitischen Schwerpunkte im Rahmen einer Strategie zur Förderung des strukturellen Wandels und zur Stärkung der Wachstumskräfte; vgl. Sachverständigenrat, Gutachten 1988 I 89, Ziff. 321. Zugunsten einer Stärkung der Betriebsparteien wird ferner angeführt, daß durch eine Neuinterpretation des Günstigkeitsprinzips dem Aspekt der Arbeitsplatzerhaltung stärker Rechnung zu tragen sei, da eine arbeitsplatzerhaltende Betriebsvereinbarung besser als ein arbeitsplatzvernichtender Tarifvertrag sei; siehe H. Eisold, l989b, S. 258 (zu Inhalt und Bedeutung des Günstigkeitsprinzips vgl. Abschnitt III. 2.1.1.).
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Die Notwendigkeit von stärker einzelbetrieblich orientierten Kollektivvereinbarungen/Tarifverträgen wird außerdem mit Wandlungen im Bereich der (industriellen) Arbeitsorganisation begtiindet. Diese Entwicklungen erforderten eine den betrieblichen Erfordernissen besser gerecht werdende Tarifpolitik, vor allem im Bereich der Aexibilisierung und Differenzierung individueller Arbeitszeiten. 75 Auch "gesellschafts- und verbandspolitische Entwicklungen" wirkten auf Seiten der Gewerkschaften wie auch bei den Arbeitgeberverbänden in Richtung differenzierter Tarifverträge. 76 Die Vorteilhaftigkeit von Verbandstarifverträgen werde je nach Betriebsgröße von den Unternehmen unterschiedlich bewertet, wobei kleine und mittlere Betriebe den Verbandstarifverträgen gegenüber häufig eher kritisch eingestellt seien. 77 Des weiteren zeige sich bei vielen Gewerkschaftsmitgliedern, speziell bei Facharbeitern und Angestellten, ein "allgemeiner Bewußtseins- und Wertewandel", eine kritische Haltung gegenüber der Gewerkschaftsorganisation ("Bürokratiekritik") und der Wunsch nach betriebsnaher Interessenvertretung (mittels der Betriebsräte). 78 2.2.2.2. Reformvorschläge Eine Stärkung der Kompetenzen der Betriebsebene, d. h. eine andere Gewichtsverteilung zwischen Tarifvertrags- und Betriebsparteien (Arbeitgeber, Betriebsrat) hinsichtlich der Aushandlung von Tarifbedingungen, kann auf unterschiedliche Weise realisiert werden 79 • (a) Unbeschränkte Zulässigkeit tarifabweichender Betriebsvereinbarungen: Verschiedentlich wird empfohlen, durch eine entsprechende Änderung des Tarifvertragsgesetzes die tariflichen Aushandlungskompetenzen in weitem Umfang auf die Betriebsebene zu verlagern, insbesondere auch für den Bereich der Entgeltbestimmung. Zu diesem Zweck sollten Tarifverträge tarifrechtlich generell 75 Vgl. z. B. H. Eisold, 1989b, S. 261 ; H.-D. Hardes, 1988, S. 60. Vgl. auch Abschnitt III. 3.2. 76 H.-D. Hardes, 1988, S. 60. 77 In diese Richtung H. Eisold, 1989b, S. 261; H.-D. Hardes, 1988, S. 60; Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 345. Vgl. auch den Vorwurf des Vorsitzenden des Bundesverbandes Junger Unternehmer auf der Mitgliederversammlung 1987 der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, die derzeit betriebene Tarifpolitik orientiere sich vornehmlich an den Belangen großer Unternehmen und nicht an den Interessen des Mittelstandes. Notwendig seien differenziertere tarifvertragliche Regelungen und die Vereinbarung von Öffnungsklauseln. Siehe R. Hönsch, 1988, S. 22. 78 H.-D. Hardes, 1988, S. 60; ähnlich Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 345. 79 Die von verschiedenen Seiten vorgeschlagenen Gestaltungsaltemativen, die dazu dienen sollen, die Entscheidungsbefugnisse der Betriebspartner zu stärken bzw. die Vereinbarungskompetenz auf diese zu verlagern, sollen im folgenden jeweils kurz präzisiert werden. Die Reihenfolge in der Darstellung ist orientiert an dem mit den verschiedenen Maßnahmen jeweils verbundenen Umfang einer Kompetenzverlagerung.
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zugunsten von (Gesamt-)Betriebsvereinbarungen dispositiv sein. 80 Lohnregelungen mittels Betriebsvereinbarungen seien, so die Begründung, generell wünschenswert und sollten daher auch dann zulässig sein, wenn die jeweiligen Tarifvertragsparteien keine tarifliche Öffnungsklausel vereinbart haben. 81 Tarifverträge und Streiks sollten, als eine Art Kompensation für die finanziellen und personellen Aufwendungen des Arbeitgebers aufgrund des Mitbestimmungssystems, sinnvollerweise durch das Mitbestimmungssystem abgelöst werden. 82 Realisieren ließe sich eine generelle Dispositivität der tarifvertragliehen Normen durch eine unabdingbare gesetzliche Norm für Tariföffnungsklauseln (obligatorische Öffnungsklauseln). 83 Gleichzeitig sollte die Garantie staatsfreier Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, wie sie als Recht der Tarifvertragspartner in der Verfassung verankert ist, auf die "Betriebsautonomie" ausgedehnt werden, um das Regelungsinstrument Betriebsvereinbarung in seiner verfassungsmäßigen Stellung zu stärken und eine "Billigkeitskontrolle" von Betriebsvereinbarungen durch die Arbeitsgerichte auszuschließen. 84 (b) Bedingte Zulässigkeil tarifabweichender Betriebsvereinbarungen: Neben der allgemeinen Zulassung tarifabweichender Betriebsvereinbarungen wird als Gestaltungsform auch ein bedingtes, den Betrieben (nur) unter bestimmten Voraussetzungen einzuräumendes Recht zur Abweichung von einem bestehenden Tarifvertrag vorgeschlagen. Die Disposivität von Tarifnormen könnte, so der Vorschlag, auf Fälle betrieblicher Notlagen beschränkt werden, sofern in den jeweiligen Betrieben eine Einigung über eine untertarifliche Entlohnung erzielt wird. 85 Die in der Verlustzone befindlichen Betriebe könnten zeitweilig von der Einhaltung eines Tarifvertrages entbunden werden, um in solchen Fällen Lohnsenkungen im Wege betrieblicher Vereinbarung zu ermöglichen. 86 (c) Tarifverträge als Rahmenvereinbarungen mit betrieblichem Konkretisierungsspielraum: Eine Ausdehnung der betrieblichen Vereinbarungskompetenzen bei weitgehender Wahrung des gegenwärtig bestehenden "Tarifvorrangs" wäre realisierbar, indem die Tarifvertragsparteien in vermehrtem Maße bloß rahmensetzende Yerbaudstarifverträge abschließen, die auf einzelbetrieblicher Ebene Raum für die entsprechend den jeweiligen Erfordernissen vorzunehmende Konkretisierung lasK. Adomeit, 1985, S. 37; ähnlich W. Engels u. a., 1986, S. 16. K. Adomeit, 1985, S. 37; ähnlich auch H. Eisold, 1989b, S. 258. 82 K. Adomeit, 1985, S. 38. 83 Vgl. D. Meyer, 1988b, S. 150; ähnlich D. Reuter, 1989, S. 517 f. 84 Siehe H. Eisold, 1989b, S. 258. 85 Vgl. Gemeinschaftsgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute, 1984, S. 16; K. Adomeit, 1986, S. 19. 86 R. Soltwedel, 1986, S. 389 f.; ders., 1984, S. 240. Ähnlich Zöllners Forderung, für die Fälle eines drohenden Konkurses den tarifvertragliehen Regelungsvorbehalt gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG aufzuheben; W. Zöllner, 1988, S. 287 f.; siehe auch H. Eisold, 1989a, S. 99. 80 81
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sen. 87 Verschiedentlich wird empfohlen, zu diesem Zweck in Tarifverträgen vermehrt Bestimmungsklauseln 88 und/ oder Öffnungsklauseln (§ 4 Abs. 3 TVG; § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG) zu vereinbaren. 89 Diese tarifvertraglich gesetzten Rahmenregelungen wären in den Betrieben in der Folge dann auszufüllen bzw. zu konkretisieren (etwa durch die Betriebsparteien im Wege betrieblicher Vereinba! rung). 90 Dabei sollte mittels Betriebsvereinbarung auch die Einschränkung des Geltungsumfanges tarifvertraglicher Inhalte möglich sein. 91 Der Sachverständigenrat sieht Anwendungsmöglichkeiten für entsprechende Rahmentarifvereinbarungen vor allem im Bereich der Qualifizierung und Weiterbildung sowie der Gestaltung der Arbeitszeit. 92 (d) Tarifvertragliche Vereinbarung einer bestimmten Zahl alternativer Regelungsmöglichkeiten in Verbindung mit Wahlrechten für die Betriebe: Gemäß diesem Vorschlag könnten die Tarifparteien im Tarifvertrag für bestimmte Tatbestände jeweils mehrere mögliche Regelungen vorsehen; den Betrieben verbliebe die Aufgabe, aus dem abschließend festgelegten Kreis von Lösungsalternativen dann jeweils eine spezielle Gestaltungsform auszuwählen. 93 Entsprechende Gestaltungsformen einer "betriebsnäheren" Tarifvertragspolitik ließen sich z. B. für die Bestimmung der tariflichen Arbeitszeit anwenden. Ferner könnten mittels entsprechend gestalteter Tarifverträge auch alternative Kombinationsformen für die einzelnen Komponenten der tariflichen Entlohnung zur Wahl gestellt werden (zum Beispiel unterschiedliche Formen der Verbindung von Festlohn- und Gewinnbeteiligungskomponenten). 94 In eine ähnliche Richtung zielt auch der Vorschlag 95 , anstelle von ,,Punktlösungen" (im Sinne jeweils einer Vgl. H.-J. Rösner, 1984, S. 607. V gl. hierzu ill. 2.1. 89 H.-J. Rösner, 1984, S. 607; dieser plädiert für ergänzende Betriebsvereinbarungen gemäߧ 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG. Die grundsätzliche Vorrangstellung des Tarifvertrages bliebe bei dieser vorgeschlagenen Realisierungsform stärkerer Dezentralisierung der Tarifverhandlungen jedenfalls dann erhalten, wenn die Vertragsinhalte, die für betriebliche Konkretisierungen verfügbar werden sollten, jeweils von den Tarifvertragsparteien bestimmt würden (ebenda, S. 607). Siehe ferner B. Breuel, 1983. Zugunsten von Öffnungsklauseln auch W. Zöllner, 1988, S. 275. 90 Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 347; ähnlich auch der Vorsitzende des Bundesverbandes Junger Unternehmer (vgl. R. Hönsch, 1988, S. 22). Siehe auch W. Ohm, 1987, S. 137; H.-J. Rösner, 1984, S. 607; B. Breuel, 1983. 91 So z. B. Rösner, der als Beispiele für ausfüllungs- bzw. konkretisierungsbedürftige Tarifnormen u. a. die ursprünglich freiwilligen betrieblichen Leistungen und Betriebsvereinbarungen über eine zeitlich befristete Aussetzung von Tariflohnerhöhungen oder über einen prozentualen Lohnverzicht in Krisenzeiten nennt; siehe H.-J. Rösner, 1984, S. 607. Zur Frage der Zulässigkeil entsprechender Betriebsvereinbarungen nach geltendem Recht vgl. m. 2. 1. 92 Zum Beispiel zur Regelung von Rahmenbedingungen bei der Teilzeitarbeit; Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 347. 93 Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 347. 94 Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 347. 95 Vgl. G. Kleinhenz, 1988, S. 209 ff. 87 88
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einzigen, ausschließlichen Konfliktlösung) in den überbetrieblichen Verträgen für einen Tarifbereich hinsichtlich der tariflichen Mindestarbeitsbedingungen nur zulässige Wahlmöglichkeiten 96 zu vereinbaren; diese wären in der Folge dann durch die Betriebsräte und Betriebsleitungen auf der betrieblichen Ebene entsprechend denjeweiligen Belegschaftsinteressen und den konkreten Betriebserfordernissen zu konkretisieren (z. B. im Wege von Betriebsvereinbarungen). 97 (e) Betriebsnahe Tarifverträge: Eine größere Differenzierung der zentral ausgehandelten Tarifverträge nach Branchen, Regionen und Qualifikationen könnte schließlich auch dann erreicht werden, wenn in zentralen Verbandstarifverträgen Öffnungsklauseln für (nach "unten") abweichende zusätzliche Tarifverträge - z. B. auf Betriebsebene vereinbart 98 bzw. anstatt von Verbandstarifverträgen in vermehrtem Maße Firmentarifverträge abgeschlossen würden. 99 Vertragspartner der Unternehmen wären dabei auf Seiten der Arbeitnehmer nicht die Interessenvertreter der Beschäftigten im Betrieb (Betriebsrat), sondern die jeweils zuständige Gewerkschaft. Insgesamt soll mit verschiedenen Formen einer "betriebsnäheren" bzw. stärker nach betrieblichen Belangen differenzierten Tarifpolitik das Regelungsinstrument Tarifvertrag bzw. generell die Tarifpolitik einen stärker ordnungspolitischen Charakter erhalten. 100
2.3. Probleme der vorgeschlagenen Änderungen des Tarifvertragssystems 2.3.1. Argumente zugunsten der Begrenzung des Individualwettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt
Wie in 2.2.1. dargestellt, wird die gegenwärtige Form der Arbeitsmarktordnung unter anderem deshalb für änderungsbedürftig gehalten, weil der Arbeitsmarkt 96 Verstanden als tarifvertragliche Vorgabe von "wertgleichen Wahlmöglichkeiten" zwischen paarweise verknüpften Arbeitsbedingungen; G. Kleinhenz, 1988, S. 210. 97 So könnten z. B. Wahlmöglichkeiten zwischen Erholungs- und Bildungsurlaub, zwischen kontraktbestimmtem Barlohnzuwachs und ertragsabhängigen Lohnzuwächsen oder zwischen höherem Kündigungsschutz und ,,Arbeitsplatzrisikozuschlag" im Barlohn vereinbart werden. Siehe G. Kleinhenz, 1988, S. 212 ff. Allerdings dürften derart komplexe Materien auf absehbare Zeit wohl kaum im Rahmen von Tarifvereinbarungen eingegangen werden, wenn entsprechende Modelle auch in fernerer Zukunft nicht generell als unmöglich erscheinen; in diesem Sinne G. Kleinhenz, 1988, S. 209 f. und S. 216. 98 Gemeinschaftsgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute, 1984, S. 15; H. -J. Rösner, 1984, S. 602 f. 99 Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 347. Nach dem Vorschlag des Sachverständigenrates sollten Unternehmensleitungen und Betriebsräte als die unmittelbaren Betriebspartner bei ihren jeweiligen Tarifverbänden in diesem Fall auch Antragsrechte bezüglich Abschluß und Inhalt eines Firmentarifvertrages haben (siehe ebenda). · 100 Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 347.
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kein reiner Wettbewerbsmarkt ist. Ausgehend von vorrangig preistheoretischen Modellanalysen werden- unter Verweis auf die gegenwärtige Arbeitsmarletsituation - nachhaltige negative Wirkungen der geltenden Arbeitsmarktordnung bzw. der Tarifautonomie behauptet. Der Arbeitsmarkt wirdangesichtsder geltenden Regelungen bezüglich des Arbeitnehmerschutzes und des Tarifvertragsrechts als ,,kartellierter" Markt betrachtet, insbesondere aufgrund der grundsätzlichen Unabdingbarkeil der tarifvertraglich festgesetzten Arbeitsbedingungen und wegen der Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. Aus diesem Befund wird die Notwendigkeit weitreichender Deregulierungsmaßnahmen im Tarifvertragsrecht abgeleitet, insbesondere die Zulassung eines Arbeitsmarktwettbewerbs und die ersatzlose Abschaffung der Allgemeinverbindlicherklärung. Gegenüber diesen Vorwürfen sind verschiedene Einwände möglich, die im folgenden darzustellen sind. So ist zum einen angesichts der Erkenntnisse der Arbeitsmarkttheorie sowie des besonderen Charakters der menschlichen Arbeit (im Vergleich zu anderen Gütern) davon auszugehen, daß der Preis bzw. Lohn auf dem Arbeitsmarkt als Allokationsinstrument nicht voll funktionsfähig ist; zudem können Lohnstarrheiten, welche nicht durch Wettbewerbsbeschränkungen bewirkt werden und aus einzelwirtschaftlicher Sicht effizient sind, Marktungleichgewichtssituationen verstärken und I oder verstetigen. Drittens gibt es nicht zuletzt angesichts der bestehenden Besonderheiten der Arbeit und des Arbeitsmarktes Gründe, die für die Vorteilhaftigkeil von Kollektivverträgen sprechen und den behaupteten Nachteilen von Gewerkschaften und Tarifverträgen gegenüberzustellen sind. Schließlich sprechen zugunsten der Existenz von besonderen institutionellen Regelungen zur Begrenzung des lndividualwettbewerbs, wie sie das deutsche Tarifrecht in Gestalt der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen und des Prinzips der Unabdingbarkeil von Tarifvertragsnormen beinhaltet, nicht nur deren Funktion, einen unerwünschten und in seinen Wirkungen unter Umständen mit erheblichen Nachteilen behafteten Unterbietungswettbewerb am Arbeitsmarkt zu verhindern, sondern auch spezifische Vorteile dieser Regelungen im Hinblick auf die Erreichung sozialpolitisch wünschenswerter Wirkungen. Gegenüber Forderungen nach Zulassung eines unbeschränkten Arbeitsmarktwettbewerbs ist zunächst zu betonen, daß aus der gegenwärtigen Lage auf dem Arbeitsmarkt und der Tatsache, daß auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsbegrenzende Regelungen bestehen, umgekehrt nicht abgeleitet werden kann, daß die Arbeitslosigkeit abgebaut werden könnte, wenn unbeschränkter Arbeitsmarktwettbewerb zugelassen würde, d. h. wettbewerbsbegrenzende Regelungen in der Arbeitsmarktordnung beseitigt würden. Die wettbewerbliehe Sonderstellung des Arbeitsmarktes läßt sich begründen mit möglichen Unzulänglichkeiten eines rein wettbewerblieh geordneten Arbeitsmarktes; entsprechende historische Erfahrungen sind auch für die Gegenwart zumindest prinzipiell nach wie vor relevant. 1
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In der Arbeitsmarkttheorie wurden die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses und der Arbeitsmärkte im einzelnen spezifiziert und begründet. 2 Da die Bedingungen auf Arbeitsmärkten von den Grundannahmen der Gleichgewichtstheorie abweichen 3 , ist eine rein preis- bzw. gleichgewichtstheoretische Argumentation nur beschränkt zur Erklärung von Arbeitsmarktvorgängen geeignet (siehe auch I. 2.3.2.1.), d. h. auf Arbeitsmärkten kann nicht oder nicht unbedingt von einer durch Preis-/Mengenmechanismenbewirkten Gleichgewichtstendenz ausgegangen werden. 4 Da ausschließlich wettbewerblieh geordnete Arbeitsmärkte erhebliche Funktionsmängel aufweisen können, wenn dem Wirken des Konkurrenzdrucks gegenüber nicht ein verbindliches (unabdingbares) Mindestniveau für die Arbeitsbedingungen garantiert wird, ist in der Konzeption einer sozialen Marktwirtschaft eine rein wettbewerbliehe Ordnung der Arbeitsmärkte nicht akzeptabel. 5 Die in der Bundesrepublik verwirklichte Form der Arbeitsmarktordnung in Gestalt der Tarifautonomie der Verbände der Arbeitsmarktparteien ist eine Konsequenz aus eben dieser Einsicht, sie basiert auf einer Wertentscheidung 6 , nämlich der bewußt vollzogenen Transformation des unorganisierten Arbeitsmarktes in die Form des bilateralen Monopols bzw. Oligopols, indem die Bildung gegengewichtiger Marktmacht gesetzlich zugelassen wurde (bzw. wird). 7 1 Vgl. hierzu I. 2.3. Vgl. auch W. Stütze!, 1981, S. 75 ff., bezüglich der anomalen Reaktion des Arbeitsangebotes und der darin wurzelnden ,,Rationalitätenfalle" v. a. s. 77 f., s. 79 f. 2 So bereits im 19. Jahrhundert von Brentano; vgl. L. Brentano, 1872, S. 3 ff. Angesprochen wurden und werden als Besonderheiten der Arbeit speziell die Untrennbarkeil der Arbeitsleistung von der Person des Arbeitnehmers, der Zwang der Arbeitnehmer zum Arbeitsangebot, um den eigenen Lebensunterhalt und den ihrer Familien zu sichern, die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber (i. S. eines ,,Autoritätsverhältnisses" bzw. eines Direktionsrechts des Arbeitgebers) und die Abhängigkeit infolge der technischen und organisatorischen Einordnung des Arbeitnehmers in einen Betrieb. Vgl. hierzu H.-P. Spahn, G. Vobruba, 1986, S. 3 ff.; W. Brandes, F. Buttler, E. Dorndorf,
1989,
s. 490 ff.
Im Grundmodell der Gleichgewichtstheorie (in der ursprünglichen Form) wird unterstellt, daß auf dem Güter- und Arbeitsmarkt vollkommene Information und Mobilität der rational handelnden Marktteilnehmer besteht und weder sachliche noch persönliche Unterschiede (Homogenität von Gütern und Arbeitsangebot) existieren; ferner wird ein Punktmarkt und vollkommener Wettbewerb auf beiden Marktseiten unterstellt. 4 Solange in Arbeitsverträgen nur Nominallöhne vereinbart werden, können die Arbeitsanbieter die Entwicklung der realen Löhne bzw. Lohnkosten nicht beeinflussen, da Geldwertbewegungen die Wirkung von Nominallohnveränderungen konterkarieren können. Siehe H.-P. Spahn, G. Vobruba, 1986, S. 6 ff. und 9 f. Daraus und aus der Tatsache, daß das Arbeitsangebot vor allem von nichtökonomischen Determinanten abhängt, während die Arbeitsnachfrage durch ökonomische Faktoren bestimmt wird, folgen " ... systematisch strategische Nachteile für die Arbeitskraftanbieter ..."; ebenda, S. 9. s Vgl. hierzu I. 2.3. 6 Mit einem Tarifvertrag sollen ,,nach sozialpolitischer Einschätzung angemessene Arbeitsbedingungen ... durchgesetzt werden". Siehe D. Reuter, 1989, S. 515; deshalb sei es auch verfehlt, dem Tarifvertrag nur die Rolle zuzuweisen, diejenigen Arbeitsbedingungen festzulegen, die sich aus Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ergeben (ebenda). 3
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Die aus der Sicht der Anbieter wie auch der Nachfrager von Arbeitsleistungen potentiell günstigen Wirkungen eines Tarifvertrages sind vermutlich auch für die Gegenwart noch von Bedeutung, desgleichen deren mögliche Vorteile aus gesamtwirtschaftlicher bzw. -gesellschaftlicher Perspektive. So dürfte die Wirkung eines Tarifvertrages, die Mindeststandards der Wettbewerbsbedingungen auf seiten der Nachfrager von Arbeitsleistungen im jeweiligen tarifvertragliehen Geltungsbereich zu vereinheitlichen, für die Unternehmen auch heute noch ein bedeutsamer Vorteil sein. 8 Selbst wenn unter den Bedingungen der Gegenwart ein allgemeiner Unterbietungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt nicht unmittelbar zu erwarten sein mag, sind die Arbeitnehmer im Durchschnitt doch nach wie vor darauf angewiesen, zum Zwecke der Sicherung ihres eigenen Lebensunterhalts (und der Existenz ihrer Familien) Arbeitsleistungen anzubieten. Jedenfalls hat dieser Sachverhalt für die Gegenwart weder angesichts des erreichten Niveaus der Durchschnittseinkommen und des durchschnittlichen Vermögensbestandes der privaten Haushalte noch unter Einbeziehung des erreichten Sicherungsniveaus in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung 9 an prinzipieller Relevanz verloren. 10 Relativ globale statistische Aggregate haben allein schon wegen der jeglicher Durchschnittsbetrachtung anhaftenden Schwächen nur eine begrenzte Aussagekraft. 11 Ferner ist zu berücksichtigen, daß durch die bestehenden Einrichtungen der sozialen Sicherung zwar die kurzfristige Dringlichkeit des individuellen Arbeitsangebots für die Arbeitnehmer im Durchschnitt nicht unerheblich verringert wurde, daß dieser Schutz durch Sozialversicherung und Arbeitslosenversi7 Siehe I. 2.3.; ferner H. Lampert, 1986, S. 183. Auch die verfassungsrechtliche Zulässigkeil der Allgemeinverbindlicherklärung basiert auf der Einsicht in die potentielle Funktionsunfahigkeit des Wettbewerbsmechanismus auf dem Arbeitsmarkt (vgl. III.
2.1.).
8 Vgl. zu dieser Einschätzung G. Fels, 1986, S. 14. Die Arbeitgeber akzeptierten daher, so Fels, auch die Möglichkeit, daß eine Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages erfolgt (ebenda). 9 Mit diesen Argumenten begründet z. B. H. Eisold (1989b) seine Vorschläge zu Tarifrechtsänderungen; ähnlich auch B. Molitor, 1986b, S. 237 f. to In entwickelten industrialisierten Volkswirtschaften (auf kapitalistischer Grundlage) sind Gewinneinkommen die wichtigste Vermögensquelle. Die Arbeitnehmer sind wegen der rechtlichen Struktur der Verfügungsmöglichkeiten über Unternehmensgewinne auf das Arbeitseinkommen als Quelle des Vermögenserwerbs angewiesen und daher im Normalfall nur in der Lage, Gebrauchs-, Sicherungs- und Hausvermögen zu bilden; demgegenüber sind die Aussichten, erwerbswirtschaftlich genutztes (bzw. zu nutzendes) Vermögen zu bilden, für Nichtunternehmer und Nichtvermögensbesitzer jedenfalls in der Gegenwart und in der absehbaren Zukunft stark reduziert. Vgl. H. Lampert, 1980, S. 434 f.; ders., 1985, S. 301 ff. 11 Eine pauschale Argumentation mit gesamtwirtschaftlichen Durchschnittsgrößen ist auch insoweit nicht angemessen, als sich das arbeitsrechtliche Schutzargument auf die Frage der Gestalt der individuellen Arbeitsbedingungen bezieht, nicht auf das gesamtwirtschaftliche Lohnniveau; vgl. auch H.-D. Hardes, 1988, S. 58. Sinnvollerweise ist zur Analyse potentieller Arbeitsmarktwirkungen im Falle von Maßnahmen zur "Deregulierung" der Tarifrechts auf die jeweilige Angebots- und Nachfragesituation auf Teilarbeitsmärkten abzustellen.
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cherung aber zeitlich befristet ist und im allgemeinen an ein (beitragspflichtiges) Arbeitseinkommen anknüpft (bezüglich des Erwerbs von Sozialleistungsansprüchen wie hinsichtlich ihrer Höhe). Letztlich ist der soziale Schutz damit- wenn auch mittelbar- immer noch an das Arbeitsverhältnis gebunden bzw. arbeitsmarktbezogen und damit durch die bestehenden Möglichkeiten des Individuums zur Verwertung seiner Arbeitskraft determiniert. 12 Soweit insofern das soziale Sicherungssystem in gewissem Maße am Standard des ,,Normalarbeitsverhältnisses" orientiert ist, folgt daraus zudem, daß für Arbeitnehmer, die eine "unstetige" Beschäftigungskarriere aufweisen, und I oder für (unfreiwillig) in Teilzeitarbeit beschäftigte Personen der durch Sozialeinkommen gewährte finanzielle Schutz unter Umständen keine "echte" (d. h. verhaltensrelevante) Alternative zur Erwerbstätigkeit ist. Für Angehörige dieser Personengruppen ergibt sich daher unter Umständen eine relativ hohe (marginale) Dringlichkeit des individuellen Arbeitsangebots. 13 Insgesamt betrachtet können damit auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt Individual- und Kollektivinteressen in Konflikt miteinander geraten, weshalb eine die "anomale" Reaktion bzw. Unterbietungskonkurrenz ausschließende Koalierung auf beiden Marktseiten bzw. eine Tarifautonomie notwendig ist. 14 Von verschiedenen ökonomischen und soziologischen Theorierichtungen wird die faktische Bedeutung, die dem Lohn als Mittel zur (innerbetrieblichen) Allokation von Arbeitskräften zukommt, unabhängig von der Existenz ordnungspolitischer Eingriffe und I oder Gewerkschaftseinfluß teilweise zurückhaltend beurteilt oder sogar in Frage gestellt. In neueren arbeitsmarktheoretischen Ansätzen, speziell in effizienzlohntheoretischen Modellen, wurde abgeleitet, daß vor dem Hintergrund bestimmter struktureller Gegebenheiten auf (Teil-)Arbeitsmärkten eine Entlohnung der Arbeitnehmer oberhalb des ,,kompetitiven" Lohnniveaus 12 Eine möglichst stetige und dauerhafte beitragspflichtige Beschäftigung (zu bestmöglichen Bedingungen) ist aus der Sicht des einzelnen Arbeitnehmers deshalb bedeutsam, weil sie zum einen die Möglichkeit gibt, auf ein Sozialeinkommen als Alternative zum Erwerbs- bzw. Arbeitseinkommen zurückgreifen zu können (vor allem im Falle von Arbeitslosigkeit sowie bei Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit und im Alter) und zum anderen (abhängig vom Gewicht des Prinzips der Beitragsäquivalenz) die Höhe der erworbenen Sozialversicherungsansprüche determiniert. 13 Ein niedriges oder zeitlich begrenzt gewährtes Sozialeinkommen bietet im Einzelfall wohl vor allem darm keine echte Alternative zur Erwerbstätigkeit, wenn die betreffenden Personen nicht auf ergänzende bzw. alternative Einkommensquellen, etwa in Gestalt von (Erwerbs-)Einkommen anderer Familienmitglieder, zurückgreifen können. Der Arbeitsangebotszwang und damit die Möglichkeit von Lohnkonzessionen dürfte ferner speziell darm groß sein, wenn die individuellen Ansprüche auf zeitlich befristet gewährte Ersatzleistungen armähernd ausgeschöpft sind. 14 Vgl. auch D. Reuter, 1985, S. 56. Siehe ferner die "vertragstheoretische" Interpretation von institutionellen Regelungen (wie etwa der Unabdingbarkeit von Tarifvertragsnormen) als Mittel zur Überwindung einer Prisoner's Dilemma-Situation; vgl. hierzu F. Buttler, 1987, S. 216 u. 218 f.
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aus der Sicht beider Marktparteien-Arbeitnehmer und Unternehmen- ökonomisch rational sein kann, wenn man z. B. Motivationsaspekte der Entlohnung und vom Arbeitgeber nicht kontrollierbare ("opportunistische") Verhaltensspielräume der Arbeitnehmer berücksichtigt. 15 In segmentationstheoretischen Analysen des Arbeitsmarktes wird die Rolle des Marktlohnes als Allokationsmechanismus auf dem Arbeitsmarkt zum Teil in noch weitgehenderem Maße in Frage gestellt: so streben entsprechend der Theorie betriebsinterner Arbeitsmärkte die Betriebe bzw. Unternehmen danach, durch eine je eigene Gestaltung der Entgeltstrukturen den Grad der relativen Unabhängigkeit vom externen Arbeitsmarkt zu erhöhen, womit Markteinflüsse erheblich an Gewicht für die faktischen Lohnbildungsprozesse verlieren. Stabile Lohnrelationen werden darüberhinaus mit soziologischen Argumenten begründet; danach bewirken speziell Norm- und Gerechtigkeitsvorstellungen der Belegschaftsmitglieder eine Stabilisierung der betrieblichen Lohn- bzw. Entgeltstrukturen (zumindest in gewissem Maße).16 Darüberhinaus läßt sich die Notwendigkeit zu einer wettbewerbsbegrenzenden Ordnungspolitik auf dem Arbeitsmarkt auch noch unter den Bedingungen der Gegenwart mit unterschiedlichen Interessenlagen der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit hinsichtlich der Verteilung des Ertrages der Produktion begründen. 17 Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind zum einen Parteien eines durch Vertrag begründeten Arbeitsverhältnisses, zum anderen Organ und Mitglieder eines Betriebs (bzw. "Betriebsverbandes"). 18 Gemeinsame Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer(n) bezüglich des Produktionserfolges und der Existenz "ihres" Betriebes I Unternehmens schließen partielle Interessendivergenzen in ihrer Eigenschaft als Partner eines Austauschverhältnisses (Arbeitsvertrag als Austausch von Leistungen) nicht aus. 19 Dem entspricht die rechtssystematische Differenzierung in Betriebsverfassungsrecht und Tarifrecht. zo 15 Zu den ,,Effizienzlohntheorien" rechnet man im allgemeinen eine Reihe verschiedener Ansätze; vgl. z. B. den Überblick bei W. Franz, 1986; J. E. Stiglitz, 1987. 16 Vgl. z. B. H. Ross, 1981, S. 127 ff.; W. Mieth, 1982, S. 181. 17 H. Lampert, 1985, S. 211. Das Zurechnungsproblem hängt nicht primär mit der Wirtschaftsordnung zusammen, sondern mit der Produktionsweise, konkret: mit der Trennung von Arbeitskraft und Produktionsmitteleigentum. Siehe E. Arndt, 1957, S. 11 f. Die Frage der Verteilung des Produktionsertrages stellt sich auch unter den Bedingungen der Gegenwart, selbst wenn ein ,,Klassengegensatz" auf dem Arbeitsmarkt (im historisch verstandenen Sinne) für die Verhältnisse in der Bundesrepublik hinfällig geworden ist und obwohl bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern teilweise komplementäre Interessenlagen bestehen (mögen). 18 Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer können damit jeweils zwei unterschiedliche Rollen unterschieden werden; D. Reuter, 1985, S. 56 f. 19 Vgl. hierzu auch G. Müller, 1988, S. 6 f. Rüthers spricht in diesem Zusammenhang von einer ,,komplexen Interessenlage zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern"; siehe B. Rüthers, 1973, S. 304 f. zo Entsprechend der Zwecksetzung des Betriebes als Produktionseinheit ist das Betriebsverfassungsrecht vom Grundsatz der gegenseitigen vertrauensvollen Zusarnmenar-
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Bereits aus diesen Überlegungen zum Problem der ökonomischen Zurechnung bzw. den unterschiedlichen Interessenlagen der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit hinsichtlich der Verteilung des Ertrages der Produktion läßt sich die Funktionalität von Verhandlungen und Vereinbarungen zwischen den Verbänden der Arbeitsmarktparteien ableiten. 21 In ähnliche Richtung zielende Argumente zugunsten des Kollektivvertragsmechanismus (z. B. in Form von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen) werden auch in neueren "vertragstheoretischen" Ansätzen herausgestellt. Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit von Arbeitsmärkten ist danach auf der Arbeitsmarktebene die Ermöglichung und Absicherung von Koalitionen der Arbeitsanbieter. 22 Interpretiert man ferner den Unternehmensertrag als Ergebnis der Produktion eines Kollektivguts 23, so sind Kollektivverträge (unter dem Aspekt der dauerhaften Sicherung funktionsfähiger Arbeitsbeziehungen) auch auf der einzelwirtschaftlichen Ebene insofern vorteilhaft, als sie es ermöglichen, im Wege von Verhandlungen in gewissem Umfang sowohl Effizienz- wie auch Verteilungsziele zu erreichen. 24 Hieraus läßt sich weiter ableiten, daß - bezogen auf Arbeitsmärkte bzw. Arbeitsverhältnisse - ein Mehr an Wettbewerb dem Koordinationsmechanismus Kooperation (nicht-marktliche Koordination) unter Produktivitäts- bzw. Effizienzgesichtspunkten nicht in jedem Fall überlegen ist. 25 Damit ergeben sich insgesamt betrachtet Gründe, die zum einen die potentiellen Funktionsmängel bzw. die mögliche Funktionsunfähigkeit des Lohnmechanismus auf dem Arbeitsmarkt betreffen, zum anderen die Existenz von (zumindest kurzfristig und auf bestimmten Teilarbeitsmärkten) relativ starren, nicht dem Wettbewerbsniveau entsprechenden Löhnen und Lohnrelationen mit Effizienzerwägungen, d. h. ohne Rückgriff auf ordnungspolitische Eingriffe und Gewerkschaftseinfluß, erklären können. Darüberhinaus gibt es Argumente, die für die Vorteilhaftigbeit geprägt. Das Verfahren zur Festlegung der auf die an der Produktion beteiligten Faktoren jeweils entfallenden Anteile am Produktionserfolg bzw. -ertrag sollen die Regelungen des Tarifrechts ordnen. In .Anknüpfung an die Möglichkeit partieller Interessendivergenzen (bzw. "Doppelrollen") werden das Handeln und die jeweils sich ergebenden Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer(n) somit durch unterschiedliche Ordnungen strukturiert; vgl. auch G. Müller, 1988, S. 14; H.-D. Hardes, 1988, S. 59. 21 Vgl. H. Lampert, 1985, S. 212 ff. 22 W. Brandes, F. Buttler, E. Dorndorf, 1989, S. 495 f. Die Argumentation geht aus von der Annahme, daß " ... Arbeitsverhältnisse typischerweise auf längerfristige Kooperation ..." angelegt sind; ebenda, S. 496 f. 23 W. Brandes, F. Buttler, E. Dorndorf, 1989, S. 497. Insoweit der Unternehmensertrag Ergebnis einer - unter Produktivitätsaspekten dem isolierten individuellen Handeln überlegenen - Kooperation von Arbeit, Kapital und Management ist, ist der daraus resultierende Unternehmensertrag ein Kollektivgut Siehe ebenda. 24 W. Brandes, F. Buttler, E. Dorndorf, 1989, S. 500 f. 25 Siehe W . Brandes, F. Buttler, E. Dorndorf, 1989, S. 501 (Produktivität bzw. Effizienz verstanden im Sinne der Herbeiführung von Pareto-Verbesserungen). Wegen der Besonderheiten von Arbeitsmärkten ist es dieser Argumentation nach vielmehr notwendig, daß marktliehe und nicht-marktliehe Koordinationsmechanismen auf dem Arbeitsmarkt - Wettbewerb und Kooperation- einander ergänzen; ebd., S. 502.
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keit bzw. Leistungsfähigkeit von Kollektivverträgen auf dem Arbeitsmarkt sprechen. Gerade die zuletzt genannten vertragstheoretischen Argumente zugunsten von Kollektivvereinbarungen sind den behaupteten Nachteilen tarifvertraglicher Regelungen und allgemein gewerkschaftlichen Handeins (vgl. 2.2.1.) gegenüberzustellen. Wie dargestellt, werden entsprechende Vorwürfe aus allokationstheoretischen und politökonomischen Modellableitungen zum Verhalten von Arbeitsmarktverhänden abgeleitet. Die verwendeten Ansätze zur Modeliierung bzw. Erklärung der Verhaltensweisen von Gewerkschaften unterliegen selbst verschiedenen Einwänden. So handelt es sich beim Monopol-Modell des Gewerkschaftsverhaltens z. B. nur um eine Partialbetrachtung unter der Annahme vollkommener Konkurrenz aufUntemehmensseite, gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge werden nicht berücksichtigt. 26 Auch werden die Arbeitsbedingungen nicht - wie im Monopol-Modell angenommen- einseitig von den Arbeitnehmerorganisationen determiniert; vielmehr sind Regelungen bezüglich der Gestaltung der Arbeitsbedingungen das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen. 27 Nicht unumstritten ist ferner die Frage, inwieweit politökonomische Ansätze die innergewerkschaftlichen Willensbildungs- und Entscheidungsvorgänge in realitätsnaher Weise zu modellieren vermögen. 28 Zumindest sind in der Realität Unvollkommenheiten in der Wirksamkeit innergewerkschaftlicher Wahl- und Kontrollmechanismen zu erwarten; folglich dürfte die Führung einer Gewerkschaft über gewisse diskretionäre Handlungsspielräume verfügen. Die aus dem reinen Medianwähler-Modell abgeleiteten Erwartungen bezüglich der gewerkschaftlichen Tarifpolitik sind damit in der Praxis wohl nur eingeschränkt gültig, d. h. die Ausrichtung der Tarifpolitik einer Gewerkschaft folgt unter Umständen nicht ausschließlich den Interessen des Median-Mitglieds. Daher ergeben sich vermutlich auch Spielräume für eine im Vergleich zum reinen Medianwähler-Modell flexiblere gewerkschaftliche Tarif- bzw. Lohnpolitik 29, wenn auch negative Effekte der Tarifpolitik nicht auszuschließen sind. 26 Problematisch ist auch die unterstellte Präferenzstruktur bzw. die gewerkschaftliche Erwartungsnutzenfunktion. Sofern in der Realität vermutlich heterogene Mitgliederinteressen gegeben sind, ist das Monopolmodell, in dem Homogenität der Gewerkschaftsmitglieder unterstellt wird, unrealistisch. Vgl. C. Schnabel, 1989, S. 125 und S. 130 f. 21 Siehe C. Schnabel, 1989, S. 130 f. 2s Die Orientierung der gewerkschaftlichen Politik an den Interessen des Medianwähler-Mitglieds bedingt (sofern "das" Medianwähler-Interesse überhaupt feststellbar ist), daß es einen gewerkschaftlichen Wettbewerb um die Arbeitnehmer bzw. Mitglieder gibt (innerhalb der jeweiligen Gewerkschaft, d. h. zwischen den Bewerbern um die Führung der Organisation, aber auch zwischen verschiedenen Gewerkschaften), daß die Wähler bzw. Gewerkschaftsmitglieder, Mehrheitswahlrecht vorausgesetzt, vollständige Informationen über die Abstimmungsalternativen besitzen und eingipflig strukturierte Präferenzen aufweisen; vgl. N. Berthold, 1987, S. 187 f. Schnabel hälttrotzdieser Restriktionen das Medianwählermodell für angemessen; vgl. C. Schnabel, 1989, S. 127. Skeptischer in dieser Hinsicht 0. Issing, 1987, S. 121 ff. 29 N. Berthold, 1987, S. 191 ff., v. a. S. 192 ff.
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Keine eindeutigen Antworten ergeben sich aus den Ergebnissen empirischer Untersuchungen auf die Frage, welche Einflüsse vom Grad der Zentralisierung von Tarifverhandlungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung von Preisniveau und Beschäftigung ausgehen. Offenbar ist keine der verschiedenen möglichen Ausgestaltungsformen des Verhandlungssystems (i. S. eines bestimmten Zentralisierungsgrades) generell vorteilhaft. 30 Zudem ergeben sich gegenüber empirischen Studien zu den Wirkungen unterschiedlicher Zentralisierungsgrade methodische Vorbehalte, vor allem bezüglich der in international vergleichenden Analysen verwendeten Gruppierungen und Rangskalen der ,,2entralisierungsgrade" der jeweiligen Verhandlungssysteme (abgesehen von der beschränkten Aussagekraft länderübergreifender Untersuchungen). 3 1 Bedenken bestehen auch dagegen, die Ergebnisse mikroökonomischer Analysen der Gewerkschaften auf die Makroebene zu übertragen, da hierbei unter Umständen erhebliche Aggregationsprobleme auftreten können. Außerdem werden makroökonomische Nachteile von gewerkschaftlichen "Regulierungen" des Arbeitsmarktes im allgemeinen unter Zugrundelegung stringenter Modellannahmen abgeleitet, z. B. bezüglich der intersektoralen und der außenwirtschaftliehen Beziehungen; daher dürfte eine eher zurückhaltende Interpretation der diesbezüglichen Ergebnisse empirischer Untersuchungen angezeigt sein. 32 Die Resultate empirischer Untersuchungen lassen den Schluß zu, daß die negativen Wohlfahrtseffekte deutscher Gewerkschaften im allgemeinen geringer als vermutet sein dürften. 33 Im Zusammenhang mit der Kritik an der in der Bundesrepublik verwirklichten Form der Arbeitsmarktordnung wurde unter Hinweis auf die bestehende Arbeitslosigkeit insbesondere auch eine Modifizierung des tariflichen Günstigkeilsprinzips und eine Abschaffung der Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen gefordert (siehe 2.2.1.). Dieser Kritik gegenüber ist zunächst darauf hinzuweisen, daß gemäß geltendem Tarifvertragsrecht die unabdingbare und unmittelbare Wirkung der Tarifvertragsnormen bezüglich materieller Arbeitsbedingungen beidseitige Tarifgebundenheit voraussetzt. 34 Diese Bestim30 Vgl. z. B. die Studie von L. Calmfors, J. Drifftl, 1988, und die dort angeführte Literatur. Die Ergebnisse von Calmfors, Driffil lassen auch die Deutung zu, daß ein relativ stark zentralisiertes System industrieller Beziehungen in Bezug auf die Erreichung makroökonomischer Ziele einem System mit Verhandlungen auf Unternehmensebene nicht unbedingt unterlegen sein muß; vgl. ebenda, S. 20 (Table 2), S. 21 f. und S. 47. Vgl. ferner auch E. Tarantelli, 1986. 31 Ein Vergleich verschiedener empirischer Studien zeigt, daß allein schon die Einordnung der in verschiedenen Ländern bestehenden Systeme industrieller Beziehungen (als mehr oder weniger "zentralisiert") in der Wissenschaft keineswegs übereinstimmend erfolgt; siehe L. Calmfors, J. Driffil, 1988, S. 18 (Table 1). 32 Vgl. C. Schnabel, 1989, S. 149 ff. Darüberhinaus werden z. B. bestimmte Faktorintensitäten und Marktstrukturen unterstellt; siehe ebenda, S. 152. 33 Vgl. C. Schnabel, 1989, S. 153 ff., S. 222. Zu entsprechenden Ergebnissen für andere Länder siehe den Überblick ebenda, S. 147 ff.
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mung garantiert weder den nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern, die bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt sind, noch Gewerkschaftsmitgliedern in nicht tarifgebundenen Unternehmen eine Beschäftigung zu Tarifbedingungen.35 Im Falle eines Verzichts auf die Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung (bzw. bei Zulassung von untertariflichem Arbeitsmarktwettbewerb) wären wohl nur dann positive (Netto-)Beschäftigungseffekte zu erwarten, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung (beziehungsweise institutionelle Vorkehrungen gegen Tarifunterbietungen) nachweislich die alleinige Ursache dafür wären, daß zentrale wirtschafts- und sozialpolitische Ziele, insbesondere das Vollbeschäftigungsziel, nicht bzw. in unzureichendem Maße realisierbar sind und diese Dysfunktionalitäten durch Aufhebung der Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung (mit genügender Sicherheit) zu beseitigen wären. Ferner müssen bei der Bewertung des Günstigkeitsprinzips und speziell des Instrumentes Allgemeinverbindlicherklärung auch die potentiellen arbeitsmarkt-und sozialpolitischen Vorteile entsprechender institutioneller Regelungen berücksichtigt werden. Vor allem ist in diesem Zusammenhang auch zu prüfen, ob bzw. inwieweit angesi,chts der gegenwärtigen und zu erwartenden zukünftigen Strukturbedingungen auf dem Arbeitsmarkt Fehlwirkungen eines unbegrenzten Arbeitsmarktwettbewerbs tatsächlich auszuschließen sind und folglich Vorkehrungen hiergegen (wie sie durch das tarifliche Günstigkeitsprinzip und die Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvereinbarungen bestehen) überflüssig geworden sind.
Forderungen, die Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung wegen ihrer beschäftigungspolitisch angeblich schädlichen Wirkung abzuschaffen, werden häufig damit begründet, daß seit Mitte der siebziger Jahre mit steigender Arbeitslosigkeit die Zahl von Allgemeinverbindlicherklärungen zunahm. Dagegen wurde zumindest bislang, soweit ersichtlich, die behauptete Kausalbeziehung zwischen der Allgemeinverbindlicherklärung und dem Niveau sowie der Struktur der bestehenden Arbeitslosigkeit empirisch nicht belegt. 36 Um die Angaben der amtlichen Statistik zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und damit die quantitative Bedeutung der Allgemeinverbindlicherklärung angemessen beurteilen zu können, ist aber zu berücksichtigen, daß die Angaben in der Statistik des Bundes34 Vgl. § 4 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 TVG. Bei Rechtsnormen des Tarifvertrages über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen genügt dagegen gemäß § 3 Abs. 2 TVG die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers. 35 Vgl. hierzu III. 2.1. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgt für den Arbeitgeber zwar eine Pflicht zu gleicher Behandlung von sachlich Gleichem, woraus aber nach herrschender rechtswissenschaftlicher Auffassung nicht die Pflicht eines tarifgebundenen Arbeitgebers folgt, organisierten und nicht organisierten (d. h. nicht tarifgebundenen) Arbeitnehmern gleiche Löhne zu bezahlen; vgl. hierzu z. B. W. Zöllner, 1983, S. 177 ff. und S. 184 f.; eine von der herrschenden Meinung abweichende Position vertreten H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, § 3 Rdnr. 125. 36 Eine empirische Absicherung der behaupteten Schädlichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung fordert auch Hanau; siehe P. Hanau, 1988, S. 3. 10 Lampert
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arbeitsministeriums zur Zahl der Allgemeinverbindlicherklärungen bzw. deren Änderungen aus "tariftechnischen" Gründen keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die relative Bedeutung des Instrumentes Allgemeinverbindlicherklärung zulassen. 37 Die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge sind verschiedenen Arten zuzuordnen; nur ein Teil der Allgemeinverbindlicherklärungen betrifft den Entgeltbereich. 38 Um das faktische Gewicht der Zahl für allgemeinverbindlich erklärter Tarifverträge hinsichtlich der Zahl davon erfaßter Arbeitskräfte abschätzen zu können, ist zu berücksichtigen, daß ein erheblicher Unterschied besteht zwischen der Zahl der Arbeitnehmer, die in den Geltungsbereich eines für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages fallen, und der Zahl derjenigen Arbeitnehmer, die durch die Allgemeinverbindlicherklärung neu (zusätzlich) einbezogen werden. 39 Neben Lohn- und Gehalts- sowie Entgelttarifverträgen werden z. B. bestimmte dem sozialen Schutz der Arbeitnehmer dienende tarifvertragliche Regelungen über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien häufig für allgemeinverbindlich erklärt. 40 Diese Vereinbarungen bedürfen im allgemeinen schon von 37 So können z. B. in einem Tarifgebiet Vereinbarungen zu jeweils einem bestimmten Regelungsgegenstand bzw. -inhalt, die in mehreren verschiedenen Tarifverträgen festgelegt sind, zu einem späteren Zeitpunkt in einen Tarifvertrag intt?,griert werden; vgl. B. Lindena, H. Höhmann, 1988, S. 564. In der Statistik sind auch Anderungstarifverträge und Protokollnotizen erfaßt, sofern sie für allgemeinverbindlich erklärt wurden; vgl. L. Clasen, 1988, S. 29. Ausgewiesen sind in der Statistik des Bundesarbeitsministeriums neben den bundesweit geltenden auch die nur für bestimmte Gebiete bzw. Bundesländer abgeschlossenen und folglich nur innerhalb dieses Geltungsbereiches für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge (ebenda, S. 27). 38 Vgl. B. Lindena, H. Höhmann, 1988, S. 564; danach betreffen nur 15% aller Allgemeinverbindlicherklärungen Entgeltregelungen. Vgl. auch L. Clasen, 1988, S. 28 (Tabelle): von den am 1.1.1988 gültigen 516 für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen waren 80 Lohn- und Gehaltstarifverträge. 39 Ein erheblicher Teil der insgesamt erfaßten Arbeitnehmer ist bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt, die die tarifvertragliehen Regelungen im allgemeinen unabhängig von deren Allgemeinverbindlichkeit einheitlich auf alle Belegschaftsmitglieder anwenden. Vgl. B. Lindena, H. Höhmann, 1988, S. 564. Von den rund 18 Millionen in der privaten Wirtschaft Beschäftigten waren zum 1.1.1988 ca. 4,5 Millionen im Geltungsbereich eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages beschäftigt, davon wiederum etwa 3,5 Millionen (63 %) bei tarifgebundenen Arbeitgebern (ebenda). Nach Schätzung Clasens dürfte für etwa 1 Million Arbeitnehmer durch die Allgemeinverbindlicherklärung eine Tarifbindung neu entstehen; L. Clasen, 1988, S. 29. 40 Tarifverträge über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien sind z. B. im Baugewerbe sehr bedeutsam (vor allem infolge branchentypischer Gegebenheiten). In entsprechenden Tarifverträgen werden dort beispielsweise häufig sogenannte "Sozialkassen" vereinbart, um nicht erwünschte Beeinträchtigungen des sozialen Schutzes von Arbeitnehmern aufgrund branchenüblich häufigen Arbeitsplatzwechsels zu vermeiden. Siehe B. Lindena, H. Höhmann, 1988, S. 566. Dagegen sind in diesem Wirtschaftsbereich von den Lohn- und Gehaltstarifverträgen nur die Lohntarifverträge in Rheinland-Pfalz und im Saarland allgemeinverbindlich; L. Clasen, 1988, S. 29. Insofern dürften die bei Molitor (1988, S. 142) anklingenden wettbewerbspolitischen Bedenken hinsichtlich der relativ häufigen Anwendung der Allgemeinverbindlicherklärung im Baugewerbe etwas relativiert werden.
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ihrer Intention her und hinsichtlich der Voraussetzungen für ihre Funktionsfähigkeit einer allgemeinen (unterschiedslosen) Anwendung im Geltungsbereich der jeweiligen Vereinbarung. 41 Wettbewerbsnachteile von tarifgebundenen Unternehmen gegenüber "Außenseitern" infolge höherer Kostenbelastungen des Arbeitseinsatzes durch gemeinsame Einrichtungen sollen ausgeschlossen werden; ansonsten ergäbe sich aus entsprechenden Vereinbarungen ein (erheblicher) Anreiz zum Verlassen des jeweiligen Tarifverbandes. Da insbesondere im Falle ungünstiger wirtschaftlicher Bedingungen für die Wirtschaftssubjekte latent der Anreiz bzw. Zwang bestünde, sich der von den beiden Tarifvertragsparteien im Namen ihrer Mitglieder eingegangenen Verpflichtungen zu entziehen bzw. die Vereinbarungen zu mißachten, wären die Tarifverträge und die auf ihnen beruhenden Einrichtungen einer sukzessiven Auszehrung ihrer Existenzbedingungen ausgesetzt. 42 Tarifvertragsregelungen über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien müssen folglich im gesamten Geltungsbereich des-Tarifvertrages (allgemein) verbindlich gelten, um (über den vorgesehenen Zeitraum) auch und gerade unter ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen de facto wirksam zu sein. 43 Eine Abschaffung der Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung erschwerte es, gemeinsame Einrichtungen zu vereinbaren und behinderte damit solche an sich wünschenswerten Lösungen. 44 Eine Aufhebung der Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung und eine Lockerung des tarifvertragliehen Günstigkeitsprinzips (im Sinne der Möglichkeit Arbeitsloser zur Tariflohnunterbietung) führt auch nicht unbedingt zu dem behaupteten stärkeren Rückgang der Arbeitslosigkeit. Die Zulassung eines intensiveren Lohnwettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt (einschließlich der Möglichkeit, daß Arbeitnehmer und Arbeitgeber untertarifliche Arbeitsbedingungen vereinbaren können) würde cet. par. nur dann zu einer Beschäftigungsausdehnung führen, wenn allein durch die bislang verbindlich geltenden tarifvertragliehen Mindestarbeitsbedingungen eine Expansion der Beschäftigtenzahl verhindert worden wäre, d. h. keine weiteren Beschäftigungshemmnisse bestünden. Dasselbe gilt für Lohnkonzessionen der Beschäftigten zum Zweck der Arbeitsplatzsicherung, die nur in diesem Fall günstige Arbeitsmarkteffekte hätten bzw. arbeitsplatzerhaltend wirkten. 41 Die Wirkung eines Tarifvertrages, die Mindeststandards der Wettbewerbsbedingungen auf seiten der Unternehmen zu vereinheitlichen, dürfte für die Arbeitgeber auch heute noch als Vorteil bedeutsam genug sein, um die Vereinbarungen auch angesichts der Möglichkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages noch akzeptabel erscheinen zu lassen; G. Fels, 1986, S. 14. 42 Diese Tarifregelungen sind sozusagen " ... von vornherein auf Allgemeinverbindlicherklärungen angelegt ... , um alle branchenzugehörigen Unternehmen zu belasten und das Mittelaufkommen dadurch zu erhöhen"; H. Wiedemann, 1987, S. 158. 43 In diesem Fall sind somit einzelwirtschaftliche und kollektive Rationalität nicht deckungsgleich. 44 D. Reuter, 1989, S. 516.
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Positive Beschäftigungseffekte infolge von Lohnkonzessionen Arbeitssuchender, d. h. zusätzliche Einstellungen, sind unter anderem von der Lohnelastizität der betrieblichen Nachfrage nach Arbeitsleistungen einer bestimmten Art abhängig, ferner von der Bedeutung der Arbeitskosten im betrieblichen Beschäftigungskalkül bzw. innerhalb der Gesamtheit der entscheidungsrelevanten Faktoren. 45 Aufgrund (bereits genannter) betriebssoziologischer Überlegungen und angesichts der Ergebnisse neuerer Ansätze der Arbeitsmarkttheorie (,,Effizienzlohntheorien") ist nicht auszuschließen, daß die Unternehmen aus Furcht vor möglicherweise negativen Folgen für den Betriebsfrieden und I oder zur Sicherung der bestehenden Standards der Arbeitsproduktivität auf untertarifliche Angebote Arbeitssuchender nicht eingehen würden. 46 Ein entsprechendes Verhalten ist vor allem zu erwarten in Unternehmen, in denen der Qualität der Arbeitsbeziehungen eine relativ große Bedeutung beigemessen wird. 47 Selbst wenn die Möglichkeit untertariflicher Lohnangebote gegeben wäre und Arbeitssuchende von sich aus entsprechend handelten, würden in diesem Fall ihre Einstellungschancen nicht im erhofften Maße steigen. Zudem können Arbeitslose ihre Beschäftigungsaussichten auch durch Lohnkonzessionen nicht verbessern, wenn in einer Branche Iimitationale Produktionsbedingungen bestehen (jedenfalls auf kurze bis mittlere Sicht und bezogen auf bestimmte Arbeitskräftequalifikationen) und die Bewerber nicht über die benötigten Qualifikationen verfügen. Dieser Aspekt dürfte insbesondere für Arbeitssuchende bedeutsam sein, die einer der arbeitsmarktpolitischen Problemgruppen angehören. Positive Beschäftigungseffekte im Falle einer (partiellen) Aufhebung der Allgemeinverbindlicherklärung und des tariflichen Günstigkeilsprinzips sind aber auch dann keineswegs sicher, wenn die Arbeitsnachfrager (Unternehmen) in nennenswerter Zahl Arbeitslosen eine Beschäftigung zu untertariflichen Bedingungen anbieten sollten bzw. auf entsprechende Angebote Arbeitssuchender eingingen. Für die Beschäftigungsaussichten Arbeitsloser im Falle untertariflicher Angebote bzw. für die individuelle "Günstigkeit" entsprechender Unterbietungen (im Sinne des Arbeitsrechts) ist inbesondere von Bedeutung, in welchem Ausmaß die individuelle Arbeitslosigkeit mikro- sowie makroökonomisch als reine "MinVgl. hierzu auch D. Sadowski, 1989, S. 77. So erwartet z. B. Reuter, daß die Arbeitgeber auch dann, wenn es die gesetzliche Regelung zur Allgemeinverbindlicherklärung nicht gäbe, auf untertarifliche Arbeitsangebote verzichten würden, und zwar aus "betriebspsychologischen Gründen", um den Abschluß eines Firmentarifvertrages zu vermeiden und um keinen Anreiz zur Gewerkschaftsmitgliedschaft zu geben; siehe D. Reuter, 1989, S. 516. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die bereits erwähnte Tatsache, daß die tarifvertraglich gesetzten Standards bezüglich der Arbeitsbedingungen de facto weit über den Kreis der nach Gesetz(§ 3 Abs. 1 TVG) hierzu verpflichteten Tarifgebundenen hinaus gelten, ohne daß die nicht dem jeweiligen Verband angehörenden Arbeitgeber hierzu verpflichtet wären. 47 Die Unternehmen dürften die innerbetrieblichen Arbeitsbeziehungen vermutlich vor allem dann auf längerfristige Kooperation hin ausrichten, wenn die Amortisation von Humankapitalinvestitionen und von Fixkosten der Beschäftigung gesichert werden soll; siehe z. B. W. Brandes, F. Buttler, E. Domdorf, 1989, vor allem S. 496 ff. 45
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destlohnarbeitslosigkeit" anzusehen ist. 48 Bei makroökonomischer und bei strukturkrisenbedingter Arbeitslosigkeit wirkten Lohnsenkungen wohl nur dann arbeitsplatzerhaltend, wenn die Arbeitslosigkeit ausschließlich mindestlohninduzierter Art wäre. 49 Eine Senkung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitslosigkeit im Falle von Maßnahmen zur Intensivierung des Lohnwettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt wäre von einer per Saldo steigenden Zahl von Beschäftigungsmöglichkeiten abhängig, d. h. von positiven Nettoeffekten bei Zulassung eines Tarifunterbietungswettbewerbs. Auch und gerade wenn die Arbeitsnachfrager (Unternehmen) in nennenswerter Zahl auf untertarifliche Angebote Arbeitsloser eingehen sollten, besteht die Gefahr, daß entsprechende Tarifrechtsänderungen vorrangig dazu dienen, Arbeitskräfte (innerhalb und zwischen bestimmten Gruppen der Belegschaft) durch "billigere" Arbeitssuchende zu ersetzen, oder eine Substitution zumindest anzudrohen, um von Beschäftigten, die um ihren Arbeitsplatz fürchten, Zugeständnisse (bezüglich der Arbeitsbedingungen) zu erhalten. Den Unternehmen ermöglichten solche Substitutionsmaßnahmen, die Kosten des Arbeitseinsatzes zu Lasten der Arbeitnehmerentgelte zu reduzieren; damit sind aber nicht notwendigerweise auch beschäftigungsexpansive Effekte verbunden. 50 Es könnte zumindest in Teilbereichen der Wirtschaft vielmehr in Abhängigkeit von den jeweiligen Bedingungen auf Seiten der Arbeitsnachfrage (d. h. je nach der spezifischen Ausprägung von interindustriellen 51 sowie intraindustriellen 52 Faktoren) zu einem sich eventuell kumulativ verschärfenden Lohn- bzw. Lohnkostenwettbewerb der Unternehmen kommen. Ein (Lohn-)Unterbietungswettbewerb auf Kosten des Niveaus der Arbeitsbedingungen dürfte vermutlich mit dem Anteil der Arbeitskosten an den Gesamtkosten der Leistungserstellung (Arbeitsintensität) und damit der Lohnelastizität der Arbeitsnachfrage für die Unternehmen tendenzieii an Wahrscheinlichkeit (bzw. Attraktivität) gewinnen. 53 48 Vgl. H.-D. Hardes, 1988, S. 58 f. Die Höhe des Lohnsenkungsrisikos bliebe gleichwohl unsicher; ebenda, S. 59. 49 H.-D. Hardes, 1988, S. 58. 5o Entsprechende Verhaltensweisen dürften außer von Arbeitsmarktbedingungen vorrangig von der relativen Wettbewerbsintensität auf dem relevanten Absatzmarkt und der Arbeitsintensität der Produktion abhängen. 51 Entsprechend der Theorie der Lohnstruktur ergeben sich Verschiedenheiten zwischen den Wirtschaftszweigen zum einen aus endproduktbedingten Unterschieden der Arbeitsnachfrage (d. h. wegen Nachfragebesonderheiten bezüglich der Endprodukte und I oder aufgrund produktionstechnischer Bedingungen). Ferner können interindustrielle Diskrepanzen der Arbeitsnachfrage auf Unterschieden in der spezifischen Form der Absatzmärkte beruhen; relevant sind hierbei die Transparenz, Verfassung und Lage des (der) jeweiligen Marktes (Märkte). Vgl. H. Lampen, 1969, hier S. 402 und S. 404. 52 Innerhalb eines Wirtschaftszweiges resultiert eine jeweils unterschiedliche Arbeitsnachfrage insbesondere aus Besonderheiten der Betriebsgrößenstruktur der betrachteten Branchen. Vgl. H. Lampen, 1969, S. 404. 53 In Bereichen mit einer auch kurzfristig vergleichsweise lohnreagiblen Arbeitsnachfrage wiederum dürfte die Gefahr der Konkurrenz mittels untertariflicher Arbeitsbedingungen, vor allem untertariflicher Bezahlung ("Schmutzkonkurrenz"), vermutlich dann bestehen, wenn der Absatzmarktwettbewerb zwischen den Unternehmen intensiv ist und
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Zweifelhaft ist, ob etwaige, auf die Substitution von Arbeitskräften gerichtete personalpolitische Maßnahmen der Unternehmen überhaupt verhindert werden könnten, wenn tarifunterschreitende Vereinbarungen auf dem Arbeitsmarkt möglich wären, und inwieweit die vorgeschlagenen Regelungen zur Verhinderung solcher Substitutionsprozesse geeignet wären. Selbst wenn es möglich sein sollte, konsensfähige und in ausreichendem Maße operationalisierbare Prüfkriterien für das Vorliegen entsprechender, zur Tarifunterbietung (durch einzelvertragliche oder auch betriebliche Vereinbarungen) berechtigende Tatbestände zu spezifizieren 54, bestünde im Falle einer Bindung von betrieblichen Lohnunterbietungsrechten an solche Kriterien immer noch die Aufgabe, das Vorliegen der spezifizierten Bedingungen im Einzelfall zu prüfen. Schwer zu lösen wäre ferner wohl auch das Problem, eine angemessene und effektive Mißbrauchskontrolle sicherzustellen (ähnliche Probleme bestünden vermutlich bei Verhandlungen über Tarifunterschreitungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat 55.56 Im Falle einer kurzfristig geringen Lohnelastizität der Arbeitsnachfrage 57 besteht die Gefahr, daß die Fälle bloßer Substitution von Arbeitskräften überwiegen (zumindest kurz- bis mittelfristig). Im Ergebnis würde sich dann vorrangig die Zusammensetzung der Gruppe der Beschäftigten ändern; die Zahl der insgesamt, d. h. in der Gesamtwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer bliebe unverändert oder ginge sogar zurück. Letzteres könnte eintreten, wenn es im Falle der Zulassung von Unterbietungswettbewerb auf Seiten der Arbeitskräfte insbesondere in einer Situation mit Angebotsüberhang auf dem Arbeitsmarkt bei kurzfristig geringer Lohnelastizität der Arbeitsnachfrage gesamtwirtschaftlich zu einem Absinken der Nominallohnsumme kommt und sich hieraus dann infolge einer nachlassenvorrangig über den Produktpreis erfolgt. Das unternehmensseitig den Kosten des Produktionsfaktors Arbeit beigemessene (relative) Gewicht wird in einer bestinunten Branche mit sinkender (steigender) Kapitalintensität der Produktion zunehmen (zuriickgehen); die Substitutionselastizität des Faktoreinsatzes dürfte mit steigender Kapitalintensität der Leistungserstellung sinken (zumindest auf kurze Frist). 54 Vgl. in diesem Zusammenhang die Vorschläge bei R. Vaubel, 1989, S. 31. Nicht ohne Probleme wäre die von Vaubel vorgeschlagene Bindung des Günstigkeitsprinzips an betriebs- statt personenbezogene Kriterien, da es sich um eine Form der Lohndiskriminierung handelte. Vgl. H.-D. Hardes, 1988, S. 58, Anmerkung 3. 55 Vgl. hierzu ID. 2.3.2. 56 Sollten Tarifunterschreitungen erlaubt werden, dürfte eine Mißbrauchsaufsicht unumgänglich sein, da für Unternehmen ansonsten vermutlich erhebliche Anreize zu "moral hazard"- Verhalten bestünden. Eine damit vermutlich einhergehende (weitere) Ausdehnung behördlicher und I oder tarifvertraglicher Kontrollbefugnisse wäre wohl mit dem mit Deregulierungsmaßnahmen angestrebten Ziel, den Arbeitsmarkt flexibler zu gestalten, kaum zu vereinbaren. 57 Genauer: eine Lohnelastizität der Arbeitsnachfrage, die absolut - kleiner als 1 ist. Bezogen auf das einzelne Unternehmen dürfte die Lohnelastizität der Arbeitsnachfrage (und damit die durch relativ sinkende Lohn- bzw. Arbeitskosten induzierte zusätzliche Nachfrage nach Arbeitsleistungen) c. p. umso größer sein, je weniger kapitalintensiv die betriebliche Leistungserstellung erfolgt und I oder je größer die Substitutionselastizität des Faktoreinsatzes ist.
