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German Pages 482 [484] Year 1991
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Literatur und Archiv Band 5
Reihenherausgeber Dr. Thomas Feitknecht Schweizerisches Literaturarchiv in Bern Prof. Dr. Georg Jäger Institut für Deutsche Philologie der Universität München Dr. Christoph König Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar Dr. Walter Methlagl Forschungsinstitut »Brenner-Archiv« der Universität Innsbruck Dr. Siegfried Seifert Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar
Susanne Ebeling/Hans-Otto Hügel Ralf Lubnow (Hrsg.)
Literarische Ausstellungen von 1949 bis 1985 Bundesrepublik Deutschland Deutsche Demokratische Republik Diskussion, Dokumentation, Bibliographie
K G · Saur München · London · New York · Paris 1991
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Literarische Ausstellungen von 1949 bis 1985: Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik ; Diskussion, Dokumentation, Bibliographie / Susanne Ebeling ... (Hrsg.). - München ; New York ; London ; Paris : Saur, 1991 (Literatur und Archiv ; Bd. 5) ISBN 3-598-22083-9 N E : Ebeling, Susanne [Hrsg.]; GT
Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed on acid-free paper Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved Κ. G. Saur Verlag, München 1991 Part of Reed International P. L. C. Printed in the Federal Republic of Germany Druck/Printed by Strauss Offsetdruck G m b H , Hirschberg Binden/Bound by Buchbinderei Schaumann, Darmstadt ISBN 3-598-22083-9
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Die Literaturausstellung zwischen Zimelienschau und didaktischer Dokumentation. Problemaufriß - Literaturbericht 7 I Zum Begriff der Literaturausstellung Bernhard Zeller : Literaturausstellungen. Möglichkeiten und Grenzen Christina Didier ·. Spezifische Probleme des Literaturmuseums als Anreger Wolfgang Barthel: Literatur und museale Präsentation
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II Institutionen von literarischen Ausstellungen. Ausstellungen in Geschichtsmuseen, Bibliotheken und Literaturmuseen Erich Keyser : Die Veranschaulichung der Geschichte Utz Jeggle: Subjektive Heimat - objektive Musealität. Zum Verhältnis von subjektiver Erlebnisfähigkeit und objektiven Ereignissen Paul Sattler: Ausstellungen als bibliothekarische Aufgabe Dietrich Wilhelm Grobe: Ausstellungen von Hand- und Druckschriften in öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken. Ein geschichtlicher Überblick von den Anfängen bis 1945 Alfred Jericke: Konzeption und Gestaltung biographischer Museen in zeitnaher Sicht
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Friedrich Pfäfflin: Literaturausstellungen in Literaturmuseen
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III Literaturausstellungen: national - international Dieter Eckardt: Literarisches Erbe im Museum. Möglichkeiten und Grenzen seiner Vermittlung in DDR-Museen 151 Susanne Ebeling: Ausstellungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland - Auswertung einer Umfrage 159 Max Kunze: Literaturausstellungen im internationalen Vergleich . . 171 IV Zur Präsentation und Rezeption literarischer Ausstellungen Wolfgang Barthel: Literaturausstellungen im Visier. Zu den ständigen Ausstellungen im Reuter-Literaturmuseum Stavenhagen, in der Reuter-Gedenkstätte Neubrandenburg und zur Herder-Ausstellung im Kirms-Krackow-Haus Weimar Susanne £6e/¿ng/Ralf Lubnow: Ausstellungs-Ansichten Hans-Otto Hügel: Inszenierungsstile von Literaturausstellungen . . Klaus Aschenbach: Probleme der visuellen Gestaltung in Literaturmuseen Wolfgang Barthel: Ausstellungskritik im Literaturmuseum? . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Klaus Beyrer: Literaturmuseum und Publikum. Zu einigen Problemen der Vermittlung 233 V
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Susanne £fce/i/jg/Matthias Lohrer: Literaturausstellungen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik 1949-1985. Ein Verzeichnis
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Ralf Lubnow. Auswahlbibliographie zu Ausstellungen in kulturhistorischen Museen, Archiven und Bibliotheken 413 Register Drucknachweise Bildnachweise
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Einleitung Die Literaturausstellung zwischen Zimelienschau und didaktischer Dokumentation: Problemaufriß - Literaturbericht Bibliothek, Archiv, Museum - Orte der Literaturausstellung Literaturausstellungen sind verhältnismäßig jung. Während das Zur-Schau-Stellen von Büchern bzw. Schriftrollen seit der römischen Antike Brauch war, sei es, weil die geschmückten Bände Zimelien oder Kultgegenstände waren, sei es, weil in der öffentlichen Saal-Bibliothek Aufbewahrung und Schau-Stellung eins waren, gibt es Literaturausstellungen erst seit der Mitte des 19.Jahrhunderts. Für die Frühgeschichte der Buchausstellung läßt sich eine dichte Folge von Beispielen: aus dem alten Rom, den Klosterbibliotheken des frühen Mittelalters, den Fürstenbibliotheken der Renaissance, den Stadt- und Universitätsbibliotheken des 16. und 17Jahrhunderts, finden. Diese Linie führt - nach der Trennung von Magazinund Leseraum - direkt bis zu den ersten, ausschließlich zum Vorzeigen eingerichteten Vitrinen- und Dauerausstellungen in der ersten Hälfte des 19 Jahrhunderts. Dagegen gibt es nur wenige Vorläufer von Literaturausstellungen. Anzuführen sind aus der Antike nur einige Bildnis-Sammlungen wie die "Viri Illustris" des Verres2 und deren Nachahmungen3. Diese bilden jedoch bestenfalls eine Vor-, aber keine Frühgeschichte der Literaturausstellung, da sie nur das Bildnis der Dichter (und anderer Berühmtheiten), nicht aber die Werke zur Schau stellten. Neben Bibliotheken werden literarische Ausstellungen vor allem in literarischen Archiven, Museen und Memorialstätten ausgerichtet, die ihre Entstehung im 19 Jahrhundert vornehmlich der Popularisierung historischen Denkens, der Suche nach Ansätzen für nationale Identität , der gestiegenen Bedeutung der Wissenschaften5 und nicht zuletzt Goethes Testament6 verdanken. So gehört die Geschichte der literarischen Gedenkstätten und Archive auch zur Geschichte literarischer Ausstellungen. Die Buchausstellung ist als "eine museale Darstellung [...], die sich bemüht, [...] die Schrift und das Buch, den Beschreibstoff und die Schreibmittel, die manuellen und maschinellen Techniken der Herstellung in ihrer schier unübersehbaren Mannigfaltigkeit anschaulich zu machen" , vor allem ein Hilfsmittel für Buchwissenschaft und Buchgewerbe, das "die historischen, die philologischen, die ästhetischen Ergebnisse der Forschung und die in technisch-gewerblicher Hinsicht erzielten Fortschritte [...] durch Anschauung deutlich macht." Obwohl die Buchausstellung daher einen Gegenstand in eigener Tradition im Auge hat, ist die Kluft zwischen ihr und der Literaturausstellung doch geringer, als es zunächst scheint. So fallen bei literatur-soziologischen Themen wie 'Das billige Buch' oder 'Geschichte einzelner Verlags- und Druckorte', aber auch bei genuin buchgeschichtlichen Themen wie 'Der Musen-Almanach' oder 'Der Kalender' die Geschichte des Buchdrucks mit der Geschichte der Literatur zusammen. Und selbst ein scheinbar rein bibliophiles Gebiet wie 'Die schönsten Bücher aus ...',
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Hans-Otto Hügel
das Anlaß zu unzähligen Ausstellungen war, läßt sich als Ausstellung zur Buchförderung zugleich als eine zur Leserförderung, also auch als Literaturausstellung auffassen. Vor allem aber haben Buch- und Literaturausstellungen ihren Ort gemeinsam. Denn die Masse der Buch- wie Literaturausstellungen wird weder in den wenigen Spezialinstituten für die Geschichte des Buchwesens wie dem Gutenberg-Museum noch in den etwas zahlreicheren literarischen Museen, sondern von und in öffentlichen wie wissenschaftlichen Bibliotheken ausgerichtet. Bibliotheken veranstalten jedoch nicht Buch- oder Literaturausstellungen, sondern - wie es der vor dem Krieg übliche Terminus auch bezeichnete Bibliotheksausstellungen9. Sie signalisierten damit, daß sie die Ausstellungen als Fortsetzimg ihrer institutionseigenen Aufgaben betrachteten1 , als Mittel "der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung", der "Bestandserschließung" und Rechenschaftslegung, als "Beitrag zur Bewußtseins- und Meinungsbildung."1 Ob all diese Funktionen - bei denen die Bibliotheken "zum Glück" und "stets aus ihren 12
eigenen Beständen" schöpfen - durch eine Buch- oder eine Literaturausstellung realisiert werden, läßt sich generell und allein vom Thema betrachtet, nicht entscheiden. Denn: sobald eine Buchausstellung mehr ist als reine ZimelienSchau, und "eine Führungslinie, ein roter Faden erkennbar" 13 ist, verweisen die ausgestellten Bücher - in welchem Maß auch immer - nicht mehr bloß auf sich selbst, sondern auf die der ganzen Ausstellung zugrunde liegende Idee. Statt einer anschaulich gemachten Bibliographie erschließt sich dem Betrachter dann ein Zusammenhang, bei dem das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Der Besucher vermag zu beobachten, wie die einzelnen Teile - die ausgestellten Bücher - "sich gegenseitig anziehen oder abstoßen, zu Bewegungen und Gegenbewegungen vereinigen und ein Wechselgespräch führen". Eine solche Ausstellung spricht, indem sie Bücher zeigt, daher nicht nur von Büchern, sondern auch von Literatur - womit zugleich ein, wenn auch noch vorläufiger, Begriff von der Literaturausstellung im Unterschied zur Bibliotheksausstellung gegeben ist. Zusammenhang Institution und Ausstellungsweise Allerdings sind Bibliotheks-Ausstellungen in der Praxis umstrittener als mittlerweile in der Theorie: Wenn die - heute wohl durchweg berechtigten - Klagen der Mitarbeiter über die unzumutbare Dauerüberlastung zu laut werden oder wenn die den Bibliotheken diktierten Etatkürzungen zu Einsparungen zwingen, dann stehen zuvorderst die Ausstellungsaktivitäten zur Disposition. Fällt die Entscheidung, die Ausstellungstätigkeit einzuschränken, wird sie aus gutem Grund getroffen; ist doch allemal das Sammeln, Erschließen und Bereitstellen von Literatur die vornehmere und näherliegendere Aufgabe. In diesem Punkt treffen sich die Einschätzung und Praxis der Bibliotheken zumindest teilweise mit denen anderer Institutionen, die literarische (und kulturhistorische) Ausstellungen veranstalten. Auch in (Literatur-)Archiven und selbst in (Literatur-)Museen wird die Frage gestellt: Ist der Aufwand, der mit Ausstellungen, jedenfalls mit Sonderausstellungen getrieben wird, zu verantworten?
Einleitung
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Behindert nicht die Ausstellungsarbeit in nicht zu rechtfertigender Weise die "eigentlichen" Aufgaben von Archiv und Museum? Die Spannung zwischen "Öffentlichkeitsarbeit"1 und "Bildungsauftrag"16 einerseits, und den als eigentlich erkannten Aufgaben des Sammeins, Bewahrens und (wissenschaftlichen) Erschließens andererseits, wird nicht immer zugunsten der Ausstellungsaufgabe ausgehalten; denn: "Ausstellungen zu veranstalten, gehört nicht zu den eigentlich primären Aufgaben eines Archivs".17 Diese Tendenz wird durch den Zweifel an der Ausstellungsqualität der Archivalien verstärkt: "Seit Archive sich vermehrt um Ausstellungen mühten, begleitete sie die Skepsis, ob historisches, archivalisches Material überhaupt für Ausstellungen geeignet sei."18 Selbst für das Museum, das "unter den sammelnden Einrichtungen [...] die [...] einzige [ist], die als besondere Eigenart sich einer ständigen Ausstellungen bedient, in dem die Sammlung in einer Ausstellung umgesetzt wird"19, gilt: "Die Verwissenschaftlichung des Museums steht bis heute zu seinem Bildungszweck nicht in Widerspruch, aber doch in Spannung." Und Museumsfachleute sehen daher die Gefahr, daß zumindest "durch Großausstellungen [...] die Museumsarbeit von fremden Zielen bestimmt zu werden scheint. Solche Kritik am Sinn der Sonderausstellungen für Archive und Museen könnte mit dem Hinweis auf die tatsächliche Ausstellungspraxis als irrelevant abgetan werden, wenn aus dem Unbehagen von Archiv und Museum gegenüber Ausstellungen nicht seinerseits Konsequenzen für die Begründung von Ausstellungen und schließlich für Ausstellungsziele und -weise sich ergäben. So rechtfertigen die Vertreter der Archive Ausstellungen aus einem Bildungsauftrag im Sinne von Vermittlung "historische[r] Informationen und Kenntnisse" . Während solche Ziele eher durch "thematische Ausstellungen" unternommen werden, dient die zweite anerkannte Form der Archivausstellung, die "sogenannte Dauerausstellung", dem Vorzeigen von Zimelien, wobei diese mit hauspolitischen Zielen wie mit Bildungsaufgaben begründet wird: "Diese Dauerausstellungen behalten als erste, optisch besonders ansprechende Konfrontation von Besuchergruppen mit Originalquellen durchaus ihren Wert."23 Ähnlich wird von der Seite der Museen festgestellt: "Basisausstellung, Präsentationsausstellung als permanent museale Ausstellung, Vergleichs- und Forschungsausstellungen sind Ausstellungen von konkreten Zeugnissen und Dokumenten zur Gebildelehre und damit vor allem Basisdokumentation."24 Gewiß werden nur zuweilen solche Auffassungen so rigide vorgetragen werden. Sie haben jedoch in der Beschreibung der den Archiven, aber auch den Museen eigenen Aufgabe, als "Zweckbestimmung zur beweissichernden Dokumentation" , eine gute, weil institutionslogische Begründung. In dem Maße, in dem die Archive und Museen sich im Dienste der Wissenschaft zuerst als bewahrende und sammelnde Institute begreifen (und begreifen müssen), werden sie dazu neigen, die Gegenstände ihrer Sammlungen als Dokumente, die für sich stehen (können), nach deren eigener Gebildelogik zu präsentieren. Oder, wenn sie sich als Bildungsinstitute für die Öffentlichkeit sehen, werden sie strenge Didaktik, Vermittlung von Geschichtskenntnissen zu betreiben suchen (nicht zuletzt, um
10 Hans-Otto Hügel für den Wert ihrer Schätze zu werben). In ihren Ausstellungen werden sie daher eher dazu tendieren, die Extreme der Zimelienschau oder der didaktischen Dokumentation zu erfüllen, als eine Möglichkeit zu suchen, zwischen diesen Extremen zu vermitteln. Gewiß ist mit solch verallgemeinernder Charakteristik nicht der Vielfalt der Archive und Museen gerecht zu werden. - Überdies ist die Übertragung von Positionen historischer Archive und Museen auf Literaturarchive und -museen nur mit großer Vorsicht möglich, da deren Mitarbeiter häufiger als in "klassischen" Archiven und Museen, "Quereinsteiger" sind. Trotzdem, denke ich, läßt sich der hier dargelegte Zusammenhang zwischen der Auffassung, die die Institute von ihrer Aufgabe und ihrer Ausstellungsweise haben, auch bei den Häusern wahrnehmen, die literarische Ausstellungen ausrichten. Ob ein solcher Zusammenhang beim Ausstellen von Literatur förderlich ist, oder ob die Literatur ausstellenden Institute besser eine Haltung einnähmen, die nicht "dieser basalen Museumsarbeit" entspricht, das ist die Frage. Literatur - ein schwieriges
Ausstellungsobjekt
In der Forschung zur Literaturausstellung wird das Aussagepotential von Literaturausstellungen eher pessimistisch beurteilt. "Ausstellungen in Literaturmuseen, um dies gleich vorwegzunehmen, sind nicht in der Lage, komplizierte bibliographische, literarische, wirkungsgeschichtliche und kulturhistorische Erscheinungen, Vorgänge und Zusammenhänge im eigentlichen Verstände angemessen darzustellen oder gar nachzuvollziehen." 28 Was hier von Barthel noch mit gewissen Einschränkungen vorsichtig umschrieben, ja verklausuliert wird, ist von ihm jüngst eindeutiger gesagt worden; wenn er selbst unter Bezug auf verbesserte Arrangements einer "neuen Anschaulichkeit" feststellt: "Dennoch bleiben sie [die literarischen Ausstellungen] im Hinblick auf die Präsentation von Literatur als Werk und Schöpfung merkwürdig stumm." Barthel steht mit solcher Ansicht alles andere als allein da. Vielmehr wird nahezu unisono festgestellt, daß "Literatur - zumindest im engen Sinn als geschriebenes Wort [...] - dem visuell angelegten Medium einer Ausstellung diametral entgegengesetzt" ist . Für möglich gehalten wird höchstens, daß durch Ausstellungen "Aufschlüsse über den Entstehungsvorgang" 33 oder die "Bedingungen ihrer [der Literatur] Entstehung, Wirkung oder Wirkungslosigkeit im literarischen Bezugsfeld" 34 zu geben ist. Begründet wird die eingeschränkte Aussteilbarkeit der Literatur zunächst und zumeist mit dem scheinbar schlagenden Argument, daß Literatur gelesen werden muß: "Eigentlich können deren Leistungen [gemeint sind Verf. literarischer Kunstwerke], die vor allem dem Gedanken offen sind, nur außerhalb des Museums ganz erlebbar werden: Bei Literatur durch die Lektüre, Seite um Seite." 35 Daneben wird die "mangelnde Anschaulichkeit" der "Handschriften, Dokumente und Archivalien, [die] nicht ohne weiteres museumswirksam sind" , angeführt. Wobei damit das Vorurteil der Museologen gegen die "sogenannte
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Flachware" der literarischen Exponate bzw. der Glaube, daß allein das dreidimensionale Objekt 38 der Visualität des Museums entspräche, bedient wird. Die beiden Argumente für die mangelnde Museumsfähigkeit der Literatur: Sie sei von zu geringer Anschaulichkeit und verstehbar nur im Leseakt, hat Max Kunze auf den Punkt gebracht, wenn er feststellt: "Does a literary original exist at all? Hardly, I would argue. Only during the reading process can literary experience be gathered. Literary originality cannot reflect itself in the object of a one-page manuscript or the title-page of a book." Ziele der Literaturausstellung: Wertevermittlung - Leseanreiz All diese Argumente haben aber nicht dazu geführt, daß literarische Ausstellungen aufgegeben wurden. Im Gegenteil, literarische Ausstellungen haben Konjunktur wie noch nie, und bemerkenswerterweise fühlen die Ausrichter solcher Ausstellungen sich durch ihre publizistisch geäußerten Selbstzweifel nicht berührt. Im Gegenteil. Bei der Umschreibung ihrer Zielsetzungen gehen sie immer davon aus, daß das Literaturmuseum bzw. der Ausstellungsgestalter in einer übergeordneten, der Besucher hingegen in einer untergeordneten Stellung ist. So stellt ζ. B. das Wörterbuch 'Literaturmuseale Kommunikation' 1981 mit Deutlichkeit fest, die nichts zu wünschen übrig läßt: "Für die literaturmuseale Kommunikation sind der pragmatische und massenkommunikative Aspekt charakteristisch. Der pragmatische Aspekt wird in der Beziehung Ausstellungsleiter Museumsbesucher verwirklicht, und zwar 1. auf der ideell-erzieherischen Ebene, 2. auf der bildungsmäßigen, 3. auf der operativ-persuadierenden-überredenden und 4. auf der Informationsebene."40 In dieses Schema lassen sich alle heute vorgeschlagenen Zielsetzungen für Literaturausstellungen einordnen. Literaturmuseen, literarische Ausstellungen, so liest man besonders in der DDR immer wieder, sollen "vor allem Wertungen transportieren". Wertungen meinen hier weniger ein literarisches Geschmacksurteil und haben schon gar nicht eine evtl. umstrittene Interpretation zu einem literarischen Werk im Auge, sondern zielen auf eine gesellschaftliche Haltung, die in politisches Handeln umzumünzen ist. Denn: "über das Bewußtmachen von Wertungen und das Ausstellen von Wertungen erfüllt die literarische Ausstellung ihre Anrege-Funktion im literarischen Vermittlungsprozeß und konstituiert sich als ein Organ gesellschaftlicher Kommunikation." Diese "Wertungs-Lehre" hat in der DDR schon Tradition. 43 Wobei man häufig hoffte, solche Wertungen sowohl kognitiv wie affektiv zu vermitteln und dem Literaturmuseum den Auftrag zuwies, es müsse "nicht nur Kenntnisse vermitteln, sondern [...] emotionale Erlebnisse ermöglichen, die die Menschen unserer Tage für die Lösung der beim Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft gestellten Aufgabe beflügeln." 44 Weniger ethisch und kulturpolitisch legt man in der Bundesrepublik die anregende Funktion der literarischen Ausstellung aus. Und erhofft sich vor allem, ebenfalls teils auf Emotion, teils auf Ratio setzend, daß man den Besucher zum Lesen bringt: "Sie [die Literaturausstellung] sollte ein visuell und emotional erfahrbares Erlebnis im Raum ermöglichen. [...] So wie Schwitters [im Stempel-
12 Hans-Otto Hügel bild von 1921] den Inhalt zum Wort und Wort zum Bild werden ließ [...], so können Interpretationen und Inhalte visualisiert und einer Öffentlichkeit in wörtlichem Sinne begreifbar dargestellt werden. Es wird so zum Lesen verführt." Oder man denkt sich die Literatiuausstellung als Station schulischen wie außerschulischen Literaturunterrichts bzw. analog zu der MusentempelKontroverse die Literaturausstellung als "Lernort" . 4 7 Demgegenüber wird in den biographisch orientierte und zumeist als umfassende Dokumentation ausgelegten Ausstellungen der großen und vornehmlich einem Dichter gewidmeten Literaturmuseen schon aus institutionspolitischen Gründen "kulturelle Unterhaltung ohne direkte Bildungs- und Erziehunsabsichten zu Erholungszwecken" angestrebt. Die Beschreibung des Ziels Werte-Vermittlung oder Lese-Stimulation - wobei es im Kern gleichgültig ist, ob dabei dem Literaturmuseum nach der jeweiligen museologischen Begriffs-Gewohnheit nun didaktische, impulsgebende oder anregende Funktionen zugewiesen werden - hängt, wie sich leicht einsehen läßt, eng mit der Fixierung des Gegenstands des Literaturmuseums auf Entstehung und Wirkung des literarischen Werks zusammen. Da die Ausstellungsmacher glaubten, Literatur sei wegen ihrer "immaterielle[n] Größe" 1 nicht ausstellbar, schoben sie die Erkenntnislast für das, was man selbst für wirklich wichtig an der Literatur und an der literarischen Ausstellung hält , dem Leser zu. Oder sie sahen die ausgestellte Literatur nur formal als Wertevorrat für wichtig an, um sie als Beispiel für die These von der möglichen Rettung des Subjekts in der Kunst zu nehmen: "Was im Literaturmuseum in seinen Ausstellungen als kultureller Wert eingefordert wird, ist das Aufmerksamwerden auf persönliche Erfahrungen, Weltaneignungsweisen und Wertvorstellungen, Lebensformen und Lebensbewältigungen. " Vermittlung der Literatur durch Substitution der Literatur Nachdem Gegenstand und Ziel von Literaturausstellungen so zusammenpaßten, bedurfte dieses System noch der Absicherung durch die Beschreibung einer der Literaturausstellung eigenen Methode, Vermittlungsweise. Den Begriff hierfür lieferte Wolfgang Barthel 1978, indem er die literaturmuseale Ausstellungsweise als "productive substitutes" umschrieb.54 Kunze 55 ist ihm hierin gefolgt, und schon bald wurde die Lehre von der Substituierung des Literarischen durcji Exponate, die man als außerliterarische begriff (z. B. "Bildkünstlerisches") , Gemeingut im Osten wie im Westen. Die Terminologie wurde jüngst von Barthel ausgebaut und differenziert: "Die Unausstellbarkeit des eigentlichen Gegenstands Literatur erzeugt dabei periphrastische, substituierende und verweisende Verfahren des Ausstellens, die in der Regel durch Transformation, z. B. durch 'Übersetzung' literarisch-biographischer Ideen in multimediale Text-BildObjekt-Raum-Strukturen gewonnen werden." 58 So einleuchtend dies auch bei einem Gang durch eine literarische Ausstellung scheint, bei dem kaum einmal das literarische Wort selbst einmal vorgestellt wird,
Einleitung 13 so falsch ist es. Substitution, Periphrasie und Verweisung sind untauglich, den Vermittlungsvorgang in der Literaturausstellung zu beschreiben, weil sie keine Klarheit geben, wie dieser Vermittlungsvorgang vor sich geht. Es wird vielmehr nur vage behauptet, die Exponate erhielten "in Expositionen des Literaturmuseums eine Art Referenz-Qualität. Die präsentierten Objekte' sind gleichsam nur Schaufenster, allerdings von besonderer Brechungsqualität, hinter denen die eigentlichen Auslagen (die Literatur und ihre Erzeuger) erkennbar werden." Wie diese "Art Referenz-Qualität" funktioniert, bleibt ungeklärt. Die Ausgaben, Handschriften, Dichter-Portraits, Rezensionen literarischer Werke sind aber gar keine Substitute noch Periphrasien oder Verweisungen von literarischen Werken, sondern eben Ausgaben, Handschriften, Dichter-Portraits, Rezensionen von literarischen Werken. Sie ersetzen nicht das literarische Werk, noch übersetzen sie es, noch verweisen sie auf es (was immer Verweisung heißen mag), sondern zeigen zunächst einmal sich selbst. So banal diese Einsicht ist, so folgenreich ist sie für Bestimmung von Gegenstand und Zielsetzimg literarischer Ausstellungen. Denn erst, wenn ich die Exponate der literarischen Ausstellung nicht mehr als Ersatz für das Unerreichbare, "die literarisch-biographischen Ideen", sondern für sich nehme, vermag ich zu realisieren, was sie auf Umwegen - und darauf kommt es an - über das literarische Werk formulieren. Als Substitut des literarischen Werks sagt mir ζ. B. die Portrait-Fotografie von Gerhard Hauptmann, in der er als Goethe posiert, nichts; als Portrait ernstgenommen, spricht sie nicht nur über sein Dichter-Bild, sondern sagt auch etwas über sein Spätwerk aus. Oder: als Substitut für das poetische Kunstwerk sagt die Erstausgabe der ersten Buchveröffentlichung von Günter Eich, seine bei Wolfgang Jess 1930 erschienenen 'Gedichte', nichts. Als Zeugnis des literarischen Lebens, für sich zunächst einmal ernstgenommen, legt die unscheinbare und doch zugleich (im Format) außergewöhnliche Broschüre es aber nahe, in den Gedichten eine besondere poetische Haltung realisiert zu sehen. (Auf diese weist im übrigen auch der Katalog, nicht jedoch die Ausstellung mit einem Zitat hin.) Das Beharren auf dem material-logischen Argument, daß die Exponate im Literaturmuseum keine Substitute von Literatur, sondern zunächst und vor allem sie selbst sind und daher nur "auf Umwegen", "vermutungsweise" etwas über die Literatur sagen, mag zunächst wie Beckmesserei klingen. Es ist aber mehr als das. Erst diese Unterscheidung macht den Weg frei für die Einsicht, daß in literarischen Ausstellungen nicht nur deshalb Literatur nicht ausstellbar ist, weil ihre Vermittlung nur durch Lektüre möglich ist. Auch Literatur - etwa Lyrik -, die sich als Text vollständig zeigen läßt, ist nicht ausstellbar in dem Sinne, daß allein durch Zeigen und Anschauen etwas von Bedeutung vermittelt würde. Literatur ist vielmehr deshalb nicht ausstellbar, weil sie strenggenommen im materiellen Sinn nicht existiert. Da niemand, weder der Autor, noch die Kritik, noch die Wissenschaft, abschließend zu sagen vermag, was "die Literatur" oder was ein bestimmtes Stück Literatur ist oder bedeutet, gibt es auch kein Objekt61, das die Literatur selbst zur Anschauung bringt . Literatur ist "das Unsichtbare, nur in der Phantasie des Lesers sich Abspielende" bzw. das, was (nur) im Kopf des Autors "real existiert", das aber schon im Moment des Entstehungsvorgangs als "Littera" sich ihm entfremdet. Und nur weil dies so ist, vermag mit Literatur
14 Hans-Otto Hügel - wie mit allem Historischen und allem Humanen - ein prinzipiell endloses Gespräch durch alle Zeiten hindurch geführt zu werden, das deshalb Sinn stiftet. 64 Es ist also nicht nur unmöglich, Literatur auszustellen, weil sie so unansehnlich oder weil sie zwischen Buchdeckeln verborgen liegt. Es wäre auch gar nicht zu wünschen, daß Literatur auszustellen ist. Denn dies würde zugleich voraussetzen, daß der hermeneutische Prozess endlich ist. Jedoch besitzt - zum Glück, möchte ich sagen - die Literaturausstellung keine besondere, herausgehobene Stellung im Gefüge der literaturvermittelnden Institutionen. Aus der Tatsache, daß die Literaturmuseen das Blatt zeigen können "auf dem die Hand des Dichters geruht hat", läßt sich jedoch, wie manchmal unterstellt wird, kein Vorrecht auf authentische, unmittelbare Vermittlung ableiten: Auch das scheinbar authentische, "sprechende Original" 6 gibt nicht unmittelbar und abschließend wieder, was "die Literatur" ist. Das, was der Besucher glaubt, durch die unmittelbare Anschauung der Originale mitgeteilt zu bekommen, ist bloßer Widerhall seines eigenen Vorurteils. Statt auf die Kraft der Originale zu setzen, müssen die Literaturmuseen vielmehr die Erkenntnis ernstnehmen, daß sie "Teile dessen [sind], was der Dichter Johannes R. Becher einmal als 'Literaturgesellschaft' bezeichnet hat und worunter wir die Wechselbeziehung zwischen Gesellschaft, Literatur, Leser, Literaturwissenschaft und literaturvermittelnden Institutionen verstehen." 66 Literaturausstellungen wie Literaturmuseen haben keinen Vorzug vor anderen Institutionen des Literaturbetriebs. Ihre Produkte sind nicht Literatur, sondern Meinungen zur Literatur. Literatur ist also - um es pointiert zu sagen - überhaupt nicht der Gegenstand von Literaturausstellungen. Literaturausstellungen stellen nicht Literatur aus, sondern Ansichten von Literatur! Die hier vorgenommene Akzentverschiebung bei der Beschreibung des Gegenstands von Literaturausstellungen, von der Literatur weg auf Meinungen zur Literatur hin, hat Konsequenzen für die Rollendefinition aller am literaturmusealen Kommunikationsprozeß beteiligten "Kommunikationspartner"68: auf den Ausstellungsregisseur ebenso wie auf den Besucher und das Exponat. Rolle des Ausstellungsregisseurs Indem der Literaturausstellung ein legitimer und vor allem ein erreichbarer Gegenstand zuerkannt und sie damit vom Ruf des "exaltierten Kranken" 69 befreit wird, der nicht alles sagen kann, was er sagen müßte 70 , werden Stellung und Aufgaben des Ausstellungsregisseurs eingeschränkt wie erweitert. Solange die Ausstellungsregisseure glaubten, ihre Aufgabe sei es, Literatur auszustellen und sie zugleich der Meinung waren, dies sei nicht möglich, gab es für sie letztlich keine durch die Einrichtung der Ausstellung zu erfüllende kommunikative Aufgabe, für deren Gelingen sie Verantwortung trugen. Die Feststellung, daß die Literaturausstellung ihre eigentliche Aufgabe, Literatur auszustellen, unmöglich erfüllen kann, wurde zum Alibi für die Ausstellungsregisseure, sich aus dem Kommunikationsprozeß auszuklammern. Ob die Ausstellungsregisseure wie in letzter Zeit in der DDR zumeist sich als Erzieher gaben oder ob sie wie in der Bundesrepublik zumeist sich als Verwalter von unbezweifelbaren Fakten darstellten - in jedem Fall nahmen sie eine Haltung ein, die sie unangreifbar
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machte. Als Dokumentär präsentierte der Ausstellungsregisseur über das notwendige Maß hinaus Fakten und Objekte, die nur auf sich verwiesen.73 Er betrieb Beweissicherung. Er sprach nur vom unbezweifelbar Richtigen. Bezog Stellung nur durch die Auswahl der Exponate, soweit es - wegen der "Raumnot" unumgänglich angezeigt war. Daher bevorzugte er Vitrinentitel wie "Von Werk X zu Werk Y" oder "Theater in den X-Jahren" oder "Prosa 19xx bis 19xx". Als Erzieher stellt der Ausstellungsregisseur Wertungszeugen vor. In beiden Fällen hatte er sich in eine Rolle begeben, die ihn turmhoch über den Ausstellungsbesucher stellte. Der Dokumentär ließ Korrekturen nur auf der Ebene positiven Wissens zu, der Erzieher machte sich unangreifbar, in dem er - nach dem Motto: Wertungsfragen sind letzte Fragen - die Begründung für seine Wertungen nicht mit ausstellte. Der Dokumentär stellte seine Meinung zu der ausgestellten Literatur (wenn überhaupt) gleichsam nur augenzwinkernd vor. Er versteckte sich unter einer Fülle von Details, die mit dem Argument der historischen Gerechtigkeit begründet werden, ohne daß danach gefragt wurde, ob solche Fülle diese nicht gerade verstellt. Sowohl die dokumentarische wie die erzieherisch-wertende Ausstellungssprache verlangte daher Zustimmung und Unterordnung und fragloses Konsumieren von ihren Besuchern, wobei im Falle des Besuchs eines Literaturmuseums das Publikum hierin schon durch die beeindruckende Vorstellung des Hauses eingestimmt wurde. Läßt der Ausstellungsregisseur hingegen die Ausflucht in das Dokumentarische oder in das Erzieherisch-Wertende fallen und nimmt er statt dessen die Aufgabe an, seine Meinung zur Literatur auszustellen, steigt er vom hohen Roß herunter und läßt den Besucher an sich herankommen. Für dieses Wagnis und den damit verbundenen Prestigeverlust wird er mehr als entschädigt, da das Ausstellen von Meinungen zur Literatur nicht eine Dokumentation der Rezeption von Literatur im Sinn hat. Ein solches Unternehmen wäre zwar nützlich für jede Dokumentation, aber als Ausstellung genauso fad wie die reinen Dokumentationen zur Entstehung literarischer Kunstwerke. Meinungen zur Literatur auszustellen zielt vielmehr darauf, die Interpretation des Ausstellungsregisseurs über das anstehende literarische Thema zu geben. In Analogie zur Theatersprache lassen sich solche interpretierenden Ausstellungen sehr wohl als Inszenierungen begreifen ; denn Aufgabe und Stellung des Ausstellungsregisseurs entsprechen denen des Theaterregisseurs , wenn er produktiv mit seinem Text bzw. seinen Texten umgeht. Erst wenn der Ausstellungsregisseur sich das Recht nimmt, seine Ansicht zum Thema zu formulieren, wird eine Ausstellung einzurichten eine eigenständige, kreative Leistung, bei der "die Rolle des schaffenden Subjekts und der individuellen Handschrift beim Ausstellungsmacher" zum Tragen kommt. Dann wird sie auch mehr sein als eine Ansammlung von "Schaukästen zur Literaturpropaganda", um einen Artikel über Gemeindebibliotheken zu zitieren.7 Solange die Tätigkeit des Ausstellungsregisseurs aber nur als "Sichten und Zusammenstellen der Werke" aufgefaßt wird, ist es hingegen konsequent, sie nur als "fast-schöpferische Unterbrechung der Routine-Arbeit" in Bibliotheken anzusehen. Gewiß fehlen dem Ausstellungsregisseur "agierende Schauspieler" . Er braucht aber für die fehlenden Schauspieler nicht Ersatz bei dem "hin und wieder
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in Aktion tretenden Museumspersonal" zu suchen, sind doch die Exponate seine Medien, durch die er seine Interpretation der Texte "sprechen" läßt. Sicher klingen solche Analogien vielen Museumsfachleuten mindestens so ketzerisch wie dem Teil des Publikums und der Kritik, die vom Theater zuerst und vor allem "Texttreue" verlangen, nicht bedenkend, daß ein Schauspiel niemals textgetreu gespielt wird. Wenn Literaturausstellungen Literaturgeschichte dokumentieren, reden sie, um Fontane zu zitieren "von unanfechtbaren Wahrheiten". Was daraus folgt, steht ebenfalls im 'Stechlin'. Wenn Literaturausstellungen hingegen Literatur interpretieren, rekonstruieren, ja erschaffen sie Literaturgeschichte erst und verdienen es dann, 'inszenierte Ausstellung' genannt zu werden: "Bei vielen, nicht zu übersehenden Gemeinsamkeiten liegt der wesentliche Unterschied zwischen Literaturmuseum und Geschichtsmuseum darin, daß das Literaturmuseum nicht nur zur Erkenntnis der realen Geschichtlichkeit des Autors und seines Werkes beigetragen hat, sondern mit gleicher Intensität zum Verständnis der künstlerischen Realität hinführen muß, - einer eigenen Welt, die nicht mit Lupe und Metermaß an der realen Existenz des Autors und seinen unmittelbaren Wirklichkeitserfahrungen nachzuweisen ist. Aus dieser doppelten Zielstellung, der Darstellung der Realität und der künstlerischen Realität, erwachsen für das Literaturmuseum wiederum unendlich scheinende Möglichkeiten, Anreger zu sein." Damit sind dann auch Voraussetzungen erfüllt, daß literarische Ausstellungen Anlässe für Kritik werden. Denn solange Ausstellungen nur Literaturdokumentation betreiben, vermag die Kritik nichts außer Hinweisen zu den ausgestellten Gegenständen zu geben. "Die literarische Ausstellung, die Objekte ausstellt, um Objektives zu formulieren, wird schwerlich zu einer Ausstellungskritik, die diesen Namen verdient, anregen. Aus Anlaß der Ausstellung wird über die 'Sache' ein Essay geschrieben. Werden jedoch Ansichten von Objekten inszeniert, wird es auch Ausstellungskritik geben, wie es Inszenierungskritik zum Theater gibt." 83 Es sei gern zugegeben, daß die Chance für eine interpretierende Literaturausstellung sinken, je größer und umfassender das Thema der Ausstellung ist. Ebenso ist die Inszenierimg einer interpretierenden Ausstellung für die großen Literaturmuseen erschwert, wenngleich nicht unmöglich - s. Ludwig Greves GottfriedBenn-Ausstellung in Marbach (1986) 85 -, da sie sich genötigt sehen, in den Dauerausstellungen wie in den großen Sonderausstellungen umfassende Dokumentationen ihrer Bestände zu geben. Prinzipiell unmöglich und mit dem objektiven Geist des Museums unvereinbar ist eine interpretierende Literaturausstellung aber keineswegs. Im Gegenteil scheinen die Schwierigkeiten - läßt man sich einmal darauf eih, daß Literaturausstellungen sowieso nur (langweilige oder spannende) Meinungen zur Literaturausstellung vorstellen können - gar nicht so groß zu sein. Nötig ist es zu allererst, die Möglichkeiten, die die Gliederung 86 und die Beschriftung bieten, zu nutzen. Jene nicht nur als Mittel zum Einteilen der Stoffmassen anzusehen, diese nicht nur zur Wiedergabe der ausgewählten Hand-
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Schriften in lesbare Umschrift zu verwenden. Vor allem gilt es, Fragen, Hypothesen zur ausgestellten Literatur dem Besucher vorzulegen, statt wie so oft Fakten und Dokumente zu reproduzieren. So gibt der Titel 'Hier schreibt Berlin' in der Marbacher Ständigen Ausstellung 'Das 20. Jahrhundert' der 15. Vitrine eine Zielsetzung, die diesen Abschnitt der Literaturgeschichte nur dokumentarisch belegt und (ein wenig) beschreibt, ihn aber nicht interpretiert (vgl. Bild unten). Das Titelzitat verweist nur darauf, daß hier Autoren aus Berlin aufgereiht werden. Durch einen anderen Titel (der etwa das Beieinander von EliteKunst und populärer Kunst hervorhebt) würden hingegen Fragen an die Exponate gestellt werden. Aus Dokumenten würden Erkenntnisträger. So deutet das Biberkopf-Filmprospekt90 unter dem Signal 'Hier schreibt Berlin' gesehen, nur vage auf die enge Beziehung zwischen Roman und Film. Wäre es im Zusammenhang mit der Frage nach dem damals möglichen friedlichen (?) Nebeneinander von Kunst und Kommerz zu sehen, würde es eher zum Nachdenken anregen. "Für sich" in die Vitrine gelegt, deutet es diesen Gedanken nur von ferne an. Wie überhaupt die meisten Stücke dieser Vitrine mehr Bedeutung gewännen, stellte man das interpretatorische Ziel deutlicher heraus. Auch durch Weglassen von Exponaten durch den Verzicht, alles und jedes "abdecken zu wollen", ließen sich interpretierende Akzente setzen. So könnte, um noch einmal die Vitrine 'Hier schreibt Berlin' zu bemühen, auf das Heft 7 der 'Süddeutschen Monatshefte' aus dem Jahre 1931 leicht verzichtet werden. Die Autoren, die der Umschlag nennt, sagen wenig im Zusammenhang dieses Abschnitts; und das, was der Katalog zu Ε. B. Kolbenheyers Beitrag in diesem Heft schreibt, teilt sich dem Betrachter nicht mit.
18 Hans-Otto Hügel Rolle des Exponats: Das Problem des 'originalen historischen Sachzeugen ' Indem in der interpretierenden Literaturausstellung die Aufgabe gestellt ist, Hypothesen über die ausgestellte Literatur zu formulieren, wird auch den Exponaten eine Rolle zuerkannt, die ihren ästhetischen wie historischen Eigenheiten entspricht. Solange die Literaturausstellung aufgefaßt wird als "Mittel der gesellschaftlichen Erziehung" , wird der historische Charakter des Exponats für wertlos erklärt oder nur als didaktisch-persuadierendes Hilfsmittel gewertet. Denn als Wertungszeuge ist der Text im Reclam-Heft ebenso brauchbar wie die Erstausgabe. (Entsprechend sieht man in der massiv wertenden Herder-Ausstellung im Kirms Krackow-Haus in Weimar auch nur wenige literarische Originale.) Andererseits ist in der Dokumentationsschau das Ästhetische der Exponate letztlich nur Dreingabe, Funktion des Designs. Denn als Dokument, dessen Sinn nur darin besteht, auf einen historischen Fakt der Literaturgeschichte zu verweisen, ihn zu beweisen, ist jedes Stück unabhängig von seiner Ästhetik zu verwenden. Auch in dem Zentrales berührenden museologischen Streit um den "originalen historischen Sachzeugen" vermag die Einsicht in die Fragen stellende und Hypothesen bildende Aufgabe von Literaturausstellungen weiterzuhelfen. In diesem Streit geht es darum, ob und wie vielfaltig das Exponat dank seiner umfassenden sinnlichen Präsenz "ein spezifisches Bildungsmittel [ist], das eine direkte Kommunikation, d. h. ohne Transposition in Bild- oder Verbal-Codes ermöglicht93 und daher "die originalen Sachzeugen eines Museums [...] mit ihrem unendlichen Aussagewert die Grundlagen des Museums sowohl seiner Sammlungs- und Forschungs- als auch seiner Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit 94 darstellen. In jüngster Zeit lehnen DDR-Museologen wie Klaus Schreiner und Ernst Hofmann den Begriff 'Sachzeuge' als unzutreffend ab, um das museologische Objekt zu bezeichnen. Hofmann stellt mit erkenntnistheoretischer Begründung zu Recht fest, "daß der historische Sachzeuge an sich keine Relation widerspiegelt. Herausgerissen aus dem historischen Kontext, der zudem nichts Starres, sondern ein sich ständig wandelndes Beziehungsgefüge war und ist, sind die Sachzeugen nur stumme Splitter der Geschichte." Ein Aussagewert, "eine Werterelation [der Sachzeugen] existiert nur, wenn auch ein bestimmtes Interesse des Subjekts gegenüber dem jeweiligen Objekt vorliegt. Sie [die Werterelation] ist ein dialektisches Subjekt-Objekt-Verhältnis, das nicht durch die Isolation eines der beiden Elemente erklärt werden kann." Für die Ausstellungstheorie und -praxis ist nun von Bedeutung, daß Hofmann zwischen zwei Formen von Werterelationen der Sachzeugen unterscheidet: "Die Aussage, daß einem Sachzeugen Wert beizumessen ist, kann sich sowohl auf seine Eignung zur pädagogischen Vermittlung (Ausstellungswert) als auch auf seine Eignung als mögliche Quelle der Geschichtswissenschaft (Quellenwert) beziehen." Was zunächst ganz plausibel, weil vertraut klingt - greift Hofmann mit der Unterscheidung von Ausstellungswert und Quellenwert doch ein Thema auf, das schon vor mehr als 60 Jahren zur Debatte stand -, führt konsequent weitergedacht
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in eine Sackgasse. An Hofmanns Aufsatz ist gerade wegen seiner stringenten Argumentation zu lernen, daß Museumsausstellungen nicht zum Lernen oder zum wissenschaftlichen Begründen, zum Beweisen oder Analysieren taugen. Denn die Unterscheidung von Quellen- und Ausstellungswert stoppt die Dialektik, die die Werterelation des Exponats doch erst begründet: "Der Sachzeuge wird jedoch [...] nicht wegen seiner sinnlichen Totalität, wegen seines unerschöpflichen Beziehungsreichtums ausgestellt, sondern als Repräsentant innerhalb eines durch das Ausstellungsthema gegebenen rationalen Rahmens. Nicht die gesamte Totalität, sondern nur bestimmte Merkmale bzw. Eigenschaften und Relationen sind für die funktionelle Einbettung der Objekte in die Ausstellung wesentlich." Mit anderen Worten: Das Exponat verkommt zum Belegstück für das, was der Ausstellungsregisseur beweisen will. Hofmann hat zwar die Skylla des stummen, weil ohne Perspektive betrachteten Objekts vermieden, trifft dafür aber die Charybdis des nur einsinnig zu beziehenden Sachzeugen. Hofmann verkennt jedoch diese Gefahr, die seinem Gedankenschiff droht und steuert es - verführt von Gesängen kulturpolitischer Nützlichkeitserwähnungen - in den Untergang: "Die Meisterschaft der Gestaltung besteht deshalb wesentlich darin, die Rezeption der Ausstellung im Sinne des Anliegens, des Bildungs- und Erziehungszieles, zusteuern." 0 1 Nicht nur wenn Ausstellungen sich durch eine Vielzahl didaktischer Hilfsmittel als Lernort à la mode 1970 präsentieren, sondern sobald das Museum etwas beweisen will, verstößt es gegen seinen obersten Grundsatz: ein Ort der "Ostentation", der Zurschaustellung wie der Mitteilung zu sein. 102 Von didaktisierenden Ausstellungen ist nicht deshalb abzuraten, weil sie den Besucher ermüden, sondern weil die museale Ausstellung kein Lernort ist; jedenfalls nicht im Sinne von Lernzielvermittlung.103 Dies gilt für die literarische Ausstellung in besonderem Maße. Da in ihr nur Meinungen zur Literatur - nicht diese selbst vorgezeigt werden können, sind die Meinungen umso zurückhaltender zu präsentieren, um den Besucher nicht zu bevormunden. Von der sinnlichen Totalität des Museumsobjekts absehen zu wollen, ist nicht nur eine Beleidigung des Zuschauers, sondern widerspricht auch dem Wesen des Museums. Denn die Museumsausstellung ist ja gerade deshalb etwas anderes als ein wissenschaftliches Buch mit Illustrationen, da in ihr der zum Thema erhobene Ausschnitt aus der Realität zwar gewiß nicht unmittelbar, aber doch auch nicht nur unter den Scheuklappen einer bestimmten "Relation" betrachtet wird. Bei der interpretierenden Ausstellung bewahrt hingegen die in der Ausstellung sich mitteilende Subjektivität des Ausstellungsregisseurs die vorgelegten Exponate davor, eindimensional betrachtet und genutzt zu werden. Bei ihr verschweigt der Ausstellungsregisseur nicht, daß er eine und zwar seine Meinung vertritt. Durch die Inszenierung der Exponate wird nichts bewiesen104, sondern es werden Fragen aufgeworfen, Zusammenhänge erprobt. Daher verliert das Exponat nicht wie der "Sachzeuge" sein Gesicht, wird "nicht einfach [...] Träger von Informationen, [...] [sondern] ein Repräsentant von Kulturwerten".1
20 Hans-Otto Hügel Punktuelle und lineare Präsentation der Exponate Wenn der Ausstellungsregisseur so die ästhetisch-sinnliche Seite des Exponats ernstnimmt - ohne sich ihr völlig zu überantworten, aber auch ohne die Objekte als bloße Beweiszeugen zu mißbrauchen -, vermag die Ausstellung mit der "Verzauberung der Sinne" 106 zugleich Erkenntnisse zu vermitteln und damit das Medium Ausstellung mit der Wissenschaft zu versöhnen. Die Kunst des Ausstellers besteht also nicht darin, den Besucher blind zu machen für die umfassenden, ästhetisch vermittelten Bedeutungen und die Möglichkeiten, sie emotional zu bewerten, wie Hofmann 10 es meint; sondern vielmehr darin, die Exponate "das ganze Stücke"1 zu akzeptieren und trotzdem nicht in den Fehler zu verfallen, die eigene Linie, damit den Zusammenhang der Exponate zu verlieren und die Objekte vereinzelt bloß als Dokumente oder gar nur als Zimelien auszulegen. Die Objekte verlangen aber einerseits, für sich genommen zu werden, ganz für sich entwerten sie sich aber wieder. In diesem Dilemma der Dialektik von punktueller und linearer Präsentation spiegelt sich historisch betrachtet die Konkurrenz, in der das Buch als Wahrheitsträger bis zur Aufklärung sich befand. 109 Zugleich verweist dieses Dilemma auf den direkten Wettbewerb zwischen den Exponaten bei den Verkaufs- und Wettbewerbsausstellungen vom Typ der Akademie- und Weltausstellung im 18. und 19. Jahrhundert. Eine perfekte Lösung für dieses Problem der Exponate - daß die Bewahrung seiner Vieldeutigkeit nicht in die Präsentation als Zimelie umschlägt - gibt es gewiß weder in Literatur- noch in anderen Museen. Im Rahmen einer nur Fragen stellenden und Hypothesen aufzeigenden Ausstellung läßt es sich aber leichter lösen als in einer Ausstellung, die durch einen hohen Ausstellungswert die Exponate allzu stark funktionalisiert. Von seiten der Archiv-Ausstellung ist noch auf einen weiteren Weg hingewiesen worden, dieses Dilemma zu entschärfen. "Eine archivische Ausstellung soll primär die Entwicklungsschnittpunkte, die Zeugnisse - nicht etwa die Entwicklungslinien - offenlegen und einordnend dem Verständnis zugänglich machen." 110 Für die Praxis der Ausstellung folgt daraus, daß der Ausstellungsregisseur eine "Vielzahl kleinerer Erlebniseinheiten"111 und nicht eine einzige durchgehende Linie anstrebt, der der Besucher "Schritt für Schritt bis zur gewünschten Schlußfolgerung"112 zu folgen hat. "Im Exponat soll Geschichte punktuell greifbar werden" 113 , um "auch das äußerlich unansehnlich Exponat" wieder interessant zu machen. 114 Der Gefahr der Vereinzelung wird dabei durch die Bildung von Ensembles entgegengewirkt. Rolle des Besuchers Solch gegliederte und doch zugleich offene Anordnung einer Ausstellung wird nicht nur dem Doppelcharakter der historischen Objekte gerecht - für sich allein zu zeugen, bedeutend nur im Zusammenhang zu werden -, sondern ist auch besucherfreundlich. Ein offen gestalteter Ausstellungsaufbau erlaubt an vielen Stellen einen Einstieg in die Logik der Ausstellungs-Erzählung.116 Damit wird dem Besucher nicht abverlangt, daß er wie ein Leser, Schritt für Schritt, Seite für Seite der Argumentation folgt. Der beliebte Vergleich zwischen Ausstellung und
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Buch verwirrt mehr als er illustriert. Ausstellungen sind keine wissenschaftlichen Bücher, schon, weil sie keine Begriffsarbeit leisten können. Sie sollten daher auch ein anderes Rezeptionsverhalten gestatten. Solange der Aiisstellungsbesucher als Teil einer wie auch immer beschaffenen "Zielgruppe"11 angesehen wird, ist er schon entmündigt, gefangen in einem vom Ausstellungsregisseur beherrschten System, in dem museale "Vermittlung ein an einen technisierten Prozeß delegierter Vorgang" ist. Vorzugeben, Orientierung an Zielgruppen zu betreiben, mag nützlich für die kulturpolitische Propaganda der Museen und ein gutes Argument sein, um von Politikern Geld zu erhalten. Als ausstellungsdidaktisches Konzept hat es keine Zukunft. 119 Denn zum einen widerspricht der Zielgruppenorientierung die Tatsache, "daß Museumsbesuche [...] sich wie die Benutzung: anderer Massenmedien als hochgradig individuierte Erlebnisse umschreiben" lassen. Zum anderen funktioniert Museumsdidaktik als Ausbildungsinstrument nicht, da "das Sich-Einstellen auf Besuchererwartungen [...] Bildungserwartungen ohnehin in Frage [stellt] und die Erwartungen [...] im übrigen so vielfältig [sind], daß jedes Ausstellungsangebot zwangsläufig mangelhaft bleiben muß." Daher ist eine Reflexion, ob der Ausstellungsbesucher ein "undifferenzierter Massenbesucher, ein diskursiver Besucher, ein Kollektivbesucher oder ein Einzelbesucher" ist, für den Ausstellungsregisseur ohne Belang. Er braucht nur von seiner "Zielperson" zu wissen, daß sie in einer literarischen Ausstellung weniger ein Leser ist, sondern vielmehr eine, die schon gelesen hat und daher seine Hypothesen zur Literatur überprüfen kann. Denn was für alle "Museen und ihre Präsentation" gilt: sie "setzen Wissen voraus, sie vermitteln es nicht, sondern geben eher Zusatzinformationen" , gilt im besonderen auch für das Literaturmuseum. Ob man nach empirischen Forschungen das Rezeptionsverhalten als "aktives Dösen und kulturelles Window Shopping"124 beschreibt - oder darauf verweist, daß der Betrachter "immer [...] seinen Blick ruhen lassen oder sprunghaft von Objekt zu Objekt eilen [kann, daß] er der Herr seines Tempos, des Sehens, Deutens und Vergleichens, des Suchens nach Zusammenhängen" ist, ist zweitrangig. Wichtig ist allein, daß dem Besucher vom Ausstellungsregisseur seine Freiheit gelassen wird. Die Ausstellung auch dann "richtig" betrachtet ist, wenn der Besucher nicht dem vorgeschriebenen didaktischen Konzept folgt. Solche Bewegungsfreiheit des Besuchers ist aber nur die eine Bedingung, um "zum aktiven Partner des Ausstellungs-Thematikers und Ausstellungs-Gestalters"126 zu werden - die andere, genauso wichtige ist, daß die Ausstellung dem Besucher auch etwas bereithält, das seine Aktionsbereitschaft zu entdecken vermag. Wenn so die literarische Ausstellung weder bloße didaktische Dokumentation noch Zimelienschau ist, dann - so ist zu hoffen - wird das literarische Museum "ein geselliges [...] Unternehmen zur Verehrung einer kulturellen Potenz" werden, in dem auch die Gangart der Besucher der in den übrigen Museen angepaßt ist, und wieder statt eines "greisenhaften Schlurfenfs]" zu dem "gewohnte[n] lustvoll-jugendliche[n] Schlendern" wird. 127
22 Hans-Otto Hügel Forschungsgeschichte So jung der Gegenstand literarische Ausstellung ist, so jung ist die Forschung. Zwar erscheinen, seitdem es literarische Ausstellungen gibt, Besprechungen und Würdigungen in Zeitungen und Zeitschriften128, und auch frühe Bibliotheks- und Archivführer1 gehen auf bibliothekarische Ausstellungen ein. So wertvoll diese publizistischen Quellen auch sind, da sich nur vereinzelt Kataloge, Exponatenverzeichnisse oder Abbildungen1 0 zu Ausstellungen aus der Vor- und Frühgeschichte literarischer Ausstellungen erhalten haben, so wenig gehören diese im eigentlichen Sinn zur Forschung. Während Bibliotheksausstellungen relativ früh, wenigstens in den Fachorganen132, diskutiert wurden, und auch die archivalischen wie die kulturhistorischen Ausstellungen seit den 20er und 30er Jahren 133 Beachtung fanden, erschienen systematisch angelegte Reflexionen zu literarischen Ausstellungen erst nach dem Krieg. Diese waren zunächst, ebenso wie die Forschungen zu den Ausstellungen der anderen Institutionen eher ein beiläufiges Ergebnis, das dem Wunsch entsprang, die eigene Ausstellungspraxis zu reflektieren und einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen134. Erst mit der Gründung des ICLM (International Committee for Literary Museums) im Mai 1977 auf der 11. Generalversammlung des ICOM (International Council of Museums) in Leningrad hatten die literarischen Museen sich eine Organisation und dann in den jährlich erscheinenden Tagungsberichten ein Forum für die systematische Forschung geschaffen. Wiewohl die Gründung des ICLM zu einem wesentlichen Teil erst möglich war durch Aufbau und Entwicklung einer literaturmusealen Praxis und Forschung der DDR (initiiert durch die Gründung der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen Literatur in Weimar 1954), verstärkte die Gründung des ICLM seinerseits in der DDR die Forschung zu Literatur-Museen. In allen Organen der DDR-Museologie, in der 'Neuen Museumskunde', in der 'Schriftenreihe des Instituts für Museumskunde' wie den 'Informationen' dieses Instituts sowie in zahlreichen Tagungsberichten, Protokollen der verschiedenen Fachsektionen und Arbeitskreise und nicht zuletzt in akademischen Schriften (besonders der Humboldt-Universität und der Fachschule für Museologie in Leipzig) werden literaturmuseologische Themen angesprochen. Diese zunächst zum Optimismus verführende Skizze des Standes literaturmusealer Forschung ist jedoch in einigen Punkten zu relativieren. Zum einen sind von der Museologie gerade Ausstellungsfragen nicht in demselben Umfang angegangen worden wie konservatorische Probleme oder Fragen nach der Erziehungsund Bildungsaufgabe der Museen. Überdies wurde die Ausstellungsdiskussion, wie Stránsky feststellt, vor allem nicht von "Museologen, sondern von Architekten, Designern, Pädagogen, Soziologen und Psychologen" geführt.13 Daher bieten die meisten Arbeiten zu Ausstellungen136 eher eine Art technische Hilfestellung als eine auf Praxis beziehbare Theorie. Zum anderen wird bei museologischer Forschung generell die Kontinuität vermißt. 138 Solcher Mangel an Kontinuität wird im Fall des Literaturmuseums und der literarischen Ausstellung noch verstärkt durch die Tatsache, daß die Forschung entsprechend den verschiedenen Institutionen, die literarische Ausstellungen
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beherbergen - historische Archive und Museen, Bibliotheken, Literaturmuseen und -archive - getrennt betrieben und rezipiert wird. Die Archivare nehmen nicht die Zeitschriften der Museologen und Bibliothekare zur Kenntnis und vice versa 139 . Überdies wird die Forschung zu literarischen Ausstellungen dadurch behindert, daß die Autoren, die sich einigermaßen kontinuierlich zum Thema äußern, dies vor allem aus gegebenen publizistischen Anlässen (Eröffnung einer Ausstellung, Neu-/Wiedereröffnung eines Museums) oder als Teil ihrer kulturpolitischen Amtspflichten (Vorstellung eines literaturmusealen Konzepts ihres Instituts, ihres Landes) betreiben. Ja, außer Wolfgang Barthel ist bisher kein Forscher hervorgetreten, der die literarische Ausstellung, das Literaturmuseum zu seinem Thema gemacht hätte. Daher treffen Urteile zu, wie: "Die Forschung zu literarischen Ausstellungen steckt noch in den Anfängen" bzw.: "Eine breit angelegte analytische Phänomenologie der heute existierenden lit. Institutionen und Einrichtungsverbunde sowie ihre Funktion fehlt allerdings. An ihr erst ließe sich eine sichere Klassifikation und Funktionserkenntnis der Gattimg Literaturmuseum gewinnen. Sie hätte nicht nur einzelne nationale Modelle zu beschreiben, sondern deutlich zu machen, wie lit.-museale Einrichtungen (gleich welchen Herkommens) im Rahmen ideeler Wertungssysteme operieren. Dies erst ließe eine Einschätzung der wirklichen kulturellen Funktionen, Valenzen, Kooperations- und Wirkungspotenzen, der Kommunikations- und Entwicklungsmöglichkeiten des LM [=Literaturmuseums] und seiner Verbundnetze zu und verdeutlichte zugleich seine Defizite, Kompetenzen und Inkompetenzen."14* Mit dem hier vorgelegten Band soll über Geschichte und Stand der Forschung zur Literaturausstellung informiert werden. Das Verzeichnis der in Deutschland 1949-1985 ausgerichteten Literaturausstellungen demonstriert nicht nur die kulturelle Bedeutung, die dieses von der breiten Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommene Medium gewonnen hat; darüber hinaus gibt es - liest man, welche Institute wann welchen Gegenstand ausgesucht haben - kulturhistorische Aufschlüsse über unseren Umgang mit Literatur und ermöglicht dessen Erforschung. Zugleich vermag das Verzeichnis eine Hilfe und Anregung für die Ausstellungspraxis sein - erlaubt es doch im Einzelfall die Nachfrage bei den Institutionen, die mit bestimmten Themen schon Ausstellungserfahrungen gesammelt haben. Auch die Auswahlbibliographie ist als Anregung für die Praxis wie als Grundinformation für die Forschung gedacht. Daher verzeichnet sie nur wenig allgemeine museologische Literatur wie nur in Ausnahmen Arbeiten zu einzelnen Literaturmuseen und Ausstellungen. Zu Wort kommen neben Leitern und Ausstellungsgestaltern großer Literaturmuseen (Schiller-Nationalmuseum: Bernhard Zeller, Friedrich Pfäfflin; Goethe-Nationalmuseum, Weimar: Alfred Jericke, Dieter Eckardt) auch Ausstellungsregisseure und Leiter von kleineren Literaturmuseen (Kirms Krackow-Ausstellung: Christina Didier; Kleist-Museum, Frankfurt/Oder: Wolfgang Barthel) und Vertreter anderer Institutionen, die literatur- und kulturhistorische Ausstellungen veranstalten (Geschichts- und Heimatmuseum: Erich Keyser und Utz Jeggle; Bibliothek: Paul Sattler und Dietrich W. Grobe) sowie ein Vertreter der internationalen Organisation der Literaturmuseen (Max Kunze). Klaus Aschenbach, Susanne Ebeling, Klaus Beyrer und der Verfasser haben
24 Hans-Otto Hügel ebenfalls Ausstellungserfahrungen in Weimar, Hannover (Stadtbibliothek) und Marbach a. N. gesammelt. Die Vorarbeiten an diesem Band, besonders die zur Dokumentation, gehen zurück auf eine Tagung, die das Institut für Ästhetische Erziehung und Kulturpädagogik 1987 an der Universität Hildesheim durchführte, um Schwerpunkte der Arbeit in den Fächern des Studiengangs vorzustellen. Ich habe daher allen Studierenden, die in den vergangenen vier Jahren meine Seminare und Übungen zum Thema Literaturausstellung mitgetragen haben, zu danken. Mit Namen nennen möchte ich Sonja Brandt, Martine Kloss, Susanne Lange, Doris Ohlsen, Petra Plättner, Andrea Prehn, Ingrid Wappler, Sabine Witt. Zu danken habe ich dann Christoph König, dem Herausgeber der Reihe 'Literatur und Archiv', für seine hartnäckig vorgetragenen - und, wie ich hoffe, schließlich realisierten Änderungswünsche. Für Auskünfte und Rat möchte ich auch Margot Pehle, Friedrich Pfäfflin und Reinhard Tgahrt (vom Deutschen Literaturarchiv bzw. vom Schiller-Nationalmuseum in Marbach a. N.) und Dieter Eckardt (von den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten in Weimar) herzlich danken. Dank gebührt auch allen, die sich Zeit genommen haben, unsere Umfragen zu beantworten und so das Verzeichnis überhaupt erst ermöglichten. Last but not least danke ich auch den Mitarbeitern und Hilfskräften am Institut für Medien- und Theaterwissenschaft der Universität Hildesheim, vor allem Marita Lux für ihre schnelle und zuverlässige Arbeit, Julia Göhring, Matthias Lohrer und Sabine Schönteich für das Anfertigen der Register, Ditmar Schädel für die Reproduktion der Fotos und Matthias Lohrer für den fachkundigen Umgang mit dem zur Erstellung der Dokumentation verwandten Computerprogramm lidos und für die Herstellung des Layouts. Hildesheim, im März 1990 Hans-Otto Hügel
Anmerkungen 1
Karl Dachs, Buchausstellungen in wissenschaftlichen Bibliotheken, in: Imprimatur, N. F. 11(1983/84) S. 83f
2 Franz R. Zankl,
Das Personalmuseum, in: Museumskunde 41 (1972) H.l/2 S. 6
3
Vgl. die Hinweise bei Ernst Beutler, Die literarhistorischen Museen und Archive. Ihre Voraussetzung, Geschichte und Bedeutung, in: Forschungsinstitute. Ihre Geschichte, Organisation und Ziele, Hrsg. v. Ludolph Brauer, Albrecht Mendelssohn Bartholdy u. Adolf Meyer. - Hamburg 1930, S. 230
4
Vgl. Gudrun Calow, Museen und Sammler des 19.Jahrhunderts in Deutschland, in: Museumskunde 38 (1969) H. 1-3, S. 142ff. Vgl. hierzu auch die Geschichte der Denkmäler, da Beutlers Satz gilt: "Beide Ideen, die des Standbilds und die des Museums, haben das ganze 19. Jahrhundert hindurch miteinander konkurriert. " (Beutler, ebda, S. 258)
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Vgl. Wilhelm Dilthey, Archive für Literatur, in: Deutsche Rundschau 58 (1889), S. 366275, bes. S. 364-366
6
Vgl. Emst Beutler, ebda, S. 231-241
7
Hans H. Bocbvitz, Buch und Schrift in musealer Darstellung, in: Imprimatur 2 (1931) S. 133f
8
ebda
9
Vgl. A. Boinet, Gefahren der Bibliotheksausstellungen, in: Zentralbl. f. Bibliothekswesen 31 (1914) S. 28f. Gustav Wahl, Statistisches über Bibliotheksausstellungen, In: FS. Martin Bollert zum 60. Geburtstag. Hrsg. v. Hermann Neubert. - Dresden 1936, S. 141145
10
Vgl. Horst Bunke, Ausstellungen in der Deutschen Bücherei: - ein fester Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit einer wiss. Bibliothek, in: Jb. d. Dt. Bücherei Leipzig 16 (1980) S. 33: "Seit Jahrzehnten ist theoretisch die Erkenntnis gesichert, daß Ausstellungen nicht nur in allgemeinbildenden, sondern auch in wissenschaftlichen Bibliotheken kein schöner Luxus, sondern Ausdruck einer funktionellen bibliothekarischen Aufgabe sind."
11
alle Zitate: Franz Bienert, Zur Funktion der Ausstellungstätigkeit der öffentlichen Bibliothek, in: Bibliothekarische Arbeit zwischen Theorie und Praxis. Hrsg. v. d. Fachschule für Bibliothekswesen Stuttgart. - Stuttgart 1976, S. 311,312,315
12
Dachs, Buchausstellungen, S. 86 Burghard Burgemeister, Zimelienzimmer oder Buchmuseum?, in: Zentralbl. f. Bibliothekswesen 73 (1959) S. 101. Burgemeister hält dies "heute" bei für die Öffentlichkeit bestimmten Schausammlungen für einen "längst allgemein anerkannten Grundsatz", (ebda)
14
Dachs, ebda
15
Hugo Stehkämper, Archivalienausstellungen. Ein Erfahrungsbericht des Historischen Archivs der Stadt Köln, in: Der Archivar 16 (1963) Sp. 450
16
Johannes Volker Wagner, Öffentlichkeitsarbeit und Ausstellungstechnik in Archiven, In: Ordnung und Information. Vorträge vor dem 7. Jahrgang der VDWW an der Archivschule Marburg. Institut f. Archivwiss. v. 5. -16. Febr. 1973. Hrsg. v. Ottfried Dascher. - Dortmund 1974, S. 215 (= Veröffentlichung der Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv 5)
17
Reiner Puschmg, Zur Frage der Archivalienausstellungen, in: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 7 (1957) S. 49 18
Brigitte Booms, Einsatz neuer Techniken und Medien in Archivausstellungen. Eine kritische Bilanz, in: Der Archivar 37 (1984) Sp. 55 19
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Heinz A. Knorr, Was ist ein Museumsgegenstand, in: Neue Museumskunde 6 (1963) S. 195, zit. nach Klaus Schreiner, Kriterien zum Platz der Museologie im System der Wissenschaften, in: Neue Museumskunde 25 (1982) S. 40 Hermann Lübbe, Wilhelm von Humboldt und die Berliner Museumsgründung 1830, in: Deutsche Vierteljahresschrift f. Literaturwissenschaft u. Geistesgeschichte 54 (1980) S. 671. Neutraler formuliert Stephan Waetzoldt: "Von Anfang an also sind die Berliner Museen als Institute der Bildung und Wissenschaft verstanden worden. [...] Diese Museen verstanden und verstehen sich als Bildungsinstitute, als Orte, an denen die Geschichte der Menschlichkeit durch Begegnungen mit Kunst erlebbar wird, aber auch als Institutionen, in denen die kulturpolitische Willensbildung des Staates und die freie wissen-
26 Hans-Otto Hügel schaftliche Meinung artikuliert werden dürfen." (aus: ISO Jahre öffentliche Museen in Preußen, in: Museumskunde 45 (1980) S. 88f.) 21
Lenz Kriss-Rettenbeck, Das Problem großer historischer Ausstellungen, in: Museumskunde 45 (1980) S. 115. Zu diesem Aufsatz vgl.: Johannes Volker Wagner, Das Problem großer historischer Ausstellungen. Bemerkungen zu den Thesen eines Museumspraktikers, in: Der Archivar 34 (1981) Sp. 571 - 575
22
Johannes Volker Wagner, Öffentlichkeitsarbeit und Ausstellungstechnik, S. 215
23
alle Zitate ebda S. 223. Vgl. ebenso Waldemar Lippert zur Ausstellungspraxis vor 80 - 90 Jahren (Archivausstellungen. Erfahrungen und Gedanken, in: Archivalische Zeitschrift 37 (1928) S. 112): "Die bleibenden Dauerausstellungen bezweckten in der Regel, dem Publikum einen Begriff von dem zu geben, was im Archive vorhanden ist, und da lag es nahe, daß man besonders schöne Stücke, Prachtexemplare und Kostbarkeiten wählte, die sozusagen als Paradepferde vorgeritten wurden; [...] die einzelnen Gegenstände brauchte kein inneres Band zu vereinen, kein durchgehender Gedankengang die Ausstellung zu einem organischen Ganzen zusammenzuschließen. Eine solche Ausstellung bietet also ein ziemlich buntes, abwechslungsreiches Bild, das zweifellos viel des Wertvollen enthält, aber doch leicht wie ein Kaleidoskop wirkt;"
24
Lenz Kriss-Rettenbeck, Zur Typologie von Auf- und Ausstellungen in Kulturhistorischen Museen, in: Museumsdidaktik und Dokumentationspraxis. Zur Typologie von Ausstellungen in kulturhistorischen Museen, Referate d. 3. Arbeitstagung d. Arbeitskreises 'Kulturhistorische Museen' in d. Dt. Ges. f. Volkskunde v. 2. bis 5. Juni 1975 in München, Hrsg. v. Ingolf Bauer u. Nina Gockerell. - München 1976, S. 31f Vgl. ähnlich: ders., Das Problem der großen historischen Ausstellungen, S. 116: "Die Präsentation der konkreten Gebilde (im umfänglichen Sinne) hat im Museum sich zuerst nach dieser basalen Museumsarbeit [d. i. Sammeln, Bewahren, Erschließen] zu richten und nicht nach Theoremen, die ohne Rücksicht auf Bestand und Quellenwert und der multidimensionalen Bedeutungsgeschichten und Strukturen der konkreten Objekte aktualisiert werden. "
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Brigitte Booms auf dem 51. Deutschen Archivtag, zit. nach Eckart G. Franz, Archive, Bibliotheken, Museen. Gemeinsamkeiten und Besonderheiten. Grenzen und Zusammenspiel, in: Der Archivar 31 (1978) Sp. 25. Diese Charakteristik der Archive läßt sich durchaus auf Museen übertragen. Ein solcher Zusammenhang ist implizit auch in Klaus Schreiners "Profilierung des Gegenstandsbereiches der Museologie" enthalten. Dieser Gegenstand wird aufgefaßt als "Gesamtheit der Eigenschaften, Struktur- und Entwicklungsgesetze [...], die den komplexen Prozeß von Sammlung, Bewahrung, Erschließung, Erforschung und Ausstellung bzw. Kommunikation ausgewählter mobiler, authentischer historischer Objekte aus Natur und Gesellschaft als Primärquellen der rationalen und emotionalen Erkenntnis bestimmt." in: Schreiner, Kriterien zum Platz der Museologie, S. 41 u. ö. Lenz Kriss-Rettenbeck, Zur Typologie von Ausstellungen, S. 32
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Wolfgang Barthel, Literaturausstellungen im Visier. Zu den ständigen Ausstellungen im Reuter-Literaturmuseum Stavenhagen, in der Reuter-Gedenkstätte Neubrandenburg und zur Herder-Ausstellung im Kirms-Krackow-Haus Weimar, in: Neue Museumskunde, 27 (1984) S. 4 (hier S. 179) 29 Vgl. Klaus Aschenbach, Probleme der visuellen Gestaltung in Literaturmuseen, in: Möglichkeit und Perspektiven der Konzeption und Gestaltung von Literaturmuseen. Hrsg. v. d. NFG. - Weimar 1985, S. 55, (hier S. 227)
Einleitung 27 30
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Wolfgang Barthel, Literaturmuseum und literarische Kommunikation. Ein Vorschlag zur Deutung eines Funktionszusammenhangs, in: Neue Museumskunde 32 (1989) S. 11 Christina Didier (Literaturmuseum im Funktionswandel. Eine Untersuchung zu Grundproblemen einer Museums-Gattung am Beispiel der Museumsgestaltung. - Jena: masch. Diss. 1983, (hier S. 45 - 55)) kommt das große Verdienst zu, diese These widerlegt und damit das Literaturmuseum aus seiner "Außenseiterposition" (S. 116, hier S. 47) unter den Museen herausgeführt zu haben. Leider ist ihrer Argumentation bis heute kaum jemand gefolgt.
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Andrea Berger-Fix/Barbara Hähnel-Bökens, Die Präsentation einer Literaturausstellung, in: Bibliothekarische Forschung und Praxis 12 (1988) S. 235. Vgl. ähnlich Wolfgang Barthel, Literatur und museale Präsentation, in: Impulse 6 (1983), S. 367, (hier S. 59): "Nun ist es freilich ein offenes Geheimnis, daß Literatur im eigentlichen Verstände nicht ausstellbar ist." So auch Klaus Beyrer, Literaturmuseum und Publikum. Zu einigen Problemen der Vermittlung, in: Mitt. d. Dt. Germanistenverbandes 33 (1986) H. 2, S. 38, (hier S. 235) Vgl. auch Dachs, Buchausstellungen, S. 94: "geringer sind natürlich die Möglichkeiten der interpretierenden Visualisierung bei thematischen Ausstellungen aus dem Bereich der Literatur, der Wissenschaft und der Musik [...] Beim Versuch, den geistigen Inhalt, den Stil, das Wesen einer literarischen oder musikalischen Schöpfung sichtbar zu machen, stößt eine Ausstellung an die Grenzen ihrer Möglichkeit". Und: Otto Glauning, Die Bibliothek und die Öffentlichkeit, in: Handbuch der Bibliothekswissenschaft. Bd. 2, Hrsg. v. Franz Milium, Wiesbaden 19612, S. 591 Rudolf Loch, Die Kleist-Gedenk- und-Foischungsstätte, in: Neue Museumskunde 18 (1975) S. 276, Anm. 2
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Dieter Eckardt, Möglichkeiten und Perspektiven der Gestaltung von Literaturmuseen. Thesen, in: Möglichkeiten und Perspektiven der Konzeption und Gestaltung von Literaturmuseen. Hrsg. v. d. NFG. - Weimar 1985, S. 3 Ähnlich: Dachs, Buchausstellungen, S. 94: "Doch kann man immerhin den Umkreis von Entstehung, Aufnahme und Weiterwirkung eines Werks durchaus sinnfällig machen durch Auslegung von Texten, die anregend auf den Schöpfer eingewirkt haben [...]." s. auch: Hannelore Schlaffer, Die Schauseite der Poesie. Über Bucherzeugnisse in Vitrinen und den literarhistorischen Fernsehfilm, in: Stuttgarter Zeitung vòm 18. Nov. 1989, Sonntagsbeilage, S. 49: "Jede literarische Ausstellung ist ein Kapitel Soziologie der Literatur. Sie macht nicht mit dem Werk bekannt, sondern mit seinen Bedingungen und Folgen. "
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Willi Ehrlich, Probleme der musealen Darstellung des Lebens und Wirkens bedeutender Persönlichkeiten, in: Neue Museumskunde 19 (1976) S. 22. Analog wird in einer Rezension (Liselotte Müller, 'Mein Leben ist Tanz'. Eine MaryWigman-Ausstellung in Berlin, in: Hildesheimer Allgemeine Zeitung v. 4. Okt. 1986) zu einer Tanz-Ausstellung 1982 festgestellt: "Das Dilemma der Akademieausstellung liegt auf der Hand. Tanz ist Bewegung. Eine Ausstellung ist statisch."
36
37
Bernhard Zeller, Literaturausstellungen. Möglichkeiten und Grenzen, in: Jahresring 25 (1978/79) S. 296, (hier S. 41) Willi Ehrlich, 'Gedeihn und festes ird'sches Glück'. Zur Neugestaltung der Goethe-Gedenkstätte Jagdhaus Gabelbach und des Goethehauses im Stützerbach, in: Neue Museumskunde 14 (1971) S. 266. Ahnlich für Archivausstellungen z. B.: Hansmartin Schwarzmaier, Über archivische Ausstellungen. Erfahrungen und Gedanken im Anschluß an eine Karlsruher Ausstellung, in: Der Archivar 27 (1974) Sp. 347, oder: Hugo Stehkämper, Archivalienausstel-
28 Hans-Otto Hügel lungen. Ein Erfahrungsbericht Uber Archivausstellungen des Historischen Archivs der Stadt Köln, in: Der Archivar 16 (1963) Sp. 450 und Puschnig, zur Frage der Archivausstellung, S. 53 IQ
Vgl. z. B. das Wort des ICOM-Präsidenten Jan Jelinek: "The three-dimensional object is an inexhaustible source of information'', zit. nach Max Kunze, Original and copy in Literary and Memorial Museums: Attempt at Definition, in: Original and Copy in the Literature and Memorial Museum. Minutes of the second Annual Meeting. Hrsg. v. ICOM. International Committee of Literature Museums. - Düsseldorf 1979, S. 15 39
Max Kunze, Original and Copy, S. 20
40
Wörterbuch literaturmusealer Kommunikation, (dtsch. Fassung). - Nitra 1981, S. 24
41
Barthel, Literaturausstellungen im Visier, S. 6, (hier S. 181)
42
ebda, S. 7, (hier S. 181f) Vgl. ähnlich in: Literaturmuseum und literarische Kommunikation, S. 10: "Dabei kann es [das Literaturmuseum] die literarische Rezeption beeinflussen und als Institution für ein bestehendes odersich entwickelndes Kultur- und Werteverständnis wirken. So gesehen verweist es einen Besucher an die im Museum eine Rolle spielenden Werke und empfiehlt sie und ihre Urheber als für die persönliche Wertebildung besonders geeignet. Indem es diese Empfehlung gibt, bietet es sich als ethische Instanz dar."
43
Vgl. z. B. Willi Ehrlich, Probleme der musealen Darstellung, S. 16. Daß hierbei reformpädagogische Gedanken wieder aufgegriffen werden, scheint nicht bewußt zu sein. Vgl.: "Man kann die Museen einteilen in Gelehrsamkeitsspeicher, Raritätenkästen, Schaubuden und Bildungsinstitute. [...] Ein Museum nun, welches weder Raritätenkammer noch unterhaltliche Schaubude sein will, muß ein werthaftes Sinngefüge aufweisen. [...]" (Georg Kerschensteiner, Die Bildungsaufgabe des deutschen Museums, in: Das deutsche Museum. Geschichte, Aufgaben, Ziele. Hrsg. v. Conrad Matschoss. Berlin und München 1925, S. 40
44
Ehrlich, ebda, S. 25
45
Berger-Fix/Hähnel-Bökens, Präsentation, S. 239f. Vgl. auch: Dieter Eckardt, Das neue Schillermuseum in Weimar, in: Marginalien 33 (1989) H. 114, S. 63: "Davon ausgehend leitet sich eine entscheidende Frage für uns ab: Wie können wir im Literaturmuseum auf die Einmaligkeit und Schönheit von Literatur und Lektüre aufmerksam machen, wie können wir Leselust stimulieren." Oder: Zeller (Literaturausstellungen, S. 300) "Literaturausstellungen wollen Wege wei. sen, das Verständnis für den Autor und sein Werk fördern, anregen zur Lektüre [...]." (hier S. 44)
46
Vgl. Joseph A. Kruse, Historische und kulturpolitische Aspekte der Heine-Ausstellung, in: Heine-Jahrbuch 19 (1980) S. 47,49f
47
Vgl. z. b. Birke Grieshammer, Museumspädagogik in einem kleinen kommunalen Museum. [d. i. Biberach] in: Museumskunde 48 (1983) S. 106-112
48
Josef Benes, Theoretische Fragen der Museumsgestaltung, in: The Problems of Contents Didactics and Aesthetics of Modern Museum Exhibitions. Hrsg. v. Zentralinstitut für d. Museumswesen Ungarns. - Budapest 1978, S. 37. Die informative Funktion spielt gegenüber der formativen und der rekreativen in der Diskussion um die Literaturmuseen jedenfalls in der DDR und in der jüngsten Zeit nur noch eine geringe Rolle. Vgl.: Barthel, Literaturmuseum und literarische Kommunikation, S. 11: "Fakten lassen
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sich in Literaturgeschichte, Lexika und Bildbänden zur Literatur o. a. genauer und in größeren Erkenntis-Zusammenhängen stehend nachschlagen." 49
Vgl. Barthel, Literatur und museale Präsentation, S. 368, (hier S. 60)
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fordert Didier (Uteraturmuseen im Funktionswandel) als Ziel "die Erhöhung der ideologischen Wirksamkeit der Museumsausstellungen [...]. Nur so können positive Haltungen verstärkt und negative Haltungen abgebaut werden. Weiterhin müssen jene Themen und Probleme gefunden werden, die vom gegenwärtigen Stand der gesellschaftlichen Entwicklung ausgehend, genügend Impulse zur Auseinandersetzung enthalten und damit auf die Ausprägung sozialistischen Geschichtsbewußtsein wirken können." (S. 6) Solche Sätze sind nicht nur schmückendes ideologisches Beiwerk, sondern Konsequenz ihres Begriffs vom "Museum als Anreger" (S. 22 u. ö.). Die Ausstellungsplaner im Literaturmuseum nehmen auch nach Didiers Vorstellungen eine Position ein, die vom Besucher nicht zu hinterfragen ist. Die Rezipienten haben sich in der Weise anregen zu lassen, wie es die Ausstellungsorganisatoren, die sich "ein reales Bild von den Adressaten" (S. 6; S. 129 u. ö.) und deren - wenn auch differenzierten - kulturellen "Bedürfnisse^]" (S. 129 u. ö.) gemacht haben, planen. Barthel, Literaturmuseum und literarische Kommunikation, S. 11
52
Vgl. Eckardt, Das neue Schillermuseum, S. 62: "Bleibt noch immer die Frage offen, wie wir unseren eigentlichen Gegenstand - Literatur als Kunst - ins Bild der Ausstellung setzen. [...]"
53
Barthel, ebda, S. 11
54
Wolfgang Barthel, Utilizing, Knowledge Cained From Literary Analysis in Shaping an Exhibitation in Frankfurt Kleist Museum, in: Minutes of the First Annual Meeting. Hrsg. v. ICOM/International Committee for Literature Museums. - Weimar 1978. (unpag. S. III d. Aufsatzes)
55
Max Kunze, Original and Copy, S. 20
56
Barthel, Literaturausstellungen im Visier, S. 4 (hier S. 179)
57
Vgl. ζ. B. Dieter Fratzke, Theatennodell als Wertungszeuge in der Literaturausstellung, in: Neue Museumskunde 28 (1985) S. 180
58
59 60
Wolfgang Barthel/Roif Lang, Positionspapier der ad-hoc-Arbeitsgruppe der Fachsektion LTM [d. s. Literatur- und Theatermuseen]. - unveröffentl. Typoskript vom Mai 1987, S. 11. An anderer Stelle (Literaturausstellungen im Visier, S. 4 u. ö.) gebraucht Barthel auch den Begriff der "Abbreviation", um die der Literaturausstellung eigentümliche Methode zu bezeichnen. Barthel/Lang, Positionspapier, S. 11 Vgl. Ludwig Greve/Jochen Meyer, Das 20.Jahrhundert. Von Nietzsche bis zur Gruppe 47. Ständige Ausstellung des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs Marbach am Neckar. - Marbach a. N. 1980, S. 239
61
Kunze, s. o. Anm. 39, zieht aus seiner Erkenntnis kein Konsequenzen.
62
Von Seite der Kunstausstellung wird entschieden darauf beharrt, daß das Kunstwerk in der Ausstellung unabhängig vom Zusammenhang, unmittelbar und ausreichend allein durch Anschauung verstanden werden kann. In der Organisation der Ausstellung wird höchstens etwas Hemmendes, nicht jedoch auch etwas gesehen, das das Verstehen fördert. Vgl. Georg Friedrich Koch, Die Kunstausstellung. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. - Berlin 1967, S. 7f. (Bis heute verfahren die
30 Hans-Otto Hügel Kunstmuseen - verführt von der Farbigkeit ihrer Exponate, möchte ich sagen - nach dieser Theorie.) Gegen solche Fetischisierung der Anschaulichkeit hat sich u. a. Erich Hofmann (in: Überlegungen zu den Möglichkeiten der Nutzung historischer Sachzeugen als Mittel der Veranschaulichung, in: Neue Museumskunde 20 (1977) S. 227) gewandt: "Anschaulichkeit als Abbild, wird nicht durch Gegenstände an sich erzielt, sondern durch die Zuordnung von Gegenständen und anderen Dokumenten unter zu vermittelnde Erkenntnisziele und hinsichtlich konkreter Subjekte." (zit. nach Hans/1«sorg. Die wissenschaftlichen und kulturellen Aufgaben von Museen unter dem Aspekt ihrer Institutionswerdung - Versuch eines historischen Umrisses, in: Studien zur Geschichte des Museumwesens und der Museologie. T. 3. Hrsg. ν. Institut f. Museumswesen. - Berlin 1986, S. 158 (= Schriftenreihe d. Instituts f. Museumswesen H. 23) 63
Rainer Pöllmann, Dichterworte aus dem Off. Thomas Manns Münchener Zeit. Eine Ausstellung und ein Buch, in: Rheinischer Merkur vom 20.November 1987, S. 22
64
Dies ist gewiß alles andere als originell. - Ich will auch nicht unterstellen, daß die Ausstellungsregisseure in den Literaturmuseen die hermeneutischen Grundlage ihres Faches nicht kennen. - Nur scheint es mir, daß sie, wenn sie ihre Ausstellungspraxis reflektieren, ihre hermeneutischen Überzeugungen ausblenden. Im übrigen gilt: "Es sind natürlich sehr gute Ausstellungen veranstaltet [worden], ohne daß es eine Ausstellungstheorie gegeben hat." (Paul Sattler, Ausstellungen als bibliothekarische Aufgabe, in: Zeitschrift f. Bibliothekswesen 54 (1937) S. 499, (hier S. 95)
65
Das für sich und aus sich selbst "sprechende" Exponat oder Dokument wird häufig beschworen. Vgl. um ein Beispiel herauszugreifen, Joseph A. Kruse, Funktionen des literarischen Museums, in: Heine im Deutschunterricht. Ein literaturdidaktisches Konzept. Hrsg. v. Wilhelm Gössmann. - Düsseldorf 1978, S. 45 u. ö.
66
Wolfgang Barthel, Vorwort. - in: Literarische Museen und Gedenkstätten in der DDR, Hrsg. v. Nationalen Museumsrat der DDR. - Berlin 1981, S. 9
67
Ohne die Konsequenz zu ziehen, stellt das Wörterbuch literaturmuseale Kommunikation (S. 22) fest: "Literaturmuseale Kommunikation ist ein Art der Sekundären Kommunikation über Literatur und deren Autoren" Ebenso: Manfred Kahler (Probleme der Funkführung im Literaturmuseum, in: Neue Museumskunde 14 (1971) S. 194.) Literaturmuseen beantworten "Fragen nach dem Wesen der Literatur".
68
Wörterbuch literaturmuseale Kommunikation, ebd.
69
Christina Didier, Literaturmuseum im Funktionswandel, S. 115 (hier S. 46)
70
So formuliert Barthel, Literaturmuseen und literarische Kommunikation, S. 11
71
In der DDR hat die Eiziehungs-/Wertungsausstellung die dokumentierende Ausstellung abgelöst. Vgl. Wolfgang Barthel (Zu Rolle und Aufgaben der Fachsektion Literatur-, Theater- und Musikmuseen beim Rat für Museumswesen, in: Neue Museumskunde 29 (1986) S. 30): "Die Ausstellungen verstehen sich nun weniger als Dokumentationen denn als Inszenierungen und scheuen sich nicht, gezielt wertende Deutungsangebote zu geben, für ein eher bild- als teiltextaufgeschlossenes Publikum mittleren Bildungsanspruchs zu unterbreiten." In der Formulierung vom "mittleren Bildungsanspruch" zeigt sich, daß "gezielt wertende Deutungsangebote" nicht als Interpretation mißverstanden werden dürfen, die vom Besucher kritisch zu überprüfen sind. Anders sah Barthel dies noch 1983: "Sofern Interpretationen versucht werden, sind Apodiktik und kunstfremde Formeln daher abträglich. Eher bieten sich - dies setzt den Mut zur Subjektivität voraus - Deutungsvorschläge an, die mit der Intelligenz und Widerspruchsbereitschaft der Besucher rechnen [...]" Barthel, Literatur und museale Präsentation, S. 373, (hier S. 63 f)
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31
72
Vgl. Bartheh Urteil zur (inzwischen neugestalteten) Düsseldorfer Goethe-Dauerausstellung: "Bildindex aus Originalen zu Goethe und Werk" (Wolfgang Barthel, Zur Kritik literarischer Ausstellungen, in: Informationen für die Museen in der DDR. Hrsg. v. Institut für Museumswesen, 20 (1988) H. 3, S. 61. Die Goethe-Dauerausstellung in Weimar a. d. Jahr 1960 wurde ebenfalls als "Dokumentation" angesehen. Man verkannte, daß Interpretation geistige Auseinandersetzung und nicht bloß Auslegen des sicher zu Identifizierenden ist: "Unsere Bemühung um Sichtbarmachung, um Transposition ins Visuelle, unsere Interpretation mit anschaulichen Mitteln ist eine wissenschaftliche Dokumentation." (Alfred Jericke, Konzeption und Gestaltung biographischer Museen in zeitnaher Sicht, in: ders.: Vom Werden und Wachsen des Weimarer Goethe-Instituts. Weimar 1965, S. 49; (hier S. 135)
73
Die Rechtfertigung der Kunstausstellung: Zeigen, wie die Farben wirklich sind, entfällt ja für die Literaturausstellung.
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Vgl. Wörterbuch literaturmusealer Kommunikation, S. 91: "literaturmuseale Rezeption ist ein Dekodierungsprozeß. Der Besucher nimmt an ihm teil, um die einzelnen Bedeutungsdenotate zu dechiffrieren. "
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In der Literatur wird "Interpretation" der ausgestellten Literatur als Ziel von literarischen Ausstellungen nur selten und ohne daß Konsequenzen für Theorie und Praxis von Ausstellungen gezogen werden genannt Vgl. Dieter Eckardt, Das neue Schillermuseum in Weimar, S. 60. Entschiedener schon Jeraj Chovan (Siet a zdnizoram slovenskyck literámyeh meízeí a pamätryich izieb, In: literárnomúzejny Letopis 1974, H. 8, dt. Zusammenfassung S. 131) Antonin Bohac (Liternarni muzejnictivi ν akych zemich, in: ebda., dt. Zusammenfassung S. 132f) und Dachs (Buchausstellungen, S. 95) Chancen zur "interpretatorischen Darbietung".
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Vgl. so auch Aschenbach, Probleme der visuellen Gestaltung, S. 49, (hier S. 220) und Barthel, Zur Kritik literarischer Ausstellungen, S. 63: "Die Ausstellung kann nunmehr als Original auf Zeit' (ähnlich der Theaterinszenierung) verstanden werden." Anders Alheidis von Rohr, Grenzen der Inszenierung im Museum, in: Museumskunde 47 (1982) S. 72: "Übrig bleibt bei der Übertragung des Begriffs Inszenierung eigentlich nur die Herstellung eines Bühnenbildes für die ausgestellten Sammlungsobjekte." 'Inszenierung' ist seit einigen Jahren eines der häufigen Schlagworte im Museumswesen. Als "inszenierte Ausstellung" werden zumeist Ausstellungen bezeichnet, in denen durch Präsentation und Bauten außerhalb von Vitrinen (seltener in Ausstellungen wie bei 'Literatur im Industriezeitalter' in Marbach durch den Inszenierungsversuch einer Straße innerhalb einer Vitrine) eine Art Bühnenbild entsteht. Als Bezeichnung für solche Bauten verwenden Petra Schuck- Werag/Gernot Wersig, Die Lust am Schauen oder müssen Museen langweilig sein? - Berlin 1986, S. 156-197, den Begriff. Wie generell die Inszenierung als Aufgabe der Ausstellungsarchitekten verstanden wird. In Kritiken von Kultur- und Literaturausstellungen wird 'Inszenierung' zumeist in negativem Sinn verwendet. Mit Inszenierung werden solchen Ausstellungs-Bühnenbilder bezeichnet, die bloß "suggestive Arrangements" (Sybille Wirsing in FAZ vom 28. Auf. 1987, S. 23, zu 'Berlin, Berlin') sind oder den Objekten nur "die Rolle von Versatzstükken" zuweisen (Helmut Schneider, Der Besucher als Statist. Vom Sinn und Unsinn kulturhistorischer Ausstellungen, in: DIE ZEIT vom 7. Aug. 1987). Vgl. ähnlich H. Schlaffer, Die Schauseite der Poesie, Sp. IV, und Peter Steinbach, Ausstellungen und Wissenschaft ein Widerspruch? Möglichkeiten und Gefahren eines Spannungsverhältnisses, in: Universitas 42 (1987) S. 332. Das Problem ist älter als der Begriff. Paul Kaiser (Zur Praxis der musealen Ausstellung, in: Neue Museumskunde 7 (1964) S. 127) kennt zwar noch nicht das Wort "Inszenierung", wohl aber die Sache und wendet sich gegen 'den neuen Stil': "Die Ästhetik
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Hans-Otto Hügel überwucherte die Pädagogik, und nicht selten ging dabei die Sachproblematik verloren." Solcher Kritik des Begriffs, die in der Inszenierung nur Design sieht, leisteten Ausstellungsregisseure Vorschub, wenn sie in ihren veröffentlichten Reflexionen die Inszenierung durch das Ausstellungs-Btthnenbild oder durch außerliterarische Exponate nur als Sinnbilder und Assoziationsanlässe oder gar nur als "Faszinationspunkte" verstanden, um die "größtenteils auch ästhetisch reizlosen Exponate" aufzuwerten ([Eckardt, Das neue Schillermuseum, S. 63; ähnlich Berger-Fix/Hähnel-Bökens, Präsentation).
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Barthel, Zur Kritik literarischer Ausstellungen, S. 63. Leider zieht Barthel auch an dieser Stelle nicht die Konsequenz aus dieser Einsicht und bleibt im System seiner Theorie von der wertenden Ausstellung stecken. Daher sieht er den Produktionsprozeß Ausstellungs-Machen nur als Verdichtungsvorgang. Vgl. den Vordersatz der im Text zitierten Stelle: "Die Neubewertung des gestalterischen Zugriffs, vor allem seine Aufwertung, die die Möglichkeit eröffnet, Literaturausstellungen unter Zusammenführung Litteraria, literaturbezogenen Objekten und Kunsterzeugnissen, von Texten, sekundären Vermittlungsverfahren und atmosphärischen Elementen zu selbständig wertenden Sinnbildern zu verdichten, [...]" Monika Thomas, Hinweise für die Gestaltung von Schaufenstern und Schaukästen zur Literaturpropaganda in Gemeindebibliotheken, in: Der Bibliothekar 32 (1978) S. 49
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Helmut Häuser, Buchausstellungen in einer Universitätsbibliothek, in: Bibliotheksarbeit heute. Beiträge zur Theorie und Praxis. FS für Werner Krieg zum 65. Geburtstag am 13. Juni 1973. Hrsg. v. Gerhart Lohse und Günther Pflug. - Frankfurt/M. 1973, S. 336 80
"
Ahnlich einschränkend Hans Knies, Permanente Bibliotheksausstellungen durch Kleinbildphotographie, in: Zentralbl. f. Bibliothekswesen 50 (1933) S. 583: "Jede [...] Ausstellung ist eine [...] Leistung, eine wissenschaftliche und pädagogische, vielleicht auch eine künstlerische." HäuGg bleibt es in der Literatur unklar, wenn das Einrichten von Ausstellungen als künstlerische Leistung angesprochen wird, ob damit mehr als die Fähigkeit gemeint ist, schickes Design zu organisieren. So Zbynêk Ζ. Stránsky, Die Prinzipien der musealen Ausstellung, in: Neue Museumskunde 24 (1981 S. 36: "Die künstlerische Darstellung nimmt [...] mit der architektonischen und bildnerischen Gestaltung des im Drehbuch enthaltenen szenischen Entwurfs" ebenfalls einen wichtigen Platz ein. Doris Kreiss (Zur emotionalen Wirkungsmöglichkeit und Wirksamkeit ästhetisch gestalteter Ausstellungen, in: Schule und Museum 15 (1980) S. 40) lehnt es auf dem Hintergrund der Theorie von wertenden und didaktischen Ausstellungen konsequenterweise ab, Ausstellungen als "spezifisch künstlerische [...] Information" aufzufassen. 81
So Alheidis von Rohr, Grenzen der Inszenierung im Museum, in: Museumskunde 47 (1987) S. 72, Hervorhebung von mir. 82
Didier, Spezifische Probleme des Literaturmuseums, S. 127f, (hier S. 54). Die Antwort auf die entscheidende Frage, wer denn und auf welche Weise "das Verständnis der künstlerischen Realität" in die Ausstellung einbringt, bleibt Didier schuldig. 'Anregung' meint bei Didier immer nur Anregung im Rahmen und zu Nutzen einer bestimmten weltanschaulichen Position: "Als Anreger konzipierte und gestaltete Literaturmuseen in der DDR, die den realen Bedürfnissen der Werktätigen Rechnung tragen, schaffen damit die Voraussetzungen, daß die im Museum existierenden weltanschaulichen Potenzen des Erbes tatsächlich auch genutzt werden können" (S. 127). Daher gibt es - wie die Praxis der Herder-Ausstellung im Kirms-Krackow-Haus zeigt - auch gewaltige Unterschiede zwischen dem "Museum als Anreger" und einem Museum, in
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dem der Besucher als Partner des Ausstellungsregisseurs dessen Interpretation der ausgestellten Literatur begegnet. 83
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Hans-Otto Hügel, Inszenierungssstile von literarischen Ausstellungen. 11 Thesen, in: Kunst - Praxis - Wissenschaft. Bezugspunkte kulturpädagogischer Arbeit. Hrsg. v. Dieter Lüttge. - Hildesheim 1989, S.212 (zuerst vorgelegt bei 'Tage der Kulturpädagogik' 1987) Paul M. Oschatz (Ausstellungen - eine bibliothekarische Aufgabe, in: Vom neuen Standort der Gesamthochschulbibliothek. Hrsg. v. Walter Barton. - Siegen 1977, S. 164) regte schon früh die Ausstellung eines einzigen Werks, der Schädelschen Weltchronik, an.
