Briefwechsel (1818-1824): Edition und Kommentar 9783110293494, 9783110202519

This new edition is the first complete version of the correspondence between Ludwig Börne and his close confidante, Jean

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German Pages 695 [696] Year 2012

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Table of contents :
Einleitung
1. Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne
2. Ludwig Börne, Jeanette Wohl und das Frankfurter Judentum
3. Zur Editionsgeschichte des Briefwechsels
4. Editionsrichtlinien
Verzeichnis der Abkürzungen
Verzeichnis der Briefe
Der Briefwechsel (1818-1824)
Personenregister
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Briefwechsel (1818-1824): Edition und Kommentar
 9783110293494, 9783110202519

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I Luwig Börne – Jeanette Wohl Briefwechsel (1818 –1824)

II

III

Ludwig Börne – Jeanette Wohl

Briefwechsel (1818–1824) Edition und Kommentar

Herausgegeben von

Renate Heuer und Andreas Schulz

De Gruyter

IV

ISBN 978-3-11-020251-9 e-ISBN 978-3-11-029349-4 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalogue record for this book has been applied for at the Library of Congress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2012 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Börne am Stehpult, Skizze von Moritz Daniel Oppenheim (1831/1833); Skizzenbuch 1840, Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen o Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Rainer Brändle (1956–2011) in memoriam

VII

Vorwort Vor einigen Jahren entstand in dem der Frankfurter Universität angegliederten Archiv Bibliographia Judaica der Plan einer historisch-kritischen Gesamtausgabe der Werke Ludwig Börnes, die der Forschung neue Impulse geben sollte. Das Archiv ist mit seinen Materialsammlungen zu deutsch-jüdischen Autoren von der Aufklärung bis zur Gegenwart selbst ein zentraler Ausgangspunkt für bio-bibliographische Studien. In Kooperation mit dem Historischen Seminar der Johann-WolfgangGoethe-Universität konnte zunächst für das Projekt einer auf mehrere Bände berechneten Ausgabe des Briefwechsels zwischen Ludwig Börne und Jeanette Wohl breite Unterstützung mobilisiert werden. Eine zweijährige Projektförderung durch die Frankfurter Polytechnische Gesellschaft und ein Zuschuss des Kulturamtes der Stadt Frankfurt am Main ermöglichten die Finanzierung der Erarbeitung des ersten Bandes der Edition. Hierfür gebührt der Dank dem ehemaligen Universitätspräsidenten und damaligen Vorsitzenden der Polytechnischen Gesellschaft Prof. Dr. Klaus Ring und dem früheren Leiter des Kulturamtes der Stadt Frankfurt Prof. Dr. Felix Semmelroth, der trotz schwieriger kommunaler Haushaltslage eine finanzielle Beteiligung der Vaterstadt Ludwig Börnes bewerkstelligen konnte. Großen Dank schulden die Herausgeber dem Antragsteller Prof. Dr. Lothar Gall, der sich auch als Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des Archivs sehr für das Forschungsvorhaben einsetzte. Die Verwirklichung des Projekts wurde durch das freundliche Entgegenkommen von Dr. Wilhelm R. Schmidt, dem stellvertretenden Direktor der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, und Herrn Dr. Bernhard Tönnies, dem Leiter der Handschriftenabteilung, ermöglicht. Schließlich danken die Herausgeber ganz besonders der Lektorin des de Gruyter-Verlages Dr. Manuela Gerlof, die durch klare Zeitvorgaben und redaktionelle Vorschläge den Abschluss des Forschungsvorhabens entscheidend gefördert hat. Die institutionelle Kooperation zwischen Archiv und Historischem Seminar legte eine gemeinsame wissenschaftliche Erschließung und Herausgeberschaft der Briefkorrespondenz nahe. An der Transkription der im

VIII

Vorwort

Börne-Archiv der Frankfurter Universitätsbibliothek verwahrten Originalbriefe wirkte neben den Herausgebern Dziyana Kouskoutis gerade in der Vorbereitungszeit mit. Jürgen Eglinsky hat mit akribischer Sorgfalt viele nahezu unleserliche Textstellen enträtselt und bei der Korrektur fehlerhafter älterer Abschriften hervorragende Arbeit geleistet. Er war maßgeblich an der Endredaktion beteiligt. So ist eine neue, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Transkription mit begleitendem Textkommentar entstanden. Große Unterstützung bei der historisch-kritischen Kommentierung der Briefe leisteten Claudia Hahn-Reinwart und Rashmi Arora. Dank ihrer Recherchen konnten zahlreiche literarische Anspielungen, historische Sachverhalte und Personen aufgeklärt werden. Durch den wissenschaftlichen Kommentar wird der historische Kontext und Deutungshorizont der Korrespondenz erstmals vollständig erschlossen. Gedankt sei auch Gerhild Müller für die Mitarbeit bei der Projektverwaltung, Abdelhaq El Mesmoudi für die mannigfaltige technische Hilfe, Jutta Graf, Bettina Tüffers und Jens Weinhold für ihre Unterstützung bei der Endredaktion sowie Katharina Stober, Benedikt Wintgens und Andreas Biefang für zahlreiche Hinweise und Anregungen. Die Herausgeber hoffen, dass sich der Abschluss des Forschungsvorhabens durch eine weitere finanzielle Förderung realisieren lassen wird. Der vorliegende Band sollte dazu ermutigen. Frankfurt am Main und Berlin, im Dezember 2011

Die Herausgeber

IX

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

1. Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne (Andreas Schulz) . . . . . . . . . . . . . .

XIII

2. Ludwig Börne, Jeanette Wohl und das Frankfurter Judentum (Renate Heuer) . . . . . . . . . . . . . . . . .

LIII

3. Zur Editionsgeschichte des Briefwechsels (Renate Heuer) .

LXIX

4. Editionsrichtlinien (Renate Heuer und Andreas Schulz) . .

LXXIII

Verzeichnis der Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

LXXIX

Verzeichnis der Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LXXXIII Der Briefwechsel (1818–1824) . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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X

Vorwort

EINLEITUNG

Andreas Schulz

XIII

1. Der Briefwechsel und die Erfindung 1. des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne Andreas Schulz

Ludwig Börnes Briefwechsel mit seiner engsten Vertrauten Jeanette Wohl ist in jeder Hinsicht von herausragender Bedeutung für Biographie und Werk des Schriftstellers. Zu keiner anderen Person pflegte Börne einen vergleichbar intensiven Kontakt, niemand stand ihm näher als Jeanette Wohl. Die Briefe sind geeignet, eine bis heute erstaunlich selektive Rezeption und einseitige Werkinterpretation in weiten Teilen zu korrigieren. Noch immer konzentriert sich die Wahrnehmung Ludwig Börnes im Wesentlichen auf die berühmten Briefe aus Paris1, auf die Theaterkritiken und einige kleinere Erzählungen. Das Bild des Schriftstellers ist überdies stark durch die persönliche Fehde mit Heinrich Heine geprägt, der »wahrscheinlich folgenreichste[n] Kontroverse der deutschen Literatur«2. Der literarische Statuskampf beschäftigte die Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert, und Börne wie auch Jeanette Wohl wurden seither meist im Lichte dieser Auseinandersetzung und der Urteile Heinrich Heines betrachtet.3 Börnes private Briefe eröffnen einen anderen Blickwinkel insbesondere auf die Anfänge und das erste Jahrzehnt seiner schriftstellerischen Lebensphase. Bislang wurde der Briefwechsel mit Jeanette Wohl, obwohl Anfang der 1960er Jahre im Rahmen der Rippmann’schen Werkausgabe neu veröffentlicht, kaum beachtet. Dies erstaunt umso mehr, als die Korrespondenz einen au-

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3

Jüngste Ausgabe: Ludwig Börne. Briefe aus Paris. Hrsg. v. Alfred Estermann, Frankfurt am Main 1986. Ludwig Börne und Heinrich Heine, ein deutsches Zerwürfnis. Bearbeitet von Hans Magnus Enzensberger, Leipzig 1991, Editorische Notiz, S. 385. Zum Problem der Börne-Rezeption »durch das Medium Heine«: Joseph A. Kruse, »Heinrich Heine über Ludwig Börne«. Börne-Bild und Heine-Forschung, in: Inge Rippmann/Wolfgang Labuhn (Hrsg.), »Die Kunst – eine Tochter der Zeit«. Neue Studien zu Ludwig Börne, Bielefeld 1988, S. 32.

XIV

Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

tobiographischen Zugang zum Gesamtwerk erlaubt, dessen »komplexe wie komplizierte« Struktur die wissenschaftliche Forschung häufig beklagte.4 Ihre inhaltliche Rezeption wurde allerdings dadurch erschwert, dass ältere Editionen eine angemessene historische Kontextualisierung vermissen ließen. Die Neuausgabe der Briefe Ludwig Börnes an Jeanette Wohl zielt deshalb auf eine historische Kommentierung ihrer Entstehung, Intention und Wirkung. Auf der Grundlage einer Neutranskription der Autographen wird die Edition der Korrespondenz um die bislang nur in Bruchstücken veröffentlichten Gegenbriefe Jeanette Wohls ergänzt. In chronologischer Abfolge rekonstruiert, entfaltet sich ein politisch-literarischer Dialog, der aufgrund seiner Weitsicht und Vielfalt eine erstrangige Quelle für die historische und literaturwissenschaftliche Forschung darstellt. Die private Korrespondenz zwischen Ludwig Börne und Jeanette Wohl umfasst einen Zeitraum von fünfzehn Jahren – vom Beginn ihrer engeren Bekanntschaft 1818 in Frankfurt am Main bis zur Gründung eines gemeinsamen Haushaltes in Paris 1833. Börnes häufige Abwesenheit von Frankfurt war eine Folge der Weitläufigkeit seiner schriftstellerisch-publizistischen Tätigkeit. Das häufige Reisen wurde aber auch durch Zensur und politische Verfolgung erzwungen. Die kurzen Intervalle, in denen der Briefwechsel aussetzt, verbrachten beide meist gemeinsam. Die Briefe berichten Alltägliches, Privates und Persönliches, berühren familiäre Probleme und finanzielle Sorgen. Sie handeln von der großen Politik, den deutschen Verhältnissen, der Restauration der französischen Monarchie, den Verfassungs- und Nationalbewegungen in Europa. Von besonderem Interesse ist die Kultur des bürgerlichen Zeitalters: das Gespräch über Theater, Oper, Literatur, über technische Neuerungen und Moden der Zeit. Im leichten Konversationston verfasst, witzig, ironisch und geistreich, verläuft das Gespräch auf einem bemerkenswert hohen intellektuellen Niveau. Beide Briefschreiber sind Bildungsbürger par excellence, ihre Wertschätzung für Kunst, Wissenschaft und Politik ist elementarer Bestandteil ihrer Lebensführung. Der informative und zugleich unterhaltsame Stil der Korrespondenz erreicht die literarische Qualität der Briefe aus Paris. Eine singuläre Bedeutung erhalten die Briefe durch den funktionalen Bezug zum Gesamtwerk Ludwig Börnes. Sie ermöglichen eine Rekonstruk4

Helmut Richter, Ludwig Börne 1987. Anmerkungen zu Stand und Rezeption der Forschung nach zwei Gedenkjahren, in: Weimarer Beiträge 12 (1987), S. 2066– 2081, hier S. 2068.

Andreas Schulz

XV

tion der literarischen Ambitionen und politischen Intentionen, geben Einblick in die publizistischen Strategien des Autors. Die Briefe bilden eine verbindende Leitlinie zwischen den Teilen des Gesamtwerkes, dessen Entstehung, Komposition und konzeptionelle Hierarchie zentraler Gegenstand des Briefdialogs ist. An Börnes Privatkorrespondenz lässt sich die Entwicklung des unbekannten Publizisten zur öffentlichen Person nachvollziehen und Jeanette Wohls Anteil an der erfolgreichen Konstruktion seines Images als oppositioneller Nationalschriftsteller ermessen. Die Briefe geben Hinweise auf Börnes professionelles Selbstverständnis, auf das in der Forschung vieldiskutierte Verhältnis von ästhetischem Anspruch und politischer Absicht.5 Sie verdeutlichen die Handlungsspielräume und Ausweichstrategien oppositioneller Literatur unter den Bedingungen von Zensur und Repression. Bereits im 19. Jahrhundert wurde über Jeanette Wohls Verhältnis zu Ludwig Börne spekuliert, zumeist – wie durch Heine – in anzüglicher und sensationsheischender Weise. Jenseits dieses biographischen Details eignet sich der Briefwechsel geradezu exemplarisch, um die These der männlichen Konstruktion komplementärer Geschlechtscharaktere im 19. Jahrhundert zu überprüfen. Jeanette Wohl jedenfalls entzieht sich den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit. Sie begnügt sich nicht mit der normativen Rolle der treuen Gefährtin, entspricht aber genauso wenig dem romantischen Gegenentwurf einer »amour fou«. Dieses Korsett ist ihr zu eng, ihr persönlicher Ehrgeiz zielt vielmehr auf einen privilegierten Beraterstatus. Den Umfang ihrer Aufgaben bestimmt sie selbst, indem sie ganz selbstverständlich als Börnes literarische Agentin und Geschäftsführerin auftritt. So beeinflusst sie beispielsweise Börnes Verhandlungsstrategie gegenüber Johann Friedrich Cotta (1764–1832) bis in die Details von Honoraren und Leistungszusagen hinein. Jeanette Wohl berät Börne in allen Angelegenheiten seiner schriftstellerischen Arbeit, sie kopiert und redigiert seine Artikel und Briefe, schlägt Verlage und Publikationsorte vor. Sie korrigiert Börnes Selbstbild eines freien Schriftstellers, indem sie ihn zur realistischen Einschätzung seiner Begabung drängt.

5

Vor allem Wolfgang Labuhn, Literatur und Öffentlichkeit im Vormärz. Das Beispiel Ludwig Börne, Königstein/Ts. 1980, S. 165 ff., der Börnes Schriften der 1820er Jahre als »operative Literatur« oder uneigentliches Schreiben zur Tarnung politischer Absichten klassifiziert.

XVI

Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

Börne nutzt seinerseits Jeanette Wohls kulturelle Bildung bei der Abfassung seiner Kritiken, ihr ästhetisches Urteilsvermögen dient ihm als Korrektiv zur Überprüfung eigner Ansichten. Schließlich und vor allem ist die Freundin der letzte Halt während häufiger Schaffenskrisen und ernster Erkrankungen. In welch ungewöhnlichem Ausmaß das zutrifft, zeigt sich bei jeder Unterbrechung der Korrespondenz, die bei Börne sogleich große Beunruhigung, Besorgnis und Lethargie auslöst. Der tägliche Schriftwechsel und die nach Fahrplan der Post erwarteten Briefe gliedern seinen Tagesablauf. Sie beeinflussen den Rhythmus der Arbeit, seine Stimmungslage und Produktivität. Jeanette Wohl benutzt ihre Korrespondenz mit Börne als Druckmittel zur Wiederherstellung der häufig gestörten Balance zwischen der Lebensführung und dem Arbeitsalltag des Schriftstellers. Frequenz, Länge und Tonlage von Jeanette Wohls Briefen sind zuverlässige Indikatoren, wie weit es ihr gelungen ist, die Arbeitsdisziplin des Partners zu erhalten. Auch bei quellenkritischer Abwägung der Aussagekraft des Briefwechsels ist dessen Stellenwert für den Zugang zu Ludwig Börnes Werk von kaum zu überschätzender Bedeutung. Zwar ist davon auszugehen, dass weite Passagen die öffentliche Rezeption der Briefe antizipieren und insofern Elemente biographischer Selbstinszenierung und literarischer Stilisierung enthalten. Ansätze zur Selbstzensur und publizistischen Aufbereitung dürften bei den Briefen der 1820er Jahre aber selten zu finden sein. Es war nämlich nicht beabsichtigt, die Korrespondenz in toto zu veröffentlichen. Davon zeugen indirekt auch zahlreiche Streichungen und Schwärzungen in den Originalen, die Jeanette Wohl zuzuschreiben sind. Da sie sich zum Zeitpunkt der Entstehung der Korrespondenz über Art und Umfang der geplanten Publikation nicht im Klaren war, erschien ihr diese Vorsichtsmaßnahme geboten. Einer auszugsweisen Veröffentlichung, Gruppierung und Überarbeitung der Privatkorrespondenz wie bei den zwischen 1830 und 1833 entstandenen Pariser Briefen wären vermutlich viele emotionale Äußerungen und manche private Mitteilung zum Opfer gefallen. Möglicherweise hat Börnes Nachlassverwalterin Jeanette Wohl auch das Bedürfnis nach Richtigstellung der zahlreichen Gerüchte über ihr Verhältnis zu ihm später dazu bewogen, den Briefwechsel komplett zu veröffentlichen. Ein Vergleich mit den von vorneherein zur Publikation bestimmten, zwischen 1831 und 1834 in sechs Bänden unter Börnes Regie bei Hoffmann & Campe herausgegebenen Briefen aus Paris verdeutlicht die Differenz: Hatten diese eine auf die Mobilisierung der Öffentlichkeit zielende politische

Andreas Schulz

XVII

Intention, so war Börnes Privatkorrespondenz der 1820er Jahre primär an die Adressatin Jeanette Wohl gerichtet.

1. Der Entstehungskontext der Briefe Der Briefwechsel des ersten von insgesamt drei projektierten Bänden dokumentiert eine für Ludwig Börnes berufliche Existenz entscheidende Lebensphase. Hatten die napoleonischen Reformen in der Regierungszeit Karl Theodor von Dalbergs (1744–1817) viele Hoffnungen geweckt, erlebten die Juden der nunmehr »freien« Reichsstadt Frankfurt nach dem Abzug der Franzosen eine herbe Enttäuschung. Die durch eine hohe Ablösesumme erkaufte staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden wurde auf Betreiben der Frankfurter Bürgerschaft durch den Senat wieder zurückgenommen. Für Börne hatte dies auch beruflich schwerwiegende Folgen. Im Juli 1815 wurde er seines Amtes als Angestellter der Frankfurter Oberpolizeidirektion wieder enthoben, das er im November 1811 angetreten hatte. Es blieb ihm eine jährliche Pension von 400 Gulden, die er vor Gericht gegen die Stadt hatte erstreiten müssen. Börne ergriff daraufhin in der Angelegenheit der Frankfurter Juden das Wort. Zwei schriftliche Stellungnahmen zugunsten der jüdischen Familien blieben allerdings ebenso vergeblich wie eine im Auftrag der israelitischen Gemeinde Frankfurts unternommene Mission seines Vaters Jakob Baruch (1763–1827) zum Wiener Kongress. Börne erinnerte in seiner Streitschrift an das staatliche Emanzipationsversprechen gegenüber den jüdischen Glaubensgenossen, die »überall in Deutschland an der Verteidigung des Vaterlandes den pflichtmäßigen Anteil genommen und sich mit der Waffe in der Hand als Bürger bewährt haben«.6 Die Zurücksetzung der Frankfurter Juden in den Rechtsstatus der alten Judenordnung von 1616 hat Börnes Verhältnis zur Heimatstadt nachhaltig getrübt. Jüdischen Einwohnern war es weiterhin untersagt, das Wahlrecht auszuüben. Sie unterlagen erheblichen Einschränkungen bei Niederlassung, Grunderwerb und Berufswahl, und die Zahl jüdischer Eheschließungen wurde durch den Senat begrenzt. Sicherlich ist Börne durch diese Erfahrungen in dem Entschluss, zum Christentum zu konvertieren, bestärkt worden. Mit Bitterkeit erwähnte er später, dass der eigene Bruder Philipp 6

Ludwig Börne, Aktenmäßige Darstellung des Bürgerrechts der Israeliten zu Frankfurt am Main, Rödelheim/Frankfurt am Main 1816, S. X f.

XVIII

Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

Baruch als Freiwilliger im Befreiungskrieg gegen Frankreich sein Leben riskierte und man ihn selbst kurz darauf aus dem Amt entließ, »weil ich ein Jude war«.7 Es gab jedoch andere Entwicklungen, die Hoffnung machten. Mit seinen in den Briefen häufig erwähnten Studienfreunden Nathan Stiefel und Carl Leopold Goldschmidt gehörte Börne zur kleinen Minderheit jüdischer Männer, die ein Universitätsstudium aufnehmen konnten. Der ersten jüdischen Akademikergeneration blieben Staatsämter und andere herausgehobene öffentliche Positionen aber weiterhin verschlossen, so dass sie entweder als Lehrer an jüdischen Privatschulen unterrichteten oder freie Anwälte und Ärzte wurden. Auch Börne konnte ungeachtet der guten Geschäftsbeziehungen seines Vaters zum Wiener Hof kaum Aspirationen auf den Staatsdienst hegen. Obwohl er eine solche Laufbahn nicht ernsthaft erwog, ist es dennoch wahrscheinlich, dass berufliche Gründe den Ausschlag für die entscheidende Zäsur in seinem Leben gegeben haben. Dafür spricht auch die kurz vor der protestantischen Taufe im April 1818 erwirkte Namensänderung in Lud[e]wig (Carl) Börne. Vor der städtischen Behörde hatte er dies mit dem Vorhaben gerechtfertigt, eine Zeitschrift gründen zu wollen. Ein Publikum würde er hierfür, so Börne, mit seinem Geburtsnamen Löb Baruch nur schwer gewinnen. Zu groß seien die Vorurteile gegenüber der »jüdischen Nation« angesichts der mangelnden Bildung der mosaischen Glaubensangehörigen. Börnes Kalkulation ging auf, der mutige Schritt in eine freie Existenz als Publizist glückte bereits mit den ersten Zeitungsprojekten. Vor allem die 1818 erstmals publizierte Wage begründete seinen Ruf als scharfsinniger Beobachter der politischen Verhältnisse in Deutschland. Er nutzte den durch Identitäts- und Glaubenswechsel gewonnenen Freiraum, um jene Zustände publizistisch zu bekämpfen, die seine Abkehr vom Judentum notwendig hatten erscheinen lassen. Dass ihm dieser Schritt schwer gefallen war, macht die Korrespondenz mit Jeanette Wohl sehr deutlich. Die Briefe zeigen die Konsequenzen einer persönlichen Lebensentscheidung, die ihn wiederholt zu Reflexionen über das Verhältnis der jüdischen Minderheit zur Kultur seines Heimatlandes veranlasste. Börnes Äußerungen zur öffentlich lebhaft erörterten »Judenfrage« widerlegen die Ansicht, dass die jüdische Abstammung mit dem Beginn seiner 7

Ludwig Börne, Menzel der Franzosenfresser, in: Börnes Werke. Historisch-kritische Ausgabe in zwölf Bänden, hg. v. Ludwig Geiger. Band 7, hg. v. A. Stern und R. Fürst, Berlin 1913, S. 438.

Andreas Schulz

XIX

politisch-journalistischen Schriftstellerei »eine untergeordnete Stellung« eingenommen habe.8 Ludwig Börnes publizistischer Kampf für politische Freiheit verlängerte auch das frühere Engagement für die Emanzipation des Judentums. Mit einer freiheitlichen Verfassung, so seine Erwartung, würde auch die Gleichstellung der Juden einhergehen. Börnes Standpunkt war der eines emanzipierten Juden und eines deutschen Schriftstellers, der für konstitutionelle Reformen im Deutschen Bund eintrat. Der Briefwechsel insbesondere der Jahre 1818 und 1819 offenbart die Risiken, denen der politische Journalismus der Restaurationsjahre in Deutschland ausgesetzt war. Obgleich Börne der Verletzung des Postgeheimnisses scheinbar mit gelassener Ironie begegnete, lassen die Briefe stellenweise erahnen, wie schwierig und psychisch belastend es war, sich Repression und Verfolgung durch häufige Ortswechsel entziehen zu müssen und zugleich die publizistische Tätigkeit fortzusetzen. Was ihn dabei trotz angeschlagener Gesundheit antrieb – neben der moralischen und materiellen Unterstützung durch die Brieffreundin und Vertraute –, das war die wachsende öffentliche Anerkennung und Wertschätzung, die er sich in den unruhigen Jahren über die Grenzen des Deutschen Bundes hinaus selbst in den Reihen seiner politischen Gegner erwarb. Für Jeanette Wohl waren die Jahre der beginnenden Brieffreundschaft nicht minder prägend. Ihre Bekanntschaft mit Börne über die befreundete Familie Ochs in Frankfurt datierte noch aus der Zeit des »Gettojuden« Löw Baruch. Nach ihrer Scheidung aus einer unglücklichen, von den beteiligten Familien arrangierten Ehe bedeutete der Kontakt zu einem der bekanntesten Schriftsteller in Deutschland auch für sie einen Schritt in die Öffentlichkeit. Es war bald bekannt, welche Rolle Jeanette Wohl bei der Auswahl der Schriften spielte, die Börne zur Veröffentlichung bestimmte. In den Briefen wird offensichtlich, dass sie eine entscheidende Rolle bei der Etablierung des Schriftstellers Ludwig Börne spielte – und die Art ihrer Beziehung sorgte seither für unerschöpflichen Gesprächsstoff beim Publikum. Die Briefe zwischen Ludwig Börne und Jeanette Wohl sind Zeugnis einer innigen und dauerhaften wie zugleich schwierigen Freundschaft. Der 8

So die Bewertung der Entscheidung zur beruflichen Selbständigkeit als Publizist in einer älteren, aber in weiten Teilen unübertroffenen biographischen Würdigung Ludwig Börnes: Helmut Bock, Ludwig Börne. Vom Gettojuden zum Nationalschriftsteller, Berlin 1962, S. 105.

XX

Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

Korrespondenz ist an verschiedenen Stellen zu entnehmen, dass sie zu einem nicht konkret datierten Zeitpunkt öffentlich gemacht werden sollte. Ungeachtet dieser Absicht haben die Korrespondenten den emotionalen Charakter und die intime Privatheit ihrer Briefe beibehalten. Abgesehen von gelegentlichen Selbststilisierungen einer unerfüllten romantischen Liebe spiegelt der Briefwechsel das Auf und Ab wechselseitiger Enttäuschungen und ebenso tiefer Verbundenheit der beiden Vertrauten wider. Vor allem aber belegt er die auch von Jeanette Wohl vorangetriebene, kontinuierliche Arbeit am gemeinsamen Projekt der Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne. Welch eminenten Anteil Jeanette Wohl an diesen entscheidenden Jahren seines ersten literarischen Ruhms hatte, erschließt sich hier in vieler Hinsicht: Sie war Börnes intellektuelle Kritikerin, seine Agentin für »public relations« und seine Finanzberaterin, und sie half ihm über die wiederkehrenden Phasen der Trägheit, später auch der gesundheitlich bedingten Erschöpfung hinweg. Mit der Stabilisierung der beruflichen Existenz als freier Schriftsteller ergaben sich Perspektiven für eine gemeinsame private Zukunft. Heiratspläne, die man um 1824, also mit dem Ende des durch die Edition erfassten Zeitraumes erstmals in aller Offenheit erörterte, wurden ohne besonderen Anlass wieder aufgegeben.

2. Zum Inhalt der Briefe Neben zahlreichen kulturhistorisch interessanten Details über Lebenshaltungskosten in Deutschland und in Paris, über Moden, medizinische und sanitäre Verhältnisse, über Verkehr und Kommunikation, über Urbanität und provinzielle Welten usw. und neben einigen sehr präzisen Beobachtungen neuerer Entwicklungen – die Anfänge des Rheintourismus, die Entstehung und Resonanz professioneller Theaterkritik, um nur zwei zu nennen – lassen sich vier Themenbereiche herausheben, die von besonderem Interesse für die Börne-Forschung und für die Geschichte Europas in der Zeit der Restauration sind: – Judenemanzipation und Antisemitismus in Deutschland – Bürgertum und bürgerliche Kultur – Journalismus und Politik – Restauration und Liberalismus in Europa

Andreas Schulz

XXI

Judenemanzipation und Antisemitismus in Deutschland Die Geschichte der jüdischen Minderheit in Deutschland lässt sich aus drei Perspektiven betrachten: von Seiten der staatlichen Emanzipationsgesetzgebung, auf der Ebene der nicht-jüdischen Mehrheitsgesellschaft oder aus der Sicht der jüdischen Gemeinden selbst. Seit der Aufklärung teilte sich die jüdische Bevölkerung Europas in drei Grundströmungen: eine traditionalistisch-orthodoxe, die zur sozialen Selbst-Ghettoisierung neigte, eine aufgeklärte Bildungsschicht, die sich den sozialen Normen der bürgerlichen Gesellschaft anpasste und ihre religiös-kulturellen Wurzeln weitgehend vernachlässigte, und schließlich eine zahlenmäßig eher kleine Gruppe, die ihre jüdische Erziehung und Religion mit säkularer Bildung verbinden wollte. Diesem »Reformjudentum« ist in der Forschung besondere Aufmerksamkeit zuteil geworden.9 Der Briefwechsel zwischen Jeanette Wohl und Ludwig Börne thematisiert diesen gesellschaftlichen Wandel, und er ist auch ein Katalysator der Veränderung des Judentums. Denn zum einen reflektiert die Korrespondenz die inneren Spannungen und die Aufbruchstimmung im jüdischen Milieu; zum anderen wurde die innere Auseinanderentwicklung des Judentums durch die Publikation der Briefe zum Gegenstand öffentlicher Erörterung, insbesondere innerhalb der jüdischen Bildungsschichten selbst. Jeanette Wohl und Ludwig Börne können nicht ohne weiteres mit einer der hier skizzierten Strömungen innerhalb des Judentums identifiziert werden. Scheinbar klare Zuordnungen, wie sie die Börne-Forschung vorgenommen hat, stehen im genauen Widerspruch zu den Aussagen des hier edierten Briefwechsels. Aus Börnes Sicht leiden die Juden in Deutschland nämlich unter der öffentlichen Erwartung, sich zur deutschen Nation oder zum Judentum bekennen, zwischen Aufklärung und Tradition wählen zu müssen. Diesen Zwängen zu entkommen und der jüdischen Religionsgemeinschaft die Möglichkeit zu lassen, sich selbst aus den inneren Spannungen zu befreien, ist eine Antriebsfeder seiner literarisch-journalistischen Arbeit. Börne hält den juristischen Streit für Emanzipation und Gleichberechtigung in einem politisch zersplitterten Staatsverbund für wenig aus-

9

Michael A. Meyer, Antwort auf die Moderne: Geschichte der Reformbewegung im Judentum. Wien/Köln/Weimar 2000; David Sorkin, The Transformation of the German Jewry 1780–1840, Oxford/New York 1987; vgl. dazu jetzt: Saul Ascher, Flugschriften, hg. v. André Thiele, Mainz 2011.

XXII

Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

sichtsreich. Nur durch Bildung und Selbstorganisation könne sich die jüdische Glaubensgemeinschaft emanzipieren, nur durch Selbstemanzipation gesellschaftliche Anerkennung gewonnen werden. Die Ausgangslage für die jüdische Bevölkerung am Beginn der Restaurationspolitik in Deutschland ist äußerst ambivalent. Börne zählt zu den bald enttäuschten Anhängern Preußens, die vergeblich auf eine Fortsetzung der durch das Emanzipationsedikt von 1812 eingeleiteten Gleichstellungspolitik gehofft hatten. Stattdessen muss er anerkennen, dass ausgerechnet Österreich und dessen Staatskanzler Metternich die restriktive Judengesetzgebung seiner Heimatstadt Frankfurt in Frage stellen. Börne bemerkt mit Sorge, welch geringe Resonanz der Emanzipationsgedanke in der deutschen Gesellschaft findet. Es sind allenfalls die liberalen Abgeordneten der süddeutschen Landtage, die mehr aus Vernunftgründen als aus innerer Überzeugung für eine völlige Gleichstellung eintreten. Ihn selbst trifft es hart, und er spricht es gegenüber Jeanette Wohl deutlich aus, dass er ungeachtet seiner Taufe und des Namenswechsels in der bürgerlichen Gesellschaft stets der Jude Baruch bleibe. Er registriert, wie die Figur des »ewigen Juden« auch im Zeitalter der Post-Aufklärung und selbst in säkularisierter Umgebung unter veränderten Vorzeichen mit neuen Typisierungen wiederkehrt. Die populären Judenstücke der vormärzlichen Stadttheater, gleichviel ob sie diskriminierend oder moralisierend-affirmativ angelegt sind, betrachten Juden stets als Objekte einer auf »Veredelung« des Menschengeschlechts zielenden Erziehung. Theaterjuden repräsentieren keine Individuen oder Bürger, sondern treten als Angehörige einer jüdischen Nation und Rasse auf.10 Das Theater verstärkt die klassifizierende Wirkung gelehrter Abhandlungen zur »Judenfrage«, die das Bild eines eigentümlichen Volkscharakters zeichnen.11 Börne setzt sich mit der Erfindung eines jüdischen Wesens und der Essentialisierung des Judentums auseinander – wie auch der ihm gut bekannte adlige Schriftsteller Karl von Bentzel-Sternau12, der 1818 eine Satire über den Antisemitismus veröffentlicht.13 In zahlreichen Briefstellen repro10

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12 13

Hans-Joachim Neubauer, Judenfiguren. Drama und Theater im frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1994. Friedrich Rühs, Über die Ansprüche der Juden an das deutsche Bürgerrecht, Berlin 1816, S. 6. Vgl. Briefe 26, 39, 107, 109, 125 und 126. Karl Christian Ernst von Bentzel-Sternau, Anti-Israel. Eine Vorlesung in der geheimen Akademie zum grünen Esel als Eintrittsrede gehalten (1818), in: Anti-Israel. Eine projüdische Satire aus dem Jahre 1818, hg. v. Johann Anselm Steiger, Heidel-

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duziert Börne die stereotypen Zuschreibungen eines jüdischen Phänotyps und Charakters mehr oder weniger ironisch.14 Seine Bemerkungen reflektieren die Konturen eines entstehenden antisemitischen Feindbildes im Kontext der Nationsbildung in Deutschland. Börne kritisiert die Homogenitätsphantasien der Nationalbewegung als »Deutschthümelei«. Dabei zieht er eine Linie von den altdeutschen Romantikern und Franzosenhassern Arndt und Görres zur nationaldeutschen Freiheitsbewegung: »Wenn sie herrschten, stünde es schlimm mit deutscher Sache«.15 Durch Taufe und Namensänderung hat sich Ludwig Börne äußerlich vom Judentum als Religions- und Lebensgemeinschaft gelöst. Er trifft eine radikalere Entscheidung als etwa der über zwanzig Jahre jüngere Gabriel Riesser, der als patriotischer Jude gesellschaftliche Anerkennung sucht. Mit dieser Altersdifferenz korreliert die Generationserfahrung des Jüngeren, dem um 1840 eine zunehmende Aufgeschlossenheit des liberalen Bürgertums begegnet und eine voraussetzungslose, nicht mehr an Taufe und »bürgerliche Verbesserung« gebundene Akzeptanz der Judenemanzipation. Für Börne stellt sich die Situation noch ganz anders dar. Er muss die Restauration der alten Judenordnung in seiner Heimatstadt Frankfurt 1814 und die vergeblichen Proteste der Juden in Wien miterleben. Wenige Jahre darauf bestätigen die gewaltsamen Hep-Hep-Unruhen in Süddeutschland, die auch in Frankfurt und im nahen Heidelberg ihre Spuren hinterließen, die ungünstigen Aussichten der jüdischen Bevölkerung. Durch Börnes Übertritt zum Protestantismus verbesserte sich schlagartig seine soziale Perspektive. Bei aller inneren Anteilnahme für seine ehemaligen Glaubensgenossen war sein Status als vollberechtigter Staatsbürger jetzt ein anderer. Von diesem Standort aus war es leichter, sich mit den Argumenten und Vorurteilen auseinanderzusetzen, die von Befürwortern und Gegnern der Judenemanzipation diskutiert wurden. Er machte sich sogar die Reflexe seiner christlichen Umwelt auf das sprachlich-gestische »Jüdeln« zu eigen, das ihm »wirklich zum Ekel« sei, und ließ sich auf Diskriminierungen vermeintlich jüdischen Geschäftsgebarens ein, des sprichwörtlichen »Schacherns«, »Wucherns« und »Mauschelns«. Seine Äußerun-

14 15

berg 2004, S. 7–42, der die Judenfeindschaft in Deutschland karikiert: […] was haben diese ursprünglichen Araber mitten in Europa unter uns Enkeln der Perser zu thun? (S. 39). Briefe 47 und 49: Ja, den will ich sehen, der einen Jud in Geldsachen anführt! Brief 9.

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Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

gen über jüdische Händler und Passanten, die ihm an Poststationen und in Wirtshäusern begegneten, haben häufig den gleichen herablassend-ausgrenzenden Tonfall, den er andernorts missbilligte.16 Diese Passagen wirkten auf Jeanette Wohl dermaßen irritierend, dass sie sich offenbar später dazu entschloss, besonders anstößige Sätze und namentliche Beleidigungen zu schwärzen, um sie nicht öffentlich werden zu lassen.17 Bezeichnenderweise enthielt sich Wohl gegenüber Börnes Invektiven jeglichen Kommentars – ein schweigendes Zeugnis der Belastungen gerade jener jüdischen Bildungsschichten, die sich der bürgerlichen Kultur öffneten, ohne die Sitten ihres Herkunftsmilieus preiszugeben. Der Briefwechsel widerlegt kategorische Urteile über Börnes Verhältnis zur jüdischen Bevölkerung. Es ist nicht zu erkennen, dass Börne sich um 1818 vom Judentum vollständig löste und sich zum »Nationalschriftsteller« emanzipierte. Umgekehrt finden sich keine Belege dafür, dass er sich Zeit seines Lebens in der ihm von außen zugewiesenen Rolle des »vaterlandslosen«, deutsch-jüdischen Wanderers zwischen den Kulturen eingesperrt fühlte. Als Argument für Börnes Entfernung vom Judentum wird die Tatsache angeführt, dass die Verteidigungsschriften zur Judenfrage mit der Abhandlung Die Juden der freyen Stadt Frankfurt und ihre Gegner 1816 abrupt enden. Es finden sich außerdem Stellen, in denen er die Abkehr von der Stadt seiner jüdischen Kindheit als eine Befreiung schildert, ja überhaupt den Wunsch äußert, mit Juden möglichst wenig Umgang zu haben.18 Doch beschäftigt sich Börne mit dem Schicksal der früheren Glaubensgenossen in seinen Theaterkritiken, und vor allem ist es durchgängig Gegenstand des Briefwechsels mit Jeanette Wohl. Er äußert Selbstzweifel, empfindet hinsichtlich seiner »Religionsveränderung« einen Erklärungszwang Vertrauten gegenüber. Erleichtert berichtet er der Freundin, dass seine Mutter »weiß daß ich getauft bin und nicht den geringsten Verdruß davon« habe.19 Diese Rechtfertigungen waren an Familie und Freunde, nicht zuletzt aber an Jeanette Wohl gerichtet. Seine moralischen Skrupel schwächten sich im Laufe der Jahre nicht nur ab, sie wurden durch den li-

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Am weitesten geht Börnes Reproduktion antijüdischer Stereotype bei der Charakterisierung der Stuttgarter Juden in Brief 111 (10./11. Februar 1822). Vgl. aber auch die gleich darauf folgenden Passagen zum jüdischen Witz (ebenda). Vgl. zum Beispiel Briefe 3 und 12. Vgl. Brief 32. Brief 88.

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terarischen Ruhm überstrahlt. Nicht überzeugend ist daher auch die psychologisierende Interpretation, die in Börne einen heimatlosen, von Zurücksetzung und Identitätskonflikten gequälten Schriftsteller sieht.20 Sie folgt der zuerst von Wolfgang Menzel, dann von Gabriel Riesser erhobenen Behauptung einer jüdischen Kränkung, die durch politischen Radikalismus überkompensiert worden sei. Heinrich Heine popularisierte dieses Deutungsschema des traumatisierten Konvertiten später und kanzelte damit Börnes Revolutionsrhetorik der im Exil verfassten Briefe aus Paris als unpolitisch ab.21 Die Fiktion des ewig heimatlosen Juden findet in Börnes Briefen und Schriften denn auch keinerlei Resonanz.22 Zu schaffen macht Börne indes das sich verselbständigende Etikett des »getauften Juden«, das im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum sozialen Anti-Typus wird. Es unterstellt den Konvertiten eine soziokulturelle Täuschungsabsicht. Da sie nur aus Berechnung zum Christentum übergetreten seien, gehörten sie nicht zur deutschen Kultur. Bei den Gegnern der Judenemanzipation findet auch das säkularisierte und akkulturierte Judentum keine Anerkennung. Sie verlangen die Aufgabe des Judentums durch »wirkliche Aneignung der deutschen Volkseigenthümlichkeit«.23 Börne allerdings muss sich weniger Fragen nach seiner Anpassungsfähigkeit als dem Problem seiner intellektuellen Ausbürgerung aus Deutschland stellen. Kollektive Fremdzuschreibungen einer jüdischen Identität können zur prägenden Eigenerfahrung werden und möglicherweise eine Autostereotypisierung erzeugen. Doch liefert der Briefwechsel hierfür keinerlei Hinweise, es sei denn, man sucht sie im Bereich des dem Historiker weitgehend unzugänglichen Psychologisch-Habituellen. Wiederholt geht es zwar in den Briefen um stigmatisierende Judenbilder, um die vermeintliche Unent20

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So die Deutung seines Biographen: Willi Jaspers, Keinem Vaterland geboren. Ludwig Börne. Eine Biographie, TB-Neuausgabe Berlin 2003 (Hamburg 1989). Vgl. hierzu Jürgen Eder, Jüdische Revolutionsreflexionen zwischen Gabriel Riesser und Karl Marx, in: M. Lauster/G. Oesterle (Hg.), Vormärzliteratur in europäischer Perspektive II., Bielefeld 1998, S. 21–35. Zur Exilsituation der Heimatferne vgl. dagegen Brief 12 aus Paris: Nicht blos die Entfernung von Ihnen, auch die von unseren Freunden, ja die vom deutschen Vaterlande thut mir weh. Ich hätte es selbst nicht gedacht, daß ich im heimatlichen Boden so eingewurzelt wäre. Gehe ich über die Straße und höre Deutsch sprechen, dann bin ich jedesmal hocherfreut. (26. Oktober 1819) Rühs, Ansprüche der Juden (wie Anm. 11), S. 39.

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rinnbarkeit jüdischer Abstammung. Börne erregt sich über diese Fremdzuschreibungen, ohne dabei Anzeichen einer mentalen Resignation zu zeigen. Der Briefwechsel artikuliert vielmehr geradezu exemplarisch die widersprüchlichen Erfahrungen des Jüdisch- und Deutschseins zwischen Restauration und Vormärz: einerseits die allgemeine Anerkennung als Schriftsteller mit der daraus erwachsenen Verehrung, seine Integration in die bürgerliche Gesellschaft24 und eine schon zu Lebzeiten einsetzende Vereinnahmung für den Besitz des deutschen Kulturerbes; auf der anderen Seite die penetrante Erinnerung an seine semitische Abkunft, die ihm unterstellte »Fremdartigkeit« und angeblich unvollständige Akkulturation. Ob diese meist untergründige, später auch offen antisemitische Klassifizierung als Argument für die Existenz eines deutsch-jüdischen Identitätsproblems bei Börne hinreicht, scheint jedoch zweifelhaft. Mit Sicherheit aber hat die erzwungene Alteritätserfahrung Börnes Kritik- und Urteilsfähigkeit gegenüber den Landsleuten christlichen wie jüdischen Glaubens enorm geschärft. So sezieren Börnes Briefe die Deutschtümelei der Turner oder die »Franzosenfresserei« patriotischer Dichter ebenso scharfsinnig, wie sie Absonderungen, Bildungsdefizite und Selbstgenügsamkeit des jüdischen Milieus karikieren.25 Börnes Urteile über Juden sind oft getragen von der Herablassung des Bildungsbürgers gegenüber dem »Pöbel«. Wie seine Gesinnungsgenossen unter den Liberalen war aber auch er davon überzeugt, dass durch Emanzipation und Bildung sowohl die »Judenfrage« als auch die Unfreiheit der Deutschen überwunden werde. Im Laufe der Zeit und durch das Pariser Exil der Julimonarchie haben sich Börnes Interesse an der Problematik jüdischer Existenz in Deutschland deutlich abgeschwächt und die politischen Prioritäten verschoben. In den 1830er Jahren schien die bürgerliche Gleichstellung der Juden überdies nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Börne wollte eine Revolution der Verhältnisse in Deutschland erreichen: das Ende der Kleinstaaterei und eine Befreiung der Deutschen aus ihrer »Sklavengesinnung«. Er war überzeugt, dass sich mit der Emanzipation der Landsleute auch die Freiheit seiner ehemaligen Glaubensgenossen vollenden werde.

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Vgl. Brief 32 über Börnes Aufnahme in Stuttgart 1821. Brief 7.

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Der bürgerliche Bildungshorizont Der Briefwechsel zwischen Ludwig Börne und Jeanette Wohl ist seiner Anlage nach ein intellektuelles Zwiegespräch über die Zeitverhältnisse in Deutschland und Europa. Da die Absicht der Veröffentlichung früh feststand, kommt auch den scheinbar rein privaten Mitteilungen eine erweiterte Bedeutung zu. Nachrichten über familiäre Ereignisse, Heiratspläne, Erziehungsfragen, Freundschaften und soziale Kontakte werden auch vom Standpunkt geltender gesellschaftlicher Normen aus erörtert. Unter welchen Voraussetzungen eine Ehe geschlossen werden soll und wann von ihr abzuraten ist, interessiert hier vor allem aus dem Blickwinkel bürgerlicher Familienpolitik. Die Korrespondenz gibt manche Einblicke in die fast schon zynische Kalkulation der materiellen Eheperspektiven, die vor allem von Seiten Börnes mit Blick auf die jüdische Verwandtschaft zugleich kritisiert wie als überaus erfolgreich geschildert wird. Über das bürgerliche Ideal einer harmonischen Ehe, die auf der natürlichen Verschiedenheit der Geschlechter und der Zuweisung komplementärer Geschlechterrollen beruht, nähert sich der Dialog auch den eigenen Heiratsabsichten. In einem unnachahmlichen Wechselspiel zwischen der Bekräftigung dieser Geschlechterdisparität und ihrer Infragestellung lassen beide eine gewisse Distanz zum Ideal der ungleichen Gefährtenehe erkennen. Hier klingt das Thema der sinnlich-romantischen Liebe an. Wie normativ im Gegensatz dazu die Konventionen der arrangierten Ehen für beide blieben, wird an einigen besonders berührenden Briefstellen deutlich.26 Unzweifelhaft vorhandenen Emotionen und Heiratsabsichten stand am Ende die raue Wirklichkeit der auch im jüdischen Milieu praktizierten Vernunftehe im Wege. Von den Familiennachrichten geht der Dialog häufig über in die den Alltag strukturierenden Unternehmungen. Es ist beeindruckend, mit welcher Regelmäßigkeit und welchem Interesse beide am öffentlichen Kulturbetrieb Anteil nehmen. Der Besuch eines städtischen Theaters, eines Konzerts oder einer Gemäldesammlung, der Leihbibliothek und auch von öffentlichen Einrichtungen, die den technischen Fortschritt repräsentieren, ist fester Bestandteil ihres Alltags. Die Korrespondenz reflektiert einen Lebensstil, den das Bürgertum als verbindliche Norm und Ausweis der Zu-

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Vgl. die Briefe 176 ff.

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gehörigkeit zur Eigengruppe geradezu ideologisierte.27 Dass diese Lebensweise sowohl ein elementares Bedürfnis nach Bildung zum Ausdruck brachte als auch kulturelle Barrieren errichtete, ist hier in seltener Klarheit nachzuvollziehen. Der Austausch über Literatur, Musik und Malerei ist einerseits vom inneren Erlebnis und ästhetischen Genuss, anderseits von Distinktionsritualen gegenüber den ungebildeten Schichten – nicht zuletzt den katholischen und jüdischen Sozialmilieus – getragen. Börnes besondere Unduldsamkeit in Bildungsfragen resultiert gewiss auch aus der schmerzhaften Erfahrung der Zurückweisung und des Ausschlusses von denjenigen Veranstaltungen, in denen sich das gebildete Bürgertum zu treffen pflegte. Kaum ein anderer sozialer Ort erfährt in den Gesprächen mit Jeanette Wohl so viel Aufmerksamkeit wie der bürgerliche Verein. Die Exklusivität dieser Agentur sozialer Vergemeinschaftung betraf in Frankfurt besonders Juden, die lange keinen Einlass fanden. Bildungs- und kulturaffine Bürger jüdischen Glaubens gründeten deshalb ihre eigenen Vereine, allen voran die Freimaurerloge Zur aufgehenden Morgenröthe. Zu ihren Gründungsmitgliedern zählten Börnes Vater Jakob Baruch und viele befreundete Familien des gebildeten Judentums, Ludwig Börne trat der Loge 1808 bei. Die von ihnen geübte Praxis gebildeter Konversation und zwangloser Geselligkeit unterschied sich nicht von den Vereinen der städtischen Oberschicht. Mit Genugtuung berichtet Börne seiner Briefpartnerin über die »vortrefflichen Anstalten« des Bürgertums, die er auf seinen Reisen in Süddeutschland kennenlernte. Nahezu jeden Abend war er in Lesegesellschaften und Vereinslokalen in Stuttgart und München zu Gast. Es mutet wie ein Initiationsritual an, wenn er vermerkt, dass er in die Casinogesellschaft Münchens »eingeführt« worden sei.28 Beruflicher Erfolg und Bildung begründeten soziale Anerkennung und öffneten den Zutritt zur bürgerlichen Gesellschaft – diese Erfahrung war für viele Juden ein Schlüsselerlebnis, das ihren sozialen Aufstieg einleitete. Ein weiteres Statusmerkmal bürgerlicher Lebensführung war der regelmäßige Besuch von Schauspiel und Oper. Stärker noch als in den Vereinen trat hier das Bedürfnis nach Unterhaltung hervor. Das städtische Theater 27

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Lothar Gall, »… ich wünschte ein Bürger zu sein.« Zum Selbstverständnis des deutschen Bürgertums im 19. Jahrhundert, in: Ders., Bürgertum, liberale Bewegung und Nation. Ausgewählte Aufsätze, hg. v. D. Hein/A. Schulz/E. Treichel, München 1996, S. 3–22. Vgl. u. a. Briefe 43, 46, 55, 66.

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der 1820er und 1830er Jahre entfaltete abseits der etablierten Hoftheater ein reges Eigenleben. Über Spielplan und Regie entschieden die kommerziellen Interessen der Theaterunternehmer, die das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums im Auge hatten. Vom Ideal einer moralischen Anstalt oder der Idee eines Nationaltheaters waren diese Bühnen in der Realität weit entfernt. Ein stehendes Theater erforderte beträchtliche Aufwendungen, die häufig nur durch die finanzielle Beteiligung von TheaterAktienvereinen lokaler Interessenten gedeckt werden konnten. Bürgerliche »Theaterfreunde« engagierten das Personal und beeinflussten über die Direktion auch Spielplan und Inszenierung. Dadurch öffnete sich das Programm dem zeitgenössischen Kunstgeschmack, der ein abwechslungsreiches und weitgefächertes Repertoire schätzte. Neben den klassischen Stücken des Renaissancetheaters, den sehr populären französischen und italienischen Opern in deutscher Bearbeitung und den deutschen Dramen und Lustspielen der Goethezeit etablierte sich eine Vielfalt zeitgenössischer Possen, Rührstücke und Einakter. Ludwig Börnes Korrespondenz lässt erkennen, welch intensiven Anteil er an den gelehrten Gesprächen über Kunst nahm. Mit seinen dezidierten Werturteilen, die er Jeanette Wohl gegenüber ohne allzu ausführliche Begründung fällte, beförderte er den Prozess der Institutionalisierung von ästhetischen Standards und sozialen Hierarchien in der darstellenden Kunst – ein Beispiel hierfür ist Börnes Beteiligung an der Diskussion über die deutsche Oper, die im Anschluss an die Uraufführung von Carl Maria von Webers Freischütz 1821 entbrannte.29 Im Opernstreit ergriff er dezidiert Partei gegen Spontinis Bevorzugung italienischer Opern und beklagte das »Hündische Geschmeichel, mit welchem sich alle Berliner Blätter an ihn drängen«.30 Durch Auswahl und Aussonderung entstand in diesen Jahrzehnten jener klassische Kanon von Kunstwerken, der die Theateraufführungen des 19. Jahrhunderts prägen sollte. Dieser Prozess war für die Kultur des Bürgertums, für dessen Integration und Abgrenzung nach unten von großer Bedeutung. Börne bewegte sich im Zentrum dieser kulturellen Vergemeinschaftung, seine Kritiken hatten maßgeblichen Anteil daran, dass sich »nach und nach ein mit Sicherheit kunstrichtendes Publikum bildet, das jede, auch die kleinste Feinheit der Darstellung empfindet und belohnt,

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Vgl. Briefe 136, 140, 141, 142 und 159; Morgenblatt Nr. 106 vom 3. Mai 1822. Brief 75 vom 25. November 1821.

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ihre Versäumniß aber ebenso scharf rüget«.31 Der Briefwechsel der Jahre 1818–1824 enthält eine Fülle von Beispielen dieser ästhetischen Selektion, er ergänzt in idealer Weise Börnes berühmte Kritiken. Ludwig Börnes Opern- und Theaterkritiken sind durchgängig Gegenstand des Dialogs über Kunst. Jeanette Wohl erweist sich als eine ebenbürtige Gesprächspartnerin, die Börne regelmäßig über das Frankfurter Schauspiel, Konzerte und Opernaufführungen unterrichtet. Sie repräsentiert für ihn das gebildete Publikum, ihr ästhetisches Urteil war für Börne ein Maßstab von allgemeinem Wert.32 Börnes Rezensionen beeinflussten das Publikum, über Wohls Mitteilungen nahm er seinerseits den vorherrschenden Kunstgeschmack wahr. Dieser wechselseitige Rezeptionsvorgang trug zur Entstehung des bürgerlichen Bildungskanons bei, denn Börnes Opern- und Theaterkritiken fanden weithin Anerkennung. Sie beanspruchen auch innerhalb des Gesamtwerks einen herausragenden Rang, was nicht zuletzt darin zum Ausdruck kommt, dass Börne diese Kritiken in der von ihm selbst besorgten ersten Ausgabe seiner Gesammelten Schriften bei Hoffmann & Campe unter dem Namen Dramaturgische Blätter als geschlossenen Textkorpus veröffentlichte.33 Zu einem großen Teil erschienen diese Besprechungen aktueller Aufführungen in den Jahren 1818 bis 1825, also im selben Zeitraum, den der Briefwechsel abdeckt. In Börnes Zeitschrift Wage bildeten die Rezensionen neben den politischen und literarischen Nachrichten eine eigene Rubrik. Sie bezogen sich überwiegend auf die Volksbühne, das Frankfurter Schauspielhaus. Auch Jeanette Wohl weiß um den Wert dieses Genres. Immer wieder treibt sie Börne an, auf den Reisen verfasste Berichte über die Aufführungen der Bühnen in München, Stuttgart, Darmstadt oder Karlsruhe in der Wage zu veröffent-

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Julius von Voß’ Rezension der Emilia Galotti in der Haude- und Spenersche Zeitung, 31. Mai 1806, zit. n. René Sternke, Französische und Berliner Klassik. Die historische Variabilität des Klassischen, in: Der gesellschaftliche Wandel um 1800 und das Berliner Nationaltheater, hrsg. v. K. Gerlach, Hannover 2009, S. 141–187, hier: S. 183. Vgl. Brief 141: Ich wollte Sie hätten den Freischütz schon gesehen, damit Sie mir Ihre Meinung darüber hätten sagen können, denn ich muß im Morgenblatte diese Woche davon sprechen und Wohls Antwort in Brief 142. Gesammelte Schriften von Ludwig Börne, Bde. 1–8, Hamburg 1829–1832, Erster und Zweiter Teil: Dramaturgische Blätter; vgl. Ludwig Börne. Sämtliche Schriften und Briefe, hrsg. v. Inge und Peter Rippmann, 5 Bde., Düsseldorf/Darmstadt 1964/1968, Nachdruck Dreieich 1977, hier: Bd. 1, S. 205–587.

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lichen.34 Sie selbst war regelmäßige Besucherin des Frankfurter Schauspielhauses, und ihre Briefe an Börne zeugen von ihrem großen Interesse, ihrer literarischen Bildung und ihrem ästhetischen Urteilsvermögen. Neben den Briefen aus Paris und den selbständigen Satiren erzielten Börnes Theaterkritiken die wohl größte öffentliche Wirkung. Auch wenig wohlmeinende Zeitgenossen erkannten ihre Bedeutung. Selbst Heinrich von Treitschke, der wie kaum ein anderer antisemitische Stereotype über den jüdischen »Zersetzungsliteraten« Börne verbreitete, war vom Sprachwitz der Theaterkritiken tief beeindruckt und sprach Börne deshalb das Verdienst der Erfindung des »souveränen Feuilletons« zu.35 Börnes Theaterkritiken finden in der Forschung deshalb besondere Beachtung. Sie gelten entweder als Modell des journalistischen Feuilletons oder werden als verdeckte Äußerungen politischer Kritik bewertet. Letzteres trifft jedoch nur in eingeschränktem Maße zu. Börne war sich sehr wohl bewusst, dass seine Theaterkritik in einer langen Tradition formaler Regeln und ästhetischer Maßstäbe stand. Er bezeichnete sich selbst als »Naturkritiker«, um sich den Freiraum zu erhalten, den der gebildete Laie gegenüber dem gelehrten »Kunstrichter« ungefährdet beanspruchen konnte. Zweifelsohne aber entstanden seine literarischen Besprechungen in Kenntnis der von Lessing und der Aufklärung entwickelten Konzeption eines deutschsprachigen Nationaltheaters als einer moralisch-politischen Anstalt und Bildungsinstitution zur idealen Menschenerziehung. Börne verfolgte den gelehrten Diskurs zwischen Weimar und Berlin, kannte die Diskussion um die Rezeption der französischen Klassik.36 Von der feinsinnigen Ästhetik der Berliner Kunstkritiker der Vossischen oder der Haude- und Spenerschen Zeitung unterschieden sich seine Kritiken nicht nur in Sprache und Stil. Börnes Maßstäbe und sein Interesse galten zuallererst der dramatischen Qualität und der Aktualität des Stoffes, vor allem dann, wenn es sich um zeitgenössische Stücke handelte. Denn die »Mätressengeschichten« der bürgerlichen Hof- und Adelskritik genügten in der noch dazu burlesken Art der Aufführung den Bedürfnissen der Zeit nicht mehr. In ihrer dürftigen Inszenierung konnten diese es weder mit den antiken Dramen aufneh34 35

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Vgl. etwa Brief 71. Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, 5 Bde. Leipzig 1928, Bd. 3, S. 689. Zur Institutionalisierung des klassischen Kanons bürgerlicher Theaterdichtung: Sternke, Klassik (wie Anm. 31).

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men noch waren sie ihrer Zeit angemessen. Börne wollte die großen Dramen der Gegenwart auf der Bühne sehen, nicht das »ausgedroschne Stroh« der Adelskritik von gestern: »wir machen Konstitutionen, rufen Stände zusammen und schicken sie nach Hause und haben damit alle Hände voll zu tun«.37 Wenn die sozialen Kämpfe und der Streit der Ideen nicht in der von ihm als Defizit des deutschen Gegenwartstheaters der 1820er Jahre diagnostizierten Manier gelehrter, fast dialektischer Regieführung aufgeführt wurden, sondern der Zuschauer darin »das Leben« erkannte, dann war der Zweck des Theaters erfüllt. Börne war sich der Wirkung seiner dramaturgischen Kritik bewusst. Es glich einer Inszenierung, wenn er einen der etwa zehn Stehplätze ganz vorne rechts der Bühne des Frankfurter Schauspiels einnahm, um die Schauspieler aus nächster Nähe zu beobachten. Ein Paukist des Opernorchesters konnte von seinem Platz aus sehen, wie Ludwig Börne auf einem »an das Lampenblech des Proszeniums angehefteten Papierstreifen seine kritischen Notizen zur Panik aller Mitwirkenden für seine Wage aufzeichnete.«38 Börnes Leser saßen im als unduldsam und kritisch geltenden Theaterpublikum, unter den Logenabonnenten und Aktionisten der Theater Actien Gesellschaft.39 Sie waren Teil jener Bildungselite, deren Gunst und Bewunderung er in den folgenden Jahren in ganz Deutschland erwerben konnte. Von den ehemaligen jüdischen Glaubensgenossen, denen im Frankfurter Theater streng separierte Plätze zugewiesen wurden, trennte ihn eine Welt: Die Emanzipation war ihm weniger durch den Glaubenswechsel als vielmehr durch den literarischen Erfolg als Theaterschriftsteller gelungen, ein Akt der Selbstbefreiung, den nur wenige Juden, nicht einmal die erfolgreichsten Wirtschaftsbürger Frankfurts, in dieser Weise nachvollziehen konnten. Hatte man ihm in Frankfurt den Zugang zu den Vereinen des gehobenen Bürgertums lange verwehrt, so war er jetzt ein willkommener Gast in der besseren Gesellschaft von »Offizieren, Beamten und Künst37

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Rezension des Schauspiels Elise von Valberg von Iffland, Aufführung der Frankfurter Volksbühne vom 16. Juli 1818, in: Die Wage. Eine Zeitschrift für Bürgerleben, Wissenschaft und Kunst. Band 1 [Frankfurt am Main 1818], Nachdruck Glashütten/Taunus 1972, S. 77. Carl Gollmick, Autobiographie nebst einigen Momenten aus der Geschichte des Frankfurter Theaters, Frankfurt am Main 1866, S. 104, zit. n. Bernhard Frank, Die erste Frankfurter Theater AG (1792–1842) in ihrer Entwicklung von der »Nationalbühne« zur »Frankfurter Volksbühne«, Frankfurt am Main 1967, S. 22. Frank, Theater AG (wie Anm. 38), S. 19 ff.

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lern, die mich alle sehr achten und freundschaftlich behandeln«.40 Adlige Hofintendanten und die Familienangehörigen der Gesandtschaftsdiplomatie in Frankfurt suchten die Bekanntschaft des Rezensenten Börne, dessen abendliches Erscheinen im Theater ein Ereignis war und dessen Reisen durch Deutschland öffentliche Aufmerksamkeit erregten. Börne war eine öffentliche Instanz geworden, ein allseits geschätzter Kunstrichter eines sich über die Hoftheater der Residenzen hinaus bis in die Provinz etablierenden professionellen Theaterbetriebes.41 Der Briefwechsel mit Jeanette Wohl lässt ermessen, dass er diese Berühmtheit zu inszenieren wusste. Er zeigt darüber hinaus, wie viel ihm der Status eines Kunstrichters ungeachtet gelegentlicher Anflüge von Selbstironie bedeutete: Nicht durch Konversion oder Anpassung, sondern durch Bildung und kritischen Verstand, kurz: durch die Verbürgerlichung seiner Lebensweise erlangte er die Anerkennung des Publikums.42 Es ist also insgesamt zu kurz gegriffen, in Börnes Theaterkritik primär eine verdeckte Form der politischen Meinungsäußerung, eine Camouflage zur Umgehung der Zensur zu sehen.43 Zwar wird man einige Passagen finden, in denen er das Forum tatsächlich zur aktuellen Stellungnahme nutzt. Der journalistische Freiheitskämpfer Börne lässt sich vom Theater- und Opernbesucher sicherlich nicht trennen, doch sind die Motive der Kritik vielfältig, wie gerade der Briefwechsel mit Jeanette Wohl verdeutlicht. Hier treten zwei gebildete und passionierte Kulturbürger in einen engagierten Dialog über die ästhetische Höherentwicklung bzw. vermeintliche Stagnation der Bühnen- und Schauspielkunst, der Oper und Konzertmusik. Diese Kunstgespräche leben aus sich selbst heraus, aus der inneren Freude

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Brief 88; zum Frankfurter Vereinsleben vgl. jetzt: Christian Thorau u. a. (Hg.), Musik – Bürger – Stadt. 200 Jahre Frankfurter Museums-Gesellschaft, Regensburg 2011. Brief 77. Vgl. dazu Jacob Katz, Aus dem Ghetto in die bürgerliche Gesellschaft. Jüdische Emanzipation 1770–1870, Frankfurt am Main 1988; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Andreas Schulz, Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert, München 2005. Den Eigenwert der Kritiken betont Wolfgang Beutin, »Der Weg führt vom Leben zur Bühne.« Ludwig Börnes Dramaturgische Blätter (1829), in: M. Porrmann/ Fl. Vaßen (Hg.), Theaterverhältnisse im Vormärz (Forum Vormärz Forschung, Bd. 7), Bielefeld 2001, S. 213–243, hier S. 233.

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und Anteilnahme an Unterhaltung und Belehrung. Von Jeanette Wohls Seite aus werden sie auch im Bewusstsein geführt, Grenzen ihrer jüdischen Herkunft und ihrer Geschlechterrolle hinter sich zu lassen.44 Börne unterstützt sie darin, begleitet ihre persönliche Emanzipation, die für Jeanette Wohl im Bildungserlebnis unter der Anleitung des bewunderten Schriftstellers und Freundes besteht.45 Die beiden korrespondieren von gleich zu gleich – obwohl Börne diese Parität bald wieder ironisch relativiert oder auch auf irritierende Weise revidiert, indem er Jeanette Wohl bisweilen an scheinbar unverrückbare, weil »naturgegebene« Geschlechterdisparitäten erinnert.46 Jeanette Wohl erwidert auf ihre Weise, indem sie sich über ihre orthographischen Schwächen hinwegsetzt, den ästhetisch-literarischen Dialog mit Börne aufnimmt und dabei ihren intellektuellen und musischen Interessen freien Lauf lässt.47 Ihre Ausbildung durch Privatlehrer in Fremdsprachen, Musik und Zeichnen ergänzt sie durch musikalische Aufführungen im privaten Kreis, vor allem aber im unermüdlichen Selbststudium und durch viele Besuche im Frankfurter Schauspiel, in Opern und Konzerten. Sie reflektiert den jüdischen Anteil an der Bildungsbewegung in ihrer näheren Umgebung und kommt zu dem Ergebnis, »unsere Leute fangen an gescheidt zu werden«48. Diese Briefpassagen zählen zu den wertvollsten Dokumenten bürgerlicher Bildungs- und vor allem weiblich-jüdischer Emanzipationsgeschichte in Deutschland. Die Bedeutung der Dramaturgischen Blätter lag für beide Briefpartner auf der Hand. Neben der Zeitung war das Theater zum Medium der öffentlichen Diskussion der gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland geworden. Börne nutzte auch dieses Forum, um sich Gehör und Reputation als Kommentator und Kritiker der politischen Zustände im Europa der Restauration zu verschaffen. Selbst politische Gegner wie Friedrich Gentz zollten ihm Anerkennung für seine Fähigkeit, ein breites Publikum auf unterhaltsame Weise über Politik zu informieren. Börne wählte für seine Haltung und seinen Stil den Begriff des »Zeitschriftstellers«, womit er eine essayistische Form kommentierender Berichterstattung über Gegenstände des öffentlichen Lebens meinte. 44 45 46 47 48

Brief 35. Brief 159. Briefe 77, 81. Vgl. z. B. Briefe 23, 67, 110. Brief 69.

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Beruf und Berufung eines politischen Journalisten Börnes Anfänge als freier Schriftsteller fallen in die »literarische Gründerzeit« (Friedrich Sengle) des Journalismus in Deutschland. Obgleich durch massive staatliche Eingriffe in die Meinungs- und Pressefreiheit behindert, waren die Jahrzehnte zwischen Wiener Kongress und der Revolution von 1848 der Beginn des modernen Medienzeitalters. Technische Neuerungen führten zur Industrialisierung des Druckgewerbes, Postverkehr und Eisenbahnbau beschleunigten die Verbreitung von Zeitungen und Zeitschriften. Mit der Gründung des Börsenvereins 1825 nahm der organisierte Verlagsbuchhandel den Kampf gegen Raubdruck und Urheberrechtsverletzungen auf. Nicht zuletzt aber erweiterte sich der literarische Markt durch eine steigende Zahl von Lesern, ein Resultat staatlicher Bildungsreformen vor allem im Bereich der Elementarschulen. Die vielbeschriebene »Leserevolution« war jedoch primär eine Bildungsbewegung bürgerlicher Schichten. Börnes Publikum fand sich unter den städtischen Mittelschichten, die ihre Zeitung in den Lesekabinetten und Leihbibliotheken bezogen. Der Großteil der Abonnements ging an die Lese- und Bildungsvereine des Bürgertums, über deren Angebot sich Börne während seiner Reisen stets informierte. Trotz der eher geringen Auflage seiner Zeitschriften von 600 bis 800 Stück ist davon auszugehen, dass der Kreis seiner Leser die Zahl der Abonnements der Wage und der Zeitschwingen um ein Vielfaches übertraf. Die Lesesäle der großzügig ausgestatteten bürgerlichen Vereinslokale wurden täglich von Dutzenden Lesern frequentiert, die Mitgliederzahl der untereinander vernetzten Vereine schwankte je nach Stadt zwischen 200 und 400 Personen. Während die Rezeption von Börnes Zeitschriften durchaus beträchtlich gewesen sein und leicht Zehntausende von Lesern erreicht haben dürfte, blieb die Zahl der Direktabnehmer (Subskribenten) angesichts hoher Herstellungs- und Vertriebskosten in den 1820er Jahren überschaubar. Selbst Cottas überregionale Augsburger Allgemeine Zeitung konnte um 1825 erst 3000 bis 4000 Abonnenten werben.49 Unter diesen Umständen war es für einen freien Publizisten unerlässlich, die Herausgeber- und Verlagstätigkeit durch journalistische Auftragsarbeiten zu ergänzen.

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Nach Wolfgang von Ungern-Sternberg, Medien, in: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Band 3, hg. v. K.-E. Jeismann u. P. Lundgreen, München 1987, S. 398.

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Börnes erste Veröffentlichungen im Frankfurter Journal erweckten das Interesse des bedeutendsten Verlegers in Deutschland. Im März 1817 versuchte Johann Friedrich Cotta Börne für eine Mitarbeit an einem Zeitungsprojekt zu gewinnen, das er auf Anregung des preußischen Staatskanzlers Hardenberg den befreundeten Herausgebern Börne und Nathan Stiefel unterbreitete. Das Projekt eines »ministeriellen« pro-preußischen Blattes war nicht neu. Es war Ausdruck des Bemühens der preußischen Regierung, ihr Prestige als »Vormacht der deutschen Verfassungsbewegung« publizistisch zu unterstützen.50 Für Cotta war die Idee einer politischen Zeitschrift attraktiv, die anders als die staatlich gelenkten Intelligenzblätter frei verfasste Artikel statt regierungsamtliche Anzeigen enthalten sollte. Sein Geschäftsmodell beruhte auf einer generellen Vereinbarung über die politische Grundausrichtung der Zeitung. Diese beinhaltete eine regierungsfreundliche Tendenz der Berichterstattung über preußische Staatsangelegenheiten, überließ aber den fest besoldeten Redakteuren die weitere Ausgestaltung des Blattes – ein Rahmenvertrag, der durch die Subventionierung eines prominenten Redakteurs und die staatliche Protektion des Unternehmens vor allem den Verleger Cotta begünstigt hätte. Die Verhandlungen führten jedoch zu nichts, Cotta ließ das Projekt fallen. Er erkannte, dass es sinnlos war, für Preußens Politik publizistisch zu werben, solange diese den Forderungen der konstitutionellen Bewegung zuwiderlief.51 Zwischen ministeriellen und liberalen Positionen bestand in der Phase der akuten Verfassungskämpfe wenig Vermittlungsspielraum. Börne sah dies offenkundig anders. Schon der Name Der Vermittler, den er der neuen Zeitung geben wollte, deutet auf sein damaliges Politikverständnis hin. Ein Brief an Cotta vom 2. März 1817 gibt Auskunft über seine journalistische Berufsauffassung: Eine Zeitung dürfe nicht nur eine Ansicht wiedergeben, »sondern [müsse] auch die unter einander abweichenden denkwürdigen Darstellungen der Ereignisse sammeln«. Für den Redakteur heiße das: »Weder antiministerielle Tatsachen dürfen verschwiegen, noch antiministerielle[n] Ansichten der Eintritt in unser Blatt verwehrt werden.«52

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Monika Neugebauer-Wölk, Revolution und Constitution. Die Brüder Cotta, Berlin 1989, S. 524. Zu Cottas Verlagspolitik: Johannes Proelß, Das junge Deutschland. Ein Buch deutscher Geistesgeschichte, Stuttgart 1892, S. 73 ff. Brief an Cotta vom 2. März 1817, zitiert nach: Rippmann (Hg.), Sämtliche Schriften (wie Anm. 33), Bd. 5, S. 624.

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Diese programmatische Erklärung entsprach sicherlich innerer Überzeugung. Sie richtete sich nicht gegen die preußische Regierung, auf der damals noch die Hoffnungen der konstitutionellen Liberalen ruhten. Vielmehr brachte sie Börnes liberale Berufsauffassung auf den Punkt. Diese lässt sich nicht auf das Ideal einer frei räsonierenden Öffentlichkeit reduzieren, die der Vernunft zum Durchbruch verhilft. Börnes Argumentation resultierte weniger aus einem emphatischen Wahrheitsbegriff als aus einem weitschauenden professionellen Kalkül. Er war sich darüber im Klaren, dass selbst eine partielle und verdeckte Indienstnahme durch die preußische oder jede andere Regierung den frisch erworbenen Ruf eines unbestechlichen Vorkämpfers der Meinungs- und Pressefreiheit gefährden würde. Die Methoden staatlicher Pressepolitik, die weit intensiver als Preußen noch die österreichische Regierung Metternich verfolgte, waren der liberalen Bewegung nicht verborgen geblieben. In den Jahren vor der offenen Unterdrückung der Pressefreiheit durch die Karlsbader Beschlüsse 1819 herrschte bereits ein Klima allgemeiner Verdächtigungen gegen diejenigen Verleger und Journalisten, die sich allzu großer Nähe zu den Staatsregierungen erfreuten. Von bezahlten und getarnten Agenten schien es in den Redaktionen nur so zu wimmeln. Börnes Zurückhaltung gegenüber Cottas Angebot begründete jedenfalls seinen Ruf als unabhängiger politischer Schriftsteller. Aus dem gescheiterten Zeitungsprojekt ging eine langjährige Geschäftsbeziehung zwischen Ludwig Börne und Johann Friedrich Cotta hervor. Der spätere Bruch des Verhältnisses und die wenig ersprießlichen Äußerungen Börnes beim Ableben des Verlegers 1832 lassen beide Seiten in einem insgesamt ungünstigen Licht erscheinen. Betrachtet man die Geschäftskorrespondenz isoliert, wird der oft erhobene Vorwurf verständlich, Börne habe seinen bürgerlichen Lebensstil auf Kosten Cottas gepflegt, ohne jemals seine vertraglichen Verpflichtungen in vollem Umfang zu erfüllen. Auf Cotta fiel schon zu Lebzeiten der Verdacht, dass seine vielfach bewiesene Freigebigkeit und höfliche Diplomatie im Umgang mit seinen prominenten Autoren Teil einer systematischen Geschäftsstrategie gewesen seien, die darauf abzielten, diese dauerhaft zu verpflichten – ein in sich absurder Vorwurf, der sich gegen jeden Verleger erheben lässt. Bezieht man die Korrespondenz zwischen Börne und Jeanette Wohl stärker ein, vor allem in den Jahren der Anbahnung und des Ausbaus der Geschäftsbeziehung bis etwa 1825, dann werden die Motive für Börnes distanzierte Reaktion zumindest deutlicher. Die Entwicklung des Verhältnisses zwischen

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Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

Verleger und Autor liest sich im Lichte der Kommentare Jeanette Wohls wie das Protokoll einer sukzessiven und zunehmend destruktiven materiellen Selbstfesselung eines dem eigenen Anspruch nach autonomen Schriftstellers. Damit einher ging auch eine fortschreitende Einengung der intellektuellen Freiheit, die Börne weit mehr zu schaffen machte als die permanenten Geldsorgen. Es ist sicherlich kein Zufall, dass eine erste schwere gesundheitliche Krise 1824 auf dem Höhepunkt dieser materiellen und geistigen Demoralisierung eintrat. Hinzu kam, dass sich unter dem Eindruck der Verschlechterung seiner beruflichen Perspektiven das emotionale Einvernehmen mit seiner Vertrauten merklich trübte. Jeanette Wohl jedenfalls mochte die problematische Verstrickung der Geschäftsbeziehung mit Cotta, den offenkundigen Widerspruch zwischen beruflicher Verpflichtung und privater Lebensführung so nicht länger mittragen. Auch wenn Börne in den Briefen an die Freundin selbst an dem Bild des begabten, aber trägen Literaten arbeitete, entspricht diese von ihr bekräftigte ironische Selbstwahrnehmung kaum der Wirklichkeit. Diese wurde vielmehr von den Grenzen und Möglichkeiten eines freien Journalisten am Beginn der Professionalisierung des Berufsstandes determiniert. Dank der zahlreichen Hinweise auf Honorare, Vorschüsse und der Angaben über den persönlichen Lebensstil Börnes ist eine halbwegs zuverlässige Einschätzung der materiellen Umstände seiner freien schriftstellerischen Existenz möglich. Erschwert werden alle Berechnungen durch Währungsdifferenzen und Kursschwankungen im uneinheitlich strukturierten Wirtschaftsraum des Deutschen Bundes. Börnes politisches Exil in Frankreich hatte auch eine finanzielle Komponente, denn Journalisten arbeiteten dort unter deutlich besseren Bedingungen als in Deutschland. Die Auflage politischer Tageszeitungen war weit höher, und Redakteure arbeiteten in der Regel in fester Anstellung bei höherer Bezahlung.53 Doch auch diesseits des Rheins »bot sich einer […] langsam anwachsenden Gruppe von Personen die Möglichkeit, den Beruf des Journalisten in einem Angestelltenverhältnis auszuüben.54«

53

54

Zur Pressegeschichte Frankreichs während der Restauration: Histoire générale de la presse française, hrsg. v. Claude Bellanger u. a., 2 Bde. Paris 1969. Die Auflage großer politischer Tageszeitung erreichte damals 8000 (Conservateur) bis 10 000 (La Minerve française), das Journal des Débats etwa 12 000 Abonnenten. Jörg Requate, Die Entstehung eines journalistischen Arbeitsmarktes im Vormärz, in: Journalliteratur im Vormärz (Forum Vormärz Forschung), Jahrbuch 1995, S. 107– 130, hier: S. 112.