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den gesamtwirtschaftlichen Konsumgüternachfrage wiederum negative Rückwirkungen auf Konjunktur und Beschäftigung ergäben. 58 Gesamtwirtschaftlich wären solche durch Zulassung tarifunterschreitender Lohnvereinbarungen ermöglichte Substitutionsprozesse damit u. U. negativ zu bewerten. 59 Die Beschäftigungswirksamkeit einer entsprechenden Änderung des Tarifrechts dürfte sich schließlich auch nicht damit begründen lassen, daß im Jahre 1932, im Kulminationspunkt der Weltwirtschaftskrise, von der Reichsregierung v. Papen eine Unterbietung der Tarifverträge zugelassen wurde. Es erscheint sehr fraglich, daß durch die Aufhebung der Unabdingbarkeit von Tarifbedingungen eine Senkung der Arbeitslosenquote gelang. 60 Die genannten Einwände behalten auch dann ihre Gültigkeit, wenn untertarifliche Löhne nur für bestimmte Personenkreise, Berufe und I oder Regionen zugelassen werden, d. h. im Falle einer nur bedingten "Öffnung" des Tarifvertragsrechts. Nachteilige Wirkungen durch eine die Qualität der Arbeitsbedingungen nachhaltig verschlechternde Unterbietungskonkurrenz sind auch bei beschränkter Zulassung der Unterbietung von Tarifvertragsnormen nicht auszuschließen. Die von entsprechenden Deregulierungsmaßnahmen erwarteten positiven Beschäftigungseffekte wären daher zumindest unsicher, blieben unter Umständen auch ganz aus. Die Existenz weiterer, nicht tarifvertraglich verursachter Beschäftigungshemmnisse könnte eine Ausweitung der Nachfrage nach Arbeitsleistungen (allgemein wie auch bezogen auf Arbeitsleistungen einer bestimmten Art) verhindern. 61 In wirtschaftlich ungünstigen Perioden und I oder in stagnierenden bzw. schrumpfenden Regionen bzw. Branchen könnten durch die Statuierung von Sonderrecht für bestimmte Teilarbeitsmärkte die Konkurrenzbedingungen in erheblichem Maße verschärft werden, womit auf diesen Elementarmärkten verstärkt Substitutionsprozesse innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer und eine Unterbietungskonkurrenz auf Kosten der Arbeitsbedingungen (speziell der Arbeitsentgel58 Vgl. H. Lampert, 1986, S. 184. Ähnlich argumentiert auch Görres, der zur Begründung empirische Forschungsergebnisse anführt, die auf eine (zumindest kurzfristig) geringe Lohnelastizität der Arbeitsnachfrage hindeuten; vgl. P. A. Görres, 1981, S. 158. Selbst im Falle größerer Lohnelastizität der Nachfrage nach einzelnen Arbeitnehmergruppen oder in einigen Teilarbeitsmärkten wären seiner Meinung nach für ,,nennenswerte" Beschäftigungswirkungen erhebliche Lohnsenkungen nötig; ebenda, S. 161. 59 Vgl. H.-D. Hardes, 1988, S. 58. Ein Anreiz zu Mitnehmerverhalten bestünde zudem für diejenigen Unternehmen, die ohnehin Einstellungen beabsichtigen (auch zu höherem Lohn). Siehe ebenda. 60 Einen entsprechenden kausalen Zusammenhang scheint Vaubel zu vermuten; vgl. R. Vaubel, 1989, S. 31. Die Zulassung von Tarifunterbietung war nur Teil eines Maßnahmenbündels zur Überwindung der Wirtschaftskrise bzw. Arbeitsbeschaffung. Daneben wurden u. a. steuerliche Anreize für die Unternehmen (sog. "Steuergutscheine") sowie Beschäftigungsprämien gewährt und Maßnahmen zur Wohnungsbauförderung ergriffen. Zudem verzichteten die meisten Unternehmer auf untertarifliche Lohnangebote; dementsprechend blieb der beschäftigungssteigemde Effekt dieser Regelung gering. V gl. hierzu z. B. H. Marcon, 1974, v. a. S. 176 ff. sowie S. 278 ff. 61 Dabei kann es sich auch um Hemmnisse regional begrenzter Art handeln.
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te) drohte, möglicherweise in Verbindung mit einer kumulativen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen auf diesen Teilmärkten bzw. für bestimmte Arten von Arbeitsleistungen. Mit abnehmender Bedeutung korrigierend wirkender wettbewerblicher Beziehungen zu anderen Märkten könnten sich auf den betreffenden Teilarbeitsmärkten die Lohnfindungs- und Lohnbestimmungsprozesse in gewissem Maße verselbständigen (Tendenz zu "autonomer" Lohnfindung). 62 In Zusammenhang damit könnten u. U. (teil-)oligopsonistische Arbeitsmarktstrukturen gefördert werden. Eine begrenzte Zulassung von Tarifunterbietungen (speziell eine regional differenzierte Zulässigkeit) beinhaltet für Unternehmen in anderen (primär in angrenzenden) Teilarbeitsmärkten I Gebieten Anreize zur Substitution von Arbeitskräften bzw. Verlagerung der Arbeitsnachfrage (bzw. der Produktion). Wenn dabei nicht per saldo zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten werden, wird die (regionale) Arbeitslosigkeit nur zwischen verschiedenen Teilarbeitsmärkten umverteilt - bei insgesamt niedrigerem Niveau der Arbeitseinkommen. 63 Die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik zeigt eine Strukturierung nach bestimmten Personenmerkmalen, nämlich nach dem Geschlecht, dem Alter, der Ausbildung und der Dauer der Arbeitslosigkeit. 64 Diese spezifische Struktur dürfte zumindest teilweise das Ergebnis von Selektions- und Substitionsmaßnahmen seitens der Unternehmen sein, wie sie im allgemeinen bei längerdauerndem Überangebot auf dem Arbeitsmarkt einsetzen 6', d. h. Resultat eines Arbeitskräftebzw. "Verdrängungs"-Wettbewerbs. Insbesondere in der Entwicklung des qualifikationsspezifischen Arbeitsplatzangebotes zeigt sich, zumindest für die letzten Jahre, ein gegensinniger Zusammenhang zwischen der Höhe der (formalen) Qualifikation und der Belastung durch Arbeitslosigkeit. 66 62 Im Falle wirtschaftszweigspezifischer und I oder regional begrenzter Zulassung von tariflohnunterschreitenden Vereinbarungen drohte eventuell eine ruinöse ,,Binnen-" Konkurrenz auf den betreffenden Teilarbeitsmärkten. Entsprechend der Argumentation der Lohnstrukturtheorie werden von Seiten des Arbeitsangebotes durch Faktoren wie die unvollständige (Arbeits-)Markttransparenz, unvollständige Mobilität und Präferenzen die Lohninterdependenzen zwischen Teilarbeitsmärkten gelockert, d. h. der auf diesen bestehende Unabhängigkeitsgrad in der Lohnbestimmung erhöht. Die Wirksamkeit des Marktmechanismus (im Sinne einer raschen Angleichung der Löhne für gleiche Arbeitsleistungen) wird damit tendenziell schwächer. Mit steigender Unvollkommenheit des Arbeitsmarktes steigt ferner der Autonomiegrad auf Teilmärkten bezüglich der Lohnfindung und -bestimmung. Vgl. H. Lampert, 1963, S. 33 ff., S. 40. 63 Werden regional spezifizierte Unterbietungsrechte quasi automatisch wirksam, sobald in einem Gebiet eine bestimmte Rate der Arbeitslosigkeit überschritten wird, so besteht bei einer ursprünglich räumlich eng begrenzten Zulassung der Tarifunterbietung eventuell die Gefahr von kumulativen Prozessen. 64 Siehe z. B. auch G. Kleinhenz, 1989, S. 527. Innerhalb der Gruppe der Erwerbslosen lassen sich sehr ähnliche Strukturmerkmale wie im Bestand an Arbeitslosen erkennen; vgl. H. Mayer, 1988; ders., 1987. 65 Vgl. hierzu die Darlegungen in I. 3.2.2.1. Die Strukturierungsmerkrnale der Gruppe der Arbeitslosen entsprechen den Kriterien der selektiven Personalpolitik der Arbeitgeber in umgekehrter Richtung bzw. Merkrnalsausprägung; vgl. D. Sadowski, 1989, S. 82.
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Angesichts dieser Arbeitsmarktentwicklungen ist eine Lohnkonkurrenz der Arbeitskräfte untereinander (einschließlich der Gefahren des Unterbietungswettbewerbs) vermutlich vor allem im Bereich derjenigen Arbeitsplätze zu erwarten, die relativ geringe oder keine Anforderungen an die Arbeitnehmer stellen. Den Unternehmen dürften Substitutionsmaßnahmen (innerhalb einer sowie zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen) kurzfristig vermutlich im allgemeinen umso leichter möglich sein, je geringer die (Qualifikations-)Anforderungen eines Arbeitsplatzes sind. Abgesehen von einer Situation mit erheblichem allgemeinen Arbeitskräftemangel dürfte die Zahl der potentiell zur Besetzung eines bestimmten Arbeitplatzes verfügbaren Arbeitskräfte mit abnehmendem (Mindest-)Anforderungsniveau einer Stelle an die Arbeitskrafteigenschaften ansteigen. 67 Prognosen zufolge dürfte der in der Vergangenheit bei der Erwerbstätigenstruktur über sämtliche Wirtschaftssektoren hinweg zu beobachtende Trend zugunsten qualifizierter und "hochqualifizierter" Arbeitskräfte auch in den kommenden Jahren fortbestehen. 68 Da das Arbeitsplatzangebot für Personen ohne Ausbildungsabschluß deutlich sinken dürfte, ist somit trotz des erwarteten Rückgangs im Angebot gering Qualifizierter auch für die Zukunft mit Arbeitsmarktproblemen wenig qualifizierter Arbeitnehmer zu rechnen. 69 Die Gefahr, daß es infolge einer Zulassung der Tariflohnunterbietung zu einem nachhaltigen Lohnunterbietungswettbewerb im Bereich der Arbeitsplätze für gering Qualifizierte kommt, dürfte durch die für die Zukunft zu erwartende strukturelle Entwicklung des qualifJ.kationsspezifischen Arbeitsplatzangebotes eher noch verstärkt werden. Arbeitssuchende mit relativ geringem Qualiflkationsgrad müßten also vermutlich erhebliche Lohnabschläge in Kauf nehmen, um eine Beschäftigung zu finden. Fraglich wäre zudem, 66 Vgl. die Ergebnisse beiM. Tessaring, 1988, v. a. S. 180 ff., S. 183 ff. Danach sank der Anteil der Personen ohne Ausbildungsabschluß an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen von 33,4 % i. J. 1976 auf 23,9 % i. J. 1985, d. h. es bestand ein gegensinniger Zusammenhang zwischen der Höhe der (formalen) Qualifikation und der Belastung durch Arbeitslosigkeit; vgl. M. Tessaring, 1988, S. 180 ff., S. 183 ff., v. a. S. 184 (Übersicht 4). 67 Eine ,,Abwärts-" Substitution von Arbeitskräften bzw. Arbeitsplatzbewerbern ist vermutlich im allgemeinen auch kurzfristig und zudem leichter realisierbar als eine Substitution in umgekehrter Richtung- vor allem bei globalem Überangebot an Arbeitskräften. Nur bei gesamtwirtschaftlicher Überbeschäftigung erheblichen Ausmaßes wäre der Arbeitsmarkt wohl für Arbeitnehmer aller Qualifikationsgruppen ein "Verkäufermarkr. 68 Im Zeitraum 1976/85 ergaben sich für die Gruppe der Erwerbstätigen ohne Ausbildungsabschluß (ohne Auszubildende) Beschäftigungsverluste in allen Sektoren der Wirtschaft, auch im insgesamt "beschäftigungsexpansiven" tertiären Sektor; vgl. M. Tessaring, 1988, S. 193 (Tabelle 6). 69 Siehe M. Tessaring, 1988, S. 186. Zwischen den einzelnen Qualifikationsebenen bestehen (je nach dem Zeitraum der Betrachtung) relativ hohe Substitutionsbeziehungen (vermutlich v. a. bei Anlerntätigkeiten und bei Arbeiten, die eirien betrieblichen Ausbildungsabschluß erfordern). Zu berücksichtigen ist ferner das "latente" Arbeitsangebot gegenwärtig nicht erwerbstätiger, aber an einer (erneuten oder erstmaligen) Erwerbstätigkeit interessierter Personen ("stille Reserve"). Zu Begriff und Umfang der sog. "Stillen Reserve" vgl. z. B. Ch. Brinkrnann, 1987.
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ob es sich um einen neu bzw. zusätzlich geschaffenen Arbeitsplatz handelte oder um bloße Substitution von Arbeitskräften. Angesichts der genannten Zusammenhänge erscheint es je nach Ausprägung der relevanten Faktoren durchaus möglich, daß sich zumindest auf bestimmten (regional und I oder nach speziellen Personengruppen abgegrenzten) Teilarbeitsmärkten im Gefolge einer Zulassung von tarifunterbietendem Lohnwettbewerb die Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer mehr als nur marginal verschlechtern, vor allem in krisenbedrohten Branchen, in Bereichen mit einem relativ hohen Anteil gering qualifizierter Arbeitskräfte und bei hohem Anteil ausländischer Arbeitnehmer. 70 Entsprechende Tendenzen könnten sich zudem im Wettbewerb von Teilzeitarbeitnehmern bzw. Teilzeitarbeit suchenden Personen ergeben. Bei Tätigkeiten, die sich für eine "variable" Besetzung eignen (durch Vollzeitoder mehrere Teilzeitkräfte im Wechsel), könnte die Möglichkeit zu einer untertariflichen Beschäftigung von Teilzeitarbeitnehmern den Unternehmen unter Umständen auch zusätzliche Anreize zur Substitution von Vollzeitbeschäftigten durch "billige" Teilzeitarbeitskräfte bieten. Da Teilzeitarbeit vor allem im Bereich von Tätigkeiten mit relativ geringen Qualifikationsanforderungen verbreitet ist, könnte sich eine kumulative Belastung für bestimmte Arbeitnehmergruppen ergeben.7I Sofern tatsächlich in besonderem Maße gerade die genannten Personen- bzw. Arbeitnehmergruppen zu individuellen Zugeständnissen bei den Lohn- und sonstigen Arbeitsbedingungen gezwungen sein sollten, um Aussicht auf eine Beschäftigung zu haben, könnte sich irrfolge der Tarifrechtsänderungen eine bedenkliche Kumulation von Belastungen bei Erwerbspersonen(-gruppen) ergeben, die schon jetzt im Durchschnitt relativ schlechtere Beschäftigungschancen aufweisen und bezüglich der Höhe des (potentiell) erreichbaren Arbeitseinkommens ebenfalls unterdurchschnittlich abschneiden dürften. Für Angehörige dieser Gruppen könnte sich im Falle unterbietungsbedingt weiter absinkeoder Löhne der Abstand des jeweiligen Arbeitseinkommens vom Niveau der Einkommensersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit (bzw. vom Sozialhilfeniveau) erheblich verringern bzw. keine ausreichende Existenzgrundlage mehr bieten. Längerfristig könnten Probleme bzw. Belastungen durch (zu) geringe individuelle Leistungsansprüche gegenüber dem System der sozialen Sicherung auftreten, wenn die Unternehmen die Möglichkeit zu Lohnahsenkungen bei bestimmten Arbeitskräften verstärkt in Anspruch nehmen und Beschäftigungssuchende für einen längeren Zeitraum zu mehr als nur marginalen Lohnzugeständnissen bereit oder gezwungen sein sollten. Die Frage, ob bei Zulassung von Tarifunterschreitungen ein Lohnunterbietungswettbewerb nur kurzfristig oder aber für längere Zeit zu befürchten wäre, 10 Vgl. H. Lampert, 1986, S. 185; H.-D. Hardes, 1988, S. 58. Ferner dürften hiervon vorrangig Arbeitnehmer mit vergleichsweise "unstetigen" Beschäftigungskarrieren betroffen sein. 11 Etwa 90 % der Teilbeschäftigten sind Frauen. Vgl. zur Teilzeitarbeit III. 3.2.
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hängt vor allem von der durch Tarifrechtsänderungen möglicherweise ausgelösten Mehrnachfrage nach Arbeitskräften ab. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß selbst dann, wenn infolge einer geringeren Lohnkostenbelastung der Betriebe längerfristig gesehen eine Ausweitung des Beschäftigungsniveaus möglich sein sollte 72 , bei tarifrechtliehen Änderungen "dynamische", d. h. expansive und damit auch beschäftigungssteigemde Impulse vor allem abhängig sind von den branchenund gesamtwirtschaftlichen (gegebenfalls auch außenwirtschaftlichen) Faktoren, die für unternehmensehe Entscheidungen über Investitionen und Beschäftigungsexpansion relevant sind. 73 Die relative Bedeutung der tarifrechtliehen Rahmenbedingungen im Entscheidungskalkül der Unternehmen ist ungewiß und kaum exakt zu messen. Allerdings ist zu vermuten, daß tarifrechtliche Änderungen der geforderten Art (bezüglich der Allgemeinverbindlicherklärung und des Unabdingbarkeitsgrundsatzes) für sich allein genommen wohl kaum ausreichen dürften, um eine längerfristige expansive Wirtschaftsentwicklung in Verbindung mit entsprechenden Beschäftigungssteigerungen herbeizuführen. 74 Sofern es im Gefolge einer Tarifrechtsänderung zu einem Lohnunterbietungswettbewerb und - dadurch ausgelöst - zu einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage käme, hätte dies vermutlich auch Rückwirkungen auf die längerfristigen Erwartungen der Unternehmen; die erhoffte Ausweitung der Beschäftigung wäre damit u. U. noch unwahrscheinlicher. Da eine Beschäftigungserhöhung im Wege der vorgeschlagenen Tarifrechtsänderungen somit - wie erwähnt- durchaus nicht unbedingt eintreten muß, bietet wohl auch das Argument, mit dem Recht zur Tarifunterbietung für Arbeitslose lasse sich die Spaltung in "Arbeitsplatzbesitzer" und Arbeitslose überwinden, keine überzeugende Begründung dafür, tarifunterbietenden Arbeitsmarktwettbewerb zuzulassen. Darüberhinaus bestünde eine Spaltung der Arbeitskräfte aber auch dann fort, wenn (wie mit einer Deregulierung des Tarifrechts intendiert) Arbeitssuchende, die in untertarifliche Arbeitsbedingungen einwilligen, Beschäftigung fänden, nämlich eine lohnmäßige wie auch arbeitsrechtliche Spaltung in "privilegierte", d. h. zu tarifvertragliehen Bedingungen beschäftigte Arbeitnehmer einerseits und in demgegenüber unterhalb der tariflichen Bedingungen arbeitende Erwerbstätige andererseits. Auch ist es durchaus zweifelhaft, ob "gespaltene" Lohnsysteme (nach US-amerikanischem Vorbild) ein geeignetes Mittel zur Überwindung der Arbeitsmarktspaltung wären. 75 Angesichts der in den USA n Diese Frage ist von den spezifischen binnen- und außenwirtschaftlichen, wirtschaftszweig- und betriebsspezifischen Bedingungen abhängig. 73 Insbesondere von den Absatz- und Gewinnerwarrungen der Unternehmen. 74 Auch die Qualität der Sozialbeziehungen auf Betriebs- und Tarifvertragsebene dürfte ein nicht zu vernachlässigender Faktor sein. Von Bedeutung sind wohl auch bestehende sektorale Regulierungen (z. B. im Verkehrsgewerbe). Eine Lohnsenkung (relativ oder absolut) ist für sich genommen somit allenfalls eine notwendige, nicht aber eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß bedingt durch ein höheres Wachstum des Sozialprodukts die Beschäftigung zunimmt. 75 So auch H.-D. Hardes, 1988, S. 58.
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gewonnenen Erfahrungen mit derartigen Systemen sind wegen der Lohndiskriminierung, der Spaltung der Belegschaften und kontraproduktiver Wirkungen infolge innerbetrieblicher Widerstände nachteilige Wirkungen entsprechender "gespaltener'' Tarifverträge für die Arbeitsproduktivität und die Qualität der innerbetrieblichen Arbeitsbeziehungen zu erwarten. Problematisch dürften auch die langen Fristen bis zur Gleichstellung der Entgelte sein, wie sie dort zum Teil vereinbart wurden; ferner besteht die Gefahr einer raschen Ausbreitung der zweistufigen Entlohnung. 76 Auch bei Tarifvereinbarungen über zweigleisige Lohnsysteme sind letztlich die davon hauptsächlich Betroffenen (nämlich neu Eingestellte und Arbeitssuchende) am Vertragsschluß allenfalls teilweise beteiligt. 77 Die Spaltung in "Kern-" und "Randbelegschaften" würde damit wohl nicht aufgehoben; vielmehr könnte sich die Kluft zwischen den beiden "Segmenten" des Arbeitsmarktes noch ausdehnen, sofern es in größerem Umfang zu Lohnunterbietungswettbewerb der Arbeitskräfte bzw. zu einem kumulativ wirkenden Lohnsenkungswettbewerb der Betriebe und Unternehmen kommen sollte. Auch eine Gestaltung des Systems unterschiedlicher Entlohnung von bereits beschäftigten Arbeitnehmern und Neueingestellten mittels Gewinnbeteiligungskomponente (anstatt über den Barlohn) änderte prinzipiell nichts an der Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern im Falle eines gespaltenen Lohnsystems, selbst wenn diese Gestaltung für die Arbeitnehmer tatsächlich eher akzeptabel sein sollte. 78 Ob eine entsprechende Differenzierung mittels Gewinnbeteiligung tatsächlich - wie behauptet - vorteilhaft im Sinne einer größeren Effektivlohnflexibilität wirkte 79, ist vor allem davon abhängig, ob bzw. daß es hierdurch zu einer mehr als nur marginalen Entlastung der Unternehmen bei den Arbeitskosten kommt. Soll ein entsprechendes Modell möglichst rasch positive Beschäftigungswirkungen entfalten, dann wäre- wenn die Arbeitskosten (bzw. die Lohnsumme) im Niveau insgesamt nicht verändert werden sollen - aus betrieblicher Sicht eine Senkung der gegenwärtig bezahlten Barlöhne zugunsten einer Gewinn76 Vgl. J. Kühl, 1986a, S. 412; G. Trautwein-Kalms, 1986, S. 448; D. Mitchell, 1985, vor allem S. 592 ff. Siehe auch H. Eisold, 1989a, S. 98 f. Nach Angaben von Mitchell ( 1985, S. 592 f.) ist in etwa der Hälfte der Vereinbarungen über zweigleisige Lohnsysteme ein ,,Aufholen" Neueingestellter gegenüber ,,Alt-" Beschäftigten überhaupt nicht vorgesehen. Bei den Verträgen, die eine vorübergehende Lohnahsenkung vorsehen, sind die Gleichstellungsfristen z. T. sehr lang, die jeweiligen Vereinbarungen somit "quasipermanent" (ebenda). 77 So trafen vermutlich nicht wenige US-Gewerkschaften entsprechende Vereinbarungen allein schon aus Akzeptanzgründen, d. h. weil in Abstimmungen der Belegschaften leichter eine Mehrheit dafür zu gewinnen war als für generelle Lohnverzichte. Siehe D. Mitchell, 1985, S. 592. 78 Vgl. zu diesem Vorschlag von Eisold Kapitel III. 2.2.1. 79 Eisold erwartet von einem System .,gespaltener" Beteiligungslöhne eine Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit der Unternehmen und größere Sicherheit der Arbeitsplätze; siehe H. Eisold, 1989b, S. 253 f.
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beteiligungskomponente notwendig. 80 Wenn ein entsprechendes Modell bei den Arbeitnehmern nicht auf ein entsprechend großes Interesse stoßen sollte (d. h. eine Senkung der Barlöhne zugunsten der Beteiligungskomponente nicht durchsetzbar wäre 81 , könnte ein Gewinnbeteiligungssystem auch schrittweise eingeführt werden, indem Barlohnerhöhungen, die gegenüber der Situation ohne Beteiligungskomponente entsprechend geringer ausfallen müßten, mit einem nach der Beschäftigungsdauer gestaffelten Gewinnbeteiligungsanspruch zu verknüpfen wären. 82 Letztere Gestaltungsform wäre für die Arbeitnehmer vermutlich eher akzeptabel, führte allerdings angesichts der begrenzten Spielräume für Entgelterhöhungen dazu, daß bei den Unternehmen erst allmählich größere Kostenentlastungen eintreten könnten. 83 Die beschäftigungspolitische Leistungsfahigkeit eines solchermaßen gestalteten Modells dürfte daher kurz- bis mittelfristig relativ gering sein. Zudem könnten solche Gewinnbeteiligungssysteme bei entsprechender Gestaltung für die Unternehmen einen Anreiz bieten, verstärkt Beschäftigte mit vergleichsweise hohem individuellen Beteiligungsanspruch durch neueingestellte Arbeitskräfte und I oder Arbeitnehmer ohne bzw. mit geringen "Senioritätsrechten" zu ersetzen. 84 Abgesehen von diesen Ausgestaltungs- und Wirkungsproblemen unterliegt der Vorschlag zur Einführung eines gespaltenen Lohnsystems mittels Gewinnbeteiligungskomponente auch den gegen Gewinnbeteiligungsmodelle generell erhobenen Einwänden. 85 80 Gemäß dem Vorschlag von Eisold (1989a, S. 99 und 1989b, S. 254) sollen die Barlöhne im Niveau unverändert bleiben (bei gleichem Barlohn für gleiche Arbeit). Für die Betriebe ergäben sich in diesem Fall im Vergleich zur Situation ohne Arbeitnehmerbeteiligung aber höhere Kosten. Um eine in etwa kostenneutrale Lösung zu realisieren, müßte c. p. das Barlohnniveau auch bei den schon im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern (,,Alt-Beschäftigten") gesenkt werden, was wohl zu entsprechenden Akzeptanzproblemen führen würde. 81 Die Unternehmen dürften der Frage der Gestaltung eines auch von den Beschäftigten als ..g.erecht" akzeptierten innerbetrieblichen Entgeltsystems große Bedeutung beimessen; Anderungen des innerbetrieblichen Lohnniveaus und der Lohnstrukturen werden, da "übereilte" Anpassungen problematisch sind, vermutlich "abwartend und nur allmählich" realisiert. Siehe zu diesen Argumenten D. Sadowski, 1989, S. 82. Vgl. auch Abschnitt 2.3.2. in diesem Kapitel. 82 Ähnlich dem jüngst durch M. Weitzman wieder in die Diskussion gebrachten Modell einer Arbeitnehmerbeteiligung; vgl. H. Eisold, 1989b, S. 252 ff. Siehe hierzu auch III. 2.4. 83 Sollen aus dem verteilbaren Produktivitätsfortschritt neben Barlohnanpassungen und Gewinnbeteiligungen noch Arbeitszeit- und (oder) berufliche Weiterbildungsmaßnahmen bestritten werden, würde dieser ohnehin begrenzte "Verteilungsspielraum" noch enger. 84 Des weiteren wäre zumindest prinzipiell nicht auszuschließen, daß die Unternehmen ihre Beschäftigungspolitik auch unter dem Gesichtspunkt der damit verbundenen beteiligungsbedingten Verminderung des Ertragsanteils der Kapitalgeber variieren. Eine nachhaltige Verringerung des Kündigungsschutzes der Arbeitnehmer, wie sie im Rahmen der Deregulierungsdiskussion bisweilen gefordert wurde, könnte entsprechende Substitutionsstrategien u. U. erleichtern. 85 So würden Ansprüche auf Gewinnbeteiligung vermutlich die zwischenbetriebliche Mobilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer verringern. Ferner dürfte es problematisch sein,
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Eine Zulassung von untertariflichem Arbeitsmarktwettbewerb muß also insgesamt betrachtet nicht unbedingt vorteilhaft sein. Positive Wirkungen sind insbesondere angesichtsmöglicher kontraproduktiver Tendenzen einer Unterbietungskonkurrenz zumindest ungewiß. Es erscheint fraglich, ob zweifelhafte, vermutlich (allenfalls) relativ geringe positive Beschäftigungswirkungen entsprechend weitreichende Eingriffe in grundlegende tarifrechtliche Regelungen, wie sie die Unabdingbarkeil von Tarifnormen und die Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen darstellen, rechtfertigen können. Die Zulassung von Tarifunterbietungen hätte möglicherweise erhebliche Nachteile für die Qualität der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsmarktordnung insgesamt: so könnte es durchaus zu einer erheblichen Schwächung der Arbeitsmarktorganisationen kommen, ferner würde möglicherweise die faktische Wirksamkeit der Ordnung der Arbeitsmärkte geringer, insbesondere der Transparenzgrad bezüglich der Arbeitsbedingungen auf verschiedenen Elementararbeitsmärkten. Gerade dem letztgenannten Aspekt dürfte angesicht neuerer, sich in der Zukunft vermutlich noch verstärkender Tendenzen zur Differenzierung und flexibleren Gestaltung von Arbeitsbedingungen (vor allem im Bereich der Dauer und Lage der individuellen Arbeitszeit) wachsende Bedeutung zukommen. 86 Sehr unsicher sind die von diesen Maßnahmen erwarteten günstigen Arbeitsmarktwirkungen, vor allem beschäftigungserhöhende Nettoeffekte und eine Aufhebung der behaupteten "Spaltung" der Gruppe der Arbeitnehmer bzw. der Arbeitsmärkte. 2.3.2. Probleme einer Verlagerung tariflicher Vereinbarungsbefugnisse auf die Betriebsebene Im Rahmen der Diskussion über eine "Deregulierung" bzw. ,,Flexibilisierung" des Tarifvertragssystems wird in Hinblick auf das Ziel der Verringerung der Arbeitslosigkeit auch gefordert, die Vereinbarungskompetenz in Tarifverhandlungen (generell oder teilweise) auf die Betriebsebene zu verlagern. 87 einen für beide Seiten akzeptablen Schlüssel zur Berechnung der Gewinnbeteiligung zu finden, d. h. eine geeignete Bemessungsgrundlage. Ohne eine entsprechend aussagekräftige Schlüsselgröße für den Unternehmensgewinn dürften die Gewerkschaften bzw. die Arbeitnehmer kaum in betriebliche Beteiligungsmodelle einwilligen; andererseits stoßen bei Arbeitgebern Gewinnbeteiligungsmodelle häufig gerade deshalb auf Ablehnung, weil man befürchtet, zur Offenlegung der betrieblichen Vermögens- und Gewinnsituation gegenüber Gewerkschafts- und I oder Belegschaftsvertretern verpflichtet zu werden. 86 In diesem Sinne auch G. Kleinhenz, 1988, S. 216. An die Kenntnisse und Urteilsfahigkeit der Arbeitnehmer (ihre "Mündigkeit") werden in Zukunft durch die teilweise neuartigen Differenzierungs- und Flexibilisierungsmöglichkeiten im Bereich der Arbeitsnormen wahrscheinlich zunehmend komplexere Anforderungen gestellt werden. Je weniger die Erwerbstätigen im Durchschnitt diesen Anforderungen gewachsen sind, umso größer ist die Gefahr, daß es in vermehrtem Maße zum Abschluß von Arbeitsverträgen kommt, in denen die Belastungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ungleich, zuungunsten der Arbeitnehmer verteilt sind. Auf die potentiell nachteiligen Formen flexibler Arbeitszeitgestaltung wird in III. 3.2. näher eingegangen.
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Eine entsprechende Tarifrechtsänderung soll, so die Intention, zu einem Nebeneinander bzw. zu einer Konkurrenz von Vereinbarungen auf Betriebs- bzw. Unternehmensebene und Tarifverträgen führen. In diesem Absctmitt soll auf die möglichen Probleme einer entsprechenden Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen für das System überbetrieblicher Kollektivverträge (Verbandstarifverträge) und für die Betriebe eingegangen werden. Die im folgenden angeführten Negativwirkungen könnten die unterstellte beschäftigungspolitische Leistungsfähigkeit der vorgeschlagenen Modifikationen unter Umständen deutlich mindern (vor allem im Falle einer generellen Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen). Eine generelle oder zumindest weitgehende Verlagerung der Vereinbarungskompetenz im Bereich der (materiellen und immateriellen) tariflichen Arbeitsbedingungen auf die Betriebsebene dürfte die bereits dargestellten vorteilhaften Wirkungen eines (überbetrieblichen) Tarifvertrages unter Umständen nicht unerheblich beeinträchtigen. Die Funktion der Tarifverträge, ein bestimmtes Mindestniveau der Arbeitsbedingungen gegen schrittweise Aushöhlung zu schützen (Schutzfunktion), kann im Falle einer Verlagerung der Vereinbarungskompetenz auf die Betriebsebene geschwächt oder sogar weitgehend ausgehöhlt werden, ebenso deren Funktion, die einzelnen Arbeitsmärkte zu ordnen. Erheblich erschwert würde ferner die Erfüllung der Aufgabe, die Arbeitsbeziehungen im allgemeinen Interesse möglichst konfliktfrei zu gestalten (Wirkung des Tarifvertrages als "Befriedungsinstrument"). Generell bestünde bei dezentralisierten Tarifverträgen und/ oder Möglichkeiten zu betrieblicher Differenzierung wohl zumindest potentiell die Gefahr, daß sich Interessenkonflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Zukunft wesentlich stärker als bislang in die Betriebe hinein verlagern und sich damit die betrieblichen Arbeitsbeziehungen unter Umständen erheblich verschlechtem könnten. 88 Im einzelnen Betrieb sind die bilateralen Beziehungen zwischen den Vertragspartnern strukturell anders geartet als auf der Tarifvertragsebene, da der Arbeitgeber bzw. die Unternehmensleitung und die Arbeitnehmer sowie deren Interessenvertretung (Betriebsrat) in den betrieblichen Kontext eingebunden sind. Wie bereits angesprochen, agieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer einerseits als Vertragsparteien (Parteien des Arbeitsvertrages) sowie andererseits als Organ bzw. Mitglied(er) eines "Betriebsverbandes"; d. h. beide Seiten befinden sich jeweils in einer "Doppelrolle" . 89 Rechtssystematisch wird dem durch unterschiedliche 87 Siehe III. 2.2.2. Entsprechende Änderungen werden zum Teil als Ergänzung, meist aber alternativ zur Zulassung von untertariflichem Individualwettbewerb vorgeschlagen. 88 BDA, 1988, S. 41; G. Kleinhenz, 1988, S. 202; G. Fels, 1986, S. 14 f.; 0. R. Kissel, 1986, s. 80. 89 Vgl. D. Reuter, 1985, S. 56 f.; siehe auch III. 2.3.1.
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Ordnungen Rechnung getragen, die die bilateralen Beziehungen auf der jeweiligen Ebene strukturieren. Das Betriebsverfassungsrecht ist dabei, der Zwecksetzung des Betriebes als Produktionseinheit entsprechend, vom Grundsatz der gegenseitigen vertrauensvollen Zusammenarbeit geprägt. 90 Dementsprechend unterscheiden sich auch die Determinanten der Verhandlungsstärke der Vertragspartner auf der Betriebsebene zumindest teilweise von den in überbetrieblichen Verhandlungen maßgeblichen Faktoren. 91 In Abhängigkeit von denjeweils herrschenden branchen- und unternehmensspezifischen Güter- und Arbeitsmarktbedingungen (bzw. deren Kenntnis und Interpretation durch die Beteiligten) dürfte die Verhandlungsparität zwischen den Vertragspartnern in einem Unternehmen bzw. Betrieb innerhalb einer Branche in ihrer jeweiligen konkreten Ausprägung teilweise anderen Einflüssen sowie u. U. größeren Schwankungen unterliegen als auf überbetrieblicher (tarifvertraglicher) Ebene. Dabei kann aus dem Arbeitskampfverhot bei Lohnverhandlungen eine schwächere Verhandlungsposition des jeweiligen Betriebsrats (im Vergleich zum Arbeitgeber) resultieren.92 Angesichts der spezifischen Determinanten der jeweiligen Verhandlungsstärke von Arbeitgeber und Betriebsrat dürften die Vertreter der Arbeitnehmer in Zeiten von - aus Arbeitnehmersicht - ungünstigen Arbeitsmarktbedingungen zumindest tendenziell bzw. in bestimmten Fällen in einer unterlegenen Verhandlungsposition sein. Möglicherweise verschlechterten sich infolgedessen die jeweiligen Arbeitsbedingungen; diese Gefahr besteht wohl zumindest für Mittel- und Kleinbetriebe93, möglicherweise auch in "Problembranchen" und in Wirtschaftszweigen und I oder Regionen mit erheblichem Überangebot an Arbeitskräften. In Frage gestellt würde die Einheitlichkeit der Unternehmerischen Wettbewerbsbedingungen hinsichtlich der Mindestlohnkosten bzw. Mindestarbeitsbedingungen, wie sie durch Verbandstarifverträge für den jeweiligen Wirtschaftszweig im Tarifvertragsgebiet geschaffen wird (d. h. die Ordnungswirkung der Tarifverträge würde vermindert). Damit könnte eine "Schmutzkonkurrenz" auf Seiten der 90 Vgl. G. Müller, 1988, S. 14; H.-D. Hardes, 1988, S. 59. Gemäß § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG sind Arbeitskampfmaßnahmen auf betrieblicher Ebene verboten; Konflikte zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sind gegebenenfalls im Wege der Schlichtung durch eine Einigungsstelle zu entscheiden. 91 So dürften die Verbände der Arbeitsmarktparteien im allgemeinen über eine (evtl. erheblich) größere (Arbeits- und Güter-)Marktübersicht und -kenntnis verfügen und infolgedessen die in Tarifverhandlungen jeweils zugrundezulegenden (branchen- und gesamt-)wirtschaftlichen Rahmenbedingungen potentiell eher abschätzen können als die Akteure im einzelnen Betrieb oder Unternehmen. 92 Vgl. F. Farthmann, 1987, S. 226; ähnlich 0. R. Kissel, 1986, S. 79. 93 Vgl. H. Lampert, 1986, S. 185. Letzteres (d. h. eine Verschlechterungder Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer) könnte sich nach Meinung des derzeitigen HAGPräsidenten Kissel ergeben, wenn man im Falle weiterreichender betrieblicher Vereinbarungskompetenzen die gerichtliche Nachprüfung von Betriebvereinbarungen auf das derzeit für Tarifverträge übliche Maß beschränkt; problematisch wäre die gerichtliche Nachprüfung des Inhalts von Betriebsvereinbarungen aber auch im umgekehrten Fall: hält man an der bisherigen Überprüfungspraxis fest, so müßten sich die Gerichte in Konflikte über Arbeitsbedingungen einmischen. Vgl. 0. R. Kissel, 1986, S. 79.
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Betriebe I Unternehmen gefördert werden, insbesondere in kleinbetrieblich strukturierten Branchen bzw. Tarifgebieten und I oder bei hoher Wettbewerbsintensität auf den relevanten Absatzrnärkten. 94 Je günstiger sich aus Arbeitnehmersicht die Rahmenbedingungen auf einzel-, brauchen- und I oder gesamtwirtschaftlicher Ebene sowie auf den jeweils relevanten Teilarbeitsmärkten darstellen, desto eher erscheint umgekehrt eine temporäre Verschiebung des Verhandlungsgleichgewichts zugunsten der Arbeitnehmerseite möglich. Im Falle einer Aushandlung der Arbeitsbedingungen auf betrieblicher Ebene könnten daraus Konflikte zwischen den Betriebsparteien resultieren, die zu einer möglicherweise erheblichen Belastung der Betriebe I Unternehmen führten. Auch wenn dem Betriebsrat Arbeitskampfmaßnahmen de jure nicht erlaubt sind, ist nicht auszuschließen, daß die Arbeitnehmerseite auf andere Durchsetzungsstrategien ausweicht. 95 Entsprechende Entwicklungen liefen dem Interesse der Arbeitgeber bzw. Unternehmen an einem möglichst konfliktfreien und reibungslosen Ablauf der betrieblichen Leistungserstellung zuwider. 96 In Abhängigkeit von der Qualität der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen auf Betriebsebene sowie abhängig von der Lage auf den Arbeitsmärkten und der spezifischen Unternehmens- und Branchensituation kann eine Kompetenzverlagerung auf die Betriebsebene somit durchaus konträre Wirkungen haben und inter- wie intraindustriell zu vielfältigen Differenzierungen sowie Entwicklungsunterschieden in der Gestalt der Arbeitsbedingungen führen. Zumindest in Teilbereichen der Wirtschaft und I oder periodenweise käme es möglicherweise zu einer Korrektur des (absatz-)marktgesteuerten Selektionsprozesses leistungsfähiger Unternehmen durch die Tarifpolitik 97 -bis hin zu einem Unterbietungswettbewerb der Betriebe. Andererseits könnte in bestimmten Bereichen bzw. zu bestimmten Zeiten aber auch die Verhandlungsposition und -stärke der Arbeitgeberseite geschwächt werden, vor allem im Verhältnis zu industrieweise organisierten Gewerkschaften (wie in der Bundesrepublik). 98 So könnte es den Gewerkschaften z. B. mittels 94 V gl. hierzu die Argumentation in Hinblick auf die potentiellen Effekte einer Aufhebung der Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung bzw. der Zulassung von Tarifunterbietungen in Abschnitt m. 2.3 .1. 95 Zum Beispiel "spontane" Arbeitsniederlegungen, ,,Dienst nach Vorschrift", etc. Entsprechende Verhaltensweisen könnten die Sozialbeziehungen (gerade auch auf Betriebsebene) vor allem längerfristig gesehen möglicherweise stärker beeinträchtigen als Arbeitkampfmaßnahmen im Rahmen überbetrieblicher Tarifverhandlungen. 96 Eine Entwicklung hin zu größerer Selbständigkeit und unabhängigerem Handeln der betrieblichen Arbeitnehmervertreter, die sich in der Zukunft vermutlich verstärkt fortsetzen dürfte, ist nicht nur aus gewerkschaftlicher Sicht problematisch, sondern auch für die Arbeitgeber, da die Gewerkschaften in ihrer Rolle I Funktion als wirtschaflieber und sozialer Ordnungsfaktor geschwächt werden und mehr als bislang eine Verlagerung von Verteilungskonflikten in die Betriebe hinein droht. Siehe E. Zander, 1987, S. 1316. Vermutlich ergäben sich auch ungünstige Wirkungen für die vielzitierte "Qualität" des Produktionsstandortes Bundesrepublik. 97 Vgl. auch G. Kleinhenz, 1988, S. 202.
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einer selektiven bzw. unternehmensweise vorgehenden Verhandlungspolitik gelingen, die Solidarität auf Arbeitgeberseite aufzuweichen. 99 Diese Gefahr bestünde dann, wenn die Verbandstarifverträge generell oder überwiegend durch Unternehmens- bzw. Werkstarifverträge ersetzt würden, in abgeschwächter Form aber wohl auch dann, wenn die Tarifvertragsparteien in Zukunft vermehrt generelle Öffnungsklauseln in Tarifverträgen (z. B. zugunsten von Klein- und Mittelbetrieben) vereinbarten. Insoweit dürfte auch eine gesetzliche Bestimmung, die die Tarifparteien generell zur Vereinbarung von Öffnungsklauseln in Tarifverträgen verpflichtet, nicht sinnvoll sein, könnte es in diesem Fall doch zu einer Umorientierung der gewerkschaftlichen Strategie (im angesprochenen Sinne) kommen und damit zu einem dauernden Zwang für die Unternehmen zu Tarifverhandlungen. 100 Auch ein Rückgriff auf Betriebs- bzw. Unternehmenstarifverträge könnte zu entsprechenden Entwicklungen führen - abgesehen von den Frage, ob auf dem Wege über Firmentarifverträge eine eher den "Markterfordernissen" entsprech~nde Gestaltung der tariflichen Arbeitsbedingungen erreichbar wäre. 101 Vor allem bei den Arbeitgeberverbänden befürchtet man, daß eine selektive Tarifvertragspolitik der Gewerkschaften, d. h. unternehmensweise erfolgende Tarifabschlüsse, eine "Atomisierung" 102 der Tarifvertragspolitik in Verbindung mit einer "permanente[n] Lohndiskussion" bewirken würde, die zur generellen Entwertung der Verbandstarifverträge führen würde. 103
98 So W. Ohm, 1987, S. 136. Im Gegensatz zu "Berufsverbänden" (im engeren Sinn), die aus Mitgliedern mit gleicher Tätigkeit und I oder gleicher Ausbildung bestehen, nehmen Industrieverbände meist alle Arbeitnehmer eines bestimmten Wirtschaftsbereiches auf. Vgl. G. Halbach u. a., 1987, S. 236; H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Rdnr. 168 zu § 2 TVG. 99 G. Fels, 1986, S. 14. Vgl. auch die Stellungnahme von W. Stumpfe (Präsident des Verbandes deutscher Metallarbeitgeber) auf der Mitgliederversammlung 1987 der BDA (siehe R. Hönsch, 1988, S. 22). 100 W. Ohm, 1987, S. 137; BDA, 1988, S. 35; BDA, 1985, S. 34; ähnlich auch E. Zander, 1987, S. 1315 f.; J. Göbel, 1986, S. 570. 101 So gibt etwa Zöllner zu bedenken, daß angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Probleme eine "betriebsnahe" Form der Tarifpolitik wohl kaum positive Ergebnisse zeitigen würde, wenn bereits in den sechziger Jahren (bei günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen) Versuche, eine betriebsnahe Tarifpolitik zu verfolgen, erfolglos blieben. Vgl. W. Zöllner, 1988, S. 273 f. 102 Vgl. BDA, 1988, S. 41. Seitens der Arbeitgeberverbände befürchtet man eine Aufweichung der Solidarität vor allem zwischen den prosperierenden Verbandsmitgliedern einerseits und den weniger zahlungskräftigen Unternehmen im Verband andererseits. Siehe z. B. J. Göbel, 1986, S. 569; BDA, 1988, S. 35. 103 BDA, 1988, S. 35 u. S. 41; BDA, 1985, S. 34. Gesetzlich verordnete Öffnungsklauseln in Tarifverträgen dürften allerdings nicht nur den Arbeitgeberverbänden, sondern vermutlich auch den Gewerkschaften nicht als wünschenswert erscheinen, da hierdurch möglicherweise die organisatorische Geschlossenheit und der Verhandlungsrückhalt der jeweils verhandlungsführenden Verbandsvertreter beeinträchtigt werden könnten. Siehe z. B. G. Fels, 1986, S. 14. Vgl. auch die Äußerungen eines DGB-Vertreters auf der Mitgliederversammlung 1987 der BDA, zit. nach R. Hönsch, 1988, S. 23.
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Im Falle einer Verschärfung der Konflikte auf betrieblicher Ebene und einer "selektiven", unternehmensweise vorgehenden gewerkschaftlichen Tarifpolitik würde d~e mit der Verbindlichkeit bzw. der Ordnungswirkung tarifvertraglicher (Mindest-)Normen erzielbare Wirkung, den Verteilungskonflikt auf dem Arbeitsmarkt zeitlich befristet zu "lösen" bzw. ruhig zu stellen, vermutlich in erheblichem Maße beinträchtigt. Diese "Friedensfunktion" von Tarifverträgen (auf Betriebs-, Branchen- und gesamtwirtschaftlicher bzw. gesellschaftlicher Ebene) wiederum bildet vor allem für die an verläßlichen Kalkulations- und Produktionsbedingungen interessierten Arbeitgeber ein wesentliches Motiv dafür, Tarifverträge abzuschließen. 104 Diese möglicherweise mit einer Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf die Betriebsebene einhergehenden Gefahren bzw. Probleme dürften tendenziell mit dem Umfang der den Betriebspartnern im Bereich der Vereinbarung von (materiellen und immateriellen) Arbeitsbedingungen gegebenen Entscheidungskompetenzen steigen. Insoweit dürfte vor allem die Zulassung einer generellen Konkurrenz von Betriebsvereinbarungen und überbetrieblichen Tarifverträgen bzw. eine gesetzliche Pflicht zu Öffnungsklauseln in Verbandstarifverträgen problematisch sein. Entsprechende Bedenken bestehen insbesondere dann, wenn betriebliche Vereinbarungen generell bezüglich materieller und immaterieller Arbeitsbedingungen ermöglicht würden. Probleme ergäben sich in diesem Zusammenhang auch bei einer bedingten Zulassung von tarifabweichenden Betriebsvereinbarungen (zugunsten konkursgefährdeter Betriebe bzw. Unternehmen). Allerdings könnte es auch dann (speziell für den Bereich der Bestimmung der Tariflöhne und der tariflichen Arbeitszeit) möglicherweise zu einem Unterbietungswettbewerb der Betriebe und I oder einer deutlichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen kommen, wenn von den Tarifvertragsparteien freiwillig Tariföffnungsklauseln vereinbart würden. 1os Letztlich sind auch die zugunsten einer völligen oder partiellen Verlagerung der Vereinbarungsebene für Arbeitsbedingungen auf die Betriebsparteien angeführten Vorteile zweifelhaft. So ist es ungewiß, ob durch die Verlagerung der Vereinbarung von Arbeitsbedingungen auf die Betriebsebene mit größerer Wahrscheinlichkeit eine (eher) marktgerechte Bestimmung von Niveau und Struktur der Löhne und damit eine Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgrades erreichbar wäre als innerhalb des gegebenen institutionellen Rahmens. Auch bei Verhandlungen auf Betriebsebene sind knappheitsgerechte Löhne keineswegs garantiert. 106 104 Vgl. hierzu z. B. BDA, 1988, S. 41. Ähnlich auch W. Dichmann, 1988, S. 40; J. Göbel, 1986, S. 569 f. Zur tarifvertragliehen Friedenspflicht siehe z. B. H. Wiedemann, H. Stumpf, 1977, Einleitung, Rdnr. 14. ws Dies wäre zumindest dann möglich, wenn in den Betrieben Vereinbarungen getroffen werden, in denen gleichzeitig das tarifliche Lohn- und Arbeitszeitniveau unterschritten wird und wenn die Tarifvertragsparteien keine Mindeststandards für die betrieblich festzulegenden Arbeitsbedingungen formulieren.
II*
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Ein besonders wichtiger Aspekt dürfte sein, daß eine am Vollbeschäftigungsziel orientierte Lohnniveaupolitik vermutlich leichter durch beschäftigungspolitisch verantwortungsbewußtes Handeln der Tarifvertragsparteien zu realisieren ist als mittels Betriebsvereinbarungen und Unterbietungskonkurrenz auf den Arbeitsmärkten. 107 Auf Betriebsebene wird die Lohnpolitik im allgemeinen durch andere Faktoren determiniert als die Lohnpolitik der Tarifvertragsparteien; so dürfte aus Unternehmenssicht die Sicherung der Leistungsbereitschaft der Beschäftigten (Motivationsfunktion des Arbeitsentgelts), die Erhaltung einer als "gerecht" akzeptierten innerbetrieblichen Lohnstruktur und das Ziellängerfristig stabiler Arbeitsverhältnisse relevant sein. 108 Auch die Gewährung von Unterbietungsrechten zugunsten konkursgefährdeter Betriebe bzw. Unternehmen dürfte nicht in jedem Fall beschäftigungsfördernd wirken. Wie schon bei der Forderung nach bedingter Zulassung von tarifunterschreitendem Individualwettbewerb zugunsten Arbeitsloser stellt sich erneut die wohl kaum lösbare Aufgabe, eindeutige und konsensfähige Kriterien für entsprechende Ausnahmen festzulegen und im jeweiligen Einzelfall deren Vorliegen zu überprüfen. Der Einigungsprozeß zwischen den Betriebspartnern dürfte sehr zeitintensiv sein, fraglich ist zudem, inwieweit die Arbeitnehmervertreter zu Konzessionen bereit wären. 109 Darüberhinaus erscheint es eher unwahrscheinlich, daß durch eine im einzelnen Unternehmen bzw. Betrieb angesiedelte Lohnpolitik die Aussichten betriebsexterner Arbeitsuchender auf Einstellung nachhaltig verbessert werden könnten. Betriebsräte dürften in Lohnverhandlungen mit dem jeweiligen Unternehmen im allgemeinen eher daran interessiert sein, die Arbeitsplätze von Belegschaftsmitgliedern zu erhalten, als durch Konzessionen der Beschäftigten bei der Qualität der Arbeitsbedingungen eventuell zusätzliche Einstellungen zu ermöglichen. 110 Vgl. G. Fels, 1986, S. 15; ähnlich auch G. Kleinhenz, 1988, S. 202. Vor allemangesichtsder spezifischen Determinanten der Verhandlungsstärke von Arbeitgeber und betrieblicher Arbeitnehmervertretung. Zu den Voraussetzungen einer am Vollbeschäftigungsziel orientierten Lohnniveaupolitik siehe H. Lampert, 1986, s. 186. 108 H. Lampert, 1986, S. 186; ähnlich D. Sadowski, 1989, S. 81 f. Vgl. auch die Argumentation in III. 2.3.1. Ein Unternehmen bzw. die Unternehmensleitung hat im allgemeinen ein erhebliches Interesse daran, sich einen möglichst großen Spielraum bezüglich der internen Flexibilität der Beschäftigung offenzuhalten; quasi als Gegenleistung zu einer entsprechenden Flexibilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer werden abrupte Veränderungen und Anpassungen der betrieblichen Entgeltstrukturen möglichst vermieden (Verstetigung der Beschäftigungsverhältnisse, im Sinne einer Senkung der externen Beschäftigungsflexibilität). Siehe D. Sadowski, 1989, S. 81. 109 Die Tatsache, daß Verhandlungen über Sozialpläne nicht selten zu erheblichen Auseinandersetzungen und zu umstrittenen Ergebnissen führen, stimmt insoweit eher skeptisch. 110 Das wird auch von Vaubel betont; vgl. R. Vaubel, 1989, S. 30. Von Unternehmerseite wird bestätigt, daß Betriebsräte eher "betriebsegoistisch" dächten - im Gegensatz zu den in ihrem Handeln (eher) volkswirtschaftlich orientierten Gewerkschaften; vgl. E. Zander, 1987, S. 1315. 106
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Letzteres ist wohl allein schon deshalb zu erwarten, weil ex ante für die Belegschaftsvertreter kaum eine ausreichende Sicherheit bestehen dürfte, daß im Falle von Vorleistungen der im Betrieb Beschäftigten tatsächlich zusätzliche Einstellungen erfolgen. 111 Durch eine Lohnaushandlung auf Betriebsebene dürften sich somit wohl höchstens Entlassungen und (oder) Unternehmenszusammenbrüche eher vermeiden lassen als durch überbetriebliche Tarifvereinbarungen. Dagegen ist nicht unbedingt eine generelle Beschäftigungserhöhung infolge entsprechender Tarifrechtsänderungen zu erwarten. Wenig überzeugend ist in diesem Zusammenhang auch die Begründung der Vorteilhaftigkeit von Tariflohnvereinbarungen auf der Betriebsebene mit einer gegenüber der Bundesrepublik günstigeren Beschäftigungsentwicklung in Ländern mit entsprechenden betrieblichen bzw. "betriebsnahen" (Tarif-)Lohnverhandlungen.112 Aufgrund nationaler Eigenheiten in den jeweils relevanten politisch-institutionellen Rahmenbedingungen und angesichts des Einflusses unterschiedlicher einzel-und gesamtwirtschaftlicher Bedingungskonstellationen dürfte eine einfache Übertragung der Erfahrungen in anderen Ländern nicht möglich sein. Da beobachtbare Arbeitsmarktentwicklungen aus dem Zusammenspiel vielfältiger Entwicklungen und interdependenter Faktoren resultieren, ist eine monokausale Ursachenerklärung unzureichend. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß erhebliche Zweifel bestehen, ob sich durch tarifabweichende Vereinbarungen (Betriebsvereinbarungen), speziell im Bereich der Tariflöhne bzw. generell im Rahmen von Betriebsvereinbarungen über materielle und immaterielle Arbeitsbedingungen der Beschäftigungsstand und I oder die Arbeitsplatzsicherheit der Arbeitnehmer nachhaltig erhöhen ließen.113 Die Erwartungen hinsichtlich beschäftigungssteigernder Wirkungen im Falle entsprechender Modifikationen erscheinen zumindest in der Höhe übertrieben; je nach den wirtschaftlichen Bedingungen käme es möglicherweise zu keiner Arbeitsmarktentlastung. 114 Bei allzu weitreichenden Veränderungen in den gegenwärtig bestehenden Regelungen bezüglich der Kompetenzabgrenzung zwischen betrieblicher und tarifvertraglicher Ebene im Bereich der Vereinbarung von Arbeitsbedingungen besteht demgegenüber die Möglichkeit, daß diese, ohne beschäftigungspolitisch in der erwünschten Weise zu wirken, die genannten positiven Funktionen eines Tarifvertragssystems und überbetrieblicher Arbeitsmarktverhände als Mittel zur Ordnung der Arbeitsmärkte jedenfalls in Teilbereichen in ihrer faktischen Bedeutung nachhaltig beeinträchtigen könnten. 111 Fraglich ist zudem, ob Betriebsräte eher als Gewerkschaften die Interessen Arbeitsloser in ihrem Handeln mitberücksichtigen, d. h. in der Vertretung von Belegschaftsinteressen und der Belange betriebsexterner Arbeitnehmer im Sinne einer ,,Arbeitnehmersolidarität" handeln. Diesbezüglich skeptisch D. Sadowski, 1989, S. 86. 112 Vgl. z. B. R. Vaubel, 1989, S. 29. 113 Vgl. H. Lampert, 1986, S. 185. 114 Per saldo, d. h. nach Aufrechnung beschäftigungserhöhender und -senkender Effekte.