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s. u. S. 216
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Durch eine thematisch gegliederte Ausstellung nicht nur Schaulust, sondern Erkenntnislust anzusprechen, ist in der Frühzeit kulturhistorischer Ausstellungen besonders von Archiv- und Bibliotheksausstellungen angestrebt worden. Vgl. ζ. B. Woldemar Lipperts, Hinweise auf Archivausstellungen in Wien (1905), Brünn (1908) und Graz (1911), in: Archivalische Zeilschrift 3 (1928) S. 112f. Für eine streng geplante und auf ein Mitteilungsziel hin gegliederte Ausstellung treten aus ökonomischen wie kulturpolitischen Gründen schon Evart G. und Mary S. Routzahn (The ABC of Exhibit Planning. - New York 1918) ein. Unter dem "roten Faden" einer Ausstellung kann allerdings ganz Verschiedenartiges gemeint sein. Manchen Autoren genügte es, wenn die Exponate nur grob nach ihrer Materialqualität oder nach ihrer Herkunft oder nach der Chronologie gegliedert dargeboten werden. Solche Gliederung führt nicht zu einer 'interpretierenden Ausstellung'.
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So ist, um ein negatives Beispiel zu geben, in der Dauerausstellung zu Schillers Leben und Werk in Marbach in der Vitrine 15: 'Krankheit auf den Tod. Immanuel Kant' zur Erstausgabe der 'Kritik der Urteilskraft' einer der sogenannten Kallias-Brief Schillers ausgelegt, die sich auf eine Lektüre der Urteilskraft beziehen. Wiewohl das Buch wie der Brief ziemlichen Platz einnehmen, ist dankenswerterweise die Umschrift der ausgelegten Stelle hinzugefügt. (Auch im Katalog S. 114 wiedergegeben). Was zunächst als Besucherfreundlichkeit und Erkenntnisvermittlung erscheint, erweist sich aber bei der Lektüre als alles andere als das. Das Briefzitat ist so komplex und schwierig, dafi es für sich nichts mitteilt, außer daß Schillers Ästhetik schwierig zu verstehen ist. 88
Ein Kapitel für sich sind in einzelne Abschnitte der Ausschnitte einführende Kuiz-Texte. In dokumentierenden Ausstellungen wird mit ihnen oft nur das gleiche, wie mit den Stücken gesagt: Seht her - da sind wir. Die 'Max und Moritz Ausstellung' (Wilhelm-Busch-Museum Hannover, 1990) verzichtet nahezu völlig auf interpretatorische Bemerkungen. Vgl. die (vollständig wiedergegebene) Einführung zur nicht-literarischen Alltags-Rezeption: Die Alltagsvariationen des 'Max und Moritz'. "Kein Kinderbuch ist so tief in die Alltagsbereiche eingedrungen wie 'Max und Moritz'. Das liegt zweifellos im Erfolg der Bubengeschichte begründet. Seine motivische oder figürliche Verwertung reicht von der anspruchsvolleren Nachahmung bis zur Verballhornung des Originals. In der Benutzung der Max und Moritz Motive auf Gegenständen des Alltags nehmen die Medaillensätze und Briefmarkenserien eine gesonderte Stellung ein. Zur Ehrung Wilhelm Büschs anläßlich von Jubiläen herausgegeben, zeichnen sie sich überwiegend durch künstlerische Gestaltung aus. Aufgrund ihrer Popularität verschönern 'Max und Moritz' in den 20er Jahren Notgeld, zieren Glückwunschkarten, illustrieren Zeitschriften, Preisausschreiben und Informationsblätter; sie treten als Namenspatron für Kindereinrichtungen, für Straßenbezeichnungen und auf Speisekarten auf; auch Kinder werden nach ihnen benannt.
34 Hans-Otto Hügel Das Interesse an 'Max und Moritz' geht auch über die Beliebtheit des Buches hinaus, wenn sich beispielsweise Juristen des "Falles Max und Moritz" annehmen und die kriminellen Handlungen der beiden Buben strafrechtlich untersuchen. Mögen die Max-und-Moritz-Variationen im Alltag von den verschiedensten Motiven und Qualitäten geprägt sein, eines haben sie doch gemeinsam: Sie sind Beweis für die Lebendigkeit dieses lüassikers unter den Kinderbüchern." 89 Nach der von Herbert Günther 1929 herausgegebenen Anthologie. S. Exponat 304 der Ausstellung (Katalog, Greve/Meyer, Das 20. Jahrhundert, S. 227) 90
Exponat 310 (s. Katalog, ebda. S. 232f)
91
Vgl. die Exponate Nr. 305-307 und 314 (s. Katalog, ebda. S. 228f., 234f.)
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Doris Kreiss, Zur emotionalen Wirkungsmöglichkeit, S. 39
93
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Josef Bettes, die Konzeption der Ausstellung in tschechischen Museen, in: Neue Museumskunde 18 (1974) S. 124 Wolfgang Freydank, Zur Bildungsarbeit naturhistorischer Museen, in: Zur Gestaltung von Ausstellungen in naturhistorischen Museen, T. 1, hrsg. v. Institut für Museumswesen. Berlin 1977, S. 103. Vgl. ähnlich Stránsky, Die Prinzipien der musealen Ausstellung, der (S. 34) ohne Wenn und Aber feststellt: "Museale Objekte sind ihrem Wesen nach vielfältig in der Aussage" und Ernst Schlee, Das volkskundliche Museum als Herausforderung, in: Zeitschrift f. Volkskunde 66 (1970) S. 62f, zit. nach Ernst Hofmann, Der museale Sachzeuge als Quelle und Ausstellungselement. Ein Diskussionsbeitrag zu Problemen der Geschichtsmuseen aus erkenntnistheoretischer Sicht, in: Neue Museumskunde 25 (1982) S. 157: "Monumentation [...] beläßt dem präsentierten Objekt seine volle Realität und damit alle denkbaren Aspekte. Dabei bleibt ihm die ganze Vielfalt seiner Deutungsmöglichkeiten gewahrt; es kann immer wieder unmittelbar befragt werden [...]" Der Begriff des "originalen historischen Sachzeugen" wurde in der 60er Jahren vor allem durch DDR-Museologen (Heinz Arno Knorr und Kurt Patzwall) eingeführt.
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Schreiner argumentiert auch aus terminologischen und verbandspolitischen Gründen, während Hofmann den Begriff zwar zum Teil beibehält, ihn aber neu wertet. Vgl. Emst Hofmann, Der 'originale historische Sachzeuge'. Bemerkungen zur terminologischen Diskussion, in: Neues Museumskunde 23 (1980) S. 129-133; ders., Der museale Sachzeuge S. 156 -165; Klaus Schreiner, Sollen wir den Begriff 'musealer Sachzeuge' noch weiter verwenden? Ein Diskussionsbeitrag zu Termini der Museologie, in: Neue Museumskunde 23 (1980) S. 123 -128; ders., Kriterien zum Platz der Museologie im System der Wissenschaften, in: Neue Museumskunde 25 (1982) S. 38-44 96
Hofmann, Der museale Sachzeuge, S. 157, Vgl. ähnlich Hubert Glaser, Uber die Fragwürdigkeit von Ausstellungen mit historischer Thematik - das Beispiel der Max-EmanuelAusstellung, in: Das historische Museum im Geschichtsunterricht. Hrsg. v. Wolfgang Hug. - Freiburg u. a. 1978, S. 197, und Erich Paproth, Exposition. Definitionsversuch, in: Standbein, Spielbein. Museumspädagogik aktuell 1989, Nr. 25, S. 15: "Durch den Vorgang des Ausstellens werden Quellen vereinzelt; sie werden zu Exponaten, die autonom nichts vermitteln, weil sie nicht selbstevident sind." 97 Hofmann, Der museale Sachzeuge, S. 159 98 ebda. S. 160 u. ö. Schon auf der 12. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen in Mannheim, die sich mit dem Thema "Museen als Volksbildungsstätten" beschäftigte, hatte Alfred Lichtwark(s. seinen einleitenden Vortrag 'Museen als Bildungsstätten', in: A. L.: Eine Auswahl aus einen Schriften. Bd. 2. - Berlin 1917, S. 185 - 196) sich für
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ein Doppelziel der Museen ausgesprochen: "Kleine sehr gewählte, sehr lehrreiche Schausammlungen für das große Publikum, bequeme, weiträumige Magazine und Arbeitsräume für die Forscher." (S. 193). In den 20er Jahren setzte sich dann in der Museumstheorie die entsprechende Praxis, mitgetragen durch die Reform-Pädagogik, durch. Vgl. Karl Hermann Jacob-Friesen, Die kulturgeschichtlichen Museen und die Schule, in: Museumskunde. N. F. 6 (1934) s. 64ff. Ähnliche Unterscheidungen werden seit den 60ern vielfältig vor allem von der Seite der Archive, aber auch von Museologen gemacht. Vgl. Berns (Theoretische Fragen, S. 35) der: "Studienausstellungen (für Fachleute) und die Ausstellung mit Erziehungs- und Bildungsaufgaben (für Laien)" unterscheidet. 99
Von "einer wissenschaftlichen Aufgabenstellung" spricht ζ. B. Doris Kreiss, Zur emotionalen Wirkungsmöglichkeit, S. 39
100
Hofmann, Der museale Sachzeuge, S. 161
101
ebda., S. 162
102
Vgl. Zbynek Z. Strânsky, Die Bildungs- und Erziehungsziele der Museumsausstellung als pädagogisch-museologisches Anliegen, in: Neue Museumskunde (1982) S. 48
103
Das Museum als Lernort ist, wie die entsprechenden Spalten in den internationalen Museumsbibliographien zeigen, alles andere als eine deutsche Erfindung.
104
Selbst Strânsky (Die Prinzipien der musealen Ausstellung, S. 35) glaubt - ohne zu bemerken, daß er damit seiner Auffassung vom Exponat, (s. o. Anmerkung 69) widerspricht, wie viele Museologen, daß es möglich sei, "durch die Ausstellung Erkenntnisse nicht nur vermittelt, sondern auch bewiesen werden..."
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Strânsky, ebda, S. 34. Vgl. auch Jean Babus " 'Any object has a logic of its own' [...] (Chan Fan li, Sung Dynasty). We can, and must, go farther in our understanding of the object. The object can tell us more: It is a sign [...]. Collecting objects is not only 'material ethnography', in the narrow sense of the term - history, records or references. It is also an advance towards complete incorporation in that eternal place, that 'high abode' as Plato has it, which is the theatre of humankind." (Aesthetic Prinicples and General Planning of Educational Exhibitions, in: Museum (Paris) 18 (1965) S. 15)
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Peter Steinbach, Ausstellungen und Wissenschaft - ein Widerspruch? S. 329 u. ö.
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Was eine Chance ist, ist für Hofmann (Der museale Sachzeuge, S. 162) nur ein Problem: "Ein wesentliches Problem der Arbeit der Geschichtsmuseen besteht sicher darin, daß jeder Gegenstand auch ohne Vorkenntnis zunächst ästhetisch und emotional gewertet werden kann." Puschnig, Zur Frage der Archivalienausstellung, S. 53 Vgl. H. Schlaffers Hinweis mit einer Illustration aus einem 'Trostspiegelmeister' von 1520: "Wenig kunst und Bücher viel' / Das ist der Narrenfrewdenspiel. / Der darff nicht viel der Bücher hon, / Der Christlich lebt und recht wil thun." (Die Schauseite der Poesie, S. 49) Brigitte Booms, Einsatz neuer Techniken und Medien in Archivausstellungen. Eine kritische Bilanz, in: Der Archivar 37 (1984) Sp. 60 und 62. Anders und wohl zu optimistisch: Steinbach, Ausstellungen und Wissenschaft, S. 327: "In derartigen Ausstellungen [gemeint sind 'Zwischen Traum und Wirklichkeit', 'Paris und Berlin'] wird die Leistungsfähigkeit von Ausstellungen sichtbar, die Entwicklungen auszudrücken vermögen, wie kaum eine anders Medium, [...]" Booms, ebda Sp. 60
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D. M. Mac Master, Museum und Öffentlichkeit I, in: Die Öffentlichkeitsarbeit der Museen, Hrsg. v. d. Deutschen UNESCO-Kommission. - Köln 1964, S. 35 Booms, ebda. Wohl zu Recht ist Stephan Waetzoldt pessimistischer: "Es ist doch wohl so, daß sich dem Medium Ausstellung das Thema 'Geschichte' grundsätzlich verweigert." (in: Der Tagesspiegel, Nr. 10923 v. 30. Aug. 1981, zit. nach Booms, Einsatz neuer Techniken, Sp. 55)
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Booms, ebda
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Zur Ensemblebildung vgl.: Ilse Jahn, Methodische Grundsätze zur Ausstellungsgestaltung unter fachspezifischen Aspekten, in: Zur Gestaltung von Ausstellungen in naturkundhistorischen Museen. T. II. - Berlin 1977, S. 25 - 28
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Vgl.: "L'exposition littéraire peut-être définie comme un récit spécifique de musée sur la Littérature par des méthods scientifiques et des moyens artistiques. " In: A. A. Chiriaieva, L'oeuvre littéraire et les possiblités de sa présentation dans une exposition, in: Minutes of the First Annual Meeting. Hrsg. v. ICOM/ICLM. - Weimar 1978 o. S.
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Paproth, Exposition, S. 15. Der von Wolfgang Freydank (Zur Bildungsarbeit, S. 107) bei ständigen Aasstellungen anvisierte Norm-Besucher hat einen Ausbildungsstandard, der der " 10. Klasse der allgemeinbildenden politechnischen Oberschule" entspricht. Volker Wagner (Archivalienausstellungen als Mittel historischer Bildungsarbeit. Didaktische Zielsetzungen und gestalterische Möglichkeiten, in: Der Archivar 26 (1973) Sp. 639,645) Orientiert sich "an der Gesamtheit der mündigen Staatsbürger", bzw. an "den historisch bisher wenig informierten aber bildungswilligen Staatsbürger und den im Ausbildungs- und Entwicklungsprozeß befindlichen Jugendlichen".
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Paproth, Exposition, ebda
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Höchstens bei Sonderfällen mag Zielgruppenorientierung Hilfen für das Ausstellungskonzept abgeben: Ζ. B. wenn Literaturmuseen wirklich einmal "Schule machen" und dann Unterricht sind, bei dem das Schulgebäude verlassen wurde oder bei Ausstellungen für Kinder. 120 121
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Heiner Treinen, Museumspädagogik und Besucherverhalten. Eine empirische Untersuchung zur Benutzung und Wirkung von Ausstellungen, in: SOWI (1981) S. 217 Barthel, Literaturmuseen und literarische Kommunikation, S. 11 So unterscheidet das Wörterbuch literaturmuseale Kommunikation, s. 103f
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Heiner Treinen, Museum und Öffentlichkeit, in: Zur Lage der Museen in der BRD und Berlin (W). Hrsg. v. der DFG. - Boppard 1974, S. 37f Treinen, Museumspädagogik und Besucherverhalten, S. 217 Seinbach, Ausstellungen und Wissenschaft, S. 326 ebda H. Schlaffer, Die Schauseite der Poesie, Sp. I Vgl. die bei Dietrich Wilhelm Grobe genannten Berichte zu Ausstellungen aus den Jahren 1840 -1850. (in: Ausstellungen von Hand- und Druckschriften an öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken. Ein geschichtlicher Überblick. Mit einem bibliographischen Anhang: 50 Jahre Ausstellungen an öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken im Spiegel des Zentralblatts für Bibliothekswesen 1884 -1934. - masch. Prüfungsarbeit der Hamburger Bibliotheksschule. - Hamburg 1953, S. 15ff) Vgl. die Hinweise bei Dachs, Buchausstellungen, S. 84
Einleitung
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Zahlreiche Abbildungen sind publiziert in: Rudolf Presber, geweihte Stätten. Mit einem färb. Kunstblatt und etwa 200 Bildern. Hrsg v. Franz Goerke. - Berlin 1914 Grobe (Ausstellungen von Hand- und Druckschriften, S. 63 -148) verzeichnet Ausstellungsberichte, Kataloge und Veröffentlichungen zu 318 Ausstellungen. Eine stichprobenartige Recherche zu einigen Sonderausstellungen (Lessing-Ausstellung Braunschweig 1853 und Hamburg 1929; Thea ter-Ausstellung Wien 1892; Goethe-Ausstellung Mainz 1932; Grabbe-Ausstellung Dortmund 1936) ergab, daß sich in den Archiven auswertbares Material (Beschriftungen, Vitrinentitel, Rezensionen) finden läßt, das zu suchen lohnt.
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Grobe (Ausstellungen von Hand- und Druckschriften, S. 57) weist schon für 1894 einen Aufsatz: "On the advantage of occasional exhibitions of the more rare and valuable books in public libraries" nach. Vgl. die Arbeiten von Emst Müxbeck (Wesen und Wert von Archivausstellungen, in: Minerva-Zeitschrift 3 (1927) H.4, S. 72 - 77), Woldemar Lippen (Archivausstellungen), Erich Keyser (Die Veranschaulichung der Geschichte, in: Museumskunde 8 (1939), S. 86 - 92, (hier S. 69 - 75)) 1882 widmete schon Franz von Löher einen Abschnitt in seiner Aufsatzreihe 'Einrichtungen von Archiven' (in: Archivalische Zeitschrift 7 (1882) S. 286- 292) den Schaustellungen.
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s. z. B. Alfred Jericke, Die Neugestaltung der Goethe-Museums, in: Neue Museumskunde 3 (1960) S. 288-294
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Stránsky, Die Prinzipien der musealen Ausstellung, S. 34
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Vgl. die bei Stránsky ebda, unter den Nummern 1, 7, 9,12,13,19,30,32,52,54 in der Bibliographie aufgeführten Arbeiten.
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So zuletzt: Wolfgang Pöhlmann, Ausstellungen von A bis Z. Gestaltung. Technik. Organisation. - Berlin 1988 138
Diesen Mangel an Kontinuität hat Rolf Lang mit der Beobachtung illustriert, daß er bei der Ausleihe eines zentralen Werkes der Museologie der Jahrhundertwende feststellen mußte: "daß von den drei Bänden dieses Werks lediglich wenige Seiten des ersten Bandes aufgeschnitten ware." (Vgl. Lang, Vorwort, in: Studien und Materialien zur Geschichte des Museumswesens und der Museologie. T. 5, Berlin 1989, S. I (= H. 26 der Schriftenreihe des Instituts für Museumswesen). Ilse Jahn möchte den Vorwurf mangelnder Kontinuität der Forschung vor allem auf die Museologie der BRD bezogen sehen und hält ihr vor, daß sie (zumindest bis 1973) "sich nicht auf bereits vorliegende museologische Literatur beziehe" und daher nicht "über die Erörterung von Grundproblemen des Museums, wie sie schon vor 80 Jahren zum ersten Mal angeschnitten wurden", hinauskäme. (Ilse Jahn, die Museologie als Lehr- und Forschungsdisziplin mit spezieller Berücksichtigung ihrer Funktion im naturhistorischen Museum. Geschichte, gegenwärtiger Stand und theoretische Grundlage. Teil III in: Neue Museumskunde 23 (1980), S. 46). Wenn man sieht, wie wenig Fortschritt die Forschung bei Fragen zur Typologie (Sonder- vs. Dauerausstellung; thematische Ausstellung vs. Repräsentationsausstellung; Forschungsausstellung vs. doktrinale Ausstellung, zum Verhältnis von Wissenschaft und Ausstellung, zum Verhältnis von Beschriftung und Exponat erzielt und aus mangelnder Kenntnis vorangegangener Arbeiten immer wieder von einer Null-Basis ausgeht, möchte man dem gern zustimmen. Daß dieser Vorwurf nur für das Gebiet der Bundesrepublik zu stellen ist, ist jedoch zu bezweifeln. Wegen der fehlenden Kontinuität in der museologischen Diskussion ist dieser Forschungsbericht auch nicht chronologisch, sondern in Form eines Problemaufrisses angelegt.
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Dies bemängelt schon Ernst Crusius, Zur Methodik der Archivausstellung, in: Der Archivar 17 (1964) Sp. 238, Anm. 3
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Helga Schiippert, Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit in Ausstellungen, in: Ist Zwivel herzen nachgebur. FS. Günter Schweikle zum 60. Geburtstag. Hrsg. v. Rüdiger Krüger u. a. - Stuttgart 1989, S. 292
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Barthel/Lang, Positionspapier, S. 3. Vgl. ähnlich: "Vor allem aber steht die überzeugende Bestimmung der Spezifik des Literaturmuseums noch aus" (Barthel, Literaturmuseum und Literaturkommunikation, S. 12) und Dachs, Buchausstellungen, S. 82
I Zum Begriff der Literaturausstellung
Bernhard Zeller Literaturausstellungen. Möglichkeiten und Grenzen Mehr als 32 Millionen Menschen, so meldet die Statistik, haben 1977 die Museen in der Bundesrepublik und in West-Berlin besucht. Um 20 Prozent ist das Ergebnis des Vorjahres übertroffen; die steigende Tendenz hält an. Mag ein ägyptischer Grabschatz, mag Caspar David Friedrich oder die Welt der Staufer Thema der Ausstellung sein, Menschen stauen sich vor den Eingängen, nehmen stundenlange Wartezeiten auf sich - in London ebenso wie in Hamburg oder Stuttgart. Dieser, im Vergleich vergangener Zeit so ungewöhnliche Zulauf hat sehr verschiedene Ursachen; aber ihm entsprechen auf der anderen Seite auch gesteigerte Aktivitäten, neue Museumsbauten und neue Ausstellungspraktiken, pädagogische Bemühungen, Wanderausstellungen und nicht zuletzt die großen internationalen Ausstellungen, die mit umfassendem Anspruch und erheblichem Aufwand zentrale Themen der Geschichte und Kunstgeschichte zur Darstellung bringen. Im Sog dieser Ausstellungseuphorie segeln, ebenfalls mit verstärkter Intensität, auch die Literaturausstellungen und literarischen Dokumentationen, die einzelnen Schriftstellern wie literarischen Epochen, besonderen buch- und dichtungsgeschichtlichen Problemen oder bestimmten geistig-künstlerischen Bewegungen gelten und sich keineswegs mehr nur an ihre traditionellen Standorte, an Gedenkstätten und Heimatmuseen, gebunden wissen. Von ihnen sei hier die Rede, nicht von solchen Ausstellungen, die nur Literatur, d. h. Bücher zur Werbung, zum Verkauf und zu manch anderen Zwecken ausstellungsgemäß präsentieren. Selbständige Literaturmuseen des reinen Typs sind in Deutschland nach wie vor selten, und nach dem Schiller-Nationalmuseum in Marbach a. N., den GoetheMuseen in Weimar, Frankfurt und Düsseldorf, die im Gegensatz zu ihren Namen nicht ausschließlich als Personalmuseen verstanden werden dürfen, nach dem Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf und dem Oberrheinischen Dichtermuseum in Karlsruhe hat sich kaum ein nur auf Literatur spezifiziertes Museum überregionalen Ranges entwickelt. Dafür aber haben viele Bibliotheken und kulturhistorische Museen wie auch Archive und Heimatmuseen - man denke etwa an die ständige Mörike-Ausstellung (Sammlung Kauffmann) des Stadtarchivs Stuttgart oder an das Wielandmuseum in Biberach - das Ausstellen literarischer Zeugnisse in ihre Arbeit mit einbezogen. Auch wurden in jüngster Zeit fast alle Bibliotheksund Archivneubauten mit Ausstellungsräumen versehen, die es ermöglichen, seltene, schöne oder besonders charakteristische Stücke der eigenen Sammlungen zur Schau zu stellen, für sie durch anregende Präsentation zu werben, sie auch dem Auge zugänglich zu machen. Das Museum ist in die Bibliothek und in das Archiv eingedrungen, die Ansprüche und Wünsche eines visuellen Zeitalters auch
40 Bernhard Zeller Institutionen auferlegend, die bisher vorwiegend der Lektüre und dem Studium, nicht aber der sinnlichen Betrachtung dienten. Parallelen zu dieser Entwicklung bilden mancherlei literarische Bildwerke, die gleichsam zu literarischen Ausstellungen in Buchform geworden sind. Als Beispiele seien die Bilderchroniken für Rainer Maria Rilke und Hermann Hesse oder aus jüngster Zeit die mit Perfektion gestalteten Bildbände für Sigmund Freud, Carl Gustav Jung und Bertolt Brecht erwähnt. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch die literarischen Dokumentationsfilme, die allerdings mit ihrer nur selten geglückten Verquickung von historisierenden und aktualisierenden Darstellungsformen, von Spiel und Dokument, aus der Phase des Experimentierens noch nicht ganz herausgefunden haben. Literaturausstellungen finden sich seit der Mitte des letzten Jahrhunderts in Geburts-, Wohn- und Sterbehäusern von Dichtern. Da es nur in seltenen Fällen möglich war, die ursprüngliche Gestalt der Räume zu konservieren und damit den Eindruck der vollen Authentizität zu vermitteln, hat man diese Gedenkstätten in der Regel mit literarischem Sammelgut angereichert und die Atmosphäre, die Örtlichkeit und Räume zu bieten vermögen, für die Ausstellungen genützt. Das wiedererstandene Lessinghaus in Wolfenbüttel ist ein gelungenes Beispiel dieses Verfahrens. Dennoch ist an manchen Dichterstätten, man erinnere sich an das Goethe-Haus und das Goethe-Museum in Weimar, dessen Sammlungen nach dem ausdrücklichen Willen des Dichters in altem Zustand erhalten blieben, dann an das KernerHaus in Weinsberg oder Hebbels Schreibzimmer in Wesselburen, das Unmittelbare und Ursprüngliche der einstigen Gestalt bewahrt geblieben. Das Haus erhielt Denkmalsfunktion. Sein Erwerb erschien lange Zeit vordringlicher als der Ankauf von Handschriften und Drucken. Daneben aber sind nun längst - sei es in eigenen Museen, in Bibliotheken, Archiven oder an anderen Orten - selbständige Literaturausstellungen getreten, die, vielfach in Jubiläumsjahren, einzelnen Dichtern gewidmet sind und ihre Werke, ihre Zeit und Zeitgenossen, zuweilen auch ihre Rezeption im Spiegel handschriftlicher, gedruckter und bildlicher Dokumente vorstellen. Sie sind Ausdruck der Verehrung und Liebe, dienen dem Andenken, der Würdigung, der geschichtlichen Erkenntnis und nicht selten auch lokaler wie nationaler Repräsentanz. Thomas Mann in Zürich und Berlin, Eduard Mörike und Rainer Maria Rilke in Marbach galten 1975 Ausstellungen dieser Art. Der 100. Geburtstag von Hermann Hesse gab in aller Welt Anlaß zu Ausstellungen. Nicht nur in Deutschland, in der Schweiz, auch in England, Japan, den USA und vielen anderen Ländern wurden Bild und Werk dieses z. Zt. meistverbreiteten Dichters deutscher Sprache präsentiert. Dem Gedenken an Kleist galt eine mit Sorgfalt zusammengestellte Ausstellung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz im Herbst 1977 in Berlin. Das Haus der Kunst in München bot eine brillante Simplizissimus-Ausstellung, während das Düsseldorfer Goethe-Museum in überaus informativer Weise Dokumente zur Frage "Lesewuth, Raubdruck und Bücherluxus. Das Buch zur Goethezeit" zusammenstellte. Rudolf Borchardt, Alfred Walter Heymel und Rudolf Alexander Schröder sowie Döblin und Robert Walser, die alle zur Generation der Hundertjährigen gehören, sind die Titelge-
Möglichkeiten und Grenzen 41 stalten von Ausstellungen in Zürich und Marbach in Jahre 1978. Clemens Brentano wird das Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt anläßlich seines 200. Geburtstags durch eine Ausstellung würdigen. Schon diese wenigen, aus einer Vielzahl von Titeln und Themen herausgegriffenen Ausstellungen mögen den Reichtum und die Lebendigkeit dieser Art von Museumsarbeit belegen und zugleich das Interesse beweisen, dem sie begegnen. Die Legitimation von Ausstellungen gedruckter und handschriftlicher Zeugnisse, den vornehmlichen Objekten solcher Ausstellungen, ist dabei keineswegs unbestritten. Nicht zu Unrecht wird ihnen mangelnde Anschaulichkeit vorgeworfen, und Skepsis gegenüber der Aussteilbarkeit von Archivgut beherrscht den Museumsfachmann. Auch wird auf die nicht zu leugnende Schwierigkeit hingewiesen, die darin besteht, daß Objekte zur Betrachtung und Anschauung vorgeführt werden, die dem eigentlichen Sinne nach nicht sinnenhaft sind, sondern gelesen und daher natürlich auch umgeblättert werden müssen. Das Museum aber ist Ort "visueller Erfahrung". Zwischen einer Zeichnung von Klee und dem Autograph eines Gedichtes von Rilke besteht ein ganz entscheidender, ein wesensmäßiger Unterschied. Die Zeichnung ist gewissermaßen das Ziel der Betrachtimg, das Gedicht, vom Reiz des Autographs selbst einmal abgesehen, vermittelt sich erst durch die Lektüre. Der optische Eindruck muß untergeordnet bleiben, er hat dienende Funktion. Man muß sich dieser Tatsachen sehr bewußt sein, um die Möglichkeiten, Aufgaben und Ziele, vor allem aber auch die Grenzen von Literaturausstellungen richtig zu erkennen und die Unterschiede zu beachten, die Kunstausstellungen, die technische, kultur- und naturhistorische, volkskundliche oder kunstgewerbliche Museen und ihre Darbietungen von literarischen, archivalischen, von Bücherund Aktenausstellungen trennen. Daß sich die Literaturmuseen und daß sich literarische Ausstellungen dennoch durchgesetzt und behauptet haben, ja ihnen immer größeres Interesse entgegengebracht wird, macht deutlich, daß sie einem Bedürfnis entsprechen und trotz dieser Bedenken ihre Berechtigung haben. Auf die ihnen gemäße Weise vermitteln sie Literatur und verstehen es, Autoren als Menschen wie Künstler dem Betrachter nahezubringen, seine Werke und seine Absichten besser begreifen zu lernen. Auch Literaturausstellungen erstreben eine Kombination von Bild und Text, doch in ihrem Mittelpunkt hat als primäres Zeugnis das zu stehen, was den Autor zum Autor macht, sein schriftstellerisches Werk: das originale Manuskript zuerst, als das unmittelbarste Lebens- und Werkzeugnis und dann all die Dokumente, die den Entstehungsprozeß, den Weg von der Idee bis zum fertigen Buch zu spiegeln vermögen. Alle weiteren Objekte, deren es viele und vieler Art gibt, sind unterzuordnen, auch im optischen Sinne, selbst dann, wenn ihre Anschaulichkeit sehr viel stärker als der gedruckte oder handschriftliche Text sein sollte. Zum Werk tritt, was über die Person, die Entstehungsgeschichte, die Zeitbezüge, was über die gesellschaftliche Umwelt und über die Geschichte der Wirkung Aufschluß geben kann. An der Spitze steht das Portrait, das Bildnis in Stein, Bronze oder Öl, als Zeichnung oder Photographie. Das Schriftstellerbildnis hat alte Tradition; schon in der Spätantike und dem Mittelalter wurden den Texten
42 Bernhard Zeller Schriftstellerbildnisse beigegeben, wenn auch von zweifelhafter Authentizität. Individuelle Portraits gibt es im Buche seit dem 16. Jahrhundert. Zum eigenen Bild kommen solche der Familie und Freunde, der Lehrer und Kollegen. Weitere Materialien literarischer Ausstellung sind dann Briefe, die eigenen Korrespondenzen wie Briefe berühmter Zeitgenossen, von Freunden und Lesern, biographische Urkunden, Diplome und Preise, Bilddokumente der Lebensstätten und Landschaften und von zeitgenössischen Ereignissen, die von Einfluß waren. Dazu treten die Drucke selbst und schließlich Zeugnisse, in denen sich die Wirkung spiegelt: Rezensionen, Illustrationen, Übersetzungen und Vertonungen, bei dramatischen Texten auch Regiebücher, Bilder von Aufführungen und nicht zuletzt Tonbänder und dokumentarische Filme. Das Raritätenkabinett von einst, mit gutgemeinter Pietät und kritikloser Verehrung zusammengetragen und gepflegt, mit einem Sammelsurium fragwürdiger, zuweilen peinlicher Erinnerungsstücke, hat heute in der Regel abgewirtschaftet. Dennoch sollte das Gegenständliche nicht mit Bausch und Bogen verworfen werden. Uhren, Federn und Schreibschränke, Regale mit Büchern, besonders charakteristische Möbelstücke und andere Gegenstände des persönlichen Umgangs können oft in sehr lebendiger Weise Lebensbeziehungen und Lebensgewohnheiten veranschaulichen, etwas von der einstigen Atmosphäre mitteilen. Das silberne Teegeschirr, das Jean Paul von der Königin Luise als Geschenk zur Verlobung erhielt, die Lichtputzschere, mit der Johann Jakob Moser, allen Schreibzeugs beraubt, seine Verse auf Papierfetzen und auf die Wände seines Kerkers kratzte oder die kleine Shiwa Statuette aus dem Schrank des Großvaters, die für den jungen Hermann Hesse zum Sinnbild aller östlichen Weisheit und Geheimnisse wurde, sie können, in richtiger Weise zur Ausstellung gebracht, eine notwendige und sehr reizvolle Bereicherung bilden. Es gibt durchaus den Zauber des Gegenständlichen. Die schönsten Autographen, Drucke, Bilder und Gegenstände aber verlieren als Ausstellungsobjekte ihren Bezugswert zum Autor, wenn es nicht gelingt, sie in richtigen Zusammenhängen einzusetzen und zur Aussage zu bringen. Wie oft verwirrt die Fülle des Gezeigten, zumal dann, wenn kaum gegliedert, sondern nur additiv gehäuft wird, das Fassungsvermögen des Betrachters. Wichtig ist daher in erster Linie die genau bedachte Auswahl des Kennzeichnenden und Beispielhaften der Wahl, die allerdings sehr genaue Kenntnisse des auszustellenden Autors und seines Werkes wie auch dessen Überlieferung und Wirkung erfordert. Ein Archiv für Literatur wird seine Sammeltätigkeit nicht auf exemplarische Selektion beschränken, sondern danach trachten, gewisse Vollständigkeit zu erreichen, sich bemühen, die einzelnen literarischen Hinterlassenschaften möglichst als geschlossene Bestände und organisch gewachsene Einheiten zu erwerben. Aber für die Ausstellung von Literatur ist strenge Auslese geboten. Nur genau auf das jeweilige Thema bezogene Objekte, die als originale Dokumente die biographische Entwicklung belegen, die Werkgeschichte transparent und die Umwelt mit ihren Ereignissen und Einflüssen deutlich machen können, sollten ausgestellt werden. Diese Stücke nun in wirkungsvoller Weise miteinander in Beziehung zu setzen und im Widerspiel von Bild, Druck und Handschrift
Möglichkeiten und Grenzen
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eine sachbezogene Komposition mit eigener Spannung, Lebendigkeit und besonderem Informationswert zu schaffen, ist die Kunst des Ausstellers. Was erstrebt wird, sei an einem Beispiel zu verdeutlichen gesucht: Innerhalb einer Gesamtdokumentation für Hermann Hesse sollte dem Betrachter an einer Stelle die Hetze gegen ihn während des Ersten Weltkrieges vergegenwärtigt werden. Zur Verfügung stand eine Tischvitrine. Ausgestellt wurde zunächst die gesamte Titelseite der Sonntagsausgabe des Kölner Tageblatts mit dem Hesse scharf attackierenden Artikel "Ein 'deutscher' Dichter", aber auch mit den Kriegsberichten von der Rußland- und Italienfront, die auf einen Blick hin die zeitlichen Zusammenhänge erkennen ließen. Es folgte dann das Telegramm des Freundes Conrad Haußmann, eines Stuttgarter Rechtsanwalts und Reichstagsabgeordneten, und ein handschriftlicher Brief des ebenfalls mit Hesse befreundeten Theodor Heuss. Beide boten spontan publizistische Hilfe an. Die Antwort von Heuss in der Neckarzeitung ist ebenfalls ausgelegt sowie zeitgenössische Photographien, die ihn und Haußmann im Bilde zeigen. Ein weiterer Zeitimgsausschnitt und ein Brief aus späterer Zeit weisen darauf hin, daß die Hetze gegen Hesse sich selbst Jahre danach noch derselben plumpen Argumentation bediente. Knappe Sacherläuterungen enthalten die Beschriftungen größerer Zitate aus den ausgestellten Texten der Katalog. Mit diesen wenigen, äußerlich anspruchslosen, aber originalen Dokumenten kann dem aufmerksamen Betrachter der Sachverhalt sehr viel eindrucksvoller und lebendiger nahegebracht werden, als es die ausführlichste Schilderung vermöchte. Die Gefahr, bei der Auswahl der Objekte und der Festlegung ihrer Prioritäten Nebensächliches, das in reizvoller Form überliefert ist, oder Randfiguren, die aber durch starke Bilder vertreten sind, zu sehr zu betonen und damit die Ausgewogenheit sachlicher Darbietungen zu verletzen, den Blick vom Wesentlichen abzulenken, Verschiebungen, ja Verfälschungen der Tatsachen herbeizuführen, ist groß. Auch mit ausschließlich originalen Dokumenten kann in diesem wie jenem Sinne manipuliert werden. Häufig führen ästhetische Gesichtspunkte, d. h. die Rücksichtnahme auf bestimmte künstlerische Momente zu falschen, wenn zuweilen auch unbewußten Schwerpunktsverlagerungen. Es gilt einen Ausgleich zwischen den ästhetischen Prinzipien und den dokumentarischen Forderungen herbeizuführen. Durch ausstellungstechnische Akzentuierungen können Stücke von zentraler Bedeutung aber geringerem optischen Reiz hervorgehoben, freigestellt, eventuell auch durch besondere Beleuchtung in ihrem Rang betont werden. Doch sollte von Vergrößerungen, die den Charakter des Originals verändern, abgesehen werden. Eine naheliegende Gefahr ist die Überbetonung des Biographischen, da die Geschichte des Lebens in der Regel leichter in Anschauung umzusetzen ist als die Prozesse der Werk- und Wirkungsgeschichte. Dieser Gefahr ist dadurch entgegenzuwirken, daß das individuelle Leben in den historischen Erlebens- und Erfahrensbereich, in die politische und gesellschaftliche Geschichte der Zeit eingebettet und dadurch in größeren Zusammenhängen, Abhängigkeiten und Wirkungen sichtbar gemacht wird. Sind die Materialien, die für ein bestimmtes Ausstellungsthema ermittelt, ausgewählt und zusammengestellt werden müssen, gleichsam der eine Partner des
44 Bernhard Zeller Ausstellers, so hat gleiche Aufmerksamkeit stets auch dem anderen zu gelten: dem Publikum nämlich, für das alle Ausstellungen inszeniert werden. Im Auge ist dabei zu behalten, daß sich dieses Publikum vorwiegend aus Liebhabern und interessierten Laien, nicht aber aus fachkundigen Spezialisten zusammensetzt. Literaturausstellungen können allerdings bei ihren Besuchern auf ein gewisses Minimum an Kenntnissen nicht ganz verzichten, denn wer mit Namen und Text nichts zu verbinden weiß, kann auch aus schönsten Zeugnissen keinen Gewinn ziehen. Vortrage, Führungen, kommentierende Texte müssen der Einbildungskraft Hilfsdienste leisten, damit aus den Spuren der überkommenen Zeugnisse eine Vorstellung vom Ganzen ermittelt, aus einfachen Schriftzügen auf vergilbten Papieren ein Eindruck von der Entstehung und von dem dichterischen Schaffensprozeß gewonnen werden kann. Wichtig ist, daß Bekanntes immer wieder zwischen Unbekanntem und Neuem entdeckt werden kann, denn noch so wertvolle Cimelien, die keine Assoziationen auslösen, nicht den Reiz einer Wiederbegegnung ermöglichen, werden leicht zu ermüdender Belastung. Gute Dienste leisten Sitzecken mit kleinen, auf die Ausstellung bezogenen Freihandbibliotheken. Man muß die Möglichkeit haben, Bücher in die Hand zu nehmen und in Ruhe zu lesen. Das Fassungsvermögen des Buches darf nicht überschätzt werden. Literaturausstellungen, die nicht in 1 bis 2 Stunden einigermaßen vollständig überblickt werden können, überfordern den Zuschauer und lähmen die Aufmerksamkeit. Der Ausstellungsbesucher erwartet mit Recht ausreichende Beschriftungen. Sie sollen in knapper Form eine Objektbeschreibung geben und eventuell schwer lesbare Autographen durch Transkriptionshilfen erschließen. Sie haben aber nicht zu interpretieren und die Deutungen vorzuschreiben, also dem Besucher eine bestimmte Lesung aufzuzwingen. Über die Objektbeschreibung hinaus soll der Katalog führen, der den Inhalt der Ausstellung festzuhalten hat, aber doch auch die Möglichkeit bietet, Kommentar und Texte aufzunehmen, auch solche, die in der Ausstellung selbst nicht gezeigt werden können. Er kann auch Materiallücken überbrücken durch Chroniken oder synoptische Tabellen und Bibliographien die nötigen Zusatzinformationen liefern. Auch Kommentare auf losen Blättern, die gesammelt und in Mappen zusammengefaßt werden können sind von Nutzen; in manchen Museen werden mit Erfolg akustische Führungen, z. T. in verschiedenen Sprachen, angeboten. Der Möglichkeiten sind viele; aber stets müssen auch die Grenzen im Auge behalten werden. Literaturausstellungen wollen Wege weisen, das Verständnis für den Autor und sein Werk fördern, anregen zur Lektüre, zur Auseinandersetzung mit dem Werk eines Autors. Sie können und wollen nicht das Ziel sein, aber Zugänge bieten zu der Dichtung und zu der Persönlichkeit ihres Autors.
Christina Didier Spezifische Probleme des Literaturmuseums als Anreger Jedes Museum, so auch ein Literaturmuseum, hat einen kulturellen Wert, der sich u. a. darin zeigt, welche gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnisse durch diese Institution befriedigt werden können. So kann ein sozialistisches Literaturmuseum folgenden gesellschaftlichen Bedürfnissen Rechnung tragen: - Dem Bedürfnis, ein bestimmtes Erbe massenwirksam zu popularisieren, - dem Bedürfnis, eine zentrale gesellschaftliche Institution zu schaffen, die damit beauftragt wird, Zeugnisse über den Dichter, seine Lebensumwelt, sein Werk usw. zu sammeln, zu bewahren und zu verbreiten und die auch bestimmte gesellschaftliche Aktivitäten bei der Erforschung und Popularisierung dieses Erbes koordiniert, - dem Bedürfnis, eine bestimmte Haltung zu einem konkreten Erbe zu vergegenständlichen oder diese zum Denkmal zu erheben, - dem Bedürfnis nach nationaler und internationaler Repräsentanz usw. Für die Besucher liegt der Wert eines Literaturmuseums u. a. in folgendem: Es befriedigt Bildungsbedürfnisse, es spricht die Sinne an, es gestattet eine beliebige Wiederholung der Begegnimg mit dem Erbe, es erlaubt dem Besucher eine relativ freie Entscheidung über die Intensität seiner Beschäftigung mit dem Ausgestellten, es ermöglicht sinnvolle Freizeitgestaltung und schafft günstige Kommunikationsmöglichkeiten für unterschiedliche Adressaten. Der Wert jedes Literaturmuseums besteht auch darin, daß es Antworten auf Fragen über die literarische Persönlichkeit und ihre Bedeutimg, über das Werk und die Zeit des Dichters geben kann. Nicht jedes Literaturmuseum jedoch aktiviert darüber hinaus zu einer schöpferischen, historisch-kritischen Aneignung des Erbes und berücksichtigt differenzierte Bedürfnisse der Besucher, die mehr als einen Zuwachs an Bildung erwarten. Das Goethe-Museum von 1960 wurde als Antwortgeber bezeichnet, weil es in erster Linie als Bildungseinrichtung projektiert wurde und damit in seinen Funktionsmöglichkeiten eingeschränkt war. Durch seine Konzeption als Antwortgeber und die spezifische Ausgestaltung dieses Museums als Antwortgeber konnten bestimmte gesellschaftliche Wirkungsmöglichkeiten nicht genutzt werden. Charakteristisch für das Goethe-Museum von 1960 war die Orientierung der Museumsgestalter auf die Konstruktion des "idealen" Adressaten, bei der man die Realität aus den Augen verlor. Man setzte letztendlich einen passiven und unmündigen Besucher voraus, der sich die vorgegebenen Erkenntnisse mehr oder weniger schulmäßig aneignen sollte. Dieses Museum wurde projektiert als "Hort der Wahrheit" über Goethe, d. h. als Verbreiter eines abgeschlossenen aber unkritischen Goethebildes. Erkenntnistheoretisch gesehen, wurde eine bestimmte idealisierende Haltung gegenüber dem klassischen Erbe vorgegeben und voraus-
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Christina Didier
gesetzt, daß sich der Besucher mit dieser Haltung identifiziert, wobei bestimmte gesellschaftliche Zusammenhänge ignoriert wurden. Dem Goethe-.Museum von 1960 als Antwortgeber wurde als alternative Möglichkeit ein als Anreger konzipiertes Museum gegenübergestellt, das nicht einseitig als Bildungseinrichtung wirken will. Das Museum als Anreger fungiert als Teil eines Ensembles erbevermittelnder Institutionen in der sozialistischen Gesellschaft. Selbstverständlich soll ein Museum als Anreger u. a. auch Antworten geben können. Es rechnet dabei jedoch mit den Aktivitäten der Besucher, die im Museum zu einer schöpferischen, kritischen und über den Museumsbesuch weiterreichenden Auseinandersetzung mit dem konkreten Erbe geführt werden sollen. Ein Museum als Anreger berücksichtigt die differenzierten und komplexen kulturellen Bedürfnisse der Adressaten, wodurch sich die Wirkungsmöglichkeiten literarischer Museen erhöhen und damit ihre Nützlichkeit für die sozialistische Gesellschaft und das konkrete Individuum wächst. In der Diskussion unter Literaturmuseologen, die allerdings bisher kaum Niederschlag in Publikationen gefunden hat, treten über den gesellschaftlich notwendigen Funktionswandel literarische Museen, der hier als Wandel vom Antwortgeber zum Anreger bezeichnet wurde, einige Unklarheiten auf. So wird die Frage gestellt, ob mit dem Museum als Anreger nicht die Aufgabe großer Ziele verbunden ist, wenn man davon ausgehen muß, daß dieses Literaturmuseum keine geschlossene, ganzheitliche Bildungskonzeption verwirklichen kann. Natürlich ist es kein Verlust, wenn eine Einschätzung der realen Wirkungsmöglichkeiten von Museen dazu führt, ideale und teilweise überschwängliche Erwartungen aufzugeben. Ein derartiger Realitätsgewinn kann nur produktiv für die weitere Arbeit sein. Das zeigt sich besonders deutlich bei der Neugestaltung von Museen. Je genauer sich die Institutionen auf konkrete Adressaten einstellen und nach ihren konkreten Wirkungsmöglichkeiten in der Gesellschaft fragen, desto stärker wird auch von übertriebenen Bildungsvorstellungen abgegangen. Dieser gesellschaftlich notwendige Prozeß, der auch international zu verzeichnen ist, hat in starkem Maße die Arbeit an der Gestaltungsweise von Museen befördert. In der Diskussion unter Literaturmuseologen sind auch hin und wieder Momente der Resignation zu erkennen. Derartige Haltungen basieren auf der Annahme, daß es verständlicher sei, beispielsweise in einem Museum für Ur- und Frühgeschichte nicht mit einer aufs Ganzheitliche orientierten Bildungsfunktion zu rechnen. Ein Besucher würde sich dort, seinen Interessen entsprechend, der Entwicklung des Neandertalers zuwenden und die Darstellung anderer Themen, beispielsweise geologischer Formationen, unbeachtet lassen. Er könne das, ohne dabei für das Verständnis der Neandertaler entscheidende Verluste befürchten zu müssen. Anders dagegen lägen die Verhältnisse in einem Literaturmuseum, das an die Darstellung einer literarischen Persönlichkeit geknüpft ist. Wie sollte - aus dem Zusammenhang gerissen - die eine "Lebensformation" des Dichters begreifbar werden, wenn nicht auch das Davor und Danach, bzw. das Ganze im Auge behalten wird? Diese Sorge um die Wirksamkeit der Literaturmuseen wurde häufig mit einem ähnlichen Problem gekoppelt, welches das Literaturmuseum geradezu in die Rolle eines unheilbaren, aber exaltierten Kranken hineinbeförderte. Man kann
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derartige Auffassungen etwa folgendermaßen beschreiben: Es sei eben ein Mangel, sozusagen der Geburtsfehler aller Literaturmuseen, daß sie gegenüber anderen Museen so völlig aus der Art geschlagen seien. Allein schon der Name wäre doch eine Irreführung! Im Literaturmuseum könne nie Literatur dargeboten werden, auch das literarische Werk ist nicht ausstellbar. Man muß es lesen. Ausstellbar ist nur ein Buch, ein Zitat aus dem Werk ... In einem Museum über Fische findet man die Fische (präpariert oder im Aquarium) - im Literaturmuseum dagegen nur unzureichende Abbilder des Dichters und lediglich das Umfeld, nie die Sache selbst, um deretwillen ja das Museum existiert. Folglich sei eine Konzeption des Museum als Anreger nur als Notlösung für die Gattung der Literaturmuseen zu betrachten. Bei einer derartigen Betrachtung werden erkenntnistheoretische Probleme übersehen, die vor allen Museumsgattungen stehen. Es gibt nur wenige Museen, die fähig sind, die Ganzheit eines Individuums, von Prozessen etc. auszustellen. Dazu seien Beispiele genannt: Mammutknochen sind nicht die Ganzheit eines Mammuts. Ein anschauliches Bild des Äußeren dieser Tiere ist nur durch Rekonstruktionen (Dermoplastik, Zeichnung etc.) zu vermitteln. Über die Lébensumwelt und die Existenzbedingungen, unter denen Mammute lebten, können die originalen Knochen keine Auskunft geben. Die dazugeordneten Abbildungen und Erläuterungen stellen eine grobe Näherung der Erscheinung dar und versuchen, das Wesen dieser historisch fernabliegenden Erscheinungen zu verdeutlichen. Oder ein Spinnrad. Was sagt ein Spinnrad über die Ganzheit der mit ihm verknüpften Probleme aus, auch wenn wir seine Funktion mit Leichtigkeit erfassen? Es kann ebenso wenig wie eine Buchseite von selbst umfassend über seine Herstellung, die Produktionsbedingungen, den Produzenten, die Nutzer, die Nutzung usw. Auskunft geben. Stets können nur Teile der Ganzheit (die äußere Erscheinung, Details des Ganzen etc.) - im Komplex mit anderem Museumsmaterial (Zeichnungen, Modelle, Trate, Fotos ...) - dazu anregen, sich mit der Ganzheit auseinanderzusetzen, d. h. im günstigsten Falle stimulieren sie die Bereitschaft zur Aneignung eines konkreten künstlerischen, technischen oder wissenschaftlichen Erbes und ermöglichen dadurch auch die Gewinnimg von Erkenntnissen. Werden durch den komplexen Einsatz musealer Mittel derartige Anregungen nicht gegeben, dann bleibt die Buchseite nur ein Stück Papier, das Spinnrad irgendetwas Nostalgisches und die Mammutknochen eine graue Masse. Es bedarf also immer besonderer Maßnahmen, die das Umfeld einer Sache erhellen, damit sie der Besucher begreift. Das gilt in besonderem Maße, wenn es sich um historisch fernabliegende Erscheinungen handelt, die auf unserem Entwicklungsniveau nicht mehr existieren können, also unwiederkehrbar Vergangenheit sind. Durch diese Betrachtung lösen wir das Literaturmuseum aus einer gedachten Außenseiterposition und stellen bei dem vorliegenden Problem in wesentlichen Momenten eine Übereinstimmung mit anderen Museumsgattungen fest. Hier wie da wird scheinbar Unausstellbares (Die Pariser Kommune, Fische der Tiefsee, Goethes "Faust") ausgestellt, indem, wie W. Barthel ausführte, "... gleichsam produktive Substitute für das Unausstellbare ..."2 angeboten werden. Barthel zielt
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auf die von uns so benannte Funktion des Museums, Anreger zu sein, indem er in bezug auf Literaturmuseen äußert: "Diese Ausstellungen stellen natürlich wertvolle Informationen bereit, wichtiger scheint mir jedoch, daß sie auf etwas verweisen. Am wichtigsten erscheint mir ihr Verweis eben auf die literarischen Kunstwerke, die sich selbst nicht darstellen lassen. Manchmal will es mir scheinen, als läge in dieser Verweis- oder auch Wirkungsfunktion die eigentliche produktive Dynamik literaturmusealer Ausstellungen begründet. Verweisen meint ja auch, daß es für andere geschieht. Kommunikation also! So gesehen lassen sich literaturmuseale Ausstellungen vielleicht als Impulsgeber am besten fassen."3 Wenn hier dem Museum als Antwortgeber ein Museum als Anreger gegenübergestellt wird, dann soll nicht verkannt werden, daß diese Zielstellung ebenfalls ein Ideal ausdrückt. Man könnte ein Maximum an Wirkungsmöglichkeiten erreichen, wenn ein Literaturmuseum so konzipiert und gestaltet ist, daß im Besucher die Bereitschaft entsteht, dieses Erbe mehr oder minder zu akzeptieren, sich ihm mit Aufmerksamkeit zu nähern oder es sich später auf anderem Wege anzueignen, beispielsweise durch eigene Lektüre. Bei der Postulierung des Museums als Anreger darf nie vergessen werden, daß die Wirkungen eines Museumsbesuches kaum aus sich selbst heraus zu erklären sind. Ob die Begegnung mit dem kulturellen Erbe erfolgreich verläuft, und nachhaltige Wirkungen zeigt oder auch nicht zeigt, wird in hohem Maße bereits vor dem Betreten des Museums durch andere Faktoren entschieden. Jeder Besucher kommt mit individuellen Erwartungshaltungen, speziellen Kenntnissen und Bedürfnissen ins Museum. Eine besondere Rolle bei der Ausprägung dieser individuellen Voraussetzungen spielt der gesellschaftliche Kommunikationsprozeß um das konkrete künstlerische Erbe. Auf die Bedeutung der gesellschaftlichen Kommunikation im Hinblick auf die Rezeption von Kunst weisen die Autoren von "Funktion und Wirkung" mit Nachdruck hin: "In der prärezeptiven Phase vermag Kunstkommunikation die Wahl des Rezeptionsgegenstandes maßgeblich zu bestimmen. Zugleich trägt sie zur Herausbildung bzw. Modifizierung bestimmter Erwartungshaltungen gegenüber dem konkreten Werk, dem Autor, der künstlerischen Strömung usw. bei. Sie prädisponiert die Kunstrezeption, indem sie dem Leser ein bestimmtes Werk nicht nur als rezeptionswürdig, sondern auch als rezeptionsnotwendig nahelegt. Geschieht dies nicht, so kann Kunstkommunikation unter Umständen negative Erwartungen in bezug auf ein bestimmtes Werk evozieren und dadurch eine mögliche Rezeption verhindern."4 Man kann diese Erkenntnisse sinngemäß auf die Rezeptionsvorgänge im Literaturmuseum übertragen. Der gesellschaftliche Kommunikationsprozeß weckt Bedürfnisse in der Aneignung des Erbes, er vermittelt dem konkreten Individuum das Gefühl der Bestätigung seiner Interessen und Neigungen und die Bestätigung, daß es notwendig und bedeutsam sei, sich diesem oder jenem konkreten Erbe zuzuwenden. Je weniger lebhaft der gesellschaftliche Kommunikationsprozeß um ein konkretes künstlerisches Erbe vonstatten geht, desto weniger wird die Begegnung mit diesem Erbe als notwendig und bedeutsam erkannt und desto weniger Identifikationsmöglichkeiten mit diesem Erbe sind für das konkrete
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Individuum vorhanden. Dadurch wird die Hinwendung zu einem konkreten Erbe für viele versperrt. Einige wenige nehmen dann eine Außenseiterposition ein, indem sie sich damit befassen. Ihr Interesse für eine bestimmte Kunst der Vergangenheit wird zu ihrem bloßen individuellen Charakteristikum, das von anderen dann unter Umständen auch als persönlicher "Tick" abgetan werden kann. Das dialektische Verhältnis von gesellschaftlicher Kunstkommunikation und individueller Kunstrezeption prägt in entscheidendem Maße die Haltung der Museumsbesucher und damit auch die Bereitschaft zur schöpferischen Auseinandersetzung mit dem Erbe im Museum. In unsere Zielstellung eines Museums als Anreger soll die Ausprägung von gedanklichen Grundmustern zu einer literarischen Persönlichkeit und ihrem Werk mit eingeschlossen sein. Das Museum kann - auch bei einer kaum entwikkelten gesellschaftlichen Kunstkommunikation um ein konkretes Erbe - zum Aufbau von bestimmten Assoziationen im Sinne eines gedanklichen Grundmusters beitragen. Die Frage, ob ein Literaturmuseum als Anreger in der Lage ist, beim Besucher ein Grundmuster zur literarischen Persönlichkeit, bzw. zur wesentlichen Thematik des Museums auszuprägen, ist im wesentlichen eine Frage der Museumsgestaltung. Auch das Goethe-Museum von 1960 entließ die Hauptmasse der Besucher mit bestimmten Assoziationen, die häufig auch von ihnen etwa folgendermaßen ausgedrückt wurden: Das Museum ist sehr sauber. Die Farben sind genauso wie im Goethehaus. Überall an den Fenstern stehen Blumentöpfe. Das erfordert viel Mühe. Entscheidender als diese allgemeinen Eindrücke dürfte aber für ein Literaturmuseum sein, ob es den Museumsgestaltern gelingt, bestimmte gedankliche Prägungen zur Persönlichkeit des Dichters und zu seinem Werk zu erreichen. Das erfordert jedoch ein anderes methodisches Herangehen an den Aufbau von Literaturausstellungen als es bisher zumeist in der DDR praktiziert wurde. Ein Beispiel aus Ungarn soll eine andere Möglichkeit verdeutlichen. Im Jahre 1979 wurde im Staatlichen Petöfi-Museum Budapest eine Ausstellung aufgebaut, die dem bedeutenden ungarischen Autor Gyula Krúdy (1871 -1933) gewidmet war. Hier gingen die Gestalter sofort von einem optischen Drehbuch aus. Der bestimmende Eindruck, mit dem der Besucher die Ausstellung verließ, war folgender: Eine lange Straße, über der poetische Wolken schwebten. Rechts davon: Budapester Slums um 1900, Zigeunerkinder in der Gosse, Elend, Verfall - die realen Erfahrungen des Dichters. Auf der linken Seite der Straße: Bäume, durch die das Licht schimmert, Waldboden, Frauen, Musik, ein Hochzeitspaar - die Traumwelt des Dichters, die in seinen Werken eine romantische Spiegelung gefunden hat. Mit diesem Bild vor Augen ist sofort das wesentliche der widersprüchlichen Dichterexistenz erfaßt. Es ist dieses auch ohne Worte einem Ausländer verständlich. Diesem Bild (die ungarischen Museumsgestal ter sprechen auch von "Raumkunstwerk") wurden dokumentarische Ausstellungseinheiten zugeordnet, in denen Bücher, Handschriften, grafisch leicht zugänglich gemachte Zitate, Fotos usw. gezeigt wurden. Das methodische Herangehen der ungarischen Museumsgestalter ist weit entfernt von der in der DDR üblichen Praxis der Museumsgestaltung.
50 Christina Didier Bei uns dominieren die Bemühungen um das Wort gegenüber einer intensiven visuellen Aufbereitung der Ausstellung. Erst wird der Autor klassifiziert, dann in Abschnitte zerlegt, zu denen vorrangig ein Textkanon gesucht wird, der dann wiederum gestalterisch "illustriert" wird. Auf diese Weise geht zumeist der Blick auf die Ganzheit der Autorenexistenz und auf die Ganzheit der Persönlichkeit verloren. Als Gründe, die daran hindern, optisch eindrucksvolle Museumsausstellungen aufzubauen, die eine Grundvoraussetzung darstellen, daß bei dem Besucher die gedankliche Prägung eines Grundmusters vom Autor und seinem Werk erzielt werden kann, nennt man häufig: Langfristige Ausstellungen müssen seriös sein! Wir wissen nicht, ob man mit derartigen Gestaltungen auch hinreichend die Intentionen des Autors berücksichtigt. Wird dem Autor nicht Gewalt angetan? Es sind im wesentlichen die gleichen Argumente, mit denen Holtzhauer und Jericke ihren Museumsstil begründen, also Argumente von der Position eines Museums als Antwortgeber! Bleiben wir bei dem ungarischen Beispiel. Gewiß, es ist zu prüfen, ob man sich es bei einer zehn oder mehr Jahre existierenden Museumsausstellung leisten könnte, in den Räumen Waldboden aufzuschütten oder ein Hochzeitspaar aus den üblichen Schaufensterpuppen zu gestalten. Nur, warum werden eigentlich Museologen und Graphiker von den Museumsleitungen und von den Fachwissenschaftlern, z. B. Literaturwissenschaftlern (deren Medium das Wort ist) daran gehindert, in großzügiger Weise neue Techniken der Museumsgestaltung (Fotographiken, Collagen, Raumkunstwerke, Einbeziehung von Musik- und Lichteffekten usw.) zu erproben, um publikumswirksamere Ausstellungen aufzubauen, damit jener häufig anzutreffende blutleere Ästhetizismus literarischer Museen überwunden wird? Ein Raumkunstwerk ist beispielsweise nichts anderes als ein illustratives Element, das dazu dient, den Autor und sein Werk zu verstehen. Paradoxerweise haben jene, die der Auffassung sind, der Autor könnte unter einer optisch-großzügigen Gestaltung "leiden", keine Angst vor anderen illustrativen Elementen. So gibt es kein Tabu, künstlerisch wertlose Graphiken aus der Zeit des Dichters heutigen Besuchern zu präsentieren, wobei die Museumsbesucher oft nicht mehr in der Lage sind, einen kleinformatigen Kupferstich zu "lesen". Um Mißverständnissen vorzubeugen: Hier soll nicht dafür plädiert werden, generell Literaturmuseen als "Raumkunstwerke" zu gestalten. Das wäre eine Verarmung museumsspezifischer Möglichkeiten. Selbstverständlich muß der Kupferstich als typisches künstlerisches Ausdrucksmittel der Zeit um 1800 seinen Platz in den entsprechenden Museen haben. Besonders interessierte Besucher werden Freude empfinden, diesen originalen graphischen Werken gegenüberzustehen. Für andere Besucher, z. B. Jugendliche, kann auch das Literaturmuseum "Rezeptionshilfen" für diese Kunstwerke bieten. So werden beispielsweise im Weimarer Schiller-Museum neben den kleinformatigen Originalen auch Vergrößerungen gezeigt und dazu auch noch Holzstiche zur gleichen Thematik von einem DDR-Künstler vorgestellt. Wenn also hier der Weg der ungarischen Museumsgestalter besonders hervorgehoben wird, dann soll für sehr ernsthafte Bemühungen plädiert werden, den Reichtum vorhandener Gestaltungsmöglichkeiten für ein Museum als Anreger einzusetzen und mit Vertrauen in die Aktivität der
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Museumsbesucher (ihre Phantasie, ihre Neugierde, ihre Entdeckungsfreude) neue Gestaltungswege zu probieren. Nur so können differenzierten Besuchern reiche Assoziationen zum Autor, dessen Werk usw. gegeben werden und nur auf diese Weise erhöhen sich die kulturellen Wirkungspotenzen der Literaturmuseen.6 Es muß auch von administrativen Stellen ernstgenommen werden, was der Minister für Kultur von den Museologen forderte: "Ich möchte Sie aufrufen, vor allem am Beispiel neue Lösungswege auszuprobieren und alle ermutigen, mit neuen Formen der Museumsarbeit zu experimentieren. Natürlich muß Museum Museum bleiben ..."7 Wenn hier zu einem wesentlichen Merkmal des Museums als Anreger gerechnet wurde, daß es eine gedankliche Prägung zur Persönlichkeit und zum Werk des Dichters erreichen soll, dann darf der Wert anderer positiver Assoziationen keineswegs unterschätzt werden. So ist es ebenfalls wichtig, daß ein ausländischer Besucher mit der Überzeugung nach Hause fährt, daß unser Staat sich in besonderer Weise um die Pflege des kulturellen Erbes in Weimar bemüht. Einzelne erbevermittelnde Institutionen sind durchaus in der Lage, - auch bei einer mangelhaft vonstatten gehenden gesellschaftlichen Kunstkommunikation -, jene gedanklichen Grundmuster ausprägen zu helfen. Das zeigen u. a. die Reaktionen jugendlicher Besucher der Schweriner "Faust"-Aufführung, für die stellvertretend eine Schülerstimme zitiert werden soll: "Dank dem Ensemble. Hier wurde spontan klar, was Klassik ist, alles andere als verstaubt und gewaltig; das, was Goethe meint, ist so allgemeingültig, daß man Reaktionen und Haltungen von Bekannten oder von sich selbst wiederentdeckt oder entdeckt. Es macht mich betroffen, daß das Stück so modern ist." Diese emotional sehr vertiefte Haltung kann die Voraussetzung dafür bieten, daß jener Schüler eventuell auch durch eigene Lektüre sich anderen Werken der klassischen deutschen Literatur zuwendet. Derartige Prägungen, etwa von der Modernität bestimmter philosophischer Auffassungen Johann Gottfried Herders, können auch durch literarische Museen erreicht werde, wie es das Beispiel des Weimarer Herder-Museums belegt.9 Betrachten wir das obengenannte ungarische Beispiel noch einmal unter erkenntnistheoretischem Aspekt. Mit der ins Bild gesetzten widersprüchlichen Dichterexistenz haben die Museumsgestalter ein neues Zeichensystem gefunden.1 Sie brachen konsequent mit den Vorstellungen, daß ein Museumsbesucher doch letztendlich mit dem Leser literarischer Werke gleichzusetzen sei. Eine Gleichsetzung Leser = Museumsbesucher wird in Worten wohl heutzutage kaum ein ernstzunehmender Museologe vertreten, bedauerlicherweise wird diese Haltung jedoch massenweise in den Literaturmuseen der DDR praktiziert. Die ungarischen Museumsgestalter berücksichtigen die physischen und psychischen Grundbedingungen für eine Rezeption im Museum: Der Besucher muß sich im Raum orientieren, er durchquert Räume und nimmt im Laufen und kurzzeitigen Verweilen bestimmte Eindrücke, Informationen usw. auf. Erkenntnisse der Informationstheorie bestätigen die Richtigkeit der Beschränkung auf einige wenige Informationen. Diese wenigen wesentlichen Informationen haben die beste Chance, von den Besuchern aufgenommen zu werden. Bei einem wenig differenzierten Informationsangebot beispielsweise von 40 und mehr Informationen (Legenden,
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Zitate usw.) pro Raum, können diese kaum den Besucher erreichen. Um diese notwendige Reduzierung der für alle Besucher gedachten Informationen zu kompensieren, boten die ungarischen Museumsgestalter reizvoll gestaltete "unübliche" Möglichkeiten an, die deshalb kaum einmal nicht genutzt wurden. So verlockten beispielsweise in einem nachgestalteten Café aus der Zeit der Jahrhundertwende (der Ort, an dem viele Dichtungen entstanden bzw. die Ideen geboren wurden) faksimilierte Zeitungen (geschichtliche Montagen) dazu, sich über die gesellschaftlichen Verhältnisse näher zu informieren. Ebenso reizten Fotoalben zur näheren Betrachtung. In ihnen konnte man die Entwicklung des Dichters, belegt durch Fotos und kurze Texte, verfolgen. Weiterhin gehörten Kataloge, andere Publikationen und als Dokumentationen gestaltete Vitrinen (z. B. über die Wirkungen des Werkes) zum Informationsangebot. Bei der Würdigung der Bemühungen der ungarischen Museumsgestalter darf jedoch nicht vergessen werden, daß sich Museen mit ausgesprochenem Massenbetrieb wie das Goethe-Museum in Weimar derartige Informationsträger aufgrund des hohen Verschleißes (Fotoalben usw.) nicht leisten können. Dennoch lassen sich u. a. mit technischen Hilfsmitteln analoge Effekte erzielen. Durch den Gewinn eines neuen Zeichensystems erhielt diese ungarische Literaturausstellung ein ganz individuelles Gesicht. Gleichzeitig wurden die Kommunikationsmöglichkeiten für die Besucher erhöht. Dieser Schritt zur Loslösung cuts alten Zeichensystemen und der Gewinn neuer Zeichensysteme muß bei dem Museum als Anreger getan werden, damit sich der kulturelle Selbstwert und damit auch die gesellschaftliche Wirksamkeit dieser Institutionen erhöht. Bei der Entwicklung der Technik treten analoge Problem auf: die ersten Eisenbahnwagen bzw. die ersten Autos ähnelten Kutschen, der erste Fernseher glich in seiner Gestalt einem Radio. Erste Literaturmuseen erscheinen als Raritätenkabinette. Später wurde aus der Literaturwissenschaft ein Zeichensystem entlehnt (Chronologie, Systematik, eine bestimmte Bewertung, ...) und mit dem Zeichensystem einer Bildergalerie kombiniert. Diesen Entwicklungsstand repräsentiert das Goethe-Museum von 1960. Eine Weiterentwicklung beim Weimarer Herder-Museum bestand darin, die bei Holtzhauer funktional getrennten Bereiche (bildende Kunst, literarische Werke usw.) zusammenzuführen, um die Kommunikationsmöglichkeiten zu erhöhen. Es wurden drei Gestaltungsebenen geplant: 1. Die eindrucksvollste bildliche Information an herausragender Stelle (Wand, Vitrine usw., Hervorhebung durch Farbe, Form, Ausstellungstechnik, beigeordnete Texte, beeindruckende Dokumente usw.), die einen prägenden Eindruck zur wesentlichsten Thematik erzeugen soll. Diese Information ist für alle Besucher gedacht. Auch der eilige Besucher, der kaum einen erläuternden Text liest, erhält durch diese bildhafte Information einen prägenden Eindruck. Der weniger eilige Besucher wird durch die bildhafte Umsetzung dann angeregt, sich den beigeordneten bildlichen und textlichen Exponaten näher zuzuwenden. Diese Exponate sind nach Wertigkeit geordnet, wobei sich das wichtigste Exponat in Augenhöhe befindet.
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2. Die nächst wichtigere Information an den Wänden (gerahmte Flächen, textliche Exponate usw.). 3. Ergänzendes Material in Tischvitrinen, das in erster Linie für besonders interessierte Besucher gedacht ist. Dieses, bei der Errichtung des Herder-Museums gewonnene Zeichensystem, hat sich bei der Neugestaltung des Schiller-Museums und bei der Neugestaltung des Goethe-Museums bewährt. Es muß jedoch konsequent auf der Grundlage informationstheoretischer Forschungen weiterentwickelt werden. Dabei verdient die bildhafte Umsetzung, die ja die Grundlage für eine mögliche gedankliche Prägung darstellt, besondere Aufmerksamkeit. Von den in der DDR bisher praktizierten Zeichensystemen, die an den Wänden der Literaturmuseen zu sehen sind und die gegen jede informationstheoretische Erkenntnis viel zu viel Informationen enthalten, ist konsequent der Schritt zum gestalteten Raum zu gehen, der tatsächlich die physischen und psychischen Bedingungen des Museumsbesuchers berücksichtigt und endgültig von einem lesenden Besucher Abstand nimmt. Das setzt jedoch auch voraus, daß ein Literaturmuseum genügend Möglichkeiten eines gezielten Informationsangebotes bereithält, das differenzierte Besucherinteressen berücksichtigt. So erhält das Museum als Anreger seine Produktivität dadurch, daß es gelingt, Zeichensysteme zu finden, die eine differenzierte Kommunikation mit den Besuchern gestatten und die gleichzeitig zu einer wesentlichen gedanklichen Prägung über den Autor und sein Werk führen. In den vorangegangenen Erörterungen wurde betont, daß der Funktionswandel zum Museum als Anreger alle Museumsgattungen betrifft, also kein ausschließliches Problem der Literaturmuseen darstellt. Jedes Museum weist bestimmte Möglichkeiten der Funktionsüberschneidung zu anderen Museumsgattungen oder auch zu anderen Einrichtungen auf, beispielsweise zu Forschungsinstituten, Bibliotheken, Theatern, Archiven, Kulturhäusern etc. Der mögliche Reichtum an Funktionsüberschneidungen in unverwechselbarer, an den literarischen Produzenten gebundener Form, stellt jedoch eine Spezifik literarischer Museen dar. Das gilt allerdings nur für Museen, die als Anreger konzipiert werden. In einem als Antwortgeber gestalteten Museum liegen die Verhältnisse anders. Hier muß die im Literaturmuseum latent existierende Affinität zu anderen Museumsgattungen störend oder gar als ein Makel empfunden werden. Für das Museum als Anreger liegt in dieser Affinität eine Kraft, mit deren Hilfe der Boden für eine schöpferische Kommunikation über das kulturelle Erbe bereitet wird und differenzierte Adressaten angesprochen werden können. Im folgenden sollen einige Möglichkeiten der Funktionsüberschneidung von Literaturmuseen zu anderen Museumsgattungen genannt werden: Das Literaturmuseum wirkt als - Kulturgeschichtliches Museum: Wohnhaus des Dichters, Arbeitsräume, Rekonstruktion seiner Lebensumwelt, Dokumente über die Lebensweise (Modelle, Grafiken, Möbel, Kleidung...)
54 Christina Didier - Kunstmuseum: Bildende Kunst, die zur Lebensumwelt des Dichters gehörte, eigene künstlerische Tätigkeit, Sammlungen, bildkünstlerische Ausstattung der gedruckten Werke des Autors - Regionalmuseum: Dokumente über die Region (Land, Stadt, Dorf...), in der der Dichter lebte, Dokumente über die Wechselwirkungen zwischen dem Dichter und der Region - Theatermuseum: Dokumente über die Bühnenbearbeitung der Dramen des Dichters, über das Weiterwirken seines Werkes, Figurinen, Theatermodelle, Fotos von Inszenierungen - Geschichtsmuseum: Einordnung des Dichters in den Epochenzusammenhang, Haltung des Dichters zu wesentlichen gesellschaftlichen Problemen, praktisch-politische Tätigkeit des Dichters in der Gesellschaft - Naturwissenschaftliches Museum, Museum zur Entwicklung der Produktivkräfte: Neigungen, Interessen und Tätigkeit des Dichters, die mit diesen Wissenschaften eng verknüpft sind (Goethes naturwissenschaftliche Tätigkeit, seine naturwissenschaftlichen Sammlungen). Die aufgeführten Beispiele belegen einige der möglichen Funktionsüberschneidungen von Literaturmuseen zu anderen Gattungen. In dieser besonderen Integrationsfähigkeit liegt die Spezifik literarischer Museen als Anreger und damit auch eine wesentliche Chance kulturpolitischer Wirksamkeit, die über den Bereich der Literatur hinausreicht. Es existieren jedoch noch weitere Unterschiede zwischen Literaturmuseen, die als Anreger wirken sollen und Museen anderer Richtungen. Vergleicht man beispielsweise Literaturmuseen und Geschichtsmuseen miteinander, so lassen sich wesentliche Gemeinsamkeiten in der Zielstellung, den Gestaltungsmöglichkeiten usw. feststellen. Beide Museen sol len zur Erkenntnis der realen Geschichtlichkeit von Individuen, Klassen, Prozessen etc. führen. Beide bedienen sich in der Art der Darstellung analoger Formen und Methoden: vorrangig wissenschaftlicher in der Aufbereitung der Dokumente, in der Auswahl, in dem Dokumentieren selbst, ebenso künstlerischer Formen und Methoden durch Verdichtung, Akzentuierung, Einsatz von Symbolen, Metaphern, Farbwirkungen ... Doch bei vielen, nicht zu übersehenden Gemeinsamkeiten liegt der wesentliche Unterschied zwischen Literaturmuseum und Geschichtsmuseum darin, daß das Literaturmuseum nicht nur zur Erkenntnis der realen Geschichtlichkeit des Autors und seines Werkes beizutragen hat, sondern mit gleicher Intensität zum Verständnis der künstlerischen Realität hinführen muß, - einer eigenen Welt, die nicht mit Lupe und Metermaß an der realen Existenz des Autors und seinen unmittelbaren Wirklichkeitserfahrungen nachzuweisen ist. Aus dieser doppelten Zielstellung, der Darstellung der Realität und der künstlerischen Realität, erwachsen für das Literaturmuseum wiederum unendlich scheinende Möglichkeiten, Anreger zu sein. Dies ist eine weitere Besonderheit literarischer Museen und darüber hinaus einiger Kunstmuseen, insbesondere solcher Einrichtungen, die an die Existenz einer Künstlerpersönlichkeit geknüpft sind.
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Anmerkungen 1
Vergi.: - The problems of contents, didactics and aesthetics of modern museum exhibitions. Hrsg. vom Institute of Conservation and Methodology of Museums. 1977 (Konferenzmaterial des Internationalen Seminars für Museologie, Veszprém 1977). - Odrowaz-Pieniazek, J.: Contemporary Literature and the Literature Museum "Adam Mickiewicz" in Warsaw. In: ICLM Inf. Bull. IV, May 1980.
2
Barthel, W.: Zum Strukturaspekt literaturmusealer Ausstellungen und zur Nutzung eines literarischen Strukturmodells für eine Ausstellung zu Heinrich v. Kleist. (Beitrag auf der 1. ICOM-Tagung Literaturmuseen 1978 in Weimar). Manuskript, S. 2, Kleist-Gedenkund -Forschungsstätte.
3
Ebenda, S. 2.
4
Scherf, E.-M.: Wirkungsmöglichkeiten und -mechanismen der gesellschaftlichen Kunstkommunikation. In: Funktion und Wirkung - Soziologische Untersuchung zur Literatur und Kunst. Hrsg. von D. Sommer, D. Löffler, A. Walter und E.-M. Scherf, Berlin und Weimar 1978, S. 456.
5
Vergi. Lexikon Fremdsprachiger Schriftsteller von den Anfangen bis zur Gegenwart. Hrsg. von G. Steiner, H. Greiner-Mai und W. Lehmann, Leipzig 1979, Band 2, S. 235f.
6
Vergi, auch internationale Museumsbeispiele zu diesem Problem: - Glazycev, V.: Poeticesnaja sreda muzeja. In: Dekorativnoe iskusstvo SSSR, Moskva 18,1975, Heft 10. - Odrowaz-Piemazek, J.: Contemporary Literature and the Literature Museum "Adam Mickiewicz" in Warsaw. In: ICLM Inf. Bull. IV, May 1980.
7
Hoffmann, H.-J.: Rede auf der Konferenz der Museumsdirektoren am 17. und 18. November 1976 in Berlin. In: Konferenz der Museumsdirektoren 1976. Hrsg. vom Institut für Museumswesen Berlin, Schriftenreihe Heft 9,1977, Teil 1, S. 24.
8
Rundtischgespräch zur "Faust"-Inszenierung. In: Weimarer Beiträge, 1980, Heft 5, S. 38.
9
Vergi. Didier, Ch.: Das neugestaltete Herder-Museum in Weimar. In: NMK, 1980, Heft 1.
10
Auf die Probleme der Gewinnung neuer Zeichensysteme für Literaturmuseen wies bereits folgender Autor hin: Kraus, G : Literáma veda a líterárne múzejnictvo. In: Letopis PSL 1972.
Wolfgang Barthel
Literatur und museale Präsentation Im Literaturmuseum findet im allgemeinen Arbeit mit Literatur und für sie statt; nicht schlechthin für Schrifttum, sondern für Literatur als Dichtung. Ihre Präsentation im Museum gibt Probleme auf und stellt die Frage nach geeigneten Strategien und Strukturen. 1 In der Literaturmuseologie wird üblicherweise mit dem Begriff "museale Ausstellung" gearbeitet. Gemeint sind biographisch oder literarhistorisch und/oder wirkungsthematisch akzentuierte Darstellungen des Lebens und Wirkens literarischer Persönlichkeiten der Vergangenheit und ihrer Werkleistungen sowie von Aspekten ihrer Wirkung auf Zeitgenossen und Nachwelt im Kontext historischer Prozesse und Zusammenhänge mit spezifisch musealen Mitteln. Als spezifisch museal gelten die sogenannten originalen Sachzeugen1: Schriftoder Bilddokumente sowie dreidimensionale Objekte, die auf Grund ihrer Originalität einen bestimmten Sachverhalt unvermittelt bezeugen und der Darstellung eine Atmosphäre des Authentischen verleihen, von der große, vor allem emotionale Wirkungen auf den Besucher erwartet werden. Die Atmosphäre des Authentischen erscheint noch gesteigert, wo literaturmuseale Ausstellungen an Wohnhäuser von Schriftstellern und/oder Schrift- und Sachnachlässe literarischer Persönlichkeiten gebunden sind. Die Bindung an solche literarisch-biographischen Primärquellen wird mit Recht als unverwechselbar museumsspezifisch angesehen. Zugleich erhebt sich die Frage nach der Mitteilungsfunktion von Ausstellungen im Literaturmuseum. Wir möchten in diesem Zusammenhang mit dem Begriff "literaturmuseale Präsentation" arbeiten. Wir verstehen darunter eine Reihe interrelierender, aufeinander bezogener, mehr oder weniger museumspezifischer Verfahren, die - im Zusammenwirken - die "literarische" Kommunikation des Literaturmuseums konstituieren. Vor allem drei Verfahren bieten sich an: Ausstellung, akustische Primärwerkpräsentation und Führung. Das eigentliche Ziel der literaturmusealen Präsentation sehen wir darin, zum produktiven Umgang des Museumsbesuchers mit literarischem Erbe (dem allgemeinen Gegenstand jedes Literaturmuseums) beizutragen. Die Blickrichtung ist also eine andere. Literaturmuseale Präsentation betrachten wir als kalkulierbares Kommunikationsangebot des Literaturmuseums. Gefragt wird nicht mehr nur nach der Art des im Museum vorhandenen Materials und nach den Möglichkeiten, es anschaulich zur Geltung zu bringen, sondern es wird darüber hinaus die Funktion der literaturmusealen Darstellung als Ensemble von Mitteilungen über Literatur und literarische Prozesse mit bedacht. In der Konsequenz verleiht dies zugleich der Forderung Nachdruck, literaturmuseale Präsentationen nicht nur hinsichtlich der speziellen Inhalte und Wertungen, die sie vermitteln, auf die Ergebnisse der Literaturfor-
58 Wolfgang Barthel schung zu orientieren, sondern von dieser auch Strukturen und Strategien für die Präsentationsgestaltung zu erfragen. Literaturmuseale Präsentationen als literaturbezogene Kommunikationsangebote arbeiten also für die im Museum "gepflegten" literarischen Traditionen und fördern deren Rezeption der Gegenwart. Dabei sind sie selbst Ergebnisse von Aneignungen dieser Traditionen. Die Präsentationen haben Literarisches im Auge; sie stellen dieses jedoch im Kontext mit außerliterarischen Faktoren und Zusammenhängen dar. Sie sind komplex auch dort, wo sie nicht ausdrücklich literarhistorisch konzipiert sind. Sie stellen die Widersprüche "ihrer" Traditionen aus, zugleich nutzen sie Widersprüchliches als auffordernden Gestus. Sie suchen die Veranschaulichung, ohne sie auf das Ausstellen von Gegenständlichem und Bildhaftem zu reduzieren. Anschaulich ist auch der explizierte literarische oder literarhistorische Nexus, ist die verbal vermittelte Erkenntnis, ist das poetische Zitat, ja dieses vor allem. Es gibt ohnehin keine Möglichkeit, Literarisches oder Biographisches in Bilder und Gegenstände aufzulösen. Die Ausstellung memorialer Objekte - oft als Idealfall für Literaturmuseen angesehen, manchmal als deren einzige Legitimation - kann die literaturgerichtete Kommunikation des Museums fördern oder verstellen. Die bloße Tatsache ihrer Ausstellung sagt nichts über die Richtung ihrer Wirkung. Mit dem Hinweis auf Emotionen, die durch sie ausgelöst würden, ist eine psychische Wirkungspotenz, kein tatsächlich wirkender Inhalt beschrieben. Entscheidend bleibt, in welcher Weise memoriale Gegenstände und Gegebenheiten von der literaturmusealen Präsentation für die Erzeugung produktiver Literaturbeziehungen genutzt sind. Zielen Präsentationen in - herkömmlich als "literarisch" bezeichneten - Museen oder Gedenkstätten nicht auf die Beförderung der erbeliterarischen Rezeption (aus welchen Gründen auch immer), so sollten sie nicht als literaturmuseal gelten. Sie bleiben - und dies sei völlig wertungsfrei gesagt - Darstellungen der Wirkungsstätten und/oder Biographien von Dichterpersönlichkeiten. Sie stehen Ausstellungen in historischen Museen näher. Dies immerhin mag man auseinanderhalten. Die wirklich literaturmustaXt Präsentation müßte also zuvörderst an dem interessiert sein, hos Autoren der Vergangenheit produziert haben, sowie an den Möglichkeiten, die das produzierte und in seiner ursprünglichen Gestalt verfügbare Werk bereithält, um Antworten oder doch Anstöße für Antworten auf Lebensfragen der Gegenwart zu gewinnen. Wie, unter welchen unmittelbaren häuslichen Milieugegebenheiten ein Autor sein Werk schuf, ist für Literaturmuseen von wichtigem, doch nicht von wichtigstem Interesse. Belangvoller ist z. B. die museale Mitteilung über das soziale Bedingungsgefüge, innerhalb dessen der Autor schrieb und das sich keinesfalls zwangsläufig im Memorial anschaulich bündelt. 3 Die Präsentation im Literaturmuseum kann folglich eine Rolle spielen bei der "Kunst des Erbens". Erbbar ist das Werk. Es hat "für uns die Funktion, wirkendes Moment der Befreiung, der Ablösung von der Herrschaft der Vergangenheit über die Gegenwart zu sein - oder es hat keine"4. Die literaturmuseale Präsentation erhält nicht Namen und Werke der Vergangenheit am Leben, sondern sie zeigt deren tatsächliche Lebendigkeit auf, und sie bietet Gedanken und Anregungen über den Umgang mit Wortkunstwerken an. Die Präsentation im Literaturmu-
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seum hätte also das ihr aufgegebene literarische Erbe nicht als Tatbestand an sich darzustellen, sondern als ideelles, ethisches und ästhetisches Reservoir "für uns". Aus diesem Grunde kann es nicht der Sinn literaturmusealer Präsentationen sein, mit Hilfe von Literatur Geschichte zu illustrieren oder auch nur das "Wirken bedeutender Persönlichkeiten" in der Historie zu veranschaulichen. Daß sie Literatur gleichwohl im Wechselspiel mit geschichtlichen und individuellen Kräften und Bewegungen vorstellen, ist ein Reflex der realen historischen Dialektik. Das literarische Werk erscheint nicht als autonomes Gebilde, sondern im Ensemble wesentlicher Wirklichkeitsbezüge und der im Werk gespiegelten oder von ihm assoziierten Realität, im Kontext von Entstehungsanlässen und -prozessen, im Feld relevanter Wirkungen, Wertungen und biographischer Daten. Sieht man das Vergangene als Reservoir "für uns", dann steht das Werk und nicht die Dichterbiographie im Mittelpunkt der Präsentation, und es ist wirkungsstrategisch durchaus nicht belanglos, ob das Werk der Biographie oder Biographisches dem Werk zugeordnet wird. Ein gesellschaftliches Interesse an literarischen Persönlichkeiten der Vergangenheit besteht um ihrer erbbaren Leistungen willen; das kann auch im Literaturmuseum im Prinzip nicht anders sein. Im Werk reichen uns Dichter Erfahrungen, Entwürfe und Strukturen in Form von "Situationen, Gestalten, Taten und Begebenheiten" (Hans Kaufmann) nachvollziehbar und zur eigenen Handhabung weiter. Es ist geradezu eine Lebensfrage der literaturmusealen Präsentation, ob sie diese Handhabbarkeit erkennt und überzeugend vor den Museumsbesucher zu bringen weiß. Dabei kann freilich auf die Biographie nicht verzichtet werden; sie fungiert gleichsam als Komplement zum Geschichtlichen, ja als dessen Manifestation im Individuellen. Im Schnittpunkt von Geschichte und Künstlerbiographie, in ihrem Mit-, oft Widereinander, läßt sich museal, mithin vereinfacht gesehen - das literarische Kunstwerk bestimmen. Je dichter sich die literaturmuseale Präsentation an solche Schnittpunkte heranarbeitet, um so eher hat sie etwas Erbbares weiterzureichen, um so eher ist sie nicht nur traditionsschwangerer Schau-Platz, sondern darf als selbständige Möglichkeit weiterführender geistig-emotionaler Aktivierung Ansprüche geltend machen. 2 Nun ist es freilich ein offenes Geheimnis, daß Literatur im eigentlichen Verstände nicht ausstellbar ist, Ausstellungen jedoch als Hauptformen eben auch literaturmusealer Präsentation gelten. Milder ausgedrückt: Ohne entschiedenen Verlust läßt sich Literarisches nicht oder nur sehr bedingt in die Sprache von Ausstellungen übersetzen. An die verbale Zeichenstruktur gebunden, bedarf Literatur des individuellen Leseaktes oder der Anhörung (Theater, Rundfunk, Lesetheater), um zur Vergegenwärtigung und vollen Wirkung zu gelangen. Als dem Auge unmittelbar vorführbar gelten indessen die nichtliterarischen Umfelder literarischer Werke: Aspekte der Biographien ihrer Schöpfer, der Entstehungsgeschichten der Werke, der in ihnen reflektierten Lebensverhältnisse, der poetischen Konzeptionen, Wirkungskontexte und ähnliches. Doch können selbst diese nur signalisiert werden: durch einzelne Schriftdokumente, Bilder,
60 Wolfgang Barthel Gegenstände. Wo Literatur als Kunst ins Blickfeld rückt, ist dies eine ernst zu nehmende Begrenzung. Literaturmuseale Präsentationen greifen daher, gewissermaßen notwendigerweise, zur Substituierung. Alle Literaturmuseen kennen diesen Vorgang: Man bietet Substitute an für das an sich Unausstellbare, Umfeldausstellungen eben. Diese stellen Informationen über literaturbezogene Sachverhalte für die Rezeption bereit. Wichtig erscheint nun, daß die Informationen so geordnet und gebunden, die musealen Darstellungen so angelegt sind, daß sie auf die literarischen Kunstwerke, die sich selbst nicht oder nur bedingt ausstellen lassen - explizit und implizit - verweisen (etwa indem sie auf sie neugierig machen)! Dieses Verweisen dürfte im übrigen von so zentraler Bedeutung sein, daß sich nachgerade von einer Verweisfunktion literaturmusealer Präsentationen sprechen läßt. Verweisen meint überdies, daß es für andere ("für uns") geschieht; Kommunikation also. So gesehen, ließen sich literaturmuseale Präsentationen als Impulsgeber begreifen. Darin mag man ihre Produktivität sehen, darin wären sie gleichsam produktive Substitute. 3 Die Verweisfähigkeit der Präsentation zu organisieren wäre dann eyie ständige wirkungsstrategisch belangvolle Gestaltungsaufgabe des Museums. Die Verweisfähigkeit tritt, wie manche Erfahrung lehrt, als wirkender Faktor am nachhaltigsten dort in Erscheinung, wo die Präsentation zur Struktur verdichtet ist. Strukturiertheit als geordnete Vielschichtigkeit mit der Eigenschaft, Assoziationen auszulösen, stellt sich in der Ausstellung vor allem als Folge der Polysemie der einzelnen Exponate her: Jedes Objekt (Schriftstück, Bild, dreidimensionaler Gegenstand) bringt naturgemäß mehrere Bedeutungen in die Ausstellung ein; es stellt Bedeutungsbündel für die Rezeption bereit, eine Bandbreite von inhaltlichen Möglichkeiten. So mag ein ausgestelltes Gedichtmanuskript ein rein archivalisches Interesse erregen, oder es fasziniert sein Schriftduktus, vielleicht auch der erkennbare Grad der Korrekturen (mithin ein Aspekt der Arbeitsweise seines Urhebers); oder das Gedicht interessiert als poetische Leistung oder diese im Vergleich mit anderen poetischen Leistungen bzw. im Hinblick auf Diktion, Realitätsbezug, den Grad der Verdichtung usw. An einem Dichterporträt, um ein häufig genutztes nichtliterarisches Objekt literaturmusealer Expositionen zu nennen, mag etwa Interesse erregen, ob und in welcher Weise es dem Künstler (Maler, Zeichner, Grafiker) gelungen ist, die Persönlichkeit des Dichters in seinem Bild einzufangen, aber auch, inwieweit der Künstler etwas von sich selbst in das Porträt hineingegeben hat; oder es mag ein Interesse vorhanden sein an diesem Porträt im Vergleich zu anderen Bildnissen des Dichters, ja die verwendete Technik könnte Aufmerksamkeit erwecken usw. Selten, ja so gut wie nie werden sämtliche Bedeutungen der ausgestellten Objekte und Materialien abgefragt. Da in der literaturmusealen Ausstellung mehrere, unter Umständen sehr viele Exponate zu einer neuen Einheit arrangiert sind, entsteht ein vieldimensionales Feld möglicher Bedeutungen, das zeichenhaft hervortritt. Die spezifische Qualität dieses Feldes bestimmt, scheint es, die
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Wirkung der Präsentation. Das einzelne Exponat fungiert als Bedeutungsträger mit mehreren Valenzen, die vom Besucher (oder Führenden) jeweils wahlweise besetzt werden. Durch die konzeptionell bedingte An- und Zuordnung der Objekte sowie deren Ergänzung und Akzentuierung durch gestalterische (grafische, verbale und andere) Mittel - gleichsam die Syntax der Ausstellung - treten bestimmte Bedeutungen (ζ. B. literaturinhaltliche oder die Literaturwirkung betreffende) als für die Mitteilungsabsicht der Präsentation besonders relevant hervor. Doch sind stets mehr Bedeutungen vorhanden. Wäre dies nicht der Fall, könnten nur immer dieselben Informationsketten der Ausstellung entnommen werden. Der Bedeutungsfeldcharakter der Ausstellung, ihre Strukturiertheit, erlaubt im Gegenteil ein Arbeiten mit verschiedenen Bedeutungen und Aussagezielen. Dadurch erst wird die Ausstellung für unterschiedliche Zielgruppen und Interessen attraktiv und ein handhabbares Kommunikationsinstrument. Die Struktur ist vorkalkuliert, aber nicht vorprogrammiert; sie bedenkt nicht alle möglichen Gedankenverbindungen, lenkt jedoch deren Richtung. Auch der einzelne, sich selbst und der Ausstellung überlassene Museumsbesucher aktualisiert nie alle verfügbaren Objektbedeutungen. Er sondiert nach Maßgabe seiner individuellen Erwartungen, Interessen, Vorkenntnisse und Sensiblitäten, und zwar im allgemeinen in Richtung der Akzente, die durch die Ausstellung gesetzt sind. Entsprechend der tatsächlich vorhandenen Bedeutungsvielfalt bleibt ihm allerdings ein Spielraum für Entdeckungen: Er kann verschiedene Objektbedeutungen in eigener Weise zusammenfassend sehen, koppeln, ordnen - aktualisieren. Literaturmuseale Ausstellungen - dies eine These -, die diesen Spielraum nicht lassen, reduzieren ihre Wirkungschancen. Sie bleiben starr, einförmig, unadaptabel; zumeist sind es Darstellungen mit lauten didaktischen Akzenten und einer linearen "So sind die Dinge"-Argumentation. Ihre Schöpfer berufen sich dabei gelegentlich auf bestimmte Zielgruppen, und bevorzugt werden Jugendliche beschworen, von denen angenommen wird, daß sie nicht Entdeckungen zu machen, sondern Belehrungen entgegenzunehmen wünschen. Hier gerät die literaturmuseale Präsentation unversehens in Widerspruch zur Wirkungseigenart der Literatur, ihrem Verweisziel. Die Präsentation verhält sich nicht adäquat gegenüber ihrem Gegenstand. 4
Besonders produktiv im Sinne der literaturmusealen Verweisfunktion vermögen nun gerade Materialien zur Rezeptionsgeschichte literarischer Werke zu wirken. Insbesondere Wirkungsbelege aus jüngerer und jüngster Zeit erweisen sich oft als für den Besucher bedeutsam. Offenbar ist dieses Material geeignet, sichtbare Brücken zu schlagen zwischen der im Museum vorgezeigten Vergangenheit und dem Vergangenheitsinteresse der Gegenwart. Dies ist eine neue Erkenntnis, und sie findet eben erst in der literaturmusealen Praxis ihren Niederschlag. Sie ließe sich als Wechselbeziehung von Historizität und Aktualität im Literaturmuseum begrifflich fassen, mit der jeder Umgang mit Vergangenheit unweigerlich zu tun bekommt.