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Börne zog es jedoch vor, als freier Mitarbeiter und Korrespondent für verschiedene Blätter zu schreiben. Ein ihm von Friedrich Arnold Brockhaus offeriertes Jahresgehalt von 2000 Gulden für die Position des »Redacteur en chef« beispielsweise lehnte er vermutlich deshalb ab, weil er sich nicht dauerhaft an das Literarische Wochenblatt binden wollte.55 Die höchsten Honorare zahlte Johann Friedrich Cotta, und fast jeder Journalist hätte wohl die Chance ergriffen, wenn ein entsprechendes Angebot erfolgt wäre. Nicht so Börne, der seit seiner ersten ergebnislosen Unterredung mit Cotta den fortgesetzten Bemühungen des Verlegers um ein festes Engagement widerstand. Er hätte als verantwortlicher Redakteur die Allgemeinen Politischen Annalen übernehmen können. Als Redakteur oder Korrespondent der angesehenen Augsburger Allgemeinen Zeitung hätte er leicht ein Fixgehalt zwischen 3000 und 4000 Gulden bzw. 1700 bis 2200 Taler verdienen können plus der Bogenhonorare für selbst verfasste Artikel.56 Damit wäre er einem preußischen Staatsrat gleichgestellt gewesen und wäre etwa auf das doppelte Gehalt eines Gymnasiallehrers gekommen.57 Anstatt aber auf eine Festanstellung als Redakteur, als Berufsjournalist, zu spekulieren, entschied sich Börne spätestens 1820 für eine freie Mitarbeit bei Cotta, die sich anfangs auf das Morgenblatt für gebildete Stände konzentrierte. Hier veröffentlichte er neben zahlreichen Theaterkritiken und Reiseberichten die Briefe aus Frankfurt und die Schilderungen aus Paris, die schlagartig seine Bekanntheit in Deutschland und Frankreich erhöhten. Seine Entscheidung für eine freie publizistische Tätigkeit erscheint im Rückblick konsequent, sie fügt sich nahtlos ein in das politische Freiheitspathos, das er auch für seine berufliche Existenz reklamierte. Um 1820 allerdings erschien die Ablehnung einer Festanstellung als Redaktionsjournalist nicht nur Jeanette Wohl als einigermaßen abenteuerlich. Schließlich stand Börne seit den Karlsbader Beschlüssen unter polizeilicher Beobachtung, musste er mit Konfiskationen seiner Schriften und mit Haftstrafen rechnen. Nachdem es ein Jahr zuvor kurzzeitig den Anschein gehabt hatte, als ob Börne gegen ein entsprechend hohes Honorar eine Festanstellung zusagen

55

56 57

Heinrich Eduard Brockhaus, Friedrich Arnold Brockhaus. Sein Leben und Wirken nach Briefen und anderen Aufzeichnungen geschildert, Zweiter Teil, Leipzig 1876, S. 286. Alle Angaben nach Requate, Entstehung (wie Anm. 54), S. 117 f. Zu Cottas Honoraren in verschiedenen Währungen vgl. Peter Kaeding, Johann Friedrich Cotta. Die Hand über der ganzen Welt, Stuttgart 2009, S. 485 f.

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Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

wollte,58 stellte er dann in einem Brief an Cotta vom 16. Oktober 1820 unerfüllbare Bedingungen einer Mitarbeit. Er erwarte, »keine Rücksicht nehmen, keine Konvenienz« hinsichtlich seiner politischen Ansichten beachten zu müssen. Umgekehrt wolle er auch die Meinungen der übrigen Mitarbeiter respektieren, niemals werde er »als Redakteur fordern, daß sie meine Livree tragen sollen«.59 Was ihm vorschwebte, war also eine Blankovollmacht des Verlegers in Hinsicht der redaktionellen Leitung und der politischen Tendenz seiner eigenen Artikel. Diese Freiheit aber sollte auch für alle anderen Mitarbeiter der Zeitung gelten. Wäre Cotta hierauf eingegangen, hätte er nicht nur keinen Einfluss mehr auf die Generallinie seines Blattes gehabt, er hätte seine Zeitung und den ganzen Verlag einem unkalkulierbaren Risiko der Beschlagnahmung ausgesetzt. Börnes Bedingungen waren dermaßen unrealistisch, dass es auf der Hand liegt, dass sie einem anderen Zweck dienten.60 Seine Absicht ging dahin, eine regelmäßige freie Korrespondententätigkeit einschließlich literarischer Kritiken anzubieten, ohne jede konkrete zeitliche Verpflichtung. Vor allem aber ging es Börne darum, die Wage in Cottas Verlag unterzubringen. Über die Verhandlungen darüber und Börnes bald enttäuschte Hoffnungen gibt der Briefwechsel mit Jeanette Wohl Aufschluss. Nachdem Cotta die Übernahme der Wage einem Tübinger Subunternehmer übertragen und er Börne bei jährlicher Lieferung von zwei Bänden mit zusammen 48 Bogen (also 768 Seiten!) ein Honorar von 2000 Gulden zugesichert hatte, war der Anfang einer problematischen Geschäftsbeziehung getan.61 Diese muss sich in Börnes Sicht in den folgenden Jahren in etwa so entwickelt haben, wie er es in einem Brief an Jeanette Wohl darlegte. Anlässlich eines Besuches bei Cotta in Stuttgart hatten ihn die dortigen Liberalen eindringlich davor gewarnt, sich »mit dem Manne einzulassen. Es wäre noch keiner mit ihm fertig geworden. Er umschnüre seine Leute, und suche sie in Abhängigkeit zu erhalten.«62 Noch sah Börne indes die Vorteile auf seiner Seite, war ihm 58

59 60

61 62

Brief 12 vom 26./30. Oktober 1819 an Jeanette Wohl, der den Stand der Verhandlungen wiedergibt. Zitiert nach Rippmann (Hrsg.), Sämtliche Schriften (wie Anm. 33), Bd. 5, S. 658 f. Vgl. die Eingangsbemerkung nur wenige Tage später: »Ew. Hochwohlgeboren müßte ich schon wegen Ihres eigenen Besten abraten, mir das polit. Journal nach dem aufgestellten Plane zur Redaktion zu überlassen.« (Brief an Cotta vom 25. Oktober 1820, zit. n. Rippmann, Sämtliche Schriften, Bd. 5, S. 659.) Vgl. dazu Jeanette Wohls Kommentar in Brief 46. Brief 24, Stuttgart, 11. November 1820.

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doch die Sorge um die Wage genommen, die in Württemberg »mit einer sehr liberalen Censur« gedruckt und durch Cotta vertrieben wurde. Es schmeichelte ihm, im Hause des Verlegers als politischer Gesprächspartner und Schriftsteller hofiert zu werden.63 Bereits einen Monat später sah sich Börne, inzwischen nach Frankfurt zurückgekehrt, zu einer Klage über die redaktionelle Praxis des Morgenblattes veranlasst, für das er nun regelmäßig Berichte lieferte. In einem Schreiben an Johann Friedrich Cotta legte er sein liberales Grundverständnis journalistischer Freiheit dar – leidenschaftlich, kompromisslos und klar. Sein Manifest gipfelte in dem oft zitierten Satz, »eine Staatszensur ist mir unerträglich, die Zensur einer Redaktion ist es mir noch mehr«. Diesmal fügte er eine situationsgerechte Einschätzung verlegerischer Handlungsfreiheit an, indem er konzedierte, dass auch ein freier Journalist Grenzen einhalten müsse, die »der Bestimmung des Blattes« entsprechen. Im Rahmen dieser Leitlinien aber »müßte einem freistehen zu sagen, was und wie man es will.«64 Trotz erster Zweifel an den Bedingungen seiner Autorentätigkeit für Cotta entwickelte sich in den folgenden Jahren eine immer engere Geschäftsbeziehung. Börnes Äußerungen pendelten in dieser Zeit zwischen provozierender Sorglosigkeit im Umgang mit seinen Pflichten und Honoraren sowie heftigen Selbstzweifeln und Skrupeln gegenüber dem Verlag. Allein deshalb sind die Kommentare Jeanette Wohls von unschätzbarem Wert, um die Lage, in die Börne geraten war, in ihrer Tragweite zu erfassen.65 Seine Vertraute erkannte Börnes Realitätsferne in seiner Einschätzung der eigenen literarischen Produktivität. Sie drängte ihn fortgesetzt, regelmäßige kleinere Arbeiten gegen monatliche Honorare zu vereinbaren und keine Großprojekte zu versprechen. Sie legte ihm nahe, das zu tun, was er am besten konnte: das Tagesgeschehen politisch zu kommentieren statt »als bedeutender Schriftsteller« hervortreten zu wollen. Ihre Beraterfunktion erreichte im Winter 1821 einen Höhepunkt. Wohls Strategie lief darauf hinaus, Börne zur richtigen Selbsteinschätzung seiner Leistungskraft

63

64

65

Cotta scheint große Centnerstücke auf mich zu halten. (Brief 26, Stuttgart 14./15. November 1820.) Brief an Cotta, Frankfurt, 15. Dezember 1820; zit. n. Rippmann, Sämtliche Schriften (wie Anm. 33), Bd. 5, S. 665. Darauf verwies bereits Inge Rippmann (Sämtliche Schriften, Bd. 4, S. LXXV). Sie rekonstruierte das Verhältnis in erster Linie aus den Briefen Börnes an Wohl (und nicht umgekehrt).

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Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

anzuhalten und ihn zur Annahme einer festen Anstellung als Redakteur zu bewegen. Ihre Sorgen nahmen täglich zu, weil Börne sich seinen Verpflichtungen weiterhin entzog und langsam in eine unhaltbare Lage gegenüber Cotta geriet. Die zunehmende Abhängigkeit vom Verleger wurde ihm selbst immer bewusster. Das erhöhte den Arbeitsdruck und ließ ihn immer wieder Ausweichstrategien suchen. Es ist unangebracht, diese Situation so zu interpretieren, als habe Börne unbekümmert und sorglos Cottas Freigiebigkeit als »bequeme Finanzquelle« benutzt.66 Der Briefwechsel zeigt vielmehr, wie es ihn quälte, mit den ständigen Ermahnungen Jeanette Wohls konfrontiert zu sein. Seine Antworten haben zunehmend Rechtfertigungscharakter, er beruhigte sich damit, dass Cotta ihm weiterhin vertraue.67 Jeanette Wohl ließ sich auf diese auf Selbstentlastung zielende Argumentation nicht ein. Sie ergriff die Gelegenheit, sich im Sinne Börnes als dessen Geschäftsführerin und Agentin zu etablieren, mit allen Konsequenzen für die persönliche Beziehung zu ihm. Vor allem trieb sie ihn zu einer härteren Gangart gegenüber Cotta an, dessen Umarmungsstrategie sie anders als Börne klar erkannte. Da ihr Freund de facto nahezu ausschließlich für Cotta arbeitete, lag es an ihm, den Preis für dieses Anstellungsverhältnis möglichst hochzutreiben.68 Im Frühjahr 1822 hatten die Geschäftsbeziehungen zwischen Verleger und Autor das Niveau eines patriarchalischen Unterordnungsverhältnisses erreicht. Börne lebte von Vorschüssen auf versprochene Lieferungen, die er unmöglich erfüllen konnte. Erstmals rechnete ihm der Verlagspatriarch den Stand der Schulden auf den Kreuzer genau vor. Natürlich wurde ein Ausweg gewiesen: eine regelmäßige und exklusive Korrespondententätigkeit für Cottas wichtigste Blätter. Das dafür gebotene Jahresgehalt oder ein monatliches Fixum sind nicht bekannt, da nur wenige Briefe Cottas erhalten sind. Die Zahlen, mit denen Börne operierte, deuten allerdings auf ein eher bescheidenes Festgehalt hin, das nach Jeanette Wohl ganz und gar nicht seinem literarischen Rang entsprach. Ein privater Anlass verleitete seine Beraterin schließlich dazu, eine ungeschminkte Bewertung der Selbsttäuschungen Börnes zu geben. Gemeinsame Reisepläne hatten sich zerschlagen, weil Börne diese aufgrund seiner ihn inzwischen belastenden 66 67

68

Rippmann, ebenda, S. LXXXII. Vgl. Brief 130: Die meisten Gelehrten haben Schulden. Erst neulich sagte mir Cotta, Friedrich Schlegel wäre ihm mehrere tausend Gulden schuldig […]. Brief 142.

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Verpflichtung gegenüber Cotta absagte. Wenn er »jetzt von Stuttgart weg ginge, würde mich das bei Cotta in sehr übles Licht sezen, und ich alles Zutrauen verliehren«. Er habe versprochen, »jezt viel für das Morgenbl. [zu] arbeiten«. In einem von ernster Verstimmung gezeichneten Brief führte Jeanette Wohl Börne eindringlich vor Augen, wie tief er sich in ein Netz aus Versprechungen und Ankündigungen verstrickt hatte. Sein Bewegungsspielraum war enger geworden, die stets verteidigte berufliche Selbständigkeit angesichts der Schulden bei Cotta eine Illusion. Jeanette Wohl verband ihre Kritik an Börnes Pflichtvergessenheit gegenüber seiner Leserschaft und an dem mangelnden Geschäftssinn in eigener Sache mit ihrer Unzufriedenheit an der Natur ihres Verhältnisses: »Wenn nun Sie, es auch so geschikt angefangen haben dem Cotta für 60 Carolin Ihre Freiheit zu verkaufen, so war doch Gott sei Dank die meinige nicht in diesem Kaufe mitbedungen.«69 Mit dieser sarkastisch wirkenden Bemerkung trifft Jeanette Wohl den Kern. Sie war auch als eine Absage an immer wieder aufkeimende Heiratsabsichten ihres Freundes zu verstehen. Auf eine materiell ungesicherte Ehe von Cottas Gnaden wollte sie sich nicht einlassen. Börne selbst bestätigte in seinen zunehmend verzweifelt klingenden Antworten den drohenden Autonomieverlust. Er wies Wohls Vorschlag zurück, mit Cotta ein perspektivisches Gespräch mit dem Ziel einer vertraglichen Vereinbarung über eine Festanstellung und die Modalitäten der Schuldentilgung zu suchen. Zu ungewiss erschien ihm das Resultat einer Besprechung, denn er müsse »erst einige Monate arbeiten«, bevor er Cotta »den Antrag [ ! ] zur fixen Bezahlung machen« könne. Deutlicher konnte es nicht zum Ausdruck kommen, wie sich die Hierarchie der Verhandlungspartner mittlerweile darstellte. Nicht Cotta, sondern er selbst, so Börnes Erkenntnis, war in der unangenehmen Lage, auf einen Abschluss angewiesen zu sein. Diese Einschätzung war sicherlich übertrieben, aber sie zeigt, wie problematisch er seine existentielle Situation Ende Mai 1822 empfand.70 Es ist davon auszugehen, dass die Unterhandlungen mit Cotta, die von außen anders wahrgenommen und von der Börne-Forschung bis heute entsprechend anders bewertet worden sind, tiefe Spuren hinterlassen haben. Börnes so unverständlich harsche, fast zynische Äußerungen kurz nach dem Tod des großen Verlegers geben dies zu erkennen. Eine sorgfältige 69 70

Briefe 145 und 151. Brief 164.

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Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

Analyse des Briefwechsels im Kontext der schwierigen Verhältnisse des Verlagsgeschäftes im Europa der Restauration kann sicherlich dazu beitragen, eine angemessene Bewertung Johann Friedrich Cottas zu finden. An dieser Stelle ist aber vor allem von Interesse, unter welchen Bedingungen sich Ludwig Börnes Aufstieg zu einem der führenden politischen Journalisten Deutschlands und Europas vollzog. Die durch den Briefwechsel dokumentierten Anfänge sind nur in rückblickender Betrachtung Teil eines Erfolgswegs. Für sich genommen bedeuteten sie eher eine ernste Schaffenskrise, trotz aller äußeren Anerkennung. Daran hat die Geschäftsbeziehung zwischen Cotta und Börne einen erheblichen Anteil. Sie scheiterte letztlich an einem strukturellen Antagonismus zwischen berechtigten verlegerischen Interessen und dem hohen Anspruch des Autors auf Autonomie und intellektuelle Selbstbestimmung. Dass sich der Widerspruch zwischen Berufspflicht und Berufung wenn auch nicht völlig auflösen, so doch entschärfen ließ, lag am Ende an der wechselseitigen Anerkennung der professionellen Interessen und Leistungsfähigkeit beider Akteure. Ludwig Börne konnte sich auf sein kreatives Potential verlassen, das ihm letztlich half, sich aus den lähmenden Obligationen gegenüber Cotta zu befreien – hinzu kam der glückliche Umstand, dass ihn die Erbschaft nach dem Tod des Vaters 1827 auch seiner »jämmerlichen Geldsorgen« (Jeanette Wohl) entledigte. Johann Friedrich Cotta, der viel Geduld bewies, kalkulierte den Teilverlust seiner Vorschusszahlungen und womöglich auch Börnes späteren Verlagswechsel zu Hoffmann & Campe ein. Dass er seine Investitionen in einen säumigen Autor nicht abschreiben musste, sondern alles in allem von dem »bedeutenten litterarischen Ruf«71 Börnes selbst bei nur äußerst unregelmäßigen Lieferungen profitieren würde, stand für Jeanette Wohl zu Recht außer Frage. Korrespondent der öffentlichen Meinung im Kampf gegen die Restauration Gut anderthalb Jahre, zwischen Juni 1822 bis Anfang 1824, setzte der Briefwechsel aus. Ludwig Börne und Jeanette Wohl verbrachten diese Zeit mit kurzen Unterbrechungen gemeinsam in Paris. Im langen Intervall der Unterbrechung veröffentlichte Börne die Schilderungen aus Paris, die seinen Ruhm als Beobachter der Restauration in Europa begründeten. Anders 71

Brief 163: Es ist gewiß daß Cotta Sie um jeden Preiß für sich gewinnen, oder vielmehr behalten will.

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als in den politisch zugespitzten Briefen aus Paris, die im Exil der 1830er Jahre entstanden, überwiegt hier noch der gemäßigt-distanzierte Berichterstattungsmodus. Im gleichen Tonfall sind auch die politischen Äußerungen des wieder einsetzenden Briefwechsels mit Jeanette Wohl gehalten. Vom Eingreifen in das Tagesgeschehen, vom revolutionären Gestus, der den Umsturz der deutschen Verhältnisse fordert, war Börne anfangs der 1820er Jahre weit entfernt. Es bleibt fraglich, ob man eine voranschreitende politische Radikalisierung unterstellen kann. Nach eigenem Bekunden entwickelte Börne sich im Jahrzehnt zwischen Restauration und Pariser Julirevolution 1830 vom gemäßigten Liberalen zum entschiedenen Republikaner. Bis auf wenige Ausnahmen ist die Forschung Börnes biographischer Selbstkonstruktion gefolgt.72 Das Politisierungsmodell sukzessiver Radikalisierung setzt eine bestimmte Form des öffentlichen Engagements und der Parteinahme voraus, die dem politisch-publizistischen Selbstverständnis Börnes allerdings zuwiderläuft. Weder die Korrespondenz noch die politischen Schriften lassen solch eindeutige politische Festlegungen erkennen. Insofern erstaunt es nicht, dass Börne bereits den Zeitgenossen mal als publizistischer Frontmann der Liberalen, mal als kompromissloser Republikaner oder kleinbürgerlicher Radikaler erschien. Heines späteres Verdikt zielte auf Börnes folgenlosen Radikalismus, den er, wie es auch Karl Marx tat, als unpolitisch abqualifizierte. Dieses nicht ganz von der Hand zu weisende Urteil beruht auf einer konkreten Vorstellung über das funktionale Verhältnis zwischen Journalismus und Politik. Das Konzept des »Zeitschriftstellers«, wie es Börne im Prospekt der Wage programmatisch darlegte, beinhaltete zweifellos ein »operatives Verhältnis« (Wolfgang Labuhn) zwischen Literatur und Politik. Seine Schriften waren darauf angelegt, politisch zu mobilisieren. Kritik und belehrende Unterhaltung, so Börnes aufklärerisches Grundverständnis, erreichten durch Öffentlichkeit Veränderungen des Status quo. Wie er diesen Wirkungsmechanismus verstand, wird in den programmatischen Ankündigungen der politischen Journale bildhaft ausgeführt. Im Briefwechsel mit Jeanette Wohl bekräftigte Börne, journalistisch zur Formulierung und Präzisierung 72

Differenzierter dagegen Wolfgang Labuhn, der Börnes literarische Strategie verdeckter politischer Publizität untersucht: Ludwig Börne als politischer Publizist, 1818–1837, in: Walter Grab/Julius H. Schoeps (Hg.), Juden im Vormärz und in der Revolution von 1848, Stuttgart/Bonn 1983, S. 29–58, und Ders., Literatur und Öffentlichkeit (wie Anm. 5).

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Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

öffentlicher Ansichten über politische Ereignisse beitragen zu wollen. Sich selbst in der Rolle eines publizistischen Kristallisationskerns der Opposition und sprachmächtigen Gestalters der öffentlichen Meinung sehend, legte er gegenüber seiner Vertrauten keine falsche Bescheidenheit an den Tag. Börne war von seiner rhetorischen Begabung zum Wortführer der öffentlichen Meinung überzeugt. Er vertraute darauf, politische, kulturelle oder wissenschaftliche Zusammenhänge verständlich erklären zu können. Bei der Lektüre der Briefe tritt diese Intention, komplexe Sachverhalte satirisch-bildsprachlich zu erklären, nicht so in den Vordergrund wie in den Erzählungen und Aphorismen. Die Briefe sind eher eine Quelle der Selbstreflexion und der Bestätigung durch die Brieffreundin, die ihn an die öffentliche Wirkung seiner Publikationen erinnerte und Börnes Popularität förderte. Aufgrund dieser Popularität verglich sich Börne mit dem Typus des Volksredners, der durch Sprachgewalt politische Versammlungen überzeugt. Als exponierter Journalist, der den Strukturwandel der Öffentlichkeit zugleich antrieb und reflektierte, ist seine politische Bedeutung in der Tat kaum zu überschätzen. Solange die deutschen Parlamente kein Forum öffentlicher Diskussion waren und die Presseberichterstattung behindert wurde, musste der öffentliche Meinungsstreit in der Art eines Untergrundkampfes »gegen das stehende Heer der Regierungsgedanken« geführt werden.73 Börne sah sich selbst in vorderster Linie, als Wortführer der unterdrückten Meinungsfreiheit. Er stand damit objektiv an der Seite der Liberalen, deren parlamentarischen Kampf für eine Verfassung und für Pressefreiheit er publizistisch unterstützte. Seine Berichterstattung und Korrespondenz erstreckte sich auf ganz Europa, wo immer Konstitutionalismus und Freiheitsbewegung auf dem Spiel standen oder umkämpft waren, in Spanien und Portugal, in Oberitalien und im Königreich NeapelSizilien, in Polen wie an der griechischen Peripherie des Osmanischen Reiches. So analytisch er die jeweilige Lage erfasste und sie Jeanette Wohl als Stellvertreterin der öffentlichen Meinung erläuterte, so wenig zeigte er sich allerdings bereit, seine Einsichten unmittelbar in den Dienst der liberalen Bewegung zu stellen. Er kritisierte die Liberalen in den Briefen zuweilen scharf und sorgte dadurch für Irritation bei seinen Parteigängern, die

73

Börnes berühmte Formulierung in: Rippmann, Sämtliche Schriften (wie Anm. 33), Bd. 1, S. 822.

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ihm später Verrat an ihren politischen Zielen vorwarfen. Obgleich Börne auf den Stationen seiner Reisen durch Süddeutschland und in Paris mit führenden Liberalen zusammentraf, ist der Korrespondenz zu entnehmen, wie distanziert er diesen politischen Kreisen und Vereinen begegnete. Angesichts seiner häufig geradezu sarkastischen Bemerkungen über das politische Milieu und das öffentliche Agieren der Repräsentanten des Liberalismus ist man geneigt, deren Urteilen über Börnes politische Unverbindlichkeit zuzustimmen. Diese vermeintliche Standortlosigkeit war das Resultat einer sehr eindeutigen Präferenz für den Beruf des »unparteiischen« Chronisten. Börne lehnte es ab, sich als publizistischer Frontmann in die politische Bewegung der Liberalen einzureihen. Im Gegensatz zu vielen Journalistenkollegen in Deutschland und vor allem in Frankreich betrachtete er sich gerade nicht als aktiven Politiker. Zu Jeanette Wohl, die seine Haltung auch in diesem Punkt nicht teilte, bemerkte er nach einem Treffen mit »geübten Volksrednern« in Stuttgart: »Hier könnte ich nicht blos eine Rolle spielen, wie Ihr zu sagen pflegt, sondern wirklich viel seyn, thun, erreichen und gelten.«74 Dass es ausgerechnet Börne nicht um Popularität und Wirkung gegangen wäre, ist indes kaum glaubhaft. Doch profilierte er sich lieber jenseits aller politischen Kräfte als Wortführer der öffentlichen Meinung. In diesem Habitus der »Unparteilichkeit«, deren politischer Anspruch darin bestand, richtigen Ansichten zum Durchbruch zu verhelfen, kann man wie Heine Unbedarftheit, Aufklärungsidealismus und später auch Revolutionsromantik sehen. Aus Börnes publizistischen Programmschriften wie der privaten Korrespondenz spricht die Überzeugung von der Wirkungsmacht freier öffentlicher Diskussion. Reflektierte diese Distanz zur praktischen parlamentarischen Politik ein vormodernes Politikverständnis, oder äußerte sich daran grundsätzliche Kritik am Repräsentationsprinzip? Eine parlamentarische Debatte artikulierte nicht den Volkswillen, das Parlament war nicht das Volk. Nur ein politisch ungebundener und unabhängiger Chronist des Zeitgeschehens konnte ein Agent der unterdrückten öffentlichen Meinung sein, und Börne sah sich in der Rolle ihres sprachgewaltigen Anführers. Er beanspruchte den Status eines aktiven Beobachters, der unbestechlich und unabhängig das politische Geschehen berichtet, analysiert und kommentiert. Im freien Meinungskampf der Presse sollte die parlamentarische Aus-

74

Brief 26, Stuttgart 14./15. November 1820.

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einandersetzung ein Korrektiv finden, eine von Gängelung befreite Presse das Verbindungsglied zwischen Volk und Abgeordneten bilden. Börnes Selbstbild resultierte aus seiner idealen Theorie der Öffentlichkeit. Welchen Einflüssen, Interessen und Zwängen ein selbsternannter Wortführer der Meinungsfreiheit in der alltäglichen redaktionellen Berufspraxis ausgesetzt war, dafür liefert der Briefwechsel höchst anschauliches Material. Er zeigt, wie sich Börne hartnäckig medialen Geschäftsbedingungen und Regeln entzog, indem er versuchte, seine Vorstellung journalistischer Freiheit durchzusetzen. Auch gegenüber den liberalen Gesinnungsgenossen beharrte er auf politischer Unabhängigkeit. Statt »mit den Wölfen [zu] heulen«75, bewahrte er stets Distanz zum Kammerliberalismus, dem die Zukunft gehörte. Seine Reputation als unabhängiger Beobachter und Kritiker, die selbst seine Gegner anerkannten, ermöglichte es ihm, zugespitzte politische Positionen auch unter erschwerten Zensurbedingungen ohne Rücksichten auf Parteimeinungen öffentlich zu vertreten. Im politischen Aushandlungsprozess zwischen Regierung und Parlament dagegen ging die Reinheit politischer Überzeugungen verloren. Immer wieder mokierte sich Börne bei Jeanette Wohl über die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit und Korrumpierbarkeit der Liberalen. Er verachtete ihre politischen Kompromisse und Halbheiten, obwohl er gleiches selbst häufig im Klärbecken redaktioneller Binnenzensur ertragen musste. Ungeachtet seiner distanzierten Haltung zur pragmatischen Politik der Liberalen lassen die Briefe keinen Zweifel an Börnes liberaler Gesinnung. Aus der historischen Fortschrittsgewissheit eines Liberalen schilderte er die Verfassungskämpfe mit den konservativen Ultras in Europa.76 Frankreichs »liberale« Charte constitutionelle, die aus Revolution und Restauration hervorgegangene Verfassung von 1814, war der Maßstab, den er an die deutschen Verhältnisse anlegte. Auf dem Weg zum parlamentarischen System ging Frankreich voraus, Kontinentaleuropa und vor allem der Deutsche Bund stolperten hinterher. Börne erkannte das wachsende Gewicht der französischen Abgeordnetenkammer, die das Gottesgnadentum Ludwigs XVIII. durch das Budgetrecht eingrenzte. Seit der Abschaffung der präventiven Zensur 1819 entwickelte sich in Frankreich zudem eine 75 76

Brief 90. Vgl. Dieter Langewiesche, Europa zwischen Restauration und Revolution 1815– 1849, 5. Aufl., München 2007; Jean-Yves Molliet/Martine Reid/Jean-Claude Yon (Hg.), Repenser la Restauration, Paris 2005.

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oppositionelle Presse, Paris zählte allein dreizehn politische Tageszeitungen und mehr als 500 öffentliche Lesekabinette.77 Über die Sitzungen der Deputiertenkammer und die dort gehaltenen Reden wurde offen berichtet, ohne dass den Journalisten Sanktionen drohten. Vom Boden der in Frankreich bereits erreichten Freiheit betrachtete Ludwig Börne die Anfänge des deutschen Konstitutionalismus in Süddeutschland mit Skepsis. Ihm schienen die »Ständesitzungen […] ganz theatralisch«, zumal das Volk daran kaum Anteil nahm. Dessen Anhänglichkeit an die Monarchie, die Börne bei einem Theaterbesuch des bayrischen Königs beobachtete, und der Volkskatholizismus, den er beim Einzug des Erzbischofs von MünchenFreising – »rechts und links das Volk segnend mit einer Bewegung der Hand, womit man den Hühnern Futter streut« – sah,78 bestärkten Börnes Meinung über die geistige Knechtschaft seines Vaterlandes. Anders als man es ihm bald unterstellte, schrieb er diesen Zustand keineswegs dem Volkscharakter der Deutschen, sondern den historisch bedingten Machtverhältnissen zu, die noch nicht überwunden waren. In den Briefen karikiert Börne die Kleinstaaterei und Kleinstädterei, die Verkehrs-, Zoll- und Handelshemmnisse, die bereits Gegenstand der populären Monographie der deutschen Postschnecke (1821) waren. Von Paris aus betrachtet, wirkte die Staatenvielfalt des Deutschen Bundes wie ein überholter Gegenentwurf zur französischen Einheit der Nation. Nur Preußen schien willens und in der Lage, die Verhältnisse in Deutschland auf eine neue Grundlage zu stellen. Von dieser Hoffnung mussten sich Börne und die deutsche Nationalbewegung spätestens seit der Karlsbader Geheimkonferenz 1819 verabschieden. In der Korrespondenz mit Jeanette Wohl lassen sich die Stationen dieser Desillusionierung und der Abwendung von Preußen nachvollziehen. Unmittelbare Stellungnahmen zur politischen Lage in Deutschland waren unter dem Polizeiregiment der Bundesstaaten nicht möglich. Eine Ausweichmöglichkeit bot die Vielfalt der Presse, die sich nicht vollständig kontrollieren ließ. Zwar bedrohte das Pressegesetz des Deutschen Bundes vom 20. September 1819 Redakteure, deren Zeitung oder Zeitschrift die Konzession entzogen worden war, mit einem bis zu fünfjährigen Berufsverbot. 77

78

Ursula E. Koch, Die Zeitungsstadt Paris zur Zeit der Restauration (1814–1830), in: Ilja Mieck (Hg.), Paris und Berlin in der Restaurationszeit (1815–1830), Sigmaringen 1996, S. 219–261, hier: S. 231. Brief 68.

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Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

Doch blieb den Betroffenen die Möglichkeit, ihr Glück in solchen Bundesstaaten zu versuchen, die eine weniger strenge Zensurpraxis ausübten. Börne machte davon zweimal Gebrauch – einmal 1818, als er die Redaktion der Zeitschwingen von Frankfurt ins benachbarte großherzoglich-hessische Offenbach verlegte, ein zweites Mal 1821, als er sich in die Obhut des Verlegers Johann Friedrich Cotta begab, der die Herausgeberschaft der bedrohten Wage einem Subunternehmer übertrug, der Buchhandlung Heinrich Laupp in Tübingen. Ausgerechnet das aufgeklärte Preußen, auf das Börne anfangs so viele Hoffnungen setzte, verfolgte eine besonders scharfe Pressepolitik, indem es eine allgemeine Vorzensur auch auf Druckerzeugnisse über 20 Bogen einführte. Von daher lag es nahe, dass Börne während der erstmaligen provisorischen Verhängung der Karlsbader Beschlüsse (1819–1824) seine Aktivitäten in den liberalen Süden Deutschlands, besonders nach Stuttgart und München verlegte. In diesem Einzugsraum hatte sich ein Netzwerk liberaler Journalisten gebildet, die eine Mitarbeit an Cottas Zeitschriften, vor allem an der Allgemeinen Zeitung und dem Morgenblatt für gebildete Stände verband. Die in Augsburg verlegte Allgemeine Zeitung hatte sich formal dem Standpunkt der »Allparteilichkeit« verpflichtet. Ihre zurückhaltende politische Berichterstattung erlaubte es Cotta, das Blatt sogar in Österreich zu publizieren. Der sorgsam beachtete Grundsatz politischer Neutralität hielt Ludwig Börne davon ab, sich dauerhaft für Cotta engagieren zu lassen. Es widersprach Börnes Idealbild freien öffentlichen Räsonnements, an dem er bis zur Gefährdung seiner beruflichen Existenzgrundlage festhielt. Seine Prinzipientreue wurde im Dezember 1821 auf eine Probe gestellt, als ihm in München die Nachricht zugetragen wurde, ihm winke im Falle seiner Übersiedlung nach Wien eine fast beamtenmäßige Anstellung. Bislang unbeachtete Passagen des Briefwechsels zwischen Börne und Jeanette Wohl beleuchten den Anwerbungsversuch. Vom Vater Jakob Baruch (1763– 1827) vermittelt, hatte die österreichische Regierung über Friedrich Gentz den Versuch unternommen, den missliebigen, aber insgeheim bewunderten Oppositionsliteraten umzudrehen und als bezahlten Schreiber zu engagieren. Als verdeckter »Regierungssprecher« gewissermaßen, hätte Börne der Sache Österreichs in Europa durch in der Tendenz regierungsfreundlich gefärbte Artikel einen unschätzbaren Vorteil verschaffen können – wäre er darauf eingegangen, »wäre in mir die ganze liberale Partheÿ geschlagen«, so mutmaßt Börne, da niemand »die schwache und lächerliche Seite der deutschen Liberalen« besser kenne als er.

Andreas Schulz

LI

Die anschließenden Briefpassagen offenbaren erneut Börnes Misstrauen gegenüber den liberalen Berufskollegen, die er der Käuflichkeit bezichtigt. Keine andere Briefstelle geht im Übrigen härter mit der österreichischen Regierung, mit Metternich und Gentz ins Gericht als diese, in der Börne seinen »wahren fanatischen Hass« auf das System »aristokratischer Tÿrannei« bekennt. Da er jederzeit damit rechnen muss, dass seine private Korrespondenz geöffnet wird, kann man diese Sätze als indirekt an Wien kommunizierte Absage werten. Über den genauen Hintergrund lässt sich nicht viel mehr ermitteln. Dass Börne für den Österreichischen Beobachter geworben werden sollte, ist auszuschließen. Im Zentralorgan der österreichischen Staatsregierung zu schreiben wäre beruflicher Selbstmord gewesen. Börne erwähnt in diesem Zusammenhang das Beispiel des »armen« Johann Baptist von Pfeilschifter (1793–1874), der »in allen Zeitungen verspottet [wird], weil er in der allgemeinen Zeitung die Berichte im royalistischen Interesse abgefasst«.79 Welches überregionale Presseorgan wäre für einen solchen Anwerbungscoup besser geeignet gewesen als die hoch angesehene Augsburger Allgemeine Zeitung, welcher Redakteur der Regierungsnähe unverdächtiger als Ludwig Börne? Cotta führte im Laufe des Jahres in Stuttgart mehrere Gespräche, die auf eine regelmäßige Korrespondententätigkeit Börnes für die Allgemeine abzielten. Dass er Kenntnis von den Wiener Plänen hatte, ist nicht unwahrscheinlich. Eine entsprechende Vereinbarung bestand ja bereits mit Metternichs Privatsekretär und Pressereferenten Joseph Anton von Pilat (1782–1865), der unter dem Pseudonym Aristide auch für die Allgemeine schrieb. Zugeständnisse an die politischen Machtträger in Europa waren für Verleger in der Restaurationszeit unvermeidlich, wollten sie ihre Blätter am Leben halten. Umgekehrt konnten die Vormächte der Restauration Verlagsunternehmer vom Format Johann Friedrich Cottas nicht einfach aus dem Verkehr ziehen, zumal dieser mit seinen liberalen Journalen und Zeitschriften großen Einfluss auf die öffentliche Meinung hatte. Das böse Gerede vom »Buchhändler der Heiligen Allianz«, die Warnungen der Stuttgarter Liberalen, sich nicht mit Cotta einzulassen – alle diese Verdächtigungen wurden durch die Wiener Avancen gegenüber Börne sicherlich bestätigt. Es sind allerdings weitgehend Gerüchte geblieben, deren Plausibilität im Kontext der Denunziationen und Repressionen der 1820er Jahre bewertet werden muss.

79

Zitate aus den Briefen 81–90 im Dezember 1821.

LII

Der Briefwechsel und die Erfindung des »Zeitschriftstellers« Ludwig Börne

Durch das erste längere Pariser Exil unterbrochen, schließt der vorliegende erste Band der Edition mit der Korrespondenz des Jahres 1824. Im März hatten sich die Heiratspläne konkretisiert, selbst mit Jeanette Wohls Mutter darüber zu sprechen wurde ins Auge gefasst. Kurze Zeit später erkrankt Börne erstmals schwer, er blieb für Monate arbeitsunfähig. Erneut nimmt der Briefwechsel einen sehr intimen Charakter an, persönliche Dinge stehen im Vordergrund. Jeanette Wohl äußerte sich an einer Stelle über die Tatsache, »daß ich Ihnen so offen und unbefangen schreibe […] jezt kommen Sie und sagen ›ich schreibe schöne Briefe‹!« Im vorausgehenden Brief hatte Börne durch eine stilistische Belehrung der Freundin Anlass gegeben, den privaten Charakter des Briefwechsels zu thematisieren. Ihre Korrespondenz unvermittelt nach ästhetischen und literarischen Maßstäben beurteilt zu sehen, war aus Wohls Sicht ein »Mißgriff«, eine Regelverletzung, mit der Börne einiges »verdorben, und mich und sich aus dem Geleise gebracht« habe. Es sollte der einzige Anlass bleiben, der Jeanette Wohl an der Ernsthaftigkeit und zweckfreien Intention von Börnes privaten Äußerungen zweifeln ließ.80

80

Brief 89.

Renate Heuer

LIII

2. Ludwig Börne, Jeanette Wohl und 2. das Frankfurter Judentum Renate Heuer In fast allen biographischen Darstellungen Ludwig Börnes wird seine erste Begegnung mit Jeanette Wohl mit den folgenden Worten geschildert: Im Januar 1817 wird Dr. Baruch [Ludwig Börne] bei einem winterlichen Spaziergang auf der Friedberger Landstraße in Frankfurt Madame Wohl vorgestellt, die sich in Begleitung der auch ihm bekannten Familie Ochs befindet. Es sind die Schwiegereltern von Dr. Salomon Stiebel […].

Dieser Textausschnitt aus einer Studie von Edith Vetter1 unterscheidet sich von anderen Darstellungen durch den Hinweis, dass Jeanette Wohl ebenfalls im Ghetto, im Haus ZUM PFLUG Nr. 65, geboren wurde, das dem Geburtshaus Börnes, dem Haus ZUM ROST Nr. 118, nur um vier Häuser versetzt, gegenüber lag. Darum ist es unwahrscheinlich, dass sich »Jeanette und Baruch [Börne] vor ihrer Begegnung in der Friedberger Landstraße nie gesehen hatten.«2 Dass sie sich vorher kannten, ist vor allem auch anzunehmen, weil das Haus Wohl 1793 von einem Skandal erschüttert wurde, der im Ghetto sicher lange als unerhörte Neuigkeit galt. Der Frankfurter Historiker Paul Arnsberg kommentierte ihn so:3 Wie groß der Unterschied war in dem freien Geist der Welt zur Zeit der Revolution und den mittelalterlichen Ansichten, wie sie in der Frankfurter Judengasse noch bestanden, zeigt ein heute noch vorhandenes Aktenstück »Die schimpfliche Beerdigung des hiesigen Schutzjuden Wolf David Wohl betreffend.«4 1

2 3

4

Edith Vetter, Jeanette Wohl, Freundin und Mitarbeiterin von Ludwig Börne, in: Materialien zur Bad Sodener Geschichte 23 (1998), S. 6. Ebd., S. 18. Vgl. Paul Arnsberg, Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution, 3 Bde., Darmstadt 1983. Hier: Bd. I, S. 109, Anmerkungen in diesem und folgendem Zitat wie ebd. Stadtarchiv Frankfurt am Main, Juden, Ugb D 33, Nr. 71.

LIV

Ludwig Börne, Jeanette Wohl und das Frankfurter Judentum

Wohl war ein angesehener Jude aus einer Familie, die schon 1620 (aus Hildesheim kommend) in Frankfurt aufgenommen wurde. Dietz5 nennt ihn »reicher Wechseljude« und beziffert seinen Nachlass mit über 62 000 Gulden.

Die in vorhandenen Akten nachprüfbaren Angaben werden mit folgenden Bemerkungen fortgesetzt, die zweifellos ein Gemisch aus diversen Gerüchten darstellen und ohne Quellenangaben aneinandergereiht werden:6 Dieser Wohl war in seinen jüngeren Jahren streng altgläubig und respektierte alle Zeremonialgebote und -verbote. Er war auch Mitglied der Heiligen Beerdigungsbrüderschaft, der Chewra Kadischa, in Frankfurt a. M. (»Kippe« genannt, von dem hebräischen Wort »Kuppah« = Kasse = Krankenkasse).

In der folgenden Schilderung werden offenkundig ebenfalls Gerüchte referiert. Weiter heißt es, in späteren Jahren sei dieser Wohl kritisch geworden und hätte als »neolog« gegolten, da er die alten Gebräuche nicht mehr respektiert und dies in seiner zynischen Art ironisch bei häufigen Anlässen zum Ausdruck gebracht habe, so dass ihm das respektable Begräbnis eines Juden mit dem üblichen Ritual und ein Beerdigungsplatz neben seinen Eltern und Verwandten verweigert worden sei. Man beerdigte ihn an einer entlegenen Stelle an der Friedhofsmauer, wo man Selbstmörder und an Geschlechtskrankheiten Gestorbene zu verscharren pflegte. Dies geschah unter ausdrücklicher Zustimmung des damaligen berühmten Rabbiners Horowitz, des Ha’flaho,7 aber auch der Baumeister, da dies der Halacha entspräche. »Denn, wenn ein Abtrünniger sterbe, ›solle man sich freuen und weiße Festtagsgewänder anziehen, und … daß dieses Begräbnis allen zur Abscheu gereichen solle.‹«8 Die Witwe Merle Wohl, geborene Schwab, von der kein Bild, kein Brief erhalten ist, reagiert auf diese Beleidigung mit unerhörtem Mut. Sie stellt den Antrag an die Gemeinde, dem Verstorbenen ein »gut jüdisches Begräbnis« bei seinen Vorfahren zu geben, denn er habe seine Beiträge für die »Kuppe« stets regelmäßig bezahlt. Da sie trotzdem abgewiesen wird und

5 6 7

8

Alexander Dietz, Stammbuch der Frankfurter Juden, S. 330. Arnsberg, Frankfurter Juden (vgl. Anm. 3), Bd. I, S. 109. Pinchas Halevi ben Zwi Horowitz, »Haflo’oh« genannt nach seinem Hauptwerk Hafla #ah (= Besonderlichkeit), lebte von 1732 bis 1805 und war in Frankfurt a. M. seit seinem Amtsantritt im Jahre 1772 die höchste rabbinische Autorität; vgl. Arnsberg, Frankfurter Juden (vgl. Anm. 3), Bd. I, 1983, S. 112. Ebd., S. 109, ohne Quellenangabe.

Renate Heuer

LV

»das schimpfliche Begräbnis« in einem heißen Hochsommer rasch stattfindet, mit von der Straße herbeigerufenen Gassenbuben, die Pfeife rauchen und rufen: »Her mit den Brezeln, beim Begräbnis eines Abtrünnigen muss Freude herrschen!«, wendet Merle Wohl sich an die Stadtregierung und erreicht eine Umbettung durch Stadtsoldaten. Ein ausführliches Protokoll dieser makabren Szene ist erhalten.9 Paul Arnsberg zufolge habe die Witwe mit ihren beiden Söhnen diesen Antrag an die Stadtregierung gestellt. Tatsächlich hatte Merle Wohl nur vier minderjährige Töchter, die sie in ihren Anträgen als ihre Kinder erwähnt. Die Frage bleibt, wer ihr bei der Abfassung dieser beiden Anträge geholfen hat oder ob sie selbst sie jiddisch verfasste und so klug argumentieren konnte wie später ihre Tochter Jeanette? Auch diese Anträge liegen in Hochdeutsch in amtlich beglaubigter Übersetzung vor.10 Darüber hinaus sind zwei Schriftstücke von Wohl und Wohl überliefert, die sich beide als Brüder von David Wolf Wohl bezeichnen und mit entschiedenen Worten bestreiten, etwas mit dem Antrag an die Gemeinde auf ein »gut jüdisches Begräbnis« zu tun zu haben. Diese sind in hochdeutscher Übersetzung mit amtlichem Siegel, dass die Übersetzung dem Original genau entspricht, ebenfalls erhalten.11 Merle Wohl scheint in ihrem Unglück von ihren Verwandten allein gelassen zu sein, nur ihr Bruder Schwab ist während der Umbettung seines verstorbenen Schwagers Wohl durch die Stadtsoldaten dabei.12 Für die Behauptung, ihr verstorbener Mann sei »neolog« gewesen, gibt es nur einen greifbaren Beleg: Sein Name findet sich auf der Liste der siebenundvierzig Frankfurter Juden, die Moses Mendelssohns Übersetzung der fünf Bücher Mose bestellt hatten.13 Wir wissen nicht, welchen Unterricht Jeanette und ihre drei Schwestern im Elternhaus erhielten, wie weit sie in jüdische Riten und Bräuche eingeführt wurden, ob sie, wie das in altfrommen jüdischen Häusern üblich war, »auf dem Schoß der Mutter«14 Jiddisch lesen und schreiben gelernt haben, d. h. hebräische Lettern zuerst kennenlernten.

9 10 11 12 13 14

Stadtarchiv Frankfurt am Main, Juden, Ugb D 33, Nr. 71. Ebd. Ebd. Ebd. Arnsberg, Frankfurter Juden (wie Anm. 3), Bd. II, S. 154. Das wird in vielen Biographien berichtet, auch von Moses Mendelssohns Frau.

LVI

Ludwig Börne, Jeanette Wohl und das Frankfurter Judentum

Wie ein undurchsichtiger Schleier ist Schweigen um das Leben der Witwe Merle Wohl gebreitet. Es lässt sich nur erschließen, dass sie wie viele jüdische Witwen mit unverheirateten Töchtern Klugheit und Geschick darauf verwendet hat, für die – wie sich nach der Testamentseröffnung herausgestellt hat – recht vermögenden Mädchen gute jüdische Ehen zu stiften. So wird auch Jeanette 1805 mit dem reichen Juden Leopold Heinrich Oppenheimer, der sich später Otten nennt, verheiratet. Ehen, die der Stellung in der Gemeinde entsprachen, Vermögen zu Vermögen brachten, wurden oft vermittelt, ohne dass die Brautleute sich gesehen hatten, bevor sie unter den Trauungsbaldachin traten. Das führte oft zu recht glücklichen Ehen, wie sie uns am Beispiel David Friedländers mit der Itzigtochter geschildert werden. Doch waren diese beiden noch Kinder zu nennen und entsprachen der alten jüdischen Regel, miteinander zu leben, bevor erotische Versuchungen ihnen überhaupt bekannt wurden; Jeanette Wohl hingegen war erwachsen, als sie verheiratet wurde.15 Nach neun unglücklichen Ehejahren erwirkt Jeanette, gegen heftigen Widerstand der Mutter, nicht nur die Scheidung,16 sondern darüber hinaus die Rückzahlung der Mitgift von 20.000 Gulden, wenn auch auf Raten. Sie nimmt ihren Mädchennamen wieder an und lebt im Hause ihrer Mutter. Bei der Rekonstruktion der Lebensumstände der Familie Wohl durch Edith Vetter fehlen einige Details. Nicht erwähnt wird der Schwager Rindskopf, der bei der Scheidungsverhandlung Jeanettes Beistand gewesen ist. Erklärt werden müsste auch, wie es Jeanette gelang, den »heftigen Widerstand« ihrer Mutter so schnell zu besiegen, dass sie in deren Haus zurückkehren konnte. Ferner ist aus einem späteren Dokument des Juristen Reinganum zu erschließen, dass die Mutter sehr genau darauf geachtet hat, dass ein fehlender Teil der Mitgift nach dem Tod Ottens zurückgezahlt wurde.17 Folgen kann man Edith Vetters Aufstellung der Adressen Jeanette Wohls und auch der Schlussfolgerung, die sie aus dem dauernden Wechsel der Wohnungen zieht:

15

16

17

Jeanette Wohls Alter ist nicht urkundlich gesichert. Im Hebammenbuch der Stadt Frankfurt findet sich kein Eintrag ihrer Geburt. Als Grund für die Scheidung wird nirgendwo die Kinderlosigkeit angegeben, die eine Scheidung sehr leicht möglich gemacht hätte. Schreiben von Dr. Reinganum an J. Wohl im Auftrag ihrer Mutter.

Renate Heuer

LVII

nach der Scheidung also wieder bei der Mutter, dann bei einer verheirateten Schwester auf der Pfingstweide [am heutigen Zoo], anschließend bei einer anderen an der Langen Straße/Ecke Schöne Aussicht. 1820 berichtet sie von einem ›Haus mit Gartenanlage‹, das sie sich hat bauen lassen. Wo es sich befand, war nicht zu ermitteln. Im Oktober 1821 lautet ihre Adresse: bei Herrn Dr. Stiebel, An der schönen Aussicht, 1827, als Heine Börne besucht, wohnt sie »im Wollgraben«. Ihr Versuch mit der eigenen Wohnung scheint gescheitert zu sein, […] Auch eine so eigenständige junge Frau unterwarf sich offenbar den von der Gesellschaft bestimmten Regeln, wonach eine alleinstehende Frau keinen eigenen Hausstand zu führen hat.18

Sie hat die »Lene«, die Besorgungen macht, ihr Essen bringt, auch Post holt. Tagsüber ist sie allein und beginnt, für sich zu lesen, zu musizieren, Sprachen zu lernen, auch als gute Tante steht sie den Kindern ihrer Schwestern jederzeit zur Verfügung. Das ändert sich nicht wesentlich, als sie Börne kennenlernt, nur wird er in ihren Kreis einbezogen, der sich abends zum Tee bei ihr trifft. Ludwig Börne hat 1817/18 eine lange Zeit der Entfernung von Frankfurt hinter sich, mit nur zwei kurzen Zwischenaufenthalten, die ihn dazu veranlassen, das jüdische Leben im Ghetto ironisch zu verarbeiten. Jakob Baruch, Börnes Vater, hatte sich schon 1800 dafür entschieden, dem Rat des Hauslehrers Jakob Sachs zu folgen und den Sohn nach Gießen in die Privaterziehungsanstalt des Orientalisten Hetzel zu geben, in der er auch von August Friedrich Wilhelm Crome19 unterrichtet wurde. Börnes Entwicklung vom Judentum weg ist hiermit eingeleitet und wird in den folgenden Jahren nicht mehr aufgehalten werden. Er lernt später das sehr viel freiere jüdische Leben in Berlin im Haus von Henriette und Marcus Herz kennen, erlebt den aufmerksamen Blick des erfahrenen guten Arztes, der sofort Engbrüstigkeit diagnostiziert und am Schabbat ( ! ) Reitunterricht verschreibt, der den Pensionär Börne auch zum Vorlesen nach Tisch anhält und eine Einführung in Philosophie bei Lazarus Bendavid als Grundlage jeder wissenschaftlichen Tätigkeit empfiehlt. Aber weder das eine noch das andere kann länger wirken, da Marcus Herz schon am 19. Januar 1803 plötzlich stirbt und dadurch der geordnete Haushalt für eine Weile aus den Fugen zu geraten scheint. Doch der von leidenschaftlicher Zuneigung zu der zweiundzwanzig Jahre älteren Henriette ergriffene, verliebte Jüngling

18 19

Vetter, S. 20. August Friedrich Wilhelm Crome (1753–1833) war Professor für Kameralistik in Gießen, Statistiker und Volkswirtschaftler.

LVIII

Ludwig Börne, Jeanette Wohl und das Frankfurter Judentum

Börne lässt sich durch ihr umsichtiges Verhalten langsam wieder auf die Bahn seiner Ausbildung bringen. Auch sein Vater stimmt zu, ihn nach Halle zu dem bekannten Arzt Johann Christian Reil, einem der Begründer der modernen Psychiatrie, zu geben, der Marcus Herz und auch Henriette Herz gut bekannt war und von ihr empfohlen wurde. Das ist umso erstaunlicher, weil Reil kein Jude ist und in seinem Haus jüdisches Leben nicht mehr gewährleistet sein wird. Offenbar ist Jakob Baruch, Börnes Vater, schon in einer der moderaten Phasen seines Lebens, die ihm im Ghetto und auch von seinem Sohn nachgesagt wird. Im Sommer 1803 zieht Börne nach Halle. Es haben sich zwei unveröffentlichte Briefe erhalten, die seine Stimmung in der ersten Zeit in Halle wiedergeben. Sie werden hier erstmals vollständig abgedruckt. Halle d. 15ten July 1803 Theuerste Eltern! Ich bin gestern hier angekommen. Ich habe eine sehr angenehme Reise gehabt. Sonntag war ich von Berlin abgereist, und gelangte Montag Abend zu Deßau an. Ich blieb Dienstag und Mittwoch zu Deßau und besah die Merkwürdigkeiten in und um der Stadt. Donnerstag Morgen ließ mich Reil mit seinem Wagen abhohlen u. ich fuhr nebst deßen Tochter die in Deßau in Pension ist nach Halle. Ich habe eine schöne Stube mit einer Kammer. Reil ist so sehr mit Geschäften überhäuft, daß er noch sehr wenige Worte mit mir hat sprechen können. Ich bin noch sehr traurig darüber daß ich Berlin verlaßen mußte, und oft kömt mir’s vor als wär’s ein bloßer Traum und als wäre ich noch dort. Ich kann mich gar nicht recht schicken in dieser Veränderung die mir so vieles nahm was mir theuer war und mir keinen Ersatz dafür gab. Es wäre undankbar, liebe Eltern, wenn ich darüber murren wollte daß Sie mich hierher schickten, denn es ist zu meinem Besten. Das sehe ich selber ein, aber hätte nicht das Nützliche mit dem Angenehmen vereinigt werden können? Es ist schlimm daß mir die Leute bey denen ich jetzt bin nicht lieb seyn könen denn es wäre für mich ein Sporn mehr gewesen, diesen Menschen zu gefallen, u. das fällt weg wenn ich sie nicht leiden kan. Ich habe noch vieles in Ordnung zu bringen, deswegen mache ich heute meinen Brief kurz. Ich bin Ihr gehorsamer Sohn Lion Baruch [Ludwig Börne]

Renate Heuer

LIX

Halle den 27ten August 1803 Ihren Brief, lieber Vater, habe ich mit vielen Freuden erhalten. Ich erkenne mit dankbarer Rührung Ihre Güte, daß Sie meine vorige Auflehnung vergeßen wollen. Ich, werde oft daran denken müßen, und mit Verdruß auf jene verlohrene Zeit zurücksehen die ich so mannichfaltig und so vielfältig hätte benutzen können. Soll ich Ihnen versprechen mich so aufzuführen daß Sie an das Vergangene nicht wieder erinnert werden? Ich kann es nicht. Und welcher Mensch könnte es? Wenige Männer nur möchten sagen können: ich will das thun, junge Leute werden ewig von ihren Launen getrieben und von ihren Leidenschaften. Unter Vielen die sich durch Fleiß und Thätigkeit in ihren Jugendjahren ausgezeichnet haben, hatten Wenige den Trieb von innen, die Meisten spornte Ehrgeiz und Ruhmsucht. Meine Wißbegierde ist groß, auch ich fühle den Drang von innen, aber wenn mich der verläßt so ist auch mein Fleiß weg, den ehrgeizig bin ich nicht. Lateinisch und Griechisch und was zur Lateinischen und Griechischen Litteratur gehört machen den größten Theil meiner Beschäftigung aus. Seit einiger Zeit arbeite ich mit vieler Lust, und ich fühle daß ich Fortschritte mache. Ich übersetze jezt den Horaz ins Deutsche, er ist meine Lieblingslektüre, und ich hänge mit ganzer Seele an ihn. Meine liebe Mutter und Geschwister grüße ich herzlich. Ich bin Ihr gehorsamster Sohn Lion Baruch [Ludwig Börne]20

Man sieht an diesen Briefen deutlich, dass Ludwig Börne versucht, auch seinem Vater Einblick in seine Gedanken und seine Entwicklung zu geben. Leider ist kein Brief des Vaters erhalten, so dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn nur vom Text des Sohnes aus zu kommentieren ist. Er bleibt aber auch mit Henriette Herz, die er nun »Liebe Mutter« nennt, jahrelang in Briefkontakt, und dieser erhaltene Briefwechsel ist eine in vieler Hinsicht interessante Quelle über den heranwachsenden Schriftsteller, die einer intensiven Bearbeitung, Kommentierung und Einbettung in den jüdischen Zeithintergrund bedürfte, um sie für die neuere BörneForschung zu entdecken. Erst langsam gewöhnt sich Börne in Halle ein, muss zunächst wieder ein Gymnasium besuchen und wird erst im April 1804 als Student der Medizin immatrikuliert. Er hört aber vor allem bei Henrik Steffens über Schellings Naturphilosophie und bei Schleiermacher, Henriettes engem Freund, Ethik, der nach einer Phase freundlichen Entgegenkommens der Freundin 20

Kopien der Briefe im Besitz des Archiv Bibliographia Judaica e.V., Frankfurt a. M., bisher unveröffentlicht.

LX

Ludwig Börne, Jeanette Wohl und das Frankfurter Judentum

gegenüber harte Urteile über ihn fällt: »Louis Baruch [Ludwig Börne] liebt und hätschelt seine Faulheit und Eitelkeit und will von allen Menschen entweder gehätschelt werden oder hochmütig über sie hinwegsehen.«21 Auch Henriette mahnt ihn dauernd, fleißiger zu sein: »Sie wißen es nicht was Sie sich für die Folge anthun mit dieser Nachgiebigkeit gegen sich selbst – mit diesem Tödten Ihrer Kräfte – […].«22 Wenn man dann in der Antwort liest, wie taktvoll und zartsinnig die Freundin, die an einem hartnäckigen Husten leidet, getröstet wird: »[…] denn Sie haben gar nicht den Bau der Brust, der für Kränklichkeit dieser Art sehr empfänglich wäre. Ich habe viele Jahre lang unendlich viel an meiner Brust leiden müssen, und weiß wie sehr diese Krankheiten vorzüglich geeignet sind unsern Muth sinken zu machen«23, dann wird daraus deutlich: Außer Marcus Herz hat bis zu dieser Zeit noch keiner an eine physische Ursache für die Faulheit Börnes gedacht. Am 17. Oktober 1806, drei Tage nach der Schlacht bei Jena zieht Napoleon in Halle ein, die Universität wird geschlossen und Börne reist nach Berlin zu Henriette. Dort beginnt er zu schreiben, eine erste Rede an die Juden, die er drucken lassen möchte, deren Druck aber von der Zensur verboten wird. Die durch Napoleons Siege veränderte Situation der Juden gibt Börne ein literarisches Lebensthema. Er beginnt, sich intensiv mit der Situation der Juden in der Vergangenheit und in seiner Gegenwart zu beschäftigen, und er erkennt die Möglichkeit, das ungeliebte Medizinstudium aufgeben zu können, denn nach den Siegen Napoleons können Juden in den Ländern des Rheinbundes seit 1806 unbeschränkt studieren. Als der Vater zustimmt, dass Ludwig Börne an die Universität Heidelberg wechselt, scheint das Kapitel Halle erledigt zu sein. Doch eine Auseinandersetzung mit dem Vater folgt noch, da er in Halle einen Schuldenberg, hauptsächlich für Süßigkeiten, hinterlassen hat, den seine Gläubiger von seinem Vater einzutreiben suchen. Diese strengen schließlich einen Zivilprozess an, der erst 1815 zu ihren Gunsten entschieden wird. Im übrigen beginnt Börne in Heidelberg das Leben etwas zu genießen, unternimmt Wanderungen und Bootsfahrten, freut sich an der herrlichen Landschaft. An Henriette Herz aber schreibt er am 25. September 1807: 21

22 23

Inge und Peter Rippmann, Ludwig Börne, Sämtliche Schriften, 5 Bände, 1964– 1968, Düsseldorf und Darmstadt. Hier: Bd. 3, S. 992. Br. v. 12.11.1804 Halle. Rippmann, Bd. 4, S. 98. Br. v. 10.9br.04 Berlin. Rippmann, Bd. 4, S. 99. Br. v. 12.11.1804 Halle.

Renate Heuer

LXI

Ich befinde mich übrigens sehr wohl hier, und mir würde noch besser seyn, wenn nicht allerlei possierlich Malheur meine Situation etwas zweideutig machte. Nämlich da ich nahe an der elektrischen Atmosphäre der Frankfurter Judengasse wohne, so kömmt mir dann und wann von dorther ein Gewitter über den Hals. Das heißt: mein Vater, der bald zufällig, bald absichtlich, hierher kömmt, benutzt die Gelegenheit, seinen Herrn Sohn die Revue passiren zu lassen. […] er mischt sich in mein Studiren, welches mir sehr lästig ist. Denn nicht so thut er es, daß er sich überhaupt darum bekümmerte, ob ich fleißig sey oder nicht, denn dagegen könnte ich doch auch nichts einwenden. Aber er mischt sich darin, wie ich studire, und gibt mir allerley gute Lehren. Weil ich jetzt nämlich außer Obhut bin, so meint er, ich verstünde es nicht, meinen Studienplan mir selber einzurichten. […] Da soll ich ihm nun sagen, was man in der Wassersucht brauche? was der Galvanismus sey? Natürlich antworte ich, was mir zuerst einfällt. Aber es macht mir viele Verdrießlichkeit.24

Solche und ähnliche Vorfälle haben Ludwig Börne wohl endlich doch dazu gebracht, seinem Vater einen Brief zu schreiben, in dem er klar begründet, dass der Beruf eines Arztes für ihn keine Lebenserfüllung sein kann, dass er ganz andere Ziele hat. Es ist nicht sicher, ob der Vater diesen Brief je erhalten und gelesen hat. Es ist auch nicht bekannt, ob das Original noch existiert. Schon 1914 hat Ludwig Geiger diesen Text in Auszügen veröffentlicht,25 aber ohne Datum und Quellenangabe, sodass eine Nachprüfung schon damals nicht möglich war. Es bleibt der Vorwurf, der Sohn äußere sich manchmal gehässig über Juden. Dazu sagt Börne: Warum soll ich mich bemühen, gewisse Gesinnungen, die Deinen Beifall nicht haben, Dir noch einige Zeit zu verbergen, da sie Dir doch einmal kund werden müssen, weil ich weiß, daß sie mich nur mit dem letzten Atemzuge verlassen werden. Ich muß den Sohn vergessen, sobald ich daran denke, daß ich ein Jude bin. Hier stehe ich fest wie eine Mauer: die Tränen der Liebe, die Dolche des Hasses, Himmel und Erde sollen an meinem Starrsinn scheitern. Man mag mich plündern bis auf das nackte Leben, aber die angeborenen Majestätsrechte der Menschheit lasse ich mir nicht rauben.26

In der folgenden Zeit wird das Verhältnis zwischen Vater und Sohn eher wieder besser. Es gelingt Börne, das Medizinstudium aufzugeben, noch einmal die Universität zu wechseln und in Gießen bei seinem ehemaligen Institutslehrer Crome, der inzwischen an dieser Universität lehrt, 1808 24 25

26

Rippmann, Bd. 4, S. 167 f. Ludwig Geiger, Börnes Eltern, in: Der Zeitgeist, Beilage zum Berliner Tageblatt, 29. 06. 1914. Ebd.

LXII

Ludwig Börne, Jeanette Wohl und das Frankfurter Judentum

zum Doktor der Philosophie zu promovieren. Er reicht zwei kleine Abhandlungen ein: »Von dem Gelde« und »Über die geometrische Gestalt des Staatsgebiets«, von denen die Fachleute keine hohe Meinung haben. Dennoch nimmt Crome sie an und befreit Börne von weiteren Prüfungen. Bezeichnend ist, dass der Vater ihn jetzt nur noch »den Doktor« nennt, weil er eins seiner Ziele erreicht zu haben glaubt, es könnte sich nämlich für seinen Sohn mit diesem Titel die Aussicht auf einen Verwaltungsposten ergeben. Jakob Baruch hat indes längst schon eingesehen, dass dieser Sohn kein Kaufmann ist und sich nicht so wie seine drei Brüder selbst eine Position schaffen kann. Man muss diese Besorgtheit mit bedenken und in all seiner Umständlichkeit während der Studienbetreuung auch die Worte des reichen und erfolgreichen Großvaters Simon Baruch mithören: »Laß mir den Jungen nur gehen, das gibt noch mal einen großen Mann.«27 Einen Blick auf Börnes Vater Jakob Baruch gewährt eine Aktencharakteristik im Frankfurter Stadtarchiv, die Ludwig Marcuse zitiert hat: »[…] hat Verstand, ist ein Hofmann, bald altgläubig, bald Neolog, wie eine Wetterfahne.«28 Börne schilderte ihn als »weltklug«, als einen »Mann des Korrekten.«29 Börnes Großvater Baruch Simon zuliebe wurde Jakob ein Honoratior der jüdischen Gemeinde, Inhaber ihrer Ehrenstellen, Repräsentant ihrer Politik – und Diener des Ansehens, das er genoss; ein unfreier Mann, der sich bei den höchsten Herrschaften größter Beliebtheit erfreute. Der Geheimrat von Götz beglückwünschte die jüdische Gemeinde zu ihrem Wiener Kongress-Delegierten Jakob Baruch: Dabei kommt ihm seine Bildung, welche er an den Höfen und im Umgang mit Menschen vom besten Charakter erhalten, seine Menschenkenntnis, sein angenehmer und reiner Vortrag und sein Phlegma zu statten, und diese tugendhaften Eigenschaften verschaffen ihm auch überall Eingang, gute Aufnahme und gefällige Rücksicht auf das, was er für seine Gemeinde kurz, bündig und lichtvoll anbringt. Ein typischer Ghetto-Jude: er beherrschte die Situation mit dem Verstand und ordnete sich ihr unter mit dem Rücken, Er war über den Dingen durch seinen Kopf; und unterwarf sich, weil er die Stellung seines Volkes kannte. »Er hatte zu viel Verstand für seine Stellung«, so urteilte Louis Baruch über seinen Vater.30

27 28

29 30

Vetter (wie Anm. 1, S. 11.) Ludwig Marcuse, Ludwig Börne, Aus der Frühzeit der deutschen Demokratie. Zürich 1980, S. 25. Ebd. Ebd.

Renate Heuer

LXIII

Gleich nach der Promotion 1808 beginnt Ludwig Börne die »Freimütigen Bemerkungen über die ›Stättigkeits- und Schutzordnung für die Judenschaft in Frankfurt am Main‹« zu verfassen, um damit eine große kritische Auseinandersetzung mit den Problemen, mit denen sich das Judentum jetzt wieder auseinandersetzen musste, zu unternehmen. Die Arbeit entsteht während einer Diskussion über eine neue »Stättigkeits- und Schutzordnung«, die das alte Judenstatut der Stadt Frankfurt ersetzen soll und einige Erleichterungen bringt, aber nicht zur vollständigen Emanzipation führt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Börnes Schrift von seinem Vater oder der jüdischen Gemeinde angeregt worden ist, aber doch ungedruckt blieb, weil er nicht vom orthodoxen Standpunkt aus geschrieben hatte.31 Für sich unternahm er jetzt aber weitere Schritte, die seiner Einschätzung der jüdischen Situation entsprachen. 1808 wird er in die Freimaurerloge »Zur aufgehenden Morgenröthe« in Frankfurt aufgenommen, einer humanistischen Loge, die Juden und Christen zu Mitgliedern hatte. In zwei überlieferten Reden bekennt er sich zu den maurerischen Idealen.32 Am 28. November 1811 tritt er durch Vermittlung seines Vaters beim Oberpolizeidirektor von Itzstein eine Stelle als Polizeiaktuarius im Römer, dem Sitz der Frankfurter Regierung, an. Das war unmittelbar, bevor die Frankfurter jüdische Gemeinde sich von der Stadt gegen eine Ablösesumme von 440 000 Gulden das Bürgerrecht erkaufte. Als Polizeiaktuar wird Ludwig Börne als sehr gewissenhaft beschrieben, 1813 auch als tapfer, als er beim Einzug bayerischer Truppen deren Plünderungsversuche im Römer mit anderen Beamten mit gezogenem Degen verhinderte. Die Befreiung der deutschen Staaten von den napoleonischen Armeen setzt seiner Beamtenlaufbahn ein schnelles Ende. Während eine Delegation der jüdischen Gemeinde unter Leitung seines Vaters Jakob Baruch versucht, sich vom Wiener Kongress die neu erworbenen Bürgerrechte der Juden bestätigen zu lassen, erklärt die Stadt Frankfurt diese neuen Rechte für ungültig und lässt die alten Bestimmungen der sogenannten Stättigkeit wieder in Kraft treten, sie setzt sich sogar über eine Intervention Metternichs und Hardenbergs hinweg.

31

32

Vgl. R. Heuer, Börnes Schilderung des Frankfurter Ghettos in: Neues Jahrbuch 1, (Eigenverlag ABJ) Frankfurt am Main 2011, S. 9–21. Rippmann, Bd. 1, S. 126–134.

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Ludwig Börne, Jeanette Wohl und das Frankfurter Judentum

Der Aktuar Börne will sich von seiner Stelle auch durch Zuweisung geisttötender Arbeit nicht vertreiben lassen; doch wird er im März 1815 entlassen, als sein Bruder mit anderen Freiwilligen der Stadt Frankfurt die napoleonische Armee bis nach Frankreich verfolgte. Börne schreibt selbst: »Während meine Mutter in Angst und Kümmernis war, ihr geliebter Philipp […] möchte für die deutsche Freiheit totgeschossen werden, entsetzte man mich meines Amtes, weil ich ein Jude war.«33 Nach monatelangem, erbittertem Streit gelingt es ihm, beim Frankfurter Senat die Zuerkennung eines reduzierten Ruhegehalts von 400 Gulden pro Jahr zu erreichen. Zu Beginn des Jahres 1818 stellt er beim Frankfurter Senat den Antrag, seinen Namen ändern zu dürfen. Der erste Antrag wird abgelehnt, da er keine Gründe genannt habe. So gibt er am 14. März 1818 ergänzend an: Da außer dem Drang, meine Ansichten auszusprechen, auch der Wunsch, mir eine Erwerbsquelle zu eröffnen, mich zu diesem literarischen Unternehmen bestimmt, so darf ich nicht unbeachtet lassen, was hierbei Gedeihliches oder Hinderliches eintreten könnte. Aber ein Umstand letzterer Art wäre der Name, den ich führe, indem er mein Religionsverhältnis zu unverkennbar bezeichnet und dem Zutrauen des lesenden Publikums in den Weg tritt, das ich gleich zum voraus in Anspruch nehmen muß, um den mit der Herausgabe einer Zeitschrift zu verbindenden Vorteil mir durch Bildung einer Abonnentenliste sicherzustellen.34

Die Klarheit, mit der in dieser Eingabe Antisemitismus der potentiellen Leser vorausgesetzt wird, scheint den Senat nicht verwundert zu haben. Nur der Name »Börner«, den er zunächst vorgeschlagen hatte, wird abgelehnt, weil es in Frankfurt schon einen Träger dieses Namens gibt. Am 11. April 1818 erhält er die Zustimmung des Senats, sich »Börne« nennen zu dürfen. Börne, der sich dann auch am 5. Juni 1818 von dem lutherischen Pastor Bertuch in Rödelheim taufen lässt, hat nach Inge und Peter Rippmann »die lebendige Beziehung zur jüdischen Orthodoxie verloren«, darum »muss der Emanzipations- und Assimilationswille zur Änderung des Religionsverhältnisses führen, zumal sich die echte Hinneigung zum Christentum bei Börne immer deutlicher ausprägt.«35 Diese These ist sehr fragwürdig, hatte Börne doch niemals eine »lebendige Beziehung zur Orthodoxie« gehabt. Auch der ebenfalls sehr dezidiert geäußerten Auffassung, 33 34 35

Rippmann, Bd. 3, S. 1076. Ebd., Bd 3, S. 998. Ebd., Bd 3, S. 999.

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Börne sei »dem eigentlichen Anliegen des deutschen Judentums, die bürgerliche Emanzipation herbeizuführen, zeit seines Lebens verpflichtet«36 geblieben, ist zumindest insofern zu widersprechen, als das deutsche Judentum 1818 gewiss nicht mit einer Stimme sprach, sondern in verschiedene Richtungen strebte. Zwar hat die Frankfurter Gemeinde den Versuch unternommen, durch die 1814 geleistete Geldzahlung die rechtliche Emanzipation zu erkaufen, am Ende allerdings erfolglos. 1818 hat Ludwig Börne alles so weit vorbereitet, dass seine Zeitschrift Die Wage – Eine Zeitschrift für Bürgerleben, Wissenschaft und Kunst im Juli erscheint. Mit dem ersten Heft beginnt Börne seine Laufbahn als Zeitschriftsteller. »Dieses Wort stammt von ihm und ersetzt heute, mit unverbrauchten Farben, das abgegriffene Zeichen ›Journalist‹. Börne schrieb aus der Zeit gegen die Zeit für die Zeit: Börne war die Niederkunft des Journalismus.«37 Die Wage hat Erfolg und macht ihn bekannt, aber viele Schwierigkeiten mit der Zensurbehörde sorgen für dauernde Aufregungen.

Erste Begegnungen zwischen Jeanette Wohl und Ludwig Börne Vor dem Hintergrund seiner politischen Arbeit wirken die ersten schriftlichen Kontakte Börnes mit Jeanette Wohl wie heitere Zwischenspiele. Die kleinen Gedichte und »Billets« gehen dem 1818 einsetzenden, kontinuierlichen Briefwechsel voraus. Obgleich sie bereits ediert worden sind, seien sie hier zum besseren Verständnis des enger werdenden Verhältnisses zwischen Börne und Wohl auszugsweise wiedergegeben: Am 20. März 1817 ist ein Gedicht »Mit Goethes Faust« datiert, der Schlussvers lautet: ›Wie heißt die Seltne, der beides ward geschenkt, / Des Mannes Klarheit und der Frauen Milde, / Die so weiblich fühlet, aber männlich denkt? – Ich forscht’ – und fand es unter Deinem Bilde.‹ […] Vergessen Sie nicht, wie liebenswürdig Sie sind, und lassen Sie meiner Pünktlichkeit in Bezahlung aller Schulden Gerechtigkeit widerfahren, Ihr Freund Dr. Baruch [Börne]

36 37

Ebd. Marcuse, S. 48.