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
Wenn damit insgesamt betrachtet die Leistungsfähigkeit einer Politik weitgehender Verlagerung der Vereinbarungskompetenzen über Arbeitsbedingungen auf die Betriebe nach Ansicht der Verfasser im ganzen skeptisch einzuschätzen ist, so besteht gleichwohl unverkennbar ein erheblicher und in der Zukunft vermutlich noch zunehmender Bedarf auf Seiten der Betriebe und Unternehmen, neben der Produktion auch die betrieblichen Arbeitsbedingungen im Falle geänderter Marktgegebenheiten beweglicher und rascher als bisher anpassen zu können (insbesondere die jeweilige Arbeitszeit der Beschäftigten). Diese Tatsache müßte wohl von den Tarifvertragsparteien auch in der Art sowie den Inhalten der Tarifabschlüsse stärker als bislang berücksichtigt werden. Insoweit erscheint es sinnvoll, den Betriebsparteien für jeweils auf überbetrieblicher Ebene vorweg spezifizierte Vertragsinhalte in beschränktem Maße Freiräume für die konkrete Gestaltung der Vereinbarungen zu eröffnen. Beispielsweise könnten den Betriebspartnern von den Tarifvertragsparteien für bestimmmte Vertragsinhalte Wahlmöglichkeiten im Rahmen von tarifvertraglich geregelten Gestaltungsalternativen gegeben werden, wie dies in Tarifvereinbarungen über flexiblere Arbeitszeiten bereits in Ansätzen praktiziert wurde. 115 Darüberhinaus könnte in diesem Zusammenhang unter Umständen auch eine Politik zur verstärkten Einbindung der Arbeitsmarktparteien auf lokaler Ebene, wie sie als Element einer arbeitsmarktpolitischen Strategie in Abschnitt III. 3.3. ausführlicher dargelegt wird, auf der Tarifvertragsebene ihre Berücksichtigung finden. 116 Des weiteren könnten rahmensetzende Tarifverträge auch eingesetzt werden, um im Rahmen einer "zweistufigen" Tarifpolitik (bzw. im Sinne eines "Beschäftigungspak:tes"), wie sie im folgenden Abschnitt III. 2.4. vorgeschlagen und konkretisiert wird, Vereinbarungen, die auf gesamtwirtschaftlicher Ebene getroffen werden, umzusetzen. Eine Weiterentwicklung der gegenwärtigen Form der Tarifautonomie in Richtung eines entsprechend gestalteten, idealerweise unter verschiedenen gesamtwirtschaftlichen Bedingungen leistungsfähigen Tarifvertragssystems sollte vor allem auch von den Tarifparteien selbst in die Wege geleitet werden. Auf diese Weise könnten die Arbeitsmarktparteien bzw. deren Kollektivverbände ihrer Rolle als (Mit-)Verantwortliche für Beschäftigungsniveau und Geldwertstabilität, welche mit ihren weitreichenden, in der Tarifautonomie verbürgten Kompetenzen untrennbar verknüpft ist, deutlicher als bislang gerecht werden. Es bleibt trotz aller Vorzugswürdigkeit und potentiellen Leistungsfähigkeit des Tarifvertragssystems, wie sie hier dargelegt wurden, unseres Erachtens immer auch zu bedenken, daß eine derart umfassende institutionelle Freiheitsgarantie, wie die in der Bun115 Vgl. hierzu insbesondere auch die entsprechenden Vorschläge des Sachverständigenrates in seinem Jahresgutachten 1988/89 (Ziff. 347). 116 Beispielsweise bei der Umsetzung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen.
2. Modifikation der Arbeitsmarktordnung
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desrepublik geltenden Regelungen zur Tarifautonomie sie darstellen, ohne entsprechende "Gegenleistungen" seitens der Begünstigten längerfristig gesehen in Gefahr geraten könnte, in ihrer Rolle als institutionalisierte Form zur geordneten Austragung gesellschaftlicher Konflikte an gesellschaftlicher Legitimation zu verlieren.
2.4. Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie durch vermögenspolitische Absicherung und Sozialpartnerschaft Bei Versuchen, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie - insbesondere in bezug auf die Erreichung der Ziele Preisniveaustabilität und hoher Beschäftigungsgrad - zu verbessern, sollte von folgenden Tatsachen bzw. Prämissen ausgegangen werden:
1. Nach allen vorliegenden theoretischen Einsichten und empirischen Erfahrungen muß eine Verbesserung der Verteilungsposition der Arbeitnehmer (im Sinne einer Erhöhung der Lohnquote) mit Hilfe hoher nominaler Lohnzuwachsraten als nicht durchsetzbar gelten 1• t Vgl. dazu B. Külp, 1981, S. 149 ff. und die dort angegebene Literatur, A. Oberhauser, 1985, H. Lampert, 1985 und Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Gutachten 1970/71, Ziff. 234 sowie 1972/73, Ziff. 438: "Das verteilungspolitisch und stabilitätspolitisch zentrale Problem ist die Verteilung der Einkommen zwischen Kapital und Arbeit. Der Sachverständigenrat sieht für die beteiligten Gruppen nur geringe Chancen, durch Ausübung von Marktmacht auf den Arbeitsmärkten und Gütermärkten die volkswirtschaftlichen Anteile der Arbeitseinkommen oder der Besitzeinkommen auflängere Sicht zu beeinflussen. Insofern bleiben Verteilungskämpfe, die unter Ausnutzung von Marktmacht ausgetragen werden, funktionslos." Das heißt aber beileibe nicht, daß es nicht sinnvoll ist, den Arbeitnehmern die Chance zu belassen, sich im Wege der Tarifautonomie in den Verteilungsprozeß einzuschalten. Dies hat besonders klar G. Bombach, 1969, S. 822 f. aufgezeigt: "Die stabilitäts-und verteilungspolitische Diskussion kreist in verfeinerter Form um die tautologische Formel, nach der die Verteilung des Sozialproduktes auf Lohn und Gewinn determiniert ist durch seine Verwendungsstruktur (Aufteilung auf Konsum, Investition, Staatsverbrauch, Außenbeitrag), sowie die Ersparnisbildung aus Löhnen und Gewinnen. Als Tautologie ist diese Formel niemals falsch, richtig angewandt höchst nützlich, als Leerformel aber kein Ersatz für Politik. Hier liegt die eigentliche Ursache für das Scheitern der Produktivitätslohnpolitik; Verwendungsstruktur und Sparstruktur werden als prädeterminiert und unabänderlich betrachtet, und aus einer Serie von ceteris-paribus-Annahmen wird die These abgeleitet, daß Nominallohnpolitik eine untaugliche Waffe in der Verteilungsauseinandersetzung sei. Mehr oder weniger Nominallohnzuwachs würden nur zu entsprechend mehr oder weniger Inflation führen, bei jeweils der gleichen Lohnquote. Die Gewerkschaften haben sich mit dieser passiven Stellung, die ihnen durch das Einfügen in vorgegebene Strukturen, auf deren Zustandekommen sie keinen Einfluß haben, niemals abgefunden und werden es auch nicht tun. ,Preisneutrale Lohnpolitik', nur verstanden als ein Zufriedensein mit dem Rest des Sozialproduktes, der nach erfolgter Aufteilung auf andere Verwendungskomponenten übrig bleibt, ist - wie von Nell-Breuning es ausgedrückt hat- ein ,Unbegriff' ; es wäre Verzicht auf Lohnpolitik überhaupt. Den gleichen Gedanken wollte das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesmi-
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
2. Versuche, durch eine gegen das Prinzip der kostenniveauneutralen Lohnpolitik verstoßende expansive Lohnpolitik die Verteilungsrelationen zu ändern, beeinträchtigen entweder die Preisniveaustabilität oder einen hohen Beschäftigungsgrad oder auch beide Ziele. 3. Von den Gewerkschaften und den Arbeitnehmern eine kostenniveauneutrale Lohnpolitik zu fordern bedeutet, die Aufrechterhaltung des status quo der Einkommens- und der Vermögensverteilung zu verlangen, weil die kostenniveauneutrale Lohnpolitik die Einkommensverteilung unverändert läßt und weil sich die Vermögensverteilung nicht ohne Erhöhung der Einkommen der Arbeitnehmer nennenswert verändern läßt - wenn nicht gleichzeitig durch ein vermehrtes Arbeitnehmersparen bei gleichbleibender Lohnquote das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung gefährdet werden sollen 2 • 4. Die Forderung nach verteilungspolitischer Abstinenz der Gewerkschaften ist sachlich nicht zu rechtfertigen und wissenschaftlich nicht begründbar. 3 Zum einen nämlich ist eine eindeutige, sachlich als gerechtfertigt erscheinende Zurechnung des Produkterlöses auf die an seiner Entstehung beteiligten Faktoren nicht möglich\ zum andern ist nicht zwingend begründbar, warum das Verfügungsrecht über den Unternehmensgewinn bei den Kapitaleignern liegen sollte 5 • Schon eher ist zu begründen, daß die Arbeitnehmer als einer der an der Produktion beteiligten Faktoren ein Anrecht darauf haben, am Unternehmensgewinn, der ja Ergebnis des Zusammenwirkens aller Produktionsfaktoren ist, teilzuhaben. 5. Zum Zeitpunkt des Abschlusses von Arbeitsverträgen und Lohnvereinbarungen, zu dem der Nutzen der Arbeitsleistung bewertet wird, ist dieser Wert allenfalls grob abschätzbar. Denn welchen wirtschaftlichen Wert der Einsatz nisterium aus dem Jahre 1960 zum Ausdruck bringen, das bis in jüngster Zeit mehrfach falsch interpretiert worden ist. Wenn den Arbeitnehmern, ihre Interessen vertreten durch die Gewerkschaften, keine Chance gelassen wird, bei der Aufteilung des Sozialprodukts auf die Hauptverwendungsarten ein Wort mitzusprechen, dann sind Nominallohnforderungen das einzige und letzte Mittel, einen Warnschuß abzugeben. Sie sollen die für die Geldwertstabilität verantwortlichen Politiker dazu drängen, bei andern Verwendungskomponenten einen Riegel vorzuschieben: exzessiv anwachsende Staatsausgaben, übersteigerte Investitionstätigkeit, hohe Exportüberschüsse. Die die Preisstabilität gefährdenden Lohnforderungen sind es dann, die die unpopulären oder unbequemen Maßnahmen erzwingen. Und insofern eben ist die Aussage, daß die Nominallohnpolitik ein untaugliches Instrument der Verteilungspolitik sei, einfach falsch." 2 Vgl. dazu H. Lampert, 1985, S. 300 ff. 3 So auch der Sachverständigenrat, Gutachten 1972/73, Ziff. 440. Dies gilt umso mehr, als das Verfehlen des markträumenden Reallohnes keineswegs die Folge einer starrsinnigen Lohnpolitik der Gewerkschaften sein muß. Vielmehr besteht bei allgemeinen Nominallohnsenkungen die Gefahr, daß die nominelle Güternachfrage der Arbeitnehmerhaushalte zurückgeht und in Verbindung mit dem Rückgang des Kostenniveaus als Folge der Lohnsenkung die Preise in gleichem Umfang sinken wie die Löhne, so daß der Reallohn gleich bleibt. Vgl. dazu H. P. Spahn, G. Vobruba 1986, S. 6 ff. 4 Vgl. dazu insbes. E. Arndt, 1957, S. 11-13. s Vgl. dazu Abschn. 1.2.3.2.2.
2. Modifikation der Arbeitsmarktordnung
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bestimmter Faktoren erbringt, wird faktisch erst feststell bar, wenn das Produkt verwertet wird. 6. Welche ökonomischen Wirkungen eine bestimmte Lohnpolitik haben wird, ist in aller Regel 6 a priori nicht annähernd zuverlässig erkennbar, weil diese Wirkungen die Resultante zahlreicher ökonomischer Entscheidungen und Prozesse sind, die erst nach Abschluß der Lohnvereinbarungen wirksam werden. Daraus ergibt sich: a) es gibt keine ausreichend zuverlässig wissenschaftlich ableitbaren Orientierungsdaten; b) die Stabilitäts- und verteilungspolitischen Wirkungen von bestimmten Lohnfestsetzungen oder Lohnvereinbarungen sind ex post besser beurteilbar als ex ante, allerdings wegen der zahlreichen, auf die Stabilität und die Verteilung einwirkenden Ursachen auch nicht eindeutig und absolut zuverlässig. Angesichts dieser Fakten liegt es nahe, unter Beibehaltung der Zuständigkeit der organisierten Arbeitsmarktparteien 7 nach einem Verfahren der Verteilung der Produktionserträge zu suchen, das die stabilitätspolitischen und die verteilungspolitischen Risiken der Lohnpolitik minimiert. Das Dilemma der Lohnpolitik, nicht gleichzeilig eine an gesamtwirtschaftlichen Stabilitätszielen und an Umverteilungszielen orientierte Verteilungspolitk verwirklichen zu können, ohne bei gleichzeitiger Verfolgung beider Zielgruppen eine der Zielgruppen oder gar beide zu gefährden, scheint lösbar, wenn manwie für die Bundesrepublik schon 1975 vorgeschlagen 8 - nicht wie bisher davon ausgeht, daß die Löhne reine Kontrakteinkommen sein sollen, sondern daß die Entlohnung des Faktors Arbeit und damit die Verteilung des Produktionsertrages als ein zweistufiger Prozeß angelegt wird. 6 Damit ist gemeint, daß innerhalb realistisch erscheinender Grenzen keine ausreichend zuverlässigen Prognosen möglich sind. Wenn eine bestimmte makroökonomische Konstellation gegeben ist, eine Wachstumsrate und die außenwirtschaftliche Situation für die kurze Frist mit geringen Fehlerquellen abschätzbar sind, läßt sich - sozusagen negativ - abgrenzen, welche Lohnzuwachsraten zu niedrig erscheinen, um die gesamtwirtschaftlichen Ziele zu unterstützen und welche zu hoch erscheinen. Welche Lohnzuwachsraten aber wirklich zu einer optimalen Zielerreichung führen und welches Lohnniveau vollbeschäftigungskonform ist, ist nicht seriös bestimmbar. Vgl. dazu auch die Meinung des Sachverständigenrates im Gutachten 1979/80, Ziff. 337: "Wir gehen nach wie vor davon aus, daß das Lohnniveau, das zu einem hohen Beschäftigungsstand paßt, nicht mit wissenschaftlichen Methoden ermittelt, sondern nur am Markt herausgefunden werden kann." 1 Für die Beibehaltung der Tarifautonomie sprechen nicht nur die in I. 2.3.2.2. angeführten Argumente, sondern auch die Rechtfertigung von Korrekturen der Verteilung des Produktionsertrages und die Tatsache, daß aufgrund des Fehlens objektiver Kriterien für eine zielkonforme Lohnpolitik dritte Instanzen genauso unter Ungewißheit zu handeln haben wie die Gewerkschaften. 8 H. Lampert, D. Schönwitz, 1975, Sp. 1490 ff.
170
Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
In der ersten Stufe des Verteilungsprozesses sollten zum einen die Zuwachsraten der für die Arbeitnehmer in der kommenden Periode voll verfügbaren Löhne festgelegt, gleichzeitig jedoch zum anderen im Prinzip eine Ertragsbeteiligung vereinbart werden, die eine nach Ablauf der Periode, d. h. nach Vorliegen der Wirtschaftsergebnisse, wirksam werdende Ertragsbeteiligung vorsieht, die Arbeitnehmer also am Residualeinkommen beteiligt. Durch die Ertragsbeteiligung, deren Modalitäten im wesentlichen a priori vereinbart werden können, deren Höhe aber erst ex post konkretisiert werden kann, würden die verteilungspolitischen Risiken einer an Stabilitätszielen ausgerichteten zurückhaltenden Politik der Nominallohnerhöhungen ebenso wie die Risiken unzutreffender Projektionen makroökonomischer Größen reduziert. Es würde den Gewerkschaften erleichtert, für den disponiblen Lohn Zuwachsraten zu vereinbaren, die sich am Prinzip der Kostenniveauneutralität orientieren, die auf die Antizipation von Erhöhungen der Lebenshaltungskosten verzichten 9 und die in beschäftigungspolitisch kritischen gesamtwirtschaftlichen Konstellationen eher vorsichtig dosiert werden entsprechend der Erfahrung, daß eine Lohnpolitik, die zu merklichen Erhöhungen der Lohnkosten je Produkteinheit führt, Beschäftigungsrückgänge und Preisniveauerhöhungen nach sich zieht, wie aus Tabelle 3 abtesbar ist. Die Zahlen dieser Tabelle zeigen deutlich: 1. Lohnstückkostenzuwächse um 3 % und darüber zogen im darauf folgenden Jahr merkliche Schrumpfungen der in der Industrie beschäftigten Arbeiter nach sich;
2. steigende Raten der Lohnstückkostenzuwächse führten fast immer auch im gleichen oder im darauf folgenden Jahr zu einer Beschleunigung des Preisauftriebs;
3. rückläufige Raten der Lohnstückkostenänderung führten zu einer Abschwächung des Beschäftigungsrückganges bzw. zu Beschäftigungszunahmen; 4. niedrigen bzw. negativen Wachstumsraten der Lohnstückkosten entsprachen niedrige Preisniveauerhöhungsraten.
Durch eine Kostenniveauorientierung der Lohnzuwachsraten könnten nicht nur die Ziele hohen Beschäftigungsgrades und der Preisniveaustabilisierung leichter erreicht, sondern auch in Verbindung mit der Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer und einer vermögenswirksamen Anlage größerer Ertragsanteile langfristig die Quellen der Einkommenserzielung umverteilt und eine dauerhaft gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen verwirklicht werden 10• 9 Mit dem Versuch, erwartete Preissteigerungen antizipativ durch entsprechend "aufgestockte" Lohnzuwachsraten zu kompensieren, wird selbst eine Ursache für Preisniveauerhöhungen gesetzt. 10 Vgl. dazu auch die im wesentlichen übereinstimmende Auffassung von B. Külp, 1977, S. 183 ff., U. Andersen, 1977, S. 193 ff., K. Kleps, 1982, A. Oberhauser, 1985. Besonders hingewiesen sei noch einmal auf die zahlreichen Äußerungen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zur Zweckmäßig-
2. Modifikation der Arbeitsmarktordnung
171
Tabelle 3 Lohnstückkostenänderung und Beschäftigungsänderung in der Industrie (Arbeiter) 1960 bis 1988
Jahr
Änderung der Lohnstückkosten in%
Änderung der Beschäftigten in% in 1000
Veränderung des Preisindex für die Lebenshaltung (alle Haushalte)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988
+ 2,6 + 6,0 + 6,2 + 2,6 + 1,9 + 6,1 + 5,0 - 0,8 - 0,8 + 2,7 + 13,1 + 8,5 + 3,0 + 6,0 + 12,0 + 7,0 - 2,0 + 5,3 + 2,3 + 1,9 + 7,6 + 4,8 + 3,9 - 1,0 - 0,8 + 0,1 + 3,1 + 3,3 - 0,5
+225 + 129 - 51 -123 9 + 87 -126 -525 + 49 + 308 + 187 -127 -214 7 -227 -472 -123 1 - 54 + 11 + 19 -179 -232 -242 - 54 + 65 + 78 - 37 - 35
+ 3,56 + 1,97 -0,76 -1,86 -0,14 + 1,34 -1,91 -8,14 +0,83 + 5,15 +2,97 -1,92 -3,30 -0,11 -3,63 -7,83 -2,21 -0,02 -0,99 +0,20 +0,35 -3,31 -4,43 -4,84 -1,13 + 1,38 + 1,68 -0,79 -0,72
+ 1,4 +2,3 +2,9 + 3,0 +2,3 + 3,2 + 3,5 + 1,6 + 1,6 + 1,9 +3,6 + 5,1 + 5,6 +6,9 +6,9 + 5,9 +4,4 + 3,6 +2,7 +4,2 + 5,4 +6,3 +5,3 + 3,3 +2,4 +2,2 -0,2 +0,2 + 1,3
Quelle: Stat. BA, Bevölkerung und Wirtschaft 1872-1972, S. 176; Stat. Jb. 1979, S. 167; 1983, S. 174; 1984, S. 176; 1988, S. 170; 1989, S. 172 sowie Institut der deutschen Wirtschaft, Jahreszahlen 1989, Tab. 71; BMA, Stat. TB 1989, Tab. 6.9.
keit und zu den Wirkungen einer Ergänzung der Lohnpolitik durch eine Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer in den Gutachten 1970/71, Ziff. 234 ff.; 1972/73, Ziff. 501 ff.; 1973/74, Ziff. 331; 1975/76, Ziff. 370 ff.; 1976/77, Ziff. 361 ff.; 1978/79, Ziff. 401; 1981/82, Ziff. 337 ff.
172
Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
Eine solche Kombination von Lohnpolitik und Vermögenspolitik würde die Geldwertstabilität und die Beschäftigung weniger gefahrden als die bisher betriebene Lohnpolitik. Sie würde die Konsumentwicklung nicht destabilisieren und die für ein stetiges Wachstum erforderliche Investitionsquote sowie ihre Finanzierung nicht beeinträchtigen. Sie würde es möglich machen, nicht nur den status quo der Verteilung zu erhalten, sondern langfristig die Verteilung der Einkommen und der Vermögen zugunsten der Arbeitnehmer zu verbessern. Es sei ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß dieser Vorschlag nur äußerlich Ähnlichkeit mit dem Weitzman-Plan 11 hat. Formal besteht eine Übereinstimmung darin, daß beide Vorschläge den Lohn als Kombination aus Kontrakt- und Residualeinkommen konzipiert wissen wollen. Nach unserem Vorschlag soll jedoch der "feste" Lohnbestandteil eindeutig dominieren und ein Absinken der Nominallöhne vermieden werden. Die Zuwachsrate der frei verfügbaren Löhne soll sich an der Rate orientieren - sie jedoch unterschreiten können-, die entsprechend dem Konzept kostenniveauneutraler Lohnpolitik projiziert wird 12• Eine Politik vergleichsweise niedriger Nominallohnzuwächse allein dürfte nicht ausreichen, um das Vollbeschäftigungsziel wieder zu erreichen, da das Lohnniveau nicht die alleinige, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht einmal die wesentliche, wenn auch eine nicht unbedeutende Ursache der Massenarbeitslosigkeit war und ist. Mit wechselndem Gewicht spielten als Ursachen der Arbeitslosigkeit eine Rolle: -
die Ölpreisschocks der Jahre 1973/74 und 1979/80, die nicht nurden privaten Verbrauch dämpften, sondern auch die Exportmöglichkeiten vorübergehend erheblich beeinträchtigten;
-
der sehr starke, durch die Bevölkerungsentwicklung und das veränderte Erwerbsverhalten der Frauen induzierte Anstieg des Erwerbspersonenpotentials;
-
tiefgreifende Wandlungen der Produktionstechnik durch die Anwendung der Elektronik;
11 M. L. Weitzman, 1987. Vgl. dazu auch die Kritik von D. Heier, 1988, die wir im wesentlichen teilen. 12 A. Oberhauser kritisiert (1986, S. 157) an diesem Konzept, daß es nicht auf die für den Realwert der Löhne letztlich entscheidende Größe abstellt, nämlich auf die Zunahme des im Inland verfügbaren Konsumgütervolumens, und daß es Änderungen in der Verwendungsstruktur des Sozialprodukts nicht berücksichtigt. Wir sind jedoch der Auffassung, daß die organisierten Arbeitnehmer in ihrer Politik zwar darauf abstellen sollten, wie sich der konsumierbare Teil der Sozialproduktes voraussichtlich entwickelt, daß sie aber gleichzeitig darauf achten sollten, ihren Anteil an diesem Produkt kaufkraftmäßig aufrecht erhalten zu können, also wachsende Anteile des staatlichen Konsums, des Konsums der Untemehmerhaushalte, ausländischer Wirtschaftseinheiten und der Bezieher von Sozialeinkommen nicht a priori akzeptieren sollten.
2. Modifikation der Arbeitsmarktordnung
173
Sättigungserscheinungen auf bestimmten Märkten, Aufwertungseffekte der Deutschen Mark nach der Wechselkursfreigabe 1973 und die Wirkungen der Staatsverschuldung auf das Zinsniveau sowie die dadurch gesunkene Rentabilität der Sachinvestitionen gegenüber der von Finanzinvestitionen. Entsprechend der Vielzahl der Ursachen der Arbeitslosigkeit kann eine Beseitigung der Arbeitslosigkeit nicht durch Bekämpfung einer dieser Ursachen ausreichend verringert werden. Man kann daher nicht erwarten, daß die Gewerkschaften bereit sind, ohne Unterstützung durch die Wirtschaftspolitik eine stabilitätskonforme Lohnpolitik zu betreiben und die Anpassungslast an das Vollbeschäftigungsniveau allein den Arbeitnehmern zuzumuten. Es ist vielmehr erforderlich, auch die staatliche Wirtschaftspolitik sowie die Geld- und Kreditpolitik zur Wiedergewinnung eines hohen Beschäftigungsgrades einzusetzen. Staat und Notenbank wiederum werden nur dann eine am Vollbeschäftigungsziel orientierte Politik treiben können, wenn sie nicht fürchten müssen, daß die dadurch geschaffenen Expansionsspielräume von den Gewerkschaften durch nicht kostenniveauneutrale Lohnforderungen absorbiert werden statt der Schaffung neuer Arbeitsplätze zu dienen. Wenn die Gewerkschaften nicht davon ausgehen können, daß auch die Regierung konsequent und mit allen zielkonformen verfügbaren Mitteln um die Wiederherstellung der Vollbeschäftigung bemüht ist und wenn umgekehrt der Staat und die Zentralnotenbank nicht sicher sein können, daß die Gewerkschaften eine den Stabilitätszielen entsprechende Lohn- und Arbeitszeitpolitik betreiben, befindet sich die Beschäftigungspolitik in einer Sackgasse. Aus ihr kann nur ein beschäftigungspolitischer Pakt zwischen Regierung, Sozialpartnern und Bundesbank herausführen, wie Krelle ihn schon 1978 vorgeschlagen hat 13 • Ein solcher Pakt ist vermutlich der einzige Ausweg 14• Er sollte wenigstens folgende vier Komponenten umfassen 15 : 1. die Bereitschaft der Gewerkschaften, ihre Lohnforderungen in etwa am erwarteten Zuwachs des im Inland verfügbaren Konsumgütervolumens zu orientieren und auf einen Inflationsausgleich zu verzichten; 2. die Bereitschaft der Unternehmer, die Arbeitnehmer durch eine investive Gewinnbeteiligung an den Gewinnsteigerungen teilhaben zu lassen, die mit steigendem Beschäftigungsgrad eintreten werden; 3. die Verpflichtung des Staates, auf eine Expansion der privaten und der staatlichen Nachfrage hinzuwirken, solange größere konjunkturelle Arbeitslosigkeit besteht, und Maßnahmen gegen die strukturelle Arbeitslosigkeit zu ergreifen; W. Krelle, 1978. Auch der Sachverständigenrat hat in seinem Gutachten 1981/82, Ziff. 335 ff. die Notwendigkeit eines beschäftigungspolitischen Konsenses zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften aufgezeigt und dafür die Unterstützung durch die Fiskal- und die Geldpolitik gefordert. Vgl. auch J. Kühl, 1984. 15 Vgl. A. Oberhauser, 1985, S. 213 ff. 13
14
174
Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
4. die Bereitschaft der Zentralnotenbank, den monetären Spielraum für eine expansive Finanzpolitik zu schaffen und auf ein investitionsförderndes Zinsniveau hinzuwirken.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik Wie in Kapitel I und II gezeigt wurde, weist die praktische Arbeitsmarktpolitik in der Bundesrepublik gewisse Probleme auf. Im Mittelpunkt des dritten Kapitels steht demzufolge - wie eingangs bereits dargestellt - die Frage nach den Reformmöglichkeiten im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. In diesem Zusammenhang wurde - in den Abschnitten III. 1. sowie 111. 2. - zum einen analysiert, inwieweit eine Reform der Ziele der Arbeitsmarktpolitik angebracht erscheint und ob zweitens durch eine Modifikation der Arbeitsmarktordnung (im Sinne von Änderungen im Bereich der Tarifautonomie der Arbeitsmarktparteien) der Erreichungsgrad bezüglich der arbeitsmarktpolitischen Ziele verbessert werden könnte. Im folgenden Teil III. 3. ist nun nach den prozeßpolitischen Reformmöglichkeiten im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zu fragen. In diesem Zusammenhang geht es zunächst um die Erfolgsaussichten und die möglichen Probleme im Falle einer Flexibilisierung der Lohnstrukturen und I oder einer Flexibilisierung individueller Arbeitszeiten (Abschnitt III. 3.1 . bzw. 3.2.). Die Entscheidung, diese beiden Flexibilisierungsbereiche für eine genauere Untersuchung auszuwählen, ergibt sich auch und gerade aus der Schwerpunktsetzung in der neueren Diskussion über eine Deregulierung beziehungsweise Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Einen weiteren Schwerpunkt im Rahmen der Analyse prozeßpolitischer Reformmöglichkeiten bildet die Untersuchung der Frage, welche Verbesserungen im Bereich der arbeitsmarktpolitischen Strategien möglich erscheinen (Abschnitt III. 3.3.).
3.1. Flexibilisierung der Lohnstruktur Die Frage der Beschäftigungskonformität des (Tarif-)Lohnniveaus und der Lohnstruktur spielt gerade auch in der neueren Diskussion über die Ursachen der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik und über die zu ihrer Verringerung zu ergreifenden Maßnahmen eine sehr wichtige Rolle. Vielfach werden, abgesehen von Änderungen im Verfahren zur Vereinbarung der Arbeitsbedingungen (speziell der Löhne; siehe III. 2.2.), eine stärkere Flexibilisierung der Lohnstruktur und eine deutliche Lohndifferenzierung (auch nach "unten") gefordert. Die Notwendigkeit einer verstärkten "Spreizung" der Lohnstrukturen und flexiblerer Lohnrelationen (in sektoraler, beruflich-qualiftkationsspezifischer und regionaler Hinsicht) wird von ihren Befürwortem begründet mit der These, eine nicht marktgerechte Nivellierung der Lohnstrukturen beziehungsweise die Starrheit der Löhne nach unten und die Rigidität der Lohnstruktur, speziell der branchen-
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
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und qualifikationsspezifischen sowie regionalen Lohnunterschiede, habe in den siebzigerund frühen achtziger Jahren einen Abbau der Arbeitslosigkeit verhindert.1 Die Tariflohnpolitik der Tarifvertragsparteien (insbesondere der Gewerkschaften), aber auch wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen des Staates hätten einer durch die Angebots- und Nachfragebedingungen auf dem Arbeitsmarkt determinierten Entwicklung der Löhne entgegengewirkt. Damit wurde so die Behauptung - eine stärkere Differenzierung der Löhne und Lohnrelationen, wie sieangesichtsdes Strukturwandels auf den Güter- und Arbeitsmärkten notwendig gewesen wäre, verhindert. Im folgenden sollen zunächst die theoretischen Grundlagen der Forderung nach einer Lohnstrukturflexibilisierung sowie einige theoretisch fundierte Einwände hiergegen dargestellt werden (Abschnitt 3.1.1.). Im Anschluß daran werden die empirischen Befunde zur Entwicklung der sektoralen, qualifikationsspezifischen und regionalen Lohnrelationen in der Bundesrepublik in den siebzigerund achtziger Jahren zusammenfassend referiert (Abschnitt 3.1.2.). Abschnitt 3.1.3. enthält eine kurze Zusammenfassung der dargestellten theoretischen und empirischen Aspekte und Schlußfolgerungen bezüglich der Möglichkeiten, die gegenwärtige Arbeitslosigkeit durch Maßnahmen zur Lohnstrukturflexibilisierung nachhaltig zu reduzieren. 3.1.1. Arbeitsmarkttheoretische Aspekte der Lohnstruktur
3 .1.1.1. Theoretische Argumente zugunsten flexibler Lohnrelationen Die Vorschläge und Forderungen, durch ein höheres Maß an Lohndifferenzierung und flexible Lohnrelationen die Arbeitslosigkeit insgesamt sowie die Beschäftigungschancen von Problemgruppen des Arbeitsmarktes zu verringern, basieren vorwiegend auf Argumenten der neoklassischen Lohnstrukturtheorie. 2 Im Arbeitsmarktmodell der Lohnstrukturtheorie wird die unrealistische Homogenitätsannahme des neoklassischen Grundmodells des Arbeitsmarktes aufgegeben 3; I Entsprechend der These, die bestehende Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik habe ,,klassische" Ursachen. Vgl. Abschnitt ID. 2. 2. Häufig wird in Zusammenhang mit der Frage der Lohn- und Lohnstrukturflexibilität und der Beschäftigungsentwicklung auf die quasi beispielhafte Entwicklung in anderen Ländern, namentlich in den USA, verwiesen. Vgl. zur Diskussion über die ,.beispielhafte" Flexibilität der Löhne (vornehmlich nach ,.unten") in der US-amerikanischen Wirtschaft z. B. H.-D. Hardes, 1989, S. 238 ff. 2 Gegenstand der (neoklassischen) Theorie der Lohnstruktur ist die Analyse bestehender Lohnunterschiede und der Bestimmungsgründe ihrer Veränderungen im Zeitablauf; vgl. H. Lampert, 1969, S. 389 f. ,,Lohnstruktur" läßt sich dabei definieren als ,.die zahlenmäßigen Verhältnisse und die Zusammenhänge (Interdependenzen), die eine Reihe zeitlich, räumlich und sachlich definierter Löhne charakterisieren". Vgl. H. Lampert, 1963, s. 5. 3 Das neoklassische Grundmodell des Arbeitsmarktes unterstellt einen vollkommenen, d. h. punktförmigen Arbeitsmarkt, auf dem die Marktteilnehmer perfekte Information besitzen; das qualitativ und personell nicht differenzierte Arbeitsangebot ist gemäß
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
Lohnunterschiede infolge qualitativer und struktureller Unterschiede beim Arbeitsangebot und I oder bei der Arbeitsnachfrage sind infolgedessen auch im Marktgleichgewicht möglich. Die Vorstellung eines Lohnwettbewerbs zwischen den Arbeitskräften bzw. zwischen unterschiedlichen Kategorien derselben bleibt aber weiterhin grundlegend. 4 Die möglichen Bestimmungsgründe feststellbarer Lohnunterschiede werden in der Lohnstrukturtheorie anband von Teilarbeitsmärkten analysiert. 5 Existenz und Ausmaß von Lohnunterschieden können durch Divergenzen in den Angebots- und I oder Nachfragebedingungen auf Teilarbeitsmärkten 6 sowie durch unterschiedliche Formen dieser ,,Elementararbeitsmärkte" 7 bestimmt sein. Die Relationen zwischen den Lohnsätzen auf verschiedenen Teilarbeitsmärkten ergeben sich gemäß der Lohnstrukturtheorie aus dem Grad der Substituierbarkeit der Arbeitskräfte auf unterschiedlichen Teilmärkten sowie aus den zwischen den Elementararbeitsmärkten bestehenden Beziehungen (d. h. in Abhängigkeit vom Grad der Markttransparenz, der Arbeitskräftemobilität und der Existenz sowie Bedeutung von Präferenzen). 8 Unter den Bedingungen freier, nur durch die Angebots- und Nachfrageverhältnisse am Arbeitsmarkt bestimmter Lohnbildung gewährleisten die sich auf den einzelnen Elementararbeitsmärkten bildenden Marktlöhne dementsprechend eine optimale Allokation des Produktionsfaktors Arbeit 9 ; im Gleichgewicht sind die Relationen zwischen den auf einzelnen Teilarbeitsmärkten herrschenden Lohnsätzen rein produktivitätsbedingt oder Folge unterschiedlicher Arbeitsplatzbelastungen. 10 Annahme unbeschränkt mobil. Vgl. H. Lampert, 1963, S. 16. Aus der Homogenitätsannahme folgt, daß im Marktgleichgewicht ein einheitlicher Lohnsatz besteht, der die Funktion der Verhaltenskoordination zwischen Anbietern und Nachfragern von Arbeitsleistungen (Allokationsfunktion) übernimmt (analog zum Preis als Allokationsmechanismus auf dem Gütermarkt). Vorausgesetzt wird die Gültigkeit der Verhaltensannahmen der allgemeinen Gleichgewichtstheorie, des Grenznutzentheorems und des Grenzproduktivitätstheorems. 4 H.-D. Hardes, 1988, S. 53. 5 Teilarbeitsmärkte erhält man durch Zusammenfassung von Arbeitsleistungen, die hinsichtlich bestimmter Merkmale homogen sind; Teilarbeitsmärkte werden im allgemeinen abgegrenzt nach Branchen, Berufen, Qualifikationen, Regionen, usw. 6 Zu den angebotsbedingten Lohnunterschieden zählen heterogenitäts-, raum-, verhaltens-, marktverfassungs- und time-lag-bedingte Lohnunterschiede; außerdem fallen darunter auch angebotsbedingte regionale Lohnunterschiede. Nachfragebedingte Lohnunterschiede ergeben sich aus interindustriellen (endproduktbedingten oder durch die Form der Absatzmärkte bedingten) und intraindustriellen Nachfrageunterschieden; siehe H. Lampert, 1969, S. 395 ff. 7 Im neoklassischen Modell sind nur die von der Angebotsseite des Arbeitsmarktes konstituierten Bedingungen notwendig und hinreichend für die Existenz von Lohnunterschieden, während Unterschiede in der Arbeitsnachfrage und I oder der Arbeitsmarktform nur bestehende Lohnunterschiede modifizieren können, da letztere nur insoweit Bestand haben, als Anpassungsreaktionen des Arbeitsangebotes unterbleiben; siehe H. Lampert, 1969, s. 392 ff. s Vgl. H. Lampert, 1963, S. 41 f. 9 Analog zum einheitlichen Lohnsatz im neoklassischen GrundmodelL 10 Vgl. W. Mieth, 1967, S. 92 ff.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
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Unter- oder überschreitet das Ausmaß an Lohndifferenzierung infolge struktureller Änderungen in den Knappheitsverhältnissen aufbzw. zwischen Teilarbeitsmärkten die Relationen im lohnstrukturellen Gleichgewicht, so induziert dies gemäß Modellannahme Anpassungsprozesse auf den verschiedenen Teilarbeitsmärkten zur Wiederherstellung des Gleichgewichts. Vollkommen bewegliche (relative) Löhne zeigen bei Gültigkeit dieser Modellprämissen bestehende Arbeitsmarktungleichgewichte zwischen den Teilmärkten bzw. für den Gesamtarbeitsmarkt an (lndikationsfunktion) und lösen ausgleichend wirkende Anpassungsprozesse des annahmegemäß mobilen Arbeitsangebots aus (Lenkungsfunktion). 11 Mobilitätsprozesse der Arbeitskräfte, ausgelöst durch Änderungen in den relativen Löhnen infolge sektoraler Unterschiede in der Produktivität und in den relativen Knappheiten bestimmter Arten von Arbeitsleistungen, sorgen nach neoklassischer Argumentation für die infolge geänderter Bedarfs- und Produktionsstrukturen notwendigen Änderungen der Beschäftigtenstruktur. 12 Bei beweglichen, rein marktdeterminierten Löhnen würde folglich auch der Wachstums- und Strukturwandlungsprozeß nahezu ohne Arbeitsmarktstörungen ablaufen. Bleiben (ursprünglich) marktgerechte Lohnstrukturen zwischen verschiedenen Teilarbeitsmärkten im Falle struktureller Änderungen der Arbeitsnachfrage relativ stabil oder werden den Marktgegebenheiten entsprechende Lohnrelationen entgegen den Knappheitsverhältnissen bzw. Wettbewerbsbedingungen auf den einzelnen Elementararbeitsmärkten verengt (nivelliert), kommt es der neoklassischen Argumentation zufolge auf den betreffenden Teilarbeitsmärkten zu einem (relativen) Anstieg der Arbeitslosigkeit (in bestimmten Wirtschaftszweigen, Regionen oder bei bestimmten Qualiflkationsgruppen). Der Reallohnsatz für bestimmte Arten von Arbeitsleistungen bzw. Arbeitskräftegruppen übersteigt deren jeweilige Grenzproduktivität ("Mindestlohnarbeitslosigkeit"). Um diese Arbeitslosigkeit zu beseitigen oder zumindest zu verringern, muß entsprechend der Logik des neoklassischen Modells der Reallohnsatz auf Arbeitsmärkten mit überdurchschnittlich gestiegener Arbeitslosigkeit wieder mit der Grenzproduktivität der jeweiligen Arbeitsleistungen bzw. der Arbeitskräfte in Übereinstimmung gebracht werden, d. h. es bedarf einer (sektoralen, regionalen und I oder qualiflkationsgruppenspeziflschen) Lohndifferenzierung. 13 In Hinblick auf das Ziel, Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt (quantitativ wie auch qualitativ) aneinander anzupassen, werden ausgehend von dieser neoklassisch geprägten Vorstellung eines Lohnwettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt und einer Indikations- und Lenkungsfunktion marktdeterminierter Löhne und Lohnrelationen 14 häufig Maßnahmen zur flexibleren Gestaltung der Lohn11 Vgl. H.-D. Hardes, 1988, S. 53; E. Görgens, 1986, S. 612 f.; E. von Knorring, 1980, s. 70. 12 Vgl. E. Görgens, 1986, S. 616; E. von Knorring, 1980, S. 71. 13 Vgl. auch H.-D. Hardes, 1988, S. 53 ff. 14 Vgl. auch H.-D. Hardes, 1988, S. 53 f. 12 Lampert
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
struk:turen gefordert. Bezüglich der konkreten Entwicklung der Löhne bzw. Lohnrelationen in der Bundesrepublik finden sich zwei verschiedene Thesen. Zum einen wird behauptet, in der Bundesrepublik sei es, insbesondere in den siebziger Jahren, unter dem Einfluß der Gewerkschaften und mit Unterstützung der staatlichen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik zu einer gegen die Marktkräfte durchgesetzten Nivellierung der Lohnstruktur nach Branchen 15 , Qualifikationen 16, Geschlecht 17 und Regionen 18 gekommen (These der Nivellierung der Lohnstruktur in verschiedenen Dimensionen, ,,Nivellierungsthese"). 19 Das hohe Niveau der Arbeitslosigkeit insgesamt wie auch die überdurchschnittliche Betroffenheit der gering qualifizierten Arbeitnehmer und der Angehörigen von Problemgruppen des Arbeitsmarktes ist - entsprechend der Argumentation von Vertretern dieser These- die Folge von wettbewerbswidrigen Nivellierungstendenzen in den Lohnrelationen. Eine relativ gleichförmig gestaltete Tarifpolitik der Gewerkschaften (vor allem die nahezu einheitlichen Lohnerhöhungen) ohne Rücksicht auf branchenspezifische und regionale Besonderheiten und Tarifabschlüsse mit gruppenspezifischen Vergünstigungen (in Gestalt überproportionaler Steigerungen der Löhne und damit der Beschäftigungskosten bei diesen Arbeitskräftegruppen) haben danach wesentlich zum erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit beigetragen. Es seien damit kostenbedingte Einstellungshemmnisse aufgebaut worden, die zu überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit von Angehörigen arbeitsmarktpolitischer Problemgruppen führten ("Mindestlohnarbeitslosigkeit"). 20 Neben der Behauptung einer (marktwidrigen) Nivellierung bestehender Lohnunterschiede findet sich in der Diskussion ferner die These, die Lohnunterschiede beziehungsweise Lohnstrukturen hätten sich im Vergleich zu den erheblichen Strukturänderungen auf Güter- und Arbeitsmärkten im Zeitablauf entgegen den Markterfordernissen ("marktwidrig") noch weiter verfestigt (These der Rigidität der Lohnstruktur). Der erhebliche Anstieg im Niveau der Arbeitslosigkeit und 15 Vgl. K. Breithaupt, R. Soltwedel, 1980, S. 70 ff.; G. Fels, K.-D. Schmidt, 1981, S. 122; S. F. Franke, 1983, S. 32; K.-D. Schmidt u. a., 1984, S. 72; S. Nehring, R. Soltwedel, 1976, S. 223. 16 K. Breithaupt, R. Soltwedel, 1980, S. 75 f.; G. Fels, K.-D. Schmidt, 1981, S. 122; S. F. Franke, 1983, S. 33; derselbe, 1985; E. Gundlach, 1986, S. 81; K.-D. Schmidt u. a., 1984, S. 72; R. Soltwedel, 1981, S. 83 ff. 17 Vgl. K. Breithaupt, R. Soltwedel, 1980, S. 73; R. Soltwedel, 1981, S. 86 ff. u. S. 93 ff.; Kronherger Kreis, 1986, S. 3. 18 Vgl. S. F. Franke, 1983, S. 34; E. Gundlach, 1986, S. 83 f.; E. M. Lipp, 1985, S. 652 f.; S. Nehring, R. Soltwedel, 1976, S. 223; R. Soltwedel, 1984, S. 121 u. S. 126. 19 Eine entsprechende Differenzierung der vorgetragenen Begründungen für eine Lohnstrukturflexibilisierung in ,,Nivellierungsthese" beziehungsweise ,,Rigiditätsthese" findet sich auch bei H.-D. Hardes, 1988, S. 61 f. 2o Vgl. R. Soltwede1, 1981, S. 93 ff.; S. Nehring, R. Soltwedel, 1976, S. 211 ff. Der feststellbare starke Anstieg in den allgemeinen Lohnnebenkosten (d. h. für alle Arbeitnehmer) hat dieser Auffassung nach die negativen Beschäftigungswirkungen gruppenspezifischer Vergünstigungen noch verstärkt. Vgl. Kronherger Kreis, 1986, S. 3; R. Soltwedel, 1981, S. 86 ff.; E. Gundlach, 1986, S. 88.
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eine nach Branchen, Regionen und Arbeitskräftegruppen ungleiche Betroffenheit von Arbeitslosigkeit gehe, so die Behauptung, insbesondere auf die relative Starrheit der Lohnstruktur in ihren verschiedenen Dimensionen zurück. 2 1 Auch die seit 1983 erfolgten Korrekturen in der relativen Lohnposition könnten den Befund nicht wesentlich ändern, da die entsprechenden Korrekturen - gemäß dieser Auffassung - ihrem Umfang nach begrenzt waren. 22 Vor allem in staatlich subventionierten und vielfach unter Anpassungszwang stehenden Bereichen sei das relative Lohnniveau zu hoch. 23 Ungleiche regionale Verteilungsmuster der Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik werden teilweise darauf zurückgeführt, daß die Lohnunterschiede im Verhältnis der Regionen zueinander sich nicht den Gegebenheiten des Arbeitsmarktes entsprechend entwickelt hätten bzw. "zu starr" geblieben seien. 24 Regionale und wirtschaftszweigspezifische Faktoren seien häufig in kombinierter Form aufgetreten (regionale Branchenkonzentration). 25 Zur Realisierung "marktgerechter", flexibler Lohnstrukturen und größerer Lohndifferenzierung nach beiden Richtungen empfiehlt man, die Tarifabschlüsse stärker an den spezifischen Branchen- und Unternehmenserfordernissen auszurichten 26 und generell eine größere Zurückhaltung bei der Vereinbarung von Tariflohnerhöhungen zu üben 27 • Darüberhinaus sollten auch von der Lohnpolitik für die Arbeitnehmer Anreize zum Qualifikationserwerb geschaffen werden. 28 Geringe Tarif21 So argumentiert insbesondere der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinen Jahresgutachten. Vgl. Gutachten 1985 I 86, Ziff. 287 ff.; Gutachten 1984185, Ziff. 376; Gutachten 1982183, Ziff. 222 f.; Gutachten 1977/78, Ziff. 400; Gutachten 1976/77, Ziff. 431. Vgl. auch J. B. Donges, K. D. Schmidt, 1988, S. 186 f. (Ziff. 266). Vertretern der Rigiditätsthese wird bisweilen eine allzusehr theoretisch-normative (nicht empirische) Argumentation vorgeworfen; die Thesen rigider Lohnstrukturen seien in diesen Fällen kaum mittels empirischer Analysen der Lohnstrukturentwicklung überprütbar. Vgl. diesbezüglich z. B. H.-D. Hardes, 1988, S.66. 22 Sachverständigenrat, Gutachten 1987188, Ziff. 364. 23 Vor allem in der Montanindustrie; Sachverständigenrat, Gutachten 1985 I 86, Ziff. 287 f. Siehe zu diesem Aspekt auch die Darstellung empirischer Ergebnisse in III. 3.1.2.2. 24 Zum Vorwurf einer "zu starren" interregionalen Lohnstruktur vgl. z. B. Sachverständigenrat, Gutachten 1985186, Ziff. 288; Gutachten 1984185, Ziff. 376. 25 Sachverständigenrat, Gutachten 1985186, Ziff. 288; Gutachten 1984185, Ziff. 376. Zur regionalen Konzentration bestimmter ,,Problembranchen" (z. B. Schiffbau, Bergbau und Eisenschaffende Industrie) vgl. z. B. J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 106 Tabelle 32. 26 Vgl. E. Gundlach, 1986, S. 88; Sachverständigenrat, Gutachten 1985186, Ziff. 289 f., Gutachten 1984185, Ziff. 376, Gutachten 1983184, Ziff. 429, Gutachten 19821 83, Ziff. 222 f. 27 Sachverständigenrat, Gutachten 1985 I 86, Ziff. 289 f. 28 Sachverständigenrat, Gutachten 1984185, Ziff. 376; Gutachten 1987188, Ziff. 364; Gutachten 1988 I 89, Ziff. 340. Die Aussichten, die Beschäftigungschancen gering qualifizierter Arbeitnehmer durch eine bewußt zurückhaltende Lohnpolitik zu erhalten, hält der Sachverständigenrat angesichts des im Verlauf der technischen Entwicklung erreichten niedrigen Niveaus der Stückkosten bei einfachen Arbeitstätigkeiten demgegenüber für relativ gering. 12*
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Iohnsteigerungen 29 ermöglichten eine stärkere Spreizung der Effektivlohnrelationen, d. h. eine durch die Knappheitsrelationen zwischen verschiedenen Arten von Arbeitsleistungen determinierte Lohndrift oberhalb der tariflichen Mindestlöhne; eine zumindest zeitweilig größere Effektivlohndrift könnte sektorale und regionale Beschäftigungsprobleme sowie qualifikationsbedingt hohe Arbeitsmarktrisiken bestimmter Arbeitnehmergruppen verringern helfen. 30
3.1.1.2. Theoretisch fundierte Einwände gegen die Forderungen nach einer Flexibilisierung der Lohnstruktur Entsprechend der neoklassischen Argumentation sollen Maßnahmen zur Lohndifferenzierung und Lohnstrukturflexibilisierung somit dazu dienen, die gegenwärtigen, durch "falsche" Löhne und Lohnstrukturen verursachten Arbeitsmarktprobleme ("Mindestlohnarbeitslosigkeit") zu verringern bzw. zu lösen. Die neoklassische Argumentation wie auch die aus dieser abgeleiteten Empfehlungen zur Lohnstrukturflexibilisierung bzw. Lohnstrukturdifferenzierung unterliegen unter verschiedenen Aspekten der Kritik. Umstritten ist zum einen die Ursache bzw. Natur der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit (angebots- bzw. lohnbedingt oder nachfragebedingt); gegen eine Lohnpolitik forcierter Differenzierung der Lohnstrukturen (vornehmlich der sektoralen und regionalen Lohnrelationen) werden ferner Vorbehalte angemeldet in Hinblick auf die Wirkungen einer solchen Politik auf die Geschwindigkeit des Strukturwandels in der Wirtschaft. Schließlich werden arbeitsmarkttheoretisch begründete Einwände gegen die Gültigkeit der neoklassischen Lohn- bzw. Lohnstrukturtheorie erhoben. Erklärt man die gegenwärtige Arbeitslosigkeit als Ausdruck eines globalen, d. h. gesamtwirtschaftlichen Arbeitsmarktungleichgewichts, so folgt daraus, daß die bestehende Arbeitslosigkeit nicht in erster Linie mittels einer ,,Spreizung" der Lohnstrukturen zu bekämpfen ist. 31 29 D. h. Lohnerhöhungen unterhalb des gesamtwirtschaftlich sonst vertretbaren Niveaus (Gutachten 1985/86, Ziff. 192 ff. und Ziff. 290). Das dürfteangesichtsder Empfehlung des Sachverständigenrates, die (Tarif-)Lohnpolitik mittelfristig an der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung auszurichten (vgl. z. B. Gutachten 1985/86, Ziff. 284) bedeuten, daß die Tariflohnsteigerungen in diesem Fall unterhalb der Zuwachsrate der gesamtwirtschaftlichen Produktivität bleiben müßten. 30 Sachverständigenrat, Gutachten 1985/86, Ziff. 290. So ließen sich zumindest die Belastungen infolge notwendig werdender Anpassungsprozesse bzw. das Tempo des Arbeitsplatzabbaus verringern; Gutachten 1988/89, Ziff. 339 ff., vor allem Ziff. 344. 31 Ein gesamtwirtschaftliches Arbeitsplatzdefizit wiederum kann bedingt sein durch eine zu geringe Gütermarktnachfrage oder aber ein überhöhtes (Real-)Lohnniveau. So ist nach Meinung von E. Knappe ( 1989, S. 215 f.) die Ursache der seit längerem bestehenden Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik vorwiegend in einem zu hohen Niveau der Arbeitskosten bzw. der Löhne zu sehen; vgl. auch B. Külp, 1984. Bisweilen findet sich ferner die Auffassung, daß in den achtziger Jahren der weitere Anstieg der Arbeitslosigkeit in einigen europäischen Industriestaaten gegenüber ihrem Ausgangsniveau in den
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Einwände gegen ein höheres Maß an Reallohndifferenzierung ergeben sich ferner aus der Überlegung, daß eine stärkere ,,Lohnspreizung" unter Umständen den Prozeß des strukturellen Wandels verlangsamt: Eine auf längere Zeit hin betriebene Politik stärkerer Lohndifferenzierungen (speziell nach Branchen und Regionen) würde möglicherweise die Steuerungsfunktion der sektoralen und regionalen Gewinnrelationen durch Verringerung der Gewinnunterschiede dämpfen 32 und I oder den auf den Unternehmen lastenden Rationalisierungsdruck mindern. Somit ergäbe sich zwar kurzfristig eine Entlastung des Arbeitsmarktes, jedoch um den Preis eines längerfristig geringeren gesamtwirtschaftlichen Wachstums. 33 Eine in diesem Sinne strukturkonservierende Wirkung hätte die vorgeschlagene Politik stärkerer Lohndifferenzierung möglicherweise auch dann, wenn zusätzlich die Tarifbindung aufgehoben würde; den Unternehmen würde in diesem Fall neben dem aus wachstumspolitischer Sicht wünschenswerten Wettbewerb mittels Produkt- und Verfahrensinnovationen ein weiteres Wettbewerbsfeld in Gestalt der Lohnpolitik eröffnet. 34 Schließlich wird die Vorteilhaftigkeil und I oder beschäftigungspolitische Effektivität einer Förderung flexibler und differenzierter Lohnsätze, wie sie unter dem Aspekt der Verringerung der Arbeitslosigkeit vorgeschlagen bzw. gefordert werden, auch mit Argumenten aus neueren Ansätzen der Arbeitsmarkttheorie in Zweifel gezogen. Die Relevanz der neoklassischen Lohntheorie wird dabei teilweise prinzipiell in Frage gestellt. So wurde in verschiedenen mikroökonomisch orientierten Ansätzen der Arbeitsmarkttheorie gezeigt, daß (kurzfristig) relativ rigide, das Marktlohnniveau überschreitende Löhne I Lohnstrukturen (bzw. zwischenbetriebliche Lohndriftunterschiede) im Falle von Arbeitsmarktunvollkommenheiten aus der Sicht beider Arbeitsmarktparteien rational bzw. ökonomisch effizient sein können. 35 Arbeitsmarktunvollkommenheiten können die Existenz von vergleichsweise stabilen innerbetrieblichen und sektoralen Lohnstrukturen begründen. Argumente zugunsiebziger Jahren primär durch ,,Nachfrageschocks" verursacht wurde, während die Arbeitslosigkeit in den siebziger Jahren (speziell ab 1974) reallohnbedingter Natur gewesen sei. Vgl. 0. Blanchard, L. Summers, 1986, S. 72. 32 Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 341. Der Wandel der Beschäftigungsstruktur zugunsten von relativ stärker wachsenden Wirtschaftsbereichen würde dagegen gefördert, da bestehende Hemmnisse in der Arbeitskräftemobilität in ihrer Wirkung durch Lohndifferenzierungen - jedenfalls prinzipiell - "überspielt" werden könnten; siehe Gutachten 1988/89, Ziff. 341. 33 Vgl. hierzu RWI, 1987a, S. 110; RWI, 1980, S. 122 f. Siehe in diesem Zusammenhang auch Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 341; Gutachten 1985/86, Ziff. 290. Ähnlich auch W. Oche1, P. Schreyer, 1988, S. 205 f. (unter Hinweis auf eine "Signalfunktion" der Lohnunterschiede bzw. Lohndifferenzierung in der kurzen Frist; ebenda, S. 206); H. Friderichs, 1985, S. 432; K. Vogler-Ludwig, 1983, S. 89 f.; ders., 1985, s. 29 f. 34 So jedenfalls K. Vogler-Ludwig (1985, S. 30 f.). 35 Vgl. z. B. 0 . Hübler, 1983, S. 69 ff.; K. Gerlach, 0. Hübler, 1985, S. 256 ff.; H.D. Hardes, 1988, S. 69 ff. Siehe ferner L. Bellmann, F. Buttler, 1989, S. 205 ff.