62 Wolf gang Barthel Nun hat jedes bedeutendere Werk der Literatur seine eigene Wirkungsgeschichte, die weitestgehend unabhängig von der Person des Autors und seiner Biographie abläuft. Im Laufe der Zeit wird das Werk von vielen Menschen gelesen, gesehen, verarbeitet. Die Gesamtheit seiner Wirkungen ist einem Eisberg vergleichbar, von dem man das meiste nicht sieht, nicht kennt, nicht beurteilen kann. Nur eine kleine Spitze des Berges ragt sichtbar heraus: eine begrenzte Menge eigenständiger Aussagen und Werke, zumeist von Künstlern und Wissenschaftlern stammend. Dies ist die greifbare, beurteilbare Menge der Werkwirkungen. Sie läßt Rückschlüsse auf die nicht sichtbaren Wirkungen zu. Weiß man, warum ein Werk für einige Menschen bedeutsam wurde, so läßt sich leichter sagen, warum es für viele bedeutsam sein konnte und unter Umständen noch sein kann. Um dies in der Ausstellung zu verdeutlichen, erscheint es oft ratsamer, statt Darstellungen wirkungsgeschichtlicher Abläufe ausgewählte Werkwirkungen so zu integrieren, daß sie die Verweisfunktion der literaturmusealen Präsentation optimal bedienen und dem Besucher, gleichsam punktuell und intensiv, die Selbstentdeckung hinsichtlich seines Verhältnisses zu alter Literatur erleichtern. Wirkungszeugnisse sind Vergegenständlichungen individueller Rezeptionen und als solche wiederum rezipierbar. Sie wurzeln im geistig-ästhetischen Potential ihrer Urheber. Verwendet man in der literaturmusealen Ausstellung deshalb Theatralia, Illustrationen, Verbalaussagen oder ähnliche Exponate, die Literaturwirkungen belegen, so hat man mit zusätzlichen Wertungen in der Präsentation zu rechnen, und dies bringt Konsequenzen für deren Bedeutungsstruktur und Wirkungspotenz mit sich. Weniger brauchbar wäre etwa der Versuch, in eine Ausstellung zu Heinrich von Kleist mit Hilfe einer Lithographie von Max Slevogt aus dem Jahre 1923 zu Kleists 1808 erschienener Tragödie "Penthesilea" ein Moment der Anschaulichkeit des sonst unanschaulich bleibenden Kleistschen Werkes hineinzwingen zu wollen. Kleists Wortkunstwerk ist nicht durch Slevogts Blatt ersetzbar; beide gehören völlig anderen Zeit-, Form- und Bedeutungsebenen zu. Nutzt man indessen die Lithographie als formal wie gedanklich eigenständiges Zeugnis einer produktiven Auseinandersetzung mit Kleists Stück, als Beleg einer zugleich sehr persönlichen Beziehung Slevogts zu dem Werk, bietet man es mithin an als auffordernden Impuls, so gewinnt man für die Präsentation nicht nur eine wirkungsgeschichtliche Dimension, sondern auch einen zusätzlichen Blickwinkel, in dem dann auch ein weiterer Interpretationshinweis im Hinblick auf das Kleistsche Stück selbst enthalten ist. Dieser könnte die im Leittext vorgeschlagene Lesart ergänzen, aber er stände zu ihr auch in einem gewissen, wenngleich nicht wesentlichen Widerspruch. Material dieser Art, auf diese Weise an mehreren Punkten der Ausstellung eingesetzt, wirkt entschieden strukturbildend; es hilft, ein Netz sich kreuzender Sehweisen und Blickwinkel zu spinnen, die in widersprüchlicher Einheit aufeinander bezogen sind, "nebenbei" tatsächliche Aneignungsprozesse andeutend. Mithin: Widersprüche werden hervorgekehrt, um sie kommunikationsstrategisch zu nutzen. Das Resultat dieser Hervorkehrung nennen wir die Widerspruchsstruktur der Ausstellung. Sie läßt sich durch zweckmäßig ausgewählte akustische Primärwerkpräsentationen und entsprechende Führungsangebote verstärken^
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Das Angebot mehrerer Sichtweisen zu einem Wortkunstwerk - dies eine weitere These - erhöht das Interesse an der Literatur, auf die "verwiesen" wird. Der Besucher ist zu einer vergleichenden Anstrengung genötigt; er kann Entdeckungen machen, findet einen Bewegungsraum für seine Phantasie. Er mag sich gedrängt fühlen, sein eigenes Urteil zu bilden, er bekommt womöglich Lust auf die eigene Lektüre. Die Ausstellung bleibt zum Besucher hin "geöffnet"; man könnte von einem kommunikationsoffenen Präsentationsmodell sprechen. 5 Das Bemühen, der Phantasie des Besuchers in der literaturmusealen Präsentation Bewegungsräume zu konzedieren, sollte man nicht als belanglose Spielerei hinweggestikulieren, sondern als wirkungsstrategisches Erfordernis akzeptieren. Spielräume erzeugen Neugier und Aktivität, sie drängen zur Sache selbst. Im Neugierigmachen auf Literatur erreicht die literaturmuseale Präsentation ihr entscheidendstes Ziel. Sie darf hoffen, zur Beförderung gerichteter Lesebedürfnisse beizusteuern. Mit Verzicht auf Wertung oder gar Relativismus hat solches Rechnen mit Widerspruchsstrukturen nichts zu tun. Allerdings liegt Wertung eben auch im Strukturellen verborgen. Gleichwohl soll die Fähigkeit der Ausstellungsstruktur, als solche Wertimgsimpulse bereitzuhalten, nicht überschätzt werden. Keine konzeptionell bewußte literaturmuseale Präsentation wird ohne kommentierende Leittexte auskommen. Die Selbstdarstellungskraft der Objekte ist im Literaturmuseum doch erheblich geringer als in anderen Museen. Die ausgestellte Erstausgabe ζ. B. bezeugt lediglich Faktisches: Verfasser, Titel, Erscheinungsort, Erscheinungsjahr, Druck- und Papierart, allenfalls gibt sie noch ein Zitat frei. Die literarische Darstellung selbst bleibt in den unaufgeschlagenen Seiten verborgen. Sie wird, um überhaupt einen Eindruck des Werkes zu vermitteln, (zumeist wertend) umschrieben: in Sekundärtexten. Und so hinge dann immerhin einiges von der Machart dieser Texte ab: von ihrem Duktus, ihrer Tonart. Es ist schon ein erheblicher Unterschied, ob Leittexte wirkungsbewußt, die Verweisfunktion der Ausstellung bedienend, formulieren, ob sie interessant sind, Neugier wecken, auf Literatur Lust machen, vielleicht sogar selbst literarisch sein wollen, mithin: ob sie ihr eigentliches Ziel jenseits von sich selbst, ja jenseits der Ausstellung sehen und für dieses Ziel hilfreich Arbeit leisten - oder ob sie, in sich versponnen und ohne den Blick über die Ausstellung zu erheben, Unumstößlichkeit prätendieren, im Duktus, holprig, schwülstig-überladen, in der Tonart von oben herab, belehrend, abweisend daherkommen, möglicherweise sogar überflüssig sind, weil sie Historisches eher denn Literarisches reflektieren. Leittexte sind durchaus Zeugen für die Wertungen der Ausstellungsgestalter, doch sind sie kein Forum für deren Selbstdarstellung. Sie entfalten Kräfte gerade als die Rezeption des Besuchers begleitende und vorsichtig lenkende Stimme. Auch sie sollen zur Literatur hinführen, nicht sie ersetzen, haben also Verweisfunktion. Sofern Interpretationen versucht werden, sind Apodiktik und kunstfremde Formeln daher abträglich. Eher bieten sich - dies setzt den Mut zur Subjektivität
64 Wolfgang Barthel voraus - Deutungsvorschläge an, die mit der Intelligenz und Widerspruchsbereitschaft der Besucher rechnen, ja diese geradezu auf den Plan locken. Der passiv hinnehmende, bloß informationshungrige und zu Staunen und Ehrfurcht aufgelegte Besucher kann nicht im Ernst das Ziel des Museums sein. Das Literaturmuseum zumal braucht einen ansprechbaren, streitbereiten Rezipienten, und es sollten alle Möglichkeiten bedacht werden, ihn hervorzubringen oder zu fördern. Hier hätte das "literarische Museum" überdies eine Möglichkeit schöpferischem Verhalten Hilfestellung zu geben. Im Idealfalle wäre sogar ein Besucher denkbar, der, nach dem Museumsbesuch und angeregt durch ihn, zu den literarischen Werken greift oder doch wieder greift, auf die ihn die museale Präsentation als gewinnversprechende Erbschaft verwiesen hat, ein Besucher, der, nach der Lektüre und gewappnet mit eigener Leseerfahrung, womöglich ins Museum zurückfindet, um weitere Entdeckungen zu machen. Auch für ihn, scheint uns, ja gerade für ihn müßte die literaturmuseale Präsentation gerüstet sein. Sie wird es, sofern sie sich als Impulse gebendes Strategiengefüge, mithin als Struktur aus bedeutenden und verweisenden Zeichen ins Bild setzt. 6 Die oben vertretene These, Literatur sei unausstellbar, bedarf einer genaueren Betrachtung. Sie gilt uneingeschränkt, setzt man "ausstellen" und "dem Auge als unmittelbar sinnliches Erlebnis sichtbar machen" gleich. Sehr zum Nachteil für das theoretische Selbstverständnis der Literaturmuseen spielen Gleichsetzungen dieser Art in der Museologie eine nicht unerhebliche und normsetzende Rolle. Daher die insistierenden Versuche, Wortkunst durch Bildkunst (Illustrationen und ähnliches) abzulösen. Die Sprachen der verschiedenenen Kunstgattungen lassen sich aber nicht beliebig austauschen. Bildkünstlerische Arrangements sind zwar auch im Literaturmuseum unumgänglich, bringen sie doch ein gut Teil an unmittelbar Schaubarem in die Präsentation ein. Ohne Verweisqualität bleiben sie jedoch, zumindest literaturmuseal gesehen, funktionslos, ja können sie zu bloßem Bildfetischismus erstarren. Begreift man Ausstellen indessen auch als ein Verfahren, etwas "dem geistigen Auge zuzuführen", dann allerdings sind selbst literarische Darstellungen innerhalb bestimmter, übrigens quantitativ definierbarer Grenzen ausstellbar. Namentlich /öewformen der Literatur - Fabeln, Anekdoten, kurze Gedichte, Geschichten und Essays etwa - werden so, handschriftlich und/oder in gedruckter Form, präsentabel. Die Ausstellung legt sie an wirkungsstrategische genau kalkulierten Stellen zur Ansicht, vielmehr Einsicht bereit. Dies als unanschaulichen "Papierkram" abzutun ist eine bedauerliche Fehlreaktion verbissener Bildfanatiker und zeugt nicht eben von Literatursinn. Diese Exponate liegen ja aus, um gelesen zu werden. Und sie teilen ihre Inhalte, wie im außermusealen Lesevorgang (im Museum jedoch eingebunden in weiterführende Kontexte), über die verbale Zeichenstruktur selbst mit. Es ist schließlich gar nicht einzusehen, warum im Literaturmuseum nicht gelesen werden sollte; ja es muß entschieden darauf bestanden werden, daß literaturmuseale Präsentation auch etwas für das Lesen zu leisten habe. Dies wäre nur, folgerichtig, ein
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Aspekt ihrer Funktion als verweisendes Kommunikationsinstrument. Will die Präsentation zur Lektüre außerhalb des Museums anregen, tut sie gut daran, selbst Leseangebote zu unterbreiten. Will sie ein Lesebedürfnis beim Museumsbesucher mit ausbilden oder doch befestigen helfen, so kann sie nicht umhin, das Lesen als das wichtigste Mittel der Wortkunsterfahrung gleichsam mit auszustellen. Die literaturmuseale Präsentation hat es in der Hand, bereits im Museum Leseprozesse in Gang zu bringen, indem sie mittels des ihr eigenen komplexen Angebotes an literarisch-kulturhistorischen Aspekten, Blickpunkten und Zusammenhängen auf eine sich vielseitig orientierende Art des Lesens verweist, mithin einem Lesen mit historischem Blick und Sinn für außerliterarische Kontexte zuspricht. Dies ist von erheblicher Bedeutung für das Selbstverständnis literaturmusealer Präsentationsarbeit. Und auch aus diesem Grunde erscheint es nicht sinnvoll, in der Ausstellungspraxis unbedingt den Sehgewohnheiten, die heute vor allem das Fernsehen erzeugt, nachzugeben. In der Konsequenz hieße dies ja, statt des Dranges zum Lesen den Drang zum Schauen herbeizuwünschen, ja geradezu auf ihn als "museumsspezifisch" (aber eben nicht literaturspezifisch) umzuorientieren. Uns ist völlig unklar, wie sich ein Literaturmuseum dies heute leisten könnte, wollte es nicht zugleich die Basis seiner Bemühungen, ja die Grundlage seiner Existenz in Frage stellen. Mit der Verabschiedung von Impulsen, die zum Lesen führen, oder auch nur mit deren Unterschätzung würde es gegen ein vitales Eigeninteresse verstoßen. Wie sich zeigt, sind in der Ausstellung des Literaturmuseums zumindest Kleinformen der Literatur (wie natürlich auch das poetische Zitat, der überschaubare Auszug aus einem größeren Werk und ähnliche), sorgfältig ausgewählt und dosiert, vorzeigbar: unsubstituiert und in der ihnen eigenen Zeichenform. Solche Werkbegegnung - denn das ist sie für den Besucher - kann durch die Strategie der akustischen Primärwerkpräsentation sinnvoll ergänzt werden. Akustische Präsentationen durch Abspielen von Tonträgern, wie die Ausstellung wirkungsstrategisch kalkuliert, können in Führungen bzw. als Teile von ihnen eingeblendet oder als separate Vorführungen im Zusammenhang mit der Ausstellung zur Geltung gebracht werden. Das geschriebene Wort tritt so als gesprochenes Wort, zugleich künstlerisch interpretiert, "original" und "reflektiert" in einem, vor den Besucher. Im Literaturmuseum verdichtet dies die Atmosphäre des Literarischen. Ausstellung, Führungsstrategie und akustische Primärwerkpräsentation wirken, wohlstrukturiert und aufeinander abgestimmt, zusammen als literaturmuseale Präsentation. Diese spricht nicht nur verschiedene Sinne an, sondern fordert auch das Abstraktionsvermögen heraus. Sie zielt auf ein verweisendes Gesamterlebnis, das, getragen von einem wohltemperierten Wechsel von Schaubarem, Hörbarem und Lesbarem, zum Erlebnis Literatur drängt. Uns scheint dies eine ausbaubare Möglichkeit zu sein. Und hierin liegt vielleicht auch der unmittelbar praktische Wert des Begriffes "literaturmuseale Präsentation". Er ist nicht nur außerordentlich handhabbar, er läßt nicht nur die Aufnahme nichtvisueller Elemente zu; er könnte uns am Ende, als Heuristikum, auch nützen, wenn wir die Beziehung von Literatur und "Literaturausstellung" funktionell noch genauer bestimmen wollen. Er könnte uns dabei behilflich sein, der Präsentationsarbeit im Literaturmuseum neue Horizonte zu eröffnen.
66 Wolfgang Barthel Anmerkungen 1
Zahlreichen "Objekten" in der literaturmusealen Ausstellung eignet allerdings eine deutlich wertende Komponente. Sie sind oft eher Wertungszeugen denn Sachzeugen. Bereits das literarische Werk zeigt einen vor allem wertenden Realitätsbezug. Will die Ausstellung zu diesen Werken aussagen, muß sie sich zu deren Wertungen stellen. Aussagen über Kunstwerke und schriftstellerische Leistungen sind mithin Wertungen von Wertungen. Dasselbe gilt für Zeugnisse der literarischen Wirkung: für Illustrationen, Theatralia, Verbalaussagen und ähnliches; auch sie sind - historisch und individuell geprägte - Wertungen von Wertungen. Eine Arrangementskizze zu einer Inszenierung von Kleists "Prinz Friedrich von Homburg" aus dem Jahre 1975 z. B. hilft Zugänge finden zu einer schöpferischen Ver-Wertung des Kleistschen Bühnenstücks. Sie öffnet den Blick für die Wertung, die der Regisseur dem Kleiststück gab, und lenkt so zwangsläufig die Aufmerksamkeit auf die andauernde Produktivität des Stückes. Die Dominanz von Wertungsbelegen in nichtmemorialen Ausstellungen (oder in deren nichtmemorialen Teilen) zeigt jedenfalls, daß der Begriff "Sachzeuge" nicht ohne Not auf literaturmuseale Gegebenheiten anwendbar ist.
2
Vgl. hierzu: Ernst Hofmann, Überlegungen zu den Möglichkeiten der Nutzung historischer Sachzeugen als Mittel zur Veranschaulichung. In: Neue Museumskunde, 3/1977, S. 223-230.
3
Dieser Meinung scheint indessen Jörn Göres vom Goethe-Museum Düsseldorf zu sein. In seinem Vortrag "The Relationship of Life and Work as a Tenet for Literary-Historical Exhibitions" (ICOM/International Committee for Literature Museums. Minutes of the 1st Annual Meeting, Weimar 1978. o. O. und o. J., unpaginiert) heißt es: "... the basic concept [in literarischen Ausstellungen - W. Β.] must concern the relationship of an authors's life and work. Here an important part is played by the place at which an author worked, of course. It signifies, as ist were, the centre for his environment. It is from here that the author experienced his gladdening or tormenting or, in some way, occupying encounters." Göres erhebt in dem verständlichen Bestreben, einen greifbaren Schnittpunkt zwischen Leben und Werk eines Autors museumsspezifisch zu fassen, das Memorial zum Zeichen genereller Lebenserfahrung. Im Memorial scheint ihm, gleichsam mikrokosmisch, die Welt- und Lebenserfahrung des Dichters anschaubar vergegenständlicht vorzuliegen. Das Memorial wird zum sinnfälligen Symbol. Ihm ist die Funktion zugemutet, die auf den Dichter einwirkende und ihn bewegende Weltbewegung betrachtbar zu objektivieren. Die Bedeutungsmöglichkeiten des Memorials sind in dieser Auffassung überdehnt. Der private memoriale Lebensraum signalisiert nicht die Lebenserfahrung in ihrer Komplexität, er tritt an ihre Stelle.
4
Hans Kaufmann, Zehn Anmerkungen über das Erbe, die Kunst und die Kunst des Erbens. In: WB, 10/1973, S. 39.
5 Vgl. Willi Ehrlichs Aufsatz "Probleme der musealen Darstellung des Lebens und Wirkens bedeutender Persönlichkeiten" (in: Neue Museumskunde, 1/1976, S. 11-26), in dem das Literaturmuseum nur als eine Variante des "historisch-biographischen Museum" in Betracht kommt. 6
Die substituierende Veranschaulichung literarischer Zusammenhänge und Sachverhalte im Literaturmuseum erweist sich auch in anderer, hier nicht näher betrachteter Hinsicht als produktiv. Gezwungen zur Periphrase, sucht sie das Zusammenspiel des Literarischen mit Elementen der bildenden Kunst, des Theaters, der Philosophie und Geschichte. Das Literaturmuseum könnte daher, zumindest theoretisch, als Ort der Verschmelzung von Erkenntnissen und Methoden verschiedener Disziplinen Profil gewinnen. In diese Richtung zielt Gustav Erdmann (in: Konzeption für das zentrale Ger-
Literatur und museale Präsentation hart-Hauptmann-Museum Erkner, 1979; unveröffentlicht), wenn er von literaturmusealen Ausstellungen eine kulturhistorische Dimension fordert. 7
Ausstellungen in Literaturmuseen sind meist zählebig. Einmal aufgebaut, halten sie sich oft viele Jahre ohne sichtbaren Wandel. Die Museologie hält hierfür den Begriff "ständige Ausstellung" bereit, der die Statik noch unfreiwillig unterstreicht. "Ständige Ausstellungen" mögen ihre Berechtigung haben, und oft wird keine Veränderung möglich sein, weil Materialzwänge Grenzen setzen. Wirkungsstrategisch gesehen ist solche Bescheidung indessen fatal. Sie läßt die Wandelbarkeit des gesellschaftlich gebundenen Rezipienten außer acht und bedenkt nicht die Funktion der Präsentation als Kommunikationsangebot. Dies könnte am Ende dazu beitragen, im Literaturmuseum einen Ort des Konservativen, Festhaltenden, gar Nostalgischen zu sehen, und dem ohnehin noch weitverbreiteten Vorurteil Vorschub leisten, Museales sei mit Gestrigkeit identisch.
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II Institutionen von literarischen Ausstellungen. Ausstellungen in Geschichtsmuseen, Bibliotheken und Literaturmuseen
Erich Keyser Die Veranschaulichung der Geschichte Der Nationalsozialismus hat eine neue Wertung nicht nur einzelner geschichtlicher Persönlichkeiten und Ereignisse, sondern der Geschichte selbst herbeigeführt. Nachdem sie allzulange vornehmlich als der Gegenstand rein wissenschaftlicher Forschung betrachtet wurde, ist sie jetzt wieder in ihre alte Rolle als Lehrmeisterin der Gegenwart eingesetzt worden. Es gilt dies zwar nicht in dem Sinne, daß aus der Geschichte Vorschriften und Anweisungen für das Verhalten in bestimmten Lebenslagen entnommen werden könnten; denn dazu ist die Wirklichkeit einst und jetzt zu verschieden, als daß Gleiches wiederkehren und mit Gleichem vergolten werden könnte. Die Geschichte ist nur soweit lehrhaft zu brauchen, als ihre Kenntnis unsere Vorstellungskraft und unser sittliches Empfinden beeinflußt und unsere Willenskraft stählt und in bestimmte Richtung lenkt. Denn wer hat noch nicht an sich selbst erfahren, daß die Versenkung in die Vergangenheit des eigenen Volkes oder der eigenen Heimat das Bewußtsein der Zugehörigkeit zu dieser geschichtlich gewordenen Lebensgemeinschaft stärkt, wenn nicht erst wachruft und damit auch unser Wollen bestimmt, in dieser Gemeinschaft und für sie zu wirken. Es besteht zu Recht das Wort Goethes, das Beste, was die Geschichte vermittele, wäre die Begeisterung, die sie erwecke, der Stolz auf die Vorfahren, der Wunsch, in guten und schlechten Tagen es ihnen gleich zu tun, die Ziele, die sie erstrebten, aber nicht erreichen konnten, von neuem zu verfolgen und zu vollenden. Deshalb wird mit guten Gründen die Geschichte immer wieder in den Dienst der nationalsozialistischen Erziehungsund Bildungsarbeit gestellt werden, wie auch der Führer selbst fast jede seiner großen Reden mit einem Rückblick, einer weit ausgreifenden Geschichtsschau einleitet oder ausklingen läßt. Den Vertretern geschichtlicher Forschung und Bildung erwächst somit die schöne, aber auch schwere Aufgabe, nicht nur festzustellen, was und wie es einst gewesen ist, sondern den wissenschaftlich erarbeiteten Stoff so zuzubereiten, daß er der Volksbildung nutzbar gemacht werden kann. Diese Aufgabe ist deshalb so schwierig, weil vielfach "das Geschehene" nach neuen Grundsätzen ausgewählt und bewertet werden und oft genug auch erst jenes Geschehen aus den Quellen heraus ergründet werden muß, das für unsere heutige Aufgabe wichtig ist. Zahlreiche Lehrbücher und Stoffsammlungen des letzten Jahrhunderts sind trotz ihrer wissenschaftlichen Genauigkeit und Richtigkeit für uns deshalb imbrauchbar geworden, weil wir anderes wissen wollen, als unsere Väter und Großväter. Das gesamte Gebiet des völkischen Lebens muß zum größten Teil erst neu ergründet werden. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin,
70 Erich Keyset daß die mit Hilfe der Geschichte zu betreibende Bildungs- und Erziehungsarbeit sich fast ausschließlich an Volksgenossen zu wenden hat, die, trotz aller in letzter Zeit vermehrten Bemühungen von Schule und Presse auf diesem Gebiete fast ohne jede Vorkenntnisse sind. Es kann somit nur Weniges vorausgesetzt werden, oft nicht einmal der Wille, mit Persönlichkeiten und Vorgängen der Vergangenheit sich zu beschäftigen. Wer einmal die Wirkung seiner Veröffentlichungen oder Vorträge in dieser Hinsicht nachgeprüft hat, wird zunächst meistens schwerste Enttäuschungen erleben. Solche Erfahrungen berechtigen jedoch nicht zu der Meinung, daß jede Arbeit geschichtlicher Aufklärung unter den vorliegenden Umständen vergeblich sein müßte; sie zeigen nur, welche Mängel der Tätigkeit des jeweiligen Volksbildners noch anhaften, welche Fehler er in seinen Schriften oder bei seinen Reden gemacht hat. Denn glücklicherweise bezeugen zahlreiche Gegenbeispiele, daß die erstrebte Wirkung erzielt werden kann. Geschichtliche Bildungsarbeit ist somit nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Diese Möglichkeit soll hier nicht in breitestem Umfange erörtert werden; denn es versteht sich von selbst, daß die Bemühungen, Volksgenossen geschichtlich zu bilden, zu unterrichten, anzuregen, verschieden geartet sein müssen, je nachdem ob sie in Schule oder Partei, in einem Geschichtsverein oder in einer Volksversammlung unternommen werden. Nur eins muß in jedem Falle gefordert und erfüllt werden: die Geschichte muß in eine unmittelbare Verbindung zur Gegenwart und zum augenblicklichen Empfinden und Erleben der durch sie zu beeinflussenden Volksgenossen gebracht werden. Sie muß gegenwartsnahe sein. Dazu muß sie möglichst anschaulich gestaltet, sie muß veranschaulicht werden. Diese Notwendigkeit der Veranschaulichung der Geschichte erhebt die Geschichtsmuseen zu den wichtigsten, weil wirkungsvollsten Mitarbeitern geschichtlicher Volksbildung. Denn sie, welche das Volksgut der Vergangenheit in ihren Schatzkammern bergen, sind allein imstande, die Geschichte so gegenständlich zu zeigen, wie sie sich selbst uns überliefert hat oder uns übermittelt worden ist. Nur müssen die Geschichtsmuseen, wenn sie dieser großen Aufgabe würdig und dienstbar sein wollen, mehrere bisher geltende Auffassungen von sich und für sich zurückweisen. Das Volksgut der Vergangenheit ist nicht allein als ihr "Überrest" zu betrachten und demnach zu mißachten, sondern ist als Werk des Volkes und Ausdruck seiner Art zu sammeln und zu werten. Dazu ist grundsätzlich das museal zu pflegende Volksgut der Gesamtheit der einstigen Leistungen des Volkes zu entnehmen: Werke der hohen Kunst und der Volkskunst, Denkmäler der politischen Geschichte und des Brauchtums dürfen in dieser Hinsicht nicht verschieden gewertet werden. Bodenfunde gehören mit dem gleichen Recht zum Volksgut, wie Sagen und Tänze, Bauten und Bilder, Münzen und Waffen. Die "Geschichte" darf nicht mehr in "Fächer" aufgespalten und damit auch ihre wissenschaftliche, denkmalpflegerische und volksbildnerische Auswertung auf verschiedene Museen verteilt werden. Wenn wir das Volk in seinem Werden und Wesen erforschen und veranschaulichen-wollen, müssen wir Volkstumskunde mit allem uns verfügbarem Volksgut treiben, gleichviel aus welchem Lebensgebiet oder welchem Zeitalter es stammt. Es kann nicht dieses Museum die Kunstgeschichte, jenes die Münzgeschichte, ein drittes die Frühgeschichte betreiben. Nur insofern kann es
Die Veranschaulichung der Geschichte 71 am gleichen Ort mehrere Museen nebeneinander geben, als sie, wenn auch vielleicht mit dem gleichen Stoff, verschiedenen, grundsätzlich andersartigen Erziehungsaufgaben dienen. So wird das technische Museum, das der technischen Belehrung und Anregung dient, auch wenn es technische Kulturdenkmäler der Vergangenheit in sich birgt, von dem Geschichtsmuseum zu trennen sein, weil dieses die Geschichte, nicht aber wie jenes die Gegenwart und Zukunft der Technik veranschaulichen will. Ebenso hat das Kunstmuseum seinen besonderen Aufgabenbereich, sofern es nicht die Kunstgeschichte eines geschichtlich gewordenen und historisch erfaßbaren Raumes darstellen, sondern der fortschreitenden Kunstpflege durch Hinweis auf nicht allein entwicklungsgeschichtlich bedeutsame, sondern für die Zukunft vorbildliche Kunstwerke dienen will. Das technische Museum und das Kunstmuseum in diesem Sinne veranschaulichen nicht die Geschichte; sie sind daher in diesem Zusammenhange nicht zu behandeln. Die Veranschaulichung der Geschichte ist keine neue, wenn auch neuerdings wieder besonders lebhaft erhobene Forderung; denn seit alters ist versucht worden, Vergangenes anschaulich zu vergegenwärtigen. Der Mensch ist stets mehr befähigt und geneigt gewesen, zu schauen als zu lesen. Die "Erzählungen" der biblischen "Geschichte" wurden deshalb im Mittelalter auf Wandgemälden und Altartafeln dargestellt. Die großen niederländischen Meister haben Vorgänge der antiken Sage und Geschichte veranschaulicht. Jedes "Denkmal" ist eine Veranschaulichung einer geschichtlichen Persönlichkeit. Den gleichen Zwecken dienen Reliefs und Medaillen, aber auch "lebende Bilder", wie die schauspielerischen Aufführungen eines Theaters. Wie viele kennen Egmont und Wallenstein nur nach der Wiedergabe bestimmter Schauspieler und nach den Dichtungen Goethes und Schillers! Fraglos wird das Erlebnis einer solchen Aufführung die Persönlichkeit Wallensteins stärker veranschaulichen, als der Anblick seines Bildnisses oder gar nur seines Degens. Trotzdem muß deutlich die dichterisch anschauliche Darstellung der Vergangenheit von der museal allein durchzuführenden Veranschaulichung der geschichtlichen Wirklichkeit unterschieden werden. Es muß daran festgehalten werden, daß das Geschichtsmuseum nicht eine Stätte der Kunst, am wenigsten ein Theater ist; es ist ein Schauhaus eigener Prägung. Das Bedürfnis nach anschaulicher Wiedergabe geschichtlicher Wirklichkeit ist in den letzten Jahrzehnten bedeutend gestiegen; im Zusammenhang damit sind auch die Mittel der Veranschaulichung durch Lichtbild und Film erheblich vermehrt worden. Reisen zeigen die sichtbare, aber uns gewöhnlich räumlich ferne Natur. Ausstellungen und Bilderbücher vergegenwärtigen uns die vielleicht örtlich nahe, aber zeitlich stets ferne Vergangenheit. Wie kann nun das Geschichtsmuseum mit dem ihm eigenen Darstellungsmittel der Ausstellung Geschichte veranschaulichen? 1. Die Gegenstände einer jeden Ausstellung müssen den Beschauer ansprechen; sie müssen ihn in irgendeiner Weise zum Beschauen anregen; sie müssen seine Aufmerksamkeit soweit erregen, daß er sich entschließt, sich mit ihnen weiter geistig zu beschäftigen. Seltenheiten und Seltsamkeiten werden dieser Aufgabe am ehesten nachkommen; sie sind trotzdem gerade am wenigsten geeignet, Geschichte zu veranschaulichen; denn sie nötigen den Beschauer, sie für sich
72 Erich Keyser allein zu betrachten, so daß er den geschichtlichen Zusammenhang, in dem sie entstanden sind oder für den sie bedeutsam sind, übersieht. Auf die Erkenntnis dieses Zusammenhanges ist aber bei der Erziehimg durch die Geschichte der höchste Wert zu legen. Nicht Einzelheiten, sondern Ganzheiten sind zu zeigen und zu veranschaulichen; sonst würde das Geschichtsmuseum wieder, wie es früher oft genug der Fall war, ein Kuriositätenkabinett und Panoptikum. Es darf deshalb grundsätzlich bei der Vorbereitung einer Ausstellung niemals von den im Museum vorhandenen Gegenständen ausgegangen werden, sondern es muß umgekehrt gefragt werden: 1. welcher geschichtliche Zusammenhang, welcher Vorgang, welche Persönlichkeit veranschaulicht werden sollen und erst 2. welche Gegenstände zu dieser Veranschaulichung brauchbar sind. Als solche Ganzheiten kommen in Betracht Abschnitte der Siedlungsgeschichte, der Bevölkerungsgeschichte, der Wirtschafts- oder Staatsgeschichte, der Geistes- und Kirchengeschichte und zwar möglichst in genauer sachlicher, räumlicher und zeitlicher Begrenzimg z. B. Tore und Türme im Späten Mittelalter, die Entwicklung des Rathauses, die Tischlerinnung, die Reformation, Dichter des Sturmes und Dranges. Nur wenn in dieser Weise erst der Inhalt einer Ausstellung bestimmt ist, können die für sie geeigneten Gegenstände ausgewählt werden. Es ist deshalb falsch, wenn in Geschichtsmuseen Ausstellungen veranstaltet werden wie: Zinn, Keramik, Waffenfunde, in denen die Gegenstände nach ihrer stofflichen Beschaffenheit aneinandergereiht werden. Denn diese stoffliche Beschaffenheit bezeichnet nur das Material, die Materie, aber nicht den Lebensund Zweckzusammenhang, aus dem Geräte und Gegenstände solcher Art erwachsen sind und für den sie einst angefertigt wurden. Wer eine Geschichtsschau vorbereitet, muß geistig zunächst genau so verfahren, wie wenn er das von ihm ausstellungsmäßig zu behandelnde Ereignis mit Worten beschreiben wollte. Er wird sogar gut tun, zunächst eine solche Beschreibung anzufertigen oder eine schon vorhandene schriftliche Darstellung zur Grundlage seiner weiteren Überlegungen und Planungen zu machen; denn die Ausstellung ist nur eine andere Form der Darstellung, als die Beschreibung und ist daher den gleichen Grundsätzen der Auswahl und Formung unterstellt, wie jede andere geschichtliche Darstellung. Nur muß und kann die anschauliche Darstellungsform des Museums anders als das bebilderte Geschichtsbuch Bild und Wort, Sachgut und Landkarte vereinigen. Denn es soll nicht nur gezeigt werden, welches Sachgut von einem Vorgang übriggeblieben ist, sondern wo sich jener Vorgang abgespielt hat (Bild und Landkarte), wer an ihm beteiligt war (Bildnisse, eigenhändige Briefe), welche Ursachen und Folgen er hatte (Bilder von früheren und späteren Ereignissen desselben Lebenszusammenhanges; statistische Übersichten mit Vorsicht verwenden!) Es dürfen zur Veranschaulichung einer Persönlichkeit, etwa eines Dichters oder Gelehrten, nicht nur seine handschriftlichen oder gedruckten Werke ausgelegt werden, sondern es muß sein Lebenslauf an Hand dieser Werke und anderer Zeugnisse veranschaulicht werden. Dabei ist zu bedenken, daß die meisten Beschauer sehen, aber nicht lesen wollen, daß es also gar keinen Zweck hat, bestimmte Seiten eines Werkes aufzuschlagen. Denn trotz aller hinweisenden Pfeile pflegen die wenigsten Besucher einer Ausstellung die so gekennzeichneten, wenn auch wichtigen Stellen zu lesen. Es ist wirksamer, auf einem
Die Veranschaulichung der Geschichte 73 besonderen Blatt, plakatartig, einige Worte oder Sätze aus einer bedeutsamen Schrift herauszustellen. Es ist dies auch deshalb wichtiger, weil dem Beschauer nicht die Kenntnis eines bestimmten Buches, sondern ein Verständnis für die behandelte Persönlichkeit vermittelt werden soll. "Buchausstellungen" gehören nicht ins Museum. Dagegen ist es vorteilhaft, Bücher, welche den gleichen geschichtlichen Gegenstand, wie die Ausstellung, behandeln, in den Ausstellungsräumen auszulegen. Der Beschauer wird dadurch darauf hingewiesen, daß die Ausstellung nur die eine Form der Darstellung des betreffenden Vorganges ist, daß Lesbares und Anschaubares sich ergänzen müssen. Auch in Ausstellungen der Kunstwerke eines bestimmten Zeitabschnittes sollten stets wichtige, einschlägige Schriften ausgelegt werden, wenn möglich so, daß der Besucher in ihnen blättern und lesen und die Abbildungen mit den im gleichen Räume ausgestellten Werken vergleichen kann. 2. Es ist nicht möglich, einen geschichtlichen Vorgang in allen Einzelheiten zu veranschaulichen. Dazu fehlen in den meisten Fällen die anschaulichen Mittel und auch der Raum, um sie zu zeigen. Es ist dies aber auch gar nicht nötig, weil der Besucher durch Film und Presse gewöhnt ist, Vorgänge aus Bruchstücken geistig zusammenzufügen. Da er in den meisten Fällen der Vorkenntnisse entbehrt, genügt es auch, wenn er nur das Wichtigste erfährt und dieses sich einprägt. Jede Ausstellung wird ihrer Wirkung beraubt, die zu viel bietet, die den Beschauer überlastet und ermüdet. Es darf immer nur weniges, dieses aber sinn- und wirkungsvoll gezeigt werden. Es muß deshalb vermieden werden, daß der Besucher schon durch die Auswahl und die Aufstellung der gezeigten Gegenstände gelangweilt wird. Jede Reihung gleichartiger Dinge, wie Bücher, Bilder, Handschriften ist in dieser Hinsicht gefährlich und zu vermeiden. Zum mindesten muß bei einer solchen Reihung eine gewisse Abwechslung durch die verschiedene Größe der Bilder, die Andersfarbigkeit der Räume usw. geboten werden. Es werden deshalb auch zweckmäßig Bilder von Bauernhäusern neben ihren Modellen aufgehängt oder neben den Waffen Bilder von ihrem Gebrauch und ihrer Herstellung gezeigt. Die bisher üblichen Waffenhallen sind museal betrachtet Lagerräume, im besten Falle Ausstellungen musealer Bestände, aber niemals Darstellungen des Waffenwesens einer bestimmten Zeit. Aus dem gleichen Grunde sind Reihen von Trachten- und Modepuppen zu vermeiden; es sind vielmehr neben angezogenen Puppen Moden- und Trachtenbilder und einzelne Kleidungsstücke zu zeigen. 3. Die ausgestellten Gegenstände selbst und die Art ihrer Aufstellung brauchen nicht immer künstlerisch vollkommen zu sein; sie dürfen aber niemals geschmacklos sein. Das Geschichsmuseum hat nicht die Aufgabe, den Schönheitssinn zu bilden oder ihn allein zu befriedigen; denn es hat in erster Reihe zu belehren. Aber ebenso wie bei einem Buch ein "schöner" Druck verlangt wird, müssen auch jedes Lichtbild, jede Beschriftung, jeder Rahmen, jeder Schautisch und Schauschrank dem Geschmack der Besucher entsprechen. Die großen Ausstellungen unserer Tage können hierin meist als mustergültige Vorbilder dienen. Der Museumsbeamte soll kein "Dekorateur" im alten Sinne sein, aber muß die moderne Ausstellungstechnik beherrschen. Er muß sich ihr auch deshalb anpassen, weil sonst die Besucher, die meist viele außermuseale Ausstellungen zu
74 Erich Keyser sehen bekommen, die Schausammlung des Museums als rückständig empfinden und bewerten. 4. Es ist ein Fehler, zu viel in einem Raum, und ein noch größerer Fehler, zu viele Räume zu zeigen. Es ist ganz falsch, wenn so viele Museen über Raummangel in ihrer Schausammlung klagen. Sie würden eine weit größere Wirkung erzielen, wenn sie nicht viele Ausstellungen auf einmal, sondern wenige Ausstellungen nacheinander ihren Besuchern vorführen würden. Niemand kann ein Buch über die Geschichte eines Ortes hintereinander, in 1 - 2 Stunden, durchlesen und seinen Inhalt sich einprägen. Es kann auch niemand - er habe sonst gründliche Vor kennt nisse und Übung - den Inhalt einer anschaulich-musealen Darstellung der gleichen Ortsgeschichte auf einem einzigen Rundgang durch die Schausammlung in sich aufnehmen; oder es muß diese Geschichte in einer sehr weiten Auswahl veranschaulicht werden. In jedem Falle müssen die einzelnen Ausstellungsräume, die der Besucher bei einem Rundgang betritt, inhaltlich zusammenhängen. Sie müssen in ihrer Aufeinanderfolge den Ablauf etwa einer Ortsgeschichte schildern oder die Eigenart der Kultur und das Volkstum einer bestimmten Stadt oder eines bestimmten Dorfes oder einer Landschaft auf verschiedenen Lebensgebieten kennzeichnen. Auch bei dieser Reihung der Ausstellungsräume, deren jeder einem einzigen Stoffgebiet oder Lebenszusammenhang gewidmet sein soll, muß für anschauliche Abwechslung gesorgt werden. Es dürfen nicht mehrere Räumen mit "Papier" solchen mit "Sachen" folgen; sondern es muß möglichst hinter einem Raum, der vorwiegend mit Büchern, Handschriften, Stichen gefüllt ist, ein Raum mit kleineren und größeren Gegenständen, Modellen usw. eingerichtet werden. Es kommt für die Wirkung einer Schausammlung auch sehr viel darauf an, wie der erste und der letzte Raum beschaffen sind. Der erste Raum darf weder Langeweile erzeugen, weil er dann von dem Besuch der weiteren Räume abschreckt, noch zu langem Verweilen anregen, weil er dann den Besucher bei seiner immer beschränkten Zeit an dem Besuch der anderen Räume verhindert. Im Gegensatz dazu muß der letzte Raum besonders anziehend sein, so daß der Besucher, mit dem Blick auf seine Uhr, die Schausammlung mit dem Bedauern verläßt, nicht genügend Zeit gehabt zu haben, um sich alles gründlich anzusehen. Er wird dann das Museum mit dem Wunsche baldigster Wiederkehr verlassen. Selbstverständlich ist es oft schwer, volksbildnerische Grundsätze mit den sachlichen, inhaltlichen Erfordernissen einer Ausstellungsreihe in Übereinstimmung zu bringen, aber sie müssen nach Möglichkeit beachtet werden. 5. Wenn ein Besucher durch eine Ausstellung persönlich beeinflußt werden soll, muß zunächst der Gegenstand der Ausstellung seinem Lebenskreise angepaßt sein. Es kann nicht erwartet werden, daß jeder fremde, von auswärts zugereiste Besucher einer Schausammlung sich Aufmerksamkeit für die ihm bisher ganz unbekannte und ihm persönlich auch gleichgültige Ortsgeschichte abnötigt. Es kann auch nicht vorausgesetzt werden, daß jeder einheimische Besucher, wenn er Fabrikarbeiter ist, an der Darstellung der Entwicklung einer bestimmten wissenschaftlichen oder dichterischen Richtung innerlich zu beteiligen ist, oder wenn er Soldat ist, durch die Geschichte des Handels, wenn er Bauer ist, durch das Werden eines Handwerks zu fesseln ist. Es muß aber von der Ausstellungsleitung verlangt werden, daß sie jedem dieser Besucher etwas ihn persönlich
Die Veranschaulichung der Geschichte 75 Anziehendes darbietet. Jeder Besucher muß die Schausammlung mit dem Bewußtsein und mit dem ihn zu Dankbarkeit und Wiederkehr verpflichtenden Gefühl verlassen, daß er durch diesen oder jenen Raum, beruflich, politisch, weltanschaulich, künstlerisch, in seinen Neigungen und Aufgaben oder in irgendeiner anderen Hinsicht angezogen, belehrt, innerlich ergriffen und gefördert worden ist. Auch in der musealen Volkbildungsarbeit gilt der Grundsatz: Jedem Etwas und jedem das Seine! Dieser persönliche Anreiz des Besuchers wird um so leichter zu erreichen sein, wenn die Ausstellungen Tagesfragen behandeln, die politischen und kulturellen Ereignisse der Gegenwart geschichtlich unterbauen, Jubelfeiern dieser oder jener öffentlich gewürdigten Gemeinschaften begleiten, kurzum zeigen, daß Vergangenheit und Gegenwart zusammenhängen und für eine tiefere Betrachtung zusammengehören. Da nun jeder Besucher - es sei erlaubt, dieses Selbstverständliche zu sagen - in der Gegenwart und zwar in seiner Gegenwart lebt und die Vergangenheit ihm ferner liegt, ist es oft schädlich, wenn er bei dem Rundgang durch die Schausammlung gerade zuerst das ihm zeitlich, räumlich oder sachlich Fernste zu sehen bekommt; es muß nicht jede zeitliche Rückschau mit der Jüngeren Steinzeit oder noch früher beginnen. Es muß nicht eine völkerkundliche Schau mit dem innersten Asien einsetzen. Es wird umgekehrt die Veranschaulichung einer Ortsgeschichte am besten mit einer Ausstellung über die Siedlungs- und Baugeschichte eröffnet werden, weil ihrer Zeugen und Ergebnisse ohnehin den meisten Besuchern bekannt sind. Die glückliche Auswahl und die wirksame Aneinanderreihung der einzelnen Ausstellungen erfordert eine genaue Kenntnis der Bildungslage und der Bildungswünsche der Mehrzahl der Besucher und somit der einheimischen Bevölkerung. Jeder Museumsleiter muß sich diese Kenntnis verschaffen und immer wieder, durch die persönliche Beobachtung seiner Gäste in der Schausammlung, auch innerhalb von Führungen, erneuern.
Utz Jeggle
Subjektive Heimat - objektive Musealität Zum Verhältnis von subjektiver Erlebnisfähigkeit und objektiven Ereignissen Die Entdeckung der kleinen Unterschiede, die Betonung von regionalen Charakterzügen, auch wo diese längst abgefahren sind, die Propaganda für "Stämme", die als einzige soziale Gesellungsform den Untergang zu überleben versprechen, die systemkritische Annäherung an die Heimat als Gegenwelt zur nivellierenden Einheitskultur, bringt neuerdings auch eine Institution wieder ins Gespräch, auf die man vor zehn Jahren allenfalls ideologiekritisch verächtliche Blicke warf: das Heimatmuseum.1 Es ist vielleicht auch ein Krisensymptom, daß nachdem die großen Fragen des Lebens ihre Antworten nicht in den globalen Veränderungsentwürfen fanden, plötzlich der Alltag, das kleine Milieu, die Subkultur, die Lebenswelt eine Rolle spielen, die in den Jahren nach 1968 sicherlich als revisionistisch wenn nicht kontenevolutionär gegeißelt worden wäre. Es mag darin auch Resignation stekken, aber zugleich eine realistischere Einschätzung der verändernden Potenz von Wissenschaft, speziell des Wahrheitsgehalts von sozial wissenschaftlichen Erklärungen und Deutungen. Was uns Kulturarbeitern wie eine Trendwende vorkommt, die wir an unserem veränderten Interesse festmachen, scheint jedoch in der sozialen Realität so gar keine Rolle zu spielen. Das Publikum hat wohl unbekümmert von Moden und Olitischen Neigungen dem Heimatlichen die Treue gehalten. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war in diesem Sommer zu lesen, daß 1981 11,7 Millionen Bundesdeutsche ein Heimatmuseum besuchten, das sind 100.000 Besucher mehr als die hochsubventionierten Kunst- und Landesmuseen fanden. 2 Zahlen sind zwar kein Argument, aber in ihnen drücken sich auch gewisse Erfahrungsvorlieben aus, die wir benutzen, zumindest aber registrieren sollten. Es gab ja eine Zeitlang eine Pädagogik des Ausstellungswesens, die stets besser wußte als die Leute selbst, was ihnen nützt. Der Museumsbesuch wurde zu einer Art therapeutischer Kur, am Ende wurde man abgefragt, ob man sein Pensum in der gebotenen Weise intus habe. In Evaluationsprogrammen wurde der Lernerfolg überprüft, der Museumspädagoge hatte eine Art ärztlichen Blick, mit dem er seine Kundschaft wie Patienten musterte, die entweder brav ihre Medizin schluckten oder aber Kopfschütteln verursachten, wenn sie die Heilmittel verweigerten. Ich will nicht zu heftig spotten, denn nach einem solchen Muster funktionierte auch die Mehrzahl der Ausstellungen, die das Ludwig-Uhland-Institut für empirische Kulturwissenschaft Tübingen in seinem kleinen Ausstellungsraum einer interessierten Öffentlichkeit anbot. Wir waren immer stolz darauf, daß zumeist mehr Leute zu uns kamen als in die langweilige Tübinger Kunsthalle; aber wir hatten auch oft den Eindruck, die Leute lernten nicht das, was sie sollten, sondern sie guckten einfach an, hielten sich nicht an den erklärenden Schautafeln und Kurven gebührend lange auf, sondern riefen Oma und Enkel hinzu, wenn sie auf
78 UtzJeggle einer Fotografíe, auf der wir Armut und hygienische Unzulänglichkeit präsentieren wollten, ihren Onkel Fritz entdeckten, der genauso wie auf dem Bild ausgesehen habe. Dieser subjektive Bezug zu den Ausstellungsobjekten störte gewissermaßen den Zutritt zum eigentlichen und führte auf biographische Abwege, die uns dem Lernziel nicht förderlich erschienen. Aus meiner Museumsbiographie Später erst habe ich begriffen - obwohl ich es vorher schon gewußt haben muß, daß die subjektive biographische Zugangsweise mit den objektiven Geschehnissen durchaus auch anders zu verknüpfen ist als nur im Sinne von Störung und Abweg, ja, ich vermute mittlerweile, die Störungen und Abwege sind wichtige Verknüpfungschancen und führen nicht immer ins Abseits, sondern oft auch ins Ziel. Das Heimatmuseum ist vielleicht der Ort, an dem solche Abirrungen in eigenwillige Verständnisprozesse besonders leicht möglich sind. Es könnte gewissermaßen ein Kreuzpunkt sein zwischen subjektiver Erlebnisfáhigkeit und objektivem Ereignis. Ein Schlüsselerlebnis war für mich der Besuch des Heimatmuseums in Leutkirch vor relativ kurzer Zeit. Er eröffnete mir dann auch die Erinnerung an andere wichtige Stationen meiner eigenen Museumsbiographie. In Leutkirch gibt es ein normales Heimatmuseum mit ein bißchen Stadtgeschichte, Zunftgeschichte, Handwerksgeschichte, einigen Uhren und Webstühlen, Spinnrädern und Bauernschränken, die die Räume füllen und die einem fremden Besucher aus Tübingen nicht unbedingt die Augen öffnen. Im Vorraum steht ein Landschaftsmodell, wohl aus Gips gefertigt, das so tut, als sei die naturräumliche Gliederung im Zeitalter der Raketen und des Kunstdüngers noch immer von wesentlichem Belang. Dieses Modell zeigt Leutkirch während der Eiszeit. Das vom Staub schon etwas grau gewordene Packeis liegt auf der oberschwäbischen Kleinstadt wie ein meterdicker Panzer, der sichtbar jedes Leben erfriert. Die alte Dame, die das Museum betreut, nutzte jedoch dann die Möglichkeit, durch einen einfachen Mechanismus das ganze Eis auf einen Schlag - bildlich gesprochen - abzutauen, und nur noch zwei winzige Ösen erinnerten nach diesem schöpfungsähnlichen Eingriff an die einstige Kälte; das Gipseis verschwand unter dem Modell, oben grünten die Weiden und fand die Argen ihr geschwungenes Bett, so einladend, daß die Vorfahren der Leutkircher natürlich hier und an keinem anderen Ort ihre Zelte - oder was immer sie hatten - aufschlagen mußten. Seitdem ist für mich diese Handlung identisch mit longue durée, ich habe das zwar bei Fernand Braudel auch verstanden , aber daß eine historische Theorie ein Bild finden kann, das als Metapher für große historische Prozesse und insgeheim sogar für metaphysische Eingriffe steht, das verdanke ich dieser Frau. Es ist also eine Anekdote, die mich lehrte, daß natürlich mein historisches Wissen sehr viel mehr Anekdotisches als Plötzgenaues enthält und daß es neben der historischen Theorie einen zweiten Strang gibt, der die Daten untergründig zusammenhält und der, obwohl er keinen Anspruch auf wissenschaftliche Rationalität erheben darf, für mich nicht weniger Halt gibt als der öffentlich abgesicherte, den ich in Büchern lerne und in den Seminaren lehre: es ist die Fähigkeit
Subjektive Heimat - objektive Musealität 79 der Sinne und Gefühle, solche Dinge festzuhalten und miteinander zu verbinden, die nach den Regeln der Kausalität nicht immer zusammen gehören, sondern sich eher wie Fontanes Stechlin durch tiefe dunkle Röhrensysteme miteinander austauschen. Die Aufnahmefähigkeit für Geschichte läuft also auch anders, als dies von einem Schüler oder einem Studenten zu erwarten ist. Ich würde mir den Krönungstag von Karl dem Großen nicht merken können, wenn es nicht ausgerechnet an Weihnachten passiert wäre, und man sich den Tag nach dem Geruch der Tannenzweige, die es damals noch gar nicht gab, rekonstruierte - und so sind die historischen Urerfahrungen sicherlich in erster Linie solche Akte sinnlicher und nichtverstandesmäßiger Einprägung. Ich will, um dies zu illustrieren, noch zwei weitere Beispiele aus meiner Museumsbiographie aufgreifen. In meiner Jugend lebte ich in Heidenheim auf der Ostalb. Dort gab es im Schloß Hellenstein ein klassisches Heimatmuseum, in dem neben allerlei Verstaubtem und mehr oder weniger Interessantem ein Zigarrenstummel Napoleons aufbewahrt war. Ich erinnere mich, daß ich vor diesem zerkauten braunen Tabakstück großen Auges stehenblieb, obwohl der Lehrer schon damals dieses historische Überbleibsel mit Ironie aus dem Museum wies. Für mich war es ein Zeichen bewunderns- und wahrscheinlich auch beneidenswerter Größe: daß von einem Menschen noch der Abfall aufgehoben wurde, daß einer eine Sache zum geschichtlichen Gut machte, nur durch den Vorgang, es im Mund gehabt und zerkaut zu haben. Es war für mich Abglanz historischen Glanzes. Die zweite Assoziation rächte gewissermaßen die erste, verdunkelte und verspottete diesen Glanz. Für mich befand sich Napoleon auf der Flucht, er kam geschlagen und gehetzt von der Völkerschlacht aus Leipzig, um ausgerechnet in Heidenheim die Zigarre aus dem Fenster seiner Kutsche zu werfen. Wäre der sammelnde Geschichtsfreund nicht gekommen, sie hätte sich in Asche und Rauch aufgelöst. Der aufhebende Historiker hat den Zigarrenrest erst zur Geschichte gemacht. Die Welt Napoleons hat sich in Dunst aufgelöst, und nur im gesammelten, unter Glas gestellten Stummel wird ihre Größe festgehalten. Ich hätte dies als 12jähriger sicher nicht so gesagt, aber ich habe es genau so empfunden. Und Napoleon ist für mich der hastige Zigarrenraucher geblieben, dessen Größe ganz in der Hand der Kippensammler der Weltgeschichte liegt. Ich zitiere eine zweite Vignette aus meiner Erinnerung. Sie handelt vom Krieg und vom Sterben. Ich glaube, es war im gleichen Museum. Dort war ein Tableau, in dem Zinnsoldaten die Schlacht von Oberelchingen (1805), in der Napoleon den Kaiserlichen seine Übermacht demonstrierte, veranschaulichten. Das Schlachtfeld war genau nachgestellt, die Uniformen stimmten mit den historischen Vorbildern überein. Es gab Reiter, große Gruppen von Infantrie, bleierne Büsche, und es gab, für mich Anziehung und Abschreckung zugleich, den bleiernen Tod, als Pendant zu den einschlagenden und krepierenden Kanonengranaten, die aus einem gelben Kern rote Bleistrahlen entsandten. Überall da, wo so eine Detonation aufgestellt war, hatte der Arrangeur die benachbarten Kämpfer, egal ob zu Pferd oder niederes Fußvolk, umgelegt. Das Sterben war spielerisch und mechanisch zugleich. Es transportierte anschaulich den Begriff von "gefallen", der sich mir als Kind sehr tief eingeprägt hat, weil mein Vater in
80 UtzJeggle Rußland gefallen war. Hier war es zu sehen - als Spielzeug - und deshalb erträglich. Aber gleichzeitig war dieses Panoptikum auch Beschwörung schwerster Ängste, daß solches bemalte Blei im Ernstfall auch reales Leben zu Fall bringen konnte. Der Mensch ordnet für sich die schwierigsten und unverständlichsten Dinge in Bilder, die ihn insgesamt weit mehr beschäftigen als der Inhalt von Begriffen. Alles was sich begreifen läßt, ist ein Stück weit auch erledigt - geklärt und abgeklärt. "In demselben Maß als sich das Denken (auf welchem die Erfahrung beruht, als die Fähigkeit Erlebtes wieder zu erkennen, zu ordnen und zu beziehen) emanzipiert vom Herzen, dem Mittelpunkt der einmaligen Erschütterungen, in dem selben Maße verselbständigt sich das Wiederkehrende, Kategorisierbare, Abstrahierbare im Schaffen. Das ist ein Alterszeichen." Mag sein, daß mit zunehmender Reife die einmaligen Erschütterungen abnehmen, aber es ist altersunabhängig, daß die zellteilende Fähigkeit des Bildes stets Neues gebiert und dadurch Verständnis vorangetrieben wird. Die Kernfragen des Lebens - und ich hoffe, dies ist nicht nur meine Form von Bewältigung, werden viel eher in solche Bilder als in Begriffe gefaßt. Der Zigarrenstummel und die bleibunt krepierende Granate sind solche Beispiele, die mich in Spannung halten, die auch, wenn ich mich jetzt bei diesem Referat damit beschäftige, Neues generieren. Es ist nicht verwunderlich, wenn auch das Unerträgliche, die Welt der Konzentrationslager und der Vernichtungsstätten ihre Wahrheit für mich zumindest in Bildern gefunden hat. Das erste Mal, daß ich wahrnahm, was die Zahlen und die Daten, die man in der Schule lernte, für die Betroffenen und Überlebenden, die Opfer und die Täter, die Nachfahren von beiden bedeuten, ereignete sich in Betrachtung des Films von Alain Resnais, "Bei Nacht und Nebel". Seitdem sind Bilder in mir, die ich nicht in Worte fassen will und die mich in ihrer Wertlosigkeit auch schützen; aber sie haben das Vermögen, für mich die Grenze des gerade noch Erträglichen zu finden und mich so ebenso vor dem Wahn als auch der Gleichgültigkeit zu bewahren.
Erinnerung - gesellschaftlich und im Individuum Bis jetzt war viel von mir die Rede, das tut mir leid, denn es geht nicht um mich, sondern um die Subjektivität einer bestimmten Sorte historischer Erfahrung. Subjektivität heißt auch Filter, der Abträgliches so dosiert, daß es erträglich wird. Aber es heißt auf der anderen Seite auch, sich auf Dimensionen und Zusammenhangssysteme einzulassen, die jene objektivistische Art von Geschichte zu betrachten sehr leicht durch der Biographie entfremdete Daten zerdrückt. Deshalb will ich diese Verbindung zwischen individueller Erinnerung und kollektiver Geschichte noch einmal neu zu bestimmen versuchen. Ich fasse das Resultat der kleinen Beispiele in vier Punkten zusammen: a) Erinnerung funktioniert im Leben anders als in den Geschichtsbüchern.5 Das heißt, die objektiv abgelaufene Geschichte hat natürlich mit den subjektiv gemachten Erlebnissen zu tun - mein Vater ist im Zweiten Weltkrieg gefallen und
Subjektive Heimat - objektive Musealität 81 nicht nur in meiner Erinnerung. Aber die Fragen des Subjekts sind nicht die objektiven Ereignisse geteilt durch die Zahl der Population. Erlebnis von Geschichte erscheint dem einzelnen als Totalität, die dem Subjekt wahrhaftiger vorkommt als das schattenhafte Dasein von irgendwelchen Epochen oder Zeitgrenzen, die durch Wissenschaftler definiert werden. Die subjektive Erinnerung deucht sich einzigartig und vergißt, daß ihre Form gleichfalls durch und durch kultiviert ist, gelernt, gesellschaftsspezifisch. Ich habe mein Privatmuseum: eine Schublade im Schreibtisch mit allerhand Reliquien und Geheimnisträgern, die mir allesamt ihre Geschichte erzählen. Aber trotz des Schubladendaseins und des intimen Charakters bin ich sicher, daß Hunderte ganz ähnliche Privatsammlungen ihrer Geschichte besitzen. Das im äußeren Eigene und Private bedient sich also offensichtlich gängiger sozialer Formen. Das heißt für das Heimatmuseum, es kann sich solche Sammelsurien aneignen und die Betrachter als Subjekte ansprechen; denn durch diesen Sozialcharakter der Form des Erinnerns wird eben nicht nur der einzelne getroffen, sondern es werden zugleich Menschen mit vergleichbarer Geschichte in einen Zusammenhang gestellt, den sie gefühlsmäßig verstehen. Das Museum muß etwas im Herzen treffen und dort diese Erschütterung erreichen, nur so kann Geschichte aus dem Staube erlöst und gewissermaßen lebendig in die Erinnerung gesetzt werden. b) Geschichtliche Kreuzungen, an denen manches zusammen, manches auch durcheinander kommt, lassen sich fruchtbarer und vielschichtiger in Bilder und Anekdoten fassen als in der klassischen Geschichtsform - dem Bericht. Er ist, das wird manchmal vergessen, auch nicht die Sache selbst. Noch der genaueste und der geschwätzigste Historiker bedient sich des Mediums der Sprache. "Ceci n'est pas la pipe", würde Magritte sagen - vermutlich auch zum Museumsmann; denn dies ist zwar ein Hochzeitsschrank, aber er ist ein Museumsstück und führt als ausgestopftes Wesen eine durchaus neue Existenz. Bilder sind explosiv, bergen in sich mehr als auf den ersten Hinblick begreifbar ist. Sie bewahren gewissermaßen Überschüsse und sind dialogfähig; in der Zwiesprache mit ihnen werden auf neue Fragen auch neue Antworten gefunden. c) Die subjektiv bewahrte Geschichte ist nah verwandt der Erzählform-Geschichte. Im Hervorholen wird sie gegenwärtig und jeweils neu geschaffen. Erinnerung ist kein Archivgebäude mit Regalen und begehbaren Fluren. Man kann nicht zu den Dienstzeiten ausheben und dann in den abgelegten Notizzetteln der Vergangenheit blättern. Die Situation des Erinnerns bestimmt mit, was wie erinnert wird - die Form, ob schriftlich oder mündlich, der Auftraggeber - ein Freund, ein Verwandter, ein neugieriger Wissenschaftler, der Ort - zu Hause, in der Wirtschaft, im Büro, wer noch mit dabei ist - der Ehemann, die Kinder, das Tonbandgerät. Ob man dem realen oder imaginären Gegenüber traut, ob man es, ihn mag, ob man ihn haßt, ob er gleichgültig ist? Dann, was er von einem möchte - erzählen Sie mal, wie es früher war, erzählen Sie, damit ich Ihren Dialekt höre, erzählen Sie mir Ihre Geheimnisse, etc.? Erinnerung ist also einerseits eingebunden in den Kontext der Lebensgeschichte, als Älterer erinnere ich mich anders an die gleichen Dinge als der Jüngere, hinzu kommt aber, daß die jeweilige gegenwärtige Situation diese Vergangenheit
82 UtzJeggle mitproduziert, sie bestimmt die Tonart, die Reichweite und die Genauigkeit. Dabei ist der Unterschied zwischen akademischer und erzählter Geschichte zumindest in der Form nicht so groß, wie die Wissenschaft meint. Denn daß die jeweilige Geschichte wahr sei, glaubt der Erzähler so gut wie der Wissenschaftler; und der Geschichtenerzähler gibt immerhin zu, daß er die Form der Darstellung wählte und eigene erzählspezifische Akzente und Pointen setzte. In der Geschichtswissenschaft dagegen erscheint die Subjektivität mit Vorliebe als neue Theorie oder als Dementi und Richtigstellung aller Vorgänger, d) Die im Bild oder in einer Geschichte gefaßte Geschichte gibt die Möglichkeit, die eigene Geschichtlichkeit, das heißt die eigene Beschränktheit und Ausgeliefertheit an historische Prozesse ernst nehmen zu dürfen. Wann der Krieg begann und wann er endete, die Daten und Aufmarschpläne der Schlachte, die kill-rate und die Tonnage der abgeworfenen Bomben, das sind unerhörte Anstrengungen, zur Zahl zu machen, was an nicht quantifizierbarem Entsetzen, an statistisch nicht erfaßbarer Unmenschlichkeit passierte. Die Geschichten, die Bilder sagen mehr über den Charakter des Krieges, wenn sie etwas in Erschütterung bringen. Deshalb ist freilich Erinnerungsarbeit nicht durchweg planbar, in dem Sinne nicht berechenbar. Die Emotion kann sich auch in kalter Abweisung verbergen und dann erst sehr viel später aufbrechen. Das heißt, Pädagogik der Geschichte muß die Überraschung zulassen, muß Wagnisse eingehen; es braucht Blitze, um gegebene Zusammenhänge zu erleuchten, vielleicht zu zerreißen und dadurch neue herstellbar zu machen. Denn was beschäftigt einen den Tag über im Kopf? Nicht das fixfertig in den Begriff Abgepackte, sondern das Rätselhafte, das nicht aufgeht und deshalb einen nicht in Ruhe läßt, sondern bewegt, quält und in Atem hält. Das Rätsel hat eine spezielle Dramaturgie, es verknüpft Altbekanntes so, daß plötzlich ein neuer Zusammenhang entsteht. Die Antwort steckt stets schon in der Frage, aber sie ist so geschickt verborgen, daß das Neue nicht sofort aus den Wörtern fällt. 6 Wenn man dies auf unser Problem überträgt, könnte es eine Chance der Nahwelt sein, so viel Sicherheit zu bieten, daß solches symbolisches Herausfallen möglich wird. Die Nähe erlaubt, auch ein Stück weit Fernes und Fremdes zu akzeptieren. Das ist sicher auch ein Grund, weshalb so viele Menschen in den Heimatmuseen auftauchen, die Bekanntheit gestattet auch, auf das Unbekannte näher einzugehen. Ich denke, niemand geht in ein Museum, um nur das zu finden, was er weiß. Es kommt immer noch etwas hinzu, ein Stück Abenteuer, Entdeckung, Erschütterung, um zu dieser aber fähig zu sein, braucht es auch der Sicherheit. Das ist ein Teil des Prinzips Heimat. Das heißt, das Heimatmuseum stellt nicht nur die Heimat aus, sondern es bietet auch als Ort die räumliche Spannung zwischen Zuverlässigkeit, Schutz und dadurch ermöglichter Neugier und Verunsicherung.
Was Heimat nicht ist Was Heimat sei, soll uns hier als nächstes beschäftigen, in dem wir zuerst fragen, was sie nicht ist. Ich greife drei Punkte aus der Diskussion heraus.
Subjektive Heimat - objektive Musealität 83 a) Natürlich ist sie nicht Butzenscheibe und Spinnrad. Das ist ein schreckliches Mißverständnis der industriellen Welt, daß die aus dem Kontext der Arbeitsbedingungen gelösten Artefakte plötzlich den Schein von Heimeligkeit und Nähe gewinnen. Im Schmerz über die zunehmende Fremdheit dieser neuen Maschinenwelt, die sich an Orte ebensowenig hält wie an Traditionen, ist sicher auch ein realer Kern an Trauer. Im Gewinn des Neuen ging orts- und zeitgebundenes Altes unter, die Erinnerung daran ist allerdings merkwürdig organisiert. Entweder wird dies alles als dunkle, qual- und mühevolle Vorzeit geschmäht - oder aber man verzehrt sich in Sehnsucht nach dem Teil der verlorenen Nähe, der nur die kommunikativen Möglichkeiten der Engpässe sieht. Über die Schwierigkeiten und Chancen des Heimatmuseums, Vergangenheit als andere kulturelle Möglichkeit sichtbar zu machen, indem beide Seiten der Enge gezeigt werden, eben das Bedrückende sowohl wie das Wärmende, soll nachher noch kurz die Rede sein. b) Heimat ist nicht herrschaftsfreier Raum. Auch das wäre trivial, wenn nicht allzu lange an Volksgemeinschafts- und anderen Gemeinschaftsmodellen herumgedoktert worden wäre, und die Nahwelt aufgrund persönlicher Beziehungen zum egalitären Frei-Raum umgedichtet worden wäre. Unser zeitlicher Abstand produziert leichte Fehleinsichten. Die Vergangenheit wird verstehensmäßig dem Heute so streng untergeordnet, daß Begriffe der Gegenwart bedenkenlos als metahistorische Werkzeuge mißbraucht werden. Ich erinnere mich an eine Diskussion, in der ich versuchte, eine Skizze des Dorfes im 19. Jahrhundert zu entwerfen. Ich verwies auf merkwürdige Fesseln und Stillegungen, die zugleich aber auch Schutz vor dem Abgrund bedeuteten. In der Diskussion fragte ein Historikerkollege, leicht vorwurfsvoll und seiner Sache sicher: Klassenkämpfe gab es da wohl keine? Ich war geneigt, nein zu sagen, um ihm danach zu erklären, welche tödlichen Kämpfe zwischen oben und unten, Alten und Jungen, Besitzenden und Besitzlosen geführt wurden; und wie dieses sozial zerklüftete Gebirgsmassiv zugleich eine Einheit und Gemeinschaft bildete, die in bestimmten Situationen, Not, Arbeit, Rites de passage, jenseits aller Kämpfe zusammenhielt. Er hätte dann gesagt, genau das sind Klassenkämpfe, und das, was als Gemeinschaft erscheint, ist nur ein Trick der herrschenden Klasse, um ihre Macht zu sichern und in die Kultur des Dorfes einzusenken. Vielleicht sind es wirklich Klassenkämpfe, aber der gleiche Begriff, der für den Kampf der Arbeiter gegen ein sie ausbeutendes Kapital sinnvoll sein kann, muß für eine dörfliche Lebenswelt nicht unbedingt ähnlichen Erkenntnisgewinn bringen. In der Erforschung des kleinen Milieus sind solche großen Begriffe zu starr und ungelenk, sie vermögen es nicht, sich historischen Begebenheiten anzugleichen, sie können sie nicht abtasten und so ihre Wesenszüge entschlüsseln. Aus dem historischen Material sind auch die Begriffe für dessen Verständnis zu "komponieren", wie es bei Max Weber heißt. Nur so wäre, um zu unserer Frage zurückzukommen, beides zu sehen: daß Gemeinschaft nicht in unserem Sinn soziale Gleichberechtigung und nur emotionale Nähe bedeutet, und daß soziale Disparitäten nicht tagtäglichen Kampf aufs Messer bezeichnen. Wer von Heimatgeschichte redet, muß beide Aspekte zusammen sehen können - das Trennende und das gemeinsam Verbindende.
84 UtzJeggle e) Schließlich ist Heimat auch nicht die Miniaturausgabe der ganzen Welt. Gerade weil es Unterschiede gibt, natürliche, historisch gewordene, sind sich Regionen nicht gleich. Der Heimatforscher wird sich damit abfinden müssen, daß bestimmte Dinge in seiner Heimat keine Rolle spielen, ja er wird auch zu akzeptieren haben, daß es Strukturen der Welt gibt, die nicht sinnlich genug sind, um sich zu jeder Zeit und an jedem Ort niederzuschlagen. Das Wesen des Feudalismus wäre vielleicht noch augenfällig zu machen, aber den Kapitalismus in Memmingen allein zu verdeutlichen, das scheint eine schwierige Aufgabe, soll sie mehr einlösen, als die vielleicht richtige aber unzulängliche Darstellung von frühindustriellem Pauperismus oder dem Erfindungsgeist irgendwelcher lokaler Ingenieure. Eine Studentin an unserem Institut, Roswitha Anft, hat die sozialen Aktivitäten der WMF in Geislingen untersucht und festgestellt, daß da von der Krankenfürsorge bis zur Bibliothek alles vorhanden war, und daß dieses paternalistische Modell bis heute etwas Sympathisches hat, dessen anderes Gesicht sich erst in der Krise zeigt, wenn auf Kosten des eigenen Untergangs dem Kapitaleigner nichts anderes übrig bleibt, als ein bislang mildtätig eingesetztes Kapital anders zu verwerten. 9 Die Analyse der Nahwelt ist nicht immer geeignet, um Strukturgesetze zu fassen, globale Zusammenhänge zu begreifen. Begreifen ist jetzt hier gegenübergestellt der vorher beschriebenen anderen Form der sinnlichen Anschauung, die nicht Klarheit sondern zunächst Erschütterung bewirkt. Das Heimatmuseum ist also kein Exerzierplatz von allen historischen Prozessen; indem wir im Museum zeigen, daß eine Sache auch zwölf Kilometer entfernt stattfindet, machen wir sie noch nicht unbedingt nahe. Solche emotional unberührte, in Metern meßbare Nähe ist im Grand auch nur eine versteckte Erscheinungsform von Distanz. Beim Prinzip Heimat geht es ja neben der räumlichen um die berührende Nähe. Das Wesen der Arbeitslosigkeit beispielsweise läßt sich sicher nicht heimatgeschichtlich an der Wurzel fassen, aber die Marienthal-Studie von Lazarsfeld und anderen ist wohl deshalb eine unvergeßliche Erschütterung für jeden Leser, weil sie die sozialen und seelischen Folgen so hautnah beschreibt, daß Berührung nur bei jemand ausbleibt, der Interesse an einem niedrigen Preis der Ware Arbeitskraft hat. Die Erfahrungsform der Heimat ist also nicht auf Glück und Harmonie abonniert. Es ist auch eine Chance der Heimaterfahrung Unglück, durch Menschen bereitetes Leid verständlich und dadurch bekämpfbar zu machen.
Ausstellung des räumlichen Wesens des Menschen Was ist nun aber Heimat - positiv gefaßt? Wie wäre sie im Museum als einem sozialen Ort der Erinnerung und Aufbewahrung von Geschichte erfolg-, das heißt zukunftsreich zu präsentieren? Ich greife eine Kette von Definitionskennzeichen heraus, die mir für unseren Kontext belangvoll erscheint. Heimat hat mit dem räumlichen Charakter der Welt zu tun, genauer: "das Dasein des Menschen ist räumlich". 10 Heimat, so meint Ina-Maria Greverus, ist ein territorialer Imperativ, 11 den einzuhalten Notwendigkeit besteht, auf Kosten des physischen und psychischen Wohlergehens. Bedürf-
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nisgerechtigkeit und eine gewisse Sozialfreundlichkeit sind die äußeren Voraussetzungen, zu denen dann noch emotionale hinzukommen müssen, um ein eudämonisches Minimum zu gewährleisten. Ich zitiere eine der vielen Heimatdefinitionen: "Heimat ist die menschliche, landschaftliche und geschichtliche Umwelt, in der sich der Mensch identifiziert, rational und emotional bindet und sichert, und die er sich immer neu schafft." Das Zitat macht deutlich, daß Heimat viel mehr ist als nur Raum, es ist die natürlich bedingte, historisch gewachsene, den Menschen herausbildende Beziehung zu einem Raum. Dieser Raum ist durch Arbeit von Menschen kultiviert und von Menschen belebt. Nach der Neutronenbombe wird es zwar noch die geologische Formation Schwäbische Alb geben, sie wird aber Niemandem mehr Heimat sein. Heimat ist etwas "Erfülltes", egal ob es in der Zukunft als Sehnsucht aufscheint - wie beispielsweise bei Ernst Bloch - oder aber in der Vergangenheit als Verlorenes aufschimmert, wie im Normalfall. Der deutschschreibende Schriftsteller Elias Canetti hat im ersten Band seiner Memoiren ein Sätzchen geschrieben, das sehr wohl die oben genannte Erschütterung auszulösen vermag: "Alles was ich später in meinem Leben erlebt habe, war in Rustschuk (dem Dorf in Rumänien, in dem Canetti als Kind jüdischer Eltern aufwuchs) schon einmal geschehen."14 Und er hat sehr vieles erlebt: Vertreibungen aus Paradiesen, Konflikte und Verbannungen, Aussiedlung und Trennung. In Rustschuk war nicht nur die zärtlich verwöhnende Mutter, auch die bestrafende, es gab nicht nur das Spiel und das Ergötzende, auch den Schreck und den Schock. Das macht die Totalität des Prinzips Heimat aus, auch da wo diese zugunsten bloßer Harmonie geleugnet wird. Die Heimat des Kindes ist nicht nur Honigschlecken. Die gesamte Erlebnisfähigkeit des späteren Erwachsenen wird da ausgebildet, seine Kraft, Glück und Schmerz ertragen zu können, mit Vereinigungen und Trennungen umzugehen. Gut, man ist durch die Eltern geschützt, und man überlebt auch die größten Risiken. Gehen sehr frühe Beziehungen zu Personen schief, ist die Fixierung auf einen Raum oft auch Ausdruck dieses Mißlingens, die Bindung an einen Ort die Folge von personalen Trennungsängsten und emotionaler Deprivation. Es kommt ja nicht von ungefähr, daß die Heimat besonders heftig von jenen beschworen wird, die sie verloren haben, und daß die Heimatdiskussion in Deutschland besonders von den Heimatvertriebenen wach gehalten wurde. Die Heimatvertriebenen zeigen, welch schreckliche Wunden bei gewalttätiger räumlicher Trennung entstehen, die nie richtig vernarben können. Die Heimatvertriebenen zeigen aber auch, daß solche Trennungen zur Idyllisierung und Idealisierung von räumlichen Gegebenheiten führen können. Denn schließlich ist diese Heimat der Kindheit nicht nur nah und nett, sondern sie ist in ihrer Vulgarität und Bosheit, ihrer Gewöhnlichkeit und Kriminalität auch etwas außerordentlich Durchschnittliches, das einem die Chance böte, zu erfahren, daß Menschen im Regelfall durchschnittlich sind. Das bisher übliche Prinzip Heimat liebt es, sich als moralisch antiseptisch darzustellen. Das bedeutet Ausgrenzungen und Ausweisungen. Es gibt dann auch im Museum Heimatlose, die nicht dazugehören. Es müssen ja nicht immer die Langhaarigen und die Juden sein, es können manchmal auch die kleinen Nazis
86 UtzJeggle sein, die man ausgrenzt, damit man genau weiß, wo der Feind sitzt und sich ganz sicher ist, daß er mit einem selbst nichts zu tun hat. Das Prinzip Heimat müßte schon auch lehren, daß wie im Raum so auch im Innenraum seltsame Wünsche vermischt sind - und man sich seiner nie so recht sicher sein darf. Dazu auch eine Anekdote. Der Schriftsteller Jean Améry fragte auf einer Tagung in Bad Segeberg 1977: "Wieviel Heimat braucht der Mensch?" Er erzählt darin die Geschichte, die ihm als in Belgien untergetauchtem Widerstandskämpfer passierte: "Eines Tages nun ereignete es sich, daß der unter unserem Versteck wohnende Deutsche sich durch unsere Reden und unsere Hantierungen in seiner Nachmittagsruhe gestört fühlte. Er stieg hoch, pochte hart an die Tür, trat polternd über die Schwelle: ein SS-Mann mit den schwarzen Aufschlägen und den eingewebten Zeichen ausgerechnet des Sicherheitsdienstes! Wir waren alle bleich von dem tödlichen Schreck, denn im Nebenzimmer standen die Utensilien unserer, ach, den Bestand des Reichs so wenig gefährdenden Propaganda-Arbeit. Der Mann aber, in aufgeknöpfter Uniform-Jacke, wirrhaarig, aus schlaftrunkenen Augen uns anstarrend, hatte gar keine in sein Jagdmetier einschlägigen Absichten, verlangte nur brüllend Ruhe für sich und seinen vom Nachtdienst ermüdeten Kameraden. Er stellte seine Forderung - und dies war für mich das eigentlich Erschreckende an der Szene - in Dialekt meiner engeren Heimat. Ich hatte lange diesen Tonfall nicht mehr vernommen, und darum regte sich in mir der aberwitzige Wunsch, ihm in seiner eigenen Mundart zu antworten. Ich befand mich in einem paradoxen, beinahe perversen Gefühlszustand von schlotternder Angst und gleichzeitig aufwallender, familiärer Herzlichkeit, denn der Kerl, der mir in diesem Augenblick zwar nicht gerade ans Leben wollte, dessen freudig erfüllte Aufgabe es aber war, meinesgleichen in möglichst großer Menge einem Todeslagen zuzuführen, erschien mir plötzlich als ein potentieller Kamerad... In diesem Augenblick begriff ich ganz und für immer, daß die Heimat Feindesland war und der gute Kamerad von der Feindheimat hergesandt, um mich aus der Welt zu schaffen." 15 Das Beispiel lehrt voller Entsetzen, daß die Heimat auch mörderische Bedrohung sein kann, und daß die natürliche Geborgenheit und Behaustheit, die sich Heimat nennt, schon eine Lüge sein kann. Es gilt, aus der Heimat auch das Böse zu erlernen und zu akzeptieren, daß diese Heimat als Insel des Seligen gefahrlich illusionär ist. Wer nur Heimat sagt und nicht auch Heimatlosigkeit mitdenken kann, täuscht sich oder anderen etwas Idealisiertes vor. Die Erfahrung von Heimat als einer sozialen Realität birgt auch die Erfahrung der Gefahr, sie zu verlieren. Nur wer das andere ahnt, kann das eine auch kennen. Eine solide Beziehung zur Heimat entwickelt sich deshalb nur unter Beiziehung ihrer imaginierten Negation: nur wer sich vorstellen kann, was es heißt, Heimat zu verlieren, kann sie unzweideutig besitzen. Es ist augenfällig beim Phänomen Heimat und sicherlich folgenreich für eine museale Praxis, daß solche Komplementärbilder unabdingbar sind, um die Sache begreifbar und darstellbar zu machen. Die ungefährdete Heimat, die still in sich ruht, bedarf nicht des Nachdenkens und der Dokumentation. So wie sich das Wesen der Bewegung nur im Anhalten erschließt - zum Glück, wenn man an die atemlose Drehzahl unseres Planeten denkt, das Wesen des Lärms nur in der Stille
Subjektive Heimat - objektive Musealität 87 - die Bewohner von Niagara Falls konnten angeblich nicht einschlafen, als das Tosen der Wasserfálle in einer winterlichen Nacht durch Eisbarrieren verstummte - so gewinnt auch Heimat ex negativo erst Gestalt. Ich will das an fünf Spannungsbögen aufzeigen. 1. Nähe und Ferne. Peterchens Mondfahrt gelang nur aus der Sicherheit des eigenen Betts, und sie lehrte gleichzeitig träumend die Bedeutsamkeit des Eigenen. 16 Früher genügte ein Traum - nur wer die Lust verspürt, "das All sich zu erfliegen", der findet "fröhlich zurück zu dem kleinen Punkt, in dem man in der Nähe zuhause ist."17 Es ist sicher ein interpretierenswertes Zeichen über das schief gewordene Verhältnis von hier und dort, daß man es sich Milliarden Dollar kosten ließ, um einen schönen Traum in banale Wirklichkeit zu verwandeln. Das Ferne als das Andere, als Unvertrautes deckt die Vertrautheit der Nähe auf, macht sie überhaupt erst erfahrbar. 2. Vergangenheit und Zukunft. Erst diese doppelte Perspektive gibt einen sicheren Halt in der Realität der Gegenwart. Bloß rückwärtsgewandte Heimatliebe ist Regression, Sehnsucht nach einem nie wirklich vorhanden gewesenen Ort umfassender Befriedigung. Die Heimat als die Mutterbrust, an der man zwar sehr glücklich, aber ein völlig abhängiges Kleinkind war, das ist nicht der hoffnungsvolle Vorschein von Zukunft, der in jedes Kinderdasein fällt. Die idealisierte Illusion als eine solche zu akzeptieren, könnte das Verhältnis von Traumkraft und Realitätssinn produktiv werden lassen. Dazu gehört die Einsicht, daß Erwachsensein, auch gattungsgeschichtliches, mit Verzicht zu tun hat. Zugleich ist die Geschichte der Lehrmeister, daß dieser Verzicht allzu oft als Instrument von Gruppenherrschaft benützt und gepredigt wurde. Das braucht man angesichts der gegenwärtigen politischen Befriedungstechniken nicht weiter auszuführen. Der Verzicht auf Illusionen muß die Beschäftigung mit der Geschichte vermitteln, aber er darf nicht einhergehen mit dem Verzicht auf zukünftige Ziele. 3. Individuell und kollektiv. Heimat ist meine Beziehung zu einer mir sinnlich zugänglichen Umwelt, also etwas ausgesprochen Eigenes. Zugleich bin ich ein Teil dieser räumlichen Umwelt, steckt sie als historische Prägung in mir. Das heißt das Eigene besteht aus uneigenem Stoff, erst das Ergebnis bin Ich. 4. Fremd und eigen. Das Fremde und das Eigene sind in mir verknüpft. Aber das heißt nicht, daß diese Verbindung so umfassend wäre, daß Heimat und ihre Geschichte in mir aufgehen. Es gibt Dinge, die bleiben fremd und unvertraut. Wer Geschichte nur als Vorläufer des Heute und nicht auch als andere Möglichkeit versteht, wer aus dem zeitlichen Nacheinander und dem räumlichen Nebeneinander alle die Elemente eliminiert, die in andere Richtung weisen, der unterstellt einen Weltgeist, der zielsicher durch die Entwicklungsstadien menschheitlicher Existenz galoppiert, und mag nicht eingestehen, daß es auch historische Scheidewege gibt, zu denen man zwar nicht zurück kann, die aber zugleich andere Möglichkeiten des Menschen und seiner Entwicklung bedeutet hätten.1 So ist Geschichte und Regionalkunde auch Bewahrung von Material, das dem Heute nicht subsumierbar ist, sondern Lösungen enthält, die sich nicht bruchlos zeitgenössischer und zeitgemäßer Theorie einfügen. 5. Innen und außen. Heimat als Beziehung zu einem Raum hat neben der realen räumlichen Dimension eine genauso wichtige innerlich-symbolhafte. Man kann
88 UtzJeggle viel oder wenig Heimat in sich haben, das zeigen die Flüchtlinge, aber zugleich braucht es auch der gegenständlichen Versicherung, daß dieses Potential von Erinnerungen von imaginierten Phantasiebildern zu unterschieden ist. Die Innenwelt kann nicht auf Uberprüfung in der Außenwelt verzichten. Gleichzeitig ist gerade das Terrain Heimat ein wichtiger Beleg dafür, daß Raum und seelische Bearbeitung sehr verschiedene Medien sind. 6. Einfach und schwierig. Heimatgeschichte gilt vielfach als der sorglose Teil der Vergangenheit. In der Heimat gibt es allerhöchstens Opfer, nie Täter, es gibt selten Verbrechen und nie Verbrecher. Heimatgeschichte darf nicht Sonnenscheinforschung sein, sie ist auch Last und Mühe. Es braucht der Bereitschaft, das Böse auch als eigenes und sehr Nahes zu akzeptieren, um es so wirkungsvoll bannen zu können. Freilich erfordert diese Erfahrung ein sehr verantwortungsvolles Verhältnis zwischen Wissenschaft und Bevölkerung. Wir haben vom Ludwig-Uhland-Institut aus im letzten Jahr ein Dorf "erforschen" wollen, indem wir zusammen mit den Bewohnern eine Ausstellung über die "letzten 100 Jahre des Dorfes" arrangieren wollten. Es gab bei der Zusammenarbeit sehr viele Widerstände, so daß wir schließlich nach einigen Terminverschiebungen die ganze Sache platzen lassen mußten. Es gibt deutliche Hinweise, daß wir speziell über die Nazi-Zeit zu viel wußten, daß uns die Dorfbewohner zwar gesprächsweise Dinge anvertrauten, das Dorf uns aber nicht vertraute, mit diesen Ereignissen auch verantwortlich umzugehen. Eine Frau hatte per Denunziation einen ausländischen Landarbeiter der Gestapo ans Messer geliefert. Ein knappes Jahr später wurde das Dorf von englischen Bombern angegriffen und zu einem knappen Drittel zerstört. In der Erinnerung des Dorfes gehören diese Geschehnisse zusammen. Die Zerstörung ist auch Strafe, Ausdruck historischer Gerechtigkeit. Die Denunziantin lebt noch im Dorf, und sie heißt - nicht für auswärtige Ohren - Polenhenkerin. So trägt sie seit fast 40 Jahren das Zeichen ihres Verbrechens. Das Dorf ahndet Freveltaten auf seine Weise, es schließt die Mörder nicht aus. Sie gehören dazu, aber sie haben mit ihrer Schuld zu leben. Es gibt kein Gefängnis, aber es gibt auch keine Verzeihung. Wie soll man damit als wissenschaftlicher Interpret umgehen? Wie ließe sich ein solches gruppenspezifisches Strafgebaren aus diesem dörflich-vertrauten Kontext in den objektiven Raum eines öffentlich-zugänglichen, von einem fremden Profi gestalteten Heimatmuseums übersetzen?
Lokale Erfahrung - wissenschaftliche Objektivität Das Heimatmuseum stellt die Heimat aus, es ist aber auch denselben heimatlichen Prinzipien unterworfen. Es braucht die Kraft des Begriffs, aber auch die der Sicherheit des Gefühls. Der von außen kommende, aufklärende Lichtbringer ist deshalb für ein Heimatmuseum nur eine halblebige Sache. Er bringt zwar genaue und wissenschaftliche Kategorien ins Spiel und verhindert so Verdunklung und Tarnung. Aber seine Regeln und Interpretationen sind dem eigenen, heimatlichen
Subjektive Heimat - objektive Musealität 89 Sinngebungsverfahren in vielem fremd. Er muß sich auf diesen Sinnzusammenhang einlassen, das heißt aber auch, er muß ein Stück weit dazu gehören. Durch das Mißlingen der Synthese, und das ist in den deutschen Heimatmuseen das Normale - es gibt entweder besserwisserische Kolonialisierung von außen oder dunkelmännerische Anekdotisierung von innen - wird die Entzweiung von wissenschaftlich legitimierter Geschichte und erinnerten, erzählten Geschichten vorangetrieben. Die große Geschichte ist gut für die Schule und die Bücher im Schrank, aber sie hat mit unserem Leben nichts zu tun. Die große Geschichte erscheint so als etwas Fremdes und Unbeeinflußbares, an dem man als NichtTeilhaber auch nicht Verantwortung zu tragen hat. Das Heimatmuseum hätte die Möglichkeit, Alltagserleben und wissenschaftliche Analyse wieder stärker zusammenzuführen und -zuhalten, zugleich könnte es eine moralische Instanz sein, in der deutlich gemacht wird, daß die Profi-Historie mit der selbsterlebten zu tun hat. Wenn sie auch nicht in allem deckungsgleich ist, so ist sie doch auch nicht vom Wesen her etwas anderes, allenfalls in der Erscheinung. Das Heimatmuseum könnte ein Brücke schlagen zwischen privater und öffentlicher Geschichte, es könnte festhalten, daß die kleine Geschichte nicht nur von der großen geprägt ist, sondern daß sich diese auch aus solchen kleinen zusammensetzt. Denn die Professionalisierung von Geschichte macht es den Nicht-Profis auch zu leicht, ihre privaten Verfehlungen als bloße Dummheiten zu erklären. Gleichzeitig erlaubt sie auch den Profis, ihre private geschichtsbildende Potenz als getrennt von der öffentlichen und wissenschaftlichen Geschichte zu erleben. Eine verstehende Heimatkunde müßte sich zum Bezug von Wissenschaft und Alltag stellen und könnte so auch kritischer auf den Alltag der Leute zugehen was sicher zunächst hieße: auf den eigenen. Fachhistorie ist jedoch nicht nur die Sammlung privater Geschichte. Natürlich hat die Wissenschaft als Sinngebungskraft auch eine Kompetenz, um historische Prozesse zu ordnen und zu präsentieren, damit nicht x-beliebige Wahnsysteme ihre Rechtfertigung finden können. Aber unser gescheitertes Dorfjprojekt zeigt eben auch, daß es stets mehrere Möglichkeiten gibt, mit Ereignissen und Erlebnissen umzugehen, und daß die Ausstellung der wissenschaftlichen Wahrheit nicht immer das Richtige und der Wahrheit dienlich sein muß. Der von professionellen Kräften verwaltete öffentliche Raum Heimatmuseum hat in den letzten Jahren eine Wandlung durchgemacht, die ab und zu beklagt wurde, die aber ihre Legitimation auch bei Gesellschaftskritikern darin fand, daß mehr Licht und Wahrheit in rückständige Gebiete geschleust wurde. Die Wahrheit der Wissenschaft sollte von den Fackeln der Heimatmuseen in die Provinz leuchten. Dabei gab es zwei Transmissionsriemen: a) Das sozialgeschichtlich orientierte Regionalmuseum, das nach strengen wissenschaftlichen Gesichtspunkten mit dem alten Sammelsurium aufräumte und ihm eine von den Bedingungen der Gegenwart her strukturierte Ordnung gab, die das Früher zum Vorher veränderte und jenes Anekdotische der Bleisoldaten und Gallensteine als irrelevant und abwegig aus dem Tempel historischer Genauigkeit hinauswies. Es wurden in diesen Expositionen die ökonomischen (vergangenen) Interessen der Unterschichten mehr berücksichtigt als zuvor, aber nicht ihre ästhetischen Möglichkeiten, Gegenstände lebendig in der Phantasie werden zu
90 UtzJeggle lassen. Sie wurden nicht zu Einstiegsmöglichkeiten im zuvor skizzierten Sinn, um das Eigene im historischen Stoff, wenigstens als Knopfloch, vorzufinden. Es war alles richtig und wahr, aber es riß weder hin, noch erschütterte es. Es vermied Emotionalität, und das Museum entließ die Zuschauer ebenso gefühllos, wie die Expositeure mit ihrem Stoff umgegangen waren. Gefühle lassen sich nicht instruieren und oktroyieren, man kann nur spüren, was einen bewegt - oder was einen anderen bewegt hat. Gefühle lassen sich übertragen, das ist auch ein Grund, damit vorsichtig und verantwortlich wie mit Sprengstoff umzugehen. Aber erstens sind Sprengungen manchmal auch nützlich und nötig, zum anderen sind die Implosionen der Gefühlskälte auch nicht harmloser als eventuelle Explosionen der Emotionalität. Der Weg über die sozialgeschichtlich richtigen Fakten ist wenigstens ehrlich und nicht illusionär, allenfalls wirkungslos. Schwieriger erscheint mir noch der zweite. b) Die Dekorierung der Geschichte. Die Ausstellung der Vergangenheit wird wie in einem Warenhaus-Schaufenster präsentiert, und damit wird der Unterschied zwischen auch fremder Vergangenheit und heutigen Wahrnehmungsformen niedergewalzt. Die Römerzeit erscheint dann wie in dem vielbesuchten RömischGermanischen Museum in Köln, als sei das Ganze eine Werbewoche für italienischen Goldschmuck. Der Dekorateur macht mit seinen heutigen Augen und mit seiner zeitgemäßen Hand die Vergangenheit zum Vorfeld des Gegenwärtigen, er macht alles ästhetisch nachvollziehbar und menschlich einleuchtend. Der geschichtliche Stoff wird so verändert, daß wir ihn verstehen - und nicht mehr wir verändern uns, um Verständigung zu ermöglichen. Sicher muß sich jede Ausstellung heutiger Formen bedienen, aber sie sollte klar machen, daß ihre Form ein Präsentationsmittel ist und kein imaginärer Wesenszug der Objekte. Diese formale Durchsichtigkeit hat in einem hohen Maß das "Musée sentimentale", wie es der bildende Künstler Daniel Spoerri zusammen mit der Schriftstellerin Elisabeth Plessen entwickelt und wiederholt vorgeführt hat. 19 Die alphabetische Grundordnung unterstreicht den anekdotischen Charakter von Geschichte und zerreißt Zusammenhänge, indem sie gleichzeitig die Willkürlichkeit jedes Strukturprinzips herausstellt. Als Entgegnung auf naturalistische Konzepte, die ausgestellte Geschichte mit dem Verlauf von Geschichte gleichsetzen, ist dieses Arrangement apart, aber als positives Muster für museale Ordnung ist es allenfalls im Magazin sinnvoll verwendbar. Das Heimatmuseum könnte die Vorteile dieser verschiedenen Gestaltungsformen herauspicken, ohne die Nachteile übernehmen zu müssen - vor allem den zentralen Punkt der Schwierigkeiten, daß diese Prinzipien sich für alleinseligmachend halten und sich zueinander wie Feuer und Wasser verhalten. Das Heimatmuseum ist seinem Wesen nach synkretistisch, es hält Vermischtes nicht nur aus, sondern es beschreibt den vermischten Charakter von Welt. Es wäre geschichtsklitternd, wenn hier jetzt naiv das hohe Lied auf das gute alte Heimatmuseum gesungen würde, denn da war ja auch ganz schön viel alter, reaktionärer und belangloser Plunder angesammelt. Aber die Toleranz der Vielfalt und die Chance der emotionalen Berührung waren in vielen Fällen gegeben
Subjektive Heimat - objektive Musealität 91 und sollten für das künftige Heimatmuseum reklamiert und bewahrt werden. Die Toleranz der Vielfalt bedeutet nicht Neben- als vielmehr Ineinander; nicht das Kuriose alphabetisch, sondern mit sozialgeschichtlicher Genauigkeit und inszenatorischem Elan. Auch das staubige Heimatmuseum war inszeniert, in dem Sinn, daß es nach subjektiven (oder konventionellen) Maßstäben geschichtliche Zusammengehörigkeiten herausstrich - wenn auch nicht immer mit heute akzeptablen Mitteln. Wissenschaftliche Genauigkeit, inszenatorische Präsentation und anekdotische Zugänglichkeit wären die drei Grundprinzipien, deren es allesamt bedarf, damit das Heimatmuseum nicht dogmatisch, nicht ästhetisch belanglos oder nur anekdotisch wird. Das Heimatmuseum der Zukunft wird wie das der Vergangenheit ein Vermischer sein. Es wird dies nur subjektiver und bewußter sein müssen. Es wird eine persönliche Handschrift tragen. Es wird einen Autor haben oder eine Gruppe von Autoren, die sich zu ihren darstellerischen Mitteln bekennen. Wie der junge Brecht sein Theater als künstliche Raumgestaltung offenlegte, so muß sich auch das Museum eine zeitlang als inszenierten Raum verstehen. Dann muß es versuchen ein Spiegel zu sein, in dem man sich wiedererkennt. Nicht im Sinn von einfachen Abbildtheorien, die vergessen, daß das Bild niemals dieselbe Sache ist wie der Gegenstand, den es abzubilden gilt. Das Bild im Spiegel deckt auch Dinge auf, die ich nicht zu sehen wünsche. Das Heimatmuseum macht nicht nur Freude, es erschreckt auch, indem es zeigt, wer ich auch bin. Das legitimiert den Wissenschaftler als Helfer und Mitspiegler - wenn er willens und in der Lage ist, sich selbst spiegeln zu lassen. Die Wissenschaft wird sich nicht heraushalten können, indem sie - wie gehabt nur den Spiegel vorhält und nicht dazu steht, daß sie Bilder abgibt, die auch ängstigend sind. Sie wird sich selbstreflexiv in den Prozeß des Erkennens einbringen müssen. Zugleich ist die Wissenschaft das andere Prinzip, nicht die Verlängerung und Aufblähung der Alltagerfahrung. Es geht nicht nur darum, das, was die Leute sowieso denken, noch einmal zu präsentieren - spiegeln heißt auch in Frage stellen. Freilich ist man sich der Wahrheit nicht mehr so sicher wie einst, ja man wird akzeptieren müssen, daß für andere vielleicht andere Wahrheiten gelten. Das heißt, es gibt kein per se richtiges Bewußtsein, nur den Dialog der Fragen und die Suche nach Antworten, die es ermöglicht, sich und der sozialen Welt auf der Spur zu bleiben. Das Heimatmuseum muß ein Verbindungsstück zwischen Frage und Antwort sein, in ihm sollten die fixfertigen Ergebnisse der Wissenschaft durch die Fragen des Alltags verunsichert und die schummerige Methodologie des Lebens durch wissenschaftliche Klarheit kontrolliert werden. Das Heimatmuseum wird damit rechnen, daß es als in Frage stellende Instanz auch selbst in Frage gestellt werden kann und muß. Und dieses Vermischtwarenmuseum, für das ich plädiere, das irritierend wie ein Spiegelkabinett Brechungen und Erschütterungen provozieren soll, ist für das Neue und jeden Gedanken so offen, daß es selber wieder abgeräumt werden kann. So ist zu akzeptieren, daß unsere Deutung von Geschichte kulturell ist, je nach sozialem, räumlichem und zeitlichem Standpunkt sehr verschieden ausfällt. Das nennen wir historischen Wandel. Im Heimatmuseum schlägt er sich nicht nur in den Inhalten, sondern auch in der Institution, der Vermittlungsabsicht und der Präsentationsästhetik
92 UtzJeggle nieder. Der Feind einer solchen offenen Denkungsart ist nicht so sehr das Neue, als die dogmatische Erstarrung, die die Möglichkeit zu inen nicht kennt.