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Ludwig Börne, Jeanette Wohl und das Frankfurter Judentum

Die Eigenschaften, die Börne hier Jeanette Wohl zuschreibt, stimmen mit denen überein, die andere Freunde bei ihrer Schilderung verwendet haben, aber er versucht auch gleich, seinen Eindruck kritisch zu grundieren. Diese ersten, nur unvollständig erhaltenen Billetts unterscheiden sich von den späteren Briefen. Die Billetts konnten in die vorliegende Edition keine Aufnahme finden, da zum einen die Datierung unsicher ist, zum anderen sind viele nicht erhalten geblieben, so dass eine gewissenhafte Edition kaum möglich war. Einige wenige Dokumente sind in der Rippmannschen Edition abgedruckt. Es sind meist nur flüchtige Nachrichten, oft nachträglich von Jeanette Wohl als Scherze gekennzeichnet. Aus ihnen geht hervor, dass trotz der unsicheren politischen Lage die Stimmung im Kreis um Jeanette Wohl nach dem Sieg über Napoleon heiter gewesen sein muss. [Ohne Datum, vermutlich April 1818] Liebe gnädige Frau! Sie wünschten sich Schillers Werke. Könnte ich ruhig schlafen, solange Sie einen Wunsch haben, den ich erfüllen kann? Ich habe die Bücher bekommen. Nehmen Sie sie von mir zum Geschenke an; ich will auch recht artig sein, Ihnen alle Tage etwas vorlesen und Ihnen alle mögliche Freuden zu machen suchen. Auch will ich Sie dafür sehr liebhaben, noch 6 Wochen länger, als ich mir es vorgenommen. An Madame Wohl Wohlgeboren Dahier

In einem Kollektivbrief mit Rosette, Süßchen und Fanny Ochs verfasste Börne diesen Beitrag: Da ist auch mein Gruß, liebe Jeanette. Ich mußte mich aus einem eignen Grunde der Hand eines Sekretärs bedienen. Diesen Vormittag nämlich war ich, wie alle, beschäftigt, Kuchen zu backen. Als ich nun einen süßen herrlichen Teig geknetet, steckte ich aus Leckerhaftigkeit drei Finger in den Mund, um sie abzulecken, und ging dabei mit so vieler Hast zu Werke, daß ich mich blutig biß und mich daher zum Schreiben unfähig machte. – Nach der Hochzeit schreibe ich Dir weitläufiger. In Deinem Briefe, den wir heute erhielten, sind mehr Fehler, als Du selbst hast, nämlich einer. (Reißen wird nicht mit ß, sondern mit einem s geschrieben.) Wenn das Dein Lehrer, der Dr. Börne erführe, er hätte den größten Ärger daran. Lebe wohl und amüsiere Dich recht sehr. – In der größten Verwirrung grüße ich noch Juste und Gette [Guste und Jette].38

38

Rippmann, Bd. 4, S. 177.

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Diese kleinen Proben aus den Billetts zeigen schon, wie der verliebte Börne zunächst mit der zurückhaltenden Jeanette umgeht, mit einer Mischung aus werbender Hochachtung, mit der Übersendung von Geschenken, die er verspricht, ihr vorzulesen und zu erklären. In seinem Tagebuch aus dieser Zeit, das die Billetts ergänzt, steht eine Analyse von Goethes Erlkönig, die er nach Jeanettes Aufforderung nach einem Besuch bei ihr geschrieben hat. Am 17. Januar [1817?] hat er eingetragen: Nein, ich will geblendet gewesen sein, will falsch gesehen haben. Sie nahmen die Notenblätter vom Pulte weg, warfen sie mit Heftigkeit aufs Klavier, so daß ein Teil derselben zur Erde fiel. Dann haderten Sie mit dem Verhängnis, mit der Natur, mit sich selber, weil – o das gestählte Herz muss in Tränen zerschmelzen, wenn es diesen Jammer erfährt – weil Sie im Klavierklimpern nicht die erwünschten Fortschritte machen.39

Solche Kritiken gehören zum Bild des »Weibes«, das in verschiedenen Texten aufscheint, auch wenn er Jeanette seine »liebe Tochter« nennt und ihr Verhaltensmaßregeln gibt, wie sie sich bei Tisch zu benehmen hat: Kurzer Unterricht für meine Tochter Jeanette, wie sie sich bei dem ihr bevorstehenden Mittagsessen zu verhalten habe, um den Ruf eines wohlerzogenen Frauenzimmers zurückzulassen. Liebe Tochter! Da Du jetzt in die Jahre trittst, wo ein Mädchen anfängt, die europäische Aufmerksamkeit zu erregen, und wo man ihr jeden Schritt nachmißt, so wirst Du von Deinem besorgten Dich zärtlich liebenden Vater gewiß mit Dank die Regeln aufnehmen, die er für Dich bei Deinem heutigen öffentlichen Erscheinen entworfen hat. Ich kann nur kurz sein, aber da wo meine Rede der Erläuterung bedarf, wirst Du sie bei Deinem Freunde Dr. Börne finden. Diesem lieben jungen Mann kannst Du Dich überhaupt in allen zweifelhaften Lagen des Lebens anvertrauen. Er liebt Dich, er achtet Dich, und ich wäre der glücklichste Vater, wenn Deine Neigung meinen Wünschen entspräche. […].

Während hier einige Jiddische Wörter mitten in dem bewusst feinen Hochdeutsch komisch wirken: »Lasse se mer main’ Menuche. Er: Befehle se an Stückche Kuche«40, wird Komik später mit anderen Mitteln erreicht. Die folgenden ersten Briefe sind durchsetzt von Anspielungen auf die jüdische Tradition, die nicht mehr überall unter den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde als tragender Boden empfunden wird. So schon im ersten 39 40

Rippmann, Bd. 1, S. 195, Tagebuch Dienstag, am 13. Januar [1817]. Rippmann, Bd. 4, S. 188 f.

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Ludwig Börne, Jeanette Wohl und das Frankfurter Judentum

Brief Börnes vom 16. Juli 1818, der die jüdische Hochzeit von Röschen Ochs schildert: [W]as ich von Röschen gestriger Hochzeit weiß, das interessiert Sie, und Sie werden es selbst von mir gern hören. Aber was ich nur will, ich weiß ja fast gar nichts. Ich hatte um ½ 6 abends Ihre Schwester Fanny abgeholt, wir gingen zu Ochs zusammen. Einige Herren waren noch dort, die Weiber spielten. Die Mädchen waren mißvergnügt, sie sagten, beim Mittagsessen wäre es ganz jüdisch hergegangen: ungebetene Gäste hätten sich eingefunden, die gestört hätten. – Mit dem Essen habe man geeilt – das Dessert habe man seiner lieben Familie nach Hause geschickt usw.41

Von einigen der in der Korrespondenz ständig erwähnten Personen erfährt man nach und nach, dass sie schon Verbindungen eingegangen sind, die sie innerhalb der jüdischen Gemeinde gefährden. So hat sich Guste Wohl, eine Cousine Jeanettes, in den Katholiken Aloys Schmitt, den Komponisten und Klaviervirtuosen, der mit Börne befreundet ist, verliebt und heimlich mit ihm verlobt. Ihr Vater droht, sie zu enterben, und tut es auch. Das sind für Jeanette starke seelische Belastungen. Und doch ist nicht zu verkennen, wie sie sich unter Börnes Einfluss immer mehr entwickelt, selbstbewusster wird und die wichtigste Rolle in seinem Leben übernimmt. Aber beiden stehen noch schwierige Auseinandersetzungen mit ihren Angehörigen bevor. Börnes Vater macht noch einen letzten Versuch, den Sohn nach Wien zu vermitteln. Wie fest er sich selbst an die Orthodoxie gebunden fühlt, wird deutlich, wenn man sieht, dass alle Briefe, die er an seine Frau schreibt, jiddisch formuliert sind. Dies mag noch nachvollziehbar sein, da seine Frau kaum Hochdeutsch verstand. Allerdings hat Jakob Baruch auch sein Testament und »Zettel« (Ergänzungen), der Tradition im Ghetto entsprechend, ursprünglich jiddisch verfasst und musste eine amtlich beglaubigte Übersetzung für die Stadt Frankfurt anfertigen lassen, obwohl er selbst Hochdeutsch schreiben konnte. Die Emanzipation von der eigenen Familie mit ihrer Verwurzelung in der Frankfurter Gemeinde war nicht so leicht, wie es rückblickend erscheint. Auch dieser langsame, über Jahre andauernde Prozess kann durch den Briefwechsel gut nachvollzogen werden. Die offene Frage, warum Jeanette Wohl und Börne ihre Heiratspläne nicht verwirklicht haben, wird sich im Kontext des späteren, über 1824 hinausreichenden Briefwechsels erneut stellen.

41

Vgl. Brief 1 in der vorliegenden Edition.

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3. Zur Editionsgeschichte des Briefwechsels Renate Heuer

Will man die besondere Schwierigkeit der Transkription des Börne-WohlNachlasses beschreiben, so liegt sie darin, dass beide Protagonisten aus ursprünglich orthodoxen Familien stammten und sich, umgeben von jiddisch sprechenden Verwandten, Bekannten und Angestellten, das Hochdeutsche erst mühsam aneignen mussten. Die besonderen Probleme einer historisch-kritischen Kommentierung sind im weiteren Lebensweg Börnes und Jeanette Wohls zu suchen. Es bedarf eines besonderen Einfühlungsvermögens, die langsame Loslösung aus diesem jüdischen Umfeld angemessen zu kommentieren und dabei die psychischen Befindlichkeiten der Protagonisten nicht außer Acht zu lassen. Diese wirken noch nach, als Ludwig Börne (ursprünglich Löw Baruch) sich aus eigener Kraft durch Taufe und Namensänderung losmachte und, nachdem er Jeanette Wohl zur Freundin gewonnen hatte, sie immer wieder drängte, sich auch aus ihrer jüdischen Umgebung zu befreien – letztlich ohne Erfolg. Jeanette Wohls späteres Drängen, Kritik an Juden in den Briefen nicht stehen zu lassen, sondern zu schwärzen, traf bei Börne auf Verständnis, und nach seinem Tod hatte sie freie Hand, aus seinen Nachlasstexten wegzulassen, was sie nicht bekannt zu machen wünschte. Darüber hinaus gibt es Äußerungen von Besuchern in Paris, die nach Börnes Tod Texte erbaten und auch erhielten, die Jeanette abtrennte, um sie ihnen zu schenken. Man muss bedenken, dass die Eheleute StrausWohl1, zwar sehr viel Arbeit und Mühe auf Börnes Texte verwendet haben, aber beide keine Literaten oder Philologen waren, so dass man dankbar sein muss für das Nachlassmaterial, das von ihnen bewahrt und aus Paris nach Frankfurt überliefert wurde.

1

Der zweite Ehemann von Jeanette Wohl hieß Salomon Straus.

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Zur Editionsgeschichte des Briefwechsels

Die erste nach Börnes Tod erschienene Gesamtausgabe wurde von Maximilian [Mayer] Reinganum besorgt.2 Der promovierte Rechtsanwalt und Notar Reinganum war mit Börne eng befreundet und hatte ihn auch als Anwalt vertreten. Eine weitere Bindung kam dann auch mit Jeanette Wohl zustande, die mit Reinganums späterer Frau Pauline Hirsch, ihrer Reisebegleiterin, befreundet war. Jeanette Wohl half dabei, den Widerstand der Familie Reinganum gegen die Ehe mit Pauline Hirsch zu überwinden. Reinganum war am 27. Mai 1821 evangelisch-lutherisch getauft worden und wurde am 8. November 1821 als Advokat in Frankfurt zugelassen, er blieb das bis zu seinem Tod 1878. Seine Braut ließ sich am 31. August 1827 ebenfalls evangelisch-lutherisch taufen. Nach Zahlung von 100 Reichsthalern an die Stadt konnte Reinganum sie heiraten. Das Ehepaar kannte selbstverständlich die jüdischen Familienverhältnisse von Börne und Wohl genau. Reinganum konnte 1862, als er die bei Rütten & Loening erschienene Börne-Ausgabe besorgte und eine biographische Skizze »Aus Börnes Leben« dazu schrieb, nicht mehr daran interessiert sein, die spezifisch jüdischen Sachverhalte, die für das Verständnis Börnes und den historischen Kontext unbedingt zu beachten waren, aufzuklären. Am interessantesten ist unter den Editoren sicher Ludwig Geiger.3 Er war es, der die erste historisch-kritische Gesamtausgabe 1911–1913 unternahm, von der aber nur sechs Bände erscheinen konnten. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Edition unterbrochen und nach Geigers Tod 1919 von dessen Mitarbeitern nicht wieder aufgenommen. Mit Recht wird sie von späteren Editoren gewürdigt, ist sie doch die erste, die nach literaturwissenschaftlichen Kriterien erstellt wurde. Ludwig Geigers unvollständige Edition wurde zum Vorbild und zur Grundlage der ab 1964 von Inge und Peter Rippmann herausgegebenen Sämtlichen Schriften Ludwig Börnes.4 In ihrem Vorwort setzen sich die Herausgeber mit den früher veranstalteten Börne-Ausgaben auseinander, beginnend mit der ersten, von Börne 1829–1832 in acht Bänden selbst zusammengestellten bis zu Ludwig Geigers Edition.

2

3

4

Ludwig Börne: Gesammelte Schriften. 12 Bände, Hamburg/Frankfurt am Main 1862. Ludwig Geiger, Börnes Werke: Historisch-kritische Ausgabe in 12 Bänden, Berlin [u. a.] o. J. [1911] [unvollständig]. Inge und Peter Rippmann, Ludwig Börne. Sämtliche Schriften. 5 Bände, Düsseldorf /Darmstadt 1964–1968 (Nachdruck: Dreieich 1977).

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Im Vorwort der Rippmann-Edition heißt es: Vergegenwärtigt man sich die offizielle geistig-politische Stimmung der Jahrhundertwende, so war es kein geringes Verdienst, wenn Ludwig Geiger es unternahm, den unbequemen Zeitschriftsteller des Vormärz durch das Projekt einer historisch-kritischen Gesamtausgabe zu ehren. Seltsam genug mutet es den heutigen Leser an, wenn hinter den einführenden Texten (die Mitarbeiter Ludwig Geigers gehörten zum großen Teil der Berliner Universität an – unter ihnen war auch Alfred Klaar, Herausgeber einer 1889 erschienenen volkstümlichen Börne-Ausgabe) die Überzeugung stand, Börnes politische Hoffnungen für das deutsche Volk hätten im wesentlichen in der Gegenwart ihre Erfüllung gefunden.5

Ob diese Überzeugung den heutigen Leser »seltsam genug anmuten« mag, sei dahin gestellt; jedenfalls verdeutlicht sie eine Auffassung von deutschen Juden, die sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte und die vollständige Assimilation in der deutschen Kultur und Gesellschaft für ein friedliches Leben im Kreis anderer Völker erstrebte. Hinzuzufügen ist, dass mehrere Mitarbeiter Geigers jüdischer Herkunft waren, nicht alle getauft wie Alfred Klaar, doch alle, wie auch Geiger selbst, den Auffassungen eines liberalen Judentums verpflichtet, die Geigers Vater, Abraham Geiger, der Bahnbrecher des Reformjudentums, durchgesetzt hatte. Diese Auffassungen lenkten den Blick auf jüdische Phänomene. Sie ließen keine Extreme mehr zu und führten auch zur Abwertung des Jiddischen, des sogenannten Jargons. Dieser war für das Editionsteam allenfalls noch von kulturhistorischem Wert, aber dass sich einer der Herausgeber jemals mit jiddischen Texten befasst hätte, ist nicht bekannt. Beachtet man die vielen jiddischen Handschriften im Börne-Archiv, wird klar, dass sie in der Geiger’schen Textbearbeitung nicht berücksichtigt worden sein dürften. Diese Voraussetzungen sind im Blick zu behalten, wenn man Geigers editorische Leistung angemessen werten und kritisch betrachten will. Auch die Rippmann’sche Edition hat diese Mängel nicht behoben. Sie stützte sich ausschließlich auf Geigers Edition. Die Kommentare waren unzureichend; erst zehn Jahre nach dem Erscheinen der Bände kam ein zweibändiger Börne-Index von Inge Rippmann bei De Gruyter in Berlin heraus, der jedoch wichtige historische Kontexte und vor allem jüdische Bezüge unkommentiert ließ.6

5 6

Rippmann, Sämtliche Schriften (wie Anm. 4), Bd. 1, S. XXI f. Inge Rippmann, Börne Index. 2 Bde., Berlin 1985.

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Zur Editionsgeschichte des Briefwechsels

Mit dem vorliegenden ersten Band des Briefwechsels zwischen Jeanette Wohl und Ludwig Börne wird auf der Grundlage einer vollständig neuen Transkription der Handschriften versucht, ein tieferes Verständnis für die literaturwissenschaftliche und kulturhistorische Bedeutung der Freundschaft zu wecken. Durch den historisch-kritischen Kommentar werden die Umstände dieser ungewöhnlichen Beziehung erstmals kontextualisiert und die Prägung durch das orthodoxe Frankfurter Judentum greifbar.

Renate Heuer/Andreas Schulz

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4. Editionsrichtlinien Der erste Band der geplanten Gesamtedition der Korrespondenz Ludwi g Bö rne und Je a n et t e Wo h l umfasst die Jahre 1818–1824. Die historisch-kritische Edition bietet eine erstmalig vollständige und vorlagengetreue Wiedergabe der Brieftexte von Börne und Wohl. Die einzelnen Briefe werden durch einen Stellenkommentar und knappe Erläuterungen des historischen Kontexts in den Fußnoten begleitet. Die Kommentierung soll zum unmittelbaren Verständnis der einzelnen Briefe beitragen und (bisher wenig oder nicht bekannte) Details, insbesondere über Personen und Ereignisse der Zeitgeschichte vermitteln. Das gesamte Briefkorpus wird im Börne-Nachlaß der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt am Main aufbewahrt1 und ist seit Januar 2008 in digitaler Form zugänglich.2 Insgesamt sind über 500 Briefe von Börne und über 200 von Jeanette Wohl erhalten.3 Für den Zeitraum dieser Edition (1818–1824) wurden 183 Briefe (115 von Börne und 68 von Jeanette Wohl) erschlossen.4 1

2

3

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Die gesamte erhaltene Korrespondenz ist über die Nachlassverwalter Jeanette StrausWohl und Salomon Straus und nach deren Tod über Gottlieb Schnapper-Arndt und dessen Witwe an die Universitätsbibliothek Frankfurt gelangt. Recherchen über die genaueren Umstände der Zusammenführung des Nachlasses sind bisher ergebnislos geblieben. Auch sind bisher weder die Nachlässe von Salomon Straus und von Schnapper-Arndt noch Autographen, die darüber Auskunft geben könnten, aufgefunden worden. Vgl. Anne Hardy, Ein Frankfurter Publizist und seine Muse: der Briefwechsel zwischen Ludwig Börne und Jeanette Wohl. In: Forschung Frankfurt, Bd. 26 (2008), 1, S. 62–65. Der Briefbestand aus dem gesamten Zeitraum von 1818–1833 macht ca. 847 Briefe mit ungefähr 3600 Seiten aus. Die Anzahl der Briefe variiert in den verschiedenen Ausgaben je nach Zählung. Da in unserer Ausgabe die zahlreichen, über mehrere Tage hinweg fortgeschriebenen Sammelbriefe im ursprünglichen Zusammenhang geblieben sind, ist die Anzahl der Jeanette Wohl-Briefe geringer als diejenige der ersten und einzigen Briefausgabe von Elisabeth Mentzel von 1907, obwohl mehr Briefe transkribiert wurden. Um die jeweiligen Gegenbriefe besser zuordnen zu können, sind sie mit Hinsicht auf das Ab-

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Editionsrichtlinien

Der Erhaltungszustand der Autographen ist relativ gut, auch wenn verschmierte Stellen (Tintenfraß und durchgedrückte Schrift der beidseitig beschriebenen Blätter) sowie Textverluste (durch Papierschäden oder abgenützte Seitenränder) immer wieder Transkriptionsprobleme bereitet haben. Die Briefe sind vor der Digitalisierung restauriert worden.5 Da die Entzifferung von Durchstreichungen und mutwilligen Schwärzungen von einzelnen Wörtern oder Textpassagen (vermutlich vorwiegend durch Jeanette Wohl veranlasst) sehr viel schwieriger und nur mit Hilfe photographischer Technik (Infrarotanalyse) durchzuführen ist, haben wir in dieser Edition auf dieses aufwendige Verfahren verzichten müssen. Der vorliegende Band umfasst die ersten sechs Jahre (1818–1824) der Korrespondenz Börne-Wohl.6 Von besonderer Bedeutung ist die erstmalige Präsentation der Briefe Jeanette Wohls ohne Transkriptionslücken und in einer textzuverlässigen Form.7 Als Vorlage für die Transkription diente ausschließlich die Originalhandschrift; lediglich der erste Brief von Jeanette Wohl ist nicht im Original erhalten.8 Die Transkription folgt weitgehend diplomatisch getreu dem Original: Orthographie, Interpunktion und grammatikalische Eigentümlichkeiten blieben unangetastet. Auch Schreibversehen wurden übernommen und als Ausdruck von Spracheigentümlichkeiten bzw. Sprachunsicherheiten betrachtet. Editorische Eingriffe wurden daher nur in Ausnahmefällen vorgenommen und als solche gekennzeichnet. Die individuelle wie zeitbedingte Groß- und Klein- sowie Zusammen- und Getrenntschreibung der Hand-

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8

sendedatum sortiert worden. Der Brief-Index kann dabei eine Orientierungshilfe sein: die Chronologie der Edition wird ergänzt durch die handschriftlichen Numerierungen der beiden Briefautoren und der Universitätsbibliothek Frankfurt. Der Erhaltungszustand der Briefe wurde im Fußnotenapparat nicht dokumentiert; vgl. dazu: Barbara Hassel, Digitalisierung und Restaurierung. Informationssteigerung durch Restaurierung von Autographen vor der Digitalisierung am Beispiel der Briefe Ludwig Börnes, in: ABI Technik 28 (2008), H. 1, S. 30–37. Der erste Jahrgang enthält einen einzigen Briefe von Börne. Aus dem Jahr 1824 sind 16 Briefe erhalten, der Jahrgang 1823 fehlt vollständig. Die Briefedition von Elisabeth Mentzel enthält die meisten Briefe von Jeanette Wohl, sie weist jedoch beträchtliche Kürzungen auf. Der 5. Band der Börne-Ausgabe von Inge und Peter Rippmann enthält lediglich Auszüge aus ausgewählten Briefen von Jeanette Wohl. Er ist dem Druck der Briefausgabe von Elisabeth Mentzel entnommen (vgl. Verzeichnis der Abkürzungen).

Renate Heuer/Andreas Schulz

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schrift wurde beibehalten. Es ist das Hauptanliegen der Herausgeber, der Börne-Forschung einen möglichst authentischen Text zur Verfügung zu stellen, der das Original so gut als möglich abbilden bzw. die Historizität der Texte sichtbar machen soll. Mit der Absicht, das Schriftbild möglichst einheitlich darzustellen, ist sowohl auf Kursivierungen wie auch auf ein Übermaß an diakritischen Zeichen im Text verzichtet worden.

Textgestalt. Aufzeichnung Briefkopf Jeder Brief wird von der standardisierten (in Kapitälchen gesetzten) Titelzeile eingeleitet und von der Grußformel bzw. der Unterschrift (immer rechtsbündig gesetzt) eingerahmt. Orts- und Datumsangaben des Briefschreibers vom Briefkopf werden vorlagengetreu wiedergegeben, auch wenn sie in Widerspruch zur Datierung der Titelzeile stehen.9 Die wenigen Anreden am Briefkopf werden eingerückt gegeben. Editorische Eingriffe. Lesarten. Autorkorrekturen Lediglich flüchtige Schreibungen (verschliffene Silben, verschluckte Buchstaben) oder offenkundige Schreibversehen (wie Buchstabenvertauschungen, sinnwidrige Worte) wurden im Text emendiert und gegebenenfalls im Stellenkommentar angemerkt. Worte und Wortteile, die durch Papierschäden verloren gegangen bzw. durch Tintenfraß oder verschmierte Stellen unleserlich geworden sind, wurden in eckigen Klammern ergänzt, sofern sie als gesichert gelten können.10 Dasselbe gilt für Konjekturen. Fehlerhafte Grammatik bleibt in der

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10

Nicht durch den Briefkopf oder ein Kuvert verifizierte Orts- und Datumsangaben werden in der Titelzeile in eckige Klammern gesetzt. Falsche oder unsichere Datierungen wurden durch handschriftliche Zusätze von späteren Bearbeitern korrigiert oder ergänzt (diese werden in den Fußnoten mitgeteilt). Die vollständige Adresse, sofern ein Kuvert erhalten ist, wird am Anfang jedes Briefes in einer Fußnote angegeben. Bei mehrfach eingebüßten Stellen wird nur im ersten Fall der Grund für den Verlust in den Fußnoten gekennzeichnet: z. B. besch. Rand bei Beschädigungen am Papierrand.

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Editionsrichtlinien

Regel erhalten; falls diese im Brieftext emendiert worden ist, wird dies im Apparat nachgewiesen. Autorkorrekturen werden im Anmerkungsapparat dokumentiert.11 Während die meisten einfachen Streichungen im Text Sofortkorrekturen darstellen,12 scheinen die massiven Durchstreichungen und Überzeichnungen (Schrägstriche z. T. gekreuzt, Schlaufenreihen, Schwärzungen) in einem späteren Arbeitsgang vorgenommen worden zu sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat Jeanette Wohl die Mehrzahl der nachträglichen Schwärzungen zu verantworten. Geschwärzte Stellen werden mit einem Auslassungszeichen ([…]) versehen. Eigentümliche und Altertümliche Schreibweisen Veraltete und eigentümliche Schreibungen werden vorlagengetreu wiedergegeben: y mit Trema (meÿnen, Kaÿser, Freÿheit, Junÿ) oder Variationen in der Verwendung von i bzw. y (z. B. Silbe/Sylbe, Styl/Stylistick), ö statt o (z. B. er kömmt); Verzicht auf Umlaut bei Versalien (z. B. Aerger, Aeltern, Uebel, Ueberrock), Vokalverdoppelung (seelig, baar; Loos) oder Konsonantenverdoppelung (stetts; Gewinnst), verkürztes i (frankiren, arrangiren, engagiren, spekuliren, raisonniren; possirlich) oder gedehntes ie (es giebt, er gieng, erwiedern; hienauf; wiederwillen), äu statt eu (Verläumdung), Dehnungs-th (miethen, nöthig, thörigt, werther; Urtheil, Thaten, Thor, Demuth, Armuth, Wirthshaus) oder Dehnungs-h (schwehrlich, nehmlich; wiederhohlen; verlohren), fehlendes c bei ck (schiken, geschikt; Klekse, Schiksal) oder ck statt k (Handwerck); d/dt statt t (gescheidt, tod/todt; ein Todter) oder dt statt d (entschiedten, bescheidten); z statt tz (jezt; schmuzen, besizen; ein Duzend, Plaz) und tz statt z (Geitz); s statt ss/ß (blos, bischen, weise Tücher; Spas, Blöse) oder ß statt s (daß statt das, waß statt was; böße statt böse; Preiß, Bewandtniß, Gedächtniß), auch altertümliche Wendungen wie: fodern, Kunstreuterin, Merz, Necker.

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Lediglich Streichungen, die Wiederholungen desselben Wortes darstellen, sowie einzelne überschriebene Buchstaben werden dabei übergangen. Die durchgestrichenen Wörter, soweit sie entziffert werden konnten, werden in den FN wiedergegeben. Die ergänzten Wörter und Wortteile zwischen den Zeilen werden mit einem üdZ gekennzeichnet (vgl. Abbreviaturen/Kommentar).

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Interpunktion Die Satzzeichen werden vorlagengetreu wiedergegeben. Nach heutigem Gebrauch fehlende oder überflüssige Kommata oder Punkte werden nicht korrigiert. Die Briefautoren verwenden verschiedene Techniken der Satzstrukturierung: Insbesondere bei Jeanette Wohl sollen zahlreiche Unterstreichungen sowie unkonventionell gebrauchte Satzzeichen (Kommata, Ausrufezeichen und Gedankenstriche)13 Zäsuren und Hervorhebungen markieren. Bei Jeanette Wohl werden die Satzzeichen häufig sehr flüchtig aufgezeichnet: so ist es oft schwer, zwischen Punkt und Komma zu unterscheiden; die Fragezeichen sind oft sehr rudimentär oder eigenwillig (z. T. mit zwei Häkchen) gekennzeichnet. Die Herausgeber haben sich nur in einem Fall um der besseren Lesbarkeit willen zu einem Eingriff in die Interpunktion entschlossen: Während Jeanette Wohl Anführungszeichen uneinheitlich entweder oben (“), doppelt oben (““) oder einfach oben (’) platziert, wurden diese durch die Standard-Anführungszeichen („“) in Times Roman ersetzt. Abbreviaturen EBW ist das Kürzel für diese Edition Börne–Wohl. Das häufig von Jeanette Wohl verwendete Kürzel ud wird in und aufgelöst. Auch der Verdoppelungsstrich über den Konsonanten m und n wird aufgelöst. Kurzformen wie Titel oder die Nummernkürzel werden vereinheitlicht.14 Abkürzungen werden im Text belassen und – sofern sie verständlich sind – nicht ergänzt oder erläutert. Die häufig abgekürzten Datumsangaben werden vorlagengetreu wiedergegeben. Nur wenige Namen werden in den Brieftexten abgekürzt: Da die meisten bekannt sind und häufig wiederholt werden, sind sie bei der Erstnennung in dem jeweiligen Brief vervollständigt worden.15 Einige wenige Zeitschriften werden immer wieder

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Bei Jeanette Wohl sind Gedankenstriche häufig und in verschiedener Länge anzutreffen: Weicht die Länge auffällig ab, wird sie andeutungsweise in verkürzter oder verlängerter Form aufgezeichnet. Dies betrifft die häufig verwendeten Kürzel ohne Punkt wie Dr oder Nr oder No, die gelegentliche Doppeltunterstreichung fällt weg. Die abgekürzten Titel und Anreden werden vom Original übernommen: Dr./Hr./Hrn. sowie Fr./Dem. (= Demoiselle). Vgl. u. Verzeichnis der Abkürzungen.

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abgekürzt: Auch diese sind leicht wiedererkennbar.16 Mit Ausnahme von Frankfurt (Ffurt) werden Städtenamen nicht abgekürzt. Münzzeichen werden textgetreu wiedergegeben: Während Börne z. B. die Währung Florin ans Ende setzt (100 fl.), ist diese bei Jeanette Wohl vorangestellt (f100).17 Im Anmerkungsapparat tauchen nur wenige Abkürzungen auf: Die meisten betreffen Orts- und Datumsangaben des Briefkopfes oder nachträgliche von Briefautoren und Bearbeitern vorgenommene Ergänzungen, Textkorrekturen oder Schwärzungen.18

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Vgl. u. Verzeichnis der Abkürzungen. Vgl. u. Index/Währungen. Vgl. Index/Abbreviaturen.

Renate Heuer/Andreas Schulz

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Verzeichnis der Abkürzungen 1. Namen Alle nicht lexikalisch nachweisbaren Personen wurden bei der Erstnennung mit biographischen Daten vorgestellt (soweit ermittelt). Bei späteren Nennungen wird mittels Querverweisen auf die erste Anmerkung hingewiesen. B. = Bethmann. Bernhard/dt / Schwager Rindskopf = Bernhard Jakob Rindskopf, verh. mit Henriette Wohl (Schwester JWs). Dr. Br. = Heinrich Breslau, Freund v. B u. Hausarzt v. Amalie Spiro (Bs Schwester). C. = Johann Friedrich Freiherr Cotta v. Cottendorf. Elisen / Ellisen = Eduard Leopold Ellisen, ein mit B befreundeter Frankfurter Handelsmann und Bankier. Fannÿ / Schwester Schnapper = Fanny Wohl (jüngste Schwester JWs), verh. mit Moritz Meyer Schnapper (Schwager Schnapper). – vgl. Fannÿ Ochs, verh. mit Pfarrer Hortmuth (Heddesbach). G. = Guste (Auguste) Wohl, verh. Schmitt (Cousine v. JW; G. und S. = Guste und Schmitt). Göntchen / Göntgen = Johann Georg Göntgen, Oberbibliothekar, Frankfurter Stadtbibliothek. Getz / Götz = Moritz Löb Getz (urspr. Getz Amschel). Dr Golds. = Dr. Goldschmidt (Variante bei B: Goldschmith). Jette = Henriette (Jette) Rindskopf (Nichte JWs), verh. mit Louis Ochs. die Kaulas = Wolff v. Kaula, Stuttgarter Hofbankier, u. Eva, geb. Binge (auch: der Kaulla, Frau v. Kaula o. Räthin Kaula). meine Mutter = Julie Baruch, geb. Gumperz. Mekel / Meckel = Albrecht August Meckel, Prof. der Anatomie in Bern. Met. / Fürst M. = Fürst v. Metternich. M. St. = Moritz Steinthal aus Hamburg (auch St. aus H.). Murhard = Friedrich Wilhelm Murhard, liberaler Publizist. O. = Ochs: Familie von Amschel Samuel u. Hanna (geb. Steinthal) Ochs (Kinder: Nanette, Rosette, Röschen, Susette, Louis, Malchen, Samuel u. Fanny). die Odenheimers / die Ottenheimer = Jacob Ottenheimer, Hoffaktor, verh. mit Sara Benedikt, zwei Töchter. R. = Maximilian Reinganum. R. = Dr. Michael Reiss, verh. mit Rosette Ochs (im Zusammenhang mit Stiebel: R. und St.).

LXXX

Verzeichnis der Abkürzungen

Robert aus Carlsruhe = Ludwig Robert, urspr. Lipman Levin, Bruder Rahel Varnhagens, Theaterdichter, verh. mit Friederike Braun. Roths. = Rothschild. S. / Sch. / Schm. = Aloys Schmitt, verh. mit Auguste Wohl (vgl. o.). Samuel = Samuel Ochs (Sohn v. Amschel Samuel O. u. Hanna Steinthal). Schwester = Amalie (modo Marianne) Baruch (Bs jüngere Schwester), verh. mit Beer Salomon Spiro (Schwager Spiro o. Schwager in München). Schwester Stern = Theresia Wohl (Schwester v. JW), verh. mit Jakob Samuel Stern (Schwager Stern).1 Frau Speier/ Speÿer/ Sp. = Betty Seligmann v. Eichthal, verh. mit Joseph Isaak Speyer, Bankier. St. = Dr. Salomon Stiebel, verh. mit Röschen Ochs (vgl. M. St.). Steinthal = Martin Steinthal, verh. mit Nanette Ochs (auch Steinthal und seine Frau, auch St.). Süßchen / Süßchen = Susette Ochs, verh. mit Salomon Wolf in Heidelberg.

2. Zeitungen und Zeitschriften allgemeine Zeitung = Allgemeine Zeitung. Augsburg, hg. v. J. F. Cotta. Allgemeiner Anzeiger der Deutschen. Gotha.2 An: = Allgemeinen politischen Annalen, hg. v. J. F. Cotta. Der Freymüthige. Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser. Ffurter Journal = Frankfurter Journal. Der Gemeinnützliche = Gemeinnützliche Blätter für das Großherzogtum Frankfurt und dessen Umgebung, Unterhaltungsblatt für Gebildete. Frankfurt/M. 1811–1813. Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz. Hg. v. Friedrich Wilhelm Gubitz. Berlin 1817–1819 (Maurer). Iris. Unterhaltungsblatt für Kunst, Literatur und Poesie. Beilage der Zeitung der freien Stadt Frankfurt. Frankfurt/M. 1816–1829. litter. Wochenbl. = Literarisches Wochenblatt. L. B. / Lit. Bl. = Literaturblatt, hg. v. A. Müllner. Beil. in: Morgenblatt für die gebildeten Stände. Der Miroir = Le Miroir des Spectacles, des lettres, des mœurs et des arts, hg. v. Victor Joseph Étienne de Jouy. Paris 1821 ff. Morgenbl. = Morgenblatt für gebildete Stände, hg. v. J. F. Cotta, Tübingen 1807–1837. Nekarz. / Neckerz. = Neckar-Zeitung. Das Organ deutscher Kaufleute, Fabrikbesitzer, Staatswirte und Finanzmänner, hg. v. Friedrich Seybold und Friedrich List (bei B: Neckerzeitung).

1 2

Sterns Schwester Karoline war mit Salomon Meyer v. Rothschild verheiratet. Der allgemeine Anzeiger der Deutschen erschien in den Ausgaben Nr. 134, 144, 151 und 165 des Morgenblattes vom 15., 17. und 25. Juni sowie am 11. Juli 1822 (vgl. Br. 160).

Renate Heuer/Andreas Schulz

LXXXI

Postzeitung = Frankfurter Ober-Post-Amts-Zeitung, hg. v. d. Fürstlichen Thurn- und Taxis’schen Zeitungsexpedition. Die Wage. Eine Zeitschrift für Bürgerleben, Wissenschaft und Kunst. Hg. von Dr. L. B. Frankfurt/M. 1818. Zeitschwingen oder Des deutschen Volkes fliegende Blätter. Offenbach, Juli – Anfang Oktober 1819. Zeitung der freien Stadt Frankfurt.

3. Währungseinheiten3 f/fl. = Florin (»Gulden«). Friedrichsd’or (Goldmünze): 5 Thaler und 3 Groschen. Gulden: vgl. Florin. Karol. = Carolin/Karolin (Goldmünze): 6 Reichsthaler = 9 Florin. kr. = Kreuzer (Silbermünze): 60 Kreuzer = 16 Groschen. Louisd’or (Goldmünze): 5 Thaler. Thaler (Silbermünze): 90 Kreuzer = 24 Groschen. Weitere: Fr. = Franken/Franc; Napoleon. Währungsangaben wie Friedrichsd’or, Louisd’or sowie Thaler/Reichsthaler werden nicht abgekürzt.

4. Abbreviaturen. Text An: = vgl. Zeitschriften. Corresp. = Korrespondenz. Exemp: = Exemplar/e. f / fl. = vgl. Währungen. Jan: = Januar. kr. = vgl. Währungen. L. B. = vgl. Zeitschriften. lit./litt.//Lit./lit. Arbeiten = literarisch/Literatur/literarische Arbeiten. M. = Monat. P. / Pol. / Poli. = Polizei. Red. / Redac: = Redaktion/Redakteur. T. S. v. P. = Tournez s’il vous plaît. U. A. W. G. = Um Antwort wird gebeten. verh. = verheiratet.

3

Nach Rahel Levin Varnhagen, Briefwechsel mit Ludwig Robert, hrsg. v. Consolina Vigliero, München 2001, S. 602 f.

LXXXII

Verzeichnis der Abkürzungen

5. Abbreviaturen. Kommentar Abk. = Abkürzung. Adr. / o. Adr. = Adresse/ ohne Adresse.4 Anm. = Anmerkung. a.o.R. / a.l.R. / a.r.R. = Zusatz am oberen/linken/rechten Rand. B = Ludwig Börne. Beil. = Beilage. besch. R. = beschädigter Rand. Bl. = Blatt. Blst. = Bleistift.5 Br. / Br.k. = Brief/Briefkopf. FN = Fußnote. geschw. Pass. = geschwärzte Passage. hs. Zus. e. Bearb. = handschriftlicher Zusatz eines Bearbeiters. JW = Jeanette Wohl. o. O. u. D. = ohne Ort und Datum.6 Orig. folgend = nachfolgendes (gestrichenes) Wort im Original.7 Orig. davor = vorhergehendes (gestrichenes) Wort im Original.8 Rücks. = Rückseite. Tr. = Transkription. üdZ = über der Zeile. u.d.T. = unter dem Titel. überschr. = überschrieben. verh. = verheiratet. Zus. = Zusatz.

6. In den Fußnoten zitierte Ausgaben M = Elisabeth Mentzel. R = Peter u. Inge Rippmann. vgl. Tr. M / vgl. Tr. R = Hinweis auf die Transkriptionen von Mentzel u. Rippmann.9

4

5 6 7 8 9

Fehlende Adresse: verlorenes Kuvert o. Päckchensendungen beigelegte (z. T. gesiegelte) Briefe. Blst.-Unterstr. = Bleistift-Unterstreichungen eines Bearbeiters (vermutl. von Mentzel). Fehlende Orts- bzw. Datumsangabe des Autors auf Briefkopf. Autorkorrekturen. Autorkorrekturen. Bei schwierigen Passagen oder Textverlusten können die früheren Editionen zu Rate gezogen werden: In den Anmerkungen werden dann obige Hinweise, also Transkriptionsvorschläge von Mentzel oder Rippman mitgeteilt.

Renate Heuer/Andreas Schulz

LXXXIII

Verzeichnis der Briefe 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34.

B an JW in Langenschwalbach, Frankfurt 16. Juli 1818, S. 3. B an JW in Frankfurt, Darmstadt 3. August 1819, S. 6. B an JW in Frankfurt, Mainz 11. September 1819, S. 9. B an JW in Frankfurt, Mainz 12. September 1819, S. 12. B an JW in Frankfurt, Koblenz 16. September 1819, S. 17. B an JW in Frankfurt, Bonn 17. u. 18. September 1819, S. 25. B an JW in Frankfurt, Bonn 20. September 1819, S. 29. B an JW in Frankfurt, Aachen 23. September 1819, S. 33. B an JW in Frankfurt, Köln 24. September 1819, S. 34. B an JW in Frankfurt, Paris 21. Oktober 1819, S. 37. B an JW in Frankfurt, Paris 23., 24. u. 25. Oktober 1819, S. 41. B an JW in Frankfurt, Paris 26.–30. Oktober 1819, S. 47. B an JW in Frankfurt, Paris 5. u. 6. November 1819, S. 53. B an JW in Frankfurt, Paris 9. u. 11. November 1819, S. 61. B an JW in Frankfurt, Paris 14. u. 17. November 1819, S. 69. B an JW in Frankfurt, Paris 18. November 1819, S. 73. B an JW in Frankfurt, Wiesbaden 27. u. 28. Mai 1820, S. 75. B an JW in Frankfurt, Wiesbaden 28. Mai 1820, S. 78. B an JW in Frankfurt, Ellfeld 28. Mai 1820, S. 80. B an JW in Frankfurt, Ellfeld 29. Mai 1820, S. 82. B an JW in Frankfurt, Frankfurt 31. Mai 1820, S. 84. B an JW in Frankfurt, Frankfurt 1. Juni 1820, S. 89. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 10. November 1820, S. 93. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 11. November 1820, S. 94. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 11., 12. u. 13. November 1820, S. 96. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 14. u. 15. November 1820, S. 105. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 17. November 1820, S. 115. B an JW in Frankfurt, Bruchsal 18. November 1820, S. 116. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 22. August 1821, S. 117. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 22. August 1821, S. 119. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 24. August 1821, S. 120. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 23., 24. u. 25. August 1821, S. 121. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 27. August 1821, S. 124. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 26.–29. August 1821, S. 127.

LXXXIV 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75.

Verzeichnis der Briefe

JW an B in Stuttgart, Frankfurt 1. September 1821, S. 131. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 2. u. 3. September 1821, 134. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 2., 4. u. 5. September 1821, 140. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 6. u. 7. September 1821, S. 145. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 8. September 1821, 150. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 11. September 1821, 153. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 14. September 1821, S. 158. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 13., 14. u. 15. September 1821, S. 161. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 16. September 1821, S. 166. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 19. September 1821, S. 171. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 20. u. 21. September 1821, S. 175. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 24. September 1821, S. 180. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 26. u. 27. September 1821, S. 185. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 28. September 1821, S. 188. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 30. September u. 1. Oktober 1821, S. 189. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 30. September 1821, S. 194. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 5. Oktober 1821, S. 195. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 6. Oktober 1821, S. 198. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 6. Oktober 1821, S. 200. JW an B in München, Frankfurt 7. Oktober 1821, S. 202. B an JW in Frankfurt, München 9. Oktober 1821, S. 203. B an JW in Frankfurt, München 12. Oktober 1821, S. 206. JW an B in München, Frankfurt 11., 13. u. 14. Oktober 1821, S. 209. B an JW in Frankfurt, München 13. u. 14. Oktober 1821, S. 212. B an JW in Frankfurt, München 19. Oktober 1821, S. 217. JW an B in Frankfurt, München 19. Oktober 1821, S. 223. B an JW in Frankfurt, München 22. Oktober 1821, S. 226. JW an B in München, Frankfurt 21., 24. u. 26. Oktober 1821, S. 232. B an JW in Frankfurt, München 24., 25., 26. u. 27. Oktober 1821, S. 237. B an JW in Frankfurt, München 29. Oktober 1821, S. 242. JW an B in München, Frankfurt 28., 29. u. 30. Oktober 1821, S. 247. B an JW in Frankfurt, München 1. u. 2. November 1821, S. 251. JW an B in München, Frankfurt 1. u. 2. November 1821, S. 256. B an JW in Frankfurt, München, 5. u. 6. November 1821, S. 261. JW an B in München, Frankfurt 9. November 1821, S. 267. B an JW in Frankfurt, München 12. November 1821, S. 270. JW an B in München, Frankfurt 15. u. 16. November 1821, S. 275. B an JW in Frankfurt, München 19. November 1821, S. 279. JW an B in München, Frankfurt 16. u. 23. November 1821, S. 285. B an JW in Frankfurt, München 22. November 1821, S. 290. B an JW in Frankfurt, München 25. u. 26. November 1821, S. 295.

Renate Heuer/Andreas Schulz

76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116.

JW an B in München, Frankfurt 26. November 1821, S. 302. B an JW in Frankfurt, München 28. u. 29. November 1821, S. 305. JW an B in München, Frankfurt 29. u. 30. November 1821, S. 310. B an JW in Frankfurt, München, 2. Dezember 1821, S. 315. JW an B in München, Frankfurt 3. Dezember 1821, S. 318. B an JW in Frankfurt, München 5. u. 6. Dezember 1821, S. 322. B an JW in Frankfurt, München 8. u. 10. Dezember 1821, S. 328. JW an B in München, Frankfurt 9. u. 10. Dezember 1821, S. 332. B an JW in Frankfurt, München 13. Dezember 1821, S. 334. JW an B in München, Frankfurt 14. Dezember 1821, S. 337. B an JW in Frankfurt, München 17. Dezember 1821, S. 341. JW an B in München, Frankfurt 17. Dezember 1821, S. 346. B an JW in Frankfurt, München 20. Dezember 1821, S. 349. JW an B in München, Frankfurt 23. u. 24. Dezember 1821, S. 355. B an JW in Frankfurt, München 24. Dezember 1821, S. 360. B an JW in Frankfurt, München 26. u. 27. Dezember 1821, S. 365. JW an B in München, Frankfurt 28. Dezember 1821, S. 370. B an JW in Frankfurt, München 30. u. 31. Dezember 1821, S. 373. B an JW in Frankfurt, München 1. u. 3. Januar 1822, S. 376. B an JW in Frankfurt, München 4. u. 6. Januar 1822, S. 379. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 6. und 10. Januar 1822, S. 381. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 11. Januar 1822, S. 386. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 12. u. 13. Januar 1822, S. 388. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 15. Januar 1822, S. 391. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 14., 15. und 17. Januar 1822, S. 394. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 19. u. 20. Januar 1822, S. 398. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 20., 21. u. 22. Januar 1822, S. 402. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 24. Januar 1822, S. 408. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 27. u. 30. Januar 1822, S. 412. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 31. Januar 1822, S. 415. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 1. Februar 1822, S. 416. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 1. Februar 1822, S. 416. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 4. Februar 1822, S. 418. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 6. Februar 1822, S. 420. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 8. u. 9. Februar 1822, S. 423. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 10. u. 11. Februar 1822, S. 426. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 13. Februar 1822, S. 430. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 15. Februar 1822, S. 430. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 17. Februar 1822, S. 431. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 19. Februar 1822, S. 434. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 22. Februar 1822, S. 437.

LXXXV

LXXXVI 117. 118. 119. 120. 121. 122. 123. 124. 125. 126. 127. 128. 129. 130. 131. 132. 133. 134. 135. 136. 137. 138. 139. 140. 141. 142. 143. 144. 145. 146. 147. 148. 149. 150. 151. 152. 153. 154. 155. 156. 157.

Verzeichnis der Briefe

B an JW in Frankfurt, Stuttgart 24. Februar 1822, S. 439. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 27. Februar 1822, S. 442. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 1. März 1822, S. 445. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 4. März 1822, S. 448. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 5. März 1822, S. 451. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 6. März 1822, S. 453. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 9. März 1822, S. 456. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 11. März 1822, S. 459. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 14. März 1822, S. 462. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 16. März 1822, S. 466. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 18. März 1822, S. 469. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 20. März 1822, S. 472. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 22. März 1822, S. 475. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 24. März 1822, S. 477. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 27. März 1822, S. 480. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 29. März 1822, S. 483. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 1. April 1822, S. 486. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 3. April 1822, S. 487. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 7. April 1822, S. 488. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 9. April 1822, S. 491. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 11. April 1822, S. 494. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 13. April 1822, S. 497. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 16. April 1822, S. 500. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 18. u. 19. April 1822, S. 503. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 21. April 1822, S. 504. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 23. u. 24. April 1822, S. 507. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 26. April 1822, S. 510. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 29. April 1822, S. 514. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 30. April 1822, S. 518. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 2. Mai 1822, S. 521. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 2. Mai 1822, S. 523. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 4. Mai 1822, S. 525. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 4. Mai 1822, S. 528. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 6. Mai 1822, S. 529. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 8. Mai 1822, S. 530. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 8. Mai 1822, S. 534. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 9. Mai 1822, S. 535. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 10. Mai 1822, S. 537. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 11. Mai 1822, S. 538. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 12. Mai 1822, S. 540. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 13. u. 16. Mai 1822, S. 541.

Renate Heuer/Andreas Schulz

158. 159. 160. 161. 162. 163. 164. 165. 166. 167. 168. 169. 170. 171. 172. 173. 174. 175. 176. 177. 178. 179. 180. 181. 182. 183.

B an JW in Frankfurt, Stuttgart 18. Mai 1822, S. 544. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 20. u. 21. Mai 1822, S. 547. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 23. Mai 1822, S. 551. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 25. Mai 1822, S. 556. B an JW in Frankfurt, Stuttgart, 27. Mai 1822, S. 557. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 28. u. 29. Mai 1822, S. 560. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 31. Mai 1822, S. 565. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 3. Juni 1822, S. 567. JW an B in Stuttgart, Frankfurt 3. Juni 1822, S. 570. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 5. Juni 1822, S. 571. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 7. Juni 1822, S. 573. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 10. Juni 1822, S. 574. B an JW in Frankfurt, Stuttgart 12. Juni 1822, S. 575. B an JW in Frankfurt, Heidelberg 15. Juni 1822, S. 577. B an JW in Stuttgart, Frankfurt 17. März 1824, S. 578. B an JW in Stuttgart, Frankfurt 20. März 1824, S. 579. JW an B in Frankfurt, Stuttgart 20. März 1824, S. 581. B an JW in Stuttgart, Frankfurt 21. u. 22. März 1824, S. 582. B an JW in Stuttgart, Frankfurt 23. März 1824, S. 584. B an JW in Stuttgart, Frankfurt 24. März 1824, S. 586. JW an B in Frankfurt, Stuttgart 24. März 1824, S. 587. JW an B in Frankfurt, Stuttgart 25. März 1824, S. 589. B an JW in Stuttgart, Frankfurt 25. u. 26. März 1824, S. 591. JW an B in Frankfurt, Stuttgart 26. März 1824, S. 593. B an JW in Stuttgart, Frankfurt 27. März 1824, S. 594. B an JW in Stuttgart, Stuttgart 21. April 1824, S. 595.

LXXXVII

LXXXVIII

Verzeichnis der Briefe

DER BRIEFWECHSEL (1818–1824)

Nr. 1

1.

Juli 1818

3

An Jeanet te Wohl in Langenschwalbach. [Frankfurt], den 16. Juli 1818. Donnerstag d. 16. Julÿ. 1818.i Morgens 5 Uhr

Ich stehe etwas früher auf als gewöhnlich, um Ihnen zu schreiben, und das wenige mitzutheilen was ich von Röschens1 gestriger Hochzeit weiß, das interessirt Sie und Sie werden es selbst von mir, gern hören. Aber was ich nur will, ich weiß ja fast gar nichts. Ich hatte um ½6 Abends Ihre Schwester Fannÿ2 abgehohlt, wir gingen zu Ochs3 zusammen. Einige Herrn waren noch dort, die Weiber spielten. Die Mädchen waren misvergnügt, sie sagten beim Mittagsessen wäre es ganz jüdisch hergegangen. Ungebetene Gäste hätten sich eingefunden die gestört hätten – Mit dem Essen habe man geeilt – Das Desert habe man seiner lieben Familie nach Hause geschickt, u. s. w. – Röschen hat ausgesehen wie ein Engel, einen Finger meiner Hand würde ich darum gegeben haben hätte ich mich nur eine einzige Viertelstunde als ihren Bräutigam denken können – Fannÿ gab mir Ihren Brief zu lesen.4 In meiner Einfältigkeit hatte ich alles für Ernst gehalten, was Sie schrieben, und mich gefreut, daß Ihnen Menschen begegnet waren, die Sie befriedigen konnten; aber als man mir sagte, es seÿ alles nur Scherz, war ich i

O. O. – Adr.: Hrn. M. M. Schnapper, aus Frankfurt (Für Mad. Wohl) in Langenschwalbach (Kuvert).

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Rosa Ochs (1792–1874), Tochter des Seidenhändlers Amschel Samuel Ochs zur Silbernen Kanne u. seiner Frau Hannah Steindahl (Steinthal), 15. Juli 1818 verh. mit dem in Frankfurt niedergelassenen Arzt Salomon Stiebel (vgl. Br. 6). Fanny Schnapper (1788–1840), die jüngste Schwester JWs, seit 1816 verh. mit Moses (modo Moritz) Meyer Schnapper (vgl. u.). Die Familie Ochs wohnte in der Frankfurter Judengasse in unmittelbarer Nähe der Elternhäuser Bs u. JWs. Die acht Geschwister der Familie (Nanette, Rosette, Röschen, Süßchen, Louis, Malchen, Samuel u. Fanny) waren mit B u. JW eng befreundet. Dieser Brief ist nicht mehr vorhanden. Der erste erhaltene Brief von JW ist datiert vom 10. November 1820 (vgl. Br. 23).

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Juli 1818

Nr. 1

traurig darüber, daß Ihre Wirklichkeit von den Phantasiegemählden Ihrer Wünsche so weit abstehe. – Abends nach dem Spazierengehen, da ich wieder zu Ochs kam war alles vorüber, alles fort, selbst die Neuvermahlten schon. Die Glücklichen! Ihr Geld, Ihr Essen, so manches können Menschen, wenn sie froh sind, dem Darbenden mittheilen, nur nichts von den Freuden ihres Herzens, nicht einen einzigen Tropfen, und wenn der Bettler welcher vor ihren Augen verdürstet auch ihr Freund wäre. – Denken Sie nur gestern Mittag kömmt ein langer junger Mensch zu mir, der mich sprechen will. Es war der Sänger Hillebrand5 der mich heftig zu Rede sezte, weil ich ihn in meinem Theaterberichte6 so sehr getadelt hatte. Ich sagte ihm er könne sich meines eigenen Journals bedienen, um sich zu beschwehren gegen das Urtheil, und es stünde ihm frei, sich so viel er nur wolle, überii den Berichterstatter lustig zu machen. Wäre ich nur gut gelaunt, daß ich Ihnen unsere Unterredung die sehr komisch war, schildern könnte. Er hatte ehe er zu mir kam einem meiner Bekannten gesagt, er wolle mich todtschlagen. Davon ließ er sich zwar bei mir nichts merken, denn er war zwar heftig, doch artig. Wie ich aber den langen Kerl vor mir stehen sah, fiel mir bei: wenn er dich prügelte, und ich war so gescheidt, ihn zum Sitzen bringen zu wollen, und bot ihm hundert Mal einen Stuhl an. Er blieb aber in Positur und sezte sich nicht – Sonntag war ich in Darmstadt, und sah Trajan in Dazien, Oper von Nikolini. Ich werde in meinem Journal von der Aufführung sprechen7 – Haben Sie mein Heft, das ich Ihnen geschickt erhalten? Lassen Sie mich es durch irgend eine dritte Hand wissen. Nicht ein Wort, nicht eine arme Sÿlbe, wollen Sie mir schreiben; vielleicht thäten Sie es wenn Sie wüßten wie glücklich es mich machen würde. Ich weiß nicht welches Unglück größer ist, einen Freund nöthig haben oder einen entbehren, denn ich leide diesen doppelten Schmerz. Freiheit, Ruhe, wer giebt sie mir zurück? wer tröstet mich, wer muntert mich

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Orig. davor: sich.

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Josef Hillebrand gehörte von 1813 bis 1818 als Bassist zum Ensemble des 1782 eröffneten Frankfurter Schauspielhauses. B rezensierte mehrere Opern, in denen H. aufgetreten war. Im ersten Heft der Wage ist der Artikel über die Inszenierung von Gaspare Spontinis Oper Die Vestalin (1807) v. 25. Juni 1818 an der Frankfurter Volksbühne abgedruckt (Wage (1818), 1. Bd., 1. H.). Bs Rezension der Aufführung in: Wage (1818), 1. Bd., 1. H.

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Nr. 1

Juli 1818

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auf, wer liebt mich? Ich sehe mich täglich von reichen Menschen umgeben die lieben und geliebt werden, und ich bin der Bettler unter ihnen. Ich hatte einen schönen Traum von einem satten Herzen, der schwebt mir vor, und wird mich noch lange, vielleicht immer unglücklich machen. – – Ich hatte Hrn. Schmidt8 zugesagt Sonntag mit ihm nach Wiesbaden zu reiseniii, aber ich kann nicht, vielleicht ein andermal. Die Ochsen kommen auch nicht. Sie kommen doch? – Ihre Schwester besuche ich so oft ich kann, sie sehnt sich sehr nach Ihnen zurück. – Die Fannÿ (Ochs)9 hat mich abends schon manchmal geneckt, ob sie mir noch eine Tasse einschenken solle? – Ich wollte Ihnen ein Tagebuch mittheilen, habe es auch mehrere Tage fortgeführt, aber wieder aufgegeben. Ich kann Ihnen nicht so trocken schreiben als es sich schicken will, lieber gar nicht. Kommen Sie bald zurück? Amüsiren Sie sich recht in Wiesbaden. – Soll ich Ihnen neue Bücher schicken? Wenn Sie mich es vor Sonntag noch wissen lassen, könnte ich Ihnen ja solche nach Wiesbaden schicken. – Ich muß aufhören. Wie gerne schriebe ich noch fort. Ich habe keine Zukunft, was giebt mir Ersatz für die verlorne Gegenwart, und warum opfere ich sie? – Seien Sie froh, theuere Freundin und glücklicher als ich. Verzeihen Sie mir meine Grämlichkeit. Ich habe wirklichen Gram, und der Kampf mit ihm ermüdet mich. Dulden Sie die Ausdrücke meiner Freundschaft, und meiner unaussprechlichen Verehrung Dr. Börne Gruß an Ihren Schwager,10 an Guste11 u. Jette.12

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ÜdZ. Aloys Schmitt (1788–1866), enger Freund Bs, Pianist u. Komponist. Fanny Ochs (1806–1869), 1832 ev. getauft u. verh. mit Pfarrer Johannes Hortmuth in Heddesbach. Vermutl. Moritz M. Schnapper (1782–1826), verh. mit Fanny Wohl (vgl. o. Anm. 2). JW hatte zwei weitere Schwestern: Henriette, verh. Rindskopf (vgl. Br. 67) u. Theresia, verh. Stern (vgl. Br. 12). Auguste (Guste) Wohl, Cousine JWs (vgl. Br. 35 u. Br. 59). Henriette Rindskopf, JWs Nichte (vgl. Br. 67).

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August 1819

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Nr. 2

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Darmstadt, den 3. August 1819.

Darmstadt, den 3 August 1819.i Nicht allein das Reisen, auch das Abreisen ist mit Gefahren verknüpft. Hören Sie, wie es Ihrem Freunde erging. Schläge und Blitze sind so nahe an mir vorübergegangen, daß ich mich ängstlich zu erinnern suchte, ob ich mit Rührung von Ihnen Abschied genommen, und ich ein Vorgefühl gehabt hätte, daß ich Sie nicht wieder sehen würde. Die Traurigkeit meines Herzens als ich auf der Bank ausgestreckt lagii und Ihnen ins liebe Angesicht schaute fiel mir bei, und ich klagte mit Egmont: " Schönes Leben, süße freundliche Gewohnheit Dich zu sehen und zu lieben, von Dir soll ich scheiden?" 1 Aber die Noth ging vorüber. Ich hatte mir bei einem Darmstädter Retourkutscher im goldnen Löweniii einen Plaz bestellt. Als ich zur bestimmten Stunde hinkam, fand ich die Vorderpläze schon von Andern besezt. Ich sagte ihm rückwärts könne ich nicht fahren, denn da der Wagen nur halb gedeckt, und das Wetter trüb sei, so wäre ich im Falle eines Regens nicht geschüzt. Der Kutscherkerl bestand auf das bedungene Fahrgeld, und da ich mich dazu nicht verstehen wollte, hielt er mir gewaltsam meinen Mantelsack zurück. Der Schuft von Wirth, der mich von der Polizei her hasst, weil er mir einige Mal angesehen, daß ich ihm angesehen, daß er ein Spitzbube, ließ es geschehen, daß mich ein Fremder in seinem Hause auspfände. Ich suchte dem Kutscher den Mantelsack zu entreißen, und wir wechselten einige leichte Stöße. Vergebens; ich war nicht stark genug. Da sagte ich zu mir: Du miserabeler Doktor, würdest Du jezt nicht, für einen halben Schuh längere Länge, auch nur unten an den Füßen angesezt, Deinen halben Geist hingeben? (Aber nicht Dein Herz, weil etwas darin wohnt, das zehen Goliathshöhen nicht bezahlen). Vergebens suchte ich mich über meine Stengelgläschen=Figur

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O. Adr. Orig. davor: sah. Orig. davor: Leben.

»Süßes Leben! schöne freundliche Gewohnheit des Daseins und Wirkens! von dir soll ich scheiden!« (Johann Wolfgang v. Goethe, Egmont. Ein Trauerspiel in 5 Aufzügen. Leipzig 1788.)

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August 1819

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zu trösten und sagte: Wenn der Herbst gut sei fehle es an Fässern; mein Mantelsack schmerzte mich. Ich lief auf die Polizeiwache um Hülfe zu rufen; da konnte ich keinen finden. Eine Wache ohne Besatzung! Die Polizei soll es mir büßen in den nächsten Zeitschwingen.2 Ich lief zum goldnen Löwen zurück, und erneuerte den Streit. Die Leute liefen zusammen. Da schickte mir Gott meinen Bruder.3 Eben hatte mir der Kutscher den Mantelsack abermals aus den Händen gerissen; „leid’st Du das Bruder?“ rief ich aus. Dieser packte ihn bei der Brust und sprach: Will er hergeben? Noch hielt er ihn fest. Da nahm ich meines Bruders Stock, und schlug dem Kerl auf die Finger. Da wollte er nach mir treten; aber ich machte einen geschickten hohlen Leib, der Narr stieß nach der Luft. Endlich ließ er fahren, ich gab meinen Mantelsack einem tauben Schiebkärcher ließ ihn auf den Postwagen tragen, und fuhr mit diesem fort. Während der Prügelei verglich ich mich scherzweise mit Schmelzle4, und meinen Bruder mit seinem Schwager dem Husaren5, und dachte: dem Kautz war es eine Freude, sich für mich herumzuschlagen. Die Gesellschaft im Postwagen, war, wenn ich mich so ausdrücken darf, langweilig. Auf der ersten Hälfte des Weges, wußte ich noch nicht gewiss, ob Hr. Schwab aus Darmstadt ein jüdischer Passagier sei. Sein reines Deutsch machte mich zu erst aufmerksam. Ich schnüffelte, bekam aber nichts heraus. Endlich in einem Dorfe hinkt ein Bettelbub herbei; und mein Hr. Schwab sagt: er schnappt. Da hatte sich mein Jud verschnappt, ich schnappte nach ihm mit meinem phÿsionomischen Fangscheeren, erschnappte nach und nach alle seine hebräischen Züge (meinen mnemonÿschen Gru[ß] an Wilhelm Schnapper6), hielt ihn fest, und jezt mochte er reden was er wollte, so erkannte ich ihn, und jedes seiner Worte, mußte,

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B übernahm die Redaktion der seit 1817 in Offenbach erscheinenden Zeitschrift Zeitschwingen von Juli bis Anfang Oktober 1819. In Offenbach, das zum Großherzogtum Hessen gehörte, konnte er sich der Zensur der Frankfurter Behörden entziehen. Infolge der Durchsetzung der restriktiven Pressegesetze der Karlsbader Beschlüsse wurde das Blatt dann eingestellt. Vermutl. Philipp Jacob Baruch (1789–1829), 3. Sohn Jacob Bs., 1806 verh. mit Theresia Spiro (?–1847). Aus: Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz von Jean Paul (1809). Der Dragoner, Schwager und Reisebegleiter des Feldpredigers Schmelzle, ist im Gegensatz zum Prediger ein mutiger und waghalsiger Mann. Wilhelm Schnapper (1818–1864), Sohn Fanny’s u. Moritz Meyer Sch., Neffe JWs.

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Nr. 2

wenn es durch mein Ohr ging, den Judenleibzoll7 bezahlen. Da er in der Folge immer sagte: es blizt als noch, konnte ich nicht begreifen, warum ich so dumm gewesen. Aber wie blizte es! Ein fürchterliches Wetter überfiel uns auf dem Wege. Wir waren in Wolken eingehüllt; das Wasser drang in den Wagen. Eine Frau die neben mir am Schlage saß wurde ganz durchnässt. Ich hätte meinen trocknen Plaz ihr abtreten sollen, dachte aber: Die […]iv, und ließ sie nass werden. Um halb zehen Uhr kam ich nach großen Beschwehrlichkeiten hier an. Ich sezte mich an die Wirthstafel, und aß viele gute Sachen, gar nicht aus Appetit, sondern aus Bosheit, weil ich wußte, daß Sie um dieselbe Zeit nichts zu essen hätten, als Kartoffeln in groben Mänteln. Das Gewitter hatte uns ohnweit Langen getroffen. Das gewaschene Frauenzimmer neben mir, fragte in der Angst, einmal über’s Andere: habe wir noch lange nach Langen, lange nach Langen?, so daß diese Worte wie ein Brei zusammenfloßen, und mein Ohr ganz schwindlicht davon ward. Ich wette, Sie können nicht schnell sechsmal hintereinander sagen: Lange nach Langen; ich habs probirt. Nach Tische um halb 11 Uhr, machte ich noch einige Gänge durch die Stadt, und dachte über mancherlei nach. Nur mit Mühe fiel mir etwas Sentimentales ein, das ich Ihnen schreiben könnte.

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Unles. gemachte u. unterstr. Passage.

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In Frankfurt wurde der jüdischen Gemeinde erst 1811 der jährliche Leibzoll (in Höhe von 22 000 Gulden) gegen die einmalige Zahlung von 440 000 Gulden erlassen und Juden die bürgerlichen Rechte gewährt; als die Gleichstellung der Juden 1813 wieder aufgehoben wurde, verlor B seine Stellung als Polizeiaktuar (vgl. Br. 26).

Nr. 3

3.

September 1819

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Mainz, den 11. September 1819.

Nr. 1i Mainz. Samstag. 11. Sept.ii Abends 8 Uhr. Geschwind, liebe Sanftmuth, mich zu Ihnen wenden, damit ich aus meiner Tollheit herauskomme. Da kehre ich von einem Gange durch die Stadt zurück; ich hatte mich gleich bei meiner Ankunft sehr vortheilhaft und christlich benommen, jeder mit dem ich sprach bezeigte mir schon die größte Hochachtung. Nun trete ich in die Wirthsstube, fliegt mir laut aufmauschelnd ein […]iii in die Arme, drückt mir die Hand; „wie geht’s? Wann sind Sie gekommen? Wollen Sie mir die Ehre schenken zu einem Glas Wein? Heut Abend zum Essen?“ Diese Bestie, was wollte Sie von mir? Es war der alte Würzweiler aus Mannheim. Erst vor 3 Tagen saßen wir in der Harmonie1 nebeneinander, und sprachen uns nicht, konnte er mich in Mainz nicht auch ruhig lassen? Und mich in Gegenwart von zwanzig Menschen als Herzensbruder zu begrüßen! Ich war ganz wild geworden, aber jezt ist’s vorüber, mein Gebet hat gewirkt. Sie liebe, unabonnirteste meiner Leserinnen, soll ich Ihnen über meine Reise hieher berichten? Sie erhalten eine Beschreibung davon auf Postpapier, die andern nur auf Druckpapier, und später, und mit hundert Druckfehlern. Die Gesellschaft im Marktschiffe war so auserlesen, daß ich, kaum in das Schiff getreten, meine Pfeife in die Hand nahm, weniger um zu rauchen als

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Eine Auswahl von Briefen von 1819–1822 wurde von der v. B eingesetzten NachlassVerwalterin JW 1844 im ersten Band der Nachgelassene[n] Schriften von Ludwig Börne (1844–1850) publiziert. JW folgt darin der Numerierung Bs. Somit wird die erste Ausgabe der frühen Briefe mit dem dritten erhaltenen Brief Bs an JW eröffnet: Er erscheint als Erster Brief unter der Rubrik Vom Rhein. Die bereits zu Lebzeiten bei Hoffman & Campe erschienenen Gesammelten Schriften (1832–1835) hatten lediglich eine Auswahl der Pariser Briefe abgedruckt. – hs. Zusatz e. Bearb.: »1–7 nachgelassene Schriften 1. Bd. S. 1–48.« (Rotstift). O. Jg., hs. Zus. e. Bearb.: »1819« (Br.k.). – o. Adr. Von JW unkenntlich gemachtes Wort, vermutlich »Jude«. Die Harmonie war eine Vereinigung, zu der nur gebildete jüdische Bürger Zutritt hatten.

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um zu räuchern. (So eben wird zum Abendessen geschellt, aber ich komme nicht. Wie rauh klingelt das gegen die andere Schelle, die ich um diese Stunde zu hören gewohnt bin. Wird jezt zum zweitenmale aufgegossen? Ach wäre ich nur schon wieder dabei!) Die Vornehmen saßen oben auf dem Verdecke, das gemeine Volk unten, und so bildeten wir, ein wahres Ober= und Unterhaus. Der Bauer= und Handwerksstand war in lezterem besonders stark repräsentirt. Ein Jude ganz allein stellte die Kaufmannschaft vor; er handelte, pfiff, benahm sich sehr unbefangen, und befleißigte sich einer guten Sachsenhäuserischen Sprache. Das kam daher weil er sich kürzlich in das Christenthum hatte hieneinheppen lassen.2 Was mir an mehreren Handwerkspurschen besonders gefiel, war, daß sie ihre Trauben in den Schnupftüchern eingewickelt hatten. Dieses freundschaftliche Verhältnis zwischen Mund und Nase, als Wandnachbarn, sollten wir Gebildeten auch einzuführen suchen. Ein Engländer las beständig und aufmerksam in einem Buche, warf dabei oft den Blick auf die umliegendeiv, und lächelte dabei, auch glaubte ich ihn seufzen zu hören. Ich näherte mich ihm, warf einen Blick ins Buch – und was war’s? Rathen Sie doch, ehe Sie das Blatt umwenden . . . . . . . . . . . . ein Dictionnaire de Poche Français-Allemand! Während der ganzen Fahrt, lag das Buch aufgeblättert vor ihm. Das nenne ich empfindsam reisen. Bekanntschaften habe ich keine gemacht auf dem Schiffe; es reizte mich Niemand dazu. Ich theilte meine Zeit zwischen schreiben, lesen, und denken. Ich schrieb Bleistiftene Notizen (an Futterkräutern für reisende Thiere war eher Ueberfluß als Mangel, und ich hätte mit Herzenslust herumgrasen können, wenn nicht meine Schreibefreiheit beschränkt geworden wäre, durch die Ellnbogen meiner Nachbarn); ich las in Göthes Alterthümer am Rhein3, und woran dachte ich? Ein Student, der mich schreiben sah, war halbsÿlbig als ich mich ihm näherte um eine Unterredung mit ihm anzuknüpfen, und antwortete mir nur in Vokalen. Wahrscheinlich fürchtete er, ich wollte die Geheimnisse seiner Burschen-

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Fehlendes Wort: vermutl. Gegend.

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Anspielung auf die Hep-Hep-Krawalle, die im August 1819 in Frankfurt und in anderen Städten zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen Juden führten (vgl. Br. 7 u. 67). Über Kunst und Alterthum in den Rhein- und Meyn-Gegenden (1816) ist das 1. Heft der von Goethe u. Johann Heinrich Meyer hg. Zeitschrift Über Kunst und Alterthum.

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schaft erforschen. – Wäre es Ihnen nicht auch aufgefallen, liebe Freundin, wenn Sie gehört hätten, was ich gehört, nehmlich daß ein Schiffsmann der sich mit dem andern zankte diesem zugeschimpft: Eh Du Rammelochse! Und hätten Sie sich nicht gleich mir gewundert, daß Wasserleute sich solcher Continentalflüche bedienen? Sagen Sie mir das offenherzig, theuerste Freundin. Im Höchst, lauerten ein Karpfen und ein schwarzer Bär, um die aussteigende Schiffsmannschaft zu verschlingen. Es giebt nichts komischeres, als die beiden Wirthinnen, deren Gasthäuser gegen einander über liegen, an der Thüre stehen, und sich, je nach ihrer Gäste=Zahl, neidische oder schadenfrohe Blicke zuwerfen zu sehen. Mich verschlang der Bär, der aber so fromm war mir für den nichtgetrunkenen Wein, keine Bezahlung abzunehmen: das erste Beispiel solcher Grosmuth, das ich in einem Gasthause je erfahren. Zwischen Höchst und Mainzv, las ich in Göthes, schon erwähntem Buche, ein Kapitel: „Herbsttage am Rhein“4. Behagt mir nicht! Seine Bilder kalt wie Marmor, seine Empfindung nur künstlerisch, so vornehm lächelnd, so herablassend zu den Gefühlen unserer niederen Brust! Ich habe ihn nie leiden können. In seinem Werther hat er sich ausgeliebt, abgebrannt, zum Bettler geschrieben.5 An der Thüre des Schiffes war ein Zettel angeschlagen, worauf geschrieben stand: „Hantlung von Gebrüder Heb Heb in Frankfurt“. Ich sah mit Freude, daß die Juden keine Feinde mehr unter den Gelehrten haben. Bei der Stelle wo der Main in den Rhein fällt, stand ich am Maste gelehnt, (oder geliehen, wie muß es heißen?) und war gerührt. Ich sah lange den Strom hinauf, der mich mit Euch verband. Lebt wohl Ihr Wellen . . . doch nein, ich will ein Mann seÿn! Als ich in Mainz ankam, ging ich sogleich hienaus am Rhein, um die Militair=Musik zu hören, es wurde aber heute nicht gespielt. Ich tröstete mich bald, denn eigentlich war ich mehr aus Furcht vor Ihnen hienausgeeilt, und um Ihre Vorwürfe zu vermeiden.

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Orig.: Main.

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Im Rheingau Herbsttage, 3. Heft Über Kunst und Alterthum, 1817. Vgl. Anm. zu Die Leiden des jungen Werther in: Br. 88 (Die Leiden des jungen Börne. 1ster Brief ) u. Br. 93.

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Das erste Haus am Rhein=Ufer ist eine " Ecurie" 6; davor stand eine Oesterreichische Schildwache7. Ich habe sie etwas gefragt, nur um wieder die Oesterreichische Mundart zu hören, es liegt etwas gutmüthiges darin das mir wohl thut. Die Preußische Soldaten hier, tragen ganz leichte lederne Käppchen, die Oesterreichischen schwehre Tschakos: das ist der Unterschied ihres Geistes, und der Abstand zwischen der Consequenz der einen und der anderen Regierung. Sie haben mich daran gewöhnt um 10 Uhr schläfrig zu werden, und auch in der Entfernung bleibe ich Ihnen gehorsam. Gute Nacht. Jeden Abend schreibe ich Ihnen, was ich den Tag über ‘gesehen, gehört – aber nicht was ich gedacht’ weil Sie mir dieses verbothen haben. Gruß Allen und Jedem. Morgen mache ich Besuche, und sehe die Merkwürdigkeiten der Stadt. Ach, mein Ostern, die Zeit meines ungesäuerten Brodes, wäre sie doch schon vorüber! Dr. Börne. Reisender Journalist.

4.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Mainz, den 12. September 1819.