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sten der (potentiellen) Rationalität stabiler, über dem Konkurrenzmarktniveau liegender Löhne I Lohnstrukturen ergeben sich beispielsweise aus den Ergebnissen investitionstheoretischer Ansätze zur Rentabilität von Humankapitalinvestitionen (aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebersicht). 36 Ähnliche Resultate folgen aus der modelltheoretischen Analyse des Einstellungs- und Entlohnungsverhaltens der Unternehmen, wenn man die Möglichkeit von Fluktuationskosten der Beschäftigung 37 mitberücksichtigt 38 Vergleichsweise stabile innerbetriebliche Lohnstrukturen lassen sich auch mit der Anreiz- und Motivationsfunktion von Entgelten als Mittel zur Produktivitätssicherung bzw. -Steigerung erklären, wenn man annimmt, daß die Wirtschaftssubjekte ihre arbeitsmarktbezogenen Entscheidungen und Verhaltensweisen an langfristig angelegten Überlegungen ausrichten, d. h. einen langfristigen Zeit- und Planungshorizont haben. 39 Dementsprechend wird im Rahmen der sogenannten Effizienzlohnansätze 40 angenommen, daß die (Netto-)Produktivität eines Beschäftigten (bzw. der vom Unternehmen erwartete Nettovorteil einer zusätzlichen Beschäftigungseinheit) gleichsinnig mit dem Lohnsatz variiert; die Marktausgleichsfunktion des Lohnes (die in der neoklassischen Argumentation im Vordergrund steht) kann dadurch eingeschränkt werden. 41 Die Entkoppelung von Entlohnung und Arbeitsproduktivität wird unter anderem aus der prinzipiellen "Offenheit" des Arbeitsvertrages abgeleitet. 42 So Vgl. H. Ross, 1981, S. 49 ff. Das heißt betriebsseitig zu tragende Kosten der Suche, Einstellung, Einarbeitung und Entlassung von Mitarbeitern. 38 Zu den Transaktionskostenansätzen vgl. z. B. W. Franz, 1986, S. 53; N. Berthold, 1987, S. 101 f. Aus kontrakttheoretischen Modellen lassen sich zum Teil ähnliche Erwartungen bezüglich des Entlohnungsverhaltens von Unternehmen ableiten. In diesen Ansätzen wird dem Aspekt der Absicherung der Arbeitnehmer gegen Einkommensschwankungen im Falle einer im Zeitverlauf schwankenden betrieblichen Auslastung besondere Bedeutung beigemessen. Vgl. z. B. die Darstellung bei H. Ross, 1981, S. 92 ff.; W. Franz, 1986, S. 50 ff.; N. Berthold, 1987, S. 75 ff. 39 Vgl. H. Biehler u. a., 1981, S. 8; ähnlich argumentieren H. Friderichs (1985, S. 431) und K. Vogler-Ludwig (1985, S. 28 f.) sowie W. Ochel, P. Schreyer (1988, S. 224 u. 226). Kritisch hierzu E. Wohlers, G. Weinert, 1986, S. 148. Ochel u. Schreyer (1988, S. 219 u. S. 223) verweisen in diesem Zusammenhang auch darauf, daß die relativ große sektorale Lohndifferenzierung in den USA nur teilweise ,,kompetitive", d. h. beschäftigungsfördernde, Ursachen gehabt habe (im Sinne eines partiellen Gleichgewichtsmodells). 40 Unter die Effizienzlohntheorien (im weiteren Sinne) fallen u. a. die sogenannten Turnover-Modelle, Adverse Selection-Modelle, Ansätze zur Senioritätsentlohnung, Modelle innerbetrieblicher Aufstiegsleitern, ,,Job-Matching"- und "Shirking"- Ansätze. Vgl. W. Franz, 1986, S. 55 ff.; L. Bellmann, 1986, S. 18 ff.; K. Gerlach, 0. Hübler, 1985, s. 249 ff. 41 Vgl. H.-P. Spahn, 1987, S. 225. In der neoklassischen Theorie interpretiert man Produktivität und Lohn demgegenüber als Faktoren zur (Wieder-)Herstellung des Marktgleichgewichts (Allokationsfunktion). 42 Allgemein geht es hierbei um den Aspekt des optimalen Spezifikationsgrades des Arbeitsvertrages. Diese Frage wird in der theoretischen Literatur im allgemeinen unter dem Begriff der ,,Principal-Agent"-Beziehung behandelt, z. B. im Rahmen sogenannter "Tournament Contracts"-Modelle, ferner in Ansätzen zur Erklärung von Alters-Einkommens-Profllen. Vgl. W. Franz, 1986, S. 53 ff. 36 37
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können beispielsweise Probleme der Unternehmen bei der Leistungskontrolle der Arbeitnehmer existieren, die aus Unternehmenssicht die Bezahlung von über dem "Marktlohnniveau" liegenden Lölmen effizient erscheinen lassen. 4344 Aus vertragstheoretischer Sicht können relativ stabile Lohnrelationen insofern effizient sein, als sie zur optimalen Abstimmung betrieblicher Ziele mit individuellrationalen Zielsetzungen und Interessen der Beschäftigten gebraucht werden. 45 Weitere mögliche Begründungen für die Existenz stabiler Lohnstrukturen bzw. relativ inflexible Lolmstrukturen finden sich in eher "soziologisch" orientierten Ansätzen. In diesen wird die Bedeutung von Gerechtigkeitsvorstellungen sowie (historisch gewachsener) sozialer Normen bzw. Konventionen als Begründung für die Existenz relativ rigider Löhne und stabiler innerbetrieblicher Lolmstrukturen betont. 46 Zudem können dieser Argumentation nach unter Umständen auch Vorstellungen der Arbeitnehmer über eine angemessene bzw. gerechte relative Position in der Lohnhierarchie für sie selbst bzw. für "ihre" Gruppe zu relativ unbeweglichen Lölmen und stabilen Lolmstrukturen führen. 47 Sind entsprechende soziale Konventionen für das Handeln und Verhalten der Wirtschaftssubjekte relevant, so werden diese sich ilmen bietende Gelegenheiten zur Wahrnehmung vorteilhafter Transaktionsmöglichkeiten ungenutzt lassen. 48 Wegen ihrer integrierenden und konsensfördernden Wirkung sind stabile interne Lolmstrukturen entsprechend dieser Sichtweise für die Unternehmen und die Gesellschaft als Ganzes effizient. 49 43 So wird z. B. in "adverse selection"-Modellen angenommen, daß die Unternehmen die potentielle Leistungflihigkeit von Arbeitskräften nur in unzulänglichem Maße feststellen können. Unterstellt man einen positiven Zusammenhang zwischen Akzeptanzlohn und Produktivität der Arbeitnehmer, dann läßt sich hieraus zeigen, daß für die Unternehmen ein Anreiz bestehen kann, durch überdurchschnittliche Lohnangebote entsprechend besser qualifizierte Arbeitsplatzbewerber anzuziehen. Vgl. N. Berthold, 1987, S. 117 ff. 44 In der Kritik am Erklärungsgehalt der Effizienzlohntheorie wird vor allem auf die Existenz alternativer Kontraktformen zur Lösung der Motivationsprobleme sowie auf die mangelhafte Erklärung unfreiwilliger Arbeitslosigkeit hingewiesen; vgl. z. B. H.-P. Spahn, 1987, S. 235 ff.; N. Berthold, 1987, S. 101 ff., S. 135 f. 45 Vgl. W. Franz, 1986, S. 55 ff.; H. Biehler u. a., 1981, S. 20 ff.; H. Biehler, W. Brandes, 1981, S. 127 ff. In diese Richtung zielen aber auch die Aussagen der sogenannten "Shirking"- Ansätze: durch Bezahlung von Löhnen, die den Marktlohnsatz übersteigen, erhöhen die Unternehmen für den einzelnen Arbeitnehmer die Kosten der "Drükkebergerei", sofern dieses Verhalten der Unternehmensleitung bekannt wird und zur Entlassung des betreffenden Beschäftigten führt. Vgl. z. B. N. Berthold, 1987, S. 124 ff. 46 Vgl. N. Berthold, 1987, S. 136 ff.; J. Blum, 1983, S. 262 ff.; 0. Hübler, 1983, S. 71; H. Ross, 1981, S. 127 ff. 47 Vgl. N. Berthold, 1987, S. 139 ff. 48 Vgl. die Darstellung bei N. Berthold, 1987, S. 136 ff. Solche Konventionen können bestehen in Gestalt von allgemein anerkannten Gerechtigkeitsvorstellungen, gesellschaftlichen Erwartungen bezüglich des Verhaltens der Unternehmen und Arbeitnehmer oder der Ausübung sozialen Drucks; ebenda, S. 137. 49 Vgl. W. Mieth, 1982, S. 181. Kritisch wird gegen soziologische Ansätze zur Erklärung von Lohnrigiditäten eingewandt, daß die Existenz von verhaltensrelevanten Normen und Regeln nur temporäre Starrheiten der relativen Löhne begründen könne, während bei längerdauernden Arbeitsmarktungleichgewichten mit einer Zunahme von Regelver-
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Strittig ist unter arbeitsmarkttheoretischem Aspekt somit insgesamt betrachtet die Bedeutung der Allokationsfunktion flexibler Löhne und Lohnrelationen und demzufolge die Frage, ob durch eine größere Reagibilität der Lohnstrukturen im Falle von Änderungen in den Arbeitsmarktgegebenheiten eine spürbare Senkung der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit erreichbar ist. Fraglich ist ferner, welches Ausmaß an Lohndifferenzierung anzustreben ist bzw. ob eine Politik der forcierten Spreizung der Lohnrelationen betrieben werden sollte. Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang und vor allem bei der Betrachtung regionaler Lohnunterschiede der Aspekt der regional unterschiedlichen Kaufkraft der Arbeitsentgelte von erheblicher Bedeutung. 5°
3.1.2. Überblick zur Entwicklung der Lohnstruktur in den siebziger und achtziger Jahren
3 .1.2 .1. Die Problematik empirischer Lohnstrukturanalysen In den folgenden Abschrlitten wird auf die Lohnstrukturentwicklung in der Bundesrepublik in den letzten zwei Jahrzehnten eingegangen, wie sie sich aus den Befunden empirischer Lohnstrukturuntersuchungen ergibt. Vorab sei auf einige Unzulänglichkeiten empirischer Lohnstrukturuntersuchungen hingewiesen, die eine vorsichtige Interpretation der Befunde nahelegen. Aus der in 3.1.1.1. skizzierten neoklassischen Lohnstrukturtheorie ergeben sich eine Reihe von Anforderungen, die aus theoretischer Sicht an eine empirische Analyse der in der Realität bestehenden Löhne bzw. Lohnunterschiede zu stellen sind, gleichwohl von der empirischen Forschung nur teilweise erfüllt werden können. So bestehen zum einen gewisse Messungs- und Erfassungsprobleme, wie z. B. die kaum erfüllbare Forderung nach einer Reallohnbetrachtung bei der Erhebung von Lohndaten.51 Weiterhin sind Lohnunterschiede jeweils gleichzeitig durch mehrere Ursachen determiniert. Um festgestellte Lohnunterschiede relativ eindeutig den dahinterstehenden Ursachen zuordnen zu können, müssen möglichst homogene statistische Teilmassen gebildet werden. 52 Ietzungen zu rechnen sei und folglich der Flexibilitätsgrad der Arbeitsentgelte allmählich ansteigen dürfte. Vgl. zu diesen Argumenten N. Berthold, 1987, S. 143. 50 So wurde von Seiten der Bundesbank jüngst empfohlen, daß die Lohnpolitik den Unterschieden der Kosten der Lebenshaltung in Regionen mit Arbeitslosigkeit im Vergleich zu Gebieten mit hohem Beschäftigungsstand (speziell den Unterschieden bei Wohnungsmieten sowie Grundstücks- und Häuserpreisen) stärker Rechnung tragen sollte. Vgl. Deutsche Bundesbank, 1989, S. 39 f. 51 Wegen der Annahme rationalenAnbieter-und Nachfragerverhaltens auf den Arbeitsmärkten wäre eigentlich bei der Erhebung von Lohndaten eine (Netto-)Reallohnbetrachtung notwendig, um die für die individuellen Entscheidungen maßgebliche Verdienstgrößezutreffend zu erfassen. Vgl. W. Mieth, 1967, S. 115. Vgl. auch H. Lampert, 1969, s. 408.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
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Neben diesen Messungs- und Erfassungsproblemen bestehen bei empirischen Analysen schwer lösbare Schwierigkeiten, ermittelte Lohnunterschiede den verschiedenen denkbaren Bestimmungsgründen korrekt zuzuordnen. 53 Bei der Einschätzung der Ergebnisse von Studien zur Lohnstruktur und deren Entwicklung ist ferner zu beachten, daß die verfügbaren Verdienststatistiken unterschiedlich gut für Lohnstrukturuntersuchungen geeignet sind. 54 Statistiken bzw. Erhebungen, die Individualdaten für die einbezogenen Arbeitnehmer und eine möglichst große Zahl von möglichen Lohnbestimmungsgründen erfassen, sind für die Zwecke von Lohnstrukturanalysen eindeutig besser geeignet 55 als Statistiken, für die entsprechend dem sogenannten Summenverfahren nur Durchschnittswerte für ganze Arbeitnehmergruppen ermittelt werden. 56 Die in den 52 Um Lohnunterschiede auf möglichst wenige Ursachen zurückführen zu können, müßten in empirischen Untersuchungen bei der Ermittlung von Löhnen die jeweiligen Ausprägungen der lohnstrukturrelevanten Merkmale und Faktoren ("Dimensionen" der Lohnstruktur) für alle relevanten Dimensionen (z. B. Branche, Region, Beruf, Qualifikation, Alter, Familienstand, Betriebsgröße, Lohnform, etc.) miterhoben werden; vgl. H. Lampert, 1969, S. 377. Die Frage der vollständigen Erfassung lohnstrukturrelevanter Faktoren bildet ein wesentliches Beurteilungskriterium für die Eignung amtlicher Verdienststatistiken für die Zwecke von Lohnstrukturuntersuchungen. 53 Von der Theorie wurde eine Vielzahl von Bestimmungsgründen für Lohnunterschiede abgeleitet. Eine Differenzierung empirisch ermittelter Lohnunterschiede in angebots-, nachfrage- und I oder marktformenbedingte Komponenten scheidet dagegen ebenso aus wie eine korrekte Ermittlung der Determinanten rein angebotsbedingter Lohnunterschiede (einschließlich ihres jeweiligen Gewichts); zudem wäre hier auch an Größen wie Berufsprestige, Neigung, etc. zu denken. Schließlich können Determinanten auch in Kombination auftreten. Vgl. H. Lampert, 1969, S. 408. 54 Zu den wichtigsten amtlichen Datenquellen für Studien zur Effektivlohnstruktur gehören für den Bereich der Bundesrepublik die Laufenden Verdiensterhebungen des Statistischen Bundesamtes in Industrie und Handel (bis 1976 Fachserie M, Reihe 15, ab 1977 Fachserie 16) sowie dessen Gehalts- und Lohnstrukturerhebungen (zuletzt: Fachserie 16, Gehalts- und Lohnstrukturerhebung 1978, Stuttgart- Mainz 1981 ). 55 Diese Kriterien erfüllen für die Bundesrepublik nur die Gehalts- und Lohnstrukturerhebungen, deren Zweck es ist, eine Betrachtung von Verdienstunterschieden nach verschiedenen Gliederungsmerkmalen sowie eine Analyse der maßgeblichen Bestimmungsgründe feststellbarer Verdienstunterschiede zu ermöglichen; siehe P. Deneffe, W. von der Decken, 1957, S. 522. Als lohnstrukturrelevante Faktoren werden erfaßt: Wirtschaftszweig, Betriebsgrößenklasse, Geschlecht, Alter, Leistungsgruppe, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Beschäftigtenstatus (Voll- oder Teilzeit); bei Arbeitern wird noch nach der Lohnform (Zeit- oder Leistungslohn) differenziert, bei Angestellten nach kaufmännischen Angestellten, technischen Angestellten und Meistem; vgl. Statistisches Bundesamt, 1981, s. 9f. 56 Die in Statistiken nach dem Summenverfahren ausgewiesenen Lohn- und Arbeitszeitangaben sind nur Durchschnittswerte für die jeweilige Arbeitnehmergruppe. Entsprechende Statistiken sind umso weniger für Lohnstrukturuntersuchungen geeignet, je unvollständiger die lohnstrukturrelevanten Einflußgrößen erfaßt werden. Vgl. H. Lampert, 1963, S. 10; ebenso N. Steinebach, 1973, S. 44 ff. Der Ausweis der Arbeiter- und Angestelltenverdienste erfolgt in den laufenden Verdiensterhebungen nach Geschlecht und Leistungsgruppe der Arbeitnehmer sowie nach Wirtschaftszweigen und Bundesländern. Zu den verwendeten Erhebungsmethoden und der Erhebungshäufigkeit vgl. P. Deneffe, W. von der Decken, 1957, S. 522.
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
folgenden Abschnitten dargestellten Ergebnisse neuerer empirischer Lohnstrukturuntersuchungen basieren fast ausnahmslos auf Erhebungen, die nur Durchschnittswerte ausweisen. 51
3 .1.2 .2. Die Entwicklung der interindustriellen Lohnhierarchie und Lohnstruktur in der Bundesrepublik seit Anfang der siebziger Jahre Neuere empirische Befunde zur interindustriellen Lohnhierarchie 58 bei Arbeitern und bei Angestellten belegen die hochgradig stabile Entwicklung der Branchenverdiensthierarchie seit 1970 (im Sinne einer formalen Stabilität). 59 Diese Resultate entsprechen den Ergebnissen zur Branchenlohnhierarchie in den fünfzigerund sechziger Jahren. 60 Die Stabilität der Branchenlohnhierarchie scheint in den letzten Jahren- gemessen an der Entwicklung des Rangkorrelationskoeffizienten - eher noch zugenommen zu haben. 6 1 Die empirischen Ergebnisse zur Entwicklung der interindustriellen Lohnstruktur (d. h. der (relativen) Streuung der Löhne in den einzelnen Wirtschaftszweigen um den Durchschnittslohn in der lndustrie 62 sprechen überwiegend dafür, daß die Lohnrelationen zwischen den Wirtschaftszweigen in der Bundesrepublik für den Gesamtzeitraum von 1970 bis in die achtziger Jahre hinein relativ stabil waren. 63 Bezüglich der sektoralen Lohnstrukturentwicklung im Verhältnis von 57 Die Daten der Gehalts- und Lohnstrukturerhebungen sind von vergleichsweise geringer Aktualität; die jüngste dieser Erhebungen datiert von 1978. 58 Die interindustrielle Lohnhierarchie entspricht der Reihenfolge der nach fallenden Durchschnittsverdiensten geordneten Industriezweige bzw. Branchen. Der Grad an (relativer) Stabilität der Branchenlohnhierarchie im Zeitverlauf wird meist anband des Rangreihenkorrelationskoeffizienten ermittelt. 59 K. Breithaupt, R. Soltwedel, 1980, S. 68 f.; H. Gerfm, 1977, S. 127 ff.; E. Gundlach, 1986, S. 77 f.; A. Janke, 1981, S. 61; Th. Vajna, 1983, S. 39; A. Weigend, 1982, S. 90; H.-D. Hardes, 1988, S. 66 f.; W. Ochel, P. Schreyer, 1988, S. 209 f. 60 Vgl. die Ergebnisse zur intersektoralen Lohnhierarchie 1970 im Vergleich zu 1960 in RWI, 1987b, S. 135 (Tabelle). Vgl. ferner H. Larnpert, 1968, S. 110 f.; N. Steinebach, 1973, s. 121. 61 Vgl. RWI, 1987a, S. 108 sowie 1987b, S. 134 f. (intersektorale Lohnhierarchie 1970 im Vergleich zu 1960, 1980 im Vergleich zu 1970, 1985 gegenüber 1980). 62 Als Maß für die Entwicklung der Branchenlohnstreuung dient häufig der Verlauf des Variationskoeffizienten (d. h. die mit dem arithmetischen Mittel gewichtete Standardabweichung der Branchenlöhne vorn Durchschnittslohn in der Industrie). Der Variationskoeffizient wird zumeist in Prozentpunkten angegeben. Ein im Zeitverlauf fallender (steigender) Variationskoeffizient signalisiert eine Nivellierung (Differenzierung) der Lohnstruktur. 63 Vgl. E. Gundlach, 1986, S. 78; K. Vogler-Ludwig, 1983, S. 87 f.; RWI, 1983, S. 112; K. Vogler-Ludwig, 1985, S. 24; E. Wohlers, G. Weinert, 1986, S. 144. Dagegen wird von Franz für die Jahre von 1971 bis 1986 eine leichte Differenzierung der sektoralen Löhne konstatiert; vgl. W. Franz, 1989, S. 310 f. Licht ermittelt für die interindustrielle Entwicklung der Einkommen aus abhängiger Arbeit pro geleisteter Beschäftigungsstunde - d. h. einschließlich der Lohnnebenkosten und der nicht regelmäßigen Zahlungen -
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privaten Dienstleistungsbereichen und warenproduzierenden Sektoren wurde für diese Periode dagegen eine leichte Nivellierung festgestellt. 64 Nach einer leichten Differenzierung der interindustriellen Lohnstruktur in der ersten Hälfte der siebziger Jahre 65 verringerte sich die relative Branchenlohnstreuung ab 1974175 bis etwa 1979 wieder etwas 66• Für die achtziger Jahren wird teilweise eine zunehmende Stabilität 67, teilweise eine Differenzierung der interindustriellen Lohnstruktur konstatiert. 68 Bei den Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit wurde für die Periode von 1973 bis 1985 eine wachsende Differenzierung der Branchenlahnstruktur im Vergleich zum Zeitraum 1960 bis 1973 ermittelt. 69 Die Entwicklung der interindustriellen Gehaltsstruktur der Angestellten in der Industrie folgte nach 1970 weitgehend dem Verlaufsmuster bei Arbeiterlöhnen, allerdings nicht immer in voller zeitlicher Kongruenz. 70 Als Determinanten der Entwicklung der Branchenlohnstruktur im Beobachtungszeitraum werden zum einen das gesamtwirtschaftliche Aktivitätsniveau genannt, zum anderen die Tariflohnentwicklung. Während konjunkturellen Faktoren vor allem ein kurzfristig wirkender Einfluß auf die Gestalt der Lohnstruktur (intersektorale Arbeitskosten) für den Zeitraum 1960-1985 eine Differenzierung der Jahres- und Stundenentgelte; vgl. G. Licht, 1989, S. 260 f. 64 W. Ochel, P. Schreyer, 1988, S. 208 f., für den Zeitraum von 1970 bis 1985. 65 Vgl. K. Vogler-Ludwig, 1983, S. 78; K. Breithaupt, R. Soltwedel, 1980, S. 68 f.; H. Gerfm, 1977, S. 127 ff.; A. Janke, 1981, S. 55; Th. Vajna, 1983, S. 38 f. Vgl. auch W. Franz, 1989, S. 311 (Schaubild 1, Variationskoeffizient A). 66 Vgl. K. Breithaupt, R. Soltwedel, 1980, S. 68 f.; Th. Vajna, 1983, S. 38 f.; A. Weigend, 1982, S. 102 ff. 67 Vgl. K. Vogler-Ludwig, 1985, S. 24; W. Franz, 1989, S. 311 (Schaubild 1, Variationskoeffizient A). Ochel u. Schreyer kommen in einer Analyse der sektoralen Lahnstrukturentwicklung zwischen 10 privaten Dienstleistungsbereichen und 2 warenproduzierenden Sektoren zum Ergebnis, daß im Zeitraum von 1970 bis 1985 eine leichte Nivellierung eintrat; vgl. W. Ochel, P. Schreyer, 1988, S. 208 f. 68 So wird im Strukturbericht 1987 des DlW ein deutlicher Anstieg des Variationskoeffizienten der Stundenlohnsatzänderungen bis 1983 berichtet; vgl. DlW, 1987, S. 269 ff. Entsprechend den Ergebnissen des Instituts für Weltwirtschaft ergab sich im Vergleich der drei Jahre 1973, 1979 und 1986 bei Arbeitern eine leichte Differenzierung der intersektoralen Lohnstruktur; vgl. J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 85 (Tabelle). 69 Bezogen auf das Verhältnis des sektoralen zum gesamtwirtschaftlichen Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit je Beschäftigtenstunde (Arbeiter und Angestellte zusammen), für die Jahre 1960, 1966, 1973, 1979 und 1985. Siehe den Strukturbericht des HWWA-Institutes (H.-H. Härtel u. a., 1988), S. 96 ff., v. a. S. 98 f. und Tabelle 10; ähnlich auch RWI 1987, Bd. 1, S. 108 und S. 109, Schaubild 16 (gemessen an der Entwicklung des Variationskoeffizienten der sektoralen Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit je Beschäftigten (sektorale Pro-Kopf-Einkommen pro Stunde wie auch pro Jahr) seit Mitte der sechziger Jahre bis 1985, insbesondere im Bereich Verarbeitendes Gewerbe). Siehe auch F. Klau, A. Mittelstädt, 1986, S. 29 (Zunahme der interindustriellen Lohndifferentiale in der Bundesrepublik im Zeitraum von 1965 bis 1982). 70 Vgl. die Ergebnisse bei K. Breithaupt, R. Soltwedel, 1980, S. 68 f.; K. VoglerLudwig, 1985, S. 24; A. Weigend, 1982, S. 102 ff.; J. B. Donges, K.-D. Schrnidt u. a., 1988, S. 85 (Tabelle 23).
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zugemessen wird 71 , gelten die in wachsendem Maße gesamtwirtschaftlich bzw. an branchenübergreifenden Gesichtspunkten orientierten Lohnfindungsprozesse der Tarifvertragsparteien in den einzelnen Wirtschaftszweigen als wesentliche Ursache einer zunehmenden Stabilität der Lohnstruktur 72 im Sinne stabiler Tarifwie auch Effektivlohnstrukturen 73 • Neben der Frage nach der empirischen Relevanz der in 3.1.1. angesprochenen "Nivellierungsthese" und der These rigider Lohnstrukturen stellt sich auch die Frage, inwieweit der von der neoklassischen Lohnstrukturtheorie unterstellten Indikations- und Lenkungsfunktion der relativen Löhne in der Realität Bedeutung zukommt, das heißt inwieweit die relativen Löhne in der Realität als Allokationsmechanismus auf den Arbeitsmärkten wirken. 74 Im sektoralen Vergleich ergibt sich für den Zeitraum von 1973 bis Mitte der achtziger Jahre ein steigender Zusammenhang zwischen dem Niveau bzw. der jeweiligen Entwicklungsrichtung von Branchenproduktivität und Branchenlöhnen. 75 Dagegen stimmen die branchenspezifische Lohnentwicklung und die Entwicklung der Beschäftigung in ihrer Richtung nicht überein; vielmehr zeigte sich zumindest im verarbeitenden Gewerbe im Beobachtungszeitraum eher eine gegenläufig zur (intersektoralen) Beschäftigungsentwicklung verlaufende Differenzierung der Branchenlohnunterschiede: im industriellen Sektor stiegen die Lohnrelationen nicht nur in bestimmten Wirtschaftszweigen mit zunehmender oder unterdurchschnittlich abnehmender Beschäftigung, sondern auch in einigen Branchen mit überdurchschnittlichem Beschäftigungsrückgang. 76 Die sektorale LohnVgl. A. Janke, 1981, S. 55. n Vgl. RWI, 1983, S. 112; RWI, 1987a, S. 107; H. Gischer, 1983, S. 613; E. Wohlers, G. Weinert, 1986, S. 147 f. Vgl. auch J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 84. 73 So verringerten sich in den siebziger und achtziger Jahren die intersektoralen Unterschiede der jährlichen Wachstumsraten der tariflichen Stunden- und Wochenlöhne wie auch der intersektoralen Unterschiede bei den tariflichen Monatsgehältern erheblich; vgl. G. Licht, 1989, S. 261 u. S. 264 (Graphik). Wegen der zumindest in den letzten Jahren allgemein für gering gehaltenen Bedeutung der Lohndrift haben einheitliebere Tariflohnabschlüsse vermutlich auch bei der Effektivlohnstruktur zur Verfestigung geführt. Vgl. J. Blum 1983, S. 228 ff.; E. Gundlach, 1986, S. 84 ff. 74 Bei funktionierendem Wettbewerb und mobilen Produktionsfaktoren müßten sich, der Theorie entsprechend, Produktivitäts-, Rentabilitäts- und Lohnunterschiede durch Strukturwandel ausgleichen; H.-H. Härte! u. a., 1988, S. 81. Umgekehrt würden dann große sektorale Unterschiede bei Produktivität, Rentabilität und Lohn auf bestehende ,,Anpassungsstaus" hindeuten; siehe ebenda. 75 RWI, 1987a, S. 108 u. S. 110; H.-H. Härte! u. a., 1988, S. 99; ähnlich W. Gerstenberger u. a., 1988, S. 84 und G. Licht, 1989, S. 274. Entsprechende Folgerungen lassen sich auch aus den Ergebnissen älterer Studien ziehen; vgl. z. B. A. Janke, 1981, S. 63; Th. Vajna, 1983, S. 42. 76 RWI, l987a, S. 110; H.-H. Härtet u. a., 1988, S. 99. Auch aus den Ergebnissen früherer Strukturuntersuchungen lassen sich keine Anzeichen für die Umsetzung von Produktivitätsänderungen in Anderungen der Beschäftigtenstruktur auf dem Wege über Lohnänderungen erkennen; vgl. U. Brasche u.a., 1984, S.ll7f.; RWI, 1983, S.110; ähnlich auch K. Vogler-Ludwig, 1985, S. 25 f. 11
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entwicklung dürfte damit (auch) eng mit dem bereits erreichten Lohnniveau der jeweiligen Branchen verknüpft sein und nicht (oder zumindest nicht generell und ausschließlich) durch die Richtung der Beschäftigungsentwicklung determiniert werden. 77 Aus der ermittelten Verschiebung der sektoralen Einkommensverteilung zugunsten von "Hochlohnbereichen" wird ein besonders hoher, einen beschäftigungsfördemden Strukturwandel hemmender Grad an Rigidität der Löhne in diesen Branchen abgeleitet. 78 Problematisch erscheint die Entwicklung der sektoralen Lohnpositionen in Hinblick auf die Stellung einiger relativ hoch subventionierter Branchen, z. B. des Bergbaus und der Luft- und Raumfahrtindustrie, die - gemessen an ihrer jeweiligen Position in der Branchenlohnhierarchie im Zeitraum 1973- 1986 zu den "Gewinnern" der Verschiebungen in der sektoralen Einkommensverteilung zählten. 79 Die Ergebnisse der betrachteten empirischen Untersuchungen sprechen, so läßt sich zusammenfassend sagen, für eine hochgradige und in den letzten Jahren noch gewachsene Stabilität der interindustriellen Lohnstruktur im Zeitablauf (v. a. in der Industrie). Die These einer kontinuierlichen Verringerung der Branchenlohnunterschiede ("Nivellierungsthese") läßt sich dagegen nicht überzeugend belegen. 80 3 .1.2 .3. Die Entwicklung der intraindustriellen Lohnstruktur Unter dem Gesichtspunkt der effizienten Allokation der Arbeitskräfte werden in der Lohnstrukturtheorie neben den sektoralen Verdienstrelationen vor allem auch den qualifikationsbedingten Lohnunterschieden innerhalb einer Branche oder in der Industrie insgesamt ("intraindustrielle Lohnstruktur") erhebliche Be11 Vgl. H.-H. Härte! u. a., 1988, S. 100; siehe hierzu in Hinblick auf einen Vergleich der Entwicklung in der Bundesrepublik und in den USA auch H.-D. Hardes, 1989, S. 238 ff., v. a. S. 240 f. 78 Vgl. H.-H. Härte! u. a., 1988, S. 100 ff. Kennzeichnend für Hochlohnbranchen sei eine überwiegend durch Großunternehmen geprägte Markt- bzw. Anbieterstruktur und eine starke Position der Gewerkschaften (ebenda). Die Autoren des HWWA-Strukturberichtes vermuten, daß es in der Bundesrepublik eine sektorale Segmentierung der Arbeitsmärkte, d. h. "eine ausgeprägte Dichotomie" zwischen den Arbeitsmärkten des Verarbeitenden Gewerbes einerseits und denen der übrigen Sektoren andererseits gibt; vgl. ebd., S. 101 f. und S. 148. 79 Vgl. W. Gerstenherger u. a., 1988, S. 82 ff., v. a. S. 84, Ziff. 75. Für die unter Anpassungszwang stehenden Branchen wäre hingegen ein Zurückbleiben der Löhne "angemessen" gewesen, d. h. "ein relatives Absenken" im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen. Gemessen an der Lohnposition im Jahre 1986 im Vergleich zu der im Jahre 1973 gab es eine solche "adäquate" Anpassung nur in der Stahlindustrie als weiterer unter Anpassungszwang stehender Branche. Siehe W. Gerstenherger u. a., 1988, S. 84, Ziff. 75. Ähnliche Kritik übt auch der Sachverständigenrat; vgl. Gutachten 1985/86, Ziff. 287. Unterdurchschnittliche Lohnsteigerungen in schrumpfenden Bereichen könnten zumindest den dort gegebenen Anpassungsdruck mildern und so eine zeitliche Streckung des Arbeitsplatzabbaus bewirken; Gutachten 1988/89, Ziff. 342. Siehe auch die Hinweise in Abschnitt Ill. 3.1.1.1. 80 W. Franz, 1989, S. 311; DIW, 1987, S. 271.
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deutung beigemessen. 81 Gerade in neuerer Zeit wird wieder verstärkt die Anreizfunktion von qualifikationsbezogenen Entgeltunterschieden für den Qualifikationserwerb betont. 82 Die empirischen Befunde deuten daraufhin, daß seit 1970 bei Industriearbeitern keine nennenswerten Verschiebungen zwischen den Leistungsgruppen erfolgten. Die intrasektorale Lohnstruktur war, insbesondere in den achtziger Jahren, durch ein relativ großes Maß an Stabilität geprägt 83 (nicht nur im Durchschnitt aller Industriezweige, sondern auch bezüglich einzelner Branchen 84), vor allem hinsichtlich der Löhne männlicher Arbeiter. Dagegen kam es bei Arbeiterinnen in den siebziger Jahren zu einer leichten Verdienstannäherung zugunsten der untersten Leistungsgruppe 85, in den achtziger Jahren dagegen zu einer Differenzierung86. Einen im Vergleich zur Lohnstruktur bei Arbeitern etwas anderen Verlauf nahm im Beobachtungszeitraum 1970 bis 1984/85 die intraindustrielle Gehaltsstruktur der Angestellten. Nach weitgehend übereinstimmenden Untersuchungsergebnissen bestand in den frühen siebziger Jahren bei den Verdienstrelationen zwischen den Angestelltenqualifikationen ein Trend zur Nivellierung 87 , vor allem bei weiblichen Angestellten 88. Seit Ende der siebziger Jahre vergrößerten sich die relativen Verdienstabstände zwischen den Leistungsgruppen der Angestellten wieder (Differenzierung der intraindustriellen Gehaltsstruktur). 89 Bezieht man 81 Die Analyse qualifikationsspezifischer Lohnunterschiede erfolgt häufig anband der relativen oder normierten Verdienstabstände zwischen den vom Statistischen Bundesamt ausgewiesenen Qualifikationsgruppen. Ähnlich wird bei der Analyse der geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede vorgegangen; die relativen oder normierten Verdienstabstände zwischen Männem und Frauen können dabei im Durchschnitt aller Leistungsgruppen oder innerhalb jeweils einer Leistungsgruppe betrachtet werden. 82 Vgl. Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 340; siehe auch m. 3.1.1.1. 83 Bei konstant gehaltenen Beschäftigtenanteilen; W. Franz, 1989, S. 313 f. Siehe auch J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 84 u. S. 85 (Tabelle 25); H.-H. Härte! u. a., 1988, S. 145 (Tabelle 19a) u. S. 148: sofern Veränderungen festgestellt wurden, gehen diese bei Arbeitern eher in Richtung einer (leichten) Nivellierung; ebenda. Vgl. ferner K. Breithaupt, R. Soltwedel, 1980, S. 76; H. Gischer, 1983, S. 611; K. Vog1erLudwig, 1985, S. 24; A. Weigend, 1982, S. 126. 84 Vgl. U. Brasche u. a., 1984, S. 137 ff.; A. Weigend, 1982, S. 126. 85 Vgl. U. Brasche u. a., 1984, S. 133; R. Welzmüller, 1980, S. 102. 86 DIW 1987, S. 273 (gemessen an den qualiflkationsspezifischen Unterschieden der Bruttowochenverdienste). 87 W. Franz, 1989, S. 313 f. (bei konstant gehaltenen Beschäftigtenanteilen und bezogen auf den Zeitraum 1974-1981). Vgl. ferner K. Breithaupt, R. Soltwedel, 1980, S. 76; U. Brasche u. a., 1984, S. 133; K. Vogler-Ludwig, 1983, S. 77 f.; K. Vogler-Ludwig, 1985, S. 24; A. Weigend, 1982, S. 129 ff. 88 Vgl. A. Weigend, 1982, S. 131; W. Franz, 1989, S. 314 (für den Zeitraum 19741981 und bei konstant gehaltenen Beschäftigtenanteilen). 89 DIW, 1987, S. 273; K. Vogler-Ludwig, 1985, S. 24. Vgl. auch H.-H. Härte! u. a., 1988, S. 146 (Tabelle 19b) und S. 148; die Differenzierung sei allerdings in ihrem Ausmaß gering gewesen (ebenda, S. 148).
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Verschiebungen in den Beschäftigtenanteilen der verschiedenen Leistungsgruppen in die Analyse der intrasektoralen Lohnstruktur mit ein, so ergibt sich für die Zeit seit den sechziger Jahren eine Tendenz zur Differenzierung in der Lohnund Gehaltsstrukturentwicklung, vornehmlich aufgrund einer wachsenden Streuung bei den Entgelten männlicher Arbeiter und Angestellter sowie bei den Gehältern der weiblichen Angestellten. 90 Die vor allem bei weiblichen Angestellten (in schwächerem Maße auch bei Arbeiterinnen) erkennbaren Nivellierungstendenzen der intraindustriellen Verdienststruktur werden verschiedentlich mit der gewerkschaftlichen Lohnpolitik, speziell der Vereinbarung sogenannter "Sockelbeträge" zugunsten der unteren Leistungs- bzw. Lohngruppen erklärt. 91 Danach sind Frauen wegen des vergleichsweise hohen Anteils weiblicher Arbeitnehmer in unteren Leistungsgruppen durch diese Lohnpolitik stärker begünstigt worden als Männer. 92 Die vermutete Interdependenz der qualifikations-und der geschlechtsspezifischen Lohnstrukturen zeigt sich auch in einer Nivellierung der geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede in den siebziger Jahren. 93 Diese Entwicklung der geschlechtsspezifischen Lohnstruktur bestand sowohl im Durchschnitt aller Industriezweige als auch in den einzelnen Wirtschaftszweigen. 94 Gleichwohl spiegeln sich die Wirkungen entsprechender, die "niedrigen" Qualifikationsgruppen begünstigender Tarifvereinbarungen in den gesamtwirtschaftlichen Indexziffern kaum wider: diesbezügliche tarifpolitische Maßnahmen betrafen nur einzelne Tarifbereiche bzw. nur wenige, zudem vermutlich meist gering besetzte untere Lohngruppen und wurden wohl teilweise auch durch gegengerichtete Differenzierungsprozesse in den höheren Leistungsgruppen kompensiert. 95 Die Differenzierung der Gehaltsstruktur der Angestellten seit Ende der siebziger Jahre war nach Ansicht mancher Autoren Folge der wachsenden Arbeits90 Vgl. W. Franz, H. König, 1986, S. S 230 f. Nach deren Ergebnissen blieben bei Arbeiterinnen die Lohndifferentiale zwischen den Leistungsgruppen praktisch unverändert. 91 So z. B. E. Gundlach, 1986, S. 87 f.; A. Weigend, 1982, S. 129. Nach Ergebnissen des lfo-Instituts wies die Entwicklung der qualiflkatorischen Tariflohnstrukturen in den siebziger Jahren große Stabilität auf, mit Ausnahme eines stärkeren Anstiegs der Tariflöhne für Arbeiterinnen im Vergleich zum Tariflohnzuwachs bei männlichen Arbeitern; vgl. K. Vogler-Ludwig, 1983, S. 73 und Tabelle 16, S. 74. Ebenso auch W. Franz, 1989, s. 314. 92 Vgl. R. Welzmüller, 1980, S. 102. 93 Der Nivellierungstrend, der bereits im vorangegangenen Jahrzehnt bestand, zeigte sich insbesondere in einer Annäherung im Verhältnis der Löhne männlicher und weiblicher Arbeiter. Vgl. K. Breithaupt, R. Soltwedel, 1980, S. 71; U. Brasche u. a., 1984, S. 133; K. Vogler-Ludwig, 1983, S. 78; ders., 1985,S. 23 f.; A. Weigend, 1982, S. 114 ff.; R. Welzmüller, 1980, S. 111 f. 94 Vgl. U. Brasche u. a., 1984, S. 139; A. Weigend, 1982, S. 114 ff.; R. Welzmüller, 1980, s. 112 f. 95 K. Vogler-Ludwig, 1983, S. 75; H.-D. Hardes, 1988, S. 64.
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marktproblerne der weniger qualifizierten Arbeitnehmer. 96 Andererseits könnte dieser Differenzierungseffekt auch auf Prozesse einer relativen Höherqualifizierung innerhalb der vergleichsweise breiten statistischen Leistungsgruppen (v. a. bei den qualifizierten Angestellten) zurückzuführen sein. 97 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß sich bei den Angestellten bezogen auf einzelne Teilperioden des Beobachtungszeitraumes sowohl eine Annäherung der Verdienstrelationen nach Qualifikationen als auch umgekehrt eine Differenzierung feststellen lassen, während die intrasektorale Lohnstrukturentwicklung bei Industriearbeitern hochgradig stabil verlief. Erkennbar war ferner zumindest zeitweise eine gewisse Entwicklungsinterdependenz der qualiftkations- und der geschlechtsspezifischen Lohnstruktur. Die These einer durchgängigen, allgemeinen Nivellierung zwischen den verschiedenen Leistungsgruppen läßt sich durch die empirischen Befunde nicht untermauern. 98 Die Verringerung der Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern erfolgte - zumindest zeitweise - vermutlich auch mit dem Ziel, das Gleichheitsgebot in der Bezahlung von Männern und Frauen (für gleiche Arbeitsleistungen) zu verwirklichen. Ferner könnte darin eine relative Höherqualifizierung innerhalb der statistischen Leistungsgruppen infolge eines höheren durchschnittlichen Ausbildungsniveaus von Arbeitnehmerinnen zum Ausdruck kommen. 3.1.2.4. Die Entwicklung der interregionalen Lohnstruktur Im neoklassischen Arbeitsmarktmodell haben regionale Lohnunterschiede die Funktion, standort-und fortschrittsbedingte Produktivitätsunterschiede zwischen den einzelnen Regionen eines Wirtschaftsgebietes anzuzeigen und ausgleichend wirkende Mobilitätsprozesse von Seiten des Produktionsfaktors Arbeit in Gang zu setzen (Indikations- und Lenkungsfunktion der Lohnrelationen in räumlicher Sicht). Deutlich erkennbare Unterschiede in den relativen Preisen der Produktionsfaktoren (Löhne, Zinsen), v. a. den Arbeitnehmerentgelten, können gemäß dieser Argumentation in strukturschwachen Gebieten den strukturellen Wandel erleichtern, indem sie die Standortattraktivität einer Region verbessern. 99 Umgekehrt werden aus dieser Sicht durch eine nicht marktgemäße interregionale Lohnstruktur die regionale Mobilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer vermindert, folglich der Strukturwandel (in regionaler, aber auch in branchenmäßiger Perspektive) Vgl. DIW, 1987, S. 273; K. Vogler-Ludwig, 1985, S. 24. H.-D. Hardes, 1988, S. 64. 98 Siehe auch H.-D. Hardes, 1988, S. 63 u. S. 64 f. Diese Ergebnisse beantworten aber nicht die Frage, welchen Einfluß diebeobachtbare Entwicklung der intraindustriellen Verdienststrukturen auf die Bereitschaft der Arbeitnehmer zu beruflicher Mobilität (im Sinne des Qualiflkationserwerbs) ausübte. 99 J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 103. Vgl. auch Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 341 ff. 96 97
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verzerrt und in Verbindung damit Beschäftigungsverluste in Form bestehender Arbeitsplätze wie auch potentieller Beschäftigungschancen hervorgerufen. 100 Die relative Streuung der Arbeiterlöhne und der Angestelltengehälter in den Bundesländern um denjeweiligen Bundesdurchschnitt hat sich nach den Untersuchungsergebnissen zur interregionalen Lohnstruktur 101 seit den sechziger Jahren der Tendenz nach sowohl im Durchschnitt der Industrie insgesamt als auch auf Branchenebene verringert (Nivellierung der interregionalen Lohnstruktur). 102 Der Grund für die Annäherung der interregionalen Verdienstniveaus in diesem Zeitraum waren überdurchschnittliche Lohnzuwächse in Bundesländern mit niedrigem Ausgangslohnniveau in Verbindung mit einem unterdurchschnittlichen Lohnwachstum in "Hochlohnregionen". 103 Trotzdem liegt das Niveau der Löhne und Gehälter in der Industrie derzeit in südlichen Bundesländern, vor allem in Bayern, zum Teil noch unter dem Bundesdurchschnitt, in einigen der als "Problemregionen" angesehenen nördlichen Bundesländer dagegen tendenziell darüber. 104 Aus dem Vergleich der Verdienstniveaus in den Bundesländern wird bisweilen gefolgert, daß aus der Gestalt und Entwicklung der regionalen Lohnstruktur in der Bundesrepublik Hemmnisse für die Arbeitskräftemobilität erwachsen. 105 In einer regional stärker disaggregierenden Betrachtung von Lohnunterschieden ergeben sich im Vergleich ·zur Differenzierung nach Bundesländern allerdings teilweise andere Ergebnisse, die vermuten lassen, daß ein vergleichsweise ausge-
100 Vgl. zur neoklassischen Argumentation hinsichtlich der Bedeutung von regionalen Lohnunterschieden die Darstellung bei J. Warnken, 1985, S. 163 f.; ferner H.-D. Hardes, 1988, s. 53 u. s. 54 f. 101 Die Lohnstrukturentwicklung nach Regionen läßt sich bestimmen anband der relativen Streuung der regionalen Durchschnittslöhne (bzw. der regionalen Löhne in speziellen Branchen) um den Durchschnittslohn im Bundesgebiet, bezogen auf die Industrie insgesamt (bzw. auf den Bundesdurchschnittslohn der entsprechenden Branchen). 102 Vgl. S. F. Franke, 1985, S. 209 ff., der sich in seiner Untersuchung allerdings auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz beschränkt. Vgl. ferner J. Warnken, 1985, S. 167; E. Gundlach, 1986, S. 83 f. 103 Vgl. K. Geppert u. a., 1987, S. 273 und S. 274 f. (Abbildung; bezogen auf Bruttolohn- und-gehaltssumme je Arbeitnehmer); J. Wamken, 1985, S. 167; zur erstgenannten Ländergruppe zählen v. a. die südlichen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern, zu den "Hochlohngebieten" die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Saarland und Harnburg. 104 K. Geppert u. a., 1987, S. 273. Ähnliche Allgleichungstendenzen werden auch im Vergleich über die Regionen des Bundesgebietes festgestellt; siehe ebd., S. 273, S. 276 f. (Tabelle) und S. 278. Zum interregionalen Verdienstniveau in der Industrie vgl. J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 104, Tabelle 31. ws J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 105. Eine gegenläufige Richtung in der Entwicklung der Löhnen und der Preise auf anderen Märkten der "Hochlohnregionen" führe zu einem mobilitätsbeschränkenden Anstieg der Reallöhne; vgl. ebd. Umgekehrt könnte eine größere regionale Differenzierung der Arbeitskosten, in Verbindung mit den Vorteilen einiger Bundesländer bei den Immobilienpreisen, zu Unternehmensansiedlungen in den "Problemregionen" beitragen; vgl. Deutsche Bundesbank, 1989, S. 40. 13
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prägtes Lohngefälle zwischen den Regionen besteht. 106 Danach nahm im Vergleich der Jahre 1984 und 1976 die regionale Streuung der Löhne sowohl insgesamt (über alle Personengruppen) als auch differenziert nach Geschlecht, Nationalität sowie Vollzeit- und Teilzeitarbeitnehmern zu. 107 Lohnunterschiede zeigen sich in Abhängigkeit von der regionalen Branchenstruktur: die besten Verdienstmöglichkeiten weisen "dienstleistungsorientierte" Gebiete auf, gefolgt von "altindustrialisierten" Regionen; relativ am schlechtesten schneiden hinsichtlich der Einkommenschancen die "landwirtschaftsorientierten" Regionen ab. 108 Darüberhinaus ergeben sich Verdienstdiskrepanzen entsprechend des räumlichen Agglomerationsgrades, mit vorteilhaften Verdienstmöglichkeiten in Ballungsgebieten, ferner in Abhängigkeit von der Struktur der Beschäftigten. 109 Als Ursachen für die Verengung der Abstände zwischen den regionalen Verdienstniveaus in verschiedenen Bundesländern gelten zum einen Brancheneinflüsse (regional unterschiedliche Wirkungen der bundesweiten Verdienstentwicklung in bestimmten räumlich ungleich verteilten Branchen) und andererseits Standortfaktoren (gebietsspezifische Abweichungen der Lohnentwicklung in bestimmten Branchen von der Verdienstentwicklung dieser Wirtschaftszweige im Bundesdurchschnitt). 110 Insbesondere für die Zeit nach der ersten Ölpreiskrise 1973174 dürften die unterschiedlichen Auswirkungen des sektoralen Strukturwandels in den verschiedenartig strukturierten Bundesländern für die Annähe106 Vgl. M. Koller, 1987, S. 31 ff. Koller analysiert die räumliche Streuung der durchschnittlichen Jahresbruttoverdienste sozialversicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer auf der Basis von Arbeitsamtsbezirken bzw. Arbeitsmarktregionen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, daß bei dieser Einkommensgröße durch die Art der Miterfassung von Teilzeitbeschäftigten, Auszubildenden und mithelfenden Familienangehörigen Verzerrungseffekte bewirkt werden können. Vgl. H.-D. Hardes, 1988, S. 62 Anmerkung 5. Bezüglich der regionalen Veränderungsraten der Löhne (im Vergleich der 75 Raumordnungsregionen) wird für den Zeitraum 1970 bis 1984 eine Tendenz zur Allgleichung konstatiert, die regionalen Niveauunterschiede verringerten sich dadurch allerdings nur wenig; vgl. K. Geppert u. a., 1987, S. 273, S. 276 f. (Tabelle), S. 278 (bezogen auf die Bruttolohn- und -gehaltssumme). 101 M. Koller, 1987, S. 40. 108 M. Koller, 1987, S. 31 ff., hierS. 34 f. Geringere Durchschnittseinkommen ergeben sich auch für alt-industrialisierte bayerische Gebiete sowie im Alpenvorland; siehe ebenda, S. 35. Zu berücksichtigen ist allerdings wiederum, daß bei diesem Vergleich der durchschnittlichen Einkommensniveaus die regional in ihrer Höhe schwankenden Kosten der Lebenshaltung und Wohnung (Mieten bzw. Baulandpreise) unberücksichtigt blieben (ebenda). Auf die Entwicklung der Lohnsatzsteigerungen hatten in der Periode 1970 bis 1984 nach Ergebnissen des DIW vor allem regionale Faktoren einen signifikanten Einfluß, die "Branchenkomponente" dagegen nur im Zeitraum 1970-1976; siehe K. Geppert u. a., 1987, S. 278, S. 280. 109 Vgl. M. Koller, 1987, S. 33 f. u. S. 35 ff. Gruppenspezifische Einkommensdifferenzen zwischen den Erwerbstätigen ergaben sich nach Geschlecht, Alter, Nationalität, Arbeitszeitstatus u. a. Regionale Variationen bestanden zudem noch innerhalb der verschiedenen Gruppen erwerbstätiger Personen; siehe ebenda, S. 37. 110 Vgl. J. Warnken, 1985, S. 171 ff. Eine erhebliche Streuung der regionalen Durchschnittsverdienste innerhalb der einzelnen Branchen stellt auch Koller fest; vgl. M. Koller, 1987, S. 38.
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rungstendenzen in der interregionalen Lohnstruktur mit verantwortlich gewesen sein. 111 Angleichungstendenzen bei den Verdiensten in den einzelnen Bundesländern werden teilweise auch darauf zwiickgeführt, daß die Lohnfindungsprozesse der Tarifpartner vorwiegend an gesamtwirtschaftlichen Größen orientiert sind. 112 Trotzdem liegen die Arbeitnehmerentgelte in einigen mit Strukturproblemen belasteten Bundesländern nach wie vor tendenziell über dem Durchschnitt für die Bundesrepublik; dies dürfte sich zum Teil aus der regionalen Dominanz traditioneller ,.Hochlohnbranchen" erklären. 113 Das Verharren der Arbeitsentgelte auf relativ hohem Niveau wird unter anderem auch der Tatsache zugeschrieben, daß diese Wirtschaftsbereiche mit öffentlichen Mitteln subventioniert werden. 114 Die aus den empirischen Befunden erkennbare Tendenz zur Nivellierung der interregionalen Lohnstruktur im Zeitablauf geht vermutlich auf verschiedene Drachen zurück. Diese Entwicklung ist wohl nicht generell als ,,marktwidrig" anzusehen. 115 Ferner ist auch die Gültigkeit der neoklassischen Modellargumentation bezüglich der Lenkungsfunktion des Lohngefälles zwischen den Regionen für die regionale Arbeitskräftemobilität nicht unumstritten. So dürfte etwa die regionale Mobilität bzw. Mobilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer durch eine ganze Fülle von Faktoren beeinflußt werden und nicht ausschließlich - wie in der neoklassischen Argumentation unterstellt- von der Gestalt regionaler Lohnrelationen abhängen. Innerhalb der vielfältigen Determinanten regionaler Mobilität ist eine dominierende Rolle der Anreizfunktion regionaler Lohndifferentiale nicht nachweisbar und gilt auch nicht als besonders wahrscheinlich. 116 Hinsichtlich der Frage, ob eine stärkere regionale Spreizung der Lohnstruktur überhaupt positive Beschäftigungseffekte hätte, erscheint auch der Einwand bedenkenswert, daß eine durch regionale Lohndifferenzierung ausgelöste Abwanderung knapper Arbeitskräfte aus Problernregionen, insbesondere von Fachkräften, unter Umständen die Arbeitsmarktsituation in diesen Gebieten eher verschärfen als verbessern würde. 117 Trotzdem ist wohl anzuerkennen, daß sich unter dem 111
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Vgl. z. B. S. F. Franke, 1985, S. 231 f.; W. Mieth, 1982, S. 182. Vgl. in diesem Zusammenhang die Analysen zur Entwicklung der sektoralen Lohnrelationen von H.-H. Härte! u. a., 1988, S. 100 ff., W. Gersteoberger u. a., 1988, S. 82 ff. Siehe ferner Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 343 f. 114 J. B. Donges, K.-D. Schmidt u. a., 1988, S. 104 f. In der sektoralen Lohnhierarchie (auf der Basis der Entwicklung der effektiven Facharbeiterlöhne im Zeitraum 1979 bis 1986) haben, so der Vorwurf, diese Wirtschaftszweige, namentlich der Schiffbau (Rang 4 ), der Bergbau (Rang 5). und die Stahlindustrie (Rang 6), noch immer eine vergleichsweise hohe Rangposition. Ahnlieh-für die Bereiche Bergbau und Schiffbau sowie Luftund Raumfahrtindustrie- das Ifo-Institut; siehe W. Gerstenherger u. a., 1988, S. 84 (für die Löhne in der Stahlindustrie wird dort im Vergleichszeitraum 1973-1986 ein ,,Zurückbleiben" konstatiert). 115 Vgl. J. Wamken, 1985, S. 167. 116 J. Wamken, 1985, S. 167; ähnlich auch H. Gischer, 1983, S. 614. m W. Mieth, 1982, S. 183. Zur Vermeidung derartiger Effekte wurde vom Sachverständigenrat gefordert, über eine entsprechend gestaltete Tarifpolitik eine stärkere qualifi112
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Aspekt der Umstrukturierung von Regionen mit Arbeitsmarktproblemen erhebliche Probleme ergeben können aus der Funktion traditioneller Hochlohnbranchen, als regionale "Lohnführer" zu fungieren, wenn in diesen Wirtschaftszweigen (bei hohem Niveau der Arbeitsproduktivität) im Gefolge des sektoralen Strukturwandels Arbeitskräfte freigesetzt werden. Eine regionale Differenzierung (in Verbindung mit einer sektoralen Differenzierung) der Lohnpolitik dürfte insoweit primär und allenfalls als Mittel zur Milderung von Anpassungshärten (ergänzend und auf begrenzte Zeit) geeignet sein. 118 Dabei müßte aber wohl die Gefahr zu starken Abwanderos benötigter qualifizierter Arbeitskräfte verhindert werden. 3.1.3. Zusammenfassung
In der aktuellen Diskussion über eine Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes wird häufig gefordert, zur Erhöhung des Beschäftigungsstandes und zur nachhaltigen Verringerung der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit die Anpassungsflexibilität der Löhne und Lohnrelationen an die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern bzw. wiederherzustellen. In diesem Zusammenhang wird die Ansicht vertreten, die sektoralen, qualifikationsspezifischen und regionalen Lohnunterschiede hätten sich in der Bundesrepublik seit Beginn der siebziger Jahre verringert (Nivellierungsthese) oder zumindest zunehmend unbeweglich und damit nicht beschäftigungskonform gezeigt (These der Lohnstrukturrigidität).
Gegenüber dieser auf eine neoklassische Sichtweise des Arbeitsmarktes zurückgehende Position sind sowohl arbeitsmarkttheoretisch begründete Einwände möglich als auch Vorbehalteaufgrund der empirischen Befunde zur Entwicklung der Lohnstrukturen in den siebzigerund achtziger Jahren. In einigen neueren Ansätzen der Arbeitsmarkttheorie wird versucht, die Existenz und ökonomische Funktionalität von Lohnrigiditäten zu begründen. Diesbezüglich wird angeführt, daß inner- und zwischenbetriebliche Lohnstrukturen, die sich nur mit unter Umständen erheblicher zeitlicher Verzögerung an geänderte Knappheitsverhältnisse auf Güter- und Arbeitsmärkten anpassen, aus verschiedenen Gründen sowohl den Arbeitnehmern als auch den Unternehmen Vorteile bieten und insoweit aus einzelwirtschaftlicher bzw. individueller Perspektive rational sein können. In diesen (überwiegend mikroökonomischen) Ansätzen der kationsspezifische Effektivlohndifferenzierung in Problernregionen zu ermöglichen; siehe Sachverständigenrat, Gutachten 1985/86, Ziff. 289 f. Die Aussichten für eine entsprechend gestaltete Tarifpolitik dürften allerdings nicht sehr groß sein, da bei beiden Tarifparteien diesbezüglich teilweise erhebliche Vorbehalte und organisationsinterne Widerstände bestehen; vgl. auch Sachverständigenrat, Gutachten 1985 I 65, Ziff. 290; Gutachten 1986/87, Ziff. 295. us Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 343.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
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Arbeitsmarkttheorie wird zumeist auf der Grundlage erweiterter, Unsicherheitsmomente berücksichtigender Kosten- bzw. Produktivitätsüberlegungen argumentiert. Bestehende Marktunvollkommenheiten, wie die Existenz unvollkommener Informationen der Marktteilnehmer über zukünftige Marktereignisse bzw. deren jeweiliger Eintrittswahrscheinlichkeit, eine unterschiedliche Risikoneigung von Unternehmen und Arbeitnehmern sowie längerfristig angelegte Kosten- und Produktivitätskalkülesowie Motivationsaspekte können möglicherweise die Vorteilhaftigkeit stabiler Löhne und Lohnstrukturen begründen. Entsprechende Schlußfolgerungen werden auch aus der Existenz sozialer Normen und Gerechtigkeitsvorstellungen abgeleitet. Die Existenz relativ rigider Löhne und stabiler Lohnrelationen sowie daraus resultierender Arbeitslosigkeit können ausgehend von diesen arbeitsmarkttheoretisch begründeten Argumenten in gewissem Umfang als Resultat rationalen Handeins bzw. als ökonomisch effizient erklärt werden. Die These, daß für die Entwicklung der sektoralen, qualifikationsbezogenen, regionalen und geschlechtsspezifischen Lohnstrukturen seit Beginn der siebziger Jahre eine durchgängige und nachhaltige Nivellierung kennzeichnend war, wird durch die Resultate neuerer empirischer Lohnstrukturuntersuchungen entweder überhaupt nicht oder nur für Teilperioden und -bereiche bestätigt. Die Lohnstruktur nach Branchen und nach Qualifikationen blieb im Vergleich über den Gesamtzeitraum seit 1970 vergleichsweise stabil. Nivellierungs- wie auch Differenzierungsprozesse der interindustriellen wie der intraindustriellen Lohnstruktur sind nur für Teilperioden und bezogen aufbestimmte Arbeitnehmergruppen feststellbar. Dabei bestand vor allem bei der Entwicklung der qualiflkationsbezogenen Lohnstruktur und der Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen zumindest zeitweise eine deutliche Interdependenz. Die Lohnunterschiede zwischen erwerbstätigen Frauen und männlichen Erwerbstätigen haben sich in den Jahren nach 1970 verringert, in erster Linie infolge einer Nivellierung der geschlechtsspezifischen Lohnstruktur in der ersten Hälfte der siebziger Jahre. Aus den Ergebnissen empirischer Untersuchungen zur Entwicklung der Lohnunterschiede zwischen den Bundesländern ergeben sich Anhaltspunkte für eine Nivellierung der interregionalen Lohnstruktur; diese Nivellierungstendenzen dürften teilweise Änderungen in der Wirtschaftsstruktur widerspiegeln. Die Ergebnisse von Lohnstrukturanalysen, die auf Durchschnittsdaten zur Verdienstentwicklung basieren, müssen mit Vorbehalt interpretiert werden. Monokausale Erklärungen der Lohnstrukturentwicklung in ihren verschiedenen Dimensionen erscheinen wegen der hochgradigen, anband empirischer Daten allenfalls unvollkommen analysierbaren Interdependenz lohnstrukturrelevanter Faktoren als unzureichend. Die Frage, ob und inwieweit die Vorschläge zur Lohndifferenzierung und Lohnstrukturflexibilisierung nach Branchen, Qualifikationen, Regionen und Geschlecht geeignet sind, die gegenwärtige Arbeitslosigkeit spürbar zu verringern,
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bleibt umstritten und ist per saldo nicht sicher zu beantworten. So ist es beispielsweise ungewiß, ob und in welchem Ausmaß größere Lohnunterschiede die Arbeitnehmer zu entsprechenden Anpassungsreaktionen veranlassen können, da die relative Bedeutung der Höhe der Arbeitsentgelte für die Entscheidungen der Anbieter von Arbeitsleistungen im Vergleich zu anderen Faktoren nicht bekannt ist. Unsicherheit besteht ferner auch darüber, ob Maßnahmen zur Lohndifferenzierung und relative Lohnsenkungen zu Lasten "wettbewerbsschwacher" Arbeitnehmergruppen zusätzliche Nachfrage nach Arbeitskräften im gewünschten bzw. erforderlichen Ausmaß hervorrufen können. Die Entscheidungs- und Handlungsrelevanz gegenwärtiger Lohnkostenvorteile aus der Sicht der Unternehmen im Vergleich zu längerfristig stabilen innerbetrieblichen Lohnrelationen - ist nicht hinreichend exakt bekannt. Die Chancen, mit Hilfe von Lohndifferenzierungen und relativen Lohnsenkungen das Beschäftigungsniveau erhöhen zu können, erscheinen insgesamt betrachtet unsicher; wenig aussichtsreich dürften in diesem Sinne Lohnunterbietungen von Seiten Arbeitssuchender sein.
3.2. Flexibilisierung der Arbeitszeit 3.2.1. Einleitung
Im folgenden Kapitel soll geprüft werden, inwieweit neben beziehungsweise statt einer Lohnstrukturflexibilisierung eine Neuorientierung oder zumindest Akzentverschiebung in der Arbeitszeitpolitik einen Beitrag zur besseren Erfüllung der aus dem arbeitsmarktpolitischen "Oberziel" ableitbaren quantitativen und qualitativen Einzelziele 1 der Arbeitsmarktpolitik leisten kann. Arbeitszeit läßt sich definieren als die Zeitspanne (innerhalb eines bestimmten Bezugszeitraumes, z. B. eines Tages), während der der Arbeitnehmer als Anbieter von Arbeitsleistungen dem Arbeitgeber als Nachfrager von Arbeitsleistungen seine Arbeitskraft vertraglich gegen Entgelt zur Verfügung stellt.2 Unter dem Begriff der Arbeitszeitpolitik versteht man im allgemeinen Maßnahmen zur Regelung von Dauer und Lage der Tages-, Wochen-, Monats-, Jahres- und Lebensarbeitszeit von Arbeitnehmern, die in einem regulären Beschäftigungsverhältnis stehen. 3 Arbeitszeitpolitik als ein Teilbereich der Arbeitsmarktpolitik kann zur bestmöglichen Erfüllung des "Oberziels" der Arbeitsmarktpolitik 4 und damit zur I Diese Einzelziele umfassen das Ziel der optimalen Allokation des Faktors Arbeit, der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung eines Gleichgewichtsam Gesamtarbeitsmarkt und der Förderung einer Annäherung an das Optimum bezüglich der Beschäftigungsbedingungen. Diese Ziele werden mit Hilfe der Einzelbereiche staatlicher Arbeitsmarktpolitik (Arbeitsmarktausgleichs-, Vollbeschäftigungs- und Arbeitsmarktordnungspolitik) verfolgt; vgl. H. Lampert, 1980, S. 285 f. 2 R. Reichwald, 1979, Sp. 175 ff. 3 Vgl. H.-T. Beyer, 1986, S. 68.
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Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes (bzw. der Teilarbeitsmärkte) beitragen. In der gegenwärtigen Deregulierungs- und Flexibilisierungsdebatte wird unter anderem eine flexiblere Gestaltung der individuellen Arbeitszeiten und der betrieblichen Arbeitszeitstrukturen gefordert. 5 Damit sollen insbesondere eine stärkere Entkoppelung der Betriebszeiten von den individuellen Arbeitszeiten und zusätzlich erweiterte Wahlmöglichkeiten für die Beschäftigten hinsichtlich des Umfanges und/ oder der Lage der individuellen Arbeitszeit (pro Tag, Woche, Monat, Jahr und im Verlauf des Arbeitslebens) erreicht werden. 6 Vorrangiges Ziel der Flexibilisierungsmaßnahmen bezüglich der Arbeitszeit ist es, mit Hilfe einer vermehrten Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften und durch kürzere und damit den Präferenzen der Arbeitnehmer besser gerecht werdende individuelle Arbeitszeiten ein höheres gesamtwirtschaftliches Beschäftigungsniveau zu realisieren. 7 3.2.2. Regelungsebenen und Problembereiche im Zusammenhang mit der Arbeitszeitgestaltung
3.2.2.1. Regelungsebenen Staatliche Arbeitszeitpolitik war das erste Element des sich im letzten Jahrhundert entwickelnden Arbeitnehmerschutzes; ihre Notwendigkeit ergab sich damals insbesondere angesichts der Arbeits- und Lebensbedingungen in der frühen Phase des Industrialisierungsprozesses. Der Arbeitszeitschutz zielte von Anfang an darauf ab, Arbeitszeiten, die die Gesundheit der Arbeitnehmer potentiell gefährden könnten, zu verhindem und eine physische sowie psychische Überforderung der Arbeitskräfte zu vermeiden, ferner auf die Erhaltung des Arbeitsvermögens der Arbeitnehmer und die Sicherung ausreichender Freizeit für die Arbeitskräfte zur Persönlichkeitsentfaltung und Teilnahme am gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und religiösen Leben. 8 Daneben verfolgte die staatliche Arbeitszeitpolitik von Beginn an gesamtgesellschaftliche bzw. gesamtwirtschaftliche Ziele. 9 4 Oberziel der Arbeitsmarktpolitik ist es, ". . . den Arbeitsmarkt als den für die Beschäftigungsmöglichkeiten und für die Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer entscheidenden Markt so zu beeinflussen, daß für alle Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen eine ununterbrochene, ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung zu bestmöglichen Bedingungen, insbesondere in bezug auf das Arbeitsentgelt und die Arbeitszeit, gesichert wird." Siehe H. Lampert, 1980, S. 284. 5 Vgl. hierzu zum Beispiel F. Buttler, 1986, S. 16 ff.; E. Gaugler, 1986; H. Lampert, 1986, s. 179 f. 6 Vgl. z. B. den Überblick bei F. Buttler, 1986, S. 16 ff. 7 M. Löwisch, 1984, S. 198. 8 H. Lampert, 1985, S. 126. 9 Nämlich die Erhaltung und Förderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitskräftepotentials, die Sicherung der Volksgesundheit und die Bewahrung des inneren (sozialen) Friedens; vgl. H. Lampert, 1985, S. 125.