Anmerkungen 1
Aus der Fülle von Titeln wähle ich drei aus, die zumindest aus meiner Sicht für den volkskundlichen Ansatz typisch sind: Martin Scharfe (Hg.): Museen in der Provinz, Tübingen 1982. Peter Vision: Lernort 'Heimatmuseum' und Lerngegenstand Geschichte. In: Geschichte lernen im Museum, 1978. S. 82ff. Mitarbeiter des Historischen Museums Frankfurt (Hg.): Die Zukunft beginnt in der Vergangenheit Museumsgeschichte und Geschichtsmuseum, Gießen 1972. Darin sind mehrere wichtige Aufsätze gesammelt. Für unseren Zusammenhang scheint mir besonders die Diskussion über die französischen Ecomusées von Belang. Gottfried Korff. Die Ecomusées in Frankreich - eine neue Art, die Alltagsgeschichte einzuholen. Ebd. S. 78-88
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FAZ vom 9.9.82. Den Hinweis verdanke ich, wie eine Reihe anderer, Gottfried Korff, zum Glück jetzt wieder in Tübingen.
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Am einfachsten greifbar in Claudia Honegger (Hg.): Schrift und Materie der Geschichte. Frankfurt 1977. Darin Fernand Braudel: Geschichte und Sozialwissenschaften. Die longue durée. S. 47-85
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Friedrich Gundolf. Goethe. Berlin 1925; Vorwort. Den Hinweis verdanke ich Wolfgang Alber, Tübingen.
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Eine für kulturwissenschaftliche Zwecke handliche Theorie des Erinnerns ist mir nicht bekannt Wichtige Bausteine finden sich bei Maurice Halbwachs: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. BerlinyNeuwied 1966. Darauf basierend Daniel Bertaux und Isabelle Bertaux-Wiame: Autobiographische Erinnerung und kollektives Gedächtnis. In: Lutz Niethammer: Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis. Die Praxis der "Oral history". Frankfurt 1980, S. 108 -122
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Weitere Literatur bei Hermann Bausinger: Formen der "Volkspoesie", Berlin 1968, S. 119-130
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Vgl. dazu die volkskundliche Kontroverse zwischen H. Bausinger und Karl S. Kramer: Zur Problematik historischer Volkskunde. Einige Bemerkungen zu Hermann Bausingers gleichnamigem Aufsatz im "Abschied vom Volksleben". In ZsfVk 1971. S. 51-61
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Max Weber: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. In: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Tübingen 1963, S. 30 Roswitha Anft: Die betriebliche Sozialpolitik der Württembergischen Metallwarenfabrik in Geislingen/Steige. Tübinger Magisterarbeit 1982
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L. Binswanger: Das Raumproblem in der Psychopathologie. In: Zs. für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, Bd. 145,1933, S. 598ff
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Ich verweise auf die gesammelten Studien von Ina-Maria Greverus: Auf der Suche nach Heimat. München 1979
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Definition von G. Korff, zitiert bei Greverus (wie Anm. 11), S. 16
Subjektive Heimat - objektive Musealität 93 13
Werner Schmid: Aufgaben einer zeitgemäßen Heimatpflege. In: Joachim Kruse und Klaus Juhl (Hg.): Heimat. Referatur und Ergebnisse einer Tagung in der Evangelischen Akademie Nordelbien, Bad Segeberg, vom 25.-27. November 1977, S. 55-70, s. S. 56. Den Hinweis verdanke ich Bernd-Jürgen Warneken, Tübingen
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Elias Canetti: Die gerettete Zunge. München-Wien 1977, S. 11
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Jean Améry: Wieviel Heimat braucht der Mensch? In: Heimat (wie Anm. 13), S. 193-218
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Gerd von Bassewitz: Peterchens Mondfahrt. München (dtv) 1979
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L. Binswanger (wie Anm. 10), S. 602
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Dazu auch Salvatore Settis: Die Zeitmaschine. Uber den Umgang mit Geschichte. In: Freibeuter 13,1982, S. 20-26 19
Plessen und Spoerri haben solche Ausstellungen in Köln, Paris und zuletzt parallel zur Preußen-Ausstellung in Berlin arrangiert. Marie-Louise Plessen, Daniel Spoerri: Le Musee Sentimental de Prusse. Berlin 1981
Paul Sattler
Ausstellungen als bibliothekarische Aufgabe Ausstellungen haben im Rahmen bibliothekarischer Tätigkeit eine ungleich größere Bedeutung als früher erlangt; die Anzahl der Veranstaltungen ist ebenso gestiegen wie die Anzahl der Besucher der einzelnen Ausstellungen1. Der Anteil der Staatsführung, der Partei und der gesamten Öffentlichkeit an ihnen ist so lebendig wie an keinem anderen Zweig unserer Tätigkeit. Die Tageszeitungen finden kaum ein Wort über unseren inneren Betrieb, nur wenig melden sie über unsere großen Katalogaufgaben, über Ausstellungen berichten sie in größter Aufmachung und Breite. In unserem eigenen Fachschrifttum können wir gerade das Umgekehrte feststellen. Über Vermehrung, Katalogisierung und Benutzung, über Geschichte und Technik wird gedacht und geschrieben; über Ausstellungen liest man selten mehr als Berichte über Veranstaltungen dieser Art . Und dabei gebührt ihnen ebenso eine planende und durchdenkende Beschäftigung; sie sind ein Feld bibliothekarischer Betätigung, das seine eigenen Gesetze und Grenzen hat. Es sind natürlich sehr gute Ausstellungen veranstaltet, ohne daß es eine Ausstellungstheorie gegeben hat; es werden künftig auch sicherlich sehr ansehnliche Veranstaltungen durchgeführt werden, wenn niemals grundsätzliche Forderungen aufgestellt werden sollten. Genau so, wie es sehr gute Kataloge aus Zeiten, die sich nie theoretisch mit Katalogfragen abgegeben haben, gibt. Aber das Gelingen wird immer nur von dem Können Einzelner abhängen; ein allgemeiner Fortschritt kann nur erzielt werden, wenn eine bewußte und normalisierende Besinnimg mit der praktischen Arbeit Hand in Hand geht. Ausstellungen stellen an uns Forderungen, die wir mit den überkommenen und gelernten Methoden wissenschaftlicher und bibliothekarischer Arbeit nicht lösen können; ihnen liegt ein neues Wissenschafts- und Bildungsprinzip zugrunde, das wir in seiner geschichtlichen Bedeutimg kurz würdigen müssen. Man muß schon einmal ein Buch aus der klassischen Zeit der deutschen Wissenschaft selbst in die Hand nehmen, um zu spüren, in wie starkem Maße die wissenschaftlichen Bücher, insbesondere die der historisch-philologischen Disziplinen, die unter der Einwirkung der Romantik aufgekommen waren, literarisch-ästhetisch bestimmt und geformt waren. Das darstellende Geschichtsbuch eines Ranke, Raumer oder Droysen ähnelte einem Roman. Ihm fehlte fast durchweg das Register, ohne das wir uns kein gelehrtes Buch vorstellen können, das auch in unliterarischen Wissenschaftsepochen - man denke nur an das 18.Jahrhundert - selbstverständlich gewesen war. Wir bemerken eine Neigung, alle Elemente, die den Fluß der Darstellung unterbrechen, möglichst einzuschränken. Man sparte mit Anmerkungen und verwob Quellenzitate so in den Text, daß uns heute die bibliographische Richtigstellung dieser Zitate häufig schwerfällt. Das aus kritischer Würdigung der literarischen Quellen aufgebaute Buch sollte gelesen und durchdacht werden; nur kein flüchtiges Durchblättern und Nachschlagen. Der geistig arbeitende Mensch jener Zeit hatte dazu Zeit, beneidenswert viel Zeit. Diesem Buch fehlte auch so gut wie jedes anschauliche Mittel. Die Abbildung galt als unwissenschaftlich. Kaum ein historisches Werk war mit einer
96 Paul Sattler Karte ausgestattet. Man sage nicht, daß die Reproduktionstechnik damals zu unentwickelt gewesen wäre, um befriedigende Abbildungen wiedergeben zu können. Große geistige Bewegungen sind nicht abhängig von irgendeinem technischen Mittel; sie werden es sich schaffen oder vorhandene Mittel ausbauen, um das, was sie zu sagen haben, auszudrücken und zu verbreiten. Als im Investiturkampf zum erstenmal in der abendländischen Geschichte Kaiser und Papst gegeneinander das Kampfmittel der Propaganda auszunutzen versuchten, wäre der Buchdruck überflüssig und sinnlos gewesen im Hinblick auf den ganz geringen Kreis aller Beteiligten, und die buntscheckige Welt des bürgerlichen Liberalismus und Parlamentarismus hatte kein Bedürfnis nach der uniformen Sprache des alle Volksgenossen erfassenden Rundfunks. Die wissenschaftlichen Methoden unserer Tage stellen sich in vielem positiv, aber auch negativ gegen die ästhetisch-literarische Betrachtungsweise der großen Zeit der deutschen Wissenschaft. Die sinnlichen Erkenntnisquellen, die früher allerhöchstem herangezogen wurden, wenn die schriftliche Uberlieferung nicht ausreichte, sind für viele Gebiete heute Ausgangspunkt und Grundlage der Forschung geworden. In der Vorgeschichte entsteht ein Wissenschaftsgebäude, das auf Grund von Funden, Ausgrabungen und Überresten Tatsachen zu ermitteln sich bemüht, die von keiner schriftlichen Quelle überliefert sind. Eine trockene Statistik wird einleuchtend und übersichtlich, indem man die Zahlen in eine graphische Darstellung bringt. Mit kartographischen Methoden arbeiten Wirtschafts-, Sprach- und Geschichtswissenschaften. Die Karte ersetzt nicht die Darstellung, sie ist darüber hinaus imstande, Zusammenhänge aufzuweisen, die in dieser Eindringlichkeit kein schriftlicher Bericht, keine Aufzählung schildern kann. Das historische Bild wird auf seine Quellen untersucht; als eine neue Hilfswissenschaft entsteht die historische Bildkunde. Hand in Hand mit diesem Drang nach Veranschaulichung der wissenschaftlichen Forschung und Darstellung hat sich eine gewaltige Entwicklung der technischen Reproduktionsmöglichkeiten vollzogen. Das Geschehen kann in Bild und Ton auf Jahrhunderte festgehalten werden. Für die Antike sind die Inschriften die unmittelbarste und zuverlässigste Quelle, für das Mittelalter spielen die Urkunden diese Rolle und für die neueren Zeiten die Zeitungen. Die Geschichte unserer eigenen Zeit wird dereinst nicht zuletzt auf Grund von Filmen und Wachsplatten geschrieben werden. Die Bibliotheken werden sich den jeweiligen Bedürfnissen der wissenschaftlichen und geistigen Arbeit anzupassen haben. So ist ζ. B. die ausgesprochene Abneigung des deutschen Lesers gegen jede Form der Präsenzbibliothek eine deutliche, noch heute durchaus lebendige Nachwirkung jener bereits gekennzeichneten beschaulichen Geisteshaltung. Die Ausstellungen sind dagegen der Beitrag der Bibliotheken zur Veranschaulichung unserer Erkenntnisquellen, sie geben dem zeitbedrängten Beschauer die Möglichkeit, mit einem Blick Zusammenhänge zu begreifen, die er früher nur in einem längeren Studium sich hätte erwerben können. Von allen wissenschaftlichen Instituten, die in der Lage sind, Ausstellungen durchzuführen (ζ. B. Museen, Archive), ist den Bibliotheken die schwerste Aufgabe gestellt, da das von ihnen gesammelte Gut ursprünglich nicht als Schaustück geschaffen ist. Ein Buch oder eine Handschrift ist zunächst einmal dazu bestimmt, gelesen zu werden, unsere Kataloge sind zu ihrer inhaltlichen
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Erschließung und nicht zum Nachweis von geeigneten Schaustücken geschaffen. Wenn ich im folgenden einige Typen von möglichen Bibliotheks-Ausstellungen aufzähle, so bin ich mir bewußt, daß in dieser begrifflichen Schärfe sie nicht durchgeführt werden können noch sollen. Eine Ausstellung gewinnt durch mannigfaltige Anschauung und verliert durch ein peinlich logische Auswahl. Notwendig ist allerdings, daß in der Auswahl der Motive eine beherrschende und gestaltende Linie eingehalten wird. Den einfachsten Typus stellen Auslagen dar, die Bibliotheksgut allein nach seiner äußeren Form auswählen und damit das Buch als Erzeugnis künstlerischer oder technischer Fertigkeit zeigen. Diese Schaustellungen fassen etwa Handschriften nach Schreibschulen, nach Schriftarten, nach ihrem Bilderschmuck oder Drucke nach Druckwerkstätten, nach ihren graphischen Beigaben oder nach ihren Einbänden zusammen. Dieser Typus ist der ursprüngliche einer Buchausstellung, er war früher sehr viel beliebter als heute. Bei diesen Veranstaltungen kommt es nicht darauf an, daß der Inhalt der Schriftwerke durch das Herausstellen der wesentlichsten in das Auge fallenden Merkmale herausgehoben wird. Und gerade das ist die Aufgabe einer den heutigen Ansprüchen angepaßten Buchausstellung. Wo es nötig ist, neben der Form auch den Inhalt dem Beschauer nahezubringen, stellt sich die Notwendigkeit ein, durch nicht literarische Mittel, durch Bilder, durch Karten, durch Dekoration oder auch durch Museumsgegenstände die Anschauung zu beleben. Inwieweit diese Gegenstände nur als ornamentaler Schmuck mitwirken oder inwieweit sie selbst integrierender Bestand der Ausstellung sind, kann häufig nicht genau festgelegt werden. Die Schwerter, Hellebarden, Morgensterne und Musketen, die die Preußische Staatsbibliothek sich für ihre Ausstellung "Das wehrhafte Deutschland" aus dem Zeughaus entliehen hat, gaben nicht mehr als den stimmungsmäßigen Hintergrund der Veranstaltung ab. Die Musikinstrumente, die beim "Deutschen Volkslied" am gleichen Ort zu sehen waren, gehörten aber zum Ganzen der Ausstellung. Wirkungsvolle Zugaben stellten ζ. B. der riesenlange Bleistift Bismarcks, der in der Nürnberger Ausstellung "Das politische Deutschland" neben den Bleistiftmanuskripten lag, oder die Petschaft Friedrichs des Großen dar, die in der Ausstellung "Friedrich der Große" im Geheimen Staatsarchiv neben Kabinettsordern und Briefen des großen Königs zu sehen war. Schließlich kommt es auch häufig vor, daß Schriftstücke zu ganz anderen Veranstaltungen, die in der Regel nicht von Bibliotheken selbst durchgeführt werden, herangezogen sind. In der großen Deutschland-Ausstellung (August 1936) erschien die Gutenbergbibel neben Goethes Reisewagen und der neuesten Borsiglokomotive als ein Produkt deutscher Tradition und Geistesarbeit. Ein anderes Mittel, um das Einerlei einer rein literarischen Buchausstellung zu überwinden, ist in der Zusammenarbeit der Reichsstelle zur Förderung des Deutschen Schrifttums mit der Preußischen Staatsbibliothek gefunden. Neben der Auslage von Bibliotheksgut in geschlossenen Vitrinen wurde auf offene Tische modernes Schrifttum, wie in einem Buchladen, nur daß es nicht nach kaufmännischen, sondern nach politisch-weltanschaulichen Gesichtspunkten ausgewählt war, gelegt . Dem Besucher wurde die Möglichkeit geboten, sich einen Einblick in die wissenschaftlichen und schöngeistigen Werke, die die noch heute lebendige Beziehung zum Inhalt der ausgestellten Schriftstücke darstellen, selbst zu ver-
98 Paul Sattler schaffen. Die offene Auslage von Büchern ist an sich keine Ausstellung in dem hier behandelten Sinne; denn diese Bücher sind kein bloßes Schauobjekt, sie wurden auch nicht nach ihrer Eignung als Schaustücke ausgesucht. Dieser Verbindung von Ausstellung und offener Auslage von modernen Büchern verdanken aber die Veranstaltungen dieser Art ihren beträchtlichen Publikumserfolg. Als ein weiterer Typus ist schließlich die Propagandaausstellung zu erwähnen; diese breitet den Stoff nicht vor dem Beschauer aus und überläßt es ihm was er sich dabei denkt. Sie führt ihn von vornherein zu festen Ergebnissen. Die Schau ist hier nicht Selbstzweck, sondern sie dient der Verdeutlichung und Veranschaulichung von Gedanken und Forderungen. Dazu ist außer der Beschriftung ein sprachlich festgelegter Text nötig, der wie ein Leitfaden, am besten unter Wiederholung der Leitmotive, den inhaltlichen Zusammenhang darstellt. Das wichtigste Charakteristikum einer Ausstellung bildet der Personenkreis, an den sie sich wendet. Hatte man früher die Veranstaltungen mehr für ein fachlich vorgebildetes Publikum hergerichtet, so bemüht man sich heute um sehr viel weitere Kreise. Die Themen werden allgemeiner gehalten, der Besuch ist auch überall sehr viel lebhafter geworden . In diesem Zusammenhang spreche ich ausschließlich von den allgemeinen Veranstaltungen. Nicht daß die gelehrte Ausstellung überholt oder unnütz wäre. Im Gegenteil, sie hat auch noch heute durchaus ihren Sinn, insbesondere für Gelegenheiten bei Tagungen und Kongressen u. ä.. Die Aufgaben, die sie stellt, sind aber von denen, die wir hier behandeln, wesentlich verschieden. Wer je einmal Gelegenheit gehabt hat, bei Führungen den Durchschnitt der Ausstellungsbesucher kennenzulernen, weiß, daß dieser sich wesentlich von dem uns geläufigen Typus der Benutzer unterscheidet. Ihr Interesse ist unendlich viel größer und ursprünglicher, es ist nicht so gesättigt wie das der berufsmäßigen Wissenschaft. Welche Freude, wenn es gelingt, in einer mittelalterlichen Handschrift einen Satz zu lesen oder in einem sonst so fremdartig und schwerfällig anmutenden Buchtitel auf einen geläufigen Namen zu stoßen. In den letzten 100 Jahren hat sich der Benutzerkreis der Bibliotheken ständig erweitert in demselben Maße, in dem die Möglichkeit, an den Bildungsund Unterrichtsanstalten teilzunehmen, einem weiteren Kreise von Volksgenossen erschlossen wurde. Für die wissenschaftlichen Bibliotheken ist diese Entwicklung nicht immer günstig gewesen. Sie gerieten in einen Konflikt zwischen ihrem wissenschaftlichen Beruf und ihrer Aufgabe als Bildungsanstalt. Neben die Förderung der gelehrten Arbeit trat an sie die Verpflichtung, daneben der Verbreitung und Nutzbarmachung der wissenschaftlichen Kenntnisse zu dienen. Wir erinnern uns ja alle noch an die Zeit, als eine Unmasse berufener und unberufener Bildungsbeflissener unsere Lesesäle bevölkerten. Die Bibliotheken haben das mit dem Jahr 1933 einsetzende Absinken ihrer überhöhten Benutzungsziffern als eine Erleichterung begrüßt, da sie auf die Dauer nicht beide Aufgaben nebeneinander erfüllen konnten. Sie sind aber auf der anderen Seite glücklich, in den Ausstellungen das Mittel gefunden zu haben, weitere Kreise bildungshungriger Volksgenossen, die nicht die Kenntnisse und die Neigung zur gelehrten Arbeit haben, um ihre Benutzer sein zu können, aber ein durchaus reges und ursprüngliches Interesse besitzen, an sich heranziehen zu können. Indem wir jedem Volksgenossen die Möglichkeit geben, in dieser Form an den nationalen
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Kulturgütern Anteil zu nehmen, schaffen wir auch zugleich eine für beide Teile glücklichere Lösung des Konfliktes zwischen Wissenschaft und Bildung. Allerdings müssen wir uns darüber klar sein, daß die Bildungsmöglichkeit einer Ausstellung ihre Grenze hat. Ihre Bedeutung liegt mehr in der Anregung, die sie gibt, als in der Antwort, die sie auf bestimmte Fragen erteilen kann. Auch sie setzt ein bereits mitgebrachtes Wissen voraus, sie kann ein längst vergessenes wieder lebendig machen, sie kann Bekanntes fest einprägen und unterstreichen. Der Erfolg einer Ausstellung liegt auch nicht lediglich in der Zahl der Besucher, die von der Zählung am Eingang erfaßt werden, sondern viel eher in der Qualität derer, die eine Ausstellung belehrt, angeregt und erweckt wieder verläßt. Wenn ich als ein praktisch sehr schwer zu erreichendes Ideal für den Benutzerkreis unserer gelehrten Institute die Formel "Lieber zu wenig als zu viel" aufstelle, sage ich umgekehrt vom Besucherkreis unserer Ausstellungen "Lieber zu groß als zu klein". Wenn wir uns nun nach diesen allgemeinen und grundsätzlichen Ausführungen die praktische Frage vorlegen, welches Stück zur Ausstellung geeignet ist und welches nicht, können wir an das eben Gesagte anknüpfen. Damit ein ausgelegtes Stück den Blick und die Beachtung des Beschauers auf sich lenken kann, muß es einmal ein ihm bekanntes Element zugleich mit einem ihm unbekannten enthalten. Ferner muß irgendein Bestandteil jedes Stückes dem Beschauer in die Augen springen, sei es allein seine Form (ungewöhnliche Schrift, seltsame Typen, Bildschmuck), sei es sein durch die Beschriftung angegebener Inhalt in Verbindung mit einer nicht gewöhnlichen Form (zeitgenössische Sprache, Titulatur). Wenn ich eine Handschrift des Nibelungenliedes auslege, so kann ich damit rechnen, daß das Nibelungenlied zum mindesten dem Namen nach bekannt, seine Überlieferungsform aber unbekannt ist. Oder ein anderes Beispiel, das zeigen soll, daß keineswegs immer die Form das unbekannte Element enthält. Von Heinrich von Treitschke wurden die "Vaterländischen Gedichte" ausgelegt. Daß Treitschke ein hervorragender Geschichtsschreiber war, kann ich als bekannt voraussetzen; daß er in seiner Jugend zwischen seinem dichterischen und publizistischen Beruf geschwankt hat, dürfte den meisten Besuchern unbekannt sein. Je bekannter der Inhalt des Dargestellten ist, um so fremdartiger und schwerverständlicher kann seine Gestalt sein. Man kann von Goethe oder Beethoven unter Umständen einen unleserlichen Fetzen auslegen. In der Regel wird der Reiz eines ausgestellten Stückes darin bestehen, daß eine ursprüngliche Erscheinungsform eines bekannten Stückes ausgestellt wird. Von dieser Regel sind aber sehr viel Ausnahmen denkbar; keineswegs soll man danach streben, nur berühmte oder hervorstechende Stücke auszuwählen; jedes Buch kann, unter Umständen nur im Zusammenhang mit anderen oder als Beispiel für einen Typus, sich zur Aufnahme in eine Schaustellung eignen. Auf seine inhaltliche Bedeutung kommt es nicht so sehr an als auf seine Fähigkeit zur anschaulichen und sinnfälligen Darstellung einer literarischen Erscheinungsform. Man kann ζ. B. meinen, daß sich kein Druckwerk so wenig dazu eignet wie ein einfaches Register. In einer NietzscheAusstellung wird gerade das Register des "Rheinischen Museums" ein sehr wirkungsvoller Beleg für die philologische Kleinarbeit "auf den Stoppelfeldern der Philologie" sein, die der Dichter des Zarathustra in seiner Jugend geleistet
100 Paul Sattler hat. Von den verschiedenen Gattungen des Bibliotheksguts werden Bücher die Hauptmasse des für Ausstellungen in Frage kommenden Materials abgeben. Es wird daher zunächst einmal über seine Eignung als Ausstellungsgegenstand einiges zu sagen sein. Es ist nun ein sehr großer Unterschied zwischen einer Inkunabel und einem Buch aus dem 19.Jahrhundert in dieser Hinsicht festzustellen. Den neueren Druckwerken fehlt durchaus der Reiz des Seltsamen und des Unbekannten, der auch ästhetisch häßliche Druckwerke, etwa aus dem 18.Jahrhundert, immer noch anziehenswert macht. Die allgemeine Schwierigkeit bei der Auslage eines Buches im Gegensatz zu jeder Form eines Einblattdruckes besteht darin, daß von ihm immer nur eine Doppelseite ausgelegt werden kann. Allerhöchstens kann man sich, wenn man von einem Stück mehr darstellen will, mit einem zweiten Exemplar oder durch das Mittel der Photographie behelfen. Der Titel ist das Gesicht des Buches, in der Regel wird man also das Titelblatt aufschlagen, das sich schon dadurch empfiehlt, weil die Titelseite ein in sich abgeschlossenes Ganzes bildet. Diese einheitliche Wirkung beschränkt sich allein auf die Titelseite, während nur allzu häufig die leere linke Seite lediglich unbedrucktes Vorsatzpapier enthält. Nicht immer gelingt es, dieses häßliche Nebeneinander durch Bedeckung der leeren Seite - etwa durch Vorsetzen von Tafeln oder Kupfern - zu vermeiden. Soll anstatt des Titels eine andere Seite aufgeschlagen werden, so geschieht das entweder, um eine bestimmte Stelle einen entscheidenden Ausspruch, eine allbekannte Formulierung, ein berühmtes Gedicht - hervorzuheben, oder um als Beispiel einen Einblick in den Inhalt zu geben. Es ist eine Sache des Zufalls, ob gerade der zur Auslage kommende Satzspiegel die Stelle, auf die es ankommt, vollständig nimmt, so daß man nur durch eine Photographie oder durch ein zweites Exemplar auch diese Fortsetzung sichtbar machen kann. Auch das Aufschlagen einer beliebigen Seite verlangt eine peinliche Auswahl. Ungünstig wirken alle Seiten, die einen fortlaufenden Text ohne jede Unterbrechung des Satzspiegels aufweisen. Der Beginn eines neuen Kapitels schon wirkt belebend; noch besser, wenn man seine Seite ausfindig macht, die eine graphische Übersicht, figürlichen Schmuck oder eine Tabelle enthält. Als Beispiel sei hier Kants Kritik der praktischen Vernunft genannt. Die berühmte Stelle "Pflicht! Du erhabener großer Name" steht für eine Schaustellung keineswegs besonders günstig mitten auf einer Seite. Auf sie müßte durch ein Hilfsmittel - etwa durch einen vom Buchbinder zurechtgeschnittenen Pfeil hingewiesen werden. Wieviel anschaulicher und für Kants konstruktives Denken bezeichnender (aber inhaltlich weniger bedeutsam) ist die "Tafel der Categorien der Freyheit in Ansehung der Begriffe des Guten und Bösen". Als Typus für Kantische Philosophie ist diese Seite jedenfalls sehr viel sinnfälliger. Für Buchhandschriften gelten ähnliche Regeln wie für gedruckte Bücher. Sie üben auf den Beschauer wegen ihrer einzigartigen Gestalt und wegen ihres ungewöhnlichen Aussehens eine stärkere Wirkung, bereiten aber dem Verständnis ungleich größere Schwierigkeiten. Das gilt besonders von den in fremden Sprachen abgefaßten oder schwer leserlichen Handschriften, die keinen oder nur geringen ornamentalen Schmuck aufweisen. Gewichtiger als alle Prachtstücke buchgewerblicher Arbeit sind alle Schriftstücke, die einen Einblick in die Arbeitsweise oder die geistige Werkstatt der Beteiligten gestatten. Konzepte wirken
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lebendiger als Reinschriften; aus Randbemerkungen in Akten sehen wir die Zwiesprache eines Monarchen mit seinen Ministern, aus überarbeiteten Entwürfen oder Korrekturen erhalten wir einen Einblick in das Entstehen und die Formung entscheidender Gedanken. Ausgestellte Briefe sollen womöglich einseitig beschrieben sein und Anrede und Unterschrift enthalten, selbstverständlich spielt aber auch die Rücksicht auf ihren Inhalt eine erhebliche Rolle; gerade die einseitig beschriebenen werden häufig inhaltsleer sein. Über das nicht eigentlich literarische Bibliotheksgut können wir uns ganz kurz fassen. Es läßt sich nämlich eigentlich immer besonders gut verwenden, Noten, Karten, Tabellen, Plakatdrukke und jede Form von Bildwerk. Bei allen Akzidenzdrucken ist in der Regel von ihrem Hersteller auf gefälliges Aussehen besonderer Wert gelegt, ζ. B. bei Familiendrucksachen, Verlagsprospekten, Werbezetteln, Konzertprogrammen, Theaterzetteln, Wahlaufrufen und Formularen. Aus allen diesen Stücken spricht Leben und Unmittelbarkeit, sie sind als Beiwerk nicht zu entbehren. Eine Ausstellung besteht nicht aus einer Summe von Einzelstücken, die sich nach den eben erörterten Grundsätzen gut zur Auslage eignen. Es ist wichtiger, daß sie in den Rahmen des Ganzen eingefügt werden, so daß sie einen geistigen Zusammenhang darstellen, als daß jedes einzelne Stück sich besonders gut zur anschaulichen Darstellung eignet. Man bemühe sich, möglichst solche Werke auszuwählen, die in einer Beziehung zueinander stehen, sei es, daß ein Fortschritt oder eine Entwicklung von Stück zu Stück oder eine Spannung und ein Gegensatz gesehen oder geahnt werden kann. Ein Buch schlägt ein Thema an, ein anderes antwortet darauf, und aus Rede und Gegenrede ergibt sich das Wechselgespräch von Jahrhunderten. Ergibt sich daraus die Forderung, die Motive möglichst speziell auszuwählen, so fordert ein anderer Grundsatz möglichste Mannigfaltigkeit der Formen und Gattungen (Buch, Handschrift, Bild, Karte). Um so besser, wenn ein und derselbe Gedanke durch verschiedenen Formen dargestellt werden kann. Es ist auch zu beachten, daß die verschiedenen Stücke hinsichtlich ihres inhaltlichen Wertes in einem verschiedenen Rangverhältnis zueinander stehen. Begrifflich unterscheide ich Hauptstücke, Nebenstücke und Beiwerk, in der Praxis ist diese Einteilung sehr schwierig und auch unergiebig. Hauptstücke sind die einzigartigen, unersetzlichen Bibliotheksschätze, von denen angenommen werden kann, daß sie allgemein bekannt sind. Bei ihnen kommt es nicht so sehr darauf an, daß sie hervorragend zur Schau geeignet sind; ihr Erhaltungszustand, ihre Übersichtlichkeit und Leserlichkeit sind nicht für ihre Aufnahme entscheidend. Nebenstükke sind unentbehrlich zur gedanklichen Führung, auch wenn sie nicht "Raritäten oder Zimelien" sind; man wird bei ihnen auf alle diese Äußerlichkeiten sehr viel mehr achten. Man kann von ihnen eine 2. Auflage auswählen, wenn von der ersten das Titelblatt durch Bibliotheksstempel oder Signaturen verunstaltet ist oder wenn sie aus anderen äußeren Gründen, ζ. B. weil sie in einem Sammelband steckt, sich zur Schau wenig eignet. Beiwerk sind inhaltlich weniger bedeutungsvolle Stücke, die niemals für sich allein, sondern nur in Zusammenhang mit anderen in eine Ausstellung gehören. Dazu gehören in der Regel die nicht literarischen Akzidenzdrucke oder Bücher deren Inhalt ziemlich gleichgültig, deren Titelfassung für das behandelte Thema aber charakteristisch ist. Haupt-, Nebenstücke und Beiwerk müssen in einem richtigen Verhältnis vertreten sein.
102 Paul Sattler Hauptstücke werden gewöhnlich von dem an Bibliographie und Bibliophilie Geschulten viel zu wichtig genommen - daß ein Buch sehr hoch im Preis steht oder daß es von ihm nur sehr wenige Exemplare gibt, ist an sich kein Grund, der es zur Aufnahme geeignet macht. - Die Bedeutung, die ein glücklich ausgewähltes Beiwerk für das Ganze der Ausstellung ausmacht, wird dagegen häufig viel zu gering angeschlagen. Als Umrahmung der Hauptstücke gibt es den zeitgenössischen Hintergrund ab, es führt den unvorbereiteten Besucher vom Bekannten zum Unbekannten, vom Einfachen zum Verwickelten, es unterbricht die Gedankenführung, indem es auf Nebenlinien hinweist oder als Ausruhpunkt wirkt. Wie so häufig im bibliothekarischen Leben der zur Verfügung stehende Raum von entscheidender Bedeutung ist, so spielt die Größe und Form der zur Verfügung stehenden Vitrinen eine wichtige Rolle bei Anordnung und Gruppierung einer Ausstellung. Es ist nicht gleichgültig, ob Bilder, Karten und Stiche direkt neben oder über die Vitrinen gehängt werden können oder ob diese lediglich als Dekoration in räumlicher Entfernung von der eigentlichen Auslage angebracht werden müssen. Die Übersichtlichkeit einer Ausstellung wird bedeutend gesteigert, wenn es gelingt, in eine Vitrine immer nur eine inhaltlich geschlossene Gruppe aufzunehmen, die Stücke müssen dann nach Zahl und Größe der Vitrinen von vornherein ausgewählt sein. Vollständig kann nie eine Ausstellung sein; sie kann immer nur Beiträge zu dem Thema bieten. Es ist daher auch nicht nötig, daß alle Gesichtspunkte, die in einem wissenschaftlichen Werk über den gleichen Gegenstand behandelt werden müssen, im Verhältnis ihrer Bedeutung herausgearbeitet werden. Man kann und - unter Umständen - man muß Motive, für die ein günstiges Material vorliegt, stärker hervorheben und dafür ein vielleicht ebenso wichtiges, für das geeignete Ausstellungsstücke nicht aufzutreiben sind, bewußt fortlassen. Dieses Prinzip einer einseitigen Auswahl findet seine Grenze lediglich in der inneren Wahrheit des Dargestellten. Man kann etwa in einer Ausstellung "Deutsche Klassiker" Schiller nicht einfach übergehen. Nehmen wir einmal an, daß wir auf einer solchen Veranstaltung für den jungen Schiller eine Vitrine (die 4 - 5 Stücke in sich auffassen mag) zur Verfügung hätten, so würde ich niemals dazu raten, etwa nur die Urdrucke der frühen Schillerschen Dramen auszuwählen. Es ist wirkungsvoller, ihn nur an Hand seines charakteristischsten Stückes, der "Räuber", zu belegen und diesen Beleg möglichst speziell auszugestalten. Etwa die Urausgabe, einen Nachdruck, der die Verbreitung zeigt, eine Probe der Räuberliteratur, der die Wirkung auf die Zeitgenossen andeutet, als Beiwerk käme ein Theaterzettel einer Räuberaufführung, ein zeitgenössisches Bild einer Aufführung, eine Zeitungsbesprechung in Frage. Der Eindruck, den eine so ins einzelne gehende Gruppe auf den Beschauer ausübt, wird ungleich tiefer sein, als wenn, wie in einer Bibliographie, die einzelnen Dramen summenhaft aneinandergereiht werden. Mit diesem Beispiel will ich gleichzeitig darauf hinweisen, daß Anordnungs- und Auswahlprinzip einer Ausstellung durchaus verschieden von den jedem Bibliothekar geläufigen Grundsätzen eines Katalogs oder einer Bibliographie sind. Er hat es gelernt, das Allgemeine vor das Besondere zu stellen; diese Regel gibt es bei einer Ausstellung nicht; er ordnet die Titel innerhalb einer selbständigen Gruppe nach inhaltlichen Gesichtspunkten, etwa nach der Chronologie des Dargestellten; in einer Vitrine gehört das Hauptstück
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als Blickfang in die Mitte, umrahmt wird es von Nebenstücken und Beiwerk, die Anschauung ist wichtiger als Chronologie. Der gewichtigste Unterschied von katalogmäßigen Ordnungsgrundsätzen und dem Aufbau einer Ausstellung ist aber darin begründet, daß die Ordnungsgrundsätze eines Katalogs unbedingte Gültigkeit beanspruchen, daß dagegen die zahlreichen Regeln, von denen wir aus einem unerschöpflich reichen Feld nur einige wenige herausgehoben haben, nicht mehr als Hinweise auf zu beachtende Gesichtspunkte sind. Eine festliegende Rangfolge unter ihnen, wie sie für einen logisch aufgebauten Katalog für den Fall eines Zusammentreffens verschiedener Grundsätze unerläßlich ist, gibt es nicht. Für die Aufnahme dieses Stückes mag die eine Regel, für die Auswahl eines anderen wiederum eine andere sprechen. Die Entscheidung wird von Fall zu Fall verschieden sein, denn auf die Mannigfaltigkeit und nicht auf die Logik kommt es an. So wenig wie eine Bibliothek ohne Katalog denkbar ist, sowenig darf auch bei einer Ausstellung eine Führung durch das geschriebene oder gesprochene Wort nicht fehlen. Jedes Stück soll deutlich lesbar ausgezeichnet sein, so daß sein Inhalt und seine Beziehung zum Thema daraus jedem Besucher verständlich wird. Gruppenüberschriften sollen, möglichst zu einem einprägsamen Schlagwort zusammengefaßt, in größerer Schrift vor oder über den Vitrinen angebracht sein. Hauptstücke erfordern gewöhnlich eine eingehendere Erklärung, für das Beiwerk kann man sich häufig jede Beschreibung ersparen, wenn die Stücke aus sich heraus verständlich sind. Handschriften müssen ausführlicher als Bücher erklärt werden; zu unleserlichen oder in fremden Sprachen abgefaßten Schriftstücken gehört eine Übersetzung oder eine Übertragung. Für die Aufnahme der Beschriftung gilt auch die Regel, daß der wesentlichste Inhalt in einer in die Augen springenden Form herausgehoben werden soll. So unentbehrlich die Beschriftung ist, so muß doch betont werden, daß das Ideal einer Schaustellung nicht eine möglichst ausführliche, sondern eine möglichst knappe dafür aber einprägsame Beschriftung verlangt. Indirekte Beschriftung, so daß ein Stück das andere erklärt , so daß eine ganze Reihe von Schriften unter einer schlagwortmäßigen Einheit zusammengefaßt werden, ist immer anzustreben. Je besser die Gruppen zusammengefügt sind, um so mehr kann man von einer direkten Beschriftung absehen. Zur indirekten Beschriftung eignet sich auch in hervorragendem Maße alles Beiwerk 6 . Ob man einen Katalog der Ausstellung druckt, wird gewöhnlich eine Geldfrage sein. Wünschenswert ist er auf alle Fälle. Eine ausreichende Beschriftung der Ausstellung selbst ist aber wichtiger. Ein Ausstellungskatalog kann wohl gelegentlich eine Bibliographie sein; sein ursprünglicher Zweck ist das nicht. Es liegt eine gewisse Gefahr darin, daß der Bearbeiter eines gedruckten Katalogs nur zu leicht sein Vorbild in einer bibliographischen Verzeichnung des Themas sieht. Die Anzahl der für Ausstellungen geeigneten Hauptstücke einer Bibliothek ist relativ begrenzt und daher auch leicht übersehbar. Es ist kein Zufall, daß überraschend häufig auf verschiedenen Ausstellungen desselben Instituts dieselben Stücke auftauchen. Bei großen Veranstaltungen, die sich zum Ziele setzen, ein Thema umfassend zu behandeln, wird auch die bestausgestattete Bibliothek auf Leihgaben anderer Institute angewiesen sein. Bekanntlich hat vor kurzem das
104 Paul Sattler Eingreifen der vorgesetzten Stelle der allzuweit ausgedehnten Versendung von unersetzlichem Kulturgut nach auswärts einen Riegel vorgeschoben. Und das mit Recht. Denn einmal soll man sich keinesfalls scheuen, gute Reproduktionen auszulegen; andererseits besitzt jede Bibliothek mit älterem Bestand genug Nebenstücke, die vielleicht nicht ebenso bekannt und wertvoll, aber für anschauliche Darstellung ebenso geeignet sind. Sie sollten daher auch grundsätzlich nur den Beständen der veranstaltenden Bibliothek entnommen werden. Es ist nur nicht immer leicht, sie aufzufinden. Dazu gehören gute Kataloge, eine systematische Anordnung der Bestände, viel Geduld und etwas Glück. Gerade das für Ausstellungen unentbehrliche Beiwerk ist katalogmäßig häufig sehr schlecht erfaßt; es steckt in Sammelbänden und ist, wenn es kein Titelblatt hat, schwer nachzuweisen. Der Gedanke liegt nahe, dieses wertvolle Ausstellungsgut katalogmäßig zu sammeln. Die Staatsbibliothek ist im Begriff, sich ein Ausstellungsarchiv zu schaffen, das die Aufgabe hat, die auf einer Ausstellung gezeigten Stücke für künftige Ausstellungen übersichtlich zusammenzufassen. Vorgesehen ist die Sammlung aller Beschriftungszettel, die auch nach Jahrzehnten bei anderen Veranstaltungen wieder verwandt werden sollen, sowie ein Photoarchiv, das jedes Stück im Bild festhält mit einem Stichwortregister . Es wäre verfrüht, jetzt schon eine genaue Anweisung zur Führung von Ausstellungsarchiven zu geben; dazu gehört die Erfahrung von Jahren, und die Masse des zusammenkommenden Materials ist vorerst noch nicht so unübersehbar, daß es nicht später einmal nach anderen Bedürfnissen umgeordnet werden könnte. Es ist auch nicht der Sinn dieser Ausführungen, etwas Abschließendes bieten zu wollen; sie umfassen längst nicht alle Fragen, die zum Thema Ausstellungen zu machen wären , sie sollen nur auf Grund praktischer Erfahrungen Anregungen geben. Künftig wird einmal das ganze Gebiet systematisch durchzuarbeiten sein. Zunächst kommt es darauf an, daß die bibliothekarische Welt die Bedeutung der ganz neuen Aufgaben, die ihr gestellt werden, erfaßt. Ausstellungen sind eben nicht ein dekoratives Anhängsel ihrer Tätigkeit nach außen; sie müssen als ein integrierender Bestand ihrer praktischen Arbeit aufgefaßt und behandelt werden. Es ist wohl nicht zu befürchten, daß künftig einmal die Bibliothek über Ausstellungen ihre anderen Aufgaben vernachlässigen wird. Es ist ja wohl selbstverständlich, daß ihr eigentlicher Beruf die Förderung wissenschaftlichen Arbeitens und Forschens ist. Aber auch die Wissenschaft hat die Pflicht, von sich aus über ihre Ergebnisse und Arbeiten einem größeren Kreis, als ihn die eigentliche Fachwelt darstellt, in einer diesem geläufigen Sprache Rechenschaft abzulegen, und es hat der Wissenschaft nicht zum Segen gereicht, wenn sie diese Pflicht vernachlässigt hat. Und so haben auch die Bibliotheken die Aufgabe, das von ihnen gesammelte Kulturgut allen, die danach Verlangen haben, in der sichtbaren Form der Ausstellung auszubreiten .
Ausstellungen als bibliothekarische
Aufgabe
105
Anmerkungen 1
G. Wahl, Statistisches über Bibliotheksausstellungen. (Festschrift Martin Bollert zum 60-Geburtstag. 1936)
•y
3
4
Besonders hingewiesen sei auf die Berichterstattung der Hamburger SuUB (jetzt: Bibliothek der Freien und Hansestadt Hamburg). 1. Bericht 1917-1927 (1928); 2. Bericht 1927-1932 (1936). In diesen Berichten werden auch grundsätzliche Forderungen erhoben. Die BUcher selbst wurden von den Verlegern zu Werbezwecken zur Verfügung gestellt. Die dabei unvermeidlichen Verluste waren nicht ganz unbeträchtlich. Dieses Prinzip einer Zusammenstellung von Schaugut mit modernem Schrifttum hat bereits früher die Hamburger Bibliothek zur Anwendung gebracht Vgl. G. Wahl, 2.Bericht, S. 63, 74 Einige Beispiele von den Veranstaltungen der Preußischen Staatsbibliothek (Auswahl): Jahr
Titel der Ausstellung
1927 1929 1931 1934 1935 1936 1936
"Beethoven" "Berliner Buchdruck" "Schöne Handschriften" "Ewiges Deutschland" "Wehrhaftes Deutschland" "Die Deutschen Leibesübungen" "Das Politische Deutschland"
Eröffnungstage Besucher 18 20 34 66 80 40 654
3030 2230 2700 8000 14800 20000 35400
5
Die Preußische Staatsbibliothek hat unter dem frühesten nationalsozialistischen Schrifttum auch das Buch des ersten Vorsitzenden der Partei, Anton Drechsler, "Mein politisches Erwachen (1919)", ausgelegt. Die an sich notwendige Beschriftung konnte in der einfachsten Weise dadurch gegeben werden, daß daneben die Stelle aus dem Buch des Führers "Mein Kampf", in der die Überreichung dieser Schrift anschaulich geschildert wird, aufgeschlagen und der Titel des Buches mit dieser Stelle durch einen Pfeil aus Pappe verbunden wurde. Überhaupt konnte in dieser Weise, daß neben unbekannte Stücke Stellen aus allbekannten Büchern gelegt wurden, mehrfach indirekt beschriftet werden.
6
In der Nürnberger Ausstellung "Das politische Deutschland" wurde neben die Urausgabe der Schrift "Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung" ein Maueranschlag, der die Gefangennahme und Verurteilung von Johann Philipp Palm in deutscher und französischer Sprache zur öffentlichen Kenntnis brachte, gelegt.
7 o
9
Vgl. auch H. Knies, Permanente Bibliotheksausstellungen durch Kleinbildphotographie (ZfB50.1933, S. 183-187) Ganz bewußt wurde über die sehr wichtige Frage der Technik nichts gesagt, da ohne praktische Kenntnis aller neueren Vitrinenkonstruktionen jede Ausführungen gegenstandslos gewesen wären. Die Frage, wie ein Stück so ausgelegt werden kann, daß es bei jeder Belichtung vom Beschauer gut zu sehen, aber dabei unbedingt vor jeder Gefahr gesichert werden kann, ist keineswegs einfach zu lösen. Geschichtlich ist es nicht uninteressant zu wissen, daß Robert Naumann in der Stadtbibliothek Leipzig schon am 24. Juni 1847 eine Ausstellung veranstaltet hat, die von mehr als 800 Personen besucht wurde und auf allgemeinen Wunsch bis 28. Juni verlängert werden mußte. Es dürfte sich hier um eine der ersten Bibliotheksausstellungen handeln. Vgl. Serapeum 1947, S. 193 bis 199, sowie S. 298 - 317. G. L.
Dietrich Wilhelm Grobe
Ausstellungen von Hand- und Druckschriften in öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken. Ein geschichtlicher Überblick von den Anfängen bis 1945 Zum Begriff 'Ausstellung ' Es bleibt noch der Begriff "Ausstellung" zu deuten. In Trübners deutschem Wörterbuch (23, S. 204) findet sich die Bemerkung: "ausstellen ... stimmt im Gebrauch vielfach mit aussetzen [s. unten]... überein, doch wird heute in manchen Fällen das eine vorgezogen, wo früher das andere galt. Mit auslegen berührt sich unser Wort in Fügungen wie Waren ausstellen. Neben der Auslage im Schaufenster steht die Ausstellung ..." Über das Verb "aussetzen" lesen wir (a. a. O., S. 199): "Es steht meist im Sinn des lat. exponere und des späteren Fremdworts exponieren. Dabei bedeutet aus in der Masse der Fälle 'hinaus', setzen steht trans, in körperlichem Sinn..." Im Grimmschen Wörterbuch (7, Sp. 987) wird "ausstellen" durch die lateinischen Verben proponere, disponere und exponere erklärt; in Abt. 6 heißt es : "waaren zur schau ausstellen; bilder, gemählde ausstellen; eine leiche zur schau ausgestellt." Für unsere Betrachtung ist es wichtig festzuhalten, daß "ausstellen" soviel wie "hinausstellen", "nach außen stellen", "zur Schau stellen" bedeutet. Bei einer Ausstellung von Hand- und Druckschriften werden also die betreffenden Objekte "zur Schau gestellt." Auf die Frage nach der Aufgabe der Ausstellung kann im Rahmen dieser Skizze nicht eingegangen werden. Besonders hingewiesen sei auf die Begriffsbestimmungen bei Lyle (11), Reagan (14 u. 15) und Sattler (17). In diesem Zusammenhang kann erwähnt werden, daß es im Englischen zwei Wörter für den Begriff "Ausstellung" gibt: "display" und "exhibition" (in den USA meist "exhibit"; die Endung "ion" wird wie bei vielen anderen Substantiven, die gleich auslauten, fortgelassen). "Display" (vom lat. plicare) bedeutet "auseinanderfalten, ausbreiten, auslegen", "exhibit" (vom lat. exhibere) "darbieten, darlegen". Display wird meist im allgemeinen Sinn gebraucht und ist exhibit übergeordnet, das letztere entspricht eigentlich dem "ausstellen" im Sinne eines durchdachten, planvollen Anordnens. Vgl. Trübners deutsches Wörterbuch (a. a. O., S. 204): "Neben der Auslage [= display] im Schaufenster steht die Ausstellung [= exhibit]." Richtig auseinandergehalten werden die beiden Begriffe von Lyle (11), wenn er schreibt: "Book displays are generally intended to call attention to books for immediate circulation, to encourage browsing, and to help the reader in his selection of books. Exhibits have a more specific aim. They are intended to tell a logical story. ... A single theme must be stressed throughout so that the student comes away with a tangible idea, easily remembered." (Vgl. dazu Ward: 22). Reagan (15, S. 19-21) weist - an Ward (22) und Eiselen (5) anknüpfend darauf hin, daß exhibits während der Dauer der Ausstellung als Ganzes erhalten bleiben müssen, da das zeitweilige oder gänzliche Entfernen auch nur eines
108 Dietrich Wilhelm Grobe Ausstellungsgegenstandes den logischen Ablauf der "story" (dieser Begriff nicht erst bei Lyle) stört. Wir unterscheiden zunächst zwei Formen der Ausstellung: die Dauerausstellung und die Wechselausstellung. Die Dauerausstellung erstreckt sich über einen langen Zeitraum und ist - zumindest bei Universalbibliotheken - oft thematisch nicht streng begrenzt und ausgerichtet. Die Wechselausstellung wird meist aus einem bestimmten Anlaß heraus aufgebaut, ist thematisch begrenzt und wird sobald der Anlaß vorüber ist - wieder fortgeräumt, um gegebenenfalls einer anderen Ausstellung Platz zu machen. Die Dauerausstellung ist die ältere der beiden Ausstellungsformen, wie wir noch sehen werden (vgl. auch Ward: a. a. O.). Zu warnen ist vor dem irreführenden Ausdruck "Bibliotheksausstellung", der oft zur Bezeichnung von Ausstellungen an Bibliotheken verwandt wird (so bei Wahl: 21). Als Bibliotheksausstellungen gelten "technische Ausstellungen" (vgl. Graesel: a. a. O., S. 490-91) von Bibliothekseinrichtungen, Modellen und Abbildungen von Bibliotheksgebäuden, Proben von Formularen, die an Bibliotheken zur Anwendung kommen usw. Aus diesen Bibliotheksausstellungen entwickelten sich die Bibliotheksmuseen. Einzelheiten hierüber bei Graesel: a. a. O. Zur Ergänzung der dort angeführten Literatur noch 2 Angaben: Zentralblatt für Bibliothekswesen 23.1906, S. 300 u. 40.1923, S. 441. Mit diesen Bibliotheksausstellungen haben wir es also hier nicht zu tun; auf ihre Bedeutung besonders für Bibliotheksschulen sei jedoch nachdrücklich hingewiesen. Geschichte der Ausstellung Nachdem wir so den Begriff der Ausstellung zu klären versucht haben, wollen wir uns der Frage zuwenden, seit wann es Ausstellungen von Hand- und Druckschriften an öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken gibt, wobei wir den Begriff "Ausstellung" im Sinne des "Nach-außen-Stellens" zunächst sehr weit fassen. Voraussetzung für Ausstellungen der genannten Art ist das Vorhandensein von Bibliotheken, die ihrerseits wiederum an das Vorhandensein von Schriftstücken gebunden sind. Wir haben also zunächst zu fragen: seit wann gibt es Handschriften und seit wann wurden diese in Bibliotheken gesammelt und aufbewahrt? Beginnen wir unsere Betrachtung bei der Hieroglyphenschrift der Ägypter, aus der sich unsere abendländischen Schriftformen entwickelten. Sie läßt sich bis in die Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. zurückverfolgen. Als Beschreibstoff wurde Ton, später vor allem Papyrus verwandt. Gut erhaltene Papyrusstücke sind aus der Zeit um 3000 v. Chr. nachzuweisen. Doch haben wir keine Kunde von größeren Bibliotheken Ägyptens. Berühmt ist dagegen eine Bibliothek aus dem assyrisch-babylonischen Kulturkreis: die des Königs Assurbanipal (um 669-26) in Ninive, die auf Tontafeln fixierte assyrische Literaturdenkmäler enthielt. Sie war systematisch geordnet und mit Orientierungsmarken versehen. Diese im Königspalast untergebrachte Bibliothek war ebensowenig wie die später gegründeten hellenistischen Bibliotheken in Alexandria und Pergamon
Ausstellungen an öffentlichen Bibliotheken
109
eine öffentliche Bibliothek in dem oben von uns dargelegten Sinne: sie war eine von einem Fürsten geschaffene Universalbibliothek halböffentlichen Charakters und fällt deshalb nicht in den Rahmen unserer Betrachtung. Etwas anderes ist es mit den Stiftungsbibliotheken an den Gymnasien, die als Vorläufer der öffentlichen Bibliothek gelten können, aber weniger wissenschaftlichen Charakter trugen. Die Vermehrung der Gymnasialbibliotheken im Ptolemaion, in Rhodos und Pergamon (letztere neben der Attalidenbibliothek bestehend) erfolgte auf Volksbeschluß (Tiemann: 20). Es erhebt sich die Frage: Was sind die Vorbedingungen für die Entstehung einer öffentlichen Bibliothek? Hierauf antwortet Tiemann (a. a. O.): "Die öffentliche Bibliothek kann sich nur da entwickeln, wo sich die Hoheit des Staates anonym darstellt, nicht subjektgebunden ist." So ist es zu verstehen, daß sich besonders in der römischen Republik die ersten wirklich öffentlichen Bibliotheken entwickeln konnten. Genannt sei hier die 39 v. Chr. von C. Asinius Pollio im Atrium Libertatis gegründete Bibliothek, die für zahlreiche in Rom und in der Provinz errichteten öffentlichen Bibliotheken Vorbild wurde. Die Bestände dieser Bibliotheken zerfielen jeweils in eine griechische und eine lateinische Abteilung und waren im übrigen sachlich geordnet. Die Aufbewahrung der Schriftrollen erfolgte in offenen Holzkästen, die wiederum in Nischen waagerecht übereinandergelegt waren. Wie in der barocken Saalbibliothek konnte also der Besucher den Bestand an Rollen - dort handelte es sich um Bücher - übersehen, die Schriftstücke lagen "zur Schau". Mit Recht sagt Savage (18, S. 90): "A classed open shelf library..., from one end to the other, is nothing but an exhibition"; und wir dürfen, hier anknüpfend wohl behaupten, daß wir in dieser Form der Aufbewahrung von Schriftrollen in den öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken Roms die ersten Ausstellungen von Handschriften im erweiterten Sinne unseres Themas vor uns haben. Die in den - nicht öffentlichen - Kloster- und Fürstenbibliotheken des frühen Mittelalters aufbewahrten Handschriften - jetzt in Kodexform - werden als Einzelstücke immer mehr zu Prunk- und Schauobjekten. Hierauf weist Bockwitz (3, S. 125) hin: "Das Buch als Ausstellungsgegenstand ist uralt. Es gehört mit zu den wertvollsten unter den schon im frühen Mittelalter in den Kirchen angehäuften Schätzen. Prunkvolle Einbände, in Gold und Edelstein ausgeführt, umschlossen kostbare Handschriften in monumentaler Schrift, mit reichem Schmuck an farbigen Initialen und Miniaturen. Aber nur an hohen Feiertagen war diese Pracht der profanen Menge sichtbar und durfte von ihr bestaunt werden. Es hat lange gedauert, ehe das Buch als Ausstellungsgegenstand weiteren Kreisen zugänglich wurde." Öffentliche wissenschaftliche Bibliotheken finden wir erst wieder in der Renaissance. Es sind - so besonders in Italien - ursprünglich zumeist Privatbibliotheken der Fürsten, die von diesen dann der Öffentlichkeit übergeben werden. Als Beispiele seien hier nur die Marciana und die Laurenziana in Florenz, ferner die Marciana in Venedig genannt. Auch die Vaticana - unter Papst Sixtus IV. (1471-84) öffentliche Bibliothek geworden - soll nicht unerwähnt bleiben. In prunkvollen Räumen sind prunkvolle Handschriften auf Pulten ausgelegt. Auch
110 Dietrich Wilhelm Grobe hier haben wir es also wieder mit ausgestellten Handschriften an öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken zu tun. Öffentlichen Charakter haben femer die besonders in Deutschland vor allem während des 16. Jahrhunderts unter dem Einfluß der Reformation entstehenden Stadtbibliotheken. Sie sollen uns im Rahmen unserer Arbeit ganz besonders interessieren, da sie meist Bibliothek und Raritätenkabinett zugleich sind, also "Ausstellungsbibliotheken" eigener Art. Machen wir uns dies an dem Beispiel der - allerdings erst 1677 gegründeten - Stadtbibliothek Leipzig klar, von der Hofmann (9, S. 11) berichtet: "Die öffentlichen Bibliotheken waren sehr oft die Keimzellen für unsere heutigen Bildergalerien, Kupferstichkabinette, Antikensammlungen, Münzkabinette, Naturaliensammlungen, physikalischen Salons, Kunstgewerbemuseen, Museen für Völkerkunde, landesgeschichtlichen und stadtgeschichtlichen Museen. Anfänge und Proben von allen diesen Sammlungsarten lassen sich auch in unserer Stadtbibliothek nachweisen. Zu ihren besonderen Kuriositäten gehörten außer den Handschriften und alten, illustrierten Büchern: Gemälde, Handzeichnungen, Kupferstiche, Bronzen, Antiquitäten, Münzen, Gemmen, eine ägyptische Mumie, der besondere Stolz der Bibliothek, Mikroskope, Luftpumpen, Erd- und Himmelsgloben, Mineralien und verschiedene anatomische und naturgeschichtliche Merkwürdigkeiten, wie z. B. das Skelett eines Judenkindes, zwei weiße Sperlinge und ein im Rosental geschossener Adler. Die Ausgaben für diese Raritäten, vor allem für das in einer damaligen Bibliothek besonders wichtige Münzkabinett, überstiegen oft das Bücherkonto ganz erheblich. Für die damalige Auffassung vom Wesen der Bibliothek ist es sehr bezeichnend, daß während der Messe den Besuchern der Stadtbibliothek, darunter mehrmals dem Landesherrn und anderen Mitgliedern des kurfürstlichen Hofes, mechanische Experimente mit der Luftpumpe und dem Systema Copernici, dem Planetarium des 18. Jahrhunderts, vorgeführt wurden." Schürmeyer (19, S. 16) weist darauf hin, daß nicht nur die Stadt-, sondern auch die Universitätsbibliotheken "in den Stichen des 17. Jahrhunderts meist als Schausammlungen, in denen Kuriositäten zwischen den Büchern aufgestellt sind, wiedergegeben" werden. Auch in den Fürstenbibliotheken der Zeit sah es nicht viel anders aus; ein Stich, der die Räume der Wiener Hofbibliothek zeigt, trägt die bezeichnende Unterschrift: "Kaiserliche Bibliothek und Raritätenkammer". Die allmähliche Umwandlung von der Saal- zur Magazinbibliothek, die etwa Ende des 18., Anfang der 19. Jahrhunderts vollzogen wird, bringt es mit sich, daß der Bibliotheksbenutzer nicht mehr, wie bisher, den gesamten Bücherbestand übersehen kann. In vielen Fällen hat er auch nicht mehr Zugang zu den Regalen, sondern bedarf der Vermittlung des Bibliothekars, um zu der gewünschten Literatur zu gelangen. Mit anderen Worten: die Bücher stehen nicht mehr zur Schau. Insbesondere werden die Kostbarkeiten der Bibliothek - vornehmlich Handschriften und Inkunabeln - sorgsam unter Verschluß gehalten und kommen dem Durchschnittsbesucher gar nicht zu Gesicht. Durch die fortschreitende Entwicklung der Paläographie und die Ausbildung einer methodischen Forschung auf diesem Gebiete hat man den Eigenwert der Handschriften zu schätzen gelernt
Ausstellungen an öffentlichen Bibliotheken
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und stellt sie nicht mehr - wie vordem - in eine Reihe mit den Kuriositäten und Raritäten mannigfacher Art, die in den Bibliotheken angehäuft waren. Je mehr man aber in der Lage ist, die Handschriften und Inkunabeln exakt zu datieren, desto größer wird auch das Verlangen der sich dieser Arbeit hingebenden Bibliothekare - meist Professoren im Nebenamt - die Ergebnisse ihrer Forschungen einem größeren Publikum bekannt zu machen, und zwar an Hand der Objekte selbst. Man beginnt also, diese Kostbarkeiten unter Berücksichtigung der gewonnenen Forschungsergebnisse auszustellen. Im Gegensatz zu dem, was wir bisher unter Ausstellungen an Bibliotheken kennenlernten - ein Zur-SchauStellen des Gesamtbestandes - handelt es sich hier um die Ausstellung einer nach bestimmten Prinzipien getroffenen Auswahl dieses Bestandes. Die erste genauere uns bekannte Nachricht über eine Dauerausstellung der letztgenannten Art stammt von Gessert (Serapeum. 5.1844, S. 81-86), der von der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek in München berichtet: Die erweiterte Räumlichkeit der Bibliothek "gab auch zu einer mehr würdigen und überschaulichen Aufstellung ihrer Cimelien Gelegenheit. Sie fanden diese in einem Saale des ersten Stockwerks, der außerdem auch die ihn nach der Aufstellungsordnung treffende Partie gewöhnlicher Handschriften enthält. Letztere sind in den Repositorien der beiden Galerien und mehreren der vergitterten Schränke daselbst aufbewahrt, die eigentlichen bibliographischen Schaustücke aber liegen, inmitten des Saales, in sechs auf Kästen ruhenden Pulten unter Glas." Anschließend zählt Verfasser die Ausstellungsstücke auf - es sind zusammen 60 Nra - und gibt knappe Anmerkungen. Die Auswahl ist - wie bei fast allen Dauerausstellungen - nach teils wissenschaftlichen, teils ästhetischen Gesichtspunkten getroffen: 1. Pult: Zur Geschichte des bibliographischen Materials. 2. Pult: Lateinische, griechische und deutsche Handschriften, durch ihr Altertum und die Art ihrer Schriftzüge merkwürdig. 3. Pult: Merkwürdige ältere Manuskripte in neueren Sprachen außer der deutschen. 4. Pult: Alte Kirchenbücher mit kostbarem und kunstreichem Einband und Bilderschmuck. 5. Pult: Aehnlich geschmückte Kirchenbücher, aus dem Bamberger Domschatz und, theilweise, Kaiser Heinrichs Zeit (10021024). 6. Pult: Jüngere Handschriften mit künstlerischer Ausstattung. Hierauf führt Verfasser die typographischen Schaustücke an, die in vergitterten Schränken ausgestellt sind. Auch nennt er uns die Quelle, aus der er schöpfte (a. a. O., S. 336): "Über die K. Hof- und Staatsbibliothek für Besucher derselben. München 1843." Mithin muß diese Ausstellung also mindestens seit 1843 bestanden haben. Wenige Jahre später (1847) wird über die Cimelienausstellung der k. k. Hofbibliothek zu Wien berichtet: "Durch den Hofrath Herrn Baron Münch-Bellinghausen ist eine sehr zweckmäßige Einrichtung getroffen worden, daß die interessantesten Schaustücke in zehn flachen Glasschränken zu bequemster Anschauung
112 Dietrich Wilhelm Grobe ausgestellt sind. Man sieht von griechischen Handschriften zehn, von lateinischen und deutschen je neun, von anderen Sprachen des Auslandes fünf, des Morgenlandes und der ihnen verwandten acht, durch Miniaturen ausgezeichnete achtzehn, die Peutingerische Tafel, fünf Stücke mit merkwürdigen Einbänden, und neun aus verschiedenen Stoffen, auf welchen bis zur Einführung unseres Papieres geschrieben wurde. Durch diese praktische und sehr dankenswerte Einrichtung - ein kleiner ... Catalog ist ein sehr angenehmer Cicerone - ist Manches zur Beschauung gegönnt, was früher aus gerechter Sorge wegen Beschädigung verschlossen bleiben mußte". Im gleichen Jahre veranstaltet Naumann die - soweit übersehbar - erste Wechselausstellung an einer öffentlichen Bibliothek. Er schreibt darüber (12): "Am 24. Juni [1847] veranstaltete ich, zunächst für einen wohltätigen Zweck, von vielen meiner hiesigen Freunde unterstützt, in dem schönen und geräumigen Saale unserer Stadtbibliothek [Leipzig] eine für das größere Publikum bestimmte Ausstellung von Prachtwerken der Buchdruckerkunst ältester und neuster Zeit, Manuscripten, Holzschnitten, Autographen usw. Die Ausstellung fand größeren Beifall, als ich erwarten konnte, und sie wurde daher zufolge allgemeinen Wunsches bis zum 28. Juni verlängert, in Folge dieser Verlängerung aber von mehr als achthundert Personen besucht. Es wurde mir bei dieser Theilnahme recht klar, daß öffentliche Bibliotheken gewiß wohl thun würden, wenn sie von Zeit zu Zeit einmal ihre Schätze in einer solchen Ausstellung dem Publikum zur Anschauimg brächten. Eine solche Ausstellung, mit den für die Bibliothekschätze nöthigen Sicherheitsmaßregeln gemacht, hat nicht nur für die Kostbarkeiten derartiger Anstalten keine Gefahr, sondern sie hat gewiß allemal den Nutzen, vielen Gebildeten eine Belehrung zu verschaffen, die Aufmerksamkeit des Publikums den Bibliotheken mehr zuzuwenden, und selbst dafür sich interessirenden Gelehrten die hauptsächlichsten Bibliothekschätze einmal in ihrer Gesammtheit und nach einer leitenden Idee geordnet vorzuführen, was bei den gewöhnlichen Führungen von Fremden oder Besuchern überhaupt auf Bibliotheken natürlich nicht erreicht werden kann. Ich erlaube mir daher, meinen Herren Collegen es zur Erwägung anheim zu geben, ob sich nicht auch durch ähnliche Ausstellungen in ihren Kreisen Nutzen zu stiften gesonnen seyn möchten. Es gilt wenigstens vielleicht hier und da, wo ein empfängliches Publikum sich befindet, einen derartigen Versuch zu machen." Mit Recht weist Leyh in einer Fußnote zu dem Aufsatz von Sattler (17, S. 511) auf die Bedeutung dieser Ausstellung im Rahmen der Bibliotheksgeschichte hin. Es ist zu bewundern, mit welchem Weitblick Naumann bereits die Aufgabe der Ausstellungen an Bibliotheken übersah. Bemerkenswert ist weiterhin die im gleichen Jahre ergehende Petition Peschecks "an das Rathskollegium zu Zittau, die öffentliche Stadtbibliothek betreffend" (13). In dieser Petition wird um Unterstützung und Förderung der Stadtbibliothek gebeten. Sie umfaßt 28 Paragraphen. In 22 heißt es: "Es müßten auch jährlich einmal im Sommer zwei halbe Tage nebeneinander angesetzt werden, wo auf der Stadtbibliothek eine öffentliche Ausstellung gemacht würde und das Publikum Veranlassung hätte, die schönen Gemälde der Bibliothek, die Portraits, aber auch einige der in der Regel verschlossen gehaltenen alterthümlichen und ethnogra-
Ausstellungen an öffentlichen Bibliotheken
113
phischen Seltenheiten [wir denken an das auf S. 110 von uns über die Stadtbibliotheken Gesagte!], mehre [!] aufzuschlagende schöne Kupferwerke, die herrlichen Missalien, die seltnen Incunabeln, alles auf eine große Tafel ausgelegt, was sich zu besonderer Ausstellung eignete, zu beschauen. Bei dem Geschäft solcher Aufstellung [!], Beaufsichtigung und Erklärung müßten einige wissenschaftlich gesinnte, zuverlässige Gymnasiasten vom Magistrate beauftragt werden, Assistenz zu leisten. An solchen Tagen würden auch Mitbürger, die nicht zum Gelehrtenstande gehören, auch Frauen (doch mit Ausschiuß kleiner Kinder,) viele Freude an unsern schönen Sammlungen haben. Solche Ausstellung würde bei uns weit leichter, als anderswo, seyn, da hier die Bibliothek nicht blos enge, klösterliche Räume und schmale Gänge, sondern einen herrlichen, geräumigen, lichten Saal, und künftig hoffentlich deren zwei besitzt." Naumann schreibt in seinen anschließend an die Petition abgedruckten Anmerkungen zu §22 (a. a. O., S. 320), dabei im wesentlichen seine von uns auf S. 112 mitgeteilten Gedanken zur Leipziger Ausstellung wiederholend: "... geben wir unsere volle Billigung dem in 22 gemachten Vorschlage einer dann und wann zu haltenden öffentlichen Ausstellung. Es wird dadurch der doppelte Zweck erreicht, daß die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Bibliothek hingelenkt wird, und daß man die Merkwürdigkeiten, welche die Besucher sonst nur einzeln betrachten können, einmal nach einer bestimmten Idee geordnet vorführen kann. Mancher Gebildete aber erhält durch eine solche Ausstellung eine Anschauimg und Belehrung, die er sich sonst nicht verschaffen kann." Es gibt zu denken, daß in den beiden letzten Fällen die so zielbewußt aufgestellte Forderung nach öffentlichen Ausstellungen gerade von Stadtbibliotheken ausgeht. Erwägen wir, hierbei den Gedanken Tiemanns (20) folgend, daß die Stadt "ein vom Menschen abgelöstes Rechtssubjekt" ist, eine "abstrakte Korporation, die durch den Rat, die Bürgerschaft, nicht durch den Einzelnen, den Fürsten repräsentiert wird", so verstehen wir, daß sich gerade hier der Gedanke der Öffentlichkeit der von der "unsichtbaren Hand des abstrakten Rechtssubjekts" geschaffenen und unterhaltenen Einrichtungen - in unserem Falle der Stadtbibliotheken durchsetzen muß. Ist es da verwunderlich, wenn man im Prinzip der Öffentlichkeit noch weitergeht und die Schätze der Bibliothek nicht nur den Wissenschaftlern unter den Mitbürgern, sondern weitesten Kreisen zugänglich oder zumindest bewußt machen will? Wir sehen also in dem Wachsen der Ausstellung, speziell der Wechselausstellung, aus der Stadtbibliothek heraus nichts Zufälliges, sondern geradezu eine notwendige und folgerichtige Entwicklung. Dieses Aufblühen der öffentlichen Ausstellung kennzeichnet Bockwitz (3, S. 126) mit den Worten: "Erst um die Mitte der 19. Jahrhunderts beginnt der Aufschwung, der sich fortsetzt in Bestrebungen, die Schätze der Bibliotheken immer liberaler zu erschließen, bis endlich der Grundsatz, daß die Benutzung einer Bibliothek den Gradmesser für ihre Existenzberechtigung darstellt, oberstes Gesetz wird. Nunmehr beginnen Bibliotheken auch, das Kostbarste ihres Besitzes teils vorübergehend in Ausstellungen zu zeigen, teils dauernd in Zimelienräumen zur Schau zu stellen: das Buch wird Ausstellungsgegenstand."
114 Dietrich Wilhelm Grobe Verfolgen wir die Geschichte der Ausstellungen an öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken weiter, so fällt auf, daß jetzt die Bibliothek des Britischen Museums in London mit Dauerausstellungen ihrer Schätze beginnt. Seit 1851 nämlich erscheinen gedruckte Kataloge dieser Ausstellungen. Wir nennen die ersten: 1. Department of Manuscripts. (Madden, F[rederic]:) List of autograph letters, original charters, great seals, and manuscripts, exhibited to the public in the Department of Manuscripts. - London 1851. 2. Department of Printed Books. (Panizzi, Afnthony]:) A short Guide to that portion of the Library of Printed Books now open to the public. - London 1851. Auf die günstigen Vorbedingungen für derartige Ausstellungen gerade in dieser Bibliothek weist Eichler (4) hin: "In einer besonders glücklichen Lage befand und befindet sich die Bibliothek des Britischen Museums in London eben durch die Vereinigung von Bibliothek und Museum in einem großen Gebäude. Wenn man hier in einer Abteilung des Museums Tontafeln aus der Bibliothek des Königs Assurbanipal oder eine Nachbildung des Dioritblockes mit den eingegrabenen Gesetzen des Königs Hammurabi erblickt, wenn man dann in einer Abteilung der Bibliothek die Entwicklung der Handschriftenmalerei veranschaulicht sieht, so erhält man dadurch Anregungen von bleibendem Werte." Daß das Publikum lebhaften Anteil an diesen Ausstellungen nimmt, erhellt schon aus der Tatsache, daß immer neue Auflagen der Ausstellungskataloge notwendig werden. So erlebt der unter 1 erwähnte Katalog schon 3 Monate nach seinem ersten Erscheinen eine Neuauflage; weitere Auflagen - z. T. von anderen Bearbeitern - erscheinen in immer mehr verbesserter Form 1859, 1862, 1863, 1866, 1867, 1869, 1870, 1878, 1882, 1899 (zum ersten Mal mit 20 Faksimiletafeln), 1906,1912 usw. Der unter 2 genannte Katalog erscheint erneut 1862,1863,1867, 1870,1880 usw. Seit 1853 entfaltet die Kaiserliche Öffentliche Bibliothek in St. Petersburg unter ihrem derzeitigen Direktor Baron Modest Andreevic Korff eine rege Ausstellungstätigkeit. Hierüber berichtet Grimm (8): "Eine Neuerung, die Korff gleich zu Beginn einführte, waren Ausstellungen. In diesem ganz modern anmutenden Unternehmen scheint die Öffentliche Bibliothek eine der ersten in Europa gewesen zu sein. Es wurden den Bibliothekaren zur Pflicht gemacht, die Merkwürdigkeiten der Bibliothek in Vitrinen und Schränken auszustellen und mit den nötigen schriftlichen Erklärungen zu versehen. Diese Ausstellungen sollten eine Art Museum sein. Im Jahre 1853 wurden die ersten Ausstellungen eingerichtet, die an Zahl und Umfang immer mehr wuchsen und die mannigfaltigsten Gebiete umfaßten, und im Otcet' [die'Otcety', d. h. die Jahresberichte, waren das Hauptorgan für die Veröffentlichungen der Bibliothek] vom Jahre 1857 spricht Korff mit Stolz davon, daß seine Idee einer Vereinigung von Bibliothek und Museum in Erfüllung gegangen sei.
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Die meisten Ausstellungen befanden sich in den Räumen der Sonderbibliotheken [...], von denen einige in gewissem Sinne ja schon Ausstellungen waren [...] Es gab unter Korff etwa 30 permanente Ausstellungen, in denen Autographen, seltene Handschriften oder Drucke nach verschiedenen Gesichtspunkten geordnet waren und einen anschaulichen Begriff vom Reichtum der Bibliothek gaben." In Deutschland ist es wiederum die Stadtbibliothek Leipzig, die eine bedeutende Ausstellung - diesmal eine Dauerausstellung - einrichtet, bedeutend deshalb, weil die Anordnung der Ausstellungsstücke wohldurchdacht und mit großer Sachkenntnis getroffen ist - nach dem, was wir von der 1847 dort veranstalteten Wechselausstellung (s. S. 16 f.) hörten, nicht weiter verwunderlich. Hofmann (9, S. 16) schreibt darüber: "Den durchaus modernen Gedanken, die Kostbarkeiten der Bibliothek in einer Dauerausstellung dem interessierten Publikum zu zeigen, verwirklichte Naumann schon 1855, indem er einige verschließbare Vitrinen für diesen Zweck anforderte und im vorderen Raum des großen Büchersaales aufstellen ließ. Diese Ausstellung, für die Naumann einen Führer mit kurzen Beschreibungen verfaßte und drucken ließ [vgl. unten], zeugte von ausgezeichneten buchkundlichen Spezialkenntnissen und hohem künstlerischem "Qualitätsgefühl." Und Naumann selbst berichtet (Serapeum. 17.1856 I.B. S. 153): "Es ist seit einiger Zeit auf der Stadtbibliothek zu Leipzig die Einrichtung, ..., getroffen worden, daß die hauptsächlichsten Cimelien (an Handschriften und Druckwerken) in Glaskästen aufgestellt sind, um den wenigen Besuchern der Anstalt, welche, ohne gerade einen streng wissenschaftlichen Zweck zu verfolgen, Seltenheiten zu sehen wünschen, unter Vermeidung des Zeitaufwandes von Seiten der Bibliothekbeamten dergleichen zur Anschauimg zu bringen." Der von Hofmann oben erwähnte Katalog erschien u. d. T.: Naumann, Robert: Führer durch die Ausstellung von Handschriften und Druckwerken auf der Stadtbibliothek zu Leipzig. - Leipzig 1856 und ist außerdem abgedruckt im Serapeum. 17.1856 I.B. S. 153-57,161-65,169-73,177-81,185-89. Er gliedert das Material wie folgt: 1. Handschriften vom 9.-17. Jahrhundert. 2. Handschriften mit Malereien vom 10. -15. Jahrhundert. 3. Orientalische Handschriften. 4. Vorläufer der Buchdruckerkunst (Holztafeldrucke). 5. Wiegendrucke. 6. Pergamentdrucke. 7. Autographen. Im ganzen werden 83 Nrn gebracht. Den einzelnen Nrn sind z. T. ausführliche historisch-kritische Anmerkungen beigegeben, auf Bibliographien wird verwiesen. Auch die Signaturen fehlen nicht. - Dies alles zeigt, wie sehr Naumann Sorgfalt und planvolle Überlegung beim Aufbau dieser Ausstellung walten ließ. Es beweist aber gleichzeitig, welche Bedeutung er ihr beimißt. Von einer Wechselausstellung an derselben Bibliothek hören wir wieder 1863. Sie wurde aus Anlaß der 50jährigen Gedenkfeier der Völkerschlacht bei Leipzig veranstaltet. Näheres darüber s. Serapeum. 24.1863 I.B. S. 169-70, 177-81,
116 Dietrich Wilhelm Grobe 185-88,25.18664 I.B. S. 1-4. Dort ist auch der 129 Nrn umfassende Katalog der " Autographen von Männern, welche sämtlich während der Befreiungskriege eine hervorragende Stellung eingenommen haben" abgedruckt. (Die Autographen bildeten nur einen Teil der Ausstellung.) Jetzt nimmt auch die Bibliothèque nationale in Paris eine planvolle Ausstellungstätigkeit auf. Ihre gedruckten Ausstellungskataloge erscheinen seit 1875. (Deren Titel sind vollzählig bis 1940 aufgeführt in: Les Catalogues imprimés de la Bibliothèque nationale. Liste, description, contenue. Paris 1843 S. 135-149.) Durch übersichtliche Anordnung, ζ. Τ. ausführliche Anmerkungen und beigegebene Register bemerkenswert ist der 1881 erschienene Katalog der ständigen Ausstellung in der Galerie Mazarine. (Bibliothèque nationale. Imprimés, manuscripts, estampes. Notice des objets exposés. - Paris 1881. Vgl. auch Rothe (16, S. 563.) Er verzeichnet die dort ausgelegten Drucke (669 Nrn), Handschriften (448 Nrn), Holzschnitte und Kupferstiche (164 Nrn). Allmählich beginnen nun auch Bibliotheken Ausstellungen zu veranstalten (vgl. Graesel: 6, S. 194-96 u. S. 544 und den unserer Arbeit beigegebenen bibliographischen Anhang: 6). Hier nur kurz die wichtigsten Ausstellungen in chronologischer Folge bis 1900: (Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei an dieser Stelle gleich ausdrücklich vermerkt, daß wir im folgenden im allgemeinen nur solche Ausstellungen berücksichtigen, die vornehmlich aus den Beständen der ausstellenden Bibliothek aufgebaut und in deren Räumen veranstaltet wurden.) 1884. London, BML: Wyclif-Ausstellung. 1886. Basel, UB: Ausstellung derjenigen Handschriften der Bibliothek, welche künstlerischen Schmuck tragen. 1887. Karlsruhe, HofüLB: Geographische Ausstellung. London, BML: Ausstellung von Handschriften und Büchern, die sich auf die Stenographie beziehen. 1888. London, BML: Stuart-Ausstellung (S. The Library. 1.1889 S. 69-70 u. S. 137-40). 1889. Stuttgart, KB: Graphische Ausstellung. 1890. Aachen, StB: Ausstellung zur 450jährigen Jubelfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst (Graesel: 6, S. 195). Bamberg, KB: Ausstellung zur 450jährigen Jubelfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst (Graesel: a. a. O. S. 195). Köln StB: Ausstellung zur 450jährigen Jubelfeier der Erfindung der Buchdrukkerkunst (Graesel: a. a. O. S. 195). London, BML: Tudor-Ausstellung (s. The Library. 2,1890 S. 63-64 u. s. 188-90). 1892. Göttingen, UB: Columbus-Ausstellung. 1883. Mainz, StB: Ausstellung zur Geschichte von Mainz vor 100 Jahren. 1894. Hamburg, StB: Ausstellung von Handschriften und Büchern anläßl. des Journalisten- und Schriftstellertages (Kat. in: Mitteilungen aus der Stadtbibliothek Hamburg. 11.1894 S. 21-53). Köln, StB: Mercator-Ausstellung (Näheres s. Katalog einer Mercator-Ausstellung im Lesesaale der Kölner Stadtbibliothek. - Köln 1894).
Ausstellungen an öffentlichen Bibliotheken 117 Königsberg, UB: Ausstellung der "Silberbibliothek" im Lesesaal aus Anlaß der 350jährigen Jubelfeier der Gründung der Universität (Als Kat. dazu kann gelten: Schwenke, P[aul] u. K[onrad] Lange: Die Silberbibliothek Herzog Albrechts von Preußen und seiner Gemahlin Anna Maria. Leipzig 1894. München, HofuSB: Orlando di Lasso-Ausstellung (Graesel: a. a. O. S. 195). Hans Sachs-Ausstellung. Vgl. dazu auch Eichler (4), der schreibt, daß die HofuSB München durch diese Ausstellung "das Bibliotheksausstellungswesen der Literaforschung dienstbar gemacht" habe. 1895. Graz, LB: Inkunabeln und Cimelien. 1896. Bamberg, KB: Ausstellung astronomischer Literatur vom 8.-19. Jahrhundert (Kat.: Die Ausstellung astronomischer Literatur vom 8.-19. Jahrhundert in der Königlichen Bibliothek ... [Verf.: Friedrich Leitschuh]. - Bamberg 1896 1897. Zürich, StB: Ausstellung von Bildern, welche auf die Urschweiz Bezug haben. 1898. Torino, Bn: Ausstellung von Musikhandschriften, -drucken usw. 1899. Bruxelles, Br: Ständige Ausstellung von Kupferstichen, Inkunabeln und Handschriften. München, HofuSB: Ausstellung medizinischer Handschriften. 1900. Frankfurt a. M. StB Ausstellung deutscher Buchillustrationen bis Albrecht Dürer. Jena, UB: Goetheausstellung. London, BML: Chaucer-Ausstellung (s. Zeitschrift für Bücherfreunde. 4,2. 1900/01, S. 406-09). Anläßlich des Gutenbergjahres 1900 veranstalteten zahlreiche Bibliotheken Ausstellungen. Von ihnen seien hier nur genannt: Göttingen UB, Kiel UB, Köln StB, Mainz StB, München HofuSB, Weimar Großherzogl. B, Wien HofB und Würzburg UB. Für die weitere Entwicklung des Ausstellungswesens in Deutschland sind die Angaben von Interesse, die Wahl (21) nach dem Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken zusammengestellt hat. Danach werden für die Jahre 1900 u. 1901 5 Ausstellungen (Jg. 1.1902) 1905 u. 1906 8 Ausstellungen (Jg. 5.1907) 1908 u. 1909 6 Ausstellungen (Jg. 8.1910) angegeben. Ehe wir aber Wahls Ausführungen über die Wechselausstellungen weiter folgen, wollen wir uns über den derzeitigen Stand der Dauerausstellungen an deutschen Bibliotheken unterrichten. Die Angaben darüber entnehmen wir dem 1914 abgestatteten Bericht der vom Verein Deutscher Bibliothekare eingesetzten Kommission für die Verwaltungspraxis (1). Ausgehend von einem Vortrag mit dem Thema: "Arbeitsmethoden und Organisationsformen der Bibliotheken", den Johannes Füchsel 1910 auf der Nürnberger Versammlung Deutscher Bibliothekare (s. Zentralblatt für Bibliothekswesen. 27.1910) hielt, wurden Fragebogen an 184 Bibliotheken des deutschen Reichsgebietes geschickt. 63 antworteten nicht, so
118 Dietrich Wilhelm Grobe daß Material von 121 Bibliotheken vorlag. Eine Unterabteilung dieses Berichtes bildet die Abteilung Benutzung, über die Rudolf Helssig referierte. Uns interessiert die Frage 4 dieser Unterabteilung. Zunächst Frage 4b. Sie lautet: "Besteht eine Ausstellung von Cimelien? Wenn ja, welche Maßnahmen sind zu ihrer Sicherung getroffen?" Diese Frage wurde "... veraeint von 84, bejaht von 37 Bibliotheken; doch beschränken einige wenige dieser die Ausstellung auf besondere Gelegenheiten oder bestimmte Zeiten." Wir haben es also mit weniger als 37 wirklichen Dauerausstellungen zu tun. "Die Cimelien sind meist in verschlossenen Vitrinen ausgestellt, die bei einigen Bibliotheken mit Patentschlössern versehen sind. Vielfach, ja meistens ist ein Betreten des Ausstellungsraumes nur in Begleitung eines Beamten möglich; doch wagen auch einige Bibliotheken Ausstellung ihrer Cimelien im Lesesaal." Soviel über die Dauerausstellungen. In der gleichen Unterabteilung wird nun noch über eine besondere Form der Wechselausstellung berichtet, die Ausstellung der Neuerwerbungen nämlich. Frage 4a lautet: "Werden die Neuerwerbungen vor ihrer Einreihung in die Bücherbestände regelmäßig ausgestellt? Wie lange und in welchem Raum? Diese Frage wurde verneint von 60 Bibliotheken, von 52 bejaht. Dabei wurden nicht als Ausstellung die der Bibliothek von den Buchhandlungen zugehenden Ansichtssendungen betrachtet, die den die Bibliothek besuchenden Dozenten zugänglich gemacht werden. "Die Länge der Zeit, während der die Ausstellung stattzufinden pflegt, ist bei den Bibliotheken sehr verschieden, sie schwankt zwischen einem Tag und sechs Wochen. Vielfach beschränkt sich die Auslage auf eine Auswahl des Wichtigsten, voraussichtlich Gangbarsten. Bei den Bibliotheken, die ausschließlich für eine bestimmte Körperschaft oder Behörde da sind, geschieht natürlich die Auslage nur für die Mitglieder dieser. Bei den anderen findet sie in der Mehrzahl der Fälle(42) im allgemeinen Lesesaal oder im Ausleihezimmer statt, kann also von allen Besuchern eingesehen werden, bei 10 anderen Bibliotheken dagegen in einem nur für Dozenten oder andere bevorzugte Personen zugänglichen Raum." Wenden wir uns nun wieder den eigentlichen Wechselausstellungen zu, und folgen wir dabei erneut Wahls Ausführungen (a. a. O.), die sich - wie erwähnt auf die Angaben im Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken stützen. Es werden für die Jahre 1913 u. 1914 7 Ausstellungen (Jg. 12.1914) 1915 u. 1916 4 Ausstellungen (Jg. 13.1916) 1917 u. 1918 12 Ausstellungen (Jg. 14.1920) gemeldet. Mithin sind "während der Kriegszeit also insgesamt 15 Ausstellungen" veranstaltet worden (Wahl: a. a. O.). Greifen wir ein bemerkenswertes Beispiel der ausstellenden Bibliotheken heraus : die Königliche Bibliothek zu Berlin begann 1914 mit der Ausstellung einer
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Auswahl der Kriegssammlung 1870/81 - sie weihte damit gleichzeitig ihren neuen Schausaal ein - die Reihe ihrer Wechselausstellungen. Hatte diese vom 18.12.1914 bis zum 24.1.1915 zugängliche erste Ausstellung einen Tagesdurchschnitt von 107,1 Besuchern aufzuweisen - i. g. wurde sie von 3000 Menschen besichtigt -, so erreichte die 1917 ebendort veranstaltete Lutherausstellung einen Tagedurchschnitt von 2041 Besuchern, wobei zu bemerken ist, daß diese i. g. von 10 000 Menschen besuchte Ausstellung täglich nur 2 Stunden geöffnet war (1.10.-18.11)! Immer mehr Bibliotheken schließen sich an, und für die Jahre 1934 und 1935 berichtet das Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken Jg. 26/27.1936 gar von 111 Ausstellungen an 36 Bibliotheken! Wahl (a. a. O. S. 144) schreibt: "Von den fünf Pionieren des ersten Jahrbuches sind heute [1936] noch und wieder drei zur Stelle: die Universitätsbibliotheken Göttingen und Kiel und die Bayerische Staatsbibliothek München; Gotha und Köln sind ausgefallen. Aber dafür hat eine große Zahl von Bibliotheken seit damals eine Ausstellungstätigkeit neu aufgenommen. Von den großen Staats- und Landesbibliotheken in Berlin, München, Stuttgart, Dresden, Darmstadt, Karlsruhe usw. fehlt kaum eine, von den Universitätsbibliotheken sind bereits zehn in den Kreis der ausstellenden Schwesteranstalten getreten. Eine ganze Reihe von Stadt- und sonstigen Bibliotheken haben sich angeschlossen. Nicht wenige Bibliotheken gehen über die Durchschnittszahl von drei Ausstellungen hinaus. Je vier Ausstellungen werden von fünf Bibliotheken gemeldet, je fünf von drei, sechs von einer, sieben von einer, je zwölf von zwei." In der Zeit von 1933 bis 1945 wurden die Ausstellungen an deutschen öffentlichen Bibliotheken in den Dienst der politischen Propaganda gestellt, wobei dies weniger die wissenschaftlichen Bibliotheken als vielmehr die Volksbüchereien betrifft. Unter den wissenschaftlichen Bibliotheken war es besonders die Preußische Staatsbibliothek Berlin, die repräsentative Ausstellungen dieser Art veranstaltete bzw. veranstalten mußte. Der Reigen begann mit der am 23.11.1934 durch Alfred Rosenberg eröffneten Ausstellung: "Ewiges Deutschland. Deutsches Schrifttum aus 15 Jahrhunderten", die - wie viele folgende Ausstellungen - gemeinsam mit der "Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums" zusammengestellt wurde (Lit.: Zentralblatt für Bibliothekswesen. 52.1934, S. 110-12; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 101.1934 Nr 276; Nationalsozialistische Monatshefte. 6.1935, S. 183-84). Ein Katalog erschien u. d. T.: Ewiges Deutschland. Deutsches Schrifttum aus 15 Jahrhunderten. - Berlin 1934. Bezeichnend das Vorwort zu diesem Katalog von Rosenberg, der u. a. ausführt: "Die Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums und die Preußische Staatsbibliothek haben es unternommen, das Unvergängliche im deutschen Schrifttum von der gotischen Bibelübersetzung des Ulfilas bis zu Hindenburg: "Aus meinem Leben" und Adolf Hitler: "Mein Kampf 1 an einer Reihe kostbarer und eindrucksvoller Zeugnisse ins Bewußtsein zu rufen und daran anschließend die Auslese des heutigen Schrifttums als Ergebnis der Tätigkeit der Reichsstelle vor Augen zu führen." In ähnlichem Sinne die am 23.11.1935 eröffnete Ausstellung: "Das wehrhafte Deutschland in Zeugnissen deutschen Schrifttums" (Lit.: Zentralblatt für Biblio-
120 Dietrich Wilhelm Grobe thekswesen. 53.1936, S. 89-90; Kat. u. d. T.: Das wehrhafte Deutschland in Zeugnissen deutschen Schrifttums. - Berlin 1935). Und so viele andere Ausstellungen mehr. Sie zeigen, zu welch' gefährlichem Instrument die Ausstellung werden kann, wenn sie als Propagandamittel einer politischen Lehre gebraucht wird. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß zu gleicher Zeit in Deutschland Ausstellungen veranstaltet wurden, die frei von dieser Bindung waren. Als Beispiel sei hier die am 2.10.1935 eröffnete Lope de Vega-Ausstellung der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg genannt (Lit.: Zentralblatt für Bibliothekswesen 52.1935, S. 638; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 102.1935 Nr 248), der auch schon deshalb eine große Bedeutung zukommt, weil das für sie zusammengetragene Material in einer umfassenden, in Gliederung und Anlage vorbildlichen Veröffentlichung verwertet wurde: Tiemann, Hermann: Lope de Vega in Deutschland. Krit. Gesamtverz. d. auf deutschen Bibliotheken vorhandenen älteren Lope-Drucke u. -Handschriften nebst Versuch e. Bibliographie d. deutschen Lope-Literatur 1629-1935. - Hamburg 1939. Nach 1939 hatten die Bibliotheken der vom Kriege bedrohten Länder für die Erhaltung ihrer Bestände Sorge zu tragen. Insbesondere war man bemüht, die Cimelien vor Beschädigung oder Verlust dadurch zu sichern, daß man sie entweder an geschützte Orte auslagerte oder doch zumindest in die Keller der Bibliotheken schaffte. Damit wurden die Dauerausstellungen ihrer repräsentativsten Objekte beraubt, ein Verlust, der auch nicht durch Reproduktionen wettgemacht werden konnte, die vielfach als Ersatz für die Originale ausgelegt wurden. Schließlich war an Ausstellungen dieser Art wie auch an Wechselausstellungen kaum noch zu denken.