Nr. 2. Mainz. Sonntag, den 12 Sept.i Abends 10 Uhr. Gebe ich Ihnen nicht so genaue Berichte auf Minute und Schritt, gleich einem Feldwebel? Sie sind aber auch immer mein lieber genädiger Hauptmann gewesen. Mein Tagewerk ist nun vollbracht, das war aber Alles nur Vorspiel, die Freude beginnt erst jezt. Gott weiß es und Sie wissen es, daß ich nicht von der Stelle käme, und wie ein Blinder herumtappte, müßte ich Ihnen nicht Rechenschaft geben, wie ich die Entfernung von Ihnen ausgefüllt. i

O. Adr.

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Ecurie = Marstall. Nach dem Abzug der Franzosen wurde Mainz zur Bundesfestung ausgebaut. Die zunächst von Preußen und Österreich verwalteten Festungsanlagen wurden auf Beschluss der Bundesversammlung 1820 dem Deutschen Bund übergeben.

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Nr. 4

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Die Mainzer Morgenstunde, liebe Freundin, hätte für Sie mehr als Gold, sie hätte Essen im Munde, köstliches. Beim Frühstücke gedachte ich Ihrer zweifach, einmal für das Gewöhnliche, und ein mal ausserordentlich, wegen der herrlichen Eierwecke, von welchen man zwei Stücke zum Kaffee bekömmt. Mürber, balsamischer, süßer, einschmeichelnder giebt es nichts auf der Welt. Sie haben nie geliebt, aber den Pfeilen dieser Wecke hätte Ihr Herz nicht widerstanden. Nachdem ich mit ihrer Hinrichtung und ihrem Begräbnisse fertig war, trug ich meinen Brief an Sie, auf die Post. Der Klotz von Postschreiber, nahm mir ihn aus den Händen, als wäre es einii anderer, und ich, wie gern hätte ich mich in einen Buchstaben des Alphabets, Konsonant oder Vokal, gleichviel, verwandelt, um Ihneniii nur unter die Augen zu kommen. Darauf besuchte ich den Professor Metternich1, welcher Verfasser eines in den Zeitschwingen stehenden Aufsatzes ist.2 Ich weiß nicht ob Sie sich dessen erinnern. Metternich ist ein langer hagerer, wohl sechszigjähriger Mann. Seine grauen Haare bedecken einen feuerigen Kopf. Rasch und jugendlich in seinen Reden, glühend für Freiheit. In den Tagen der französischen Revolution, galt er für das was er noch ist, für einen Jakobiner. Mehrere Jahre lang schleppte er sich von Kerker zu Kerker fort, und hat darum die Anhänglichkeit für eine Sache für die er gelitten, in sein Greisenalter hienüber gebracht. Er spricht viel, gern, und schön. Ich konnte und wollte nicht zu Worte kommen.. Fernere Arbeiten hat er mir zugesagt. Er führte mich in die Lesegesellschaft ein, wo alle meine Journale gehalten werden. Sogar das siebente Heft der Wage war schon angekommen, welches ich mir nicht anders erklären kann, als daß es durch eine besondere Estafette, mußte hiehergeschickt worden seÿn. Das erste was ich dort las, war ein langer heftiger Aufsatz von Lindner3 in Stuttgart gegen die Zeitschwingen, wegen einiger Worte die ich gegen die Würtembergischen Minister gesagt hatte. Ich werde ihm antworten, ob er zwar mit ausdrucksvollen Worten bemerkt hat, daß er die größte Hochachtung für mich hege. ii iii

1

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ÜdZ. Orig. eher: Ihrer. Mathias Metternich (1747–1825), Mitglied des Mainzer Jakobinerklubs Gesellschaft der deutschen Freunde der Freiheit und Gleichheit 1792/93. Der Jg. 1819 enthält zwei mit dem Kürzel M. gez. Artikel: Schreiben vom Rhein (24. Juli) und Furchtbare Verschwörung in Deutschland (Zeitschwingen, 28. u. 31. Juli 1819). Friedrich Ludwig Lindner (vgl. Br. 36).

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Professor Lehne, Herausgeber der Mainzer Zeitung,4 den ich besuchte, war abwesend. Darauf ging ich zum Dr. Levita.5 Er küsste mich so zärtlich, daß ich ihniv mit Füßen hätte treten mögen. Ich will lieber einem Hunde in den Schwanz beißen, als mich von einem Manne küssen lassen. Auch drehte ich mich dergestalt, daß er mein elfenbeinernes Genik zwischen die Zähne bekam. Mir wurde hier weder ein Pass, noch selbst im Wirthshause mein Name bisher abgefordert. Hier kam mein Polizei=Hass und meine Freiheitsliebe etwas in Verlegenheit, und jeder Minister hätte seine Freude daran gehabt. Loben mußte ich, daß man hier ungestört und unbelauert reisen könne, aber es hätte mir doch wohl gethan, man hätte an der Wirthstafel meinen Namen gewußt, und süß herauf= und herabgemurmelt. Der beliebteste Schriftsteller in der Döngesgassev,6 saß am Tische, als wäre er nichts als ein reicher Kaufmann. In einer Festung sollte doch strengere Polizei=Aufsicht seÿn! – Nach dem Essen schon wollte ich Ihnen schreiben, aber ich taumelte zu sehr, denn ich hatte den feuerigsten Rüdesheimer, in Menge – trinken sehen. Da stehe ich so empfindungslos und nüchtern, vor der Pforte des großen Bachus=Tempel! Mir Ungläubigen sollte der Eingang verwehrt bleiben. Ach, warum darf ich keinen Wein trinken! Doch, ich will mich trösten. Es giebt auch einen Rausch der Nüchternheit, der dauernder ist, und ohne Kopfschmerzen endet. Spaziergang auf der Brücke. Einem schwachen Auge erschiene die Wasserfläche grenzenlos wie ein Meer. Was ist unser Mainchen dagegen; ein Zuber. Welche Kühle, welche Luft, wie hätten Sie, liebe Freundin, sie hienabgestürzt. Warum waren Sie nicht da, warum sah ich nicht Ihr Trinken, iv v

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ÜdZ. Orig.: Döngesgasse. Die seit 1801 erscheinende Mainzer Zeitung wurde seit 1812 v. Theodor v. Zabern (1771–1832) verlegt. Das 1798 als Beobachter vom Donnersberg begründete, ab 1801 unter dem Namen Mainzer Zeitung erscheinende Blatt stand aufgrund seiner liberalen Haltung unter ständiger Beobachtung der Zensoren des Großherzogtums Hessen. Der hier erwähnte leitende Redakteur Friedrich Lehne (1771–1836) wurde 1822 entlassen und die MZ vorübergehend verboten. Johann Heinrich Levita (geb. 1792), erster jüdischer Rechtsanwalt in Mainz. JW wohnte zeitweise in der Döngesgasse (Töngesgasse) in Frankfurt am Main bei der Familie Stiebel. Hier lag auch die Buchhandlung Lorenz Demmert, die Subskriptionen der Wage annahm.

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warum komme ich Ungeschickter, nur höchstens mit meinem Einsatze heraus, warum wird mir nie ein hoher Treffer? Warum? Ich Undankbarer, sind das Leiden, die man Ihnen klagen darf? Und Täglich! Ich besuchte den Dom. Marmorbilder auf Grabsteinen; am meisten Fürsten. Ich liebe die Zeit nicht, wo die Vergänglichkeit von Tausenden, die Ewigkeit eines Einzelnen bilden mußte. Diese Kurfürsten mit ihren fetten Wangen, sie waren guter Dinge, ihr Leben lang. Aber ihre Völker hatten keine andere Lust, als die des Mastviehes im Stalle – reichliches Futter. Man wolle jezt nichts dauerndes, nichts großes mehr haben, sagen die Götzen=Diener der alten Zeit. Keine reichbegabte Stifungen, keine weiten Landgüter, keine Kirchen und Klöster. Aber Pÿramiden und Dome können nur gebaut werden, so lange es Sklaven und Bettler giebt. Freie und wohlhabende Unterthanen, hätte man zu solchen großen Werken nie bezahlen können. In der Domkirche liegt Heinrich Frauenlob,7 ein Minnesänger, der vor fünf Hundert Jahren, lebte und liebte. Im Jahre 1318 starb er. Die Mainzer Frauen trugen ihn dankbar zu Grabe. Es lohnt sich wohl der Mühe die Weiber zu loben, um von ihnen unter die Erde gebracht zu werden! Das thun sie jezt den Männern am liebsten, die ihnen nicht gefallen. In der Nähe der Stadt, eine alte römische Wasserleitung, und ein Kirchhof, wo Römische Soldaten, von der Welteroberung ausruhen. Grabstein an Grabstein. Auf einigen so deutliche Inschriften, als wären sie gestern erst eingehauen. Der 22sten Legion gehörten die meisten hier liegenden Soldaten zu. Diese war im Jahre 70 von Jerusalem hiehergekommen, das sie unter Titus Anführung erobert und zerstört hatten. Ich legte meine Hand auf eines dieser Grabmähler, so feÿerlich wie zum Schwure und dachte: Hier unter diesem Steine modert vielleicht ein Krieger, der einen Deiner Urahnen, von dem Du in Gerader Linie abstammst, mit seinem Schwerte erschlagen; oder die Hand, die den ersten Feuerbrand in Salomons Tempel geworfen. Ein Oesterreichischer Artillerist ging vorüber, eine Schneiderfigur. Als Völkerunterjocher hasse ich die Römer, so sehr als unsere neuen Wachtparadenmänner. Aber dort war es das Naturrecht der Kraft, des vorherrschenden Geistes, der Staatsklugheit. Sie besiegten nur verweichlichte, rohe oder einfältige Völker, und die Besiegten warenvi Knechte der Freien.

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Orig.: war.

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Heinrich v. Meißen, gen. Frauenlob (1250–1318).

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Aber bei uns, die wir in Europa, alle von gleicher Stärke und Bildung, wir schlagen oder werden geschlagen durch Kniffe und Spione, und wenn wir unterliegen, werden wir Knechte von Knechten. Nicht weit vom Römischen, liegt luftiger vii der Mainzer Kirchhof, der erst vor wenigen Jahren angelegt worden. Alter Tod, neuer Tod. Die Todten sind gleich alt. Mein Berliner mit seiner Frau ist Nachmittag angekommen.8 Wir nehmen uns morgen ein Schiff und fahren bis Rüdesheim und Bingen, den Tag darauf nach Coblenz. Sie reisen mit 2 Kindern, einer Tante, 3 Domestiquen, und zwei Wagen. Ich wüßte nicht, daß sie sonderlich reich wären. Ich habe die Zeit des Abendessens bei ihnen zugebracht, und meinen Thee, auf ihrem Bratentisch gegessen. Die Leute gefallen mir. Er und die Frau, sind einfache verständige Menschen. Ich habe sie noch nicht die kleinste Berliner Grimasse sagen hören. Er versicherte mich, eine so anständige Gesellschaft wie unsere Harmonie, fände man unter Berliner Juden nicht, und dies habe ihn um so mehr überrascht, da er die schlechteste Meinung von ihnen nach Frankfurt gebracht. Sie dulden nicht, daß in Gegenwart der (schon 8jährigen Kinder) von Juden gesprochen werde. Sie sollen das Wort gar nicht kennen. Ich war drei Minuten im Sargin,9 auf dem Sechsbatzenplatz. Eine Bestie sägte eine Arie unter starkem Beifallklatschen. Das Haus ist schön, die Dekorationen sind es auch. Vielleicht frägt Sie Jemand, unter welcher Adresse man an mich schreibt. Antworten Sie, Sie wüssten es mehr aus der Theorie als aus Erfahrung, daß man unter der Adresse: Eskeles in Bonn10 an mich schreibe. Von Coblenz den nächsten Brief, also übermorgen. Adieu schöne Dame. Dr. Börne. Grüßchen, wegen Mangel an Papier.

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Orig.: lustiger o. lufiger. Die Familie des Berliner Kaufmanns Herman Julius Eberty (1784–1856), der vor seiner Namensänderung 1810 Heimann Joseph Ephraim hieß, ist Bs Reisebegleitung der folgenden Tage. Sargino ossia l’allievo dell’amore (1803), Oper v. Ferdinando Paër. Johann Ludwig Eskeles (1779–1848), Bonner Seifenfabrikant, mit einer Cousine Bs verheiratet.

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5.

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Koblenz, den 16. September 1819.

Nr. 3. Koblenz, Donnerstag, 16 Sept. 1 819i Nun endlich, liebe Freundin, darf ich meine Sehnsucht stillen, und mit Ihnen plaudern. Die Reise, das Bergebesteigen, Müde seÿn, unverzögerliche Arbeiten nach Offenbach,1 und endlich da ich Zeit gewann, ein Wespenstich, der mir die Hand auf einenii halben Tag unbrauchbar gemacht hatte, schlugen sich gegen meinen Wunsch, und mein heißes tapferes Herz mußte unterliegen. Ich hatte mir so sicher vorgenommen, Ihnen täglich zu schreiben. Von Mainz, aus dem mein lezter Brief war, habe ich Ihnen noch einiges nachzuhohlen. Da ich über die Straße ging, kömmt mir zum zweiten Male eine Bestie von Vetter in den Weg, der aus einem Hause, ohne Hut, wie toll herausrennt, auf mich zustürzt, meine Hand erobert, sie presst, sich halb todt freut mich zu treffen, (warum giebt es so viele halbe Freuden im Leben?) und mich auf ’s zärtlichste frägt, warum ich ihn noch nicht besucht hätte. So ruhig und kalt wie eine Leiche, antwortete ich: morgen komme ich sicher. Es ist zum erstaunen, wie Leute die mich zu Hause kaum kennen, mir in der Fremde so gut sind. Ich wollte darum, Sie wohnten im Auslande, liebe Freundin. Ich hatte mich der Berliner Familie2 angeschlossen. Ein Schiff wurde gemiethet,iii und um halb 8 Uhr Montag Morgens, wollten wir abreisen. Die Frauenzimmer waren auch wirklich schon um halb 11 fertig. Wir Männer, haben Euch einen großen Schmerz, und eine große Tugend zu verdanken, nehmlich die Ungeduld und die Geduld, die Ihr beide erfunden habt. Ein wahres Wettschleichen hatten die Berlinerinnen angestellt. Als ich in ihre Stube kam, um zu fragen, ob sie ins Teufel’s Namen noch nicht fertig wäi ii iii

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O. Adr. Orig.: eine. ÜdZ; hs. Zusatz e. Bearb.: Hinweis auf »Wanderbuch am Rhein« (Rotstift). Offenbach am Main war der Verlagsort der Zeitschwingen. Im Großherzogtum Hessen konnte B freier arbeiten, als es unter der Aufsicht der Frankfurter Zensur möglich gewesen wäre. Familie Eberty (vgl. Br. 4).

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ren, fand ich den Teufel im Ernste losgebunden. Mann und Frau hatten sich gezankt, und in meiner Gegenwart zänkelten sie sich. Ich lachte sehr in’s Fäustchen, denn eheliche Zwistigkeit ist meine Traubensäure die mich Fuchs abkühlt und erfrischt. Um mich aufzuklären, nahm mich die Frau Preußin bei Seite, schälte mir den Zankapfel, zerschnitt ihn in kleine Stücke, und theilte mir ihn vertraulich mit. Nehmlich die Tante war Schuld am Lärm. „Man soll sich nie mit einer alten Jungfer einlassen“, sagte mir die junge Ehefrau ins Ohr. Sie hatten sie nehmlich auf ihr dringendes Bitten, mit auf die Reise genommen, und durch sie all ihr Vergnügen eingebüßt; denn sie ist die Unverträglichkeit selbst, und keift und brummt den ganzen Tag. Das nehmliche Murmelthier, hatte der Herz3 angebothen, wenn sie sie mit nach Italien nehmen wollte, die Reisekosten allein zu tragen, welcher Vorschlag aber abgewiesen worden. Dabei war sie nervenschwach, und ein wahrer hÿsterischer Drache. Aus Aengstlichkeit für ihr Wohlbefinden, führt sie ihr eignes Bett nach, welches im Wirthshause auf einem Sopha gelegt werden muß, denn sie schläft auch niemals in einer fremden Bettstelle. Auch ein Fußschemelchen sah ich unter ihrem Gepäck. Diese Teufelei nun, war Schuld am Aufenthalte. Weil das Schiff zu klein war, sollten Effecten, darunter auch das altjungfräulicheiv Bett zurückgelassen werden. Dann ward sich eine halbe Stunde erkundigt, ob in Rüdesheim, wo wir übernachten wollten, ein Sopha zu finden sei, und hundert andere Bedenklichkeiten bildeten Ringe zu einer Hemmkette, die mich fast toll machte. Endlich ward fortgesegelt. Durch vieles Reisen, wird man grob oder höflich; da ich nun etwas aber nicht viel gereist bin, betrug ich mich höflich=grob gegen meine Gesellschaft. Hr. Ebertÿ4 und seine Frau,5 sind gute Leute, stehen aber nahe an der Grenze des Gewöhnlichen, sie haben mir weder Langeweile noch Kurzweile gemacht. Ich sagte ihnen gleich anfänglich, daß ich meine Reise drucken lassen würde, (ich thue es aber nicht, sie hat mir nicht Stoff genug geboten) und dieses war nicht ohne Einfluß auf ihr Betragen. Wenn ihr wilder Knabe es zu arg machte, drohten sie ihm damit, ich würde alle seine Unar-

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Orig.: altjungfreiliche.

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Henriette Herz (1764–1847), (vgl. Br. 123). Vgl. Br. 4. Babette E., geb. Mosson (1788–1831).

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ten beschreiben und drucken. Mein Büchelchen hatte ich beständig in der Hand, und schrieb nieder was ich sah und hörte; ich trank die Milch warm von der Kuh, das heißt ich nahm meinen Leuten die Worte frisch vom Munde weg. Es waren vier Frauenzimmer in der Gesellschaft. Zwei davon trugen Strohhüte mit künstlichen Rosmarinsträußen, und hatten grüne Schleÿer herabhängen. Als wir das Steile Ufer hienunter, nach dem Schiffe gingen wollte ich artig seÿn, und einer derselben den Arm reichen. Mein feiner Instinkt der Grobheit, rettete mich diesmal, denn es war das Dienstmädchen gewesen. – In Bieberich das neue Schloss besehen. Auf dem Wege dahin, blieben wir auf einer Sandbank sitzen. Der Schiffer zog sogleich seine Strümpfe aus, sprang ins Wasser, und hob das Schiff weg. Der hat Présence d’Esprit, sagte ich; nein er hat présence de pieds, sagte der Berliner. Ich kassirte den Witz ein. Das Wetter war mir bisher sehr günstig, weil es ein Kind ist. Hieße es der oder die Wetter, so hätte es sicher geregnet, auf meiner ganzen Reise. In Ellfeld aßen wir zu Mittag Gegen Ende der Mahlzeit, kömmt der Jungev mit blutbedeckten Gesichte, heulend ins Zimmer. Fürchterliches Geschrei, der Vater erblaßen, die Mutter schluchzen. Das Kind war auf einer eisernen Stange gefallen. Es war schrecklich anzusehen. Gesicht, Hände, Kleider, alles mit Blut bedeckt. Hin= und Herrennen, Lärm, Chirurgus, Aufenthalt von einer Stunde. Der Knabe ist ein Teufel, die Mutter zu gut, der Vater schwach. Es hat mich oft verdrieslich gemacht. – Die Ufer rücken immer näher, aber ich bin alt geworden, und habe, wenn auch nicht die Tiefe, doch die Breite der Empfindung verlohren. Es ist nicht Raum in meinem Herzen, für mehr als ein Gefühl und eine Bewunderung. Abends bestiegen wir den Johannisberg. Die Umgegend ein Paradies, aber man steht nicht darauf, die Landschaft liegt tief unter unsern Füßen. Die Berlinerin war entzückt, und nahm mir alle Adjektive weg, so daß mir keine Worte blieben als Schweigende. Johannisberg gehört dem Fürsten Metternich.6 Auf dem Schlosse liegt ein Fremdenbuch, worin sich die Reisende einzeichnen.

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Orig.: jungen.

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Der Johannisberg mit dem berühmten Weingut war seit 1815 österreichische Staatsdomäne. Kaiser Franz I. überließ 1816 den Weinberg samt Schloß seinem Außenminister u. Staatskanzler Clemens Fürst v. Metternich (1773–1859), der seine Jugend auf den Landgütern der Familie im Rheingau verlebt hatte.

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Den Anfang machte der Österreichische Kaiser, der im vorigen Jahre oben war. Er hat sich eingeschrieben: Franz von Wien.7 Dann kommen andere Prinzen, und wenigstens 3 Duzend Minister: Metternich, Hardenberg,8 Marialva,9 u.s.w. „Die Erinnerung ist ein Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“ stand im Buche.10 – Wir hatten uns verspätet, und kamen erst in der Nacht nach Rüdesheim, so daß wir von der Gegend nichts sahen. Ich bestieg bald mein hohes Thronbett, und entschlief unter dem schönsten Gedanken, dessen ich fähig bin. Morgens bei früher Dämmerung stand ich auf ging hienaus, und weckte die Sonne. Schon aus meinem Zimmer, auf jeder Seite, an jedem Fenster, wohin ich nur den Blick warfvi, lag die herrliche Landschaft, offen wie ein Weibergeheimnis. In Rüdesheim, wollte ich Trauben für Sie kaufen. Aber erstens müssen sie einen Tag früher bestellt werden, weil Niemand ohne Erlaubnis, selbst in seinen eignen Weinberg gehen darf, und zweitens sagte man mir, daß wenn ich nicht selbst den Korb begleitete, sie durch herumwerfen verdorben gingen. Ich werde also warten bis auf dem Rückwege. Die Weinlese beginnt erst in 3 Wochen. Darauf können Sie nicht warten, liebe Freundin, kommen Sie doch bald. Ich kann den Gedanken nicht fassen, daß diese Hoffnung die mich stets begleitet hat, getäuscht werden sollte. Lassen Sie mich nach Bonn wissen (Eskeles),11 welchen Tag Sie in Bingen seÿn wollen (dort logieren Sie im weißen Roß.) Wir bestiegen den Niederwall12. Ein Kabinets=Courier, der einem Bundestagsgesandten in Frankfurt13 Instructionen zu überbringen hatte, war

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Orig.: war.

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Kaiser Franz I. von Österreich (1768–1835) hatte 1806 mit dem durch Napoleon I. erzwungenen Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation auf die deutsche Kaiserkrone verzichtet. Karl August Fürst v. Hardenberg (1750–1822), preußischer Staatskanzler. Marquis v. Marialva (1765–1823), portugiesischer Gesandter beim Wiener Kongress. »Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus welchem wir nicht getrieben werden können« (Jean Paul, Impromptu’s, welche ich künftig in Stammbücher schreiben werde, 1811). Vgl. Br. 4. Gemeint ist der Niederwald. Der Bundestag (eigentl. „Bundesversammlung“) war ein ständiger Gesandtenkongreß der Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes mit Sitz in Frankfurt am Main.

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von unserer Gesellschaft. Kaum oben angelangt, kömmt von einer anderen Seite, Schleiermacher14 und Professor Welker15, die ich beide früher kannte, und mit welchem ersteren ich in warmer inniger Verbindung stand. Alt geworden, er und ich, ruhiges Wiedersehen. Ich kann nicht reine Luft einathmen, ohne zu träumen, wie sich Ihre Brust erheben würde, ich kann nichts Schönes sehen, ohne Ihrer zu gedenken, was auch Vrints=Berberich dazu sagen mag.16 Wie hätten sie diesen Himmel, diesen Strom, diese Berge und Wälder, als fröhliche Zechschwester, erst geschlürft und gekostet, dann hienabgestürzt und verschlungen. Ich darf nicht daran denken, ich wage meinen Verstand dabei zu verliehren, oder mein Herz zurückzugewinnen. Oben steht ein Tempel, die Säulen vollgeschrieben. Ich zeichnete mit Bleistift, folgende Hieroglÿphe: J. W. 13. Sept. 1819.vii und sonderte es durch eine viereckige Mauer, von allem Unheiligen ab. Ich hoffe Vrintz=Berberich, enträthselt sie nicht. Die Frauenzimmer waren in einem Wagen, den Niederwall hienaufgekommen, ich sezte mich hinten auf den Tritt. Rückwärts ging es wie ein Blitz, den steilen steinigten Berg hienab. Da hätten Sie mich sehen sollen. Es wurde Strappe Strulches mit mir gespielt. Ich hatte eine höllische halbe Stunde auszuhalten. Mit beiden Händen mußte ich mich festklammern, um nicht herunterzufallen; den Hut mußte ich zurückdrücken wie Jakobchen, damit er festsitze; das Maul mußte ich aufsperren, daß ich mir nicht auf die Zunge biße; dem Kutscher zurufen zum Stille halten, dazu konnte ich nicht kommen; und jezt denken Sie sich meine erbärmliche Figur, wie ich in die Höhe geworfen wurde, wie ich den Staub mit der ganzen Mundbreite einschlucken mußte. Mein Todfeind hätte Mitleid mit mir gehabt. – Meine Rührung am Bingerloche war groß, aber ich habe sie noch nicht ausgearbeitet; eines Reisebeschreibers vii

Orig.: Datum umrahmt.

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B begegnete Friedrich Schleiermacher (1768–1834) erstmals während seines Aufenthaltes bei Familie Herz in Berlin 1803. Später besuchte B als Student in Halle Schl. religionsphilosophische Vorlesungen. Karl Theodor Welcker (1790–1869), liberaler Staatsrechtler u. (zus. mit Karl v. Rotteck) Hg. des Staats-Lexikons oder Enzyklopädie der Staatswissenschaften. Alexander Konrad Freiherr v. Vrints-Berberich (1764–1843), Generalpostdirektor der Fürstlich Thurn- u. Taxis’schen Post, der auch das Oberpostamt Frankfurt gehörte. Briefspionage durch die Geheimen Dienste war in den Postämtern Thurnund Taxis an der Tagesordnung. Vor allem Fürst Metternich schätzte die geheimdienstliche Expertise Vrints-Berberichs.

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Empfindungen sind selten in der Wolle gefärbt. – Risches17 herrscht am Rhein so stark wie bei uns. Als ich beim Echo von Ober=Wesel vorüberfuhr, verhöhnte mich Jemand vom Ufer herüber, und rief: Ette, Ette Ette, wohl zwanzig Mal. Ich weinte schier. – Der Berliner hatte auf dem ganzen Wege für mich mitgezahlt. Es war auch gar nicht einzurichten, ihm meinen Theil zu ersetzen, da die Ausgaben die ich mehr verursachte, unbedeutend waren, da er für Schiff, Sehenswürdigkeiten, Führer u. s. w. ohne mich eben so viel hätte verwenden müssen. Da dachte ich schon, es ist schön, daß ich ganz umsonst bis nach Coblenz reise und schrieb in mein Buch: „Die ganze Reise hat mich nicht einen Kreuzer gekostet, sondern zwei, die ich zu verschiedenen Zeiten an Bettler geschenkt. Aber was geschah? In Rüdesheim holt mich der Teufel, daß ich die Berliner eine Viertelstunde früher abreisen lasse, als ich selbst (sie wollten eine Burg besehen, und ich sollte mit dem Schiffe nachkommen). Da hatten sie mehreres im Wirthshause zu bezahlen vergessen, und ich entrichtete 4 bis 5 Gulden für sie, welches mir um so weher that, da sie dieses gar nicht erfuhren, und dachten, sie hätten mich kostenfrei gehalten. Denn Berliner Aufschneider waren sie in ziemlichen Grade. Sie sprachen immer während davon, wie hoch ihnen ihre Reise käme, und glaubten überall geprellt zu seÿn. – Nach Bingen sind wir gar nicht gekommen, welches mir aus einem besondern Grunde Leid that. Nehmlich der Wirth zum weißen Roße daselbst, heißt Soherr; da hatte ich mir nun vorgenommen, ich wollte ihn in ein solches Gespräch verwickeln, daß ich ihn fragen könnte: wie so, Herr Soherr? Daran hätte ich meinen Spas gehabt. – Wir kamen Dienstag Abend im Dunkeln hier an. Unser Ausschiffen war mit den größten Unannehmlichkeiten verbunden. Durchsuchen von der Douane, keine Laterne am Ufer, kein Logis, nicht einmal Kerls zum Forttragen der Sachen. „Das sind ja gar keine Menschen hier, das ist halbes Vieh“ sagte mir ein Preuße beim Aussteigen an’s Land, als er sah, daß viele Jungen herumstanden ohne uns beizuspringen. Mehrere Herren, die ich seitdem gesprochen, haben die Coblenzer sehr herabgewürdigt. Sie sagten, man müsse die Rheinländer gar nicht nach diesen beurtheilen, es wären schlechte und rohe Menschen. Da es aber Preußen waren, die dieses Urtheil fällten, so traue ich nicht recht, – denn sie sind hier wie am ganzen Rhein sehr gehasst.

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Jidd.: Judenhass.

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Gestern Morgen besuchte ich Görres.18 Dort traf ich, Schleiermacher, Welker, und den Professor Benzenberg,19 einen bekannten Journalisten. Görres ging mit uns auf die Berge, dann assen wir bei ihm zu Mittag. Von 10 bis 4 Uhr, waren wir beisammen, und während dieser ganzen Zeit, hat Görres nicht einen Augenblick geschwiegen. Das wäre ein Mann für Sie! Belehrend, sich verständlich machend, wie eine Gemse von der Spitze jeder Betrachtung zur andern springend, und wenn auch der tiefste Abgrund dazwischen läge; scherzend, tausend geschichtchen. Wenn Sie ihm zuhören können, ohne vor überspannter Aufmerksamkeit den Athem zu verliehren so will ich den Kopf verliehren. Ich, habe nicht sonderlich darauf geachtet. Er meintviii, Bilder müßten an öffentlichen Orten, in Kirchen, Pallästen, hier und da, aber nicht bei einander hängen. „Wissenschaftliche Werke (Bibliotheken) können nicht genug gesammelt, Kunstwerke nicht genug zerstreut werden.“ Die Boisserésche Sammlung20 habe in Heidelberg der Kunstphilisterei den Hals gebrochen, und er wünschte darum, sie zöge in ganz Deutschland umher. G. ist der Altdeutschen Mahlerschule nicht allein, sondern auch der altdeutschen Poesie, und dem Leben und Treiben jener Zeit, ganz zugethan. Er hat in seinen Zimmern viele Stücke, die gut seÿn sollen, wie mir die Herz sagte. Diese Gemählde auf Goldgrund behagen mir nicht. Görres ist einige vierzig Jahre alt, aber jugendlicher und lokkerer Haltung. Lämmermeÿerischer21 können Sie sich nichts denken. Zerrissene Stiefel, bestaubter altdeutscher Rock, ohne Weste, die nackte Brust durch’s auseinander geworfene Hemd zeigend. Er, so gekleidet; Schleiermacher, eine kleine buckelige Person mit schon grauen Haaren, ein Satÿrgesicht, schwarze lange Hosen, und ein altes tuchnes Mützchen auf dem Kopfe; ich, wie sie mich kennen; so wir drei neben einander spazieren geviii

Orig.: mein, das t ist vermutl. v. JW nachgezogen (Rotstift).

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Joseph v. Görres (1776–1848), politischer Schriftsteller (Beitr. Kotzebue und was ihn gemordet in: Wage (1819), 1. Bd., Apr., 6. H.). Johann Friedrich Benzenberg (1777–1846), Mitarbeiter an dem v. Görres hg. Rheinischen Merkur, der seit 1814 erschien und am 3. Januar 1816 verboten wurde. Mit der öffentlichen Austellung ihrer Kunstsammlung altdeutscher Maler im Adelspalais von Sickingen in Heidelberg wollten die Kölner Kaufleute Sulpice (1783–1854) und Melchior Boisserée (1786–1851) die Idee einer nationalen »Bildungsanstalt deutscher Kunst« verwirklichen. Die Wortschöpfung geht auf die Figur des Magister Lämmermeir in dem Lustspiel Künstlers Erdenwallen (1810) v. Julius v. Voß (1768–1832) zurück.

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hend, hätten jeden Pariser Schneider in die Unterwelt geschickt, durch Tod aus Lachen. Denken Sie sich, Verstand, Geist, Gemüth, Schlauigkeit, festen Charakter, edlen Sinn, Freundlichkeit, Gewandheit, tief philosophische und Geschäftsthätigkeit, ungeheueres Wissen, französische Leichtigkeit und deutsche Gründlichkeit, Plato, Sokrates, und den Spötter Lucian – dieses alle zusammen findet sich in Schleÿermacher vereinigt. Es war etwas Großes darin, daß er immer nur kleine Sachen bei Tische sagte. Ich sprach wenig. Welker scheint mir ein gewöhnlicher Kopf. Er dehnt seine Gedanken und Reden ganz unausstehlich. Und dieser Mann war auch unter denen, die man in Bonn als Verschwörer in Verdacht genommen.22 Man braucht ihn nur sprechen zu hören, abgesehen von dem Inhalte seiner Worte, und man erkennt bald, daß er nichts Arges im Sinne führt. Görres Frau23 scheint verständig, nimmt an ernster Unterhaltung theil, und spricht das Ihrige mit. Die Tochter eben so, fast noch ein Kind, sehr schön. Auch ein Sohn ist da. So saßen wir sieben an einem kleinen runden Tische, woran zwei liebende bequem Plaz gehabt hätten. Die Wirthschaft. Messer wie Schuh=Messer, die Klinge so schwarz, daß man sie mit dem Stiel verwechseln konnte. Görres schnitt Brod vor, und warf jedem sein Stück, mit einer Schleuderbewegung zu, mir ohne Umstände an den Kopf. Die Tochter und eine alte Magd, wechselten mit serviren. . . Jezt ward plözlich der Himmel Flammenroth . . . die Luft ward brennend heiß . . . die Thiere winselten . . . die Vögel flogen ängstlich hin und her . . . ein Donnerschlag . . . die Erde wankte . . . Ich trank Wein! Die Natur feÿerte einen großen Tag. – Abends führte mich Graf Schlabberndorf,24 den ich in Frankfurt kennen lernte ins Casino.25 Dort fand ich das zweite Heft der Wage auf dem Tische; die Zeitschwingen aber nicht. Auf Erkundigung sagte mir einer, sie sei zu theuer. Uebrigens kennt sie Jeder, und man erzählt sich von gewissen „wunderschönen Aufsätzen“ die darin stehen sollen. Morgen früh nach Bonn. Ach, wenn ich dort einen Brief fände! 22

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Die Bonner Professoren Ernst Moritz Arndt, Friedrich Gottlieb u. Karl Theodor Welcker wurden 1819 demagogischer Umtriebe verdächtigt. K. T. Welcker entzog sich der drohenden Amtsenthebung 1822 durch die Übersiedlung nach Freiburg/Br., wo er einen Ruf der Universität annahm. Katharina v. Lassaulx (1779–1855). Die beiden Kinder der Görres hießen Sophie (1802–1845) u. Guido (1805–1852). Verwandter des in Paris lebenden Philanthropen Gustav Graf v. Schlabrendorff (1750–1824). Der Verein Casino in Koblenz wurde 1808 gegründet.

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Gruß der Jette, Guste,26 dem Doktor Stiebel27 und Reiß,28 der Doktorin, den Ochsen und allen meinen lieben Thieren.29 Ich bringe Jedem, ausser mich noch etwas Anderes mit. Ich küsse Ihre liebe Hand. Ewig der Ihrige Vrints-Berberich30 müsste ein Vieh seÿn, wenn er nicht merken sollte, wie wir mit einander stehen. Dr. Börne.

6.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Bonn, den 17. u. 18. September 1819.

Nr. 4. Bonn, den 17. Sept. 1819 Freitag Abends 8 Uhr.i Nicht ohne Ursache, liebe Freundin, bezeichne ich genau die Stunde, in der ich allein mit Ihnen bin. Sie soll mit keiner andern gewöhnlichen des Tages verwechselt werden. Um 5 Uhr bin ich glücklich hier angekommen. Glücklich? Ja, wie man zu sagen pflegt, das heißt: ohne den Hals zu brechen. Da sitze ich nun im goldnen Stern, trinke Thee und schreibe dabei. Ich mußte mir den Thee wohl mit etwas Anderem versüßen als mit Zucker, denn davon hat mir die Wirthschaft nicht mehr als sieben kleine Stückchen geschickt. Kaum aus dem Schiffe gestiegen, ging ich zu meinem Vetter Eskeles,1 um nach Briefen zu fragen. Es waren deren zwei angekommen. Daß ich keinen von Ihnen fand, das war meine getäuschte Hoffnung nicht, denn wenn ich redlich seÿn will, muß ich bekennen, daß ich mir eine so große Hoffnung nie vorgeschmeichelt habe. Aber was waren das für Briefe? Liebe beste Frau, was waren es für welche? Ich hatte Beiträge zu den Zeitschwingen erwartet, die mir jezt sehr willkommen wären. Nun, es war eine

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O. Adr. Vgl. Br. 1. Vgl. Br. 6. Vgl. Br. 33. Das sind die mit B und JW befreundeten Familien Ochs u. Rindskopf. Vgl. oben, Anm. 16. Vgl. Br. 4.

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Messrechnung vom Schneider Bahrd, und eine Anfrage von einem Frankfurter Buchhändler, ob die zweite Auflage der Wage noch nicht fertig wäre. Beide Briefe waren nach Offenbach geschickt, und von dort, meinem Auftrage gemäß, mir zugesendet worden. Ich hätte des Teufels werden müssen, hätte mich mein guter Engel nicht gar zu fest gehalten. Aber jezt zuerst, von dem wichtigsten, von dem schönsten, von dem herrlichsten, wohin ich nur hienaufschwindeln kann. Kommen Sie nach Bingen? Ach wenn Sie kämen, wer wäre glücklicher als ich? Sie, gute Seele, wenn Sie mein Glück sehen. Wie ich Ihnen schon geschrieben, auf die Weinlese ist nicht zu warten. Sie reisen Mittags von Frankfurt ab, bleiben die Nacht in Mainz, von wo den Morgen um 6 Uhr die Wasser=Diligence abgeht, und um 12 Uhr sind Sie in Bingen, wo Sie ins weiße Roß einkehren. Am Ufer stehe ich, und weine und lache. Am 18. Samstag Morgen. – Gestern Abend mußte ich aufhören zu schreiben, weil meine dicken Haare Schatten auf ’s Papier warfen. Diese Unbequemlichkeit muß ich nun auf meiner ganzen Reise ertragen, denn was würden Sie lärmen, wenn ich Ihnen nur eine einzige Locke entzöge! (Vrints=Berberich2 wird Augen machen, jezt weiß er alles.) Die Gesellschaft auf dem Schiffe von Coblenz hierher war gut. Frauenzimmer von Stande (worunter 3 mit einer Summe von 160 Jahren), ein Professor der Mahlerakademie in München. Dieser leztere sprach lang und viel, mit einem Coblenzer Hofrath, der Kunstfreund ist und eine Sammlung hat, über den Gegenstand ihrer Liebe. Mit welcher Begeisterung! Und der Mann hatte graue Haare. Mich ärgerte es diesmal ganz im Ernste, daß mir doch aller Sinn und alle Empfindung für bildende Künste abgehe, und ich nahm mir vor, sobald ich nach Frankfurt komme, ein Kunst=Enthousiast zu werden. Sie werden gewiß so freundlich seÿn mir von meinen Gefühlen etwas herauszugeben. Der Professor erfreute mich mit der Aeusserung, daß Göthe in seinem „Kunst und Alterthum am Main“ gezeigt habe,3 wie er von der Sache wenig verstehe. Sammlungen und einzelne Gemählde ganz ohne Werth, habe er aus Unkenntnis oder aus Artigkeit gegen deren ihm befreundeten Besitzer, angepriesen. Ich liebe diesen Mann nicht, und höre ihn gern tadeln. Er ist der Sänger des Fruchtbringenden, aber darum auch des Alltäglichen, und überall sichtbaren für jeden der Augen hat. Er

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Vgl. Br. 5. Vgl. Br. 3.

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giebt uns Brod, freÿlich gesundes ausgebackenes Brod, aber ich will Kuchen haben. Er erhebt mich nicht, er führt mich nur in der Breite weiter. Dr. Clemens,4 in seiner an Göthes Geburtstag im Museum5 gehaltenen Rede, die ich gedruckt mit auf die Reise genommen, hat dieses, obzwar anpreißend, ziemlich gut auseinander gesezt. Er nennt ihn den Dichter der Wahrheit. Jünglingen und Weibern sagte er nicht zu. Allein wer anders als . . . . . .! solche sind die Urtheilssprecher des Dichters! . . O Freude, o Glück, o meine arme Zunge, sie kann Ihnen nicht danken! Wer gab mir die Kraft, den Satz auszuschreiben, in dessen Mitte ich Ihren Brief erhielt? Erst nippte ich daran, dann zeigte ich ihn zum Fenster hienaus, den Leuten auf den Markt, und trank ihn allen Bauernweibern zu, dann las ich ihn, wenn ich fertig bin mit diesem Briefe werde ich ihn zerlesen. Ich glücklicher Mensch! Ach ja, mein Kind, ich hatte Unrecht, ich bin ein Verläumder, Sie essen ja fast gar nichts, Sie pippen ja nur wie eine Lerche. – – Zurück zu meiner Reise. Auf dem Schiffe war eine bejahrte Dame mit einem zwölfjährigen Mädchen. Es war die Großmutter und ihre Enkelin, aus Wezlar. Sie erzählte, von einem Todesfalle in ihrer Familie, die sie am Rheine besuchen und trösten wollte. Ich hörte wenig darauf. Aber als wir zu Linz anhielten um Mittag zu halten, fiel eine Scene vor, die mir fast das Herz auflößte; ausser in Romanen und Schauspielen hatte sich mir noch nie so etwas gezeigt. Am Ufer standen zwei Frauenzimmer, eine jüngeres und eine älteres, in tiefer Trauer, erwartend. Ich war zuerst aus dem Schiffe gestiegen, nach mir das kleine Mädchen. Das eine Frauenzimmer fragte mich, ob keiner aus Wezlar mitkäme? Ich zeigte auf das neben ihr stehende Kind, und sagte: diese da, die andere ist noch im Schiffe. Da stürzte sie sich über das Kind her, umklammerte es wie eine Verzweiflung volle, zerquetschte es fast, Ströme von Thränen entstürzten ihren Augen, sie ließ es los, sah ihm jezt erst ins Gesicht, den ein Strohhut bedeckte, drückte es wieder mit zuckenden Händen an ihre Brust, jammerte laut auf, ließ es zwanzig mal fahren, um es wieder an sich zu drücken und sah und hörte die vielen Menschen nicht, die sie umgaben. Sie stand allein in der Welt mit 4

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Aloys Clemens (1793–1869), in Frankfurt niedergelassener Arzt u. Mitgründer des Frankfurter Museumsvereins. Aus Anlaß von Goethes bevorstehendem 70. Geburtstag hielt er 1818 im Museum einen Vortrag »Goethe aus seinen Schriften«. Die Museumsgesellschaft widmete sich dem gehobenen Kunstgenuß »durch Musik, Declamation und Kunstausstellung«, so der Gründungsaufruf vom 5. März 1808.

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ihrem Schmerze. Wir Reisende alle, waren wie die Felsen drüben am Ufer, sie achtete unsre[r] nicht. Es war ihre eigene Tochter; als kleines Kind hatte sie sie zu ihrer Mutter nach Wezlar geschickt. Ihr Mann war kürzlich gestorben, sie ließ das Kind zurückkommen. Ich wartete eine Viertelstunde lang am Ufer, daß die Großmutter aus dem Schiffe stiege; aber diese, wahrscheinlich vom Gefühle überwältigt, (sie ist bejahrt) hatte nicht die Kraft herauszusteigen. Ich ging zu Tische. Wir Zecher alle waren guter Dinge. – So eben schlägts 8 Tage, daß ich Sie nicht gesehen, halb zehen Uhr. Ein junger Engländer, der mit uns reiste, kam gestern Abend mit einer deutschen Grammatik zu mir, und bat mich um einigen Unterricht wegen der Aussprache. Ich verstand mich dazu. Es war zum todt lachen. Das j und ch konnte er nicht herausbringen. Mit dem J hatte ich eine halbe Stunde Geduld und er lernte es; aber jezte dachte der Narr, mit dem ch würde ich es auch aushalten. Ich lachte, und sagte Good Night Sir. Geprellt war er. Görres hat ein neues Buch, das grade aus dem Drucke gekommen mir geschenkt: „Deutschland und die Revolution“6. Ich werde davon Sprechen. Ganz Herrlich! Nehmlich das Buch. Ich muß aufhören, weil die Post, und mir der Stoff abgeht, nehmlich über solide Dinge, wie sie Vrints-Berberich lesen darf; von andern wüßte ich noch viel zu schreiben. – Sie vergaßen doch nicht Hrn. und Frau Ochs7 von mir zu grüßen? Dem Dr. Stiebel8 danken Sie für seinen Brief. Hätte ich so viele Zeit als Lust, würde ich ihm gleich antworten. Ich habe für mein Blatt zu arbeiten. Was machen meine guten Kinder, die Zeitschwingen? Ich bin und bleibe der Ihrige, auch war ich es immer, nur kannte ich meine Gebieterin nicht beim Namen. Gesegnete Mahlzeit, Lerche. Dr. Börne.

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Joseph Görres, Teutschland und die Revolution (1819). Gemeint sind wohl Amschel Samuel Ochs u. seine Frau Hannah Steinthahl, deren Kinder mit B und JW befreundet waren. Salomon Stiebel (1792–1868), Frankfurter Arzt, legte sich 1828 bei seiner evangelischen Taufe den weiteren Vornamen Friedrich zu. JW wohnte zeitweise bei Familie Stiebel in der Döngesgasse, dann in der Schönen Aussicht.

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7.

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Bonn, den 20. September 1819.

Nr. 5. Bonn, Montag d. 20 Sept. 1819i Ich komme doch nicht zu oft mit meinen Briefen, liebe Freundin? Lesen Sie sie immer nicht, aber schreiben muß ich, das ist mein Nordlicht in dieser langen Nacht. Wie ich mir närrisch erscheine, daß ich dahier am Rhein sitze, und fast das Zimmer nicht verlasse, und fleißig für mein Blatt arbeite, das glauben Sie kaum. Ich betaste mich und frage meinen Kerl: Du Narr hättest Du das zu Hause nicht bequemer thun können? Sonderbar ist, daß ich gar nicht vor= noch rückwärts kann, und ich, wie ich mich zu Frankfurt auf ’s Herreisen vorbereiten mußte, ich hier arbeiten muß, um nach Frankfurt zurückreisen zu können. Ich sehe mit Begierde Ihrer Antwort entgegen ob Sie nach Bingen reisen, und wohl auch ob Sie nicht kommen, damit ich mich nicht vergebens hier im Lande aufhalte, denn dieses ist doch eigentlich das Einzige, was meine Ungeduld bisher beruhigte. Mein Vetter Eskeles ist hier mein Cicisbeo und Cicerone, und führt mich in der Stadt und auf dem Lande herum, nehmlich so lange es ihm wohlgefällt. Denn Jeden Abend, wo er wahrscheinlich etwas apartes vor hat, läßt er mich allein, und sagt: er wisse recht gut, daß ich für’s gesellschaftliche Leben keinen Geschmack habe, und lieber studiere. Er ist ein großer Judenfeind, und kennt nichts Himmlischeres als mit sauberen Christen umzugehen. Einen Onkel1 habe ich hier, der als Aeltester der Familie, Majoratsherr, Oberlehnsherr und Rechnungsführer, aller der großen liegenden und fahrenden Güter der Widerlichkeit ist, mit welchen der Himmel unsere Familie so reichlich beschenkt hat. Wir andern sind gleichsam nur seine Vasallen, und werden von ihm pensionirt oder appanagirt. Er begegnete mir auf der Straße, und in der großen Verlegenheit ob er Du oder Sie zu mir sagen solle, fragte er mich: wenn sind Wir angekommen, und dann zur Abwechslung: wenn reisen mir wieder ab? Ich antwortete: Uns sind gestern angekommen, und ihm bleibt einige Tage hier.

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O. Adr.

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Simon Baruch (1755–1825), Bonner Seifenfabrikant u. älterer Bruder von Bs Vater Jakob Baruch (1763–1827).

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Meine Briefe an Schlegel2 und Arndt3, habe ich erst gestern abgegeben. Schlegel ist, wie ich mir ihn dachte, und er mir geschildert worden. Ein an Leib und Gemüth gedörrter Mensch. Sehr elegant gekleidet und eben so im Hause eingerichtet. Eine geschmeidige Köchin meldete mich dem Kammerdiener, und dieser dem Herren, und so ging es wieder zurück. Er ist artig, spricht aber sehr langweiliges und unbedeutendes Zeug. Sie wären recht geprellt gewesen, wenn Sie mit offnem Mäulchen, wie gewöhnlich, den gebratenen Tauben seines Gesprächs entgegengesehen hätten. Unsere Unterhaltung war wie ein Schachspiel, wir zogen langsam und bedächtig hin und her, und hörten auf, weil wir plözlich merkten, daß wir Beide schon längst matt waren. Als ich fortging bemerkte er mir sorgfältig, daß die Thüren und Gänge neu geöhlt wären, gewiß mehr, damit ich sie nicht beflecke als umgekehrt. Der Genialische Mensch ist er nicht mehr, der er ehemals gewesen. Schleiermacher erzählte mir, daß als er in Jena, mit den Brüdern Schlegel4 studiert, eines Abends Friedrich eineii kluge Bemerkung gemacht. „Der Einfall ist göttlich, sagte Wilhelm, ich will Dir ihn abkaufen.“ Friedrich erwiederte, er brauche grade ein Nachtkamisol, und so ward der Handel geschlossen. Der Käufer ließ auch wirklich später den Gedanken unter seinem Namen drucken. – Arndt ist ein ganz andrer Mann, oder nein ein Mann. Als ich zu ihm kam, saß er noch bei Tische und hatte sein Kind auf dem Schoose, das er ungemein liebkoste. Das Waterloo-Männchen5 ist ein garstiges grünes Ding. „Bist Du nicht wohl mein Söhnchen? Ein Stück Käs= und Brod und ein gut Glas Wein darauf, das ist das Beste“.

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Orig.: ein.

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August Wilhelm v. Schlegel (1767–1845) hatte 1818 eine Professur für Literatur- u. Kunstgeschichte an der neugegründeten Universität Bonn angetreten. Ernst Moritz Arndt (1769–1860) verlor seinen Lehrstuhl für Geschichte an der Bonner Universität aufgrund der »Teilnahme an geheimen Gesellschaften« und wurde 1820 bis zu seiner Rehabilitierung 1840 in den Ruhestand versetzt. Friedrich Schlegel (1772–1829) war seinem Bruder August Wilhelm 1796 nach Jena gefolgt. Ihre enge Freundschaft mit Friedrich Schleiermacher geht – anders als B vermutet – auf die Berliner Zeit zurück. Friedrich Schlegel war 1797 nach Berlin übergesiedelt, bevor er nach Jena zurückkehrte. Schleiermacher versah zu dieser Zeit das Predigeramt in der Berliner Charité. Gemeint ist Ernst Moritz Arndts Sohn Siegerich A. (1819–1869), geboren am 18. Juni, dem Jahrestag der Schlacht bei Waterloo. Vgl. E. M. Arndts Ode auf die Befreiungskriege Das Lied vom Siegerich (1817).

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Arndt sieht aus wie ein Pächter, und spricht auch so. Die Hand wurde mir beim Kommen und Gehen, gar zu altdeutsch gedrückt. Er spricht grade heraus, so unbesonnen habe ich noch keinen reden hören. Der ist mir unausstehlich, der ist ein schlechter Kerl, sagte er mir ganz unaufgefordert. Die That Sands6 erscheint ihm auch als etwas Großes, (wie auch dem Görres) meine Nüchternheit ist verwundert und zuckt die Achseln. Seine Frau7 ist blos schmachtend, hat veilchenblaue Augen, und bewegt ausdrucksvoll Arme und Schultern, wie Sie es an der Herz bemerkt haben. Es mag wohl Berlinisch seÿn. Schleiermachers Frau,8 die mit ihren Kindern (alle häßlich und winzig, wie sie so ein armer Gelehrter hat) auch da ist, gleicht ihrer Schwägerin. An beiden Weibern gewahrte ich eine seltene mütterliche Zärtlichkeit, wie gemahlt, wie in Romanen. Die Wände des Zimmers hängen voll alter Kurfürsten mit langen Perrücken, und den dazu gehörigen Prinzessinnen. Auf dem Tische, der auch etwas Lämmermeÿerisch aussah, stand eine silberne Dose mit zwei Kammern, und zwei Deckeln darauf, damit es nicht hieneinregnet, mit zwei verschiedenen Salzsorten gefüllt. Altdeutsch bürgerlich. – Meine Dukaten fangen an und werden alt, sie bekommen weiße Köpfe, es versilbert sich einer nach dem Andern. Ich schäme mich vor mir selbst. Erst gestern las ich im Bonner Wochenblatte,9 von einem Böhmischen Naturforscher Namens Siebert,10 der mit 100 Dukaten, die er zusammengebettelt, vor zwei Jahren eine Reise nach Aegÿpten und Griechenland antratt. Ich müsste 10 000 tausend dazu haben. – In Coblenz erzählte Görres bei Tische, Göthe habe gesagt: Gott hat dem Menschen Nüsse gegeben, aber er knackt sie nicht auf. Ist das wahr, liebe Nuss, und läge es blos an meinen schlechten Zähnen? Das Buch Görres von dem

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Am 23. März 1819 ermordete der Theologiestudent u. Burschenschafter Karl Ludwig Sand (1795–1820) den Schriftsteller August v. Kotzebue (1761–1819), den er zuvor als ›Landesverräter‹ und ›Volksverführer‹ denunziert hatte. Der am 5. Mai 1820 vom Hofgericht in Mannheim zum Tode verurteilte S. wurde nach seiner Hinrichtung als Märtyrer der nationalen Einheitsbewegung gefeiert. Dem Deutschen Bund lieferte diese Mordtat den geeigneten Anlass zur polizeilichen Repression oppositioneller Schriftsteller: Als Reaktion auf die Tat wurden die Karlsbader Beschlüsse vom September des Jahres mit ihren restriktiven Bestimmungen zur Versammlungs- und Pressefreiheit erlassen. Nanna Arndt, geb. Schleiermacher (1786–1869). Henriette Schleiermacher, geb. v. Mühlfels (1788–1840). Bonner Wochenblatt, Nr. 450, Sonntag den 19. September 1819. Franz Wilhelm Sieber (1789–1844), Botaniker u. Forschungsreisender.

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ich Ihnen geschrieben ist von der Polizei confiscirt worden.11 Sie haben Recht, es ist eine zermalmende Kraft darin. Welch’ eine Schreibart! Ich habe auch einen blühenden Stÿl, wie Ihr sagt, aber ich bin eine Nelke, in eines Schneidergesellen Knopfloch, und er ist ein großer herrlicher Blumengarten. – Vorgestern Abend war große Bestürzung hier unter den Juden, und die Notabeln wurden zusammenberufen, um zu […]iii und zu berathschlagen. Ein russischer Student war hier angekommen, und hatte auf der Wasser-Diligence, wo es Juden mit angehört, gesagt, er sei derjenige gewesen, der zu Sommerach im Würzburgischen, den Auflauf gegen die Juden, und die Zerstörung der dortigen Sÿnagoge (die Zeitungen haben davon gesprochen) veranstaltet,12 und er wolle sein Haupt nicht eher niederlegen, als bis ganz Israel niedergemetzelt. Nun Anzeige bei der hiesigen Polizei, den Kerl nicht hier studieren zu lassen, und viel Au Weih! geschrieen. Hundert und fünfzig nach jüdischem Blute dürstendte Studenten, sagten sie, wären hier angekommen. Ich habe mir einen starken Strick gekauft, und wenn ich nach Frankfurt komme, binde ich mich an Ihnen fest, bis ich all das verlohrne wieder ersezt habe. – Ich denke morgen nach Cölln zu gehen, und dann mich auf dem Rückwege noch etwas umzusehen. – Der Geheimrath Willemer13 hat mich bisher mit einem langweiligen Aufsatze verfolgt. – Die Frau des Eskeles, (eine Baruch)14 Sie müssen Sie wohl kenneniv, fragte mich wie es der Otten15 ging. Ich sagte: ich kenne sie nicht.– Was hier überall über den […]v geklagt wird, kann ich Ihnen nicht genug sagen. Sie reden Alle von seiner unerträglichen Arroganz. Man kam mir mit dem entgegen, was wir schon iii iv v

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Geschw. Passage. Orig.: können. Geschw. Passage (unkenntlich gemachter Name). Nach dem Verbot seiner Schrift Teutschland und die Revolution von Verhaftung bedroht, floh G. ins französische Straßburg (vgl. Br. 6, 42 u. 53). Die Hep-Hep-Krawalle im August 1819 gingen von Würzburg aus. Johann Jakob v. Willemer (1760–1838), Frankf. Bankier, preuß. Geheimrat u. dilettierender Theaterdichter liberaler Gesinnung. B veröffentlichte 1819 in der Wage W.s Rede Von den Vorzügen des Presszwangs vor der Pressfreiheit oder Von der Erlösung der Freiheit von der Presse durch den Zwang (in: Wage (1819), 1. Bd., 7. H.). Mina Baruch (1790–1880), Tochter v. Bs Onkel Simon Baruch. Gemeint ist JW, die 1805 Leopold Heinrich Oppenheimer modo Otten (1784– 1829) heiratete. Die gegen JWs Willen geschlossene Ehe wurde 1814 geschieden.

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wußten und besprochen haben; nehmlich er hat sich lächerlich gemacht durch die Lüge, er könne hier eine Professor=Stelle haben. Dann hat er vor mehreren Menschen erzählt, ich zeige ihm, alle meine Sachen, ehe ich sie drucken ließe, zum verbessern, folgte aber seinem Rathe nicht immer. – Haben Sie während meiner Abwesenheit die Zeitschwingen regelmäßig erhalten. Mein Bruder16 hat mir versprochen, sie Ihnen jedesmal zu schicken. In Frankfurt sagte ich Ihnen davon nichts, wegen des Vrints-Berberich.17 – Grüßen Sie herzlich alle die, welche auf nachstehender Tafel stehen18 Ihr getreuer Henker Dr. Börne

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Aachen, den 23. September 1819.

Nr. 6. Aachen, Donnerstag. 23 Sept. 1819.i Nummerchen Sechschen, müsste es heißen, denn ich habe nicht mehr Zeit, liebe Freundin, Ihnen zu schreiben, als daß ich keine habe. Gestern Abend kam ich nach Cölln, wo ich einen Tag bleiben wollte. Kaum ausgestiegen, fällt mir ein Postwagen in die Augen, der eben angespannt werden sollte. Ich fragte wohin? Nach Aachen, und morgen früh sei man dort. Ich steige ein und bin hier. Eigentlich war es meine Freude, noch weiter von Ihnen wegzukommen, denn ich finde eine eigne Würze darin, wie der treue Eulenspiegel, der froh war und sang, wenn er Berg auf ging. Morgen früh reise ich wieder zurück und werde Mittwoch in Frankfurt seÿn, wenn ich nicht etwa in Bonn einen Brief vorfinde, der mir meldet, daß Sie nach Bingen kommen. Ich muß endigen, sonst habe ich den weiten Weg umsonst gemacht, und sehe nichts. Adieu. Gruß an Alle. Dr. Börne. i

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O. Adr. Vermutl. Philipp Jacob Baruch (vgl. Br. 2). Vgl. Br. 5. Zeichnung: sechs mit Namen versehene Strichmännchen, die in einem Haus aufgehängt sind (Süschen, Fanny, Elise, Guste, Jettchen u. Jette).

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Köln, den 24. September 1819

Nr. 7. Kölln, Freitag d. 24. Sept. 1819i Ich schreibe Ihnen noch einmal, liebe Freundin, ob ich zwar gleichzeitig mit diesem Briefe, vielleicht früher noch, Ihre Hand küssen werde. Aber ich will in Frankfurt nichts mehr zu erzählen haben, ich will nichts thun als glücklich seÿn. Meine Reise nach Aachen hat mir Freude gemacht. Herrliche Landschaft! Ich habe sie schöner gesehen, aber nur eine solche nicht. Wie ein Lustwald, so weit das Auge reicht. Die warmen Quellen und Bäder merkwürdig. Die Stadt etwas Vornehmes, was der unsern mangelt. In der Kirche, das Grab Karls des Großen – ich trat es mit Füßen; sein Stuhl – ich sezte mich darauf; aber ich bin immer noch, der ich war. Abends bei Kerzenschein einer musikalischen Messe beigewohnt. Mit zwei wunderschönen, phantastisch geschmückten zwölfjährigen Mädchen, ward irgend eine religiöse Einweihung vorgenommen. Die Beleuchtung, die Orgeltöne, die Messknaben, berauschende Räucherungen, allgemeine und innige Andacht – ich verstand den Mortimer.1 Vor einer Stunde kam ich hier an. Es dämmerte schon, ich eilte nach dem Dom. Ich wandelteii allein in dieser Welt. Die Seeligkeit der eignen Vernichtung lernt man hier kennen. Ich bin eine Heide, auch betete ich nicht, aber ich sehnte mich beten zu können. Es bedarf keiner Gottheit in dieser Kirche, der Tempel ist selbst der Gott. Wenn wir unter der Sonne oder unter dem Sternenhimmel wandeln, so drückt uns der erhabene Blick über uns nicht zu Boden, weil wir uns nicht allein fühlen, sondern uns mit andern Menschen, mit Thieren, Pflanzen, Bergen, mit der Luft selbst, und alles was auf Erden ist, vereinigt denken, und dieses Ganze, auch gegen die Erhabenheit des Himmels nicht zusammenschrumpft. Aber dieses dem Auge unerreichbare Gewölbe, bildet den erdwärtsgezogenenen, verkörperten Himmel, diese Riesensäulen sind wie die Stützen des Weltalls; und wenn wir nun, in diesem Gotteshause stehen, und Mauern uns von der üb-

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O. Adr. Hs. Zusatz e. Bearb.: »S. Wanderbuch a. Rhein«. Vgl. Schillers Maria Stuart (1800).

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rigen Welt sondern, so verliehren wir uns darin, und das Gefühl unserer Niedrigkeit drückt uns ganz zu Boden, und macht uns noch niedriger. Lieber auf einem Kirchhofe, und allein möchte ich die Nacht verweilen, als hier selbst mit mehreren Menschen. Man kriecht wie eine Mücke über den Boden. Noch etwas hatte gefehlt, um diesem göttlichen Werke die Vollendung zu geben, nehmlich daß es nicht vollendet da stehe, und dieser Mangel legte die lezte Hand an dem Kunstwerke. So viel an der Vollendung fehlt, so viel hat unsere Bewunderung für den Künstler gewonnen; wir haben keinen Maasstab mehr für die schöpferische Kraft; wir hätten ihn, wenn die Schöpfung fertig da stünde. Ich möchte den Spötter sehen, der hier unbeschämt von dannen ging. Was ich gesagt ist alles leer, wenn Sie diesen erhabenen Eindruk nie selbst empfangen, und haben [S]ie ihn, noch leerer. Einige Rückstände von Bonn. Arndt habe ich ein Zweitesmal besucht. Ich plauderte mit den Weibern, bis er nach Hause kam. Erst sah er mich, dann fragte er die Mutter ob der Siegerich heiter gewesen, dann grüßte er mich. Das Frauenzimmer dort im Hause, ist sittig, alterthümlich, so aus der Niederländischen Schule. Er auch, geht viel in die Kirche, ein dickes Gebetbuch unter dem Arme. Im Herzen? Ich zweifle. Mit seineriii Politik, auch mit der Görres, kann ich mich nimmer und nimmer befreunden. Gediegene Menschen aber gar nicht zu hämmern. Nichts griechisches in ihnen, Heiligenschein und eckige Figuren. Franzosen und ruchlos, ist ihnen so gleichbedeutend wie zwei und zwei. Religion bis im Essen und Trinken. Alles soll festgegründet seÿn, nichts Wandelbares; darum suchen sie die alten tiefen Wurzeln, darum lieben sie das historische Recht, nicht das frische lebendige, was täglich neu, nicht gebohren aber gestaltet wird. Wenn sie herrschten, stünde es schlimm mit deutscher Sache. Sie haben nur eine Zentnerwage. Ich meine der Menschheit gebühre des Lebens Ernst (und dafür sorgt das Schicksal), den Menschen aber Lust und Liebe und Fröhlichkeit. Mit dem Studenten Sichel,2 habe ich eine schöne Tagreise nach dem Siebengebirge gemacht, zu Fuß und im Schiffe. Erst im Nebel, und dann uniii

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Hs. Zusatz v. e. Bearb.: »(Siehe oben!)«. Karl Theodor Sichel, Student der Rechte aus Frankfurt am Main, brachte wenige Monate nach der Begegnung B durch eine leichtfertige Denunziation in eine kurzzeitige Untersuchungshaft in der Frankfurter Hauptwache (vgl. Br. 73).

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ter dem blauesten Himmel. Haben Sie den Drachenfels bestiegen? Herrlich! Ich mag nichts mit Worten verderben. Aber der Geist meiner Jugend war mir erschienen. – Wir Zwei Mischmeidem3 brachen auf dem Berge Trauben ab, wurden erwischt, von einem Spiese zum Bürgermeister geführt, und bestraft. Engel, ich möchte Sie in der Mitte sehen, zwischen Furcht und Begehrlichkeit, zwischen dem Schüze und den süßesten Trauben. Sie ertrügen es nicht. „O Götter, endet meine Qual.“ – In Königswinter, einem Flecken am Fuße des Berges, sah ich etwas, was wirklich sehenswerth war. Auf einem freÿen aber entlegenen Plaze, standen vier Haufen Knaben, jeder von etwa zwanzig Köpfen, und wie Soldaten geordnet. Einer stand vor der Fronte und buchstabirte und rechnete, die andern nach. Kein Lehrer war gegenwärtig. Den Ernst, die Freudigkeit beim Lernen, fast den Aerger von uns gestört zu werden, dieses alle beobachtete ich mit Erstaunen. Ein anderer Trupp lernte marschieren. Vor dem Schulhause stand ein Knabe mit einer Lanze Schildwache. Es schlug zehen, da rief er „abgelößt.“ Das Alle war nicht etwa Spielerei, kein Lächlen wurde man gewahr. So ernst, wie in einem Feldlager. Ein Bube der uns das Wirthshaus zeigen sollte, fragte bei einem Kameraden um die Erlaubnis an. Was wir sahen, war ein Bild der Lankarstischen Methode4 des wechselseitigen Unterrichts. Damit hatte der Lehrer (ein tüchtiger Mann, wie sie im Orte sagten) das Turnen verbunden. Er war abwesend, und ich bedauerte ihn nicht sprechen zu können. Aber sein Werk sprach für ihn. Selten hat mich etwas mehr überrascht, oder war mir neuer erschienen, als diese Schule im Freÿen, wo die Schüler ihre eigene Lehrer und Aufseher, und wo Ernst und Lust so mit einander verbunden waren. Hätte ich mich zu Bonn in meinem Wirthshause auf den Kopf gestellt, so wäre mir zwar das Geld aus der Tasche gefallen, sie hätten mich aber doch nicht anders genannt als: Herr Baruch. Was Wunder? Meine Familie hier und ihr Spitzbubengesicht, sind so bekannt als der Kirchthurm. – Die Bonner Bürgeriv klagen sehr, über den Geist der Ständesonderung, der seit die Franzosen weg sind, sich hier eingeführt. Bei diesen waren Gelehrter, iv

Hs. Zusatz v. e. Bearb.: »(Siehe oben)«.

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Verballhorntes Hebräisch für Getaufte. In der von Joseph Lancaster (1778–1838) gegründeten Reformschule für Kinder aus armen Familien in Southwark bei London (1801) wurden ältere Schüler zum Unterrichten der jüngeren Jahrgänge herangezogen (monitorial system).

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Soldat, Bürger, einträchtig und freundlich zusammen, es war kein Unterschied. Jezt aber, trennt sich das Militair vom Professor und dieser vom Handelsmann. Ich kenne meine lieben Deutschen, sie lassen nicht von Art. Die französischen Offiziere haben die Welt erobert, aber im Vaterlande waren sie nur Bürger, sie wollten und durften sich für nichts anderes geltend machen. Die Preußischen stellen sich überall an die Spitze, und man läßt sie willig da stehen. Reisen muß man, liebe Freundin. Der Rausch macht taumeln, aber auch das taumeln macht berauscht. Darum muß man reisen, um so weiter, um so öfter, je älter und nüchterner man ist. Jezt schreibe ich es Ihnen noch, bald sage ich es Ihnen, wie sehr ich Sie verehre, und wie ergeben ich Ihnen bin. Dr. Börne.

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Paris, den 21. Oktober 1819.

Nr. 1. Paris d. 21. Okt. 1819.i Von meiner Ankunft wissen Sie schon, durch die Zeilen, die ich in Strasburg vorausgeschrieben, und gestern hier auf die Post gegeben habe.1 Meine Vorsicht war glücklich berechnet, ich hätte Ihnen gestern mit aller Anstrengung nicht schreiben können. Nicht wegen Müdigkeit, sondern wegen einer Unruhe, wegen einer Spannung, die mich nicht still auf dem Stuhle hätte sizen lassen. Da bin ich nun, meine Freundin, nicht neu belebt für eine neue Welt, sondern mit dem Gefühle eines Robinson, der Schiffbruch gelitten, und auf eine unbewohnte Insel geworfen worden. Paris erscheint mir als ein Menschen leeres Land. Dieses Toben, dieses Donnern, dieses Zischen, dieses Drängen – ich sehe und höre nichts darin, als ein Ungewitter, als das Rauschen und Wogen des leblosen Meeres. Da die Bewegung überall und ohne Ende ist, und nirgends ein stiller Ort sich findet, und niemals eine Zeit der Ruhe eintritt, so zeigt all dies Thun weder Frei-

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O. Adr.

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Nicht überliefert.

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heit noch Zweck. Die Menschen treiben nicht, sie werden getrieben. Paris ist ein Strudel, nicht im bildlichen, sondern im buchstäblichen Sinne des Wortes, der alles unaufhaltsam fortreißt. Noch eine halbe Meile von der Stadt entfernt, forderte mir der Conducteur des Postwagens ab, was ich noch an Trinkgeldern und sonstigem zu zahlen hatteii. „In Paris“ sagte ich. „Dort ist’s zu spät“ erwiederte er. Ich verstand das nicht; aber der Mann hatte Recht. Wir kamen an, und kaum war ich aus dem Wagen gestiegen, so war Posthaus, Reisegesellschaft, alles, wie durch ein Zauber meinen Blicken entrückt, und ich befand mich plözlich eine halbe Stunde weit, vom Absteigeort entfernt. Wie ein Strohhalm vom Sturmwinde, so ward ich fortgeschleudert, da ich wegen Mangel an Gepäcke, gar kein Gewicht, noch fesselnde Aufmerksamkeit hatte. Das Palais-Royaliii ist der MagnetBerg, der alles unaufhaltsam an sich zieht. Ich frug zwar darnach, aber als ich es that, war ich schon bewußtlos dahin getrieben, und stand dabei. Ich ging in ein Kaffe-Haus, und nach Verlauf einiger Stunden, fiel mir erst bei, daß ich auf eine Herberge bedacht seÿn müsse. Ich fand diese, aber meine Haltung habe ich bis jezt noch nicht gefunden, so daß ich selbst Ihnen, nur mit der größten Anstrengung schreiben kann. Ordnung und Ruhe, werden Sie in meinen ersten Briefen vergebens suchen. – Bei der Rosine2 war ich gestern und heute, habe aber noch keine Briefe von Euch vorgefunden. Um Gottes Willen, schreibt mir doch, wie es in Frankfurt aussieht, und was die Leute zu meiner Flucht sagen.3 – Briefe an mich, sind immer noch durch Halphen4 zu besorgen, weil ich nicht weiß, ob ich meine gegenwärtige Wohnung behalte. – Ich habe mehrere Besuche gemacht. – Die Redaction eines der ersten hiesigen Blätter, hat, sobald sie meine Ankunft erfuhr, schon zu mir geschickt und mich zum Mitarbeiten eingeladen; die Sache wird in Ordnung kommen. Mehrere Pariser Blätter, haben schon seit 8 Ta-

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Orig.: hatten. Orig.: Palais-Journal. Rosine geb. Oppenheimer, Ehefrau Anselme Halphens (vgl. u.); vermutl. aus der Frankfurter Familie Oppenheimer stammend, die sich in Paris niedergelassen hatte. B war nach Paris abgereist, nachdem die Zeitschwingen auf Betreiben Metternichs verboten worden waren (die letzte Ausgabe datiert auf den 9. Oktober 1819) und er Gefahr lief, im Zuge der Demagogenverfolgung verhaftet zu werden. Anselme Halphen (1797–1853), Juwelier, Leiter der Banque de France, Mitglied des Consistoire central israélite de France.

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gen davon gesprochen, daß ich hieher kommen werde. Auch enthalten sie Auszüge der Zeitschwingen. Daß sie verboten worden melden sie gleichfalls, selbst der offizielle Moniteur5 enthält diese wichtige Nachricht. – – – Meine Reise hieher war nicht angenehm. Schlechte Gesellschaft. Eine Bäuerin aus dem Würtembergischen, die ihre Tochter in Paris besuchen wollte, welche wie sie sagte an einen Minister verheirathet wäre. Das Weib hatte stinkenden Handkäse, nicht blos für die Hin= sondern auch für die einstige Rückreise mitgenommen, und verpestete die Luft von Strasburg bis Paris. Dann Schweizerinnen, lauter Weibsbilder aus der Niedrigstländischen Schule. – In Heidelberg besuchte ich den Dr. Zimmern6 und erzählte ihm von meiner Taufe,7 damit sie in Frankfurt bekannt werde. In Mannheim war ich bei der Würzweiler. Ihrem Töchterchen, ich: „weißt Du, daß ich Dein Onkel bin?“ Sie: „Der Onkel Schmitt?“ (Nehmlich die Bettÿ Stiebel ist dort.) – – Wie ich von Ihnen fortkam, theuerste Freundin, das weiß ich noch nicht; es ist mir alles wie ein Traum. Die Besorgnisse welche meine Abreise begleiteten, habe ich meinem gütigen Geschicke zu verdanken, denn diese zerstreuten mich und betäubten meinen Schmerz der Trennung. Ihre schöne Seele sollte ich dabei erst kennen lernen; nie hätte ich meine Unwissenheit hierin geahndet, und nie hatte mich eine Belehrung glücklicher gemacht. Warum habe ich nicht einen Freund ausser Ihnen, und Ihnen gleich, dem ich dieses alle beschreiben kann! Nie hatte ich eine Vorstellung davon, daß auch das Herz seinen Witz und seinen Scharfsinn habe, als bis ich erfuhr, wie Sie in den wenigen Minuten unseres lezten Beisammenseÿns, alle die Freundschaft die Sie für mich haben, durch hundert unnachahmliche Zeichen und Worte anzudeuten wußten . . . . So eben erhalte ich Ihren Brief. Wie glücklich machen Sie Ihren Freund. Sie waren besorgt für mich! Man ist beneidenswerth, in Ihrer Nähe unglücklich zu seÿn, und man kann Ihren Trost und Ihre Theilnahme nicht zu theuer erkaufen. Ich schwöre es Ihnen, daß ich alles thun werde, um zu erreichen was mir möglich ist, und zu verdienen, was ich nicht erreichen kann. Ich 5 6

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Le Moniteur universel, seit der Revolution 1789 regierungsamtlicher Anzeiger. Sigmund Wilhelm Zimmern (1796–1830) wurde nach seiner Habilitation 1818 (als erster jüdischer Jurist) u. seiner Konversion zum Protestantismus 1821 Prof. der Rechte in Heidelberg. Z. war Mitglied des Berliner Wissenschaftszirkels um Eduard Gans (1798–1839), aus dem der Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden hervorgegangen ist (vgl. Br. 42). Die ev. Taufe, die B seinen Eltern zunächst verheimlichte, erfolgte am 5. Juni 1818 in der Cyriacusgemeinde in Rödelheim bei Frankfurt am Main.