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In der Gegenwart bestehen öffentlich-rechtliche Arbeitszeitregelungen in Gesetzen und Verordnungen zum einen in Gestalt von Beschäftigungsverboten für bestimmte Personengruppen; außerdem werden bestimmte Obergrenzen 10 für den höchstzulässigen Umfang und die erlaubte Lage individueller Arbeitszeiten festgelegt. 11 Die bislang noch in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen verstreuten Vorschriften des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes sollen in einem neuen Arbeitszeitgesetz zusammengefaßt werden. 12 Für die Dauer wie auch für die Lage der regelmäßigen Arbeitszeiten der Arbeitnehmer sind in erster Linie privatrechtliche Vereinbarungen maßgeblich (Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sowie der jeweilige Einzelarbeitsvertrag). 13 In Tarifverträgen werden primär die Dauer der (tariflichen) Arbeitszeit pro Tag bzw. Woche und der Umfang des bezahlten Jahresurlaubs bestimmt, wobei die gesetzlichen Zulässigkeilsgrenzen und arbeitnehmerseitigen Mindestansprüche teilweise deutlich zugunsten der Beschäftigten verändert werden. 14 Betriebsvereinbarungen bezüglich der Arbeitszeit sind nur zulässig, soweit in Tarifverträgen der Abschluß ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zugelassen wurde oder Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen nicht durch einen Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden (Tarifvorrang).15 Die Festlegung der Lage und Verteilung der Arbeitszeiten fällt (im gesetzlich zulässigen Rahmen) grundsätzlich in das Direktionsrecht des Arbeitgebers, wobei aber Mitbestimmungsrechte der betrieblichen Arbeitnehmervertretung bezüglich der Verteilung auf die einzelnenWochentagewie auch hinsichtlich der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit zu beachten sind. 16 Vereinbarungen im Einzelarbeitsvertrag haben im allge10 W. Zöllner, 1983, S. 286 f.
Bedeutsam für die Bestimmung der täglichen, wöchentlichen und jährlichen Arbeitszeiten sind u. a. die Arbeitszeitordnung (AZO), die Gewerbeordnung (GewO), das Gesetz über den Ladenschluß (LadschlG), das Mutterschutzgesetz (MuSchG), das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG), das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG); zusätzliche Sonderregelungen gelten für bestimmte Wirtschaftsbereiche. Gemäß § 3 AZO beträgt die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit 8 Stunden und damit die zulässige wöchentliche Arbeitszeit 48 Stunden. Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit kann durch Tarifvertrag aufbis zu 10 Stunden verlängert werden(§ 7 AZO). Darüberhinaus bestehen zahlreiche Ausnahmeregelungen. 12 Vgl. Regierungsentwurf für ein Arbeitszeitgesetz, BT-Drucksache 11/360 v. 25.5.1987. 13 Vgl. P. Meisel, W. Hiersemann, 1977, Einleitung Ziff. 25. Daneben können Arbeitszeitregelungen auch im Rahmen vertraglicher Einheitsregelungen und in Form einer betrieblichen Übung bestehen; siehe E.-G. Mager, 1988, S. 47. 14 Die durchschnittliche tarifliche Regelarbeitszeit pro Woche betrug Ende 1988 38,97 Stunden, die durchschnittliche Urlaubsdauer 29 Tage. Rund 99% (68 %) der von Tarifverträgen erfaßten Arbeitnehmer hatten einen jährlichen Urlaubsanspruch von 4 (6) Wochen oder mehr. Vgl. L. Clasen, 1989, S. 19 u. S. 21. 1s § 77 Abs. 3 S. 1 und S. 2 BetrVG; vgl. III.2.1. 16 § 87 Abs. 1 Nm. 2 und 3 BetrVG. II
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meinen nur ergänzende Funktion 17; sie beschränken sich überwiegend auf einzelvertragliche Vereinbarungen bezüglich einer von der betriebsüblichen abweichenden individuellen Arbeitszeit einzelner Arbeitnehmer (vor allem bei Teilzeitkräften).18 Die durchschnittliche effektive Arbeitszeit der Arbeitnehmer (pro Tag, Woche und Jahr) sank in den letzten hundert Jahren auf annähernd die Hälfte ihres ursprünglichen Wertes; der im Vergleich zur Vergangenheit spätere Eintritt in das Arbeitsleben und der frühere Ruhestand haben zudem die durchschnittliche Länge des Arbeitslebens verkürzt. 19 Angesichts des erreichten Standards bezüglich der durchschnittlichen Dauer der individuellen Arbeitszeit der Arbeitnehmer kann (für die Bundesrepublik) das Ziel des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes der Arbeitskräfte sowie des Gefahren- und Unfallschutzes vermutlich als in hohem Maße erfüllt gelten. 20 Der Prozeß einer kontinuierlichen Arbeitszeitverkürzung praktisch ohne Realeinkommensverluste 21 begünstigte die Arbeitnehmer und erwies sich auch unter gesamtgesellschaftlichen und -wirtschaftlichen Aspekten als vorteilhaft. 22 Auf das Arbeitskräfteangebot wirkten die Maßnahmen des Arbeitszeitschutzes per saldo wahrscheinlich verknappend und trugen so zur Erhöhung der Arbeitsentgelte bei. 23 3.2.2.2. Problembereiche der Arbeitszeitgestaltung Trotz eines im Durchschnitt erheblich verringerten Umfanges der individuellen Arbeitszeit werden in der arbeitszeitpolitischen Diskussion bisweilen (partielle) Defizite bzw. Lücken im Arbeitszeitschutz der Arbeitnehmer 24 und im Bereich "familienfreundlicher" Arbeitszeiten konstatiert. Ferner hat die bisherige, die Gestaltungsspielräume auf einzelwirtschaftlicher Ebene beschränkende (,,regulierende") Arbeitszeitpolitik nach verbreiteter Meinung zunehmend nachteilige gesamtwirtschaftliche Wirkungen, die gerade auch angesichts der gegenwärtigen Beschäftigungsprobleme zu Forderungen führten, die bisher vorherrschende Form der Arbeitszeitgestaltung zu ändern.
11 Vgl. P. Meise!, W. Hiersemann, 1977, Einleitung Ziff. 10 ff.; P. Hanau, K. Adomeit, 1986, s. 175 f. 1s P. Meise!, W. Hiersemann, 1977, Einleitung Ziff. 63 ff. 19 Vgl. z. B. Ch. Deutschmann, 1985; Ch. Deutschmann, G. Dybowski-Johannson, 1979, S. 313 ff.; E. Schudlich, 1987. 20 H. Lampert, 1985, S. 130. 21 H. Lampert, 1985, S. 128. 22 Beispielsweise durch die Vermeidung von Sozialkosten; siehe H. Lampert, 1985, s. 128 f. 23 H. Lampert, 1979, vor. allem S. 284 ff. 24 Speziell im Falle "unkonventioneller" individueller Arbeitszeiten von Arbeitnehmern, z. B. bei bestimmten Formen von Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit.
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik 3.2.2.2.1. Arbeitszeitpolitische Maßnahmen im Rahmen einer Politik zur Humanisierung des Arbeitslebens
Die Problematik gesundheitsgefahrdender Arbeitszeiten, konkret die Frage gesundheitlicher Risiken und nachteiliger sozialer Folgewirkungen von Schichtund Nachtarbeit sowie Arbeit an Sonn- und Feiertagen 25, wurde vor allem im Rahmen der Bestrebungen zu einer "Humanisierung der Arbeit" (bzw. "Humanisierung der Arbeitswelt") aufgegriffen. 26 Ursächlich für die aus verschiedenen Schichtarbeitsformen resultierenden Probleme und Risiken sind nach übereinstimmender Auffassung rhythmusphysiologische und sozialpsychologische Gegebenheiten beim Menschen, mit denen Schicht- und speziell Nachtarbeit auf Dauer allenfalls unvollkommen oder überhaupt nicht vereinbar ist. 27 Schichtarbeit in verschiedenen Formen fördert zudem häufig die soziale Isolation und Kontaktarmut der in Schichtarbeit Beschäftigten und bedeutet eine erhebliche Belastung für die betroffenen Familien. 28 Gleichwohl dürfte ein bestimmter Umfang an Schichtarbeit unvermeidlich sein. 29 Die quantitative Bedeutung und die Betroffenheit bestimmter Arbeitnehmer (bzw. Arbeitnehmergruppen) von verschiedenen Schichtarbeitsformen lassen sich nur ungenau bestimmen 30; tendenziell nahm die Zahl der in einer Form von Schichtarbeit Beschäftigten seit den frühen sechziger Jahren zu, insbesondere im Dienstleistungsbereich. 31 Für die Zukunft wird mit einem weiteren Anstieg der Zahl der Schichtbeschäftigten gerechnet. 32 Aus der Tatsache, daß einerseits erhebliche Arbeitnehmerbelastungen durch Schichtarbeit bestehen, andererseits bestimmte Formen von Schichtarbeit aber 25 Sonntags- und Feiertagsarbeit sind gemäߧ 105b Abs. 1 GewO grundsätzlich verboten, allerdings bestehen zahlreiche Ausnahmen (vgl. § 105b, Abs. 2 bis 5 und die §§ 105c ff. GewO). Ein Nachtarbeitsverbot besteht grundsätzlich nur für Arbeiterinnen (§ 19 AZO). Zur Schichtarbeit vgl. z. B. J. Rutenfranz, P. Knauth, 1982; R. Fischer, 1983, S. 86-88; F. Nachreiner, W. Streich, W. Wettberg, 1985, S. 905-928. 26 Diskutiert werden Maßnahmen zur Humanisierung der Arbeit im Sinne von Maßnahmen zur menschengerechteren Gestaltung der Arbeit bzw. der Arbeitsbedingungen seit Ende der sechziger Jahre. Vgl. W. D. Winterhager, 1975, S. 7 ff. 21 J. Rutenfranz, 1978, S. 7 ff. 28 F. Nachreiner u. a., 1985, S. 913 u. S. 918 ff. 29 Vgl. R. Fischer, 1983, S. 86. Schichtarbeiterfolgt (in unterschiedlichen Gestaltungsformen) aus technologischen Gründen, wirtschaftlichen Zwängen und zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung. 30 So treten z. B. verschiedene Formen der Schichtarbeit meist in Kombination auf; zudem fehlen genaue statistische Angaben zur Verbreitung von Nacht- und Schichtarbeit, die Resultate verschiedener Erhebungen sind kaum vergleichbar. Vgl. F. Nachreiner u. a., 1985, S. 907 f.; J. Rutenfranz, P. Knauth, 1982, S. 16 ff. 31 F. Nachreiner u. a., 1985, S. 909; danach verdoppelte sich die Zahl der Schichtarbeiter im Dienstleistungssektor in den Jahren 1959-1975; Schwerpunkte dieser Entwicklung lagen in den Bereichen Handel, Banken, Versicherungen und im öffentlichen Dienst; vgl. ebenda, S. 909. 32 Vgl. hierzu die Modellrechnungen in J. Münstermann, K. Preiser, 1978, S. 77 ff.
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nicht zu vermeiden sind, folgt, daß es notwendig ist, durch eine Vielfalt verschiedenster Maßnahmen innerhalb der Betriebe wie auch im außerbetrieblichen Bereich die Arbeits- und Lebensbedingungen der in einer Form von Schichtarbeit beschäftigten Arbeitnehmer zu verbessern. 33 Durch die Einführung verschiedener Formen alternativer Arbeitszeitmuster und Schichtplangestaltungen unter Einschluß von Teilzeitschichtarbeit könnte wahrscheinlich zu einer besseren Vereinbarkeit der Schichtpläne mit den physiologischen und sozialen Bedürfnissen der Betroffenen beigetragen werden. 34 3.2.2.2.2. Probleme der Koordination von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit Die Schaffung und Wahrung materialer Freiheitsrechte für den Einzelnen ist eines der zentralen sozialpolitischen Ziele. Aus dieser Zielsetzung läßt sich unter anderem auch die Aufgabe ableiten, für Männer und Frauen gleichermaßen die materiale Wahlfreiheit zwischen der "reinen" Familientätigkeit, der ausschließlichen Erwerbstätigkeit und/ oder einer Verbindung beider Rollen zeitlich nebenoder nacheinander sicherzustellen. 35 In der Realität wird dieses Ziel allerdings in Teilbereichen erheblich verfehlt. Vor dem Hintergrund erkennbarer Probleme vieler, vor allem weiblicher Arbeitnehmer bei der Koordination von Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit wurde gefordert, die geltenden Regelungen und Gestaltungsformen der individuellen Arbeitszeiten besser an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer zu orientieren 36; angesichts der Situation vieler Familien erscheinen Änderungen in Richtung auf eine familienfreundlicher gestaltete Arbeitswelt notwendig. Das "traditionelle" Leitbild der Familie, das gekennzeichnet ist durch eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, bei der die Frau primär für den Bereich "Familie und Haushalt", der Mann für den Lebenskreis "Beruf und Erwerbstätigkeit" zuständig ist, verliert allmählich an Bedeutung. Zunehmend wichtiger wird demgegenüber ein Konzept, in dem eine steigende Zahl Erwerbstätiger (zumeist Frauen) sowohl berufliche als auch familiale Aufgaben zu erfüllen haben. 37 Dabei kommt es zu einer Doppelbzw. Mehrfachbelastung vieler Frauen und insbesondere Mütter aufgrund des Nebeneinanders von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit 38 Diese Situation ku33 F. Nachreiner u. a., 1985, S. 921 ff. Neben den Arbeitszeitregelungen sollten, so die Empfehlung, auch die sonstigen Leistungsanforderungen sowie die Arbeitsorganisation, die Arbeitsmittel und die Arbeitsumgebung im Sinne eines Abbaus physischer sowie psychischer Belastungen von Schichtarbeitern verändert werden. Vgl. z. B. die Gestaltungsvorschläge bei J. Rutenfranz, P. Knauth, 1982, S. 48 ff. 34 J. Rutenfranz, P. Knauth, 1982, S. 48 ff. 35 Vgl. M. Wingen, 1981, S. 453 ff. 36 Vgl. C. Born, Ch. Vollmer, 1983; Wissenschaftlicher Beirat, 1984, S. 49. 37 Es handelt sich hierbei um einen allmählichen Wandel im Leitbild der Familie. Vgl. zum Strukturwandel der Familien z. B. F. Fürstenberg, 1986, S. 56 ff. 38 F. Fürstenberg, 1986, S. 59; M. Wingen, 1981, S. 450 ff.; C. Born, Ch. Vollmer, 1983, s. 26 ff.
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mulativer Belastung widerspricht dem sozial- und gesellschaftspolitischen Ziel, eine materiale Wahlfreiheit zwischen der Familientätigkeit und der Erwerbstätigkeit zu sichern. Weder die noch weitgehend am traditionellen Leitbild der Familie ausgerichtete Organisation der Arbeitswelt noch die bestehende, unausgewogene innerfamiliale Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern trägt diesem Faktum bzw. der Situation einer Doppelbelastung vieler erwerbstätiger Frauen bislang ausreichend Rechnung. 39 So führt die Form der Arbeitszeitgestaltung, sowohl hinsichtlich der Dauer wie auch bezüglich der Lage der Arbeitszeiten, bei der weit überwiegenden Zahl der gegenwärtig bestehenden Arbeitsverhältnisse bei berufstätigen Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern zum Teil zu erheblichen Problemen. Diese Problematik verdeutlicht auch die große, zum Teil ungedeckte Nachfrage nach Teilzeitarbeit, ferner Ergebnisse einschlägiger Befragungen zu den Arbeitszeitpräferenzen der Arbeitnehmer. 40 Angesichts der Resultate von Umfragen zu den Arbeitszeitwünschen von Arbeitnehmern und an Erwerbsarbeit interessierten Personen kann man vermuten, daß Arbeitnehmer und nicht erwerbstätige Personen eine Teilzeitbeschäftigung als Möglichkeit betrachten, wirtschaftliche Notwendigkeiten, externe (vor allem familiäre) Verpflichtungen und persönliche Präferenzen miteinander zu verknüpfen. 41 Befragungen bei Arbeitnehmern bezüglich der tatsächlichen und der gewünschten Arbeitszeit zeigen, daß allgemein der Wunsch nach kürzeren als den tatsächlich geltenden Arbeitszeiten besteht. Ein nicht unerheblicher Teil der Arbeitnehmer äußerte dabei auch ein deutliches Interesse an kürzeren Arbeitszeiten, als sie gegenwärtig bei Vollzeitarbeitnehmern üblich sind. 42 An einer Teilzeitarbeit interessiert zeigten sich insbesondere vollzeitbeschäftigte Frauen, während die befragten männlichen Vollzeiterwerbstätigen im allgemeinen weniger Interesse an einer Teilzeitbeschäftigung äußerten. 43 Die an Teilzeitarbeit interessierten weiblichen Vollzeitbeschäftigten scheinen ferner hinsichtlich ihrer sozialstatistiC. Born, Ch. Vollmer, 1983, S. 26 f., S. 32 ff. Siehe zur Bedeutung und Struktur der Teilzeitbeschäftigung in der Bundesrepublik die Darstellung in III. 3.2.3. 41 Vgl. zum folgenden H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 40 ff.; M. Landenberger, 1983, insbesondere S. 79 ff.; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 1985, sowie dies., 1986; eine Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich in G. Nerb, 1986, S. 6 ff. Vgl. auch G. Nerb, 1987, S. 5 ff. 42 Siehe z. B. die Ergebnisse bei H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 46 ff. Danach lag die gewünschte Arbeitszeit bei Männern im Befragungszeitpunkt 1985 bei 37,3 Wochenstunden, bei Frauen bei 27,5 Stunden/Woche (ebenda, S. 50, Tabelle 12). An einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit unter das Niveau von 37 bis 40 Stunden waren gerade auch vollzeiterwerbstätige Frauen interessiert (ebenda, S. 48, Tabelle 11). 43 H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 41; M. Landenberger, 1983, S. 81. Das Interesse an einer Teilzeitbeschäftigung nahm bei männlichen Befragten mit steigendem Ausbildungsniveau und damit im Durchschnitt höherem Einkommen zu, siehe H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 44 und S. 45 (Tabelle 9); M. Landenberger, 1983, S. 83. 39
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sehen Merkmale der Gruppe der auch faktisch teilzeitbeschäftigten Frauen sehr ähnlich zu sein. 44 Bei den Arbeitszeitpräferenzen von weiblichen Vollzeiterwerbstätigen spielen familiäre Gründe und die Höhe des Familieneinkommens eine prägende Rolle. 45 Bezüglich der gewünschten Dauer und Lage der Arbeitszeit ergaben sich aus entsprechenden Umfragen bei den an Teilzeitarbeit interessierten Beschäftigten, daß die Befragten nur relativ selten eine unterhalb von 20 Wochenstunden liegende Teilzeitbeschäftigung ausüben wollen. 46 Vorgezogen werden neben der gegenwärtig weit verbreiteten Form der Teilzeitarbeit im Umfang von 20 bis 24 Wochenstunden insbesondere Wochenarbeitszeiten zwischen 25 und 34 Stunden. 47 Ferner präferieren die Befragten zu einem erheblichen Teil eine Vormittagsarbeit; Arbeitszeiten am Nachmittag oder an nur einigen Wochentagen werden nur in relativ geringem Maße gewünscht. 48 Die Ergebnisse einschlägiger Befragungen lassen zudem erkennen, daß auch bei nicht bzw. nicht mehr berufstätigen Frauen, vor allem Frauen mit Kindern, ein großes Interesse an der Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung besteht 49; dies gilt gerade auch für Mütter mit jüngeren Kindern, wobei mit abnehmendem Alter des jüngsten Kindes auch die gewünschte Wochenstundenzahl sinkt. 50 Aus den dargestellten Aspekten wird ein erheblicher Änderungsbedarf in Richtung auf eine "familiengerechte Arbeitsgestaltung" erkennbar, d. h. die Notwendigkeit eines Abbaus von Rollenkonflikten und Doppelbelastungen der Frau und einer partnerschaftliehen Aufgabenteilung. 51 Das Angebot an Teilzeitarbeitsplät44 Nämlich in erster Linie verheiratete erwerbstätige Frauen mit minderjährigen Kindem; vgl. M. Landenberger, 1983, S. 81. Siehe auch Abschnitt III.3.2.3.2.2. 45 Als Motive für den Wunsch nach Teilzeitarbeit sind bei Frauen insbesondere "familienbezogene Motive", v. a. Kinderbetreuung bzw. Familie und Haushalt bedeutsam; vgl. H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 68 f. (Tabelle 21 u. 22), S. 70 ff. Ähnlich auch M. Landenberger, 1983, S. 81 f. Der Wunsch nach Teilzeitarbeit wird in den meisten Fällen in Verbindung mit einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit des Ehepartners genannt; vgl. H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 46, S. 64 ff. 46 H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 48 (Tabelle 10) u. S. 49; M. Landenberger, 1983, S. 84 und Übersicht 11 aufS. 85. Als Ausnahme werden die auf entsprechende Arbeitszeiten gerichteten Wünsche von jungen verheirateten Müttern angeführt; vgl. ebenda, S. 84. 47 H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 48 (Tabelle 11), S. 49; M. Landenberger, 1983, S. 84 f.; vgl. auch G. Nerb, 1987, S. 6 u. S. 8. Männer könnten sich offenbar noch am ehesten eine Beschäftigung mit mehr als 30, aber unter 40 oder auch 37 Wochenstunden vorstellen; vgl. H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 48 (Tabelle 11). 48 H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 61 undS. 63 (Tabelle 19); vgl. auch M. Landenberger, 1983, S. 84. Eine tägliche Teilzeitarbeit am Vormittag wünschten vor allem berufstätige wie auch nicht berufstätige Frauen, während Männer die Form der ganztägigen Teilzeitarbeit an einigen Tagen pro Woche bevorzugten; siehe H. Bielenski, B. Strürnpel, 1988, S. 61 u. S. 63 (Tabelle 19). 49 H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 58 (Tabelle 16), S. 59 ff.; M. Landenberger, 1983, S. 86 f. Vgl. auch A. Hellmich, 1986, S. 102 ff. 5o H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 58 (Tabelle 16), S. 65 f. 51 Siehe F. Fürstenberg, 1986, S. 62.
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zenfür männliche und weibliche Arbeitskräfte müßte quantitativ wie auch qualitativ erheblich erweitert und verbessert werden. 52 Zudem wären die Präferenzen der in Teilzeitarbeit beschäftigten oder daran interessierten Arbeitskräfte besser zu berücksichtigen, vornehmlich durch neue, bislang noch wenig verbreitete Gestaltungsformen individueller Arbeitszeiten - abgesehen von dem Erfordernis, die Arbeitswelt insgesamt familienfreundlicher zu gestalten 53 • 54 3.2.2.2.3. Probleme der Arbeitszeitgestaltung aus einzelwirtschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Sicht Die erhebliche Verkürzung der Arbeitszeit im langfristigen Trend wirkte für Betriebe und Unternehmen als Nachfrager von Arbeitsleistungen nachteilig, insbesondere aufgrundpotentiell höherer Produktionskosten infolge von Arbeitszeitverkürzungen. 55 Arbeitszeitverkürzungen erhöhen die direkten Lohnstückkosten der Betriebe, wenn sie für die Arbeitnehmer nicht mit (relativen) Einkommensverzichten verbunden sind; außerdem ergibt sich ein Anstieg der Kapitalstückkosten, sofern mit den individuellen Arbeitszeiten der Beschäftigten auch die betrieblichen Öffnungs- bzw. Produktionszeiten (Betriebszeiten) zurückgehen. 56 Diesen Kostenwirkungen stehen andererseits tendenziell positive Effekte kürzerer Arbeitszeiten hinsichtlich der Arbeitsproduktivität gegenüber. 57 Je geringer allerdings mit fortschreitend kürzeren Arbeitszeiten diese Produktivitätswirkungen ausfallen, desto schwerer wiegen die genannten kostentreibenden Momente von Arbeitszeitverkürzungen. In vielen Wirtschaftszweigen der Bundesrepublik sind die Verfahren der Leistungserstellung in der Gegenwart gekennzeichnet durch eine erheblich gestiegene Kapitalintensität; zudem verkürzen sich tendenziell die Amortisationsfristen für neue Anlagen. 58 Zunehmend problematisch dürfte aus 52 Vgl. z. B. M. Wingen, 1981, S. 459 f.; Wissenschaftlicher Beirat, 1984, S. 210 ff., insbesondere S. 223 ff. 53 Notwendig sind vermutlich auch Änderungen im außerbetrieblichen und sozialen Bereich sowie Einstellungs- und Verhaltensänderungen in Familie und Gesellschaft. Vgl. M. Wingen, 1981, S. 459 ff.; C. Born, Ch. Vollmer, 1983, S. 15 ff.; Wissenschaftlicher Beirat, 1984, S. 156, S. 261 f. 54 M. Wingen, 1981, S. 459 f.; Wissenschaftlicher Beirat, 1984, S. 210 ff., S. 223 ff. 55 H. Lampert, 1985, S. 129 f. 56 Im Vergleich zum Jahr 1960 lag die durchschnittliche Jahresarbeitszeit je Erwerbstätigen (effektive Arbeitszeit) 1970 bei 91 %, 1980 bei 82% und 1984 bei 81 % des Wertes im Jahre 1960; die durchschnittliche wöchentliche Nutzungszeit des Kapitalstocks verminderte sich in diesem Zeitraum auf 96% (1970) bzw. 93% (1980 wie 1984) des Ausgangswertes von 1960. Vgl. K.-D. Schmidt, E. Gundlach, 1988, S. 51, Tabelle 20. 57 H. Lampert, 1985, S. 129 f. Zu den einzel-und gesamtwirtschaftlichen Kosten und Erträgen einer weiteren Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit vgl. Sachverständigenrat, Gutachten 1983 I 84, Ziff. 457 ff. Zu den produktivitätserhöhenden Wirkungen kürzerer Arbeitzeiten im 19. und frühen 20. Jahrhundert vgl. z. B. Ch. Deutschmann, 1985, s. 172 ff. 58 Vgl. K.-D. Schmidt, E. Gund1ach, 1988, S. 22. Danach geht das Statistische Bundesamt derzeit bei Ausrüstungsinvestitionen für Dienstleistungsunternehmen von einer rund
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gesamtwirtschaftlicher und wachstumspolitischer Sicht unter diesen Bedingungen eine regulierende Arbeitszeitpolitik in Form fortschreitender genereller Arbeitszeitverkürzungen sein, sofern damit eine weitere Verkürzung der Betriebszeiten einhergeht, da die Fixkostenbelastung der Betriebe weiter ansteigen würde. 59 Andererseits wird die weitere Arbeitsmarktentwicklung in der Bundesrepublik kurz- bis mittelfristig relativ pessimistisch eingeschätzt. In Projektionen zur zukünftigen Entwicklung des Erwerbstätigenpotentials und zum Arbeitskräftebedarf für den Zeitraum bis 1990 bzw. bis zum Jahr 2000 wird selbst bei Annahme einer für das Ziel der Arbeitsmarktentlastung günstigen Entwicklung des Erwerbspersonenpotentials wie auch des gesamtwirtschaftlichen Wachstums für die Zukunft weiterhin ein den Arbeitskräftebedarf übersteigendes Erwerbspersonenpotential erwartet. 60 Vielfach wird daher gefordert, zusätzlich zu stetigem und "angemessenem" Wirtschaftswachstum arbeitszeitverkürzende Maßnahmen zu ergreifen; damit soll das angebotene Arbeitsvolumen beeinflußt bzw. auf eine größere Zahl von Erwerbspersonen "umverteilt" werden, um die gegenwärtige und für die nähere Zukunft zu erwartende hohe Arbeits- bzw. Erwerbslosigkeit zu verringern. Umstritten ist allerdings nach wie vor, in welcher Form das Arbeitsangebot durch kürzere Arbeitszeiten verknappt werden sollte. Als notwendig gelten zum einen kollektiv kürzere Arbeitszeiten für alle Beschäftigten 61 ; andererseits wird auch vorgeschlagen, eine vom Arbeitnehmer freiwillig vorzunehmende, individuelle Verkürzung der Arbeitszeit im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen. 62 Auch ein Nebeneinander von generellen Arbeitszeitverkürzungsmaßnahmen und flexiblen Regelungen findet Befürworter. 63 Im Falle einer forcierten generellen Arbeitszeitverkürzung sind wegen der entstehenden Kostenbelastung der Betriebe einzel-wie gesamtwirtschaftlich unter Umständen erhebliche Nachteile zu erwarten. Daher müßten wohl die durch Arbeitszeitverkürzungen entstehenden Kostenbelastungen anders als in der Vergangenheit auf die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit verteilt oder I und die individuellen Arbeitszeiten weitgehend von den Betriebszeiten entkoppelt sowie insgesamt beweglicher gestaltet werden. 64 13-jährigen, im Verarbeitenden Gewerbe von einer 15-jährigen Nutzungsdauer aus. Diese Werte waren in den sechziger Jahren noch deutlich höher gewesen (ebenda). 59 Vgl. hierzu Sachverständigenrat, Gutachten 1983/84, Ziff. 457 ff., v. a. Ziff. 458 f. (einzelwirtschaftliche Wirkungen) und Ziff. 461 (gesamtwirtschaftliche Folgen); Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft, 1983. 60 W. Klauder, P. Schnur, M. Thon, 1985; M. Thon, 1986. 61 Vgl z. B. F. W. Scharpf, R. Schettkat, 1986. Siehe auch die Forderungen von Gewerkschaftsseite, die Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden zu verkürzen. 62 G. Buttler, 1986; Sachverständigenrat, Gutachten 1983/84, Ziff. 448. 63 G. Kühlewind, 1987, insbesondere S. 86 f. 64 Nach Ansicht des Sachverständigenrates, geäußert in seinem Jahresgutachten 1983 I 84, sind Arbeitszeitverkürzungen "in der gegebenen Situation" nur vertretbar, "wenn sie nicht zu einer Kostenerhöhung bei den Unternehmen führen"; deshalb müßten die - nach Berücksichtigung möglicher Produktivitätseffekte - verbleibenden Kosten
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Zwischen dem Ziel, den Arbeitsmarkt durch Arbeitszeitverkürzungen zu entlasten und dem Ziel, weitere Kostenbelastungen für die Betriebe und Unternehmen durch generelle Arbeitszeitverkürzungen mit Lohnausgleich zu vermeiden, ergibt sich somit offenbar ein gewisses Dilemma. Verschiedentlich wird deshalb gerade in neuerer Zeit verstärkt gefordert, eine Entkoppelung der individuellen Arbeitszeiten von den Betriebszeiten (und damit eine Aufrechterhaltung oder sogar Ausdehnung der Kapitalnutzungszeiten) zu ermöglichen bzw. zu fördern, um diesen Konflikt zu entschärfen. 65 Ziel der Arbeitszeitpolitik der Tarifpartner sollte es dieser Ansicht nach daher sein, neue flexiblere Arbeitszeitformen und produktionstechnische Entwicklungen zu ermöglichen, mittels derer die "Koppelung" von individuellen Arbeitszeiten und betrieblichen Öffnungs- bzw. Produktionszeiten (Betriebszeiten) aufgehoben werden kann. 66 3.2.3. Gestaltungsformen und Verbreitung unkonventioneller Arbeitszeitformen am Beispiel der Teilzeitarbeit und flexibler Arbeitszeiten
3.2 .3 .1. Kriterien zur Systematisierung unterschiedlicher Formen der Arbeitszeitgestaltung Unterschiedliche Gestaltungsformen der individuellen Arbeitszeit lassen sich anhand der Kriterien der Dauer ("chronometrische Dimension") und der Lage ("chronologische Dimension") der Arbeitszeit innerhalb eines bestimmten Bezugszeitraumes einordnen. 67 Außer durch die Merkmale "Dauer" und "Lage" können Arbeitszeiten noch danach abgegrenzt werden, inwieweit im Rahmen der Arbeitszeitvereinbarung dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer kurzfristige Anpassungsmöglichkeiten bezüglich der Verteilung und des Volumens der Arbeitszeit eingeräumt werden. In der Gegenwart dürfte in der weit überwiegenden Zahl der Arbeitsverhältnisse eine Beschäftigung im Umfang der tarifvertragliehen Arbeitszeit bei Vollzeitarbeit vorgesehen sein ("Normalarbeitszeitstandard"). Im entsprechender Maßnahmen von den Arbeitnehmern getragen werden. Siehe Gutachten 1983 I 84, Ziff. 447. Der langfristig wirksame Trend zur Verkürzung der Arbeitszeiten verlief bislang ohne Realeinkommensrückgang für die Beschäftigten; vgl. H. Larnpert, 1985, S. 128 f. Ein Mittel zur Vermeidung weiterer Kostenbelastungen für die Betriebe wäre das Prinzip der Stückkostenneutralität entsprechender Maßnahmen, z. B. in Form einer "Verrechnung" von- bei Verzicht auf kürzere Arbeitszeiten möglichen - Lohnerhöhungen mit Kosteneffekten von Arbeitszeitverkürzungen. Vgl. Sachverständigenrat, Gutachten 1983 I 84, Ziff. 458 f. (bezogen auf eine Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit). 65 Zur Notwendigkeit einer Entkoppelung der Arbeitszeit der Arbeitnehmer von den Betriebszeiten vgl. z. B. W. Schusser, 1983, S. 46 ff.; E. Gaugler, 1986, S. 12 ff. 66 So beispielsweise die Position des Sachverständigenrates; siehe Gutachten 19881 89, Ziff. 322 ff., v. a. Ziff. 326; Gutachten 1987188, Ziff. 365. 67 Der Bezugszeitraum kann ein Tag, eine Woche, usw., bis hin zum Arbeitsleben sein.
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Rahmen dieses Arbeitszeitstandards ist zumeist eine in der Lage starre tägliche Arbeitszeit vereinbart; es handelt sich insoweit um eine Beschäftigung mit ,,konventioneller" (regelmäßiger) Arbeitszeit. 68 Vorübergehende und relativ kurzfristig wirksam werdende Änderungen bezüglich der vereinbarten Arbeitszeit sind nur dem Arbeitgeber möglich und beschränken sich auf Überstunden und Kurzarbeit. Abweichungen von diesem ,.normalen" Arbeitszeitmodell sind bereits seit langem üblich, sowohl in Bezug auf die Lage der Arbeitszeit (in Form von Schichtarbeit bzw. Nachtarbeit, in begrenztem Maße auch bei gleitender Arbeitszeit69) als auch hinsichtlich des zeitlichen Umfanges der Arbeitsleistung, in Form regelmäßiger Beschäftigung mit kürzerer täglicher Arbeitszeit (Teilzeitarbeit, überwiegend im Umfang der halben Regelarbeitszeit). Gemeinsam ist den verschiedenen Begriffsbestimmungen der ,.flexiblen" Arbeitszeit in der Literatur die Bezugnahme auf die Dauer (die ,.chronometrische Dimension") sowie die Lage (die ,.chronologische Dimension") der Arbeitszeit 70• Außer durch die Merkmale ,.Dauer" und ,.Lage" werden flexible Arbeitszeitsysteme noch danach abgegrenzt, inwieweit durch diese dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer kurzfristige Anpassungsmöglichkeiten bezüglich der Verteilung und des Volumens der Arbeitzeit eingeräumt werden. Im Unterschied zur ,.starre(n) Arbeitszeitvariation", bei der eine gegenüber der Normalarbeitszeit abweichende Lage und I oder Länge der Arbeitszeit nach einmaliger Festlegung auf Dauer besteht, ist für die Gestaltungsformen der "flexible(n) Arbeitszeitvariation" kennzeichnend die Schaffung von Möglichkeiten zur Anpassung der Arbeitszeitstrukturen an sich ändernde Rahmenbedingungen. 71
68 Als ,,Regelarbeitszeit" (,,konventionelle" Vollzeitarbeit) kann man eine tägliche Arbeitszeit bezeichnen, die im Zeitintervall zwischen 6.00 Uhr und 17.00 Uhr liegt, z. B. als ,,Normalschicht" von 8.00 Uhr bis 16.45 Uhr; vgl. R. Fischer, 1983, S. 86 f. 69 "Gleitende" (Tages-)Arbeitszeiten sind gekennzeichnet durch die Aufteilung der (täglichen) Arbeitszeitvorgabe in einen sog. Kemzeit- und einen Gleitzeitbereich; während der Kernzeit besteht Anwesenheitspflicht, innerhalb der Gleitzeit dagegen kann der Arbeitnehmer über den individuellen Arbeitsbeginn bzw. das Arbeitsende selbst disponieren; vgl. H.-H. Heymann, L. J. Seiwert, 1982, S. 382 f. Zeitguthaben oder -schulden werden je nach den im Einzelfall getroffenen Regelungen hinsichtlich ihrer Übertragungsmöglichkeit unterschiedlich behandelt (ebenda, S. 383). Keine chronometrische Arbeitszeitvariation beinhalten Gleitzeitmodelle mit täglicher Erfüllungspflicht bezüglich des Zeitsolls (rein chronologische Variationsmöglichkeit); vgl. S. Schuhu. a., 1987, S. 95 Fußnote 1. 70 Vgl. zu dieser begrifflichen Unterscheidung B. Teriet, 1976. Die Dauer bzw. der zeitliche Umfang der Arbeitszeit kann je nach Bezugszeitraum z. B. die Zahl der täglichen bzw. wöchentlichen Arbeitsstunden oder die Zahl der Arbeitstage pro Monat oder Jahr angeben. Die zeitliche Lage der zu leistenden Arbeit I Arbeitszeit bezeichnet deren Verteilung innerhalb eines bestimmten Bezugszeitraumes, z. B. täglicher Arbeitsbeginn und -ende. 71 Vgl. S. Schuhu. a., 1987, vor allem S. 97. 14 Lampert
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3.2.3.2. Gestaltungsformen und Bedeutung der Teilzeitarbeit 3.2.3.2.1. Formen der Teilzeitarbeit Allgemein gesprochen handelt es sich bei Teilzeitarbeit um eine Beschäftigung zu nicht nur vorübergehend (wesentlich) kürzerer als der allgemein üblichen Arbeitszeit im Fall eines vollzeitigen Beschäftigungsverhältnisses. 72 Teilzeitarbeit (mit oder ohne Schichtdienst) im Umfang einer Halbtagsarbeit wird häufig verteilt auf alle fünf Wochentage geleistet (täglich kürzere Arbeitszeit). Darüberhinaus kann eine Teilzeitbeschäftigung aber auch in Form eines Arbeitseinsatzes an bestimmten Wochentagen (bzw. zusammenhängenden Mehrtagesperioden, mit korrespondierenden Freizeitblöcken), Tagen oder Wochen pro Monat oder Monaten pro Jahr organisiert sein (Blockteilzeit). 73 In diesen Fällen kann der Arbeitseinsatz dann auch in Vollzeitarbeit erfolgen, d. h. das Arbeitszeitvolumen liegt unter Umständen erst bei Betrachtung längerer Bezugszeiträume (z. B. eines Halbjahres oder Jahres) unterhalb des Umfanges der Regelarbeitszeit 74 3.2.3.2.2. Verbreitung der Teilzeitarbeit Gemessen an der Zahl der Teilzeitbeschäftigten wie auch bezogen auf den Anteil der Teilzeitkräfte an der Beschäftigung insgesamt hat die Bedeutung der Teilzeitbeschäftigung in der Bundesrepublik, ebenso wie in anderen Ländern, kontinuierlich zugenommen 75 ; dieser Trend dürfte auch in Zukunft weiter bestehen. 76 Zur Zeit gehen etwa 13 % der abhängigen Erwerbstätigen einer Teilzeittätigkeit nach. 77 Nach wie vor sind vorrangig weibliche Arbeitskräfte in Teilzeitar72 Dabei ist zu beachten, daß das Merkmal "verkürzter Arbeitszeitumfang" jeweils in Hinblick auf einen bestimmten Bezugszeitraum zutrifft. 73 Vgl. die Beispiele bei W. Schusser, 1983; S. Schuhu. a., 1987, S. 93 ff. Je nach Umfang der vereinbarten Arbeitszeit und der konkreten betrieblichen Arbeitsorganisation kann es sich um Modelle alternierender Arbeitszeit- und Freizeitphasen handeln (z. B. jede zweite Woche frei) oder eine andere Relation von Arbeitszeit zu Freizeit gewählt werden (z. B. drei Arbeits- im Wechsel mit einer Freizeitwoche pro Monat). 74 Systeme mit einer von der tagesgleichen Verteilung abweichenden Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten dürften vor allem bei längeren täglichen Wegezeiten der Arbeitnehmer sinnvoll sein. 75 Vgl. Ch. Brinkmann, H. Kohler, L. Reyher, 1986, S. 362. 76 So die Vermutung bei Ch. Brinkmann, H. Kohler, L. Reyher, 1986, S . 362. 77 Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 1988 standen von den rund 24,3 Mio. abhängig Erwerbstätigen zum Erhebungszeitpunkt rund 3,1 Mio. in einer Teilzeittätigkeit, 92% davon waren Frauen. Siehe H.-J. Heidenreich, 1989, S. 337 (Tabelle 13). Zur Entwicklung bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten vgl. Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsstatistik 1988, ANBA 1989, S. 651. Während die Erwerbstätigenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit nur Angaben für sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigte enthält, erfaßt das Statistische Bundesamt im Rahmen des Mikrozensus als Teilzeitarbeit Arbeitsverhältnisse mit einem Volumen von 1 bis höchstens 36 Wochenstunden.
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beit erwerbstätig: So war 1988 jede dritte Arbeitnehmerio in einer Teilzeitstellung beschäftigt; die Teilzeitquote bei Männern, die sich in den vergangeneo Jahren kaum erhöhte, liegt nach wie vor erheblich unter der Quote für Frauen. 78 Die Zahl der Arbeitslosen, die ausschließlich Teilzeitarbeit suchen, liegt erheblich über der Zahl der gemeldeten offenen Stellen für Teilzeitbeschäftigte. 79 Umstritten ist, ob die expansive Entwicklung von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen primär auf eine Ausweitung der sogenannten "geringfügigen", d. h. nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse 80 zurückgeht. 81 Nach Stichprobenergebnissen sind derzeit rund 2,3 Millionen Personen sozialversicherungsfrei beschäftigt, davon wiederum 60 % Frauen. 82 Teilzeitarbeit wird bislang anteilsmäßig überwiegend in Form der (täglichen) Halbtagsarbeit oder konzentriert auf bestimmte (Wochen-)Tage praktiziert. Das Gesamturteil der Betriebe über die Beschäftigung von Teilzeitarbeitnehmern ist nach den Ergebnissen verschiedener Untersuchungen nicht eindeutig. 83 Von den Unternehmen werden als Kostenfaktoren der Teilzeitarbeit vor allem höhere Personalaufwendungen und ein vermehrter Verwaltungs- und Organisationsaufwand genannt 84; dagegen dürften Teilzeitkräfte gegenüber Vollzeitbeschäftigten
78 Die Teilzeitquote mißt den Anteil der in einem Teilzeitarbeitsverhältnis stehenden (männlichen bzw. weiblichen) Arbeitnehmer an der Gesamtzahl der (männlichen bzw. weiblichen) Beschäftigten. 1988 betrug die Teilzeitquote für Männer rd. 1,7 %, für Frauen rd. 30,1 %. Bezogen auf alle Beschäftigten (d. h. Männerund Frauen zusammen) betrug die Teilzeitquote 1988 rd. 12,8 %; eigene Berechnung anhand der Angaben in H.-J. Heidenreich, 1989, S. 337 (Tabelle 13). Zur Entwicklung dieser Quoten in früheren Jahren vgl. z. B. IAB (Hrsg.), Zahlenfibel, lfde. Jahrgänge. 79 Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit lag die Zahl der Arbeitslosen, die ausschließlich Teilzeitarbeit suchen, 1988 bei 239.000; für Teilzeitbeschäftigte waren 1988 jahresdurchschnittlich 21.308 offene Stellen gemeldet. Siehe Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsstatistik 1988, ANBA 1989, S. 652. 80 Als "Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse" gelten in der Gesetzlichen Rentenversicherung und der Gesetzlichen Krankenversicherung Arbeitsverhältnisse mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von weniger als 15 Stunden bzw. einem Bruttoarbeitsentgelt von weniger als DM 450,- im Monat (1989); in der Gesetzlichen Arbeitslosenversicherung bleiben Beschäftigungsverhältnisse mit einer Wochenarbeitszeit von weniger als 18 Stunden (bis Ende 1987: weniger als 19 Stunden) beitragsfrei (§ 102 Abs. 1 AFG). 81 Brinkmann u. a. schätzen den Anteil der Teilzeitbeschäftigten mit Arbeitszeiten unterhalb der Sozialversicherungsgrenze an allen Teilzeitarbeitskräften für 1974 wie auch für 1985 auf konstant ein Drittel (vgl. Ch. Brinkrnann, H. Kohler, L. Reyher, 1986, S. 363 f.). Dagegen gehen andere Autoren von einer expansiven Entwicklung speziell bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen aus; vgl. Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986, s. 13 f. 82 Es handelt sich um Stichtagsergebnisse, Erhebungszeitpunkt war das 2. Quartal 1987; vgl. hierzu: Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1989. 83 Vgl. die Ergebnisse einer 1980 gemeinsam vom IAB und dem Ifo-Institut durchgeführten Untemehmensbefragung, dargestellt in: W. Friedrich, E. Spitznagel, 1981, S. 407. Die beschränkte Allgemeingültigkeit der Resultate empirischer Untersuchungen bezüglich betrieblicher Kosten- und Nutzeneffekte der Teilzeitarbeit betonen auch K. Burian, F. Hegner, 1984, S. 106; ähnlichE. Gaugler, G. Gille, G. Paul, 1981, S. 45.
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Vorteile insbesondere bezüglich der Arbeitsstundenproduktivität, der Fehlzeiten und im Fluktuationsverhalten aufweisen. 85 Teilzeitbeschäftigung kann auch ansonsten notwendige Entlassungen zumindest teilweise vermeiden helfen. 86 Genannt werden als strukturelle Merkmale des Teilzeitarbeitsmarktes neben der Dominanz von Frauen in der Gruppe Teilzeitbeschäftigter meist die relativ geringe Streubreite der Teilzeitarbeit nach Wirtschaftszweigen. 87 Die branchenmäßigen Schwerpunkte der Teilzeitbeschäftigung (allgemein) liegen im Handelsund Dienstleistungssektor und im Bereich der Organisationen ohne Erwerbscharakter, wohl vor allem wegen des im Vergleich zum gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt relativ großen Beschäftigungsanteils weiblicher Arbeitnehmer in diesen Wirtschaftszweigen. 88 Teilzeitbeschäftigt sind insbesondere auch Frauen, die nach einer Unterbrechung wieder erwerbstätig sind. 89 Nach wie vor zeigt sich ferner eine Konzentration von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen auf Arbeitsplätze mit relativ geringen Qualifikationsanforderungen und einer niedrigen Stellung im Beruf bzw. in der Betriebshierarchie. 90 Bei Teilzeitkräften wurden häufig Diskrepanzen zwischen erlerntem und ausgeübtem Beruf sowohl im Tätigkeitsbereich wie auch im Qualifikationsniveau festgestellt. 91 Im Zusammenhang
84 Vgl. A. Hoff, 1983, S. 241; BDA, 1987a, S. 13; G. Bihl, o. J., S. 12 f.; K. Burian, F. Hegner, 1984, S. 119 f. und S. 133 f.; L. Held-Gemeinhardt, S. Kroker, 1985, S. 162; E. Gaugler, G. Gille, G. Paul, 1981, S. 266 f. Mehrkosten entstehen für die Betriebe häufig auch durch eine beschränkte zeitliche Verfügbarkeil der Teilzeitbeschäftigten. 85 Vgl. K. Burian, F. Hegner, 1984, S. 119 ff. u. S. 133 f.; A. Hoff, 1983, S. 240 (bezogen auf Einzelhandelsbetriebe); L. Held-Gemeinhardt, S. Kroker, 1985, S. 157 ff.; BDA, 1987a, S. 9 u. S. 12. Als wesentlicher Vorteil wird von den Betrieben auch eine erhöhte Flexibilität des Arbeitseinsatzes genannt; E. Gaugier, G. Gille, G. Paul, 1981, S. 210 u. S. 216. Insgesamt sehr günstig beurteilen Hagemann, Sommerfeldt angesichts dieser Einsparungen die betriebswirtschaftliehen Effekte vermehrter Teilzeitarbeit; nach ihren Berechnungen ergäben sich nach Abzug teilzeitbedingter betrieblicher Mehraufwendungen durch die Teilung von Arbeitsplätzen Einsparungen im Umfang von 4-5% der Gesamtkosten für Personal und Kapital. Vgl. H. Hagemann, K. Sommerfeldt, 1988, s. 69 ff. 86 Vgl. A. Hoff, 1983, S. 240; L. Held-Gemeinhardt, S. Kroker, 1985, S. 159 u. S. 175. 87 H. Hofbauer, 1981, hier S. 113 ff.; H. Mörtl, 1984, insbes. S. 411 ff., S. 415 sowie die Tabellen 2 und 5; ferner Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986, S. 22 ff. und Anhang Tabelle 5 (S. 45 ff.). 88 Ch. Brinkmann, H. Kohler, L. Reyher, 1986, S. 363 f. Ähnlich Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986, Anhang Tabelle 5, S. 47 (bezogen auf teilzeitbeschäftigte Frauen). 89 Ch. Brinkmann, G. Engelbrech, H. Hofbauer, 1988, S. 735 ff., v. a. S. 737 (Übersicht 8). Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten erhöhte sich mit der Länge der Berufsunterbrechung. 90 Vgl. G. Engelbrech, I. Warnhagen, 1987, S. 4; G. Engelbrech, 1987, S. 185 u. S. 192; Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986, S. 24 f. und Anhang Tabelle 5 (S. 46); H. Mörtl, 1984, S. 415, Tabelle 5. 91 G. Engelbrech, I. Warnhagen, 1987, S. 6. Es zeigt sich ein "Gefalle" in der Struktur der ausgeübten Berufstätigkeit von vollzeit- zu ,,regulär" (bzw. sozialversicherungspflichtig) hin zu "geringfügig" (ohne Sozialversicherungspflicht) teilzeitbeschäftigten Frauen, oftmals in engem Zusammenhang mit einer Tätigkeit außerhalb des erlernten Berufes;
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mit dem Wechsel von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung kommt es häufig zu einem mit der Teilzeitbeschäftigung verbundenen Berufswechsel ohne vertikale Veränderung (d. h. ohne beruflichen Aufstieg) oder in Verbindung mit beruflichem Abstieg ("dysfunktionale Mobilität" 92). 93 Erkennbar ist zudem eine Interdependenz der genannten Faktoren "Rückkehr in die Erwerbstätigkeit nach einer Unterbrechung", "Teilzeitbeschäftigung" und "beruflicher Abstieg". 94 Hinsichtlich der Dauer der bisherigen Betriebszugehörigkeit (betriebliche Beschäftigungsstabilität) ergab ein Vergleich zwischen den Arbeitsverhältnissen von teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Frauen im Rahmen einer empirischen Untersuchung keine Unterschiede zwischen Vollzeitbeschäftigten und ,,regulär" Teilzeitbeschäftigten; eine geringere Stabilität wiesen bei dieser Untersuchung dagegen "geringfügige" Beschäftigungsverhältnisse auf. 95 Die Möglichkeit zu einer Teilzeitbeschäftigung ist für erwerbstätige Frauen mit Kindem von erheblicher Bedeutung. 96 So zeigt eine Analyse der sozioökonomischen Merkmale der Gruppe der teilzeitbeschäftigten Frauen, daß Teilzeitbeschäftigte im Durchschnitt älter als Vollzeitbeschäftigte sowie zu einem wesentlich höheren Prozentsatz verheiratet und Mütter minderjähriger Kinder 97 sind. Außerdem leben teilzeitbeschäftigte Frauen überwiegend in Ehepaar-Haushalten mit Kindem und in der Regel mindestens einer weiteren (in Vollzeitarbeit) erwerbstätigen Person. 98 Dagegen liegt die Teilzeitquote bei ledigen und geschiedenen Müttern unter derjenigen von verheiratet getrennt lebenden oder verwitweten Müttern; auch alleinerziehende Mütter minderjähriger Kinder arbeiten zu einem großen Teil in Vollzeitstellen. 99 Aus diesen Untersuchungsergebnissen wird bisweilen der Schluß gezogen, daß das Einkommensniveau bei der Mehrzahl vgl. Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986, S. 24 und Anhang, Tabelle 5, S. 46. Entsprechende Diskrepanzen sind auch bezüglich der Qualifikationsanforderungen von Teilzeit- gegenüber Vollzeitarbeitsplätzen feststellbar; vgl. Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986, S. 24 und Anhang, Tabelle 5, S. 46. 92 H. Hofbauer, 1981, S. 116 f. 93 Ch. Brinkrnann, G. Engelbrech, H. Hofbauer, 1988, S. 743 ff. v. a. S. 744 f. (Übersicht 13 und 14). 94 Ch. Brinkrnann, G. Engelbrech, H. Hofbauer, 1988, S. 738. 95 Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986, S. 26 f. und Anhang, Tabelle 5 (S. 49). Dagegen wechselte bei Teilzeitbeschäftigten im Laufe eines Kalenderjahres der Umfang der Arbeitszeit häufiger als bei Vollzeitbeschäftigten (ebenda, S. 27). 96 Vgl. die Untersuchungsergebnisse bei H. Bielenski, B. Strümpel, 1988; Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986; M. Weg u. a., 1986, S. 317 ff. 97 Vgl. G. Engelbrech, I. Warnhagen, 1987, S. 3; H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 20 ff.; Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986, S. 16. 98 Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986, S. 19; ähnlich H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 25 ff.; Wissenschaftlicher Beirat, 1984. 99 V gl. Wissenschaftlicher Beirat, 1984, S. 53. Ferner besteht ein inverser Zusammenhang zwischen der Höhe des monatlichen Nettoeinkommens des Ehemannes und der Erwerbsquote bzw. dem Einkommen der Ehefrau in vollständigen Familien mit mindestens einem ledigen Kind im Haushalt (vgl. Wissenschaftlicher Beirat, 1984, S. 46 f .).
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der Teilzeitbeschäftigten als alleinige Einkommensquelle zur Existenzsicherung eines Haushaltes nicht ausreiche HXl; allerdings dürfte ein Einkommen aus Teilzeitarbeit in Mehrverdienerhaushalten ein häufig notwendiger Zuverdienst zu einem Vollzeiteinkommen sein.101 Insgesamt ergibt sich aus den angeführten Befunden, daß Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse eine erhebliche Bedeutung bei der Verknüpfung familiärer Verpflichtungen, wirtschaftlicher Notwendigkeiten und persönlicher Präferenzen für die noch immer fast ausschließlich weiblichen Teilzeitkräfte haben.
3.2.3.3. Gestaltungsformen und Verbreitung flexibler Arbeitszeiten Unter dem Schlagwort "Neue Arbeitszeitpolitik" werden seit Mitte der siebziger Jahre arbeitszeitbezogene Forderungen diskutiert, die darauf abzielen, die individuellen Gestaltungsspielräume der Beschäftigten bei der Festlegung sowohl des zeitlichen Umfangs als auch der Lage ihrer individuellen Arbeitszeiten zu erweitern. 102 Durch Realisierung "variabler" Arbeitszeiten soll den Beschäftigten "mehr Zeitsouveränität" 103 ermöglicht und speziell auch den Bedürfnissen und Wünschen weiblicher Arbeitskräfte mit Familienpflichten besser entsprochen werden. 104 Zudem sollen flexible Arbeitszeitsysteme beschäftigungspolitisch vorteilhaft wirken, indem sie eine stärkere Botkoppelung der individuellen Arbeitszeiten von den Betriebszeiten ermöglichen. 105
3.2.3.3.1. Gestaltungsformen flexibler Arbeitszeiten Die verschiedenen Gestaltungsformen flexibler Arbeitszeit basieren überwiegend auf einer der in Umfang oder Lage vom ,,konventionellen" Arbeitszeitstandard ("Regelarbeitszeit") abweichenden Arbeitszeitformen (Teilzeit, Gleitzeit, Schichtarbeit) und kombinieren diese mit Elementen aus der jeweils anderen "Dimension" der Arbeitszeit. 106 Zusätzlich oder stattdessen sind häufig noch 100 Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986, S. 19 f. 101 Ch. Büchtemann, J. Schupp, 1986, S. 20 f. 102 D. Mertens, 1979, S. 263 ff.; vgl. auch ders., 1982a, S. 202. 103 Das ,,Konzept der Zeitsouveränität" geht zurück auf Teriet: ,,Es beinhaltet: Dem Einzelnen wird ( ... ) das Recht der eigenverantwortlichen Bewirtschaftung seiner Zeitbereiche sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht zugestanden, so daß er oder sie Umfang und Lage in der Zeit nach individuellen Gesichtspunkten und Erfordernissen abstimmen kann, was selbstverständlich nicht nur für den Bereich der erwerbswirtschaftliehen Arbeitszeit von Bedeutung ist ..."; vgl. B. Teriet, 1980, S. 719. 104 Vgl. z. B. B. Teriet, 1976, S. 34 u. S. 106. 1os Siehe Abschnitt ill. 3.3. 106 Beispielsweise können Formen der TeilzeitarbeitVariationen in der Arbeitszeitverteilung vorsehen, Gleitzeitarbeit kann mit einem anderen Arbeitszeitumfang als bei Vollzeitarbeit vereinbart sein. Analog läßt sich (tage- oder wochenweise) Teilzeitarbeit mit Schichtarbeit kombinieren (Teilzeitschichten).
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erweiterte Möglichkeiten zu kürzerfristigen Anpassungen bei Arbeitszeitvolumen bzw. -Iage enthalten. Dabei werden in neueren Arbeitszeitmodellen die Anpassungsmöglichkeiten, wie sie im Prinzip bereits in den Grundformen gleitender Arbeitszeit enthalten sind, teilweise erheblich erweitert. 107 Insbesondere wird die auch im Konzept der gleitenden Arbeitszeit enthaltene Grundidee genutzt, längerfristig feste Arbeitszeitvereinbarungen (wie sie auch bisher üblich waren) zu verknüpfen mit in kürzeren Zeiträumen und für beide Partner des Arbeitsvertrages gegebenen Verhaltens- und Anpassungsspielräumen bezüglich der Erbringung der Arbeitsleistung (bzw. der Arbeitszeit nach Lage und Umfang). Feste Vereinbarungen über Volumen und Verteilung der Arbeitszeit für einen meist längeren Bezugszeitraum (z. B. ein Jahr 108) können Variationspielräume für die Vertragspartner (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) eröffnen, wenn dabei für kürzere Bezugszeiträume (z. B. Woche, Monat) nach Lage und/ oder Volumen innerhalb bestimmter Grenzen schwankende Arbeitszeiten zugelassen werden. Es ergeben sich darauf aufbauend eine Reihe verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten, die sich unterscheiden bezüglich des Zeitraumes, der für die Verteilung einer volumen- und lagemäßig ungleichen Arbeitszeit zugelassen wird, den zulässigen Schwankungsbreiten sowie hinsichtlich der Zeitspanne, die für die Abgleichung von geleistetem und vereinbartem Arbeitszeitvolumen festgelegt ist (Ausgleichszeitraum). 109 Die für einen längeren Zeitraum vereinbarte Arbeitszeitmenge kann innerhalb der Laufzeit der Arbeitszeitvereinbarung gemäß den Bedürfnissen der Vertragspartner (hinsichtlich der Dauer und der Verteilung der Arbeitszeit) bzw. den Modalitäten der Arbeitszeitvereinbarung "abgerufen" bzw. abgeleistet werden; volumen- und lagemäßig schwankende Arbeitszeiten für die betreffenden Arbeitnehmer innerhalb kürzerer Bezugszeiträume sind dabei üblich. 110 Im allgemeinen sind allerdings bestimmte Ober- und Untergrenzen einzuhalten. Bei der 101 So können Kernzeitspannen reduziert werden oder arbeitstäglich festgelegte Anwesenheitsvorschriften ganz entfallen ("innovative" Gleitzeit). Die Möglichkeiten zur Änderung der Arbeitszeiten lassen sich ferner durch ausschließlich auf Gruppen bezogene Vorgaben des Betriebes hinsichtlich der Präsenzpflicht der Beschäftigten erweitern. V gl. zu diesen Beispielen P. Bellgardt, 1987, S. 29; S. Schuhu. a., 1987, S. 96 f. Erhebliche Freiräume können sich schließlich bei gleitender Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten ergeben; vgl. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 1988, S. 25. 10s Als Bezugszeitraum kommen (prinzipiell) in Frage der Tag, die Woche, der Monat, mehrmonatige Zeiträume bis hin zu einem Jahr. Üblicherweise bezieht sich die Angabe des Arbeitszeitdeputats auf eine fünf- oder sechstägige Arbeitswoche, z. B. 40-(x-) Stundenwoche. 109 Möglicherweise vorhandene Zeitsalden irrfolge einer Über- bzw. Untererfüllung des Arbeitszeitsolls seitens des Arbeitnehmers müssen innerhalb dieses Zeitraumes vom Arbeitnehmer oder Arbeitgeber ausgeglichen werden. 110 Vgl. hierzu z. B. S. Schuhu. a., 1987, S. 110. In "Bandbreitenmodellen" werden den Arbeitnehmern bei der Festlegung des Arbeitszeitdeputats Wahlmöglichkeiten bezüglich des Arbeitszeitvolumens eingeräumt (z. B. auf der Basis eines Jahresarbeitszeitvertrages); bei der Neufestlegung der Arbeitszeitmenge nach Ablauf des Vereinbarungszeitraumes kann der gewählte Umfang der Arbeitszeit verändert werden (Reversibilität der Entscheidung). Vgl. z. B. H. Glaubrecht u. a., 1984, S. 196 f.
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"Arbeit auf Abruf' ergeben sich je nach den vereinbarten Modalitäten für den Abruf der im Voraus festgelegten Arbeitszeit sehr unterschiedliche Regelungen bezüglich der beiden Seitenjeweils zustehenden Dispositionsrechte und Ankündigungsfristen über den Umfang und die zeitliche Verteilung des Arbeitseinsatzes; damit können die Vorteile flexibler Arbeitszeitgestaltung je nach Modellgestaltung möglicherweise auch sehr einseitig verteilt sein. 111 Darüber hinaus bzw. in Verbindung damit kann (im Extremfall) schließlich zumindest prinzipiell in flexiblen Arbeitszeitvereinbarungen das vertragliche Arbeitszeitvolumen (und damit möglicherweise das Arbeitsentgelt) auch für längere Bezugszeiträume offen gelassen werden. 112 Der Grad an Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung, den ein "Arbeitszeitmodell" bietet, steigt im allgemeinen mit dem Ausmaß des Spielraumes, der nach Vereinbarung der Arbeitszeitmodalitäten eines Arbeitsverhältnisses den Vertragspartnern für kurzfristige bzw. vorübergehende Änderungen verbleibt und relativ kurzfristig nutzbar ist ("Dispositionsspielraum"). 113 Um eine annähernd gleichmäßige Verteilung des potentiellen Nutzens entsprechender Modelle auf den Arbeitgeber und den (die) Arbeitnehmer sicherzustellen, dürften kooperative bzw. partizipative Lösungen vorzuziehen sein, d. h. Modelle, in denen die für kürzere Fristen gewährten Anpassungsspielräume in der Arbeitszeitgestaltung prinzipiell beiden Seiten zustehen und gleichmäßig verteilte Mitsprache- bzw. Mitentscheidungsbefugnisse über die faktische Nutzung entsprechender Dispositionsspielräume vereinbart sind. 114 Kennzeichnend für ,,kooperative" Arbeitszeitsysteme ist zum einen die Beteiligung der Beschäftigten an der Planung der 111 Eine Form mit einseitig zugunsten des Arbeitgebers verteilten Vorteilen ist das Modell der Kapazitätsorientierten Variablen Arbeitszeit ("KAPOVAZ"), bei dem die Planung des Arbeitskräfteeinsatzes ausschließlich am zeitlich schwankenden Arbeitsanfall im Betrieb orientiert ist; die Beschäftigten stehen in einer von der Fristigkeit bzw. Vorhersehbarkeit der betrieblichen Personalbedarfsschwankungen bestimmten Abrufbereitschaft. Vgl. H.-T. Beyer, 1986, S. 82. In § 4 des Beschäftigungsförderungsgesetzes (BeschFG 1985) wurden für solche Beschäftigungsformen gewisse Mindestregelungen festgelegt. 112 Vgl. z. B. Sachverständigenrat, Gutachten 1983/84, Ziff. 436 f. Entsprechende Formen können speziell für die Arbeitnehmer erhebliche Unsicherheiten über den Arbeitseinsatz und damit eventuell auch über das erzielbare Arbeitseinkommen beinhalten. Vgl. zu dieser ,,Extremform" der variablen Arbeitszeitgestaltung z. B. die Modelle der ,,Arbeit auf Abruf', wie sie bisweilen im Einzelhandelsbereich praktiziert werden; siehe G. Bosch u. a., 1988, S. 184. m Vgl. S. Schuhu. a., 1987, S. 97. Von Seiten des Betriebes kann es aufgrundeines zeitlich schwankenden Arbeitsanfalls, wegen technischer Veränderungen usw. notwendig sein, die Arbeitszeit anzupassen; bei Arbeitnehmern dürften veränderte Präferenzstrukturen oder Gründe anderer Art zu Änderungswünschen (bzw. Änderungen) führen. Vgl. ebenda, S. 97. 114 Weitere Alternativen sind (vereinfacht ausgedrückt) Gestaltungsformen, die nur dem Arbeitgeber oder nur dem (den) Arbeitnehmer(n) Möglichkeiten zur Anpassung der Arbeitszeit gewähren. Vgl. zu dieser Dreiteilung S. Schuh u. a., 1987, S. 97 f. Ein Beispiel für die erstgenannte Möglichkeit wäre z. B. die erwähnte Kapazitätsorientierte Variable Arbeitszeit.