Berücksichtigte Literatur Vorbemerkung: Das Manuskript dieser Studie wurde im Rahmen einer größeren Arbeit 1953 abgeschlossen - neuere und z. T. sehr wesentliche Arbeiten sind hier nicht aufgeführt. 1. Arbeitsmethoden und Organisationsfragen der deutschen Bibliotheken. Bericht d. v. Verein Deutscher Bibliothekare eingesetzten Kommission f. d. Verwaltungspraxis. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen. 31.1914, S. 195-237 2. Für die Besucher der k.k. Hofbibliothek. In: Wiener Sonntagsblätter 1847 Nr. 36. Abgedr. in: Serapeum. 8.1847, S. 298-99 3. Bockwitz, H. H.: Buch und Schrift in musealer Darstellung. In: Imprimatur. 2.1931, S. 12534 4. Eichler, F.: (Zur Buchkunstausstellung der K.K. Hofbibliothek 1916). In: Zentralblatt für Bibliothekswesen. 33.1916, S. 227-33 5. Eiselen, E.: The Technique of exhibits. In: Journal of geography. 39.1940, S. 320-22 6. Graesel, Α.: Handbuch der Bibliothekslehre. 2., völlig umgearb. Aufl. d. "Grundzüge der Bibliothekslehre". - Leipzig 1902
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7. Grimm, J. u. W. Grimm: Deutsches Wörterbuch. Bd 1. - Leipzig 1854 8. Grimm, W. von: Studien zur älteren Geschichte der Kaiserlichen Öffentlichen Bibliothek in St. Petersburg (Leningrad) 1794-1861. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen. 50.1933, S.374-75 9. Hofmann, J.: Die Leipziger Stadtbibliothek 1677-1927. In: Die Bibliothek und ihre Kleinodien. Festschrift z. 250jähr. Jubliäum d. Leipziger Stadtbibliothek. Hrsg. v. J. Hofmann. - Leipzig 1927, S. 9-21 10. Kirchner, J.: Bibliothekswissenschaft. (Buch- u. Bibliothekswesen.) Heidelberg 1951. (Winters Studienführer. Gruppe Kulturwissenschaften) 11. Lyle, G. R.: The Administration of the college library. 2. ed., rev. - New York 1949 12. (Naumann, R.:) Bericht über eine auf der Stadtbibliothek zu Leipzig veranstaltete öffentliche Ausstellung. In: Serapeum. 8.1847, S. 193-99 13. Pescheck Petition an das Rathskollegium zu Zittau, die öffentliche Stadtbibliothek betreffend. In: Neues Lausitzisches Magazin. 23.(1847 ?), S. 97 ff. Abgedr. in: Serapeum. 8.1847, S. 300-04 u. 317-18 14. Reagan, Α.: College Library Exhibits: An investigation and report. In: College and Research Libraries. 5.1943/44, S. 246-58 15. Reagan, Α.: A Study of college library exhibit policy and practice. - Urbana, 111. 1943. Urbana Library School, Theses 16. Rothe, E.: Beobachtungen während einer viermonatlichen Volontärzeit an der Bibliothèque nationale in Paris. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen. 48.1931, S. 551-63 17. Sattler, P.: Ausstellungen als bibliothekarische Aufgabe. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen. 54.1937, S. 498-511 18. Savage, Ε. Α.: Manual of book classification and display for public libraries. 2.impr. - London 1949. (Library Association Series for Library Manuals. (8.)) 19. Schürmeyer, W.: Bibliotheksräume aus fünf Jahrhunderten. - Frankfurt a. M. 1929 20. Tiemann, H.: Bibliotheksgeschichte. (Vorlesungen, geh. im Wintersemester 1952/53 u. im Sommersemester 1953 an d. Bibliotheksschule d. Hansestadt Hamburg. Nicht veröff.; Nachschr. im Besitz d. Autors.) 21. Wahl, G.: Statistisches über Bibliotheksausstellungen. In: Festschrift Martin Bollert zum 60. Geburtstage. - Dresden (1936) 22. Ward, G. O.: Publicity for public libraries. 2. ed. - New York 1935 23. Trübners deutsches Wörterbuch. Im Auftr. d. Arbeitsgemeinschaft f. deutsche Wortforschung hrsg. v. A. Götze. Bd 1. - Berlin 1939
Alfred Jer icke
Konzeption und Gestaltung biographischer Museen in zeitnaher Sicht Eine Konferenz über die Konzeption und Gestaltung biographischer Museen sollte eigentlich - und müßte, wenn Zeit dazu vorhanden wäre - sich aufbauen auf einer Grundbestimmung des Museums im allgemeinen, seiner Geschichte und seiner Wesenseigenheiten. Der Rahmen der Gedanken spannte sich dann weiter aus, das Fundament wäre sicherer. Denn nach einer seit dem Altertum bis zur Gegenwart nie angezweifelten These ist ja "das Ganze stets mehr als die Summe seiner Teile"! Wenn also die Beschränkung auf eine Klasse oder Gruppe von Museen zwar zugleich eine Konzentration bedeutet, so hat diese mit schärferem Licht auf eine geschlossenere Gruppe gerichtete Ausstrahlung doch auch wieder den schattenden Nachteil oder die Gefahr, daß wir uns hinsichtlich der exakten Bedeutung und des Inhalts des Allgemeinbegriffes "Museum" und angesichts des Sinnes vieler seiner abzusondernden Unter- oder Einzelbegriffe, ja hinsichtlich der terminologischen Verständigung zu manchmal ein und demselben Begriff allerlei möglichen Mißverständnissen gegenübersehen können. Aber so sehr wir, bei dem gegenwärtigen Stande der Fachdiskussion, wahrscheinlich auch beim Versuch einer Verständigung über solche Grundfragen noch vor manchen Auffassungsdifferenzen verbleiben müßten, so wollen wir eine positive Seite unseres hier eingeschränkter angelegten Verfahrens nicht übersehen, sondern hervorheben, daß wohl gerade diese in engeren Sachbezirken sich bewegende Konferenz ihrerseits etwas beitragen kann zur Klärung und Bestimmung dessen, was man die Spezifik Museum nennt, was man als die völlig eigenständige kulturelle Institution dieses Namens von anderen abgrenzen und ihrem Wesen nach begreifen soll. Ein möglicher Beitrag für ein größeres Ganzes ist unsere Konferenz deshalb, weil sie nicht allein steht, Teil ist einer bemerkbar lebhafter gewordenen tendenziösen Strömung in der Richtung der Aktualisierung der Museen. Denken wir doch z. B. an die Kolloquien der naturwissenschaftlichen Museen, die letzte Kamenzer Konferenz im besonderen; oder an die vielfach und mancherorts, besonders auch im Ministerium für Kultur verstärkt angelaufenen Beratungen um den Charakter der Heimatmuseen bzw., wie sie zukünftig heißen sollen, der Regionalmuseen und ihrer Profilierung im Unterschied zu Bezirksmuseen, Sondermuseen usw.; denken wir auch an die gerade in jenem Personenkreis versuchsweise formulierten ersten Verallgemeinerungen und eröffneten Aussprachen zu Fragen einer Museumswissenschaft im ganzen und an die Aufstellung einer Folge ebenso zur Aussprache angebotener Thesen; oder denken wir an die Bestrebungen der Städte, Kreise und Bezirke in ihren Museumsaktiven; und denken wir schließlich an die zielstrebige Arbeit, die seit reichlich einundeinhalb Jahren von einer aus Museumsfachleuten und Pädagogen zusammengesetzten Arbeitsgruppe beim Wissenschaftlichen Rat des Ministeriums für Volksbildung aufgenommen wurde. Ja, vielleicht ist in der Bewegung und Schrittfolge solchen Aufbruchs eine Zurückhaltung, die sogar noch um ein Stück weiter maßbeschränkt bleibt, als es der Titel andeutet, von Vorteil: wenn wir nämlich zwar allerlei durchaus auch sagen werden zum Museum im allgemeinen, allerlei ferner
124 Alfred Jericke über den Begriff des biographischen Museums in seiner allgemeinen Verständigung, dennoch aber bevorzugt eine Spezies des biographischen Museums unter die Lupe nehmen, das literarhistorische biographische Museum. Möglich, daß wir d a m (und besonders, wenn Vertreter biographischer Museen der anderen Gebiete Kunst, Politik, Medizin usw. das ihre einmal anfügen) von solch einem konkret und klar sich darstellenden Fall aus sowohl für unsere Sonderziele des biographischen Museums viel Boden gewinnen als auch über die besondere Museumsklasse oder Museumsart hinaus einiges Fördernde zur Wesensbestimmung des Museums im allgemeinen erfassen können. [...] Aus all diesen bisherigen Betrachtungen ergeben sich nun zwei entscheidende Anhaltspunkte (Maximen) für die Museumsarbeit generell: Erstens: die gar nicht genug zu betonende (bisher nämlich in den Museumsdiskussionen nicht klar genug gebotene) Differenzierimg der Funktionswege zur Wissensbildung, wie sie von den großen Pädagogen der verschiedenen Jahrhunderte sowie von Goethe und der deutschen Klassik, aber auch von Lenin und der marxistischen Wissenschaft übereinstimmend fixiert wurde - und unsere adäquat daraus abgeleitete Folgerung, daß eine der wichtigen Erfahrungs- und Wissensquellen, nämlich die sinnenhaften Erlebnisse, insonderheit die Anschauung, nicht nur zu diesen Quellen der Bildung gehören, sondern nach einer langen Vernachlässigung der Ausnutzung ihrer potentiellen Kraft endlich neu zu fördern und auszuwerten sind im Interesse einer totalen, ganzheitlichen Bildung des sozialistischen Menschen, des homo humanus. Zwar haben im Museum auch die anderen sinnenhaften Erlebnisse, die gehörmäßigen (akustischen) und die tastenden (taktilen), ihre mehr oder weniger hervortretende Bedeutung, aber die entscheidende Rolle spielt doch das Augenerlebnis (die Visualität), das hier dem stehenden oder gehenden Menschen widerfährt und ein ergiebiges Quellbecken ist für die sich sekundär funktional daraus entwickelnden Prozesse des Erkennens, der Bildung, der Erziehung. Zweitens: ist auch ein Gleichstellungsverhältnis "Museumsbesucher" und "Museumsgestalter" notwendigerweise scharf zu überdenken. Denn, um diesen engen Kontakt zu gewinnen mit den Dingen, den Gegenständen, ihnen sozusagen ihre Zunge zu lösen, damit sie zu uns unmittelbar sprechen und für uns zu einem Born der Wissensbereicherung werden, unser eigenes schöpferisches Denken anregen, uns vielleicht auch in Bahnen emotionaler Empfindungen, der Phantasie, der Freude, des ästhetischen Genusses mitreißen - diesen engen Kontakt muß nicht nur der Museumsbesucher lernen, sondern zuerst muß ihn der Museumsfachmann lernen und beherrschen! Dann erst vermeidet er das oft noch immer zu bemerkende Ausstellen bloßer Kuriositäten, also jener "museumsreifen" Dinge (im abträglichen Sinne), statt stark aussagekräftige Dinge zu sehen, zu durchdringen, seine Auswahl entsprechend zu treffen und sie nach ebensolcher Wertmessung zu piazieren. Und auch dann vermeidet er eine oft noch immer vorwiegend ästhetisch gehandhabte Form der Ausstellung, eine nicht vom Inhalt her ganz und gar gerechtfertigte Form. - Erst wenn er, wie der im "Tasso" angesprochene Enkel, lebhaft und bis zum tiefsten Grunde eine Sache, ihren Gehalt und ihre Aussagekraft erfühlt hat und sie museal Gestalt werden ließ, erst dann kann sekundär vom Betrachter, vom Besucher erwartet werden, daß dieser, von sich
Konzeption und Gestaltung biographischer Museen 125 aus oder durch Anleitung, auf den gleichen Weg des Sacherlebnisses und der Sacherkenntnis gelangt. Auf diese tiefe, erkenntnistheoretische Durchdringung des Museums als Bildungsmaterial muß es uns in nur irgendwie erreichbarem Umfange ankommen, wenn wir mehr als etwas Flaches, mehr als Beschäftigung, Unterhaltung, Befriedigung nebengelagerter Wünsche wollen - wenn wir mit unserer Institution den Menschen bestmöglich dienen wollen - wenn wir ein zeitnahes, ein sozialistisches Museum betreiben wollen. Was ist nun, unter Einbeziehung dieser so wichtigen Festpunkte aus der Sicht unserer Zeit, spezieller das biographische Museum? Wo liegen seine eigensten Potenzen? Welcher Mittel kann es sich bedienen? Wie weit reichen seine bildenden und erziehenden Kräfte? - Biographie heißt Lebensgeschichte. Lebensgeschichte kann sichtbar werden an Bildlichem, an Gegenständlichem. Insofern ist Biographisches auch museal, d. h. gegenständlich darstellbar. Wir sind damit aber zugleich bei einer beiläufigen Erkenntnis angelangt, der Erkenntnis des Alters dieser Klasse oder Gattung Biographisches Museum. Es ist schnell einzusehen und zu begreifen, daß erst die Epoche eines stärkeren Interesses an geschichtlichen und genetischen Fragen zu einer Beschäftigung mit Biographie gelangen konnte. Erst im 19. Jahrhundert beginnt man, etwa Kunstbetrachtung auszuwerten zur Kunstgeschichte, beginnt man, ein einzelnes Kunstwerk in den Werk-, in den Oeuvrezusammenhang, in den Zusammenhang der Werkentwicklung eines Künstler in der zeitlichen und Lebensabfolge zu rücken, beginnt man, auf jedem Schaffensgebiet die Leistungen etwa eines Musikers, eines großen Wissenschaftlers, genetisch, biographisch, also aus Zeitfolge, Lebenszusammenhängen, örtlichen, gesellschaftlichen, nationalen, internationalen Bezügen, Verflechtungen usw. zu erforschen und zu betrachten. Was ist dabei der Inhalt? Sind es diese eben genannten Bezüge und Verflechtungen? Ja und nein! Nein deshalb - wir müssen noch tiefer fassen -, weil das alles immer ein Letztes transparent machen muß, dasjenige eben zeigen muß, was der eigentliche Gehalt ist, also: im Leben ζ. B. eines Mediziners seine Leistung für die Medizin, im Leben eines Musikers seine Bedeutung für die Entwicklung der Musik. Das ist Gehalt, das ist Inhalt des biographischen Museums im eigentlichen Sinne. Ich verenge nun meine Betrachtungen und spreche einmal speziell von literarhistorisch-biographischen Museen. Hier ist der auf ein Leben, auf eine Persönlichkeit bezogene, aber nun durch die Projektierung auf eine breitere Fläche für uns besonders interessante Gehalt "die Literatur". Sie ist das zutiefst Problematische unserer Sicht und unserer Aufgabenstellung. Literatur ist "Kunst", Kunst gehört zum Überbau. Auch Malerei ist Kunst, gehört zum Überbau. Malerei, als Kunstwerk im Museum untergebracht, kann ich anschauen. Literatur als Kunstwerk kann ich nie und nimmer anschauen, ich muß es "lesen". Insofern könnten wir sofort schlußfolgern und fragen: Also ist wohl Literatur überhaupt nicht museumstauglich? - Dennoch erheben wir aber den Anspruch, bei geringem Aufwand sogar von nur eineinhalb bis zwei Stunden des Durchgehens Literatur im Museum zu behandeln, treten also gegenständlich an das Thema Literatur heran. Ist das ein Widerspruch? Nein! Aber, wie es ja immer ist, eine Zweifelsfrage führt weiter. Das Problem lüftet sich, wenn wir uns schnell noch einmal die
126 Alfred Jericke generellen Grundzüge des Museums, wie es mindestens seit der Neuzeit um 1500 als Institution lebt, vergegenwärtigen, also sagen, im Museum gibt es zunächst einmal den Gegenstand, den körperhaften Gegenstand. Er wird gesammelt und das darf man als Wesensmerkmal nicht vergessen - zusammengehalten unter der Tendenz, daß man Wissensbereicherung erlangen, also Forschung betreiben will. Und diese Triebkraft erfordert das Ausbreiten der Gegenstände. Nun, sehen wir uns das an! Man hat ja auch Literatur von jeher "gesammelt". Wenn man aber Literatur, Bücher sammelte, entstand eine Bibliothek. Wenn man das noch nicht in Buchform, sondern als Manuskript vorhandene literarische Kunstwerk oder Dazugehöriges in Handschriftenform sammelte, dann war es ein Archiv. Es blieb in beiden Fällen eine Art Magazin. Aber nie wäre das ein Museum. Wenn man jetzt sagt, man hätte also ausbreiten sollen, ja, was hätte man denn ausbreiten sollen? Hätte man den "Faust" nehmen sollen, ihn in seine Seiten zerschneiden, an die Wand kleben und sagen: Hier ist der "Faust", ihr könnt ihn ansehen! Das geht also nicht, man muß das Werk lesen. Was wir ins Sichtbare transponieren, sind die mit Literatur verknüpften Zusammenhänge. Solange Literatur gar nicht in diese Zusammenhänge gerückt wurde - bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts -, betrachtete man nur den anekdotischen Gehalt des einzelnen Kunstwerks, man suchte Sachbezüge heraus. So verfuhren z. B. die Humanisten des 17. und frühen 18. Jahrhunderts mit der antiken Literatur. Der Sachgehalt interessierte, die Form auch und nicht selten auch der Vergleich mit anderen Künsten. Aber erst Lessing und Herder wünschten, daß die Literatur ethisch-erzieherische Einwirkung auf den Menschen haben möge. Damit kam, langsam spürbar, so etwas wie ein Entwicklungsbegriff in die literarische Betrachtung. Herder forderte z. B. zur Shakespeare-Erkenntnis, man müsse sein Drama, so wie auf andere Weise das griechische Drama, aus der Zeit heraus beurteilen und deuten. Das war neu, und das führte im 19. Jahrhundert hin zu dem nun voll wach gewordenen Sinn und der erstarkt betriebenen Betrachtung wirklich wissenschaftlicher, historischer und biographischer Zusammenhänge. Man wünschte jetzt Wissen über die Lebensumstände, die Werkentstehung, die geschichtlichen Verhältnisse, die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen, und über die Wirkungsgeschichte. Auch Goethe tut das auffälligerweise und in vielleicht erstmaliger größerer Umschau im Leipzig-Kapitel seiner Autobiographie "Dichtung und Wahrheit". Es tauchen aber damit endlich die dinglichen Mittel dafür auf, das Wissen um die Literatur zu bereichern, Möglichkeiten, sie ansichtig zu machen durch Gegenstände. In unserer nichts auslassenden erkenntniskritischen Absicht fragen wir weiter: Wo kommt denn nun dieses Material her? Ist es nicht eine rechte Mischform, die wir vor uns haben? Denn um irgend etwas zu belegen mit Bildern oder Gegenständen, greifen wir doch wohl in den Bestandsbereich des Museums der bildenden Künste oder eines für das Kunsthandwerk. Und legen wir Briefe aus, so kommen sie aus dem Archiv. Legen wir Bücher hin, so kommen sie aus der Bibliothek. Also ist ja vielleicht das Literaturmuseum, das biographische Literaturmuseum ein Konglomerat, eine Mischform. Ich will diese Vorstellung als etwas Scheinbares, als einen Irrtum erst einmal hinstellen, um später ihn zu widerlegen und begreiflich zu machen, inwiefern das ganz anders liegt.
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Beginnen wir aber mit der Konzeption! Der Ausgangspunkt und der alles immer wieder verknüpfende Sammelpunkt ist - wir hatten uns ja über den Kerngehalt, den jedes biographische Museum fassen muß, geeinigt - in diesem Falle die Literatur, der literarhistorische Aspekt. Die Konzeption also erwächst aus einer germanistisch fachlichen Leistung, die den Stand der Forschung feststellt, das spezifische Thema einfängt und dessen Umfang bestimmt. Im geistigen Bereich also beginnt sie. Es könnte jemand einwenden, von Anfang an schon mache sich aber die Forderung der Museumsgestalt bemerkbar. Wir haben es in Weimar erlebt, wir konnten ζ. B. nicht beim Schillermuseum generell vorgehen. Wir hatten nur fünf Räume und mußten fragen: Können wir denn das Leben, das gesamte Werk, die Entwicklung Schillers darstellen? Wir beschränkten uns schon aus räumlichen Gründen thematisch auf den Dramatiker Schiller und dort sogar wieder auf eine Auswahl seiner Dramen. So spricht eigentlich ganz naturgemäß in jeder Phase schon der museale Aspekt mit, wenn im noch geistig entwickelnden literarhistorischen Stadium gearbeitet wird. - Kann aber nun diese geistige Konzeption schlechthin bezeichnet werden als die Ermittlung des Standes der Forschung? - Zunächst können überhaupt sehr verschiedene Wege eingeschlagen werden. Diese Wege werden schon bestimmt durch die verschiedene Art, wie ein Forscher oder eine Forschergruppe an die germanistisch wissenschaftliche Aufgabe herangeht. Aus früherer Zeit ist das leicht begreiflich zu machen. Wir haben in der Germanistik im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert Forscher gehabt, die sich eng, zu exklusiv an die biographischen Fakten hielten, andere, die Literatur ideengeschichtlich verfolgten (Dilthey), andere, die von der Landschaft als einer prägenden Kraft ausgingen (Nadler). Es spielt in allem die Weltanschauung eine entscheidende Rolle. Aber auch dasjenige, was ich vorhin die "Mischform" andeutend nannte, dieses heterogene Deutimgsmaterial, kann von irgendeiner Seite her, je nach der Vorliebe des Leiters oder Gestalters, bestimmend werden und seine Wirkung ausüben. Ich will alles das an ein paar Beispielen deutlich zu machen versuchen: Das frühere Goethemuseum in Weimar, wie es von 1935 bis 1959 eingerichtet war, hatte einen durchaus biogaphischen Charakter. Dabei aber verriet es die Weltanschauung jener Zeit, hatte in der inneren Haltung etwas wie eine Verbeugung vor dem "Olympier Goethe", die auch die Gestalter dazu aufforderte, daß man jede neugefundene Reliquie, jedes Stück, das nur irgendwie mit ihm in Beziehung stand, sammelte und "auch noch" hineintat, so daß etwas von jener früher erwähnten Kuriositätensucht bemerkbar wurde. Und das unter einem gelegentlichen Auslassen wichtiger Grundzüge und fortlaufender Linien für die Persönlichkeitsdarstellung oder die Werkabfolge oder ganzer Wirkungsbereiche, wie Goethes Vielseitigkeit auf naturwissenschaftlichem Gebiet und seine Leistung als Staatsmann. Im Frankfurter Goethemuseum finden wir auch eine biographische Grundhaltung vor, und der recht verdienstvolle, vor wenigen Jahren verstorbene Direktor, Prof. Dr. Beutler, sagte in seinem Katalogtext ganz offen, es sei der "Versuch einer Biographie in Bildern". Es soll also auf dem Wege der vergleichenden Kunstgeschichte an das Thema herangegangen werden, d. h. aber auch, daß einem der differenten, heranholbaren Deutungs- oder Gestaltungsmaterialien (in diesem
128 Alfred Jericke Falle Werken der bildenden Kunst) aus Wünschen oder Neigungen des Museumsleiters der Vorrang eingeräumt wird. Wenn wir das Marbacher Schiller-Nationalmuseum ansehen, wenigstens wie ich es noch vor einigen Jahren studiert habe, so drängt sich dort noch eine Art biographischer und archivalischer Grundlage in den Vordergrund, die sozusagen noch gar nicht "Museum" geworden war. Denn wenn in bestimmten Räumen reihenweise in Schränken Bücher aufgereiht und in riesenhaften Vitrinen Archivalien in sehr großer Zahl ausgelegt sind, dann ist das nicht mehr ein gestaltetes Augenerlebnis, sondern wesentlicher eigentlich eine Bibliothek und ein Archiv. Oder nehmen wir selbst ein solches Beispiel wie das Goethezeit-Museum in Weimar, das 1953 wieder geschlossen wurde. Das war vom Standpunkt des Marxismus-Leninsmus aus der recht interessante Versuch, von der ökonomischen Basis her die Erklärung zu finden für die Werkentstehung und die entscheidenden Ideen im dichterischen Werk. Aber es war bei solcher schließlich eben doch einseitigen Absicht ja eine Verlagerung des Gewichts ins Geschichtsmuseum, also in die Basis. Es kam das zu kurz weg, was Literatur ist. Ich betone immer wieder, wir müssen auf die Wesenheit sehen, die wir darzustellen haben. Das hatte man kritisch auch 1953 schließlich so eingeschätzt und hatte festgestellt, ein solches Museum repräsentiere eben doch nur eine Seite, aber nicht das umfassende und zugleich auch Literatur als Kunst ansprechende Thema, wie das in einem Dichtermuseum zwangsläufig aber gefordert wird. Denn das Literaturmuseum - wir kommen auf den Kern! - hat nach den gewonnenen Einsichten unserer Zeit eine eigene und klar zu erfassende Spezifik, es ist kein Museum der bildenden Kunst, kein Kulturgeschichtsmuseum, kein Geschichtsmuseum, keine Bibliothek, kein Archiv. Alles das sind nur seine Hilfsquellen. Wir sagten das früher schon: Literatur gehört zum Überbau, dort müssen wir sie belassen. Und unsere Betrachtung ruht auch nicht mehr auf vielleicht verführerischen Sonderinteressen, auf eng verstandenen biographischen, auf ideengeschichtlichen oder nur politischen, nur gesellschaftlichen Zusammenhängen usw. Uns ist heute wichtig die Ganzheit. Wir sehen den Menschen und mit dem Menschen das Werk und die Leistung, und dort immer das Progressive seiner Zeit und das noch für unsere Zeit Gültige. Der Gehalt des Museums hat aber in jedem Falle zwei Spiegelungen im biographischen Museum. Es interessiert einerseits eine durchaus subjektive Leistung, inhaltlich, künstlerisch, formal, sagen wir also die spezifisch Goethesche, Schillersche, Herdersche, Wielandsche Leistung usw., denn wir wollen ja auch ein Goethemuseum, ein Schillermuseum, ein Herdermuseum, ein Wielandmuseum aufstellen. Es kann nicht bei Verallgemeinerungen bleiben, sonst kommen wir in die bloße, nicht von der Persönlichkeit gefärbte Hervorkehrung des Ideologischen. Das subjektive Element, biographisch fundiert und das Besondere der Persönlichkeit nach den verschiedensten Seiten hin entfaltend, ist also von großer Bedeutung. Dieser subjektive Anteil kann aber wiederum nur dadurch von Wert sein, weil (und auf welche Weise und inwieweit) er die Spiegelung und die Stellungnahme zu objektiv menschlichen Verhältnissen ist. Goethe sagt in den Maximen und Reflexionen seines Nachlasses: "Wir wissen von keiner Welt als in Bezug auf den Menschen und von keiner Kunst als die diesen Bezug hat."
Konzeption und Gestaltung biographischer Museen 129 Besser können wir es heute kaum formulieren; das heißt aber, Kunstwerke und alle sonstigen Leistungen, die ein Großer geschaffen oder vollbracht hat, erfassen wir in humanistischer Betrachtungsart. Das eben ist der Vollgehalt dessen, was wir heute biographisches Museum nennen. - Entwickeln wir diese geistige Konzeption kurz am Beispiel des Weimarer Goethemuseums! Bei dieser Schau auf die Ganzheit des Menschen Goethe und seiner Leistung hat das mit der Konzeption beschäftigt gewesene Arbeitskollektiv sich gefragt: Was ist an Goethes Leben, Wirken und Gestalten denn das grundlegend Wesenhafte? Wir haben in unseren Studien und in vielen Diskussionen sechs Grundzüge herausgelöst. In erster Linie ist Goethe natürlich der große geniale Dichter, der Vollender der deutschen Nationalliteratur, der Mitbegründer des deutschen Nationaltheaters. - Zweitens ein hervorragender Bereicherer der deutschen Sprache. - Drittens bildet er, zum Teil mit Schiller, aber vorrangig doch er, die Theorie der klassischen Dichtkunst aus und nicht nur diese, sondern auch eine klassische Theorie der bildenden Kunst, die er auf den Gebieten Malerei und Architektur sogar auf praktischen Wegen fördert (Zeichenschule, Künstlerwettbewerbe, Leitung der Schloßbaukommission). - Viertens: Goethe der Staatsmann, mit mancherlei Reformen und praktisch sozialen Taten. - Fünftens: der Wissenschaftler, insbesondere der Naturwissenschaftler Goethe, ζ. B. mit der Entdeckung des Zwischenkieferknochens beim Menschen, mit der Lehre von der Morphologie der Pflanzen und Tiere und dem Gestaltwandel, mit wegweisenden Ergebnissen auch für die vergleichende Anatomie und Knochenlehre mit materialistischen Zügen, die schon auf Lamarck und Darwin hinweisen, und Goethe auch als der Begründer der Physiologie der Farben. - Schließlich sechstem, das ganze Werk durchdringend, die philosophische Leistung Goethes, die Entfaltung eines Weltbildes, das man als spinozistisch bezeichnen darf, das aber noch dem dialektischen Denken Hegels verwandt ist. Da sind die Grundzüge der geradezu als Universalität zu bezeichnenden Goetheschen Geistesart, die in jeder Hinsicht und stets auch von dem Wesenszug humanitärer Gesinnung durchdrungen ist. An diese Überschau der Ganzheitsleistung schließt sich die detaillierte Konzeption an, das heißt eine die 24 Räume erfüllende Verfolgung des Lebens und der Leistung in biographischer, gesellschaftsgeschichtlicher, wissenschaftsgeschichtlicher und kunstkritischer Spiegelung, immer bezogen auf das Zentrum Goethe. Es zeigt sich deutlich, daß die Konzeption nur wissenschaftlich fachlich, nur mit forscherischer Durchdringung bzw. auf dem Wege der Überprüfung des fachlichen Wissensstandes geleistet werden kann. Und nun folgt eine Zäsur (wenn man eine solche machen will, obgleich ja doch in der Wirklichkeit der Museumsarbeit eins mit dem anderen nahtlos verbunden bleibt), der Schritt zur Sichtbarmachung. Denn es ist für das in geistiger Konzeption Gefundene und Erkannte Gegenständlichkeit zu fordern, Gestalt fürs Auge. Und da erhebt sich die erste Frage: Ist diese Umsetzung eine Transposition? Wiederholen wir im Sichtbaren das, was die zugrundeliegende germanistische Facharbeit geleistet hat? - Schon bei dem einfachsten Überdenken werden wir bemerken, daß wir uns im Museum ganz anderen Wegen und Ergebnissen gegenübersehen. Das erste, was wir wohl tun, ist eine Vergegenständlichung des
130 Alfred Jericke in der Vorkonzeption nur "Gesagten" : Von Personen, von denen da in Buchstaben die Rede ist, suchen wir und sehen wir das wirkliche Bild, das Porträt, oder wir sehen die Ansicht des Ortes, die Ansicht der Landschaft, die Kostüme, die Trachten und Moden, die Fabrikations- oder Handwerksverhältnisse, die Geräte, den arbeitenden oder den geselligen Menschen in seinen Bewegungen, in seinen Sitten, bei seinen Festen usw. Aber diese einprägsame Vergegenständlichung bildet gegenüber der bloßen Wortbeschreibung, die ohne das Bildliche oder Körperliche einer solchen Konkretisierung im Nebel bleiben müßte, schon eine ins Geistige führende und als bleibend und plastisch sich auswirkende Festigung. Wir kommen den Dingen näher, leben sozusagen auf einmal enger mit ihnen. Dinge und Verhältnisse sind uns greifbarer, wir wissen nun mehr von ihnen. Wir könnten sagen, unsere vorangegangene wissenschaftlich-konzeptionelle Arbeit wird gestützt, aber sie wird auch gefördert, gesteigert, erweitert. Das wird besonders erkennbar, wenn wir an dem jetzt erreichten Punkte unserer Betrachtungen darauf achten, daß diese vorhin erst einmal vage bezeichnete scheinbare "Mischform" aus Archiv, Bibliothek, Kunstmuseum, Kunsthandwerksmuseum, Geschichtsmuseum und evtl. noch anderer materialmäßiger Herkunft nicht eine Trennung bleibt und bleiben darf, sondern daß die heterogenen Dinge, deren wir uns zur Anschaulichmachung bedienen, jetzt sämtlich nur unter einem literarhistorischen Bezug ausgewählt, aufgestellt und betrachtet werden dürfen. Ein Gemälde z. B. interessiert hier nicht nach seinem objektiven und kunsthistorischen Wert, sondern als Zeuge und Aussage für einen literarhistorischen Fakt oder Zusammenhang. Wenn der Kunsthistoriker das Werk nach zwei Gesichtspunkten einordnen und bewerten muß, erstens als Teil des Gesamtoeuvre des Künstlers und zweitens nach seiner Bedeutung für die Entwicklung der Kunstgeschichte, so ist das ein ganz anderes Denken und Urteilen, als wir es ansetzen. Natürlich muß das Kunstwerk, das wir aussuchen, ein typisches sein. Aber es ist durchaus denkbar, daß wir nicht auf die Hochform der künstlerischen Meisterschaft achten oder jene anderen Gesichtspunkte anwenden, nach denen sich der Kunsthistoriker richten muß. Insofern kann ein zweitrangiges, ein drittrangiges Kunstwerk im Literaturmuseum oder in einem andern biographischen Museum erstrangige Bedeutung erlangen. Wir wollen das nur andeuten. Um es aber der Unmißverständlichkeit wegen noch einmal mit andern Worten und verallgemeinert auszusprechen: alle im biographischen bzw. literarhistorischen Museum herangezogenen Elemente der bildenden Kunst oder des Kunsthandwerks oder des Archivs oder der Bibliothek oder welcher sammlerischen Institutionen auch immer, sie alle werten sich um für eine ganz andere und völlig eigenständige Bezogenheit. Im literarhistorischen Museum heißt dieser ständige Bezug eben "Literatur". Es wird nun das Verständnis fördern, wenn wir solche im Vorangegangenen nur in Thesen gefaßte Behauptungen an konkreten Beispielen uns vergegenwärtigen, wozu am besten (wie es beim Vortrag möglich ist) Lichtbilder das Gesagte noch unterstützen. Aber selbst ohne diese mag es verständlich werden, wo denn jeweils die Stärke oder Eigenart dieser musealen literarhistorischen Deutungskraft liegt, wodurch wir zur Schaubarmachung besonderer Zusammenhänge kommen und inwiefern nicht selten noch unsere Erkenntnis gesteigert, erweitert wird. Betrach-
Konzeption und Gestaltung biographischer Museen 131 ten wir zunächst ganz vereinzelte Dinge, und gehen wir objektmäßig dabei vom Nächstliegenden aus, was man wohl in einem literarhistorischen Museum zu sehen erwartet: das Buch und den Brief. Es wird jedermann nunmehr klar sein, daß wir im Literaturmuseum das Buch nicht auslegen, damit es "gelesen" wird, selbst wenn gelegentlich eine aufgeschlagene Seite Gedanken in wörtlicher Formulierung vorweisen soll. Wenn wir vorhin sagten, daß eine Entwicklung zu historischem Empfinden und Denken im 18. Jahrhundert einsetzte, so ist von da an progressiv das Empfinden für alles Erste, Einmalige, geschichtlich Belegende gestärkt worden. Unsere Aufmerksamkeit wird von Dingen solcher Art besonders angezogen. Ein Gegenstand, der sonst flach, allzu gewohnt durch unsere Finger geht, der Brief, das Buch , wenn sie dokumentarischen Wert haben, werden auf einmal ganz anders betrachtet. Eine Art Fluidum macht sich bemerkbar. Eine mediale Kraft beginnt zu wirken und vermag den Menschen - ich möchte so weit gehen und sagen - zu säkularisieren, ihn einzubeziehen in eine fremde und weit zurückliegende Zeit. Es ist für den Museumsfachmann immer wieder von Reiz, diese auf die Besucher, besonders auch auf Jugendliche wirkenden Kräfte, diese Emanation von etwas zunächst ungewohntem zu beobachten. Die Betrachtenden scheinen sich abzusetzen von der Gegenwart. Mit Goethes Worten möchten wir da fragen: "üben" sie ein besonderes Sehen, sind sie dem Enkel im "Tasso" verwandt, der mit einemmal Entscheidendes "erfühlt"? Zum mindesten ist der Schauensprozeß im Museum von solcher Art. Das Auge, arretiert, gefesselt von jenem dinglich Besonderen, das eine latente, immanente Aussage birgt, wird zum Erreger von Fragen und Gedanken. Und funktional führt nun der Weg des Erkennens je nachdem zuerst bis zur staunenden Fixierung der nicht mehr verblassenden Frage oder fort und immer weiter zum Erkennen, zum Wissen. Nehmen wir nun speziell für den Gegenstand Buch ein paar Beispiele: Irgend jemand habe Schillers "Geschichte des Dreißigjährigen Krieges" gelesen in vielleicht schöner, aber auch schon im Format fast normierter Klassikerausgabe, wie Verlage unserer Zeit Werke wissenschaftlichen Charakters herausbringen. Da tritt er etwa im Weimarer Schillermuseum an eine Vitrine heran und sieht die Erstausgaben vor sich liegen: zierliche Duodezbändchen, nur zwölf Zentimeter hoch, mit einem zarten Titelkupfer, bei Göschen in Leipzig herausgebracht als Historisches Taschenbuch für Damen! Weht ihm da nicht aus Form, Aufmachung, Titelei und dem ganzen Nimbus der noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts spürbare Anhauch "galanten" Geistes entgegen, die Erinnerung vielleicht an die damals zur Ausbreitung gekommene Teilnahme der Frauen an der Literatur und den allgemeinen Bildungsgütern der Gesellschaft? Oder der Tübinger Erstdruck des "Wilhelm Teil", dessen Titelseite aufgeschlagen ist, trägt neben einem in lichten Farben kolorierten Kupferstich die überraschende Zeile" Ein Neujahrsgeschenk für das Jahr 1805". Wie ungewohnt erscheint uns das! Fast ins Familiäre einbezogen wollte sich wohl in der Zeit der napoleonischen Bedrängnis so ein gewaltiges revolutionär-dramatisches Werk seinen Lesern anbieten! Und was fühlen wir da in uns wach werden? Kopfschüttelndes Interesse nur für eigenartige Gepflogenheiten damals? Nein, Nachdenken über feine Züge und geistige Brücken, deren sich das Jahrhundert der humanitären Klassiker für die gedankliche und kulturelle Durchdringung des Lebens breiter
132 Alfred Jericke Schichten bediente. Ein Neujahrsgeschenk! Welcher Dichter oder sein Verleger arbeitet heute mit solch einem Untertitel? Es war ein betont literarisches, ein aufklärerisches Jahrhundert. Ein anderes: Die "Wallenstein"-Trilogie wurde in Weimar 1798 bzw. 1799 zum ersten Male auf die Bühne gebracht. In einer Vitrine liegt ein auf feinster Durchzeichnung der Gestalten des Dramas aufgebautes Kartenspiel aus dem Jahre 1807, farbig gedruckt, ein zierlicher Schuber daneben. So tief war also das Drama bald in das Bewußtsein der Menschen gedrungen, sagt sich der Beschauer, daß das in jener Zeit in allen Kreisen so beliebte Kartenspiel sich bildlich seiner bemächtigte und dann zugleich nur immer breitere Schichten auf den dramatischen Gegenstand hinwies! Vom Buche führte das letzte Beispiel schon weg ins Bildliche. Denken wir an das Bild selbst und seine starken Wirkungskräfte! Im literarischen Museum haben also die Bilder eine andere Funktion als im Kunstmuseum, so sagten wir. Im gleichen Schillermuseum im Raum 3 hängen vier größere Originalblätter mit "Teil"-Illustrationen. Es ist nicht entscheidend, ob die erste, eine lavierte Federzeichnung um 1600, zu den Spitzenleistungen ihrer Entstehungszeit gehört, obgleich es ein gutes Blatt ist. Es ist ebensowenig wichtig, ob der aus dem 18. Jahrhundert stammende, verhältnismäßig großformatige Kupferstich Chodowieckis mit Teils Apfelschuß zu den besten Stichen dieses Meisters zählt. In der weiteren Aufreihung mit einem Holzstich aus dem frühen 19. Jahrhundert und einem kolorierten Stich romantischer Formsprache sind diese Bilder charakteristische Hinweise für das jahrhundertalte Interesse, das dem Teilstoff im Volke immer entgegengebracht worden ist. - Da liest man in einer Vitrine dicht bei diesen Bildern eine Stelle aus einem Briefe Schillers an den Dresdener Freund Körner vom 9. September 1802: "Du hast vielleicht schon im vorigen Jahre davon reden hören, daß ich einen Wilhelm Teil bearbeite, denn selbst vor meiner Dresdener Reise wurde deshalb aus Berlin und Hamburg bei mir angefragt. Es war mir niemals in den Sinn gekommen. Weil aber die Nachfrage nach diesem Stück immer wiederholt wurde, so wurde ich aufmerksam darauf." Sehen wir davon ab, daß der Tellstoff, wenn er etwa damals nur wenig bekannt gewesen und Schiller etwa zufällig in die Hände gekommen wäre, zur Darstellung eines um 1800 bestehenden nationalen Notstandes sich hätte anbieten können; hier aber schauen wir in Zusammenhänge, nämlich, daß und wie bildstark über Jahrhunderte hin der Teil im Volksbewußtsein tatsächlich lebendig war. Die Umkreisung des literarischen Werkes mit dem musealen Mittel des Bildes kann in sehr verschiedener radialer Streckenweite erfolgen. Im eben erwähnten Beispiel war es die weithin gespannte Fläche um das Vorkommen des Stoffes schlechthin. In anderen Fällen wird, inniger schon bezogen auf Vorgänge oder Gedanken des Werkes, irgendein Sondermotiv in bildlichen Bezügen aus den Lebensverhältnissen der Zeit nachgewiesen. Vielleicht, daß man neben der Buchausgabe zu Schillers Kabale und Liebe, zur Kammerdienerszene, zeitgenössische Bilder von den Soldatenstrafen zeigt, daß man Goethes "Iphigenie", das Werk der Fürstenerziehung, und ebenso seine amtliche Tätigkeit in der Kriegskommision, mit des Dichters eigener, recht zeitkritischer Zeichnung der Rekrutenaushebung konfrontiert u. ä. Das alles gehört zu den Fällen, wo in musealer,
Konzeption und Gestaltung biographischer Museen 133 nämlich sichtbarer Weise Spiegelungen aus den Gestaltgebungen des Dichters in die ökonomischen und gesellschaftlichen Grundlagen der Zeit oder umgekehrt erfolgen. Als eine dritte Variante des Bildgebrauches im Museum wären nun, bei viel engerem Ansatz am dichterischen Werk selbst, die eigentlichen Künstlerillustrationen zu erwähnen. Mit ihnen wird sozusagen eine direkt auf das Werk bezogene Schau geboten, eine Transkription desselben in anschaubare, zeichnerische oder malerische Zustände. Die in der Zeit sich vollziehende Wortfolge erscheint umgesetzt als Bild im Raum, das Nacheinander in einem Nebeneinander. Diese Künstlerillustrationen vermögen ihrerseits in einer äußerst reichen Skala von Möglichkeiten sei es eine ganz unmittelbare, den Text nur begleitende zeichnerische Notierung der Vorgänge, sei es eine aus neuer geistiger Durchdringung sinnbildlich deutende Ausweitimg anzunehmen. Man denke nur an die zahllosen Illustrationen, die zum Goetheschen "Faust" geschaffen wurden, und unter ihnen an so weit voneinander sich scheidende Künstler wie Delacroix, Retzsch, Slevogt und Klemm (Raum 24 des Goethemuseums). Diese und andere Künstler trennt nicht nur die Kunstströmung der Zeit, der sie angehörten, oder ihre Technik oder Handschrift, sondern sie trennt auch ihre bewußt oder unbewußt in Wirkung getretene Neigung zu abbildender oder sinnbildlicher Umsetzung der Ganzheit bzw. einzelner Passagen des dichterischen Werkes in zeichnerischer Form. Wir müssen es uns hier versagen, auf Unterschiede auch solcher Art einzugehen, wie sie sich aus Neigung oder unter Einflüssen einstellen, wenn wir einen Künstler etwa theaterdekorativ, einen anderen in freierer Landschaftsauffassung, einen dritten mehr gedanklich interpretierend an seine Aufgabe herangehen sehen; verzichten aber auch auf die Behandlung so problematischer kunstpsychologischer Fragen wie etwa jener grundsätzlichen, die in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts schon der Wölfflin-Kreis gestellt hat nach der Möglichkeit der Erhellung oder sogar gesteigerten Ausleuchtung der Wortkunst durch die Zeichenkunst. Als vierte Variante des Bildgebrauchs wollen wir nun einmal die scheinbar anspruchsloseste Form, nämlich die offenbar zunächst nur abbildungsmäßige Vergegenständlichung einer erwähnten oder beschriebenen Realität in Augenschein nehmen. Da kann es also auf eine einfache Weise so sein, daß dasjenige für uns einprägsam, konkret, deutlich wird, um was es geht, etwa Gestalt und Physiognomie. Aber da kann es der Fall sein, daß ein Bild noch mehr ergibt, daß der Literarhistoriker ζ. B. interpretiert, Goethe habe 1803 seine Schauspielregeln niedergeschrieben nach Erfahrungen und Erprobungen aus der Zeit um die Jahrhundertwende, während ein Ölbild, das der Weimarer Maler Kraus 1780 malte, die Zusammenhänge neu beleuchtet. Dieses Bild (im Raum 9) zeigt Goethe und Corona Schröter als Orest und Iphigenie nicht nur in interessanter Weise mit den bis in alle Feinheiten durchgezeichneten historischen Kostümen, die damals eingeführt wurden, sondern ζ. B. die Finger- und Körperhaltung des Orest nach allen Nuancen jener Beschreibungen, wie sie in den Paragraphen 43 und 48 der Schauspielerregeln von 1803 geboten werden, wie sie demnach aber schon mindestens dreiundzwanzig Jahre früher der Goetheschen Praxis entsprachen. Ein Fakt der Literaturgeschichte wird präzisiert, wird zeitlich "berichtigt". - Oder
134 Alfred Jericke ein anderes Beispiel: Wie förderlich kann es sein, von den kleinen Hackert-Ölbildera im Leipzig-Raum des Goethemuseums (Raum 4) aus Wege zu eröffnen zu Goethes Kunstbetrachtung in den Bildergalerien der Leipziger Sammler, zu seinem bleibenden Verhältnis zu Hackert und überhaupt zu einer bestimmten Art landschaftlicher Darstellung in der bildenden Kunst und Goethes Verhältnis dazu. Wie aber das Bild und alles Bildliche, so können die Plastik, das Gebrauchsgerät, der kunstgewerbliche Gegenstand, historische Möbel, ja eben in vielen Fällen ein größeres und geeignet zusammengerücktes Material von Umweltdingen - an bescheidenem Ort auch noch die persönliche Reliquie - deutende Kräfte herleihen. Denken wir z. B. an die gelegentlich sogar kühne, aber zweifellos oft recht gelungene Einbeziehung historischen Raums und alter Baureste, handwerklicher und künstlerischer Produkte, kompletter Werkstätten und ganzer Zimmereinrichtungen im großen Museum für die tschechoslowakische Nationalliteratur auf dem Strahov in Prag. Welche Mittel sind da aufgewendet und welche Kontrastierung! Etwa beim Vergleich des Jan-Hus-Raumes, des Raumes der Hussitenbewegung, der Buchdruckerwerkstatt, des 1848er Raumes mit der Bozena Nemcová oder des barocken Refektoriums, dessen auffordernde Architekturgeste kühn dem Erregenden der biographischen Darstellung sozialistischer Dichter gepaart wurde. - Und an deutschen Beispielen für den Gebrauch von Möbeln oder für die Verwendung der gesamten Komposition des Raumes zur Wirksammachung des historischen Fluidums, des Zeitkolorits, oder sogar zur Erreichung einer emotionalen Steigerung oder Verdeutlichung gedanklicher Inhalte läßt sich im Schlechten und im Guten auf die Verhältnisse in den alten und den neuen Ausgestaltungen des Weimarer Schillermuseums, des Goethemuseums, der Marbacher und anderer Räume hinweisen. Es läßt sich zeigen, wie man früher zumeist Bedeutendes neben Unbedeutendem aus Sammlerfreude und Kuriositätensucht aufreihte, ohne zugleich die Möbel oder andere kompositorische Elemente des Raumes auf die geistige Linie der thematisch-inhaltsbezogenen Interpretation zu bringen. Willkür früher im sogenannten Weimar-Raum des Goethemuseums allein schon bei der Bildverwendung, bei der Einordnung von großen Schattenrißbildern von geringer Bedeutung neben den erdrückend und in nicht genutzter Wandakzentuierung gehängten wichtigeren Motiven. Im früheren Leipzig-Raum die dominierend in Erscheinung getretene Reihe großformatiger Silhouetten der Tafelrundeteilnehmer in Schönkopfs Weinhaus, hingegen das für die Aussage viel wichtigerer Zusammenhänge bedeutungsvolle andere Bildmaterial unvollständig und von dem Gewicht jener Silhouettenreihe überschattet. Die Gegenbeispiele aus der neuen Gestaltung des Goethemuseums und der Museen für Schiller, Herder und Wieland zeigen in differezierter Weise die Möglichkeiten inhaltsbezogener Raumgefüge. Nimmt man irgendeinen Raum, etwa den Frankfurt-Raum (3) des Goethemuseums, so kann man verfolgen und erleben, wie durch die komplexe Verwendung aller bildlichen und räumlichen Mittel die gesellschaftlich-zeitgeschichtliche und künstlerisch-stilgeschichtliche Einkreisung bis zur Verschmelzung mit dem innersten Gehalt der Dichtung (in diesem Falle den ersten noch starr-panegyrischen Jugendgedichten Goethes) gelingen kann.
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All das bisher besprochene Unterfangen der "Gestaltung" wollen wir das intensive nennen, den eingeschlagenen Weg den intravertierten, nach innen gerichteten Weg. Das heißt: unsere Bemühung um Sichtbarmachung, um Transposition ins Visuelle, unsere Interpretation mit anschaubaren Mitteln ist eine wissenschaftliche Dokumentation. Ihr Kennzeichen ist nicht nur eine Konkretisierimg, eine Umsetzung in Bildhaftigkeit und Körperlichkeit, sondern aus diesen über sinnenhafte Wirkungen in uns eingehenden Kräften und Mächten erwächst zumeist eine Verdeutlichung, eine Steigerung, ja gelegentlich stellt sich sogar eine Korrektur, eine Berichtigung für ein vorher aus anderer Quelle Gewußtes ein. So werden wir unmerklich tiefer geführt oder erstreben bewußt und erreichen durch diese im forscherischen Sinne angewandten Dokumentationen Verdeutlichungen, Vertiefungen, also eine eigene wissenschaftliche - eine spezifisch museale - Qualität. Wobei sich diese "gestaltende" Arbeit von der Selektion des Einzelobjektes bis zur komplexen Darstellung oder Dokumentation mit einer Fülle von Mitteln bzw. bis zu einer gänzlich dokumentarisch behandelten Raumeinheit erstreckt. Aber es gibt noch eine andere, innerliche, nach außen hin diesmal auch nicht zu bemerkende Zäsur mit Hinwendung zu einer nun anderen Zielsetzung der Gestaltung. Diese andere Seite der Gestaltung betrifft eine künstlerische Leistung. Zwar ist auch sie nicht weniger inhaltsverbunden. Der Inhalt oder Gehalt ist auch hier die Ausgangsposition für alle Handlungen und angewandten Formen. Aber während auf dem vorhin beschriebenen Wege der forschende Sinn die Auswahl und die Proportionen bestimmte, richten sich unter diesem anderen (immer gleichzeitig mit eingeschalteten) Aspekt Blick und Tendenz auf eine Wirfaing in die Breite. Dieser - ich möchte sagen - zweite museale Weg möge im Unterschied zu jenem intensiven der extensive Weg genannt werden. Er verfolgt eine wirkende, eine pädagogische Absicht. Es ist, gesehen auf die Masse wie auf den einzelnen, eine Rücksichtnahme auf den Menschen, den gehenden, den stehenden, den blickenden. Für ihn, für sein Wohlgefühl im Raum (einen auch staublosen!), für seine Augenfreude, für die Erweckimg emotionaler Gefühle, für die Beschwingung seiner Denklust, für das eigenschöpferische Fortentwickeln des von ihm hier zu Erlebenden und zu Empfangenden muß von der anderen Seite des Museumsgestalters mit Mitteln gearbeitet werden, die wir darum "künstlerische" nennen wollen, weil sie im einzelnen als "Geschmack", "Proportionsgefühl", "Farbensinn", "Raumgefühl" usw. zu bezeichnen sind. Aber ein künstlerischer, d. h. geistig schöpferischer Prozeß ist das (bei der daneben immer verbleibenden Blickrichtung auf das Inhaltliche) nun auch insofern, als er mit psychologischer Untersuchungsmethode die physiologischen Bedürfnisse respektiert. Auf solche Weise eben gelingt eine Fesselung, eine Verdichtung der Neigung zur Aufnahme, kommt es zur "Wirkung" auf den Menschen, besser: auf "die" Menschen, also zur Wissens-"Verbreiterung". Solche durch psychologisches Studium zu ermittelnden physiologischen Bedürfnisse betreffen ζ. B. die Art, die Stärke und die Führung des Lichtes im Raum. Im Weimarer Goethemuseum gab es fensterreiche, sehr helle neben halbdunklen und ganz vom Tageslicht abgesperrten Räumen. Sie wurden auf die zwei Arten, helle und dunkle Räume, zurückgeführt und erhielten ein hinter Vouten umlaufendes Leuchtröhrenlicht, das die sehr heterogenen Exponate an den Wänden gleichmäßig fließend be-
136 Alfred Jericke streicht. - Die Beobachtung einer physiologischen Unruhe, die bald einsetzt, wenn der Mensch hunderte gerahmter Bilder in immer wieder anderen historischen Rahmen (barock gekehlt, rokokohaft geschwungen, klassizistisch steil, biedermeierlich flach, golden, schwarz, kirschholzfarben, mit Empire-Metallschmuck usw.) ansehen soll, veranlaßte die Wahl eines neuen, einheitlichen, im Stil klassizistisch gehaltenen Rahmens. Ruhe wurde für die in so verschiedener Größe, Technik und Wertigkeit vorhandenen - oft auch unscheinbar kleinen Bilder auch dadurch erreicht, daß sie sämtlich helles Leinenpassepartout auf Sperrholzgrundlage erhielten, auch die Ölbilder. Und ihre Glasscheiben sitzen nicht direkt am Bild, sondern stets etwa 1 cm vom Blatt entfernt. So entsteht eine VerTäumlichung. Das Objekt gewinnt an Kraft, es tritt raumbezogener in die Ganzheit aller Gestaltungsmittel und unausweichlicher auf den Beschauer zu. Verräumlichung, Leichtigkeit sind überhaupt für die Ausstellungsobjekte so verschiedener Herkunft und Art zu durchgehenden Prinzipien der Darbietung erhoben. Jedes Blatt in einer Vitrine ist unmerklich unterlegt, "räumlich" gemacht. Die Vitrinen sind keine Tische, sondern eine Art kastenförmiger Tabletts, ihr Aufsatz ist nur aus Glas, die Füße sind weit nach innen eingezogen. Neben solchen gibt es schrankartig hängende oder freistehende für die Betrachtung durch den aufrecht gehenden Menschen. - Die Farbgebung der einzelnen Räume ist nicht in ein Eierschalen-Uni getaucht, sondern variiert. Bestimmt ist jede Raumfarbe vom Inhalt her (etwa der Raum für das Rokoko-Leipzig roséfarben, Straßburg mit dem Münster und Goethes herbem "Götz"-Drama steingrau, die Italien-Räume pompejanisch-rot usw.) Aber die Töne in ihrer jeweiligen Nuance sind geprüft nach zeitgenössischen Mischungswerten etwa Schinkels. Und allen Räumen im Nacheinander konnte zufälliger- und glücklicherweise die jeweilige Variabilität zwischen Warmton und Kaltton gegeben werden. - Die damit erreichte emotionale Erregung des wandelnden Beschauers erfährt auch durch andere Mittel diesen Impuls. Denn nicht auf Sockeln, sondern wie auf schwebenden, nur von der Wand aus unterstützten kleinen Brettern stehen die Büsten. Glasstulpe "reichen" frei und leicht die Bücher oder andere Dokumente in den Raum. Einer der Glasschränke ist in gebogener Form in eine Rundwand eingelassen und fordert mit heller Erleuchtung zur Betrachtung auf wie eine moderne Ladenstraße. Buntglasfenster aus Goethescher Sammlung empfangen ihr Durchscheinlicht nicht durch die Zimmerfenster, sondern (als museale Exponate) im Raum und von der Wand aus, an der sie leicht vorgerückt haften. Vorgerückte Doppelglasscheiben tragen, auf diese Weise ebenfalls emotional auffordernd, handschriftliche Dokumente. Figuren (Raum 11), Theatermodelle (Raum 17), bedeutungsbetonende gehäuseartige Wandfassungen (im Faustraum 23), historische Möbel (Raum 3 und 9), naturwissenschaftliche Sammlungs- und Forschungsobjekte (Raum 18) bieten im einzelnen oder in der Gruppe und im Raumganzen jene Elemente, die unter psychologischen Erwägungen und Rücksichten auf physiologische Bedürfnisse, nach künstlerischen Gesetzen in pädagogischer Absicht verwendet werden. Fassen wir jetzt zusammen, was sich als Forderung ebenso wie als Möglichkeit über das biographische Museum, in diesem speziellen untersuchten Falle über das literarhistorische biographische Museum sagen läßt:
Konzeption und Gestaltung biographischer Museen 137 1. Das biographische Museum gehört einer eigenen Klasse dieses Namens an. 2. Das literarhistorische biographische Museum ist darin wieder (weil thematisch speziell bestimmt) eine eigene Gattung oder Spezies. 3. Es arbeitet vorwiegend mit originalen Sachzeugen der Zeit. Aber sie sind in der Absicht auf Interpretation und Konzentration aus einem früheren organischen Zusammenhang gelöst und sekundär zusammengestellt. 4. Es ist keine Mischform, es darf möglichst nicht abirren in einen der Bereiche, aus denen es seine Dokumentationsmaterialien schöpft. Es erstrebt die ganzheitliche, humanistisch gewertete Darstellung des betreffenden Menschen, seiner Werke und seiner Leistungen im Rahmen seiner Zeit und für den Kontakt mit uns. 5. Es arbeitet intensiv, forschungs- und erkenntnisbereichernd. Es arbeitet auch extensiv, wissensvermittelnd, pädagogisch. Es hat insofern den Charakter eines wissenschaftlichen (Forschungs-) Institutes ebenso wie den einer Voksbildungsstätte. 6. Die Konzeption, die wissenschaftlich dokumentarische Gestaltung und die künstlerische Gestaltung sind vom Anfang bis zum Ende aller Arbeit ein Ganzes, eine Einheit. Nach Wahrung solcher Bedingungen, solcher Verschmelzung ist ein Gang durch das Museum für den Bildung und Erziehung anstrebenden Menschen ein Gang durch ein Kraftfeld. (Diese hier aufgereihten Bemerkungen könnten als Thesen für das biographisch ausgerichtete Museum zur Diskussion gestellt werden.) Entsprechend der Seriosität der Museen, hergeleitet aus den hohen Werten ihrer Sammlungs- und Aufstellungskosten sowie der Qualität der investierten wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeit und einer gewissen Gültigkeitsdauer der Ergebnisse, gelten sie als Dauerausstellungen, jedoch können Veränderungen einzelner Teile oder des Ganzen nötig werden nach Maßgabe des Wandels und Fortschritts im Wissenschaftsstand des Fachbereichs. - Wir haben aber dieser musealen Dauerform zweierlei entgegenzusetzen: Erstens : Ausstellungen. Sie werden aufgestellt im wesentlichen nach den gleichen Gesetzen und Grundsätzen. Aber da eine Ausstellung thematisch zumeist sehr pointiert, stärker auf eine gerade aktuelle Strömung ausgerichtet ist, schneller auch vorübergeht, kann sie in der prononzierten Aussage und in den angewendeten darstellerischen Mitteln um einiges mutiger, bewegter vorgehen. Sie braucht sich nicht so streng an originale Dokumentationen zu halten, kann graphische Einschaltung, bildlich-statistische Darstellungen, Spruchbänder, an die Wand gemalte Motive und Szenen und anderes bieten. Die im Jahre 1959 in Weimar gezeigte Ausstellung zu Schillers "Räubern" und "Kabale und Liebe" war dafür eines der Beispiel auf literarhistorischem Gebiet. Zweitens: Gedenkstätten. In ihnen herrschen, im Idealfall wenigstens, nur die originalen Gegenstände ihres einstigen Bewohners und der betreffenden Zeit. Aber sie werden nicht geboten in interpretierender Aufreihung, nicht mit der Einmischung unserer eigenen Gedanken oder gar Darstellungsmethoden, vielmehr besteht oder sollte hier bestehen die alte Ganzheit, das erhaltene organische Gefüge. Und wo das angetastet war, aber noch erkannt werden kann, sollte die alte Ganzheit wiederhergestellt werden. Weimar mit seinen klassischen Stätten
138 Alfred Jericke hat in den letzten Jahren in dieser rekonstruktiven Richtung manches für einen wieder "echteren" historischen Zustand getan. - In solchen Gedenkstätten vollzieht sich auf seine Weise das Erlebnis von etwas Biographischem, eine Art Spiegelung der Persönlichkeit und Wesenhaftigkeit des Dichters aus Gegebenheiten seiner Umwelt. Also nicht nur Ehrfurcht und Erinnerungen werden geweckt, auch erkenntnisfördernde Kräfte sind von dorther wirkend. - Wenn in solchen Gedenkstätten schon manches etwa verlorengegangen ist oder dort, wo die Wohnmerkmale und Gepflogenheiten des im Mittelpunkt Stehenden aus diesem oder jenem Grunde keine besondere Persönlichkeitsdeutung herleihen in jedem dieser Fälle muß man dennoch möglichst eine Trennung sichtbar machen zwischen dem einst Gewesenen, dem erhaltenen Originalen und dem später Hinzugetanen. Das sind die nicht selten anzutreffenden Kombinationen zwischen einer primären Gedenkstätte und ihrer späteren musealen Auffüllung. Umgekehrt kann ein Museum an irgendeiner Stelle seiner Räumlichkeit einen rein memorialen, aber auch in diesem Falle klar separierten Teil erhalten. Im Herdermuseum, das in einem alten, von Herder nie bewohnten Weimarer Bürgerhaus, dem Kirms-Krackow-Haus, untergebracht ist, wurden zwei Drittel des Raumes 4 memorial unter Verwendung von Möbeln, Bildern, Porzellan und anderen Inventarstücken aus Herders Besitz gestaltet. Über den möglichen ideellen Wert solcher memorialen Stätten überhaupt seien nun gegen das Ende hin ein paar Äußerungen aus älterer Zeit mitgeteilt. Der Gelehrte Adolf Stahr schrieb im Frankfurter Intelligenzblatt vom 9. September 1851 nach einem seiner wiederholten Besuche in Goethes Wohnhaus am Frauenplan: "Es gibt in Deutschland zahlreiche Sammlungen" - er bezog sich darauf, daß Goethe sich ja in seinem Wohnbereich auch sammlerisch sehr ausgebreitet hatte - "von unendlich größerem Umfang und materiell bedeutenderem Wert, aber keine einzige, welche, wie diese Kunstsammlung Goethes, ein Bild gäbe von dem ganzen Sein und Wesen, von dem Bildungsweg und der Universalität eines Mannes, der seines Gleichen in seinem Volke nicht neben sich hat." Ein Stück weiter sagt er: "Was man vor allem aus diesen Sammlungen lernen kann, das ist jene hastlos rastlose Thätigkeit eines geistigen Interesses, dem auch das geringste bedeutend genug erschien, um, einmal betrachtet, etwas daraus oder daran zu lernen ... und immer konnte ihm selbst ein geringfügiger Gegenstand Stoff werden zu sinniger und lehrreicher Betrachtung. Denn dasselbe Auge, welches sich an dem otrikolanischen Jupiter oder an der unsterblichen Großheit einer Juno Ludovisi erfreute, verschmähte es nicht, mit liebevollem Interesse zu verweilen auf dem geringsten Werke kunsttätiger ordnender Menschenhand." Wie sehr ist dieser spätere Betrachter auf der echten Spur der Persönlichkeit Goethes! Wie sehr erinnert dieser sekundäre Ausspruch an die eigenen Gedanken und die völlig gleichen Absichten des Bewohners! Denn Goethe hatte ja im Entwurf seines Testaments, das der Kanzler von Müller 1830 aufgezeichnet hat, gesagt: "Ich habe nicht nach Laune oder Willkür, sondern jedesmal mit Plan und Absicht zu meiner eigenen folgerechten Bildung gesammelt und an jedem Stück meines Besitzes etwas gelernt." Und die Wirkung, die wir heute wünschen, besonders für unsere Jugend wünschen, sie war schon früher als Latenz erkannt. Karl Immermann z. B. sagte 1837,
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fünf Jahre nach Goethes Tode: "Hierher soll man junge Leute führen, damit sie den Eindruck eines soliden, redlich verwandten Daseins gewinnen, hier soll man sie drei Gelübde ablegen lassen, das des Fleißes, der Wahrhaftigkeit, der Konsequenz." Ob nun Museum, ob memoriale Stätte, ob Kombination aus beiden: Wir haben zu trennen zwischen schonendem Belassen des Originalen, oft Ganzen einer Stätte und dem interpretierenden Gestalten mit unserem Geist und mit unseren Händen unter forschender Auswertung zwar auch originaler, aber zusammengeholten Sachzeugen im Museum. Auch im letzteren Falle gibt es nicht ein Ausleben ichsüchtiger Forschungsneigungen und geschmäcklerischer Freude an Formen. Sondern nötig ist der Dienst an der Sache, der Dienst für den Besucher, für die Besuchermenge in ihrer bildungsmäßig so variable gestaffelten Schichtung. Wir wollen diese Gedanken vergleichsweise noch unter zwei Bildern einfangen, die Goethe in seinem Altersgedicht "Die Geheimnisse" verwendete. Die eine Doppelzeile daraus mag die Tiefe und Fülle charakterisieren, die ein Museum haben sollte: "Doch glaube keiner, daß mit allen Sinnen Das ganze Lied er je enträtseln werde." Und bei solcher inneren Dichte und Tiefe sollen die wirkenden Kräfte zugleich auch eine große Spannweite haben und je nachdem für fachlich höchst gebildete wie ebenso für einfache Menschen da sein, oder wie es in jenem Gedicht heißt: "Ein jeder soll nach seiner Lust genießen. Für manchen Wandrer soll die Quelle fließen." Wenn wir genau das gleiche noch einmal mit einem anderen Weisheitssatz Goethes stützen möchten: in seiner Novelle "Der Sammler und die Seinigen" heißt es, eine gut dargebotene Sammlungsschau sei "für einen jeden, selbst für den flüchtigsten Beschauer heilsam; denn das Vortreffliche wirkt auf Eingeweihte nicht allein." Halten wir es fest, das Wort, "das Vortreffliche", denn in solcher Höhe liegt unser Arbeitsziel! Aber - Museumsgestalter und Museumsbesucher, beide müssen dabei auch das andere, lapidare Goethewort beherzigen: "Blasen ist nicht flöten, ihr müßt die Finger bewegen!"
Friedrich Pfäfflin
LiteraturaussteUungen in Literaturmuseen "So geht es ja in Museen und Ausstellungen: Sie bieten zu viel; die stille Vertiefung in einen oder wenige Gegenstände aus ihrer Fülle wäre für Geist oder Gemüt wohl ergiebiger; schon wenn man vor den einen tritt, ist der Blick zu einem anderen vorangeschweift, dessen Anziehung die Aufmerksamkeit für jenen beirrt, und so fort durch die Flucht der Erscheinungen." Der Ausstellungsbesucher, der hier seine Eindrücke reflektierte, sprach nicht von einem literarischen Museum. Aber er ist eine Figur der neueren deutschen Literatur; in ihr gibt es keine eindringlichere Schilderung eines Museumsbesuches: Die von Parodie und Komik durchsetzten Situationen, die unser Held zu meistern weiß, und die er nachträglich mit Genuß beschreibt, liegen zwar ganz außerhalb seiner eigenen Erfahrungen, aber indem er sich ihnen ausgesetzt sieht, bewältigt er sie. (So geht es ja übrigens manchem von uns). Als Louis Marquis de Venosta - "Loulou" nennen ihn Eltern und Freunde besucht der glückliche Felix, Sohn eines bankrotten Eltviller Schaumweinfabrikanten - Marke Loreley - nach seinem Existenz- und Rollentausch mit dem wahren Freiherra auf seiner von dessen Familie verfügten Welt- und Bildungsreise die portugiesische Hauptstadt Lissabon. "Der Zug hatte Paris um sechs Uhr verlassen" , lesen wir in Thomas Manns 'Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull bevor es im Speisewagen zu jener buchenswerten Begegnung mit Professor Kuckuck kam, der sich dem Marquis als "Paläontolog und Direktor des Naturhistorischen Museums in Lissabon, eines noch nicht genügend bekannten Instituts" vorstellte, dessen Gründer er sei. Thomas Mann hatte übrigens bei seiner Beschreibung Kuckucks ein Portrait Arthur Schopenhauers vor Augen. "Lassen Sie mich hoffen, Sie in Lisboa wiederzusehen!", hatte der Professor bei der nächtlichen Verabschiedung im Speisewagen einladend gesagt und hinzugefügt (er wäre ja kein Museumsmann!): "Wenn Sie wollen, so mache ich dort Ihren Führer durch mein Museum."4 Und so besuchte der vorgebliche Marquis jene "Belehrungsstätte" des Museu Sciências Naturaes, in dem "hinter Glasscheiben kleine Theater, plastische Szenen in natürlicher Größe aus dem Frühleben der Menschen, in die Wand eingelassen" waren, die der Dichter nach den ihm vorliegenden Dioramen aus dem Naturhistorischen Museum in Chicago so anziehend zu schildern wußte, daß sich beim Leser Zweifel darüber einstellen, ob er sich auf der Seite jener kleinen beflaumten Steinzeitmenschen und "Neandertal-Leute"7 befinde oder jenseits der Trennscheibe, "unter den Kommentaren des Hausherrn" , den Rundgang absolviere. Dieses Hors d'oeuvre varié, in dem das Museum zur Literatur geworden ist, schien mir ein angemessenes Entrée zu jenem mehrgängigen Menu, bei dem zu erörtern wäre, was es mit dem Literaturmuseum und seinen Ausstellungen auf sich habe. Ein Arbeitsessen also.
142 Friedrich Pfäfflin Der erste Gang: Literaturausstellungen in Literaturmuseen: Das Thema suggeriert, daß es auch Literaturausstellungen gibt, die nicht in Literaturmuseen stattfinden. Zu reden wäre von der Geschichte literarischer Ausstellungen. Wo kommt das her? Und wo führt das hin? Literatur - also die Gesamtheit aller in Lettern, in Schrift niedergelegten Äußerungen - wurde zu allen Zeiten nicht nur gesammelt, um gelesen zu werden. Literatur wurde gesammelt, um betrachtet zu werden, vorgeführt auch - und ausgestellt. Die illuminierten mittelalterlichen Handschriften, ob Missale oder Evangeliar, waren als heilige Bücher nicht nur Textsammlungen und Urkunden christlichen Gott- und Weltverständnisses. Ihre künstlerische Ausschmückung ist lebendiger Beweis für ihren Vorzeigecharakter. Sie waren Kunstwerke und liturgische Gebrauchsbücher in einem, die etwa an bestimmten Tagen des Kirchenjahres öffentlich gezeigt, eben ausgestellt wurden. Die großen Bibliotheken der alten Welt, die Kapitelbibliothek von Verona etwa oder die Stiftsbibliothek von St. Gallen, die Vaticana in Rom, die Bodleiana in Oxford, Strahov in Prag oder die Bibliotheca Augusta in Wolfenbüttel : Alle diese Büchersammlungen bekamen seit dem frühen 17.Jahrhundert bis herauf ins späte Barock außerordentliche architektonische Fassungen, in denen Lesesaal und Magazin ineinander aufgingen. Die Bibliotheken als Schatzkammern des menschlichen Geistes, in denen man sich "wie in der Gegenwart eines großen Capitals" befände, "das geräuschlos unberechenbare Zinsen" spende9, die Bibliotheken also stellten sich selber aus, und seit dem 19.Jahrhundert zeigen Abbildungen gelegentlich sogar eigene Gerätschaften zum Präsentieren von Büchern. Die Büsten der weisen Gelehrten und Lehrer des Abendlandes evozierten die Geschichte des Geistes und der Geister. Di e Literaturausstellung, genauer: Das Vorführen von Büchern, ist so alt wie der Stoff, aus dem die Bücher sind. Anders steht es mit den Literaturmuseen. Sie stecken vergleichweise noch in den Kinderschuhen, was unter anderem damit zusammenhängt, daß sich erst im späten 18.Jahrhundert der Begriff der "Literatur" auf die dichterischen Hervorbringungen einschränkte, die man später die "schöne" Literatur genannt hat. Entwickelt haben sich die Literaturmuseen in der Regel aus literarischen Gedenkstätten, den Memorialmuseen, den säkularisierten Pilgerstätten eines selbstbewußt seine Dichterfürsten feiernden Bürgertums in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Ausgestellt wurden dort "Reliquien", auch "Cimelien" der Sprachgebrauch belehrt uns aufs genaueste darüber, wie die Sammler ihre Ausstellungstücke werteten. Die Gedenkstätte in Schillers Geburtshaus in Marbach ist das Ergebnis einer Bürgerinitiative, wie wir heute sagen würden. "An Deutschlands Männer und Frauen" war jener Aufruf vom Mai 1858 adressiert, in dem die Mitglieder eines Marbacher Schillervereins daran erinnerten, daß "die Hütte" [!] noch stehe, "worinn er geboren; aber sie ist ein Privatbesizthum, so dass nicht einmal ihre Erhaltung in der ursprünglichen Form gesichert ist. Wohl besizt Marbach ein 'Schillerfeld'", hieß es da, "das die Pietät mit Baum-und Strauchwerk bepflanzte; aber gerade der Punkt des Plazes, der die weite Gegend über den Neckarspiegel
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St. Gallen, Stiftsbibliothek. 1757-1767 erbaut von Peter Thumb, Vater und Sohn. In der Mitte des Saales die aus mittelalterlichen Lesepulten entwickelten Zeltvitrinen.
144 Friedrich Pfäfflin hin so schön beherrscht, und der wie zu einem Monument geschaffen ist, steht leer, weil die Stadt nicht die Aufbringung eines solchen aus eigenen Mitteln vermag." Der Verleger Georg von Cotta, Eduard Mörike und Gustav Pfizer, Hackländer, Ludwig Uhland und Justinus Kerner hatten sich diesem Aufruf zur Errichtung eines Denkmals und zur Sicherung des Geburtshauses angeschlossen. Die Gedenkstätte wurde 1859 zum lOO.Geburtstag Schillers eingeweiht, das Denkmal 1876 errichtet. Die Marbacher Schillerverehrung liefert das pars pro toto für andere Gedenkstätten: Unter ähnlichen Umständen entstanden die memorials für Dickens in London oder für Milton in Chalfont St. Giles. Eine überlieferte, verbürgte, sehr häufig fragwürdige oder rekonstruierte Authentizität, beglaubigt durch das Werk, durch Bilder, Briefe und Erinnerungen, zeichnet noch heute die Geburts-, Wohn-, Arbeits- und Sterbehäuser von Tolstoi, Tschechov, Puschkin oder Dostojewski in Moskau aus. Victor Hugos Stadtpalais am Pariser Place des Vosges oder das Illiers-Combray von Marcel Proust sind Gedenkstätte und archivierendes Museum zugleich: Hier werden Werk und Wirkung dokumentiert, erforscht, beschrieben und ausgestellt - dort die persönlichen Lebensumstände penibel konserviert. Sammeinswert erschien nun alles, was mit dem Autor, seinen Lebensumständen, seinem Werk und seinen Wirkungen in Verbindung gebracht werden konnte, und Ausstellungsgrundsatz aller Gründergenerationen war (und ist), durch Fülle, ja Überfülle den Reichtum des Zusammengetragenen unter augenfälligen Beweis zu stellen. Erinnern wir uns: Auch das Naturhistorische Museum des Professor Kuckuck wollte unserem Hochstapler zu vollgestopft erscheinen. "Mein Kopf war heiß auf leicht fiebrige Weise von dringlichem Schauen heißt es in den 'Bekenntnissen'. Nun wird es freilich Zeit, den nächsten Gang aufzutragen, bei dem die Frage erörtert werden soll, wodurch eigentlich Literaturmuseen entstanden? Äußerer Anlaß für die Trennung von Magazin und Lesesaal in den Bibliotheken war gewiß nicht nur der Umfang der Sammlungen; notwendig wurde die Gründimg eigener Archive in der Mitte des vorigen Jahrhunderts durch die Neubewertung des literarischen Archivgutes. Handschriften und Manuskripte, die Schiller noch in den Papierkorb geworfen hatte, weil das Überliefernswerte in der letzten Fassung im Druck bewahrt schien, wurden jetzt, mit allen Stufen und Stadien des Produktionsprozesses, gesammelt, für die edierenden Philologen erschlossen und schließlich auch für ausstellenswert befunden. Textzeugen waren nicht mehr allein die Drucke. Textzeugen wurden in zunehmendem Maß die Fassungen und Arbeitsstufen, das work in progress. Ein Beispiel: "Gedicht von Friedlich] Hölderlin, genau aus dessen Concept von mir copirt", notierte Eduard Mörike 1846 auf der diplomatischen Abschrift der Ode 'Heidelberg'. "H[ölderlin] schrieb es, zum Theil mit Bleistift, auf einen Foliobogen, dessen zweite Hälfte leider abgerissen und verloren ist, daher die beiden letzten Strophen fehlen."
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Lange lieb' ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust, Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied, Du, der Vaterlandsstädte Ländlichschönste, so viel ich sah. (...) In dem Begleitbrief an den Freund Wilhelm Hartlaub erklärte Mörike: "Hier erhälst Du ... die Abschrift des schönsten Hölderlinischen Gedichts mit allen wesentlich veränderten Stellen des ersten Entwurfs nach seiner Handschrift. Es wird Dich unterhalten in die Entstehung dieses Stücks hineinzusehen, wie es sich nach u. nach gereinigt hat, Gedanke u. Ausdruck immer klarer u. kräftiger wurde « 12 Die Anschaulichkeit, von der Mörike berichtet, belegt zugleich die Ausstellungsfähigkeit in den neuen Museen: "Es ist theils mit der Feder theils mit dem Bleistift geschrieben; die halbverwischten Züge des leztern sind nur eben noch lesbar." Eduard Mörikes Aufforderung, in den Entstehungsprozeß eines Gedichtes "hineinzusehen", blieb bis auf den heutigen Tag der Antrieb philologischer Bemühungen. Literarische Vorgänge werden nun nicht mehr statisch begriffen und als einmal vollzogener Akt beschrieben; sie werden als Prozesse erfahren, die sich vor jedem lesenden Auge anders und neu entfalten. Jede neue Archivalie verändert die gesamte Substanz einer Sammlung nicht so sehr durch ihre physische Anwesenheit als durch ihren Inhalt, durch die Relation, die sie mit anderen Stücken eingeht. Ich meine: Briefe zum Beispiel lesen sich anders, wenn die Gegenbriefe dazukommen, um hier eine simple Erklärung zu liefern. So ist es nicht verwunderlich, daß die neuen Archive, die in Frankfurt am Main, in Weimar und Marbach entstanden und die schon bald über ihren jeweiligen Namensgeber hinaus sammelten, auch die Kriterien des Sammeinswerten neu festlegten (und das ist immer mitgedacht : in ihren Ausstellungen berücksichtigten - ja, manchmal waren es sogar die Ausstellungen, die den Archivaren die Augen öffneten für neue Bereiche). Wo so viel Neues aufgetragen wird, mag auch getrost von einem nächsten Gang gesprochen werden: Der sogenannten Hochliteratur wurden nun die poetae minores zugeschlagen, (in deren Nachlässen, nach aller Erfahrung, oft die interessanteren Korrespondenzen lagen), die Theaterleute und Verleger, die Zeitschriftenmacher und Essayisten, bald die Übersetzer, die Rundfunk- und Fernsehredakteure. Was in Zeitungen über Literatur und ihre Verwertungsform erschien, wurde ebenso dokumentierenswert wie die Literatur in Rundfunk und Fernsehen; Literaturpreise und Lesereisen, Werbemittel und Waschzettel, Büchermärkte und Buchmessen - die gedruckte und gesendete Literatur war in toto zum prospektiven Sammelgebiet geworden, denn wo könnte man etwa festschreiben, wie die folgende Anzeige im Cloumarkt der 'Zeit' von den bibliographierenden Detektiven erfaßt wurde. Wäre sie nicht gerade hier in Niedersachsen ein bedeutsames Literaturzeugnis? Ich zitiere aus dem Gedächtnis:
146 Friedrich Pfäfflin "Kriegsgefangene!", stand da als Schlagzeile vor ein paar Wochen über der Anzeige: "Haben Sie Briefe oder Tagebücher aufgehoben, in denen Sie aus der Gefangenschaft berichten? Der Schriftsteller Walter Kempowski, Nartum, usw. interessiert sich dafür. Kopien genügen." Es sollte nicht wundernehmen, wenn morgen neue Felder im grauen Markt der Flucht der Erscheinungen bestellt werden müssen. Die neuen Sammelaufgaben mögen die Literaturarchive in den Augen klassischer und standesbewußter Bibliothekare kaum anziehender gemacht haben. Das roch nach Müllkutscherei - und in der Tat: Der Leiter der Marbacher Handschriften-Abteilung, Werner Volke, barg den Verleger-Nachlaß von Langen-Müller von der Kippe. Ein wenig domestizierter und umgänglicher erschienen die neuen jungen wilden Literaturarchive, als sie versicherten, daß etwa die deutsche Literatur seit 1750 kaum angemessen gesammelt und dokumentiert werden könne, wenn man die Nachbarwissenschaften vernachlässige: Von den Altertumswissenschaften bis zum Theater, von den internationalen Enzyclopädien bis zu den internationalen Bibliographien, von der Theologie zur Philosophie seien die Hauptwerke als Quellen sowie die einschlägigen Nachschlagewerke zu sammeln. Wen wundert, daß solcherlei undisziplinierte Sammeltätigkeit die ursprünglich biographisch-hagiographischen Ausstellungen in den Gedenkstätten vergessen machte; wen überrascht, daß solche Materialbasen zu ganz anderen Fragestellungen verlockten und andere Ergebnisse zeitigen. Aber auch der sammelnde, einkaufende Archivar entwickelte neue Aufmerksamkeiten für die "Ausstellungsfähigkeit" eines Manuskripts, für ein sprechendes Dokument. Die Ausstellungen stimulierten die Einkaufspolitik der Archivare und die Angebote der Antiquare, die plötzlich Einzelheiten über die Beschaffenheit eines Buches für mitteilenswert hielten. Die Form der Äußerung eines Autors, die Einteilung eines Manuskripts, die Flüchtigkeit einer Nachricht oder eines Briefes, die Feierlichkeit einer Deklaration, Korrekturen oder Überarbeitungen, in denen sich ein Gedanke manifestierte, gewannen plötzlich Aufmerksamkeit, weil sie dem Betrachter oft mehr über die implizierte Wirkung sagen als der alles gleichmachende Druck, der nur das Ergebnis wiedergibt. Die Festlichkeit einer Ode Hölderlins auf großem Quartformat oder Jakob van Hoddis hastige Niederschrift des Gedichts 'Weltende' in einer Schulkladde, die von Moser in seinem Hohentwieler Gefängnis mit der Lichtputzschere ins Papier geritzten Tagebücher oder die collagierten Manuskripte von Döblins 'Alexanderplatz'-Roman muß man gesehen und miteinander verglichen haben, um Stil und Habitus, Zeitgeist und Weitläufigkeit zu begreifen, die durch keine typographische Umsetzung konserviert werden kann. Doch auch die äußere Gestalt des Drucks, Typographie, Papier, Anordnung der Seiten, die Gestaltung oder Vernachlässigung des Einbands, sind Zeugnisse für die Erwartungen des Autors und die Überlegungen seines Verlegers; in der Übernahme oder Ablehnung der jeweiligen Konvention liegen Bekundungen des geistigen und kulturellen Lebens einer Epoche, die in ihren originalen Zeugnissen vorzuführen ein uneinholbarer Vorzug einer Literaturausstellung ist.
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Eine Vitrine in der ständigen Ausstellung 'Schiller' in Maibach: Der von Johann Friedrich Cotta aufgesetzte Vertrag für die 'Allgemeine Europäische Staatenzeitung', die Cotta mit Schiller zu machen hoffte, und Schillers Entwurf für den Vertrag über die literarische Monatsschrift 'Die Hören' unter dem Pastell von Ludovike Simanowicz.
Georg Friedrich Hegels Zulassungskarte für David Friedrich Strauß zu den Vorlesungen 'Zur Geschichte der Philosophie und zur Rechtsphilosophie', ausgestellt am 11.11.1831, drei Tage vor Hegels Tod. Strauß veröffentlichte 1836 'Das Leben Jesu', ein Buch, das die Theologie des 19. Jahrhunderts umwälzte. Das Original des Dokuments, das Hegels Rolle für Strauß "sichtbar" macht, ist nur 6x10 cm groß. (Schiller-Nationalmuseum, Marbach).
148 Friedrich Pfäfflin Auch Arbeitsessen kennen ein Dessert, vor dem sich nun freilich gegenüber dem längst notwendigen Einwurf über die Unmöglichkeit, Literatur überhaupt auszustellen, - und diese Einsicht propagieren viele mit guten Argumenten - noch einmal Marquis Venosta zu Worte zu melden wünscht und, ungetrübt von allen kritischen Überlegungen, zum Schlußwort kommt - (freilich geschmälert durch sein Bekenntnis, "später kaum je wieder solche Belehrungsstätte"13, wie die Museen es nun einmal zu sein scheinen, besucht zu haben). Venosta also bittet ums Schlußwort, dem ein Nachsatz folgen muß: "Herr Professor", so wandte sich Venosta in Thomas Manns Erzählung an Antonio José Kuckuck, "Ich habe zwar noch nicht viele Museen besichtigt in meinem jungen Leben, aber daß Ihres eines der ergreifendsten ist, steht mir außer Frage. Stadt und Land schulden Ihnen Dank für die Schöpfung desselben und ich für Ihre persönliche Führung."14 Der Scharfsichtigkeit der einleitenden Bemerkungen über die Fülle des Gebotenen korrespondieren diese von Ermattung durch eine zu lange Führung gezeichneten Schlußworte keineswegs. Erlauben Sie mir deshalb, in dem bereits angekündigten Nachsatz zu Stil, Anlage und Tendenz von literarischen Ausstellungen drei Bemerkungen anzufügen. Ich räume ein, daß es schwierig ist - darüber herrscht weitgehende Einigkeit den Gegenstand selbst, die Literatur als Kunst, ins Bild der Ausstellung zu setzen. Aber ich frage Sie, ob die Ausstellungsmacher diese Crux nicht mit vielen ungewandteren Mitbewerbern teilen? So halte ich fest: - Literaturausstellungen sind keine Ansammlungen von mehr oder weniger ästhetischen Einzelobjekten. Literaturausstellungen sollten literarische, biographische oder andere Zusammenhänge, Konstellationen sichtbar machen, die sich gegenseitig kommentieren. Der Wert der einzelnen Ausstellungsstücke ist der Stellenwert innerhalb eines Zusammenhangs. - Literaturausstellungen sollten viele Lesbarkeiten haben, nicht Leserichtungen; die stehen nicht zur Disposition. Literaturausstellungen sollten mehrschichtig sein, doppelbödig, nicht additiv und linear, sondern widersprüchlich in sich, in den Proportionen, die Werk und Leben vorzeichnen. - Literaturausstellungen sollten eine eigene Sprache im Konzert der literaturvermittelnden Medien haben oder entwickeln. Rhythmus und Choreographie bestimmen die überlieferten Materialien, die Befunde. Aber immer sollte eine Darstellungsform gewählt werden, die in den gedruckten oder gesendeten Medien nicht besser, nicht adäquater angewendet würde. Die Dissertation als Ausstellungskatalog, das Werkverzeichnis als Katalogbegleiter verkennen die Spezifica ausstellungsbegleitender Publikationen, die sich damit schon heute dem Vorwurf aussetzen, Kartoffeln als Äpfel verkaufen zu wollen.
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Anmerkungen 1
Thomas Mann, Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Knill. Der Memoiren erster Teil. Frankfurt/Main: S.Fischer 1954, S.348.
2
a.a.O., S.299.
3
a.a.O., S.305.
4
a.a.O., S.319.
5
a.a.O., S.348.
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a.a.O., S.351.
7
a.a.O., S.352.
8
a.a.O., S.351.
9
Goethes Werke. Hrsg. im Auftrage der Herzogin Sophie von Sachsen, Abt.I-IV. Weimar: Böhlau 1887-1919, Bd. 35, S. 97.
10
Eugen Münz, Dem Dichter ein Denkmal. Schillerverehrung in Marbach 1812-1876. Marbach am Neckar: Schillerverein 1976, S.42f.
11
Mann, a.a.O., S.354.
12
13 14
Hölderlin. Ständige Ausstellung des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs. Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft 19862, S.lOlf. (Marbacher Kataloge .33) Mann, a.a.O., S.348. a.a.O., S.354f.
III Literaturausstellungen: national - international
Dieter Eckardt
Literarisches Erbe im Museum. Möglichkeiten und Grenzen seiner Vermittlung in DDR-Museen Literaturmuseen, Gedenk- und Memorialstätten sind ebenso Stätten nationaler Identitätsfindung wie auch Orte der Begegnung mit dem Produkt Literatur, mit ihren Schöpfern, deren Lebensleistung, Absichten und Werkwirkungen bis in die Gegenwart. Nicht zu unterschätzen ist die Wirkung von Lebenshaltungen der in unseren Museen präsentierten Persönlichkeiten auf heutiges Zeit- und Weltverständnis. Soll das Literaturmuseum also eingreifen in den Prozeß produktiver Weltaneignung - und welches Museum möchte das nicht -, so gilt als Grundvoraussetzung für unsere Arbeit, den Kontakt zu unseren Besuchern zu finden, ständig zu erneuern und deren Möglichkeiten und Grenzen, deren Fähigkeiten zur Kommunikation mit uns in Konzeption und Gestaltung zu berücksichtigen. Wie bei jedem Kunstwerk, so muß auch vom Museum ein Pfad, und sei er noch so schmal, zum Rezipienten führen, auf dem sich das Museum zu ihm und er sich zum Museum bewegen kann. Fehlt dieser Weg, so ist Kommunikation ausgeschlossen. Wie überall gibt es auch in der DDR eine Fachbasis, auf der die damit zusammenhängenden Fragen erörtert, beraten oder eben nur gestellt werden können: Das ist die Sektion Literatur-, Theater- und Musikmuseen im Rat für Museumswesen beim Ministerium für Kultur, in die ca. 30 Mitglieder aus den wichtigsten der zur Zeit fast 80 literaturmusealen Einrichtungen berufen sind. Je nach Thema werden zu Tagungen weitere Kollegen eingeladen. Generelles, immer wiederkehrendes Problem: Unser Gegenstand ist ein Phänomen, das eigentlich nicht ausstellbar ist. Literatur an sich, der künstlerische Schöpfungsprozeß, entsteht, vollzieht sich und wirkt im Geistigen, ist also "gegenstandslos". Und doch kommt unseren Museen und Gedenkstätten im Ensemble erbepflegender und -vermittelnder Institutionen eine besondere Bedeutung zu. Sie resultiert aus der Aufgabe, große Persönlichkeiten der Literatur, ihre Werke innerhalb der Entstehungsbedingungen, deren Wirkungsgeschichten bis in die Gegenwart einem großen, sehr differenzierten Publikum vorzustellen, d.h. mit musealen Mitteln näherzubringen, zeitgeschichtliches Umfeld zu erhellen und - dies ist wohl überall das Hauptanliegen des Literaturmuseums - Leseimpulse für erstmalige oder wiederholte Lektüre zu geben, auf die Einmaligkeit und Schönheit des Lesens an sich aufmerksam zu machen und ästhetisch anregend zu wirken. Keinem Literaturmuseum ist es möglich, etwa die Lektüre zu ersetzen. Unsere Exponate - also Ausstellungswürdiges - sind neben originalen Sachzeugen zu einer Persönlichkeit, seiner Zeit, seinem Werk - und dies im Glücksfall in Verbindung mit der Wohn- und Wirkungsstätte - auch rezeptionsgeschichtliche
152 Dieter Eckardt Dinge bis in die Gegenwart, d.h. vielfältige Wirkungszeugnisse unterschiedlichster Provenienz. Unsere Museen hingegen sind keine wissenschaftlichen Institutionen in dem Sinne, unterschiedlichsten Besuchergruppen literarische Texte verständlich zu machen. Wir gehen davon aus, daß sie vor allem Stätten visueller Begegnung mit dem Leben, dem Werk und dessen Wirkung sein müssen. Ihre Eigenart und Einzigartigkeit liegt also in der Verbindung von Text, Bild und Gegenständlichem. Bei aller Einzigartigkeit bewährt sich und besteht m.E. das Literaturmuseum nur im Ensemble verwandter Institutionen, künstlerischer sowie wissenschaftlicher. Partner wären u. a. Archive, Bibliotheken, Theater und Geschichtsmuseen. Daraus nun ergibt sich eine weitere Aufgabe, der wir verpflichtet sind: Wie jedem Interpreten, in unserem Sinne dem Literaturwissenschaftler oder Regisseur, muß es dem Literaturmuseologen darum gehen, nach Bewährung des von uns zu verwaltenden Erbes in umfassender Weise in der Gegenwart zu suchen, also jene Punkte vor allem zu finden, die vom Gehalt, vom Bezug, vom künstlerisch Beeindruckenden für das Erleben, Verstehen und Meistern aktueller Fragestellungen Impulse vermitteln zu können. Anderenfalls könnte unsere Arbeit - also unsere Museen und Ausstellungen - nur als Stoff und angenehme Kulisse für Literatur- oder Geschichtsstunden benutzt werden. Es hat sich für uns also wie fast überall im Literaturmuseumswesen als Arbeitsprinzip durchgesetzt, daß wir die in unserem Gegenstand liegenden rationalen und emotionalen Wirkungspotenzen für unsere Besucher und ihre Persönlichkeitsentwicklung produktiv zu machen versuchen, soweit sie im Museum vermittelbar sind. Das heißt auch, daß wir unseren Beitrag zur Präsentation eines wichtigen Teiles unserer Kulturgeschichte leisten und Geschichts- und Nationalbewußtsein ausprägen helfen. Deshalb ging und geht es in unserer Sektion darum, Möglichkeiten zu finden und stets aufs neue zu prüfen, die eine lebendige Beziehung zum Erbe herstellen, weiterführen und erneuern. Das betrifft sowohl die konzeptionelle und gestalterische Arbeit wie auch alle Formen der kulturpolitischen Öffentlichkeitsarbeit. Methodisch wirkungsvolle Anknüpfungspunkte und im Kern verallgemeinerungswürdige Antworten auf die o.g. Fragestellungen und Problemfelder zu finden, steht zur Zeit im Blickpunkt der Sektion Literatur-, Theater- und Musikmuseen der DDR. Zu fragen wäre weiterhin nach der Funktion des Literaturmuseums als Faktor kultureller Angebote, nach Möglichkeiten, kulturelle Bedürfnisse zu befriedigen oder erst zu wecken. Wir wissen, daß es eine allgemeingültige Antwort darauf nicht geben kann. Wirkungsmöglichkeiten hängen von Bedingungen ab. Entscheidend ist wohl in erster Linie der Stellenwert des museal zu präsentierenden Autors und seines Werkes in der jeweiligen Kultur seines Landes. Gefragt wird weiter nach dem Rang, den die von uns zu vertretende Persönlichkeit innerhalb der nationalen oder globalen Kulturszene einnimmt, nach seiner Rolle, die sein Erbe innerhalb der literarischen Entwicklung des Landes spielt, nach der Wirkimg, die sein Werk hatte und noch hat, nach der Lebenshaltung, die womöglich bis heute weiterwirkt. Es kann also nicht außer acht gelassen werden, ob und wie
Literarisches Erbe im Museum
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die Werkinhalte im allgemeinen Bewußtsein unserer Besucher gegenwärtig sind. Dazu gehören der Stellenwert, den bestimmte Autoren in den obligatorischen Plänen des Bildungswesens einnehmen wie auch das Verlagsangebot. In der DDR bestehen vielfältige Möglichkeiten zum Erwerb eines soliden literarischen Grundwissens, das Neugier auf umfassendere Kenntnisse über Autoren und Werke stimuliert und gleichbleibend viele Besucher auch in unsere Museen lockt. Um einige Beispiele zu nennen: Das Goethe-Nationalmuseum in Weimar zählt jährlich ca. 300.000 Besucher; die Dornburger Schlösser, eine zum Goethe-Nationalmuseum gehörende Goethe-Gedenkstätte im Kreis Jena, meldete 130.000 Besucher; in allen 24 Museen und Gedenkstätten, die vom Goethe-Nationalmuseum verwaltet und wissenschaftlich geleitet werden, weilen jährlich über eine Million Gäste. Insgesamt sind es ca. 2 Millionen Besucher in allen unseren Museen. Für Literaturmuseen ist das wahrlich eine stolze Zahl. In der DDR gibt es mehr als 80 literaturmuseale Einrichtungen und ca. 650 Museen insgesamt. Diese Stätten umfassen in ihrer Gesamtheit 500 Jahre deutscher Literaturgeschichte, von Martin Luther bis Bertolt Brecht und Johannes R. Becher. Aber auch besondere Sprachräume wie der niederdeutsche - mit Fritz Reuter in Stavenhagen - oder der sorbische - in Bautzen - sind museal erfaßt. Literarische Museen und Gedenkstätten befinden sich im Norden unseres Landes, so die Gerhart-Hauptmann-Gedenkstätte auf der Insel Hiddensee oder das ErnstMoritz-Arndt-Museum in Garz auf Rügen; im Osten sindu. a. die Kleist-Gedenkund Forschungsstätte in Frankfurt a. O. und das Lessing-Museum in Kamenz zu finden; im Süden erwarten die Neuberin-Gedenkstätte in Reichenbach, die KarlMay-Gedenkstätte in Hohenstein-Ernstthal, das Christian-Fürchtegott-GellertMuseum in Hainichen oder das Schillerhaus in Bauerbach interessierte Besucher - wie auch im Westen u. a. das Lutherhaus oder Reuter-Wagner-Haus in Eisenach, das Stormmuseum in Heiligenstadt oder das Gleimhaus in Halberstadt. Unsere älteste Gedenkstätte ist das Schillerhaus in Leipzig-Gohlis, 1842 eingerichtet, und die jüngsten Einrichtungen sind das Arnold-Zweig-Haus in Berlin und das 1988 in Weimar neu erbaute Schillermuseum mit dem rekonstruierten Schillerhaus. Neben vielen lokal geleiteten Museen gibt es Einrichtungen, die Museumskomplexe verwalten und leiten. Eine dieser Institutionen sind die 1953 gegründeten Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar, zu denen das Goethe-Nationalmuseum mit seinen 24 Museen und Gedenkstätten als eine Direktion gehört. Genaue und fast vollständige Informationen über die Literaturmuseen der DDR enthält die vom Nationalen Museumsrat der DDR herausgegebene Publikation "Literarische Museen und Gedenkstätten in der DDR" und der Tourist-Führer "Literatur - Dichter, Stätten, Episoden", herausgegeben vom VEB Tourist-Verlag Berlin-Leipzig 1985. In diesen Büchern sind die Begriffe 'Literaturmuseum' und 'Schriftsteller' weit gefaßt. Natürlich überwiegen Autoren schöngeistiger Literatur, doch werden ebenso Philosophen wie Fichte, wissenschaftliche Schriftsteller wie Brehm, für die Kunst- und damit Literaturentwicklung bedeutsame Autoren sowie Vertreter der nationalen Theater- und Sprachentwicklung wie z.B: Ekhof und die Neuberin, Luther, Melanchthon oder die Gebrüder Grimm museal präsentiert. Vereinzelt existieren auch Literaturmuseen für ausländische Autoren, wie z. B. für Gorki, Kraszewski oder
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Dieter Eckardt
Wieland-Museum Weimar. Raum 3. "Prinzenerzieher und freier Schriftsteller in Weimar".
Goethe-Nationalmuseum Weimar.