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verehre Sie unaussprechlich. Schreiben Sie mir oft und viel. Ihre Briefe ermuthigen mich ungemein. Der Dr. Goldschmith8 thut mir unrecht. Es ist wahr, ich habe die Wage schlecht besorgt; daß es aber nur des Gegengewichts einer Verpflichtung bedarf, um meine Trägheit zu überwiegen, das habe ich doch bei den Zeitschwingen gezeigt. Wenn ich hier eine solche Verpflichtung finde, was, wie ich oben bemerkt, schon eingeleitet ist, so werde ich ihr ohne Anstrengung und Unterbrechung treu bleiben. Was er sagte, wie ich es von Tag zu Tage aufschieben werde, das ist eine Narrheit, eine psÿchologische Pedanterie. Wenn ich träge war, so war ich mir’s bewußt, und Sie werden nie gehört haben, daß ich meine Faulheit zu bemänteln gesucht, und etwa gesprochen hätte wie im Lesebuche steht: Morgen, morgen, nur nicht heute. – – – Den Ochsen schreibe ich ganz gewiß in einigen Tagen. – Den Schlüssel schicken Sie meiner Mutter9 – – Dem Dr. Stiebel10 danke ich sehr für seine freundliche Bemühungen. Er möge mir von Zeit zu [Zeit] schreiben, was von politischen Dingen vorgeht; aber vor der Hand mit einem Couvert unter der Adresse: A Mr. Schubart11, rue des petits Augustins Nr. 1 à Paris, oder unter Halphen. – – Das Ihnen wohl bekannte, gut verwahrte seidne Beutelchen ist bis jezt noch ungeöffnet geblieben, ob ich zwar reichlich gelebt habe. – – – Ich besinne mich eben eines Bessern. Schreiben Sie mir den nächsten Brief unmittelbar unter meiner Adresse: Rue du Hazard. Nr. 5. Hôtel des Etrangers. Das Wort Hazard muß delikat auszusprechen seÿn, denn so oft ich auf der Straße nach meiner Wohnung frage, versteht mich Keiner – – Ich habe Ihnen (oder dem Dr. St.)12 geschrieben: von Darmstadt; von Mannheim; von Karlsruhe; von Strasburg; von Paris. Haben Sie alle diese Briefchen erhalten? – Eben wieder habe ich in mehreren hiesigen Blättern von den Zeitschwingen und mir gelesen, wahres und falsches. Ich bin begierig ob morgen, von meiner Ankunft darin die Rede seÿn wird. – – Zwei Franzosen, sagte mir vorhin mein Wirth, wären während meiner Abwesenheit mich zu sehen gekommen, sie hätten aber ihren Namen nicht angeben wollen. – Alle die Herrlichkeiten,

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Carl Leopold Goldschmidt (1787–1858), Jurist, Bs Freund u. Berater in Rechtsfragen (vgl. Br. 70 u. 85). Julie Baruch, geb. Gumperz (1762–1838), 1781 verheiratet mit Jacob B. (vgl. Br. 7). Vgl. Br. 6. Der Buchhändler Alexander Schubart war im Auftrag des Verlegers J. F. Cotta in Paris tätig. Salomon Stiebel (vgl. o.).

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die ich bis jezt gesehen habe, überraschten mich wenig; aber es muß eine Freude seÿn, sie gewissen guten Freundinnen zeigen zu können. An Beschreibungen derselben soll es nicht fehlen, bin ich nur erst ein Mal ruhiger geworden. – – Es ist wahr, die Franzosen ranken nur so über den Boden weg; die Deutschen wurzeln tief. Jenen fehlt die Dauer und die Frucht, diesen der Wechsel und die Blüthe. Aber beide Nationen sind auf dem Wege sich zu vervollkommnen – „Wo brennt’s?“ würde jeder Frankfurter die Leute auf der Straße fragen, würde er plözlich nach Paris versezt. Aber, lieber Gott, es ist gar nichts vorgefallen, es geht alles seinen gewöhnlichen Schritt. Ich möchte am jüngsten Tage hier seÿn, ich begreife nicht wie das Durcheinander rennen wilder werden könnte. Die Leute sind alle toll. Sie laufen nicht um irgendwo hin zu kommen. Sie gehen die Straße auf um wieder zurückzukehren. Es muß viel dazu gehören, die Aufmerksamkeit der Pariser nur auf 8 Tage zu fesseln, und ein gewöhnliches Talent, in welchem Fache es auch sei, kann durchaus sich nicht geltend machen. Nicht etwa, weil sie nur das Bessere schätzen, sondern weil sie nur das Neue lieben, und das Mittelmäßige ist stets alt und bekannt. Adieu, liebe Freundin. Die Thränen der Freude und des Dankes, über Ihren großen und baldigen Brief, haben dieses Papier benezt. Sie müssen solche Thränen ja nicht trocknen. Dr. Börne.

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Paris, den 23., 24. u. 25. Oktober 1819.

Nr. 2. Paris. Den 23. Okt. 1819.i Es ist jezt Samstag Abend’s, halb sechs Uhr. Wenn Sie meinen Brief erhalten, liebe Freundin, so denken Sie zurück, ob Sie wohl um diese Zeit auch an mich gedacht haben, so wie ich mich jezt mit Ihnen beschäftige. Ich habe alles dazu auf ’s schönste angeordnet: ein stilles Zimmer, ein freundliches Kaminfeuer, und ein Herz und ein Sinn, aus dem ich alles verjagt, um Ihnen allein Plaz zu machen. Nun Zuerst von etwas, woran mir viel gelegen ist. Die Briefe, die ich Ihnen vom Rhein geschrieben, hatten

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Sie Manchen mitgetheilt, ja sogar in die Hände gegeben. Da es meine Freunde waren, und die Gegenstände von welchen ich sprach, nur allgemeine Beziehungen hatten, so beunruhigte mich das nicht sehr. Jezt aber ist das Verhältnis Anders. Ich könnte manchmal Dinge zu schreiben haben, die meine eigene, Ihre und eine andere Persönlichkeit betreffen, und ich möchte nicht, daß ausser Ihnen, noch ein Anderer solche zu Gesicht bekäme. Es ist nicht Einer unter unseren Freunden, zu dem ich nicht das unbegrenzeste Zutrauen hätte; aber Sie kennen, eine mir eigene Schüchternheit, Sie wissen wie peinlich es mir ist, mich Vielen mitzutheilen, und Sie werden sich erinnern, wie oft ich ein Gespräch mit Ihnen, auch nur wissenschaftlichen Inhalts, wenn ich es mit Wärme geführt, plözlich unterbrochen habeii, sobald ein Dritter dazu kam. Darum bitte ich Sie, liebe Freundin, ja ich muß dringend darauf bestehen, niemals meine Briefe aus der Hand zu geben, sondern unseren Freunden, die es wünschen, nur das daraus vorzulesen, was sich dazu eignet – – Morgen werde ich zum erstenmale einen Artikel in ein hiesiges Blatt, das mich zum Mitarbeiten aufgefordert hat einschicken.1 Wie es nun mit der Bezahlung und mit der Hauptsache gehen wird, davon schreibe ich Ihnen in meinem nächsten Briefe. – – Die gestrigen und heutigen Blätter sind alle voll von meiner Ankunft. Darin werden nur allerlei närrische Sachen gesagt. Ich hätte mich geflüchtet um das Schicksal Görres zu vermeiden, etc. Ich werde die Sachen sammeln und sie Ihnen abschriftlich schicken. Hier wird nun alles gleich zur Partheizwistigkeit. Vor einigen Tagen sind vier Jenaer Studenten hier arretirt worden,2 wahrscheinlich, weil sie sich heimlich aus Deutschland entfernt hatten, und darum ohne Pässe gekommen waren. Nun sagt heute ein Ultra=Blatt3: „Il parait que la France va devenir le Quartier Général où se donneront rendez-vouz les Radicaux de Londres et les Teutoniens d’Allemagne et les Gré-

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Orig.: haben.

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Vermutl. für den Constitutionnel bestimmt, das wichtigste Journal der französischen Liberalen (vgl. Br. 14). Die vom Zusammenschluß der Jenaer Studenten 1815 ausgehende Burschenschaftsbewegung in Deutschland wurde von den Polizeibehörden überwacht und verfolgt. Am 26. November 1819 erließ die deutsche Bundesversammlung ein Verbot der Jenaer Verbindung wegen »staatsfeindlicher Umtriebe«. Zu den Kampfblättern der sog. Ultra-Royalisten zählten u. a. die Gazette de France, Le Drapeau Blanc u. das Journal des Débats.

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goriens4 de tous les pays; déjà trois Elèves de l’Université de Jena ont été arrêtés il y a quelques Jours, et voici que le Constitutionnel nous annonce la prochaine arrivée de Mr. Goerres et de Mr. Boerné, et du Conseiller de Justice Martin d’Jéna;5 l’honorable Hunt6 ne tardera probablement pas aussi, à se mettre en route“. Vielleicht, werde ich gegen diesen Herren da, etwas zu Felde ziehen. Ich freue mich schon auf meinen ersten Feind . . . Eine andere Zeitung nennt mich Docteur Israélite – – Vor dem jungen […]iii war mir schon in Frankfurt bange, er möchte mir hier zur Last fallen, und jezt wollte es mein Unglück, daß ich mich zufällig in das nehmliche Haus einlogiere, worin er wohnt. Ich kann ihn schon jezt nicht mehr los werden. Er war mir immer der langweiligste Mensch von der Welt, auch ehe er noch seine schlechten Streiche begangen hat, jezt ist er mir verhasst und zum Ekel. Ich werde nur seinetwegen mir eine andere Wohnung suchen müssen. Der Mensch ist nichts mehr als ein Knochengerippe; so wenig er mich interessirt, so schwehr fiel es mir doch mich der Thränen zu enthalten, da ich ihn zum erstenmale sah. – – […]iv Da erhalte ich eben ein Billet von dem alten Halphen,7 der mir schreibt, seine Schwiegertochter8 habe ihm gesagt, ich wolle meine Briefe an sein Haus addressiren lassen. Nun sei er aber unterrichtet worden, daß ich Deutschland pour affaires d’opinions verlassen habe, und er fürchte meine Briefe möchten geöffnet werden, und da erscheine es ihm sehr gefährlich, wenn sein Name darauf Stünde. Er bittet mich darum ihn damit zu verschonen u. s. w. . . Also, wie ich in meinem vorigen Briefe bereits gebeten, lassen Sie die Briefe an mich unmittelbar

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Geschw. Passage (unleserlicher Name). Stark geschw. Passage. Benannt nach dem revolutionären Geistlichen und Präsidenten der Nationalversammlung Abbé Henri Grégoire (1750–1831), der die Beseitigung des Königtums und die Abschaffung der Privilegien von Adel und Klerus forderte. Für die Ultras war er die Personifikation der Revolution, die grégoriens die vom Christentum abgefallenen Radikalen. Christoph Reinhold D. Martin (1772–1857), Rechtsprofessor in Heidelberg u. Jena, Verfasser liberaler Rechtskommentare u. juristischer Lehrbücher. Henry Hunt (1773–1835), Abgeordneter im Unterhaus des englischen Parlaments, wegen radikaler Äußerungen 1819 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Salomon Halphen (1773–1840), jüdischer Juwelier, von 1818–1825 jüdischer Repräsentant im Pariser Konsistorium, der staatlichen Religionsbehörde. Rosine Oppenheimer (vgl. Br. 10).

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adressiren; oder vielmehr da ich wirklich befürchte, sie möchten geöffnet werden, und dadurch mancher verlohren gehen, so ist’s am Besten, wenn man sie unter Couvert an meinen Wirth schickt: nehmlich À Mr. Saussinev Fvi Rue du Hazard Nr. 5. – – Da ich an französischen Blättern nun wohl werde engagirt werden, so hängt mein ganzes ökonomisches Fortkommen davon ab, daß ich aus Deutschland Neuigkeiten erfahre. Bitten Sie doch darum unsere Freunde, Stiebel, Reis, Goldschmith, mir, unter der Adresse die ich so eben angegeben (couvertirt) alle Neuigkeiten mitzutheilen, es mag nun gegründet oder nur Gerücht seÿn. In Paris braucht alles nur die Dauer eines Tages zu haben. Die Briefe, brauchen mit keiner Namensunterschrift versehen zu seÿn; ich kenne ja ihre Handschriften. – – Wenn nur meine Sachen nicht ausbleiben, ich habe sie heute Sonntag d. 24 noch immer nicht. – – Wenn ich erst mit meinen persönlichen Verhältnissen in Ordnung bin, dann schreibe ich Ihnen und unseren Freunden, was sich über Paris etwa sagen läßt, für jezt ist mir dieses noch unmöglich, ich habe weder Zeit noch Ruhe dazu – Auch den schriftlichen Abschied von den Ochsen muß ich noch aufschieben, ich grüße sie einstweilen auf ’s herzlichste. – – Das Durchkreuzen der Kutschen auf den Straßen sollten Sie nur mit ansehen; so oft ich ausgehe, bin ich Ihrentwegen in Angst ich würde überfahren werden. (Habe ich mir nicht schon französisches Selbstvertrauen angeeignet?) – – Heute bin ich bei einem Grafen Schlabberndorf eingeführt worden, einem Deutschen, der schon viele Jahre hier wohnt.9 Suchen Sie sich doch die Zeitgenossen10 zu verschaffen, wo das Leben dieses Sonderlings, etwa vor einem Jahre beschrieben worden. Er ist sehr reich, kömmt aber nie aus dem Hause. Alles kömmt zu ihm. Ein Mann von 70 Jahren, mit noch jugendlicher kräftigen Stimme, und einem langen Barte. Sie können sich keinen geistreichern, interessanteren und mahlerischen Kopf denken. Seine Unterhaltung ist äusserst belehrend, er spricht Stundenlang ohne aufzuhören. Als er meine Ankunft erfuhr, hat er mich einladen lassen zu ihm zu kommen. Es war zwischen 12 und 1 Uhr Mittags. Ausser mir waren noch 2 andere da. Schlabberndorf saß in einem grün v vi

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ÜdZ, Orig.: Crescent. FN auR: F Hôtel des Etrangers. Gustav Graf v. Schlabrendorff (1750–1824), Schriftsteller, anonymer Verfasser des Anti-Napoléon (1804) (vgl. Br. 5). Zeitgenossen: Biographien und Charakteristiken. Bd. 1, Abt. 3, Leipzig (1816).

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seidnen Schlafrocke, mit breitem schwarzem Gurte. Er hohlte vier Suppenschüsseln herbei, die zu Tassen dienten, und machte diese selbst mit seinen Fingern, ohne Hülfe einer Serviette äusserst rein. Darauf machten die zwei andern Herren, die aber gleich mir nur Besuchende waren, den Thee zurecht. Kein Bedienter oder Aufwärter war im ganzen Hause zu sehen. – – Mit dem Essen hier ist es eine sonderbare Sache. Zwischen 10 und 2 Uhr wird in den Speisehäusern gefrühstückt, und zwischen 4 und 9 Uhr zu Mittage gegessen. Aber ich schlauer Kopf habe täglich die ganze Stadt Paris hierin zum Besten. Ich gehe um 1 Uhr zum Restaurateur, und fordere ganz laut à Déjeuner, und die Narren glauben es mir auch, ob ich zwar in meinem Herzen weiß, daß es mein Mittagessen ist. – – Die große Oper habe ich vorgestern besucht. Ferdinand Cortez11 und ein großes Ballet. Bis Mitternacht dauert hier so etwas. Ich Kind bin schon um halb 11 Uhr im Parterre eingeschlaffen. Das ist nun freilich alles besser, besonders schöner als bei uns, aber sonderlich überrascht hat es mich nicht. Ich habe hier überhaupt noch nicht die Augen aufgerissen. Von dem eigentlichen Großen, den herrlichen Kunstsammlungen, habe ich freilich noch nichts gesehen. – – Einen alten Universitätsfreund habe ich hier gefunden, ein geborner Franzose, der Unterricht im Deutschen giebt. Er ist mir nützlich durch Aufklärungen und Zurechtweisungen. – – Einige deutsche Mitarbeiter an hiesigen Journalen, die ich kennen gelernt habe, sind keine sonderliche Lichter, und wenn man mich um so viel mehr schäzt, als ich wirklich werther bin als sie, so muß ich gute Geschäfte machen. Die Hauptsache ist, daß mir meine Bekannte in Frankfurt Neuigkeiten mittheilen. Bitten Sie doch den Dr. Reis, daß er deswegen mit Göntchen12 spreche, daß auch er mir zuweilen schreibe. – – Ich werde wohl jezt noch lange warten müssen bis ich Nachrichten von zu Hause erhalten, da Sie mir in Ihrem Briefe sagen, Sie werden mir nicht eher schreiben, als bis Sie meine Ankunft in Paris erfahren haben werden. Warum wollten Sie so lange warten? Sie können es sich nicht vorstellen, liebe Freundin, wie wehe es einem ist in fremdem Lande, wenn man von den Seinigen gar nichts erfährt. Ich empfinde das jezt schon. Verlassen Sie mich armen Menschen nicht, und befolgen Sie in Ih11

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Hauptfigur der im Auftrag Napoleons verfassten Spontini-Oper Ferdinand Cortez ou la conquête du Mexique (1809). Johann Georg Göntgen (geb. 1791), Oberbibliothekar der Frankfurter Stadtbibliothek u. Sekretär der Museumsgesellschaft, Sohn des Pfarrers Jonathan Gottlieb Göntgen (vgl. Parre Kännche, Erzählung v. Friedrich Stoltze).

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rem Briefwechsel die Art, die ich selbst befolge. Sie müssen nicht den Tag abwarten, bis Sie den Brief abschicken wollen, und dann erst ihn zu schreiben anfangen; sondern ihn anfangen, ihn so oft Ihnen etwas beifällt fortsetzen, und wenn der Bogen vollgeschrieben ist, ihn auf die Post legen. So habe ich es auch mit diesem Briefe gemacht. Und dann müssen Sie das Datum am Ende des Briefes sezen, damit ich weiß, wenn er auf die Post gelegt worden ist. – Treiben Sie doch ja alle unsere Bekannten an, daß sie mir schreiben. Am meisten verlasse ich mich hierin auf meine liebe Ochsen. Diese geben mir gewiss über alles vollständigen Bericht. Hätte ich meinen Brief an sie nur schon fertig. Er wäre es schon, dürfte ich ihn im Negligé schreiben, aber ich weiß es, sie verlangen, er soll aufgepuzt, interessant seÿn, und dazu habe ich bis jezt nicht kommen können. – – Ich glaube wohl, daß ich mich wohlfeil hier werde einrichten können, allein es wird einige Zeit und etwas Geld kosten, bis ich mir die nöthigen Erfahrungen einsammlen kann. In den ersten Tagen kostete mich mein Essen 3, 4, ja sogar 6 Franken, und ich bin kaum satt geworden. Jezt habe ich schon einen Tisch zu 2 Fr. gefunden. Mein Logis kostet mich täglich 1½ Fr. welches ungeheuer viel ist; indessen gehe ich noch heute ein anderes zu suchen. Von den schönen Napoleons, mußte ich 9 Stücke dem Schneider hingeben, welches mir sehr wehe that. Auch hierfür hätte ich wenigstens 3 sparen können, wüßte ich was ich jezt weiß. Die Rosine hat mir den Kerl empfohlen, der mich geprellt hat. Sie können sich vorstellen der Schneider ist ein Franzose, ein Pariser, und ein Jud’ zu gleicher Zeit. – Meine unaussprechliche Freundin, wenn Sie von all der vielen Zeit, die ich Ihnen sonst geraubt, nur täglich eine halbe Stunde verwenden mir zu schreiben, so käme eine unermessliche Summe von Glück für mich heraus. Aber vergessen Sie nicht, daß die Briefe einen langen Weg zu machen haben, und daß Sie darum, wenn der eine Brief fort ist, gleich den andern wieder anfangen müssen. – Grüßen Sie Stiebel seine Frau, die Doktoren, Ihre Schwester und deren Mann, auch den Wilhelm, Alles von mir. – Grüßen Sie auch die Jeanette von mir, und sagen Sie ihr, sie möchte mich nicht vergessen, und daß mein ganzes Glück in ihren Händen läge, in den Händen womit sie mir schreibt, und daß ich auf der Stelle nach Frankfurt zurückreise würde, wenn ich 8 Tage ohne Nachrichten von ihr bliebe. Bin ich denn wirklich hier? So weit von Ihnen? Noch ist mir alles wie ein Traum. Ich weiß meinen Kopf nicht zu finden. Aber wo mein Herz liegt, wußte ich nie klarer als jezt. Dr. Börne. (25. Oct.)

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Paris, den 26.–30. Okt. 1819

Nr. 3. Paris {26. Okt. 1819 Nr. 3. Paris {30 –i Meine theuere und innigst verehrte Freundin! (Warum darf ich das Beiwort nicht nachschreiben, das mir mein Herz vorsagt?) Es bedarf zwar keines erklärenden Antriebes, warum ich Ihnen schreibe, es ist dieses meine größte Freude und meine einzige Linderung; aber daß ich grade in diesem Augenblicke die Feder ergreife, das hat seine Ursache. Ich bin auf eine lustige Weise an Sie erinnert worden, wenn ich ja zwei Hundert Stunden von Ihnen entfernt, etwas lustig finden kann. Nehmlich hier hat, wie bei uns die Gasthöfe allein, so jeder Laden, sein Schild oder Name. Nun ging ich eben über die Straße, einen kleinen Spaziergang zu machen; da fällt mir ein Mode-Laden in die Augen. Wie hieß dieser Tempel der Mode=Göttin ? . à la petite Jeanette. Ich, augenblicklich nach Hause zurückkehren, damit ich es nicht vergesse, und mich hinsetzen und es Ihnen schreiben. Wenn in der kleinen Jeanette Zimmer zu vermiethen sind, wird morgen hieneingezogen, und dann müssen Sie auf der Adresse Ihrer Briefe an mich, Ihren eignen Namen zur Bezeichnung meiner Wohnung schreiben, und was wird dann Vrints-Berberich1 dazu sagen, der gleich merken wird was vorgeht? – – Mit meiner hiesigen Journalistik ist noch nichts ins Reine gekommen. Die Sache verhält sich wie folgt. Ich hatte gleich nach meiner Ankunft, die Bekanntschaft zweier Deutschen gemacht, die Beide an verschiedenen hiesigen Blättern arbeiten. Den einen besuchte ich, der andere war zu mir gekommen. Dieser leztere, sagte mir, er habe von einem hiesigen Zeitungs=Redacteur den Auftrag mich zu engagiren, und ich solle ihm gleich einen Artikel geben, den er, da es mir noch an der gehörigen Uebung mangle, übersetzen und einrücken wolle. Wegen der Bedingungen wolle er mir das Nähere sagen. Bis jezt habe ich aber nichts weiter erfahren, ob ich meinen Unterhändler zwar täglich spreche. Es liegt ganz oben an, daß diesen meinen Herren Landsleuten, die noch dabei nicht von Bedeutung sind, meine Ankunft und meine Concurrenz bei ihrem Brodgeschäfte nicht will-

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Vgl. Br. 5.

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kommen seÿn kann. Sie verriethen dieses sehr bald; der eine durch zurückhaltendes Wesen, der andere durch seine Zudringlichkeit, durch seine Bemühung mich und meine Correspondenz nach Frankfurt auszuholen, und besonders durch seinen wiederholten Rath, die Wage fortsetzen, natürlich in der Absicht, von der Theilname an hiesigen Blättern mich abzuhalten. Zu dem Allem muß ich nun natürlich ein Hammelgesicht machen, und ich darf mein Mistrauen nicht äussern. Indessen können sie mir nicht lange in dem Wege stehen, da ich hier in großem Rufe stehe, und die Zeitungen bis jezt noch nicht aufgehört haben von mir zu sprechen, ich auch andere Bekannte habe (wie Graf Schlabberndorf )2 auf deren Theilname ich zählen darf. – – Gestern habe ich an Cotta3 in Stuttgart, und nach Weimar an die Herausgeber des literarischen Wochenblattes4 geschrieben. An Cotta schrieb ich: da er mich früher zur Theilname an seinen Werken habe einladen lassen, so böte ich ihm meine Dienste an, um von hier aus für ihn zu arbeiten. Was das Honorar beträfe, so wünschte ich jährlich mit etwas Bestimmtem angenommen zu werden. Ich zerstreute mich nicht gern, und wenn er mich engagirte, so wäre es mir am liebsten, daß ich alle meine Thätigkeit für ihn allein verwenden könnte. Ich brauchte hier nun jährlich 3000 Gulden; er solle mir also sagen, ob er für diese Summe, oder für welchen Theil derselben, Beschäftigung geben könne. Auch wäre ich in der Folge wohl geneigt mich in Stuttgart niederzulassen, wenn er glaube, daß unter den jetzigen Verhältnissen, etwas dort zu machen sei. Endlich hoffte ich, daß wenn er geneigt wäre, mit mir in Verbindung zu treten, er Zutrauen genug zu mir haben würde, mir ein Quartal, des von ihm zu bestimmenden jährlichen Honorars, voraus anzuweisen, da ich dieses hier, weil ich [in] Deutschland plözlich aus meinem literarischen Verkehr gerissen worden, und großen Verlust erlitten hätte, sehr nöthig bedürfte. Auch stellte ich seinem Gutdünken anheim, ob mit der Wage etwas zu machen 2 3

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Vgl. Br. 11. Johann Friedrich Freiherr Cotta v. Cottendorf (1764–1832), liberaler Verleger, 1815–1831 Abgeordneter des württembergischen Landtages (zu dessen politischen Ambitionen vgl. Br. 25). In der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung erschienen neben den Werkausgaben der dt. Klassiker u. a. Die Horen, der Musen-Almanach, die Augsburger Allgemeine Zeitung und das Morgenblatt für gebildete Stände (Beil. LiteraturBlatt, 1817–1849). Das ursprünglich von August v. Kotzebue (1761–1819) hg. Literarische Wochenblatt wurde nach dessen Tod im März 1819 von der Hofbuchhandlung der Gebrüder Hoffmann in Weimar übernommen u. ab 1820 bei F. A. Brockhaus verlegt.

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wäre, in welchem Falle ich ihm sie in Verlag geben wollte . . . Nach Weimar schrieb ich, von dem früher mir gemachten Anerbieten für’s litter. Wochenbl. zu arbeiten, wolle ich jezt Gebrauch machen. Sie sollten mir aber bestimmen, für welche Summe sie jährlich von meinen Waaren kaufen wollen (den Bogen zu 5 Louisd’or), und dann bäte ich gleichfalls für eine vierteljährige Vorausbezahlung . . . Wir wollen nun sehen, ob einer dieser Fische anbeißen wird. – – – Bei der […]ii komme ich fast täglich, um nach Briefen zu fragen; sobald diese aber unter meiner eignen Adresse ankommen werden, bleibe ich weg. Sie können sich nichts langweiligeres und jüdischeres denken, als es dort im Hause zugeht. Dieses abscheuliche Gemisch von Deutsch und Französisch sprechen, und das Jüdeln in beiden Sprachen, ist mir wirklich zum Ekel. Ich habe mich noch immer nicht entschließen können, eine Einladung zum Essen bei ihnen anzunehmen. Auf den kommenden Samstag habe ich endlich zusagen müssen; und denken Sie sich, dabei herrscht noch die alte Manier, daß der Samstag und Freitag zusammengehört; also zweimal hinter einander, werde ich mich langweilen müssen. – – So eben erhalte ich meine Sachen von Frankfurt. Vierzig Gulden habe ich Fracht zahlen müssen. Ich habe den größten Verdruß davon; meine Kasse ist sehr dadurch zusammengeschmolzen. Der ganze Inhalt des Koffers ist auf Ehre keine 100 fl. Werth. In meinem Hause sind sie ganz verrückt; alle alte Lumpen haben sie eingepackt, einen Stiefelzieher sogar. Mich wundert, daß sie mir Tisch und Stühle nicht auch mitgeschickt haben! – – – Heiter bin ich nicht, ich bin es gar nicht, liebe Freundin. Wenn ich nur nicht Heimweh bekomme und ihm nachgebe! Ich müsste mich ja schämen. So lange ich mit meinem Vorhaben noch nicht in Ordnung bin, werde ich in einer Spannung bleiben die mir wohl thut. Ist dieses aber einmal abgethan, dann fürchte ich, beginnt erst meine Unruhe. Ich wollte recht lange, ohne Schmerzen, von Ihnen entfernt seÿn, wenn ich nur aus Laune reiste, weil es alsdann in meinem Willen stünde, wenn ich zurückkehren wollte. Aber auf diese Weise wie ich hier bin, kann ich das Ende ja gar nicht berechnen und abmessen. Ich habe es immer noch nicht genug gewußt, theuerste Freundin, wie nöthig Sie zu meinem Glücke sind. Entziehen Sie mir die einzige Erleichterung nicht, die mir Ihre Briefe geben können. Ich weiß daß Sie mir gern schrieben, oft und viel. Könnten Sie wegen irgend einer Bedenklichkeit sich davon abhalten lassen? Wollten Sie

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Geschw. Passage, vermutl.: Halphen (vorübergehende Postadresse Bs in in Paris).

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sich selbst Gewalt anthun, um mich zu peinigen? Nicht blos die Entfernung von Ihnen, auch die von unseren Freunden, ja die vom deutschen Vaterlande thut mir weh. Ich hätte es selbst nicht gedacht, daß ich im heimatlichen Boden so eingewurzelt wäre. Gehe ich über die Straße und höre Deutsch sprechen, dann bin ich jedesmal hocherfreut. Es ist noch etwas das mich nach Hause zurückzieht, allein ich fürchte mich Ihnen davon zu sagen. Sie würden dann wieder, wie manchmal, mir das Herz in den Magen schieben, und behaupten, meine Sehnsuchtsthränen entsprängen aus einer Indigestion, und ich solle nicht so viel essen, um mein Heimweh zu verliehren. Nehmlich ich kann hier nicht rauchen, weil der inländische Toback abscheulich ist, und der ausländische nicht eingeführt werden darf. Wenn Sie einmal Gelegenheit fänden, mir von Frankfurt welchen zukommen zu lassen (Z. B. durch Rothschild,5 wenn er Estafetten herschickt, die ihn leicht einschmuggeln können) würden Sie mich ganz glücklich machen. – Ich habe mir vorgenommen an Rothschild zu schreiben, damit er mir an seinen Bruder6 hier Empfehlungen schicke, ich habe es aber von Tag zu Tage aufgeschoben. Ich weiß die Leute sind mir nicht gut, und darum ist es mir unangenehm. Aber dennoch gebe ich es nicht gern auf, weil mir die Leute hier sagen, es würde mir nützlich seÿn, wenn ich hier mit Rothschild bekannt würde. Sie könnten wohl durch Schnapper oder ihre Schwester Stern7 ausforschen lassen, ob man mich freundschaftlich und ohne Hinterlist hier empfehlen würde. – – Paris, das in den ersten Tagen, als Masse wenig Eindruck auf mich machte, wird, wie ich jezt schon nach und nach erfahre, in seinen einzelnen Theilen, wenn ich sie kennen lerne, meine Aufmerksamkeit nützlich, vielleicht auch angenehm beschäftigen. Man kann hier die menschlichen Leidenschaften studieren in den Anstalten, die zu ihrer Befriedigung getroffen sind. Das Palais-Royal ist die vollständigste Seelenlehre und Anatomie des menschlichen Körpers. Während bei uns nur für die Forderungen der fünf oder sechs armen Sinne gesorgt ist, wird 5

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Salomon Mayer v. Rothschild (1774–1855), Sohn v. Meyer Amschel R. (1743– 1812) aus der Frankfurter Judengasse, 1821 Begründer der Wiener Dependance des Bankhauses Rothschild. Jakob Mayer Rothschild (1792–1868), nach seiner Nobilitierung James de Rothschild, 1817 Gründer der Pariser Filiale. Theresia Wohl (1782–1850), Schwester v. JW, 1799 verheiratet mit Jakob Samuel Hayum Stern (1780–1833) (vgl. Br. 125). Sterns Schwester Karoline S. (1782–1854) heiratete 1800 Salomon Meyer Rothschild und begründete so eine Verwandtschaft mit der Familie Wohl.

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hier jedem Nerven, jeder Blutwelle, jeder Wallung, jedem Gedanken und jeder Empfindung, eine besondere Freude dargebothen. Jedoch glaube ich, daß durch diese zahllose Menge und unendliche Verschiedenheit der Genüsse, die Begehrlichkeit weit weniger aufgeregt wird, als bei uns, wo die Wahl kleiner ist, und darum ein Wunsch schneller entsteht und heftiger werden kann. Man kann hier doch nicht alles kaufen, man mag noch so reich seÿn, und eine Begierde wird durch die andere verdrängt. War ich über den Reichthum und die Mannichfaltigkeit der ohne Unterbrechung an einander gereihten Waarengewölbe erstaunt, so verwunderte ich mich noch mehr, neben den entbehrlichsten Prachtgegenständen zugleich die unentbehrlichsten Lebensmittel, neben den Kostbarkeiten wie sie nur Fürsten besizen können, die verwerflichsten Bettelsachen zu finden. Giebt es mancher Laden im Palais-Royal, der unsern ganzen Braunfels8 bezahlt, so finden sich aber auch Dinge, die bei uns keiner auf der Straße aufhebt, zusammengehäuft und zum Verkaufe angeboten.9 – – Die Leonore Wertheim wohnt auch hier.10 Nur um etwas Vaterländisches zu sehen, und mein Heimweh zu liebkosen, besuchte ich sie gestern. Guter Gott, wie hat sich die Frau geändert, und wie ist sie häßlich geworden. O Ihr armen zerbrechlichen Weiber! Ich beschwöre Sie, Frankfurter Freundin, verwahren Sie mir nicht blos, bewahren Sie mir auch Ihr liebes Gesicht. Komme ich zurück, und finde es nicht wie ich es verlassen, ich müsste mein Herz von Ihnen abwenden, und sollte es Blut kosten. Ich bin allerdings die treueste Seele von der Welt; aber die Seele ist unsterblich, und hat viele Jahrtausende zum lieben und anbeten. Doch die Augen, die vergänglichen Augen, sie haben keine Zeit zu verliehren. – – Ich habe schon erfahren, daß man ohne festen Vorsatz, hier nicht sparsam leben kann. Das Geld läßt sich so angenehm, ja so nützlich verwenden, daß ich bei den größten Ausgaben, mir nichts weiter vorzuwerfen hätte, als meine Mittel nicht berücksichtigt zu haben. So hohlten mich gestern Abend, vier Bekannte zum Essen ab, Junge Männer. Wir brachten drei Stunden bei Tische zu. Ich unterhielt mich sehr. Da 8

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Das Haus Großer Braunfels am Liebfrauenberg war seit 1694/95 Sitz der Frankfurter Börse. Das nach einem Brand 1763 vollständig erneuerte, einst von Richelieu erbaute Palais Royal war mit seinem großen Garten und den zahlreichen Ladengalerien, Cafés, Restaurants und Casinos in den Kolonnaden der belebteste Vergnügungsort im Paris der Restaurationszeit. Das einem Jahrmarkt gleiche Treiben in der Galerie des bois dauerte bis tief in die Nacht an. Leonore Wertheimer, 1822 verh. mit Israel Wallach, Bankier aus Kassel.

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ward politisirt; das ist nicht wie bei uns, das hört nicht auf, das ist Leidenschaft. Aber die Zeche betrug für jede Person, etwas mehr als 5 Gulden nach unserem Gelde. . . Das Theater kostet, mit dem für mich unentbehrlichen Buche, mehr als 2 Gulden. – – Ich hatte diesen Morgen an Hrn. v. Rothschild geschrieben, und ihn um Bestimmung der Stunde gebeten, wenn ich ihm meine Aufwartung machen könne. Er hat mir so eben sehr artig geantwortet, ich möchte ihn den kommenden Sonntag besuchen. Indessen werde ich dennoch nicht versäumen, mir von seinen Brüdern in Frankfurt Empfehlungen an ihn schicken zu lassen. – – Es sind jezt 8 Tage, daß ich keine Nachrichten von zu Hause erhalten habe. Ihr Brief war der Einzige der mir von dort bisher zugekommen ist. Wenigstens im Anfange, wo ich der Beruhigung am meisten bedarf, sollten Sie mehr an mich denken. Auf meine liebe Ochsen, habe ich am meisten Vertrauen gesetzt. Diese verlassen mich sicher nicht, und schreiben mir alles was in dem Häuschen Frankfurt vorgeht, wenn ich nur einmal ihnen geschrieben. – – Schreiben Sie mir ja nicht mehr unter Halphen’s Adresse, sondern unter meiner eignen: Rue du Hazard. Hôtel des Etrangers Nr. 5. – Die Franzosen sind ungemein aufmerksam und gefällig, und das kann nicht blos nichtswürdiger Wortkram seÿn, es muß aus einer ächten Gutmüthigkeit entspringen, denn das Volk der untersten Klasse steht den Gebildeten hierin nicht zurück. Trete ich auf der Straße zu einem Haufen Tagelöhnern, Wasserträgern u. dergl. Menschen, die doch von ihrer Handarbeit leben, und denen jede Minute die sie versäumen Geld kostet, und erkundige mich bei Ihnen nach etwas, so ist dieses ein Wetteifer mich zurechtzuweisen, und jeder sucht dem andern zuvorzukommen, als würden sie dafür bezahlt. Ich will mir auch ein Exempel an ihnen nehmen, und ein ganz artiges Bürschchen werden, so daß Guste11 und Jette12 ihre Freude an mir haben sollen. – Das doppelte Datum oben über meinem Briefe, bezeichnet, wenn ich den Brief angefangen und geschlossen habe. – Mich fror es hier, bei der großen Oper, bei der französischen Artigkeit, und bei all dem Glanze des Palais Royal. Da führte mich der väterliche blinde Trieb, der die Zugvögel in warme Länder zieht, in die Antiken=Gallerie. Wie wohl ward mir da! Der Himmel ward blau über mir, es kam wieder Sonne in meine Adern, wahrhaftig meine Augen wurden nass. Die ernsten römischen Kaiser, die hohen Götter Griechenlands, die stillen schauerlichen Sphinxe und andere aegÿptische Heiligen11 12

Vgl. Br. 1. Henriette Rindskopf (vgl. Br. 67).

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bilder. Künftig oft davon. Dort will ich überwintern, dort werde ich verweilen so oft ich Ihrer Gedenke, theuere Freundin, und mich meine Sehnsucht schmerzt. – – Ich habe die vorigen Briefe unter Ihre Adresse geschickt, ich werde es immer so thun. Sie sind doch nicht böße darüber? Ich schreibe so gern Jeanette Wohl, ob ich zwar noch einen schönern Namen weiß. Wie viele Güte hat der Himmel für mich, daß er mir alles von Ihnen gegeben worüber er schalten konnte, Ihr Bild, Ihre Freundschaft, meine Liebe und meine Verehrung für Sie. Noch einmal, theuere Freundin, vergessen Sie nicht, daß Sie mir alles sind, und daß mein ganzes Leben in Dunkelheit liegt, wenn Sie es nicht beleuchten. Lassen Sie mich oft in Briefen Ihre Stimme hören. Und schreiben Sie nicht so weitläufig, sondern wie ich, mit kleinen Buchstaben, damit viel auf dem Bogen gehe, denn ich weiß, ist der Bogen voll, Sie fangen keinen zweiten an. Ich grüße alle unsere Freunde herzlich, und beneide alle die Ihnen nahe kommen. – – Adieu. Aber bin ich nicht ein rechter Thor, daß ich Sie verlassen habe, um der guten Sache willen, was mir keiner dankt? Hätte ich mich in die Zeit geschickt, über gewisse Dinge geschwiegen, über andere gesprochen, wie man es verlangt, ich hätte auch in Frankfurt durch Schriftstellerei das Nöthige erwerben können. Die Freiheit und Sie! Das Herz des Menschen ist so eng. Warum muß man wählen? Ich fürchte, ich ertrage es nicht lange. Eines Abends geht die Thür auf . . . Noch eine Tasse . . O Glückseligkeit! Dr. Börne.

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Paris, den 5. u. 6. November 1819.

Nr. 4. Paris {5. November 1819. Nr. 4. Paris {6.i Sie sind mein liebes Kind an dem ich Wohlgefallen finde. Der Himmel überschütte Sie mit seinem reichsten Seegen. Wie glücklich machen Sie mich durch Ihre Briefe! Mein leztes Schreiben zeigt Ihnen wie kleinmüthig ich war. Ich glaubte nicht genug an Ihrer himmlischen Güte; aber dennoch schäme ich mich dessen nicht, denn Ihre Güte ist nicht zu ermessen. Sie

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werden mich nicht verlassen, Sie mein Licht und meine Wärme. Ich bin ein armes leeres Glas, zerbrechlich und ohne Werth, wenn Sie mich nicht erfüllen. Und wie fein Sie schreiben! Mein Kopf verstünde Sie nicht immer, aber mein Herz errathet Sie. Doch der neidische Rand, der Seitwärts in Ihrem vorlezten Briefe, und die unfreundliche Leere die am Schlusse Ihres lezten steht, haben mich sehr betrübt. Das dürfen Sie nicht mehr thun. Ich habe wie ein Geiziger berechnet, zu wie viel beglückenden Worten noch Plaz gewesen wäre, und wie dieses meinen Reichthum vermehrt haben würde. Nun wohlan, ehe ich von mir ausgehe, will ich erst erwiedern, was in Ihren Briefen etwa zu beantworten ist. – Was Sie mir von der Besorgnis meines Vaters1 mittheilen: ich möchte meine Pension verschreiben, giebt mir Anlass, Ihnen eine Seite derjenigen Gesinnung aufzudecken, die sich hier in mir gebildet hat. Zuvörderst, freimüthiger als ich zu Hause, unsere Stadt sowohl als andere Regierungen beurtheilt, vermöchte ich doch nicht zu thun, denn ich habe nie meine Empfindung gemildert, und nie einen Tadel im Hinterhalte versteckt. Aber auch in diesem Tone fortzufahren bin ich hier nicht gesonnen. Es widerspricht bestimmt und laut meinem Gefühle, jezt, da ich den Gesezen meines Vaterlandes unerreichbar bin, über dessen Einrichtungen mich rügend zu äussern, es hinter dem Rücken zu verspotten, und kränkende Wahrheiten zu sagen, wo es ohne Muth geschehen kann. Ich werde darum nicht heuchlen, und nie gegen meine innere Ueberzeugung reden, ich werde aber über manches schweigen. Komme ich einmal zurück, dann will ich die versäumten Grobheiten gewiß nachholen. – Sie schreiben mir, daß so viele Ehen bei uns geschlossen werden. Mir wird Angst, es wird doch wohl noch ein Mädchen für mich übrig bleiben? Ich verlasse mich hierin ganz auf Sie, Sie müssen dafür sorgen. Sollte ich einst keine mehr finden, dann ist es Ihr eigner Schade. Ach, wenn man keine Frau hat, ist man doch gar kein Mensch! . . . Man ist ein Gott können Spötter sagen – Spötter, aber ich halte mich genau ans Wort. – Meinen Taufschein glaubte ich eingepackt zu haben, doch konnte ich ihn bis jezt nicht finden. Was liegt daran? Gott weiß doch, welchen Glauben ich habe. Sie können sich wohl denken, daß ich gedruckt mich hierüber nie äussern würde. Sie scheinen es nicht zu billigen, daß ich dem Dr. Zimmern von meiner Religionsveränderung gesagt habe.2 Hätte ich das nur früher ge1

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Jakob Baruch (1763–1827), Bankier u. Sprecher der Israelitischen Gemeinde Frankfurt. Vgl. Br. 10.

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wußt. Ich habe den Fehler fortgesezt. Auch der Rosine O.3 und dem Samson4 hier, habe ich die Sache mitgetheilt. Ich dachte es wäre gut, wenn man zu Hause während meiner Abwesenheit hierüber zur Gewissheit komme. Habe ich Unrecht gehandelt? Ueberlegen Sie das mit unseren Freunden, und schreiben Sieii mir darüber. Ich werde hierin ganz Ihrem Rathe folgen. – Können Sie mir Empfehlungen schicken, so thuen Sie es immer. Was verliehre ich dabei? Stehen mir die Bekanntschaften nicht an, so brauche ich sie ja nicht zu benutzen. Die junge liebenswürdige Fulderin,5 soll ich sie denn wirklich sehen und unglücklich machen? Ich kann ja ihre höchst wahrscheinliche Liebe ganz gewiss nicht erwiedern. – Dem Steinthal6 werde ich schreiben, und ihm die goldensten Versprechungen geben. – Auf jeden Fall schreibe ich noch das eine Heft der Wage. Ob eine Fortsezung, weiß ich noch nicht.7 Wie es mit meinen Plänen wegen Mitarbeit an einem hiesigen Blatte steht, schrieb ich Ihnen in meinen leztem Briefe. Mein Argwohn hat sich bestättigt. Die genannte Person spricht gar nicht mehr mit mir von der Sache, und von meinem eingeschickten Artikel. Jezt haben sich aber Franzosen, die eine neue Zeitung anfangen wollen, sich unmittelbar an mich gewendet. Ob die Unternehmung zu Stande kömmt, und wie meine Theilnahme dabei, entscheidet sich in einigen Tagen. Von Weimar8 und Stuttgart9 werde ich unterdessen auch Antwort erhalten. Für die Wage habe ich schon einiges gearbeitet. – Nein, theuere Freundin, Paris wird sich nie in ein Paradies für mich umwandeln. Mein Himmel ist nur wo Sie sind. Aber wegen der freundschaftlichen Theilnahme die Sie für mich haben, muß ich Ihneniii die Beruhigungen geben, daß meine Unzufriedenheit in keinen besondern Verhältnissen Grund hat, sondern daß ich sie vorhergesehen habe. Ich kann nicht froh seÿn entfernt von Ihnen. Ich hatte im Umgange mit Ihnen so sehr jede andere Zeit und jeden anderen ii iii

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ÜdZ. ÜdZ. Vgl. Br. 10. Vgl. oben. Vermutl. aus der Frankfurter Familie Fuld. Bs Gläubiger Steinthal gehörte vermutl. zur Verwandtschaft der Familie Ochs. Das 7. Heft des 1. Bandes der Wage war im April 1819 erschienen, Heft Nr. 8 folgte erst im Juli 1820. Vgl. Br. 12. Vgl. Br. 12.

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Ort vergessen, daß ich die Vergleichung verlohr und gar nicht daran dachte wie glücklich ich war. Jezt erst fühle ich es. Ich verzeihe es Ihnen, wenn Sie mir das jezt noch nicht glauben. Aber ich werde Bekanntschaften machen, sie können mir nicht fehlen sobald ich mich darum bemühe; ich werde vielleicht liebenswürdige Menschen kennen lernen, und werde dann zuversichtlicher meine Klagen wiederholen. Und wenn ich auch wirklich durch Zerstreuungen (selbst von den unschuldigsten und sinnvollsten zu reden) Sie schmerzloser entbehren lerne, ist denn das ein schönes, vernünftiges, wünschenswerthes Ziel? Ich will lieber Sie selbst verliehren, als den Wunsch nach Ihnen. Der Trunk aus dem Lethe verjagt den Durst, aber stillt ihn nicht.10 Ich sage es Ihnen offen, wie lange ich mich bezwinge. Sobald ich Geld genug erworben habe, daß ich meine sämmtlichen Schulden in Frankfurt abtragen kann, kehre ich dahin zurück. Da dieser Weg so bestimmt und abgemessen ist, so stärkt mich das ungemein auf meiner Wanderung. – Die Briefe von der Herz habe ich in Frankfurt zurückgelassen. Mein Bruder11 schrieb mir, er hätte alle meine Papiere zusammengepackt und aufbewahrt. Ihren Brief? Sie Unfreundliche, wie können Sie nur zweifeln, daß ich ihn mitgenommen habe! Jezt habe ich deren vier. Das sind meine vier Bücher Mosis, in denen ich täglich lese und bete. Wie freue ich mich auf das 5te Buch! – Von der Herz habe ich einen Brief erhalten, er ist mir von Frankfurt zugeschickt worden. Sie bittet mich, ihr für einen bedürftigen Freund, eine Uebersetzung aus dem Französischen, bei einem Frankfurter Buchhändler zu verschaffen. Sonst schreibt sie mir nichts von Bedeutung. – Seÿen Sie unbesorgt, liebe Freundin, ich werde nicht zu anstrengend arbeiten. Selbst Paris zu sehen, befleißige ich mich nicht sonderlich. Denn das auch ist mir nur wie ein Studium, dem ich mich des Nutzens und der Pflicht wegen ergeben muß, woran ich aber keine besondere Freude finde. – Der […]iv hat gar kein Ehrgefühl mehr. Ich jage ihn alle Tage aus meinem Zimmer, und er kömmt doch alle Tage wieder. Ich wollte er dürfte seine Schwester heirathen, damit er nur von hier wegkäme. – Die Ochsen solle ich mir aus dem Kopfe schlagen, sagt die Fannÿ – aus dem Kopfe, ja, aber nie aus dem Herzen. Wie oft habe ich mich nach ihnen, und iv

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Geschw. Passage.: evtl. Samson (vgl. R IV, 263). Lethe = in der griechischen Mythologie der Fluß, aus dem die Toten Vergessenheit trinken. Vgl. Br. 2.

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mitten im Palais-Roÿal nach ihrer Stube zurückgesehnt, wo ich so oft Freude gefunden, und manchen Kummer verlohren hatte. Nur ja Alle herzlich von mir gegrüßt. – Vorigen Samstag aß ich bei Halphen.12 Alles wie bei uns. Kugel, Bohnen, Birn auf der Schüssel, sämmtlich mit aufwärts stehenden Stielen, die mir ein treues Bild, von einem Walde von Mastbäumen und einem Seehaven gaben. Von den Bohnen sagte man mir „Sie haben nicht gut geort.“ – „Nein, sagte ich, man kann eine Tochter mit ausgeben.“ Es wurde von nichts als der Gemore13 gesprochen . . Sans la Gemore on ne peut rien faire, sagte der alte Halphen,14 und dann fragte er mich um meine Meinung, ob man das Hebräische nach der üblichen Weise, oder, so wie es das hiesige Consistorium15 so eben entschieden hat, nach der reinen alten Art, aussprechen soll. Das Gespräch ward interessant. Ich sagte: ich hätte es nie anders ausgesprochen, als wie unsere Vorfahren in Palästina, und rezitirte: Bereschidv Bara Elohim, ed Haschamajim weed haarez.16 Dann spielte Rosine mit ihrem Kinde: Faites Batsche-Kuche, faites batsche-Kuche, ma petite bonne fille . . . […]vi – Nachdem Sie mir geschrieben, Sie hofften, daß ich nur um des Geldes allein willen nicht schreiben würde, sezten Sie hinzu: „Ihre Feinde hoffen Ihnen Blösen abzulauern.“ Stiebel17 schrieb mir auch so etwas ähnliches. Ich verstehe das aber nicht recht. Sagen Sie mir doch deutlich, was darunter gemeint war. – Liebe Freundin, warum soll ich denn meine Briefe an Sie nicht frankiren? Soll denn nichts frei seÿn, was Ihnen unter die Augen kömmt? Wahrhaftig Sie sind erobe-

v vi

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Orig.: Breschid. Stark geschw. Passage (senkrechte u. schräge Striche). Vgl. Br. 10. Gemara (aramäisch = Vervollständigung; jidd.: Gemore o. Gemure): rabbinische Kommentare zur Mischna, der mündlichen Überlieferung; die beiden Teile bilden zusammen den Talmud. Vgl. Br. 11. Das Consistoire central de Paris war der von Napoleon eingesetzte Zentralrat jüdischer Gemeindevertreter in Frankreich. Mit der staatlichen Anerkennung des Konsistoriums als der für die Religionsausübung aller jüdischen Gemeinden maßgeblichen Instanz 1808 war eine wichtige Voraussetzung geschaffen für die Gleichstellung des jüdischen Glaubensbekenntnisses mit den christlichen Konfessionen. Gen. 1, 1: Bereschit bara Elohim et ha-Schamajim we et ha-Arez; dt.: Im Anfang erschuf Gott die Himmel und die Erde (Übersetzung von Moses Mendelssohn). Vgl. Br. 6.

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rungssüchtig geworden. – Der […]vii fängt seit heute an, das Gesicht zum Geld fordern zu machen. Er sizt traurig da, seufztviii, will gefragt seÿn was ihm fehlt. Ich wette, daß ich Ihnen in meinem nächsten Briefe schreibe, er habe ein Anleihen bei mir machen wollen. Daß ich es ihm abgeschlagen habe, werde ich Ihnen wohl nicht zu schreiben brauchen. Ich wollte dem jungen Menschen alle seine Lüderlichkeit verzeihen, wenn er nur nicht dabei so leer und langweilig wäre. Denken Sie nur, jezt will er Schulmeister werden! Hier werden die Trivialschulen als Gewerbsgegenstände mit der Kundschaft veräussert. Nun ist ihm eine für 800 Fr. angetragen worden. Und er ist der Narr, daß er nicht allein sich einbildet zum Kinderlehrer Talent und Lust zu haben, sondern ist noch der größere Narr, daß er seiner Mutter schreibt, und von ihr die 800 Fr. verlangt, den Kauf abzuschließen! – – Wenn ich so gut französisch schreiben könnte, daß ich nicht nöthig hätte, meine Artikel erst übersezen zu lassen, Sie glauben nicht, welch ein Glück ich hier machen könnte. Ich wäre, ohne Uebertreibung, in zwei Jahren ein reicher Mann, der von seinen Interessen leben könnte. (Natürlich würde ich mich eines bessern Stÿls befleißigen als in diesen lezten drei Zeilen, wo 3 Mal könnte vorkömmt) Ich glaube es den ersten Schriftstellern hier gleich thun zu können, wenigstens rücksichtlich derjenigen Seite ihrer Darstellung, wodurch sie auf die Franzosen Eindruck machen, und worin nun grade ihre höchste Würde nicht besteht. So aber, werde ich wohl ein Jahr nöthig haben, um im Französischen die nöthige Fertigkeit zu erwerben, und bis dahin müsste ich meine Sachen übersezen lassen. Und das ist schlimm, denn dabei geht viel verlohren, und also auch vom Beifall den ich erlangen könnte. Uebrigens stehen die Deutschen die ich bis bis jezt kennen gelernt habe, wenigstens diejenigen die sich zum Uebersezen gebrauchen lassen würden, auf so einer niedrigen Stufe, daß ich nichts von ihnen erwarte. – – Bekanntschaften habe ich noch gar keine gemacht. Sie werden sich wohl leicht denken, daß in einer so ungeheuren Stadt wie Paris, ein Fremder sich darum bewerben muß, und man ihm darin nicht zuvorkömmt. Man hat zwar 3 Wochen lang täglich in den Zeitungen von mir gelesen, aber das geschieht hier oft von Sachen und Personen, und man wird darum doch nicht aufgesucht. Es ist indessen gar keine Frage, daß ich, wohin ich mich auch wende, würde freundlich empfangen werden. Doch gehe ich langsam, und sondire den Boden. Es ist hier erstaunlich nöthig, vii viii

Geschw. Passage.: vermutl. Samson (vgl. auch R IV, 264). Orig.: seuft.

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denn all das Volk, das, sei es nun des Nuzens oder des Vergnügens willen, in meinen Lebenskreis gehört, ist höchst spizbübisch. Zum Glücke kontrolliren sie sich einander selbst, und ein Spizbube warnt mich vor dem Andern. Es ist ganz unmöglich in Paris den ehrlichen Mann herauszufinden, und es bleibt einem nichts übrig als keinem zu trauen. Indessen muß ich mich, diesem oder jenem zur Leitung hingeben, wenn ich auch mistraue. Wie ist es zu ändern? Die Hauptsache ist, daß ich in Bewegung komme, führt mich jemand auf den unrechten Weg, so werde ich mich wohl wieder zurecht finden. Mein schwarzes Beutelchen, ist noch auf derselben Stelle, und wird täglich noch eben so sorgfältig angebunden, als damals da ich von Frankfurt abreiste. Daran kömmt mir also keiner, und meine arme Seele, denke ich, die gehört ohnedies dem Teufel. (Im zukünftigen Leben nehmlich, denn in diesem gehört sie einem Engel). – Aber, Sie haben mir von Ihrem Leben nicht genug gesagt. Wie sind Ihre Abende? Wer kommt zu Ihnen? Ich bitte, theuere Freundin, ganz genau hierüber. Sie glauben mir es sicher nicht, wenn ich Ihnen sage, daß ich manchmal schon, wie gestern und vorgestern, um halb 10 im Bette lag. Einige Male war ich im Theater, habe aber darin nie länger Geduld gehabt als bis 10 Uhr. – Numeriren Sie doch auch Ihre Briefe, damit ich mich überzeugen kann, daß sie alle richtig ankommen. – In der italiänischen Oper sah ich vor einigen Tagen Figaro. Das ist prächtig, Spiel und Gesang. Das Kerlchen von Pagen sollten Sie sehen. Bin aber doch in der Hälfte nach Hause gegangen. – Das Essen hier schmeckt mir durchaus nicht. Ich habe es mit den einfachsten und mit den köstlichsten Speisen versucht. Alles so gesalzen, so überwürzt. Ich verschmachte den ganzen Tag vor Durst. Der Wein ist schlecht, oder man müsste vom theuersten nehmen. Wenn ich hier so gut und so viel essen wollte als zu Frankfurt im weißen Schwanen, so würde mich die Mahlzeit ein Napoleon kosten. – Zu ordentlichen Beschreibungen von hiesiger Art, kann ich es immer noch nicht bringen. Zu Sittengemählden würde es an Stoff nicht fehlen, doch wäre dieses geeigneter zur schriftstellerischen Behandlung, als zu Briefen. Wenn ich das Leben der höheren Stände auch kennen lerne, das wird wohl nichts darbieten, denn das ist wie überall. Aber das Volksleben, die öffentliche Lustbarkeiten, sind wohl des Pinsels werth. – Einen Roman der hier kürzlich erschienen, von einem Schriftsteller der unserem deutschen Lafontaine18 gleicht, an Fruchtbarkeit und Ab-

18

August Heinrich Julius Lafontaine (1758–1831).

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geschmacktheit, habe ich gelesen, und für mich zu Hause kritisirt. Den andern Tag, las ich eine Beurtheilung darüber, in einem der besten hiesigen Blätter. Ich kann Sie versichern, daß meine Rezension mit der andern verglichen, den Parisern sehr piquant erscheinen würde. Hätte ich sie nur im Französischen schreiben können! Doch glaube ich, werde ich das vielleicht schneller lernen, als ich selbst denken mag. Ich habe einen guten Grund von französischer Sprachkenntnis, nur ist es alle aus Mangel an Uebung wie eingefroren. Nach und nach wird es aufthauen. – Vor einigen Tagen war ich zum ersten Male ausser der Stadt im Freien. Das ist eine Reise. Ich war ganz glücklich. Hier ist alles so geschnizt und fein, so ganz Kunst, daß es mich immer hoch erfreut, wenn ich etwas Natürlichem Begegne: einem spielenden Kinde, einem Hunde, einem Buckligen, einer schwangeren Frau. Ich müsste, um Vergnügen zu finden, an der hiesigen so merkwürdigen Welt, einen humoristischen sentimentalenix Kameraden haben, der in meiner Art die Sachen ansieht. Allein wo ihn suchen? Kein Loth Herz in der ungeheueren Stadt; nur Geist und Sinnlichkeit. Wenn ich so in meiner Weise (Jean Paulisch) französisch schreiben könnte, ich glaube, man müsste dieses hier, der Neuheit wegen, sehr anziehend finden. Man soll über nichts urtheilen, worüber man keine Erfahrung hat. Noch vor 14 Tagen habe ich über die Herz, über Arndt, Görres, gespottet, weil sie die Franzosen ruchlos nannten.19 Jezt kann ich selbst kein anderes Wort finden, um das Volk zu bezeichnen. Doch darüber künftig mehr; das würde eine Abhandlung werden. – Wollen Sie sich von den jetzigen Sitten der Franzosen unterrichten, so lesen Sie von Jouÿ, L’Hermite de la Chaussée d’Antin.20 Eduard Ellisen21 in Frankfurt besizt es eigen. Ein treues Gemählde; für das neue Paris, was Mercier’s bekanntes Werk22 für das alte war. Durchx einen der Doktoren, können Sie sich’s ja von Ellisen, (oder besser

ix x

19 20 21

22

Orig.: sentimalen. Orig.: doch.

Vgl. Br. 9. Victor-Joseph Étienne de Jouy, L’Hermite de la Chaussée d’Antin, 5 Bde. (1812–1814). Eduard Leopold Ellisen (1791–1851), ein mit B befreundeter Frankfurter Kaufmann u. Bankier. Louis-Sébastien Mercier, Le Tableau de Paris (1781–1790), 12 Bde. – Le nouveau Paris (1799/1800), 3 Bde.

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von seiner Frau,23 die sich ein Vergnügen daraus machen wird es Ihnen zu leihen) verschaffen. – Jezt sehe ich wieder einem Briefe von Ihnen entgegen. Ich hoffe doch, daß Sie mich als einen guten Christ, jede Woche meinen Sonntag werden feÿern lassen. Wenn Sie Sichel24 sehen, grüßen Sie ihn von mir. Es wäre mir lieb, wenn Sie machen können, daß er Sie besucht. Sie würden von ihm manches über mich hören, und könnten durch ihn bewirken, daß Rothschild mich hier, seinem Bruder und andern empfiehlt. – Tausend Grüße meinen lieben Thieren, Guste, Jette, Ihrer Schwester, Allen. – Schreiben Sie mir doch, den wie vielten Tag, und um welche Stunde Sie meine Briefe erhalten, damit ich genau erfahre, wenn Sie sich mit mir beschäftigen. Adieu ma bonne Amie, je vous aime de tout Mon Coeur. Ich werde etwas später Tanzstunde nehmen. In meinem blauen Frack, bin ich zum küssen. War mein Bruder vorgestern bei Ihnen, Sie, wie ich ihm aufgetragen zu grüßen? Dr. Börne

14.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Paris, den 9. u. [11.] November 1819.

Nr. 5 Paris 9. Nov. 1819.i Heißen Sie der 5 November? So war Ihr lezter Brief unterschrieben, Ihren Familiennamen hatten Sie vergessen. Nennen Sie sich mahlerischer den 1 Mai, weil dieser Tag Ihrer Huld und himmlischen Freundlichkeit am nächsten steht. Sagen Sie dem fünften November, daß ich ihn mehr liebe als den schönsten Sommertag, und daß ich mich in seinen Strahlen ganz glücklich gesonnt habe. . . Doch, mir fällt ein, daß Sie ein Frauenzimmer sind, neugierig wie alle, und daß Sie daher, früher das hier einliegende Papier als meinen Brief lesen werden. Darum von dessen Inhalte zuerst. Cotta hat mir geantwortet, und erwünscht wie Sie sehen. Ja er giebt mir ein Gut i

O. Adr. – Der Br. wurde zwei Tage später fortgesetzt, aber nicht genau datiert (vgl. Br. 15).

23

Henriette E., geb. Holländer. Bernhard Juda Sichel (1780–1862), Frankf. Bankier, seit 1802 mit Isabella (Betty/ Bettchen) Rothschild (1781–1861) verheiratet.

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Stück Geld voraus, und wenn ich das Wort Inzwischen recht verstehe, ist der Wechsel von 1500 Fr. schon auf dem Wege. So hätte ich also auf dieser Seite allein jährlich 6000 Fr. Da das literarische Wochenblatt wahrscheinlich auch mit mir eingehen wird, und Theilnahme an hiesigen Blättern mir früher oder später zufallen muß, so denke ich es bald auf 12 000 Fr. jährlich zu bringen. Das wäre nun hinreichend für ein Stückchen Brod, für ein Stückchen Fleisch und ein Gläschen Wein. Hilft mir nun der liebe Gott zu Noch etwas, oder vielmehr befreit er mich von etwas, nehmlich von dem Briefwechsel mit Ihnen, der mir täglich lästiger wird, so will ich ihm sehr gut seÿn, und ihn in die Pariser große Welt einführen, wo er bis jezt keinen Eingang fand. Was die Frankfurter da schwätzen mit 3000 fr. jährlich, für die ich an der Renomée1 engagirt seÿn soll! Ein gewöhnlicher Uebersetzer wird hier weit besser bezahlt. Das ist nicht wie bei uns. Denken Sie sich, das gelesenste hiesige Blatt (Le Constitutionnel) hat nahe an 15 000 Abonenten. Das Abonnement zu 72 Fr. jährlich kann Ihnen jezt eine Berechnung geben, was gewonnen wird, und wie viel daher an Mitarbeiter verwendet werden kann. Wie ich Ihnen schon geschrieben, haben sich die Unternehmer eines neuen Blattes an mich gewendet und mich zur Theilnahme eingeladen. Binnen 8 Tagen wird die Sache auf die eine oder andere Weise entschieden seÿn. Wegen meiner Verbindungen mit Cotta, die mir einen anständigen Gewinn zusichern, kann ich dem Ausgange des andern Geschäfts ruhig entgegensehen. Ich werde große Bedingungen machen. Der Umstand, daß ich meine Artikel übersezen lassen muß, vermindert sehr meine Lust an französischen Blättern zu arbeiten, denn ich werde höchst unwahrscheinlich einen Deutschen von Talent finden, der mir meine Gedanken ungeschwächt wiedergiebt. In den besten hiesigen Zeitungen, finde ich in den Uebersetzungen aus deutschen Blättern, die nur trockne Nachrichten enthalten, die lächerlichsten Fehler. Wie wird es erst gehen, wenn Ideen von tieferem Sinne darzustellen sind! Sie ersehen aus dem Gesagten, liebe Wohlthäterin, daß ich nicht Noth leide. Aber Ihre Unruhe hat mir eine unendliche Freude gemacht. Das ungerechnet was ich von Stuttgart zu erwarten habe, besitze ich noch Geld auf lange – für eine Ewigkeit, nach der Rechnung meines Herzens, welches die Zeit nach der Dauer der Trennung von Ihnen abmißt, – nach der Rechnung meines prosaischeren Magens noch für 6 Wochen. Ueberhaupt war ich hierüber nie in 1

La Renomée war eine von Mitarbeitern der Minerve Française gegründete Zeitung der frz. konstitutionellen Liberalen um Benjamin Constant.

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Sorgen, denn ich habe in Frankfurt viele gute Freunde (wie Guste u. Jette) die, wenn sie hören daß ich aus Mangel an Geld zurückkommen muß, gern, wenn auch nicht ihren lezten, doch ihren vorlezten Kreuzer hergeben, um meinen Aufenthalt in Paris zu verlängern. Es gehört hierher, daß ich von dem Frankiren unserer Briefe spreche. Ich bin fest entschlossen, Ihnen auf keinen frankirten Brief zu antworten. Ich bin reicher als Sie, denn ich habe Sie in der Noth, aber Sie haben mich nicht (das werthlose Papiergeld meines guten Willens ungerechnet.) Sie machen mir im Ernste großen Verdruß, wenn Sie sich hierin nicht nachii meinem Wunsche richten. Wenn ich meinen Wechsel von Cotta bekomme, welches ohngefähr 700 Gulden beträgt, so werde ich, gleich mit meiner Schuldentilgung anfangen und zuerst Wenner2 und Steinthal3 bezahlen (400 fl zusammen) vielleicht kann ich noch in diesem Winter meine sämmtlichen Schulden bezahlen, und dann säume ich gewiß nicht, Sie zu besuchen. In der ungewöhnlichen Gestalt eines unschuldigen Menschen, erkennen Sie mich vielleicht nicht mehr. Ich werde dann genöthigt seÿn Ihnen meine alten Sünden in Erinnerung zu bringen. Und komme ich nach Hause, wie will ich mich herauspuzen! Die neuesten Pariser Moden bringe ich auf meinem Leibe mit; der Schneider Barth soll nach mir schicken. Ich werde natürlich meinen Eltern von meinen Geschäften schreiben, und da es ihnen Freude machen wird, den Brief des Cotta zu lesen, so, will ich meinen Bruder zu Ihnen schicken, um ihn sich geben zu lassen. Es ist Ihnen doch nicht unangenehm? – Was Sie mir alle sagen, über Laune, Unbeharrlichkeit, und daß ich ein Kind sei, Spielzeuge wegwerfend, die ich erst heftig verlangt, und daß ich mich nicht unterstehen solle, eine Tasse Thee bei Ihnen zu trinken – darüber lache ich nur. Bin ich einmal bei Ihnen, höre ich Ihre liebe Stimme, darf ich Ihnen die Hand drücken wie vor, dann mag man mich verspotten, tadeln wie man will, in meinem Himmel höre ich solche irdische Reden gar nicht. Es bleibt dabei; ist meine Unschuld gänzlich hergestellt, dann besuche ich Sie, und sollte es im tiefsten Winter seÿn, es wird mir nicht kalt auf solchem Wege. Nein, liebe Freundin, Ihre Briefe sind mir keine hinreichende Belohnung für meine Ausdauer. Das sind nur Wechselbriefe, mit denen ich mich nur

ii

ÜdZ.

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Johann Friedrich Wenner (vgl. Br. 127). Vgl. Br. 13.

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eine Zeit lang begnüge. Baares Geld ist meine Freude. – Mit meinen unbedeutenden Landsleuten hier, treibe ich mich wenig herum. Ich benutze sie nur um die Wege und Stege kennen zu lernen. Zu Benjamin Constand4 und andern kann ich täglich kommen. Ich habe es mit gutem Grunde bis jezt verschoben. Das wird sich alles schon machen. – Sie haben über Graf Schlabberndorf im Lexicon (wahrscheinlich Conversationslexicon) gelesen.5 Darin steht wahrscheinlich nicht viel davon. Die Zeitgenossen müssen Sie sich zu verschaffen suchen. – Ich habe vor einigen Tagen von Frankfurt anonÿme Briefe erhalten mit politischen Neuigkeiten. Vielleicht von Göntchen.6 Sind sie voniii ihm, so lassen Sie ihm durch Dr. Reis in meinem Namen herzlich danken. Doch hat er sich die unnöthige Mühe gegeben, mir auch Auszüge aus deutschen Blättern zu schicken. Ich brauche diese aber nicht, da ich hier sämmtliche Zeitungen lese. Es wäre mir lieb, wenn er sich eines Zeichens statt des Namens bediente, damit ich wüßte von wem die Nachrichten kommen. – Haben Sie denn nicht erfahren, aus welchem Grunde, mir bei der Frankfurter Polizei, einige Tage der Pass vorenthalten wurde? Ich möchte dieses gar zu gern wissen. – Meine Arbeiten für Cotta werde ich mit dem Morgenblatte7 beginnen. Ich denke so etwa Briefe, nicht allein über sondern aus Paris, in denen ich von allem Schwätze im Charakter meines Standpunktes. Da ich immer ein halbes Duzend hÿpochondrische Grillen habe, so leide ich jezt an der Aengstlichkeit, ich möchte meinen Verstand verlohren, und das Schreiben vergessen habe[n]. Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß ich noch mit Laune und Geist über etwas zu reden vermag. Sie schreiben mir, ich hätte Ihnen über Paris einige druckenswerthe Betrachtungen mitgetheilt. Im Ernste, ist das wahr? Sagen Sie mir offenherzig Ihre Meinung. Sind meine Redensarten noch soiv zierlich, als Sie sie sonst gefunden? Meine Briefe, dachte ich, hätten bis jezt

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ÜdZ. Orig.: sie. Benjamin Constant de Rebecque (1767–1830), Schriftsteller und liberaler Abgeordneter der 2. frz. Kammer. Das Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände, 10 Bde., 4. Aufl., F. A. Brockhaus Leipzig 1817–1819. Vgl. Br. 11. Morgenblatt für gebildete Stände. Stuttgart, Tübingen 1807–1837 (Cotta’sche Verlagsbuchhandlung).

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keine andere Fülle gehabt, als die ihnen die Freundschaft gab. Ja, Ihnen meine Bosheit zu gestehen, mit großer Schadenfreude hatte ich sie jedesmal vor dem Zusiegeln überlesen, und mich an dem Gedanken gelabt, daß Sie und die Mitleser, sich wohl auf Pariser Neuigkeiten gespizt, und sich mit der Versicherung meiner Ergebenheit und Liebe, mußten abdrollen. – Man soll doch nichts vernachläßigen, nichts gering achten, und nichts aufschieben. Sie wissen, daß ich einige Zeit vor meiner Abreise die Bekanntschaft des Hrn. v. Varnhagen8 gemacht habe. Er erbot sich mir Briefe nach Paris zu geben. Ich sagte: so bald käme ich doch nicht hin, und bat ihn, sich nicht zu bemühen. Seine Frau9 hatte mir ein Schreiben an eine Mademoiselle Mendelsohn hier, die Erzieherin beim General Sebastiani ist,10 schon zugesiegelt. Ich vergaß es mitzunehmen, und ging nicht wieder hin, weil ich dachte, das steht noch im weiten Felde, daß ich davon Gebrauch machen kann. Einige Wochen darauf war ich hier. Jezt sagen mir mehrere Bekannte, Mademoiselle M. wäre eine sehr interessante Person. Da ich nun an Varnhagen nicht schreiben kann, erstens weil ich seine Adresse nicht weiß, und zweitens weil er mir dieses aus politischen Gründen ausdrücklich untersagt hat, so ist dieses auf immer versäumt. Nehmen Sie sich eine Lehre daraus, liebe Tochter. Sie sind auch so eine leichtfertige Tollköpfin, die nichts überlegt was sie thut, und in den Tag hienein lebt. – Gestern war ich zum zweitenmale in der italiänischen Oper. Man gab Cimarosa’s Matrimonio secreto.11 Ich darf es Ihnen nicht sagen, wie viele Freude ich gehabt, Sie lachen nur dazu. Ich hatte während der ganzen Vorstellung an Sie gedacht, aber das zerstreute meine Aufmerksamkeit nicht, das erhöhte sie nur. Ich genoß für Sie mit. Kömmt nicht diese Musik dem Figaro nah, in Form und Gehalt? Daß ich Sie nicht her zaubern konnte! Aber würden mir in diesem Punkte jedesmal meine Wünsche erfüllt, dann erginge es mir wie dem Göthe’schen Zauberlehrling. Ueber die allzugroße Dienstgefälligkeit der beschwohrnen Geister, würden Sie zu Grunde gehen, also auch ich. Müßten Sie all die schönen Hüte tragen, die ich im Vorübergehen bei den 8 9

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Karl August Varnhagen von Ense (1785–1858), Schriftsteller u. preuß. Diplomat. Rahel Varnhagen von Ense, geb. Levin (1771–1833), 1814 protestantisch getauft und mit Karl August V. verheiratet. Aus ihren umfangreichen Korrespondenzen mit prominenten Zeitgenossen wurden einige Briefe 1821 in Bs Wage publiziert. Henriette Mendelssohn (1775–1831), Tochter v. Moses M., 1812 zum Katholizismus konvertiert, war Erzieherin von Fanny Sebastiani, der Tochter des frz. Marschalls Horace Comte de Sébastiani (1772–1851) in Paris. Il matrimonio segreto (1792), Oper v. Domenico Cimarosa (1749–1801).

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Puzläden für sie auswähle, alle die Schawls die ich Ihnen umhänge, müßten Sie die Düfte aller der Blumen ertragen die ich um Ihnen herstellen, und die Musik anhören mit der ich Ihr Ohr erfülle, dann hätte ich bald Ihren Tod zu beweinen. Das italiänische Opernhaus12 ist kleiner als unser Frankfurter Theater. Man findet dort immer die auserlesenste Gesellschaft. Nur ächte Musikfreunde kommen dahin. Auch sind die Pläze theuer. Der niedrigste kostet 3 Fr., der höchste 7. Es ist hier, wie alles in Paris, eingerichtet, daß der Genuß vollkommen sei. In den gedruckten Opern-Texten, steht neben dem Italiänischen die Französische Uebersezung, für solche die ersteres nicht verstehen. Ich glaube es Ihnen schon geschrieben zu haben, daß, wer hier nicht Grundsätze hat, oder durch Alter und Erfahrung nüchterner Ueberlegung geworden ist, unmöglich einen Kreuzer Geld in der Tasche behalten kann. Man kann hier jede Laune wie jedes Bedürfnis zu allen Zeiten und an allen Orten befriedigen. Es reicht nicht hin Gelegenheiten zum Aufwande zu vermeiden, man muß sie mit Anstrengung abweisen. In Frankfurt hat man wenigstens Abends um 11 Uhr seine Kasse in Sicherheit gebracht, und bis den andern Tag ist man zur vernünftigen Ueberlegung gekommen, und unterdrückt eine unzeitige Begierde. Aber in Paris gehen die Tausend Lockungen nie zu Bette. Da ich zum erstenmale im Theater war, that es mir leid, kein Perspectiv zu besizen. Ich hätte mir eins kaufen sollen, dachte ich. Nun desto besser, dachte ich weiter, daß Du es vergessen, so hast Du wenigstens für diesesmal dein Geld gespart. Ja sparen! Kaum den Gedanken gehabt, stand schon ein Kerl mit Gläsern in meiner Loge. Sie werden hier in allen Theatern vor dem Stücke und in den Zwischenakten herumgeschrieen. Ich kaufte eins. So werden auch, nicht allein die Opern-Texte, sondern auch jedes Schauspiel das gegeben wird, im Theater selbst feil getragen, welches sehr angenehm ist. Denken Sie nur was das einem dramatischen Dichter für Geld einbringt! Die Geseze sichern ihm einen großen Theil an der Einnahme zu, die bei der Vorstellung seines Stückes jedesmal abfällt. Und dann verkauft er das Manuscript für 4 bis 10 000 Fr. Und hier ist natürlich nur von Schriftstellern des zweiten Ranges die Rede. Sobald nur ein Buch von einigem Interesse erscheint, so wird die ganze Auflage von mehreren tausenden Exemplaren schon in den ersten Tagen verkauft. Ich dürfte mir schmeicheln, daß wenn ich solche Theaterkritiken, wie ich sie in der Wage geliefert, hier im Französischen,

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Von März 1819 bis November 1825 spielte das Théâtre Italien im Salle Louvois.