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Arbeitszeitlage, zum anderen, daß die Wahrung betrieblicher Interessen hinsichtlich der (Teil-)Präsenz der Belegschaft nicht über einseitige betriebliche Weisung, sondern durch den Einsatz bestimmter Anreizinstrumente erfolgt. 115 Inwieweit in der Praxis dergestalt kooperative Vereinbarungen und Lösungen gegeben und auch faktisch wirksam sind, dürfte nicht zuletzt auch von Wirtschaftszweigspezitischen Faktoren und der jeweiligen Arbeitsmarktlage (einschließlich der Situation auf den relevanten Teilarbeitsmärkten) abhängig sein. 116 Eine vom Grundprinzip her andere Form der flexiblen Arbeitszeitgestaltung beinhaltet das Modell der Partnerarbeit (bzw. "Partner-Teilzeitarbeit") oder Arbeitsplatzteilung (Job Sharing), ein auch hinsichtlich seiner kurzfristigen Anpassungsfähigkeit flexibles Arbeitszeitmodell fürTeilzeitarbeit. 117 JobSharing unterscheidet sich von ,,konventioneller'' Teilzeitarbeit (idealtypisch) vor allem dadurch, daß die Arbeitsplatz-Partner innerhalb bestimmter Grenzen Entscheidungskompetenzen über die personelle Aufteilung des arbeitsplatzbezogenen Aufgabenspektrums und der vom Arbeitgeber für einen Arbeitsplatz vorgegebenen Besetzungszeiten erhalten; insoweit können die betreffenden Arbeitnehmer über die individuell zu leistende Arbeitszeit nach Umfang und Lage im Einvernehmen mit dem ,,Partner" grundsätzlich selbst entscheiden. 118 Die Problematik des JobSharing-Vertrages in der ursprünglichen Konzeption liegt aus der Sicht der Beschäftigten allerdings darin, daß eine gemeinsame Verantwortlichkeit der Partner für die vertragsgemäße Arbeitsleistung im Außenverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber besteht. Wegen der sich für den Bereich der Bundesrepublik damit ergebenden, erheblichen rechtlichen Probleme erscheint eine unveränderte Übertragung dieses "Grundmodells" des Job Sharing nicht möglich.t 19 11s Beispielsweise durch die Gewährung von Umsatzbeteiligungen oder durch ,,zeitgutschriften" für die Arbeit zu bestimmten Tageszeiten oder an bestimmten Wochentagen. Vgl. S. Schuh u. a., 1987, S. 99 f. Beispielsweise wird im System der "variablen" Arbeitszeit die konkrete Verteilung der individuellen Arbeitszeiten innerhalb kürzerer Perioden in bestimmten Zeitabständen mit Hilfe eines Abstimmungsprozesses zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem (bzw. gruppenintern von den Mitarbeitern) geregelt (innerhalb betrieblicher Rahmenvorgaben). Vgl. hierzu die Beispiele in A. Fauth, A. Willenegger, 1983; A. Gerzer, M. Jaeckel, J. Sass, 1985. I 16 Gründe für ein Überwiegen "partizipativer" Gestaltungsformen in der betrieblichen Praxis könnten sein die Notwendigkeit zur Berücksichtigung zentraler betrieblicher Belange einerseits und die Rückwirkungen spezifischer Arbeitszeitregelungen auf die arbeitnehmerseitige Akzeptanzbereitschaft und Arbeitsmotivation andererseits. Siehe S. Schuhu. a., 1987, S. 98. 117 Mit JobSharing wird ein Arbeitsverhältnis bezeichnet," ... bei dem mindestens zwei Mitarbeiter den einer Vollzeitstelle zugeordneten Aufgabenkomplex in gemeinsamer Verantwortung übernehmen"; vgl. S. Schuh u. a., 1987, S. 104. Siehe auch § 5 BeschFG 1985. 118 Als Vorteil von Job Sharing-Verträgen gilt, daß diese weite Dispositionsspielräume für die Arbeitnehmer enthalten können; vgl. S. Schuh u. a., 1987, S. 98 und S. 104. Häufig werden JobSharing-Vereinbarungen gerade auch für höher qualifizierte Arbeitskräfte als geeignete Form flexibler Teilzeitarbeit betrachtet; vgl. Ch. Müller, 1986, S. 86.
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Zu nennen sind schließlich flexible Formen der Arbeitszeitgestaltung für Zeiträume, die ein (Kalender-)Jahr überschreiten. Eine entsprechende Form langfristig gesehen flexibler Arbeitszeit ist das Modell des Langzeiturlaubs ("Sabbatical"). Dabei handelt es sich um einen über längere Perioden angesammelten ("angesparten") Sonderurlaub (bezahlt oder unbezahlt) unter Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses. 120 Ein entsprechendes Modell gilt insoweit als vorteilhaft, als ein Langzeiturlaub für verschiedenste Zwecke genutzt werden könnte, u. a. zur Weiterbildung oder als ,,Eltemurlaub". 121 Entsprechende Regelungen werden auch für eine beweglichere Gestaltung der Länge des Arbeitslebens im Rahmen eines "gleitenden" Übergangs in den Ruhestand vorgeschlagen; beispielsweise könnten die Arbeitnehmer im Rahmen eines Ansparkonzepts mit mehrjähriger Laufzeit (wie auch schon im Fall des "Sabbatical") einen Anspruch auf Altersteilzeitarbeit bzw. auf einen gleitenden Übergang in den Ruhestand erwerben 122 (vgl. zum gleitenden Übergang in den Ruhestand Abschnitt 3.2.3.4.). 3.2.3.3.2. Verbreitung von flexiblen Arbeitszeitformen Im folgenden Abschnitt wird zum einen ein kurzer Überblick zu den gegenwärtig vorwiegend realisierten Formen flexibler Arbeitszeiten gegeben, zum anderen soll auf bislang vorliegende empirische Erfahrungen über Nutzen und Probleme der praktizierten flexiblen Gestaltungsmodelle eingegangen werden. Gleitende Arbeitszeiten findet man in erster Linie im Verwaltungs- und Dienstleistungshereich und dort wiederum hauptsächlich bei Vollzeitarbeitnehmem, seltener für Teilzeitbeschäftigte. 123 Im Bereich der Fertigung dominieren dagegen wegen der meist hochgradig arbeitsteiligen und damit auch zeitlich interdependenten Produktions- bzw. Arbeitsprozesse Arbeitsplätze mit festen (verbindlichen) Anfangs- und Endzeiten. 119 Entsprechende Rechtsfragen ergaben sich hinsichtlich der gegenseitigen Vertretungspflicht der Partner und bezüglich des individuellen Kündigungsschutzes; vgl. zur juristischen Problematik des JobSharing z. B. P. Schüren, 1984, S. 925 ff. Diese Fragenkomplexe wurden in § 5 BeschFG 1985 gesetzlich geregelt. 120 H.-T. Beyer, 1986, S. 83. 121 H.-T. Beyer, 1986, S. 83 f.; H. Glaubrecht u. a., 1984, S. 200 ff. Beispiele für Vereinbarungen über Langzeiturlaub finden sich bei P. Bellgardt, 1987, S. 26. Vereinbarungen über Eltern- bzw. Erziehungsurlaub in Verbindung mit einer Wiedereinstellungszusage wurden in neuerer Zeit auf tarifvertraglicher Ebene und in bestimmten Unternehmen getroffen; vgl. hierzu den Überblick in Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, 1989, S. 97 ff. 122 Vgl. H. Glaubrecht u. a., 1984, S. 201; siehe auch D. Wagner, 1982, S. 234 ff. 123 Vgl. A. Hoff, 1983, S. 221 ff.; EMNID-Institut, 1981, S. 28 und S. 29 (Tabelle 17). Nach der Befragung des EMNID-Instituts bestanden 1980 vor allem für Angestellte (einfache Angestellte: 16 %; qualifizierte u. leitende Angestellte: 22 %) und Beamte (20 %) Gleitzeitvereinbarungen, bei Arbeitern nur für 5 % (Un- und Angelernte) bzw. 4% (Facharbeiter). Im Durchschnitt waren 12 % der Beschäftigten in Gleitzeitregelungen einbezogen; ebenda. Vgl. (bezogen auf die Metallindustrie) auch R. Schmidt, 1987, S. 739, sowie G. Bosch u. a. 1988, S. 72.
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Untersuchungen zur gleitenden Arbeitszeit konstatieren vorwiegend positive Erfahrungen sowohl bei den Betrieben als auch bei den Beschäftigten. 124 Als Hauptvorteil werden von den Betrieben positive Produktivitätseffekte genannt 125 ; Nachteile beziehungsweise Kostenerhöhungen fallen demgegenüber nach betrieblicher Einschätzung kaum ins Gewicht. 126 Durch erweiterte Gleitzeitregelungen kann (wie erwähnt) im Rahmen flexiblerer Formen der Arbeitszeitgestaltung der Personaleinsatz stärker am zeitlich schwankenden betrieblichen Bedarf (gemessen in Arbeitsstunden) ausgerichtet werden. Entsprechende Gestaltungsmodelle mit Vereinbarungen über besonders ausgeprägte Zeitübertragungsmöglichkeiten, zum Teil in Verbindung mit einem Freizeitausgleich für geleistete Mehrarbeitsstunden (in Form von Freizeittagen und I oder "Blockfreizeiten"), finden sich in neuerer Zeit häufiger, auch im industriellen Bereich. 127 Entsprechende Möglichkeiten wurden auch im Rahmen von Tarifverträgen vereinbart, z. B. im Tarifvertrag von 1984 in der Metallindustrie. 128 Ersten Betriebsbefragungen zufolge nutzten etwa 15 % der Betriebe in der Metallindustrie im Rahmen des Tarifabkommens von 1984 bzw. darauf bezogener Betriebsvereinbarungen diese Möglichkeit der Flexibilisierung; insbesondere in Betrieben mit vorher bereits vorhandenen Gleitzeitregelungen war diese Form der Anpassung an die vereinbarte Arbeitszeitverkürzung leicht zu vollziehen. 129 Teilweise wurde in den zur Umsetzung der Tarifverträge notwendigen Betriebsvereinbarungen der tariflich vereinbarte Ausgleichszeitraum ausgedehnt. 130 Das Interesse an variablen Umsetzungsformen der Tarifvereinbarungen dürfte unter anderem auch in Zusammenhang mit der Betriebsgröße stehen; zumindest in der 124 12s
Vgl. K. Burian, F. Regner, 1984, hier S. 151. Siehe auch A. Hoff, 1983, S. 223. K. Burian, F. Regner, 1984, S. 113 ff., vor allem S. 116; A. Hoff, 1983, S. 222 f.
K. Burian, F. Regner, 1984, S. 117 f. Vgl. K. Burian, F. Regner, 1985, S. 397 ff., hier S. 411 ; R. Schmidt, 1987, S. 736. 12s Siehe Sachverständigenrat, Gutachten 1985/86, Ziff. 293; G. Bosch u. a., 1988 (auf der Basis einer Analyse der im Gefolge der Tarifverhandlungsrunde von 1984 abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen durch das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliehe Institut des DGB (WSI)). Vgl. auch die Tarifvereinbarungen über schwankende Wochenarbeitszeiten in verschiedenen Tarifbereichen der Holzindustrie in den Jahren 1984 bis 1986 (siehe G. Bosch u. a., 1988, S. 151 ff. und S. 160 f.) und im Einzelhandel (ebenda, S. 187 f.). Im Einzelhandel wurde 1985 ein einjähriger Ausgleichszeitraum für Arbeitszeitschwankungen vereinbart (ebenda, S. 187 und S. 198 ff.). Der Tarifvertrag von 1987 in der Metallindustrie folgte im wesentlichen der in den Vereinbarungen von 1984 eingeschlagenen Richtung; der zulässige Ausgleichszeitraum für schwankende Arbeitszeiten wurde von zwei auf sechs Monate erweitert. Siehe hierzu z. B. R. Haupt, I. Hartung, 1988, S. 472; vgl. auch E. Neifer-Dichmann, 1989a und E. Neifer, 1989. 129 Sachverständigenrat, Gutachten 1985/86, Ziff. 295; G. Bosch u. a., 1988, S. 76. Nach den Ergebnissen von Bosch u. a. wird in 30 % der Metallbetriebe die Gestaltungsform "gleitende Arbeitszeit" praktiziert; siehe ebd., S. 69 f. 130 Die Analyse abgeschlossener Betriebsvereinbarungen durch das WSI ergab, daß in 18% der Betriebe der tarifliche Ausgleichszeitraum überschritten wurde, in 13,8% der Betriebe um mehr als 3 Monate; vgl. G. Bosch u. a., 1988, S. 64. Ausweitungen gegenüber den tariflich vereinbarten Zeiträumen fanden sich vor allem in größeren Betrieben (Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten). 126
121
220
Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
Metallindustrie wurden im Gefolge der Tarifvertrages von 1984 vor allem in größeren Betrieben entsprechend gestaltete Betriebsvereinbarungen angestrebt. 131 In der Industrie sind bei Systemen schwankender Arbeitszeitverteilung in der Regel längere Ankündigungsfristen für die Personaleinsatzplanung und die Arbeitszeitverteilung möglich. Schwankungen im Arbeitsanfall sind im industriellen Bereich zum einen vergleichsweise vorhersehbar, zum anderen weisen sie meist eine längere Zyklendauer auf. 132 Gerade im Falle einer relativ hohen Kapitalintensität der Produktion besteht in Industrieunternehmen häufig vor allem das Ziel einer möglichst optimalen Nutzung des investierten Kapitals 133 ; des weiteren dürften die relativen Faktorpreise und die technisch-organisatorische Entwicklung bedeutsam sein. 134 Flexible Arbeitszeitmodelle, die die ungleiche Verteilung einer längerfristig fest vereinbarten Arbeitszeit innerhalb kürzerer Bezugszeiträume ermöglichen, erweisen sich als besonders vorteilhaft in personalintensiven Wirtschaftszweigen, wobei sich entsprechende Regelungen gerade auch bei Teilzeitbeschäftigten finden. Wegen der im allgemeinen arbeitsintensiven Formen der Leistungserstellung und häufig branchentypischen Nachfragebedingungen spielen arbeitsanfallorientierte Arbeitszeiten mit einer unter dem Vollzeitniveau liegenden Stundenzahl in verschiedensten Gestaltungsformen 135 vor allem in Branchen des Dienstleistungssektors 136 und im Handel eine relativ wichtige Rolle. Zusätzlich bzw. alternativ zur permanenten bzw. für längere Perioden gültigen Ausdehnung der Betriebszeiten erlauben diese Modelle dem Betrieb eine genauere Abstimmung der zur Verfügung stehenden Gesamtmenge an Arbeitsstunden auf den im Zeitverlauf in Abhängigkeit von Größen wie Kundenfrequentierung, Auftragsumfang u. -fristigkeit auch kurzfristig schwankenden betrieblichen Bedarf. 137 Bei einem dergestalt kurzzyklisch schwankenden Arbeitsanfall ergeben sich damit (auch empirisch belegte) Vorteile in Gestalt personalkostensenkender, flexiblerer betrieblicher Anpassungs- und Reaktionsmöglichkeiten. 138 Vgl. G. Bosch u. a., 1988, S. 106. Vgl. H. Bielenski, G. Pohlmann, 1985, S. 184 f. Arbeitsanfallorientierte Arbeitszeitregelungen auf Vollzeitbasis werdenjedoch in Einzelfällen im Rahmen von Jahresarbeitszeitverträgen auch in der Industrie bereits praktiziert; vgl. K. Burian, F. Hegner, 1984, s. 404. m Siehe z. B. E. Neifer-Dichmann, 1989, S. 196 f. Vgl. auch RWI, 1986, S. 42 f. 134 RWI, 1986, S. 43 f. 135 Bis hin zu Modellen der "Arbeit auf Abruf'. 136 Vgl. H. Bielenski, G. Pohlmann, 1985, S. 183 ff. Allerdings fehlen exakte empirische Daten zur Verbreitung flexibler Teilzeitarbeit; vgl. ebenda, S. 183. 137 Da für den Bereich des Handels das Ladenschlußgesetz den zulässigen, die individuelle Arbeitszeit überschreitenden Rahmen für die Betriebszeit bestimmt, ergibt sich im Handel quasi automatisch die Notwendigkeit, durch verschiedene Maßnahmen der Personalpolitik und der Arbeitszeitgestaltung den Personaleinsatz bzw. die geleisteten Arbeitszeiten "flexibel" auf die Betriebszeit abzustimmen. 131
132
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
221
Die praktizierten Arten arbeitsanfallorientierter Teilzeitarbeit unterscheiden sich in der konkreten Ausgestaltung der Verfügungsrechte bezüglich des Arbeitseinsatzes, d. h. bezüglich der Fristigkeit der Arbeitseinsatzplanung und des Grades, in dem dieser arbeitnehmerseilig beeinflußt werden kann. 139 Eine arbeitsanfallorientierte Arbeitszeit bzw. Teilzeitarbeit kann dabei auch in Arbeitszeitmodellen zur Anpassung an relativ kurzzyklisch schwankenden Bedarf prinzipiell mit Vorteilen für die betroffenen Arbeitnehmer verbunden sein, wie empirische Untersuchungsergebnisse vermuten lassen. Erforderlich ist für einen höheren arbeitnehmerseiligen Spielraum in der Zeitgestaltung aber eine individuell und möglichst weit vorausschauend erfolgenden Personaleinsatzplanung, in der kooperativ bzw. "partizipativ" sowohl betriebliche Belange als auch Arbeitnehmerinteressen berücksichtigt werden. 140 Ein Beispiel für ein solches Arbeitszeitsystem ist die sogenannte "variable" Arbeitszeit. 141 Allerdings kann auch in Modellen mit einer partizipativ bzw. individuell erfolgenden Personaleinsatzplanung nicht von einer prinzipiell betrieblichen Belangen unterworfenen Arbeitszeitvariation abgegangen werden. Von den Beschäftigten wird auch in diesen Fällen ein gewisses Maß an zeitlicher Einsatzflexibilität verlangt. 142 Nachteile hat eine am Arbeitsanfall orientierte Arbeitszeit für die Arbeitnehmer vor allem dann, wenn der Arbeitseinsatz einseitig betriebsorientiert und insbesondere auch (sehr) kurzfristig erfolgt sowie hinsichtlich der zeitlichen Lage häufig wechselt. 143 Zudem dominieren gerade auch in arbeitsanfallorientierten Arbeitszeitsystemen, ähnlich wie bei anderen Gestaltungsformen der Teilzeitarbeit, Arbeitsplätze mit niedrigem Niveau der Qualifikationsanforderungen und relativ geringer Bezahlung. 144
138 H. Bielenski, G. Pohlmann, 1985, S. 268 ff. u. S. 275 f.; vgl. auch K. May, E. Mohr, 1985, S. 160 f. Die Nutzeneffekte sind zum Teil zwar nicht quantifizierbar, übertreffen in der Einschätzung durch die Betriebe aber deutlich die möglicherweise durch organisatorischen Mehraufwand oder erhöhten Personalaufwand entstehenden zusätzlichen Kosten der Teilzeitarbeit; vgl. H. Bielenski, G. Pohlmann, 1985, S. 270. 139 Vgl. auch H. Bielenski, G. Pohlmann, 1985, S. 195. 140 H. Bielenski, G. Pohlmann, 1985, S. 270 f. 141 Zum Modell der "variablen" ("individuellen") Arbeitszeit vgl. S. Schuhu. a., 1987, S. 99; ausführlich K. May, E. Mohr, 1985, S. 42 ff. 142 Vgl. die Untersuchungsergebnisse bei H. Bielenski, G. Pohlmann, 1985, S. 251 ff. Auf entsprechenden Teilzeitarbeitsplätzen sind daher häufiger ältere Frauen (meist ohne Kinderbetreuungspflichten) tätig, die nach einer längeren zeitlichen Unterbrechung in das Erwerbsleben zurückkehren; ebenda, S. 252. 143 H. Bielenski, G. Pohlmann, 1985, S. 271 (am Beispiel der Arbeit auf Abruf). Zu problematischen Gestaltungsformen von ,,Abrufverträgen" siehe z. B. H. Rudolph u. a., 1981, S. 204 ff.; U. Teske, J. Wiedemuth, 1986, S. 347 ff. 144 H. Bielenski, G. Pohlmann, 1985, S. 213 f. Die ,,Ausnahmefälle" höherer hierarchischer Positionen, die mit Teilzeitkräften besetzt waren, betrafen Arbeitsplätze, deren Inhaberinnen durchweg nahe beim Vollzeitvolumen liegende vertragliche Arbeitszeiten vereinbart hatten; siehe ebenda, S. 214.
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
Bereits seit einigen Jahren werden Teilzeitschichten zusätzlich zur Normalschicht als Mittel zur Ausdehnung der Betriebszeiten (und damit einer besseren Amortisation des Kapitalstocks) und zur Erhöhung der Flexibilität der betrieblichen Leistungserstellung eingesetzt, insbesondere in kapitalintensiven Wirtschaftszweigen der Produktion, aber auch im Dienstleistungsbereich (Flexibilisierung in der "chronologischen" Dimension). 145 Mit einer weiterhin steigenden Kapitalintensität in zahlreichen Industriebereichen und sinkenden tariflichen Arbeitszeiten dürfte die erweiterte Nutzung von (kapitalintensiven) Betriebsmitteln durch zeitlich gestaffelten Einsatz mehrerer Arbeitskräfte auf jeweils nur einem Arbeitsplatz (Mehrfachbesetzung) zunehmend bedeutsam werden. Ein zeitlich versetzt erfolgender Einsatz von Teilzeitbeschäftigten kann in diesen Fällen zur Steigerung der Produktivität dienen. Zumindest prinzipiell können in Arbeitszeitsystemen mit Ergänzungsschichten außerdem den Beschäftigten größere Gestaltungsspielräume bezüglich des Umfanges und der Verteilung der individuellen Arbeitszeiten eingeräumt werden, z. B. in Form (beschränkter) Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Arbeitszeitangeboten. 146 Entsprechende, in neuerer Zeit bisweilen praktizierte Modelle sind insofern potentiell auch für die Mitarbeiter vorteilhaft, abgesehen von ihren günstigen betriebswirtschaftliehen Wirkungen.147 Ebenfalls erst in den letzten Jahren gewannen reine Teilzeit-Schichtsysteme in der Mehrschicht-Produktion, eine weitere Form der (flexiblen) Schichtarbeit, an Bedeutung; bei diesen Arbeitszeitsystemen werden (teilweise) nur noch Teilzeitarbeitskräfte eingesetzt. 148 Ob durch solche Schichtarbeitssysteme mit durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten unterhalb des Volumens bei Vollzeitarbeit die Arbeitsbelastung der Beschäftigten gemindert werden kann, dürfte davon abhängen, ob die Einführung von Teilzeitschichten mit einer Arbeitsintensivierung einhergeht. 149
145 Der Einsatz erfolgt meist in Form sogenannter "Dämmer-" oder "Hausfrauenschichten" im Anschluß an die Normalschicht; vgl. M. Langkau-Herrmann, U. Scholten, 1986, S. 57 ff. Kurzschichten dienen insbesondere der Ausdehnung der Betriebszeiten und zur Erhöhung der Flexibilität bei konjunkturellen Produktnachfrageschwankungen (ebenda). Zu Formen der Schichtarbeit im Einzelhandel vgl. z. B. G. Bosch u. a., 1988,
s. 181.
146 Vgl. z. B. W. Schusser, 1986, S. 76 ff. 147 Andererseits werden aber auch stark betriebsorientierte Gestaltungsformen propagiert, z. B. ein "Teilzeit-integrierendes Mehrschichtsystem". Bei diesem (bisher wenig verbreiteten) Modell sollen die täglichen und wöchentlichen Betriebszeiten mittels sogenannter ,,Arbeitszeitmodule" den jeweiligen betrieblichen Erfordernissen nahezu optimal angepaßt werden. Dem Betrieb erlaubt dieses System eine erheblich flexiblere Gestaltung der Leistungserbringung; daneben soll es auch für die Beschäftigten vorteilhaft sein, da es "prinzipiell" möglich sei, unterschiedliche tägliche (bzw. wöchentliche) Arbeitszeitmengen (und -lagen) anzubieten. Vgl. P. Bellgardt, 1987, S. 31. 148 P. Bellgardt, 1987, S. 24 f. u. S. 30; J. Maasch, 1987. 149 Vorteilhaft kann für die Beschäftigten eine Form der Schichtarbeit sein, bei der die Zahl der Arbeitsstunden je nach Schichttyp asymmetrisch verteilt ist (Verkürzung der Dauer von Spät- bzw. Nachtschichten); vgl. z. B. J. Maasch, 1987, S. 163 ff.).
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
223
Die genannten Beispiele flexibler Teilzeit- bzw. Schichtmodelle dürften vor allem für kapitalintensive Betriebe relevant sein, da sie es ermöglichen, die Betriebszeiten von den individuellen Arbeitszeiten zu entkoppeln und erstere auszudehnen. Die betriebswirtschaftliehen Vorteile liegen in einer verbesserten Nutzung des investierten Kapitals und der Erweiterung betrieblicher Flexibilitätsspielräume. Die Verbreitung des Gestaltungsmodells JobSharing ("Partner-Teilzeitarbeit") ist bislang offenbar gering 150; empirische Erfahrungen bezüglich der betrieblichen Kosten und Nutzen von JobSharing generell und vor allem auch bei qualifizierten Arbeitsplätzen sind deswegen selten und zudem nur schwer quantifizierbar. 151 Vermutlich ist eine Arbeitsplatzteilung auf unteren bis mittleren Hierarchiestufen betriebswirtschaftlich effizient. 152 Dagegen scheint es jedoch generell Anwendungsbarrieren speziell bei Partner-Teilzeitarbeit in Positionen mit qualifizierten und dispositiven Aufgaben zu geben, da arbeitsorganisatorische Fragen offenbar nur schwer zu lösen sind. 153 Die mit dem Gestaltungsmodell JobSharing bisweilen verknüpften Erwartungen, daß Teilzeitarbeit auf Arbeitsplätzen mit höheren Qualifikationsanforderungen (bis hin zu Führungspositionen) zu einer echten Alternative gegenüber der Vollzeitbeschäftigung werden könnte 154, haben sich zumindest bisher nicht erfüllt. Dagegen dürften entsprechende Gestaltungsformen des Job Sharing, sofern sie eingeführt wurden, für die Arbeitnehmer wohl durchweg Vorteile bieten; für weibliche Arbeitnehmer ist diese Arbeitszeitform offenbar eine günstige Möglichkeit, Erwerbstätigkeit und Familienpflichten bzw. Kinderbetreuungspflichten besser miteinander zu vereinbaren oder nach familien- bzw. kinderbedingter Unterbrechung in das Erwerbsleben zurückkehren zu können. 155
3.2.3.4. Flexible Formen des Übergangs in den Ruhestand Flexible Gestaltungsformen der individuellen Arbeitszeit und insbesondere flexible Teilzeitmodelle werden auch im Zusammenhang mit flexibleren Regelungen der Länge des Arbeitslebens bzw. der Pensionierung diskutiert, namentlich in Verbindung mit einem gleitenden Übergang in den Ruhestand.
BDA, 1987a, S. 20. K.-H. Neumann, 1985, S. 380. 152 Ch. Müller, 1986, S. 236 ff. Die Vor- und Nachteile der "Partner-Teilzeitarbeit" auf Arbeitsplätzen mit höheren Qualifikationsanforderungen dürften sich für die Betriebe dagegen vermutlich ausgleichen; K.-H. Neumann, 1985, S. 383. 153 Vgl. K.-H. Neumann, 1985, S. 334. Die Einführung von Job Sharing wird von den Betrieben mit zunehmender Hierarchiestufe als schwieriger eingeschätzt, aufhöheren Hierarchieebenen existieren nur in Ausnahmefallen funktionierende Job-Sharing-Arbeitsverhältnisse; vgl. Ch. Müller, 1986, S. 236 ff., S. 244 ff. 154 K.-H. Neumann, 1985, S. 289; Ch. Müller, 1986, S. 86 u. S. 236 f. 155 K.-H. Neumann, 1985, S. 356 f. !5o 151
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
Bei einem gleitenden Übergang in den Ruhestand erfolgt dieser nicht abrupt zu einem bestimmten Zeitpunkt (wie bisher), sondern als Prozeß über einen längeren Zeitraum hinweg und bei allmählich verringerter Arbeitszeit der älteren Arbeitskräfte ("Gleitphase"). 156 Entsprechend den Erkenntnissen der psychologischen Altersforschung (Gerontologie) soll mit einer entsprechenden Ausgestaltung der Zeitpunkt bzw. Zeitraum des Übergangs in den Ruhestand auf die individuellen Bedürfnisse und auf die Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer abgestimmt und der Prozeß der Umorientierung auf die Rolle des Ruheständlers erleichtert werden. 157 Dominierendes Ziel ist es, die Selbstbestimmungsmöglichkeiten älterer Menschen in einem bestimmten Zeitraum auszudehnen. 158 Zudem können mit Regelungen eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand möglicherweise rentenpolitische Zielsetzungen erreicht werden. 159 Genannt werden von manchen Befürwortem flexibler Übergangsformen außerdem arbeitsmarktpolitische Ziele, d. h. eineVariationdes Arbeitsvolumens älterer Arbeitnehmer entsprechend der Arbeitsmarktlage. 160 Gestaltungsvariable von Modellen eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand sind die Form der Arbeitszeitreduzierung, die zeitliche Lage und die Dauer der Gleitphase sowie schließlich die Art der Kompensation des infolge der verringerten Arbeitszeit für den Arbeitnehmer entstehenden Einkommensausfalls. 161 Hinsichtlich der Form, in der die Arbeitszeit älterer Arbeitnehmer verkürzt wird, sind prinzipiell alle der genannten Möglichkeiten flexibler kürzerer Arbeitszeiten bzw. flexibler Teilzeitarbeit denkbar, beispielsweise tägliche, wochenoder monatsweise Arbeitszeitverkürzung oder ein zusätzlicher Urlaub für ältere Arbeitnehmer ("Altersfreizeit"). 162 Die Gleitphase kann vor oder nach einem bestimmten, nach gerontologischen und rentenpolitischen Zielen zu bestimmenden Zeitpunkt desAusscheidensaus dem Erwerbsleben liegen oder diesen Zeitpunkt mit einschließen, d. h. vor diesem beginnen und nach ihm enden ("zeitlich umfassende" im Gegensatz zur "frühen" respektive "späten" Gleitphase). 163 Unter dem Aspekt, dem Arbeitnehmer eine Umorientierung vom Erwerbsleben auf den 156 Vgl. U. Schüle, 1987a, S. 2; zu verschiedenen Gestaltungsformen eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand siehe z. B. H. Lampert, U. Schüle, 1987; U. Schüle, 1987a, S. 102 ff.; M. Stitzel, 1987, S. 24 ff. 157 U. Schüle, 1987a, S. 49 ff.; H. Lampert, U. Schüle, 1987, S. 3. 158 H. Lampert, U. Schüle, 1987, S. 3; U. Schüle, 1987a, S. 49 ff.; M. Stitzel, 1987, s. 17. 159 Vgl. U. Schüle, 1987a, S. 66 ff.; P. Clausing, 1988, S. 178 ff.; U. Schüle, 1988, s. 43 ff. 160 Vgl. die Nachweise zu dieser Auffassung bei U. Schüle, 1987a, S. 82 ff.; siehe auch W. Klauder, 1989, S. 85 ff. sowie G. Kühlewind, 1986, S. 209 ff. 161 U. Schüle, 1987a, S. 102 ff.; zu den Begründungen für entsprechende, durch die Rentenversicherung zu leistende Kompensationszahlungen vgl. H. Lampert, U. Schüle, 1987, s. 12 ff. 162 Siehe H. Lampert, U. Schüle, 1987, S. 11. 163 Vgl. M. Stitzel, 1985, S. 116 ff.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
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zukünftigen Ruhestand zu ermöglichen, dürften kurze (nur einige Monate dauernde) Gleitphasen zur Erreichung der gerontologischen Ziele wenig geeignet sein; darüberhinausgehende plausible Aussagen zur empfehlenswerten Dauer der Gleitphase sind dagegen kaum möglich. 164 Von den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand und insbesondere der Form der altersabhängigen Arbeitszeitverkürzung dürfte eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit zur Erreichung gerontologischer Zielsetzungen am besten geeignet sein; andere Formen der Arbeitszeitverkürzung sind dagegen wohl nur unter bestimmten Bedingungen ähnlich zielkonform. 165 Die Verbreitung von Modellen eines flexiblen bzw. gleitenden Übergangs in den Ruhestand ist in der Bundesrepublik bislang noch gering. Angebote zur Arbeitszeitverkürzung basieren überwiegend auf betrieblichen Regelungen; vereinzelt wurden diesbezüglich auch tarifvertragliche (Rahmen-)Vereinbarungen getroffen. 166 Diese Modellversuche sind überwiegend in Form des Angebots von Altersfreizeiten bzw. zusätzlichem Urlaub für ältere Arbeitnehmer gestaltet. 167 Vom Gesetzgeber wurden Vorschläge, entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten im Rentenrecht zu ermöglichen, jüngst im Rahmen eines Altersteilzeitgesetzes aufgegriffen. 168 3.2.4. Bewertung von Teilzeitarbeit und flexibler Arbeitszeit aus arbeitsmarkt-, sozial- und familienpolitischer Sicht
Eine Strategie flexibler Arbeitszeitgestaltung soll nach Meinung ihrer Befürworter gleichzeitig arbeitnehmerbezogene, einzelbetriebliche sowie arbeitsmarktund gesellschaftspolitische Zielsetzungen erreichen helfen. 169 Als erforderlich gelten vor allem ein vermehrtes Angebot von Arbeitszeiten unterhalb des "Vollzeitstandards" und weitreichende Gleitzeitregelungen 170; dabei beruft man sich auch auf entsprechende Arbeitszeitpräferenzen der Arbeitnehmer. 171 Im folgenden ist zu fragen, inwieweit Modelle einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung diese Erwartungen erfüllen können bzw. wie diese aus arbeitsmarkt-, sozialund familienpolitischer Sicht zu beurteilen sind. Die bereits in Abschnitt 3.2.3. zur Systematisierung der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeits164 165 166 167 168 169 110 111
U. Schüle, 1987a, S. 112. U. Schüle, 1987a, S. 124 f. Vgl. die Nachweise bei U. Schüle, 1987a, S. 40 ff.; P. Bellgardt, 1987, S. 26. U. Schüle, 1987a, S. 40. Altersteilzeitgesetz vom 20. Dezember 1988, BGBI. I, S. 2343. Vgl. D. Mertens, 1979, S. 268; ders., 1982a, S. 202 f. D. Mertens, 1979, S. 264 ff. Siehe Abschnitt m. 3.2.2.2.2.
15 Lampen
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
zeitflexibilisierung verwendeten Kriterien der Lage und Dauer der Arbeitszeiten und der Verteilung der Dispositionsrechte bezüglich des Arbeitseinsatzes sind auch für die Beantwortung dieser Fragen relevant.
3.2.4.1. Bewertung von Teilzeitarbeit und flexiblen Formen der Arbeitszeitgestaltung aus arbeitsmarktpolitischer Sicht In der öffentlichen Diskussion, aber auch in der Wissenschaft, ist die Frage der Beschäftigungswirkungen einer Arbeitszeitflexibilisierung umstritten; dieses gilt für die Richtung und vor allem auch für das Ausmaß potentieller Arbeitsmarkteffekte.172 Vertreter einer eher "angebotsorientierten" Arbeitsmarktpolitik betonen vielfach, daß Maßnahmen zur Arbeitszeitflexibilisierung hinsichtlich ihrer einzelwirtschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Wirkungen weiteren kollektiven Arbeitszeitverkürzungen überlegen seien. 173 Positive Beschäftigungseffekte erwartet man insbesondere von einer wachsenden Verbreitung flexibler individueller Arbeitszeiten unterhalb des "Vollzeitniveaus" (bzw. von Formen flexibler Teilzeitarbeit). 174 1n beschäftigungspolitisch günstigem Sinn wirken flexible, kürzere Arbeitszeiten unter Umständen dann, wenn im Falle absatzmarktbedingter Beschäftigungseinbrüche durch sie die Erhaltung von ansonsten unrentablen Arbeitsplätzen möglich wird. 175 Darüberhinaus könnten sich positive Beschäftigungseffekte in Form von Neueinstellungen aus einer größeren Verbreitung flexibler Teilzeitmodelle ergeben, sofern diese Arbeitszeitformen zugleich eine Ausdehnung (zumindest aber Aufrechterhaltung) der Betriebszeiten erlauben. 176 Eine entsprechende Senkung der einzelbetrieblichen Kostenbelastung verbessert auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen; Maßnahmen einer Arbeitszeitflexibilisierung ermöglichten somit auch eine Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgrades. 177 172 Die Beschäftigungswirkungen flexiblerer Arbeitszeiten sind im allgemeinen größer als deren Entlastungswirkung hinsichtlich der Arbeitslosigkeit, da bei einem größeren Angebot an Teilzeitstellen neue Arbeitskräfte zum Teil auch aus der "Stillen Reserve" rekrutiert werden und zudem auch mit einem induzierten zusätzlichen Arbeitskräfteangebot zu rechnen sein dürfte; vgl. F. Buttler, 1986, S. 39 f. 173 Vgl. etwa die Argumentation des Sachverständigenrates, z. B. im Gutachten 1983/ 84. Eine entsprechende Auffassung wird von Arbeitgeberseite vertreten; vgl. z. B. W. Schusser, 1983, S. 29 ff. und S. 54; BDA, 1987a, S. 7 ff. 174 W. Schusser, 1983, S. 41 ; R. Marr, 1984, S. 101 ff. 175 Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 324; W. Schusser, 1983, S. 44; A. Lackowski, 1984, S. 146 ff. Ein Beipiel für die arbeitsplatzerhaltende Wirkung findet sich bei L. Held-Gemeinhardt, S. Kroker, 1985, S. 175. 176 Siehe beispielsweise Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 326; W. Schusser, 1983, S. 47. Bei dauerhaftem Nachfrageanstieg wäre es nach Befragungsergebnissen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Verarbeitenden Gewerbe möglich, die Beschäftigtenzahl durch längere Betriebs- und gleichzeitig kürzere individuelle Arbeitszeiten zu erhöhen; im Handel wäre dies unwahrscheinlich. Vgl. L. Reyher u. a., 1985, S. 36 u. S. 38 f. 177 In diesem Sinne z. B. Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 326.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
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Kritiker der skizzierten "angebotsorientierten" Argumentation betonen demgegenüber, daß eine rein chronologische Arbeitszeitflexibilisierung für sich genommen nur die Arbeitsproduktivität erhöhe; daraus resultiere aber ein geringerer betrieblicher Bedarf an Arbeitskräften. 178 Deshalb werden von diesen Autoren arbeitszeitverkürzende Elemente der Arbeitszeitflexibilisierung (d. h. eine chronometrische Flexibilisierung der Arbeitszeit) für eine Zunahme der Beschäftigung als nicht hirneichend betrachtet, falls die chronologische gegenüber der arbeitszeitverkürzenden Komponente dominiert. 179 Flexible Arbeitszeitmodelle einschließlich der Teilzeitarbeit würden zumeist nur einen Abbau von (Vollzeit-) Arbeitsplätzen beziehungsweise eine Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitarbeitsplätze bewirken. 180 Eine stärkere Entkoppelung von Arbeits- und Betriebszeiten lasse deshalb (zumindest kurzfristig) negative gesamtwirtschaftliche Arbeitsmarkteffekte erwarten. 181 Auch mittelfristig seien positive Beschäftigungswirkungen, ausgelöst durch eine Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage aufgrund zusätzlicher Kaufkraft, ungewiß oder zumindest schwer quantifizierbar. 182 Eine eventuell bedingt durch die bei Arbeitszeitflexibilisierung möglichen Kostensenkungen verbesserte internationale Wettbewerbsposition der Unternehmen wirkt dieser Meinung nach ebenfalls nicht unbedingt beschäftigungssteigernd. Zum einen, so wird argumentiert, seien die Betriebsnutzungszeiten in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich bereits relativ hoch; zum anderen könnten durch einen "internationalen Deregulierungswettlauf' positive Beschäftigungswirkungen konterkariert werden. 183 Trotz der möglicherweise aus einer Arbeitszeitflexibilisierung resultierenden einzelwirtschaftliche Kosten- und Produktivitätsvorteile sind dieser Ansicht nach entsprechende Maßnahmen folglich ungeeignet, die Arbeitslosigkeit zu senken. 184 In diesem Zusammenhang wird auch darauf verwiesen, daß die Unternehmen Teilzeitarbeit vorrangig im Bereich von Arbeitsplätzen mit geringen Qualifikationsanforderungen einsetzen und die positiven B. Rürup, J. Struwe, 1984, S. 13; vgl. ferner dies., 1984 b. So gehen beispielsweise Rürup, Struwe (1984, S. 13) von einem entsprechenden Überwiegen chronologischer Komponenten aus. 180 B. Rürup, J. Struwe, 1984, S. 14 f. (mit weiterer Literatur). Sie beziehen sich dabei auf die Modelle Job Sharing, kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit und gleitende Arbeitszeit; positive Beschäftigungseffekte werden einer Herabsetzung der flexiblen Altersgrenze und dem .,Sabbatical" zugesprochen; vgl. ebenda. 1s 1 Vgl. G. Bosch, 1987a, S. 722 ff. Diese Wirkungen ergäben sich aus einer Verlagerung der Produktion auf effektivere Betriebe bzw. Betriebsteile und eine Zunahme der Unternehmenskonzentration; ebenda, S. 723 f. 182 G. Bosch, 1987a, S. 723 f. 1s3 Vgl. G. Bosch, 1987a, S. 723. 184 B. Rürup, J. Struwe, 1984, S. 21. Ähnlich G. Bosch, 1987a, S. 724. Auch die Autoren des RWI-Strukturberichts vermuten, daß erhebliche, positive Beschäftigungseffekte einer Arbeitsplatzteilung deutlich vermindernde Potentiale für Arbeitsintensivierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen gerade bei den am ehesten .,teilbaren" Arbeitsplätzen existieren; siehe RWI, 1986, S. 102. Anders dagegen die Ergebnisse von H. Hagemann, K. Sommerfeldt, 1987, v. a. S. 62 ff. 178 179
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Beschäftigungseffekte vermehrter (flexibler) Teilzeitarbeit deshalb "eher zurückhaltend" zu beurteilen seien. 185 Die gesamtwirtschaftlichen Arbeitsmarktwirkungen von Maßnahmen zur Arbeitszeitflexibilisierung sind somit in ihrer Richtung und Höhe umstritten 186; zumindest a priori dürften diese Effekte wohl auch nicht bestimmbar sein. 187 Dagegen besteht in der Frage des beschäftigungspolitischen Potentials der Arbeitszeitpolitik zumindest prinzipiell offenbar ein relativ hohes Maß an Konsens dahingehend, daß weitere Arbeitszeitverkürzungen mit flexibleren Gestaltungsformen einhergehen müssen beziehungsweise umgekehrt Flexibilisierungsmaßnahmen positive Arbeitsmarktwirkungen wohl nur bei kürzeren individuellen Arbeitszeiten haben. 188 Über präferenzengerechte, kürzere individuelle Arbeitszeiten ließen sich vermutlich aber zumindest Angebot und Nachfrage nach Teilzeitbeschäftigung besser in Übereinstimmung bringen. Am ehesten hätte bei einer Ausdehnung der freiwilligen Teilzeitarbeit vermutlich eine dauerhafte b~w. längerfristige Mehrfachbesetzungvon Arbeitsplätzen beschäftigungsfördernde Wirkungen. 189 Nach den Ergebnissen neuerer Untersuchungen könnte ein breiterer Einsatz von Teilzeitarbeit, in Verbindung mit einer konsequenteren Nutzung vorhandener Möglichkeiten zur Teilung von Arbeitsplätzen bzw. Tätigkeiten, durchaus positive Beschäftigungseffekte haben. 190 Die Bedingung hierfür wäre aber, daß es den Arbeitnehmern durch Verminderung teilzeitbedingter (Netto-)Einkommensverluste erleichtert würde, latent vorhandene Wünsche nach kürzeren individuellen Arbeitszeiten auch zu realisieren. 191 Vorgeschlagen werden zu diesem Zweck ein partieller leistungsbezogener Lohnausgleich durch die Unternehmen und staatliche Förderungen.192 185 RWI, 1986, S. 100 f. 186 F. Buttler, 1986, S. 40. 187 So jedenfalls M. Klein, 1984, S. 378. Ähnlich bezüglich der Frage der potentiellen Beschäftigungseffekte einer Verlängerung der Betriebszeiten auch B. Görzig u. a., 1988, S. 171 f. Auch die Abgrenzung (ex post) der ausschließlich auf bereits vorgenommene Arbeitszeitverkürzungen zurückzuführenden Beschäftigungseffekte gegenüber gesamtwirtschaftlichen, branchenspezifischen und sonstigen "exogenen" Einflüssen kann erhebliche Probleme bereiten, wie die Auseinandersetzungen um die Beschäftigungseffekte der 1984 tarifvertraglich vereinbarten flexiblen Arbeitszeitverkürzung auf durchschnittlich 38,5 Wochenstunden in der Metallindustrie zeigten; vgl. DIW, 1987. 188 Vgl. z. B. J. Kromphardt, 1987; F. Buttler, 1986, S. 49 f. 189 A. Hoff, 1983, S. 365 f. Dieser Effekt wird v. a. der Teilzeitarbeit in Mehrschichtsystemen zugeschrieben; vgl. ebenda, S. 366. Eine Nutzung des Mehrbeschäftigungspotentials der Teilzeitarbeit soll durch ein gesetzlich oder tarifvertraglich abgesichertes Recht auf dauerhafte oder auch nur vorübergehende Teilzeitarbeit für alle Arbeitnehmer möglichst auf allen Arbeitsplätzen ermöglicht werden; vgl. ders., 1983a, S. 241 f. 190 Siehe H. Hagemann, K. Sommerfeldt, 1988. Nach deren Schätzungen ergäbe sich bei der Hochrechnung ihrer Ergebnisse auf die Gesamtwirtschaft ein Nettozugang an neuen Vollzeitstellen in Höhe von 1,5 Millionen; siehe ebenda, S. 60 f. 191 H. Hagemann, K. Sommerfeldt, 1988, S. 73 ff.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
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Kurzfristig dürfte aber auch im Falle flexiblerer und kürzerer Arbeitszeiten kein nachhaltiger Abbau der Arbeitslosigkeit zu erwarten sein. 193 Unter längerfristigem arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischem Aspekt könnte eine Ausdehnung des Angebots von Teilzeitarbeitsplätzen und flexibler Arbeitszeiten unter Umständen eine nicht unerhebliche Rolle als Mittel zur Sicherung eines qualifizierten Arbeitsangebotes spielen. 194 Angesichts eines für die Zukunft zu erwartenden, auch demographisch bedingten Rückgangs im Angebot an "qualifizierbaren" Nachwuchskräften wird der Frauen- und Alterserwerbstätigkeit eine wachsende Bedeutung zugeschrieben. 195 Dieser Argumentation zufolge stehen die Betriebe in Zukunft zunehmend vor der Notwendigkeit, "familienfreundliche" (Teilzeit-)Arbeitsplätze anzubieten, um sich einen qualifizierten Mitarbeiterstamm aufzubauen und I oder aufrechtzuerhalten. 196 Kürzere (und flexiblere) individuelle Arbeitszeiten könnten auch vermehrt mit Maßnahmen der Unternehmen zur Weiterbildung ihrer Mitarbeiter verknüpft werden, nicht zuletzt auch auf tarifvertraglicher Grundlage. 197 Zudem könnte auch eine weitgehende Flexibilisierung der Regelaltersgrenze in Verbindung mit Möglichkeiten der Teilzeitbeschäftigung und Teilrente die für die Zukunft absehbaren globalen, strukturellen und qualifikationsbedingten Arbeitsmarktprobleme verringern helfen. Durch ein größeres Angebot von Teilzeitarbeitsplätzen bereits zum jetzigen Zeitpunkt könnte in der Gegenwart der Arbeitsmarkt entlastet und eine spätere Steigerung der Alters- (und Frauen-)Erwerbstätigkeit erheblich erleichtert werden.l9s 192 H. Hagemann, K. Sommerfeldt, 1988, S. 75 ff. Zur Erhöhung der Wirksamkeit der staatlichen Teilzeitförderung werden bisweilen staatliche Kompensationsleistungen für Einbußen bei Einkommen und sozialer Sicherheit zumindest für bestimmte Personengruppen sowie ein Ausgleich der den Betrieben bei Einsatz von Teilzeitarbeit entstehenden Mehrkosten gefordert; vgl. W. Dittrich u. a., 1989, S. 290. Allerdings sollte auch das Problem der hierdurch induzierten Mitnahmeeffekte nicht übersehen werden. 193 G. Buttler, 1986, S. 54; ähnlich H.-G. Krüsselberg, 1986, S. 56. Dies wird auch von Hagemann u. Sommerfeldt zugestanden; zur Förderung einer allgemein größeren Bereitschaft zur Teilzeitarbeit schlagen sie eine "Vorreiterrolle" des Staates vor, in Gestalt fmanzieller Förderung der Teilzeitarbeit und durch verstärkte Einführung geeigneter Formen der Teilzeitarbeit im öffentlichen Dienst (soweit dies nicht das staatliche Budgetdefizit erhöht). Siehe H. Hagemann, K. Sommerfeldt, 1988, S. 77. 194 Zur zukünftig verstärkten Bedeutung von Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen siehe z. B. Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 328 ff. 195 F. Hegner, 1987, S. 38 ff.; W. Klauder, 1989, S. 94. 196 F. Hegner, 1987, S. 38 ff.; BDA, 1987b, S. 29 f. 197 Vgl. hierzu den 1988 von der Industriegewerkschaft Chemie mit einem Unternehmen der Mineralölindustrie abgeschlossene Tarifvertrag, in dem Fortbildungsmaßnahmen während der Arbeitszeit unter Anrechnung von Zusatzfreizeiten der Mitarbeiter infolge einer Verkürzung der tarifvertragliehen Arbeitszeit vereinbart wurden. Siehe Sachverständigenrat, Gutachten 1988/89, Ziff. 330. Der Sachverständigenrat schlägt darüber hinaus vor, mittels tarifvertraglicher Vereinbarungen auch Arbeitslosen eine Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen zu ermöglichen; siehe Gutachten 1988/89, Ziff. 332. 198 W. Klauder, 1989, S. 94.
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
3.2.4.2. Bewertung von Teilzeitarbeit und flexiblen Formen der Arbeitszeitgestaltung aus sozial- und familienpolitischer Sicht Flexiblere Gestaltungsformen der Arbeitszeit und ein vermehrtes Angebot von Teilzeitarbeit sind, wie die empirischen Erfahrungen mit neuartigen Arbeitszeitmodellen zeigen, zumindest prinzipiell zur Erreichung sozial- und familienpolitischer Zielsetzungen geeignet. So könnte eine Flexibilisierung der Arbeitszeit zur Verringerung physiologischer und sozialer Belastungen der Arbeitnehmer infolge ungünstiger Arbeitszeiten beitragen, speziell bei Schicht- und Nachtarbeit 199, auch wenn flexiblere Gestaltungsformen wegen der erheblichen Bedeutung von kumulierten Belastungen nur ein Element im Rahmen umfassender betrieblicher Änderungskonzepte zur Erreichung der angestrebten Entlastung von Schichtarbeitern darstellen könnten. 200 Der Erfolg von Bestrebungen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Schichtarbeitern hängt letztlich wohl davon ab, daß diese Maßnahmen in ein konsistentes Konzept arbeitszeit- und arbeitsplatzbezogener Verbesserungen und von Veränderungen im außerbetrieblichen und sozialen Umfeld der in Schichtarbeit beschäftigten Arbeitnehmer integriert und aufeinander abgestimmt werden. 201 Schließlich könnten im Rahmen von Teilzeitschichten prinzipiell auch die Belange bestimmter Arbeitnehmergruppen, zum Beispiel Erwerbstätiger mit familiären Verpflichtungen sowie älterer und (oder) gesundheitlich eingeschränkter Arbeitskräfte, besser berücksichtigt werden. Flexible Gestaltungsformen der Arbeitszeit einschließlich (flexibler) Teilzeitarbeit können grundsätzlich für erwerbstätige oder an der (Wieder-)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit interessierte Arbeitnehmer, die aus familiären Gründen eine kürzere individuelle Arbeitszeit wünschen, nicht unerhebliche Vorteile bieten. Wie in Abschnitt 3.2.3.3. dargestellt wurde, bieten flexible Arbeitszeiten je nach den Gestaltungsmodalitäten der Arbeitszeitmodelle eine gute Möglichkeit zur Verringerung der Doppelbelastung vieler (vorwiegend weiblicher) Erwerbstätiger durch Beruf und Familie. Für die Entscheidung einer Arbeitnehmeein bzw. eines Arbeitnehmers, die Erwerbstätigkeit nach der Familiengründung und I oder 199 Zum Beispiel durch Gleitzeitregelungen auch für Schichtarbeiter und Teilzeitschichten; vgl. z. B. H. Bielenski, W. Streich, 1981, S. 179. 2oo F. Nachreiner u. a., 1985, S. 921 ff.; M. Schefer-Held, 1987, vor allem S. 330 ff. Neben primär arbeitsplatzbezogenen Verbesserungen müßten wohl auch die medizinischen, sozialen und beruflichen Rahmenbedingungen der Schichtarbeit besser gestaltet werden. Insbesondere wäre eine permanente gesundheitliche und psychologische Betreuung der Schichtarbeiter sicherzustellen; ferner könnte deren berufliche und soziale Sicherung im Verlauf des Arbeitslebens verbessert werden. Vgl. zu diesen Vorschlägen F. Nachreiner u. a. 1985, S. 922 f.; J. Münstermann, K. Preiser, 1978, S. 185 ff. Durch günstigere Gestaltung der Wohn- und Freizeitverhältnisse von Schichtarbeitern könnten deren außerberufliche Lebens- und speziell die Regenerationsbedingungen verbessert werden; vgl. J. Münstermann, K. Preiser, 1978, S. 187 ff.; F. Nachreiner u. a., 1985, S. 922 f.; M. Schefer-Held, 1987, S. 332. 201 Vgl. z. B. F. Nachreiner u. a., 1985, S. 922 f.; M. Schefer-Held, 1987, S. 330 ff.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik.
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der Geburt eines Kindes beizubehalten oder zeitweise zu unterbrechen, dürften gerade auch die Aussichten auf eine erfolgreiche Wiedereingliederung in den früheren Berufbedeutsam sein. Letztere wiederum sind vermutlich nicht unabhängig vom jeweiligen Berufsfeld und dem Qualifikations- bzw. Anforderungsniveau im zuletzt ausgeübten Beruf. 202 In diesem Zusammenhang unterscheidet man bisweilen verschiedene Tätigkeiten bzw. Qualifikationen nach dem Grad ihrer "Unterbrechungssensibilität". Als "unterbrechungssensibel" gelten Tätigkeitsfelder (Berufe bzw. Branchen), die den Arbeitskräften im Falle der Berufsunterbrechung eine Berufsrückkehr, d. h. die erneute Berufstätigkeit, nur mit vermehrten Anstrengungen ermöglichen. Indikatoren für den Grad der "Unterbrechungssensibilität" könnten etwa sein das Ausmaß technologischer Veränderungen und der Änderung des notwendigen Fachwissens in einem Beruf bzw. Berufsfeld, die Weiterbildungsmöglichkeiten während der Unterbrechungsphase, Veränderungen des Organisationsablaufes in einer Branche oder der Flexibilitätsgrad der Arbeitszeitangebote in einem Berufsfeld. 203 Flexiblere Formen der Arbeitszeitgestaltung könnten gerade auch bei "unterbrechungssensiblen" Tätigkeiten und Qualifikationen dazu beitragen, Unterbrechungen in der individuellen Erwerbsbiographie möglichst zu vermeiden oder deren Dauer wenigstens zu verkürzen. Dann ließe sich vielleicht die Gefahr einer (partiellen oder sogar vollständigen) Entwertung der von den Arbeitnehmern in Ausbildung und Beruf erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten eher vermeiden.204 Erhebliche sozialpolitische Vorteile können flexiblere Gestaltungsformen der Arbeitszeit und (flexible) Teilzeitarbeit insbesondere auch in Verbindung mit einem "gleitenden" Übergang in den Ruhestand haben. Ein "gleitender" Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand kann bei geeigneter Ausgestaltung einige der individuell nachteiligen Wirkungen der einstufigen Pensionierung vermeiden helfen, vor allem ermöglichen entsprechende Gestaltungsformen unter Umständen eine weitgehend konfliktfreie Anpassung älterer Arbeitnehmer an den Ruhestand. 205 Bei entsprechender Ausgestaltung dieser Modelle ließe sich vermutlich ein höheres Maß an Selbstbestimmung und Persönlichkeitsentfaltung speziell für ältere Arbeitnehmer erreichen. Zudem ergibt sich je nach Ausgestaltung die 202 Vgl. E. Gaug1er, E. Schaich, M. Vollmer, 1984, S. 166 ff. Die durchschnittliche Häufigkeit und Dauer der- sehr häufig familienbedingten- Unterbrechung(en) der Erwerbsphase hat v. a. bei jüngeren Arbeitnehmerinnen in den letzten acht bis zehn Jahren abgenommen; vgl. die Ergebnisse bei G. Enge1brech, 1987, S. 188 f. 203 Rückkehrprobleme ergeben sich beispielsweise häufig bei Arbeitnehmern, die im Gesundheitssektor tätig sind; dagegen dürfte der Einzelhandelsbereich wenig(er) "unterbrechungssensibe1" sein. Vgl. E. Gaugler, E. Schaich, M. Vollmer, 1984, S. 167 und s. 169. 204 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die in Abschnitt III. 3. 2. 3. 2. 1. genannten empirischen Befunde zum Berufsverlauf von Frauen. 205 U. Schüle, 1987a, S. 66; M. Stitzel, 1985, S. 118.
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
Möglichkeit einer Entlastung der Rentenversicherung, speziell wenn es zu Änderungen im Renteneintrittsverhalten kommt. 206 F1exiblere Ruhestandsregelungen könnten somit die Erreichung gesundheitsund sozialpolitischer Zielsetzungen nicht unerheblich fördern. Trotz der genannten potentiellen Vorteile einer Flexibilisierung der individuellen Arbeitszeiten der Arbeitnehmer ist gleichwohl darauf hinzuweisen, daß die Wirkungen flexibler Arbeitszeitformen sehr stark von den spezifischen Ausprägungen der jeweiligen Modellparameter sowie von der Ausgestaltung und Verteilung von Dispositions- und Kontrollmöglichkeiten abhängen. Sowohl Gleitzeitregelungen als auch Teilzeitarbeit und flexiblere Arbeitszeitformen können je nach den in einem spezifischen Modell gegebenen Bedingungen unter Umständen auch erhebliche Nachteile für die Beschäftigten beinhalten, wie gerade auch von Seiten der Gewerkschaften betont wird. 2m Von gewerkschaftlicher Seite wird unter anderem befürchtet, daß es im Falle flexiblerer Gestaltung der Arbeitszeiten durch Elemente der Gleitzeitarbeit verstärkt zu arbeitsanfallorientiertem Arbeitseinsatz und "verdeckter Schichtarbeit" sowie zu einer Aushöhlung des Arbeitszeitschutzes kommen könnte. 208 Auch bei der Bewertung der Teilzeitarbeit sind deren mögliche Nachteile zu berücksichtigen. Problematisch erscheint insofern vor allem, daß der vermehrte Einsatz von Teilzeitbeschäftigten mit einer (erheblichen) Arbeitsintensivierung einhergehen könnte. Nicht unbegründet sind, wie auch die hier zitierten empirischen Befunde belegen, die häufig geäußerten Einwände, daß für die gegenwärtig angebotenen Teilzeitarbeitsplätze (häufig oder sogar überwiegend) geringe Qualifikationsanforderungen und Aufstiegschancen sowie eine (zumal gegenüber Vollzeitarbeitsverhältnissen) verminderte Arbeitsplatzsicherheit und soziale Absicherung der in Teilzeitarbeit beschäftigten Arbeitnehmer kennzeichnend sind. 209 Anzuerkennen ist wohl zudem auch, daß flexiblere Arbeitszeitformen möglicherweise einseitig betrieblichen Interessen dienen können 210; inwieweit eine größere ,,zeitsouveränität" der Arbeitnehmer realisierbar ist, ist wohl je nach den jeweils von Arbeitszeitflexibilisierungen betroffenen Arbeitnehmergruppen, der spezifischen Arbeitsmarktsituation und den der betrieblichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer eingeräumten Mitgestaltungsund Kontrollbefugnissen durchaus unterschiedlich zu beantworten.