Literarisches Erbe im Museum 155 Nexö. Literarische Museen für literarische Perioden oder Strömungen gibt es indessen noch nicht in der DDR. Literaturmuseen der DDR hier vorzustellen ist mir nur möglich, wenn ich auf einige Tendenzen ihrer Entwicklung verweisen kann. Über die Basisarbeit des Museums, das Sammeln, das konservatorische Sichern und wissenschaftliche Bearbeiten der Bestände soll hier nicht weiter gesprochen werden, obwohl gerade auf diesen Gebieten exakte und umfassende Kenntnisse für jeden Museumsarbeiter dringend erforderlich sind. Zu den Möglichkeiten, die die Einrichtung eines Literaturmuseums befördern helfen, gehört ohne Frage die Art seiner Gestaltung. Hier liegt ein wesentlicher Aspekt seiner Wirkungspotenz, dem zunehmende größere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Auch im Sinne Goethes, der in seinen "Schriften zur Kunst" (1814/15) sagt: "Alles, was uns daher als Zierde ansprechen soll, muß gegliedert sein, und zwar im höheren Sinne, daß es aus Teilen bestehe, die sich wechselweise aufeinander beziehen." Und im weiteren weist er in die Richtung dieser musealen Arbeit, indem er feststellt, daß " ...jede methodische Zusammenstellung zerstreuter Elemente ... eine Art von geistiger Geselligkeit (bewirke), welche denn doch das Höchste ist, wonach wir streben." Daß wir uns diesen Gesichtspunkten für die konzeptionelle und gestalterische Erarbeitung unserer Ausstellungen unter den jeweils konkret-historischen Umständen immer wieder stellen müssen, trifft sicherlich auf Zustimmung. Dem Gestalter und Architekten empfiehlt Goethe und das gilt m.E. ebenfalls bis heute: "Wie überraschend angenehm würde es ... sein, wenn die Lokalitäten geschmackvoll und analog den Gegenständen verziert würden...wenn ...durch Abbildung des Nichtvorhandenen nachgeholfen würde." Und summa summarum wird die auf jene Wirkimg bedachte Austeilung durch Goethe wie folgt empfunden:"Ich fühle recht lebhaft, daß eine solche Ausstellung wirklich ein Fest sei. Denn was kann ein schöneres Fest genannt werden, als wenn die einzelne, stille, zerstreute Tätigkeit auf einmal in ihren Wirkungen vor uns steht und wir zum Mitgenuß in diesem Augenblick und zur Mitwirkung in der Zukunft eingeladen werden." Die Rede ist von den Literaturmuseen der DDR, ihrer Arbeit, ihren Problemen, ihren Möglichkeiten und Perspektiven. Und dabei soll deutlich werden, daß diese Fragestellungen im internationalen Kontext stehen. Im ICLM, dem Internationalen Kommitee für Literaturmuseen, stimmen wir in den Hauptfragen überein. Welchen Sinn aber hätte das alles, wenn unsere Museen und Ausstellungen nicht so genutzt würden, wie wir uns das vorstellen. So sind wir seit langem im Gespräch über Möglichkeiten, ein sehr differenziertes und immer differenzierter werdendes Publikum für die Themen unserer Ausstellungen zu interessieren. Wir wissen, daß sich Alters- und Sozialstrukturen der Besucher geändert haben, daß die Motivationen sehr unterschiedlich sind, daß fast 25% der Museumsbesucher in DDR aus dem Ausland kommen. Sind wir darauf genügend vorbereitet? Bewähren wir uns im Ensemble kultureller Institutionen mit unserer Einmaligkeit, Einzigartigkeit und der daraus resultierenden großen Chance? Unter Berücksichtigung im wesentlichen empirischer Erfahrungen von Besuchererwartungen und Besucherverhalten setzt sich in der DDR immer stärker in der Konzeption und Gestaltung ein Museum durch, das auf weitschweifige, vorder-
156 Dieter Eckardt gründig didaktische Kommentare und erläuternde Hilfsmittel verzichtet und mehr einer ästhetisch überzeugend umgesetzten, fachwissenschaftlich fundierten thematischen Konzeption vertraut, hohe Anschaulichkeit vorausgesetzt. Zu beachten ist dabei, daß unterschiedliche Veranstaltungen und Aktivitäten für und mit den Besuchern die Absichten unterstützen. Unter diesen Gesichtspunkten gewinnt die Besucherbetreuung, mancherorts auch Museumspädagogik genannt, immer größere Bedeutung. In der Fachsektion Literatur-, Theater- und Musikmuseen gehen wir davon aus, daß sich die Öffentlichkeitsarbeit der Museen in erster Linie über die Begegnung mit den ausgestellten Exponaten, mit den Dokumenten zur Zeit- und Persönlichkeitsgeschichte, mit dem historischen Interieur und mit der gestalteten Ausstellung verwirklicht. Sie sollte keinesfalls als lineare Fortsetzung von Bildungsprogrammen, als Ergänzung oder gar Ersatz schulischer oder anderer Wissensvermittlungen verstanden werden. Betont wird das deshalb, weil allerorts die Gepflogenheit noch weit verbreitet ist, durch Museumspädagogen, für die es leider keine Ausbildung gibt, ein "Spezialthema" abhandeln zu lassen. Der Besucher bleibt in der Regel dabei passiver Zuhörer, und die Ausstellung wird als angenehme Kulisse benutzt. Diese zunehmende Verselbständigung der Besucherbetreuung und die damit einhergehende Isolierung von der Basis der Museumsarbeit erfüllt uns mit Sorge. Das heißt jedoch nicht, daß unsere Literaturmuseen nicht Stätten vielfältiger Begegnungen mit zeitgenössischen Autoren, für Freundeskreise und für populäre oder fachspezifische Verträge sein sollten. Es geht uns um den Tagesbesucher. Hier muß das Museum bzw. die Gedenk- oder Memorialstätte Ausgangspunkt der Betreuung sein. Das jedoch ist nur möglich, wenn die mit dieser Tätigkeit überwiegend beschäftigten Kollegen am Gesamtprozeß der Museumsarbeit Anteil nehmen. Deshalb wird dieses Thema auch weiterhin ein zentraler Diskussionspunkt unter Museologen sein müssen. Augenmerk unserer Arbeit galt in den letzten Jahren neben dem Versuch der theoretischen Klärung einer Reihe von Grundsatzfragen auch dem Thema "Das Literaturmuseum im Wandel der Zeit - Der Wandel des Literaturmuseums." Erste Teilergebnisse finden sich in einer Broschüre mit Beiträgen eines Kolloquiums anläßlich des 100. Jahrestages des Goethe-Nationalmuseums im Jahre 1985. Antworten auf Fragen nach dem historischen Weg des Museums, nach Leistung und Leistungswirkung sowie -bewertung sind m. E. wichtige Elemente notwendiger Kompetenzfindung innerhalb des Museums und fördern zugleich Ansehen nach außen. Hier geht es um Öffentlichkeit, die wir brauchen, um mehr kritische Öffentlichkeitsarbeit. Da aber wären wir bei einem weiteren Problem der Arbeit unserer Literaturmuseen in der DDR. Zu konstatieren ist, daß es auch bei uns eine ernstzunehmende Ausstellungskritik des Literaturmuseums nicht gibt, sehen wir von freundlichen Erwähnungen der einen oder anderen Leistung in der Tagespresse ab. Und es kann ja wohl nicht angehen, daß das jeweilige Museum seine Leistung selbst publiziert. Da der Nutzen einer kompetenten Fachkritik jedoch auch für uns außer Frage steht, hat sich unsere Fachsektion dieses Themas angenommen und bemüht sich, einige übergreifende Kriterien einer Ausstellungskritik zu erarbeiten. Un-
Literarisches Erbe im Museum
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serer Meinung nach stehen zu Zeit vier Haupthindernisse der Kritik des Literaturmuseums im Wege: 1. wird das Ausstellen bei uns noch immer zu wenig als eigenständige, kreative Leistung begriffen; 2. werden literaturmuseale Ausstellungen noch kaum als Wertungen vermittelnde Schöpfungen gewürdigt und nur selten als Orte sichtbaren Wandels von Wertvorstellungen und Autorenbildern; 3. hält man Ausstellungsabsichten und Ausstellungswirkungen oft nicht auseinander, was Kritik in gewisser Weise als überflüssig erscheinen läßt, und 4. gibt es einen akuten Mangel an kritikbereiten Fachleuten als auch an kritikempfänglichen Ohren. Eine Arbeitsgruppe der Sektion Literatur-, Theater- und Musikmuseen der DDR hat mit Unterstützung des Instituts für Museumswesen des DDR sowie unserer Fachzeitschrift "Neue Museumskunde" dazu Diskussionsmaterial zu Verfügung gestellt. Bleibt zu hoffen, daß viele Museologen nicht nur aus der DDR dazu kritisch Stellung nehmen. Die in gebotener Kürze formulierten Fragestellungen der Literaturmuseologen der DDR betreffen m. E. das Museumswesen insgesamt. Daß es dabei noch eine Reihe ungelöster Probleme gibt, denen wir uns stellen müssen, mußte gesagt werden. Allerdings unter der Prämisse, daß der Besuch eines Literaturmuseums immer aufs neue effektiv sein und Spaß bereiten sollte. Wir stellen uns deshalb einer Erkenntnis, die bereits J.W.Goethe in seinen Naturwissenschaftlichen Schriften ausgesprochen hat: "Daß die Weltgeschichte von Zeit zu Zeit umgeschrieben werden müsse, darüber ist in unseren Tagen wohl kein Zweifel übrig geblieben. Eine solche Notwendigkeit entsteht..., wenn neue Ansichten gegeben werden, weil der Genösse einer fortschreitenden Zeit auf Standpunkte geführt wird, von welchen sich das Vergangene auf eine neue Weise überschauen und beurteilen läßt. Ebenso ist es in den Wissenschaften." Und ich füge hinzu: Ebenso ist es mit dem Literaturmuseum.
Susanne Ebeling
Ausstellungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland - Auswertung einer Umfrage Ausstellungen, die in den vergangenen Jahren überregional von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurden, präsentierten zumeist kunst- und kulturgeschichtliche Themen 1 . Nur selten widmeten sie sich der Dichtung. Ausnahmen bildeten die Georg Büchner-Ausstellung auf der Darmstädter Mathildenhöhe 1987 oder die Wanderausstellung anläßlich der 200 Jahrfeier von Goethes Italienreise (1786-1788). Daß daneben eine Vielzahl literarischer Sonderausstellungen veranstaltet werden, findet in der breiteren Öffentlichkeit kaum Beachtung. Nicht nur die traditionellen Veranstalter Bibliothek und Archiv stellen aus,' sondern auch mit τdem Museumswesen weniger vertraute Häuser wie Kulturämter und Sparkassen . Unter welchen Voraussetzungen werden solche Ausstellungen erarbeitet? Welche Themen werden bevorzugt gewählt? Unter welchen Arbeitsbedingungen werden in den verschiedenen Institutionen die Literaturausstellungen zusammengestellt? Dies läßt sich vielleicht am besten mit Hilfe einer an die Veranstalter gerichteten Umfrage ermitteln. Daher wandten sich im Herbst 1986 eine Studentengruppe des Studienganges Kulturpädagogik der Universität Hildesheim an Institutionen, deren Bezeichnung auf eine Literatur sammelnde und bewahrende oder ausstellende Tätigkeit schließen läßt. α Die "11 Fragen zur Praxis von Literaturausstellungen" waren meistens durch Ankreuzen vorgegebener Formulierungen und gelegentlich durch handschriftliche Eintragungen zu beantworten. Insgesamt ist der Fragebogen an 226 Institutionen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland versendet worden, die sich in sieben Gruppen aufteilen lassen und zwar an: - 32 Staats- und Landesbibliotheken - 45 Universitäts- und Hochschulbibliotheken - 36 wissenschaftliche Stadtbibliotheken - 34 Stadt- und öffentliche Büchereien - 17 Staats-, Landes-, Kreis- und Stadtarchive - 24 literarische Archive, Museen und Gedenkstätten - 35 kulturelle Einrichtungen, zu deren Aufgabengebiet u. a. das literarische Ausstellungswesen zählt. Der Adressatenkreis wurde im Vergleich zu den früher erhobenen Umfragen von Sybille Selbmann, Doris Pinkwart und Helga Unger4, die sich auf die bibliothekarische Ausstellungstätigkeit konzentriert hatten, erweitert. Dadurch wurde man der Absicht gerecht, die unterschiedlichen Gruppierungen literarischer Aussteller
160 Susanne Ebeling zu erfassen. Da insbesondere institutionell bedingte Unterschiede von Interesse waren, wurde bei einigen Fragen entsprechend der oben aufgeführten sieben Gruppen unterschieden, um deren Einzelergebnisse dann schlußfolgernd zu vergleichen. Um über die durch die Umfrage ermittelten Daten hinaus die Frage nach den bevorzugten Themen von Literaturausstellungen beantworten zu können, werden Informationen aus dem in diesem Band abgedruckten Ausstellungsverzeichnis hier mit ausgewertet. Die durch den Fragebogen erzielten Antworten und die Daten der Dokumentation erlauben, Erkenntnisse über folgende Zusammenhänge näher zu untersuchen: 1. Entwicklung und Wandel der Ausstellungsthemen 2. Das Verhältnis von Vorbereitungszeit, Ausstellungsdauer und Personaleinsatz 3. Etat - Werbung - Besuchererwartung - Katalog Von den 226 befragten Institutionen haben 126 geantwortet. Davon sendeten 36 Adressaten den Fragebogen unausgefüllt zurück, weil sie ihre Ausstellungstätigkeit inzwischen aufgegeben haben, sie nie ausgestellt hatten oder die Bereitschaft zur Beantwortung fehlte. In die Auswertung sind daher Daten von 90 Institutionen eingeflossen, das sind 39,82% aller angeschriebenen Veranstalter. Obwohl der Prozentsatz der zurückgesendeten Fragebögen relativ niedrig ist, lassen sich aufgrund der vergleichsweise hohen absoluten Zahl der Antworten6 aussagekräftige Schlüsse ziehen. Geantwortet haben - 11 Staats- und Landesbibliotheken (=3,4%) - 22 Hochschul- und Universitätsbibliotheken (=48,9%) - 16 Stadtbibliotheken (=44,4%) - 8 Stadt- und öffentliche Büchereien (=23,5%) - 6 Landes-, Kreis- und Stadtarchive (=35,3%) - 11 literarische Archive, Museen und Gedenkstätten (=45,8%) - 16 kulturelle Institutionen (64%) Besonders kleinere Archive und Bibliotheken haben große Sorgfalt auf die Ausfüllung verwendet, viele der bekannten und gut ausgestatteten Veranstalter haben entweder gar nicht oder nur bruchstückhaft geantwortet. Die Rückmeldungen fielen auch qualitativ sehr verschieden aus: während meistens "nur" der bearbeitete Fragebogen zurückgesendet wurde, legte ein Teil der Institutionen Listen ihrer Ausstellungstätigkeit, Kataloge, Handzettel oder Plakate bereits gezeigter Ausstellungen bei. Diese "Zugaben" haben das Bild über Aktivitäten unterschiedlicher Organisationen vervollständigt und abgerundet.
Ausstellungspraxis in Deutschland
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Ausstellungsthemen Ausstellungen über Dichter und Dichtung ist ein junger Zweig des Museumswesens. Lediglich zwei der von uns befragten Institutionen haben vor 1900 ausgestellt. Auch in den ersten beiden Jahrzehnten dieses Jahrhunderts hat sich das literarische Ausstellungswesen nicht weiterentwickelt, bis 1949 nahmen drei weitere Häuser ihre Ausstellungstätigkeit auf (s. Grafik S. 170). Erst in den 30er Jahren wird die kulturpolitische Bedeutung literarischer Ausstellungen erkannt und daher werden sie gefördert und theoretisch begründet9. Ein grundlegender Wandel ist mit dem Goethejahr 1949 eingetreten: anläßlich des 200. Geburtstages des Dichters veranstalteten insgesamt 28 Museen, Bibliotheken und Archive Gedenkausstellungen. Sicher läßt sich diese Fülle mit dem Bedürfnis der Veranstalter erklären, nach den Jahren des Dritten Reiches nach dem Krieg an die Bildungswerte der klassischen deutschen Literatur anzuknüpfen. Goethe blieb auch in den folgenden Jahrzehnten das Lieblingskind der Aussteller: von den 2173 Literaturausstellungen, die in der DDR und in der BRD von 1949 bis 1985 veranstaltet worden sind, beschäftigten sich insgesamt 122 (= 5,6%) mit Goethe,davon 92 in der Bundesrepublik und 30 in der DDR. Die großen Goethegedenkstätten Weimar, Düsseldorf und Frankfurt/Main beteiligten sich mit 15 und je 19 Ausstellungen. 1982, zum ISO.Todestag, konnten abermals 33 Goetheausstellungen besichtigt werden. Im Vergleich dazu sei die Zahl der Schillerausstellungen genannt: von den insgesamt 41 (=1,9%) wurden 23 in der Bundesrepublik und 18 in der DDR präsentiert, davon 11 anläßlich des 200. Geburtstages Schillers 1959 und 9 zu seinem 150. Todestag 1955, so daß nur noch 21 Ausstellungen auf die verbleibenden 35 Jahre des untersuchten Zeitraumes entfallen. Die beiden Dichter der deutschen Klassik nehmen mit hohem Abstand die Spitzenstellung innerhalb der Personalausstellungen ein. An 3. Position befindet sich Hermann Hesse mit 23, an 4. Heinrich Heine mit 22 und an 5. Thomas Mann mit 17 Ausstellungen - sein Bruder Heinrich wurde nur mit 7 Ausstellungen gewürdigt, lediglich eine fand davon in der Bundesrepublik statt. Dahinter folgen Kleist und Lessing (jeweils 10 Ausstellungen) und Hölderlin mit 6 Ausstellungen. Auch ohne es durch einen numerisch abgesicherten Vergleich mit entsprechenden Daten aus der Buchproduktion zu belegen, läßt sich die These halten, daß das Ausstellungsmachen nicht den Vorlieben des Leser- und Käuferpublikums folgt. Auch scheint das Forschungsinteresse nicht bestimmend dafür zu sein, daß literarische Ausstellungen organisiert werden. (Jedenfalls ergeben die Zahlen der in den Autorenbibliographien nachgewiesenen Arbeiten eine andere Reihenfolge, als die der Ausstellungen.) Vielmehr bestimmt offenbar eine (vage) Vorstellung von der literaturgeschichtlichen und kulturpolitischen Bedeutung der Autoren die Anzahl der ihnen jeweils gewidmeten Ausstellungen. Die Dichter des 20.Jahrhunderts bleiben weitgehend unbeachtet: eine Ausnahme bildet das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar, das zahlreiche Gegenwartsautoren vorgestellt hat - so richtete es Ausstellungen zu Günter Eich, Uwe Johnson oder Kurt Tucholsky aus -, und das in der Lage ist, die Exponate aus eigenen Beständen für Ausstellungen zusammenzustellen. Marbach hat seit
162 Susanne Ebeling 195010 im Schiller-Nationalmuseum und im Deutschen Literaturarchiv rund 220 Ausstellungen gezeigt, das sind mehr als 10 % aller veranstalteten Literaturausstellungen in Deutschland. Die geringe Beachtung, die die Schriftsteller des 20.Jahrhunderts bei den Ausstellungsorganisatoren finden, läßt sich nicht mit mangelnden oder schwer zugänglichen Originalen begründen. Vielmehr wirkt hier das ursprüngliche Motiv der Ausstellungen fort: waren Ausstellungen doch dazu gedacht, einen Dichter ähnlich wie durch ein Denkmal zu ehren und der Nachwelt in würdiger Erinnerung zu halten. So ist die Wiederkehr eines Geburtstages ausdrücklich in 461 und die eines Todestages in 158 Ausstellungstiteln vermerkt; das heißt, daß über ein Viertel der Ausstellungen anläßlich eines Gedenktages erarbeitet worden sind. Die Frage nach dem Anlaß (Frage 2 im Fragebogen) beantworteten 82% mit "Jubiläum, Wiederentdeckung, Neuentdeckung, Gedächtnis". Da bei Gegenwartsautoren diese Anlässe wegfallen, schrecken verständlicherweise viele Institutionen davor zurück, einem Schriftsteller schon zu Lebzeiten ein Denkmal zu setzen. Eine Ausstellung, die sich und den behandelten Autor statt zum Vorbild zur Diskussion stellt, könnte ein Motiv für eine literarische Ausstellung sein, die vermeidet, Dichterverehrung zu betreiben. Als geglückte Beispiele seien die Ausstellungen zu den Frankfurter Poetik-Vorlesungen von Peter Bichsei, Christa Wolf und Wolfgang Koeppen (1982), Peter Härtling und Ernst Jandl (1984) genannt, die den jeweils vortragenden Dichter durch das Semester hindurch begleiteten11. Ähnlich engagiert arbeitete die Stadtbücherei Dortmund in den 70er Jahrein als sie Werke von Peter Hüchel, Heinrich Boll oder Walter Dirks ausstellte . Bereits seit 1973 präsentierte die Stadtbibliothek Wuppertal unter dem Motto "Autoren in dieser Stadt" jährlich Werke von in Wuppertal lebenden Schriftstellern13. Allmählich verloren die reinen Dichtergedenkausstellungen jedoch ihre dominierende Position. Andere Aspekte gewannen als Ausstellungsgegenstand an Bedeutung. Neben literaturgeschichtlichen Darstellungen wie etwa "Die Zeit der Aufklärungen Nürnberg 1780 - 1810" wurden geographische ("Hamburg literarisch" ), verlagsgeschichtliche ("Duisburger Verlage: Walter Braun-Verlag" ^ und sozialwissenschaftliche Themen ("Psychiatrie zur Zeit Friedrich Hölderlins"17) aufgegriffen. Nach und nach wurden bis dahin vernachlässigte literarische Beiträge in den Bibliotheken und Archiven gezeigt, so beispielsweise "Vom Penny Dreadful zum Comic - englische Jugendzeitschriften, Heftchen und Comics von 1855 bis zur Gegenwart" im Stadtmuseum Oldenburg 198118 oder "Unterhaltungsliteratur im 19. Jahrhundert" in der Universitätsbibliothek Gießen 19 . Nicht nur die Themenpalette hat sich vergrößert: die Zahl der Literaturausstellungen ist von 33 im Jahr 1949 bzw. 7 im Jahr 1950 auf 149 im Jahr 1985 gestiegen. Während die Jahresgesamtzahl bis 1974 kontinuierlich auf 60 anstieg, wurden 1975 erstmals 96 Literaturausstellungen gezeigt. 1976 bzw. 1977 erzielte man mit 134 Ausstellungen in jedem Jahr einen Rekord, der nur von der Gesamtzahl von 173 Ausstellungen 1983 übertroffen worden ist. 20
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Sicherlich basieren die Zahlen auf der verbesserten Quellenlage: manche der germanistischen, bibliothekarischen und museumswissenschaftlichen Fachzeitschriften haben eine Rubrik eingerichtet, um dort über die Ausstellungstätigkeit anderer Institutionen zu berichten. Die Zahlen mögen weiterhin zu der Annahme verleiten, daß aufgrund wesentlich verbesserter Rahmenbedingungen wie einem angehobenen Ausstellungsetat, einem vergrößertem Mitarbeiterkreis oder großzügigeren Räumlichkeiten sich dieser Ausstellungsboom entwickelt hat. Die Auswertung des Fragebogens bestätigt diese Bewertung jedoch nur teilweise. Von den 90 Institutionen richten 86% Sonderausstellungen aus, ein Drittel der Veranstalter beherbergt eine ständige Ausstellung in seinen Räumen. 48% aller Institutionen erarbeiten Wanderausstellungen und 72% bieten ihre Räumlichkeiten anderen Ausrichtern für Sonderausstellungen an. Nur 35% der Einrichtungen besitzen eigenen Ausstellungsräume, die Hälfte von ihnen ist der Gruppe der "literarischen Archive und Museen" zuzuordnen. Die übrigen müssen auf das Foyer (33%), den Katalog- und Freihandbereich (16%) oder sonstige Räume (13%) ausweichen, wovon besonders die Stadtbibliotheken und -archive betroffen sind. Diese ersten Ergebnisse lassen vermuten, daß die meisten Ausrichter mit geringem Auswand ausstellen, während einige wenige Institutionen unter sehr viel günstigeren Bedingungen Ausstellungen erarbeiten. Vorbereitungszeit - Ausstellungsdauer - Personal Zur Überprüfung dieser Annahme wird zunächst die Vorbereitungszeit, die Ausstellungsdauer sowie der Personaleinsatz untersucht, da aus dem für Ausstellungen für notwendig erachteten Aufwand Rückschlüsse gezogen werden können über die Bedeutung, die die einzelnen Institutionsgruppen ihrer Ausstellungstätigkeit beimessen. Während mehr als die Hälfte (55%) der Dichterarchive und - museen und 32% der "kulturellen Institutionen" einmal jährlich eine große Sonderausstellung eröffnen, wechseln die übrigen Institutionen - außer den Archiven - häufiger als vierteljährlich. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die Vorbereitungszeit, die den Institutionen zur Verfügung steht. Die Umfrage hat ergeben (Frage 4b), daß die auch der Forschung dienenden Einrichtungen wie Staats- und Landesbibliotheken oder die Universitätsbibliotheken sowie die musealen Institutionen mehr Zeit haben als die öffentlichen Büchereien und die Stadtbibliotheken. Darüberhinaus muß die Vorbereitung in den zuletzt genannten Institutionen von einem nur gering bemessenen Mitarbeiterstab geleistet werden. Während in den öffentlichen Büchereien durchschnittlich eine Person und in den Stadtbibliotheken 1,5 Personen an den Vorarbeiten beteiligt sind - nur die Archive sind mit durchschnittlich 0,8 Mitarbeitern noch schlechter besetzt -, können die Staats- und Landesbibliotheken sowie die Universitätsbibliotheken im Durchschnitt die Arbeit von 2,3, die kulturellen Institutionen von 2,8 und die literarischen Archive und Museen von 2,9 Personen für die Vorbereitung aufwenden. Doch wird das Personal damit keinesfalls generell von seinen üblichen Arbeiten entlastet (vgl. Frage 7b). Beispielsweise wiesen 6 der 11 Staats- und Landesbi-
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Susanne Ebeling
bliotheken darauf hin, daß ihre Ausstellungsvorbereitungen neben der laufenden Arbeit durchzuführen sind. Dagegen signalisierten 38% der Stadtbibliotheken, 50% der öffentlichen Büchereien und 67% der Archive Fehlanzeige auf die Frage nach Entlastung bei der Übernahme von Ausstellungsarbeit. Andererseits gaben 41% der Universitätsbibliotheken die Freistellung ihrer Kollegen an und 46% der Dichterarchive und -museen beschäftigen sogar freie Mitarbeiter für Ausstellungen. Das heißt die Stadtbibliotheken und die öffentlichen Büchereien arbeiten im Vergleich zu den übrigen Gruppen in den genannten Fällen unter sehr viel ungünstigeren Voraussetzungen. Etat - Werbung - Besuchererwartung - Katalog Von zentraler Bedeutung für die Ausstellungskonzeption und deren Ausführung sind die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel (vgl. Frage 5a). Der bei allen Gruppen im Durchschnitt knapp bemessene Etat zwingt die Institutionen mit der Zeit und dem Personal sparsam umzugehen. Als besonders gravierend erweist sich die schlechte Finanzsituation abermals bei den öffentlichen Büchereien, 63% von ihnen erhalten 5.000,- DM und weniger, 37% steht zu Ausstellungszwecken überhaupt kein Etat zu. Auch die Universitätsbibliotheken müssen mit einer geringen finanziellen Unterstützung auskommen: die Hälfte erhält 5.000,- DM und weniger, 36% bekommt gar keinen Etat pro Ausstellung. Anders sieht dies bei der Gruppe der "kulturellen Institutionen" aus: 5 der 16 Häuser verfügen über einen Etat von 40.000,-. DM für jede Ausstellung. Auch bei den literarischen Archiven und Museen macht die Gewichtung der Finanzverteilung einen ausgeglicheneren Eindruck, obwohl immerhin mehr als die Hälfte mit 5.000,- DM und weniger die Personal-, Ausstellungs- und Katalogkosten bestreiten muß. Der geringe Etat erschwert auch die Herausgabe eines die Ausstellung begleitenden und kommentierenden Kataloges. Dabei bejahten 5 der 6 Archive die Erstellung eines Kataloges, womit sie vor allem ihre Forschungstätigkeit dokumentieren. Abgesehen von den Dichterstätten und "kulturellen Institutionen", von denen 64% bzw. 56% einen Katalog drucken lassen, gibt höchstens die Hälfte der übrigen Institutionsgruppen eine Begleitschrift heraus. Die öffentlichen Büchereien verzichten meistens vollkommen auf einen Katalog oder umfangreichere, gedruckte Informationen, die einen Katalog ersetzen. Durchgängig alle Gruppen bevorzugen gedruckte Kataloge gegenüber kopierten und zusammengehefteten Blättern. Der Anspruch, einen nach wissenschaftlichen Kriterien aufgebauten Katalog zu erstellen, scheint schwerer zu wiegen als der Wunsch, dem Publikum ein handliches, die Ausstellung beschreibendes Papier mit nach Hause zu geben 21 . Der Katalog gilt als Visitenkarte des Veranstalters: Das spiegelt sich in der Aufmachung der Kataloge wieder: oft werden teure, dicke Bücher produziert, die eher als eigenständige Werke gelten denn als Begleitmaterial zur Ausstellung. Verständlich und besonders auffällig ist dieses Verhalten bei den Veranstaltern, die ihr Publikum aus überregionalem Gebiet erwarten. So liegt durchschnittlich
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die untere Preisgrenze der gedruckten Kataloge der Dichterstätten bei 20,- DM und die Seitenzahl nicht unter 80. Demgegenüber erwarten die öffentlichen Büchereien, von denen keine einzige kontinuierlich einen Katalog erarbeitet , ihr Publikum aus dem lokalen und bisweilen aus dem regionalen Umland. Dies legt es nahe, daß die Veranstalter einen Katalog erst dann für rentabel erachten, wenn die Ausstellung von einem Publikum besucht wird, das für den Besuch einen längeren Anfahrtsweg in Kauf nimmt. Beim "normalen Publikumsverkehr" einer Stadtbibliothek oder öffentlichen Bücherei wird die Aufmerksamkeit gegenüber Literaturausstellungen, die häufig im Eingangsbereich piaziert sind, von vornherein gering eingeschätzt. Ergebnisse - Schlußfolgerungen Trotz der regen Ausstellungstätigkeit von vielen unterschiedlich organisierten Veranstaltern - den Staats-, Stadt- und Universitätsbibliotheken, den verschiedenen Archiven, den Literaturmuseen und den "kulturellen Einrichtungen" - hat sich das Niveau von und das Selbstverständnis der Veranstalter gegenüber Literaturausstellungen nur bedingt weiterentwickelt. Während die Dichtergedenkstätten, zu deren ureigenster Aufgabe die Präsentation literarischer Exponate gehört, sich ihren Platz innerhalb des allgemeinen Museums- und Ausstellungswesens gesichert haben , beginnen Kulturämter, neugegründete Gesellschaften und freie Ausstellimgsgruppen mit spektakulären Ausstellungen auf sich aufmerksam zu machen . Von Sponsoren oft großzügig unterstützt, können sie teure Leihgaben finanzieren oder gut aufgemachte Kataloge herausgeben. Doch der Erfolg hängt, abgesehen vom Etat, wesentlich von den inhaltlichen Gestaltung ab: aufgrund der freien Trägerschaft entfällt die Rücksichtnahme auf etablierte Strukturen; die Möglichkeit, Professionalität mit Kreativität zu verbinden, kann zu überraschenden Ergebnissen führen. 26 Ahnlich innovativ können die Universitätsbibliotheken arbeiten, die bei der Vorbereitung häufig von Studenten unterstützt werden, und deshalb oft Seminarergebnisse ausstellen. An deren Konzeption beteiligen sich wesentlich mehr Personen als in anders organisierten Institutionen. Jedoch klagen die Universitätsbibliotheken genauso über die geringe finanzielle Unterstützung wie die Stadtbibliotheken und öffentlichen Büchereien. Hier werden Ausstellungen hauptsächlich neben der laufenden Arbeit vorbereitet, so daß für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema kaum Zeit bleibt. Da Literaturausstellungen lediglich einen Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit neben anderen Ausstellungsthemen darstellen, wird dem eigenen Können und der Publikumswirksamkeit des Gezeigten oft mißtraut. Vielleicht würde die Einstellung freier Mitarbeiter oder eine zeitweilige Freistellung der Kollegen die Ausstellungsgestaltung verlebendigen. Um weder Kosten noch Zeit über Gebühr zu strapazieren, könnten die Ausstellungen dafür länger als acht Wochen - soviel beträgt die durchschnittliche Ausstellungsdauer der öffentlichen Büchereien - zu sehen sein. Wünschenswert wären ortsansässige, kulturengagierte Firmeninhaber, die als Geldgeber das lokale Ausstellungswesen beleben und ihre Initiative durchaus werbewirksam einsetzen können. Solange
166 Susanne Ebeling jedoch vielen Institutionen die Rahmenbedingungen streitig gemacht werden, bleiben Literaturausstellungen weiterhin "Luxus" statt "Notwendigkeit".27
Anmerkungen 1
Vgl. Ekkehard Mai: Expositionen. Geschichte und Kritik des Ausstellungswesens. München, Berlin 1986, S. 8 u. ö.
2
So richtete die Sparkasse in Frankfurt/Main im Stoltze-Turm zu Ehren des Mundartdichters Friedrich Stoltze eine Dauerausstellung ein und zeigt daneben regelmäßig Sonderausstellungen.
3
siehe S. 168f
4
Vgl.: Sibylle Selbmann: Zur Öffentlichkeitsarbeit wissenschaftlicher Bibliotheken. Ein theoretischer und empirischer Beitrag. München 1975; Doris Pinkwart·. Ausstellungen in wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen. Auswertungeines Fragebogens. In: Mitteilungsblatt. Verband der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen, N. F. 35 (1985), S. 119-146; Helga Unger. Ausstellungen in wissenschaftlichen Universalbibliotheken der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse einer Umfrage. In: Buch und Bibliothek in Bamberg. FS zur Einweihung des zentralen Bibliotheksgebäudes der Universitätsbibliothek. Hrsg v. Dieter Karasek. Bamberg 1986, S. 157-185
5
Zur Erarbeitung des Ausstellungsverzeichnisses vgl. dort die Einleitung (S. 243ff)
6
Vgl. Selbmann, die eine Rücklaufquote von 89,9% zu verzeichnen hatte, bei Pinkwart waren es 85,2% und bei Unger 76,8%. Möglicherweise läßt sich die vergleichsweise höhere Bereitschaft zu antworten, damit erklären, daß die Empfänger ebenso wie die Absender in Bibliotheken beschäftigt waren.
7
Das sind das Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt/Main, das seit 1863, und die Staatsund Stadtbibliothek Augsburg, die sei 1900 ausstellt.
Q
9
Dies wurde von der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (30er Jahre), der Stadtbibliothek Koblenz (1946) und dem Stadtarchiv und der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Bonn (1948) angegeben. Vgl. Paul Sattler: Ausstellungen als bibliothekarische Aufgabe. In: ZfB 54 (1937) S. 498 511, hier S. 95 -106
10
Zur Geschichte des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs vgl. Margot Pehle, Die Veröffentlichungen des Schwäbischen Schillervereins und der Deutschen Schiller-Gesellschaft 1895 -1980. - Marbach a. N.: Deutsche Schillergesellschaft 1980, 93 S.
11
Vgl. die Dokumente Nr. 1607,1645, 1699,1917,1997
12
" " "
"
"
1115,1066,835
13
" " "
"
"
646,673,737,772,1138
14
Stadtarchiv Nürnberg 1966, Dok. Nr. 360
15
Dok. Nr. 344
Ausstellungspraxis in Deutschland 16
Stadtbibliothek Duisburg, ab 16.8.1977, Dok. Nr. 1027
17
Hölderlin-Gesellschaft, Tübingen 1972, Dok. Nr. 596
18
Stadtmuseum Oldenburg, ab 7.11.1981, Dok. Nr. 1562
167
19
Dok. Nr. 774
20
Vgl. deren Nennung in der Einleitung zum Ausstellungsverzeichnis
21
Vgl. Petra Kipphoff: Übergewichte, Leichtgewichte. Die Kunstkataloge werden immer dikker und haben immer weniger mit den jeweiligen Ausstellungen zu tun. In: Die Zeit Nr. 27 vom 27. Juni 1986
22
Die Kataloge des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt a. M. haben bis zu 300 Seiten und kosten ca. 27,- DM. Auch die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg gibt bis zu 200 Seiten starke Kataloge für einen Preis von 10,- bis 30,- DM heraus. Die Universitätsbibliothek Oldenburg meldete, daß sie Kataloge mit 1460 Seiten erschienen ließ, die zu einem Preis von 86,- DM erhältlich waren.
23
Insgesamt bejahten 7 der 11 Literaturarchive und -museen die Frage nach der Katalogherausgabe, 3 antworteten mit "manchmal" und niemand mit "nein", so daß diese Gruppe als einzige regelmäßig eine Begleitschrift erstellt.
24
Viele Literaturmuseen gehören mittlerweile zum festen Bestandteil touristischer Besichtigungsprogramme, so ζ. B. das Frankfurter Goethehaus oder die Dichtergedenkstätten an der schwäbischen Dichterstraße in Baden-Württemberg.
25
So etwa der Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute e. V. in Bonn, der für Auftraggeber Ausstellungen erarbeitet. Pro Ausstellung stehen ihm mindestens 40.000,- DM zur Verfügung, die zu 80% aus Fremdmitteln finanziert werden. Für die einzelnen Ausstellungen, die 2 bis 3 Jahre im voraus geplant werden, stellt der ASKI freie Mitarbeiter ein.
26
Als Beispiel sei die Thomas-Mann-Ausstellung in der Münchener Villa Stuck genannt, die von Bühnenbildnern gestaltet worden ist.
27
Vgl. den Aufsatz von Sybille Selbmann: Ausstellungen: Luxus oder Notwendigkeit? In: Etatkürzungen und Öffentlichkeitsarbeit. Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie - Sonderheft 38 zum 72. Deutschen Bibliothekstag in Darmstadt 1982, S. 133179
168 Susanne Ebeling
(Durchschnittsangaben und Hehrfachnennungen möglich) 1. AUSSTELLUNGSTYPEN temporär : ( ) Dauer-, ( ) Sonder-, ( ) Wanderausstellung materiell : ( ) K u l t u r - , ( ) A r c h i v a l i e n - , ( ) Buch-, ( ) Verkaufsausstellung s t r u k t u r e l l : ( ) Autorenporträts ( ) andere Themen 2. ANLASS ( ( ( ( ( ( ( (
) ) ) ) ) ) ) )
Jubiläum, Wiederentdeckung, Neuentdeckung, Gedächtnis Nachlaß, S t i f t u n g , Sammlung aktueller Bezug persönliches Interesse Forschungsergebnisse lokaler Bezug Auftragsausstellung Rahmenveranstaltung
3. WIE LANGE, WIE OFT a) Seit wann veranstalten Sie Ausstellungen? Seit b) S t e l l e n Sie regelmäßig aus ? ( ) Ja ( ) Nein c) Wie oft wechseln Ihre Ausstellungen? ( ) j ä h r l i c h ( ) h a l b j ä h r l i c h ( ) v i e r t e l j ä h r l i c h ( ) häufiger 4. PLANUNG a) Wie lange im voraus planen Sie Ihre Ausstellungen? b) Wieviel Zeit stand dem Ausstellungsteam zur Vorbereitung (zum Erarbeiten der Konzeption, zur Beschaffung der Exponate, zum Abfassen des Katalogs und zum Aufbau) zur Verfügung ? ( ) eine Woche und weniger ( ) ein Monat ( ) ein V i e r t e l j a h r ( ) ein halbes Jahr und mehr c) Stehen Ihnen in Ihrem Haus / extern zur Verfügung: Buchbinder ( ) ( ) Restauratoren ( ) ( ) Drucker ( ) ( ) Photographen ( ) ( ) Graphiker ( ) ( ) d) Legen Sie Wert auf ein durchgängiges Präsentationskonzept a l l e r Ihrer A u s s t e l l u n g e n ? ( ) Ja ( ) Nein e) Orientieren Sie s i c h an Ausstellungen anderer I n s t i t u t i o n e n ? ( ) Ja ( ) Nein f ) Beteiligen s i c h Leihgeber an Ihren A u s s t e l l u n g e n ? ( ) Ja ( ) Nein g) Stellen Sie Ihre Räume anderen Ausstellern für ( )Wanderausstel1 ungen ( )Sonderausstellungen zur Verfügung? 5. FINANZIERUNG a) Wie hoch i s t der Etat pro Ausstellung? ( ) 40.000 DM und mehr ( ) 20.000 DM ( ) 10.000 DM ( ) 5.000 DM und weniger b) Die Ausstellung wurde f i n a n z i e r t zu: % aus Eigenmitteln _% aus Fremdmitteln c) Verteilung der Kosten: ( )Personalausgaben ( )Ausstellungskosten ( )Katalog
Ausstellungspraxis in Deutschland 6.
RAUM
a) b)
Wo finden in Ihrer Institution Ausstellungen s t a t t ? ( ) in besonderen Ausstellungsräumen ( ) im Foyer ( ) im Katalog- und Freihandbereich ( ) in sonstigen Räumen Wie groß i s t die Ausstellungsfläche? Ca. m2
7.
MITARBEITER
a) b)
Aus wievielen Mitarbeitern besteht das Ausstellungsteam? Die für die Ausstellung zuständigen Mitarbeiter sind: ( ) freigestellt ( ) extra eingestellt ( ) freie Mitarbeiter
8.
EXPONATE
a)
In den Ausstellungen werden neben Büchern und Handschriften auch ( ) Photos ( ) Gemälde/Zeichnungen ( ) Plakate ( ) Plastiken ( ) sonstige Objekte gezeigt Stellen Sie, um wichtige Informationen zu vermitteln, in größerem Umfang auch Reproduktionen aus ? ( ) Ja ( ) Nein
b)
9.
169
KATALOG Geben Sie für Ihre Ausstellungen einen Katalog heraus? ( ) Ja ( ) Nein Falls ja: ( ) gedruckt ( ) photokopiert/hektogr^phiert Auflage: Preis: Umfang: S. Illustrationen: ( ) farbig { ) schwarz-weiß Die Herstellungskosten betragen: ca. DM Bietet Ihr Katalog vor allem ( ) eine Beschreibung der Exponate ( ) wissenschaftliche Texte ( ) eigene Texte ( ) fremde Texte ( ) Lesetexte?
10. RAHMENPROGRAMM a)
Gibt es zu den Ausstellungen: ( ) Führungen ( ) Kopfhörerführungen ( ) Video-, Diaeinführungen ( ) Vorträge ( ) Autorenlesungen ( ) Podiumsdiskussionen ( ) andere Rahmenveranstaltungen:
b)
Bieten Sie Anlaß zur künstlerisch-praktischen Betätigung der Besucher? Welchen?
11. REZENSIONEN, WIRKUNG a) b) c) d)
Werben Sie für Ihre Ausstellung durch: ( ) Plakate ( ) Inserate ( ) Pressemitteilungen ( ) Handzettel Sammeln Sie Rezensionen Ihrer Ausstellungen? ( ) Ja ( ) Nein Wie erkennen Sie die Wirkung Ihrer Ausstellungen? ( ) Zahl der Besucher ( ) Zahl der verkauften Kataloge ( ) Zahl der Rezensionen ( ) Qualität der Rezensionen Erwarten Sie Ihre Besucher aus dem ( ) lokalen ( ) regionalen ( ) überregionalen Raum?
170 Susanne Ebeling z u Frage 3a): Seit w a n n veranstalten Sie Literaturausstellungen?
Cb
Max Kunze
Literaturausstellungen im internationalen Vergleich Ein ausgezeichneter Kenner und Macher von Literaturausstellungen schickte mir kürzlich den Georg Büchner-Katalog der Darmstädter Ausstellung mit dem Vermerk, das Gedruckte sei allemal dem Ausgestellten vorzuziehen. Ausstellungen sind temporär, die großen wissenschaftlichen Kataloge bleiben, und in der Tat fragt man sich manchmal, ob die mit großem inszenatorischen Aufwand betriebenen Literaturausstellungen nur Anlaß sind für Kataloge, in denen sich ein solch umfängliches Material erst im Lesen erschließt, zumal die Essays in solchen Publikationen, die zahlreiche Aspekte zu einem neuen Verständnis einer literarischen Persönlichkeit oder eines Themas enthalten, die aber in einer Ausstellung ohnehin kaum visualisiert werden können. Anton Korteweg, der dem niederländischen Literaturmuseum und Dokumentationszentrum vorsteht, und der mit einer umfassenden Ausstellung zur niederländischen Literatur in einem neuen Haus hervorgetreten ist, meinte auf einer kürzlich statt-gefundenen internationalen Konferenz der Literaturmuseologen in Den Haag resümierend: "Some-one who has learnt to read literature no longer needs literary exhibitions. They have already fullfilled their purpose as far as he is concerned. Perhaps we should hope that our exhibitions will one day become superfluous because everybody is reading".1 Hinter beiden Meinungen stehen wichtige Aspekte, die auch unsere Ausführungen begleiten müssen: So die Fragen, für wen Literaturausstellungen gemacht werden, wie sie in der Lage sind, in die Literatur und ihre Urheber einzuführen, oder ob sie vielmehr nur Anregungen geben wollen für das Lesen; oder Fragen, ob der Besucher die Kenntnis der Literatur, die Erfahrung des Gelesenen in die Ausstellung mitbringen muß, um aus der Begegnung mit dem gedruckten oder handschriftlichen Original emotional angesprochen zu werden, und er erst dann ein fruchtbares Erlebnis für sich gewinnen kann. Da literarische Ausstellungen nur im Ensemble literarischer Kommunikation eines Landes oder einer Institution wirken, nur ein Teil dieser Kommunikation sind, ist auch ihre Rolle im gesellschaftlichen, kulturellen und literarischen Leben äußerst unterschiedlich; die Gefahr besteht, unsere literarische Kommunkation und unser Rollenverständnis als Grundlagen des Vergleiches zu nehmen; sie würde etwa bei Ländern mit meist oralen Literaturtraditionen scheitern. Literaturmuseale Sammlungen in Bangladesh etwa, um nur ein Beispiel zu nehmen, sind so eng mit Vermittlungsformen der Volkskunst der unterschiedlichen ethnischen Stämme verknüpft, daß sie nur im Ensemble der jeweiligen ethnologischen Museen eine sinnvolle Einbindung sind und dort zu wirken vermögen.2 Wir alle wissen, daß Literatur im eigentlichen Sinne nicht ausstellbar ist und Ausstellungen deshalb heute mit verschiedenen inszenatorischen Verfahren enzyklopädische, biographische, werkinterpretatorische oder rezeptions- und wirkungsgeschichtliche Themen und Ideen behandeln. Dabei entsteht ein Gefüge von Texten, Objekten, Bildern, oft auch von memorialen Gegenständen und memorialen Raumstrukturen, die den literarischen Gegenstand umschreiben oder
172 Max Kunze auf ihn verweisen, das Literarische "übersetzen". Inhalt und Wirkung einer Literaturausstellung wird aber zugleich von der Literatur selbst in dem Sinne bestimmt, als ihre Wirkung vom Ensemble der Literaturerzeugung, - distribution, -Wissenschaft und -kritik, von vermittelnden Institutionen wie Schulen oder Kulturinstituten abhängig ist. Grenzen von Literaturausstellungen tun sich etwa bei Auslandsausstellungen auf, wo dieses Ensemble fehlt oder ungenügend funktioniert. Eine letzte notwendige Vorbemerkung: Literarische Ausstellungen werden in der Regel veranstaltet von traditionellen Institutionen, die "Litteraria" sammeln, bewahren und nutzen, also von Bibliotheken, Archiven, von Buchmuseen und literarischen Museen. Die neuere Entwicklung aber zeigt auch, daß Kultur-, Bildungs- oder politische Institutionen, die selbst über keine "Litteraria" verfügen, sich dieser Präsentationsform im Rahmen der Literaturkommunikation bedienen. Spätestens hier wird klar, daß unser Begriff "Literaturausstellung" ein vereinfachender Oberbegriff ist, der aber nichts verdeutlicht. Ausstellungen in Buchmuseen leisten ihren Beitrag zur Geschichte des Buches, der Drucktechnik usw., und Literaturarchive und Bibliotheken haben - oder sollten - ihre eigene thematische Spezifik haben, die sich u.a. in einer Konzentration auf die jeweils bewahrten Litteraria, das Manuskript-, Brief-, Druck- und besonders das Buchgut äußert. Gegenüber dem literaturmusealen Bereich gibt es gewichtige Akzentverschiebungen. Museale Einrichtungen sammeln Objekte, im Sinne von Zeugnissen und Dokumenten zu einer Literaturgeschichte, primär zur Anschauung. Das Hauptziel der Anschauung ist nicht wie in Archiven und Bibliotheken in der einfachen Materialität der Hauptobjekte begründet, sondern in der Darstellung des Literarischen, der Literatur und ihrer Urheber. So treten selbstverständlich neben die Litteraria memoriale, als personengebundene Objekte oder memoriale Raumbereiche, die den Urheber der Literatur umschreiben. Versuche hier und da, diese Spezifik zwischen den Literaturausstellungen der verschiedenen Institutionen aufzuheben, kann durch das Thema im Einzelfall notwendig, generell gesehen aber gefährlich sein, schon weil sie die spezifische Funktionalität der Objektgruppen unberücksichtigt lassen und so auch zur Monotonie der inszenatorischen Vermittlungsform führen. Im folgenden wird hauptsächlich von den literaturmusealen Ausstellungen die Rede sein.3 Die meisten heutigen Literaturmuseen sind hervorgegangen aus Schriftstellerhäusern, dem Geburts- oder Sterbeort, der Wirkungsstätte von einzelnen Dichtern; seltener sind es Wirkungstätten literarischer Zirkel oder Vereinigungen. Dem zwischen 712 und 770 unter der Tang-Dynastie lebenden großen chinesischen Dichter Du Fu errichtete man bereits 902 ein tempelartiges Haus zu seinem Gedächtnis: es war das bukolische Refugium in seiner äußerst reizvollen landschaftlichen Einbindung, das man zu seiner Erinnerung der Nachwelt erhalten wollte: eine extensive Rekonstruktion folgte um 1500 und im beginnenden 19.Jahrhundert. Indem man eine Ausstellung zum Leben und Werk des großen Dichters 1961 installierte, wurde das Memorial zu einem literarischen Museum. Mit weniger Erfolg, aber unter ähnlichen Voraussetzungen, suchte man seit der Renaissance die in den antiken Quellen erwähnte Villa des Cicero in Tusculum als ein gerühmtes Refugium des römischen Staatsmanns, Philosophen und Rhe-
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tors, eine für die klassische Zeit Griechenlands undenkbare Erscheinung: die Egalität des Wohnens in der klassischen Demokratie reduzierte die Privatsphäre; die öffentliche Bildnisstatue des Dichters war die einzige Verehrungsform. Der europäische literarische Tourismus ist - wie kaum anders zu erwarten - in England seit dem 17.Jahrhundert greifbar. Die Personalität des Autors tritt mit der bürgerlichen Selbstbehauptung und gesellschaftlichen Etablierung neben sein Werk und erhebt Anspruch auf individuellen Ausdruck. Seit der Mitte des 17 Jahrhunderts war Stratford bereits bekannt für seine Verbindung mit Shakespeare, und die Schaulustigen provozierten bekanntlich 1756 den Eigentümer des Hauses, Revd. Francis Gastreil so, daß er Shakespeares Maulbeerbaum fällen und das Haus abreißen ließ.6 Die Wirkung des literarischen Tourismus im 20.Jahrhundert war nicht viel anders: ein Schriftstellerhaus in den USA *7 wurde Stein für Stein durch den Vandalismus des Tourismus abgetragen. Die Anziehungskraft von Schriftstellerhäusern ist unbestreitbar und bildet für viele Länder nach wie vor den Ausgangspunkt literaturmusealer Einrichtungen und Ausstellungen. Aber in vielen Ländern auch außerhalb Europas hat sich eine ähnliche Konzentration des Schrift- und Buchgutes, der Manuskripte und Briefe in den Bibliotheken und Archiven vollzogen, so daß sich in den Schriftstellerhäusern nur wenige "Litteraria", meist nur das Interieur erhalten hat. Memoriale Ausstellungskomplexe der writer houses sind in England nach wie vor die einzigen literaturmusealen Institutionen, sieht man von den typischen Bibliotheksausstellungen etwa der British Library in London ab: die musealen Ausstellungen bieten eine breite Skala von Möglichkeiten, von der vollständig erhaltenen memorialen Struktur von Shaw's Corner in Hetfordshire bis zu dem Keat's House in Hampstead, dessen Interieur wie Carlyle's House in der Cheyne Row, London, nach zeitgenössischen Bildern und Beschreibungen rekonstruiert wurde. Dort, wo angeschlossene Ausstellungen zur Biographie, zum Werk und zur Wirkung fehlen, berühren solche Rekonstruktionen merkwürdig, weil sie wie ein ethnographisches Hausmuseum einen fiktiven Moment der Geschichte zur Milieurekonstruktion nehmen und meinen, die memoriale Außenhaut des writer house überträgt sich brechungslos ins Innere. Die Grenzen des Memorials sind nach herkömmlichen Begriffen damit überschritten, da es ja gerade die memorabilia, die persönlichen Erinnerungsgegenstände und das individuelle Interieur sind, die - mit schwer beschreibbaren Wertbezügen aufgeladen - die Emotionalität des Betrachters ansprechen. Viele der vorzüglichen englischen und französischen Memorials vermitteln aber ungebrochen das Authentische und damit die Atmosphäre, die Einblicke in die Welt und Kreativität des Autors als ein meist ungeschriebenes Kapitel der Literaturgeschichte geben. Freilich bieten diese memorialen Strukturen nur einen Ausschnitt aus dem Lebenszusammenhang, weshalb Dokumentationen zur Biographie und Wirkung hinzutreten sollten, meist separiert, oft genug aber in unklar fließenden Übergängen mit memorial angereicherten Gegenstandsensembles. In den Vereinigten Staaten sind - soweit ich es aus der Literatur und Gesprächen zu beurteilen vermag - die Schriftstellerhäuser gattungsmäßig ganz den "historic house museums" zugeordnet und heben deshalb auf die ursprünglich kommentarlosen memorials oder shrines ab. Dafür zeugen Häuser für R.L. Stevenson und
174 Max Kunze D.H. Lawrence, während die writer's houses von Mark Twain, Walt Whitman, Emerson, Longfellow oder Poe die memorialen Strukturen bewahren und mit biographischen Dokumentationen erweitern. Die zuweilen uns befremdliche Zuordnung der writer's homes zu den historic house museums in den USA resultiert aus dem Fehlen literaturmusealer Ausstellungen und dem damit unreflektierten Gebrauch des literaturmusealen Objektbegriffs; das Geschriebene an sich ist für amerikanisches Museumsverständnis genug, und so wird Schriftgut als Archivalien der Ausstellungen in den Häusern von Präsidenten und Industriemanagern wie in Häusern der Literaten behandelt: daß erst das ästhetisch Geformte zur Literatur wird und diese Litteraria in Verbindung mit anderen Materialien des Autors (Autobiographisches, Briefe, Dokumente der Zeitgenossen) oder im Kontext mit dem Memorial emotional mobilisierende Werte vermitteln können, die vom Autor und seinen literarischen Schöpfungen ausgehen und Brücken von der Vergangenheit zur Gegenwart schlagen können, dürfte dort kaum verstanden oder zumindest anders gesehen werden. Wohl verstanden und zunehmend genutzt hat man die wertvermittelnde und persönlichkeitsprägende Kraft des Memorials in den Ländern Asiens. Auch hier sind die Memorials die Ausgangspunkte literaturmusealer Kommunikation und man bedient sich der dokumentarischen wie emotionalen Funktion durchaus bewußt im Sinne der kulturellen Identitätsbildung. Im Verständnis vieler dieser Länder sind die Grenzen vom literarischen zum biographischen Memorial für herausragende politische Gestalten fließend, für die eine Nation prägenden Persönlichkeiten also; nur in günstigen Fällen treffen sich politische wie literarisch-philosophische Begabungen. Diese Memorials haben als moderne Wallfahrtsorte eine stabilisierende nationale Funktion. Man darf nicht übersehen, daß in vielen jungen Ländern Asiens Schriftstellerhäuser erst im Gefolge politischer Memorials entstanden und beide zusammen als Zeichen der nationalen wie kulturell-literarischen Identität verstanden werden. In Sri Lanka entstand 1975 das dem Politiker und Premierminister Bandaranayke gewidmete Memorial und in seiner Folge erst die Memorials für Schriftsteller.10 In Indien haben Memorials Tradition und sind von bedeutender Anziehungskraft: die Gedenkstätten für Mahatma Gandhi belegen andererseits auch die Öffnung und Demokratisierung der Museen als öffentliche Institutionen von erstaunlicher Vitalität. Mit wenigen Dokumenten, Fotos und nichtexpositionellen Mitteln treten sie wie literarische Memorials mit dem Anspruch auf Wertbildung für den nationalen Fortschritt auf, zielen auf das Exemplarische im Leben des Dargestellten, exemplifizieren die politischen und kulturellen Ziele, die Wert- und Moralvorstellungen.11 Man muß diesen Aspekt betonen, will man die vielen literarischen Memorials mit ihren ähnliche Wertvorstellungen vermittelnden Ausstellungen verstehen. Hervorgehoben sei in Indien das 1961 gegründete Rabintra Bhatari-Museum in Calcutta, das in einer bemerkenswerten biographischen Ausstellung nicht nur Rabintranath Tagore darstellt, sondern auch die schöpferischen wie politisch tätigen Mitglieder der Tagore-Familien, die literarische Bewegung des 19.Jahrhunderts in Bengalien und die künstlerische Gegenwart. Es steht ebenso wie das bereits 1941 gegründete Museum in Santiniketan12 unter der Schirmherrschaft der Universität und hat das Niveau der Ausstellungen auf
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Studenten, Gelehrte und Intellektuelle gerichtet; Tagores Persönlichkeit wird als inspirierendes Beispiel und das literarische Werk in seiner exemplarischen Grösse dargestellt und verehrt. Mit diesen literarisch-kulturellen und politischethischen Ansprüchen verbinden sich Memorialkomplexe mit vielfältigen Formen expositionaler und nichtexpositionaler Werkdarbietung und Interpretationen (Filme, Festivals, Lesungen usw.). Überhaupt bleibt zu konstatieren, daß wie kaum eine andere Form der Literaturausstellung die memoriale in ihrer Wirksamkeit abhängig ist von der Einbindung in die allgemeine literarische Kommunikation. Mit Recht stellte David Parker für die writer houses fest: "The one opportunity literary Museums need do nothing about ... is the cultivation of relations with literary societies". Eben diese Kommunikation ist im literarischen Leben der sowjetischen Museen besonders stark ausgeprägt: sie setzt eine wie kaum anderswo ausgeprägte Lesegesellschaft voraus und versteht die Literaturausstellung als eine ebenso wichtige wie spezifische Kommunikationsform. Die Zahl von über 300 Literaturmuseen zeigt das schon von der Quantität her. Sie setzen auf die literarische Kenntnis des Besuchers, wollen mit den Ausstellungen weniger anregen, sondern Sinnbilder und Werkinszenierungen geben, selbst adäquate poetische Bilder mit qualitätvollen künstlerischen Materialien und Gestaltungsformen schaffen. Dennoch treten die inszenatorischen Mittel in der Regel nie vor die eigentlichen "Litteraria", beeinträchtigen oder überlagern nicht ihre Sicht. Es überschreitet die Möglichkeiten dieses Überblicks, die literarischen Ausstellungstypen der zahlreichen Museen in der Sowjetunion zu besprechen. Ihre Spannweite reicht von den großen literaturhistorischen und biographischen Ausstellungen, den memorialen Raumstrukturen bis hin zu neuen Ausstellungen, etwa die zurückliegende literarische Kultur und Atmosphäre einer Stadt wie Moskau durch wenige signifikante memoriale wie nicht-memoriale Objekte und Litteraria anzudeuten. Eine poetische Atmosphäre, die mit der Ausstellung allgemein angestrebt wird, ist eine zwischen harmonischen und attraktiven Arrangements und Schönheit von Objekt und Gestaltung gesuchte Atmosphäre, entsprechend der Maxime, daß Schönheit, von Menschen bewundert und aufgenommen, zur Schönheit erzieht. Von großer Wichtigkeit und mit signalhafter Wirkung werden immer wieder persönliche Erinnerungsgegenstände, Sammlungen der Schriftsteller oder memoriale Raumstrukturen eingesetzt, auch in den großen literaturhistorischen Darstellungen. Die Fülle von Wirkungs- und Rezeptionsmaterialien zur Biographie, vor allem aber zum literarischen Werk in den Ausstellungen mag als ein weiterer hervorstechender Zug sowjetischer Präsentationen gelten. Unser kurzer Überblick soll nicht enden, ohne auf die nachdenkenswerten Ausstellungen des Mickiewicz-Museums in Warschau eingegangen zu sein. Drei Aspekte sind hier zu nennen, die die literaturmuseale Diskussion seit den 70er Jahren bewegt haben und die nicht ohne Wirkung auf Museen anderer Länder blieb. Das Mickiewicz-Museum setzte dabei auf eine neue gestalterische Form und Wertigkeit, mit der Literatur und Biographie umzugehen. Seine Ausstellungen gingen einher mit einer wesentlichen Ausweitung der herkömmlichen literaturmusealen Präsentationsform, die sich einen stark erweiterten Aktions- und Kommunikationsraum verschaffte. Das neue Museum wurde zum Zentrum für
176 Max Kunze viele Formen der Werkdarbietungen, der literarischen Interpretationen und Aktionen: Wie kaum in einem anderen Museum spielt die Gegenwartsliteratur so eine entscheidende Rolle, die sich umgekehrt des Museums als Podium für ihre Kommunikation bedient. Als dritter Aspekt sei auf ein neues Verständnis von Ausstellungen verwiesen: sie wollen Anregungen geben, sich dem literarischen Gegenstand neu zu nähern oder ihn neu zu sehen. Vorausgesetzt wird die Kenntnis des Werkes oder Autors und der Intellekt des Besuchers ist angesprochen, bildkünstlerische und szenographische Bilder zu verstehen und in die Literato "zurückzuübersetzen". Die Ausstellung will sehr viel mehr bieten als ein Schulunterricht zu leisten vermag und vermeidet Didaktik im Sinne der schulischen Literaturvermittlung. Aus der Erfahrung, daß die herkömmlichen Ausstellungen den literarischen Gegenstand auch nur umschreiben oder auf ihn verweisen - da Literatur an sich nicht ausstellbar ist -, wurde auf den gestalterischen Zugriff gesetzt: Die "Pan Tadeusz" Ausstellung war wegweisend, weil sie mit theaterszenischen Bildern und dramaturgischen Effekten "Litteraria" und nichtliteraturmuseale Objekte, begleitet von Farben, Licht und Ton, zum Einsatz brachte, die die Welt des literarischen und nationalen Helden vor Augen führte, wobei Objekte überraschten, die bisher in geschichts- wie kulturhistorischem Zusammenhang zwar erprobt waren, aber kaum für eine literarische Thematisierung im Museum genutzt wurden. Das nationale Thema dieser Werkinszenierung war für solche als Metapher, Symbol oder Assoziation eingesetzte Objekte natürlich besonders geeignet, weil diese Bilder und Szenen aus der Nationalgeschichte Polens verständlich waren. Die Ausstellung zum "Sens Poetique" von Julian Przybos (1901-1970) benutzte konsequent die Transformation des Literarischen in eine für das Museum geschaffene neue bildkünstlerisch-abstrakte Form, die mit Lichteffekten, moderner Musik und ständigen Tonfolgen des rezitierten Gedichts begleitet wurde. Talentierte Künstler versuchten hier mit Museumsleuten die Übersetzung des Literarischen in eine Ausstellungsform, die Freiraum für entsprechende Stimmungen und Phantasie schuf, in der metaphorischer Ausdruck und Symbolismus die Vorstellungskraft des Besuchers stimulierte. Es ist der Versuch, eine Annäherung der visuell erlebbaren Bildkunst und der Musik an das abstrakte Textzeichnen der Literatur zu schaffen; es muß eine subjektive Annäherimg freilich bleiben, abhängig vom Vermögen der Gestalter und der "Übersetzung" durch den Ausstellungsmaler. Andererseits wird man sich die Grenzen der wissenschaftlichen Dokumentations- und Abbildungsabsichten in der traditionellen literaturmusealen Darstellung vor Augen führen müssen, um den Mut für diese neuen Wege zu verstehen. Es sei daran erinnert, daß seit fast einem Jahrzehnt die Diskussion um das sich radikal zu ungunsten des Originals tendierende Verhältnis von Original und Kopie geht.1 Unter dem Druck des Widerspruchs von Bewahrung und Ausstellung wird die traditionelle literaturmuseale Präsentation in Frage gestellt, da die wesentlichen Objektgruppen, die "Litteraria" also, die Manuskripte und Briefe etwa, nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr für ständige Ausstellungen verfügbar sind. Neben den Kopien erhalten so neue Objektgruppen Gewicht und damit zwangsläufig die gestalterische Komponente einer Inszenierung. Der
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Warschauer Weg war zwar aus anderen Motivationen geboren, ist aber gerade unter diesem Blickpunkt für die Zukunft nachdenkenswert. Er hat zudem den Weg von der sogenannten ständigen zur temporären Ausstellung als notwendige Präsentationsform im Literaturmuseum gewiesen. Präsentationsformen wie die zuletzt genannten machen allerdings unsere eingangs postulierte und beschriebene Spezifik literaturmusealer Ausstellungen und ihr Unterschied zu Literaturausstellungen in Kulturinstituten, Bibliotheken und oder Archiven nur noch bedingt akzeptabel. Diese Formen sind auch für andere, an der Literaturkommunikation eines Landes teilnehmende Institutionen adaptierbar: Vielleicht werden die Typen von Literaturausstellungen in der Zukunft weniger von den Objekten als von Themen geprägt.
Anmerkungen 1 Anton Korteweg, But why, basically? - In: Literary Museums, Community, Communications, ICOM-ICLM, Den Haag 1985 (1986) S.25 2 Vgl. dazu Saifuddin Chowderry, in: Documents on the International Seminar on Role and Exposition of Literature Biographical and Memorial Museums in Promoting Human Values. Volume I, Calcutta 1982 (1983) o.S. (ICLM, First Asian Regional Conference of literature Biographical and Memorial Museums) 3 Vgl. dazu Vf., Zur Albeit und Wirksamkeit der Literaturmuseen der DDR und ihrer Zusammenarbeit mit Bibliotheken. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen, Leipzig, 95, 1981,5, S.205ff 4 Guo Shiqing Chengdu: A commemorative museum at Du Fu's Cottage. In: Museum. Quarterly Review published by Unesco, Paris 32,1980,4, S. 21 Iff 5 Anthony Burton, Literary shrines: The Dickens House and other Writers' house museums. In: The Dickensian. Published by The Dickens Fellowship, London 1977 (No 383, Vol. 73, Part 3) S. 138ff 6 Ebd. S. 138 7 Die Information verdanke ich meinem Kollegen Milton F. Perry, Terrace, Kansas City. 8 Ein kritischer Überblick zu den englischen Writer houses gibt David Parker, Literary Museums - Present Opportunities. In: Literary Memorial (Museums. Some Examples. ICOM-National Comitee of the GDR: Berlin 1986, S.25ff) 9 Vgl. das Material in: Documents on the International Seminar on Role and Exposition of Literature Biographical and Memorial Museums in Promoting Human Values. Volumes I, II. Calcutta 1982 (1983) (=ICLM, First Asian Regional Conference of Literature Biographical and Memorial Museums). 10 Pandula Endagama, Memorial Museums in Sri Lanka. In: Documents (wie Anm. 9), Vol. 1, o. S. 11 Vgl. dazu Samar Ν. Bhowmik, Experience of Literature Museums in Asia and a Quest for Definition. In: Literary Memorial Museums (wie Anm. 8) S.37ff
178 Max Kunze 12 Sanat Kumar Bagchi, Biographical and literature Museums in India, Problems of development - with special reference to Rabindra Bhavana, Santiniketan. In: Documents (wie Anm. 9) Bd. 2, o. S. 13 David Parker (wie Anm. 8) S. 29 14 Alexander Krein, Pushkins's Memorial Flat in Aibat Street. In: The Writers and the Present A collection of scientific works. Moskau 1987, S.l 17ff 15 Zu den Ausstellungen jüngst J. Odrowaz-Pieniazek, Typs of Exhibition in the Adam Mikkiewicz Museum of Literature and their Public. In: Literary Museums (wie Anm. 1) S.92ff.; E. Banko-Sitek, Julian Przybecs' Exhibition shown by the Mickiewicz Literary Museum in Warsaw. In: The Writers and the Present, Moskau 1987, S.29ff 16 Ausführlich im Protokollband der Düsseldorfer Tagung des ICLM 1979: Original and Copy in the Literature and Memorial Museum. ICOM-ICLM Minutes of the Second Annual Meeting, Düsseldorf 1979
IV Zur Präsentation und Rezeption literarischer
Ausstellungen
Wolfgang Barthel
Literaturausstellungen im Visier Zu den ständigen Ausstellungen im Reuter-Literaturmuseum Stavenhagen, in der Reuter-Gedenkstätte Neubrandenburg und zur Herder-Ausstellung im KirmsKrackow-Haus Weimar. 1. Vorbemerkung Literarische Museen und Gedenkstätten dienen der literarischen Kommunikation in der Gesellschaft. In ihren Ausstellungen halten sie Informationen und Wertungen über Schriftsteller und deren Werke für die Rezeption bereit. Ihre Sprache ist dabei die der Worte, von Bildern und von Gegenständen; aus ihnen komponieren sie ihre Aussagen und Angebote. Ausstellungen in Literaturmuseen, um dies gleich vorwegzunehmen, sind nicht in der Lage, komplizierte biographische, literarische, wirkungsgeschichtliche und kulturhistorische Erscheinungen, Vorgänge und Zusammenhänge im eigentlichen Verstände angemessen darzustellen oder gar nachzuvollziehen. Ihre Rezeptionsangebote basieren vielmehr auf Abbreviaturen, zeichenartigen An- und Hindeutungen, formelhaften Komprimierungen, wobei Substitutionen (ζ. B. die Veranschaulichung von Literarischem durch Bildkünstlerisches) zusätzlich eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Vor allem das literarische Werk selbst bleibt unausstellbar, und dies erledigt sich auch nicht durch den Hinweis auf herausgelöste und es (in der Ausstellung) gleichsam repräsentierende Zitate und Titeleien. Nicht wesentlich anders verhält es sich im Hinblick auf das Biographische, dessen komplexe, versatile Prozeßhaftigkeit sich selbst im authentisch erhaltenen Memorial nur höchst unzureichend spiegelt. Worin also läge ein Beitrag literaturmusealer Ausstellungen zur literarischen Kommunikation? Literaturmuseen sind an Orten ehemaligen auktorialen Geschehens eingerichtet, und dies macht sie unablösbar und schwingt bei jeder literaturmusealen Vermittlung mit. Ihre Ausstellungen tendieren dazu, schon aufgrund des Zwangs zu verkürzenden Darstellung, Fragen zu stellen, auch wenn dies in Form von Aussagen geschieht, und zur weiterführenden Beschäftigung mit den repräsentierten biographisch-literarischen Gegenständen anzuregen. Diese Anregefunktion am Ort vormaligen auktorialen Geschehens darf als eine charakteristische Leistung literaturmusealer Ausstellungen angesehen werden. Man wird deshalb zu fragen haben, wie die genannte Funktion in den jeweiligen Ausstellungen tatsächlich organisiert ist. Dabei sind spezielle Rezeptionsbedingungen zu berücksichtigen, und es ist mitzubedenken, daß Ausstellungen dieser Art stets die Handschrift ihrer Gestalter zeigen; man kann Ausstellungen so, aber auch anders machen. Allein dies provoziert schon die Neugier auf den jeweils gewählten Ansatz.
180 Wolfgang Barthel In zwei Folgen sollen in den letzen Jahren eingerichtete oder doch neugestaltete ständige Ausstellungen an bedeutenderen literarischen Museen und Gedenkstätten der DDR näher in Augenschein genommen werden. Der Verfasser möchte dabei u. a. herausfinden, welche Besonderheiten die literarische Ausstellungsstruktur prägen können, welche Wirkungsstrategien sich aus Auswahl, Anordnung und Kommentierung des zugrunde gelegten Materials ablesen lassen und mit welchen Wirkungsimpulsen literarischer Ausstellungsmodelle demzufolge zu rechnen ist. Er möchte mit seinem Versuch zur Herausbildung und, wo möglich, Profilierung von Ausstellungsbesprechungen beitragen, mithin zu einer kritischen Verständigung über Sinn und Zweck, Wert und Bewertung literarischer Ausstellungen, insgesamt also zu mehr Öffentlichkeit bei der Erörterung literaturmusealer Vorgänge. Der Verfasser möchte - dies ist sein vorerst ehrgeizigstes Ziel - den Anschluß herstellen helfen an die in den literarischen Ausstellungen zugrunde liegenden Kunstbereichen seit eh und je geübte Rezensionstätigkeit, an die Buch-, Theater- und Ausstellungskritik (soweit letztere Ausstellungen zur bildenden Kunst reflektiert). Dies erschien dem Verfasser um so wünschenswerter, als gerade die literarische Ausstellung (genauer: Ausstellung im Literaturmuseum) Momente einer Inszenierung zeigt, über die man allerdings in der Regel nur den Regisseur zu hören bekommt, was im übrigen zu manch unkritischen Reflexionen Anlaß geben mußte, wie an der Beschreibungspraxis museumstheoretischer Publikationsorgane denn auch ohne weiteres abzulesen ist. Nun ist die Reflexion literarischer Ausstellungen durch ihre Urheber durchaus notwendig. Sie hätte vornehmlich den Inszenierungsvorgang zu beschreiben und zu interpretieren, also gleichsam den Schaffensprozeß des Museologen bis zum fertigen Produkt Ausstellung. Das Ergebnis selbst bedarf einer gesonderten, eben kritischen Betrachtung. Erst von hier aus wären dann auch erkundende Vorstöße in die allgemeine Rezeptionslage sowie in tatsächliche Ausstellungswirkungen hinein möglich. An den in die Expositionen eingegebenen Intentionen allein sind diese nicht zu fassen; es gibt keine Identität zwischen Gestaltungsabsicht und Wirkung. Vielmehr sind immer wieder Divergenzen zu beobachten, was allerdings in keiner Weise Anlaß zu Besorgnis gibt. Divergenzen dieser Art wurzeln in unterschiedlichen, individuell wie gesellschaftlich vorgeprägten Bewertungen des gleichen Gegenstandes (eines Schriftstellers, seines Werkes). Das Museum täte gut daran, mit ihnen von vornherein zu rechnen, ja, sie in den Dienst seiner Ausstellungsstrategien zu stellen. Daß Literaturmuseologen Divergenzen zwischen Absicht und Wirkung dennoch häufig beklagen, hängt, sofern nicht eine verfehlte Gestaltungsform gewählt wurde, u.a mit der einseitigen Orientierung auf eine Informationsvorstellung zusammen, die die literarische Ausstellung auf die Erkenntnisvermittlung zu beschränken sucht. Kunstprozesse und kunstvermittelnde Prozesse sind jedoch vor allem Prozesse, in denen Wertungen produziert, reproduziert, modifiziert und umverteilt werden [vgl. 1;2]. Das zunehmende Interesse der Kunstwissenschaften an axiologischen Fragestellungen muß deshalb auch das Literaturmuseum als kunstvermittelnde und kunstforschende Institution berühren.
Literaturausstellungen im Visier 181 Der Verfasser will in diesem Zusammenhang, auch um seinen eigenen Rezeptionsstandort zu verdeutlichen, nicht verhehlen, daß er - für den Sonderbereich des literarischen Museumswesens - Mißtrauen hegt gegen den Begriff 'Sachzeuge', der ihm gerade als Indiz einer, wie hier leider nicht gezeigt werden kann, wenig produktiven Verabsolutierung des Erkenntnisaspektes von Literaturausstellungen erscheinen will. Er bevorzugt den Begriff 'Wertungszeuge', der in kunstvermittelnden Museen eine Rolle spielen sollte, zumal er von praktischer Bedeutung ist. Mit der Prägung 'Wertungszeuge' wird darauf aufmerksam gemacht, daß die an literarischen Museen und Gedenkstätten gesammelten und ausgestellten primären Kulturzeugnisse vor allem Wertungen transportieren. Deis schöngeistige Buch zeugt im Literaturmuseum nicht in erster Linie für verwendete Papiersorten, Druckverfahren, Ausstattungsarten und Einbände (dies wäre eher der Blickpunkt des Buchmuseums), es zeugt nicht einmal mit Sicherheit für die darin abgebildete Wirklichkeit, sondern von den mit dieser Realität (oft auch Irrealität) verbundenen Wertungen. Aussagen über Bücher (Rezensionen, Briefzitate u. ä.) - sie spielen im Darstellungskonzept jedes Literaturmuseums eine Rolle - bewerten ihrerseits, sind also Wertungen von Wertungen. Ganz ähnlich verhält es sich mit künstlerischen Rezeptionsmaterialien wie Buchillustrationen, Dichterporträts, Vertonungen literarischer Vorlagen, Verfilmungen, Adaptionen, Theatralia. Material über die Inszenierung eines Bühnenstücks sagt oft mehr über die Sichtweise des Regisseurs aus als über die Wertungen des Bühnenautors. Vor allem wertenden Charakter haben auch Aussagen über Lebenszusammenhänge. Es ist keineswegs so, daß die Wertungen erst infolge des konzeptionell-gestalterischen Zugriffs des Ausstellenden entstehen. Dokumente der künstlerischen Kultur und die sie reflektierenden Materialien bringen ihre Wertungen bereits 'von draußen' mit. Der Ausstellende kann sie folglich nur verwerten. Freilich stellt er sie, entsprechend seinen eigenen Wertvorstellungen, in neue Zusammenhänge, akzentuiert hier, spielt dort herunter, kommentiert eventuell selbst und schafft somit ein neues, übergreifendes multivalentes Wertungsgefüge, eben die Ausstellung. Innerhalb dieses Wertungsgefüges korrelieren jeweils Wertungen verschiedener Bedeutungsebenen und Geltungsbereiche miteinander und drängen sich, in ihrer Totalität (!), als Kommunikat besonderer Art dem Betrachter auf. Die Wertungstätigkeit des Ausstellungsurhebers ist eine Grundfunktion seiner musealen Verantwortung. Er nimmt sie auch dann wahr, wenn er sich ihrer nicht in vollem Umfange bewußt wird. Reine Faktendokumentationen gibt es in der literarischen Ausstellungspraxis der DDR zum Glück kaum. Wo dennoch Dokumentarisches überwiegt, überwiegt nicht selten auch die Langeweile, und mit Recht fragt man sich nach dem Sinn einer solchen Darstellung. Der Begriff Wertungszeuge schließt den Sachbezug eines zum Musealium gewordenen Objektes ein, hebt jedoch dessen wertende Qualität als wesenhaft hervor. Da die literarische Ausstellung an Inhalten interessiert ist, muß sie sich den in diesen enthaltenen Wertungen stellen. Tut sie es nicht bewußt, kommen Wertungen, da sie im Material stecken, unreflektiert ins Spiel und entgleiten möglicherweise der Kontrolle. Über das Bewußtmachen von Wertungen und das Ausstellen von Wertungen erfüllt die literarische Ausstellung ihre Anregefunk-
182 Wolfgang Barthel tion im literarischen Vermittlungsprozeß und konstituiert sich als ein Organon gesellschaftlicher Kommunikation. Mit der Verwendimg von Materialien aus der Wirkungsgeschichte künstlerischer Werke, die seit einigen Jahren in literarischen Ausstellungen Raum greift, hat sich das Literaturmuseum eine für seine Wertungsaufgabe besonders produktive Schicht kultureller Zeugnisse erschlossen. Gerade diese Zeugnisse bedürfen indessen, will man mit ihnen Wirkungen erzielen, der sorgfältigsten Erschließung. Dies setzt, beim Ausstellungsurheber, Bewußtheit über die Wertungsqualität literaturmusealer Objekte voraus. Die Wertungsmöglichkeiten des Literaturmuseums werden sehr unterschiedlich genutzt. Einige Nutzungsweisen sollen im folgenden beschrieben und bewertet werden. Zugrunde gelegt sind die ständigen Ausstellungen zweier Reutermuseen (Stavenhagen, Neubrandenburg), des Herdermuseums und des Goethemuseums (Weimar), des Bechermuseums (Berlin) sowie des Museums der Dresdener Frühromantik (Dresden). 2. Das
Fritz-Reuter-Literaturmuseum
Die Stavenhagener Reuter-Ausstellung ist im ehemaligen Geburtshaus Fritz Reuters (heute: Fritz-Reuter-Literaturmuseum) eingerichtet. In der gegenwärtigen Gestalt besteht sie dort seit 1974 und wurde von Arnold Hückstädt (A. H.) konzipiert. Stavenhagen liegt inmitten des niederdeutschen Sprachgebietes, das heute in der DDR im wesentlichen die drei Nordbezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg umfaßt. Hier ist das Interesse an Reuter und seinem Werk, das hauptsächlich in niederdeutscher Mundart geschrieben ist, am ausgeprägtesten. Die Hinneigungen zu Reuter und zur lebendigen niederdeutschen Sprachform ergänzen sich in höchst glücklicher Weise, und dies wirkt auf die Ausstellung des Museums u. a. insofern zurück, als es ihre Resonanz potenziert; mit seinen rund 20 000 Besuchern jährlich zählt das Reuter-Museum in diesem relativ abgelegenen mecklenburgischen Ort zu den sehr gut besuchten Literaturmuseen in der DDR. A. H. hat die musealen Möglichkeiten zu einem historisch-dialektischen Deutungsansatz für Reuter konsequent genutzt. Reuters Leben und Werk werden in die Kämpfe ihrer Zeit gestellt und von dorther dokumentarisch geortet. Auffallend ist der Versuch, Reuter aus dem linearen Klischee vom unverbindlichen Humoristen zu befreien und seine Leistung als kämpferischer Realist der zweiten Hälfte des 19. Jh. genauer und in ihrer Vielseitigkeit zu bestimmen. Im Vorraum zu der sich vor allem in der ersten Etage in 9 Räumen zu einem übersichtlichen Rundgang ordnenden musealen Schau ist deshalb ein Reuter-Zitat gleichsam als Motto der Ausstellung vorangestellt, in dem sich Reuter selbst als Kämpfer und Streiter bezeichnet, der zeitlebens "Farbe gehalten habe"; zugleich enthält es die Aufforderung an den Besucher, dies "zwischen den Zeilen" seiner "Schreibereien" herauszufinden. A. H. vertraut dabei zurecht auf den Lesewillen der Besucher. Texte werden allenthalben angeboten, nicht nur in übersichtschaffenden Wandlegenden und Exponatbeschriftungen, sondern auch und gerade in Deutungshinweisen, knappen Zusammenhangserläuterungen oder in dem ausgelegten Druck- und Hand-
Literaturausstellungen im Visier 183 Schriftenmaterial. Im Literaturmuseum sollte man dies dankbar entgegennehmen, zumal wenn, wie hier, mit dem nötigen Sinn für Wirksames und Notwendiges verfahren wurde, Redundanzen und leere Formulierungen gemieden sind. Nichts stellt sich schließlich im Literaturmuseum hinsichtlich seines Vermittlungszieles nur durch die bloße Anschauung her; das Literaturmuseum braucht die Textierung, wie es den Kontext braucht. Großes Geschick beweist Α. H. im Umgang mit Reuter-Zitaten. Sie kommen immer wieder in der Ausstellung vor. Als Kristallisationspunkte etablieren sie eine wiederkehrende Bezugsebene, der die insgesamt biographisch ausgerichtete Ausstellung ohnehin verpflichtet ist. Selbst Historisches wird so an Reuter herangeholt und gleichsam individualisiert. Α. H. entgeht damit der Gefahr, das Literaturbiographische in bloß Geschichtliches, das in seinem Ausstellungsmodell eine große Rolle spielt, aufzulösen. Die Ausstellung veranschaulicht in chronologischer Abfolge den Lebensweg Reuters, wobei die formenden Einflüsse in Kindheit und Jugend (mecklenburgische Umwelt, Elternhaus, Schule, Studium, Lektüre) zurecht kräftig ins Bild gesetzt werden. Einbezogen in die Ausstellung sind Aussagen und Dokumente zu den Hauptwerken sowie Zeugnisse über biographierelevante und/oder ins Werk Reuters hineinspielende geschichtliche Sachverhalte. Am Ende der Ausstellung wird in einem Raum zusammenhängend zur Reuterrezeption sowie zur Reuterpflege ausgesagt; dies setzt sich in einem Raum im Erdgeschoß fort, wo, impressionsartig, Aspekte der Reuterwirkung in der DDR in den Bereichen Volkskunst, Kinderzeichnungen, Presse o. ä. vorgestellt sind. Diese Ausstellungsteile bieten sich zugleich gut für aktuelle Auslagen an, mit denen der Wandel der Reuterpflege in unserem Lande dokumentiert werden kann. Dokumenten der Reuterwirkung begegnet man allerdings in bezeichnender Weise bereits bei der Werk- und Lebensdarstellung, wo besondere Illustrationen mit Gewinn der Werk- und namentlich der Figurenveranschaulichung nutzbar gemacht sind. So werden Illustrationen von Werner Schinko (1972), mit Texten zusammengestellt, verwendet, um die Story von "Kein Hüsung", Reuters Hauptwerk, zu inszenieren. Moderne Grafik vermittelt hier also den älteren literarischen Text an den heutigen Rezipienten aus der individuellen Werksicht eines ihm in Welterfahrung und -erleben nahestehenden Zeitgenossen; dies mag den Besucher im Museum, läßt er sich auf Schinkos Abbildungen ein, dazu führen, sich eher auch auf den alten Reutertext einzulassen. Insofern kann modernes Rezeptionsgut eine Brücke schlagen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Α. H. hat hier subtile Möglichkeiten der literaturmusealen Wirkung aufgespürt und angewendet, deren interessefördernde Produktivität noch nicht immer genutzt wird. Aufgelockert wird die strenge literaturmuseale Dokumentation immer wieder durch memoriale Einsprengsel (Erinnerungsgegenstände Reuters, der Eltern usw.) sowie Mobiliar und kulturhistorische Sachzeugen (landwirtschaftliches Gerät, Waffen, Uniformen u. ä.) der Reuterzeit. Dies beugt nicht nur etwaiger Monotonie vor, sondern ist durch den klaren Bezug auf Reutersche Lebenserfahrung und Werkkontexte funktionalisiert. Bezeichnend dafür ist etwa die Ausstel-
184 Wolfgang Barthel lung der Tür von Reuters Haftzelle in der Berliner Hausvogtei im Zusammenhang mit der Veranschaulichung der gesamten Festungszeit des Dichters oder, unter deutlichem Bezug auf den Zentralkonflikt in "Kein Hüsung", die kontrapunktische Anordnung von Gestellsense und Tagelöhnerutensil mit Uniform und Jagdzeug eines Junkers. Die Übergänge zwischen Museum und Memorial oder doch memorial angereicherten Gegenstandsensembles bleiben im übrigen fließend. Selbst dort, wo die Möglichkeit bestanden hätte, geschlossene Memorialräume innerhalb des Ausstellungsrundganges zu schaffen, wird dies zum Vorteil dieser Ausstellungsstruktur nicht unternommen. Statt dessen wird z. B. ein Einblick in die zeitgenössische Wohnkultur, woran auch Reutermobiliar beteiligt ist, in kojenförmig-offenen Räumen gewährt, während zugleich, an der den offenen Seiten der Wohnkojen zugekehrten Wand, die literaturmuseale Dokumentation weiterläuft. Die dadurch suggerierte Synchronie von memorialer Vergangenheit und musealer Gegenwart, die Öffnung der Vergangenheit zur Gegenwart und umgekehrt, erweisen sich als unterschwellig wirkende Faktoren, die der Veranschaulichung eines dialektischen Erbebezuges zuarbeiten. Von der eigentlichen literaturmusealen Präsentation separiert ist lediglich das Geburtszimmer Reuters; es bildet eine geschlossene memoriale Einheit im Erdgeschoß. Verschiedentlich versucht die an sich literatur-biographische Ausstellung eine Weitung in literatur- ja sprachhistorische Kontexte hinein. So wird, mit Gewinn für das Verständnis des Zusammenhangs von Sprache und Literatur, die plattdeutsche Sprachform kurz expliziert, darauf hingewiesen, daß sie als Verkehrssprache der Unterdrückten fungierte und ihre Verwendung durch Reuter folglich als demokratische Geste zu werten sei. Auch auf Reuters Versuch, das Niederdeutsche als Sprache der Literatur noch schmiegsamer und lesbarer zu machen, wird erhellend Bezug genommen. Aufschlußreiche literaturhistorische Aspekte gelangen unauffällig, gleichwohl das Ganze erheblich dimensionierend, in die Darstellung. So wird im Zusammenhang mit Reuters Adelssatire "Hakensterz" auf Weerth und Heine verwiesen und Gelegenheit genommen, Reuter in eine antifeudal-demokratische Schreibtradition zu stellen. Auch die neben Reuter bekanntesten niederdeutschen Autoren (Groth, Brinckman) werden vorgestellt, und es ist auf gleichzeitige epochale Leistungen der europäischen Literatur (Dickens, Balzac, Ibsen, Mérimée, Tolstoi) vergleichend hingedeutet. Hinsichtlich der musealen Interpretation des Werkes verfährt A. H. so, daß er Reuters Dichtungen, von denen Bleibendes und Wirksames ausgewählt wurde, vor allem als Belege für Haltungen präsentiert, also im Hinblick auf die in ihnen ausgedrückten politisch-weltanschaulichen Grundpositionen. Als poetische Strukturen zieht er sie weniger in Betracht. Dies ist insofern konsequent, als die literaturmusealen Abbreviaturen bei der Veranschaulichung literarästhetischer Zusammenhänge ohnehin oft versagen. Auch kam es bei Reuter eben primär darauf an, seine Leistung einer realistischen, demokratisch-volksverbundenen Realitätsbewältigung und Gesellschaftskritik für die breite Aneignung überhaupt erst verfügbar zu machen. Damit kann die Ausstellung auch am ehesten jener einseitigen Deutung Reuters als eines Spaßmachers entgegenwirken und die
Literaturausstellungen im Visier 185 fatalen Bindungen an ungesunde Heimattümelei ("Heros des Urkräftigen"), die im Abschnitt über die Reuterrezeption angedeutet sind, als offensichtlichen Erbemißbrauch entlarven. In der Führungsschrift zur Ausstellung (Α. H., Fritz Reuter. Museum - Biographie - Texte; 1978) wird dem Werk stärker Raum gegeben. Abgedruckt sind Auszüge aus "Hakensterz", "Kein Hüsung", "Ut de Franzosentid", "Ut mine Stromtid", "Dörchläuchting" sowie einige "Läuschen und Riméis". Dies kompensiert in gezielter Weise auch die Unausstellbarkeit der Wortkunstwerke. Ausstellung und Führungsschrift werden, wie bei literaturmusealen Expositionen häufig zu beobachten, direkt aufeinander bezogen. Die Ausstrahlung der Ausstellung wird durch atmosphärische Elemente zusätzlich belebt. Allein die Tatsache, daß es sich um das Geburtshaus des Dichters handelt, in dem die Ausstellung aufgebaut ist, und dieses, als ehemaliges Rathaus, Arbeitsstätte des Vaters war, der als Bürgermeister in Stavenhagen wirkte, vertieft die empfangenen Eindrücke und erhöht die Aufnahmebereitschaft auch für biographie- und literaturbezogene Sach- und Wertungsinformationen. Auch strahlen die Ausstellungsräume selbst, bei aller gebotenen und auch durchgehaltenen Nüchternheit in Raumaufteilung, Farbgebung, Beleuchtung, Fensterdekor usw., eine einladende Wärme aus. Sie wird durch sich wiederholende Wohnensembles besonders angenehm, doch wirkt selbst die Auslegung sämtlicher Ausstellungsräume mit wohnlichem und zugleich dämpfendem grauem Stoffbelag, einem nur scheinbar irrelevantem Accessoire, in dieser Hinsicht konstituierend. Der Besucher wird hier nicht ehrfurchtsvoll erstarren, sondern sich "seines" Reuters, nicht unberührt von der heimischen Gesamtatmosphäre des Hauses und seiner Ausstellung, in neuer individueller Weise bemächtigen. Bei der Fülle des angebotenen Materials lag die Versuchung nahe, durch Äußerlichkeiten, etwa Signalfarben o. ä., deutliche Zäsuren und Akzente zu setzen. A. H. hat dieser Versuchimg, die zwar aus didaktischen Gründen zuweilen angezeigt erscheint, jedoch ästhetischen Ansprüchen, die das Literaturmuseum ebenfalls zu bedienen hat, oft nicht genügt, zumeist widerstanden. Er setzt größtenteils auf die innere Gliederung seines Stoffes, die er in der Ausstellung in biographischen, werk- oder wirkungsbezogenen Thematisierungen anschaubar macht und problemlos auf Wände und Vitrinen projiziert. Hinsichtlich der Werkdarstellung wird dabei ein gleichsam standardisiertes Strukturangebot auffällig; vorgezeigt werden nämlich immer wieder die gleichen Elemente: Titellegende - Erstausgabe - eventuell Vorform des vorgestellten Werkes - Manuskriptproben - Autorenzitat zum Werk - Werkillustrationen - Werkkommentar - Exponatbeschriftungen kulturhistorische Gegenstände mit Bezug auf das Werkthema. Diese Elemente fungieren als Versatzstücke. Bei mangelnder Werkschwere können sie reduziert, bei entsprechender Werkbedeutung voll eingesetzt werden. Diese Struktur wirkt, da sie wiederkehrt, ordnungschaffend. Zugleich bleibt sie variabel, drängt sich nur unterschwellig ins Bewußtsein und kann verkürzt oder unverkürzt von vornherein die unterschiedliche Bedeutung einzelner Werke markieren; insofern wirkt sie als Struktur wertungsbetonend. Es empfiehlt sich, dieses methodische Angebot genauer zu bedenken, da jedes Literaturmuseum in die Lage gerät, seine Gehalte und Akzente auch strukturell sinnfällig zu machen.
186 Wolfgang Barthel Insgesamt fügt Α. Η. der ohnehin verkürzenden Darstellungsweise literaturmusealer Ausstellungen keine selbstauferlegte Begrenzung hinzu. Er orientiert sich konsequent an der Künstlerbiographie. Sie bleibt sein roter Faden und wird, bei allen für literaturmuseale Ausstellungen zu machenden Einschränkungen, so vollständig wie möglich gegeben. Sie bleibt unter Bezug auf die sie mitbestimmenden historischen Verhältnisse als eigentlicher Produktionsraum des Reuterschen Werkes erkenn- und verfügbar. Das vorgezeigte Ausstellungsmodell bleibt damit, als Gesamtstruktur, vieldimensional und vielfältig einsetzbar. Sein Stoffund Problemangebot ist weit genug, um aus ihm heraus die unterschiedlichen Besucherinteressen und Zielgruppen bedienen zu können. Es bleibt seinem eigentlichen Zweck, einen Beitrag zur öffentlichen literarischen Kommunikation zu leisten, verpflichtet. Daß die Gesamtstruktur sich als ein Instrumentarium für den Verkehr mit sozialistischem Publikum oder sozialistisch zu beeinflussendem Publikum versteht und dies auch nie zu verbergen sucht, soll abschließend betont werden. Ein Verdienst dieser Ausstellung ist es ohnehin, auf Momente einer sozialistischen Reuterrezeption bei Marx, Engels, Mehring, Zetkin hinzuweisen. Mit ihrem Interpretationsansatz stellt sie sich endlich selbst in diese Tradition und leistet einen nicht eben gewöhnlichen Beitrag zu einer volksbezogenen, anschaulichemotionalen sozialistischen Reuter- und literarischen Traditionspflege. 3. Die Reuter-Gedenkstätte in Neubrandenburg Seit 1979 besteht eine Reuter-Gedenkstätte in Neubrandenburg. In der ersten Etage eines klassizistischen Bürgerhauses aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts, in dem Reuter 1857 bis 1859 zwei Jahre seines mehr als siebenjährigen Brandenburger Aufenthaltes verbrachte, wird in vier kleinen Räumen eine Reuter-Ausstellung gezeigt. Sie wurde gleichfalls von Arnold Hückstädt erarbeitet und stimmt, in weitestem Sinne um das Thema "Reuter in Neubrandenburg" geordnet, in wichtigen strukturellen und wirkungsstrategischen Momenten mit dem Stavenhagener Modell überein. Auch diese kleine literaturmuseale Schau lebt zunächst vom memorialen Bezug auf eine Reuterwirkstätte; hier wie in Stavenhagen vereinigen sich biographische, historisch-soziologische, werkrepräsentierende und wirkungsgeschichtliche Aspekte und Materialien zu einem musealen Gesamtbild, in dem allerdings die auf Neubrandenburg beziehbaren Werke Reuters dominieren; auch hier wird durch einen wohlkalkulierten Wechsel von Schriftgut und Bilddokumentation sowie gegenständlich-plastischen und atmosphärischen Elementen (Interieur ζ. B.) jene einladende Wärme erzeugt und jene Intimität, noch verstärkt durch die viel kleineren Räumlichkeiten, die schon für Stavenhagen vermerkt wurde; wiederum wird dem Lesewillen des Besuchers vertraut, der sich auch hier mit wertenden Texten konfrontiert sieht. Demgegenüber treten Exponatbeschriftungen etwas zurück. Offensichtlich wird stärker auf die Selbstdarstellung namentlich bild-künstlerischer Arbeiten (Illustrationen zum Werk Reuters) gesetzt, die insgesamt - dies ist auffällig - konzentriert für die Fabel- und Figurenveranschaulichung genutzt sind. So wird etwa ein Werk wie "Ut mine Stromtid" in 6 sparsam beschrifteten, relativ großformatigen, also
Literaturausstellungen im Visier 187 bedeutend gemachten Bildern nach Gemälden zum Werk von Conrad Beckmann (1878) vorgestellt (Wandabwicklung). Diese transponieren wichtige Werkstellen ins Sichtbare und machen Lust auf die nachvollziehende Anschauung und, sofern Werkkenntnis vorliegt, die Auseinandersetzung mit Beckmanns Sicht. In der dazugehörigen Vitrinenauslage sind u. a. Erstdrucke, Manuskriptblätter, weitere Illustrationen und ein Kommentar zu sehen, so daß auch hier das oben für Stavenhagen besprochene ordnende Strukturmuster erkennbar wird. Mit Gewinn für die Verdeutlichung von Konflikten wird mit kontrapunktischen Arrangements experimentiert. So fällt ζ. B. an der Wand zum "Dörchläuchting"Ensemble sofort ein größeres Gemälde ins Auge, das den Herzog Adolf Friedrich IV. von Mecklenburg-Strelitz zeigt, Reuters "Dörchläuchting"; ihm sind zwei Darstellungen nach Gemälden von Beckmann zugeordnet: "Kägelein und der Konrektor" und "Mutter Schulten und Dörchläuchting". Die Bilder werden durch die werkbezeichnende Wandlegende zusammengehalten und auf Reuters Roman bezogen. In der dazugehörigen Vitrine liegt u. a. ein Kommentartext aus, der diesen Bezug präzisiert und die Aufmerksamkeit auf die spannungsvollen Wechselwirkungen zwischen den auf den Bildern dargestellten Realitäten und ihrem Bezug zu dem Werk Reuters richtet. In der kleinen Ausstellung sind außer "Stromtid" und "Dörchläuchting" auch Reuters "Kein Hüsung" und eine neue Folge der "Läuschen" vorgestellt. Die in diesen Werken hervortretenden und in der Ausstellung in anschaulichen Abbreviaturen vorgezeigten kritischen Wirklichkeitsansichten Reuters erscheinen im letzten Ausstellungsraum aufgehoben, in dem kontrapunktisch zum gesamten vorangegangenen Ausstellungsbild - unter der originellen und nachdrücklichen Wandlegende "Wi hewwen Hüsung" - Aspekte der Reuterwirkung in der DDR ausgebreitet sind und die Ausstellung beziehungsvoll auf eine Traditionsaufhebung ausgerichtet erscheint. Dies verleiht der Ausstellung Kohärenz und eine eindringliche Suggestivität. Es ist ein Bogen gespannt zwischen gestern und heute, zwischen "Kein Hüsung" und "Wi hewwen Hüsung", der das Reutersche Erbe zu seinem sozialistischen Rezeptionsort in einem sinnreichen Bezug bringt. 4. Die Herder-Ausstellung im Kirms-Krackow-Haus in Weimar In ihrer vorliegenden Gestalt stammt die Herder-Ausstellung im Kirms-KrackowHaus in Weimar aus dem Jahre 1978 und wurde von einem Kollektiv unter der Leitung von Christina Didier (C. D.) erarbeitet. Von der vorherigen, an gleicher Stelle eingerichteten Herder-Schau unterscheidet sie sich durch eine Reihe innovatorischer Akzente, die insgesamt die literaturmuseale Szene in der DDR belebt und eine Diskussion um Ausstellungsmöglichkeiten im Literaturmuseum in Gang gebracht haben. Zunächst soll vermerkt werden, daß der Ausstellung der unmittelbare memoriale Bezug fehlt. Herder hat zwar unweit des Kirms-Krackow-Hauses viele Jahre seine Weimarer Wirkstätte gehabt, diese steht jedoch nicht für Ausstellungszwekke zur Verfügung. Die Ausstellung befindet sich deshalb gleichsam an neutralem Ort und wirkt relativ frei von emotionalisierenden "memorialen Nebenwirkungen". Auch Gegenstände aus dem Besitz Herders sind nur spärlich in die Aus-
188 Wolf gang Barthel Stellung eingeflossen und erhalten kein besonderes Gewicht. Dies kommt der insgesamt wissenschaftlich-didaktischen, sachlich-nüchternen Ausrichtung der Ausstellung zugute. Das museale Angebot ist äußerst knapp gehalten; in 5 ehemals bürgerlichen Wohnstuben werden, streng ausgewählt und ζ. T. bis zur Andeutung verkürzt, Herders Biographie sowie herausragende Themen seiner denkerischen (!) Leistung in einer gleichsam biographisch-thematischen Aufeinanderfolge vorgestellt. Chronologisch ist in den Räumen 1 und 2 unter ortsbezogenen Stichpunktlegenden (Mohrungen, Königsberg, Riga, Reise nach Frankreich usw.) der Lebensweg Herders angedeutet. In den übrigen Räumen wird auf biographische Entwicklungen des Autors nicht mehr zurückgegriffen, sondern es werden nach Ansicht der Gestalter heute interessierende und mitteilenswerte Herder-Themen (Humanitätskonzept, Entwicklungsgedanke, Dichtung als Welt- und Völkergabe, Verhältnis zur Französischen Revolution, Friedensgedanke), oft rezeptionsgeschichtlich und kulturhistorisch umspielt, museal dargeboten. Innerhalb der ausstellungskonzeptionell interessanten thematischen Ensembles gibt es kaum fest umrissene Grenzen zwischen älteren und jüngeren Materialien, die Bewegung geht hin und wider: Neben der zeitgenössischen Herderausgabe findet sich die moderne Herder-Reclam-Edition oder die Schallplatte; Buchbelege aus der Herderrezeption des 19. Jahrhunderts (etwa hinsichtlich der Volksliedsammlungen in der Nachfolge Herders) rangieren neben dem kulturgeschichtlichen Objekt (Musikinstrument), die alte Werkausgabe neben dem modernen Gemälde usw. So entstehen beziehungsvolle Ensembles, in denen sich die Elemente assoziativ zuordnen und auf komplexere literatur- und rezeptionsgeschichtliche Zusammenhänge zeichenhaft hindeuten. Offenbar war es ein Grundanliegen von C. D., kommentierende Worthilfen soweit wie möglich aus den Ausstellung herauszuhalten - sie sind ζ. T. in die Führungsschrift eingegangen. Exponatbeschriftungen sind folglich sparsam eingesetzt, einprägsame Legenden schlagen das jeweilige Thema an; jedem biographischen und thematischen Ensemble ist ein stark zusammendrängender dreisprachiger Leittext (deutsch, russisch, englisch) zugeordnet. Material- und Wortkargheit scheinen überhaupt ein Merkmal dieser Ausstellungsauffassung zu sein. Die oft in Wandschaukästen untergebrachten Materialien wollen sich selbst darstellen. Dies nun wird durch bildschaffende Eingriffe unterstützt. Komplexe Vorgänge und Gegebenheiten sind in einfache veranschaulichende Bilder übersetzt. Modell (Morag), Volkstum und Tätigkeiten charakterisierende Puppenfigurinen, Diorama (Riga) und insbesondere themengebundene Hintergrundhorizonte (Seestück zu 'Reise nach Frankreich'; Silhouette des Straßburger Münsters zu 'Straßburg'; Musikanten zu 'Volkslieddichtung' usw.), Montage aus gemalter Landschaft mit davor aufgepflanztem Freiheitsbaum oder Gemälde (Womacka zum Friedensthema) füllen beziehungsvoll den musealen Raum und schaffen eine alles durchdringende und tragfähige Schicht des Schaubaren und Geradlinig-Ubersichtlichen, die sich leicht mitteilt und wohl insbesondere dem jugendlichen Betrachter manches einprägsame, auf Herder bezogenen Bild vermittelt. Sofern Klarheit, Faßlichkeit, Uberschaubarkeit, Sensibilisierung für Bilder und Symbole, auch Zusammenhangsschau und die Herstellung neuartiger Assozia-
Literaturausstellungen im Visier 189 tionsketten womöglich Zweck dieses Gestaltungsansatzes gewesen sind, wird man ihm Plausibilität bescheinigen dürfen. Man wird auch erkennen können, daß der Drang zur Verbildlichung, durchaus ein museales, auch literaturmuseales Interesse ist, und dem an Fernsehen, Film u. a. Alltagsformen der Bildhaftigkeit gewohnten Rezipienten von heute entgegenzukommen und insofern auch mögliche Erwartungshaltungen und üblich gewordene Rezeptionsraster zu bedienen sucht; wie man sich überhaupt durch dieses Ausstellungsmodell, besonders nachdrücklich durch seinen Hinweis auf die Aussagemöglichkeiten thematischer Ausstellungsteile, mannigfach angeregt findet. Indessen soll doch auch gefragt werden, ob zumindest die unbedingte Reduzierung auf einfache Linien, auf Nüchternheit und einprägsame Bebilderung in jedem Falle den Aufwand lohnt und ob da nicht auch Verlust an Offensein gegenüber verschiedenen Besucherinteressen und Rezeptionserwartungen zu bemerken ist. Gefragt werden soll ζ. B., was denn die Übersetzung der Rigaerfahrung Herders in ein anschauliches Diorama mit Architektur und zinnfigürlichem Volksleben tatsächlich über diese Erfahrung veranschaulicht; und ob nicht auch eine stark symbolische und heutige Friedensbemühungen mitmeinende Komposition wie Womackas Friedensbild doch von Herder wegführt und, sofern dies sogar beabsichtigt ist, was sie über den Zusammenhang von Herder mit uns Heutigen wirklich verdeutlichen kann. Auch scheint mir die biographische Vermittlung allzu skizzenhaft geraten und das Werk von seinem Urheber zu entrückt, ja, es kommen eigentlich weniger das Werk als Leistung eines Individuums in Betracht, denn vielmehr eine Reihe aus ihm gewonnener, wenngleich signifikanter Themen. Fragen also. Und sicher ließen sich noch andere Fragen an dieses Modell stellen. Es scheint sogar geboten, gerade weil dieses Modell so frisch, so unbekümmert, so rigoros herkömmliche literaturmuseale Ausstellungsvorstellungen hinterfragt, die Diskussion hierüber wie über die herkömmlichen Darstellungsmethoden in Gang zu halten, woraus am Ende Gewinn entstehen mag, an dem nicht nur der eine oder der andere teilhat, sondern alle teilhaben. Zusammenfassung Literatur und literarische Prozesse können in der literaturmusealen Ausstellung weder aus- noch dargestellt werden. Grundfunktion der Ausstellung ist die Anregung, sie wird durch Inbeziehungsetzen der Sach- und Wertungszeugen erreicht. Die Möglichkeiten, diese Funktion zu organisieren, sind unbegrenzt, doch steht hinter jeder realisierten Ausstellung eine besondere Wirkungsstrategie. Die Reuter-Ausstellungen setzen vor allem auf biographisch akzentuierte, durch memoriale Momente affektiv aufgeladene, die soziale Genesis der literarischen Leistungen Reuters hervorkehrende Arrangements; ihre Kommunikationsmodelle rechnen mit dem Lesewillen des Besuchers, dem gegenüber sie "offen" bleiben. In der Herder-Ausstellung erscheinen Biographie, memoriale und sozialgenetische Aspekte reduziert; wirkungsgeschichtliche Momente, die thematisch geordnet sind, dominieren; zugleich wird durch Minimierung der Begleittexte, durch
190 Wolfgang Barthel künstlich substituierte Bildhintergründe u. ä. eine unmittelbarere Veranschaulichung gesucht; das Kommunikationsmodell ist weniger "offen", es wendet sich an ein vor allem jugendliches Publikum und Aufnahmevermögen, im Vordergrund stehen didaktische Töne.