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und mit dem höhern Interesse, welches der reichere Stoff gewährt, schreiben könnte, ich in Paris allein zehentausend Abonnenten sicher erhielte. Nach Verhältnis dessen was man hört und sieht, sind die Schauspiele eigentlich nicht theuerer als bei uns; denn es wird zweimal so lang gespielt. Zwei große Opern, zwei Schauspiele von Moliere hinter einander. Von kleinern Stücken 4 oft 5. Haben Sie sich satt gesehen, und gehen in der Mitte heraus, so können Sie Ihre Contre-Marque13, wenn Sie sie nicht verschenken wollen, an dem Eingange verkaufen, wo eigene Leute dieses Gewerbe treiben, die dann die Billete an Andere die später hieneingehen, mit Gewinnst wieder verkaufen. Leute von gutem Ton, besuchen hier jeden Abend mehrere Theater. Das Gedränge vor dem Hause wenn ein neues oder beliebtes Stück gegeben wird, ist gar nicht zu beschreiben. Es wird aber strenge Polizei gehalten; es dürfen nur immer zwei Personen neben einander stehen. Dadurch wird nun eine unendliche Reihe gebildet, durch ganze Straßen, viele hundert Schritte weit. Das nennt man faire Queue. Vor dieser an den Häusern und Wänden sich herziehenden Menschenschnur, steht alle 10 Schritte ein Gensd’armes, damit keiner sich vordränge. Es giebt keinen sonderbarerenv Anblick. Es sieht aus, als würde ein Trupp Gefangener bewacht. Aber wer zu spät kömmt, geräth darum nicht in Noth. Denn wieder eine andere Klasse Menschen treiben das Gewerbe, daß sie sich frühzeitig an der Kasse postiren, und jedem gegen ein Trinkgeld sein Billet nehmen. Als ich gestern an der Oper das Gedränge schon vorfand, wollte ich die Dienste eines solchen Kerls benutzen, und verlangte ein Billet von ihm. Er wies mich aber ab. Er sagte, daß er nur Billete der trois premières ordres besorge. Natürlich weil er darnach die Bedeutung seiner Leute und seines Trinkgeldes berechnet. Ich hatte aber einen Plaz der 4ten Ordnung (für 4 Fr.) gefordert. Das sind nobele Gesinnungen! Ich hatte aber doch, den, deutscher Grobheit so ungewohnten Franzosen, mit meinen Ellnbogen so sehr imponirt, daß ich alles wegdrängte, und einer der ersten im Hause war. . . Aber ich Narr, ich merke eben erst, daß ich erzähle wie ein Mädchen. Verzeihen Sie mir. – Wichtige politische Ereignisse sind hier im Gähren. Es scheint daß eine Ministerial-Veränderung bevorsteht. Die Ultras können wieder einmal siegen. Man hat vielleicht von

v

13

Orig.: kein sonderbarer. Kontrollkarte, die beim Verlassen einer Vorführung den Wiedereintritt ermöglicht.

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Deutschland aus hieher gewirkt, denn alle Beschlüsse des Bundestages wären vergebens, wenn Frankreich sein Liberales Sÿstem beibehielte; doch schlösse sich lezteres an, vielleicht noch vergebener. Es wäre ein Unglück für die Welt.14 – Beschäftigen Sie sich mit irgend einer Lectüre? Mit welcher? Ich möchte jede Bewegung Ihres Körpers und Ihres Geistes erfahren, auf die Ihres edlen Herzens weiß ich zu schließen. – Wie einförmig ich bis jezt hier gelebt habe, würden Sie nicht errathen, wenn ich es Ihnen nicht sagte. Mit diesem Briefe war ich des Abends zwischen 6 und 10 beschäftigt, zu einer Zeit wo ich in Frankfurt nie zu Hause war. Wenn ich nur jeden Abend in einem Zauberspiegel sehen könnte, wie es bei Ihnen aussieht, und wer bei Ihnen ist! – Wenn ich nur Ihr Füßchen hier hätte, man hat so wunderschöne Pelzschuhe und andere. Wenn ich eine Zeit lang recht brav und fleißig und fromm war, und ich überzeuge Sie davon, nicht wahr, dann schicken Sie mir zur Belohnung das Maas von Ihrem Füßchen? Dieses wäre mir ein Maas Ihrer Freundschaft. Und Hüte sieht man hier! Ihr gelber Strohhut ist gewiß schön, wird aber von jenen noch übertroffen. Haben Sie sich diesen Winter noch nicht gepuzt? Haben Sie das Chemisett angehabt, worin Sie so lieb aussehen? – Ich versprach Ihnen, nichts zu verschweigen von dem was ich thue und erfahre, Gutes oder Bößes. Nun, so nehmen Sie mein Geständnis an, daß ich mich seit 3 Tagen nicht gewaschen habe. Des Morgens, wenn ich aus dem Bette steige, ziehe ich mich eilig an, und gehe in ein neu gelegenes Kaffehaus um zu frühstücken (Ich könnte dieses zwar zu Hause, aber um der Zeitungen will[en], thue ich jenes lieber. Dieses ist hier üblich.) Um mich zu waschen, hätte ich mich wieder auskleiden müssen; aber da ich, wie Ihnen bekannt so geizig auf die Zeit bin, unterließ ich es. Ich will mich aber gewiß bessern. – Ich werde Sie jedesmal davon benachrichtigen, wenn ich ins Morgenblatt oder sonst in ein anderes, etwas einschicke, damit Sie es lesen. Hätte ich einen Abschreiber, so würde ich Ihnen meine Sachen handschriftlich zuschicken. Doch hat es für mich wieder einen eignen Reiz, wenn ich, gleichsam verstohlen, gedruckt mit Ihnen correspondiren kann. Denn alles ist doch immer in Gedanken an Sie ge-

14

Ultra-Royalisten: Partei der extremen Monarchisten und Gegner der liberalen Verfassung (Charte Constitutionelle von 1814) auf der rechten Seite der Abgeordnetenkammer. Anders als B es hier vorhersagt, gingen aus den Wahlen 1819 die Liberalen gestärkt hervor. Am 20. November übernahm die gemäßigte Partei unter Herzog Élie Decazes (1780–1860) die Regierung, die von B befürchtete Gefahr einer radikalen Restauration war zunächst gebannt.

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richtet. Doch drückt mich immer die Besorgnis ich möchte nichts ordentliches zu Stande bringen. Sie waren die Hälfte meines Geistes, und diese Hälfte ist von mir gewichen. Ach, was ersezt mir die innigste Freude die ich jedesmal genoß, wenn ich Ihnen von meinen Arbeiten vorlas, und Sie mir Beifall bezeugten? Nichts und keiner vermag es. Nur die Hoffnung Sie wieder zu sehen, erheitert meine unfreundliche Gegenwart, nur das Bemühen Ihrer Freundschaft würdig zu werden, beschäftigt mich angenehm. Adieu. Meinen herzlichen Gruß an Hrn. und Madam Ochs, an die Kinder die Doktoren, und alle. Wenn Sie Sichel sehen und seine Frau,15 grüßen Sie sie doch von mir. Vergessen Sie nicht künftig Ihre Briefe zu Numeriren, und den Empfang der Meinigen nach der Nummer anzuzeigen. Dr. Börne

15.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Paris, den 14. u. 17. November 1819.

Nr. 6. Paris 14. Nov. 1819.i Mein voriger Brief, den Sie durch meinen Bruder erhalten haben werden, war vom 9 Nov. datirt. An diesem Tage hatte ich ihn angefangen, aber erst am 11ten geendigt und auf die Post gegeben. Ich bemerke Ihnen das, liebe Freundin, damit Sie nicht etwa glauben, der Brief wäre aufgehalten oder zurückgehalten worden. Cotta hat mir unterdessen 1500 Fr. wirklich hier angewiesen, und ich habe auf der Stelle 800 Fr. davon meinem Vater1 geschickt, um davon den Wenner2 und den Steinthal3 zu bezahlen. Ich hoffe lezterer wird meine edlen Gesinnungen gehörig ausbreiten, um mir bei meinen übrigen Gläubigern einen guten Namen zu machen, und ihnen Vertrauen einzuflößen. Auch von Weimar habe ich Antwort erhalten. i

15

1 2 3

O. Adr. Isabella (Betty/Bettchen) Rothschild (1781–1861), Tochter Amschel Meyer R., 1802 verh. mit Bernhard Juda S. (vgl. Br. 13). Vgl. Br. 13. Vgl. Br. 127. Vgl. Br. 13.

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Meine Anträge hat man mit Freuden angenommen; und wie freudig! Sie wollen mehrere Mitarbeiter gleich abschaffen, um mir Plaz einzuräumen. Auf meine Frage: für wie viel Geld sie mir wohl jährlich Beschäftigung geben können? antworteten sie mir: bestimmen ließe sich das nicht für jezt, doch bis 800 Thlr. (1440 Gulden) könnten sie mir zusichern. Auch wurden mir 40 Louisd’or Vorschuß angeboten. Ich habe ihnen aber geantwortet, daß ich jezt kein Geld brauchte. Hätten Sie vor 4 Wochen gedacht, liebeii Freundin, daß ich so etwas ausschlagen würde? Wegen meiner französischen Zeitung4 ist immer noch nichts beschlossen. Die Herren hatten mir vor einigen Tagen, von meinen Zeitschwingen und Wageheften sich einige ausgebeten, um mich darnach zu beurtheilen. Die werden viel herausverstehen! Im Deutschen sind sie grade nicht stark. Aber wenn sie sich nun wirklich mit mir verbinden wollten, so könnte ich wahrhaftig ohne den größten Leichtsinn gar nicht darauf eingehen. Wie will ich alle die Arbeit fertig bringen? Ich habe schon mit den zwei deutschen Blättern genug zu thun. Meinen Sie nicht auch? Beantworten Sie sich das ehe Sie weiter lesen . . . . . . . . . Nun, wenn Sie dieses meinen, sagen Sie mir (aber werden Sie nicht böße) warum soll ich in Paris bleiben? Kann ich dieselbe Arbeit nicht auch in Frankfurt verrichten? Sie haben ja selbst aus Cotta’s Brief gesehen, daß er von meinem Aufenthalte hier, grade keinen besondern Vortheil zu ziehen weiß. Es waren gestern 4 Wochen, daß ich von Ihnen entfernt bin. Nun, ich will noch 4 Wochen hier bleiben. Ist das nicht genug? Wenn Sie mir von Unbeharrlichkeit reden, so thuen Sie mir unrecht, oder Sie machen mir einen Vorwurf, den alle Menschen so gut als ich verdienen. Es ist jedem das ernsteste das wichtigste Geschäft, glücklich zu seÿn, dem er alles aufopfert. Ich kann es nicht seÿn entfernt von Ihnen, ich habe hier erst eine frohe Stunde genossen, und diese war nicht rein, ich hatte mich bei Tische fröhlich getrunken. Sagen Sie aber mein Zweck sei zu arbeiten, so ersehen Sie ja aus dem oben gesagten, daß ich dazu in Frankfurt nicht weniger Gelegenheit habe. Den Herausgeber des literarischen Wochenblatts, habe ich, nicht grade angetragen die Redaktion des ganzen Blattes zu übernehmen, aber im Vorbeigehen zu verstehen gegeben, daß ich mich gern damit ausschließlich beschäfftigt hätte. Vielleicht fassten sie es auf, und verstehen

ii

Orig. folgend: Jeanette.

4

Betrifft vermutl. Bs Mitarbeit beim Constitutionnel (vgl. Br. 11).

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sich bereit dazu. Denn ihre sämtlichen jezigen Arbeiter sind gar zu erbärmlich, wie sie mir in ihrem Briefe selbst sagten. Sie können mir dann nicht weniger als 5000 Gulden jährlich bieten, und ich würde es in Deutschland, und wenn auch nicht in Frankfurt doch in Ihrer Nähe schreiben. Noch einmal ich fühle mich sehr unglücklich hier, und, weil ich Ihnen die Wahrheit sagen muß, ich habe zwar etwas gearbeitet, aber fleißig war ich noch nicht. Glauben Sie nicht, daß ich umherlaufe und mich zerstreue. Ich bin fast den ganzen Tag zu Hause, und gewöhnlich auch des Abends, wenn ich nicht ins Theater gehe. (Meine Briefe an Sie sind meistenstheils um dieser Zeit geschrieben) Aber da gehe ich die Stube auf und ab, und Träume. Bekanntschaften zu suchen habe ich durchaus keinen Trieb. Sie kennen mich ja hierin, und wie wenig Freude mir fremde Menschen machen. Was hiesige Gelehrte, zu denen ich kommen könnte, interressantes für mich hätten, suche ich lieber in Ihren Schriften. Vielleicht habe ich Unrecht, daß ich Ihnen mein Misvergnügen nicht verhehle, und Ihnen Verdruß mache. Aber ich weiß, daß Ihre Freundschaft dieses willig aufnimmt, ja es fordert. Wären Sie hier bei mir, so wünschte ich mir keinen andern Aufenthaltsort als Paris. Mit Ihnen alles zu sehen, zu hören und zu genießen, ist der Traum, der mir viele trübe Stunden aufheitert. Aber das Glück das mir Ihre Briefe geben, ist kein Traum, das ist die schönste Wirklichkeit, und von jedem derselben ernähre ich mich einen ganzen Tag. Schon zwanzigmal kam ich auf den närrischen Einfall, ob ich nichts thun könnte, daß mich die hiesige Polizei auswiese, damit ich nur mit guter Art fortkäme. Ich wollte, ich wäre ein schönes Mädchen, ich würde dann bald einen tollen Engländer auffinden, der mich nach Deutschland entführte. – 17 November . . . Ich setze meinen Brief nach 3 Tagen fort. Ich fühle mich täglich unbehaglicher, und ich muß nach Hause zurück. Dazu bin ich auch fest entschlossen, und ich werde in wenigen Tagen abreisen. Wenn Sie diesen Brief empfangen, schreiben Sie mir nicht mehr. Doch sollte schon Einer von Ihnen auf dem Wege seÿn, so hat das nichts zu sagen. Ich werde dafür sorgen, daß er mir von hier nach Frankfurt zurückgeschickt wird. Der lezte den ich von Ihnen erhielt war vom 5ten Nov. Sie müssen unterdessen zwei von mir bekommen haben (Nr. 4 u 5). Also ich komme zurück. Ich verliehre ja nichts dabei. Aus der Zeitung ist nichts geworden, sie ist nicht zu Stande gekommen. Meine Arbeiten nach Stuttgart u. Weimar kann ich in Frankfurt auch verrichten, und ich brauche dort weniger als hier. Jezt, da ich nun einmal zu einem festen Entschluß gekommen nach Hause zu reisen, bin ich wieder vergnügt. Ich werde Ihnen auf jeden Fall noch einmal von hier schreiben.

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Dann auch auf der Reise selbst. Sie sollen ganz genau die Stunde meiner Ankunft in Frankfurt erfahren. Machen Sie mir keine Vorwürfe. Sie wissen nicht wie unglücklich ich michiii fühlte. Versäume ich denn etwas, indem ich von hier weggehe? Bereiten Sie die Leute darauf vor, und erklären Sie die Sache so gut Sie können. Bin ich nur wieder einmal bei Ihnen, ich will gewiss alles gut machen, ich will arbeiten wie ein Tagelöhner. Sie sollen mit mir zufrieden seÿn. Ich schreibe Ihnen heute nur einen halben Bogen; denn bekomme ich morgen Brief von Ihnen (es ist heute 9 Tage, daß ich nichts von Ihnen erfahren), schreibe ich Ihnen morgen wieder. Ich werde meinem Bruder5 zwar schreiben, doch wenn Sie Gelegenheit hätten, ihn zu sprechen, und durch denselben meine Eltern auf meine Rückkunft vorbereiten zu lassen, wäre es mir sehr lieb. Sie müssen auch die Sache plausibel darstellen (oder durch Dr. Stiebel6 es thun lassen), Sie müssen eine Tugend aus meiner Sinnesanderung machen. Sagen Sie ich wollte in Frankfurt bleiben, weil ich in Paris zu viel Geld brauchte, mich auch die Zerstreuungen zu sehr vom Arbeiten abhielten. Werden Sie mir nur nicht böße. Sie sollen gewiß mit mir zufrieden seÿn. Ich lasse Sie den ganzen Tag Klavier spielen, ich schreibe den ganzen Tag. Abends komme ich auf ein halbes Stündchen zu Ihnen, und lese Ihnen meine Arbeiten vor. Und sonne ich mich dann wieder in Ihrer Freundlichkeit, und fühle mich zurück, wie unglücklich ich hier war in meiner langen Nacht, so werde ich meinen Schöpfer preißen. Wenn Sie mich mit Vorwürfen empfingen, wie Unrecht hätten Sie. Doch thun Sie es meinetwegen. Ich lache Sie und alles aus. Keinen Schritt entferne ich mich künftig mehr von Ihnen. Säße ich nur schon im Postwagen. Heute ist Mittwoch. Ich denke Samstag oder Sonntag abzureisen. Sie erfahren genau die Stunde meiner Ankunft, denn ich werde, die lezten Stationen Extrapost reisen, damit ich zur bezeichneten Minute eintreffen. Wenn Sie mich mit Schmähungen empfangen wollen, sorgen Sie dann wenigstens dafür daß Sie allein sind, und ich nicht beschämt werde. Damit mich die Mädchen nicht auslachen, werde ich ihnen so viel Bonbons mitbringen, daß sie den Mund 8 Tage lang zu nichts anderem als Essen sollen gebrauchen können. Bekomme ich heute Abend Brief von Ihnen, schreibe

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5 6

ÜdZ, Orig.: bin. Vgl. Br. 2. Vgl. Br. 6.

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ich morgen wieder. Lassen Sie auf jeden Fall durch Dr. Stiebel, meinen Bruder7 von meiner Rückkunft unterrichten, damit mein Zimmer in Ordnung gebracht werde, u. bitten Sie Stiebel, meinen Entschluß zu rechtfertigen, er mag ihn nun im Herzen billigen oder nicht. Sagen Sie ihm, ich hätte ihm hier eine Professorstelle verschafft. Adieu. Zanken Sie, schelten schlagen, hassen Sie mich. Ich bin doch der glückseligste Wurm wenn ich wieder zu Ihren Füßen liege. Börne.

16.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Paris, den 18. November 1819.

Nr. 7. Paris. Den 18 Nov. 1819.i Es fällt mir eben bei, daß Sie auf meiner Rheinreise auch 7 Briefe von mir erhalten haben. Dieser siebente wird wahrscheinlich der lezte seÿn, man erträgt keine längere Trennung von Ihnen. Lassen Sie mich wenigstens hoffen, daß Sie mir die erste Stunde des Wiedersehens, durch keine Vorwürfe verderben. Sonntag werde ich abreisen. Auf dem Wege schreibe ich Ihnen noch einmal, und zwar unweit Frankfurt, wo ich es so einzurichten gedenke, daß ich die Uhr bestimmen kann, wenn ich zu Ihnen ins Zimmer trete. Ihr Schreiben Nr. 5 habe ich gestern erhalten. Mein Freund Oppenheimer1 hat Recht. Es ist eine Freude in Paris zu wohnen, aber die Engel machen den Himmel. Meine Jeanette ist Braut, und bekömmt 20 000 Gulden? Das kann beides nicht seÿn. Wenn meine Jeanette heirathet, bringt sie eine Million, eine Krone, ein Paradies zur Mitgift. Sie haben Ihren grausamen Spott mit mir armen Menschen getrieben. Es kann nicht seÿn, denn ich habe diese Jeanette so sehr geliebt. Nein nicht sie, die Tugend, die Liebenswürdigkeit, die Anmuth, die Engelsgüte habe ich in ihr geliebt. Ich hatte keinen andern Gedanken, keine andere Empfindung, als das Sinnen und die Sehnsucht wieder zu ihr zu kommen, und ihre Hand an mein Herz i

O. Adr.

7

Vgl. Br. 2.

1

Gemeint ist der Maler Moritz Daniel Oppenheim (1800–1882).

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zu drücken. Und jezt sollte sie mich verstoßen, aufgeopfert haben um einen Menschen, an dem nichts brennt als das Haar auf dem Kopfe? Ich glaube dieses nicht von meiner Jeanette, und wenn ich es glauben müsste, so glaubte ich es nicht lange. Sie haben gelogen. Oder betrüben Sie mich nur so fort, es freut mich, wenn Sie mich für meine Schuld vorausbestrafen, und mich dann freundlich und versöhnt empfangen. – Ich brauche jezt keine andere Empfehlungen als an Sie selbst. Sollten Briefe an mich schon abgegangen seÿn, so werde ich, wenn ich Ihnen schon schrieb, dafür sorgen, daß sie mir nach Frankfurt zurückgeschickt werden. – Ich mag und kann mich auch (wegen nöthiger Vorbereitungen zur Abreise) jezt damit nicht aufhalten, Ihnen von Paris und mir zu schreiben. Bald erzähle ich Ihnen ja alles mündlich. In den ersten 8 Tagen darf kein anderer zu Ihnen ins Haus, als der glücklichste aller Doktoren. Sind Sie viel gewachsen? Und wie freue ich mich auf die Pfeife Toback, die ich bei Ihnen rauchen werde. Aber Arbeiten will ich zu Hause wie ein Pferd. Lauter elegante Sachen, fürs Morgenblatt.2 Dann schreibe ich ein Frankfurter Theaterjournal. Jeden Abend bringe ich etwas zum Vorlesen mit. Der Teufel soll mich holen, wenn ich nicht Worte halteii. Eine Station vor Frankfurt wird Toilette gemacht. Das heißt: das Halstuch das Sie mir geschenkt haben, wird angezogen. Dann klopfe ich mit dem Glockenschlage der Stunde die ich Ihnen bestimme werde, an Ihr Zimmer warte aber nicht bis Sie „herein“ gerufen haben, und sage: da bin ich. Sie werden zornig aussehen wollen, es wird Ihnen aber nicht gelingen. Sie sind Schuld an allem, nicht ich. Erinnern Sie sich, wie oft ich Ihnen gesagt: ich fürchte wenn ich reise, daß ich nicht lange Geduld habe, und mich die Leute auslachen werden, wenn ich schnell zurückkomme. Sie sagten immer: reisen Sie nur erst. – Daß Sie mir nur die Einrichtung treffen, daß Sie allein sind wenn ich komme. Sagen Sie keinem von dem Tage meiner Ankunft. Können Sie einem Besuche nicht ausweichen, so seÿen Sie um die bestimmte Stunde in Ihrem hinterem Zimmer. Ich muß den Brief schließen. Ich gehe eben mir eine silberne Uhr zu kaufen, um meine Ankunft darnach bestimmen zu können. Wie gesagt, ich schreibe Ihnen auf der Reise alles genau. Meinem Bruder3 hab ich heute ge-

ii

ÜdZ.

2

Vgl. Br. 14. Vgl. Br. 2.

3

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schrieben, daß ich komme. Ich sagte, da ich an franz. Blättern nicht arbeite, so wollte ich hier nicht unnothig Geld verzehren. Er wird zu Ihnen kommen Sie zu grüßen. Bearbeiten Sie ihn gehörig, sagen Sie unter diesen Verhältnissen thäte ich recht zurückzukommen, und zeigen Sie Ihre Verwunderung über meine Oekonomischeiii und solide Gesinnung. Adieu. Ich muß endigen. Ich habe noch viel zu besorgen. Meinem Bruder sagte ich, ich würde Ihnen morgen schreiben. Wie Sie sehen habe ich es aber schon heute gethan. Boerne.

17.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Wiesbaden, den 27. u. 28. Mai 1820.

Nr. 1. Wiesbaden. Samstag 27 Mai 1820 Abends 10 Uhr.i Freundin meiner Seele! Ich nenne Sie so, weil die Seele unsterblich ist. Ganz zerschlagen und schlaftrunken wie ich bin, will ich doch versuchen was das Herz, über die Hände und die Augen vermag. Aber wie Sie über die Nummer 1 erschrekken werden! Also es folgen mehrere Briefe? Also er bleibt länger weg? Es kann geschehen. Vielleicht gehe ich nach Rüdesheim und weiter, so weit meine Gulden und meine Stiefel reichen. Leztere sind geplazt und haben eine fürchterliche Spalte. Zwei Gewitter haben mich überfallen, um ‹3› Uhr Nachmittag, und Abends um 8. Ich darf mir wohl, ohne mir zu schmeicheln vorstellen, daß Sie Angst um mich gehabt haben werden, denn auf ein bischen Angst mehr, kömmt es Ihnen bei solchen Gelegenheiten nicht an. Doch, ich war beide Male geborgen. Ich werde Sie, wenn wir wieder einmal nach Eppstein gehen, überreden mit auf dem Marktschiffe zu fahren. Das geht recht gut an. Es waren mehrere Frauenzimmer von Stande darauf. Von Bekannten traf ich den Hauptmann Scherbius1 und iii

Orig: Oekomische.

i

O. Adr.

1

Carl Jacob Scherbius (gest. 1836).

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den Mahler Wendelstädt.2 Der Erstere hat mir einen herrlichen Weg nach Wiesbaden bezeichnet, sonst wäre ich in meiner Dummheit wie ein Frachtwagen auf der Chaussee fortgerollt. Ein junger starker Mann, der auf dem Schiffe war, führte einen reich gepolsterten Lehnsessel mit. Wie lachte ich der Verzärtelung! Als er aber den Stuhl auf ’s Verdeck stellen ließ, und ganz gemächlich darin saß, und der Aussicht genoß, da dachte ich: der Mann ist klug. Wahrscheinlich macht er die Rheinreise auf diese Art. Wie schnell man bekannt wird auf einem Marktschiffe! Die trockne Welt ist aber auch gar zu groß, wie soll man einen Menschen lieben? Es sind ihrer so viele. – Ja, wenn man so auf der Reise; unter dem Gehen Schiffen und Fahren arbeiten könnte, wenn sich die Gedanken sobald man sie gedacht von selbst hinschrieben, ganz fertig und gefeilt im schönsten Stÿle, dann wäre es eine Freude, Gelehrter zu seÿn! Aber zwischen vier Wänden auf der Döngesgasse3 – pfui! Mein Weg führte mich über Hofheim, und unter der Kapelle vorbei. Als ich das herrliche Thal wieder fand, das wie Freundes=Arme öffnet, den Nahenden zu empfangen, und ich ihm tief ins Herz sehen konnte, da erinnerte ich mich so lebhaft, wie froh wir hier vor wenigen Tagen waren. – – Morgens 6 Uhr. Es war zwei Uhr Nachmittags da ich von Hofheim weiter gehen wollte. Als ich einige hundert Schritte über den Orte hienaus war, kömmt mir eine unzählige Schaar Bauern und Bäuerinnen, alle laufend entgegen. Es waren Wallfahrer die nach dem nahe gelegenen Gimbach4 wollten. Sie sagten mir ein fürchterliches Wetter sei im Anzuge. Ich hatte es früher nicht bemerkt, und wäre ohne diese Warnung fortgegangen. Nach Hofheim zurück, wo sich das Wirthshaus mit Pilgern und recht sehr schönen Pilgerinnen anfüllte. Ihr Lärm überschrie den Donner. Sie aßen, tranken, lachten, scherzten, und hatte ja Einer seinen Gott im Herzen, so war es ein lebensfroher Gott, der die Freudigen nicht störte. Ich ließ mir erzählen, daß sie, in dem, dem Wallfahrtsorte nahegelegenen Dorfe, wo sie heute übernachteten, alle Scheunen u. Scheuern ausfüllten, Männer, Weiber, Kinder in bunter, und in so großer Menge, daß sie nebeneinander kaum Platz haben. Die Pfaffen haben es verstanden die spendende Andacht reizend zu machen. Ich nahm das Gebetbuch eines sehr schönen jungen 2 3 4

Karl Friedrich Wendelstadt (1785–1840). Vgl. Br. 4. Ziel der Gimbacher Wallfahrt war die Eremitage St. Johannes, gelegen beim Gimbacher Hof nahe Fischbach (Kelkheim/Ts.). Die 1830 abgerissene Kapelle beherbergte ein Wallfahrtsbild und einen christlichen Grabstein aus dem 7. Jahrhundert.

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Bauermädchens in die Hand, worin das Glaubensbekenntnis eines Katholiken den Anfang macht. Dieses Glaubensbekenntnis enthält so schreckliche als lacherliche Satzungen. Nachdem alle verflucht werden, die anders denken, heißt es: „ich glaube was im Concilium zu Trient erkannt und beschlossen worden“ Wenn ich mit dem Mädchen allein wäre, dachte ich, was wollte ich dem guten Kinde nicht alle weiß machen, was im Concilium zu Trient beschlossen worden ist – Zu Hofheim, wurde mir beim MittagEssen eine ungeheuer dicke Forelle aufgetischt. Als ich sie aufschnitt, – denken Sie sich mein Erstaunen – da lag die Bouteille die wir vor 8 Tagen in den Bach geworfen, dem Fische im Bauche. Die Pilger schrieen Wunder! und kreuzigten sich – Um 7 Uhr kam ich hier an, kurz vorher, ehe das zweite Ungewitter losbrach. Einige hinkende Gäste sieht man schon hier und da. Zwei Frankfurter Maurermeisterinnen, ging[en] gar stolz im Kursaale auf und ab. Das Wetter diesen Morgen ist trübe. Aus Ihrem Gange nach Bergen wird wohl auch nichts werden. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich kann mit meinen geplazten Stiefeln weder vor noch rückwärts. Bessert sich das Wetter, dann gehe ich nach Biebrich, wo nicht zurück. Auf jeden Fall bleibe ich Mittag hier – Auf der Landstraße waren alle Augen auf mich gerichtet. Nahe bei Wiesbaden fuhr ein[e] vierspännige vornehme Dame vorbei; die ließ still halten und rief mir zu: glänzender Jüngling wo wanderst du hin? Nach Zeilemmaukem, antwortete ich. – Verirrt habe ich mich auch mehrere Male; auf der breiten Landstraße wo man den Weg nicht verfehlen kann, steht überall ein Wegweiser, aber auf Fußpfaden nicht. Die Welt, liebes Kind, ist nicht für uns Fußgänger gemacht. – Ich muß den Brief schließen, erstens weil die Post abgeht, und zweitens weil ich zu einem Schuhmacher gehen muß, meine verwundeten Stiefel heilen lassen. „Das ist ein vergnügter Weg“ sagte mir gestern, Abend ein Weinlustiger Bürger, der sich auf einem Spaziergange zu mir gesellte. Ich wünsche Ihnen vergnügte Wege durch das ganze Leben. Grüßen Sie das liebe Publikum. Von Venedig mein nächster Brief. Ich küsse Ihre liebe Hand Und bleibe bei Verstand und Unverstand Zu Hause und in fremdem Land Der Ihrige wie bekannt. Jezt Punktum und Streusand. Dr. Börne.

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Wiesbaden, den 28. Mai 1820.

Nr. 2. Wiesbaden. Sonntag Morgens 9 Uhr. 28 Mai 1820.i Ich wollte Ihr Glück, nicht dem gutem Willen eines Bedienten anvertrauen, und habe daher, den Brief so eben selbst auf die Post getragen. Aber damit war auch die Geduld meiner Stiefel zu Ende, und sie wurden fürchterlich aufgebracht, so daß meine Strümpfe ans Fenster liefen, und erschrocken fragten: was der Lärm bedeute? Ich habe meine Stiefel zum Schuhmacher schicken müssen, und wenigstens eine Stunde muß ich darauf warten. Da sitze ich nun gefangen und barfuß. Es ist doch schön, daß mein guter Engel mich überall hin begleitet, und mir in der Noth die Zeit vertreibt. – So eben bricht die Sonne durch die Wolken; danken Sie ihr, dieses hält mich vielleicht einen Tag länger von Ihnen entfernt. – Gestern Abend legte mir der Kellner das Fremdenbuch vor, daß ich mich hieneinschreibe. Ich that es. Er bemerkte mir ich hätte meinen Charakter vergessen. Mit der Polizei ist nicht zu spaßen, man darf sich keine Lüge erlauben. Ich bezeichnete meinen Charakter: edelmüthig, wohlthätig, sanft, beständig, angestrengt thätig, aufrichtig, liebenswürdig, geistreich, treu, verliebt. Zwei Zehntheile Wahrheit, das ist ehrlich genug, und Ende gut Alles Gut. – Boucher,1 wie ich so eben aus dem Anschlagzettel ersah, hat gestern in Mainz Konzert gegeben. – Als ich gestern in meinen Gasthof trat, drehte sich sogleich ein Mensch um mich herum wie eine Katze um den heißen Brei, flüsterte dem Wirthe zu, und schien mich sprechen zu wollen. Endlich fasste er sich ein Herz, und fragte mich: Haben Sie nicht in Heidelberg studirt, und dort eine Schlagerei gehabt? Ich zitterte, und dachte: jezt kömmt wieder der Baruch heraus. Aber er hatte meinen Namen vergessen. – Sawel Götz hinkt auch hier herum. Gestern Abend lud er mich ein, mit ihm in seinen Gasthof zu gehen. Ich dankte, weil ich einen Brief zu schreiben hätte. „Nun, sagte er, in zwei Stunden haben Sie einen Brief geschrieben“. Das sollte so viel heißen: Sie brauchen nur ein Paar Minuten dazu. Wenn er wüßte, daß ich fünf mal so lange an einem Briefe schreibe

i

O. Adr.

1

Alexandre-Jean Boucher (1778–1861), frz. Violinist u. Komponist.

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als er, er würde sich darüber wundern. – Der Weg von Hofheim nach Wiesbaden ist herrlich. Durch Wald, über Höhen. Ich machte ihn aber mit großer Mühe. Der Regen hatte den Boden durchgeweicht, und keuchend arbeitete ich mich die Berge hienan. So klein auch das Bündel war, das ich auf dem Rücken zu tragen hatten, es fiel mir doch schwehr, denn es war das Erstemal in meinem Leben. Ich habe meine Lasten nur immer auf der Brust getragen. Zu Hofheim schnitt ich mir sehr stark in den Daumen, und ein ganzer Strom meines unschäzbaren Blutes floß zur Erde. So eben komen meine Stiefel und endigen für jezt mein dummes Geschwätz – Mittags vor 1 Uhr. Noch einige Worte vor dem Essen. Dazu, von Ihnen wegzueilen, verzeihen Sie mir zuerst: Sie kennen das menschliche Herz! Den Hofrath Weitzel2 habe ich besuchen wollen. Der wohnt aber in Johannisberg. Vielleicht sehe ich ihn dort. – Der Park der den Kursaal umgiebt, ist so labend und frisch, als Durstige wie Wir ihn nur wünschen können. Ganz überquellend von Blumendüften, Nachtigallgesängen, und kühlen Schatten. Da schlängelt sich der Weg, längst einem, meistentheils unsichtbaren, hinter dichten Bäumen und Gebüschen murmelndem Bache, wohl eine halbe Stunde weit. Ueberall Ruhebänke und tragbare Tische. Ach, hätte ich so etwas in Frankfurt, mit welcher Lust, würde ich an solchen Tischen meine vier verschiedenen Monatsschriften, die Ihnen bekannt sind, ausarbeiten. Im Teiche des Parks, ist ein allerliebstes Entendörfchen aufgebaut; jede Ente hat ihr eignes Häuschen. Es ist nicht wie in Frankfurt, wo oft 6 Gänse in einem Zimmer beisammen sind. Am Ende des Parks liegt rechts eine Mühle, wohin die Kurgäste häufig hinken. Dann eine Viertel Stundeii weiter, sanft aufsteigend liegt das Dorf Sonnenberg, und über ihm die alte Burg gleichen Namens. So mahlerisch habe ich noch nie eine Ruine gesehen. Die meisten solcher alten Gebäude haben den Mangel, daß sie zu vollständig sind. Das Schloss Sonnenberg ist wirklich zerstört. Nichts hängt zusammen. Für Sitze und schützende Geländer hat die Kunst freundlich gesorgt, so daß man ohne Gefahr, sich durch jede Oeffnung hienaus, über jede Tiefe hienabneigen kann. – – Es ist jezt Nachmittag 4 Uhr. Ich schließe den Brief, und wandere dann nach Biebrich. Dort oder in Ell-

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ÜdZ.

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Johann Ignaz Weitzel (1771–1837), liberaler Publizist, Redakteur der Mainzer Zeitung u. der Rheinischen Blätter in Wiesbaden, Bibliothekar in nassauischen Diensten.

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feldt übernachte ich. Gehe ich bis nach Bingen, so können Sie erst in zwei Tagen, den dritten Brief von mir erhalten. – Werden Sie in Bergen gewesen seÿn? Ich will noch einen Gang durch den Kursaal machen, ehe ich weiter gehe. Adieu. – Hier an den Badhäuserniii, ist Bad überall mit 2 A geschrieben. Das kränkt mich sehr. B.

19.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Ellfeld, den 28. Mai 1820.

Nr. 3. Elfeld d. 28. Mai. Sonntag Abendsi 10 Uhr. Ich will genau seÿn, es ist jezt Morgens 5 Uhr. Der Wein, die Ermüdung und Sie, hatten gestern Abend meine Sinne so verwirrt, daß ich nicht mehr zu Stande bringen konnteii als vorstehene Worte. Wenn Sie redlich seÿn wollen, liebe Freundin, müssen Sie eingestehen, daß man am Ufer des Rheins angenehmer erwacht, als beim Zinngießer Neef.1 Geht Ihr Himmel auch nur mit einem Streifchen unter der Serviette hienaus, mit der Sie ihn bedecken können? Als sich meine Aeugelein aufthaten, fielen sie auf ein herrliches, zwei Fensterscheiben breites Stück Landschaft, voll Bäume, Berge und Wiesen. Ich rückte höher zum Kopfkissen hienauf, und da sah ich das vorige noch ein mal im Spiegel des Wassers. Ich sezte mich im Bette aufrecht, und der herrliche Strom, so still, so schweigend, so Geschäftslos, wie schlafend, lag vor meinen Blicken. Die Schifferkähne recken sich wach, und schleichen wie verdroßen langsam dahin. Das Plätschern der Ruder ist gar zu lieblich. Jenseits ein halb verstecktes Dorf. Links der Goldgelbe Schleÿer der Sonne; rechts nach Rüdesheim, so viele erst knospende Schönheit. Unter meinen Füßen ein stilles bescheidenes Blumengärtchen,

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Orig.: Badhaußern. O. Adr. – o. Jg., hs. Zu. e. Bearb.: »1822« (Br.k.). ÜdZ. Wohnung der Fam. Stiebel u. JWs in der Döngesgasse bei Neef.

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auf das die Königin am Strome gnädig und lächlend hienab sieht. Jezt stößt ein großes zweimastiges schwerbeladenes Schiff, das vor meinem Fenster übernachtete vom Ufer ab. Die Leute arbeiten nicht; es schwimmt von selbst den Strom hienab, so majestätisch. Der Hirte treibt seine Kühe und Rinder ans Wasser. Sie gehen tief hienein, baden sich die Füßchen und trinken. Eine Kuh streckt die Schnauze durch das Fenster einer Jacht. Wie närrisch das aussieht! Sie stoßen recht freundschaftlich mit den Köpfen an einander.. Heute Abend bleibe ich in Rüdesheim. Dahin über den Niederwald. Ja, liebe Freundin, der Niederwald ist es, der mich von Frankfurt lockte. Im vorigen Jahre hatte ich die Wallfahrt gelobt. Dort oben steht ein offener Tempel, an dessen Säulen einer, ich damals einen mir theuern Namen geschrieben. Ich will sehen, ob er noch so frisch geblieben als in meinem Herzen, und wo nicht, ihn leserlicher machen, und drunter schreiben, wie ein Weisbinder: Renovatum 1820. Nachdem ich mich in Bingen werde umgesehen habe, gehe ich zurück, und ich denke Mittwoch wieder in Frankfurt einzutreffen. Gern wanderte ich bis Coblenz, aber Rasche macht lau! Das heißt: ich habe nicht Geld genug. Wie glücklich sind doch die Bettler, die ohne Geld reisen können. Ich denke, barfuß zu gehen, brächte uns schon mit der Natur in näherer Berührung. Die Strümpfe entfernen uns von der mütterlichen Erde. . . Als ich gestern Nachtmittags 5 Uhr Wiesbaden verließ, quoll mir gleich vor dem Thore, die Rheinluft entgegen. Im Garten zu Biebrich fand ich einen Baumplatz, wo es, nicht bildlich, sondern in buchstäblicher Wahrheit nur dämmert, fast nachtdunkel ist. So dicht verschlungen sind die Kronen der Bäume, daß kein Strahl des Tages durchfällt. Im Schlosse sah ich den Hof speißen. Welcher Aufwand. So viele Diener als Tischgenossen, und der lezteren waren wohl vierzig. Sie essen wie wir mit dem Munde. Von da längst dem Rheine, der oft so nahe meinen Füßen (das Ufer ist hoch), daß ich daran denken mußte nicht in Gedanken zu seÿn, um nicht hienein zu stürzen. Allein, muß ich wandern um vergnügt zu seÿn, ich darf es nicht ein mal mit Ihnen. Nicht ein mal? Am wenigsten mit Ihnen. Ich sehe Sie überall in der ganzen Natur, aber mit Ihnen, die Natur nur durch Sie. Ich stand gestern Abend wohl eine Stunde am Fenster, bis die Dämmerung ganz zur Nacht geworden war. Dann ging der Mond auf wie eine Blume, verblühte aber schnell wieder. Auch jezt ist der Himmel bewölkt . . Bekanntschaften habe ich weder gemacht noch gesucht. Nur gewöhnliche Menschen findet man schnell in der Fremde, so schnell – ich will häßlich reden und um so wahrer – so leicht, als man in fremden Häusern die Abtr . . findet . . Jezt will ich fragen, ob es hier ein

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Postchen giebt, um mein Briefchen aufzunehmen. Adieu, liebes Brennglas. Was ich fühlte, was ich genieße, was ich wünsche hoffe und leide, alles trifft in einem Punkte zusammen. Sie machen doch ein Geheimnis daraus, daß ich künftig 6 verschiedene Monatsschriften herausgebe? Es ist mir daran gelegen, daß es jezt noch keiner erfahre. Grüßen Sie mein liebes Publikum. Ich bringe allen ein flacon Rheinwasser mit, und ein wenig Staub vom Niederwald. Es ist 8 Uhr. Ich mache mich auf den Weg. Die vorigen Briefe waren mit einem großen Thaler gesiegelt. Jezt brauche ich einen Sechsbäzner dazu. B.

20.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Ellfeld, den [29.] Mai 1820.

Ellfeld. Sonntag Abendi halb zwölf Uhr.ii Geliebte Seele Der Pÿgmäe Simon sizt mir gegen über am mitternächtlichen Tischchen, und schreibt Ihnen auch. Fast beneide ich ihn um die Ruhe mit welcher er Ihnen schreiben kann, der nur Ihr Freund ist. Mir aber liegt es wie ein Mord auf der Seele. Um 10 Uhr sind wir hier ankommen. Die Lage des Orts und des Gasthofs, können Sie erfahren aus meinem vorigen Briefe, der auch von hier geschrieben. Nach dem Abendessen ließen wir uns in einem Nachen herüber und hienüber schiffen. Stücke des breiten Vollmonds fielen durch schwarze Wolken. Die Luft so mild, das Wasser so still und Spiegelhell wie Ihre Seele, wenn keiner Ihrer Freunde leidet. Alles so himmlisch; und da lag es wieiii ein Mord auf meiner Seele, da ich mich erinnerte, welche Freu[de]iv ich Ihnen im vorigen Sommer zu Grunde gerichtet. So ähnlich sind sich Hass und Liebe! (Seien Sie unbe[sorgt] der Simon liest kein Wort meines Briefes) – Sams[tag] mit dem Marktschiffe nach

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Falsche Angabe: d.i. Montag. O. D. u. Nr. – hs. Zus. e. Bearb.: »No 3. Mai 29 – 1820 [/] J. W S. 156.« (Br.k.) Orig.: wir. Textverluste (besch. Rand).

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Mainz. Von da nach Wiesbaden. Ausser meinem Bruder,1 hält sich auch [schon] mehrere Tage mein Vater2 dort auf, was ich nicht wuß[te]. Heute Vormittag, in der Nähe des Kursaals fühlte ich plözlich einen starken Stich im Daumen. Es war wie die böße Prophezeihung einer Zigeunerinv. Was war’s? Der Frankfurter doppelte Adler kam mir in den Weg geflogen (Simon und Adl[er] mit seiner Frau)3 mit ihnen – Elisa! Entzücken, Schwindel, Magenkrampf, Umarmung, Küsse. Die wollen auch morgen nach Rüdesheim. Abends 7 Uhr gingen wir von Wiesbaden zu Fuße weg M[or]gen [a]uf d[em] [Johannis]ber[g] [und Niederwald].vi Dort ist ein Häuschen, von dessen Altane man hienabschauert in das Bingerloch (Sie kennen es). Ich aber werde hienab und hienauf jubeln und auf meine Kniee fallen, und zwei Göttinnen anbeten, die Erinnerung und die Hoffnung. Grüßen Sie Dr. Reis, der wie ich hoffe gesund ist oder nahe daran es zu werden. Ich dachte Ihnen so viel zu schreiben, aber ich kann es nicht, Ihnen nicht, so wenig als beten, wenn noch Jemand in meinem Zimmer ist. An nichts dachte ich den ganzen Abend, als an Elisa, stehend morgen, am schwindelnden Abhang des Niederwalds – vielleicht zeigt er morgen an ihr seine schwindel-Kraft; ich rette sie. Einen Journalisten und Komödienschreiber, einen gewissen Hrn. v. Thumb4 habe ich in Wiesbaden besucht. Denken Sie, die Bestie hat mir ihre Manusscripte vorlesen wollen. Wie andere aus Noth lügen, habe ich aus Noth die Wahrheit sagen müssen; nehmlich, ich sei verliebt und zerstreut, und könne nicht aufmerksam zuhören. In Wiesbaden, in dem [n]euenvii großem Wirthshause, wo wir logiert, haben [he]ute Mittag 234 Gäste gespeißt. Gewiß 30 Gänse [k]amen auf den Tisch, und wohl hundert saßen [d]aran. Ich saß neben einer alten zähen, – Madam [Uh]denviii,5 heißt sie, aus Hamburg, und in Frankfurt. Sie hat sich viel Mühe gegeben, mich ins Gespräch zu ziehen.

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Orig.: Zeugnerin. Besch. u. Rand (vgl. R IV, 294). Besch. Rand Vgl. R IV, 294. Bs Bruder Simon Jakob B. (1782–1856). Vgl. Br. 13. Simon Feist Adler, Inhaber einer Kurzwarenhandlung u. Lotterie (vgl. Br. 29). Karl Konrad Frhr. v. Thumb-Neuburg (1785–1831), Schriftsteller u. Diplomat. Frau des preuß. Staatsrates Johann Daniel Wilhelm Uhden (1763–1835).

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Ich antwortete ihr aber nicht; worüber sie sich (wie mir ein lauschender erzählt) bei [i]hren Nachbarn sehr beschwehrte. – Die Norwegen nennen das Mädchen ihrer Zärtlichkeit: Liebes Dick[w]ürstchen; die Neugriechen: süßes Gänschen; die [De]utschen: theuere Freudin. Also in allen Sprachen. – – Gute Nacht, theuere Freundin; gute Nacht süßes Gänschen; Gute Nacht, liebes Dickwürstch[en.] [Gruß an] Guste u[nd] […].ix [Börne, geb. Wohl.]x

21.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Frankfurt, den 31. Mai 1820.

Nr. 4. Frankfurt d. 31. Mai 1820.i In Ellfeld, im ganzen Rheingau, so wie auch auf der Seite von Bingen, wäre vor Mittwoch Abend keine Post abgegangen. Die Menschen in dieser Gegend ernähren ihr Herz wohl redlich im Lande, wie könnten sie sich sonst, mit der seltenen Gelegenheit begnügen, sich mit geliebten Gegenständen nur zwei Male in der Woche zu unterhalten. Ich mußte Ihnen daher meinen Brief Nr. 3 selbst überbringen. Da ich Montag Früh Ellfeld verließ, begegnete mir gleich vor der Thüre des Wirthshauses das unfreundlichste Regenwetter das dauernd zu werden drohte. Zum Glücke kam in dem Augenblicke die Wasserdiligence vorüber. Schnell führte mich ein Nachen hinzu, und ich stieg an Bord. Das Schiff war angefüllt. Nur durch freundliche Bereitwilligkeit der Leute konnte ich ein Pläzchen finden. Mich begrüßten Herren, die mich kannten, und wie sie sagten am Samstage mit mir zugleich auf dem Marktschiffe waren. Ein anderer Bekannter war Hr. Bodenstorff, Frankfurter Kaufmann, der mit einer Tochter von Sinzheimer verheirathet ist; also ein zweiseitiger Glaubensvetter.1 Erinnern Sie sich, liebe Freundin, daß Sie mir einige Tage früher erzählten, ix x

Besch. u. Rand (vgl. R IV, 295). – Letztes Wort: Kinder (Tr. R), Rinder o. Rindskopf? Vgl. ebd.

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O. Adr. – hs. Zus. e. Bearb.: »abgedruckt N. S. 1 Bd S. 139 mit vielen Zusätzen oder „Aus meinem rheinischen Wanderbuche“ im Morgenblatt N 242 u.ff.« (Br.k.)

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Bodenstorff (geb. 1785), Frankfurter Kaufmann.

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mit welcher Schadenfreude die hiesige Krämerwelt, die Trennung des Speÿer von Bensa bespreche.2 Das habe ich selbst erfahren. Ich kam mit dem genannten Bodenstorff darüber in ein Gespräch, als die Veranlassung kam, daß er mir ein Landgut bei Rüdesheim zeigte, welches dem Bensa zugehört, und von seiner Familie jezt bewohnt wird. „Ja, sagt er stechend, wenn man in solchen Umständen ist muß man keine Landgüter haben“. Der Spötter selbst, verrieth deutlich genug, daß er gern reicher seÿn möchte als er ist. Da ich – und ich freilich nur aus Cosmopolitismus – klagte, wie so wenige Menschen, so viele Glücksgüter in Haufen besäßen, und tausend Andere darum darbenii, oder, was oft noch schlimmer ist als das, darum nach Lothen leben müssten, da seufzte mein Philosoph recht aus tiefer Brust. Ich fragte ihn, warum er, als Freund der Natur sich nicht hier ansiedelte? Worauf er antwortete: die Frankfurter Weiber wären luxuriös erzogen, und wollten die Stadt nicht entbehren. Lassen Sie Ihre Frau sitzen, da gewinnen sie doppelt, erwiederte ich in meinem Herzen. – Eine andere Familie im Schiffe, Mann Frau und Tochter, beschäftigte meine Betrachtung sehr. Sie schienen Sachsen zu seÿn. Die Mutter, groß, stark, häßlich, die Hälfte des Gesichts und das eine, wahrscheinlich blinde, Auge, mit einem Tuche verbunden. Noch nie war ein Anblick mir widerlicher gewesen. Der Vater klein, bucklig, verwachsen, aschgrau. Die etwa 20jährige Tochter, mit einem erbärmlichen Höckeriii, und deriv tief versenkte Kopf, lag zwischen den erhöhten geschnörkelten Schultern, vergraben wie ein Apfel in einer Schüsselv. Aber dieser Kopf, mit dem reichwallenden blonden Haare, mit den guten glänzenden blauen Augen, und die Wangen mit Rosenschimmer – wahrhaftig, der Kopf war mit dem Rumpfe nicht zu theuer erkauft. Das Mädchen scherzte und lachte unaufhörlich, recht aus dem tiefen Brunnen des Herzens herauf. Es war so viel rührendes in ihrer Fröhlichkeit. Es war als sagte sie: Seht die Natur hat mich Schadlos gehal-

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ÜdZ. Orig.: Hocker. ÜdZ. Orig.: Schlüssel. Nach dem Bankrott der Bank seines Vaters Georg Sp. (1769–1819) wurde der Komponist Wilhelm (urspr. Wolf David) Speyer (1790–1878) am 1. März 1819 Teilhaber des Handelsgeschäfts des Senators Bernhard Pensa; am 1. Juli 1821 trennten sich die Geschäftspartner wieder (vgl. B. 177).

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ten für die bittere Kränkung, die sie in ihrem Unmuthe mir angethan. Wenn sie bei Tische, nach einer noch so nahe stehenden Schüssel reichen wollte, mußte sie aufstehen, so unterwachsen war sie. Aber sie that es jedesmal mit Ergebung, ohne Groll und Verlegenheit. – Die Frau des Professor Leidig,3 des bekannten Chirurgen aus Mainz, und mit ihr ein junges Frauenzimmer waren auch unter den Schiffenden. Sie reisen, ohne männliche Begleitung, nach Bonn. – Wir begegneten einem Flöz, und unser Schiff, wurde um den Leuten die Arbeit zu ersparen daran befestigt und so fortgezogen. Von der Ausdehnung, von der kunstreichen Führung, von dem Geldwerthe, und der ganzen Einrichtung eines Flözes, möchte ich Ihnen gern eine Vorstellung geben, doch die Beschreibung würde mich zu lange aufhalten. Ein Andermal. Poetisch klangen meine[n] Ohren, die Kommandoworte, die der Steuerman seinen Leuten zuruft. Soll links gesteuert werden, dann heißt es: Frankreich, und wenn rechts: Hessenland. Ich stieg aus dem Schiffe, auf den Flöz hienab. Es ist ein ganz eignes Behagen, auf einem Holzgrunde, der so groß istvi wie der Römerberg, auf und abzugehen, wie auf festem Lande, und dabei weiter zu schwimmen. – Nun öffnete sich der Wasserkreis, den rechts und links, Rüdesheim und Bingen begrenzen. Ein Sonnenblick hatte die Gegend erhellt, und um so schauerlicher erhoben sich im Vorgrunde die Berge der Nacht. Man glaubt am Scheidewege der Erde und der Hölle zu seÿn. Aber das Herz klopfte mir vor Freude, als ich rechts ober mir, den Säulentempel auf dem Niederwalde4 erblickte, mein Wanderziel, wo ich meine Andacht erneuern wollte. – Zu Bingen im weißen Rosse zu Mittage gegessen. Wenn Sie einmal dahin kommen, werden Ihnen, wie mir die Carricaturen Unterhaltung und Freude geben, mit welchen die Wände der Wirthsstube behängt sind. Welch’ ein Unterschied zwischen den deutschen und französischen! Wie leicht, lebensfroh, und anständig, der Witz der Franzosen, der deutsche aber, wie plump, gemein oder schüchtern! Die Deutschen haben kein Witz, vi

Orig.: ich.

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Peter Joseph Leidig (1775–1828). Der Niederwald war eine bewaldete Berghöhe, die der Besitzer Graf Karl Maximilian v. Ostein (1735–1809) 1774/1777 als Landschaftspark anlegte. Mit den eigens errichteten Aussichtspunkten – B erwähnt in diesem Brief die Zauberhöhle und einen steinernen Rundtempel, die Rossel – wurde der Niederwald zu einer vielbesuchten Attraktion für Wanderer und Touristen auf der Rheinreise.

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weil sie keine Hauptstadt haben, und weil die Stände nicht nahe genug bei einander stehen. Lächerlich, und daher der Carricatur Stoff gebend, sind nicht die Sitten und Lebensverhältnisse, die dem Stande der Menschen die jene Sitten haben, und jenen Verhältnissen unterliegen, eigen sind, sondern nur solche, die ausser ihrem Kreise liegen. Die Deutschen aber, treten aus ihrem Kreise selten heraus, und sie haben daher den traurigen Vorzug, daß sie sich nicht leicht lächerlich machen können. Eine Hauptstadt giebt Stoff zu Carricaturen, der in kleinen Städten nicht zu finden ist. Die Gegensätze stehen dortvii näher bei einander, oder folgen sich schneller. Palläste und Hütten, Anmaßung und Dummheit. Im Gewühle der Menschenmenge, glaubt sich keiner bemerkt, und jeder zeigt unverhohlen seine Schwächen, die der lauernde Menschenbeobachter zu seinem Nutzen braucht. Es ist sonderbar, daß man die falsche Meinung hegt, in Hauptstädten, herrsche am meisten Verstellung. Grade umgekehrt; dort ist am meisten Aufrichtigkeit. – Nach dem Mittagessen bestieg ich den Klopp5. So nennt man die zahlreichen Trümmer eines alten Römercastells, die auf einem Berge nahe bei der Stadt liegen. Drusus hat es gebaut vor 1830 Jahren. Er war Sohn und Bruder eines Kaisers.6 Wie viele Augen haben diese Feste gesehen, und sich geschlossen! Erhabener als das schönste Bildwerk in Marmor oder auf Leinwand, ist ein solches Grabmahl der Völker und Zeiten. Alle diese neue Kunst kann doch nur künstlichen Herzen genügen. Drusus, gewiegt in den lauen Lüften Italiens, gebohren im Herbste Roms, da Römer und ihr Reich schon zu faulen begannen, war zweimal in die rauhen Wälder Deutschlands gedrungen, und als Sieger zurückkehrt. Noch nicht dreÿsig Jahre alt, starb er viii. Ja, die Römer, man könnte sie hassen! Sie haben alle Kraft und Größe kommender Jahrtausende, sie allein während ihrer Lebenszeit verschwelgt, und das darbende schwache Geschlecht,

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ÜdZ. ÜdZ. Die im späten 19. Jahrhundert wiedererrichtete Burg Klopp oberhalb von Bingen erhebt sich über den Resten einer im 16. Jahrhundert zerstörten Burganlage, deren von B besichtigte Fundamente römischen Ursprungs sind. Drusus Germanicus (38–9 v. Chr.), Stiefsohn Kaiser Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.) und Bruder Kaiser Tiberius’ (42 v. – 37 n. Chr.), römischer Feldherr in Germanien, Erbauer der Kastelle Mainz und Bingen an der römischen Militärgrenze am Rhein.

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siecht noch immer an der Lust der Uebermüthigen! . . . Der Klopp ist im Besitze eines Notars in Bingen, der aus dem Berge eine herrliche Gartenanlage gemacht hat. Will man hienaufsteigen, ist es schicklich, den unten wohnenden Eigenthümer um Erlaubnis zu bitten. Ich erhielt diese freundlich aus dem Munde eines schönen Mädchens. Ueber Weinberge, unter Laubgängen, an Blumenbeeten vorbei, bis an den alten Thurm. Dann diesen hienauf. Oben ein Nelkenbeet. Der Anblick. Es giebt eine Folter der Lust. Ohne Sie hätte ich das Rückkehren vergessen, und wäre den Hungertod gestorben. Dort wahrlich nicht bitter. Den Eigenthümer bedauere ich, so etwas, wie eine schöne Frau, darf man nicht besitzen, um es voll zu genießen. . . Ich ließ mich nach Asmannshausen schiffen. Der Fährmann zeigte mir die Stelle, wo sich im vorigen Winter Mann und Frau in den Rhein gestürzt. Sie werden die Geschichte damals gehört haben. Sie hatten sich zwei Buben zu Schiffern genommen. Ein dritter der einen Botengang zu machen hatte, bat sich mit einsetzen zu dürfen, lange vergebens. Mann und Frau saßen auf einem Brettchen das queer über dem Nachen lag, neben einander. Am Binger Loche, stießen sie sich mit den Ellnbogen an. Auf dieses Zeichen sprang sie rechts, er links hienein. Die Buben fassten sie fest, – da erstach sich der Mann, und wurde tod heraufgezogen. Das Weib krazte den Jungen blutig, um sich los zu machen. Er hielt aber brav und rettete sie. Ohne die Hülfe des dritten Knaben, den sie durchaus nicht mitnehmen wollten, wäre die Frau untergegangen. Diese lebt jezt ganz ruhig in Rüdesheim. Sie sagte: ihr Mann habe sie lange zu dem Verzweiflungsvollen Schritte beredet, bis sie endlich eingewilligt. Die Leute waren nicht arm. Sie genoßen eine Pension von Preußen. Er trug einen Orden. 5 Kinder aus ihrer Ehe hatte der Vater gleich nach der Geburt beseitigt; die Mutter hat nie erfahren, wo sie hingekommen. Vielleicht drückte ihn Blutschuld . . . Von Asmannshausen ließ ich mich auf den Niederwald führen. Beim Aussteigen aus dem Schiffe, sagte ich dem Fährmann, in 14 Tagen würde ich mit Frauenzimmern wieder kommen. Aber dann müsste er einen größeren Nachen nehmen; sie würden sich fürchten, sich hier hieneinzusetzen. Ach, da ist nichts zu befürchten, antwortete er; „Der Jud’ sagt, wenn man Holz oben hat, und Holz unten, kann einem nichts geschehen. Ja ein Jud’ ist gar ein schlaues Thier!“ – Wieder das Liedchen Malborough! In einer halben Stunde nicht sehr steilen Wegs, war ich oben, im Schlosse. Aussicht, den Rhein hienab bis Bacharach. Beim Förster, feurigen Asmannhäuser. Die Zauberhöhle: durch ein gemauertes Labyrinth in eine dunkle

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Halle. Die Fenster öffnen sich. Tag und Aussicht. Rossel. Dort überraschte mich ein fürchterliches Wetter. Wind u. Regen. Schauerlich in den Rhein hienab. Der gespenstische Mäuseturm. Die Nahe, deren schmutzig rothe Farbe, sich mit dem klaren Rhein nicht vermischt. Bingen am Erdwinkel von beiden Flüssen gebildet, so klein, wie das eingewirkte Zeichen in dem Zipfel eines Tuches. Ehrenfels, sich am Abhange anklammernd, ängstlich, als fürchte er hienabzustürzen. Endlich trat ich in meinen Tempel. Eine halbe Stunde suchte ich vergebens, die Weihstätte vom vorigen Herbst. Ich konnte mein Sÿlbengebet nicht mehr finden. Vielleicht auch hatte der Regen es abgespült. Bis zu Thränen betrübte mich das. Ich mußte eilen fortzukommen. Ich zeichnete von neuem, räthselhaft B . . . J. W. und darunter: Auf Berg, im Thal, Im Wald, im Saal, In Lust, und Quaal All, Ueberall!

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Frankfurt, den 1. Juni 1820.

Nr. 5 Frankfurt d. 1. Juni 1820.i Verläßt man den Tempel, dann führt noch eine Strecke durch den Kunstgeregelten Wald, und bald gelangt man dahin, wo zwischen Mauern und Rebenhügeln der Weg nach Rüdesheim hienabführt. Gar steil ist der enge Pfad. Springt man aber kühn vorwärts, was man freilich in unsern glattgedielten Zimmern verlernt, so fühlt man sich leicht wie eineii Kugel fortgeschoben, und halb fliegend kömmt man hienab. Der Engel, wo ich einkehrte, liegt am Strome. Gegenüber die Rochuskapelle, schaut mir ins Fenster hienein. Es war spät gegen 8 Uhr, da ich mich überschiffen ließ, um den Rochusberg zu besteigen. Die Kapelle war verschlossen; nur jeden Freitag wird sie geöffnet. Es that mir leid das Bild nicht sehen zu können das Göthe 1814 dahin geschenkt hat. Damals wurde die Kapelle, nachdemiii

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O. Adr. ÜdZ. ÜdZ: dem.

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während des französischen Besitzes, die Wallfahrten dahin lange unterbrochen waren, von neuem eingeweiht. Mehr als 10 000 Menschen nahmen an dem Feste theil, welchem Göthe selbst beiwohnte, und daß er in seinen Heften vom Rhein, gut genug beschrieben hat.1 Die Sonne war im Untergehen als ich hienaufstieg, und ich bat wie Josua, sie möchte gefälligst warten bis ich oben wäre. Aber sie wartete nicht; auch verlohr ich nichts dabei, denn nicht unter den Horizont, nur hinter den gegenüberliegenden hohern Niederwald sank sie unter. – Morgens um ½8 verließ ich Rüdesheim, und trat meine Rückreise an. Die Rochuskapelle begleitete mich lange mit ihren Blicken. Im Wasserkessel zwischen Bingen und Rüdesheim, sah ich jezt ein bößes Wetter kochen, Qualm und Rauch verfinsterte den Hintergrund, und die Suppe, goß sich bald über mir her. Bald gab mir ein Dorf, bald eine Heiligenkapelle, die auch an mir Gottlosen die Frömmigkeit der Stifter belohnte, Schuz gegen den Regen. Was von aussen nicht abgehalten werden konnte, ertrug ich vom gütigen Wein besänftigt mit Gelassenheit. Bis Cassel2 Dorf an Dorf, Schenke an Schenke, es ist ein großer Weinkeller 6 Stunden lang. Vor Geisenheim begegnete mir Dr. Döring3 zu Fuße, nebst seinen zwei durchlauchtigen Lumpen von Zöglingen. Wir wechselten einige Worte. Als der Hr. Hofrath mir sagte: ich wünsche Ihnen glückliche Reise, sagte die lumpige Durchlaucht: ich wünsche Ihnen glückliche Reise. – Um halb zwei Uhr kam ich nach Kassel, und sezte mich im Bären an den gar köstlich bedienten Tisch. Darauf unter Regenwetter weiter bis Hochheim. Von dort genießt man noch eine herrliche Aussicht über den Rhein, Main und die Gebirge. Es regnete stark. Da kam zum Glücke eine Kutsche. Der Herr darin nahm mich ungern auf. Ich machte aber ohne Umstände den 1

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Die im Pestjahr 1666 dem Heiligen Rochus errichtete Kapelle war 1795 durch die französischen Besatzungstruppen zerstört worden. Nach Ausbruch einer durch die zurückflutende Grande Armée eingeschleppten Typhusepidemie Anfang November 1813 wurde die Rochuskapelle neu errichtet. Goethe wohnte der Wiedereinweihung des Wallfahrtsortes am 16. August 1814 bei und stiftete der Kapelle ein Gemälde, das den Hl. Rochus auf Wanderschaft zeigt (Aus einer Reise am Rhein, Main und Nekkar in den Jahren 1814 und 1815, 2. Kapitel: Sanct-Rochus-Fest zu Bingen, in: Über Kunst und Alterthum in den Rhein- und Mayngegenden, 2. Heft, 1817). Gemeint ist der Ort Kastel an der Stelle des ehemaligen römischen Kastells auf der rechten Rheinseite gegenüber der Stadt Mainz, der nach 1815 Teil der Bundesfestung Mainz wurde. Georg Christian Wilhelm Asmus Döring (1789–1833), Schriftsteller, Hofrat u. Begleiter des Prinzen Alexander Fürst (ab 1837) zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (1801–1874).

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Schlag auf, und hob mich hienein. Mit Unverschämtheit kömmt man oft weiter, wenigstens schneller ans Ziel. Als wir Frankfurt ansichtig wurden, sagte mein rothaariger Handelsherr: „Wie das schöne Frankfurt so majestätisch da liegt.“ Ich hätte ihm Ohrfeigen geben mögen, ob er zwar Recht haben mochte. Aber wer hört gern seine Feinde loben? – Ich hatte auf meiner Wanderschaft oft das was die Leute schlechtes Wetter nennen. Aber mir war es recht, ich hatte nicht mehr davon als man Citronensäure braucht zur Limonade. – Und so kam ich nach Frankfurt zurück. Seit meiner frühesten Kindheit habe ich immer nur mit beklemmter Brust diese mir verhasste Stadt betreten. Aber seitdem sich zum abstoßenden Hasse noch die anziehende Liebe gesellt, hat sich meine Beklommenheit nur verdoppelt. Ach, warum giebt es keine Engel mehr, die Ihr Lorettohäuschen mit meiner Maria darin, von hier weg, nach einem schönern Orte führen! – Nachträge Marktschiff. – Vorn stehen Körbe mit quiekenden Hühnern, Z[w]iebelhaufen, Gemüse aller Art. Zwischen durch gelangt man in den Schiffsraum. Da sitzen Handwerkspurschen, Bäuerinnen, gedrängt neben einander, frühzeitig sich die Plätze sichernd. Dann kömmt die Kajüte wo die vornehmere Welt sich hinzieht. Naturfreunde steigen aufs Verdeck. Durch lange Sehröhren von Pappendeckel, die sie wie Elephantenrüssel hin= und her bewegen, schlürfen sie die Landschaft ins Auge. Eine alte Städterin die mit der Brille auf der Nase, sich mit einer Wichtigkeit, mit einer Andacht, Scheibe nach Scheibe den Rosinenkuchen zuschnitt, und mürrisch verzehrte, Herren die zu spät angelangt, laufen bis an den ‹Grind›brunnen am Ufer entlang, und gedenken das Marktschiffe noch zu erreichen. Kein Frankfurter Nachen zeigt sich willig sie nachzufahren. Mir selbst erging es einmal so. Aus welchem Grunde? Hofheim. Im Wirthshause zur Krone. Der Wirth ist zugleich Krämer. Die Naturtreue Shakespearscher Schilderungen ersah ich wieder. Im ersten Theile Heinrich IV spielt die Scene in der Schenke. Heinrich hält den Kellnerjungen durch Reden muthwillig auf; unterdessen ihm ein Gast zuruft, wo er „gleich, gleich“ schreit, und vor Verlegenheit nicht weiß wo er hin soll zuerst. Der Ladenjunge zur Krone, spielt meisterhaft dieseiv Scene. Die Wallfahrer riefen unter einander nach Wein; war der junge auf dem Wege ihn zu bringen, schellte die Thüre des Ladens, und er mußte zurück:

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ÜdZ, Orig.: zur.

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„Gleich, gleich“ schrie er unaufhörlich. Das zappelnde Wesen des vorschriftsmäßig immer freundlichen Ladenpurschen, hat Shakespeare meisterhaft gemahlt. – – Wie furchtbar ist der Anblick einer solchen Krämerei! Was der Mensch nicht alle braucht, selbst der Landmann! Solche hundert tägliche kleine Bedürfnise, machen die Abhängigkeit drückender, als ein einziges großes Bedürfnis. Die Herrschaft eines tÿrannischen Königs fühlt man weniger schmerzlich, als die der Hunderte von Unter-Despoten. Mit tausend und tausend Fäden spinnen wir uns an das Leben an, damit der Tod um so mehrere zu zerreißen habe! Wiesbaden. Die Fischerei der Spieler ist noch nicht erheblich; sie fangen nur erst Grundeln. – Sawel Götz. Mit welcher ruhiger Ironie sieht er den Menschen ins Gesicht hienein. Er ist ächt komisch in seinen Bemerkungen, und trifft mit Katzenpfoten am rechten Flecke – Am Teiche im Garten, liegt ein trauliches verstecktes Gärtchen. Da haben sie einen großen steinernen Löwen ans Ufer hingelegt, der seine Tatzen bis an das Wasser streckt. Es sieht aus als wolle er ein Fußpfad gebrauchen. Warum ein Löwe in die arkadische Landschaft? Und neben ihm zu beiden Seiten, zwei weibliche Figuren. Werden sich Menschen einem wilden Thiere so nahe stellen? – – Wachtparade. Es ist fürchterlich, welche Genauigkeit, welche Uebereinstimmung in den Bewegungen. Haben diese Menschenleiber freie Seelen? Edle Gestalten Römern gleich. Herrliche Kriegsmusik. Bleibt mir doch weg mit euerer Romantik überall! Diese Musik hat mich beherrscht, umgewandelt, zu ihrem Willen gelenkt. Das Herz schlug mir hoch, und ich konnte mich einen Augenblick erfreuen, an dem kühnen Gaukelspiel der Gewaltigen, womit sie sich seit Jahrhunderten den Rahm der Menschheit vorweggeschöpft. – Das neue Badhaus, geräumig. Sie sagten mir der König von Frankreich habe hinkommen wollen, sei aber weggeblieben, da er vernommen, daß das Haus kein Wasser habe. Welch ein Verlust, wäre das für den Ort. – In Mosbach ist ein Gasthaus zum Himmel. Der lang gestreckte Ort zieht sich bis Bibrich hin. Immer mehr neue Häuser machen täglich den Zwischenraum enger. Biebrich. Das ist ein kleiner Fürst4, und wie vieles besizt er. Wie viele tausend Früchte von ihren Bäumen, die sie nicht verzehren können, verfaulen, verderben, und werden von keinem genossen.

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Herzog Wilhelm I. v. Nassau (1792–1839), der seit 1816 regierte.

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An L udw i g Bö r n e i n [ S tu t tg a rt]. Frankfurt, den 10. November 1820.

Frankfurt, 10. November 1820.i Während Sie gestern in der rauhen Novembernacht auf Ihrer Postkutsche fortstolperten, saß ich recht behaglich im Theater und hörte den „Titus“1 ungewöhnlich gut aufführen . . . . . . . . .ii Ich habe den „Jean Paul“ zu lesen angefangen, er gefällt mir besser als ich nach Ihrem Urteile erwartete. – Ich besinne und besinne mich und weiß nichts Gescheites zu sagen, als – daß wir beide Narren sind! – Wissen Sie, die ganze Stadt erzählt sich, es sei gestern ein wunderholder Jüngling über die Brücke gereist. Seinen Kopf habe eine kostbare schwarze Pelzmütze mit Gold verbrämt gezieret, aber „seiner Schönheit Glanz barg keine Hülle!“ – . . . . . . . Doch werde ich meinen Vorsatz ausführen. Sie wissen, der Plan zu meinem neuen Hause und der schönen Gartenanlage ist nun vollendet, und ich hoffe, Sie sollen bei Ihrer Rückkehr höchlich überrascht sein, von der schönen Einrichtung, die ich zu treffen gedenke, nur schade, daß Sie noch so lange von uns entfernt bleiben. Doch, wenn der Himmel meine frommen Wünsche erhört, so werden Sie gewiß auf Pfingsten, das liebliche Fest, wiederkommen. Bis dahin mögen denn Ihre dortigen Freunde Sie in zärtlichem Gewahrsam halten, Amen! Amen! – Wenn’s immer so wär! Seit Ihrer Abwesenheit war ich erstaunlich fleißig. In der englischen und italienischen Sprache habe ich große Fortschritte gemacht. Meine maitres de langues loben mich über alle Maßen, auch meine Zeichen= und Musikmeister sind äußerst zufrieden. Meine „Cäcilie“ nach Raphael, die ich kaum angefangen, ehe Sie Ihre Reise antraten, wird nun bald vollendet sein. Die erste Stimme in Mozarts Requiem habe ich seitdem einstudiert und werde sie nächstens im hiesigen Vereine vortragen.

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Tr. M (1 f.). 1. von 4 v. M gekennzeichneten Transkriptionslücken.

La clemenza di Tito (1791) von W. A. Mozart.

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Was die Zeit nicht tut! Sie sehen, wie viel sich seit Ihrer Abwesenheit zugetragen und verändert. Man ist sogar tolerant geworden, wie Sie am Singverein ersehen.2 Stellen Sie sich vor, man will meine Zeichnungen im Museum3 ausstellen, man setzt mir unablässig mit Bitten zu, ich bin in der größten Angst, weiß mir gar nicht zu helfen. Ach, warum haben Sie mich auch verlassen, mein väterlicher Freund, mein Beschützer! Wer soll mir nun raten! Wer mir auf der beschwerlichen Bahn des Lebens eine Stütze sein! – Seitdem Sie von uns geschieden, verging kein Tag, keine Woche, kein Monat, kein Vierteljahr, daß ich nicht Ihrer weisen freundlichen Führung bedurft hätte. Ja, Trennung ist ein hartes Los . . . . Doch Wiedersehn, darob freuen sich die Engel im Himmel! . . . . . . .

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 11. November 1820.

Nr. 1. Stuttgart den 11 Nov. 1820i Mittags halb 1 Uhr. Ehrwürdige Matrone! Ich habe weder Zeit noch Stoff Ihnen einen langen Brief zu schreiben, ich will nur meine Seele benachrichtigen wo jezt ihr Körper ist. Um 10 Uhr ist er hier angekommen. Er traf seinen Vater hier, der morgen wieder nach Frankfurt reist. Nachdem ich mich sauber gewaschen, ging ich zu Cotta, ich gedachte den Geniestreich zu machen, noch heute alles zu beendigen, um dann morgen unvermuthet und unerwünscht, mit meinem Vater zu-

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl Döngesgasse bei Hrn. Neef. fr. in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Der 1818 gegründete Cäcilien-Verein war ein Gesangsverein, der Männer und Frauen aufnahm – hierauf zielt JWs Bemerkung. Die berühmte Frankfurter Museums-Gesellschaft zur Pflege und Förderung der schönen Künste wurde 1808 gegründet. Es gab drei Klassen für aktive Mitglieder, die sich der Literatur, bildenden Kunst und der Tonkunst widmeten, und eine vierte Klasse für Kunstfreunde. Bis Anfang der 1830er Jahre war Juden und auch Frauen die aktive Mitgliedschaft verwehrt – das erklärt JWs freudige Überraschung, als sie 1820 gebeten wurde, ihre Zeichnungen auszustellen.