206 Siehe hierzu und zu den Voraussetzungen für entsprechende Wirkungen H. Lampert, U. Schüle, 1987, S. 18 ff., S. 20 ff. 2m Vgl. DGB 1986, S. 257 f. Flexible Arbeitszeiten werden vom DGB in erster Linie mit JobSharing und Abrufarbeit gleichgesetzt; ebenda, S. 257. Vgl. auch D. WinklerBüttner, 1986. 208 Vgl. A. Hoff, 1982, S. 207 f.; DGB, 1986, S. 256 ff.; R. Schmidt, 1987, S. 742. 209 Vgl. zu diesen Argumenten z. B. M. Langkau-Herrmann, U. Schollen, 1986, S. 192 f.; DGB, 1986, S. 257; I. Kurz-Scherf, 1987, S. 528. Siehe ferner A. Hoff, 198~~
s. 204 ff. 210
Dies kritisiert vor allem der DGB; vgl. DGB, 1986, S. 257 f.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
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Allerdings kann es auch angesichts dieser prinzipiell durchaus gegebenen Probleme von Teilzeitarbeit und flexiblen Formen der Arbeitszeit, die sich zudem bei verstärkter Nutzung flexiblerer Beschäftigungsformen möglicherweise weiter verschärfen könnten, nicht darum gehen, auf die (wie dargestellt) durchaus erheblichen potentiellen Vorteile einer flexibleren Arbeitszeitpolitik generell zu verzichten. Vielmehr müßte durch entsprechende gesetzliche und vor allem kollektivvertragliche Regelungen auf Tarif- und Betriebsebene sichergestellt werden, daß auch bei flexibleren Arbeitszeitformen und speziell flexibler Teilzeitarbeit der gesetzliche bzw. tarifvertragliche Arbeitnehmerschutz nicht unterlaufen wird 211 und die Tarifvertragsnormen nicht ihre Schutz- und Ordnungsfunktion zumindest in Teilbereichen bzw. für Teilgruppen des Arbeitsmarktes faktisch einbüßen. Damit ließe sich die von gewerkschaftlicher Seite im Falle flexibler Arbeitszeiten befürchtete "allgemeine Flexibilisierung und Erosion des Normalarbeitsverhältnisses" 212 wohl am besten vermeiden. In neuerer Zeit scheint auch die beim DGB und einigen DGB-Gewerkschaften früher vorherrschende Haltung, diesbezügliche Kollektivvereinbarungen generell abzulehnen, zumindest teilweise einer etwas pragmatischeren Linie zu weichen. 213 So wurden seitens des DGB 1986 in Reaktion auf die wachsende Bedeutung der Teilzeitbeschäftigung eine Reihe von Anforderungen formuliert, die die gewerkschaftlicherseits für notwendig erachteten Gestaltungskriterien von Teilzeitarbeitsverhältnissen betreffen. 214 Auch im Rahmen von Tarifverträgen wird das Ziel, Mindestbedingungen für Teilzeitarbeitsverhältnisse festzuschreiben, neuerdings etwas stärker berücksichtigt. 21s Alles in allem betrachtet sind bestimmte Gestaltungsformen einer flexibleren Arbeitszeit wohl zumindest im Prinzip durchaus geeignet, sozial- und familienpolitische Zielsetzungen besser zu erreichen. Um dieses Potential im Rahmen einer erweiterten Arbeitszeitpolitik optimal zu nutzen, dürften allerdings Maßnahmen in verschiedenen Gestaltungsbereichen erforderlich sein. Notwendig ist es wohl 211 So aber die Befürchtung der Gewerkschaften. Vgl. G. Bosch, 1987, S. 234 ff.; I. Kurz-Scherf, 1987, S. 528; I. Kurz-Scherf, 1987 a, S. 705 f. 212 Vgl. hierzu I. Kurz-Scherf, 1987, S. 528; U. Zachert, 1988. Zachert interpretiert als Normalarbeitsverhältnis "das auf Dauer angelegte, in seinem Bestand in gewissem Umfang rechtlich geschützte Vollzeitarbeitsverhältnis"; vgl. ebenda, S. 129. 213 Zur Argumentation von Seiten der Gewerkschaften bis in die frühen achtziger Jahre hinein vgl. die Darstellung bei A. Hoff, 1982. 214 DGB, 1986, S. 258. Gefordert wird unter anderem; Mindest- und Höchstarbeitszeiten für Teilzeitarbeitnehmer - möglichst über der Sozialversicherungspflichtgrenze arbeitsvertraglich festzulegen, ferner die Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes bei Teilzeitbeschäftigten, ein Recht auf freiwillige Teilzeitarbeit (mit der Möglichkeit zur Rückkehr auf einen Vollzeitarbeitsplatz) sowie auf die Vorab-Festlegung von Dauer und Lage der täglichen Arbeitszeiten im Arbeitsvertrag; vgl. ebenda. 21s So wurden 1987 erstmals von zwei Industriegewerkschaften, der IG Chemie und der IG Bergbau, eigenständige Tarifverträge zur Teilzeitarbeit abgeschlossen. Vgl. I. Kurz-Scherf, 1987, S. 529; dies., 1987a, S. 705.
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insbesondere, ein breiteres Spektrum an Gestaltungsformen für flexible Arbeitszeiten und flexible Teilzeitarbeit gerade auch für Arbeitsplätze mit höheren Qualifikationsanforderungen anzubieten. Insgesamt sollte eine möglichst ausgewogene Verteilung der Entscheidungs- und Verfügungsrechte zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sichergestellt werden. Darüberhinaus müßten flexiblere Arbeitszeiten mehr als bislang mit ergänzenden und flankierenden sozial-, familien-und bildungspolitischen Maßnahmen in verschiedenen Gestaltungsbereichen .koordiniert und verknüpft werden, um einige der vermutlich oder tatsächlich auf Seiten der Arbeitnehmer wie der Unternehmen bestehenden Barrieren für eine stärkeren Nutzung der Teilzeitarbeit zu beseitigen. Eine größere Verbreitung von Formen der Teilzeitarbeit, die auch in sozialund familienpolitischer Hinsicht vorteilhaft sind, .könnte vermutlich durch Modifikation verschiedener Regelungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts gefördert werden. Im Bereich der Systems der sozialen Sicherung dürfte es generell notwendig sein, die derzeitigen und zukünftig zu erwartenden sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen der Teilzeitbeschäftigung transparenter zu gestalten, und zwar bezüglich der Versicherungspflicht, des Bestehens und der Höhe etwaiger Leistungsansprüche im Falle (flexibler) Teilzeitarbeit und der sich aus bestimmten Gestaltungsformen bezüglich Umfang und I oder Lage der Arbeitszeit ergebenden Folgen. 21 6 Ferner müßte wohl die Rechtssicherheit hinsichtlich bestehender Ansprüche (besser) garantiert werden. Eine Teilzeitbeschäftigung dürfte sonst .kaum für eine größere Zahl von Arbeitnehmern zu einer ernsthaften und gegebenenfalls auch freiwillig gewählten Alternative zur Vollzeittätigkeit werden. 217 Darüberhinaus wird verschiedentlich vorgeschlagen, innerhalb einzelner Zweige der Sozialversicherung eine Anpassung der Bestimmungen zur Versicherungspflicht und zum Leistungsanspruch vorzunehmen, z. B. die Bestimmungen zur Versicherungspflicht von Teilzeitbeschäftigten in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung zu vereinheitlichen und vor allem die Regelungen bezüglich geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse anzupassen. 218 Änderungsbedarf wird darüberhinaus bei den Vorschriften über den Leistungsanspruch in der Sozialversicherung gesehen: so wird .kritisiert, daß das Verbleiben in einer langen, 216 Zur Förderung der Verbreitung von Teilzeitarbeitsverhältnissen wurde daher vorgeschlagen, die in den verschiedenen Sozialversicherungszweigen jeweils den Wegfall von Leistungsansprüchen bei längerdauernden Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit regelnden Bestimmungen zu vereinheitlichen, um dadurch etwaige Lücken im Versicherungsschutz eines Arbeitnehmers zu vermeiden (soweit sie nicht von diesem gewollt sind). Vgl. zu dieser Auffassung M. Landenberger, 1985, S. 412. 211 In diesem Sinne H. Winterstein, 1986, S. 200 f. 218 M. Landenberger, 1985, S. 411 f. Ambivalente Wirkungen hätte aber wohl die von Landenherger (ebenda, S. 324 f.) geforderte Einführung einer generellen Versicherungspflicht unabhängig vom Umfang der Arbeitszeit bzw. des Entgelts. Siehe in diesem Zusammenhang etwa A. Weber, 1988, S. 17 ff.
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möglichst ununterbrochenen Vollzeitbeschäftigung durch bestimmte Regelungen in diesem Bereich gefördert werde. 219 Eine stärkere Verbreitung von Teilzeitbeschäftigung könnte wohl auch durch Änderungen bei verschiedenen Regelungen im Bereich der Schutz- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer gefördert werden, um möglicherweise bei den Betrieben bzw. Unternehmen diesbezüglich bestehende Hemmnisse abzubauen. So könnten im Bereich des Arbeitszeitrechts flexible Arbeitszeitregelungen vermutlich erleichtert werden, indem man die gemäß Arbeitszeitordnung zulässigen Obergrenzen für die tägliche Arbeitszeit (grundsätzlich zehn Stunden pro Tag, siehe § 4 Abs. 3 AZO) für Teilzeitbeschäftigte - in begrenztem Umfang - lockert. 220 In diesem Zusammenhang wird auch gefordert, das grundsätzliche Verbot der Nachtarbeit von Arbeiterinnen(§ 19 AZO) zu modifizieren 221 , das heißt Nachtarbeit gewerblicher Arbeiterinnen grundsätzlich zuzulassen. 222 Um die Verbreitung von Teilzeitarbeit zu fördern, wurden bzw. werden verschiedentlich auch Änderungen des Betriebsverfassungsrechts (BetrVG) und des Unternehmensverfassungsrechts (MitbestG) vorgeschlagen. 223 Danach sollte die Behandlung von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen bei der Ermittlung der Belegschaftsgröße eines Betriebes bzw. Unternehmens geändert werden. Um für die Betriebe bzw. Unternehmen einen stärkeren Anreiz zur Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen zu schaffen, könnte man zumindest bei bestimmten Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes und des Mitbestimmungsgesetzes die Modalitäten für die Anrechnung von Teilzeitarbeitnehmern bei der Ermittlung der Belegschaftsgröße an das jeweilige Stundenvolumen der Teilzeitkräfte binden. 224 Allerdings dürfte es nicht sinnvoll sein, Teilzeitkräfte im Betriebsverfas219 M. Landenberger, 1987, S. 197 f. u. S. 199 f.; dies., 1985, S. 410 f. Als Beispiele werden genannt die Schwellenwerte und Wartezeiten für den Anspruch auf Versicherungsleistungen, vor allem in der Gesetzlichen Rentenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung; siehe M. Landenberger, 1987, S. 197 f.; dies, 1985, S. 325 ff., S. 332 ff. und S. 410 f. Vgl. auch F. Ruland, 1987, S. 24. 220 Vgl. M. Löwisch (1984, S. 200), der eine Ausnahmeregelung für Teilzeitkräfte fordert, um für diese prinzipiell eine 12-stündige tägliche Arbeitszeit (im Zeitraum einer Doppelwoche) zu ermöglichen. 221 Vgl. D. Gaul, 1987, S. 1662 ff.; P. Schüren, 1985, S. 26. Diese Regelung wurde, trotz vielfach geübter Kritik, auch in den Regierungsentwurf für ein Arbeitszeitgesetz übernommen (vgl. Bundestagsdrucks. 11/360 vom 25.5.1987; siehe D. Gaul, 1987, S. 1662 (mit weiteren Nachweisen zur Kritik). 222 Damit sollen Benachteiligung der Frauen durch "übertriebenen" Schutz vermieden werden. Etwaige Ausnahmen von diesem Grundsatz sollten in Sondervorschriften festgelegt werden; siehe D. Gaul, 1987, S. 1668. 223 Vgl. z. B. M. Löwisch, 1984. 224 Zum Beispiel Teilzeitkräfte mit bis zu dreißig Wochenarbeitsstunden entsprechend einem halben Vollzeitbeschäftigten; vgl. M. Löwisch, 1984, S. 206 ff. u. S. 213. Löwisch schlägt entsprechende Änderungen vor für die§§ 38, 99, 106 und 111 des BetrVG 1972, ferner für§ 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG 1976 und§ 1 Abs. 2 MontanMitbestG und für§ 77 BetrVG 1952. Mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 wurden § 23 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz, § 2 Abs. 3 Arbeitsplatzschutzgesetz und § 10 Abs. 2 Lohnfortzah-
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sungs- und Unternehmensverlassungsrecht generell nur noch entsprechend ihrer jeweiligen individuellen Arbeitszeit zu beriicksichten; bei einer Änderung wäre vielmehr auf den der jeweils in Frage stehenden Regelung zugrundeliegenden Zweck abzustellen, um insbesondere auch "die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer" 225 zu wahren. Insgesamt betrachtet dürlte es empfehlenswert sein, Änderungen bei verschiedenen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen jeweils unter dem Aspekt vorzunehmen, die Teilzeitarbeit zu einer gleichwertigen Alternative zur Vollzeitarbeit auszubauen und gleichzeitig eine einseitige Bevorzugung einer bestimmten Arbeitszeitform zu vermeiden. Diese Forderung hätte wohl gerade auch hinsichtlich der Arbeitnehmerrechte zu gelten; allerdings sollte daneben das Ziel, zur Vergrößerung des betrieblichen Angebots an Teilzeitstellen beizutragen, soweit als möglich mitberücksichtigt werden. Gleichzeitig sollten rechtliche Anpassungen bzw. Änderungen es den Arbeitnehmern erleichtern, sich entscheidungsrelevante und entsprechend transparente Informationen über die arbeitsund sozialrechtlichen Konsequenzen eines Teilzeitbeschäftigungsverhältnisses zu beschaffen. Hierdurch ließen sich wohl die Chancen verbessern, daß der Wunsch nach Teilzeitbeschäftigung, wie er bei einem Teil der Arbeitnehmer vermutlich besteht, auch tatsächlich verwirklicht würde. Aus den Erlahrungen mit bislang realisierten Formen der Teilzeitarbeit kann der Schluß gezogen werden, daß das quantitative und qualitative Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen noch weiter verbessert werden muß. Wie verschiedene Erhebungen zur Teilzeitarbeit zeigen, sind die Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit nach wie vor recht ungleichmäßig auf verschiedene Tätigkeitsbereiche bzw. Qualifikationsstufen verteilt. Das Ziel, mit Hilfe flexiblerer Teilzeitmodelle ein breiter gefächertes Teilzeitangebot zu realisieren, konnte offenbar (bislang) nicht im elforderliehen Umfang erreicht werden. So bestehen (flexible) Arbeitszeiten unterhalb des Umfangs von Vollzeitarbeit derzeit, wie dargestellt, vorrangig im Dienstleistungsbereich und im Handel. Die entsprechenden Arbeitszeitformen betreffen außerdem offenbar hauptsächlich Arbeitsplätze, deren Arbeitsinhalte relativ geringe Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten stellen. Notwendig erscheint demzufolge eine erhebliche Ausweitung des Angebots an qualifizierter Teilzeitarbeit, um den Arbeitnehmern die Realisierung eventuell vorhandener Teilzeitwünsche zu ermöglichen, ohne damit das Risiko einer Dequalifizierung bzw. eines endgültigen Verlustes beruflicher Aufstiegschancen einzugelungsgesetz dahingehend geändert oder ergänzt, daß geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer mit einer Arbeitszeit von weniger als 10 Stunden pro Woche oder 45 Stunden pro Monat bei der Feststellung der Zahl der vom Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen sind; im Lohnfortzahlungsgesetz sind Arbeitnehmer bis zu 20 Wochenstunden nur halb, diejenigen mit bis zu 30 Wochenstunden nur zu 75 % anzusetzen (siehe § 10 Abs. 2 S. 6 LohnfortzahlungsG). 22s M. Löwisch, 1984, S. 213.
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hen. 226 Aus familienpolitischer Perspektive erscheint die Ausdehnung der qualifizierten Teilzeitarbeit erforderlich, um es Frauen und Männern gleichermaßen zu erleichtern, eine Berufstätigkeit mit familiären Verpflichtungen in Einklang bringen zu können und um den Partnern eine ausgewogenere Aufgabenverteilung im Bereich der Kindererziehung und Haushaltsversorgung zu erleichtern. Die derzeit praktizierten Teilzeitmodelle unterscheiden sich wie gezeigt teilweise erheblich hinsichtlich der Arbeitszeitlage, -dauer und der Verteilung der Verfügungsrechte über den Arbeitseinsatz; einige Gestaltungsformen sind hinsichtlich der vereinbarten Modalitäten der Arbeitszeit für die betroffenen Arbeitnehmer wenig vorteilhaft. Demzufolge dürfte es zur Steigerung der Attraktivität von (freiwilliger) Teilzeitarbeit sinnvoll sein, diejenigen flexiblen Arbeitszeitformen und Vereinbarungen über Teilzeitarbeit einzuschränken, die die Kompetenzen zur Nutzung bestehender Flexibilitätsspielräume im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle einseitig demjeweiligen Betrieb zuweisen. Aktivitäten zur Vermeidung dergestalt einseitiger Arbeitszeitvereinbarungen sollten, um effektiv zu sein, vorrangig von den Gewerkschaften bzw. Tarifvertragsparteien ergriffen werden. 227 Anzustreben wäre auch ein besserer Ausgleich zwischen den betrieblich angebotenen Teilzeitstellen einerseits und den von den Teilzeitinteressenten gewünschten strukturellen Merkmale der Teilzeitarbeitsplätze andererseits. 228 Dem als zweites genannten Ziel kommt insbesondere auch unter familienpolitischem Gesichtspunkt Bedeutung zu. Zur Annäherung an die genannten Zielsetzungen dürfte es somit erforderlich sein, eine quantitativ größere sowie inhaltlich und bezüglich der Ausgestaltung von Lage, Umfang und Beweglichkeit der Arbeitszeit differenziertere Zahl von Teilzeitarbeitsplätzen anzubieten. Die Betriebe müßten ihre Anforderungen an die Flexibilität der Arbeitskräfte überprüfen, um dem vielfach stark eingeengten zeitlichen Bewegungsspielraum der Arbeitnehmer besser entsprechen zu können. Andererseits müßten die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeitpräferenzen im Hinblick auf Zeitrestriktionen der Betriebe überprüfen. Die jeweils unterschiedlichen Flexibilitätserfordernisse und -möglichkeiten sollten möglichst schon bei der Bewerbung der Arbeitskräfte um Teilzeitstellen, bei der Stellenvermittlung sowie ferner bei der Besetzung von Teilzeitpositionen durch die Unternehmen offengelegt werden. 229 226 Solange eine Teilzeitbeschäftigung vorwiegend von Frauen gewählt wird, könnte es sonst bei vermehrter Teilzeitbeschäftigung indirekt zu einer unerwünschten Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer kommen. 221 Hierzu bedarf es wohl einer größeren Sensibilität vor allem auch der Betriebsräte für problematische Gestaltungsformen der Teilzeitarbeit, da die entsprechenden Probleme insbesondere auf der einzelbetrieblichen Ebene auftreten. 228 Wissenschaftlicher Beirat, 1984, S. 229 ff. 229 Vgl. zu diesen Bedingungen einer auch familienpolitisch vorteilhaften Arbeitszeitgestaltung auch Wissenschaftlicher Beirat, 1984, S. 210 ff., zur Teilzeitarbeit speziell s. 223 ff.
238
Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
Darüberhinaus könnten die Anbieter von Arbeitsplätzen sich bei der Schaffung von Teilzeitpositionen und deren struktureller Ausgestaltung stärker an den Möglichkeiten der Beschäftigten orientieren. 230 Außerbetrieblich verursachte Restriktionen in der zeitlichen Flexibilität der Arbeitnehmer zeigen sich z. B. in Gestalt rigider Öffnungszeiten von Einrichtungen der Kindererziehung und in einem generell oder zu bestimmten Tageszeiten ungünstigen bzw. unzureichenden Angebot öffentlicher Verkehrsmittel. 231 Diese von den Arbeitskräften nicht beeinflußbaren Beschränkungen ihrer zeitlichen Flexibilität könnten von den Unternehmen in stärkerem Maße akzeptiert und I oder soweit als möglich im Sinne einer Änderung beeinflußt werden. Gefordert sind in diesem Zusammenhang aber vor allem Akteure auf der außerbetrieblichen Ebene, z. B. die Tarifparteien, die Verbände sowie die Anbieter öffentlicher Verkehrsmittel und alle Ebenen des politisch-administrativen Bereiches. Anzustreben wäre ein nach Quantität und Zeitstruktur den Bedürfnissen erwerbstätiger Eltern besser gerecht werdendes Angebot an Betreuungseinrichtungen. 232 Entsprechende Betreuungsangebote könnten ersatzweise unter Umständen auch von den Unternehmen selbst für ihre durch familiäre Pflichten zeitlich gebundenen Beschäftigten organisiert werden. Auch Initiativen auf Verbandsebene und auf privater Basis könnten stärker als bislang angeregt und unterstützt werden. Entsprechende familien- bzw. kinderorientierte Maßnahmen erscheinen insgesamt betrachtet unverzichtbar, um eine wachsende Verbreitung derjenigen Gestaltungsformen der Arbeitszeit zu erreichen, die auch unter sozial- und familienpolitischem Aspekt wünschenswert sein dürften. Besondere Aufgaben ergeben sich im Zusammenhang mit der Förderung der Teilzeitarbeit angesichts der Probleme von Arbeitnehmern, die erstmalig oder nach einer Unterbrechung erneut erwerbstätig werden wollen. Von (quantitativ) großer Bedeutung ist dabei insbesondere die Gruppe der nach familienbedingter Unterbrechung rückkehrwilligen, an Teilzeitarbeit interessierten Personen, speziell Frauen. Als wesentliches Hindernis für eine erfolgreiche Wiedereingliederung der betreffenden Arbeitskräften erweist sich häufig, daß deren Qualiftkationen- weil zu gering oder zeitbedingt veraltet- nicht den betrieblichen Anforderungen entsprechen. Zur Minderung der Schwierigkeiten in diesem Bereich könnte eine verstärkte, komplementäre betriebsnahe Förderung der Qualifizierung und Weiterbildung rückkehrwilliger Berufsunterbrecher I -innen entweder bei Wiedereintritt in ein Arbeitsverhältnis oder schon während der Unterbrechungs-
Siehe auch H. Bielenski, B. Strümpel, 1988, S. 96 ff., v. a. S. 102 f. Vgl. z. B. Wissenschaftlicher Beirat, 1984, S. 153 ff. 232 Dringlich erscheint speziell die Ausweitung einer bedarfsadäquaten Versorgung mit verkehrsmäßig leicht erreichbaren Kindererziehungs- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie die Überprüfung von Dauer und Lage der Öffnungszeiten bestehender Einrichtungen. Vgl. hierzu A. Hellmich, 1986; Wissenschaftlicher Beirat, 1984, S. 153 ff.; C. Born, Ch. Vollmer, 1983, S. 15 ff. 230 231
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
239
phase dienen. 233 Besondere Bedeutung dürfte neben der Intensivierung von Qualifizierungsmaßnahmen bereits während der Unterbrechungsphase einer Verkürzung der Zeit der Nichterwerbstätigkeit zukommen; zu diesem Zweck sollten verstärkt Teilzeitarbeitsplätze bereitgestellt werden. Eine eventuell mehrstufige, bei Bedarf zunächst Grundlagenwissen vermittelnde, betriebsnah erfolgende Qualifizierung und Weiterbildung könnte den beruflichen Wiedereinstieg von Frauen erleichtern. 234 Notwendig ist vermutlich ein enger und möglichst über die ganze Unterbrechungsperiode hinweg aufrechterhaltener Kontakt der an einer Wiedereingliederung interessierten Personen mit der Arbeitsverwaltung, mit den Trägem von Weiterbildungsmaßnahmen und mit dem (früheren) Arbeitgeber. Die Unternehmen könnten auch verstärkt für ehemalige Mitarbeiter und Betriebsfremde während der "Familienphase" zeitlich befristete Tätigkeiten anbieten. 235 Ein Eltemurlaub in Verbindung mit einer seitens des Unternehmens gegebenen Rückkehrgarantie dürfte den Begünstigten die Entscheidung für eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zum Zweck der Kinderbetreuung erheblich erleichtern. Sinnvoll könnte darüberhinaus ein spezieller Beratungsdienst der Arbeitsämter für die an einer Rückkehr in das Erwerbsleben interessierten Frauen sein 236, eventuell auch eine großzügigere individuelle finanzielle Förderung im Falle der Teilnahme an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen zugunsten besonderer Zielgruppen, z. B. für Frauen nach familienbedingter Unterbrechung der Erwerbstätigkeit. 237 Eine Vermehrung der Zahl von Teilzeitangeboten, die darauf abzielte, die Aussichten auf (frühzeitige) Wiedereingliederung nach einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit (oder auch im Falle des Wunsches, erstmalig erwerbstätig zu sein) zu verbessern, würde nicht nur den Arbeitnehmern nutzen (zum Beispiel auch in Form des Erwerbs eines eigenständigen Rentenanspruchs), sondern auch den Betrieben. Angesichts der absehbaren bzw. prognostizierten demographischen Entwicklung in der Bundesrepublik könnte die betriebliche Arbeitszeitpolitik zu einem wichtigen Anreizinstrument in der Personalpolitik der Unternehmen werden. So ließen sich auf dem Wege einer frauen- und familienfreundlicheren Arbeitszeitgestaltung für den Betrieb in der Zukunft eher qualifizierte Mitarbeiter gewinnen und erhalten. 238 Vgl. M. Weg u. a., 1986, S. 430 ff. Wichtig dürfte es in diesem Zusammenhang vor allem auch sein, die spezifischen Zeitrestriktionen von Müttern mit Kinderbetreuungspflichten zu berücksichtigen; vgl. E. Gaugler, E. Schaich, M. Vollmer 1984, S. 249 ff. 235 Zum Beispiel als Urlaubsvertretungen, Saisonaushilfen, etc. Zur Analyse der Wirkungen solcher Maßnahmen der "Berufskontaktpflege" von Frauen während der Familienphase vgl. A. Hellmich, 1986, insbesondere S. 271 ff., S. 281 ff.; siehe auch M. Weg u. a., 1986, S. 431 f. 236 Wissenschaftlicher Beirat, 1984, S. 255 f. 237 In diesem Sinne A. Hellmich, 1986, S. 162 ff.; E. Gaugler, E. Schaich, M. Vollmer, 1984, s. 252. 238 F. Hegner, 1987, S. 38 ff.; vgl. auch W. Klauder, 1989, S. 94. 233 234
240
Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
3.2.5. Zusammenfassung Wie in den vorangehenden Abschnitten dargestellt wurde, besteht bei den Unternehmen ein erheblicher Bedarf an flexiblerer Gestaltung der Arbeitszeiten; darüberhinaus kann eine Neuorientierung der Arbeitszeitpolitik von Staat, Tarifparteien und auf der einzelbetrieblichen Ebene zu einer besseren Erfüllung arbeitsmarkt-und sozialpolitischer, speziell falnilienpolitischer Zielsetzungen beitragen. Hierfür sind allerdings erhebliche Verbesserungen im quantitativen und qualitativen Angebot an Arbeitsplätzen mit Arbeitszeiten unterhalb des Vollzeitniveaus notwendig. Flankierend sollten Modifikationen in gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen werden, um für Betriebe und Arbeitskräfte den Anreiz zu erhöhen, (flexible) Teilzeitarbeit anzubieten bzw. freiwillig (vorübergehend oder dauerhaft) eine Teilbeschäftigung aufzunehmen. Notwendig ist ferner, daß Lösungen gefunden und realisiert werden, die die (berechtigten) Schutzinteressen der Arbeitnehmer wahren. 239 Spezielle Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung und Fortbildung dürften erforderlich sein zugunsten von Arbeitnehmerinnen, die ihre Erwerbstätigkeit für längere Zeit unterbrechen bzw. unterbrochen haben, sowie für Frauen, die erstmalig eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen. Auch angesichts der erheblichen Bedeutung, die der Qualifizierung Wiedereingliederungswilliger zukommt, sollte jedoch stets berücksichtigt werden, daß im Sinne eines Gesamtkonzepts eine Reihe von Änderungen in den verschiedensten Bereichen - nicht nur der Arbeitswelt - einschließlich der "Rahmenbedingungen" für die Erwerbstätigkeit von Frauen notwendig sind, um den Erfolg entsprechender Maßnahmen sicherzustellen.
3.3. Verbesserung der Mobilitätsförderung im Rahmen des AFG Reformen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik betreffen nicht nur Fragen der Lohnstruktur und der Arbeitszeitflexibilisierung, sondern auch - und vor allem - den Kernbereich der staatlichen Arbeitsmarktpolitik, das Instrumentarium des AFG. Zielsetzung einer Reform muß es sein, die auf strukturpolitische Ziele ausgerichteten Instrumente des AFG so zu modifizieren, daß die Arbeitsverwaltung diese trotz der Unsicherheit über zukünftige Arbeitsmarktentwicklungen möglichst effektiv einsetzen, d. h. qualifikationsspezifische Ungleichgewichte 239 Die Vorteilhaftigkeil flexiblerer Arbeitszeiten setzt aus Arbeitnetunersicht voraus, daß flexible Arbeitszeitregelungen bestimmte grundlegende Interessen der Arbeitnetuner bezüglich des Ertrags der Arbeit und der Erhaltung des individuellen Arbeitsvermögens berücksichtigen und daß den Anliegen der Beschäftigten bezüglich erträglicher und zurnutbarer Arbeitsverhältnisse bei der individuellen Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen wird; vgl. F. Fürstenberg, 1989, S. 43.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
241
auch ohne Rückgriff auf mittelfristige Strukturprognosen des Arbeitsmarktes bekämpfen kann. Angesichts der Zielsetzung der Arbeitsmarktpolitik, die Anpassung der Qualifikationen der Arbeitsanbieter an neue Anforderungen möglichst wirkungsvoll zu unterstützen, sollten sich die Reformbemühungen in erster Linie auf die arbeitsmarktpolitischen Bildungsmaßnahmen 1, also auf die Förderung der beruflichen Mobilität konzentrieren. Verbesserungen der Mobilitätsförderung sind dabei vor allem durch neue Förderungsstrategien zu erreichen (Abschnitt 3.3.1.). Aber auch eine veränderte Berufsbildungsberatung (Abschnitt 3.3.2.) sowie eine Verlagerung arbeitsmarktpolitischer Entscheidungen auf marktnähere Entscheidungsgremien sind zu diskutieren (Abschnitt 3.3.3.). 3.3.1. Förderungsstrategien
Die Tatsache, daß detaillierte Arbeitsmarktprognosen nicht in der erforderlichen Zuverlässigkeit erstellt werden können, muß sich in der Strategie, mit deren Hilfe die berufliche Mobilität gefordert werden soll, niederschlagen. Aus der Fülle von Ansatzpunkten sollen hier drei grundlegende Strategien herausgearbeitet werden. Es handelt sich um eine Strategie der "vermehrten Mobilitätsförderung", um die Strategie einer "bedarfsorientierten Anpassungsförderung" sowie um die Strategie einer "verstärkten Bildungsförderung". 3.3 .1.1 . Vermehrte Mobilitätsförderung
Als Strategie einer verstärkten Mobilitätsförderung werden hier jene Modifikationen der arbeitsmarktpolitischen Konzeption bezeichnet, die auf die unzulänglichen Informationen über zukünftige Arbeitsmarktentwicklungen mit dem Versuch reagieren, die Gefahr eines gleichzeitigen Auftretens struktureller Arbeitslosigkeit auf der einen und eines Mangels an qualifizierten Arbeitskräften auf der anderen Seite mittels einer Verstärkung der Mobilität so weit wie möglich zu reduzieren. Eine Erhöhung der Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt soll dabei insbesondere bewirken, daß ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften auf einem Teilarbeitsmarkt dadurch recht schnell behoben wird, daß die Fachkräfte aus anderen Teilarbeitsmärkten zuwandern. Es kann sich hierbei um sektorale, berufliche oder auch regionale Mobilität handeln.
1 Unter Bildungsmaßnahmen werden hier nicht nur die herkömmlichen Maßnahmen zur Fortbildung und Umschulung, sondern alle Maßnahmen verstanden, die zu einer bedarfsgerechten Qualifizierung der Arbeitnehmer führen können (z. B. auch Einarbeitungszuschüsse, Eingliederungsbeihilfen, kurzfristige Anpassungslehrgänge und innerbetriebliche Qualifizierungsmaßnahmen).
16 Lampert
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
Diesektorale Mobilität der Arbeitskräfte hängt wesentlich von der Verwertbarkeit der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten auf Arbeitsplätzen in anderen Branchen ab. Die häufig produktivitätssteigemde berufliche Spezialisierung auf einen spezifischen Wirtschaftszweig birgt jedoch neben den produktivitätsbedingten Einkommenschancen auch die Gefahr in sich, daß ein durch den Strukturwandel erzwungener Branchenwechsel zu einer abrupten Entwertung von beruflichen Kenntnissen, also von Humankapital führt. Sind die in der Berufsausbildung und während der Berufstätigkeit gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen auch in anderen Wirtschaftszweigen verwertbar, stehen dem Branchenwechsel keine wesentlichen Hindernisse mehr entgegen. 2 Eine Förderung der sektoralen Mobilität durch die Arbeitsämter sollte daher in der Regel über eine Förderung der beruflichen Mobilitätsfähigkeit erfolgen. Da zudem die sozialen und psychischen Kosten der regionalen Mobilität in bestimmten Lebensabschnitten hoch sind, Arbeitsmarktungleichgewichte durch eine erhöhte regionale Mobilität also ohne Folgekosten für die Gesellschaft nicht ausgeglichen werden können, sollte die Arbeitsmarktpolitik weiterhin ihren Schwerpunkt auf die Förderung der beruflichen Mobilität legen. 3 Eine mögliche Modifizierung der bisherigen Konzeption könnte nun darin bestehen, die Teilnahme an Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen so umfassend wie möglich zu fördern und aufgrund der fehlenden ldentifizierbarkeit zukünftiger Mangelberufe die Ausbildung in nahezu jeden Beruf zu unterstützen. 4 "Arbeitsmarktpolitisch zweckmäßig" wäre bei der Anwendung einer solchen Konzeption nahezu jede Bildungsmaßnahme. Der Nachteil einer solchen Förderung nach dem Gießkannenprinzip liegt jedoch auf der Hand: einerseits wäre die Effektivität gering 5 ; andererseits wäre eine solche Politik finanziell kaum tragbar - zumindest jedoch nicht mit dem Grundsatz einer sparsamen Haushaltsführung vereinbar. Will man die Nachteile einer solchen Politik vermeiden, muß auf die Förderung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, die in hoch spezialisierte, branchenspezifische Berufe münden, weitgehend verzichtet werden. Denn die Verwertungschancen beruflicher Kenntnisse mit einem solchen hohen Spezialisierungs2 Eine nennenswerte Ausnahme mag der Bergbau bilden: Der Wechsel in einen andere Branche führt zum Verlust der weitergehenden Alterssicherung, die im Rahmen der Knappschaftlichen Rentenversicherung gewährt wird. 3 Dies schließt natürlich nicht aus, daß Arbeitslosen Fahrtkosten für Bewerbungsgespräche in anderen Regionen erstattet, sinnvolle Sammeltransporte durchgeführt und gezielte Anwerbeaktionen in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit ermöglicht werden. 4 Aufgrund des hohen Anteils betriebsinterner Arbeitsmärkte müßte dabei auch eine Förderung innerbetrieblicher Mobilität mittels der Förderung innerbetrieblicher Qualifizierungsmaßnahmen in Erwägung gezogen werden. Vgl. hierzu H. G. Mendius u. a., 1983, s. 79 ff. 5 Es wäre insbesondere zu befürchten, daß die Förderung nahezu eines jeden Berufswechsels eine dem Ziel optimaler Allokation der Arbeitskräfte nicht entsprechende, also dysfunktionale Mobilität erzeugt.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
243
gradhängen in starkem Maße von der Nachfrageentwicklung ihres Referenzproduktes oder ihrer Branche ab. Zur Identifizierung der zukünftigen Marktchancen spezialisierter, branchengebundener Berufe sind daher zuverlässige Prognosen des produkt- oder branchenspezifischen Faktoreinsatzes unabdingbar. Da die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung solche Prognosen jedoch nicht in der notwendigen Qualität erstellen kann, birgt die Ausbildung in einem Beruf mit engem Einsatzspektrum ein relativ hohes Risiko einer Fehlinvestition in sich. Dagegen ist es für Arbeitskräfte mit vielseitig verwendbaren Berufen einfacher, sich an veränderte Nachfrageverhältnisse anzupassen. Der Strategie einer vermehrten Mobilitätsförderung entspräche daher eine Politik der Arbeitsverwaltung, vorwiegend solche Bildungsmaßnahmen zu fördern, in denen vielseitig verwendbare Qualifikationen vermittelt werden, die Förderung spezialisierter Aus- und Weiterbildungsgänge hingegen auf ein Minimum zu reduzieren. Hilfreich wäre hierfür eine systematische Überarbeitung der Ausbildungsordnungen, wie sie in den 80er Jahren für die Metall- und Elektroberufe erfolgte. Im Mittelpunkt der Neuordnung stand ganz im Sinne einer Erhöhung der Mobilitätsfähigkeit die Aufgabe, die enge Verwandtschaft zwischen verschiedenen Tätigkeiten zu nutzen und die Zersplitterung in Einzelberufe zu überwinden. So traten in den Metallberufen 17 Berufsabschlüsse an die Stelle von 38 Ausbildungsberufen. Entscheidend ist dabei, daß möglichst lange eine gemeinsame Grundausbildung und erst im letzten Drittel der Ausbildung die endgültige Spezialisierung erfolgt (siehe Abbildung 3) und damit ein späterer Berufswechsel innerhalb des relativ breiten Feldes der Metall- und Elektroberufe erleichtert wird. 6 Darüber hinaus wird angesichts der immer stärker in den Vordergrund tretenden Synthese von Mechanik und Elektronik in CNC-gesteuerten Anlagen im Maschinenbau bereits der Versuch unternommen, die Ausbildung von Industriemechanikern und -elektronikern enger zu verzahnen. Als Informationsgrundlage für eine Arbeitsmarktpolitik, die sich nur auf die Förderung vielseitig verwendbarer Qualifikationen konzentriert, wären keine Prognosen, sondern nur eine Klassifikation der Berufe nach der Breite ihrer Verwertbarkeit notwendig. 7 Eine Strategie, die die Last der Anpassung an den Strukturwandel einseitig den Arbeitnehmern aufbürdet, wie es die Strategie einer verstärkten Mobilitätsförderung tut, müßte jedoch auch einen Großteil der Anpassungslasten durch finanVgl. dazu Institut der deutschen Wirtschaft, 1987. Hierzu liegen bereits zukunftsweisende Arbeiten vor. Vgl. z. B. H. Hofbauer, P. König, 1972, S. 77 ff. sowie die Klassifikation der Berufe nach ihrer Branchenbindung im RWI-Strukturbericht 1980 b, S. 209 f. sowie K. Vogler-Ludwig, 1983, S. 45 ff. Auch das "Grundwerk ausbildungs-und berufskundlieber Informationen (gabi)" der Bundesanstalt für Arbeit scheint als Grundlage einer Klassifikation der Berufe nach ihrer Verwertbarkeit gut geeignet zu sein. 6
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
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Abb. 3. Die Ausbildung in den industriellen Metall- und Elektroberufen
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3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
245
zieHe Kompensationsleistungen mildem. Es wäre daher im Rahmen der Strategie einer verstärkten Mobilitätsförderung notwendig, daß die Kosten der Mobilität, die Arbeitnehmer auf sich nehmen (müssen), um ihre beruflichen Kenntnisse adäquat verwerten zu können, den Betroffenen in höherem Maße als bisher erstattet werden. 3.3 .1.2. Bedarfsorientierte Anpassungsförderung
Während die Strategie einer verstärkten Mobilitätsförderung darauf abzielt, daß Arbeitsmarktungleichgewichte, die aufgrund von Verschiebungen in der Berufsstruktur auftreten, sich möglichst reibungslos ausgleichen, bezweckt die Strategie einer bedarfsorientierten Anpassungsförderung die Vermeidung und Behebung jener Diskrepanzen zwischen Arbeitsnachfrage und Arbeitsangebot, die durch technologische Neuerungen und damit verbundene Veränderungen der Berufsinhalte entstehen können. Die Einführung neuer Technologien verändert die Tätigkeitsinhalte der Berufe. Das in der Ausbildung und während der Berufstätigkeit erworbene Fachwissen der Arbeitskräfte veraltet, wenn ihnen nicht die Möglichkeit geboten wird, die für den Umgang mit neuen Techniken notwendigen Kenntnisse zu erwerben. Hinzu kommt, daß bei der Anwendung neuer Techniken in der Produktion 8 andere, in der Regel höhere Anforderungen an extrafunktionale Qualiftkationen entstehen. 9 Diese reichen von der Notwendigkeit höherer sozialer Kompetenz 10 über das Erfordernis von theoretisch-systematischen Kenntnissen über den Arbeitsablauf 11 bis hin zur Fähigkeit der StreBbewältigung 12• Für die Unternehmen scheint es häufig zu kostenintensiv zu sein, diesen Mitarbeitern in mehrwöchigen, ja mehrmonatigen Schulungen die zur Anwendung der neuen Techniken notwendigen Kenntnisse systematisch und kontinuierlich zu vermitteln. Die Weiterbildung erfolgt in der Regel vielmehr maschinenund investitionsbezogen: Die Investition in Maschinen neuer Technologie führt s Fast alle Untersuchungen beziehen sich auf die Einführung neuer Techniken in der industriellen Produktion. Die Büro-, Verwaltungs- und Dienstleistungsbereiche wurden hingegen bisher noch kaum untersucht. 9 Vgl. hierzu die zusammenfassenden Darstellungen von H. Pomschlegel, 1988, S. 337 ff. sowie H.-P. Euler, 1987. 10 Die Montage einer CNC-Werkzeugmaschine erfordert zum Beispiel, daß Mitarbeiter unterschiedlicher Berufsgruppen (Mechaniker, Elektroniker, Software-Spezialisten) als Gruppe zusammenarbeiten und auftretende Probleme gemeinsam lösen. Die Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit sind also viel höher als bei einer herkömmlichen Montage. u So erfordern werkstattprogrammierbare Maschinen häufig, daß das Bedienungspersonal Zeichnungen lesen und diese in Programm-Befehle umsetzen kann. 12 Häufigere StreBsituationen ergeben sich aus der komplexeren Struktur der Aufgabenstellung.
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
zur Weiterbildung der an diesen Maschinen beschäftigten Arbeitnehmer. 13 Geht in konjunkturell schwierigen Zeiten die Investitionstätigkeit zurück, vermindern sich auch die Weiterbildungsaktivitäten der Betriebe. Nach Durchlaufen der Rezession werden in der Aufschwungphase in erster Linie solche Maschinen und Anlagen geordert, die dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Die Arbeitskräfte werden bei guter Absatzlage dann allerdings in der Produktion gebraucht und von ihren Vorgesetzten nur widerwillig für Schulungen abgestellt. Auch auf dem Arbeitsmarkt ist es dann schwierig, Fachkräfte mit den erforderlichen Qualiftkationen zu finden. So "bestehen für viele Betriebe Wachstumsengpässe durch den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, dertrotzder gegenwärtigen Unterbeschäftigung nicht durch Neueinstellung zu beheben ist." 14 Aufgrund der fehlenden Prognosemöglichkeiten kann die Arbeitsmarktpolitik einen solchen Arbeitskräftemangel auch nicht vorausschauend vermeiden. Sie kann nur versuchen, derartige Arbeitsmarktungleichgewichte so schnell wie möglich zu beseitigen. Die Förderung des beruflichen Aufstiegs über herkömmliche Fortbildungsmaßnahmen und des Berufswechsels über Umschulungen ist dazu jedoch nicht geeignet, da diese Maßnahmen in erster Linie auf den Erwerb formaler Bildungsabschlüsse ausgerichtet sind und im allgemeinen eine lange Laufzeit aufweisen. Dagegen entspräche eine verstärkte Förderung kurzfristiger Lehrgänge zur Anpassung und Erweiterung der fachlichen Kenntnisse eher der Aufgabe, die Fachkräfte zum Umgang mit neuen Technologien zu befähigen. 15 Besonders wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, daß es den Arbeitnehmern ermöglicht wird, ohne Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses an Lehrgängen zur Anpassung ihres Fachwissens teilzunehmen. Das erfordert die Aufteilung größerer Unterrichtseinheiten in mehrere, in sich abgeschlossene Kurzlehrgänge. Damit könnte die Teilnahmemotivation vieler Arbeitskräfte erhöht werden. Eine Aufteilung länger andauernder Bildungsmaßnahmen in mehrere Kurzlehrgänge würde auch den Bedürfnissen vieler Betriebe entgegenkommen. Denn einerseits ist es für viele Betriebe einfacher, auf Mitarbeiter mehrere Male in kurzen Intervallen als einmal über längere Zeit hinweg zu verzichten; andererseits benötigen die Arbeitskräfte in der betrieblichen Anwendung neuer Technologien zumeist nur die Kenntnisse eines Ausschnittes der potentiellen Anwendungsbreite dieser Technologien. 16 Die Bereitschaft der Betriebe, ihre Mitarbeiter für einen 13 Dasselbe gilt für die Einführung neuer Techniken in den Verwaltungs- und Büroberufen. 14 K. Semlinger, R. Knigge, 1983, S. 150. Vgl. auch U. Schüle, 1987, S. 42 ff. sowie s. 87 ff. 1s Zu Fragen der betrieblichen Weiterbildung vgl. H.-D. Hardes, 1986, S. 53 ff. sowie W. Weber, 1985. 16 So sind die Qualiftkationsanforderungen, die Fachkräfte als Voraussetzung für die Arbeit an CNC-Werkzeugmaschinen erfüllen müssen, von der Arbeitsorganisation des Betriebes abhängig. Da in vielen Betrieben das Programmieren der CNC-Werkzeugmaschinen durch die Arbeitsvorbereitung und die Prograrnmmoptimierung und -korrektur
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
247
Kurzlehrgang freizustellen, der die im Betrieb verwertbaren Qualifikationen vermittelt, dürfte erheblich größer sein als die Bereitschaft, Belegschaftsmitglieder für die Teilnahme an einer alle Aspekte des neuen Berufsbildes umfassenden Fortbildungsmaßnahme zu beurlauben. Die Strategie einer bedarfsorientierten Anpassungsförderung, die erreichen soll, daß einerseits die Unternehmen sich ihre Fachkräfte erhalten können, ohne durch die Kosten der notwendigen Weiterbildung zu stark belastet zu werden, und daß die Fachkräfte ihre Kenntnisse an die neuen Anforderungen anpassen können, ohne daß sie zuvor ihr Arbeitsverhältnis lösen müssen, könnte aus folgenden Elementen bestehen: 1. Unternehmen, die neue Techniken in Produktion und/ oder Verwaltung ein-
führen wollen, die eine mehr als geringfügige Anpassung der beruflichen Fähigkeiten ihrer Belegschaftsmitglieder erfordern, nehmen bereits in der Planungsphase Kontakt mit dem örtlichen Arbeitsamt auf.
2. Unternehmens- und Arbeitsamtsvertreter legen gemeinsam Inhalt, Zeitplan und Teilnehmerzahl der notwendigen Anpassungslehrgänge fest. 3. Vor und während der Einführung der neuen Techniken nehmen die betroffenen Arbeitnehmer des Unternehmens an Kurzlehrgängen teil, in denen ihnen die Fertigkeiten, die für den Umgang mit den neuen Techniken an ihrem Arbeitsplatz unbedingt notwendig sind, vermittelt werden. 4. Die Finanzierung der Lehrgangskosten übernimmt die Bundesanstalt für Arbeit. Im Gegenzug verpflichtet sich das Unternehmen, die geförderten Arbeitnehmer über einen bestimmten Zeitraum- z. B. je nach Höhe der Lehrgangskosten zwischen drei und fünf Jahre- nicht zu entlassen. 5. Der Arbeitnehmer kann zur Erhöhung seiner Mobilitätsfähigkeit innerhalb des vom Arbeitgeber garantierten Zeitraums einer Weiterbeschäftigung weitere Kurzlehrgänge besuchen, um sich weiterführende, nicht betriebsgebundene Kenntnisse über den Einsatz der neuen Technologie anzueignen. Der Arbeitgeber hat ihn von der Arbeit freizustellen. Übedegenswert erscheint zudem, rezessive Konjunkturphasen verstärkt zur Weiterbildung zu nutzen. Zu denken ist an die Verknüpfung der Kurzarbeit mit vom Arbeitsamt geförderten Fortbildungsveranstaltungen, die in einzelnen Fällen sogar am Arbeitsplatz durchgeführt werden können. 17
durch den Meister erfolgt, benötigen die dort beschäftigten Fachkräfte (zunächst) nur Kenntnisse darüber, wie CNC-Werkzeugmaschinen eingerichtet, beschickt, bedient und überwacht werden. Vgl. hierzu G. Lay, M. Boffo, 1985, S. 80 ff. 17 So ist im Bürobereich denkbar, daß während der ausgefallenen Arbeitsstunden der EDV-Einsatz im Rahmen von Bürokommunikationssystemen geschult wird.
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
3.3 .1.3. Verstärkte Bildungsförderung
Da es aufgrundder fehlenden Zuverlässigkeit detaillierter Arbeitsmarktprognosen nicht möglich ist, Arbeitslosigkeit vorausschauend zu vermeiden, erscheint es erforderlich, in einer realitätsnahen Konzeption der Arbeitsmarktpolitik zu berücksichtigen, daß die Arbeitsverwaltung auch mit Arbeitslosigkeit größeren Ausmaßes konfrontiert sein kann. Bei länger andauerndem Arbeitskräfteüberschuß sind notwendigerweise jene Personen überdurchschnittlich stark von Arbeitslosigkeit betroffen, deren berufliche Qualiftkationen gering sind oder nicht (mehr) den an sie gestellten Anforderungen entsprechen. Für diese Personen ist auch das Risiko, häufig arbeitslos zu werden oder längerfristig arbeitslos zu bleiben, hoch. 18 Länger andauernde - individuelle - Arbeitslosigkeit selbst kann jedoch zu einem Verfall der beruflichen Qualifikation der Arbeitslosen führen. 19 Steigenden oder gleichbleibenden Qualiftkationen der Beschäftigten stehen dann sinkende Qualiftkationen von Arbeitslosen gegenüber. 20 Es erscheint daher notwendig, die Arbeitsverwaltung mit einem Maßnahmenkatalog auszustatten, der es ermöglicht, daß Arbeitslose mehr als bisher die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit sinnvoll zur Weiterqualifizierung nutzen. Da mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit mit dem Verfall der vorhandenen beruflichen Qualiftkationen eines Arbeitslosen zu rechnen ist, werden Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse umso wichtiger, je länger eine Arbeitskraft von Arbeitslosigkeit betroffen ist. Arbeitslosen sollte daher nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne- z. B. der durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit- unbedingt die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme nahegelegt werden. Dabei ist es überlegenswert, den Anreiz zur Teilnahme an Bildungsmaßnahmen mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit dadurch zu erhöhen, daß ab einem bestimmten Zeitpunkt der Satz des Arbeitslosengeldes bei gleichbleibendem Satz des Unterhaltsgeldes kontinuierlich verringert wird, bis er zum Zeitpunkt der längstmöglichen Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung die Höhe des Arbeitslosenhilfe-Satzes erreicht hat. 21 Zur Erhöhung der Motivation Arbeitsloser, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen, sollten dabei Lehrgänge angeboten werden, die auf den bereits vorhandenen beruflichen Kenntnissen des Arbeitslosen aufbauen und nach verhältnismäßig kurzer Zeit abgeschlossen werden können. 22 Um zu verhindern, daß die 18 Vgl. hierzu H.-J. Andreß, 1989, S. 17 ff.; W. Malcher, 1985, S. 184 ff. sowie A. Michler, 1986, S. 72 ff. 19 Vgl. Ch. Büchtemann, 1983, S. 162; G. Bosch, 1982, S. 9 ff. und B. von Rosenbladt, 1981, s. 57 ff. 2o Vgl. G. Bosch, 1982, S. 12f. sowie F. W. Scharpf, 1985, S. 178. 21 Um zu verhindern, daß dadurch der Gesamtanspruch auf Versicherungsleistungen geschmälert wird, könnte die maximale Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verlängert werden.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
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beruflichen Qualifikationen Arbeitsloser durch eine lang anhaltende Arbeitslosigkeit verloren gehen, können auch gezielt Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) eingesetzt werden. Allerdings müssen die ABM mehr als bisher darauf ausgerichtet werden, daß sie der Erhaltung und Verbesserung der beruflichen Qualifikationen der Teilnehmer dienen. Denn bisher führte die Beschäftigung in ABM aufgrundder einfachen Tätigkeitsinhalte zumeist zu keiner Qualifizierung der Teilnehmer- zum Teil wurden diese nicht einmal entsprechend ihrer Qualifikationen beschäftigt -, so daß die ABM oft genug "mehr Beschäftigungstherapie als vernünftige Arbeit" 23 waren. 24 Da zudem eine Ausweitung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu einem quantitativ ins Gewicht fallenden Instrument der Beschäftigungspolitik nicht möglich erscheint, weil Mitnahme- und Verdrängungseffekte die arbeitsplatzschaffenden Effekte der ABM drastisch verringern, 25 ist eine stärkere Ausrichtung des Instruments auf die sozial- und strukturpolitischen Ziele angebracht. Es erscheint daher notwendig, ABM mit Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung zu koppeln - eine Politik, die mit dem Programm ,,Arbeit und Lernen", das für Jugendliche die Kombination von ABM und Ausbildung anbietet, bereits begonnen wurde. 26 Die Beschäftigungschancen vieler nicht oder nur gering qualifizierter Arbeitskräfte sind aufgrund ihrer geringen beruflichen Fähigkeiten nur minimal. Häufig ist es den Arbeitsvermittlern unmöglich, diese Arbeitskräfte in längerfristige, stabile Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Vielmehr weisen diese Arbeitskräfte einen häufigen Wechsel zwischen Arbeitslosigkeit und kurzfristiger Beschäftigung auf. 27 Da nicht zu erwarten ist, daß sich die Beschäftigungschancen dieser häufig arbeitslosen Arbeitskräfte verbessern lassen, solange sie sich nicht ein Mindestmaß an beruflichen Fähigkeiten aneignen, "und da man außerdem von Arbeitslosen, deren Existenz durch die Solidargemeinschaft der versiehe22 Im Gegensatz dazu absolvierte auch 1988 noch etwa jeder zweite Teilnehmer eine Maßnahme, die auf eine Dauer von über sechs Monaten angelegt ist. Selbst bei den reinen Anpassungsmaßnahmen - also ohne die Fortbildung zum Meister und Techniker und ohne die berufliche Umschulung - liegt der Anteil der Maßnahmen mit einer geplanten Dauer von mehr als sechs Monaten noch bei 34%. Vgl. hierzu die laufenden Veröffentlichungen in den Amtlichen Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit. 23 M. Bolle, 1985, S. 135; vgl. auch A. Hellmich, 1982, S. 395 sowie M. Votteler, 1984, s. 197. 24 Zudem dürfen die ABM keine regulären Arbeitsplätze ersetzen, was in der bisherigen Praxis durchaus vorgekommen ist. Vgl. hierzu R. G. Heinze, 1984, S. 173; B. Hombach, 1984, S. 187 f. sowie "Wulf-Mathies kritisiert kommunale Praktiken", in: Handelsblatt vom 17.4.1985, S. 9. 2s Vgl. hierzu Abschnitt 3.3.2. in Kap. I. sowie W. Steinjan, Zweiter Arbeitsmarkt. Möglichkeiten und Grenzen. Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, Nr. 144, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln 1986 und M. Votteler, 1984. 26 Vgl. hierzu Chr. Sellin, E. Spitznagel, 1988, S. 492 f. 27 Vgl. hierzu H.-J. Andreß, 1989, S. 17 ff. sowie W. Karr, K. John, 1989, S. 1 ff.; J. Schupp, 1988, S. 409 ff.
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
rungspflichtigen Arbeitnehmer gesichert wird, erwarten darf, daß sie selbst alles in ihrem Vermögen stehende tun, um ihre Arbeitskraft einsetzen zu können, sollte sogar noch erwogen werden, ob man . . . für angelernte und ungelernte Arbeitnehmer, die eine bestimmte Zeit arbeitslos waren und mit ihren gegebenen Fähigkeiten nicht vermittelt werden können, die Teilnahme an beruflichen Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen obligatorisch machen sollte." 28 Voraussetzung für eine solche Politik ist jedoch, daß es gelingt, berufliche Bildungsmaßnahmen zu entwickeln, die den spezifischen Problemen dieser Arbeitnehmergruppen - insbesondere ihrer Bildungsfeme - Rechnung tragen. Problemgruppenadäquate Bildungsmaßnahmen können vermutlich nicht in der traditionellen Form schulischen Unterrichts, sondern müssen eher produktionsorientiert- z. B. in Übungsfirmen und -Werkstätten- durchgeführt werden. Dabei wird sich eine auf die berufliche Weiterbildung von Problemgruppen konzentrierte Förderung "stärker als bisher auf die von betrieblichen Interessen definierten Verwertungsbedingungen einlassen müssen, um eine dauerhafte Integration der Betroffenen in das Beschäftigungssystem gewährleisten zu können" 29 , sich also am Bedarf orientieren müssen. 3.3.2. Berufsbildungsberatung und Berufsbildungssystem
Wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Realisierung der diskutierten Strategien sind eine problem- und zielgruppenadäquate Berufsbildungsberatung sowie eine arbeitsmarktgerechte Ausrichtung des Berufsbildungssystems, wobei unter beruflicher Bildung eben nicht nur die berufliche (Erst-)Ausbildung, sondern auch - ganz im Sinne des Konzepts des lebenslangen Lemens - die Weiterbildung verstanden werden muß. In der wissenschaftlichen Literatur wurde insbesondere die fehlende Abstimmung zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem kritisiert. 30 Diese Diskussion soll hier nicht wiederholt werden; wir beschränken uns vielmehr auf die wichtigsten mit den diskutierten Strategien zusammenhängenden Reformaspekte.
3.3.2.1. Berufsbildungsberatung Die Berufsbildungsberatung der Arbeitsämter, die dort in die Berufsberatung i. e. S. (für Jugendliche, die vor der Berufswahl stehen) und die bei der Arbeitsvermittlung angesiedelte Arbeitsberatung (für Erwachsene) aufgeteilt ist, ist nach § 26 Abs. 2 AFG verpflichtet, die ,,Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes H. Lampert, 1981, S. 779. E. Sauter, 1982, S. 36. Es ist dennoch zu fürchten, daß obligatorische Bildungsmaßnahmen aufgrundeiner geringen Teilnahmemotivation der Arbeitslosen wenig erfolgreich sind. 30 Vgl. hierzu Abschnitt 3.2.2. in Kapitell. 28
29
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
251
und der Berufe angemessen zu berücksichtigen". Da entgegen der ursprünglichen Konzeption des AFG den Berufsberatern zuverlässige Strukturprognosen des Arbeitsmarktes in der für ihre Arbeit notwendigen Detailliertheil nicht zur Verfügung stehen, können diese die zukünftigen Berufsaussichten lediglich in Form von berufsspezifischen Chancen und Risiken berücksichtigen. 31 Da sie aber den Ratsuchenden keine Prognose der Beschäftigungsaussichten bieten können, sollte in der Beratung stets darauf hingewiesen werden, daß die Entscheidung für oder gegen einen Beruf in der Zukunft revidierbar und modifizierbar sein muß. Die Frage nach der beruflichen Flexibilität, nach alternativen Verwendungsmöglichkeiten bestimmter Qualifikationen und nach den Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten muß daher innerhalb der Beratung einen der vordersten Plätze einnehmen. Dies scheint in der Regel auch der Fall zu sein. 32 Defizite sind allerdings in der Berufsaufklärung und-beratungvon (angehenden) Abiturienten vorhanden. So beklagen nicht nur die Betriebe einen zu geringen Kenntnisstand der Abiturienten in grundlegenden Fragen der Wirtschaftsund Arbeitswelt, sondern auch die Abiturienten selbst empfinden hier erhebliche Defizite. 33 Offensichtlich ist es der Berufsberatung in den Arbeitsämtern noch nicht gelungen, in den Gymnasien eine dem veränderten Bildungsverhalten entsprechende Beratung anzubieten. Vor allem der Tatsache, daß in den vergangeneo zehn Jahren sich immer mehr Abiturienten für eine Berufsausbildung im dualen System entschieden haben, wurde anscheinend nur unzureichend Rechnung getragen. So ist die Zahl der Abiturienten, die im dualen System eine berufliche Erstausbildung durchlaufen, von ungefähr 40 000 Mitte der 70er Jahre auf rund 220 000 im Jahre 1986 gestiegen. 34 Mitte der 80er Jahre hatte bereits ein Viertel der Abiturienten innerhalb eines Jahres nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule eine Lehre begonnen (siehe Tab. 4). Während Haupt- und Realschüler in enger Zusammenarbeit von Arbeitsamt und Schule systematisch auf die Berufswahl vorbereitet werden - das Programm beginnt mit Betriebsbesuchen im siebten Schuljahr und endet mit der Vermittlung von Ausbildungsplätzen 35 - , nehmen Abiturienten das Angebot der Arbeitsämter weniger häufig wahr. 36 Eine engere Zusammenarbeit zwischen Gymnasien, Wirtschaft und Arbeitsämtern wäre daher zu begrüßen. Zu prüfen wäre zum Beispiel, ob "SchnupperPraktika", wie sie für Haupt- und Realschüler bereits angeboten werden, nicht auf angehende Abiturienten ausgedehnt werden können.
31 Dies erfolgt im Rahmen des vom IAB entwickelten Konzepts der differenzierten Information. Vgl. hierzu Abschnitt 2.3.3. in Kap. li. 32 Vgl. hierzu A. Chabemy, K. Parmentier, P. Schnur, 1982, S. 75 ff. 33 Vgl. Chr. Konegen-Grenier, W. Lenske, 1987, S. 48. 34 Vgl. Chr. Konegen-Grenier, W. Lenske, 1987, S. 7 f. 35 Vgl. hierzu H. Meisel, 1978, S. 53 ff. 36 Vgl. H. Meisel, 1978, S. 73.
252
Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
Tabelle 4
Verbleib von Schulabgängern Tätigkeit von Absolventen der allgemeinbildenden Schulen 1984 und 1985 zum Befragungszeitpunkt im Jahr nach Abschluß (1985 bzw. 1986)- in Prozent Tätigkeit
Hauptschule
erwerbstätig (voll-/teilzeit unregelmäßig) arbeitslos, nicht erwerbstätig Wehr-/Zivildienst allgemeinbildende Schule berufliche Schule •> Hochschule Lehre sonstige insgesamt Fallzahl
Schulabschluß Realschule Abitur
3,9 11,5
5,0 5,5
7,7 37,2
23,1 23,1 1,5 39,7 2,1 100,0 199
38,5 1,2 100,0 78
5,9 7,8 25,5 2,0 3,9 27,5 24,5 2,9 100,0 102
insgesamt
5,0 7,4 6,9 14,3 20,8 8,2 35,4 2,0 100,0 379
a) Fachoberschule, Berufsfachschule, Fachschule, Schule des Gesundheitswesens, Berufsgrundbildungsjahr, Berufsvorbereitungsjahr, Berufsschule ohne Lehre. Quelle: H. Palamidis und J. Schwarze (1989), S. 119.