Literatur 1 Erpenbeck, J.: Was kann Kunst? Gedanken zu einem Sündenfall. Halle, Leipzig 1979 2 Schober, R.: Abbild - Sinnbild - Wertung. Berlin, Weimar 1982
Susanne Ebeling/Ralf Lubnow Ausstellungs-Ansichten
Exponat Die Kunst des Ausstellers: "eine logische Geschichte erzählen". ... die Exponate, die Elemente der Ausstellung, sind die Worte der Geschichte. Wie jede gute Rede unterhält und belehrt die Ausstellungs-Erzählung. Zum "originalen historischen Sachzeugen" der Literatur- und Kulturgeschichte werden die Exponate, wenn sie authentischen Charakter haben, gleichgültig, ob sie selten oder kostbar sind, sich auf die Biographie des Autors oder die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Werkes beziehen. Sie wirken auf den Betrachter, indem sie bewegen und unterhalten, informieren und interpretieren.
Die seltene zweite Ausgabe der 'Räuber' ist nicht nur ein kostbares Buch, sondern interpretiert durch die Widmung 'in tyrannos' Schillers Drama. (Marbacli/Schiller-Nationalmuseum)
192 Susanne Ebeling/Ralf Lubnow Beleuchtung und Aufstellung in Augenhöhe der Totenmaske Thomas Manns in der Münchener Ausstellung (Villa Stuck, 1987) sprechen den Besucher direkt an.
Die Erstausgabe von Arthur Schnitzlers Novelle 'Casanovas Heimfahrt' stammt aus einer Kieler Leihbibliothek. Das - für sich wenig bedeutsame - Buch ist 'historischer Sachzeuge' da es von einer Augenzeugin aus der Bücherverbrennung in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1933 herausgeholt wurde.
Ausstellungs-Ansichten
Ensemble Die Kunst des Ausstellers:
"eine logische Geschichte
erzählen".
... indem sich die Exponate aufeinander beziehen, bilden sie ein Ensemble.
Das Arrangement zufallig erhaltener Reliquien in der Wilhelm-BuschDauerausstellung im Pfarrhaus in Wiedensahl macht dem Besucher den zeitlichen Abstand zu dem Dichter deutlich.
Das Segelschiff, die Puppen in der Mode der Zeit und die Enzyklopädie der französischen Aufklärung illustrieren in der HerderDauerausstellung im Kirms-Krackow-Haus Weimar eine Etappe aus dem Lebensweg des Dichters: "Die Reise nach Frankreich".
193
194
Susanne Ebeling/Ralf
Lubnow
Vitrine Die Kunst des Ausstellers:
"eine logische
Geschichte
erzählen".
... die Vitrine formuliert einen Abschnitt der Ausstellung. Sie präsentiert einen in sich weitgehend abgeschlossenen Sinnzusammenhang.
Die Räuber-Vitrine im Schiller-Nationalmuseum Marbach behandelt die Werkgeschichte des Sturm- und Drang-Dramas systematisch. Sie ist von links oben nach rechts unten zu lesen: vom Zeugnis aus der Zeit erster Niederschrift über die die Bearbeitungsstufen zeigenden Dokumente der zeitgenössischen Bühnenerfolge bis hin zu dem Versuch des Klassikers, an seinen Jugenderfolg anzuknüpfen.
Die Vitrine 'Humanität ist der Zweck der Menschheit' der Herder-Dauer-Ausstellung im Kirms-Krackow-Haus übersetzt komplexe Vorgänge und Gegebenheiten "in einfache, veranschaulichende Bilder" (W. Barthel).
Ausstellungs-Ansichten
195
Um 'Anregungen zu Goethes Italienreise' (Vitrinentitel Hannover, Kestner-Museum 1989) zu verstehen, werden Reisebeschreibungen, die Goethe zu Rate zog, gezeigt. Jeweils mit offenen Titelblättern sind sie auf einer Ebene nebeneinandergelegt. Die Vitrinentexte erläutern häufig mit Goethes eigenen Worten die Verwendungszwecke der Reiseführer. Die Vitrine wird von dem Porträt Winckelmanns, dem Verfasser der 'Geschichte der Kunst des Altertums' (1764), beherrscht
"Raumnot" - als Fülle des zur Verfügung stehenden Archivmaterials verlangt vom Ausstellungsmacher, sich zu beschranken. In der Jean-Améry-Vitrine ist die Fülle kalkuliert. In 'Auf Zeitungspapier' (Schiller-Nationalmuseum) vermittelt die Überfülle des bedruckten Papiers die Vielfalt, aber auch den wirtschaftlichen Zwang zur schriftstellerischen Produktion Jean Amérys in den Jahren 1945 bis 1978.
196
Susanne Ebeling/Ralf Lubnow
Raum Die Kunst des Ausstellers: "eine logische Geschichte erzählen". ... Räume formen die Kapitel der Ausstellung.
In Memorialstätten wird Geschichte konserviert (Franz von Dingelstedt, Heimatmuseum Rinteln) ...
... aber auch so präsentiert, daß ihr Abstand zur Gegenwart gewahrt bleibt (Marbach, SchillerGeburtshaus).
Ausstellungs-Ansichten 197
Die spielerische und offene Raumgestaltung in der Friedrich Theodor Vischer-Ausstellung in Ludwisgburg bietet dem Besucher Hilfen bei seinem Durchgang, lädt gleichzeitig ein, einen eigenen Weg durch die Ausstellung zu finden: inszenierte Stolpereffekte. Die beständige Wiederholung von Schrifttafel mit zugeordnetem Objekt schafft einen einheitlichen Raumeindruck. Die thematische Neuordnung des Mobiliars aus dem Arbeitszimmer des Autors fängt Biographie und Werk ein.
Die beiden Seitenschiffe des Zeughauses in Wolfenbüttel nutzen die Veranstalter häufig zum Gliedern der Ausstellung.
198 Susanne EbelinglRalf Lubnow Beschriftung Die Kunst des Ausstellers: "eine logische Geschichte erzählen". ... Hinweise zum Verständnis der Erzählung bieten die Beschriftungen. I Tafeln führen in die Ausstellung oder in größere Abschnitte ein:
Anhand der Veränderungen in Personendarsteäongen des 18. und 19 Jahrhunderts läRt « h
erkennen. whs d#s burgerHche Selbstbewusstsein wtKih« unci sicfa von dêm feudalen Vhrbïid befreite
Ini 18. jahduifidert rst >ft ν «Ήβη Perso rMtndatste&rtigen sia« VorixHi des fwíischen Porträts sichtbar Größter Wert w»rd auf Representation durch Haltung. dkí Gest Α. der Hánde. Aufwand »n Requisiten und Prat^hf der *íte*J*ütg gelegt Zum typischen Hintergrui*!. de* die Bedeutung der Psjrson steigern soöte. gehörten Sätuten. Draperie urtd der Ausbfek « \ wvh Landschaft. Die Darstellung sollte wenrger die Person, atfi die Macht, (foe mit deren Stellung verbunden war, charakterisieren
In de? zweiten Hoffte des 18. Jahrhunderts verkK d«r Aufwand an Ausstattung Bedeutung ucjíí erschient hoc-h^wnf' noch als gängige Hintergrunddekonabon Die Pose nicht mehr «mpo nieren 2 υ woöen. de«' Augenblick der Darstellungtfyia&ggewählt Bildnis da;; Senator« Brruvwri Β tifoni wurden ihe md*vt«Jut'îli*ftesoodediertund d*br Wert jedes Mensch«« Ote*e Betonung des »ndtvidueiieti Worts wurde als MrtteLdw soziale Ungleichheit zwischen Ade? und öuryertum au? /uh«îtw?n. verstanden. Indem aile auf der» Generalnenner Mensch gebracht wurden, wurden die Stände privilegio des Adels als unrecht mafeg demwttiert Die Absage an das r^prä ientabve 8&Jrus ¿u Gunsten der Darstellung der Persönlichkeit ver drängte immer trutkt* ganihg»rige ßsdrusse, bei defter» Haftung urvd {ieshk eme große Rolle r>pieftao Dagegen waren Brustbilder häufig, deren Hintergrund noutiai bsteb, -.¡ni vom Gesiebtrochtabtfuieoken {-• Ö'idnts díis L Hadermann!
- in Form eines Lexikonartikels (Frankfurt/Main, Historisches Museum)
Ausstellungs-Ansichten 199
Die Faust-Tradition im 17./18. Jhd.
- in Form einer illustrierten Synopse (Knittlingen, Faust-Museum)
200
Susanne Ebeling/Ralf Lubnow
- in Form eines Bühnenbildes, das die Grenze zwischen Beschriftung und Exponat aufhebt (München, Villa Stuck, Thomas-Mann-Ausstellung)
Π Die Vitrinenbeschriftung erläutert Sinn und Anordnung des in der Vitrine gestalteten Abschnitts der Ausstellung:
Lewing in Braunschwcig 282
Brief Heinrich Christian Boies an Arnold Ebert. 27. März 1774: Boie, der Herausgeber des Göttinger Musenalmanach!, empfiehlt den jungen Lebewitz.
283
Erstausgabe des Trauerspiels von J o h a n n Anton Lebewitz, das Lessing mit großer Zustimmung a u f n a h m .
284
Tagebuch von J o h a n n A n t o n Lebewitz. Aufgeschlagen Eintrag vom 17.7.1780 über den Besuch der Braunschweiger bei Lessing in Wolfenbüttel. - Fotokopie.
285
Die Aufsätze gab Lessing in Erinnerung an den jungen Jerusalem heraus, der sich 1772 in Wetzlar das Leben nahm. Karl Wilhelm Jerusalem, der Sohn des Abts Jerusalem, war 1770/71 Assessor in Wolfenbüttel.
286
Brief Lessings anJ.J.Eschenburg, 31. 7 . 1 7 7 6 : Lessing teilt die Lotteriezahlen seinem Braunschweiger Freund mit.
287
Das Haus von Rutger Heinrich Roenckendorff in Braunschweig. Kupferstich des 18. Jahrhunderts. - In diesem Gasthof traf sich der Große Club, dem auch Lessing angehörte.
288
Braunschweig. Kolorierter Stich von Anton August Beck. Um 1760.
289
Brief Lessings an J . J . Eschenburg, 2. April 1777: Ankündigung seines Besuches in Braunschwcig.
290
Das große Kaffeehaus in Braunschweig. Werkkupfer um 1780.
Bei der Dauerausstellung im Lessinghaus (Wolfenbüttel) werden nur die einzelnen Stücke bibliographisch erläutert und knapp kommentiert (Ausschnitt der Vitrine 'Lessing in Braunschweig').
Ausstellungs-Ansichten
201
Zviachi
F a m i l i e n z e i t s c h r i f t e n s i n d der c h a r a k t e r i s t i s c h ste Z e i t s c h r i f t e n t y p des 19. Jahrhunderts. S i e waren i l l u s t r i e r t , erschienen Woche für Woche und brachten neben Erzählungen und Gedichten e i n Panorama über a l l e Wissensgebiete. Vorbild und Marktführer war 'Die Gartenlaube' (1853-1943). F a m i l i e n z e i t s c h r i f t e n gab es zwar f ü r a l l e L e s e r schichten und jede p o l i t i s c h e und r e l i g i ö s e Richtung, im allgemeinen aber richteten s i c h diese ß l ä t t e r an das ( g u t - ) b ü r g e r l i c h e Publikum. In den großen F a m i l i e n z e i t s c h r i f t e n schrieben Erzähler wie Theodor Fontane, Wilhelm Raabe oder F r i e d r i c h Spielhagen. Anfang A p r i l 1879 - noch vor dem zweiten Kontrakt mit Münchmeyer - hatte der 'Deutsche Hausschatz i n Wort und B i l d ' einen Beitrag von May gebracht. Während die Münchmeyer-Zeitsehriften nur von l o k a l e r Bedeutung waren, gehörte der 'Deutsche Hausschatz' zu den großen überregionalen FamilienZ e i t s c h r i f t e n des Jahrhunderts. Er war ein vor a l l e n in Süddeutschland verbreitetes k a t h o l i sches B l a t t . B i s 1897 brachte das B l a t t i n f a s t jedem Jahrgang Beiträge von May. 1
Im Hausschatz' erschienen die Orientromane, die später Band 1 - 6 der Gesammelten Reiseerzählungen ausmachen (= 'Durch die Wüste' b i s 'Der S c h u t ' ) . Im v i e r t e n Heft ( 1 8 )des Jahrgangs von 1887/88 begann 'Durch das Land der S k i p e t a r e n ' ( J 9 ) z u erscheinen. Erstdrucke konnten s i c h nur die großen Familienz e i t s c h r i f t e n l e i s t e n . Kleinere Unterhaitungsb l ä t t e r mußten s i c h mit Nachdrucken begnügen. So i s t 'Der Dukatenhof' ( 2 0 ) schon 1877 i n der ' B i b l i o t h e k der Unterhaltung und des Wissens 1 vorabgedruckt worden. Neben F a m i l i e n z e i t s c h r i f t e n und Unterhaltungsb l ä t t e r n wurde schöne L i t e r a t u r i n Kalendern und b i l l i g e n Heftreihen populär gemacht. Die humoristische Episode "aus dem Leben des a l t e n Dessauer", ' F ü r s t und Leiermann' ( 2 1 ) » erschien nicht nur 1884 in der ' V o l k s b i b l i o t h e k des Lahrer Hinkenden B o t e n ' , sondern zwei Jahre früher auch i n dessen Kalender.
Zumeist führt ein zusammenhängender Text in das Vitrinenthema ein, während die Beschriftung der Exponate die bibliographischen Angaben ergänzt. Darüberhinaus werden einzelne Stücke durch Zitate oder Zusatzinformationen erläutert. Die Lesbarkeit der Beschriftung steigert sich, wenn der Vitrinentext durchlaufend formuliert ist (Marbach/Schiller-Nationalmuseum, Karl-May-Ausstellung 1978)
Mays Erfolge beschränkten s i c h n i c h t auf die große katholische F a m i l i e n z e i t s c h r i f t . 1882 kam in der weitverbreiteten " I l l u s t r i r t e n Z e i t s c h r i f t für das Deutsche H a u s " , 'Vom F e l s zum Meer' ( 2 2 ) » die Erzählung ' C h r i s t i B l u t und G e r e c h t i g k e i t ' heraus. Nach 1900 wurde Mays Werk auch von k a t h o l i s c h e r S e i t e h e f t i g k r i t i s i e r t . Trotzdem konnte May inner wieder i n k a t h o l i s c h e n Organen v e r ö f f e n t l i c h e n . H i e r f ü r i s t der Nachdruck von 'Bei den A u s s ä t z i gen' im ' E i c h s f e l d e r Marienkalender' ( 2 3 ) Jahre nach dem Erstdruck in der 'Grazer V o l k s z e i t u n g ' e i n B e i s p i e l . Das Satz-Manuskript für den Grazer Druck ( 2 4 ) i s t eine der seltenen May-Handschriften s e i n e r Beiträge f ü r d i e p e r i o dische Presse. Die Kennzeichnung a l s " k a t h o l i s c h e r S c h r i f t s t e l l e r " durch e i n e f p i n ' K ü r s c h n e r ' s Deutschem Urterà tur-Ka lender ' u ( 2 5 ) - aufgeschlagen i s t der Jahrgang 1896 - i s t daher kein Kuriosum. S i e ents p r i c h t der allgemeinen Auffassung der Zeitgenossen, die May übrigens selber unterstützte.
Hans-Otto Hügel
Inszenierungsstile von Literaturausstellungen Das Thema 'Inszenierungsstile von literarischen Ausstellungen' verweist auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Studiengang Kulturpädagogik. Diese erneut zu belegen, war aber nicht mein Hauptmotiv für dieses Thema. Vielmehr scheint mir das Stichwort der Inszenierung geeignet, die Wirklichkeit des Ausstellungserlebnisses zu erfassen. Ich bin mir dabei durchaus bewußt, daß Sache und Begriff ein modisches 'Geschmäckle' haben und gerade in jüngster Zeit Arrangements, die bei kulturhistorischen Ausstellungen das einzelne Stück vereinzeln, zum Schauobjekt degradieren, Inszenierungen generell in Mißkredit gebracht haben. Zunächst möchte ich daher an einem Beispiel erläutern, was ich unter Inszenierungsstil verstehe und zugleich ein kleines Plädoyer für einen bestimmten Inszenierungsstil halten. Diesen, das will ich hier schon vorausschicken, halte ich nicht für besser als andere, sondern ich glaube von ihm nur, daß er bisher zu wenig verwirklicht wurde. Dann möchte ich einen knappen historischen Durchlauf durch die Geschichte der literarischen Ausstellungen machen und die bisher gebräuchlichen Inszenierungsstile beschreiben. Leistungen literarischer Ausstellungen Erlauben Sie, daß ich mit einem Beispiel beginne; Ihnen jedoch keine literarische Ausstellung zeige, sondern drei Ausstellungsstücke nur vor Ihr geistiges Auge stelle: Die drei Stücke sind: ein Brief Franz Kafkas (Prag, 25. Oktober 1915, an den Verleger Kurt Wolf), Ottomar Starkes Titelzeichnimg zu Kafkas 'Die Verwandlung', und die auf diese sich beziehendeTextstelle. Zunächst zeigt das Beispiel: Literaturausstellungen sind möglich. Sie bringen zwar - auch wenn sie funktionieren - nicht literarische Texte zur Anschauung, aber sie stellen Fragen zur Literatur, würdigen diese Fragen und führen zu Antworten hin. Zum anderen, und dies ist mir besonders wichtig, teilen literarische Ausstellungen sich in einer Weise mit, die nur ihnen zukommt. Weder für einen Leser der Erzählung noch für einen Leser einer wissenschaftlichen Arbeit zu Kafka wäre ein Besuch der Ausstellung überflüssig. Die von Ottomar Starke anvisierte Textstelle, die Illustration der Erstausgabe und der Brief erläutern sich gegenseitig, wobei die Entsprechungen ebenso aufschlußreich sind wie die Widersprüche. Sie geben auf vielfältige Weise Auskunft über Kafkas Erzählungen, die Literatur seiner Zeit, die Möglichkeiten von Sprache und Bildkunst, den Menschen Kafka, (Kafkaeske Untertreibung) ... Auf den Dokumentations- und Verweisungswert des einzelnen Stücks kommt es weniger an, als auf den Erkenntniswert des ganzen Ensembles. Das Wesentliche, das unser kleines Kafka-Ensemble zeigt, liegt sozusagen zwischen den Stücken. Durch die der Literaturausstellung eigene Ästhetik wird zwar nicht die Literatur selbst zum Vorschein gebracht, es wird aber mehr vergegenwärtigt als bloß die "Bedingungen ihrer Entstehung, Wirkung oder Wirkungslosigkeit" (D. Eckardt), sie veranschaulicht
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Hans-Otto Hügel
FRANZ
KAFKA
DIE VERWANDLUNG
Der Vater ballte mit feindseligem Ausdruck die Faust, als wolle er Gregor in sein Zimmer zurückstoßen, sah sich dann unsicher im Wohnzimmer um, beschattete dann mit den Händen die Augen und weinte, daß sich seine mächtige Brust schüttelte.
An den Verlag Kurt Wolff Prag, am 25. Oktober 1915 Sehr geehrter Herr! Sie schrieben letzthin, daß Ottomar Starke ein Titelblatt zur Verwandlung zeichnen wird. Nun habe ich einen kleinen (...) Schrecken bekommen. Es ist mir nämlich (...) eingefallen, er könnte das Insekt selbst zeichnen wollen. Das nicht, bitte das nicht! Das Insekt selbst kann nicht gezeichnet werden, es kann aber nicht einmal von der Ferne aus gezeigt werden. (...). Wenn ich für eine Illustration selbst Vorschläge machen dürfte, würde ich Szenen wählen wie: die Eltern und der Prokurist vor der geschlossenen Tür oder noch besser die Eltern und die Schwester im beleuchteten Zimmer, während die Tür zum ganz finsteren Nebenzimmer offensteht."
Inszenierungsstile von Literaturausstellungen
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Fragen, die der Leser an den literarischen Text stellt. Die Feststellung, daß durch literarische Ausstellungen nicht die Literatur selbst ausgestellt wird, schafft die Voraussetzungen, um die wesentliche Aufgabe der literarischen Ausstellung in den Blick zu bekommen. Daß in unserem Beispiel, wie zumeist bei literarischen Ausstellungen, der literarische Text nicht vollständig gezeigt werden kann, spricht nicht gegen die Möglichkeit, Literatur auszustellen, wie man häufig glaubt. Abgesehen davon, daß erhebliche Zweifel anzumelden sind, ob es überhaupt Ausstellungen gibt, bei denen es genügt, die jeweilige 'Sache' auszustellen, bzw. in denen die ausgestellten Stücke die ganze Sache sind (vgl. Christina Didiers Bemerkungen zu kulturhistorischen Ausstellungen), sind auch die von Seiten der Museumspraktiker erhobenen Einwände gegen literarische Ausstellungen, literarische Ausstellungen seien eigentlich unmögliche Ausstellungen, weil sie nur "Flachmaterial" zeigten, bloßes Vorurteil. Die Kollegen von der dreidimensionalen Ausstellungszunft glauben: "Museen machen etwas Sichtbares sichtbar". Und sie sehen hierin gerade die Eigenheit, wodurch Museen "sich von allen anderen Institutionen der Kunst, der Wissenschaft, der Volksbildung, der Pädagogik" (K. vom Rath) unterscheiden. Solche Vorstellungen, die die Museen historisch wie sozial isolieren, mögen vielleicht für kulturhistorische oder naturkundliche Ausstellungen nützlich sein - auf literaturhistorische Ausstellungen lassen sie sich jedoch nicht anwenden. Der Witz von literarischen Ausstellungen ist es gerade, daß sie etwas zum Vorschein bringen, das sonst nicht sichtbar ist. Indem die literarische Ausstellung von Leseerlebnissen spricht und nicht bloß Dokumente der Entstehungs- oder Rezeptionsgeschichte vorstellt, findet sie zu der Grundaufgabe aller an Literaturvermittlung beschäftigten Institutionen "der Kunst, der Wissenschaft, der Volksbildung, der Pädagogik" zurück und vermag mitzuhelfen, die Grundaufgabe des Lesers zu lösen: begreifen, was mich ergreift. Drittens zeigt das Beispiel, daß die Aufgabe, Literatur auszustellen, nicht nur eine Aufgabe ist, die auf Literaturausstellungen sich beschränkt. Auch die Verleger und Buchgestalter stellen Literatur aus, auch Kritiker und Essayisten im Fernsehen oder in der Zeitung, sogar der Lehrer, ja, selbst jeder Leser inszenieren Literatur: stellen sie aus. Es macht einen Unterschied, ob ich als TaschenbuchGermanist auf den Text fixiert bin und die Reclam-Ausgabe akzeptiere, oder auf die originale Gestalt (nicht auf das Original) zurückgreife, zumindest mir sie als Leser, als Kritiker ins Gedächtnis zurückrufe. Ja, selbst jedes Gespräch über Literatur bezieht Ausstellungsfragen mit ein, wenn es konkret geführt wird. Wenn es gelingt, zu sagen, was mir an einem Roman, an einem Gedicht aufgefallen ist, was mir gefallen hat, was an Alltags-Erfahrung Entsprechungen im Text findet, dann habe ich - ohne auf Kernstellen-Germanistik zu rekurrieren - angefangen, Literatur auszustellen - jedenfalls habe ich, wenn auch ohne es zu wollen, dann ein Ausstellungskonzept vorgelegt. So ließe sich etwa das Ausstellungskonzept, das unser kleines Kafka-ExponatenEnsemble vorstellt, folgendermaßen skizzieren: Nicht der Schrecken vor der Verwandlung, sondern der Schrecken vor der Unabbildbarkeit der Verwandlung, was in Kafkas Erzählung auf vielfältige Weise vorgeführt wird, stehen im Zentrum der Geschichte. Oder, um zu verallgemeinern: Kafkas Sprechwelt ist nicht inhaltlich zu deuten, eher verweigert sie Deutung, oder besser: sie handelt
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von den Schwierigkeiten, von den Hindernissen, die Deutungs- und Verständigungsvorgänge begleiten. (Ich bin mir bewußt, daß dies für einen Kafka-Forscher nicht originell ist, aber darauf kommt es hier auch nicht an.) Statt 'Richtigen Ausstellungen ' - 'Ausstellungen als Kunst ' Das eine Stück oder das eine kleine Ensemble von Stücken ist gewiß noch keine ganze Ausstellung. Und es ließen sich manche Ausstellungsthemen denken, in denen es gezeigt werden könnte. Orientiert man sich an gängigen Themen literarischer Ausstellungen, läßt sich etwa an folgende Fälle denken: Kafka in Prag Lebensstationen Kafkas Kafka und Leipzig Kafka und die Bildkunst Kafka und seine Verleger Der Briefschreiber Kafka Die Kafka-Sammlung von XYZ Probleme der Kafka-Edition Keines dieser Ausstellungsthemen fiele auf, begegnete man ihm bei der Recherche zu Ausstellungen oder in einem Museum der Gegenwart. Mit solchen Themen ließen sich sicherlich Kafka, sein Leben und Werk und seine Wirkung dokumentieren; es ließen sich ebenso seine literatur- oder kulturpolitische Bedeutung, sozusagen sein Erbe-Wert bewerten, auch ließe sich mit solchen Ausstellungen gewiß mancherlei anregen, sogar zum Lesen von Kafka. Von den naheliegenden Möglichkeiten, die Schätze einer Sammlung, oder ihren editorischen Wert und ihre editorischen Probleme zu präsentieren, ganz zu schweigen. Alle diese Ausstellungen haben eine - wie ich finde - fatale Eigenheit. Sie fordern undzielen auf größte'Objektivität', auf'Richtigkeit', 'Gültigkeit', 'Vollständigkeit'. In solchen Zusammenhängen würden sich aber kaum Fragen nach der Eigenheit von Kafkas Erzählungen und Romanen darstellen lassen. Literaturausstellungen sollten also - das wünsche ich mir - nicht nur eine "Gesamtdokumentation" für den Dichter "X" vorstellen (um einen bekannten Ausstellungsveranstalter zu zitieren), noch ausschließlich darauf gerichtet sein, den literaturhistorischen Common Sense wiederzugeben, Namen und Einordnungen abzudecken (wie es die Dauerausstellungen großer literarischer Museen vorzuführen pflegen), weniger darauf abzielen, nach allgemein-verbindlichen Kriterien zu werten, ja, auch mit mehr Bescheidenheit darauf zu verzichten, "das (Literatur)Museum als Anreger" für solche Besucher zu verstehen, von denen man glaubt, sie haben es nötig (vom Hochmut didaktischer und literaturpropagandistischer Ausstellungen strenger oder weniger strenger Provenienz ganz zu
Inszenierungsstile von Literaturausstellungen 207 schweigen), sondern die literarischen Ausstellungen sollten - ohne daß ich die literarische, instituts- oder kulturpolitische Berechtigung der übrigen Ausstellungsziele kritisieren möchte - die direkte Begegnung, den individuell geprägten Blick auf ein Werk, einen Autor, eine Epoche suchen und sich der Aufgabe stellen, Literatur zu beschreiben. Solche 'subjektiven Ausstellungen' inszenieren - in Analogie zum Theater-Erlebnis, das ja auch mehr ist als nur visualisierter Text - Ausstellungserlebnisse, ohne daß den Exponaten nur "die Rolle von Versatzstücken zufällt." (Schneider) In diesem Sinne subjektive Ausstellungen, die nicht nur Objekte hinstellen, um Objektives zu formulieren, sondern Ansichten von Objekten inszenieren, verbinden Unterhaltung durch Literatur und Auseinandersetzung mit Literatur miteinander. Solange ich hingegen an der Objektivität, an der Vorstellung des "richtigen Zusammenhangs" (Zeller) von Exponaten in Ausstellungen festhalte, solange kann ich nur belehren und durch eingestreute reine Schau-Stücke hin und wieder für Kurzweil, Entlastung von der Belehrung sorgen. Wer hingegen literarischen Ausstellungen einen Werk-Charakter zuerkennt, wer von der "Kunst des Ausstellens" (Zeller) mehr will, als ein bloßes Nebeneinander von Schaustücken und von aussagekräftigen, die Geschichte greifbar machenden Exponaten, der muß bereit sein, das Ideal der 'richtigen' Ausstellung der bloß dokumentierenden aufzugeben; das heißt letztlich, er muß subjektive Inszenierungen zulassen und wünschen: in Ausstellungen nicht nur den Handschriften der Dichter, sondern der Handschrift des Ausstellungs-Regisseurs zu begegnen. Eine literarische Ausstellung inszenieren, heißt also nicht bloß Form und Stellung der Vitrinen und der in ihnen versammelten Themenkomplexe geschmackvoll zu arrangieren, nicht bloß die Farbe der Räume gezielt auswählen. Eine Ausstellung inszenieren ist keine Frage der Designs, sondern heißt vor allem, sich für eine bestimmte Haltung gegenüber den zu inszenierenden Objekten entscheiden; genauso wie die Theaterinszenierung sich durch ihre je verschiedene Haltung zu dem zu inszenierenden Stück und nicht bloß durch Äußerlichkeiten der Lichtgebung, der Kostüme, des Bühnenbilds auszeichnet. Solche heuristischen Haltungen gegenüber dem Material, etwa in historischer Abfolge der Geschichte der literarischen Ausstellungen geordnet, sind ζ. B. Repräsentation, Dokumentation, Wertung und Überredung, Anregung, Befragung.
Kurzer historischer Abriß der Inszenierungsstile Die Folge der sechs Inszenierungsstile (Repräsentation, Dokumentation ...) gibt nur eine ganz grobe Orientierung. So ist vielleicht ein viel genaueres Raster nötig, das nach dem speziellen Ziel und Gegenständen fragt, die repräsentiert oder dokumentiert werden, und das genauer unterscheidet, zu welchem Ziel und mit welchen Mitteln gewertet, überredet oder angeregt wird. Die Liste reiht auch nicht einander ablösende Ausstellungsstile auf. Die sechs Stile verteilen sich also nicht gleichmäßig auf die Geschichte der literarischen Ausstellungen. Der repräsentative und der Dokumentationsstil finden sich - in verschiedener Ausformung nicht nur viel häufiger als die übrigen, sondern ohne Unterbrechung auch seit den ersten Literaturausstellungen. Während der wertende und überredende nur in
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wenigen Jahrzehnten etwa den dreißigern und den nachachtundsechzigern vorkam und es für den anregenden und den das Material befragenden, subjektiven Ausstellungsstil meiner Beobachtung nach nur wenige Beispiele gibt. "Und siehe da, es war sehr gut" - Die
Repräsentationsausstellung
Literarische Ausstellungen sind eine ziemlich späte Erscheinung. Als 1885 die eigene Zeit von einem anonymen Redakteur von 'Vom Feld zum Meer' als "Zeit der Ausstellungen" charakterisiert wurde, waren literarische Ausstellungen im Verhältnis zu der Flut von Industriemessen und der stattlichen Reihe von Weltausstellungen noch gering an Zahl. Als allererste literarische Ausstellung hat Dietrich Wilhelm Grobe 1953 auf Unternehmungen der Hof- und Staatsbibliothek München aus dem Jahre 1843, also nur ein Jahr nach der Eröffnung des Schiller-Hauses in Leipzig-Gohlis und der Leipziger Stadtbibliothek aus dem Jahre 1847 hingewiesen, und Susanne Ebeling hat die Braunschweiger LessingAusstellung aus dem Jahre 1853 "ausgegraben". Von reinen Schau-Stellungen unterscheiden sich diese literarischen Expositionen, da sie das Ausstellungsgut nach einer "leitenden" oder nach einer "bestimmten Idee" gliedern, wie es in den zeitgenössischen Berichten und Selbstrezensionen heißt. Am Anfang literarischer Ausstellungen stehen also bibliothekarische Représentations- und Memorialausstellungen. Mit der Ausbreitung bibliothekarischer bzw. archivalischer Schätze unter Berücksichtigung von Forschungsergebnissen zielte man nicht mehr ausschließlich auf die allgemein-menschliche, ziellose Neugier. Allerdings hielt man, um die geistige Neugier nach einer bestimmten Idee zu befriedigen und zu leiten, es zunächst noch für ausreichend, eine Gliederung der Exponate nach eher formalen und stofflichen Kriterien, wie etwa nach der Entstehungszeit, den Provenienzen, den materiellen Qualitäten vorzunehmen. Mit solchen Ausstellungen verrichteten und verrichten Bibliotheken im 19. wie im 20. Jahrhundert ein gutes Stück ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Immer wieder wurde anläßlich solcher Zimelien-Ausstellungen mit gebührendem Staunen vermerkt: "Wie bei der Gutenberg-Ausstellung, so wurde auch bei der Miniaturen-Ausstellung daran festgehalten, die ganze Ausstellung lediglich den Beständen der Hofbibliothek zu entnehmen und so kam der Reichtum dieses Instituts an diesen Werken zur schönsten Geltung". In solchen repräsentativen Ausstellungen feiert also die ausstellende und ausgestellte Bibliothek sich selbst, betreibt durch "Anschauung und Belehrung" Werbung. Folgerichtig ist der äußere Inszenierungsstil darauf ausgerichtet, die ausrichtende Institution in höchstem Maße herauszustellen und möglichst wenig, jedenfalls nicht negativ aufzufallen: "Das Arrangement war übersichtlich und geschmackvoll im Ganzen und im Einzelnen. Der große Prachtsaal der Hofbibliothek bot den schönsten Rahmen für die Ausstellung". Solche Zimelien-Ausstellungen, gleichgültig, ob sie, wie in diesem Beispiel, von einer Bibliothek, oder von einem Archiv oder einem Kunst- und Antiquariatshändler oder von einem Sammler ausgerichtet werden, haben die Tendenz, möglichst alles auszubreiten, was man hat. Beschränkung wird nicht konzeptionell begründet, sondern mit dem Hinweis auf die Raumnot bedauert: "Aber trotz seiner großen Dimensionen reichte der Raum nicht aus, alle Bilderhandschriften
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aufzunehmen, die in Betracht gekommen wären, wollte man ein volles Bild des Reichtums der hiesigen Sammlung und der Entwicklung der Buchmalerei geben." Diese Art von Repräsentationsausstellung verhält sich daher in ihrer Inszenierung ihren Stücken gegenüber im besonderen Maße distanzlos, bestätigend: alle sind ihr nahezu gleich wichtig - die Inszenierung sagt gleichsam: "Und siehe da, es war sehr gut" - und stellt es entsprechend aus, legt Stück neben Stück, ohne Akzentuierung, ohne Hervorhebung. Unvergessene Stunden - Die Memorial-Ausstellung Eine besondere Form der Repräsentationsausstellung sind die Ausstellungen in Gedenkstätten. Die meisten von ihnen sind Dauerausstellungen, was ihren Hang zur 'Richtigkeit' und 'Objektivität' verstärkt; es gibt aber auch Sonderausstellungen dieses Typs. Zum Beispiel die am "Einweihungstage des Lessing-Denkmals in Lessings Sterbehause zu Braunschweig (Aegidienmarkt)" veranstaltete Ausstellung. Der Bezug zwischen Denkmal und Ausstellung verweist auf die öffentliche Bedeutung dieser Ausstellung und dieser Ausstellungsform. Wenden sich die repräsentativen Bibliotheksausstellungen noch vorwiegend an die Gebildeten und zeigen sie daher in Gliederung, Auswahl und Darbietung (s. Beschriftung und Katalog) ihrer Exponate und Themen zuweilen gewisse Besonderheiten, so fordern die Memorialausstellungen schlichtweg allgemeines Interesse. Entsprechend ist ihr äußerer Inszenierungsstil weniger auf geschmackvolle Zurückhaltung als auf Feierlichkeit ausgerichtet, und das heißt, er ist auch sehr gleichförmig. In solcher Denkmal-Feierlichkeit feiert man nur unbezweifelbare Größen, Taten, Werke. Was beim Goethe-Museum, "diesem echten deutschen Bürgerhause" (W. Holzhammer), immer noch am meisten einleuchtet. Ich will hier jedoch nicht pauschal gegen Memorialstätten und ihre Ausstellungen polemisieren, auch wenn sie "bloß" Reliquien-Schaustellungen (mit echten oder unechten Reliquien) sind; denn es ist ja nicht nur kulturpolitisch eine gute Sache, wenn Gelegenheit geboten wird, Achtung vor dem Werk der Dichter zu lernen, indem man die Größe der Dichter feiert. Und der Wirkung solcher Memorialausstellungen wird sich jedenfalls auch der nicht entziehen, der nicht an die Reliquien glaubt. Der Inszenierungsstil dieser Ausstellungsform ist neben seiner Feierlichkeit dadurch bestimmt, daß er gleichermaßen auf Emotionalität und Irrationalität aufbaut. "Die Stunde wird mir unvergessen bleiben, in der ich zum ersten Mal das Goethe-Haus in Frankfurt betrat ... Ein Hauch des Höchsten, das in den Menschen wohnt, wehte mich an und wie von Zauberhand gelöst, taten sich mir plötzlich weite Perspektiven auf in das Leben und Wesen wahrhaft großen Menschentums. Was früher nur flache Bilder, Begriffe, Worte gewesen, hier wird es mir zu greifbaren Tatsachen, Erlebnissen, köstlichem selbsterworbenen Besitz. Eine weihevolle Stimmung kam über mich, ich fühlte es, eine Kraft, die der Alltag nicht kennt, hatte mich gerüttelt und geband." (Die Schiller-Ausstellung der Stadtbibliothek Hamburg 1905.) Ohne "Zauberhand" wirken die Reliquien nicht, ihr Wert, ihr literaturhistorischer, ihr interpretatorischer Wert liegt allein in der subjektiven Fähigkeit der Besucher, sie aufzugreifen. Konsequent verzichten daher die Initiatoren der Puschkin-Memorialstätte auf Erläuterung: "Allein wich-
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tig ist das besondere Fluidum, das gerade solche Sachzeugen hervorbringen und dessen emotionaler Wert leicht aufgenommen werden kann. Dabei erübrigt sich völlig, diese Dinge zu bezeichnen oder gar zu erklären, weder sachlich noch gemäß ihrer Bedeutung im Leben Puschkins." (Hückstadt). Die Exponate in der Memorialausstellung sind reine "Schau-Stücke". Mit anderen Worten: In der Memorialausstellung werden keine Dokumente, sondern Monumente (vgl. E. Loch) vorgeführt. Man gibt vor, den historischen Objekten zu dienen, spekuliert in Wahrheit jedoch auf die simple Schaulust; was der Verehrung keinen Abbruch tut. "Monumentation ... beläßt dem präsentierten Objekt seine volle Realität und damit alle denkbaren Aspekte. Dabei bleibt ihm die ganze Vielfalt seiner Deutungsmöglichkeit bewahrt." (Loch). Was sich in der Theorie gut anhört, endet in Wirklichkeit in der reinen bibliographischen Beschreibung, einem Strahler und einem Sockel: "Wissenschaftliche Objektivität" und Spekulation auf Kuriosität fallen in eins. Daher haben Memorialausstellungen, wiewohl sie scheinbar zunächst von ganz anderen Voraussetzungen als die repräsentativen Bibliotheksausstellungen ausgehen, ebenfalls die Tendenz, alle Stücke für gleich wert zu halten. Und da zur Reliquie alles werden kann, dem nur Reliquienwert zuerkannt wird, zielen daher auch die Memorialausstellungen auf Vollständigkeit. Zwischen den repräsentativen Bibliotheksausstellungen und den repräsentativen Memorialausstellungen besteht nur der Unterschied, daß die Bibliotheken die Exponate unter vielen gleichen gleich behandeln, während die Memorialausstellungen die einzelnen Reliquien hervorheben. Da sie das aber bei jeder Reliquie tun, jede Reliquie auf einen Sockel heben, bekommt keine einen speziellen Rang oder Wert zuerteilt. "Mer stronze net, mer hon" - Thematische
Dokumentationsausstellungen
Bei den Dokumentationausstellungen ist aus den häufig nur formal und stofflich sich begründenden "leitenden Ideen" der Repräsentationsausstellungen ein Konzept geworden, das die Ausstellungen in Themenkomplexe formt. Die Idee solcher Dokumentationsausstellungen entspricht der Vorstellung, einer Ausstellung "Should tell a Logical Story". Bei der "Logical Story" liegt allerdings der Akzent eher auf Logical denn auf Story. Die Ausstellungen erzählen weniger Geschichten, sondern bieten vielmehr ein übersichtliches, möglichst umfassendes und sofort einleuchtendes Ordnungsraster. Wobei die Probe auf diese drei Anforderungen bei den biographischen Ausstellungen, die ja die Hauptmasse ausmachen, besonders leicht fällt. Die Dokumentationsausstellung fühlt sich also, wenn auch auf andere Weise als die Repräsentationsausstellung, ebenfalls einem Totalitätsanspruch verpflichtet. Jedes Thema, jeder Aspekt, ja, möglichst jeder Name soll dokumentiert, soll "abgedeckt" sein, wie es in der Sprache der Ausstellungsmacher heißt. In solchen Fällen ähnelt dann das Gespräch zwischen Ausstellung und Besucher, dem bibliographischen Titel und Name-Dropping von in Eile und Mitteilungsfurcht befindlichen Germanisten; wir stehen dann zwar nicht mehr staunend vor den Vitrinen, sondern werden zum bestätigenden 'Aha-Sagen' verführt, haken im Geiste unsere Fehlliste ab und gehen zum nächsten Tisch. Selbstverständlich gibt es auch gelungene Dokumentationsaus-
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Stellungen, in denen wirklich ein historischer Zusammenhang sinnfällig belegt wird. Wie nahe beieinander bloßes Sammelsurium von Hinweisen und zur Anschauung gebrachte Geschichte liegen, zeigen zwei Beispiele aus einer Ausstellung, die von dem gleichen Regisseur eingerichtet wurden. Zunächst das gelungene Beispiel: 'Von deutscher Republik. Schriftsteller zwischen Revolution und Inflation' (siehe Bild S. 211). Um wenigstens Stichworte zur Interpretation der Vitrine zu geben: Die Fronten des Geistes, die die politischen Fronten wiederspiegeln, an denen die Weimarer Republik in ihrer gesamten Zeit litt und schließlich zerbrach, werden hier in ihrer Entstehungszeit vorgeführt. Dabei verhält sich die Inszenierung durchaus wertend: Was unter einem gewissen Maß von geistiger und politischer Qualität liegt, wird nicht mehr direkt gezeigt, sondern nur noch als Reflex geboten. (Grosz). Die einzelnen Positionen werden kommentiert (Spengler), da der Ausstellungsregisseur sich Zeit und Raum nimmt. (Weltbühne). Die Anordnung der Stücke gibt in etwa die Lager, die Positionen der einzelnen Autoren wieder. Die entsprechenden Titel machen Kernaussagen der Zeit und die geistige Aufgeregtheit, aber auch den Hang der Zeit zum geistig Prinzipiellen sinnfällig. Ahnlich scheint auf den ersten Blick die letzte Vitrine der Dauerausstellung zur Literatur des 20.Jahrhunderts am Schiller-Nationalmuseum in Marbach zu funktionieren: 'Als der Krieg zu Ende war II: Zwischen Tradition und Neubeginn' (siehe Bild, S. 211). Wieder haben wir sprechende - suggestive Titel - und unterschiedliche aber gleichzeitige Positionen: Exil steht der inneren Emigration gegenüber, plakativ-explizite politische Auseinandersetzung (Zuckmayer) steht gegen poetische Auseinandersetzung (Kasack), politisches Bekennertum gegen poetische Verwandtschaft. Verlagswirklichkeit der Zeit wird ebenso angesprochen wie die Situation der Autoren. Auch hier nimmt sich der Regisseur Zeit und Raum, um Ensembles zu bilden, Einzelnes zu vertiefen. Allerdings geht er nicht mehr so streng wertend vor wie bei dem anderen Beispiel : So wird Ilse Aichingers Roman wohl nur wegen seines Titels akzeptiert. Insgesamt funktioniert die Vitrine jedoch nicht. Sie reißt zuviel an, ohne auch nur einen einzelnen Aspekt zu Ende zu bringen. Zu den Möglichkeiten und Grenzen von Exil oder Emigration erfährt man nichts mehr und hatte auch früher in Spezialvitrinen hierzu nichts erfahren. Wie aus Verlegern und Autoren und sozial-politischen Bedingungen eine Literaturgesellschaft wird, keine Andeutung. Welche Möglichkeiten und Probleme die auch literarisch so verschiedenartigen Autoren und ihre Schreibweisen nach dem Krieg hatten - keine Wort. Warum so viele Einzelgänger hier versammelt werden - keine Andeutung. Wohlgemerkt, meine Kritik geht nicht darauf hin, daß der Besucher hier sehr viel wissen muß und im Umgang mit Literatur erfahren sein muß, um sich die Vitrinen wenigstens hinreichend klarmachen zu können. Schließlich läßt sich nicht begründen, warum ausgerechnet Ausstellungen, nicht aber auch andere kulturelle Medien alles vom ABC an erklären müssen - schließlich wenden sich gerade gute Theaterinszenierungen auch an ein besonders fachkundiges Publikum. Nein. Meine Kritik zielt darauf, daß diese Dokumente nichts belegen, weil sie ihre Geschichten nicht nur nicht zu Ende denken, sondern überhaupt nicht der Versuch
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gemacht wird, mehr zu geben als das bloße Das-hat-es-alles-gegeben-in-dieserZeit: "Zwischen Tradition und Neubeginn". Trotz vieler positiver Beispiele für funktionierende Dokumentationsausstellungen, vor allem, wenn Druckgeschichte, Entstehungsgeschichte, Lesegewohnheiten angesprochen werden (eine Reihe ausführlich beschriebener guter Beispiele findet sich bei A. Jerickes Aufsatz zur Goethe-Dauerausstellung in Weimar von 1960) oder Fragen beantwortet werden, die sich aus der allgemeinen wie geistigen Neugierde der Besucher legitimieren: Wie sah der Autor aus, Wie sah seine Handschrift aus, Woher stammt er, Stamme ich von ihm ab? - bleibt insgesamt bei der Dokumentationsausstellung doch ein zwiespältiger Eindruck zu konstatieren. Die Theorie des "charakteristischen, des aussagestarken Stücks, das Geschichte punktuell greifbar machen soll", wird zumeist nur hin und wieder umgesetzt. Auf Konsequenz des Fragens legen die Dokumentationsausstellungen keinen Wert, aus Furcht, zuviel Raum zu verlieren, nicht mehr alles abdecken zu können, und geben es gerade dadurch auf, wirklich Dokumentation, also Beweisführung zu betreiben. Der Hang zur Symmetrie und zu formaler Ordnung (vgl. die Dauerausstellung Goethe in Weimar von 1935 oder die Gestaltung der Sonderausstellung in Marbach aus dem Jahre 1953), die plane Ausbreitung, die jedes Exponat gleich wertet, (vgl. etwa die älteren Dauerausstellungen im Schiller-Nationalmuseum, die Christian Wagner-Sonderausstellung von 1935 oder die Schiller-Sonderausstellung am gleichen Ort aus dem Jahre 1929; siehe Bild S. 217), die Sucht, durch die Masse der Exponate den Besucher zu überfordern (vgl. die Theaterausstellung von Wien aus dem Jahre 1892), solche und ähnliche Strategien von thematischen Dokumentationsausstellungen sind eher darauf ausgerichtet, den Besucher auf Distanz zu halten, ihn kleinzubekommen, oder folgen schlankweg der Hauspolitik der Ausrichter. Generell gilt: Auch wenn viele dieser Fehler heute schon zumindestens in den großen literarischen Museen Geschichte sind: "Mer stronze net, mer hon" (etwa: "Wir geben nicht an - wir haben", um das Mainzer Deutsch zu übersetzen), und Du kleiner Besucher bist gar nicht in der Lage, uns zu beurteilen. "Hier reden Dokumente " - Wertende und überredende Ausstellungen Spätestens seit 1910, seit Otto Lehmanns Aufsatz über propädeutische Aufgaben der Museen wird die Übernahme didaktischer Aufgaben durch die Museen gefordert. In den zwanziger Jahren war besonders Kerchensteiner einflußreich: "Ein Museum, das weder Raritätenkabinett noch unterhaltliche Schaubude sein will, muß ein werthaftes Sinngefüge aufweisen." Heute tritt besonders die DDRMuseologie für wertende literarische Museen ein: "Vom Museum muß eine Wertung verlangt erden." (Ehrlich). Solchen Wertungen fallen im Zweifelsfall sogar ganze Museen, ζ. B. das Gustav-Freytag-Museum, zum Opfer. Gemeinsam ist den Vertretern wertender Ausstellungskonzepte, daß sie weniger von den Exponaten als vielmehr von den Themen ausgehen. Dem widerspricht es nur scheinbar, daß die wertenden und überredenden Ausstellungen die Exponate wirklich als Dokumente, wenn auch unkritisch, verwenden. Die Stücke sind bei ihnen Belege für die zu lehrenden Thesen. "Hier reden Dokumente", be-
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schreibt eine Rezension offensichtlich zutreffend die Verwendung mancher Exponate einer Ausstellung mit dem Titel 'Das wehrhafte Deutschland' aus dem Jahre 1936, in der Briefe Gneisenaus, Darstellungen aus militärischen Lehrbüchern, militärische Kabinettorder Friedrich des Großen, Soldaten-Memoiren und vieles andere mehr die These der Ausstellung belegen, daß Deutsch-sein allemal wehrhaft sein hieß; selbstverständlich ohne für Rückfragen, Kritik, Gegentendenzen dem Betrachter Hilfestellung zu geben. Der verwünscht enge Zusammenhang von Stück und Botschaft wird in solchen lehrhaften Ausstellungen erpreßt durch den Verzicht auf jede Frage-Haltung. Die Exponate belegen zwar etwas, sind also Dokument, aber sie sind Dokumente, die blind machen. Zu meinem Bedauern muß ich in diesem Zusammenhang feststellen, daß auch in der DDR oftmals der Wunsch nach der didaktisch überzeugenden Lösung in einer Weise vorherrschte, daß die Aufklärung auf der Strecke blieb. Durch Literaturausstellungen soll nach Meinung vieler Kollegen keine Fragehaltung, sondern (möglichst einfache) Lösungen formuliert werden. Geradezu grotesk mutet uns die Klage Rudolf Lochs an: "Die Voraussetzungen für den Aufbau der neuen Kleist-Ausstellung waren nicht günstig. Eine einheitliche und alle Grundfragen des Kleistischen Erbes beantwortende marxistische Gesamtauffassung existierte auch in den sechziger Jahren noch nicht... Hinsichtlich Interpretation wichtiger Einzelwerke und der Bestimmung des Klassenstandpunktes des Dichters bestand und bestehen unterschiedliche und zum Teil wenig abgesicherte Auffassungen." Im Defizit der Kleist-Literatur sah Loch also keine Chance, eine anregende, kontrovers formulierende Ausstellung zu inszenieren, sondern nur einen Mangel. Neben solchen Zeugnissen gibt es aber auch andere Stimmen aus der DDR, und ich weise gerne darauf hin, daß gerade in allerjüngsten Beiträgen von DDR-Museologen und gerade von den Kollegen der Literarischen Museen man sich gegen allzu ins Auge springende Überzeugungsarbeit gewandt hat. (z. B. Barthel und Didier, aber auch andere sind hier zu nennen). Ich habe aber den Eindruck, daß dies doch häufig mehr Theorie als Praxis ist. So ist die Polemik von Christina Didier gegen die Goethe-Ausstellung von 1960 in Weimar und ihr Lob für die Herder-Ausstellung im Kirms-Krackow-Haus nur verständlich, wenn gilt: In der Theorie vertreten wir das anregende, in der Praxis das leitend-belehrende Überredungsmuseum. So fordert Didier die totale Lenkung und Bevormundung der Besucher: "Es darf, wie im Goethe-Museum, nicht mehr dem Zufall überlassen bleiben, welchen Exponaten der Besucher sich zuwendet", ohne auf empirische Untersuchungen einzugehen, die belegen, daß Museumsbesucher außerordentlich selektiv und individuell ihr kulturelles Window-Shopping betreiben. Der Totalitätsanspruch, den die Dokumentations- und Repräsentationsausstellung durch die Inszenierung von massenhaften Stücken zeigt, tritt hier bei den wertenden und belehrenden Ausstellungen als totaler Führungsanspruch der Inszenierung auf. Das Resultat ist ähnlich. Dem Besucher wird die Möglichkeit genommen, sein Ausstellungserlebnis aufzubauen, wirklich mit der Ausstellung ein Gespräch zu beginnen. Entsprechend der didaktischen Zielsetzung verlieren in der wertenden Ausstellung die originalen Sachzeugen ihre Vorrangstellung. Alles kann Exponat werden, das dem rhetorischen Zweck dient. Die Folge ist, daß diese Ausstellungen
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viel größeren Wert auf das Design legen, als die strengen Dokumentationsausstellungen, in denen die Priorität der Originale (Handschriften, Werke der Dichter) auch als Begründung für die formal strenge Gestaltung der Ausstellungsräume dient. 'Neue Zeichensysteme im Museum, das Museum bleibt ' - Das literarische Museum als Anreger Ein Konzept vom literarischen 'Museum als Anreger' hat Christina Didier 1983 vorgelegt. Sie greift dabei u. a. Bartheis Vorstellung von der "Impulsgebungsfunktion" literarischer Ausstellungen aus dem Jahre 1978 auf. Sie entwickelt ihr Konzept in Auseinandersetzung mit dem "repräsentativen literarhistorisch-biographischen Museum", dem sie vorwirft, daß es einseitig nur als "Bildungseinrichtung" gedacht und vor lauter "Seriosität" langweilig sei. Sie sieht den literarischen Museen eher eine wertende Aufgabe im "Ensemble erbevermittelnder Instanzen" aufgetragen. Einleuchtend begründet sie, daß dies das Museum als "Anreger und Antwortgeber" voraussetzt. Es soll also zu einem Prozeß angeregt werden, an dessen Ende für die verschiedensten Besuchergruppen objektiv begründbare Ergebnisse stehen. Neben gesellschafts- und kulturpolitischen fordert sie auch literarische Ziele: "In unsere Zielstellung eines Museums als Anreger soll die Ausprägung von gedanklichen Grundmustern zu einer literarischen Persönlichkeit und ihrem Werk mit eingeschlossen sein." Ich breche hier dieses zentrale Zitat gezielt ab, da sie im direkten Anschluß ihre Herder-Ausstellung (die gar nicht als anregendes Museum konzipiert ist) als Beispiel heraushebt. Mir sagt Christina Didiers Theorie sehr viel mehr zu als ihre Praxis. Christina Didier hält an dieser Stelle ihrer Dissertation den Weg frei für die Begründung von Inszenierungen als zielgerichteter, jedoch lenkungsfreier und konsequent durchgehaltener Befragung der Literatur im Medium der Ausstellung im Hinblick auf interpretatorische Themen. Der Anteil der Fachwissenschaft an der Inszenierung der Ausstellung wird von ihr nicht nur auf das Philologische beschränkt, und sie stellt die Ausstellung selbst und nicht das Beiprogramm, den Katalog, die Leseecke oder anschließende Theateraufführungen als erkenntnisvermittelnde Instanz heraus. Didier stellt fest, daß in der DDR solche anregenden Gestaltungen von literarischen Ausstellungen selten sind. Als gelungenes Beispiel für ihre Theorie beschreibt sie eine Ausstellung des Petöfi-Museums in Budapest aus dem Jahre 1979: "Hier gingen die Gestalter sofort von einem optischen Drehbuch aus. Der bestimmende Eindruck, mit dem der Besucher die Ausstellung verließ, war folgender: Eine lange Straße, über der poetische Wolken schwebten. Rechts davon: Budapester Slums um 1900, Zigeunerkinder in der Gosse, Elend, Verfall - die realen Erfahrungen des Dichters. Auf der linken Seite der Straße: Bäume, durch die das Licht schimmert, Waldboden, Frauen, Musik, ein Hochzeitspaar die Traumwelt des Dichters, die in seinen Werken eine romantische Spiegelung gefunden hat. Mit diesem Bild vor Augen ist sofort das Wesentlichste der widersprüchlichen Dichterexistenz erfaßt. Es ist dies auch ohne Worte einem Ausländer verständlich." Solche Ausstellungen sind auch in der Bundesrepublik
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selten. Ein Beispiel, ein umstrittenes, ist vielleicht die zur Zeit laufende Büchner-Ausstellung in Darmstadt, auch wenn sie mir nicht in allen Teilen gelungen erscheint. Mir leuchtet ein, daß dem Theaterkritiker Rolf Michaelis die "nachgebaute Wand... des Darmstädter Arresthauses, auf das Friedrich Ludwig Weidig mit Blut seinen Abschiedsbrief schrieb, ... bedenklich panoptikumshaft" vorkommt. Trotzdem hat sie genauso wie der nachgebaute Schrank mit den "Akten gegen die Verschwörer" einen Erinnerungswert und kommentiert erkenntnisreich die historische Situation. Daß die Erkenntnis über das Gefühl vermittelt wird, schadet nicht. Eindrucksvoll und anregend sind auch die Inszenierungen, die versuchen, die Sprache Büchners und ihre metaphorische Kraft zu beschreiben und ihre Quellen detailliert darzulegen; wie es etwa bei dem Ensemble vom 'Anatomie-Atlas Büchners' und entsprechenden Zitaten aus Büchners Werken gelungen ist. (Die Büchner-Ausstellung regt aber nicht in allen Teilen zu historischen wie literarischen Erkenntnissen und Erfahrungen an: Puppenspielbühne, die Winterreise-Buntfotos und einige Teile der medizinischen Abteilung sind reine Schaustücke, bloße Illustration.) "Vor vollen Sälen hält Benn seine Monologe": Benn in neuer Sicht - Subjektive Inszenierung Wolfgang Barthel und Utz Jeggle (dieser vom Heimatmuseum aus) waren die ersten, die für subjektive Ausstellungen eingetreten sind. Mein Beispiel ist Ludwig Greves Benn-Ausstellung in Marbach aus dem Jahre 1986. Die ersten Vitrinen strahlen aufgeräumt, edel, wie wir es von Marbach gewohnt sind, vielleicht noch eine Spur dezenter, strenger als gewöhnlich, jedenfalls sind sie nie überfüllt, sondern in gekonnter Auswahl präsentiert, die aus dem Vollen schöpft. Um Marcel Reich-Ranickis Wort von der Eröffnung der S. Fischer-Ausstellung zu wiederholen: "Es ist wie Rigoletto - man kennt alles, aber alles ist wunderbar." Dezent und knapp sind die Beschriftungen. Sparsam wird mit der Leseenergie des Besuchers umgegangen, nicht der Beitext ist zu lesen, sondern die ausgestellten Stücke, vor allem die expressionistischen Gedichte. In der ganzen Ausstellung wird der kühle, fast unterkühlte Stil beibehalten. Installatorische Extravaganzen sind nicht nötig, um die Aufmerksamkeit zu binden. Bei den Vitrinen, die Benns zwiespältige Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus in den ersten Jahren des Dritten Reichs behandeln, habe ich beim Besuch der Ausstellung zum erstenmal gemerkt, daß hinter dieser fast kargen Präsentation ein ganz präziser Inszenierungsstil sich verbarg. Benns diffuse Haltung in der Anfangszeit des Dritten Reiches, die so leicht zu geschwätziger Larmoyanz und zum Zeigen plakativer Exponate verführen könnte, wird hier ganz knapp vorgestellt; keine Aufregung, keine Erbitterung teilt sich mit; wir verstehen wie selbstverständlich auf einmal, wie Benns Reaktionen zustande kamen. Der Hinweis auf Marinetti, der in der nächsten Vitrine näher erläutert wird, und der Hinweis auf die Selbsttäuschung Benns und die Zitate aus seinen Texten, die den äußerlich-intellektuellen Reiz des Faschismus verdeutlichen, genügen. ("Benn verfiel 1933 wie die meisten seiner Landsleute jener Ästhetisierung der Politik, die zuerst die
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theaterbegeisterten Italiener vorgeführt hatten. Er redete sich mit einiger Eloquenz ein, er könne gleich seinem Vorbild Marinetti 'den Schritt von der Kunst in den Rausch der Geschichte tun'" Vitrinentext.) Diese distanzierte, fast ironische Haltung wird nicht aus Gründen der Hauspolitik eingenommen. Mit ihr vermittelt Ludwig Greve seinen Blick auf Beim. In den Schlußvitrinen, die das "Comeback" Benns in der Nachkriegszeit und in der Bundesrepublik schildern, wird mehr vom Dichter Benn als von seinen Dichtungen gesprochen. Die Gedichtbände aus der expressionistischen Phase Benns, die in den ersten Vitrinen noch offen waren, bleiben jetzt sämtlichst geschlossen. Die Bücher werden zu Objekten des Buchhandels, was sie zu sagen haben, steht auf dem Umschlag, zu ergänzen sind nur noch karge bibliographische Daten "Wiesbaden 1952" (siehe Bild, S. 217 unten). Weniger Vollendetes, mehr Entwürfe, Vorfassungen - keines der bekannten auf Zeit und Gesellschaft bezogenen Gedichte zeigt Ludwig Greve. Die oft interpretierten Gedichte bleiben unberücksichtigt, - außer 'Quartär' und 'Orpheus' Tod' -, die geringer geschätzten werden hervorgeholt: Drei Gelegenheitsgedichte, davon ein privates und zwei die Poesie reflektierend, und vor allem: drei sehr schöne verhalten-resignative Gedichte, die auf den Autor zurückführen. Greve ergänzt seine Sicht und Wertung von Benns Lyrik und dem gesamten Spätwerk durch Exponate, die Benns eigene Sicht vermitteln und seine Wirkung auf Freunde und Beobachter wiedergeben. Greve stellt Benn dar als einen Autor, der Grund hatte zu glauben, daß er niemanden mehr erreichen könnte mit seiner Dichtung. Bis ins kleinste Detail wird diese Linie verfolgt. Die Zurückhaltung bei allen farblichen Effekten, die eigentümliche Unansehnlichkeit der Stücke in den letzten Vitrinen verweisen auf die Stille um Gottfried Benn in seinen letzten Jahren. Daß das Rembrandt-Filmprospekt in Vitrine 23 das einzige Stück ist, das ein optisches Signal setzt, unterstreicht dies auf ironische Weise. Mich hat dieses literarische Urteil, das in einer Ausstellung herausgehoben wird, frappiert. Und ich bin sicher, daß es vielen Besuchern ähnlich gegangen ist. Für mich ist Ludwig Greves Blick auf Benn nicht nur eine besonders schöne literarische Ausstellung, sondern auch eine, die die besondere Ästhetik der literarischen Ausstellungen angemessen hervorbringt: Er stellt konsequent Fragen zur Literatur, nicht bloß Objekte in 'richtigen Zusammenhang' : er inszeniert Ansichten.
Klaus Aschenbach Probleme der visuellen Gestaltung in Literaturmuseen Die Bezeichnung von Problemen ist zu betonen, da es in der Gestaltung, besonders von Literaturmuseen, eine Reihe offener Fragen gibt, die der fachlichen Diskussion in kollegialer Weise bedürfen. Die Wertungen, die ich im folgenden u. a. anhand von Beispielen treffe, mögen mithin als Anregung in dieser Sache verstanden werden. Ich rede von visueller Gestaltung, im Unterschied zur Gestaltung im allgemeinen, um damit mein Arbeitsgebiet und den Gegenstand meines Vortrages auszugrenzen! Wir kommen ja gerade bei den Weimarer Literaturmuseen aus einer Tradition, bei der die Gestaltung eines Museums überwiegend die Domäne des Museumsdirektors bzw. des Fachwissenschaftlers, d. h. des Literaturwissenschaftlers und Literaturmuseologen gewesen ist. Die Partnerschaft zu Ausstellungsgestaltern, d. h. zu Architekten und Grafikern, kennzeichnet den jüngeren Entwicklungsweg der 80er Jahre, insbesondere seit der Neugestaltung des Goethemuseums 1982. Voraussetzung ist dabei der notwendig schöpferische, freizügige und vor allem vertrauensvolle Dialog zwischen einem gestalterischen Leiter und einem fachwissenschaftlichen Leiter, eine Konstellation, die im GNM geschaffen wurde und die sich nun seit mehreren Jahren bewährt. Visuelle Gestaltung meint also das Komplexmedium der Ausstellungsgestaltung im Literaturmuseum, der Museumsgestaltung also, die Gestaltung mit dem Raum und der Architektur, mit Formen und Farben, mit Grafik, mit Ton und Film (in bestimmten Bereichen) und natürlich mit Texten, vielen Texten, die ja im Literaturmuseum nicht nur einfache Mitteilungsfunktion erfüllen, sondern die eigentlichen, wesentlichen und unverzichtbaren Exponate darstellen, als da sind: Manuskripte, Drucke, Bücher, Erstausgaben u. a. Spezifikationen usw. Gestaltung also als Mittel, um einer biografisch, literaturhistorisch oder werkund wirkungsthematisch akzentuierten und gleichzeitig kulturpolitischen Zielstellung über die Bühne, d. h. über die Bretter des Museums zu helfen. 'Museum ist Theater mit stummen Akteuren' heißt eine These, der ich mich von der Grundauffassung her anschließe und die ihre besondere Bedeutung für Literaturmuseen hat. Wir konzipieren und inszenieren unsere Literaturmuseen für einen Zeitraum von ca. 15 - 20 Jahren, dann bedürfen sie einer Aktualisierung ihrer Interpretationen und Intentionen. Das interpretierende Moment liegt bei Literaturmuseen wesentlich höher als bei anderen Museumsgattungen. Das resultiert aus der sogenannten, aus Fachdiskussionen bekannten 'Unausstellbarkeit' von Literatur und Dichtung an sich und den damit verbundenen doppelten und mehrfachen Verweisfunktionen und Wertungsrelationen der in unseren Museen verwendeten Exponate. Die Notwendigkeit visueller Gestaltung gerade in Literaturmuseen zu betonen, kann in keiner Weise bedeuten, die literarischen Inhalte oder gar die geistigen Dimensionen der Literatur zurückdrängen zu wollen. Die Weimarer Literaturmu-
220 Klaus Aschenbach seen kommen ja gerade aus einer gegenteiligen Traditionslinie, nämlich einer unmittelbaren Vordergründigkeit des Geistes der klassischen Dichtung und einem Zu-Wenig an vermittelnder Gestaltung. Eine gelungene, d. h. treffende visuelle Gestaltung bei gleichzeitiger geistiger Dichte und Tiefe gegenüber der klassischen Literatur ist somit - programmatisch gesehen - für uns Aufgabe und Verpflichtung. Neben der Präsentationsform - Ausstellung im Literaturmuseum - dürfen weitere Präsentationsformen, die die Kommunikation mit und über Literatur im Museum befördern können, nicht unerwähnt bleiben, so z. B. Studiendepots, Experimentierkabinette, Führungen und Vorträge. Besondere literaturmuseale Präsentationsformen, die oftmals keine Ergänzungen, sondern den Ursprung eines Literaturmuseums darstellen, sind die Memorial- und die Gedenkstätte. Beide Formen bedürfen nicht notwendigerweise eines Ausstellungsteiles, sind aber nicht selten damit verbunden, sie fungieren primär als Denkmal. Die im historischen Original überlieferten oder nachgebildeten Wohnräume, -häuser oder anderen Wirkungsstätten der Dichter und Schriftsteller erfordern ein hohes Maß an denkmalpflegerischen und kunstwissenschaftlichen Kenntnissen. Sie bilden, wenn sie zu musealen Ausstellungszwecken genutzt werden, ein besonderes Problemfeld der Museumsarchitektur. Es gibt in unserem Land eine ganze Reihe von Literaturmuseen und -gedenkstätten, bei denen die Fragen nach der Authentizität ihrer historischen Inneneinrichtungen und nach dem Verhältnis literaturmusealer Ausstellungen zu den Bedingungen denkmalwerter Innenraumsubstanz noch völlig unbefriedigend beantwortet sind. Ich komme zurück zur Präsentationsform der musealen Ausstellung und möchte als Hauptaspekt meiner Betrachtimg die Ebene herausgreifen, die die größte Affinität zur fachwissenschaftlichen bzw. literaturmusealen Konzeption besitzt, die die Auseinandersetzung zwischen Gestaltern und Literaturmuseologen am stärksten betrifft. Ich bezeichne diese Ebene als die der Inszenierung eines Museums, d. h. der Umsetzung einer literarmusealen Konzeption und kulturpolitischen Zielstellung in räumliche und bildnerische Realität. Alle Gestaltungsmittel, von der Museumsarchitektur bis zur Bildunterschrift, werden letztlich in dieser Frage der Inszenierung zusammengeführt. Auf dieser Ebene bedürfen Museumslösungen der kritischen Überprüfung, des fachmännischen Urteils und der Auseinandersetzung. Dabei geht es nicht um guten Geschmack, über den man bekanntlich streiten kann, sondern um objektivierbare Kriterien, um die Darlegung erklärbarer Entscheidungen, auch in der Gestaltung. Wenn ich Inszenierung sage, möchte ich für die Museumsgestaltung über bisher übliche Überlegungen hinausgehen: über die hinter dem Begriff 'gestalterisches Zentrum' sich verbergende additive Ensembleanordnung und über die vielen Ideenklischees, die im Literaturmuseum so üblich sind, ich nenne ein paar Beispiele: - Titelblätter stehen für Gesamtwerke, - gefüllte Bücherschränke für Gesamtleistungen oder für literarische Einflüsse der Jugend,
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- eine Summe von Literaturporträts soll literarische Zeitverhältnisse veranschaulichen! Das sind Rechnungen, die oftmals beim Besucher nicht aufgehen. Eine höhere Inszenierungsqualität meint also schlüssige und verständliche Ausstellungsideen, und dazu ist die bewußte Ausnutzung aller bildnerischen und kompositorischen Mittel im Raum erforderlich! Anläßlich des hundertjährigen Bestehens der Goethe-Institute habe ich nun einen Blick in die - sagen wir mal - Gestaltungs- und Inszenierungsgeschichte Weimarer Literaturmuseen, insbesondere des Goethe-Nationalmuseums, getan. 1. Goethe-Nationalmuseum, Museumsbau von 1913/14 Nach dem damaligen Kunstsammlungssaal gab es den heute noch so genannten Studiensaal - für Grafiknachlaß - weiterhin: einen botanisch-zoologischen Saal, den Physiksaal und ein mineralogisches Zimmer im sogenannten Sammlungsbau. Man spürt hier noch deutlich die Herkunft der Inneneinrichtungen solcher Sammlungsräume aus fürstlichen Sammlungs- und Raritätenkabinetten früherer Zeiten: erläutert wurde kaum, Bildung als bürgerliches Privileg wird beim Besucher vorausgesetzt! 2. Goethe-Nationalmuseum, Museumsfassung von 1935 Nach dem, was ich habe ermitteln können, wurden fast ausschließlich gegenständliche und bildliche Exponate gezeigt, ζ. B. aus der Grafischen Sammlung des Goethe-Nationalmuseums. Die Art des Ausstellens, des kommentarlosen Vorzeigens, des Museums für Eingeweihte änderte sich auch in den dreißiger Jahren nicht. Interessant ist die Formensprache der Ausstellungsmöbel, ζ. B. der Hochvitrinen. Die Stilauffassimg des Historismus des 19. Jahrhunderts hat sich in den Weimarer Museen kontinuierlich gehalten: man imitierte den Stil klassizistischen Mobiliars: sicherlich nicht zuletzt, um Goethe und seine Zeit damit zu memorieren. Die Pionierleistungen der modernen Ausstellungsgestaltung der zwanziger Jahre, denen wir uns als Gestaltungsfachleute heute verpflichtet fühlen, den bahnbrechenden Auffassungen des Bauhauses, die ja bekanntlich aus Weimar vertrieben wurden, oder der sowjetischen Avantgarde, ich nenne: El Lissitzky, die damals schon Ausstellungen und Museen als Komplexmedium im Kommunikationsgefüge der modernen Industriegesellschaften verstanden wissen wollten und die auch herausragende Beispiele realisieren konnten, solchen Gedanken und Auffassungen blieben die geweihten Hallen von Goethe und Schiller verschlossen! Die Verbindung der modernen Gestaltungsauffassungen mit dem Geist Goethes und Schillers blieb also den Zeiten unserer Gesellschaftsordnung vorbehalten, die sich damit wiederum Zeit gelassen hat: die 35er Museumsfassung von Prof. Hans Wahl blieb im wesentlichen bis 1958 erhalten. Die alten historischen Vitrinen wurden u. a. in dem 1949 im Schloß eingerichteten Goethe-Zeit-Museum weiterverwendet, ζ. T. hat man diese Modelle auch nachgebaut oder neue Kreationen im Sinne des Neo-Klassizismus oder Rokoko geschaffen. Als Beispiel sei eine
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im Stile des Rokoko nachempfundene Vitrine aus den fünfziger Jahren genannt, die man entworfen hat, um im Wittumspalais ausstellen zu können: weißer Lack mit Goldkannelierung und Ornamenten. 3. Historisches Schillerhaus, Museumsfassung von 1955 Die erste Etage des historischen Schillerhauses wurde 1955 als Museum neu eingerichtet. Auch hier Tischvitrinen in klassizistischer Stilimitation: gegebenenfalls wollte man so auf die denkmalwerte Innenarchitektur Rücksicht nehmen. Bis heute behauptet sich die stark ausgeprägte historische Raumfassung gegen das Ausstellungsvorhaben. 4. Historisches Schillerhaus, Museumsfassung von 1979 Nach den historischen Lösungen, die es hier im Laufe der Geschichte schon gegeben hat, versucht es nun eine gewollt moderne Museumsgestaltung, m. E. völlig vergeblich, gegen die historische Bestimmtheit des Hauses anzukommen: Stuckdecken, Wände und Fußböden, klassizistische Fenster- und Türgewände und Kachelöfen bilden in diesen Räumen das gestaltende Gewicht. Eignung und Bedingungen der denkmalwerten Innenräume und der oberen Etage konnten bisher nicht befriedigend berücksichtigt werden bzw. unterlagen der Fehleinschätzung der Museumsgestalter. Ein Problem übrigens, das im Literaturmuseum leider aktuell ist: ich denke z. B. an das Museum im Kügelgen-Haus Dresden von 1981 oder an die biografisch-historische Gedenkstätte Albert Schweitzer im Musäushaus hier in Weimar von 1984. Die 79er Lösung des Schillermuseums bringt m. E. auch den museumsgestalterischen Nachweis, daß man mit verschiedenen Bilderrahmen- bzw. Exponateträgerfarben (grün und rot) dem Besucher ohne vorherige Erklärung keine Inhalte signalisieren kann. Wir hoffen, bis 1988 für die 1. Etage des historischen Schillerhauses eine insgesamt positive Antwort geben zu können: mit einer originalen Innenausstattung, die der Schillerschen Lebenszeit in diesem Haus möglichst nahe kommt. Mit dem nächsten Beispiel nun wieder zurück in die 60er Jahre, zur chronologischen Reihenfolge! 5. Das 1963 eröffnete Wieland-Museum im Wittumspalais Das Wieland-Museum erhielt die letzte Museumseinrichtung mit historischen Vitrinenmöbeln. Naturfarbene Kirschholzvitrinen waren mit ihren geschwungenen Tischbeinen dem spätbarocken Wittumspalais verpflichtet. Auf weitere Probleme der Einrichtung von 1963 komme ich zurück! Die bisher aufgezeigte Serie der historisierenden Museumseinrichtungen, ihre Fortführung nach 1945 steht eventuell mit museologischen und denkmalpflegerischen Auffassungen der Zeit in Verbindung, dokumentiert aber insgesamt für die Stilgeschichte der Formgebung in unseren Literaturmuseen die Zählebigkeit bürgerlicher Traditionen und Auffassungen in der Gestaltung. Vor diesem Hin-
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tergrund wirkt die Gesamtleistung der Neugestaltung des Goethemuseums von 1982 durchgreifend neu und modern. 6. Goethe-Museum, Fassung von 1960 Zur inhaltlichen Bedeutung der ersten umfassenden musealen Darstellung des Goetheschen Gesamtwerkes ist schon gesprochen worden. Das Goethe-Museum von 1961 ist die erste einheitliche und geschlossene Gestaltung eines Weimarer Literaturmuseums der Nachkriegszeit, die der Moderne des 20. Jahrhunderts verpflichtet war, obwohl historische Formzitate immer noch eine Rolle spielen: Raumfluchten in Anlehnung an die Zimmerfluchten des Goethe-Wohnhauses. Raumfarben ζ. T. in kräftigen Tönen, der Goetheschen Farbpsychologie entlehnt (ob diese Intention funktioniert hat, wage ich zu bezweifeln), indirekte Neonbeleuchtung hinter Stuckvouten, eine allgemeine helle Ausleuchtung, die die Räume höher erscheinen ließ, durchgehende naturfarbene Holzfurniere der Ausstellungsmöbel, Stilmerkmale der 60er Jahre. All dies wird gesteigert durch klassische Weiß- und Grautöne der Deckenflächen, Kanten, Fußleisten, Tür- und Bilderrahmen, Bilder mit Goldkehlen, weiße Schriften auf dunklerem Grund, strenge Beschränkung der Exponateauswahl auf Originale. Nicht zu übersehen ist insgesamt eine gewisse Nüchternheit, ein - aus heutiger Sicht - unterkühlter Rationalismus im Gestaltausdruck dieser Räume, der eine überwiegend didaktisch-belehrende Auffassung in der Präsentation der Exponate widerspiegelt. Die inhaltiche Thematik macht dem Besucher kaum direkte emotionale Angebote, das Museums-Erlebnis muß man sich immer noch erarbeiten: Erklärungen, Fühlungen oder die entsprechende Vorbildung bleiben unabdingbare Voraussetzungen. Über diese Museumsfassung wurde der Begriff des sog. Weimarer Museumsstils kreiert, eine Diskussion zu diesem Thema möchte ich aussetzen. Mir erscheint dieser Begriff reichlich unpräzise, insbesondere die definitive Ausgrenzung seines Tatbestandes für die visuelle Gestaltung ist m. E. nicht möglich. 7. Goethe-Museum, Fassung von 1982 Die Museumsgestaltung von 1982 brachte gleichzeitig eine grundlegende Rekonstruktion des Museumsgebäudes, veränderte Raumstrukturen und Lichtverhältnisse, das Einfügen von Wandstelen als Exponateträger, eine neue Punktstrahlerbeleuchtung, die die Exponateensembles differenziert erscheinen läßt und vom Hintergrund abhebt, ein einheitliches neues Ausstellungsmobiliar, das durch die Ganzglaskuben seiner Vitrinen die Räume mitbestimmt, Stelen, Vitrinenböden und Tafeln in feinem Buchbinderleinen mit verschiedenen Farbtönen und eine exzellente Typographie bzw. Schriftgestaltung. Goethe und seine Zeitgenossen sind seit 1982 selbst und ausschließlich Kommentatoren dieses Museums: Die Textaufbereitung, insbesondere Typografiken versuchen, das poetische Zitat in den Rang eines anschaulichen Exponates zu
224 Klaus Aschenbach erheben und haben m. E. eine berechtigte Chance, auch dem eiligen Besucher im Gedächtnis haften zu bleiben. Das, was hier dem einzelnen, typografisch gestalteten Text gelingt, gelingt der Summe von Texten, bezogen auf einen Raum oder eine Etage, m. E. noch nicht immer. An einigen Stellen will man die inhaltlichen Aussagen m. E. mit zu viel Text vermitteln: der Besucher fühlt sich aufgefordert, das alles zu lesen, aber der Durchschnittsbesucher verhält sich nicht dementsprechend, er liest das meiste nicht. Es entstehen für die Sinneswahrnehmung zu wenig strukturierte, d. h. zu wenig differenzierte Partieen, um einen Begriff aus der Mediensprache zu gebrauchen: es ergeben sich sog. 'graue Zonen', die im Gedächtnis nicht haften bleiben. Man kann solche Erscheinungen mit etwas Unvoreingenommenheit und Aufmerksamkeit an sich selbst beim Durchschreiten des Museums ausprobieren! Hiermit ist ein weiteres grundlegendes Problem für das Literaturmuseum angedeutet, das sich keineswegs auf das Goethe-Museum beschränkt. Ich komme zurück auf die Gesamtanlage der Konzeption . 14 vor allem werkund wirkungsthematisch konzipierte Räume werden inhaltlich von der FaustDichtung eingerahmt oder umklammert, vom Entstehen der Dichtung im Raum 1 bis zur Epochenbilanz und Geschichtsperspektive im Raum 14. Unterbrochen wird die thematisch-chronologische Abfolge durch zeitliche Sequenzen, quasi historische Momentaufnahmen: einen Tag im Leben des jungen Goethe und drei Tage im Leben des alten Goethe, die leider in der 2. Etage nicht konsequent umgesetzt werden konnten. Diese Gesamtgliederung - Faustklammer und Momentaufnahmen - umschreibt den großen Entwurf des inhaltlichen Präsentationsmodells des 82er Museums, man könnte auch sagen: das Inszenierungsangebot der literaturmusealen Seite, m. E. ein sehr brauchbares Angebot. Die Präsentationsstrategie in den einzelnen Räumen richtet sich nach sog. 'Gestalterischen Zentren' in der Anordnung der Exponateensembles. Dem entspricht die Gestaltungsidee der Großfotos, die das jeweilige Raumthema symbolisieren als auch zur Raumgliederung und Wegeführung beitragen sollen. Auf jeden Fall ist diese Museumsgestaltung ein Versuch, ein spielerisches und sinnliches museales Angebot zu bringen, das in der Geschlossenheit seiner ästhetischen Qualität überzeugt, allerdings auch Fragen zur schlüssigen und verständlichen Inszenierung der literarischen Inhalte offenläßt. Die 82er Lösung ist für uns kein Nonplusultra, aber ein sehr wichtiger Entwicklungsschritt! Erfahrungen des neugestalteten Goethe-Museums wurden 1983 für die Neugestaltung des Wieland-Museums weiterverarbeitet. 8. Wieland-Museum im Wittumspalais, 83er Fassung
Die literaturmuseale Aussage des Wieland-Museums erhält ihre bildnerische Entsprechung durch gegenständlich-plastische Exponateensembles, die die Erlebnismöglichkeiten in der Abfolge der Räume sequenzartig verspannen sollen. Den Anfang macht eine Gruppe von Plastiken im Eingangsraum: eine Büste des jungen und eine des alten Wielands und eine antike Muse: ein bißchen weg vom Verehrungsklischee solcher Büsten, hin zu Assoziationen über ein Lebensalter und seine Gesichter zu mehr dialektischer Betrachtungsweise. Eine weitere
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Plastikgruppe mit antiken Musen als Überraschungsmoment nach Verlassen des Raumes, der Wielands schwärmerischer Jugendzeit gewidmet ist. Damit verbunden die Absicht, Wielands Wandlung zum aufgeklärten Schriftsteller zu signalisieren. Wichtig für die Stimmung in den Museumsräumen ist die übergreifende Farbgebung in blaugrün und türkis für Wände und Exponateträger. Wir haben im Wieland-Museum etwa einem Verhältnis von zwei Drittel bildlich-gegenständlichen Exponaten zu ein Drittel Buch- und Textexponaten als Maßgabe realisiert. Als weiterer Höhepunkt in der Raumabfolge fungiert ein historischer Raum, ein ganzer Raum als Exponat. Mit historischen Möbeln aus der Zeit um 1800, überwiegend aus Wielands Nachlaß, u. a. mit seinem persönlichen Schreibtisch, wurde ein Redaktionsbüro des 'Teutschen Merkur' nachgebildet, gewidmet seiner langjährigen Tätigkeit als Verleger und Journalist. Zum Vergleich betrachten wir die Raumsituation der Redaktionsstube in der Museumsfassung von 1963 sowie die anderen Räume der 63er Museumsfassung. Es geht mir dabei um die Behandlung, um die Art, wie man historisches Mobiliar im Literaturmuseum verwendet. Die Möbel - wie sie 1963 angeordnet wurden - gleichen Versatzstücken, die verloren im Raum stehen: Der Beziehungslosigkeit der Anordnung folgt die Bedeutungslosigkeit der Aussage! Auch dieses Problem steht nicht als Einzelfall, sondern gehört zu den häufigen Erscheinungen in literarischen Gedenkstätten und Museen. Es genügt eben nicht, daß wir ein Möbelstück einfach hinstellen, weil es kunsthistorisch wertvoll ist, oder daß dieser Schrank Wieland gehörte, den wir aufstellen: wir behandeln ihn dann wie schon das 19.Jahrhundert: als Reliquie, als Kunstobjekt. Sondern es muß uns um mehr gehen, um ein Mehr der Aufschließung seiner ehemaligen Zusammenhänge, um die Sinnhaftigkeit seines ehemaligen Gebrauchs. Die theoretische Begründung dafür liefert uns Marx, wenn er sagt: Ein Haus ist erst dann ein Haus ... man könnte auch sagen: ein Schrank ist erst dann ein Schrank, wenn er ein Schrank für uns geworden ist. Also: die Anordnimg, der Gebrauch eines historischen Gegenstandes muß in einem Museum aufgezeigt werden, nicht das Ding an sich: dem würde dann das Unerklärliche, die Reliquie, das kultische Verehrungsmoment anhaften! Mit der Einrichtung dieser Redaktionsstube wurde eine Ganzheitlichkeit in der biografischen wie der sozial- und kulturhistorischen Aussage angestrebt sowie eine höhere Anschaulichkeit für den Besucher. Damit will ich nicht sagen, daß diese Lösimg schon alles erreicht. Aber ich denke, daß die Frage der Anschaulichkeit, der Anschaulichkeit des Raumes, seiner bildhaften Lösung genauso wie die Anschaulichkeit eines poetischen Zitats, einer Schrift, eines Textes, einer Typografik, daß diese komplexe, wissenschaftlich begründete und ganzheitliche Anschaulichkeit das zentrale Thema der Museumsgestaltung sein muß. Das gilt sowohl für literaturmuseale Ausstellungen, die eigentlichen Literaturmuseen, als auch für die originalhistorische Innenausstattung von Memorial- und Gedenkstätten.
226 Klaus Aschenbach 9. Wieland-Gedenkstätte Oßmannstedt, Fassung von 1983 Ich nehme dieses Beispiel als Hintergrund, mit einem Blick auf historisch eingerichtete Innenräume in unseren Gedenkstätten, wie sie in ihrer nahezu malerischen Anschaulichkeit austauschbar sind und unsere wohlwollende Aufmerksamkeit erheischen. Das Beispiel Oßmannstedt (Wohn- und Arbeitszimmer des Dichters) steht für viele andere Situationen in unseren historischen Häusern. Ich möchte auf folgendes aufmerksam machen: Zur Anschaulichkeit historisch eingerichteter Memorial- und Gedenkstätten gehört die Ausstattung, der Besatz mit vielen kleinen Interieurs, mit kleinen und kleinsten Gebrauchsgegenständen - vom Federkiel und Schreibzeug über das Nadelkissen und den Stickrahmen bis zur Kleinplastik. Diese Dinge - die im Kunst- und Antiquitätenhandel in ihrem Wert ständig steigen - sind außerordentlich bedeutend für das Bild eines Raumes, für die Stimmung und Atmosphäre, die man darin spürt, vor allem aber auch für seine historische Authentizität. Betrachten wir daraufhin unser Goethehaus, das Wittumspalais oder das Kirms-Krackow-Haus, müssen wir feststellen, daß dieser Besatz an Kleininterieurs zu Beginn unseres Jahrhunderts viel größer war als heute! Diese Einrichtungsgegenstände sind immer mehr in die Magazine abgewandert. Damit konnte aber dem privilegierten, bürgerlichen Besucher der Vergangenheit ein anschaulicheres Geschichtsbild gezeigt werden als unseren heutigen Besuchern: wir bieten an vielen Stellen dieser historischen Häuser weniger Authentizität und weniger Erlebnis, weil wir in Fragen moderner und modernster Sicherheitstechnik - das bedeutet elektronischer Sicherheitstechnik insbesondere für die Tagessicherung oder der ausreichenden Besetzung mit Aufsichtspersonal - keinen besseren Ergebnisstand aufweisen können. Hier gibt es eine unmittelbare Beziehung zwischen der Sicherung und dem Schutz von Kulturgut und der Anschaulichkeit bzw. den Gestaltungsmöglichkeiten im Museum. Ein Problem, das zentrale Entscheidungen erfordert und in seiner kulturpolitischen Bedeutung für die Zukunft nicht unterschätzt werden sollte. 10. Neues Schillermuseum, Entwurfsfassung von 1984 Hierzu ein paar wenige Bemerkungen zur Museumsarchitektur, die in ihrer Sonderrolle im Museum immer fester Bestandteil jeder guten musealen Inszenierung sein wird. Wir gehen von der Erkenntnis aus, daß für den Besucher das Raumerlebnis und das themenbezogene Museumserlebnis eine Einheit bilden, daß der Raum und das Ausstellungsgut gemeinsam das Fluidum und die Atmosphäre erzeugen, die ein gutes Museum aufweisen sollte, daß erst ihre Übereinstimmung optimale Rezeptionsbedingungen bieten kann. Im Standardfall handelt es sich bei Museumsarchitektur von DDR-Museen um Baudenkmale, deren baulich-räumliche Hüllen genutzt werden sollen. Ein Teil der Problematik wurde bei Erwähnung der oberen Etage des historischen Schillerhauses angedeutet. Wie haben wir uns nun im Falle eines Neubaues für ein Literaturmuseum, im Falle des neuen Schillermuseums gestalterisch verhalten? Architektonisch war ein Kompromiß zu schließen zwischen der Einfügung in die denkmalgeschützte Altstadt Weimars und der Funktionalität eines modernen
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Museumsbaues. Für die literaturmusealen Ausstellungen wurden ein hallenartiger Raum gefordert und zwei Spezialabteilungen, die ohne großen baulichen Aufwand verändert werden können und damit den langfristigen Wandel musealer Leitbilder und künstlerischer Auffassungen einkalkulieren. Entstanden sind offene, fließend ineinander übergehende Räume vom Foyer bis zu den Obergeschossen. Die Fassade gliedert Wandflächen, die im Innern als Exponathängeflächen zu nutzen sind, und raumhohe Glasflächen, die den außen- und innenräumlichen Zusammenhang, die Blickbeziehung zu Schillers Wohnhaus dem Besucher immer gegenwärtig halten. Der Genius loci der Nachbarschaft von Memorial und Neubau wird betont und spannt den Rahmen für weitere Inszenierungsangebote der Architektur: für den intimen Hofraum am Haupteingang mit einer Plastik von Wieland Förster: Hommage à F. S., für die gläserne Transparenz der Schaufenster im Foyer mit ihren Kunstwerken und für die Treppenräume im Innern, die durch plastisch-szenische Ausstellungsobjekte akzentuiert werden sollen. Diese Raumangebote der Eingangs- und Verkehrszonen verbinden sich mit literaturmusealen Schwerpunkten, die in den Museumsräumen selbst ihre Fortsetzung finden werden. An den Inszenierungsideen der literaturmusealen Ausstellung wird ζ. Z. gearbeitet: Ordnungsprinzipien der inhaltlichen Konzeption sollen räumlich und grafisch ablesbar werden. Außen- und Innenarchitektur bilden eine erlebbare Einheit, Transparenz und Plastizität des Baukörpers bleiben für den Betrachter von außen und innen präsent. Stützen und Wände der Innenräume, die Decken mit den vertieft liegenden Lichtkanälen bilden mit dem Ausstellungsmobiliar einen homogenen, hell ausgeleuchteten Hintergrund, der ganz auf die Präsentation der Exponate gerichtet sein wird. Außen- und Innenarchitektur werden gekennzeichnet durch eine abgetönte weiße Grundfarbigkeit mit blaugrauen Akzentfarben. Außen- und Innenarchitektur folgen in ihrer modernen Formensprache einer Klassizität des gestalterischen Ausdrucks: Einfachheit und Schlichtheit führen zur Betonung der Fläche, der geraden Linien und klaren geometrischen Formen. Es sollen Assoziationen zur Zeit der Klassiker geweckt werden, ohne damalige Stilepochen zu historisieren. Das, denke ich, wird uns gelingen, wenn die Bauausführung in der geforderten Qualität gelingt. Am Beispiel der Museumsarchitektur Schillermuseum soll deutlich werden, wie sich ein museales Thema - Friedrich Schiller: Leben, Werk und Wirkung - in Gestaltungsentscheidungen niederschlagen und als Inszenierungselement für unsere Besucher wie auch als Umweltfaktor zur Veranschaulichung kommen kann. Damit soll ein großer Bogen gespannt sein zu unseren historischen Häusern: Die perspektivische Aufgabe der Museumsgestaltung in unseren Literaturmuseen und -gedenkstätten wird es sein müssen, eine neue Art von Anschaulichkeit zu schaffen.