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rückzureisen. Aber der Himmel steht mit Ihnen im Bunde; fast zwei Stunden unterhielt sich C. mit mir, über Politik, von unserem Geschäfte war aber mit keinem Worte die Rede. Ich wollte nicht davon anfangen, und so ging ich weg, mit dem Versprechen, morgen Vormittag wieder zu kömmen. – C. unterhielt sich sehr eifrig mit mir, ich wäre noch da, hätte ich nicht abgebrochen. Es ist sonst seine Art nicht, einen Besuch freiwillig auszudehnen. Ein herrliches Oehlgemählde von Sand sah ich bei ihm, im Gefängnisse gemahlt. Er hat die Hand unter dem Rocke und ist im Begriffe den Dolch zu ziehen. Schwarzes Kleid und blutrothe Weste, so wollte es Sand1 selbst haben. Ueber den Ernst seiner That und seiner Lage, mochte er doch nicht verschmähen, sich in einer romantischen äussern Gestalt, den Augen der Nachwelt einzuprägen! Er hat ein herrliches anziehendes Gesicht, noch Knabenhaft, die Kupferstiche die wir von ihm kennen, stellen keinen Zug davon dar. – Meine Reisegesellschaft war ganz erbärmlich. Eine ehrbare Bürgerstochter aus Salzburg, die aussätzig war; sonst war nichts an ihr auszusetzen als ihre Dummheit. Ein Handwerkspursche, ein Unteroffizier, und ein Wagnermeister. Ich habe mich fast zu todt gelangweilt. Der Kaufmann aus Stettin, dessen Adresse ich Ihnen geschickt hatte, war nicht gekommen. – – So eben komme ich aus dem Zimmer meines Vaters,2 mit dem ich mich eine halbe Stunde lang über Oestreich und Neapel sehr freundschaftlich unterhalten habe.3 – Ich fürchte, daß ich erst übermorgen dazu kommen werde, Ihnen einen ausführlichen Brief zu schreiben. Morgen habe ich die Gallerie zu sehen, ins Theater, zur Frau v. Kaula4

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Karl Ludwig Sand (1795–1820) (vgl. Br. 7). Vgl. Br. 13. In Neapel war es 1820 zu einer revolutionären Erhebung gegen die von Österreich gestützte Regierung König Ferdinand I. von Neapel-Sizilien (1751–1825) gekommen. Die liberale Opposition drängte auf eine konstituionelle Reform der Monarchie, österreichische Truppen schlugen die Aufstände nieder. Die Hoffaktoren Salomon Jakob Kaulla (1792–1881) und Nathan Wolf K. (1784–1838) waren Angehörige der in Süddeutschland weit verzweigten jüdischen Bankiersfamilie Kaulla. Bei Frau v. K. handelt es sich um Eva K., geb. Binge (1777– 1837), die Ehefrau des vermögenden Stuttgarter Hofbankiers Wolff v. K. (1768– 1841), einem Cousin der Brüder Salomon und Jakob. Der Stuttgarter Zweig der Familie war während der napoleonischen Zeit durch Heereslieferungen großen Umfangs und durch die Beteiligung an der Gründung der württembergischen Hofbank 1802 zu großem Vermögen und Ansehen gelangt, was die Privilegierung und staatsbürgerliche Gleichstellung der K.s durch König Friedrich I. 1806 zur Folge hatte.

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und andern zu gehen, alle Beine habe ich voll zu thun. Der König und die Königin5 lassen Sie grüßen. Adieu, […]ii Gruß an Alle. Dr. Börne Ihr Matron.

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Stuttgart, den 11., 12. u. 13. November 1820.

Nr. 2 Stuttgart. Samstag den 11. Nov. 1820 Abends 8 Uhr.i Ach, es giebt doch kein größeres Glück, als das Glück, nicht gestillter, aber beruhigter Sehnsucht! Wie ganz anders ist mir’s jezt als im vorigen Jahre, da ich noch, nicht blos meine Entfernung von Ihnen, sondern auch die Ihrige von mir zu beweinen hatte. Sie mögen sich stellen wie Sie wollen, Sie mögen sagen was Sie wollen, ich fühle es, daß ich mein geliebtes Schäfchen ins Trockne gebracht habe. Vorhin wollte mich eine Art Heimweh anwandeln (und ich habe keine andere Heimat als das Zimmer in dem Sie sind), da trank ich aber einen Schoppen Wein, und aß Kastanien dazu, und alles war vorüber. – Nachdem ich mein Brief an Sie auf die Post gegeben, ging ich zu einem hiesigen Handelsmann, an den ich von Murhard1 eine Empfehlung hatte. Dieser nahm mich überaus artig und freundschaftlich auf, und schlug mir gleich vor, mich ins Museum einzuführen. Dabei bemerkte er (horchen Sie auf!), er bedauerte sehr mich nicht selbst dahin begleiten zu können, da er sehr beschäftigt sei, weil er vor einigen Wochen, das Unglück gehabt habe, seine Zahlungen einstellen zu müssen; er wolle aber einen von seinen Leuten mit mir schicken. Diese Natürlichkeit und Unbefangenheit nahmen mich schnell für ihn ein. Er führte mich in seinem Hause herum; da ist alles voller köstlichen Gemählde, Bildwerke, Büii

Stark geschw. Passage., vermutl.: Moppel.

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O. Adr.

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König (seit 1816) Wilhelm I. (1781–1864) u. Königin Pauline Therese von Württemberg (1800–1873).

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Friedrich Wilhelm Murhard (1778–1853), liberaler Publizist (vgl. Br. 75).

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cher. Er ist ein sehr kenntnisvoller Kunstfreund. Sein Bankrott war mir sehr erklärlich. Er will mich mit Haug2, Uhland, der Herausgeberin des Morgenblatt3 und Andern, bekannt machen. – Die Lesegesellschaft nimmt ein sehr großes Lokal von, wie ich glaube, 10 Zimmern ein. Alle möglichen Blätter. Im Morgenblatte steht bis jezt mein Aufsatz noch nicht. Die Madam Huber (erwähntes Herausgeber-Weibchen), soll eine kuriose Frau seÿn.4 Mein genialer Kunstfreund u[nd]ii Geldfeind, erzählte mir ein langes, breites und dickes von ihr, konnte sie und sich aber nicht fasslich machen. Ich bemerkte,: aus dem was sie in meinen Aufsätzen für das Morgenbl. gestrichen, scheine sie eine prude zu seÿn. Ja ja, erwiederte er, das ist das rechte Wort, so ist sie. Bei ihr lebt ihre Tochter, die sich von ihrem Manne, einen Sohne des berühmten Herder, der in München angestellt ist, hat scheiden l[assen].5 Ich werde sehen was an den Weibern ist. Geschiedene Ehefrauen liebe ich sonst sehr. – Ueber Cotta wird hier stark abgeurtheilt. Sie sagen es seÿ ein eitler Mensch, der gern Minister seÿn möchte, und sich wi[rk]lich der Hoffnung überlassen habe, es zu werden. Erst neulich habe er geäussert: er fände in Stuttgart nicht Spielraum genug, er wolle mit seinem Gelde nach Oesterreich ziehen. (Er hat Anderthalb Millionen und 2 Kinder, einen Sohn6 und eine Tochter.7 Leztere soll nicht schön seÿn. Das wäre noch besser als mein Buckelchen) – – In Heilbronn (der Weg hierher führt durch) hatte ich ein höchst wundervolles Abentheuer, aber dessen verdrüßliche Folgen mich sehr beunruhigen. Ich bedarf Ihres Rathes so sehr [als] Ihrer Theilnahme, liebe Freundin. Es war 8 Uhr Morgens als ich dort ankam. Mein Mantel war in der Nath, fast eine halbe Elle lang durchgerissen, ich ließ mich daher zu einem Schneider führen. Der Mann, ii

Besch. Rand.

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Johann Christoph Haug (1761–1829), Schriftsteller u. Redakteur bei Cotta’s Morgenblatt. Vgl. Br. 14. Therese Huber, geb. Marie Therese Heyne (1764–1829), 1817–1823 leitende Redakteurin des Morgenblatts. Louise Huber (1795–1831), 1813 verh. mit Emil Gottfried v. Herder (1783–1855), 1816 geschieden. Johann Georg Freiherr Cotta v. Cottendorf (1796–1863), Sohn und Nachfolger Johann Friedrich Cottas. Freifrau Ida v. Reischach geb. Cotta v. Cottendorf (1807–1862) heiratete 1824 Hermann Frhr. v. Reischach (1798–1876).

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etwa ein Funfiziger sieht eher einem Landgeistlichen ähnlich, voller Würde und Milde im Gesicht. Das Wohnzimmer verrieth Behaglichkeit. Er hieß mich sitzen bis die Arbeit fertig seÿ. Sie trinken wohl ein Gläschen Kirschwasser, sagte er, die Nacht war kalt. Ich nahm es an. Darauf rief er die Küche hienab seiner Tochter etwas zu, das wahrscheinlich auf das Frühstück Bezug hatte. Herein trat ein 16jähriges Mädchen, so süß so himmlisch so duftend, wie sie wahrlich noch kein Dichter gemahlt hat. Die Farbe ihres Kleides konnte ich nicht unterscheiden, denn es dämmerte noch etwas, aber ein schwarzer oder dunkler grüner sammtner Mieder, geschlizt auf altdeutsche Art, stand ihr gar zu lieb. Ihr Haar bedeckte ein gelbes Netze, und durch dessen Maschen, waren die Zöpfe auf ganz eigne Weise geflochten. Einen zinnerner Teller mit Flasche Glas und Bretzeln in beiden Händen tragend, trat das Mädchen vor mir hin. Es machte mit niedergeschlagenen Augen einen Knix und sprach: W[ohl]iii bekomm es Herr. Ich danke, liebes Kind, sagte ich und wollte zugreifen. Da fiel plözlich Teller u[nd] alles zu Boden. Das Mädchen that einen fürchterlichen Herzzereissenden Schrei, und stürzte mit bleichen Wangen, gebrochnem Auge, wie leblos zur Erde nieder. Sie mochte wohl keine Mutter ha[ben] denn auf das Jammergeschrei eilte sie nicht hinzu. Aber der Vater! Der alte Mann schluchzte wie ein Kind, warf sich an seiner Tochter Seite, und krisch daß sich Holz und Steine hätten erbarmen mögen: O Jesus Goldkind, was fehlt Dir? Was hast Du lieb Käthchen? . . In diesem Augenblicke trat der Postwagen=Conducteur hereiniv, der fluchend und brummend mich zur Eile zwang. Ich, war entweder bestürzt, oder auch schwach genug, an den wenigen Gulden zu denken, die mir die Versäumung des Wagens gekostet haben würde. Ich nahm meinen Mantel, und verließ die guten Leute in ihrem Jammer. Aber ich litt unsäglich in der Erinnerung. Des Vormittags 10 Uhr komme ich hieran. Ich konnte aus dem Posthause meine Sachen nicht gleich mitnehmen, weil sie noch nicht ausgepackt waren. Man versprach sie mir ins Wirthshaus zu schicken. Eine halbe Stunde später, bringt sie mir der Postknecht. Ich bemerkte ihm, daß mein Nachtsack fehle, worauf er mit einem gar sonderbaren Lächlen erwiederte, mein Bedienter hätte ihn aufgepackt, und stünde draussen wartend vor der Thüre. Ich erschrak sehr und fürchtete einen Schelmenstreich. Ich trete vor’s Zimmer und finde einen Menschen in einem Mantel und rundem Hute keuchend mit meinem Sacke beiii iv

Besch. Rand ÜdZ.

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lastet. Der Postbediente ging unterdessen weg. Mein Bedienter tritt ein, und – werden Sie mein Erstaunen errathen? – Ich erkenne in ihm das Mädchen von Heilbronn. Um Gotteswillen, fragte ich: was soll das bedeuten? Herr, sagte sie, ja ich bin Käthchen von Heilbronn, und eure Magd, und ich will euch treu bedienen. Ich wußte nicht sollte ich lachen oder weinen, und ich lachte mit thränenden Augen. Ja, lacht nur Herr, sagte sie, ich weiß doch daß Ihr mich liebt, und mich zur Frau nehmen werdet. Ich hieß sie mit geheuchelter Roheit [s]ichv fortbegeben . . . . Sonntag den 12 Nov. Abends 9 Uhr. Ich habe Ihren Brief erhalten, himmlische Freundin.vi Ach, mit Schmerz erfahre ich es, meine Abwesenheit hat Sie begeistert, Sie sind aus Lust und Wonne [z]ur Dichterin geworden, so konnten Sie nicht schreiben da ich bei Ihnen war. Sie sind die reizendste [N]ärrin auf der Erde, Sie machen die Tollheit ehrwürdig, und man wird das Klugseÿn künftig den Dummen überlassen. Ich zitterte unter Ihren Phantasien zu finden, daß Sie mich lieben, und war ganz selig, daß Sie das zur Prosa zählen. Ich ließ Ihren Brief im Morgenblatte abdrucken (es ist nicht ein einziger orthographischer Fehler darin), aber ich bin zu eifersüchtig irgend etwas was von Ihnen [k]ommt mit der Welt zu theilen. – – Nun zu meinem vollbrachten Tagewerke. Heute Morgen, während ich ausgegangen war ist mein Papa abgereist. Er hat sich aus dem Staube gemacht, aus dem Gold[st]aube eigentlich, er ließ mich nicht dazu kommen, ein Anleihen bei ihm zu machen. Meinetwegen, ich [w]erde ausreichen. Bei Cotta wäre es fast wie gestern gegangen. Er unterhielt sich mit mir anderthalb Stunden lang, von allem Möglichen. Es scheint mir fast, als wolle er mich auskundschaften, wozu ich etwa zu brauchen wäre (nicht von Seiten des Geistes, sondern von Seiten des [C]harakters) Endlich ward ich müde, und brachte das Gespräch, auf das Ihnen wohlbekannte Wägelchen.8 Er bat mich ihm schriftlich den Absatz u. s. w. zu notiren, und ihn morgen wieder zu besuchen. Was ich vermuthet, war wirklich so. Er will seinen Namen nicht als Verleger heraus[st]ellen, und sich darum der Tübinger Handlung bedienen. Er müsse sich geniren, sagte er. In Wien hätten sie im vorigen Jahre sogleich erfahren, daß er mir nach Paris geschrieben. (Halten Sie das aber ge-

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Besch. Rand Vgl. Br. 23. Die Wage: eine Zeitschrift für Bürgerleben, Wissenschaft und Kunst.

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heim, denn daran war keiner Schuld als Ihr Schwätzer in Frankfurt. Es [k]önnte wieder so gehen.)9 . . . Allerlei Interessantes habe ich von ihm erfahren. Jean Paul soll [de]r eitelste empfindlichste Mensch von der Welt seÿn. Im vorigen Jahre war die Frau von [H]umbold zugleich mit Jean Paul bei ihm in Gesellschaft.10 Jene fragte diesen: wo er wohne? Dieses verstimmte Jean Paul so sehr, daß er den ganzen Abend kein Wort mehr sprach. Ich [er]innere mich, daß die Herz, die auch gegenwärtig war, mir das Nehmliche erzählt hat. Rührt [Si]e das nicht eher als daß Sie es lächerlich finden? Voltaire wohnte in einem Dorfe, und [g]anz Europa wußte, daß dieses Fernaÿ sei. Cotta hat ein Buch von Jean Paul (gramma[tika]lischen Inhalts) verlegt.11 Dieses ist im Morgenblatte von Müllner12 sehr getadelt worden. Darüber [hat] ihm J. P. heftige Vorwürfe gemacht, daß er dieses als Verleger des Morgenbl. geduldet. Das finde ich nun sehr schwach und lächerlich. Voss13 ist eben so. Mit Brockhaus, der seinen Shakespeare verlegt, hat er sich entzweit; weil dieser etwas für Stollberg14 hat drucken lassen. Also hätte ich doch einen Vorzug vor den größten deutschen Schriftstellern: daß mir kein Tadel Wehe thut (der Ihrige ausgenommen, weil Sie die Brodherrin meiner Seele sind). – Zu einem gewissen Prokurator Schott15 führte man mich, zu einem der Volksredner bei den Ständen. Er kennt auch meinen Vater,16 für den er Advokaten Geschäfte führt. Als 9

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Die ersten Verhandlungen über eine Zusammenarbeit fanden im Sommer 1819 statt. Am 26. Oktober sagte B Cotta eine freie Mitarbeit auf Honorarbasis schriftlich zu. Er lieferte gegen beträchtliche Vorauszahlungen Beiträge für das Morgenblatt. Cotta lehnte aufgrund der polizeilichen Überwachung die Herausgabe der Wage ab, vermittelte aber den Kontakt zu der hier von B erwähnten Tübinger Buchhandlung Laupp. Jean Paul und Karoline v. Humboldt begegneten sich am 15. Juni 1819 im Hause Cottas. Jean Paul, Über die Zusammensetzung der deutschen Doppelwörter. Eine grammatische Untersuchung in zwölf alten Briefen und zwölf neuen Proskripten (1818/1820). Adolph Müllner (1774–1829) leitete von 1820–1825 das Literatur-Blatt, eine Beilage des Morgenblatts für gebildete Stände. Seine Kritik an Jean Paul ist in Nr. 89 abgedruckt. M. bemühte sich wiederholt um Bs Mitarbeit für das Literatur-Blatt. Johann Heinrich Voß (1751–1826), Dichter u. Shakespeare-Übersetzer. Friedrich Leopold Graf zu Stolberg-Stolberg (1750–1819), Dichter und Jugendfreund von J. H. Voß. Nach seiner Konversion vom Protestantismus zum Katholizismus im Jahre 1800 erfolgte der Bruch mit Voß. Christian Albert Schott (1782–1861), Staatsanwalt u. liberaler Abgeordneter des württemberg. Landtages. Vgl. Br. 13.

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ich ihm erzählte, ich seÿ des Hrn. Jakob Baruch Söhnlein, war er sehr erstaunt. Ich sagte ihm, ich führe einen andern Namen, weil ich die Religion meiner Vätern (ich lasse zu Ihrer Uebung zuweilen orthographische Fehler stehen) verlassen habe. Darauf scherzte ich sehr angenehm und mannichfaltig über diesen Gegenstand. Dieser Schott giebt sich freundliche Mühe um mich. Er brachte mich zum Dich[t]er Uhland. Der scheint jünger wie ich. Er sieht ohngefähr aus, wie des Dr. Goldschmith Vetter Student, der neulich bei Ihnen war, nur unbedeutender. In der Unterredung sezte er uns von allem Weine seines Geistes auch kein Gläschen vor. Sie können sich nichts langweiligeres denken. Als ich mich verabschiedete sagte ich: ich freue mich u. s. w. das Uebrige in den Bart murmelnd. Das Gemurmel war aber nicht etwa: Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, sondern: von Ihnen weg zu kommen. Sie „trockner Peter“ (so bezeichnete ihn die Herz richtig) – Meine Empfehlung an die Räthin Kaula17 habe ich abgegeben, die Frau gefällt mir recht gut. Sie hat ein feines anständiges Benehmen. „Mein Freund, sagte sie mir, hofft ich werde Ihnen während Ihres Aufenthaltes, alles Mögliche Angenehme erzeugen; in diesem Augenblicke kann ich mich Ihnen nicht gefälliger erweisen, als wenn ich meine Cousine da bitte uns etwas zu singen.“ Das Mädchen (Caroline Kaula,18 Tochter des in Hanau verstorbenen Commerzienrathes) sang, und wahrlich sie hätte mir das Herz aus der Brust gesungen, wäre ein[s] darin gewesen. Comprenez-vous Moppel? Schön ist sie aber gar nicht. Als sie fertig war, frug sie zweimal den Spiegel ob sie mir gefiele? Wie gut wäre es für Uns und Euch, wenn ein Theil der Männer blind wäre, ein anderer Theil taub, und ein dritter blind und taub zugleich; dann fände jedes Mädchen sei Schätzi. Ich erkundigte mich fein, nach erwachsenen Töchtern der Frau Räthin19 (Comprenezvous Moppel?) aber sie hat keine. Ihre älteste Tochter ist verheirathet, ihre Buben sind noch klein. – Dr. Schott, zeigte mir das Haus worin die Stän-

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Vgl. Br. 24. Bs Zuordnung von Personen und Familienzugehörigkeit ist hier unklar: Caroline Kaulla (1808–1875) war die Tochter des württembergischen Hoffaktors Nathan Wolf K. (1784–1838). Der Hanauer Kommerzienrat Mayer Raphael K. (1775– 1815), Sohn der Chaile K. (1739–1809), hatte drei Töchter: Eva (geb. 1799), Henriette (geb. 1801) und Hannchen (geb. 1806). Vermutl. Eva v. K., die Ehefrau des württembergischen Hoffaktors Wolff v. K. (1758–1841), Sohn des Kieve Auerbach und der Chaile, gen. „Madame Kaulla“ (1739–1809), Leiterin des Handelshauses Kaula.

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desitzungen gehalten werden.20 Das ist herrlich eingerichtet, ganz theatralisch. Wie gern hätte ich mich auf die Redner-Bühne gestellt, und herabgedonnert: Ihr Minister, Ihr Schlingel, heißt das Regieren? Warum gebt Ihr dem Dr. Börne keine Anstellung mit 12 000 fl. Gehalt? Ist das Volk um Eurentwillen da, oder um des Dr. Börne wi[l]len? Geht mir aus den Augen Schlingel! – – Die Menschen hier gefallen mir sehr, und gar manches zieht mich an. Ich würde gern hier bleiben, aber Sie sind mein bößer grauer Staar, Sie würden mir die Sonne selbst verdunkeln, wenn ich ohne Sie darin wohnte. – – Um Gotteswillen was fange ich mit Käthchen an? Das Mädchen liebt mich bis zum Wahnsinne. Soll ich sie verlassen, soll ich sie in die rohen Hände der Polizei geben? Sie folgt mir gewiß nach Frankfurt, was werden die Leute dazu sagen? In Heilbronn überhaupt scheint alles toll zu seÿn. Sie wissen, daß dort berühmte Bleichen sind. Ich kam Abends im Dunkeln vor der Stadt an, und fuhr an einer solchen Bleiche vorüber. Da nahm ich wahr, daß mehrere weisgekleidete Gestalten auf der Wiese, mit Laternen in der Hand, sich hin und her bewegten. Ich fragte den Conducteur, was hier bei Nacht geschähe? Und dieser erzählte mir zu meinem Erstaunen, daß die wandelnden Gestalten junge Frauenzimmer von Stande wären, die aus der ganzen Umgegend in Heilbronn zusammen kämen, um Sommerflecken oder sonst einen Fehler der Gesichtsfarbe, wegbleichen zu lassen. Da sie sich nun bei Tage den Gaffern nicht blosgeben wollten, gingen sie so[bald] es dunkel würde auf die Bleiche, und blieben dort bis Mitternacht. In Zeit von 8 Tagen würde auf diese Art der häßlichste Teint schön gemacht. Aber schmerzhaft ist die Operation, denn das Gesicht wird dabei mit ätzendem Salzwasser übergossen. Ist das nicht denn toll, und seÿd Ihr werth, daß euch der Teufel hohlt? So gut habt Ihr’s aber auch nicht, es holen euch nur Männ[er.] – – Die Liberalen hier suchen mich von Cotta abzuziehen.21 Sie sagen: ein Journal daß bei Cotta erschiene, habe schon darum einen übeln Ruf. Ich sollte mich mit dem Manne nicht ein-

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Gemeint ist der erste, nach der Verfassung von 1819 gewählte württembergische Landtag. Cotta unterstützte anfangs den gouvernementalen Flügel der Liberalen um den Freiherrn Karl August v. Wangenheim (1773–1850). Seit dessen Entmachtung durch das bürokratisch-zentralistische Ministerium unter Eugen v. Maucler (1783–1859) im November 1817 stand er auf Seiten der liberalen Opposition gegen die Regierung. Offenkundig zielt die hier wiedergegebene Kritik weniger auf Cottas politische Gesinnung als auf die Art der Wahrnehmung seiner verlegerischen Interessen.

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lassen. Es wäre noch keiner mit ihm fertig geworden. Er umschnüre seine Leute, und suche sie in Abhängigkeit zu erhalten.. Indessen, das kümmert mich nicht. Ich bin so schlimm als er, und er wird Noth haben mit mir fertig zu werden. Wenn wir nur über den Preis einig werden. Fast zweifle ich daran, er versteht sich zu gut auf seinen Vortheil. –– In Ludwigsburg werden die Pfannkuchen nur auf einer Seite gebacken. Die erste Erratherin dieses Räthsels bekommt etwas Schönes mitgebracht. Die Auflößung folgt unten. – – Der Wagnermeister mit dem ich auf dem Postwagen reiste, hat gesagt: „Rechtschaffenheit giebt Religion, aber Religion giebt nicht Rechtschaffenheit“. Ist das nicht gut gesagt? – Zu meiner Satÿre über deutsche Postwägen habe ich viel gesammelt.22 – Der Mÿsticismus und Pietismus, herrscht hier sehr stark. Große Sekten solcher Schwärmer haben sich gebildet. Der Gastwirth bei dem ich wohne (ein junger Mann) gehört auch dazu. Der Mensch hat sich durch seine Narrheit alle Gäste vertrieben, so daß ich mit nur 2 Personen zu Mittage esse. Abends nach 10 Uhr giebt er keinen Wein mehr. Früher war der römische Kaiser, einer der ersten Gasthöfe. Er läßt zum Frühstücke aller Hausbewohner (auch der Fremden), Mürbes in Gestalt eines Kreuzes back[en] so daß ich alle Morgen das Kreuz kriege. Ihr sollt auch so ein Kreuz bekommen, ich bringe eins mit. – – Montag d. 13. November. Mittag. Ich war wieder bei Cotta. Er meint, es ließe sich gar nicht einrichten, weil der Band schon angefangen habe; ich solle ihm indessen meine Bedingungen schriftlich mittheilen. Dieses habe ich gethan, und ich werde Morgen die Antwort hören. Allerdings hätte die Uebernahme der Wage für den Verleger Schwierigkeiten. Auf jeden Fall wird das C. zum Vorwande nehmen, wenn ihm mein Honorar zu hoch ist. Ich habe für 2 Bände jährlich 2000 fl. gefordert, und ein Douceur für meine Copistin. Anders thue ich es nicht. – Wie es mit meiner Abrei[se] steht, weiß ich noch nicht. Wahrscheinlich wird sie sich bis Freitag verschieben. Auf keinen Fall schreiben Sie mir ferner, der Brief würde zu spät kommen. – Sind Sie noch immer schön, haben [S]ie nicht verlohren, seit meiner Abwesenheit?. Auch im heutigen Morgenblatte steht mein Brief nicht, wahrscheinlich wird er nicht aufgenommen. Ich werde die Frau Huber besuchen, es hat mir einer ihrer hiesigen Bekannten, ein Billet an sie zugestellt. – Was macht mein liebes Vieh?23 Grüßen Sie sämmtliches. Auch 22

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Vgl. Bs Monographie der deutschen Postschnecke. Beitrag zur Naturgeschichte der Mollusken und Testaceen (1821). Gemeint sind die Familien Ochs und Rindskopf.

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die Menschen darunter, Dr. Reis und Stiebel. – – Ein Empfehlungsschreiben an den Redacteur der Neckarzeitung,24 das ich von Frankfurt mitnahm, konnte ich nicht abgeben, da der liebe Mann, jezt einige Stunde weit von hier, in der Festung eingesperrt sizt, wegen Pressvergehen. – Die Boisseree’sche Sammlung,25 habe ich noch nicht gesehen; ich ging[e] gar nicht hin, wenn ich nicht Ihre Vorwürfe fürchtete. Die Kunst, liebe Freundin . . hem . . das Uebrige können Sie sich leicht hinzudenken. Ich weiß, daß Sie hierin ganz meiner Ansicht sind. – So eben fällt der erste Schnee. Jede Flocke ruft mir Ihr geliebtes Bild zurück. Wie so das? Ja, ich [w]eiß es wahrhaftig selbst nicht. – Nicht 1½, zwei Millionen ist Cotta reich, wie ich so eben gehört habe, und wenn er meine Wage übernimmt, muß er es in kurzer Zeit zu 3 Millionen bringen. – Auf heute Abend bin ich zum Thee eingeladen bei Prokurator Schott,26 auf morgen Mittag bei Kaula. Daß diese keine erwachsenen – Töchter hat, verdirbt mir alle Freude. Wie Rosenroth waren meine Hoffnungen! – Auflößung des Räthsels: In Ludwigsburg werden die Pfannkuchen nur auf einer Seite gebacken, denn der Ort, hat nur Häuser auf einer Seite, auf der andern Seite ist ein Lustgarten. Wer hat es zuerst errathen? – – Die Gegend um Stuttgart ist herrlich. Hohevii Berge umgeben die Stadt, bis an die Gipfel mit Wein und Häuserchen bepflanzt. Hier möchte ich wohnen. Und so gute Leute! – So artig bin ich, so fein, so superfein hier, und 11/4 Breit, Sie glauben es nicht. Die Männer zittern vor mir, die Frauen [be]ten mich an, die jungen Mädchen seufzen. Kann ihnen nicht helfen, bin schon versagt. Man [n]ennt mich nicht anders als den schönen Doktor. Bleibt mir noch zu mehrerem Platz übrig, als Ihnen zu sagen, daß ich Sie liebe, anbete, verehre, und um das Glück beneide, mich zu besitzen? [O] ja, ich habe noch Raum Ihnen zu sagen, daß künftig eine ganz neue Einrichtung mit [un]s getroffen wird. Ich bleibe nicht länger als bis Abends 8 Uhr bei Ihnen, dann wird gear[be]itet. Ich

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Orig.: Himmelhohe.

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Vermutl. Ludwig Georg Friedrich Seybold (1783–1842), Redakteur u. Mitbegründer der Neckarzeitung, der für den Abdruck einer Passage des v. Wilhelm Schulz (1797–1860) verfaßten liberalen Frag- und Antwortbüchlein über Allerlei, was im deutschen Vaterlande besonders Noth tut. Für den Bürgers- und Bauersmann (1819) inhaftiert worden war. Zur Boisseréeschen Sammlung: vgl. Br. 5. v. 16. September 1819. Vgl. oben Anm. 15.

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schreibe alle Woche ein Heft. Rauchen werde ich auch nicht mehr bei Ihnen. Adieu, Ihr Vergangner, Gegenwärtiger, Zukünftiger Dr. Börne, geb. Wohl

26.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Stuttgart, den 14. u. 15. November 1820.

Nr. 3. Stuttgart d. 14. Nov. 1820.i Dienstag Morgen ½ 8 Uhr Vielleicht sind Dir die Augen noch geschlossen, und ich sitze da und schreibe unverdrossen, habe mir die Finger mit Dinte übergossen, und mein Frühstück schon längst genossen. An dem Du und den Reimen werden Sie merken, daß ich in Versen spreche, nur habe ich sie nicht unter einander gestellt, weil sie das Papier nicht werth sind, das rechts und links verlohren geht. Aber Sie, sogenannte Freundin, sind auch des Papiers nicht werth, und wäre ich nur Teufel genug, ich holte Sie gewiß. Das Warum? Sollen Sie später erfahren. – Ich habe gestern Frau Huber besucht, die Morgenblattlaus.1 Sie wohnt auf Dichterart, dem Himmel näher als andere Menschen, im höchsten Stocke des Hauses. Aermlich genug sieht es bei ihr aus. Sie ist eine Frau in den besten Jahren – für den Ehemann wenn er jung ist, so zwischen 60 und mehr, klein und hager, etwas quecksilbern und sehr jovialisch. Sie trägt eine Haube, und darüber einen Schleÿer auf Nonnen= oder Matronenart. Ich habe mich eine Stunde lang recht angenehm mit ihr unterhalten. Sie hatte einen Husten der sie und mich plagte, sie aber länger. Denn da sie leise sprach, und ich sie oft nicht verstand, fragte ich He? worauf sie sich anstrengen mußte und lauter sprach. Wenn die drei Arzneien, die sie zu gleicher Zeit einnimmt, nicht ihren Zweck erreichen, so hat sie mir ihren Tod zu verdanken. Sie ist ein satÿrischer – nicht Engel wie Sie – sondern Drache. Sie macht sich über alles und Alle lustig, besonders über die Mitarbeiter oder Mitarbeit-Suchenden beim Morgenblatte. Von denen hat sie mir nun freilich die lustigsten Dinge erzählt. Bald schickt ihr ein

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O. Adr.

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Vgl. Br. 25.

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Dichter aus Hanau 80 Sonette, 200 Epigramme, ein Duzend Erzählungen, zum Abdrucken, bald kömmt ein alter Mann weinend zu ihr, und klagt er habe Frau und Kinder zu ernähren, und wolle angestellt seÿn – und so ging es das ganze Jahr. Sie sprach mit mir viel über Juden, eigentlich gegen. Anfänglich konnte ich das nicht begreifen, denn ich merkte ihren Reden an, daß sie nicht im geringsten daran denkt daß ich selbst Einer sei. Nachher aber fiel mir bei, daß ihr meineii beiden Frankfurter Berichte, wohl Anlass gegeben hatten, von jener Sache zu sprechen.2 So viel von der Mutter. Aber die Tochter, die geschiedene Frau v. Herder!3 Ich hatte schon voraus, noch ehe ich sie gesehen, die größte Hochachtung vor ihr. Denn wenn eine gewöhnliche Frau, nur ein einfacher Engel ist, die ihren Mann b[e]glückt bei der Heirath, so ist eine geschiedene Ehefrau ein Engel mit vier Flügeln, die einen Mann doppelt glücklich macht, einmal durch das Hinreichen, und das Andere Mal durch Entziehen der Hand; der dritten Seligsprechung gar nicht zu gedenken, wenn ein solcher Doppel-Engel, für einen zweiten Mann zum drittenmal ihre Hand bewegt. Also Ehrfurcht vor Frau v. Herder, und dann Bewunderung. Denn schön ist sie, beim Himmel sehr schön. Höchstens 24 Jahr alt, das Gesicht eine gefüllte Rose, Zähne wie weiße Rüben, oder wie Rettig inwendig, oder wie Vanillen-Eis, oder wie Baumwolle, oder wie Postpapier, oder wie Heilbronner Bleichleinwand, oder wie das Dintenfass das vor mir steht, oder wie der Gipfel des MontBlanc, oder wie der Brunnen in der Gallus-Promenade. Große, schwarze, feuerige, lebenslustige, herrschsüchtige Augen. Sie könnte wohl ein Bataillon Männer kommandiren, denn es scheint mir, sie hat zehentausend Teufel im Leibe. Sie sagte mir, ich sei ihr schon längst bekannt, und zwar von daher: Im vorigen Jahre habe sie eine Zeit lang bei Benzel-Sternau auf seinem Schweizerischen Gute zugebracht, und dort sei oft und mit Theilname, meiner und meiner Händel gedacht worden, die ich damals hatte.4

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Orig.: meinen.

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Sechs Briefe aus Frankfurt in: Morgenblatt (1820–21). Vgl. Br. 25. Karl Christian Ernst Graf v. Bentzel-Sternau (1767–1849), Schriftsteller, großherzogl. Frankfurter Staatsminister unter Fürst Dalberg, Verfasser adelskritischer Dramen. Der ehemalige Minister zog sich 1813, nach der Auflösung des Großherzogtums, auf seine Güter (u. a. das Gut Mariahalden) zurück. Mit Händel könnte Bs Entlassung als Polizeiaktuar 1813 gemeint sein.

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Als ich Abschied nahm sagte sie mir mit einer schelmischen Präsentirung des alabasternen Zeigefingers: Grüßen Sie eine gewisse Madame Wohl! – – […]iii so stehen die Sachen – – Den gestrigen Abend, habe ich, wie ich Ihnen prophezeit bei Dr. Schott zugebracht. Da waren: Uhland, Professor List5 u. a. So liebenswürdig, so beredsam, so witzig, war ich noch nie gewesen, ich war mit geübten Volksrednern zusammen, habe aber alles übersprochen. Ich habe ergözt und war es also auch. Hier könnte ich nicht blos eine Rolle spielen, wie Ihr zu sagen pflegt, sondern wirklich viel seÿn, thun, erreichen und gelten. Ich könnte – wenn Sie nicht wären, und darum, wie ich die Ehre hatte Ihnen oben zu bemerken, Madame Wohl, soll Sie der Teufel hohlen. Präcis 8 Uhr war ich politisch, und verließ die Gesellschaft früher als die Andern, um Raum und Zeit zu lassen, sich wechselseitig die gute Meinung über mich mitzutheilen. Aber Freitag ist alle meine Herrlichkeit zu Ende, da muß ich nach Haus um Theestaub mit Ihnen zu trinken. – Abends 9 Uhr. Cotta habe ich heute gar nicht sprechen können, ich traf ihn nie zu Hause. Es wäre recht spashaft, wenn ich zurückk[ehrte]iv ohne meine Sache zu irgend einer Entscheidung gebracht zu haben. Offenherzig gesprochen, es fällt mir selten ein, weswegen ich eigentlich hergekommen bin. Ich bin der Hans ohne Sorgen. Ich lebe und zeche nach Herzenslust. Mit meinem Gelde habe ich eine eigne Einrichtung getroffen, damit ich mich nicht verleiten lasse es zu zählen und Hauszuhalten. Ich habe es gelegt in meine Pelzmüze, welche liegt in meiner Kommode. Oben drauf habe ich gelegt eine Weste, dann die Albaneserin,6 dann einen Band des Conversationslexicons, dann ein Paket Toback, oben drauf ein Schnupftuch. So kann ich nicht durchdringen, baare Ausgaben habe ich wenige, (es wird alles auf Rechnung gesezt), und so erspare ich mir die Ueberraschung, entweder des Mangels, oder des Ueberflußes. – Das königiii iv

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Geschw. Passage. Besch. Rand Möglich ist auch eine Anspielung auf Bs Konflikte mit der Zensur oder seine Inhaftierung in der Frankfurter Hauptwache 1820, ein Vorfall, von dem B.-S., der in Mariahalden freisinnige Politiker und Publizisten empfing, sicherlich Kenntnis hatte. Friedrich List (1789–1846), Nationalökonom, Mithg. der Neckarzeitung u. Mitbegründer des Handels- und Gewerbevereins, aus dem später der Deutsche Zollverein hervorging. Wegen seiner liberalen Ansichten wurde L., obwohl Abgeordneter des württembergischen Landtags, 1820 verhaftet. Adolph Müllner, Die Albaneserin (1820).

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liche Schloß habe ich gesehen, ich Narr! Nur um Ihrentwegen geschah es, damit ich etwas zu schreiben findev. An Stoff mangelt es mir nicht, aber Ihnen an Freundschaft, und so muß ich einen Rahmen gebrauchen, mein liebevolles Herz dazwischen zu sperren. Ich war in Wien, Berlin, Dresden, Paris; nie kam es mir in den Sinn einen Palast zu sehen. Anderthalb Stunden bin ich durch Zimmer gelaufen. Liebe Freundin, welche Pracht, welche Herrlichkeit – und Sie wissen wie ich darüber denke. Meine Faust war geballt. Der Kastellan dachte, es wäre das Trinkgeld darin; aber nichts war darin eingeschlossen, als mein Grimm gegen alle Fürsten, Großen und Ueberreichen. Liebe Madame Wohl, wir beide vereinigt, sind gewiß reich, aber in manchem Zimmer, sind die Möbel so kostbar, daß wir sie nicht bezahlen könnten. Ich habe eine goldne Toilette gesehen, die wenigstens 50 000 Gulden werth ist. Ein Bett für Napoleon verfertigt, worin er eine einzige Nacht geschlafen, mußte nach meiner Schäzung 4000 Gulden gekostet haben. Zwei der größten Seidenhandlungen in Frankfurt sind nicht so viel Werth, als der Samt und die Seide, die zu Tapeten verwendet sind. Ein einziger Kamin, in Paris gemacht hat 40 000 Franken gekostet. Die Uhren sollten Sie sehen, die künstlichen die Musikalischen, die Wetteruhren. Ich trat in einen Saal, da sprang mir ein Spitz bellend entgegen. Es war ein Uhrwerk. Eine andere Uhr stellt eine Porzellanene Frau vor, in Lebensgröße, und mit Lebensfarben. Der Mund steht ihr offen, und man sieht die 12 Vorderzähne, die von 1 bis 12 numerirt sind. Des Morgens um 6 Uhr ist der Mund zahnlos. Mit der 7ten Stunde, nimmt sie aus einem Toilettenkästchen den Zahn Nr. 1. und sezt ihn ein; so fort alle zwölf bis Abends 6, wo der Mund voll ist. Mit 7 Uhr Abends nimmt sie den Zahn [1] aus dem Munde, und legt ihn in ein Kästchen links, und so fort alle. Morgens 6 Uhr ist sie wieder Zahnlos. Die Uhr geht 6 Tage. – An einer Wetteruhr, kömmt, wenn es Regen giebt, ein Männchen mit einem Schirm, wenn es schneÿen soll, mit einem Mantel, und wenn es ein Gewitter giebt, mit einem Gebetbuche zum Vorschein; und das 12 Stunden vorher. Eine andere Uhr stellt einen alten Mann vor, der jede Stunde eine Tobacksprise nimmt, und so oft nießt, als die Stunde macht. – Ein Exemplar von Büffons Naturgeschichte in 24 Folio=Bänden7 habe ich gesehen, die auf milchweißem Atlas v

Orig.: finden.

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Georges-Louis Leclerc de Buffon (1707–1788), Histoire naturelle (1749–1788), 36 Bde.

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gedruckt waren. Die Kupfer waren sämmtlich in Seide gestickt. – Ein Saal, 50 Fuß lang und 21 Breit, ist auf dem Boden, mit einem einzigen Spiegelglasse belegt. Es ist so dick und haltbar, daß man darauf tanzen kann. Die verstorbene Königin von Würtemberg,8 hat es von ihrem Bruder dem Kaiser Alexander zum Geschenke erhalten. Der Spiegel hat 2 Million Rubel gekostet. – Nur wenige Zimmer (8) die der König mit seiner Familie bewohnt, werden nicht gezeigt. Ich kam bis an dasjenige, worin sich die Prinzessinnen aufhalten. Ich machte den Würmchen durch’s Schlüsselloch eine Liebeserklärung. Ich sah sie Brei Essen aus geschmolzenem Silber – von wollte ich sagen. – – – Mittag war ich bei Kaula zu Gaste.9 Unter andern befand sich dabei, der französische Chargé d’Affaire, ein Graf; gegenwärtig ferner: noch ein Kaula, und ein gewisser Dr. Börne aus Frankfurt. Ein närrischer Kautz ist der leztere. Das zweite Wort das er spricht, ist: Wohl! Auf jede Frage antwortet er nichts als Wohl. Er ist zerstreut wie ich noch keinen sah. Frau v. Kaula10 fragte ihn: Sie sind wohl immer in Gedanken? Antwort: Wohl. Finden Sie denn bei allem was zu denken? Antwort: Wohl. Was denken Sie zum Beispiele, indem Sie jezt Gans essen? (fragte ich). Antwort: Wohl. – Der Kaula11 ist entweder ein Pfiffikus [w]ie alle Hofjuden, oder ein Narr, oder dumm. Er spricht wenig, troken und verzieht keine Miene. Die [Fra]u Räthin aber ist eine Staatsfrau. Im Ernste und gutem Sinne. Sie muß in ihrer Jugend schön gewesen seÿn. Viel Anstand und die Gabe vorzustellen. Wenig Jüdisches, viel Hofton. Sie weiß alles zu fragen und alles zu beantworten. Es freut immer schickliches Betragen zu sehen, und sicheres auftreten. Herrschsüchtig ist sie, und sie scheint gewöhnt zu befehlen. Aus der Art wie sie mit den Bedienten umgeht kann man schließen, daß der Mann unter dem Pantoffel steht. Da sie fein ist, macht sie auch fein. Sie schlug mir die Wahl vor, mit ihr den Abend ins Casino zu gehen, oder ins Conzert. Ich wußte mir nicht zu h[elfen] und antwortete: ich werde da am liebsten seÿn, wo ich Sie finde. Beim Weggehen, verließ ich das Zimmer und vergaß meinen Hut. Ich wurde von ihr zurückgerufen. „Sie sehen, sagte ich, daß ich von einem Gelehrten wenigstens die Zerstreuung habe.“.. „Auch das Andere“, erwiederte sie. Sie: Ist es wahr, was ich ge8

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Katharina v. Württemberg, geb. Ekatherina Pawlowna (1788–1819), Schwester Zar Alexanders I., seit 1816 mit Wilhelm I. von Württemberg verheiratet. Vgl. Br. 24. Eva v. Kaulla. Wolff v. Kaulla.

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hört, daß Sie nach Stuttgart zurückkommen und hier bleiben werden? Ich: Ich werde hier bleiben, wenn ich hier bleibe, bleibe ich aber nicht hier, so bleibe ich nicht hier. (Das war der lieben Frau zu rund, denn sie konnte nicht wissen, daß Sie mein Ich sind.) Sie: Wie gefällt es Ihnen bei Uns? Ich: Zu viel, daß es mir gefallen dürfte, zu wenig daß es mir gefallen dürfen möchte, nicht genug, daß es mir gefallen dürfte möchte seÿn, und weder zu wenig noch zu viel, daß es mir gefallen dürfen möchte, geworden seÿn, gemocht haben. Sie: Mit Euch Gelehrten läßt sich gar nicht streiten, Ihr behaltet immer Recht. – Abends fuhr ich mit der Frau Räthin ins Conzert. Die Kutsche stieß an einen Eckstein und neigte sich etwas über. Meine Begleiterin ward ängstlich und fürchtete das Umfallen. Beruhigen Sie sich, sagte ich, das Rad wird doch seine eigene Frau nicht beschädigen! Sie lächelte sehr. – – D. 15. Nov. Mittwoch Morgen 4 Uhr. Ich l[iege]vi niemals beim Schreiben, aber diesmal liege ich doch, und zwar im Bette. Und nicht erst jezt fang ich an zu schreiben, denn schon die sieben lezten Zeilen der vorigen Seite, sind auf diese Weise geschrieben. Im Conzerte wurde aufgeführt, Drÿdens bekannte Cantate Die Macht der Töne,12aber nicht mit der Händelschen Musik,13 sondern mit der von Winter.14 Gar nicht schlecht. Man hat schöne Singstimmen hier. – Die Odenheimers15 habe ich 2 Male besucht. Zwei schöne Töchter.16 Bleibt mir nur weg mit Euerem Süßchen,17 mit E[ue]rer Guste; es giebt hier Frauenzimmer, die sind zwei Mal zu schön. Verflucht naiv sind die Leute in Stuttgart. Die Frau Odenheimer hat mir auch geklagt, ihr Mann hätte schon früher Bankrott machen müssen, und jezt käme die Reihe an die Uebrigen. Wie ich gehört, ist der Hähnlein in München, der auch eine Odenheimer zur Frau hat, ebenfalls zu Grunde gegangen. Haben Sie, geliebte Seele, während [mei]ner Abwesenheit, in Papieren Geschäfte gemacht, und etwa schlechte? Wenn das wäre, ewig geliebte Theuere, (es hat Jeder für sich zu sorgen, daß er durch-

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Besch. Rand – Vgl. Tr. R: lüge (R IV, 323). John Dryden (1631–1700), A Song for Saint Cecilia’s Day (1687). Georg Friedrich Händels Oratorium Ode for St. Cecilia’s Day (1739). Peter v. Winter (1754–1825), Kantate Timoteo o Gli effetti della musica (Die Macht der Töne, 1793). Jacob Ottenheimer (geb. 1755), Hoffaktor, verh. mit Sara Benedikt. Vgl. Br. 99. Susette Ochs, 1827 verh. mit dem Antiquar Salomon Wolf in Heidelberg.

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komme im Hohlwege der Kasse), wenn das wäre, müsste ich mein Wort zurücknehmen. Aber ich bleibe Ihnen treu, und wenn Sie wieder zu Gelde komme[n], komme ich auch wieder. Es ist 5 Uhr. Noch ein bischen Schlafen. Gute Nacht und guten Morgen, süßer Engel. Wie f[reue] ich mich aufs Wi[e]dersehen! – – 8 Uhr. Also Jean Paul gefällt Ihnen? Desto besser. Ich nehme immer gern, mein Urtheil vor dem Ihrigen zurück, dieses Mal am liebsten. J. P. war meinvii Geheimer Rath, bei dem ich in jed[er] Noth, Verstand suchte und fand, ich hätte ihn ungern seiner Stelle entsezt. Der 2te Theil ist schöner als der erste und sehr unterhaltend.18 – Westheimer,19 wie Sie wissen, hat vonviii der Regierung 2½ Mill. vorgeschossen bekommen. Ueberdies hat ihm der König 1 200 000 Gulden von seinen Privatgeldern, und 600 000 die den Prinzessinnen gehören angeboten. Er hat aber erklärt, er braucht nichts weiter. Hier sagen sie, der Mann sei ehrlich, und würde alles bezahlen, aber er ginge zu Grunde, und es bliebe ihm wenig übrig. – Stellen Sie sich meinen Jammer vor, ich muß der Frau v. Kaula, wenn ich Abschied von ihr nehme, die Hand küssen. Sie hat es gern, und [es] ist bei ihr ein sichereres angelegtes Kapital als bei Oestereich.20 Ich muß mich dazu verstehen. – Ihre Phant[a]sieen auf der Bergstraße sind ein wahres Meisterrecht, oder eigentlich, da Sie eine Jüdin sind, ein Probestück, denn nach der neuen Juden-Ordnung die der Gesetzgebende Körper gemacht hat, wird die Pro[be]arbeit die [die] jüdischen Handwerker ehe sie das Meisterstück erhalten, verfertigen müssen, nicht wie bei den Christen Meisterstück, sondern Probestück genannt. Im Ernste, liebe Freundin, ich will Ihnen nicht schmeichlen aber Ihr ganzer Brief ist herrlich geschrieben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß Sie ihn allein verfasst haben sollen. Gewiß hat Ihr Hausgebieter der Romanenschreiber, daran geholfen. Schon in der Orthographie herrscht eine Vollendung, wie sie nur allein Göthe besizt. Für den leeren Raum den Sie in Ihrem Briefe gelassen werde ich mich rächen. Sie sollen eine noch größere Lücke dafür erhalten. – So eben komme ich von Cotta zurück. Die Sache ist so weit in Richtigkeit, daß er vii viii

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Orig.: meinen. Orig.: vor. Jean Pauls Palingenesien (1789). Wolf Zacharias Wertheimer (1782–1844), Frankfurter Bankier. Anspielung auf die äußerst einträglichen Geschäftsbeziehungen, die das Bank- und Handelshaus Kaulla seit dem 18. Jahrhundert mit Österreich unterhielt.

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2000 Guld[en] geben will für 2 Bände jährlich, und von 1000 Exempl. an weiter, für je 50 Exempl. die mehr abgesezt werden, 50 Gulden mehr. Auch will er den Druck sogleich übernehmen. Nur soll ich bis zu Ende dieses Bandes, die Wage auf meine Kosten fortsetzen. Er hat Recht, die Einrichtung läßt [sich] nicht anders treffen. Auf jeden Fall erlange ich gleich zwei Vortheile. Erstens, daß die Wage h[ier] mit einer sehr liberalen Censur gedruckt wird, und zweitens, daß Cotta für den Absatz sorgt. [Ein] dritter Vortheil ist noch der: daß ich mit den Druckkosten nicht so sehr ins Gedränge komme. Cotta scheint große Centnerstücke auf mich zu halten. Wir haben viel und oft mit einander gesprochen, er wollte mich nie fortlasse[n]. Ich gab ihm die vollständige Wage. Er hat jezt erst viel darin gelesen, und großen Beifall gezeigt. Besondere Freude hat ihmix die Kritik des Quartierzettels21 gemacht, weil der Verfasser des [Stückes] hier wohnt, und er sich selbst über ihn lustig macht. Cotta’s Sohn habe ich kennen gelernt. Er ist schon seit einem halben Jahre von der Frankfurter Gesandschaft abberufen worden, weil sein Vater beim Könige in große Ungnade gefallen ist.22 Frau Huber,23 sagte mir C. trage Bedenken meinen lezten Bericht abzudrucken, sie fürchtet die Frankfurter Frauen möchten es Uebel nehmen.24 Ich versicherte ihn des Gegentheils. Vielleicht erscheint der Aufsatz also doch noch. Habe ich nur einmal meine Schuld an C. abbezahlt, da schicke ich gewiß nichts mehr ins Morgenblatt. Da wäre ich ja ein Narr, we[nn] ich mich der Censur einer alten Frau unterwerfen wollte. Ihre eigne Censur, liebes Kind, lasse ich mir auch nicht länger gefallen, als bis Sie das 40ste Jahr erreicht haben. In Schwaben werden die Männer mit diesem Jahre erst klug, die Frauen aber überall, haben nicht länger ihr bischen Verstand als sie lieben und geliebt werden. Ich bemerke das nur so im Vorbei-

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Orig.: ihn. Der Quartierzettel, Lustspiel (1816?) v. Georg. v. Reinbeck (1766–1849), Redakteur beim Morgenblatt. Johann Georg Cotta war 1819 als Legationssekretär des württembergischen Gesandten Karl August v. Wangenheim (1773–1850) für kurze Zeit am Bundestag in Frankfurt am Main tätig. Vgl. Br. 25. B hatte im 2. Brief aus Frankfurt v. 3. November 1820 behauptet, den Frankfurterinnen sei durch Schwärmerei u. Mystik der Blick auf die Wirklichkeit verwehrt; die Passage wurde v. Therese Huber gestrichen.

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gehen, denn unserem abgeschlossenen Vertrage, soll deswegen kein Eintrag geschehen; ich werde Sie lieben, so lange als möglich. Ich habe nur jezt gar zu viel zu thun. Alle Wochen erscheinen 2 Hefte, damit ich in einem [M]onate mit dem Bande fertig werde. – Murhard25 wird durch meine Verwendung, wahrscheinlich das [p]olitische Journal zur Redaction erhalten. Wie wird sich der Geizhals freuen. – Freitag reise ich mit der Diligence ab; ich werde schwehrlich noch Zeit finden, Ihnen zu schreiben. – Ich kann jezt nichts mehr sagen, denn mein Mund ist nicht zu Hause. Er ist ausgefahren, wie mein Barbier sich ausdrückte, d. h. [ich] habe ein Böß Maul. – Habe ich Ihnen schon geschrieben, daß Eslair nicht mehr beim Theater ist?26 Er hat sich in München anstellen lassen. Der König, darüber erzürnt, hat ihm jezt schon untersagt aufzutreten. Um 1 Uhr sehe ich die Boisseresche Gallerie. Heute Abend gehe ich mit der Kaula in die Oper. [Je] toller je Besser wird aufgeführt, von Mehül.27 – Jezt geht meine Rache an, die Dintenleere des Pa[pier]s (die Gedankenleere begann schon früher) Es ist aber nicht Bosheit von mir, es ist nur Dummheit, ich [we]iß nichts mehr zu schreiben. Comprenez-vous Moppel le Stich avec la Dummheit? – Doch mir fällt noch etwas bei. Die Kaula schickt dem Könige häufig Gänselebern, die er sehr gern ißt. Sobald er sie sieht und sie schön findet, sagt er jedesmal: „Die sind gewiß von meiner Räthin.“ So haben diese Menschen in Sitte Gewohnheit und Wirthschaft immer einiges „von den Schnörkeln im Tempel Salomonis“, wie [K]nigge sagt. Das Essen gestern war ganz jüdisch. Mehrere Sorten Knoblichbrüh. Die Tart war ganz Schepp. Ich bitte Sie, liebe Madame Wohl, eine scheppe Tart! Rechts war sie eine Hand [hoch], und links nur zwei Finger dick. Ich nahm mir von der rechten Seite. Das hätten Sie auch ge[t]han. – O Gott, gieb mir nur noch für 20 Zeilen Verstand, daß mein lieber Engel sieht, wie ich gar nicht rachgierig bin . . . Der Himmel hat mich erhört. Grüßen Sie Herrn Ochs, der auf der Schnurgasse wohnt, an der Ecke von der Mörsergasse, und Madame Ochs, die an der Ecke vom Mörsergasse auf der Schnurgasse in Frankfurt wohnt, und De-

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Friedrich Wilhelm Murhard redigierte seit 1821 auf Bs Empfehlung die Allgemeinen politischen Annalen, die den ebenfalls bei Cotta verlegten Europäischen Annalen (1795–1820) folgten (vgl. Br. 25). Ferdinand Johann Baptist Eßlair (1772–1840), seit 1814 Schauspieler u. Regisseur am Stuttgarter Hoftheater, wechselte ans Münchener Hoftheater (1820–1837). Étienne-Nicolas Méhul (1763–1817), Die beiden Füchse oder Je toller je besser (1802).

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moiselle Rosette Ochs, wohnhaft auf der Schnurgasse28 an der [E]cke von der Mörsergasse, und Demoiselle Süßchen Ochs, welche an der Ecke von der Mörsergasse [a]uf der Schnurgasse wohnt, und Demoiselle Fannÿ Ochs, die auf der Schnurgasse an der Ecke von der Mörsergasse in Frankfurt am Maÿn wohnt, und Herrn Louis Ochs,29 der in Frankfurt am Maÿn, auf der Schnurgasse, an der Ecke von der Morsergasse wohnt, und Demoiselle Malchen Ochs, die an der Ecke von der Morsergasse, auf der Schnurgasse in Frankfurt am Maÿn wohnt, und Herrn Samuel [O]chs, der in der freien Bundesstadt Frankfurt am Maÿn, in der Schnurgasse an der Ecke von [d]er Mörsergasse wohnt. Ferner haben Sie die Güte zu grüßen: Herrn Doktor Samuel Stiebel, und die Frau Doktorin Roschen Stiebel, gebohrne Ochs, deren Vater in Frankfurt am Maÿn, auf der Schnurgasse an der Ecke von der Mörsergasse wohnt, und eine Seidenhandlung führt, wohnhaft auf der Döngesgasse30 bei den Herren Gebrüdern Neef, Zinngießern. Dann: Demoiselle [Au]guste Wohl, wohnhaft auf der Fahrgasse, das lezte Haus an der Brücke bei Herrn Wein[h]ändler Dillenburger. Endlich Jette Rindskopf,31 Jette Worms,32 Elise Ulmann, Bernhard33. Gott seÿ [D]ank das Blatt ist voll. – So eben kömmt mein Mund von meiner Spazierfahrt zurück. Er [läßt] Sie herzlich grüßen, und küsst tausend und tausend Mal aufs Zärtlichste Ihre liebe Hand. Dr. Börne, geb. Wohl.

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Vgl. Br. 31. Vgl. Br. 73. Vgl. Br. 4. Henriette Rindskopf (vgl. Br. 67). Jeanette Worms, geb. Rothschild (1771–1859), Tochter Meyer Amschel R.s, verh. mit Benedikt W. (1772–1824) (vgl. Br. 177). Bernhard Jakob Rindskopf (1770–1842), verh. mit Henriette Wohl (geb. 1781), Schwester JWs.

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27.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 17. November 1820.

Nr. 4. Stuttgart. Freitag. Den (ich glaube 17) Nov. 1820.i Wohlfeile Freundin! Denn das Sprichwort sagt: was wohlfeil ist, ist theuer, also ist auch was theuer ist, wohlfeil. Heute Nachmittag um 3 Uhr, trete ich die Wanderung nach meinem Osten an. Man sagt mir der Wagen hielte sich lange in Bruchsal auf, der Himmel mag also wissen, wenn die Postschnecke nach Frankfurt kömmt.1 Vielleicht erst Sonntag in der Nacht, wahrscheinlicher aber früher. Daß Sie also sich nicht unterstehen, von Mittag 12 Uhr an auszugehen, noch einen von Ihren Bekannten ausgehen zu lassen. Ich werde vor dem Essen noch wenig mehr schreiben können, das Wichtigste also zuerst. Sie und ich, wir sind beide einer großen Gefahr entgangen. Hören Sie. Gestern Abend komme ich zu Odenheimer mich zu verabschieden. Da fragt mich die Mutter: wenn reisen Sie? Ich. Morgen. Sie. So! Ich hatte eine große Spekulation mit Ihnen. Ich guter Einfacher Mensch, denke: was wird es anders seÿn, sie wollte mich auf Samstag zum Essen einladen! Also sage ich in meiner Unschuld: Sie sind zu gütig. Aber was war es? Ich sollte ihre jüngere Tochter mit nach Frankfurt nehmen, ein 18jähriges schönes und gar gutes und liebes Kind. Ja fuhr sie fort, wenn Sie bis Sonntag hier geblieben wären? Ich – (der Plaz auf dem Postwagen war schon genommen und bezahlt, ich sehnte mich zurück, ich hatte hier nichts mehr zu verrichten) – aber ich war göttlich groß, ein Strahl der Tugend fuhr durch mein Herz (wahrlich es ist Ernst) ich bedachte wie sich das Mädchen schon Jahre lang auf die Reise gefreut, wie sich noch nie eine Gelegenheit gefunden, welchen Kummer sie einige Wochen früher gehabt, da, als sie schon im Wagen saß um nach Frankfurt zu reisen, ihre Begleiterin plözlich ein Hindernis bekam – ich bedachte das alle und antwortete: Wie gern warte ich bis Sonntag. Nun Freundin fühlen Sie meine Angst. Es ist himmlisch süß mit der Geliebten zu reisen, besonders den Rhein hienab, sowohl auf dem

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An Frau Jeanette Wohl Döngesgasse bei Zinngießer Neef in Frankfurt a/m fr. (Kuvert)

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Monographie der deutschen Postschnecke. Beitrag zur Naturgeschichte der Mollusken und Testaceen (1821).

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Strome als an beiden Ufern; ja es ist eine Götterlust, mit der genannten Geliebten verschiedene Male nach Nippes zu fahren. Aber mit einem Mädchen zu reisen, das einem nicht blos fremd ist, sondern auch bekannt, und gegen die man artig seÿn muß, und nicht einmal allein mit ihr zu reisen, sondern in Begleitung eines Kammermädchens, das ist zu viel für einen sterblichen Doktor. Aber der Himmel half. Entschieden war die Sache noch nicht. Das Mädchen hatte vor einiger Zeit einen Catarrh gehabt, und die Großmutter erlaubte nicht, daß sie bei diesem Wetter reise. – Es wird geklingelt. Adieu. Sagen Sie der Guste, sie soll am Fenster warten Sonntag, und mich vorbeifahren sehen. Dr. Börne, geb. Wohl.

28.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Bruchsal, den 18. November 1820.

Nr. 5 Trübsal. Den 18. Nov. 1820. Samstag Vormittag 11 Uhr.i Geliebte Seele! Bruchsal heißt der Ort, aber mir ist er ein Trübsalii und Scheusal. Wenn die Verzweiflung Witz giebt oder nimmt, so werde ich hier ein Voltaire oder ein Kretin. Ich möchte aus der Haut fahren, hätte sie nur eine Oeffnung die groß genug wäre mich durchzulassen, denn ich bin ganz geschwollen vor Wuth. Nur zwei Wünsche habe ich jezt. Ich wünsche erstens, daß tausend Millionen Donnerwetter in das verdammte Nest einschlügen, und zweitens, wünsche ich dasselbe noch einmal. Um 9 Uhr kam ich hier an. Ich wußte Wohl und ich hatte es Ihnen auch geschrieben, daß der Wagen lange hier liegen bleibt, aber so lange wer konnte das denken? Morgen Vormittag um 10 Uhr geht er erst weiter, also ein ganzes Tägelchen von 24 Stundelein muß ich hier schmachten, und erst Montag Abend, komme ich nach Hauße. Ich bin ein geschlagener Hund,iii so gab es noch keinen. Gesungen habe ich vor Aerger. Viel könnte ich Ihnen schreiben, denn Zeit i

ii iii

Adr.: An Frau Jeanette Wohl Döngesgasse bei Hrn. Zinngießer Neef Frankfurt a/m fr. (Kuvert) Hs. Zusatz e. Bearb.: »cfr. Postschnecke«. Hs. Zusatz e. Bearb.: »cfr. Postsch.«

Nr. 29

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habe ich genug, auch Stoff, und Lust gewiß, aber ich bin gar zu schläfrig, bin die Nacht durchgefahren. Da ich von Stuttgart abreiste, hätte ich nicht gedacht, daß meine Freude Sie wieder zu sehen, noch größer werden könnte, aber sie ist es geworden durch die Zögerung. Von Boisserre, von Dannecker,1 von Stuttgart überhaupt, wie gut es mir dort gefallen, wie gern ich daselbst wohnte – mündlich. – – Haben Sie in den neuesten Blättern der Abendzeitung2 gelesen was von mir gesagt worden? Das poetische Vieh ist wahrscheinlich Bournÿe.3 Das Distichon hat keinen Sinn, und wenn ja einen, so ist es der: ich wäre ein Galgenstrick. Adieu, liebe Seilerin, denn wenn ich ein Strick bin, so sind Sie die Seilerin, die mich dreht und wendet wie sie will. Nicht einmal enden kann ich diese Seite nur. Ich lege mich schlafen, und träume süß von mir selber, von Dr. Börne, geb. Wohl.

29.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 22. August 1821.

1. Stuttgart. Mittwoch. 22. Aug. 1821.i O Liebreiz! Ich zweifle, daß ich Ihnen heute viel werde schreiben können; zwar geht die Post erst den Abend weg, und jezt ist noch nicht 8 Uhr Morgens (um 6 kam ich an), aber ich will sogleich ausgehen, mir ein Privatlogis zu suchen, und sonst nöthige Besuche zu machen. Ganz munter bin ich, und gleiche einem jungen Menschen der zum erstenmale das väterliche Haus verläßt, mit den schönsten und kühnsten Vorsätzen. Ich weiß wie Fehler und Tugenden zusammenhängen und sich nachziehen, und daß mir nichts fehlt als Sparsamkeit, und daß Fleiß und Ordnung, Geduld und Frau, nur unter i

Adr.: Herrn Jacob B. Rindskopf für Madame Jeanette Wohl in Francfurt a/m franco (Kuvert).

1

Johann Heinrich Dannecker (1758–1841), Bildhauer. Bournayes Dichtichon in: Dresdner Abendzeitung, Nr. 260 v. 31. Oktober 1820. Friedrich Wilhelm Bournye o. Bournaye (gest. 1824), Frankfurter Schriftsteller u. Zuträger der österreichischen Geheimpolizei, der 1819 über B nach Wien berichtete.

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dem Deckel einer Sparbüchse mir verborgen liegen. Auch habe ich auf der Herreise schon einen guten Anfang gemacht, und dem Postillionen kein größeres als das taxmäßige Trinkgeld gegeben. Das Schicksal strafte mich dafür und sagte: Schuster bleib bei Deinem Leisten, d. h. Börne bleib ein Baruch Dein Lebenlang, d. h. sei nicht ökonomisch; denn als ich nach Trübsal kam, bemerkte ich daß ich meinen Hut verlohren, und ich muß mir hier einen neuen kaufen welches 8–9 Gulden kostet. – Von Frankfurt nach Bruchsal begleitete mich diesmal eine wirkliche Französin, keine erdichtete wie in der Postschnecke.1 Sie sprach unaufhörlich, und ist eine wahrscheinliche Gouvernante gewesen, denn nicht allein Vesuv und Aetna kamen aus ihrem Munde, zu welcher Bergeshöhe sich auch wohl andere Frauenzimmer erhoben, sondern auch das Wort Hekla2, wovon selten ein Frauenzimmer etwas weiß, wie Sie es versuchen können mit der ganzen gelehrten Gesellschaft. – In Bruchsal mußten wir 7 Stunden liegen bleiben, und ich hatte dort trübselige Gedanken. Sonst sind wir sehr schnell gefahren. Der nehmliche Conducteur aus der Postschnecke war beim Wagen, und der Narr hat mich nicht geprügelt! – In Darmstadt fand ich in der Wirthsstube, den Catalog einer dortigen Leihbibliothek, und darin was folgt: Nr. 3754. Die Wage, eine Zeitschrift für Bürgerleben Wissenschaft u. Kunst. Herausgegeben von Dr. Ludwig Börne = 3755. 2ter Band. = 3756. 3ter Band. = 3757. 4ter Band = 3758. 5ter Band = 3759. 6ter Band. = 3760. 7ter Band. Hier war die Welt mit Brettern vernagelt, und da sehen Sie, mein gefülltes Täubchen, daß nur allein 7/13 meiner Schriften und meines Ruhms, in Darmstad[t] fast eine ganze gedruckte Seite einnehmen! Blasen Sie die sieben Bände um, wenn Sie können. – – In Heidelberg gesellten sich zwei Bonner Studenten zu uns. Als sie erfuhren daß ich aus Frankurt sei, fragte mich der Eine: „Nicht wahr der Börne ist jezt wieder in Frankfurt?“ Ich antworte: nein, denn ich bin es selbst. Er ward ganz roth vor Ueber-

1 2

Vgl. Br. 27. Isländischer Vulkan.

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raschung. Er frug ferner wie sich Madame Wohl befände, und ob es wahrii sei, was Europa sagte, daß sie meine Muse wäre? Mein Teufel ist sie, antwortete ich – – Dem Samuel3 wollen Sie sagen, daß er bei Adler den Lotteriezettel abholen könne,4 ich hätte schon mit ihm davon gesprochen. Wegen unserer übrigen Geschäfte würde ich ihm schreiben zu seiner Zeit – – – Adieu. Bald wieder. Dr. Börne geb. Wohl. Wenn in Frankfurt eine Dummheit oder Schlechtigkeit vorfällt, und Sie schreiben mir nichts davon, dann ist es aus mit uns. Ich brauche Zähne für meine „Bullenbeißer“

30.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt. [Stuttgart], den [22]. August 1821.i

Ich hatte vergessen zu schreiben daß ich im König von England logire, und dahin die Briefe zu adressiren sind. Adieu Englische Königin.

ii

Orig.: war.

i

Adr.: Herrn Jacob B. Rindskopf für Madame Jeanette Wohl in Frankfurt a/m franco (Kuvert).

3

Samuel Ochs, später Oswalt (1802–1888), Seidenhändler, Sohn v. Amschel Samuel Ochs zur Silbernen Kanne u. Hanna Steinthal. Einige Briefe Bs sind auf Bitten JWs nicht an ihre Anschrift, sondern an Samuel Ochs adressiert. Simon Feist Adler, ein mit der Familie B befreundeter Frankfurter Kaufmann (vgl. Br. 20). Seine Ehefrau Sara (Sophie), geb. Goldschmidt (1796–1865), führte nach der Scheidung das von ihrem Mann aufgegebene Lotteriegeschäft weiter (vgl. Br. 102). Seit 1798 stieg die Zahl jüdischer Lotteriekollekteure in Frankfurt sprunghaft an, so daß an jüdischen Feiertagen keine Auslosung mehr stattfinden durfte. 1826 wurde erstmals ein Jude zum Direktor der städtischen Lotterie ernannt. B hatte sich durch den Kauf von Lotterielosen bei Adler verschuldet (vgl. Br. 33, 52, 56, 70, 72 u. 73).

4

120 31.

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An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. Frankfurt, 24. August 1821.

Ffurt 24 August 1821i Um Ihnen gleich antworten zu können, müßen Sie mit wenig und Verworrenem vorlieb nehmen. Es ist schon spät Nachmittag, vom Garten nach der Post weit, und ich in Eile schreiben!! – Berechnen Sie darnach meine Bedrängniß, und –– meine Freundschaft zu Ihnen. – Ueber den Verlust Ihres Hutes, habe ich vor großem Aerger herzlich lachen müßen. Jezt lachen Sie auch mein lieber Freund, über den Verlust der schönen Hoffnung des großen Loos=gewinnstes, den Ihnen Andre weggeschnappt haben. Ihr Zettel blieb steif und fest – liegen. Jezt zeigen Sie wer Sie sind! Und wenn kleine Seelen so vielen Stürmen unterliegen würden, so setzen Sie nun mit verdoppelter Kraft Ihr Glücksrath selbst in Schwunge, arbeiten Sie lieber Freund, damit Sie sich einen neuen Hut, und ein Loos zur sechsten Klassenlotterie kaufen können. – Ich bin nur vergnügt daß Sie angenehm gereißt, und daß der Conducteur Sie friedlich ziehen laßen, denn mich wandelte manchmal eine kleine Aengstlichkeit darüber an, nun von dieser Seite kennen Sie mich schon. Sein Sie nur fortwährend recht vergnügt, recht fleißig, und nicht unbesonnen, und laßen Sie sich durch einen verlohrenen Hut nicht irren den Weg zur Beßerung aufzusuchen, verlieren Sie nur den guten Willen nicht, mir, etwas zu gefallen thun zu können. Machen Sie nur daß ich aus Ihre nächste Briefe höre daß es Ihnen gut geht, dann nur erst ist es mir eine wahre Beruhigung Sie nicht hier zu wißen. Sie dürfen mich nicht mißverstehen; ich habe hier noch so wenig erfreuliches an mir und meine Freunde erlebt, daß wenn ich noch irgend gutes hoffe, ich es mir aus der Ferne kommend denke, machen Sie den Anfang, und täuschen Sie meine Erwartungen nicht. Mit Rosette1 geht es jezt besser. –– Wie Sie zur Stadt hinausfuhren, sagte jemand zum Reiß lachend, „jezt haben wir doch einen zweiten Theil der Postschnecke zu erwarten“2 Beschämen Sie die Spötter, hören Sie mein Freund! – i

Adr.: Herrn Dr. Börne in Stuttgart logirt im König von England.

1

Rosette Ochs (1789–1871), 1823 verh. mit Dr. Michael Reiß (vgl. Br. 33). Vgl. Br. 27.

2

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In No 203. des Allgemeinen Anzeiger der Deutschen3 steht etwas lesenswerthes für Sie, den neuen Roman betreffend.4 Leben Sie wohl und recht vergnügt, nächstens mehr von Ihrer (darbenden Muse sehr gewagt) J. Wohl.

32.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 23., 24. u. 25. August 1821.

Nr. 2.

Stuttgart. 23–24. August 1821.i

Liebe Freundin Cotta’s Frau liegt am Tode,1 das ganze Haus ist in Verwirrung, ich werde also in geraumer Zeit mit C. nicht von Geschäften reden können. Kaum daß ich ihn gesehen, er sizt immer am Krankenbette, aber den Sohn habe ich länger gesprochen. – Beim Redacteur der Neckarzeitung2 war ich gestern. Als ich ein Wort fallen ließ, es könnte unter gewissen Fällen seÿn, daß ich wieder nach Paris ging, schlug er mir gleich ein Engagement vor, ohne sich jedoch ins Nähere einzulassen. Ich ging einstweilen darüber hienaus. – So schönes Wetter giebt es nicht in der Welt mehr, als ich seit meiner Abreise von Frankfurt genieße. Kein Wölkchen von der Größe meines Herzens, Himmel für Himmel, das ist schon viel, auch denke ich wenig mehr an Sie. – Gestern Mittag nach dem Essen trat einer der Gäste zu mir mit den Worten: „Um Vergebung nicht wa[h]r, Sie sind ein Geistlicher?“ (wahrscheinlich weil ich schwarz aussah). „Grade das Gegentheil“ vergaß ich ihm zu antworten, sondern ich sagte: „nein, es ist ja sehr unbequem ein Geistlicher zu seÿn“, und wandte ihm und dem Gespräche den Rücken zu – Ich i

Adr.: Herrn Jacob B. Rindskopf frei. für Mdme Jeanette Wohl in Frankfurt a/m. (Kuvert).

3

Allgemeiner Anzeiger der Deutschen. Gotha, 29. Juli 1821. Johann Friedrich Wilhelm Pustkuchen-Glanzow (1793–1834), Wilhelm Meisters Wanderjahre, 5 Bde. (1821–1828); die beiden ersten Bände der gegen Goethe gerichteten falschen Wanderjahre erschienen 1821 mit einer anonymen Anzeige des Autors.

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1 2

Wilhelmine v. Cotta, geb. Haas (1769–1821), verstarb am 23. August 1821. Ludwig G. F. Seybold (vgl. Br. 25).

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nehme nicht gern Abschied, und habe es darum auch bei Ochs nicht gethan. Entschuldigen Sie mich bei ihnen, und sagen Sie, ich nähme nur da gern Abschied, wo ich gern Abschied nehme. – Als ich abreiste, war Rosette3 nicht wohl, schreiben Sie mir ob sie wieder gesund ist, auch vom Sichel.4 Ich glaube nicht, daß er aufkömmt. – Wenn ich von meinen Freunden in Frankfurt, genaue Nachrichten über Theater und andere elegante Vorfälle erhielte, so könnte ich Berichte ins Morgenblatt liefern.5 So schreibt Müllner6 jeden Monat über das Berliner Theater im Morgenbl., indem er die Notizen die man ihm zuschickt ausarbeitet. – Schicken Sie doch jemand in meine Wohnung, und lassen Sie sich die Briefe u. Billete die etwa an mich gekommen seÿn möchten, ausliefern, öffnen Sie dieselben, u. schreiben Sie mir kurz den Inhalt, oder wenn es nöthig ist, schicken Sie mir sie; wenn es seÿn kann, wäre das Postgeld zu ersparen. – – – 25. August. Ich bin gestern viel nach einem Logis umhergelaufen und habe noch keines finden können. Gestern Abend war ich in Cannstadt, ein Badeort der eine kleine Stunde von hier entfernt liegt. Die ganze schöne Welt Stuttgarts fand ich dort. An der Familie Kaula ging ich vorüber als erkennte ich sie nicht wieder, und doch werde ich nicht unterlassen können sie zu besuchen. Das ist mir sehr lästig. Ich möchte hier gern fremd bleiben, und sobald man mit Juden in Verbindung tritt, ist man beobachtet, geleitet, gehindert, und hat eine liebe Verwandtschaft auf dem Halse. – Die Wanderjahre habe ich zu Ende gelesen. Das Buch ist besser als Sie meinen, und ich werde mich jezt daran machen, es zu rezensiren. Auch da ist es vortrefflich, wo es wie im ganzen zweiten Theile nicht mehr von Göthe spricht, und man durch die geistreiche Bosheit des Verfassers nicht mehr verblendet werden kann. Ich habe über Kunst und Lebenskunst nie schönere Sachen gelesen. Der Verfasser war noch großmüthig gegen Göthe, er hätte ihn vernichten können wenn er gewollt hätte. Er hat nur das Rappier gebraucht, statt des Schwerts. Der junge Cotta sagte mir, Göthe habe seinem Vater geschrieben, wen er als Verfasser des Buches muthmaße, C. nannte mir ihn aber nicht. Der junge und der alte C. hören sehr gern auf Göthe losziehen, ich habe es auch leicht herausgebracht, warum sie ärgerlich auf ihn sind: er kostet ihnen vieles 3 4 5

6

Vgl. Br. 31. Jakob Mayer Sichel (1786–1821), Tuchhändler, ein Jugendfreund Bs. B verfasste in den Jahren 1820–21 unter dem Titel Briefe aus Frankfurt Korrespondenzberichte für das Cotta’sche Morgenblatt. Vgl. Br. 25.