Im Bereich der Weiterbildungsberatung für Erwachsene sind solchen Versuchen natürlich engere Grenzen gesetzt. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob nicht das duale System stärker für arbeitsmarktpolitische Bildungsmaßnahmen und für die vorhergehende Beratung genutzt werden kann. 3.3 .2 .2. Berufsbildungssystem
Das Berufsbildungssystem ist in der Bundesrepublik immer noch stark auf die berufliche Erstausbildung ausgerichtet. Entgegen der weithin akzeptierten Auffassung, daß lebenslanges Lernen als Prinzip der Berufsbildung die traditionelle Konzentration von Bildung und Berufsausübung auf bestimmte Lebensphasen ablöst, spielt die berufliche Weiterbildung in der bildungspolitischen Praxis noch eine eher untergeordnete Rolle. Notwendig erscheint daher die bereits häufig geforderte Hinwendung des Berufsbildungssystems zum Prinzip der Stufenausbildung, das darauf abstellt, auf der Basis einer breiten Grundausbildung eine allgemeine und- darauf aufbauend- spezielle Fachausbildung zu vermitteln. 37 37 Vgl. hierzu die neuen Ausbildungswege in den industriellen Metall- und Elektroberufen in Abschnitt 3.3.1. dieses Kapitels. Vgl. hierzu auch A. G. Brandenburg, 1975, S. 120 ff.; Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände u. a., 1968; H. Lampert, 1984, S. 676 ff.; K. D. Schrnidt, 1984, S. 124 ff.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
253
Diese Hinwendung zum Prinzip der Stufenausbildung könnte es erleichtern, Fortbildungsmaßnahmen in das duale System der Berufsausbildung zu integrieren. Die Unternehmen würden Arbeitslose zur Fortbildung, gegebenenfalls sogar zur Umschulung in befristeten Ausbildungs- und Arbeitsverhältnissen anstellen, die Berufsschulen sie theoretisch unterweisen und die Arbeitsverwaltung für diese Zeit Mittel zum Lebensunterhalt bereitstellen. 38 Da ein sowohl auf die Weiterbildungsbedürfnisse der Arbeitnehmer als auch auf die Arbeitsnachfrage gerrau abgestimmtes Weiterbildungsangebot für einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht geplant werden kann, sollte Vorsorge getroffen werden, daß das Weiterbildungsangebot möglichst flexibel an den Bedarf angepaßt werden kann. So könnte z. B. durch eine pädagogische Zusatzausbildung für qualifizierte Fachleute (oder durch eine Fachausbildung für arbeitslose Pädagogen) ein Potential an nebenberuflichen Lehrkräften geschaffen werden, das je nach Bedarf mehr oder weniger stark in Anspruch genommen wird. 39 Zudem erscheint es dringend erforderlich, daß Mindeststandards entwickelt werden, denen die Träger der Bildungsmaßnahmen entsprechen müssen, so daß ein für die berufliche Verwertung der Qualifikationen ausreichendes Ausbildungsniveau gewährleistet werden kann. 40 Des weiteren sollte die Arbeitsverwaltung in die Lage versetzt werden, über eine verstärkte Vergabe von Auftragsmaßnahmen auf die Struktur des Bildungsangebotes Einfluß zu nehmen; denn immer noch orientiert sich das Kursangebot vieler Träger weniger am Bedarf, sondern konzentriert sich auf Ausbildungsgänge, die geringere Ausstattungskosten verursachen. 41 Auch Weiterbildungskurse unterhalb des Facharbeiterniveaus sind relativ selten. 42 Für eine Ausweitung von Auftragsmaßnahmen ist jedoch sowohl eine "quantitative und qualitative Verbesserung der Beratungskapazitäten beim Arbeitsamt" 43 38 Die Erfahrungen mit dem ,,Arbeitsmarktpolitischen Programm der Bundesregierung für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen" vom Mai 1979 lassen allerdings erkennen, daß bei Förderung innerbetrieblicher Weiterbildung den Arbeitsämtern auch geeignete Mittel zur Durchführungskontrolle zur Verfügung stehen müssen: Arbeitnehmer, für deren innerbetriebliche Qualifizierung Unternehmen Lohnkostenzuschüsse von bis zu 90 % erhielten, wußten zum Teil gar nicht, daß sie an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnahmen oder arbeiteten im Akkord! Vgl. hierzu G. Bosch, 1981, S. 73. 39 Dies hätte den Vorteil, daß die Ausbildung sich mehramBedarf und weniger an der Lehrerfahrung des angestellten Lehrpersonals ausrichten würde. Zur Forderung nach "Trainern auf Zeit" vgl. auch A. G. Brandenburg, 1975, S. 76 und H. Hölterhoff, 1987, s. 213 ff. 40 So wurde z. B. in der Vergangenheit beobachtet, daß für die Veranstaltungen zu niedrige Eingangsvoraussetzungen festgesetzt wurden, um mehr Teilnehmer zu gewinnen. Um unterbesetzte Veranstaltungen zu füllen, wurden Personen mit sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen zu Gruppen zusammengestellt, wodurch der Lernerfolg beeinträchtigt wird. Vgl. A. G. Brandenburg, 1975, S. 76. 41 Vgl. D. Garlichs, F. Maier, 1982, S. 103; zur Problematik der Auftragsmaßnahmen vgl. R. Weitzel, P. Kasparek, H. Riemer, 1984. 42 Vgl. D. Garlichs, 1983, S. 200.
254
Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
als auch eine engere Zusammenarbeit mit den lokalen Arbeitsmarktakteuren notwendig. Darüber hinaus ist es auch erforderlich, häufiger und intensiver die Effektivität der Maßnahmen zu überprüfen. 44 3.3.3. Kompetenzgewinn durch Kompetenzverlagerung
Die Arbeitsverwaltung ist beim Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente in hohem Maße auf die Mitarbeit vieler Akteure angewiesen: Die Realisierung von Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen hängt wesentlich von der Struktur des Kursangebotes und damit von den Trägem der Weiterbildungsmaßnahmen ab, die Förderung betrieblicher Einarbeitung und betrieblicher Weiterbildung setzt voraus, daß sich Betriebe bereitfinden, Arbeitnehmer einzustellen bzw. weiterzubeschäftigen, die die Förderkriterien erfüllen, und zur Durchführung von ABM muß es kommunale, gemeinwirtschaftliche, freie oder privatwirtschaftliche Träger geben, die bereit und in der Lage sind, ABM auch durchzuführen. 45 Diese Mitarbeit verschiedener Akteure erfordert einen nicht unerheblichen Koordinierungsaufwand, der desto größer sein dürfte, je mehr "gekoppelte Maßnahmepakete", wie sie im Rahmen der Strategie einer verstärkten Bildungsförderung angesprochen wurden - beispielsweise die Koppelung von ABM und Teilzeitunterricht -, eingesetzt werden sollen. Es sollte daher erwogen werden, die Selbstverwaltung in den Arbeitsämtern zu aktivieren und die lokalen Arbeitsmarktakteure beim Einsatz arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen "vor Ort" stärker als bisher in den Entscheidungsprozeß einzubeziehen. Damit soll der lokale arbeitsmarktrelevante Sachverstand in angemessener Form für arbeitsmarktpolitische Aufgaben genutzt werden. 46 Ein engerer Kontakt zwischen den Einrichtungen zur beruflichen Bildung, den Arbeitnehmervertretem, den Arbeitsnachfragem, den Kommunen, Wohlfahrtsverbänden und Arbeitsämtern könnte dabei auch das Bewußtsein einer gemeinsamen Verantwortung für den lokalen Arbeitsmarkt stärken und dazu führen, daß vorhandene Finanzmittel effektiver verwendet werden oder neue, bislang für nicht durchführbar gehaltene Vorhaben- wie z. B. die Einbeziehung kleinerer und mittlerer Unternehmen in die betriebliche Weiterbildung durch die Schaffung von Weiterbildungsverbünden-möglich werden. Die potentielle Stärke solcher Kooperationsgremien liegt dabei - zumindest bei der bisher üblichen Zusam43 0. Verf., ,,Berufsbildungsinstitut I Generalsekretär verweist auf Beratungsengpaß bei den Arbeitsämtern", in: Handelsblatt vom 1.10. 1985, S. 7. 44 Dabei sollten nicht nur Abbrecherquoten und an die Maßnahme anschließende Vermittlungserfolge gezählt, sondern es sollte auch überprüft werden, ob die Bildungsmaßnahmen den Strukturwandel fördern. Einen ersten Versuch hat das DIW im Rahmen der Strukturberichterstattung unternommen. Vgl. U. Brasche u. a., 1984, S. 201 ff. 4S Vgl. F. Maier, 1983, S. 264. 46 Vgl. hierzu E. Blankenburg, U. Krautkrämer, 1979, S. 61 ff.; A. Deeke, H. Seifert, 1981, S. 165 ff.; G. Kleinhenz, 1982, S. 61 ff.; H. Lampert, 1981, S. 770 f. sowie G. Schmid, 1983, S. 162.
3. Reformen im Bereich der Arbeitsmarktprozeßpolitik
255
mensetzung in den Verwaltungsausschüssen- eher bei der Beratung zu grundsätzlichen arbeitsmarktpolitischen Themen und der Initiierung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und weniger bei der Mitwirkung an Einzelfallentscheidungen. 47 Wie sehr die Arbeitsämter bereit sind, den ihnen zugestandenen Handlungsspielraum auch zu nutzen, zeigen Untersuchungen über den lokal differenzierten Einsatz von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen: 48 Bei den KannLeistungen ,,ABM" haben die Arbeitsämter die Möglichkeit, je nach Problemlage und -druck eigene Schwerpunkte zu setzen. So wurden z. B. in Bremen und Hannover, wo die Jugendarbeitslosigkeit weit höher als im Bundesdurchschnitt war, ABM verstärkt für Jugendliche eingesetzt. In München hingegen, wo Jugendliche vergleichsweise leicht eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsstelle fanden, galt der Einsatz der ABM in erster Linie der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen. 49 Deutlich wurde bei diesen Vergleichen aber auch, daß der AHM-Einsatz wesentlich von der Mitarbeit der Kommunen und anderer potentieller Träger abhängt. 5° Die enge Mitarbeit von Unternehmens- und Arbeitnehmervertretern aus den Betrieben in Kooperationsgremien könnte bewirken, daß der von den Betrieben erwartete Arbeitskräftebedarf frühzeitig bekannt wird. Dadurch könnte es gelingen, trotz unzureichender Prognosen die arbeitsmarktpolitischen Bildungsmaßnahmen stärker als bisher an der Arbeitsnachfrage zu orientieren. Andererseits könnten die Arbeitsämter auch eher Betriebe finden, die zur Mitarbeit bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen bereit sind. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß den einzelnen Arbeitsämtern größere Handlungsspielräume, auch im finanziellen Bereich, zugestanden werden. 3.3.4. Fazit
Zielsetzung einer Reform der Arbeitsmarktpolitik im Sinne des AFG sollte es sein, die auf strukturpolitische Ziele ausgerichteten Instrumente des AFG so zu modifizieren, daß die Arbeitsverwaltung diesetrotzder Unsicherheit über zukünftige Arbeitsmarktentwicklungen möglichst effektiv einsetzen kann. Die fehlende Prognostizierbarkeil detaillierter Berufsstrukturen hat zur Folge, daß die arbeitsmarktpolitische Strategie davon auszugehen hat, daß Berufsbildungsentscheidungen stets revidier- und modifizierbar sein müssen. Als Grundlage beruflicher Bildungsmaßnahmen wird im Rahmen einer modifizierten arbeitsmarktpolitischen Strategie nicht der Versuch unternommen, künftige Überschuß- und Mangelberufe zu ermitteln. Sie basiert vielmehr darauf, daß 47 Vgl. D. Garlichs, 1984, S. 79 f. Eine kompetente Mitarbeit auch an der Lösung von Einzelfällen ist am ehesten zu erwarten, wenn an Stelle von Verbands- und Gewerkschaftsfunktionären Personalleiter und Betriebsräte, die die konkreten Verhältnisse in den Betrieben kennen, an der Entscheidungstindung beteiligt sind. 48 Vgl. hierzu H. Heinelt, 1989, S. 294 ff. sowie M. Kaiser, 1988, S. 305 ff. 49 Vgl. H. Heinelt, 1989, S. 300 ff. so Vgl. H. Heinelt, 1989, S. 302 f.
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Kap. III: Reform der Arbeitsmarktpolitik
-
die Unterstützung des sektoralen Strukturwandels über eine Förderung der Fähigkeit zur beruflichen Mobilität erfolgt und daher vor allem die Vermittlung von breit angelegten, branchenübergreifenden Qualifikationen gefördert wird;
-
eine bedarfsorientierte Anpassungsförderung betrieben wird, die .e s Arbeitnehmern ermöglicht, ohne Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses an Lehrgängen zur Anpassung ihres Fachwissens an den neuesten Stand der Technik teilzunehmen;
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hierzu das Instrument der Kurzarbeit mit Bildungsmaßnahmen gekoppelt wird;
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der Anreiz zur Teilnahme an Bildungsmaßnahmen mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit erhöht wird, indem ab einem bestimmten Zeitpunkt der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei gleichbleibendem Anspruch auf Unterhaltsgeld gekürzt wird;
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Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, insbesondere für Langzeitarbeitslose, mit Bildungsmaßnahmen gekoppelt werden und
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Bildungsmaßnahmen vermehrt problemgruppenadäquat, d. h. in Übungsfirmen und -werkstätten statt in Klassenzimmern, durchgeführt werden. Eine Reform der Arbeitsmarktpolitik sollte darüber hinaus
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Defizite in der Berufsberatung angehender Abiturienten beseitigen, indem ihnen - ähnlich wie es bei Haupt- und Realschülern bereits die Regel ist - Beispiele aus der Praxis bis hin zum "Schnupperpraktikum" angeboten werden;
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die Weiterentwicklung der Ausbildungsordnungen zur Stufenausbildung, die zunächst die Vermittlung von Grundkenntnissen zum Gegenstand hat, der eine allgemeine und- darauf aufbauend- spezielle Fachausbildung folgen, unterstützen und
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mit der Förderung auch betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen, die mit einem Berufsschulunterricht gekoppelt werden, die allmähliche Einbindung der Weiterbildung in das duale System verfolgen, wobei
-
Mindeststandards entwickelt werden müssen, denen die Träger der Bildungsmaßnahmen zu entsprechen haben.
Darüber hinaus sollte eine Reform der Arbeitsmarktpolitik dazu führen, daß die lokalen Arbeitsmarktakteure beim Einsatz arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen stärker als bisher in den Entscheidungsprozeß einbezogen werden. Voraussetzung für eine solche Stärkung der Selbstverwaltung in den Arbeitsämtern ist jedoch, daß den einzelnen Arbeitsämtern größere Handlungsspielräume beim Einsatz ihres Instrumentariums zugestanden werden.
Zusammenfassung und Empfehlungen 1. Aus den wesentlichen Merkmalen der Arbeitsmarktordnung - der Freiheit der Berufs- und Arbeitsplatzwahl, der Arbeitsvertragsfreiheit, der persönlichen Verantwortung der Arbeitskräfte für ihre Erwerbschancen und der Privatheit der Arbeitsverhältnisse - ergibt sich die Notwendigkeit, durch wirtschafts-, insbesondere beschäftigungs-und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen dafür zu sorgen, daß jeder Arbeitsfähige und Arbeitswillige auch eine Chance hat, Beschäftigung zu finden (S. 22). 2.
Der Schutz der Menschenwürde und die soziale Gerechtigkeit gebieten es, angesichts der Dispositionsbefugnisse der Arbeitgeber über den Produktionsfaktoreneinsatz und je nach der Beschaffenheit der Arbeitsmärkte sowie ihrer Fähigkeit, elementare Interessen der Arbeitnehmer zu gewährleisten, die Ordnung der Arbeitsmärkte und den Grad ihrer Vollkommenheit so zu beeinflussen, daß Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit nicht verletzt werden (S. 22).
3.
Die arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen (vgl. dazu S. 22 ff.) lassen sich zusammenfassen in dem Oberziel, die Arbeitsmärkte als die für die Beschäftigungsmöglichkeiten und für die Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer entscheidenden Märkte so zu beeinflussen, daß für alle Arbeitsflihigen und Arbeitswilligen eine möglichst ununterbrochene, ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung zu bestmöglichen Bedingungen gesichert und die Nachfrage nach Arbeit auf den verschiedenen Arbeitsmärkten gedeckt wird (S. 22 f.).
4.
Unvollkommenheiten der Arbeitsmärkte, die die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs beeinträchtigen, und die Formen der meisten Arbeitsmärkte bedingen eine Begrenzung der Arbeitsvertragsfreiheit und des Wettbewerbs (S. 30 ff.).
5.
Da die Arbeitskraft vom Menschen als ihrem Träger nicht zu trennen ist, müssen die Arbeitsmärkte so ausgestaltet werden, daß die Menschenwürde, die Gesundheit und die Substanz der Arbeitskraft geschützt werden (S. 32).
6.
Aus den genannten Gründen ist eine Einschränkung der Arbeitsvertragsfreiheit durch arbeits-und sozialrechtlich zu setzende Mindestnormen erforderlich, die sich auf drei Bereiche richten: a) den Schutz der Arbeitnehmer vor Gefährdungen, die aus der Arbeit im Betrieb und aus dem Arbeitsverhältnis erwachsen können;
258
Zusammenfassung und Empfehlungen
b) auf die Arbeitsentgelte, die für VollzeiteiWerbstätige existenzsichernd und ausbeutungsfrei sein sollten; c) auf die Betriebs- und Unternehrnensverfassung, die eine Verletzung elementarer Arbeitnehmerinteressen in den Betrieben ausschließen sollte (S. 35). 7.
Da Vollbeschäftigung nicht jederzeit gesichert werden kann und da selbst bei hohem Beschäftigungsgrad der permanent ablaufende StruktuiWandel friktioneile Arbeitslosigkeit erzeugt, gehören zu einer einer Sozialen Marktwirtschaft entsprechenden arbeitsmarktpolitischen Konzeption Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit, die jedoch die Bereitschaft zur EIWerbstätigkeit nicht durch vergleichsweise hohe Arbeitslosenunterstützungen und durch eine sehr lange Bezugsdauer beeinträchtigen sollen (S. 38).
8.
Die eingesetzten arbeitsmarktpolitischen Instrumente sollten - abgesehen von ihrer Zielkonformität - nach Möglichkeit marktkonform sein (S. 39).
9.
Die tatsächliche Arbeitsmarktordnung der Bundesrepublik Deutschland weist -ungeachtet möglicher Verbesserungen- eine hohe Konformität mit dem einer Sozialen Marktwirtschaft entsprechenden arbeitsmarktpolitischen Leitbild auf (S. 39 f.).
10. Problembereiche der Arbeitsmarktordnung sind: a) die Tarifautonomie, die die Preisniveaustabilität, das außenwirtschaftliche Gleichgewicht, das Vollbeschäftigungsziel und die optimale Faktorallokation beeinträchtigen kann; b) die Verteilung des Risikos der Unterbeschäftigung in der Gesellschaft, das übetWiegend die Arbeitnehmer und hier wiederum die wirtschaftlich und sozial Schwächeren trifft; c) eine unzulängliche Abstimmung von Bildungssystem und Beschäftigungssystem, die dazu führen kann, daß Diskrepanzen zwischen Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage bestehen, die nur mit hohen ökonomischen und sozialen Kosten wieder beseitigt werden können; d) die Finanzierung der Aufgaben der Bundesanstalt, die unter dem Aspekt gerechter Lastenverteilung fragwürdig ist; e) die Diskontinuität und Instabilität des Aufgabenvollzuges der Bundesanstalt für Arbeit aufgrund zahlreicher diskretionärer Eingriffe des Gesetzgebers in das Arbeitsförderungsgesetz und seinen Vollzug; f) die Trägerschaft der Arbeitslosenversicherung, die die Arbeitsmarktpar-
teien von einer mit finanziellen Sanktionen gekoppelten Beschäftigungsverantwortung freistellt;
Zusammenfassung und Empfehlungen
259
g) bestimmte Mindestnormen des Arbeitnehmerschutzes, von denen behauptet wird, daß sie beschäftigungshemmend und für die geschützten Personenkreise kontraproduktiv wirken (S. 40 ff.). 11. Ungeachtet ihrer im wesentlichen positiven Einschätzung der gewerkschaftlichen Lohnpolitik sind die Verfasser der Auffassung, daß die Problematik der Verletzung der Ziele Preisniveaustabilität, Vollbeschäftigung und optimaler Faktorallokation durch die Tarifautonomie einer Lösung bedarf. Diese Lösung kann jedoch nicht in einer Einschränkung der Tarifautonomie gesehen werden (vgl. dazu Abschnitt III. 2.2. und Abschnitt III. 2.3.). 12. Zur Verringerung der Abstimmungsdefizite zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem sind folgende Vorschläge in Betracht zu ziehen: a) jeder Jugendliche sollte nach Möglichkeit mit einem Abschluß aus der Schule entlassen werden, weil Schulabhänger ohne Abschluß oder ohne berufliche Ausbildung beruflich heute fast keine Chance mehr haben; b) generell sollte eine enge Koppelung des Bildungs- mit dem Beschäftigungssystem angestrebt werden. Dazu gehört im einzelnen: ba) eine in den allgemeinbildenden Schulen frühzeitig einsetzende intensive Berufsberatung und vorberufliche Orientierung, um die Berufstindung zu erleichtern; bb) die Schaffung günstiger Anpassungsvoraussetzungen für das Beschäftigungssystem durch: -
die Vermittlung einer breiten Grundausbildung;
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die Vermittlung von Qualifikationen, die sowohl an der aktuellen Brauchbarkeit orientiert sind als auch ein Mit- und Umdenken fördern und die Bildungsvoraussetzungen für späteres Weiterlernen schaffen;
-
eine frühzeitig einsetzende kontinuierliche Bildungsberatung;
-
die Schaffung durchlässiger Bildungswege und gegenseitig anrechenbare Qualifikationen, um Korrektur- und Aufbaumöglichkeiten nicht zum Ausnahme-, sondern zum möglichen Regelfall zu machen (S. 48 f.).
13. Für die optimale Allokation der Arbeit und für die Vermeidung struktureller Arbeitslosigkeit wächst der beruflichen Umschulung und der beruflichen Weiterbildung entscheidende Bedeutung zu (S. 49). 14. Das Risiko für die Verwertbarkeit individuellen Arbeitsvermögens liegt bei den Trägem dieses Arbeitsvermögens und muß weitgehend von ihnen getragen werden, obwohl die Verwertbarkeit des Arbeitsvermögens durch die
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Zusammenfassung und Empfehlungen
Nachfrage nach Arbeitsleistungen determiniert wird. Es ist daher eine zentrale Aufgabe der Wirtschafts-, der Beschäftigungs- und der Arbeitsmarktpolitik, dieses Risiko stärker als bisher zu vermeiden und die von ihm Betroffenen gegen die bis an die Grenze der Existenzvernichtung gehenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen abzusichern. Aufgerufen ist aber nicht nur die Politik, die dem Vollbeschäftigungsziel höhere Priorität geben muß, sondern auch die Wissenschaft, die mehr Ressourcen für die Aufgabe einsetzen sollte, neue Ideen und neue Konzepte für die Reduzierung des Problems der Arbeitslosigkeit, für die Verbesserung der Beschäftigungspolitik und für die Verbesserung der Arbeitsmarktpolitik zu entwickeln (S. 54 f.). 15. Die Finanzierung der Informations-, Beratungs- und Vermittlungsleistungen der Arbeitsverwaltung sowie die Finanzierung der individuellen und institutionellen Förderung der Berufsbildung durch Beiträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer widerspricht dem Prinzip kostenmäßiger Äquivalenz und dem Prinzip sozialer Gerechtigkeit. Die genannten Leistungen sollten daher aus allgemeinen Steuern finanziert werden (S. 57). 16. Es ist ein Verstoß gegen das Prinzip der Konstanz der Wirtschaftspolitik und ein Verstoß gegen die Rationalität, auf die Veränderung der Finanzierungsspielräume der Bundesanstalt für Arbeit jeweils kurzfristig mit Leistungsvariationen zu reagieren, statt die Arbeitsmarktpolitik mittelfristig auszurichten und zu verstetigen (S. 59). 17. Die Arbeitsmarktpolitik hat in den letzten 15 Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik die im AFG festgelegten Ziele zu erreichen. Durch den Einsatz der Instrumente konnte die Zahl registrierter Arbeitsloser beachtlich reduziert werden. Entgegen vielfach gehegten Erwartungen konnte jedoch der Beschäftigungsgrad nicht nennenswert erhöht werden. Die in der Natur der Instrumente des AFG liegenden beschäftigungspolitischen Grenzen wurden durch Grenzen der Finanzierbarkeit der Arbeitsmarktpolitik verstärkt. Bei der Lösung des Problems der Unterbeschäftigung kommt der Arbeitsmarktpolitik daher nur eine flankierende Rolle zu. Nichtsdestoweniger hat die aktive Arbeitsmarktpolitik neben ihren unverzichtbaren und bedeutenden sozialpolitischen Aufgaben auch eine ökonomische Funktion, die darin besteht, die Effizienz des Produktionsprozesses zu erhöhen (S. 73 ff.). 18. Das effizienteste Instrument des AFG ist die Umschulungs- und Berufsbildungsförderung. Die Effizienz dieses Instrumentes könnte erhöht werden, wenn die Arbeitsverwaltung Informationen sammeln und auswerten würde, ob die Lehrgangsteilnehmer eine dem Lehrgangsziel entsprechende berufliche Tätigkeit aufnehmen und wie effektiv unterschiedliche Berufsbildungsträger arbeiten. Selbstverständlich sollten auch die anderen AFG-Instrumente
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entsprechend den Evaluierungen, die vor allem das lAB regelmäßig vornimmt, verbessert werden (S. 73 f.). 19. Die Konzeption des AFG zielt darauf ab, eine aktive antizyklische Konjunkturpolitik durch speziellere und selektivere Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik zu ergänzen und vorausschauend mit Hilfe des Instrumenteneinsatzes, insbesondere der Förderung der Berufsbildung, der beruflichen Fortbildung und der beruflichen Umschulung die Herausbildung einer am Wachstumsziel orientierten Beschäftigungsstruktur zu fördern, zu verhindern, daß der mit dem Wachstum unvermeidliche Strukturwandel Arbeitslosigkeit erzeugt und den Strukturwandel, dessen Anpassungslasten zu großen Teilen die Arbeitnehmer zu tragen haben, sozial abzufedern. Diese Konzeption beruht auf der Zuversicht, mit-einer an Prognosen ausgerichteten Politik das Wirtschaftsgeschehen weitgehend steuern zu können (S. 77 ff.). 20. Die Erreichbarkeit des Zieles vorausschauender Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel hängt von der Verfügbarkeit beruflich tief untergliederter Nachfrage- und Angebotsprognosen und von Prognosen über die Entwicklung der Berufsinhalte ab. Diese Prognoseanforderungen sind nicht erfüllbar (S. 89 ff.). 21. Die Strukturberichterstattung der großen außeruniversitären wirtschaftswissenschaftlichen (Konjunktur-)Forschungsinstitute hat zwar den Erkenntnisstand über die Veränderungen in der Berufs- und Qualifikationsstruktur der Arbeitskräfte, über die Richtung des Beschäftigtenstrukturwandels, über die Voraussetzungen zur Bewältigung des Beschäftigungsstrukturwandels durch die Arbeitnehmer und über die Beschäftigungswirkungen neuer Technolagien erweitert, sie vermag aber den Informationsbedarf einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik ebenfalls nicht zu decken (S. 95 ff.). 22. Das im lAB als Entscheidungshilfe für die Arbeits- und Berufsberatung entwickelte "Konzept der differenzierten Information als Prognosealternative", das zur Beurteilung der Beschäftigungsaussichten Informationskataloge mit nahezu allen zur Verfügung stehenden, für Berufsentscheidungen relevanten Daten anbietet, ist ebenso wenig wie eine Personalbedarfsermittlung durch Befragungen ein Prognoseersatz, auf dessen Basis eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik betrieben werden könnte (S. 100 ff.). 23. Eine Arbeitsmarktpolitik, die die der arbeitsmarktpolitischen Konzeption der Bundesrepublik zugrundeliegenden Ziele anstrebt, ist daher darauf angewiesen, die Funktionsfähigkeit der Arbeitsmärkte in bezug auf diese Ziele zu erhöhen. Daher wurde untersucht, ob Modifikationen der Arbeitsmarktordnung, insbesondere der Tarifautonomie, eine Flexibilisierung der Lohnstruktur und eine Flexibilisierung der Arbeitszeit zur Erhöhung der Funktionsfähigkeit der Arbeitsmärkte beitragen können.
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24. Die Analyse der Leistungsfähigkeit des Instrumentariums des Arbeitsförderungsgesetzes hat gezeigt, daß die auf dem AFG beruhende Arbeitsmarktpolitik weniger den Beschäftigungsgrad erhöhen als die registrierte Arbeitslosigkeit verringern kann. Das Instrumentarium des AFG ist weder von seiner Qualität her noch unter Berücksichtigung des politisch durchsetzbaren Volumens an Finanzierungsmitteln geeignet, bei einer Arbeitslosigkeit, die über die Grenze einer halben Million hinausgeht und nicht strukturell bedingt ist, zur Vollbeschäftigung zurückzuführen. Vielmehr ist es darauf abgestellt, in Zeiten einer durch technologische Umbrüche sowie durch berufliche und regionale Immobilität verursachten strukturellen Arbeitslosigkeit den Vollbeschäftigungsgrad zu erhöhen (S. 106 f.). 25. Unter diesen Umständen erscheint es sinnvoll, im Zusammenhang mit einer Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes klarzustellen, daß die im AFG verankerten Maßnahmen, soweit es sich um die Beeinflussung des Beschäftigungsgrades handelt, darauf auszurichten sind, daß Arbeitslosigkeit verringert bzw. möglichst weitgehend vermieden wird (S. 106). 26. Das Ziel der Vermeidung und das Ziel der Verringerung unterwertiger Beschäftigung wäre mit dem Instrumentarium des AFG nur dann erreichbar, wenn es der Wirtschaftspolitik gelänge, ein globales Arbeitsplatzdefizit zu verhindern und wenn darüberhinaus das Bildungssystem nicht wesentlich mehr Träger hochwertiger und nach ökonomischer Verwertung drängender Qualifikationen hervorbrächte als im Beschäftigungssystem nachgefragt werden. Wollte man unterwertige Beschäftigung vorausschauend vermeiden, müßten das Bildungs- und das Beschäftigungssystem im Sinne vorausschauender, bedarfsorientierter Bildungsplanung miteinander verzahnt werden. Eine solche Verzahnung ist nicht nur angesichts unüberwindbar erscheinender Prognoseschwierigkeiten kaum erreichbar, sondern im Rahmen des Wertesystemsunserer Gesellschaft auch nur begrenzt erstrebenswert (S. 107 f.). 27. Selbst wenn die Struktur der angebotenen und der nachgefragten Arbeitskräfte bei Vollbeschäftigung übereinstimmen würde, würde unterwertige Beschäftigung dann entstehen, wenn ein globales Nachfragedefizit auftritt, weil dann bei den Arbeitnehmern ein Wettbewerb um die knappen Arbeitsplätze eintritt. Die Arbeitsmarktpolitik kann dann zwar für bestimmte der freigesetzten Arbeitnehmer durch Förderung der beruflichen Weiterbildung oder durch Umschulung unterwertige Beschäftigung verhindern, nicht aber die Zahl unterwertig Beschäftigter insgesamt verringern. Die Problematik unterwertiger Beschäftigung und ihrer Verringerung bzw. Vermeidung wird durch eine institutionell mangelhafte Abstimmung zwischen dem Bildungs- und dem Beschäftigungssystem erschwert (S. 107).
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28. Aus diesen Gründen sollte erwogen werden, das Ziel der Vermeidung unterwertiger Beschäftigung im Arbeitsförderungsgesetz zu streichen. Alternativ wäre zu erwägen, das Ziel in dem Sinne umzuformulieren, daß allenfalls durch die Maßnahmen des Arbeitsförderungsgesetzes eine Dequalifizierung von Arbeitnehmern möglichst weitgehend vermieden werden soll (S. 107). 29. Aufgrund der in der Bundesrepublik verwirklichten Form der Arbeitsmarktordnung auf der Grundlage der Koalitionsfreiheit und der Tarifautonomie haben die Arbeitsmarktverbände die gegenüber staatlichen Eingriffen wie auch gegenüber Vereinbarungen auf betrieblicher und einzelvertraglicher Ebene besonders geschützte Kompetenz, im Rahmen kollektivvertraglicher Vereinbarungen Mindestbedingungen für die Arbeitsentgelte und die sonstigen Arbeitsbedingungen festzulegen (S. 108 ff.). 30. Die Kritik am Tarifvertragssystem bzw. am kollektiven Arbeitsrecht, insbesondere am tariflichen Günstigkeilsprinzip und an der Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen, wird im allgemeinen damit begründet, daß zur Verringerung der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit der Anpassungsgrad der Arbeitsbedingungen an die Marktgegebenheiten erhöht werden müsse und deshalb Änderungen in der Verteilung der Vereinbarungsbefugnisse bezüglich der Arbeitsbedingungen notwendig seien. Den Arbeitsmarktverhänden wird in diesem Zusammenhang verschiedentlich vorgeworfen, die tarifpolitischen Verhaltensweisen der Tarifvertragsparteien in den letzten zwei Jahrzehnten - insbesondere tarifvertraglich erzwungene, nicht dem jeweiligen Wertgrenzprodukt der Arbeit entsprechende Entlohnungsbedingungen des Produktionsfaktors Arbeitsleistung - seien beschäftigungsschädlich gewesen und damit für die anhaltend hohe und auf bestimmte Arbeitskräftegruppen konzentrierte Arbeitslosigkeit in den siebziger und achtziger Jahren in der Bundesrepublik in erster Linie verantwortlich (S. 118 ff., S. 130 ff.). 31. Vor diesem Hintergrund wird verschiedentlich vorgeschlagen, die in § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) gegebene Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärungeines Tarifvertrages aufzuheben und die Interpretation des tariflichen Günstigkeilsprinzips entsprechend § 4 Abs. 3 TVG neu zu fassen. Die Änderungsvorschläge zielen darauf ab, einen intensiveren individuellen Wettbewerb der Arbeitnehmer und Betriebe auf den Arbeitsmärkten und die Vereinbarung untertariflicher Arbeitsbedingungen zu ermöglichen (S. 128 ff.). Zur Stärkung der Kompetenzen von Unternehmen und Betriebsräten bei der Festlegung von Arbeitsbedingungen wird ferner von verschiedenen Seiten auch eine Aufhebung bzw. Abschwächung des Vorrangs von Tarifverträgen gegenüber Vereinbarungen auf Betriebsebene gefordert (S. 133 ff.). Diese Vorschläge sollen nach Ansicht ihrer Befürworter eine effektivere Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ermöglichen und die gesamtwirtschaftlichen Wachstumschancen verbessern.
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32. Eine tarifrechtliche Zulassung von Unterbietungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt sowie eine Aufhebung der Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen sind hinsichtlich ihrer Beschäftigungswirkungen skeptisch zu beurteilen. Sehr unsicher ist vor allem, ob beschäftigungserhöhende Nettoeffekte eintreten und die behauptete "Spaltung" der Arbeitsmärkte und der Arbeitnehmerschaft damit aufgehoben werden kann (S. 154 ff.). 33. Erhebliche Zweifel bestehen ferner hinsichtlich der Erfolgsaussichten von Vorschlägen, durch tarifabweichende Betriebsvereinbarungen über Tariflöhne bzw. über materielle und immaterielle Arbeitsbedingungen den Beschäftigungsstand und I oder die Arbeitsplatzsicherheit der Arbeitnehmer zu erhöhen; je nach den wirtschaftlichen Bedingungen könnten sich die beschäftigungserhöhenden und -senkenden Effekte entsprechender Maßnahmen möglicherweise gegenseitig aufheben, der Arbeitsmarkt würde in diesem Fall nicht entlastet (S. 158 ff.). 34. Es ist nicht auszuschließen, daß sich zumindest auf bestimmten Teilarbeitsmärkten - vor allem in krisenbedrohten Branchen, in Bereichen mit einem relativ hohen Anteil gering qualifizierter Arbeitskräfte, bei hohem Anteil ausländischer Arbeitnehmer und bezogen auf Arbeitnehmer mit vergleichsweise "unstetigen" Beschäftigungskarrieren - im Gefolge einer Zulassung von tarifunterbietendem Lohnwettbewerb die Arbeitsbedingungen mehr als nur marginal verschlechtem (S. 153 f.). Im Falle einer Aufhebung der grundsätzlichen Unabdingbarkeit von Tarifnormen und der Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen könnte sich eine bedenkliche Kumulation von Belastungen bei Erwerbspersonen(-gruppen) ergeben, die schon jetzt im Durchschnitt relativ schlechtere Beschäftigungschancen haben und im allgemeinen ein eher unterdurchschnittliches (potentielles) Arbeitseinkommen aufweisen dürften (S. 154 f.). 35. Die Zulassung von Tarifunterbietungen könnte darüberhinaus zu einer erheblichen Schwächung der Arbeitsmarktorganisationen führen; zudem besteht die Gefahr, daß die Wirkung der Tarifverträge, die Arbeitsmärkte zu ordnen, de facto erheblich beeinträchtigt wird, was sich vor allem zu Lasten des Transparenzgrades der Arbeitsbedingungen auf verschiedenen Elementararbeitsmärkten auswirken müßte (S. 158). 36. Angesichts der zweifelhaften, vermutlich allenfalls geringen positiven Beschäftigungswirkungen infolge einer Zulassung von Unterbietungskonkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und einer Aufhebung der Möglichkeit, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, erscheinen entsprechend weitreichende Eingriffe in grundlegende tarifrechtliche Regelungen nicht gerechtfertigt. Den Forderungen nach einer Stärkung des Individualwettbewerbs sollte daher nicht entsprochen werden (S. 158).
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37. Im Falle tarifabweichender Betriebsvereinbarungen über Löhne bzw. über materielle und immaterielle Arbeitsbedingungen besteht die Gefahr, daß sich Konflikte über die Gestaltung der Arbeitsbedingungen zunehmend in die Betriebe hinein verlagern. Längerfristig könnte außerdem eine Erosion der Stellung der überbetrieblichen Verbände der Arbeitsmarktparteien eintreten und schließlich die faktische Relevanz des Tarifvertragssystems in Frage gestellt werden (S. 158 ff.). 38. Bei Betrieben und Unternehmen besteht unverkennbar ein erheblicher und vermutlich noch wachsender Bedarf an raschen Anpassungsmöglichkeiten bezüglich der Produktion und der betrieblichen Arbeitsbedingungen im Falle geänderter Marktgegebenheiten (insbesondere hinsichtlich der jeweiligen Arbeitszeit der Beschäftigten). Um diese Tendenzen auch in der Art sowie den Inhalten der Tarifabschlüsse stärker als bislang zu berücksichtigen, erscheint es für die Tarifvertragsparteien sinnvoll, den Betriebsparteien für jeweils auf überbetrieblicher Ebene vorweg spezifizierte Vertragsinhalte in beschränktem Maße Freiräume für die konkrete Gestaltung der Vereinbarungen bzw. Wahlmöglichkeiten im Rahmen von tarifvertraglich gegeiten Gestaltungsalternativen zu geben (S. 166). Entsprechende rahmensetzende Tarifverträge könnten darüberhinaus in der Zukunft unter Umständen auch im Rahmen einer Politik zur verstärkten Einbindung der Arbeitsmarktparteien auf lokaler Ebene, wie sie hier angeregt wurde, genutzt werden. Des weiteren könnten rahmensetzende Tarifverträge auch dazu dienen, Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien im Rahmen einer "zweistufigen" Tarifpolitik bzw. eines "Beschäftigungspaktes" - wie sie in Abschnitt III. 2. 4. vorgeschlagen und konkretisiert werden- umzusetzen. Durch eine Weiterentwicklung der gegenwärtigen Form der Tarifautonomie in Richtung eines entsprechend mehrgliedrig gestalteten, idealerweise unter verschiedenen gesamtwirtschaftlichen Bedingungen leistungsfähigen Tarifvertragssystems könnten die Tarifparteien ihrer Rolle als (Mit-)Verantwortliche für Beschäftigungsniveau und Geldwertstabilität, welche mit den weitreichenden Freiheitsverbürgungen im Rahmen der Tarifautonomie untrennbar verknüpft ist, wohl deutlicher als bislang gerecht werden (S. 166 f.). 39. Eine Verbesserung der Verteilungsposition der Arbeitnehmer- im Sinne einer Erhöhung der Lohnquote- mit Hilfe hoher nominaler Lohnzuwächse muß angesichts theoretischer und empirischer Erkenntnisse als nicht durchsetzbar gelten. Versuche, mittels einer expansiven, d. h. nicht kostenniveauneutralen Lohnpolitik die Verteilungsrelationen zu ändern, gefährden vielmehr die Preisniveaustabilität oder einen hohen Beschäftigungsgrad oder beide Ziele (S. 167 ff.). 40. Eine kostenniveauneutrale Lohnpolitik bedeutet die Aufrechterhaltung des status quo der Einkommens- und Vermögensverteilung. Eine entsprechende
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Zusammenfassung und Empfehlungen verteilungspolitische Abstinenz der Gewerkschaften ist sachlich nicht zu rechtfertigen; vielmehr ist anzuerkennen, daß die Arbeitnehmer als einer der an der Produktion beteiligten Faktoren ein Anrecht darauf haben, am Unternehmensgewinn als dem Ergebnis des Zusarnmenwirkens aller Produktionsfaktoren teilzuhaben (S. 168 f.).
41. Ein Verfahren zur Verteilung der Produktionserträge, das die stabilitäts- und verteilungspolitischen Risiken der Lohnpolitik zu minimieren sucht, hat davon auszugehen, daß die Wirkungen der Lohnpolitik bzw. konkreter Lohnvereinbarungen auf Beschäftigung, Geldwert und Einkommensverteilung ex ante aufgrundder entsprechenden Prognosen immanenten Mängel und Unsicherheiten kaum beurteilbar sind. Eine Möglichkeit zur Berücksichtigung dieser Tatsache könnte darin bestehen, die Entlohnung des Faktors Arbeit und damit die Verteilung des Produktionsertrages als einen zweistufigen Prozeß zu konzipieren. In der ersten Stufe sollte die Zuwachsrate der voll verfügbaren Löhne festgelegt werden, gleichzeitig sollten die Modalitäten einer Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer vereinbart werden. Diese Ertragsbeteiligung wäre hinsichtlich ihrer gerrauen Höhe dann ex post zu konkretisieren (S. 169 ff.). 42. Ein entsprechendes zweistufiges Verfahren erleichterte es den Gewerkschaften, einer am Prinzip der Kostenniveauneutralität orientierten Lohnpolitik zuzustimmen, ohne auf die Verfolgung verteilungspolitischer Ziele verzichten zu müssen. Erreichbar wäre damit zum einen eine bessere Ausrichtung der Lohnpolitik an den Zielen Geldwertstabilität und hoher Beschäftigungsstand, zum anderen längerfristig eine Verbesserung der Einkommens- und Vermögensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer, wie sie im allgemeinen als wünschenswert angesehen wird (S. 170 ff.). 43. Eine entsprechend konzipierte Politik vergleichsweise niedriger Nominallohnzuwächse dürfte für sich genommen angesichts der vielfliltigen Ursachen der Arbeitslosigkeit allerdings nicht ausreichen, um das Vollbeschäftigungsziel wieder zu erreichen. Es erscheint daher erforderlich, in Verbindung mit einer zweistufig konzipierten Lohnpolitik auch die staatliche Wirtschaftspolitk sowie die Geld- und Kreditpolitik zur Wiedergewinnung eines hohen Beschäftigungsgrades einzusetzen. Wünschenswert wäre insoweit ein beschäftigungspolitischer ,,Pakt" zwischen Regierung, Sozialpartnern und Zentralnotenbank (S. 173 f.). 44. In der aktuellen beschäftigungspolitischen Diskussion wird, ausgehend von einer neoklassisch inspirierten Sichtweise des Arbeitsmarktes, häufig die Ansicht vertreten, die sektoralen, qualifikationsspezifischen und regionalen Lohnunterschiede hätten sich in der Bundesrepublik seit Beginn der siebziger Jahre stetig verringert oder sich zumindest in steigendem Maße als starr und damit nicht beschäftigungskonform erwiesen (S. 175 ff.). Zur Erhöhung des
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Beschäftigungsstandes und zur nachhaltigen Verringerung der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit wird daher verschiedentlich gefordert, die Anpassungsflexibilität der Löhne und Lohnrelationen bezüglich der Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt durch entsprechende Flexibilisierungsmaßnahmen zu verbessern bzw. wiederherzustellen (S. 177 ff.). 45. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß stabile Lohnstrukturen aus der Sicht von Unternehmen und Arbeitnehmern zum Teil erhebliche Vorteile bieten dürften. Entsprechende Vermutungen werden durch die Ergebnisse neuerer arbeitsmarkttheoretischer Analysen bestätigt, die zeigen, daß relativ rigide Löhne und stabile Lohnrelationen zumindest zum Teil Folge rationalen Handeins (d. h. ökonomisch effizient) sein können (S. 181 ff.). 46. Die These, daß fürdie Entwicklung der Lohnstrukturen in der Bundesrepublik in den siebziger und achtziger Jahren eine durchgängige und nachhaltige Nivellierung kennzeichnend war, wird durch die Resultate neuerer empirischer Lohnstrukturuntersuchungen allenfalls für Teilperioden und -bereiche bestätigt. Die Lohnrelationen zwischen verschiedenen Branchen und Qualifikationen waren vielmehr im Vergleich über den Gesamtzeitraum seit 1970 vergleichsweise stabil. Nivellierungs- wie auch Differenzierungsprozesse der interindustriellen wie der intraindustriellen Lohnstruktur sind nur für Teilperioden und bezogen auf bestimmte Arbeitnehmergruppen feststellbar (S. 186 ff.). Anhaltspunkte für eine leichte Annäherung ergeben sich dagegen bezüglich der Entwicklung der Lohnunterschiede zwischen den Bundesländern; diese Nivellierungstendenzen der interregionalen Lohnstruktur dürften teilweise Änderungen in der Wirtschaftsstruktur widerspiegeln (S. 192 ff.). 47. Die Frage, ob und inwieweit eine nach Branchen, Qualifikationen, Regionen und Geschlecht flexiblere Lohnstruktur geeignet wäre, die gegenwärtige Arbeitslosigkeit spürbar zu verringern, ist insgesamt betrachtet umstritten und per Saldo nicht sicher zu beantworten. Eine Politik forcierter Lohnstrukturdifferenzierung dürfte als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit alles in allem wenig aussichtsreich und damit kaum empfehlenswert sein (S. 197 f.). 48. In der gegenwärtigen Deregulierungs- und Flexibilisierungsdebatte werden neben einer Flexibilisierung der Lohnrelationen auch flexiblere Gestaltungsformen im Bereich der individuellen Arbeitszeitgestaltung und der betrieblichen Arbeitszeitstrukturen gefordert. Damit sollen die Realisierungschancen für eher präferenzengerechte individuelle Arbeitszeiten der Arbeitnehmer verbessert und im Wege einer verbesserten Abstimmung der Arbeitszeitgestaltung auf betriebliche Belange das gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsniveau erhöht werden (S. 198 f.).
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49. Für die Bundesrepublik kann angesichts des erreichten Standards bezüglich der durchschnittlichen Dauer der individuellen Arbeitszeit der Arbeitnehmer das ursprüngliche Ziel staatlicher Arbeitszeitpolitik, das Ziel allgerneinen Persönlichkeitsschutzes der Arbeitskräfte sowie des Gefahren- und Unfallschutzes, vermutlich als in hohem Maße erfüllt gelten. Die im Zeitablauf feststellbare kontinuierliche Verkürzung der durchschnittlichen Arbeitszeit praktisch ohne Realeinkommensverluste begünstigte die Arbeitnehmer und erwies sich bis in neuere Zeit auch unter gesamtgesellschaftlichen und -wirtschaftlichen Aspekten im allgerneinen als vorteilhaft (S. 201). 50. Unverkennbar sind allerdings auch partielle Defizite und Problernbereiche in der Arbeitszeitgestaltung. Erheblichen physiologischen und sozialen Belastungen sind die von "unkonventionellen" Arbeitszeiten, insbesondere Schichtarbeit betroffenen Arbeitnehmer ausgesetzt (S. 202 f.); ferner bestehen Defizite bei der Realisierung präferenzengerechter individueller Arbeitszeiten und insbesondere hinsichtlich familiengerechter, die Rollenkonflikte und Doppelbelastungen vieler, vorrangig weiblicher Erwerbstätiger vermindernder Formen der Arbeitszeitgestaltung (S. 203 ff.). Schließlich ergeben sich gerade in neuerer Zeit aus betriebswirtschaftliehen sowie gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen zum Teil neue Anforderungen im Bereich der individuellen Arbeitszeitgestaltung (S. 206 ff.). 51. Die Ergebnisse empirischer Studien zur Verbreitung unterschiedlicher Arbeitszeitrnuster zeigen, daß flexible Arbeitszeitformen in der Bundesrepublik bislang hauptsächlich in den eher ,,konventionellen" Formen der Teilzeitarbeit, als gleitende Arbeitszeiten sowie als Schichtarbeit Verwendung finden; neuere Modelle flexibler Arbeitszeitgestaltung finden in der betrieblichen Praxis erst allmählich in größerem Maße Anwendung. Die Bedeutung von Teilzeitarbeit hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen; gleichwohl sind nach wie vor fast ausschließlich weibliche Arbeitnehmer davon betroffen. Teilzeitarbeitsplätze weisen gegenüber Vollzeitarbeitsstellen in qualitativer Hinsicht zum Teil erhebliche Nachteile auf, insbesondere bezüglich der mit entsprechenden Arbeitsplätzen verbundenen Qualifikationsanforderungen und Aufstiegschancen; der verringerte soziale Schutz dieser Beschäftigungsverhältnisse kann für Teilzeitbeschäftigte zu Problernen führen, sofern sie nicht über alternative sozialversicherungsrechtliche Anspruchsgrundlagen verfügen (S. 210 ff., S. 218 ff.). 52. Aus Unternehmenssicht ist der Einsatz von flexiblen Arbeitszeitformen einschließlich Teilzeitarbeit im allgerneinen vorteilhaft, um die individuellen Arbeitszeiten der Beschäftigten von den Betriebszeiten zu entkoppeln sowie den Personaleinsatz in Hinblick auf den tatsächlichen Arbeitsanfall zu optimieren und damit die Kapitalnutzungszeiten auszudehnen bzw. die betrieblichen Personalkosten zu verringern (S. 219 f.).
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Dagegen sind die gesamtwirtschaftlichen Arbeitsmarktwirkungen von Maßnahmen zur Arbeitszeitflexibilisierung in ihrer Richtung und Höhe umstritten und zumindestaprioriwohl auch nicht bestimmbar. Aus beschäftigungspolitischen Gründen erscheint es empfehlenswert, im Falle weiterer Arbeitszeitverkürzungen in Zukunft vermehrt auch flexiblere Gestaltungsformen bei der Arbeitszeit zu ermöglichen beziehungsweise bei Flexibilisierungsmaßnahmen möglicherweise vorhandenen Präferenzen der Arbeitnehmer zugunsten kürzerer individueller Arbeitszeiten Rechnung zu tragen (S. 228). Selbst wenn kurzfristig auch von flexibleren und kürzeren Arbeitszeiten kein nachhaltiger Abbau der Arbeitslosigkeit zu erwarten sein dürfte, ließen sich durch präferenzengerechte, kürzere individuelle Arbeitszeiten vermutlich zumindest Angebot und Nachfrage nach Teilzeitbeschäftigung besser zum Ausgleich bringen (S. 228). Ferner könnten hierdurch die Voraussetzungen für eine Steigerung der Alterserwerbstätigkeit geschaffen und den Betrieben für die Zukunft ein zusätzliches Potential qualifizierbarer Arbeitskräfte erschlossen werden (S. 229). 53. Flexiblere Gestaltungsformen der Arbeitszeit und ein vermehrtes Angebot von Teilzeitarbeit sind, wie die empirischen Erfahrungen mit neuartigen Arbeitszeitmodellen zeigen, zumindest prinzipiell zur Erreichung sozial- und familienpolitischer Zielsetzungen geeignet. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit könnte zur Verringerung physiolgischer und sozialer Belastungen der Arbeitnehmer infolge ungünstiger Arbeitszeiten beitragen, speziell bei Schicht- und Nachtarbeit. Ferner können flexible Gestaltungsformen der Arbeitszeit einschließlich (flexibler) Teilzeitarbeit für erwerbstätige oder an der (Wieder-)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit interessierte Arbeitnehmer, die aus familiären Gründen eine kürzere individuelle Arbeitszeit wünschen, nicht unerhebliche Vorteile bieten (S. 230 ff.). Zugunsten flexiblerer Gestaltungsformen der Arbeitszeit bzw. (flexibler) Teilzeitarbeit sprechen insbesondere auch die zu erwartenden sozialpolitischen Vorteile in Verbindung mit einem gleitenden Übergang in den Ruhestand (S. 239 f.). 54. Die potentiell vorteilhaften Wirkungen flexibler Arbeitszeitformen hängen in starkem Maße von den spezifischen Ausprägungen der jeweiligen Form der Arbeitszeitgestaltung sowie von der Ausgestaltung und Verteilung von Dispositions- und Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich des individuellen Arbeitseinsatzes ab (S. 232). Um diejenigen Formen flexibler Arbeitszeiten, die aus der Sicht der Beschäftigten als besonders nachteilig anzusehen sind, möglichst zu vermeiden, müßte durch entsprechende gesetzliche und vor allem kollektivvertragliche Regelungen auf Tarif- und Betriebsebene sichergestellt werden, daß auch bei flexibleren Arbeitszeitformen und speziell flexibler Teilzeitarbeit der gesetzliche bzw. tarifvertragliche Arbeitnehmerschutz nicht unterlaufen wird
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und die Tarifvertragsnormen nicht ihre Schutz- und Ordnungsfunktion zumindest in Teilbereichen bzw. für Teilgruppen des Arbeitsmarktes faktisch einbüßen (S. 233). 55. Zur Steigerung der Attraktivität von (freiwilliger) Teilzeitarbeit dürfte es sinnvoll sein, diejenigen flexiblen Arbeitszeitformen und Vereinbarungen über Teilzeitarbeit einzuschränken, die die Kompetenzen zur Nutzung bestehender Flexibilitätsspielräume im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle einseitig dem jeweiligen Betrieb zuweisen. Aktivitäten zur Vermeidung dergestalt einseitiger Arbeitszeitvereinbarungen sollten vorrangig von den Tarifvertragsparteien ergriffen werden (S. 237). 56. Des weiteren erscheint es sinnvoll, Maßnahmen zur flexibleren Gestaltung individueller Arbeitszeiten durch sozial-, familien- und bildungspolitische Maßnahmen in verschiedenen Gestaltungsbereichen zu ergänzen und zu flankieren, um einige der auf Seiten der Arbeitnehmer wie der Unternehmen möglicherweise bestehenden Barrieren für eine stärkeren Nutzung der Teilzeitarbeit zu beseitigen (S. 233 f.). Änderungen bei verschiedenen arbeitsund sozialversicherungsrechtlichen Regelungen sollten dabei jeweils unter dem Aspekt vorgenommen werden, die Teilzeitarbeit zu einer gleichwertigen Alternative zur Vollzeitarbeit auszubauen, dabei aber eine einseitige Bevorzugung einer bestimmten Arbeitszeitform zu vermeiden. Neben der Bewahrung von Arbeitnehmerrechten sollte dabei soweit als möglich das Ziel verfolgt werden, zur Vergrößerung des betrieblichen Angebots an Teilzeitstellen beizutragen. Ferner sollte eine möglichst große Transparenz der arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen bei Teilzeitarbeit angestrebt werden (S. 234 f.). 57. Die Unternehmen sollten ein breiteres Spektrum an Gestaltungsformen für flexible Arbeitszeiten und flexible Teilzeitarbeit gerade auch für Arbeitsplätze mit höheren Qualifikationsanforderungen anbieten. Notwendig ist ein quantitativ größeres sowie inhaltlich und bezüglich der Ausgestaltung von Lage, Umfang und Beweglichkeit der Arbeitszeit differenzierteres Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen (S. 238 f.). 58. Besondere Aufgaben ergeben sich im Zusammenhang mit der Förderung von Teilzeitarbeit bei Arbeitnehmern, die erstmalig oder nach einer Unterbrechung erneut erwerbstätig werden wollen. Um die Schwierigkeiten bei einer erfolgreichen Wiedereingliederung der betreffenden Personengruppen zu verringern, wäre vermutlich eine verstärkte, komplementäre betriebsnahe Förderung der Qualifizierung und Weiterbildung rückkehrwilliger Berufsunterbrecherl-innen entweder bei Wiedereintritt in ein Arbeitsverhältnis oder schon während der Unterbrechungsphase förderlich. Eine eventuell mehrstufige, bei Bedarf zunächst Grundlagenwissen vermittelnde, betriebsnah erfolgende Qualifizierung und Weiterbildung könnte den beruflichen Wiederein-
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stieg von Frauen erleichtern. Durch eine verstärkte Bereitstellung von Teilzeitarbeitsplätzen ließen sich zudem Zeiten der Nichterwerbstätigkeit verkürzen (S. 239 f.). 59. Die Analyse der Konzeption und des Instrumentariums des Arbeitsförderungsgesetzes von 1969 führte zum Ergebnis, daß aufgrundder Nichterfüllbarkeit der Anforderungen, die für eine Umsetzung der Konzeption der vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik an die hierfür erforderlichen Prognosen über zukünftige Arbeitsmarktentwicklungen zu stellen sind, im Bereich der Arbeitsmarktpolitik auf der Grundlage des AFG Reformbedarf besteht. Ziel einer entsprechenden Reform müßte es sein, die auf strukturpolitische Ziele ausgerichteten Instrumente des AFG so zu modifizieren, daß die Arbeitsverwaltung trotzbestehender Prognoseunsicherheiten qualifikationsspezifische Ungleichgewichte wirksam bekämpfen kann (S. 240 f.). 60. Angesichts der arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung, eine anforderungsgerechte Anpassung der Arbeitskräftequalifikationen zu fördern, sollten sich Reformbemühungen hinsichtlich des AFG vorrangig auf eine Förderung der beruflichen Mobilität der Arbeitnehmer konzentrieren. Ansatzpunkte für entsprechende Reformmaßnahmen wären vor allem die Förderungsstrategien, daneben aber auch die Berufsbildungsberatung sowie die Struktur der arbeitsmarktpolitischen Entscheidungskompetenzen verschiedener Entscheidungsgremien (S. 241 ff.). 61. Berufe mit einem breiten Spektrum an Einsatzmöglichkeiten verringern das Risiko ausbildungsbezogener Fehlinvestitionen, da sie den Arbeitskräften die Anpassung an Änderungen in der Qualifikationsnachfrage erleichtern. Um Arbeitsmarktungleichgewichte, die auf Verschiebungen in der Berufsstruktur zurückgehen, möglichst rasch auszugleichen, erscheint es empfehlenswert, im Rahmen einer Strategie vermehrter Mobilitätsförderung den sektoralen Strukturwandel von arbeitsmarktpolitischer Seite über eine Förderung der beruflichen Mobilität zu unterstützen und dabei vor allem die Vermittlung von breit angelegten, branchenübergreifenden Qualifikationen zu fördern (S. 242 ff.). 62. Diskrepanzen zwischen Nachfrage und Angebot auf dem Arbeitsmarkt werden in neuererZeitverstärkt durch technologische Neuerungen und damit verbundene Änderungen der Berufsinhalte hervorgerufen. Mangels rechtzeitiger Anpassung der bei den Arbeitskräften vorhandenen Qualifikationen an geänderte Anforderungsbedingungen kann es je nach konjunktureller Lage zu Arbeitslosigkeit wie auch zu qualifikationsbedingten Wachstumsengpässen kommen (S. 245 ff.). Um derartige Arbeitsmarktungleichgewichte möglichst rasch zu beseitigen, sollte es im Rahmen einer Strategie der bedarfsorientierten Anpassungsförderung den Arbeitnehmern ermöglicht werden,
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durch die Teilnahme an entsprechenden Lehrgängen ihr Fachwissen an den neuesten Stand anzupassen, ohne ihr Arbeitsverhältnis dafür kündigen zu müssen. Sinnvoll erscheint in diesem Zusammenhang eine Aufteilung längerdauernder Bildungsmaßnahmen in mehrere Kurzlehrgänge; ferner könnte das Instrument der Kurzarbeit mit Bildungsmaßnahmen gekoppelt werden (S. 246 f.). 63. Bei länger dauerndem Überangebot an Arbeitskräften sind notwendigerweise diejenigen Personen überdurchschnittlich stark von Arbeitslosigkeit betroffen, deren berufliche Qualifikationen gering sind oder nicht (mehr) den Anforderungen entsprechen. Ferner ist mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit mit einem Verfall der vorhandenen beruflichen Qualifikationen eines Arbeitslosen zu rechnen (S. 248). Es erscheint daher sinnvoll, den Anreiz zur Teilnahme an Bildungsmaßnahmen mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit zu erhöhen, indem ab einem bestimmten Zeitpunkt der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei gleichbleibendem Anspruch auf Unterhaltsgeld gekürzt wird. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen- insbesondere für Langzeitarbeitslose -sollten in vermehrtem Maße mit Bildungsmaßnahmen gekoppelt werden; ferner sollten Bildungsmaßnahmen stärker problemadäquat und gegebenenfalls eher produktionsorientiert durchgeführt werden (S. 249 f.). 64. Im Bereich der Berufsbildungsberatung sollte angesichtsder Unmöglichkeit, den Ratsuchenden Prognosen bezüglich der Beschäftigungsaussichten anbieten zu können, der Frage nach der beruflichen Flexibilität und der Breite der Verwendbarkeit bestimmter Qualifikationen innerhalb der Beratung hoher Stellenwert beigemessen werden. Da in der Berufsberatung von Abiturienten bestimmte Defizite feststellbar sind, insbesondere hinsichtlich der Kenntnisse, die Gymnasialabsolventen in Fragen der Wirtschafts- und Arbeitswelt besitzen, sollte deren Informationsstand in diesem Bereich verbessert werden (S. 250 ff.). 65. Das Berufsbildungssystem in der Bundesrepublik ist immer noch stark auf die berufliche Erstausbildung ausgerichtet, während die berufliche Weiterbildung in der bildungspolitischen Praxis noch eine eher untergeordnete Rolle spielt. Es erscheint daher notwendig, die Ausbildungsordnungen zur Stufenausbildung weiterzuentwickeln, innerhalb derer zunächst Grundkenntnisse vermittelt werden sollten, an die sich eine allgemeine und - darauf aufbauend - eine spezielle Fachausbildung anschließen sollte. Ferner sollte angestrebt werden, die Weiterbildung allmählich in das duale System einzubinden; zu diesem Zweck könnten von der Arbeitsverwaltung auch betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen gefördert werden (S. 252 f.). Zur Sicherung eines für die berufliche Verwertung der Qualiftkationen ausreichenden Ausbildungsniveaus müßten Mindeststandards für die Träger der Bildungsmaßnahmen entwickelt werden (S. 253).
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66. Der Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente seitens der Arbeitsverwaltung und insbesondere eine Strategie der verstärkten Bildungsförderung bedarf der intensiven Kooperation verschiedenster maßnahmenrelevanter Akteure. Folglich sollte im Rahmen einer Reform der Arbeitsmarktpolitik darauf abgezielt werden, die lokalen Arbeitsmarktakteure beim Einsatz arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen verstärkt in den Entscheidungsprozeß einzubeziehen. Eine entsprechende Stärkung der Selbstverwaltung in den Arbeitsämtern setzt allerdings einen größeren Handlungsspielraum für die einzelnen Arbeitsämter beim Instrumenteneinsatz voraus (S. 254 f.).
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