Wolfgang Barthel
Ausstellungskritik im Literaturmuseum? Ich behaupte, wir brauchen mehr Öffentlichkeit für unsere Literaturmuseen; nicht schlechthin mehr Besucher, sondern mehr kritische Öffentlichkeit. Wir brauchen die öffentliche Kritik unserer musealen Funktionen, Leistungen und Reflektionen, allem voran gute professionelle Ausstellungskritik. Daß es bei uns eine ernstzunehmende, über die Ansehensförderung in der Tagespresse hinausreichende Ausstellungskritik des Literaturmuseums gibt, wird niemand behaupten. Ob es sie geben sollte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Mancher Kollege, mit dem ich in letzter Zeit hierüber sprach, meinte, es genüge durchaus, wenn neueingerichtete Ausstellungen von den Ausstellern selbst in der Tages- oder Fachpresse vorgestellt würden. Im übrigen hätten wir ja unsere Besucherbücher. Die darin allerdings üblicherweise ausgedrückten Urteile vom Typ 'die Ausstellung hat uns gefallen' oder 'die Ausstellung zeugt vom Engagement der Museumsmitarbeiter für die Erbepflege' sind doch wohl eher wohlwollende Gesten als Indizien kritischer Öffentlichkeit oder gar praktisch verwertbare Fingerzeige für Wirkungsanalysen. Über fertige Ausstellungen vor allem die Regisseure zu hören, um ein Wort des Theaters zu gebrauchen, ist bei uns ein erprobtes Muster und zugleich - noch die Praxis unserer Fachzeitschrift. So blieb das Kritikproblem weitgehend unreflektiert, und der Nutzen von Kritik für das Literaturmuseum ist noch gar nicht erkannt. Nach meiner Einsicht gibt es derzeit vor allem vier Haupthindernisse, die sich der Kritik des Literaturmuseums als einem Organon, das, wie ich fest glaube, dessen Kommunikationsfáhigkeit verbessern könnte, in den Weg stellen: 1. wird das Ausstellen bei uns noch immer zu wenig als eigenständige kreative Leistung begriffen; 2. werden literaturmuseale Ausstellungen noch kaum als Wertungen vermittelnde Schöpfungen gewürdigt und nur selten als Orte sichtbaren Wandels von Wertvorstellungen und Autorenbildern; 3. hält man Ausstellungsabsichten und Ausstellungswirkungen oft nicht auseinander, was Kritik in gewisser Weise als überflüssig erscheinen läßt; und 4. gibt es einen akuten Mangel sowohl an kritikbereiten Fachleuten als auch an kritikempfanglichen Ohren. Die meisten dieser Hindernisse stellen sich mir als Spätfolgen früherer Einstellungen unseres Museumswesens dar. Solange nämlich an der in den 50erJahren fixierten Vorstellung festgehalten wurde, das Literaturmuseum könne - vor allem in seinen Langzeitausstellungen - Werke, Biographien und übergreifende literarische Zusammenhänge relativ ungebrochen darstellen, stand das authentische, namentlich das authentische schriftliche Zeugnis als Ausstellungsobjekt im Vordergrund, und man kam mit
230 Wolfgang Barthel einem erstaunlich dürftigen Kanon gestalterischer Mittel aus. Es schien lange, als wollte man von der Überzeugung nicht lassen, der Museologe brauche nur das richtige Material auszuwählen, es richtig anzuordnen und richtig zu kommentieren, dann läge die richtige Ausstellung gleichsam im Schnittpunkt dieser drei Verfahren. Überhaupt dominierten Vorstellungen von 'Richtigkeit' und 'Gültigkeit'; sie kamen ja auch in der literaturwissenschaftlichen Reflektion vor. Die Ausstellungen konnten so kaum anders denn als jeweils optimale Veranschaulichungen empfohlen werden. Wer neu ansetzte, reproduzierte diese Auffassung. Die Rolle des Gestalters trat zurück; sie erschien oft sekundär, man versicherte sich eines absoluten Primats der Konzeption, und diese Tatsache war ausgeprägter als offen eingestanden wurde. Ausstellungen galten in letzter Instanz irgendwie als Beiträge zur Wissenschaft, nur daß sie eben nicht abstrakt, sondern anschaulicher und populärer daherkamen. Sie schienen sich in Übereinstimmung zu befinden mit den von ihnen repräsentierten Gegenständen. Einer solchen Auffassung vom Ausstellen konnte Kritik gleichgültig, ja entbehrlich sein. Dies änderte sich nach meiner Beobachtung im Laufe der 70er Jahre. Im Fahrwasser der Literaturforschung, die sich zunehmend auf rezeptionsästhetische und axiologische Fragestellung einließ und gleichsam rezipientengerechter zu argumentieren begann, gelang es auch in einer Reihe von Literaturmuseen, Veränderungen von Rezeptionsweisen zu erkennen und den Publikumsbezug von anderen Voraussetzungen her neu aufzubauen. Das Fernsehen hat hierbei u. U. als Katalysator gewirkt. Zugrunde lag dieser Neuorientierung auch die Erkenntnis, daß literaturmuseale Ausstellungen am Ende doch weniger unmittelbar als mittelbar (von Umfeldern her) Autoren und Werke zu beleuchten vermögen und daß ihr Wert vornehmlich in der anregenden, gleichsam paraphrasierenden Impulsgebung und weniger in der explikativen Darstellung zu suchen sei. Präsentation erforderte nun nicht nur den literaturkundigen Zugriff des Museologen, sondern auch seine Orientierung auf Wirkung durch Gestalt. Dies leitete ein neues Verhältnis zum Gestalter ein. Da es weder sinnvoll erschien, gestaltorientiertere Ausstellungen ausschließlich von der Konzeption her zu inszenieren, noch sie, etwa als 'reine Gestaltungen', gänzlich dem Gestalter oder Designer zu überlassen, war Partnerschaft geboten. Gerade Langzeitausstellungen sind, dies wurde immer deutlicher, nur anhaltend wirksam, wenn man sie zugleich als gestaltete Inhalte und als beinhaltend Gestaltetes begreift. Sie bekommen so auch eine enge Zeichenqualität und sind für die verschiedensten Kommunikationsansprüche und Zielgruppen brauchbar. Da sie oft sehr lange bestehen, sind sie nagendem ideellen Verschleiß ausgesetzt und bedürfen besonders stark belebender ästhetischer Reize. Gestaltung also! Neu in der jüngeren Auffassung von literaturmusealer Präsentation ist zweifellos die Erkenntnis vom WerAxharakter der Ausstellung. Sie wäre ohne die Neubewertung gestalterischer Mittel, vor allem ohne deren Aufwertung kaum möglich gewesen. Man tendiert nun eher dahin, mit Hilfe von Literaria und flankierenden literaturbezogenen Objekten und Kunstprodukten sowie unter deutlichster Anstrengung sowohl sekundärer Vermittlungsverfahren als auch atmosphärischer Strukturele-
Ausstellungskritik im Literaturmuseum 231 mente wie Raum, Farbe, Licht, Interieur etc. die Ausstellungen zu selbständig wertenden Sinnbildern zu verdichten. Als ein Zweck des Ausstellens erscheint nicht mehr allein, etwas zur Kenntnis geben zu wollen, das in Geschichte und Literatur irgendwann stattgehabt hat, sondern darüber hinaus spezielle Zugänge zu literarischer Kultur zu ermöglichen, die einerseits deren Eigenart berücksichtigen und andererseits die museale Darstellungsart behaupten. Und dies geht dann nicht immer in der Formel 'Dokumentation plus Veranschaulichung' auf. Quasiszenographische Arrangements werden immer häufiger angeboten. Handschriften von Ausstellern und Gestaltern sind erkennbar geworden. Als Material fungiert überdies neben den herkömmlichen zeitgenössischen Sachzeugen auch die primär wertungsetzende Bild- und Schreibredaktion Nachlebender, also das sogenannte wirkungsgeschichtliche Zeugnis. Die Literaturausstellung beginnt, Lebens und Schaffensspuren in originellen Zuschnitten der Anschauung verwertbar zu machen. Sie erlangt deutlich den Charakter eines Originals auf Zeit, in manchem mancher Theaterinszenierung nicht unähnlich. Neuere Ausstellungen bieten sich oft als bewußt komponierte Spannungsfelder an. Sie wirken dadurch selbst spannend und assoziationsreicher, sind aber auch komplizierter geworden, manchmal nachgerade verschlüsselt. Einer solchen Ausstellungsauffassung ist Kritik unentbehrlich geworden. Diese wird als sozialisierendes Organon, als Korrektiv und Feedback eine Rolle im Schau-Spiel literaturmusealer Präsentationen und Kommunikationen übernehmen müssen. Ausstellungskritik, als Stimmer der Öffentlichkeit, hätte Ausstellungen an diese zu vermitteln, aber auch, von der Öffentlichkeit her, Fragen an Aussteller und Ausstellungen zu stellen. Sie könnte vergleichen, ein-, zu- und neuordnen, könnte den Bezug zur Literatur und der sonstigen literarischen Mitteilung untersuchen, die empfohlenen Deutungen und Wertvorstellungen prüfen, auf Defizite, Unterlassungen, Deckungsungleichheiten - etwa zwischen Absicht und Darstellung, Absicht und Wirkung - verweisen und Vermutungen über die Ursachen hierfür anstellen. Sie könnte Neubesinnung anmahnen und so (aber auch anders) den Erfolg späterer Ausstellungen, die mit Sicherheit kommen werden, vorbereiten helfen. Sie könnte, hielte sie sich strikt an Analyse, begründendes Urteil und Wirkungsschilderung, zugleich ein Barometer und Instrument literaturmusealen Wandels werden, dessen wir dringend und jederzeit bedürfen. Darin sehe ich sogar ihre Hauptfunktion. Das Literaturmuseum steht in der Geschichte und begleitet ihren Wandel, den es, als Einrichtung der Traditionsbewahrung, oft aus sich selbst heraus nicht immer oder nur mühevoll und im Nachtrab bewirken kann. Dabei scheint gerade das Literaturmuseum aufgrund der semantischen Eigenart seines Materials prädestiniert, nicht nur vergangenen Wandel darzustellen, sondern in ihm das 'Unerledigte' (H. Kaufmann) für den Wandel von heute und morgen aufzuzeigen. Nur so wäre doch auch, soll zugespitzt formuliert werden, sein Fortbestehen als Aussteller gesichert. Ausstellungskritik, begriffen als Katalysator literaturmusealen Wandels und Gegenwartsbezuges, hätte sich u. a. deshalb - nicht nur in der Tagespresse und in Museumsschriften zu finden. Sie wäre auch als ständiges Feature in Literaturzeitschriften wünschbar. Gelänge es, dies zu erreichen, könnte Ausstellungskritik
232 Wolfgang Barthel noch ein weiteres leisten. Sie könnte dazu beitragen, die literaturmuseale Kommunikation im wissenschaftlichen Bewußtsein fester an die literarische Wirkungshistorie zu knüpfen, von der sie ohnehin ein faktischer, aber bislang wenig beachteter Part ist. Es könnte dann der Tag kommen, an dem Wirkungen des Literaturmuseums beschreibbar werden als Teil der allgemeinen Wirkungsgeschichte von Literatur. Die hier angedeutete Komplexität und gesellschaftliche Signifikanz literaturmusealer Ausstellungskritik beantwortet für sich zugleich die Frage, wer denn die Ausstellungkritiken schreiben solle. Kein anderer als der literarisch gerüstete und zugleich in Gestaltungs- und Rezeptionsfragen sachkundige Literaturmuseologe. Doch auch den Pädagogen, ob Schul-, ob Museumspädagoge, als den wichtigsten Fachnutzer literaturmusealer Ausstellungen wünschte man sich als ihren Kritiker. Sie zur Kritik zu ermuntern und Maßstäbe und Ziele für ihre kritische Tätigkeit mitzubedenken, darin sähe ich nota bene eine gemeinsame Aufgabe von Fachsektion, VBK und Institut für Museumswesen. Wolfgang David hat in einem soeben erschienenen, pointiert formulierten Essay über Literaturkritik vom Kritiker konsequente Subjektivität, Kritikfähigkeit und Artikulationskompetenz gefordert und sich in diesem Sinne für die Selbstselektion des kritischen Potentials ausgesprochen. Subjektivität, Kritikfähigkeit und Artikulationskompetenz sind sicher auch für den Kritiker literaturmusealer Ausstellungen, der freilich erst Statur erlangen muß, wesentliche Merkmale. Allerdings ist eine Ausstellung kein Buch, und Subjektivität schlägt sich in ihr anders nieder als in diesem. Der Kritiker von Ausstellungen findet in ihnen ja keine reine Kunst vor, eher trifft er auf eine für 'literarische' Mitteilungen mehr oder weniger geeignete Struktur aus künstlerischen, wissenschaftlichen und technisch-materiellen Komponenten, die er, bei aller Individualität, doch auch verallgemeinern möchte. Der Ausstellungskritiker wird deshalb auch zu fragen haben, was die Gesellschaft als Grundnormen-Gemeinschaft vom Literaturmuseum erwarte, das seine Funktion ja hauptsächlich in einer bestimmten Gemeinschaft und für sie erfüllt. Er hätte zu fragen, wie das Literaturmuseum generellere Normenerwartungen tatsächlich bedient und welchen Beitrag es im Bilde seiner Ausstellungen zur Wertfindung und Wertsetzung leiste. - Dies aber weist letzten Endes wohl darauf hin, daß Ausstellungskritik auch nur ein, freilich signifikantes Vorfeld einer weitergreifenden Museumskritik ist, einer Kritik - produktiv und liebevoll, um mit Goethe zu sprechen -, die sämtliche Museumsfunktionen im Zusammenhang und in ihrem Zusammenwirken zu beurteilen lernt. - Doch dies ist bereits ein anderes Thema.
Klaus Beyrer Literaturmuseum und Publikum Zu einigen Problemen der Vermittlung In einer 1981 im Schiller-Nationalmuseum in Marbach gehaltenen Ansprache erinnerte sich der Schriftsteller Hermann Lenz an seinen ersten Besuch des Marbacher Dichtermuseums als Vierzehnjähriger. Angesichts der "unter Glas ausgelegten Papiere mit bräunlichen Schriftzügen", so Hermann Lenz, habe sich bei ihm ein "Gefühl" eingestellt, "das ich bis zu jenem Tag nur selten kennengelernt hatte. Auch die Kühle des hohen und hellen Raumes wirkte sich aus, und 1 ' ich empfand Ehrfurcht". Ganz anders dagegen ein Feuilletonist der Rhein-Nekkar-Zeitung: Mit dem Begriff 'Literaturausstellung' schreibt dieser, verbinde er in erster Linie "die Erinnerung an gut sortierte Schaufensterauslagen gehobener Buchhandlungen" ? Gemeinsam ist beiden Eindrücken, daß sie den Zielsetzungen widersprechen, mit denen die Museen sich seit geraumer Zeit in der Öffentlichkeit präsentieren. Nicht länger Musentempel wollen sie sein, noch in hellem Glanz aufpolierte Schatzund Wunderkammer, weder 'Besitzausstellung' , noch verstaubte Aufbewahrungsstätte reizloser Reliquien. Man stellt das Museum neuerdings in den Rang eines "Dienstleistungsbetriebes", um damit eine Entwicklung zu unterstreichen, die zu einer Modifizierung der traditionellen, am Sammlungsgegenstand bemessenen Normen und Werte geführt hat. Genauso wichtig wie die sacharchivalischen Aufgaben erscheint den Museumswissenschaftlern von heute die Frage nach dem Wie einer Ausstellung und die nach den Vermittlungspotentialen am Museinn. Daß es hoch im Kurs steht, verdankt das Museum zweifellos weniger seiner Forschung, den Maßnahmen zur Sammlung und Konservierung von Kulturgut, als vielmehr der gesteigerten Attraktivität seiner Ausstellungen und den vielfältigen Bemühungen um eine besucherorientierte Vermittlung. Das Spektrum hierfür ist breit und reicht von den ideenreichen Inszenierungen der teilweise monumentalen Ausstellungen der letzten Jahre über die Konzeptionen zu einem 'Museum zum Anfassen', womit jetzt beispielsweise das Mannheimer Technikmuseum (das es noch nicht gibt) im großangelegten Stil wirbt, bis hin zum Kindermuseum (beispielsweise von Karlsruhe). Nim wird manchem Literaturmuseologen der kalte Schweiß bei der Vorstellung ausbrechen, den modischen Theorietrends, wie etwas das 'Museum zum Anfassen', die Pforten der Dichterstätten zu öffnen. Doch muß man nicht gleich an lärmende Kinderscharen zwischen den Vitrinen, an Kostümfeste und Rollenspiele denken, bei denen jeder selber einmal Goethe sein darf, oder an phantasievolle Ich-Entwürfe, die literarische Ausstellungen gelegentlich heillos durcheinanderbrächten. Strategien einer an den Besucher herantretenden Vermittlung von Literatur und Literaturgeschichte lassen sich auch bereits in den Schauräumen entwicklen. Dort allerdings entscheidet sich an der Form der Präsentation und an den Angebotsstrukturen der Dauer- und Wechselausstellungen, wie ernst das Museum sein Publikum nimmt. Meine erste These lautet, daß die Situation am
234 Klaus Beyrer Literaturmuseum durch ein eigentümliches Mißverhältnis dem Publikum gegenüber, etwas milder formuliert: durch offenkundige Berührungsängste, gekennzeichnet ist. Man braucht nicht so weit zu gehen, wie es die "Frankfurter Rundschau" vor zwei Jahren mit dem Vorwurf tat, die Sachverwalter des Frankfurter Goethe-Museums hätten sich "in den Elfenbeinturm einer esoterischen Wissenschaft zurückgezogen" - ein Vorwurf, der im übrigen primär an die Adresse der Forscher gerichtet war. Dennoch sind die literarischen Bildungsinstitute, auch oder gerade weil sie ihren Ausstellungsfundus hauptsächlich aus Archivgut schöpfen, der permanenten Gefahr einer allzu schlichten Gleichsetzung ihrer archivwissenschaftlichen Forschungstätigkeit mit den Formen musealer Präsentation ausgesetzt. Wenn es, wie ein Kritiker aus eigenen Reihen lapidar konstatiert, "viele Dichter- und Literaturmuseen von gähnender Langeweile" gibt, so ist dies kein Zeichen mangelnder Qualität, sondern vielmehr Ausdruck einer naiven Übertragung der wissenschaftlichen Methodik auf die Schauräume des Museums. Literaturausstellungen, bei denen freilich Fachleute meist ins Schwärmen geraten, verfehlen in ihrem ungezügelten Drang zur lückenlosen Dokumentation die Bedürfnisse des einzelnen Besuchers.9 Dazu kommt als schwere Hypothek das traditionsbedingt elitäre Museumsimage, zu dessen Abbau es an Initiativen mangelt. Mehr noch als die Kunstmuseen vermochten sich die Literaturmuseen bis in die jüngste Vergangenheit dem Verdacht nie völlig zu entziehen, Bildungsort für eine nur auserlesene, privilegierte Schicht zu sein, Erbverwalter eines bürgerlich-humanistischen Bildungsideals, dessen Höhepunkte museumsgeschichtlich freilich im 19.Jahrhundert liegen, als in Deutschland die ersten großen Museen gegründet wurden und Wilhelm von Humboldt programmatisch ihren Hauptzweck bestimmte. Und der Hauptzweck war für Humboldt die "Beförderung der Kunst", die "Verbreitung des Geschmacks an derselben" und "die Gewährung ihres Genusses". Nicht nur von Geisteswissenschaftlern wurde Museumsgeschichte in dieser Zeit geschrieben, auch Politiker partizipierten an der idealisierten Kunst- und Kulturpflege, die sie mit ruhmesvollen Worten unter ihre Gunst stellten. Der württembergische König Wilhelm II. gab 1895 seine Zustimmung zum Bau des SchillerNationalmuseums in Marbach mit der Begründung: "Es dürfte, gerade in der jetzigen Zeit, für das deutsche Volk von großer Bedeutung sein, die Erbschaft des nationalen Dichters zu pflegen und damit die Erkenntnis von dem höheren Wert des idealen Besitzes unserer Nation zu kräftigen und zu beleben."11 Die am Dichterideal bemessene Vermittlung innerer Werte, der Wilhelm II. unter dem Dach einer, dem Baustil zur Zeit Schillers nachempfundenen frühklassizistischen Herrschaftsarchitektur den Weg wies, sollte für die Museumsplaner der Literaturgeschichte über Generationen verbindlich bleiben. Im Unterschied zu den kunstgewerblichen und volkskundlichen Museen, an denen Pädagogen seit Beginn unseres Jahrhunderts für demokratische Ansätze eintraten, konnte sich das Literaturmuseum in seiner traditionellen Eigenschaft einer elitären, weite Bevölkerungkreise ausschließenden Kult- und Andachtsstätte erstaunlich lange behaupten. Fast will man glauben, es habe auch die Bildungseuphorie der sechziger Jahre und die daraus resultierende museale Didaktisie-
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rungswelle unbeschadet überstanden. "Es konnte nicht darum gehen", vernimmt man aus dem Vorwort eines literarmuseologischen Curriculumprogrammes von 1980, "in den Schausälen der literaturhistorischen Institute Tendenzen der Didaktisierung zu realisieren, wie sie die Museumspraxis der mittleren siebziger Jahre in steigendem Maße erkennen ließ".14 Wer hinter diesem Statement bare Ignoranz vermutet, liegt allerdings falsch. Zwar bleibt es auffallend genug, daß sich das Literaturmuseum in den vergangenen Jahren aus der allgemeinen Museumsdiskussion heraushielt und von der mancherorts beklagten 'Museumskrise'1 keine Notiz nahm. Die Zurückhaltung gegenüber den didaktischen Verfahrensweisen der siebziger Jahre hat jedoch einen tieferen Grund. Sie steht im Zusammenhang einer prinzipiellen, das Ausstellen von Literatur bestimmenden Schwierigkeit. Literatur ausstellen Es ist ein offenes Geheimnis, daß Literatur im eigentlichen Sinne nicht ausstellbar ist. Literatur verlangt danach, in stiller Zurückgezogenheit und konzentrierter Betrachtung erfahren zu werden. Bücher vermitteln sich durch die Lektüre - in besonderen Fällen, bei der Übertragung auf andere Medien wie Theater oder Rundfunk, bereits auf akustischem Weg. Das Medium Museum dagegen als Ort der visuellen Aneignung konterkariert den Sinn und Zweck von Literatur, und zwar durchaus im Sinne einer doppelten Verweigerung: Ist einerseits das Literarische "ungegenständlich", so sind andererseits die "gegenständlichen Substrate von Literatur" - all jene Objekte also, die im Museum den Reiz des 'sinnlich' Anschaulichen ausmachen - eben "keine Literatur".16 Eine zusätzliche Erschwernis besteht bei der Ausstellung von Büchern und Autographen darin, daß sie kommentiert sein wollen, was natürlich wiederum in erster Linie auf Textebene geschieht. Man wird daher auch die Skepsis gegenüber jeder Form von textkompensatorischer Besucherzuwendung verstehen, wie sie die Didaktiker der siebziger Jahre an den Museen praktizierten. Literaturmuseologen suchen den Ausweg aus solchen Schwierigkeiten über das, was sie 'Inszenierung' nennen. Sie arrangieren die Exponate mit erläuternden Objekten: "das einzelne Stück, sei es eine Handschrift oder Erstausgabe, braucht die Koppelung an verschiedenste historische Dokumente wie Porträts, Städteansichten, Briefstellen, Notenmanuskripte u. a., um einen Verständniszusammenhang zu erschließen".17 Dabei erfolgt die Ensemblebildung, bei der in der Regel eine Text/Bild-Kombination angestrebt wird, keineswegs nach willkürlichen Kriterien, sondern gehorcht - sieht man einmal von den Wandgemälden ab - dem Gesetz der Vitrine, in deren Rahmen sich die erläuternden historischen Zeugnisse einzufügen haben. Doch kommt ihnen, wie immer es um ihre dingliche Qualität bestellt sein mag, stets nur eine Hilfsfunktion zu. Im Mittelpunkt einer Literaturausstellung, so Bernhard Zeller, langjähriger Direktor des Schiller-Nationalmuseums, "hat als primäres Zeugnis das zu stehen, was den Autor zum Autor macht, sein schriftstellerisches Werk: das originale Manuskript zuerst, als das unmittelbarste Lebens- und Werkzeugnis, und dann all die Dokumente, die den Entstehungsprozeß, den Weg von der Idee zum fertigen Buch zu spiegeln vermögen.
236 Klaus Beyrer Alle weiteren Objekte, deren es viele und vieler Art gibt, sind unterzuordnen, auch im optischen Sinne, selbst dann, wenn ihre Anschaulichkeit sehr viel stärker als der gedruckte oder handschriftliche Text sein sollte."18 Am Verhalten des Besuchers festgemacht, läuft eine so verstandene Konzeption nun allerdings Gefahr, wirkungslos zu sein. Bilddokumente und dreidimensionale Originalobjekte haben einfach eine andere Qualität als Schriftexponate. Insofern ergänzt das Porträt die Handschrift nicht nur, sondern konkurriert auch mit ihr. Ich möchte jetzt eine zweite These formulieren, die hier ein Postulat bleiben muß, weil sie nur empirisch, durch eine sehr aufwendige Besucherbeobachtung und -befragung zu untermauern wäre, was für die Gattimg 'Literaturmuseum' noch aussteht. Ich behaupte, daß bei jeder Text/Bild-Kombination über kurz oder lang, das heißt mit zunehmender Textmüdigkeit, wahrnehmungspsychologisch eine Bevorzugung des Bildangebots eintritt. Aufgaben, Ziele, Grenzen? Soll das Werk die literarische Ausstellung bestimmen, hat Jörn Göres, Leiter des Düsseldorfer Goethe-Museums, einmal gefragt, oder die Persönlichkeit des Autors? Bernhard Zellers Antwort hierauf wurde indirekt bereits gegeben. Für ihn besteht das Ziel literarischer Ausstellungen darin, "über die Dokumentation der Lebensgeschichte eines Autors zu seinem literarischen Werk zu leiten".21 Davon abweichend liegt für den ehemaligen Direktor am Feien Deutschen Hochstift Frankfurt/Main, Detlev Lüders, der Schwerpunkt eines Literaturmuseums "auf der Veranschaulichung der Biographie und der Umwelt".22 Eine offene Kontroverse hat sich an dieser Frage nie entzündet, die, so gestellt, letztlich nach funktionalen Gesichtspunkten zu entscheiden sein wird: Dann fällt die Werkdarbietimg hauptsächlich in den Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich der Literaturmuseen, die Autordarstellung hingegen in den der Gedenk- und Memorialstätten, wo schriftstellerische Umwelt authentisch verbürgt ist. So oder ähnlich sieht es in der Praxis auch aus. Ich habe diese Frage aus einem anderen Grund aufgegriffen, weil sie nämlich ein bezeichnendes Licht auf den konzeptionellen Zuschnitt des Literaturmuseums wirft. Literaturausstellungen beschränken sich in der Regel auf Autorenpersönlichkeiten, sei es in der Idealisierung der 'Klassiker' und ihrer Freundeskreise, sei es im erweiterten Rahmen einer Epochenskizze. Dazu treten zwar von Zeit zu Zeit auch sachbezogene Fragestellungen, die jedoch an den Zeugniswert der Archivalien (Briefe, Reinschriften, Erstdrucke etc.) gebunden und daher nicht beliebig sind. Um nur ein Beispiel zu nennen, würde das Thema "Industrialisierung in der Literatur" den Ausstellungsplaner unter den gegebenen Präsentationsbedingungen unweigerlich in große Not bringen. Der literarisch wirksame bewußtseinsgeschichtliche Wandel, der diesem Thema zu eigen ist, läßt sich bestenfalls in wenigen Ausnahmefällen mit Hilfe von Handschriften oder Erstausgaben vermitteln. Es sind nicht die Autographen, die Themen dieser Art Stoff und Richtung geben, es geht vielmehr - mit einem etwas überstrapazierten Begriff - um die Dialektik zwischen Basis und Überbau, um die Frage also, wie Ideenwelt und Realität sich wechselseitig beeinflußt haben.
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Wenn in den Ausstellungen dieser Teil der Literaturgeschichte ausgeklammert bleibt, liegt dies nicht einmal so sehr an einem krampfhaften Insistieren auf den überlieferten Angaben, sondern hauptsächlich an einer unausgesprochen erstrebten, freilich falsch verstandenen Ausstellungsharmonie, die die Einheit von Klassikerfigur und Werkexponat natürlich in höchstem Maß garantiert. Ich glaube dennoch, und so lautet meine dritte These, daß das Literaturmuseum mit seiner weitgehenden Beschränkung auf dichterbiographische Ausstellungen wichtige Vermittlungspotentiale verschenkt, die Literatur und Literaturgeschichte bereithalten. Es sind dies nun bedauerlicherweise auch die spannenden, die illustrativen Themen, die dem verkürzten literarmuseologischen Ausstellungsbegriff zum Opfer fallen. Dazu zählen neben dem bewußtseinsgeschichtlichen Komplex und weiten Bereichen der Erlebnisdichtung alle Gebrauchsformen von Literatur. Was nicht alles ließe sich zum An-sehen bringen, denkt man etwa an Märchen, Kalendergeschichte, Zeitungen, Flugblätter. Auch Plakatsäulen sind vollbeklebt mit Literatur; Kochbücher, Theaterprogramme und Traueranzeigen sind Literatur, versteht man darunter im weitesten Sinn des Begriffs das geschriebene Wort. Solche Überlegungen gelten in erster Linie den Ausstellungen, weniger dem Museum. Eine Museumskonzeption ist auf viele Jahre festgelegt. Sie muß selbst jene Trends überstehen, die man heute noch nicht absieht. Ausstellungen dagegen bieten dank ihrer zeitlichen Begrenzung großartige Gelegenheiten, um zu experimentieren und Wagnisse einzugehen - im Hinblick sowohl auf das Themenspektrum wie auf das inszenatorische Potential. Wer Literatur - einem Anspruch der Düsseldorfer Literaturmuseen zufolge - an "Nicht-Germanisten" vermitteln will, "die weder über literarische Vorkenntnisse verfügen, noch ein gezieltes Interesse mitbringen",23 sollte im Dichter nicht den Fürsten, sondern den Bettler sehen - darf über aller Belehrung daher die Unterhaltung des Publikums nicht vergessen. Für jeden etwas Man kann Literatur sehr wohl auf unterhaltende Weise in Szene setzen, wenn man, wie das Biberacher Wieland-Museum demonstriert, die Anstrengung auf sich nimmt, nach Möglichkeiten der "Übertragung von Texten in die optische Welt eines Schauraumes" zu suchen. In Biberach kann der Besucher sein Talent im Umgang mit dem Gänsekiel erproben; eine Magnettafel mit Begriffen aus dem 18. und aus unserem Jahrhundert lädt zum Dichten ein; in einem Rokoko-Theater-Modell fordern bewegliche Figuren zur Improvisation auf; und Wielands Werke in der Form gewöhnlicher Taschenbuchausgaben können in einer Leseekke durchblättert und studiert werden. Bei alledem verstehen die Biberacher Museumsplaner unter 'Anschaulichkeit' keineswegs nur die handgreifliche Kategorie, das Anfassen. Anschaulich wird Literatur hier auch auf dem Weg des Arrangements und der Collage. Die Vitrinenaura wird mit Hilfe eines 'Dichterinterviews' gebrochen, die Trivialliteratur des 18. Jahrhunderts mit der Regenbogenpresse von heute konfrontiert. Man arbeitet mit ironischen Mitteln, die das gängige literaturmuseale Rezeptionsverhalten empfindlich stören: Texte werden
238 Klaus Beyrer dort eingesetzt, wo der Besucher sie nicht erwartet (etwa als 'Treppentext' beim Aufgang zum Museum); in einer Porträtserie wird der Frage nachgegangen, wie Wielands Hakennase sich im Laufe der Zeit zum Vorteil des Dichters veränderte. Anwendungsbereiche der Museumspädagogik Was das Museum hinsichtlich seiner Besucher auf ausstellungsdidaktischem Weg nicht zu leisten vermag oder zu leisten scheut, sucht es durch den Einsatz von Pädagogen wettzumachen. Ein Wort dazu, was 'Museumspädagogik' nicht ist: Vielerorts führen Wissenschaftler Besuchergruppen durch die Schauräume, um zu erläutern, was sie gern wie gesehen hätten. Dergleichen Anstrengungen sind ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit, dürfen mit den museumspädagogischen Aufgaben jedoch nicht verwechselt werden. Museumspädagogik gilt der zielgruppenspezifischen Vermittlung am Museum. Darüber zu reden, heißt in unserem Fall, den Blick nach Düsseldorf zu richten. Denn es gibt an den bundesrepublikanischen Literaturmuseen lediglich zwei Museumspädagogen, die beide in Düsseldorf sitzen, am dortigen Heinrich-Heine-Institut und dem von Jörn Göres verwalteten Goethe-Museum. Andernorts sind Stellen vorgesehen, konnten bisweilen aber, wie in Marbach, "noch nicht besetzt werden". Die Arbeit der Düsseldorfer Museumspädagogen zielt im wesentlichen auf drei Besuchergruppen ab: Kinder, Schüler und Senioren. Für die Kinder werden Ferienprogramme angeboten, mit den Schülern Unterrichtsstunden im Museum durchgeführt und für die Senioren hat man in Düsseldorf in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule sogenannte Kaffeetische eingerichtet. Zu den im schulischen Rahmen bevorzugt angebotenen Themen zählt die Reiseliteratur: Heines "Wintermärchen" und Goethes "Aufbruch von Karlsbad in Richtung Brenner" wie Johanna Schopenhauers "Garn* durch Köln", in den sich die Schüler mit Hilfe von Städteansichten versetzen. Wo es um den spielerischen Umgang mit Literatur geht, fällt auch der Postfahrplan stärker ins Gewicht als die herkömmlichen Arbeitsmittel der Literaturwissenschaft. Nicht alles, was Literatur ist, läßt sich problemlos an den Mann bringen, schon gar nicht, wenn es Schüler zu motivieren gilt. Zwischen den beiden Museen und den Schulen sind die Kontakte eng geknüpft und führen zum wechselseitigen Austausch. Die Museumspädagogen übernehmen "in Absprache mit dem Fachlehrer Teile des Literaturunterrichts",28 die Schüler und Lehrer bezeugen ihrerseits hohe Bereitschaft, die konzipierten Unterrichtsansätze vor Ort zu erproben. Für den Deutschunterricht der Sekundarstufe I und II stehen mittlerweile "literatur- und theatergeschichtliche Museumsdokumente"29 zur Verfügung. Der Akzent liegt, neben den Produktionsbedingungen von Literatur, besonders auf den wirkungsgeschichtlichen Fragestellungen. Man bemüht sich um anschauliche Themen und nutzt die didaktischen Mittel aus dem visuellen Informationsbereich. Das Museum fungiert hier als Stoff- und Materiallieferant, was aber nicht wenig ist. Dennoch sollte sich das Literaturmuseum nicht nur als Medium für Lernprozesse verstehen, die an anderen Instituten stattfinden, sondern selber autonomer Ver-
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anstalter solcher Prozesse sein. Es sollte sich auf seine Spezifizität besinnen und daran seine Vermittlungsaufgaben bemessen. Das heißt, mit anderen Worten, den kreativen Handlungsspielraum auszuschöpfen, der bereitsteht. Gefragt ist dann allerdings nicht nach vorprogrammierten Lernzielen, sondern vielmehr nach Möglichkeiten einer situationsgegebenen Aneignung im Rahmen des musealen Tätigkeitsbereiches. Einige Konsequenzen 1. Das Literaturmuseum muß seine vorrangige Aufgabe darin sehen, zum Lesen zu animieren. Über die Dringlichkeit dieser Aufgabe dürfte unter den Bedingungen der gegenwärtigen Konsumgesellschaft kein Zweifel herrschen. 2. Nimmt das Literaturmuseum seinen Bildungsauftrag ernst, muß es sich bei der Gestaltung und Präsentation der Ausstellungen um Angebotsstrukturen bemühen, die möglichst einem breiten Publikum gerecht werden. Imponiergehabe und Heroisierung der Dichter sind fehl am Platz. Der Besucher, der das Museum weniger zum Zweck des ästhetischen Genusses als aus reiner Neugier betritt, sollte zum Umgang mit Literatur nicht ent-, sondern ermutigt werden. 3. Die gängigen Begriffe von ' Literatur' und 'Literaturausstellung' sind zu erweitern, und zwar im Hinblick auf die Bedingungen, unter denen Literatur entstanden ist und dazu gemacht wurde. Die kritische Befragung der Produktions- und Rezeptionsbedingungen gibt den Weg frei für aktuelle Bezüge und eröffnet (darüber hinaus) situative Spielräume, die für anschauliche Inszenierungen nutzbar gemacht werden können. 4. Öffentlichkeitsarbeit darf sich nicht in kompensatorischen Hilfestellungen (Museumsführer, Ausstellungskatalog etc.) erschöpfen. Wünschens- und erstrebenswert sind vielmehr Formen des aktiven Austausches zwischen Museum und Besucher, wobei es allerdings nicht darum gehen kann, das Museum in seiner traditionellen Rolle zu bestätigen. Anmerkungen 1
Hermann Lenz: Der ausgestopfte Steppenwolf. Meine Besuche in Dichterhäusern. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 25 (1981), S. 525-532, s. S. 525
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4
Matthias Krohn: Dichter in der Residenz. In: Rhein-Neckar-Zeitung, Nr. 70,23. März 1984, S. 2 Der Begriff stammt aus den Diskussionen Anfang der siebziger Jahre und war da verächtlich gemeint. Zum geschichtlichen Hintergrund vgl. Walter Grasskamp: Museumsgründer und Museumsstürmer. Zur Sozialgeschichte des Kunstmuseums. München 1981 (=Beck'sche Schwatze Reihe. Bd. 234) Jürgen Rohmeder : Methoden und Medien der Museumsarbeit. Pädagogische Betreuung der Einzelbesucher. Köln 1977, S. 19
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Vgl. etwa die einzelnen Beiträge in dem zweibändigen Protokoll der Anhörung zum Forum für Geschichte und Gegenwart, hrsg. v. d. Senator für kulturelle Angelegenheiten Berlin. Berlin 1983
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Hierzu grundlegend Klaus WeschenfelderfWoiigang Zacharias: Handbuch Museumspädagogik. Orientierungen und Methoden für die Praxis. Düsseldorf 1981
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Werner Petermann: Stille wie auf dem Friedhof. In: Frankfurter Rundschau, Nr. 26,1. Februar 1983, S. 12
8
Heinrich Bock: Schwierigkeiten beim Einrichten eines Wieland-Schauraumes. In: Museen in der Provinz. Strukturen, Probleme, Tendenzen, Chancen, hrsg. v. Martin Scharfe. Tübingen 1982, S. 32- 35, s. S. 35
9
Die Fachleute stellen bei der Inszenierung in den Schauräumen jedoch eine unmaßgebliche Größe dar. Ohnehin bedarf es für den Fachmann, der sich in den Depots der Literaturmuseen - ihren Archiven - wie zu Hause fühlt, keiner Denkanstöße mehr zum praktischen Umgang mit Literatur.
10
Wilhelm von Humboldt: Gegen Änderung des Museumsstatus (14. Juni 1833). In: W. v. H., Gesammelte Schriften, Bd. XII. Berlin 1904, S. 572- 581, s. S. 573f. - Zu diesem Ansatz Humboldts ausführlich: Gottfried Korjf. Objekt und Information im Widerstreit. In: Museumskunde 49 (1984) 2, S. 83-93, s. S. 84f
11
Zit. bei Dierk Möller : Das Schillermuseum in Marbach. Die Geschichte der Gründung. Marbach 1983, S. 13
12
Um nur zwei wichtige Namen zu nennen: Alfred Lichtwark, Adolf Reichwein. Zu ihnen vgl. Gottfried Korff. Didaktik des Alltags. Hinweise zur Geschichte der Bildungskonzeption kulturhistorischer Museen. In: Geschichte lernen im Museum, hrsg. v. Annette Kuhn u. Gerhard Schneider Düsseldorf 1978, S. 32-48, s. S. 39f. und S. 43f
13
Dafür beispielhaft ist die Konzeption des Historischen Museums, Frankfurt/Main. Der Ansatz wird vorgestellt bei Jürgen Steen: Didaktische Aspekte einer Theorie des Historischen Museums. In: Geschichte lernen im Museum (wie Anm. 12), S. 49-81, s. bes. S. 64ff
14
Literaturmuseen machen Schule. Curriculare Möglichkeiten des Literaturunterrichts, entwickelt an den Sammlungen der Düsseldorfer Literaturmuseen, hrsg. v. Kulturamt der Landeshauptstadt Düsseldorf. Düsseldorf o. J., S. 5
15
Vgl. etwa die kritischen Einschätzungen zur Museumssituation in den einzelnen Beiträgen des Bandes: Die Zukunft beginnt in der Vergangenheit. Museumsgeschichte und Geschichtsmuseum, hrsg. v. Hist. Museum d. Stadt Frankfurt am Main. Gießen 1982
16
Literaturmuseen machen Schule (wie Anm. 14), S. 8
17
Ebd., S. 27
18
Bernhard Zeller: Literaturausstellungen. Möglichkeiten und Grenzen. In: Jahresring 25 (1978/79 [1978]), S. 294-300, s. S. 296f 19
20
Zwar gibt es einschlägige Studien zum Besucherverhalten am Museum, die Schlüsse auf die Gattung 'Literaturmuseum' jedoch nicht ohne weiteres erlauben. Erwähnenswert besonders Bernhard Graf u. Heiner Treinen: Besucher im Technischen Museum. Zum Besucherverhalten im Deutschen Museum München. Berlin 1983 Jörn Göres: Das Verhältnis von Leben und Werk als eine Grundkonzeption literaturhistorischer Ausstellungen. In: Museumskunde 43 (1978) 3, S. 127-129
Literaturmuseum und Publikum 241 21
Bernhaid Zeller: Das Schiller-Nationalmuseum und seine Ausstellungen. In: Baden-Württemberg 28 (1981) 3, S. 5 -10, s. S. 6 22
Detlev Lüders: Das Freie Deutsche Hochstift - Frankfurter Goethe-Museum. In: Jahrbuch für Internationale Germanistik 8 (1976) 1, S. 132-137, s. S. 134 23
Literaturmuseen machen Schule (wie Anm. 14), s. 27
24
Bock (wie Anm. 8), S. 34
25
Zeller (wie Anm. 21), S. 10
26
Laut freundlicher Auskunft von Frau Gundula Sroka, Goethe-Museum, Düsseldorf Literaturmuseen machen Schule (wie Anm. 14), S. 34ff
27 28
Ebd., S. 30
>0 Wege durch Düsseldorfer Literaturmuseen. Literatur- und theatergeschichtliche Museumsdokumente für den Deutschunterricht der Sekundarstufe I und II zusammengestellt und kommentiert, hrsg. v. Kulturamt der Landeshauptstadt Düsseldorf. Düsseldorf 1980. Loseblattsammlung im Plastikordner
Susanne Ebeling/Matthias Lohrer
Literaturausstellungen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik 1949 -1985. Ein Verzeichnis Dieses Verzeichnis erfaßt Literaturausstellungen, die von 1949 bis 1985 in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik gezeigt worden sind. Da für keine Zeit und schon gar nicht für verschiedene Epochen genau zu sagen ist, wo Literatur aufhört und wo Wissenschaft, Politik, Alltagsrede anfangen, hat auch das Gebiet der Literaturausstellungen unscharfe Ränder gegenüber dem anderer Ausstellungen. Der Entscheidung, ob eine Ausstellung in die Dokumentation aufgenommen wurde oder nicht, ist ein weitgefaßter Literaturbegriff zugrunde gelegt. Es werden also nicht nur Ausstellungen zur Belletristik und deren Autoren, sondern ebenso zum literarischen Leben, zu Zeitschriften, Zeitungen, Kalendern, Comics u. a. Printmedien sowie zur Geschichte von kulturellen Institutionen wie Bibliotheken, Archiven, Universitäten aufgenommen. Ausstellungen zu deren alltäglicher Arbeit oder zu ihrer gegenwärtigen Stellung werden jedoch nur verzeichnet, wenn solche Institutionen direkt zum Literaturbetrieb gehören. ("Aus der Arbeit der Buchrestaurierung" (1976); "Ad acta. Das Stadtarchiv und seine Arbeit" (1973) sind daher nicht verzeichnet.) Zur Literatur zählen auch "die literarische Kritik, der [...] Essay, Satiren [...] und andere, oft feuilletonistische kleinere Formen; [...] auch Aphorismen, Manifeste und Reden, Reiseberichte, Briefe und Erinnerungen sowie Reportagen. In Ausnahmefällen galt auch populärwissenschaftliche Prosa als Aufnahmegrund, insbesondere, wenn sie auf Literatur und das literarische Leben einwirkte."1 Aufgenommen wurden weiterhin Ausstellungen zur Geschichte der Germanistik und zu einzelnen Germanisten sowie zu Gelehrten, sofern diese vor 1800 geboren wurden und zu Malerpoeten sofern die Künstler als Poeten vorgestellt wurden. (Nicht aufgenommen ist also ζ. B. "Ringelnatz als Maler" [1953].) Ausstellungen zu Philosophen wie Theodor W. Adorno, Ludwig Klages, Hermann Graf v. Keyserling, deren Werk literarische Qualität hat, wurden generell aufgenommen. Die Größe der jeweiligen Ausstellung war kein Kriterium der Aufnahme. Entscheidendwar allein, ob die Ausstellung in den ausgewerteten Quellen angezeigt wurde. Nicht aufgenommen wurden generell die Dauerausstellungen der literarischen Museen und Gedenkstätten, Verkaufsausstellungen (z.B.: "Bettina von Arnim in der Galerie Poll" [1973]) sowie die (zahlreichen) Ausstellungen zu Kinder- und Jugendbüchern (ζ. B. "Children's Books (from the Frankfort Book Fair 1977)" [1979/80]; "21. Internationale Kinder-und Jugendbuchausstellung" [1970] "Gurkenkönig und Gänseblümchen" [1979]). Als Buchaussiellungen gewertet und daher nicht aufgenommen wurden Präsentationen von Neuerwerbungen und von bibliophilen oder Handschriften-Zimelien (z.B. "Die Apokalypse. Das teuerste Buch der Welt." [1963]; "Autographen und
244 Susanne Ebeling/Matthias Lohrer Dokumente aus den Nachlässen Hermann Boßdorf, Gorch Fock und Robert Garbe" [1977]; "Cimelia Pataviensia" [1980]; "Erwerbungen aus drei Jahrzehnten. 1948-1978"[1978].) Als Buchausstellungen gelten auch Ausstellungen zur Bibliophilie (ζ. Β. "Typographie - Einband - Illustration. Buchgestaltung in Leipzig seit der Jahrhundertwende" [1979]; "Buchgestalter und Typografiker" [1977]; "Miniaturbücher" [1978]) und zur Buchproduktion einzelner Verlage oder Länder (ζ. B. "Britische Bücher" [1976]; "Die schönsten Bücher 1972 aus der BRD und der DDR" [1974]). Als Kunstausstellungen gewertet und daher nicht aufgenommen wurden die zahlreichen Expositionen zu Epochen wie etwa "DaDa", wenn sie (nahezu) ausschließlich die Bildkunst dieser Zeit vorstellen. (Indiz hierfür war häufig der Ausstellungsort, ζ. B. wurde "DaDa. DaDa in Europa, Werke und Dokumente" in der Städtischen Galerie im Städelschen Kunstinstitut [1977/78] nicht aufgenommen.) Ebenfalls gelten als Kunst- und nicht als Literaturausstellung die zahlreichen Veranstaltungen, in denen bildnerische Darstellungen von und zur Literatur in Grafiken, Zeichnungen, auf Briefmarken, Medaillen, Ex-Libris etc. gezeigt werden. (So ist ζ. B. "Internationale Ex-Iibris-Ausstellung. Dichter und Dichtimg in Ex-Libris" nicht aufgenommen worden [1982].) Hierbei galt jedoch als Ausnahme, die die Aufnahme rechtfertigt, wenn die Illustrationen nur zu einem literarischen Werk geschaffen wurden. Als Kunstausstellungen galten weiterhin Ausstellungen von Malerbüchern, sofern diese nicht von einem Maler poeten geschaffen wurden. Als Kulturhistorische Ausstellungen und nicht als Literaturausstellungen wurden jene Expositionen gewertet, in denen außerliterarische Themen und Motive in Büchern oder anderen Printmedien vorgestellt werden (ζ. B. "Meinungsbildung durch Buch und Presse" [1983]; "Das Wort als Waffe. Die illegale Presse in den Niederlanden 1940-1945" [1982]; "70 Jahre danach. Der Erste Weltkrieg im Spiegel des Buches" [1985]) oder wenn im Zusammenhang mit historischen oder politischen Personen oder Themen deren Beziehungen zur Literatur oder zu Literaten nur am Rande dargestellt wurden (So wurde ζ. B. die Ausstellung "Königin Luise von Preußen (1776 - 1810) und ihre Zeit" [1977] nicht aufgenommen, obwohl in der Ausstellung auch "die führenden [..] Gelehrten, Künstler, Musiker, Dichter und Schriftsteller vorgestellt" [Rez.] werden.) Zur Ausstellungsrecherche In einem ersten Schritt wurden germanistische, bibliothekarische und museumswissenschaftliche Periodika, Bibliographien und Datenbanken auf Ausstellungsanzeigen und -besprechungen hin durchgesehen. Weitere Angaben zu Literaturausstellungen wurden dem Rücklauf des Fragebogens entnommen1, bei dem einige Institutionen ihrer Antwort ausführliche Aufstellungen der bisher von ihnen gezeigten Ausstellungen beifügten.
Literaturausstellungen in der BRD und der DDR
245
Quellenverzeichnis der Dokumentation: Anzeiger. Aktuelle Mitteilungen der Akademie der Künste (W.-Berlin) 1(1984) - 2(1985) Der Archivar. 2(1949) - 38(1985) Bibliotheksdienst. 1(1967) - 8(1976) Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. Ausgabe Frankfurt. 5(1949) 41(1985) Datenbank der Deutschen Bibliothek Frankfurt a. M., Stichwort Ausstellung Germanistik. 1(1960) - 26(1985) Hessische Blätter für Volks- und Kulturforschung. 1(1975/76) -18(1985) ICOM news. 24(1971) - 39(1986) Jahrbuch der Deutschen Bücherei Leipzig. 1(1965) - 20(1985) Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. 1(1957) - 29(1985) Jahresbericht der Stadtbüchereien der Landeshauptstadt Hannover. 1(1956) 30(1985) Kunstchronik. 2(1949) - 38(1985) Marginalien. 1(1957) - 39(1986) Mitteilungen der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin. 1(1963) -10(1972)5 Mitteilungen. Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik. 10(1972)6 - 23(1985) Museumskunde. 29(1960) - 50(1985) Neue Museumskunde. 1(1958) - 28(1985) Pehle, Margot: Die Veröffentlichungen des Schwäbischen Schillervereins und der Deutschen Schiller-Gesellschaft 1895 - 1980. - Marbach a. N.: Deutsche Schillergesellschaft 1980, 93S. Philobiblon. (Hamburg) 1(1957) - 29(1985) Schule und Museum. 1(1976) -16/17(1981) Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. 1(1954) - 22(1985) Zentralblatt für Bibliothekswesen. 63(1949) - 99(1985)
246 Susanne Ebeling/Matthias Lohrer Nach Zusammenstellung aller ermittelten Ausstellungen wurden den ausrichtenden Institutionen die gesammelten Daten mit der Bitte um Korrektur und Vervollständigung zugesandt. Die Angaben zu den Katalogen wurden entweder durch Autopsie oder anhand des Gesamtverzeichnisses des deutschsprachigen Schrifttums 1911-1965, der Deutschen Bibliographie, des Verbundkataloges, des Gesamtkataloges der Düsseldorfer Kulturinstitute und des British Library Catalogue überprüft. Angegeben sind bei jeder Ausstellung, soweit Daten zur Verfügung standen: der Titel (identisch mit dem Titel des eventuell erschienenen Katalogs). Beim Untertitel wurde das Wort "Ausstellung" weggelassen; bei Gedenkanlässen wurde in der Form "Zum x. Todes-/Geburtstag normiert). der Ort, der Veranstalter (Die Angabe der Stadt, die beim Ausstellungsort schon angeführt wurde, wird nicht wiederholt). die Dauer, der Autor und Bearbeiter (identisch mit den Verfassern des eventuell erschienenen Kataloges.) Haben mehr als zwei Autoren das Ausstellungskonzept erarbeitet, so erscheint lediglich der erstgenannte Verfasser namentlich, die Mitwirkung der übrigen wird durch "u. a." kenntlich gemacht, Mitarbeiter werden nicht aufgeführt. die WanderStationen der Katalog. (Wird im Verlagsfeld "Selbstverlag" angegeben, so sind Verleger und Veranstalter identisch). Die Ausstellungen werden chronologisch aufgeführt. Diejenigen, von denen nur das Jahr der Veranstaltung bekannt ist, werden jeweils vor denen genannt, deren Ausstellungsdauer sich genauer angeben läßt.
Anmerkungen: 1
Thomas Dieize//Hans-Otto Hügel, Deutsche Literarische Zeitschriften 1880 -1945. Ein Repertori um. - München u. a.: 1988, Bd 1, S. 9
2
Siehe dazu der Aufsatz von Susanne Ebeling: Ausstellungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland. Auswertung einer Umfrage. In diesem Band S. 159 - 1 7 0
Literaturausstellungen in der BRD und der DDR 1 Johann Wolfgang von Goethe. Ort: Altenburg, Rathaus. Veranstalter: Thüringisches Staatsarchiv Altenburg. Dauer: 1949. 2 Zum Goethe-Jahr erschienene Goethe-Literatur. Ort: Berlin. Veranstalter: Berliner Verleger- und Buchhändlervereinigung. Dauer: 1949. 3
Goethe und seine Zeit. Autor: Edwin Redslob. Ort: Berlin. Veranstalter: Freie Universität. Dauer: 1949. Katalog: Berlin: Blaschkerdruck 1949. 4
Johann Wolfgang von Goethe. Ort: Darmstadt, Prinz-Georg-Palais. Veranstalter: Goethe-Gesellschaft Darmstadt. Dauer: 1949. Katalog: Darmstadt: Selbstverlag 1949. 5
Kunst und Künstler bei Goethe. Zum 200.Geburtsög. Autor: G. Adriani. Ort: Düsseldorf. Veranstalter: Kunstsammlungen der Stadt. Dauer: 1949. Katalog: Düsseldorf: Selbstverlag 1949. 6 Leipzig und Goethe. Ort: Leipzig. Dauer: 1949. 7
Das Goethe-Schrifttum zum Jubiläumsjahr. Ort: Leipzig. Veranstalter: Deutsche Bücherei. Dauer: 1949. « Die Stellung Goethes im Wirtschaftsleben. Ort: Leipzig. Veranstalter: Handwerkskammer Thüringen. Dauer: 1949.
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9 Goethe und Frankreich 1749 -1949. Autor: M. François. Ort: Mainz. Veranstalter: Direction Générale des Affaires Culturelles. Dauer: 1949. Katalog: Mainz: Selbstverlag 1949. 10
Goethe und seine Drucker. Festausgaben, Illustrationen, Pressedrucke. Autor: Helmut Presser. Ort: Mainz, Gutenberg-Museum. Veranstalter: Gutenberg-Gesellschaft. Dauer: 1949. Katalog: Mainz: Selbstverlag 1949. 11 Aus dem Goethe-Schillerschen Lebenskreis. Autor: Manfred Koschlig. Ort: Marbach a. N. Veranstalter: Schiller-Nationalmuseum. Dauer: 1949. Katalog: Marbach a. N.: Selbstverlag 1949. 12 45 Jahre Münchener Kultur. Zum 45jährigen Bestehen des Piper-Verlages. Ort: München. Veranstalter: Neue Sammlung. Dauer: 1949. 13 Goethe und sein Kreis. In Originalhandschriften der Sammlung Geigy-Hagenbach Basel. Ort: Ölten. Veranstalter: Neues Museum. Dauer: 1949. Katalog: Ölten: Selbstverlag 1949. 14 Goethe. Erstausgaben, Handschrif Dokumentennumm Goethe-Schrifttum. Autor: H. Schiel und L. Langenfeld. Ort: Trier, Museum der Stadt. Veranstalter: Stadtbibliothek. Dauer: 1949. Katalog: Trier: Selbstverlag 1949. 15 Goethes Farbenlehre. Ort: Weimar.
248 Susanne Ebeling/Matthias Lohrer Veranstalter: Goethe-Nationalmuseum. Dauer: 1949. 16 Ein Blick in Goethes Geisteswelt. Ort: Gotha, Goethe-Zimmer im Schloß Friedenstein. Veranstalter: Landesbibliothek. Dauer: Mäiz - Sept 1949. 17 Goethe. Leben und Schaffen. Ort: Bielefeld, Rudolf-Oetker-Halle. Veranstalter: Stadt Bielefeld. Dauer: 6.5. - 7.6.1949. Katalog: Bielefeld: Velhagen & Klasing 1949. 18 Goethe und die Pfalz. Berührung mit Landschaft und Menschen. Ort: Speyer. Veranstalter: Pfalzische Landesbibliothek. Dauer: 8. - 31.5.1949. 19 Deutsche Übersetzungen französischer Werke. Ort: Tübingen. Veranstalter: Centre d'études françaises. Dauer: 1. - 27.6.1949. 20 Puschkin und die russische Literatur des ^.Jahrhunderts. Ort: Dresden. Veranstalter: Sächsische Landesbibliothek. Dauer: 5. - 25.6.1949. 21 Alexander Puschkin. Zum 150.Geburtstag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: 6. - 30.6.1949. 22 1749 -1949. Goethe und Freiberg. Autor: Paul Krenkel. Ort: Freiberg. Veranstalter: Stadt- und Bergbaumuseum. Dauer: 17.6. - Aug. 1949. Katalog: Freiberg: Selbstverlag 1949. 23 Improvisationen zu Goethe. Autor: Ernst Block.
Ort: München. Veranstalter: Bayerische Akademie der Schönen Künste. Dauer: Juli - Sept. 1949. Katalog: München: Selbstverlag 1949. 24 Erinnerungen an Goethe und seine Umwelt. Zum 200.Geburtstag am 28.8.1949. Ort: Essen, Saal des Einrichtungshauses Kramm. Veranstalter: Goethe-Gesellschaft Essen. Dauer: 21.8. - 15.9.1949. Katalog: Essen: Selbstverlag 1949. 25 Johann Wolfgang von Goethe. Leben und Werk. Aus der Sammlung Kippenberg. Autor: Ingeborg Schnack und Renate Scharfenberg. Ort: Marburg, Universitätsbibliothek. Veranstalter: Stadt Marburg und Philipps-Universität. Dauer: 22.8. -17.9.1949. Katalog: Marburg: Selbstverlag 1949. 26 Deutschland, wie Goethe es sah. Freunde und Zeitgenossen. Das Werk G. M. Klauers. Autor: Ingeborg Schnack und Renate Scharfenberg. Ort: Marburg, Universitätsmuseum. Veranstalter: Stadt Marburg und Philipps-Universität. Dauer: 22.8. -17.9.1949. Katalog: Marburg: Selbstverlag 1949. 27 Goethe in seiner Zeit - Goethe in unserer Zeit. Ort: Halle, Moritzburgmuseum Veranstalter: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Zusammenarbeit mit den Städtischen Sammlungen. Dauer: 27.8. -18.9.1949. 29 Goethe und Jena. Ort: Jena, Stadtmuseum. Veranstalter: Stadtmuseum und Universitätsbibliothek Jena. Dauer: 27.8. - 9.10.1949.
Literaturausstellungen in der BRD und der DDR
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30 Goethe in der Musik. Zum 200.Geburtstag. Ort: Berlin/DDR, Deutsche Staatsbibliothek. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek und Deutscher Goethe-Ausschuß. Dauer: 28.8. - 2.10.1949.
38 George Bernhard Shaw. Anläßlich seines Todes am 2.11.1950. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: 13.11. - 2.12.1950.
31 Goethe und die Brüder von Humboldt. Ort: Berlin, Bezirksamt Reinickendorf. Veranstalter: Abteilung für Volksbildung/Amt für Kunst. Dauer: Sept./Okl 1949.
39 400 Jahre Freiburger Buch. Ort: Freiburg. Veranstalter: Universitätsbibliothek. Dauer: 25. - 27.11.1950.
32 Aus dieser Welt stieg Goethe auf. Autor: C. Becker. Ort: Halberstadt, Schule am Bismarckplatz. Veranstalter: Stadt Halberstadt. Dauer: 3.9. - 22.10.1949. Katalog: Halberstadt: Selbstverlag 1949. 33 Deutsche Bücher 1933 -1945. Ort: Stuttgart Veranstalter: Württembergische Landesbibliothek. Dauer: 24.9. -16.10.1949. Katalog: Stuttgart: Kohlhammer 1949. 34 Ernst Barlach. Ort: Halle, Landesgalerie des Moritzburgmuseums. Dauer: 1950. 35 Thomas Mann. Zum 75.Geburtstag. Ort: Lübeck. Veranstalter: Städtische Bibliothek. Dauer: 1950. 36 Maxim Gorki. Ort: Dresden. Veranstalter: Sächsische Landesbibliothek. Dauer: März 1950. 37
Honoré de Balzac. Zum lOO.Todestag. Ort: Dresden. Veranstalter: Sächsische Landesbibliothek. Dauer: Aug. 1950.
40 Eduard Mörike. Zum 75.Todestag. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: Juni - Nov. 1950. 41 Heinrich Mann. Ort: Leipzig, Deutsche Bücherei. Veranstalter: Deutsche Akademie der Künste. Dauer: 1951. 42 Hans Erich Blaich (Dr. Owlglass) (1873-1945). Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 1951. 43 Karl Stirner (1882-1943). Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 1951. 44 Bruno Frank (1887-1945). Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 1951. 45 Isolde Kurz (1853-1944). Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 1951. 46 Karl Vollmoeller (1878-1948). Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft.
250 Susarme Ebeling/Matthias Lohrer Dauer: 1951. 47 Anna Schieber (1867-1945). Ort: Maibach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft Dauer: 1951. 48 Max Reuse hie (1890-1947). Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 1951. 49 Aus dem Lebenswerk des Dichters Heinrich Mann. Zum 80.Geburtstag. Autor: Alfred Kantorowicz. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Akademie der Künste. Dauer: 25.3. - 30.4.1951. Wanderstationen: Leipzig, Deutsche Bücherei (15.5. -16.6.1951); Rostock, Museum (1. -15.7.1951); Ahrenshoop, Kunstkaten (20.7. - 31.8.1951). Katalog: Berlin/DDR: Selbstverlag 1951. 50 Johannes R. Becher. Zum 60.Geburtstag. Autor: Arnold Zweig. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Akademie der Künste. Dauer: 25.5. -19.6.1951. Wanderstationen: Wittenberg (28.7. - 28.8.1951); Leipzig, Deutsche Bücherei (3. - 20.9.1951); Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt (6. - 23.10.1951); Dresden, Sächsische Landesbibliothek (14.11. -1.12.1951); Bernburg (21.3. 16.4.1952); Kühlungsborn (2. -14.7.1952). Katalog: Berlin/DDR: Selbstverlag 1951. 51 Bernhard Kellermann. Zum Ableben am 17.10.1951. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: 23.10. - 6.12.1951. 52 Gerhart Hauptmann. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Öffentliche Wissenschaftliche Bibliothek. Dauer: 1952.
53 Victor Hugo. Zum 150.Geburtstag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: 26.2. - 20.3.1952. 54 Emile Zola. Zum 50.Todestag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: 29.9. -14.10.1952. 55 Friedrich Ludwig Jahn. Zum lOO.Todestag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: 15.10. -11.11.1952. 56 Gerhart Hauptmann. Zum 90.Geburtstag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: 15.11.-2.12.1952. 57 Düsseldorfer Schauspielhaus-Dumont-Lindemann und Deutsches Theater am Rhein. Autor: Gustav Lindemann u. a. Ort: Düsseldorf, Geschichtliche Sammlungen. Veranstalter: Dumont-Lindemann-Archiv. Dauer: 19.11.1952-? 58 Gerhart Hauptmann. Zum 90.Geburtstag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Akademie der Künste. Dauer: 19.12.1952-25.1.1953. Wanderstationen: Radebeul, Gerhart-HauptmannArchiv (15.2. - 8.3.1953); Görlitz, Theater (30.4. 15.6.1953); Hiddensee, Hauptmann-Haus (Juli 1953). 59 Johann Gottfried Herder. Zum 150.Todestag. Ort: Greifswald. Dauer: 1953. 60 Wilhelm Waiblinger. Zum 150.Geburtstag. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 1953.
Literaturausstellungen in der BRD und der DDR 61 Humor in der schwäbischen Dichtung. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 1953.
69 Wilhelm Müller. Ort: Dessau. Veranstalter: Landesbücherei. Dauer: Okt. 1953.
62 Heinrich Lilienfein. Zum 75.Geburtstag. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche SchillergesellschafL Dauer: 1953.
70 Aus Herders Leben und Werk. Autor: Ingeborg Schnack. Ort: Marburg. Veranstalter: Universitätsbibliothek und JohannGottfried-Herder-Institut. Dauer: 18. - 22.12.1953.
63 Carl Weitbrecht. Zum 50. Todestag. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche SchillergesellschafL Dauer: 1953. 64 Isolde Kurz. Zum lOO.Geburtstag. Ort: Reutlingen. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft Dauer: 1953. 65 Nachlaß Maximilian Harden. Ort: Wuppertal-Elberfeld. Veranstalter: Stadtbibliothek. Dauer: Feb. 1953. Katalog: Wuppertal: Selbstverlag 1952 (masch.schr.). 66 Erich Weinert. Zum Ableben am 21.4.1953. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: April 1953. Í7 François Rabelais. Zum 400.Todestag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: 9.4. -10.5.1953. (8 Conrad Ekhof. Die Entwicklung des deutschen TheaUrs im 18.Jahrhundert. Ort: Gotha. Veranstalter: Landesbibliothek. Dauer: Juni 1953.
251
71 Aus der Friihzeit der Germanistik. Quellen und Forschungen. Autor: Waither Matthey. Ort: Nürnberg. Veranstalter: Germanisches National-Museum. Dauer: 1954. Katalog: Nürnberg: Selbstverlag 1954. 72 Gotthold Ephraim Lessing. Zum 225.Geburtstag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: 22.1. - 7.3.1954. Ti Christian Wolff. Ort: Halle. Veranstalter: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt. Dauer: März 1954. 74 Martin Andersen Nexö. Zum Ableben am 1.6.1954. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: Juni/Juli 1954. 75 Wilhelm Raabe. Ort: Braunschweig. Veranstalter: Städtisches Museum. Dauer: 12. - 30.9.1954. Katalog: Braunschweig: Ortsvereinigung Braunschweig der Raabe-Gesellschaft 1954.
252 Susanne Ebeling/Matthias Lohrer 76 Schiller in Berlin. Seine Einwirkung auf das Berliner Geistesleben im Spiegel der Literatur. Autor: H. Raabe und A. Weiler. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Stadtbibliothek. Dauer: 1955. Katalog: Berlin/DDR: Selbstverlag 1955. 77 Handschriften. Zur Feier des 28. August 1955. Ort: Frankfurt a. M., Goethe-Haus. Veranstalter: Freies Deutsches Hochstift. Dauer: 1955. Katalog: Frankfurt a. M.: Selbstverlag 1955. Bemerkung: Goethe-Ausstellung. 78 Wilhelm Hey. Ort: Gotha, Schloß Friedenstein. Veranstalter: Landesbibliothek. Dauer: 1955.
83 Brüder Grimm. Ort: Marburg. Dauer: 1955. 84 Friedrich Schiller. Sein Leben und Wirken in Dokumenten. Autor: Prof. Dr. Flach, Prof. Dr. Karl-Heinz Hahn und Dr. Hans-Joachim Schreckenbach. Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1955. Katalog: Weimar: Selbstverlag 1955. 85 Christian Thomasius. Zum 300.Geburtstag. Ort: Berlin/DDR, Deutsche Staatsbibliothek. Veranstalter: Martin-Luther-Universität Halle. Dauer: 4.3. - 15.4.1955.
79 Gotthold Ephraim Lessing. Zum 225.Geburtstag. Ort: Gotha, Schloß Friedenstein. Veranstalter: Landesbibliothek. Dauer: 1955.
86 Ausgewählte Literatur der Deutschen Demokratischen Republik. Ort: Stuttgart, Hotel Marquardt (Foyer). Veranstalter: Firma Kunst und Wissen sowie der Deutsche Buch-Export und Import. Dauer: April 1955.
80 Friedrich Schillers Beziehungen zur Universität Halle. Ort: Halle. Veranstalter: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt. Dauer: 1955.
87 Schillers Werk in Druck und Bild. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 7.5.1955 - ?
81 Christian Thomasius. Zum 300.Geburtstag des geistigen Begründers der Universität Halle. Ort: Halle. Veranstalter: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt. Dauer: 1955. 82 Friedrich Schiller. Ort: Leipzig. Veranstalter: Deutsche Bücherei. Dauer: 1955.
88 Cotta als Verleger der Klassiker. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 7.5.1955. - ? 89 Friedrich von Schiller. Zum 150.Todestag. Ort: Berlin/DDR, Deutsche Staatsbibliothek. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek und Universitätsbibliothek. Dauer: 9.5. - 30.6.1955. 90 Friedrich von Schiller. Zum 150.Todestag. Autor: C. Mosel und 1. Woldering. Ort: Hannover.
Literaturausstellungen in der BRD und der DDR Veranstalter: Kestner-Museum. Dkiuer: 9.5. - 30.6.1955. Katalog: Hannover: Selbstverlag 1955. 9:1 Schiller in Jena 1789 -1799. Alutor: O. Schmolitzki. 0>rt: Jena. Vieranstalter: Stadtmuseum. Dkiuer: 12.5. - 21.8.1955. Katalog: Jena: Selbstverlag 1955.
253
97 Martin Andersen Nexö. Ort: Berlin/DDR, Deutsche Staatsbibliothek. Veranstalter: Martin-Andersen-Nexö-Kuratorium und Deutsche Akademie der Künste. Dauer: 15.10. - 15.11.1955. 98 Martin Andersen Nexö. Ort: Leipzig. Veranstalter: Deutsche Bücherei. Dauer: Nov. 1955 - Feb. 1956.
92
Tlhomas Mann. Zum 80.Geburtstag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Litauer: Juni 1955. 93
Menschen und Bücher um Schiller. Zum 150.Todestag. Bildnisse, Handschriften, Bücher. Autor: Karl Becker. Ort: Halberstadt, Gleimhaus. Veranstalter: Gleimhaus und Kreis-Schillerkomitee. Dauer: Juni - Aug. 1955. Katalog: Halberstadt: Selbstverlag 1955. 94
Hans Sachs und der Meistergesang. Autor: Karlheinz Goldmann. Ort: Nürnberg, Stadtarchiv. Veranstalter: Stadtbibliothek. Dauer: 17.6. -15.7.1955. Katalog: Nürnberg: Selbstverlag 1955. 95 F.C. Weiskopf. Zum Ableben am 14.9.1955. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: Sept. 1955. 96 Adalbert Stifter. Zum 150. Geburtstag. Autor: Johanna Freiin von Hetzogenberg u. a. Ort: München, Prinz Carl-Palais. Veranstalter: Bayerische Akademie der Schönen Künste, Adalbert Stifter-Verein und Adalbert StifterGesellschaft München. Dauer: 6. - 25.9.1955. Katalog: München: Bayerische Akademie der Schönen Künste 1955.
99 Adam Mickiewicz. Zum lOO.Todestag. Autor: Gerhard Schwarz und Gerhard Strozyk. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: 26.11. - 31.12.1955. Katalog: Berlin/DDR: Selbstverlag 1956. 100 Don Quijote in der internationalen Buchkunst. Ort: Berlin/DDR, Karl-Marx-Buchhandlung. Veranstalter: Pirckheimer-Gesellschaft. Dauer: 1956. 101 Adam Mickiewicz. Ort: Greifewald. Veranstalter: Universitätsbibliothek. Dauer: 1956. 102 Deutsche Dichterhandschriften aus der ersten Hälte des 19. Jahrhunderts. Autor: Prof. Dr. Hahn, Prof. Dr. Flach, Dr. Schrekkenbach. Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1956. Katalog: Weimar: Selbstverlag 1956. 103 Heinrich Heine. Dichter der Nation. Autor: Dr. Handrick, Dr. Klingenberg. Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1956. Wanderstationen: Wanderstationen unbekannt Katalog: Weimar: Selbstverlag 1956.
254 Susanne Ebeling/Matthias Lohrer 104 Aus Goethes naturwissenschaftlichen Sammlungen. Autor: Prof. Holtzhauer, Leepin. Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Foischungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1956.
111 Literatur der Deutschen Demokratischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland. Ort: Hannover, Künstlerhaus. Veranstalter: Deutscher Buch-Export und Import sowie die Buchhandlung Schmor! und von Seefeld in Hannover.
105 Faust. Autor: Prof. Dr. Jericke, Menzel. Ort: Weimar, Goethe-Institut. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1956.
Dauer: 2.- 12.8.1956.
106 Heine als Publizist. Zum lOO.Todestag am 17.Februar 1956. Autor: Liselotte Lohrer. Ort: Marbach a. N. Veranstalter: Schiller-Nationalmuseum. Dauer: Feb. 1956. Katalog: Marbach: Selbstverlag 1956. 107 Heinrich Heine. Zum lOO.Todestag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: 17.2. - 28.5.1956. 108 Deutsche Dichtung um 1900. Handschriften, Bildnisse, Drucke. Autor: Walther Migge. Ort: Marbach a. N. Veranstalter: Schiller-Nationalmuseum. Dauer: Mai - Okt. 1956. Katalog: Marbach: Selbstverlag 1956. 109 DDR-Literatur. Ort: München, Deutsches Museum. Veranstalter: Deutscher Gewerkschaftsbund. Dauer: 30.5. - 10.6.1956. Katalog: Berlin/DDR: Dietz 1956. 110 Hermann Hesse. Zum 80.Geburtstag. Ort: Gotha, Schloß Friedenstein. Veranstalter: Landesbibliothek Gotha. Dauer: 7.7. - 22.9.56.
112 Ernst Moritz Arndt. Dokumente seines Lebens und Wirkens. Ort: Greifswald. Veranstalter: Universitätsbibliothek. Dauer: 14. - 28.10.1956. Katalog: Greifswald: Selbstverlag 1956. 113 G.W.F. Hegel (1770-1831). Zum 125.Todestag. Handschriften und Erstdrucke. Ort: Berlin/DDR, Deutsche Staatsbibliothek. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek und HegelKomitee. Dauer: 14.11. - 9.12.1956. 114 Goethe und seine Zeit. Autor: Prof. Dr. Edwin Redslob. Ort: Berlin. Veranstalter: Universitätsbibliothek der Freien Universität. Dauer: 1957. 115 Goethe und das Bad Lauchstädter Theater. Ort: Leipzig. Veranstalter: Zweigbibliothek der Technischen Hochschule. Dauer: 1957. 116
Ricarda Huch (1864-1947). Zum lO.Todestag. Autor: Hans-Henrik Krummacher u. a. Ort: Marbach a. N. Veranstalter: Schiller-Nationalmuseum. Dauer: 1957. Katalog: Marbach: Selbstverlag 1957. 117 Roter Oktober und klassische deutsche Literatur. Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur.
Literaturausstellungen in der BRD und der DDR Dauer: 1957. WandeTstationen: Wanderstationen unbekannt. 118
Handschriften deutscher Dichter aus zwei Jahrhunderten. Autor: Dr. Schreckenbach, Prof. Dr. Flach. Ort: Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1957. Katalog: Weimar: Selbstverlag 1957. 119 Josef Weiß. Ort: Leipzig. Veranstalter: Deutsche Bücherei. Dauer: 16.1. - 10.2.1957. 120 Die Deutsche Bücherei, ihre Entwicklung und ihre Aufgaben. Zur Frühjahrsmesse 1957. Ort: Leipzig. Veranstalter: Deutsche Bücherei. Dauer: Feb. - April 1957. 121
Deutsche Dichterhandschriften, Bildnisse, Erstdrukke. Autor: Walther Migge. Ort: Ravensburg, Altes Theater. Veranstalter: Schiller-Nationalmuseum Marbach a. N. Dauer: 10. - 28.2.1957. Katalog: o.O.: [Als Manuskript gedruckt] 1957. 122
Hermann Hesse. Zum 80.Geburtstag. Werk und Persönlichkeit. Autor: Bernhard Zeller und Walther Migge. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 12.5. - 15.10.1957. Katalog: Marbach: Selbstverlag 1957. 123
Hfinrich Heine. Altor: Dr. Handrick. Ort: Weimar, Goethe-Institut. Vtranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Diuer. Sep. 1957.
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Bemerkung: Erweiterung der Ausstellung "Heinrich Heine. Dichter der Nation" von 1956. 124 Joseph Freiherr von Eichendorff. Zum lOO.Todestag. Autor: Inge Feuchtmayr u. a. Ort: München, Prinz-Carl-Palais. Veranstalter: Bayerische Akademie der Schönen Künste. Dauer: 12.11. -10.12.1957. Wanderstationen: Heidelberg. Katalog: München: Selbstverlag 1957. 125 Friedrich Rückert. Ort: Schweinfurt, Rathaus. Veranstalter: Stadtarchiv. Dauer: Dez. 1957. 126 Ernest Hemingway. Ort: Dortmund. Veranstalter: Stadtbücherei. Dauer: 1958. 127 Frauen der Goethezeit. Autor: Helga Haberland und Wolfgang PehnL Ort: Frankfurt a. M., Goethe-Haus. Veranstalter: Freies Deutsches Hochstift Dauer: 1958. Katalog: Frankfurt a. M.: Selbstverlag 1958. 128 John Milton. Zum 350. Geburtstag. Ort: HaUe. Veranstalter: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt. Dauer: 1958. 129 "Ich bin jetzt ganz Zeichner...". Autor: Dr. Femmel. Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1958. Katalog: ja. 130 Das Weimarer Liebhabertheater. Autor: Prof. Dr. Jericke.
256 Susanne Ebeling/Matthias Lohrer Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: Mai 1958. 131 Rudolf Alexander Schröder. Zum 80.Geburtstag. Autor: Hans-Henrik Krummacher. Ort: Marbach a. N. Veranstalter: Schiller-Nationalmuseum. Dauer: 26.1. - 30.6.1958. Katalog: Marbach: Selbstverlag 1958. 132 Maxim Gorki in Deutschland. Zum 90.Geburtstag. Autor: H. H. Bielfeldt u. a. Ort: Berlin/DDR, Deutsche Staatsbibliothek. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek und GorkiKomitee beim Slawischen Institut der HumboldtUniversität Berlin/DDR. Dauer: 28.3. - 26.4.1958. Katalog: Berlin/DDR: Selbstverlag 1958. 133 William Morris. Ort: Offenbach, Klingspor-Museum. Veranstalter: William Morris Society mit Unterstützung der Britischen Botschaft Bonn. Dauer: 11.4. - 28.5.1958. Wanderstationen: London; Berlin.
137 Die Großen und die Vergessenen. Gestalten der deutschen Literatur zwischen 1870 und 1933. Handschriften, Bildnisse, Drucke aus dem Literaturarchiv der Deutschen Schillergesellschaft. Autor: Waither Migge. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 1.8.1958 - 15.2.1959. Katalog: Maibach: Selbstverlag 1958. 138 Quellen deutscher Dichtung. Original- und Gesamtausgaben, Autographen und Bildnisse vom Theuerdank bis Goethes Tod. Ort: Hamburg. Veranstalter: Staats- und Universitätsbibliothek. Dauer: Sept/OkL 1958. 139 Sozialistische Verlage von 1918 bis 1933. Ort: Leipzig. Veranstalter: Deutsche Bücherei. Dauer: Sept. - Okt. 1958. 140 Dada. Ort: Düsseldorf. Dauer: 5.9. -19.10.1958. Wanderstationen: Frankfurt a. M.; Amsterdam.
134 Verboten und Veibrannt. Ort: Hamburg. Veranstalter: Staats- und Universitätsbibliothek. Dauer: Juni 1958.
141 Johannes R. Becher. Zum Ableben am 11.10.1958. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: Okt. 1958.
135 400 Jahre Bayerische Staatsbibliothek. Autor: Wolfgang Hörmann. Ort: München. Veranstalter: Bayerische Staatsbibliothek. Dauer: Juni - Okt.1958. Katalog: München: Hirmer 1958.
142 Bibeln aus zwei Jahrtausenden. Ort: Erlangen. Veranstalter: Universitätsbibliothek. Dauer: 7.10. - 23.11.1958. Katalog: Erlangen: Selbstverlag 1958.
136 Tagebücher deutscher Dichter des 18./19. Jahrhunderts. Autor: Prof. Dr. Hahn. Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: Juni 1958.
143 Joachim Ringelnatz. Ort: Hamburg. Veranstalter: Staats- und Universitätsbibliothek. Dauer: 4.11. - 4.12.1958. 144 Die Hohe Carlsschule. Ort: Stuttgart.
Literaturausstellungen Damer: 4.11.1958 - 30.1.1959. 1455 Cairi Friedrich Zelter 1758 -1958. Zum 200.Geburtstag. Auuor: Irmgard Kräupl. Ont: Düsseldorf. Veranstalter: Goethe-Museum. Dmuer: 11.12.1958-1.2.1959. Katalog: Düsseldorf: Selbstverlag 1958. 14+6 Scthiller durch zwei Jahrhunderte. Aiutor: Edwin Redslob. Ont: Berlin, Schloß Charlottenburg. Dauer: 1959. Katalog: Berlin: Colloquium Verlag 1959 und in: Jalhrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 4 (I960) S.502-510. 14-7 ScMler. Zum 200.Geburtstag. Autographen und Bücher. Ort: Hannover, Kestner-Museum. Veranstalter: Stadtbibliothek, Landesbibliothek und Kestner-Museum Hannover. Damer: 1959. KaUalog: Hannover: Selbstverlag 1959. 14« Briüder-Griram-Besinnen. Orí: Kassel, Ständehaus. Veranstalter: Brüder-Grimm-Gesellschaft und Lions-Club. Dauer: 1959. Katalog: Kassel: Selbstverlag 1959. 149 Zeitschriften und Almanache der deutschen Klassik. Autor: Heinz Stolpe, Prof. Dr. Hahn. Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1959. Katalog: Weimar: Selbstverlag 1959. 150 'Die Räuber' und 'Kabale und Liebe'. Autor: Prof. Dr. Jericke u. a. Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1959.
in der BRD und der DDR
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151 Der Menschheit Träumer und Soldat Louis Fürnberg. Autor: Wolf. Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1959. Katalog: Weimar: Selbstverlag 1959. 152 Illustrationen zu Schillers Werken 1781 -1959. Autor: Willy Handrick. Ort: Weimar, Römisches Haus. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1959. Katalog: Weimar: Selbstverlag 1959. 153 Schiller auf der deutschen Bühne seiner Zeit. Autor: Gertrud Rudioff Hille. Ort: Weimar, Wittumspalais. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1959. Katalog: Weimar: Selbstverlag 1959. 154 'Die Räuber' und 'Kabale und liebe'. Autor: Alfred Jericke u. a. Ort: Weimar, Wittumspalais. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1959. Katalog: Weimar: Selbstverlag 1959. 155 Friedrich Schiller. Zum 200.Geburtstag. Ort: Wiesbaden. Veranstalter: Hessische Landesbibliothek. Dauer: 1959. 156 Johann Wolfgang von Goethe. Zum 210.Geburtstag. Ort: Wiesbaden. Veranstalter: Hessische Landesbibliothek. Dauer: 1959. 157 Ludovike Simanowiz. Ort: Schorndorf.
258 Susanne Ebeling/Matthias Lohrer Veranstalter: Stadt Schorndorf und Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N. Dauer: 22.2. - 7.3.1959. Wanderstationen: Ludwigsburg (15. - 31.3.1959). 158 Friedrich Schiller. Zum 200.Geburtstag. Leben, Werk und Wirkung. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 9.5.1959 -15.3.1960. Katalog: Marbach: Selbstverlag 1959. 159 Louis Fürnberg. Zum 50. Geburtstag. Ort: Weimar. Veranstalter: Deutsche Akademie der Künste. Dauer: 24.5. - 1.10.1959. Wanderstationen: Berlin (4.12.1959 -16.1.1960). 160 Stniwwelpeter. Zum 150.Geburtstag von Dr. Heinrich Hoffmann. Ort: Frankfurt a. M. Veranstalter: Historisches Museum. Dauer: 26.5.1956 - ? 161 Struwwelpeter-Hoffmann. Schriftsteller, Bürger, Aizt. Zum 150.Geburtstag Heinrich Hoffmanns. Autor: Gunter Mann. Ort: Frankfurt a. M. Veranstalter: Stadt- und Universitätsbibliothek. Dauer: 26.5. - 21.6.1959. Wanderstationen: Höchst a. M. (25.6. - 9.7.1959). Katalog: Frankfurt a. M.: Senckenbergische Bibliothek 1959. 162 Alexander von Humboldt. Zum lOO.Todestag. Ort: Berlin/DDR, Deutsche Staatsbibliothek. Veranstalter: Deutsches Institut für Länderkunde. Dauer: 27.5. - 27.6.1959. 163 Hölderlin-Drucke. Ort: München. Veranstalter: Bayerische Staatsbibliothek. Dauer: 29.5. - 7.6.1959.
164 Cotta. Dokumente, Handschriften, Bücher aus drei Jahrhunderten. Autor: Liselotte Lohrer. Ort: Stuttgart, Landesgewerbeamt. Veranstalter: Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N. und Stuttgarter Zeitung. Dauer: 18.6. - 27.7.1959. Katalog: Stuttgart: Turmhaus-Druckerei 1959. 165 Friedrich von Schiller. Ort: Demmin. Veranstalter: Kreisheimatmuseum und Kreisbibliothek Demmin. Dauer: Okt 1959. 166 Cotta in Tübingen. Dokumente, Handschriften, Bücher. Autor: Liselotte Lohrer. Ort: Tübingen. Veranstalter: Schiller-Nationalmuseum Marbach a. N. Dauer: Nov. 1959. Katalog: Tübingen 1959. 167 Friedrich Schiller und Jena zur Schillerzeit. Autor: Klaus Geißler. Ort: Jena. Veranstalter: Stadtmuseum. Dauer: 1.11.-23.12.1959. Katalog: Jena 1959. 168 Friedrich Schiller. Ort: Düsseldorf. Veranstalter: Goethe-Museum. Dauer: 6.11.1959 - 31.1.1960. Katalog: Düsseldorf: Selbstverlag 1959. 169 Schiller. Handschriften, Grafik und frühe Drucke. Autor: Detlev Lüders und Helga Haberland. Ort: Frankfurt a. M., Goethe-Haus. Veranstalter: Freies Deutsches Hochstift. Dauer. 10.11.1959-? Katalog: Frankfurt a. M.: Selbstverlag 1959. 170 Schiller, Wallenstein. Abraham a Sancta Clara. Zun 200.Geburtstag von Friedrich von Schiller, zum
Literaturausstellungen in der BRD und der DDR
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325.Todestag von Albrecht von Wallenstein und zum 250.Todestag von Abraham a Sancta Clara. Autor: Franz Xaver Pröll. Ort: Nürnberg. Veranstalter: Stadtbibliothek. Dauer: 10.11. - Dez. 1959. Katalog: Nürnberg: Selbstverlag 1959.
177 Arthur Schopenhauer. Zum lOO.Todestag. Autor: Gerhard Küntzel und Beate Leber. Ort: Frankfurt a. M. Veranstalter: Stadt- und Universitätsbibliothek. Dauer: 1960. Katalog: Frankfurt a. M.: Selbstverlag 1960.
171 Heinrich Heine und Frankreich. Ort: Hamburg. Veranstalter: Staats- und Universitätsbibliothek. Dauer: Nov./Dez. 1959.
178 Die Goethezeit in Almanachen, Miniaturen, Stammbüchern und Scherenschnitten. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum (Vestibül). Veranstalter: Deutsches Literaturarchiv. Dauer: 1960.
172 Hans Henny Jahnn. Zum 65.Geburtstag. Ort: Hamburg. Veranstalter: Staats- und Universitätsbibliothek. Dauer: 17.12.1959-13.2.1960. 173 Ahe Bühnenbilder. Ort: Berlin. Veranstalter: Kunstbibliothek. Dauer: 1960. 174 Eidre Ady. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Akademie der Künste. Dtuer: 1960. 1-5 Jchannes R. Becher. Ein Mensch unserer Zeit. Attor: Wieland Herzfelde. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse, Ministerium für Kultur uid Johannes-R.-Becher-Archiv. Diuer: 1960. Kitalog: Leipzig: Röder 1960.
179 Max Eyth. Zum 125.Geburtstag. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum (Vestibül). Veranstalter: Deutsches Literaturarchiv. Dauer: 1960. 180 Paul Zech. Zum 80.Geburtstag. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum (Vestibül). Veranstalter: Deutsches Literaturarchiv. Dauer: 1960. 181 Heinrich von Kleist und Cotta. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum (Vestibül). Veranstalter: Deutsches Iiteraturarchiv. Dauer: 1960. 182 Melanchthon und Nürnberg. Zum 400.Todestag. Autor: Karlheinz Goldmann. Ort: Nürnberg. Veranstalter: Stadtbibliothek. Dauer: 1960. Katalog: Nürnberg: Selbstverlag 1960.
Bich und Kitsch. 0;t: Berlin/DDR, Ausstellungspavillon der Berliner Zeitung. Viranstalter: Pirckheimer-Gesellschaft. Diuer: 1960. Winderstationen: Rostock, Lesesaal der Universitäsbibliothek.
183 Georg Kaiser. Zum Gedächtnis. Autor: Walter Huder. Ort: Parchim, Landestheater. Veranstalter: Georg-Kaiser-Archiv Berlin/DDR. Dauer: 1960.
260 Susanne Ebeling/Matthias Lohrer Wanderstationen: Karl-Marx-Stadt, Opernhaus (12.2. -12.3.1961); Berlin/DDR, Maxim-GorkiTheater (Juni - Juli 1961). Katalog: Berlin/DDR: Selbstverlag 1960. 184 Geschichte und Aufgabe der Goethe-Institute. Autor: Dr. Hossinger, Kiese. Ort: Weimar. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1960-1961. 185 Aus der Werkstatt deutscher Dichter. 75 Jahre Goethe-Institute. Autor: Karl Heinz Hahn u. a. Ort: Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv. Veranstalter: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur. Dauer: 1960. Katalog: Weimar: Selbstverlag 1960. 186 Anton Tschechov. Zum lOO.Geburtstag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: Jan./Feb. 1960. 187 Kurt Tucholsky. Ort: Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek. Veranstalter: Tucholsky-Kreis, Rowohlt-Verlag und Staats- und Universitätsbibliothek. Dauer: 9.1. - 2.2.1960. 188 Ernst Moritz Arndt. Zum lOO.Todestag. Freiheitssänger und Patriot. Autor: Gustav Erdmann. Ort: Stralsund, Kulturhistorisches Museum. Veranstalter: Rat des Kreises Rügen. Dauer: 28.1. - 6.3.1960. Wanderstationen: Greifswald, Museum der Stadt (29.1.-27.3.1960). Katalog: Stralsund: Stadtarchiv 1960. 189 Ernst Moritz Arndt. Zum lOO.Todestag. Leben und Werk. Ort: Bonn, Ernst-Moritz-Aradt-Haus. Veranstalter: Stadt Bonn. Dauer: 31.1. -1.5.1960.
Katalog: Bonn: Hermes 1960. 190 Ungarische revolutionäre Lyrik. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek und Gesellschaft für kulturelle Verbindung mit dem Ausland. Dauer: 25.3. - 24.4.1960. Wanderstationen: Leipzig, Deutsche Bücherei (März/April 1960); Eisenhüttenstadt, Kreisleitung der SED (Juni/Juli 1960); Greifswald, Universitätsbibliothek (Aug./Sept. 1960); Potsdam, Kulturhaus "Bernhard Kellermann" (Feb./Mäiz 1961); Brandenburg, Fontane-Klub (April/Mai 1961). 191 Johann Peter Hebel und seine Zeit. Zum 200.Geburtstag. Autor: Wilhelm Zentner (Hg.). Ort: Karlsruhe, Sammlungsgebäude Friedrichsplatz. Veranstalter: Stadt Karlsruhe. Dauer: 7.5. - 22.9.1960. Katalog: Karlsruhe: C. F. Müller 1960. 192 Expressionismus. Literatur und Kunst 1910 -1923. Autor: Paul Raabe und Heinz Ludwig Greve. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 8.5. - 31.10.1960. Wanderstationen: München, Lenbachhaus (21.11.1960 - 7.1.1961); Berlin, Akademie der Künste (5.2. -19.3.1961); New York, Goethe-Haus (28.4. - 31.5.1961); Hamburg, Staatsbibliothek (1961). Katalog: Marbach: Selbstverlag 1960. 193 Deutscher und fränkischer Humanismus in Drucken des 15. und 16.Jahrhunderts. Autor: Eberhard Dünninger. Ort: Würzburg. Veranstalter: Universitätsbibliothek. Dauer: Juni/Juli 1960. 194 Ferdinand Freiligrath. Zum 150.Geburtstag. Autor: Hedwig Gunnemann. Ort: Dortmund. Veranstalter: Stadt- und Landesbibliothek. Dauer: 29.6. -12.8.1960. Katalog: Dortmund: Selbstverlag 1960.
Literaturausstellungen in der BRD und der DDR 195 Amton Kippenberg. Zum lO.Todestag. Ont: Düsseldorf. Veranstalter: Goethe-Museum. Damer: 21.9.1960 - ?
Ort: Dortmund. Veranstalter: Stadt- und Landesbibliothek. Dauer: 1961.
19(6 Auis Schule und Schrifttum in Franken bis zum Humanismus. Auaor: Josef Hofmann. Ortt: Wüizburg. Veranstalter: Universitätsbibliothek. Damer: 26.9. -14.10.1960.
202 Deutsche Literatur im Exil. Ort: Frankfurt a. M. Dauer: 1961. Katalog: Frankfurt a. M.: Amelang 1961. 203 Heinrich von Kleist. Ort: Hannover, Opernhaus. Dauer: 1961.
197 Die literarischen und wissenschaftlichen Beziehungen] zwischen Nürnberg und Großbritannien im 17. unid 18.JahrhunderL Autor: Karlheinz Goldmann. Ort: Nürnberg. Veranstalter: Stadtbibliothek. Damer: 14.10. - 30.11.1960. Katalog: Nürnberg: Selbstverlag 1960. 198 400 Jahre Nürnberger Kinder- und Jugendbücher. Autor: Karlheinz Goldmann. Ort: Nürnberg. Veranstalter: Stadtbibliothek. Dauer: 1.12.1960 - Mitte Feb. 1961. Katalog: Nürnberg: Selbstverlag 1960. 199 Albrecht Schaeffer (1885-1950). Zum 75.Geburtstag. Autor: Rosemarie Lorenz und Werner Volke. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft Dauer: 6.12.1960 - 31.3.1961. Katalog: Marbach: Selbstverlag 1961. 200
Georg Kaiser. Autor: Walter Huder. Ort: Berlin/DDR, Maxim Gorki Theater (Foyer). Veranstalter: Dramaturgie des Maxim Gorki Theaters und Georg Kaiser Archiv. Dauer: 1961. Katalog: Berlin: Georg Kaiser Archiv 1961. 201
Malerbriefe aus zwei Jahrhunderten. Autor: Hedwig Gunnemann.
261
Katalog: Dortmund: Selbstverlag 1961.
204 Ludwig Klages (1872-1956). Autor: Hans Eggert Schröder. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 1961. Katalog: Marbach a. N.: Schiller-Nationalmuseum 1961 [Maschinenschr. vervielfältigt]. 205 Wilhelm Hauff. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum (Vestibül). Veranstalter: Deutsches Literaturarchiv. Dauer: 1961. 206
Kurt Tucholsky. Ort: München, Pavillon des Alten Botanischen Gartens. Veranstalter: Kultureferat der Stadt München, Schutzverband Bildender Künstler und TucholskyKreis Hamburg. Dauer: 1961. 207 Heinrich Mann. Aus dem Leben des Dichters. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Akademie der Künste. Dauer: März 1961. Katalog: Berlin/DDR: Selbstverlag 1961. 208 Walter Tiemann, Carl Ernst Poeschel, Karl Klingspor, Anton Kippenberg. Ort: Offenbach. Veranstalter: Klingspor-Museum.
262 Susanne Ebeling/Matthias Lohrer Dauer: 17.3. - 5.5.1961. 209 Rabindranath Tagore. Zum 100. Geburtstag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: Mai 1961.
216 'Der Sturm'. Herwarth Waiden und die Europäische Avantgarde Berlin 1912 -1932. Ort: Berlin, Schloß Charlottenburg. Veranstalter: Nationalgalerie. Dauer: 24.9. -19.11.1961. Katalog: Berlin: Hartmann 1961.
210 Johannes R. Becher. Zum 70.Geburtstag. Ein Mensch unserer Zeit Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: Mai 1961.
217 75 Jahre lebendige Vergangenheit. Die Dokumentation einer Verlagsgeschichte. Ort: Frankfurt a. M., Paulskirche. Veranstalter: S.Fischer-Verlag. Dauer: Okt 1961.
211 Weimar zur Goethezeit. Bilder, Drucke und Handschriften aus der Sammlung Edwin Redslob. Autor: Walther Migge und Rosemarie Lorenz. Ort: Marbach a. N., Schiller-Nationalmuseum. Veranstalter: Deutsche Schillergesellschaft. Dauer: 13.5.-15.11.1961. Katalog: Marbach: Selbstverlag 1961.
218 M. W. Lomonossow. Zum 250.Gebuitstag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: Nov./Dez. 1961.
212 Medicus poeticus. Dichter-Ärzte in handschriftlichen Zeugnissen. Autor: Hedwig Gunnemann. Ort: Dortmund. Veranstalter: Stadt- und Landesbibliothek. Dauer: 6.7. -18.8.1961. Katalog: Dortmund: Selbstverlag 1961. 213 Iwan Wasow. Zum 40.Todestag. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Deutsche Staatsbibliothek. Dauer: Sept./Okt. 1961. 214 Der Brief im Wandel von fünf Jahrhunderten. Ort: Nürnberg, Fränkische Galerie. Veranstalter: Philatelistentag. Dauer: Sept. 1961. 215 Christian Dietrich Grabbe. Zum 125.Todestag. Autor: Hedwig Gunnemann. Ort: Dortmund. Veranstalter: Stadt- und Landesbibliothek. Dauer: 12.9. - 31.10.1961. Katalog: Dortmund: Selbstverlag 1961.
219 August von Kotzebue (1761-1819). Zum 200.Geburtstag. Autor: Ludwig W. Böhm und Herbert Meyer. Ort: Mannheim. Veranstalter: Städtisches Reiß-Museum. Dauer: 11.11.1961 - 15.1.1962. Katalog: Mannheim: Städtisches Reiß-Museum, Wissenschaftliche Stadtbibliothek 1961. 220 Gerhart Hauptmann und Berlin. Ort: Berlin/DDR. Veranstalter: Märkisches Museum. Dauer: 1962. 221 Jean Jacques Rousseau. Zum 250.Geburtstag. Ort: Bonn. Veranstalter: Universitätsbibliothek. Dauer: 1962. 222 Johann Gottlieb Fichte. Zum 200.Geburtstag. Ort: Bonn. Veranstalter: Universitätsbibliothek. Dauer: 1962. 223 Illustrationen zu Goethes Werken. Autor: Helga Haberland. Ort: Frankfurt a. M., Goethe-Haus.
Literaturausstellungen in der BRD und der DDR Veranstalter: Freies Deutsches Hochstift. Dmuer: 1962. Kmtalog: Frankfurt a. M.: Selbstverlag 1962. 22