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Geld. C. steht in alter freundschaftlicher Verbindung mit G. und muß ihm zahlen was er fordert, und wofür er es fordert. Das neueste seiner Werke (die Wanderjahre)7 sagte mir der junge C. sei nur eine Finanzspekulation gewesen, G. habe alles alte Zeug hervorgeholt, nur um das Buch anzuschwellen. – Daß ich grade in der Zeit herkommen muß, wo ich gar keine Aussicht, selbst in mehrern Wochen mit C. von Geschäften reden zu können. – Die Frauenzimmer tragen hier allgemein weiße Sonnenschirme. – Ich bin gestern in die Lesegesellschaft aufgenommen worden, die Frankfurter werden schaudern, wenn sie es erfahren. – Es fallen Kanonenschüsse. Ich zähle sie, es sind nur zwanzig. Also die Königin ist mit einer Prinzessin niedergekommen.8 Man hat einen Kronprinzen erwartet, und dann wäre hundert und einmal geschossen worden. Jezt weiß das unglückliche Land immer noch nicht, wo es in dreÿsig Jahren einen Mensch findet, der so gefällig seÿn wird, es als König zu beherrschen. Aus meinem Fenster (ich wohne in der Nähe des Schlosses) sehe ich die rothen Hofbedienten laufen. Die Friseurs haben alle Beine voll zu thun, und zappeln gewaltig. Welch’ ein schöner Perückenmacher=Morgen! – – Ich habe endlich ein Logis gefunden. Zwei Zimmer, sehr schön, mit der Aussicht ins Freie kosten monatlich nur 10fl. In Frankfurt zahlte ich 15. Es ist aber freilich sehr natürlich, daß in der Stadt wo Sie wohnen alles theuer ist. Das Abonnement des Mittagstisches mit Wein, im besten Wirthshause kostet 42 kr. (In Frankfurt 1fl.) Ich werde also hier ein reicher Mann werden. Ich komme mir vor wie ein englischer Prinz, der auf Reisen geht, um zu sparen. Meine Adresse ist: J. W. An Hrn. Dr. Börne, geb. Wohl J. W. in Charlottenstraße Stuttgart 9 bei Hrn. Fosetta. J. W. J. W.ii ii

Adr. im Orig. eingerahmt, in allen vier Ecken mit den Initialen J. W. versehen, ergänzt durch drei Miniaturzeichnungen: l. u. r. zwei flammende Herzen, unten Mitte vermutl. ein Tintenfaß.

7

Johann Wolfgang v. Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden (1821). Katharina Friederike Charlotte (1821–1898), Tochter König Wilhelms I. (1781– 1864) u. Königin (seit 1820) Pauline Thereses von Württemberg (1800–1873). B wohnte bei dem Hofstukkateur Wilhelm David Fossetta (1778–1839) und dessen Frau Charlotte F.-Marconi (1777–1856).

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Aber, daß ich mich gleich mit Ihnen auf einen respectabeln Fuß setze – ich schreibe Ihnen nie eher, als bis ich auf meinen vorigen Brief jedesmal Antwort erhalten habe. Herüber und hienüber, das muß gehen wie im Dreschertakt. Sie müssen ja nicht glauben, daß Sie mir nothwendig sind, ich kann hier die schönsten Leute haben. – Wie bedauere ich jeden der in Frankfurt leben muß, und noch mehr den, der sich dort gefällt. Hier lacht mich alles an, und wenn Sie gar erst bei mir wären! Ach daß Sie kämen, daß es möglich wäre! Der Mensch vermag ja so vieles, wenn er nur will. Meine Briefe liegen noch in den Windeln, sie werden aber schon wachsen. – Die ander Woche gehen zwei meiner Bekannten, auf die Frankfurter Messe, in ihrem eigenen Wagen, ich könnte mit ihnen hin und zurückreisen, ohne daß es mich einen Kreuzer kostet, darf ich? Ich könnte diese Seite noch voll machen, aber mein Herz würde davon nicht leerer werden. Darum schließe ich wie gewöhnlich Ew Wohl=gebohren geb. Wohl Dr. Börne N. B. Charlottenstraße bei Hrn. Fosetta ich wohne heute noch im Gasthofe, und beziehe erst morgen Abend mein Logis.

33.

An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den [27. August 1821].

Mein lieber Freund!i Sie werden schon jezt hinlänglich eingesehen haben, daß wenn ich meine Briefe auch nicht mit guten Gedanken ziere, ich sie dafür mit den reichsten ortographischen Fehlern ausstatte, es hat damit ein ganz sonderbares Bewandtniß. Wenn ich übersehe was ich geschrieben, so bemerke ich selten einen Fehler, kaum ist der Brief weggeschikt, und ich überdenke was er enthält, so präsentiren sich in meinem Gedächtniße nach der Reihe eine ganze Menge neckischer Unrichtigkeiten, und ich bin beschämt und ge-

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O. Dat., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt d 27t August 1821.« (Br.k.) – Adr.: Herrn Dr Börne in Stuttgart logirt Charlottenstraße bei Herrn Fosetta.

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plagt. So gieng mir die Sÿlbe [Rath]ii wie ein Rad im Kopfe herum, und hat mir vielleicht ein paar Stundenlang so viel Sorge gemacht, als einem ehrgeizigen Menschen der sich um den Titel bestrebt, – Eitelkeit, oder Ehrgeiz, falsche […]iii und Kinderpossen „O närrische Leute, O komische Welt!“1 Mir geht es mit den Schreibfehlern wie manchen Leuten mit dem Stottern, es sind eben Fehler – die man schwehrlich je verlernt. Das ist nun etwas Altes und mit Neuem kann ich Ihnen wenig dienen. […]iv er ist Braut mit […]v, sie werden in Amsterdam wohnen. – Das große Loos haben zwei Commis bei Feist und Flersheim gewonnen,2 Ihr Auftrag wegen Adler3 wird besorgt werden alles unerhebliche Dinge. Frau S.4 war dieser Tage spät Abends noch zu Besuch bei uns, sie hat mehreres aus ihrem häuslichen Leben mitgetheilt, unter andern daß ihr Mann Jean Pauls Badereise5 abends vorlese, dergleichen Schilderungen von häuslichem Glücke, trösten über Mangel an eigenem. Sie sehen mein lieber Freund daß ich Ihnen nur dann frohes und heiteres schreiben werde, wenn Sie mir Stoff dazu aus Ihren Briefen geben, daß heißt wenn Sie sich gut aufführen, und dann sollen Sie auch schon mit mir zufrieden werden. Ich will Ihnen nun auch der Herold Ihres Ruhmes sein! In den zwei neuen Supple: Bände des Convers: Lexicon6 steht auch Ihr Name! Die Ochs lassen Sie freundlich grüßen. Die Fannÿ behauptet, Sie wären dumm, und sie wäre klug. Der Rosette geht es gut, in der Mus: Zeitung steht ein großer Artikel,7 über Moscheles in London,8 wenn Sie Lust zu lesen haben. Der Bür-

ii iii iv v

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7

8

Geschw. Wort. Geschw. Wort. Geschw. Passage (Name). Geschw. Passage (Vor- u. Nachname): vermutl. Getz. Anspielung auf Bs Schrift O närrische Leute, o komische Welt! (1819). In der Judengasse hatte Löb Joseph Feist (1770–1832) eine Weinhandlung. Vgl. Br. 29. Betty Speyer (vgl. Br. 35). Jean Paul, D. Katzenbergers Badereise (1809). Allgemeine deutsche Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände (Conversations-Lexikon) in 10 Bde., 5. Aufl. (1819/20) bei F. A. Brockhaus. Concert des Herrn Moscheles in London, den 4ten July 1821. In: Allgemeine musikalische Zeitung, Leipzig, No. 32, 8. August 1821. Ignaz Moscheles (1794–1870), Pianist u. Komponist, leitete ab 1821 die Royal Philharmonic Society in London.

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gerkapitain ist schon zu wiederhohltenmalen gegeben worden,9 Mals soll eine neue Posse der Art beendigt haben, genannt „Die Schlacht vor Bornheim“. – Nein Sie sollen nicht kommen! Und wenn der König Sie in seinem Staatswagenvi wollte herbringen laßen, Sie dürfen und sollen nicht kommen! Wollen Sie mir denn durchaus nichts als Kummer, und Herzeleid machen, Sie ungerathner? – ? – – Schriftsteller!! Hier ist es gar zu todt und einförmig, und da werden Sie dann mit in die Langeweile hineingeschleppt. Gedulden Sie sich doch nur, es kann ja in keinem Falle lange währen, daß Sie mit C. über Ihre Angelegenheiten sprechen können. Wegen Ffurter Theaternachrichten, könnten Sie sich doch wohl an einen Bekannten wenden, wie etwa der junge Neuburger.10 Der Reiß11 vermuthet als Verfasser der Wanderjahre einen gelehrten ‘Jacobs’ der unter mehrerem guten, auch den Roman, Rosaliens Nachlaß geschrieben haben soll.12 – Dem Sichel geht es noch nicht besser,13 was ist auch bei diesem Zustande viel zu hoffen? – Und nun von mir [un]d unsern Freunden viele Glückwünsche zu Ihrer häuslichen Niederlassung. Die Kuchen und sonstige schöne Haussteuergeschenke sollen schon nachkommen. Bleiben Sie nur bei Ihren guten Vorsätzen, sparen Sie nur so viel Sie können, und denken Sie nur immer dabei Sie wären, wenn auch kein – englischer Prinz, aber doch ein Prinz, so eine poetische Idee ist immer gut, und sättigt manchmal statt aller wirklichen Kost, wenn nun am Ende noch gar ein ordentlicher Mensch übrig bleibt, so ist das schon Gewinnstes genug, und mehr als sich vielleicht mancher wirkliche Prinz zuschreiben darf. Darf ich nun hoffen daß Ew: Durchlaucht huldvoll die Gnade haben werden, mir – baldigst – von einigen litterarischen Arbeiten Kunde werden zu lassen, meine, und ganz Deutschlands Wünsche vereinigen sich, dieses vi

Zuvor: Staatskalesche (weitg. unles. gemacht).

9

Karl Balthasar Malss, Die Entführung oder der alte Bürger-Capitain, ein frankforter heroisch-borjerlich Lustspiel (1821). Das äußerst populäre Mundartstück wurde auch von Goethe und B sehr geschätzt (vgl. Rez. in: Wage (1821), 2. Bd., 2. H.). Vermutl. Johann Georg Neuburg (1795–1866), Sohn des Arztes J. G. N. (vgl. Br. 37). Michael Reiß (1792–1876), Frankfurter Arzt. Friedrich Christian Wilhelm Jacobs (1764–1847), Rosaliens Nachlass (1812). Verfasser der Wilhelm Meister-Parodie war Pustkuchen (vgl. Br. 31). Vgl. Br. 32.

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Geschenk nach so – – langer Entbehrung in tiefster Unte[r]würfigkeit von Ew: Durchlaucht zu erbitte[n.] Und nun mein fürstlicher Freund, bedenken Sie daß unsre Briefe Zwillinge sind, und daß so lange der eine noch in den Windeln liegt, der Andre auch nicht auf die Beine kömmt, zu Beider Wachsthum ist also erforderlich, gute Nachrichten von Ihrem Wohlergehen und – Ihrem Fleiße. Leben Sie recht wohl, und so vergnügt wie es von ganzem Herzen wünscht J. Wohl. Montag den 27 August [1821].

34.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Stuttgart, den 26.–29. August 1821.

Nr. 3. Stuttgart d. 26. August 1821.i Nr. 3. Stuttgart d. 27. Nr. 3. Stuttgart d. 28 Nr. 3. Stuttgart d. 29 Geliebte Seele! Ihr Spitzgläschen von Brief ist mir in den Kopf gestiegen, aber ich weiß, Sie werden mich schon an das Trinken gewöhnen. Wenn Sie herrschsüchtig sind, hatten Sie recht mich fortzuschicken, denn Sie haben aus der Ferne viel mehr Gewalt über mich als in der Nähe, jeder Ihrer Briefe ist wie ein Brennglas, der alle Strahlen Ihrer Liebenswürdigkeit in einem Punkte versammelt. Und Sie haben wirklich an die Postschnecke1 gedacht und waren besorgt um mich? Was hätte der zu fürchten, der Sie verläßt, das schlimmste ist ihm schon widerfahren! Da Sie über den Verlust meines Hutes gelacht haben, so wage ich, Ihnen noch etwas Anderes zu gestehen. Ach Mutter, meine schwarz seidne Weste ist so zerrissen, daß ich sie nicht mehr tragen kann. Die rohe Seide hing mir gestern am Leibe herab, daß ich aussah wie eine Lioner Fabrick.2 Ist das aber auch ein Wunder?

i

Adr.: Herrn Jacob B. Rindskopf für Madame Jeanette Wohl. in Frankfurt a/m franco. (Kuvert)

1

Vgl. Br. 27. Lyon war damals das Zentrum der europäischen Seidenherstellung.

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Trägt man eine so gute Weste auf dem Postwagen? Ach Mutter, und meinen guten Feuerstahl den ich mir vor meiner Abreise bei Crede gekauft, habe ich auch verlohren, oder vielleicht in Frankfurt liegen lassen. Ach Mutter und mein Herz habe ich auch verlohren, gestern im Schlossgarten – sie hatte aber auch gar zu große Aehnlichkeit mit Ihnen, sie hat sich vor zwei jungen Enten gefürchtet, die ihr nachgelaufen sind, und da habe ich husch! gerufen und habe ihren Füßen das Leben gerettet, da dankte sie mir mit thränenden Augen, ich konnte nicht widerstehen. – – Wie ich erfahren, ist Cotta’s Frau unterdessen gestorben und heute begraben worden. Ich kann in den ersten 8 Tagen noch nicht zu ihm gehen. Eigentlich wüßte ich auch nicht was ich ihm Bestimmtes zu sagen hätte, das kann alles nur nach und nach beigebracht werden. – Von Sichel haben Sie mir nicht geschrieben.3 Wenn es schlimmer mit ihm werden sollte, möchte ich nicht plözlich erfahren, daß er gestorben ist, darum geben Sie mir Nachricht. – Heute Morgen habe ich in Cannstatt mit der Räthin Kaula4 gefrühstückt. Sie lebt dort im Bade. Ich kann Ihnen nicht genug beschreiben, wie schön es da ist. – Einen Frankfurter Monatsbericht für das Morgenblatt habe ich angefangen, aber ich kann noch nicht wissen, ob mein Stoff ausreichen wird. Vom Bürgerkapitain gedenke ich zu sprechen. – Gestern Nachtmittag begegnete mir im Freien, ein Engländer zu Pferde, in der rechten Hand einen Teller tragend, worauf ein gefülltes Wein=Glas stand. Er hatte um 100 Napoleon gewettet, eine Stunde lang zu reiten, ohne einen Tropfen Wein zu verschütten. Da er langsam ritt, so folgten eine Menge Menschen hinter ihm her. Er verlohr die Wette durch eine List seines Gegners. Dieser hatte nehmlich veranstaltet, daß ein Esel mit einem dreÿeckigen Hute auf dem Kopfe, und Brille auf der Nase, plözlich über den Weg kam. Darüber mußte der Reiter lachen, und das Glas schwabbelte über. Die ganze Stadt ist entzückt von dieser Tollheit. – Es erscheinen zwei Bände Nachträge zum Convers.lexicon,5 worin auch ich vorkomme, wie mich ein Bekannter versichert, der das Verzeichnis der neuen Artikel in der Ankündigung gelesen hat. Was wird von mir gesagt werden? Ich freue mich auf jeden Fall, daß meine Biographie nicht von Ihnen verfasst worden ist. – Gestern habe ich die Frau 3 4 5

Vgl. Br. 32. Eva v. Kaulla. Zur 5. Aufl. des Konversationslexikons erschienen zu Beginn der 1820er Jahre Ergänzungsbände (in 4 Halbbänden) mit einer Vielzahl biographischer Beiträge; Conversations=Lexicon. Neue Folge. In zwei Bänden. Leipzig (1822–1826).

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Huber6 besucht und ihr einen Artikel für’s Morgenblatt gebracht, ein ganz kleines Artikelchen. Es wegzuhauchen bedürfte es nicht einmal des Duftes Ihrer Rosenlippen, mit einem stillen Gedanken können Sie mein Artikelchen umblasen. Ich fürchte aber, es wird nicht aufgenommen wegen einer politischen Neckerei die darin steht. Aber sie hat wahrhaftig krumme Beine die Frau v. Herder,7 und wie krumm! Säbelbeine, zwei ächte Damasscener Klingen. Schon unter der Hüfte fangen sie an sich zu nähern. Die Schlaue trägt zwar einen langen Rock und geht nur im Galopp durchs Zimmer, was hilft es ihr aber, krumm bleibt krumm. Die alte ist eine recht angenehme geschwäzige Frau, auch Geistvoll so viel es eine Frau seÿn kann. Sie kömmt in alle große Zirkel wegen ihrer Unterhaltungsgabe, und sie wird von allen Fremden besucht. Ueber meine Artikel im Morgenblatt8 hat sie sich sehr lobpreisend ausgelassen, sie sagte es wäre alles immer darauf gespannt gewesen, und ihr selbst hätten immer die Manschetten gewackelt beim Lesen. Den Epigrammatisten Haug habe ich bei ihr getroffen und kennen gelernt. Er ist ein alter dicker Mann, und sie redete ihn immer an: Holdester Haug! Aber o Schätzi was ist mir geschehen! Ich frage die Huber nach Cotta – fort ist er, ausgeflogen. Ich hatte vergessen ihm Salz auf den Schwanz zu streuen, so fängt man die Spatzen. Am Begräbniss=Tage seiner Frau ist er auf seine Güter gereist. Ich eilte schnell zu seinem Sohne, den ich beim Einpacken fand, denn er wird seinem Vater nachfolgen. Sie wollen nach der Schweiz reisen, und der Himmel weiß wo sonst noch hin. So trösten sich reiche Christen über den Tod einer Mutter und Frau! Aber was fange ich an, wenn ich Geld brauche? Und der Teufel hole alle Bescheidenheit, ich hätte am Sterbebette seiner Frau mit C. von Geschäften reden können, es hätte meinen Hals nicht gekostet. – Wie es Ihnen geht mit Ihren Geschäften will ich aber auch wissen, Sie schweigen ganz davon. Haben Sie die bewußte Sache durchgesezt? Daß ich Sie nur einmal ruhig wüßte! – Jezt ist die Stunde wo die Frankfurter Post kömmt. Werde ich heute glücklicher seÿn als gestern, werde ich einen Brief erhalten? Sie müssen nicht immer warten bis ein Brief von mir kömmt, und dann in der Eile darauf antworten am nehmliche[n] Tage, denn auf diese Weise werde ich immer nur wenige Zeilen von Ihnen erhalten. Schreiben Sie täglich nur eine halbe Stunde, dann wird der Brief schon gehörig groß werden. – Ich habe schon 6 7 8

Vgl. Br. 25. Louise v. Herder, geb. Huber (vgl. Br. 25). Vgl. Br. 26.

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mehrere Bekanntschaften mit Gelehrten gemacht, und Einladungen erhalten, habe aber noch keinen besucht. – Weiß man in Frankfurt, daß ich nicht mehr zurückkomme, und was sagt man dazu? Ich habe mir geschwohren nicht eher zurückzukehren als bi[s]ii ich Ihnen 52 Briefe werde geschrieben haben, und auch dann nicht, wenn es sich einrichten läßt uns an einem dritten Orte zu sehen. Warum ich grade bei Annährung des Winters Sie verlassen habe! Schon lagern sich die Herbstnebel auf den Bergen, die ich aus meinen Fenstern sehe, und nur bei Sonnenschein vergesse ich Sie zuweilen. Aber ich will arbeiten bis ich ermüdet einschlafe, und im Traume giebt es keine Trennung. – – Gelobt sei Gott und seine Heiligen! Da ist Ihr Brief. Unorthographischer Engel, Schreiben Sie mir nur ja recht viele Fehler, wenn Sie mich glücklich machen wollen, aber immer nur solche, wo Sie Buchstaben zu viel, statt zu wenig setzen, wie […]iii Rad, dadurch werden Ihr[e] Briefe größer. Sie haben Recht Ihre Schahm darüber eine falsche zu nennen, denn Schahm wird nicht mit einem H. geschrieben, sondern im Gegentheil ohne H. Scham mit einem H. das ist zum lachen! Ha, ha, ha, ha! – Ich habe den Namen derjenigen Person, die Sie besucht und Ihnen erzählt hat, daß ihr Mann den Jean Paul lese, mit aller Mühe nicht herausbuchstabiren können; Sie müssen deutlicher schreiben, Frau Adelung!9 – Daß ich ins Convers.lex. komme ist keine sonderliche Ehre. Ich habe gestern das Verzeichnis der neuen Artikel gelesen. Murhard10 u. drgl. Menschen kommen darin vor – Vielleicht schreibe ich wirklich einen 2ten Theil der Postschnecke.11 Aber in wie fern war jener ein Spötter der sich gegen Reis darüber äusserte? Ich verstand das nicht recht. – Es thäte mir leid, wenn ich jezt ins Frankfurter Lesekabinett12 aufgenommen würde, wozu Dr. Elsässer13 Hoffnung giebt. Ich hatte mir vorgenom-

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Orig.: bin. Gestrichene Passage. Orig., vermutl.: Rath für (Schlaufenreihe). Anspielung auf den Sprachforscher Johann Christoph Adelung (1732–1806). Vgl. Br. 25. Vgl. Br. 27. Die Frankfurter Lesegesellschaft wurde 1788 von dem Frankfurter Buchhändler Friedrich Esslinger gegründet. B.s Aufnahmegesuch wurde abgewiesen und die Gesellschaft beschloss, Juden generell auszuschließen. Dr. jur. Lebrecht Maximilian Elsässer (1776–1852), Frankfuter Richter am Appellationsgericht.

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men den Narren den Text zu lesen – Die Huber hat gewaltig losgezogen gegen die Wanderjahre, ich aber war mäuschen still, ich liebe das mündliche Widersprechen nicht. Die Frau v. Herder hat mich gefragt ob ich die Salins14 kenne. Sie kennt sie nicht persönlich hat aber von ihnen gehört. – Wenn Schm. reist lassen Sie ihn doch hierherkommen. – Also Jeanette Netter heirathet? Alles heirathet, ach Gott! Hätte ich nur auch so eine Jeanette! – Leben Sie wohl, wertheste Frau Adelung. Grüßen Sie alle hehrzlich von mihr. Schreiben Sie bahld wiehder, Ihhre Briehfe sind meine Luhst. Bleiben Sie noch lange im Gahrten wohhnen? – Ihr Sie verehrender Freund Dr. Böhrne, geb. Wohhhhhl Va. Aux. L’eau. Jus. Honneur. Roue. (Mit einem H!) […]iv (ohne H) . . . . […]15 (ohne H)

35.

A n L udw i g Bö r n e i n [ S tu t tg a rt]. [Frankfurt], den, [1. September 1821].i

Ich habe die Wanderjahre nur flüchtig gelesen, und dies war Ihre Schuld. Sie wißen daß ich zu allem viel Zeit brauche, und da hätten Sie freilich gegen mein bischen Verstand galanter sein können. Die Ansichten über Göthe, über Kunst, das ist Ihnen alles aus der Seele geredet, und muß Sie überaus erfreuen, aber so viel ich mich noch erinnre der Lebensansichten die der Hauptmann darin ausspricht, so bin ich höchlich verwundert wenn Sie denen beistimmen. Der Hauptmann denkt über vieles streng moralisch, worüber Sie lachen, und leicht hinwegraisonniren, er würde die Gesellschaftsverhältniße der Franzosen, wie wir sie aus den Memoiren kennen, als eine Schule des Lasters, und aller Verworfenheit erklären, und – ich weiß ja wie Sie darüber denken „was man nicht weiß, macht nicht iv

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Zchng.: ein Rad. O. Dat.: »1 September 1821.« (Hs. e. Bearb.) Helene Luise Saling (1786–1868), Gesellschaftsdame, Tochter des kgl.-preuss. Hofjuweliers Jakob Salomon gen. Saling. Zchng.: ein Gesicht (Augen u. Nase) mit vorgehaltener Hand (vgl. Br. Nr. 38 v. 6. September 1821).

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heiß“! Ich höre Sie schon murmeln „mit den Weibern soll man über nichts reden, sie verstehn einen doch nicht, und daraus geht schon wieder die verschiedenheit der Ansicht des Hauptmanns und Ihrer hervor, der Hauptmann achtet die Frauen hoch, und Sie?! – Die Göthische Frauen werden, und – auch nur, den Blumen verglichen, darin stimmen Sie Göthe bei, ihm ist dieser Standpunkt nicht hoch genug, was aber die Männer betrifft, da sind Sie einer Meinung mit ihm, und ich nehme mir die Freiheit auch meine Stimme dazu zu geben, daß sie alle nichts taugen. Und nun mein Herr Belletrist muß ich Ihnen sagen daß Sie schon ein recht plumper Schwabe geworden sind, giebt es denn nicht ein musikalischer[er]ii, als gerade der Dreschertackt! Und daß Sie sich gar nichts mehr aus mir machen, klingt auch nicht sehr melodisch. Ich habe mir aber schon alle Ihre Unarten aus dem Sinne geschlagen, und eine ganz neue Lebensweise begonnen Jeden morgen viele viele Zeitungen, die neusten Bücher aus der Leihbibliotheck, Unterricht in Geographie und Geschichte, auf allen Meeren will ich herumschiffen, alle Länder will ich kennen lernen, diese Art von See und Landreisen ist bei meiner ängstlichen Natur die Behaglichste, Sie sollen Wunder sehen, Ihnen zum Trotz, und weil Sie immer so mißgünstig und heimlich vor mir gethan, will ich mich in die Politik werfen, und raisonniren lernen wie ein Staatsmann. Ja Sie sollen erkenneniii mein Herr, daß wir Frauen auch die Regierungskunst verstehn, obschon ihr uns nur immer auf unser kleines häusliches Treiben beschränken wollt. – S.1 ist auf einige Zeit zu seinen Aeltern. Häusliche Stürme steigen vor wie nach zuweilen auf, aber ich lasse Sie gelassen vorüber ziehen, und bleibe ruhig, dabei ist es mir ein Trost, daß Sie mein trübes Gesicht und unfreundliche Stimmung nicht zu ertragen haben. Endlich Nachricht von Ihnen! Wenn vieles litterarische Schreiben Sie am Briefschreiben verhindert, so will ich’s Ihnen gerne verzeihen, und auch künftig nicht mehr ängstlich sein wenn lange Pausen eintreten. Was denken Sie denn jezt anzufangen, da die Aussicht mit C. sich ins Ungewiße verzieht? Könnten Sie denn nicht mit Andern vortheilhafte Verii iii

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Orig.: Tackt. Orig. davor: einsehen. Aloys Schmitt. Mit häusliche Stürme wird die geplante Heirat mit JWs Cousine Auguste (Guste) Wohl angedeutet (vgl. Br. 35 u. 59).

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bindungen anknüpfen, und haben Sie keine Aussichten nach Paris? Nur um alles was ich Sie bitte begehen Sie keine neue Unbesonnenheit, und überlegen Sie erst bedächtig ehe Sie von dort weggehen, so hatte ich schon hier darauf bestanden, daß Sie dem C. erst schreiben sollten, und so ziehen Sie sich immer durch Ihr übereiltes Treiben Unannehmlichkeiten zu. Ich bin schon so durch Ihre tolle Streiche genug geängstigt, so oft ein Wagen hält, oder rasch geklopft wird, zittre ich Sie hereintreten zu sehen, Ich habe Sie nun einmal zu meinem Glücksritter erwählt, und Sie dürfen nicht eher zurückkehren, als bis Sie mit Orden und Bändern geschmückt in Ihre Vaterstadt auftreten können. Wie stehts mit Ihrer Kasse? Darüber werden Sie doch nicht unruhig sein! Schreiben Sie mir doch nächstens recht ausführlich und ernsthaft, was Sie zu thun beschlossen haben, und wenn es nur irgend ausführbar, daß Sie auswärts angenehm und Sorgenfrei leben können, so kommen Sie den Winter nicht zurück. Bei Sichel2 ist ein schneller Todtesfall nicht zu befürchten, er kann noch lange kränke[ln] sich auch eine Zeitlang wieder erhohlen, aber ganz genesen wird er nicht, und auch nicht alt werden. –– Und wenn ich gar keinen Buchstaben gesezt hätten Sie doch schon errathen sollen daß es Frau Speier3 war . . Sie sind aber gar zu dumm geworden! Jezt soll ich nun auch einen Spas wie der mit der Posts:4 erklären! Der Mann und ich, wir wollten damit sagen, daß Sie ein träger und wunderlicher Mensch wären, dessen Gedanken alljährlich durch das Postwagen= gerüttel, und Bergstraßen=Luft aufgefrischt werden müßten, und daß wir nun Gottlob endlich ein neues geniales Geistes=Produckt von Ihnen zu erwarten hätten, worauf wir uns herzlich freuten!!! Nun das war doch laut, und deutlich genug, O, himmlische Geduld, verlaß mich nicht.! – Die Leute wißen noch gar nichts bestimmtes über Ihre Abwesenheit, auch höre ich wenig, Sie wißen ja ich komme zu niemanden, aber was liegt an den Leuten! Sagen Sie mir nur wie es Ihnen geht ob Sie vergnügt sind, ob Sie Aussichten haben, und dann ob Sie bequem eingerichtet, und angenehm wohnen. Wenn’s Ihnen nur gut geht sonst mache ich mir wieder Vorwürfe daß ich an allem Schuld bin. Es war ja verabredet, daß wenn Sie mir über

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Vgl. Br. 32. Betty Seligmann v. Eichthal, verh. mit dem Bankier Joseph Isaak Speyer (vgl. Br. 33 u. 116). Monographie der deutschen Postschnecke.

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G.5 auch nur ein Wort befragen wollten, Sie ein Zettelchen beischlagen wollten. Wenn ich den Brief öfne bin ich immer allein. Mit Rosette6 geht es leidlich, es bleibt aber immer ein sehr bedenklicher Zustand. Schreiben Sie mir künftig unter Ochsens Adresse, es ist mir bequemer. (Samuel Ochs Sohn Älterer)7 für mich bemerken Sie dabei. Alle lassen Sie tausendmal grüßen, und gute Besserung wünschen, Sie werden doch das auch ohne Erklärung verstehen wie Sie es zu nehmen haben. Bücher=Wimpfens8 Hochzeit ist morgen. Daß ich Ihnen gar sonst nichts neues mittheilen kann, thut mir ordentlich leid, ich weiß wie erpicht Sie auf dergleichen sind. Ich will aber auch jeden Tag diese Woch aus gehen, um recht viel für Sie zu sammeln. Morgen ist eine neue Oper von Feska,9 heute ist dem kleinen Wilhelm Schnapper sein dreijähriger Geburtstag.10 Wer nur auch erst drei Jahr alt sein könnte, nun, sprechen wir nicht davon. Es hilft alles nichts, es muß ein kleines leeres weises Streifchen bleiben.11 – Den 1 September 1821. Adieu J. Wohl.

36.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Stuttgart, den 2. u. 3. September 1821.

Nr.4. Stuttgart d. 2 Sept. 1821.i Pass auf Dummkopf! Ich will von Geschäfften mit Dir sprechen, jezt ist gar nicht Zeit zu spaßen. Aus dem anliegenden Briefe an meinen Bruder,1 wirst Du sehen, wovon die Rede ist, von der großen Angelegenheit der 50 Gulden. Diesen Brief lese und präge Dir ihn gehörig in den Kopf. Ist das i

O. Adr.

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Guste. Vgl. Br. 31. Vgl. Br. 29. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um Benedict Isaak Wimpfen, Mitbegründer der jüdischen Lesegesellschaft in Frankfurt. Cantemire von Friedrich Ernst Fesca (1789–1826), Geiger u. Komponist. Vgl. Br. 2. JW reagiert hier auf Bs Vorhaltungen, ihre Briefe seien zu kurz.

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Vgl. Br. 2.

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geschehen, nimmst Du eine Oblate zwischen Deine süßlächlenden Lippen, machst die beneidenswerthe nass und versiegelst den Brief. Nach dem dieses verrichtet, läßt Du den Samuel2 rufen, oder, da ihn jezt die Messe sehr beschäftigt, wird es Deinen zarten Füßen gar nicht schaden, wenn Du um die Mittagsstunde selbst zu Ochs gehst, um den Prophet Samuel3 zu sprechen. Zuerst suchst Du ihn mit dem Geiste seines Geschäfts vertraut zu machen. Du sagst ihm, daß es darauf ankomme, die 50 fl. von denen mein Bruder glaubt, daß Schulden davon gezahlt werden, mir nach Stuttgart zu schicken. Hat er die Theorie der Sache gehörig gefasst, dann machst Du ihn mit dem praktischen Theile bekannt, der in folgendem besteht. Du giebst ihm die anliegende Rechnung meines Wirths, und sagst ihm, er solle sie bezahlen, von dem Gelde das ich ihm zurückgelassen. Der Wirth muß quittiren, und das Datum wenn die Bezahlung geleistet dabei setzen. Einen großen Thaler, giebt er dem Mädchen das mir aufgewartet als Messe. Ueber den noch vorhandenen kleinen Thaler werde ich zu seiner Zeit verfügen. Ist dieses geschehen, dann bringt er die quittirte Rechnung nebst dem Briefe an meinen Bruder, und fordert die 50 fl. wobei er folgende Reden zu führen hat: „Ich habe gestern (oder heute) mit der von Ihrem Bruder mir zurückgelassen[en] Polizei=Quittung, 100 fl. eingenommen, und davon die Rechnung seines Wirths gezahlt, die mir der Herr Doktor gleichfalls zurückgelassen hat, und die ich Ihnen, Herr Baruch, hiermit quittirt einhändige. Das von den 100 fl. noch übrig gebliebene Geld, und die 50 fl. die ich von Ihnen erhalten soll, Herr Baruch, soll ich zur Bezahlung einer geheimen Geldschuld verwenden.“ Hat nun Samuel die 50 fl erwischt, dann rollt er sie ein, und schickt sie mir mit dem nächsten Postwagen. Meinen Wirth soll er sagen, daß ich noch einige Wochen ausbleibe, meine Sachen aber würden binnen einiger Tage abgeholt werden. Der Samuel darf sich nicht verschnappen,4 er muß meinem Bruder sagen, er habe jezt erst das Polizei-Geld eingenommen.5 Hast Du das begriffen; […]ii Ende des Geschäftsbriefs

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Geschw. Passage. (1 Wort).

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Vgl. Br. 29. Samuel Ochs. Verplappern. Vgl. Br. 68.

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Theuere Freundin! (3 Sept. Morgens 6 Uhr) Meine Berge glänzen in der Morgensonne, und meine Augen in der schönsten Hoffnung, denn heute kann ich einen Brief von Ihnen erhalten, in wenigen Stunden werde ich glücklich seÿn. Ich habe wenigstens drei gute Tage in jeder Woche, den Einen, an dem ich Ihnen schreibe, den zweiten, wenn ich weiß daß mein Brief ankömmt, und den dritten wenn ich den Ihrigen erhalte. Aber das soll nicht heißen, daß Sie mir alle 8 Tage nur einmal zu schreiben brauchen, selbst die Waisenkinder in Frankfurt werden zweimal in der Woche spazieren geführt. Doch vom Nöthigsten. Ich platze nächstens. In meinem Testamente vermache ich Ihnen aber meine schöne Leber. Die Spannung zwischen meinen Knopflöchern und meinen Knöpfen wird täglich größer, und ich sehe, daß eine förmliche Ehescheidung nicht ausbleiben kann. Die geröst[et]eniii Spätzler allein hätten das nicht gethan, aber der Träubcheskuchen und die hundert andern Herrlichkeiten, die ich täglich in mein Fleisch und Blut verwandele! Was Shakespeare unter den Dichtern ist, was Sie sind unter den Frauen, das ist der hiesige Wirthstisch im König von England unter den Wirthstischen. In den 12 Tagen daß ich hier bin, habe ich nicht einen Tag gegessen was den Andern. Die mannichfaltigsten Suppen, die ausgesuchtesten Mehlspeisen, das herrlichste Desert, in stäter Abwechselung. Es ist schon viel Wienerische Sinnlichkeit hier, man sieht Dickbäuche und glänzende mit Butter geschmierten Gesichter. Auch viel südliche Lebhaftigkeit. Unter den etlichen dreÿsig Menschen am Tische ist ein solcher Lärm, als man in Frankfurt nicht hört, wenn viele hundert beÿsammen sind. Die schwäbische Mundart, die hier jedermann spricht, läßt mich gar nicht aus einer gewissen Täuschung kommen. Bei uns redet jeder gebildete Mensch hochdeutsch wenn ich mich nun hier mit Unbekannten unterhalte, die etwa wie Sachsenhäuser sprechen, nicht so schlecht, aber so eigenthümlich in der Aussprache, dann wundere ich mich immer wieder von neuem, zu erfahren, daß es Gelehrte waren. – Ich bin fleißig, ein meisterhafter politischer Aufsatz wird heute geendigt, dann fange ich etwas Anderes an. Noch in dieser Woche werde ich die ersten Bogen für die Wage nach Tübingen schicken.6 Ich lasse ein Doppelheft drucken, und wo möglich nur eigene Sachen. Doch habe ich im Nothfall eine sehr gute

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Orig.: gerösten. Seit 1821 erschien die Wage in Tübingen bei dem Buchhändler Heinrich Laupp.

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politische Abhandlung in französischer Sprache, die mir jemand in Frankfurt mitgetheilt, und die ich wenn ich sie übersetze mit Noten begleiten werde. Gegen Göthe wird bei Gelegenheit der Wanderjahre losgezogen. Ich ärgere mich nur, daß Sie die Wage nicht früher als alle Welt werden zu lesen bekommen. Aber noch 6 Wochen kann die Geschichte währen. – Einen Professor Lindner7 habe ich kennen gelernt, der nächst Weitzel8 der beste deutsche politische Schriftsteller ist. Er sagte mir, Genz9 in Wien habe ihm gesagt: „einen einzigen politischen Schriftsteller habt Ihr unter Euch, der seine Sache versteht, der Dr. Börne“. Und ferner habe Genz gefragt, wer eine gewisse Madame Wohl wäre, von der man in den kaiserlichen Erbstaaten so viel spräche? Ich ward über und über roth – So eben lasse ich mir den 1sten Napoleon wechseln, und ich bekam nicht mehr als 24 kr. Agio. In Frankfurt haben sie mich 37 kr. gekostet, ich werde also an 10 Stück die ich habe, 2 fl. 10 kr. verliehren. Ich bin ein ruinirter Mensch Hu, hu! – Mein verlohrner Hut ist wieder da. In Bruchsal wurde der Postwagen gewechselt, und ich vergaß den Hut aus dem Wagen zu nehmen, als ich darnach sah war der Wagen fort. Ich ließ im Posthause meine Adresse zurück, und vor einigen Tagen schickte man mir den Hut. Er war in Carlsruhe und Straßburg und er hat mir die schönsten Neuigkeiten erzählt. – Morgen ist Casino=Bal, ich habe aber große Lust wegzubleiben. Da ist eine Mamsell Kaula, die hat sich ganz genialisch auf alle Tänze mit mir engagirt, wo sie keine andere Tänzer bekommen kann. Sie singt zwar prächtig, hat aber einen solchen Schnurrbart, daß man nur Seide darüber zu ziehen braucht, um ein bequemes Kanapee zu haben. Mit der Trutschel soll ich tanzen? Nimmermehr. Lieber bleibe ich zu Hause. – Wenn kein Brief von Ihnen kömmt werde ich

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Friedrich Ludwig Lindner (1772–1845), politischer Journalist, verursachte 1818 durch die Veröffentlichung eines Geheimberichts des Schriftstellers August v. Kotzebue an den russ. Zaren Alexander I. einen Skandal, der seine Ausweisung aus Sachsen-Weimar, wo er als Redakteur des Oppositions-Blatts. Weimarische Zeitung tätig war, zur Folge hatte. Cotta engagierte ihn als Korrespondenten u. Redakteur der Tribüne. Württembergische Zeitung für Verfassung und Volkserziehung zur Freiheit. Das Projekt einer konstitutionellen Tageszeitung für Deutschland scheiterte nach wenigen Monaten (1. Juli – 30. September 1819), als nach der Ermordung Kotzebues die Tribüne eingestellt wurde. Diese glich in vielem Bs Wage; die zähen Verlagsverhandlungen zwischen B und C. 1820/21 können darin begründet sein. Vgl. Br. 18. Friedrich Gentz (1764–1832), hochkonservativer Publizist u. engster Mitarbeiter Metternichs, Verfasser der in Karlsbad 1819 beschlossenen Pressegesetze.

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pöbelhaft. – An meinem Tische habe ich einen Serviettenring von Pappe, mit meinem Namen von goldnen Buchstaben. Wie heiße ich? v. Born also Herr v. Born, merken Sie sich’s. – Gestern sitze ich beim Essen neben einem holländischen Kaufmanne. Der fängt mit mir und seinen Nachbarn von Theater und Theaterkritiken zu reden an. In Amsterdam sagte er, habe er Kritiken über das Frankfurter Theater gelesen, die ihm sehr gefallen hätten. Da besann er sich worin er sie gelesen. Ja, in der Waagschaal glaube ich, sagte er. Deren Verfasser ich selbst bin, sagte ich. Mein Krämer wird vergnügt, sagt: ich freue mich sehr, und frägt laut, Ah! Sind Sie Herr Doktor Bar . . . Dr. Börne, fiel ich ihm ins Wort. Ja so. Der Jude ist der Blutflecken, der Ladÿ Mackbeth, er ist nicht abzuwischen. – Erst einmal war ich hier im Theater, im Joseph.10 Da sang einiv gewisser Bader aus Berlin.11 Der singt! Ich habe nie des gleichen gehört. Viel besser als Wild.12 – – Da ist Ihr Brief! Sie können sich vorstellen, wie garstig die Briefträgerin seÿn muß, daß ich ihr nicht um den Hals falle und sie küsse. Und nun in Ordnung geantwortet wie ein Philister. Sie lernen Geographie und Geschichte? Sie sind Närrin genug dazu. Politik brauchen Sie nicht zu lernen, Sie verstehen die Regierungskunst nur gar zu gut. Ich laße mich ja von Ihnen leiten wie ein Lamm. Mich wegjagen zu lassen, mich trennen zu lassen von dem einzigen Gute das mir Zufriedenheit giebt! Ich würde mich schämen wenn es Einer erführe, wie sehr Sie mich beherrschen. Nein eine Konstitution muß in Ihrem Lande eingeführt werden, Sie sollen nicht unumschränkte Königin bleiben, ich werde künftig nur den Beschlüssen einer Stände=Versammlung Folge leisten. – Liebes Kind, Sie haben eine ganz falsche Ansicht von meinen Verhältnissen. Ich brauche ja keine besondere Hülfsquellen um auch entfernt von Frankfurt leben zu könnenv. Ich kann überall arbeiten, und meine Arbeiten werden mir überall gut gezahlt. Ich würde in Paris nicht mehr Geld brauchen als in Frankfurt, und hier in Stuttgart brauche ich weniger. An der Abwesenheit Cotta’s verliere ich nichts, ich wüßte doch nicht was ich mit iv v

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Orig.: eine. Orig.: kennen. Joseph en Egypte (1807), Oper des frz. Komponisten Etienne-Nicolas Méhul (1763–1817). Karl Adam Bader (1789–1870), in den 1820er Jahren Tenor an der Kgl. Oper zu Berlin. Franz Wild (1791–1860), Wiener Opernsänger, von 1817–1824 am Darmstädter Hoftheater engagiert.

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ihm hätte sprechen sollen. Zuerst muß ich einige Hefte der Wage herausgeben, damit in C. die Ansicht von meinem Werthe aufgefrischt werde. Mir Geld von ihm zu borgen dazu würde ich mich schwer entschließen. Nach Paris zu gehen wäre freilich für mich das Vortheilhafteste, denn solche Arbeiten wie ich sie dort machen kann, sind hier nicht ausführbar. Bedenken Sie daß mir C. für Correspondenzen in seine Blätter vor 2 Jahren 3000 fl. jährlich zugesagt. Aber hier in St. kann ich natürlich nicht correspondiren. Auch die Neckarzeitung will mich zum Corresp. in Paris annehmen, was ich neben C. betreiben könnte.13 Allein wo das Geld hernehmen zur Hinreise und für die erste Zeit? Die Herausgeber der Neckarzeit. sind nicht so vermögend einen Vorschuß zu leisten, auch würde ich keinen fordern. Auch von C. kann ich es nicht, und erst wenn ich einige Wochen in Paris wäre und ihm Arbeit zugeschickt hätte, würde ich antragen unseren frühern Vertrag zu erneuern, und ich zweifle gar nicht, daß er ihn annehmen würde. Aber voraus kann ich nicht sprechen, weil er in mein Wort nicht gehöriges Vertrauen setzen kann. Dieses alles abgerechnet, würden in Paris selbst sich genug Hülfsquellen für mich finden. Ich habe hier die französischen Blätter, sowohl die politischen als die belletristischen genau studirt, und habe ohne mir was vorzuschmeichlen gefunden, daß ich besser schreibe als alle, wenigstens besser als die Liberalen (die Ultra’s haben wirklich größere Talente) Auch leben jezt in Paris, Franzosen von Einfluß, die ich von Frankfurt aus kenne, und die vor 2 Jahren noch nicht dort waren, und die mir, schon aus Dankbarkeit für die Gastfreundschaft mit der sie als ehemalige Verbannte in Deutschland behandelt worden, aus allen Kräften forthelfen würden. Was mich aber am Meisten reizte nach Paris zu gehen, wäre die Idee von der Sie mir sprachen, St. aus H.14 dort zu placiren. Das scheint mir so ausführbar, daß ich fast dafür stehen würde, vorausgesezt, daß er Talent besizt. Vielleicht könnte man ihn zu Rothschild15 bringen, wozu mir Berger,16 der jezt dort ist, wohl behülflich seÿn würde. Was ich ein Menschenfreund bin! An mich und Sie denke ich gar nicht dabei. Glauben Sie indessen nicht, 13

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Neckar-Zeitung, d. i. das Organ deutscher Kaufleute, Fabrikbesitzer, Staatswirte und Finanzmänner hg. v. Friedrich Seybold und Friedrich List. Das oppositionelle Blatt, für das B seit 1821 gelegentlich schrieb, stand unter Beobachtung einer insgesamt aber eher maßvollen Zensur in Württemberg. Moritz Steinthal (vgl. Br. 39). Jakob (James) Mayer de Rothschild (1792–1868), Gründer des Pariser Bankhauses R. Gemeint ist wohl ein Verwandter (Bruder?) des Pariser Verlegers Pierre-Frédéric Berger (1796–1837), der mit der Familie Rothschild bekannt war.

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daß wenn ich genöthigt seÿn sollte hier zu bleiben, ich nichts erwerben könnte, es ist ja das nehmliche wie in Frankfurt. Es ist dumm daß mein Vater17 nicht mit Geld herausgerückt ist. – – Also gestern hat der Bücherwurm18 Hochzeit gemacht? Alles heirathtet, alles alles! Hu, hu. – Ich küsse den dreÿjährigen Wilhelm und seine liebenswürdige Tante, tausendmal in meinem Sinne, nehmlich den Wilhelm 1 mal und die Tante 999 mal, macht zusammen 1000. Grüßen Sie die Schnapperin und die Schnapperin ohne in herzlich.19 Sagen Sie dem ohne in, er solle ruhig seÿn, ich glaube nicht, daß es zum Krieg komme, er soll darum meine Loose nicht weggeben. – Sie haben Ihren Brief frei gemacht, warum machen Sie mich selbst nicht frei? Ich liebe gewiß keinen mehr, wenn ich einmal mit Ihnen fertig bin. Ich könnte so vergnügt seÿn, wenn Sie mir nicht mangelten. Ich soll den ganzen Winter wegbleiben, und wann sollen wir uns wiedersehen? Wo? Aber keine leeren Versprechungen. Ich brauche ein festes Ziel, einen sichern Lohn. Adieu, Liebe, es geht mir auch wie Ihnen. Stuttgart bietet wenig Stoff zu Neuigkeiten dar, ich muß eine ganz[e] Seite weiß lassen. Ihre Schwester wollte ja eine Reise nach Heidelberg machen. Könnten Sie das nicht ausführen. Ich käme dann dorthin. Träume! Dr. Börne

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An L udw i g Bö r n e i n [ S t u t tg a rt ]. [Frankfurt], den 2., 4. und 5. September 1821.

Sonntag morgen 2 Septemberi Sie sehen wie folgsam ich bin, ich warte nicht erst den Posttag ab, sondern schreibe so oft ich ungestört bin. Gestern war Dr Heß und seine Frau,1 auch die Röschen hier. Sie erzählten viel [launisches] von Sichel,2 und daß wenig Hoffnung zu seinem Aufi

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O. Adr. – hs. Zusatz e. Bearb.: »(An Dr. B. nach Stuttgart) 1821.« Vgl. Br. 13. Benedikt Isaak Wimpfen (vgl. Br. 35). Fanny und Moritz Meyer Schnapper. Michael Isaac Hess (1782–1860), verh. mit Hannchen Flesch, Oberlehrer u. Leiter des Frankfurter Philanthropins. Der mit JW und B befreundete H. war als Anhänger der jüdischen Aufklärung um eine Reform der jüdischen Erziehung bemüht. Vgl. Br. 32.

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kommen wäre. Um das ermüdende Ausfragen des Arztes sich zu erleichtern, hat erii eine Gliederpuppe angeschaft die ist von Kopf bis Fuß mit Nummern bezeichnet, und liegt stetts auf seinem Bette, so oft er Schmerz fühlt streicht er eine Nummer an, wenn nun der Arzt kömmt und fragt, zeigt er seine notirte Puppe vor, oder schikt ihm auch zuweilen die Leidtragende ins Haus. Der alte Semmring3 behandelt ihn jezt, und zieht gewaltig gegen Neuburg4 los „er habe den Kranken verpfuscht“ dennoch, sagt der Sichel, muß der Neuburg mit Arzt bleiben, es soll nicht nachher heißen der Semm: sondern der Neub. habe mich geliefert, jedem das seine“! – Heß sprach viel über Litteratur, und hält auch Jakobs oder Butterweck5 für den Verfasser der Wanderj: Es heißt der Bürgerkapitain dürfe ein viertel Jahr lang nicht aufgeführt werden, warum, und ob dies wahr, kann ich nicht verbürgen. Aber sagen Sie mir doch was bedeuten die gekrizelten Possen in Ihren Briefen? Ich kann nicht aus einem einzigen klug werden, Sie sind mir ein großer Maler, um Ihre Bilder verständlich zu machen, müßen Sie ihnen lange Zettel aus dem Munde heraus hängen lassen. Ach wenn ich nur recht bald gute Nachricht von Ihnen erhalte, entweder daß Sie ein reicher, oder berühmter, oder sparsamer Mann geworden! Mit Ihrer Sparsamkeit und der Ordnung wills noch nicht recht werden, das sehe ich aus Ihrer lezten Kleiderbeichte, das heiß ich wirthschaften! Dabei kömmt nichts heraus mein bester herr Doktor, und wenn Sie nicht besser, und anders werden?! ––Ich sehe ich gerathe in den Text, und für heute ist’s genug gepredigt, wir wollen gute Freunde bleiben, Adieu. Dienstag 4ten! Ich hätte wohl keinen gottloseren Gedanken haben können, als statt der Morgenandacht Ihnen zu schreiben! Sichel ist gestern aus-

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Orig.: er sich.

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Samuel Thomas v. Soemmerring (1755–1830), Anatom u. Physiologe, nach der Berufung zum Mitglied der Bayerischen Akademie 1808 vom König geadelt. S. praktizierte von 1796 an in Frankfurt, bevor er dem Ruf der Münchener Akademie 1804 folgte. Nach seiner Rückkehr 1819 wurde der berühmte Gelehrte in Frankfurt von den angesehensten Familien der Stadt konsultiert. Johann Georg Neuburg (1757–1830), seit 1783 als jüd. Arzt in Frankfurt zugelassen, Mitbegründer und 1817 erster Direktor der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft. Im Orig. korr.: Boutterweck. – Friedrich Bouterwek (1765–1828), Prof. der Philosophie in Göttingen.

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gefahren. Dr Reis hat eine Frau Pfeiffer aus Stuttgart6 hier kennen gelernt, jung, schön, und die sich in ihrer Ehe zu langweilen scheint, das ist eine Aussicht für den Dr Börne! Auch bei Ochs wird Ihr Unfall mit dem C. bedauert, „gieb acht er („der er sind Sie“) ist bald wieder hier!“ – Nein sage ich, er hat freiwillig versprochen nicht wieder zukommen, bevor ich 52 Briefe erhalten, nun sagte die Fannÿ, mache Dich nur gefaßt darauf, Du erhältst bald einen Brief nach Marionetten Art, wo aus einem ein paar Dutzend herausfallen werden“! Alle lachten, aber ich weinte bitterlich, daß man so gar nicht an Ihrer Besserung glauben will. Das Wetter ist überaus schön, ich denke noch lange im Garten wohnen zu bleiben. Der dritte Theil vom Kerker zu Edinb:7 ist erschienen, wenn Sie ihn lesen wollen. Sauerländer8 hat Ihnen Bücher zugeschikt, ich ließ ihn wißen daß Sie abwesend, zwei Hefte (von Beck) hat er zurükgeschikt, die müßten Sie haben, was soll ich denn damit machen? Mittwoch 5ten. Das war ein possirlicher, aber doch ernsthafter Schrekken! Ich öffne Ihren Brief in Hast, da fällt ein Blatt aus dem andern heraus, und bleich und zitternd denke ich, da ist der Fannÿ Prophezeiung eingetroffen! Wie freute ich mich als ich meinen Irrthum erkannte, und [I]hren drolligen brüderlichen Brief, und die Ernsthafte Rechnung fand. Zuerst nun zu den Geschäften, wovon das Wesentlichste ist daß ich Ihnen Beweise daß Sie ein Dummkopf und andre Leute viel gescheidter sind, wer wird denn aus einer solchen Kleinigkeit so viel Aufhebens machen, das soll schon alles zu Ihrer zufriedenheit besorgt werden. In jeden Fall bleiben Sie vorerst noch bis zum herannahenden Winter in Stuttgart, bis dahin kömmt der C. zurück, und wenn Sie ihn nur erst gesprochen haben, da findet sich vielleicht alles leichter, als Sie glauben, dann wird bis den 19 Septe: die Lotterie gezogen, gewinnen Sie oder ich auch nur einige hundert Gulden, so ists wieder gut, und wäre auch beides nicht, und Sie fänden es gut nach Paris zu gehen, so würde sich schon die große Summe zur Reise doch herbei-

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Vermutl. Dorchen Pfeiffer, geb. Dorothea Kaulla (1801–1822), Tochter v. Wolff u. Eva v. Kaulla, 1817 verh. mit Marx Pfeiffer (vgl. Br. 42). Walter Scott, Der Kerker von Edinburgh (2. Bd. v. Tales of my landlord, 1818). Johann David Sauerländer (1789–1869), Verlagsbuchhändler, der u. a. Übersetzungen von James Fenimore Cooper und Walter Scott herausgab. In den 1830er Jahren verlegte er die Autoren des Jungen Deutschland, 1848–1850 die Stenographischen Berichte der deutschen National-Versammlung. 1819 hatte er B für die Zeitung der freien Stadt Frankfurt engagiert.

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schaffen lassen. Ich bin ganz glücklich daß Sie so fleißig arbeiten, und wette darauf, daß ich zu Ihrer und aller Leute Verwunderung, noch einen ordentlichen, gescheidten, und fleißigen Menschen aus Ihnen ziehe. Wie lange werden Sie denn noch mit Ihrem Gelde ausreichen? Haben Sie im Nothfalle auch Arbeiten die Sie gleich bezahlt bekommen? – Sie drohen grob zu werden, und gleich darauf „ich heiße v. Born, das traf komisch zusammen, denn erinnern Sie sich noch, in unserem Hause wohnte ja ein v. Born der sich sehr ungeschliffen benam. – Spashaft wie ähnliche Schiksale wir diese Woche hatten. S. G.9 und ich wir giengen gestern im Garten spazieren fremde Kinder (aus Weimar) waren bei Pfeils in Besuch, ich hatte schon mehrmals Nekereien von (den Fremden) hinter unserem Rücken zu hören geglaubt, aber die G sagte ich irrte, endlich hörte ich ganz laut „das Judenback“! Hören Sie sagte ich zu Sch das hat man davon wenn man sich mit Juden einläßt! Der Vorfall war mir in seiner Gegenwart recht lieb, bewundern Sie Mich!! Er benam sich recht einfach, und vernünftig dabei, – Jezt soll ich schon nach Heidelberg kommen! Wo denken Sie hin mein bester Herr Doktor! Erst eine kleine Probezeit von wenigstens einem halben jährchen, dann will ich gerne nach Heidelberg, und auch weiter nach kommen, jezt schon einen Lohn, wo Sie noch kaum ein gutes Wort verdient! Und dann müßen Sie [mit] mir erst den Winter, auf allen Casino Bälle, in allen Gesellschaften, zu allen Thee’s, jezt schon soll ich auf Ihre Unwandelbarkeit zählen, wo Sie noch niemanden, als die unleidliche Kaula, und die häßliche Briefträgerin kennen gelernt? Nein mein Freund, das geht so rasch nicht, Sie wißen ja ich brauche zu allem viel Zeit, und da wollen wir dann sehen wie Sie in der bestehen. Jezt noch eine Gewissensfrage! Bewahren Sie meine Brieflein gut auf, und auf Ihr Wort, bekömmt Sie niemand zu lesen? Und Ihre Schwester kömmt wahrscheinlich bald zu Ihnen, hören Sie mein Freund darüber keinen Scherz, den würde ich nicht gut nehmen, Sie wissen wie mich Ihr Leichtsinn in dergleichen hier oft gekränkt hat, also schonen Sie diese kindische schwache Seite, dann bleiben wir auch gute Freunde! Das reimt ja gar, in der Angst werde ich noch gar zur Dichterin. wie stehts denn mit der Kunst? Dort giebt es ja viel Veranlassung, kommen Sie nicht in die Bildergallerie,10 zu Danecker?11 Sie sind ein gar prosaeischer Mensch! Nichts als von gutem Tisch, und Wohlleben. 9 10 11

Aloys Schmidt u. Auguste (Guste) Wohl (vgl. Br. 1 u. 14). Zur Boisseréeschen Sammlung vgl. Br. 5. Vgl. Br. 28.

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Und nun mein lieber Freund, sehen Sie doch daß Sie es wenigstens eben so gut haben als die Waisenkinder, daß ich Ihnen öfter als einmal die Woche schreibe, und recht gerne schreibe, und daß mir Ihre Briefe unendliche Freude machen. Bleiben Sie [mir] brav, und hübsch fleißig, aber dabei auch recht munter und vergnügt, Sie können mir zu meiner Zufriedenheit nicht oft genug wiederhohlen, daß Sie vergnügt sind, daß es Ihnen gut geht. – Das verlangte Geld von Ihren Eltern, und der Rest, sollen Sie alles bald erhalten, nur sein Sie auch hübsch sparsam, damit Sie lange ausreichen. Sie sehen jezt auch wie viel Ruf Sie schon haben, wer weiß was noch alles aus Ihnen werden kann, freilich müßen Sie sich ein bischen anstrengen, denn, man muß gestehen, Sie haben gar zu lange gefeiert. Mit meinen Geschäften geht es gut. Es ist nun ganz entschieden Sch reist, bis Ende dieses Monats geht er fort. Er will nach Leipzig, Dresten, Hamburg, Berlin, und Kopenhagen, wird also aufs kürzeste bis Monat Maÿ, und auch länger wegbleiben. Es gehen auch andre und wunderbare Veränderungen vor, die Tante12 scheint erweicht, und etwas nachzugeben Sie spricht so gar oft, und lang mit der G über das Verhältniß, und redet ihr zu ruhig zu sein, es könne sich ja noch manches machen, sie könne schon nachgeben, aber mit dem Vater13 schienen die Schwierigkeiten unüberwindlich. Indessen nimmt wie Sie sehen, die Sache von jeder Seite eine andre Wendung, und ich hoffe den Winter recht ruhig, und wenn Sie sich gut aufführen, auch gar nicht unangenehm zu verleben. ich denke daß auch die G. durch ihr Betragen auf ihren Vater gut einwirken kann, er liebt sieiii sehr, und da es ihr eigenes, und so großes Intresse betrifft, wird sie ihn auch schon zu behandeln verstehn. Ich wiederhohle, daß Sie ein Zettelchen beischlagen sollen, wenn Sie über diesen gegenstand Beantworten sollten. Rosette14 geht es gut, ich gehe eben in die Stadt sie zu besuchen, da komme ich in das dichteste Meßgedränge, soll ich für Sie einkaufen?

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Orig.: Sie.

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Breunle Wohl (geb. Schwab), Mutter v. Auguste (gest. 1855). David Lazarus Wohl, Vater v. Auguste (gest. 1829) (vgl. Br. 35). Vgl. Br. 31.

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Regine Zimmern15 wird hier als Frau erwartet, sie soll vorige Woche geheirathet haben; und geht mit Neusttettel, ihrem Manne von hier nach Hanau. Sie soll den Lehrer im Hause wirklich geliebt haben, und ihn durchaus heirathen wollen, er kömmt wenn die Regine von dort weg ist, wieder ins haus. was halten Sie davon, und von Neustättel?!. Dieses kleine Blättlein enthält privatangelegenheiten, des halb bittet Sie Ihre ängstliche Freundin es sogleich zu verbrennen, wollen Sie diesen Gefallen erzeugen Ihrer ganz ergebenen die Ihnen ein herzliches Lebewohl sagt J. Wohl

38.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Stuttgart, den 6. u. 7. September 1821.

Nr. 5 Stuttgart d. 6. Spt. 1821.i Nr. 5 Stuttgart d. 7 Es ist Vormittag, und da sollte ich eigentlich arbeiten – ich will aber noch den ordentlichen Menschen sehen, der, wenn er sich vergnügen kann, ohne sein Zimmer zu verlassen, nicht zuweilen seine Pflicht versäumte. Ich bin jezt schon an Nr. 5 meiner Briefe, zittern Sie nicht, daß es der 7 zugeht, der bößen 7, über die hienaus ich es in Paris nicht habe bringen können? Als ich damals Nr 5 schrieb, dachte ich noch so wenig ans Umkehren als ich heute daran denke, und wer weiß was Ihnen bevorsteht. Seÿen Sie ruhig, ich scherze blos, so wehe werde ich Ihnen nicht thun, es bleibt bei 52. Sobald Sie diesen Brief erhalten, lassen Sie sämmtliche Ochsen, Samuel, Bernhard, und wer noch sonst von der Gesellschaft ist, zu sich kommen, setzen sie um den Tisch, geben jedem Papier und Bleistift, und – hören Sie was zu thun ist. Ihr könnt mir 1500 Franken schaffen, die ich brauche um nach Paris zu reisen, ohne daß es euch etwas mehr kostet, als i

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O. Adr. Regine Zimmern (1800–1870), 1821 verh. mit dem Juristen und Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Hanau Leopold Joseph Neustetel (1797–1825) aus Offenbach. In zweiter Ehe heiratete sie den hier erwähnten Hauslehrer der Familie Z., Salomon Jolberg (1798–1829) und konvertierte zum Protestantismus.

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euch eine halbe Stunde den Kopf zu zerbrechen, woran wenig liegt. Ich habe nehmlich gestern in einer französischen Zeitung gelesen, daß ein Freund der Wissenschaften, einen Preis von 500 Fr. demjenigen zusagt der in einem Zuge und ohne zweimal den nehmlichen Punkt zu berühren folgende Figur zeichnet: Seÿd nur ein einziges Mal Gescheid, lößt mir diese Aufgabe – so hätte ich denn 500 Fr. Ferner hat ein Pariser Bürger, einen jährlichen Preis von 1000 Fr. für denjenigen bestimmt, der innerhalb des Jahres die tugendhafteste Handlung im Departemente der Seine begeht. Am 1sten Juli 1822 wird dieser Preis zum erstenmale von der Akademie ausgetheilt. Kinder seÿd nicht dumm, besinnt euch auf eine tugendhafte Handlung die nicht übertroffen werden kann, ich eile nach Paris, begehe sie, und streiche meine 1000 Fr. ein. Da mir auf diese Weise die 1500 Fr. sicher sind, so wird sich wohl jemand in Frankfurt finden, der sie mir einstweilen vorstreckt. Welch ein Glück, daß ich diese wichtigen Sachen in der Zeitung nicht übersehen habe! – Vorgestern war ich auf dem Casinoball, den man wegen der Geburtstagfeÿer der Königin gab.1 Ich Narr hatte eine blauseidne Unterweste angezogen, und mich eines weißen feinen Halstuches statt eines Schnupftuches bedient! Sie sehen, es hilft nichts Ihre Nähe zu meiden, man kann auch anderswo den Verstand verliehren. Getanzt habe ich wie ein Gott. Der himmelblauen Weste konnte kein weibliches Herz widerstehen. Ein Hof-Fräulein der Königin hielt mich die ganze Nacht durch fest, und als ich mich auf einige Minute[n] entfernt hatte, um ein Glas Punsch zu trinken, frug sie den Hrn. v. Schmitz-Grollenburg,2 der mich auch kennt: Où est mon bijou de Francfort? Da ich mit ihr von Ihnen sprach, sagte sie: votre bonne amie doit avoir beaucoup d’assurance ou peu de modestie de vous avoir laissé partir. Ich erwiederte: elle est trop modeste pour mettre un grand prix à ce que lui appartient. – Haben Sie mein Artikelchen im Morgenblatt3 gelesen? Mir sind fast die Thränen in die Augen gekommen, es ist das erste was ich habe drucken lassen, ohne es Ihnen vorher zu zeigen. Es muß doch etwas in meinen kleinen Schriften seÿn, was Talent zu einem 1 2

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Der Geburtstag der Königin Pauline (1800–1873) war am 4. September (vgl. Br. 32). Philipp Moritz Freiherr v. Schmitz-Grollenburg (1765–1849), Staatsrat u. württembergischer Gesandter am bayerischen Hof in München. Bs Korrespondenz-Nachrichten in: Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 212 v. 4. September 1821.

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Romane verräth, der Dichter Haug, hat mich auch gefragt, warum ich keinen Roman schreibe. Wer nur Zeit, nehmlich Geld hätte! – Vergessen Sie doch ja nicht, von Zeit zu Zeit in mein Haus zu schicken, um nach zu fragen, ob keine Briefe an mich gekommen sind. – Ich lebe hier wie ein Anachoret. Um 5 Uhr wird aufgestanden, und bis 7 Uhr gearbeitet, dann eine Tasse Thee ohne Zucker und Milch getrunken, dann gearbeitet bis ein Uhr, dann ein Löffel Suppe genommen. Nach Tische gehe ich eine Stunde ins Museum, dann wird gearbeitet bis 5. Von 5 bis 7 Uhr gehe ich in den einsamen Wegen des Schlossgartens spazieren, und trinke irgendwo ein Glas Bier. Dann nach Hause und gearbeitet bis Mitternacht, worauf ich ein paar Stündchen schlafe. – – Der Himmel segne Dich für alle die Güte die Du mir erzeigst. Das ist schon wieder ein glücklicher Tag, und wahrhaftig ich habe heute nicht einmal einen Brief erwartet. Aber wer kann auch Ihre göttliche Seele berechnen? Wenn nur die Post nicht grade Vormittag käme, ich gestehe, es stört mich im Arbeiten. Ehe der Brief kömmt peinigt mich der Durst, und ist er da, zerstreut mich der Rausch. Soll ich arbeiten und an Noth denken während ich selig bin? Fahren Sie nur so fort, liebe Seele, das Glück ist auch eine Tugend, machen Sie mich tugendhaft. – Gekrizelte Possen, nennen Sie meine geistreichen Zeichnungen? Ich will Sie Ihnen erklären und Sie erröthen machen. Va. Aux. L’eau. jus. heißt so viel als va au logis, Geh’ Heim! Honneur: er. Roue Rath. In Summa: Geheimer Rath (wird mit einem H. geschrieben). Das andere stellt einen Kopf vor, mit einer Hand vor den Augen, welches die Scham sinnbildlich darstellt, sothane Scham ohne H. geschrieben wird. Ein anderesmal seÿen Sie nicht so naseweis, über Dinge abzuurtheilen die Sie nicht verstehen. Solche Possen bringen Sie mit der ganzen gelehrten Gesellschaft, in Ihrem Leben nicht zu Stande. – Der Einfall Sichels4 mit der Gliederpuppe ist sehr gut. Das ist aber eben das schrecklichste, bei vollem Witze dahinzuschwinden. Nur ist mir unbegreiflich wie einer der Sie geliebt hat und noch liebt an der Wassersucht sterben kann. – Ja meine liebe Madame Wohl, Ihr leztes Stündlein hat geschlagen. Jene Madame Pfeifer ist eine Tochter der Räthin Kaula.5 In einigen Tagen kömmt sie hierher, und ich werde sie kennen lernen. Reis hat wahrscheinlich mit ihr zusammen bei Feist gegessen.6 Sie se4 5 6

Vgl. Br. 37. Vgl. Br. 37. Löb Joseph Feist bzw. Weinhandlung Feist an der Schönen Aussicht (1821 wurde sie von Teibchen Feist geführt, ab 1824 von ihrem Sohn Carl F.).

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hen, ich weiß alles. Da ich ein Flötist bin, also auch eine Art von Pfeifer, so wird die Tugend der jungen schönen Frau, nicht gleich anfänglich schüchtern gemacht, sie wird mich freundlich aufnehmen, und für das Uebrige lasse ich ihre und meine Langeweile sorgen. Adieu Madame Wohl, leben Sie recht wohl, und seÿen Sie überzeugt, daß ich in jeder Lage meines Lebens, mich Ihrer mit Theilname erinnern werde. Ich erwarte meinen Schiller zurück, und Sie sollen Ihren Tobacksbeutel wieder haben; es geht nicht anders in meinen jetzigen Verhältnissen . . . . Wir wollen wieder gut werden. – Auf den Beck7 bin ich abonnirt, ich muß ihn also bis zu Ende des Jahres behalten. Sehen Sie nach ob nicht vielleicht die Wage darin rezensirt ist. Auf dem Umschlag jedes Heftes ist ein alphabetisches Verzeichnis. – Seien Sie ruhig, Ihre Briefe soll niemand zu lesen bekommen, nicht meine Schwester, kein Engel und kein Teufel. Aber verbrennen kann ich keinen davon, denn sie sind unverbrennlich. Wenn sie Feuer fingen, müßten sie während meinem lesen in Rauch aufgehen, weil ich dann immer voll Liebe Dankbarkeit und Freude über und über glühe. – Der jungen Kaula habe ich Unrecht gethan. Sie hat keinen Schnurrbart, und ist überhaupt kein unleidliches Mädchen. Singen thut sie wie ich es noch nicht gehört, aber nichts als Rossini; sie sagt bei den Mozartschen Sachen fiele ihr das Accompagnement zu schwer. – Der Neustättel ist ein Narr, oder etwas schlimmeres. Eine alte Frau Kaula die in Hanau wohnt,8 und jezt hier zum Besuche ist, sagte mir, wahrscheinlich hätte N. nach dem skandalösen Betragen seiner Braut, von ihren Eltern ein gut Stück Geld bekommen, sonst würde er sie nicht geheirathet haben.9 – Die Fannÿ wird früher recht behalten, als Sie meinen. Sehen Sie nur nach der Nummer meines heutigen Briefes, schon 50 – also noch 2. Jucheÿ! Und daß Sie mich nicht so empfangen wie vor 2 Jahren. Wissen Sie, wir wollen in Neu-Isenburg10 zusammenkommen, das wär göttlich, der Ort liegt zwischen Stuttgart und Frankfurt, oder auf der Sachsenhäuser Warte, oder auf der Brücke? – Arbeiten die ich gleich 7

8 9

10

Christian Daniel Beck (1757–1832), ab 1819 Hg. des Allgemeinen Repertorium der neuesten in- und ausländischen Literatur. Bele Bing (geb. 1726), Frau v. Maier Kaulla, Hanauer Hofjude. Nach der Verlobung mit Neustetel hatte Regine Zimmern eine kurze Affäre mit dem Hauslehrer Salomon Jolberg, den sie nach dem Tod ihres ersten Ehemannes heiratete (vgl. Br. 37). Von Hugenotten 1699 gegründete Gemeinde in der ehemaligen Grafschaft Isenburg-Offenbach, an der Stadtgrenze Frankfurts südlich des Mains vor der Sachsenhauser Warte gelegen.

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bezahlt bekomme, habe ich noch nicht. Vielleicht kann ich für die Neckarzeitung Beschäftigung bekommen, aber der Haupteigenthümer des Blattes11 ist jezt abwesend, wird aber täglich zurückerwartet. Doch ist die Frage, ob mich die Leute gehörig werden bezahlen können. Die Zeitung trägt zwar viel ein, es leben aber auch vier Familien davon. – Liebe Frau Adelung, [Sie haben wieder ein ganz klein Fehlerchen gemacht, so klein wie Ihr Oehrchen. Sie schreiben von […]ii, und das auch nicht deutlich],iii und da habe ich gelesen […]iv, und habe das nicht verstanden. […]v muß es heißen. – Von meiner Unwandelbarkeit erwarten Sie erst noch Beweise? Die Freundin Methusalems konnte wohl eine hundertjährige Probezeit fordern, es blieb dann dem liebenden, noch acht Jahrhunderte des Lohns übrig. Aber wir die wir es höchstens bis zu 70 bringen! Ist denn die Ehe eine Oper, bei der man um drei Stunden der Aufführung willen, eben so viele Monate Probe hält? Ich bin nicht wandelbarer als der Mond, der wenn er auch abnimmt, doch immer wieder voll wird. Kommen Sie nach Heidelberg, und wandeln Sie im Silberlichte Ihres Vollmondes. – Die Bildergallerie habe ich noch nicht gesehen. Ich reiste mit einem jungen Manne hierher, gegen den ich mich unter andern etwas spottend über Boisseree, über dessen Charlatansweise mit der er den Fremden die Bilder erklärt u. s. w. geäussert habe. Vor einigen Tagen treffe ich auf dem Casino diesen Mann, und erfahre von ihm, daß er Zeichner, beÿ Boisseree im Hause, und dessen Gehülfe ist. Man kann sich auf Postwägen nicht genug mit Reden in Acht nehmen. – Das Wetter ist auch hier so warm und heiter als im höchsten Sommer. Wir wollen das Eine und das Andere seÿn. Die Welt ist nicht so dumm als sie aussieht, ich aber liebe Sie mehr als ich scheine, mehr als Sie glauben, aber weniger als Sie es verdienen. Ich bin mit ganzer Seele Dr. Börne, geb. Wohl.

ii iii iv v

11

Geschw. Passage. Durchgestr. Passage (vgl. R IV, 354). Geschw. Passage. Geschw. Passage. An der Neckar-Zeitung waren u. a. Friedrich List u. dessen Schwager Friedrich Seybold beteiligt (vgl. Br. 36). Das Blatt berichtete regelmäßig über die Debatten des Stuttgarter Landtags.

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An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den 8. September 1821.

Samstag morgen 8ten Sept.i Sie sollen Lebensart von mir lernen! Ich will von Geschäften mit Ihnen reden, leihen Sie mir ein geneigtes Ohr mein lieber Freund. Sie sind ein verständiger Mensch, der alles was er thut gehörig und reiflich überlegt, auch Geduld haben Sie viel, also zur Sache. Daß Sie C. Rückkunft abwarten versteht sich von selber. Ich finde aber daß wenn C. auch dafür wäre, nach Paris zu gehen gerade nicht das Vortheilhafteste seiii, Erstens sind Sie durch Lokalität gebunden, wenn Sie nicht gerne da sind, und Sie gehen weg, (was ich so gar für wahrscheinlich halte) dann hört Ihr Einkommen auf. Correspondenznachrichten ist schon etwas versplittertes, und wird Ihren Ruf nicht bedeutend heben, wenn Sie aber ein eigenes Blatt übernehmen, so scheint mir das in jeder hinsicht vortheilhafter, Sie sind nicht so fest an einem Orte dabei gebunden, was eine sehr bedeutende Rücksicht für Sie ist, es scheint mir auch, als wenn Sie für die Dauer doch lieber in Deutschland als in Frankreich lebten, und Ihr Ruf als Schriftsteller gewinnt ungemein mehr dabei, dies ist nur so ein kleines Gutachten von mir, damit Sie sich mit keiner zu übernehmenden Verbindlichkeit übereilen, zu beschließen was vorzuziehen, bleibt ja doch Ihrer eigenen Einsicht am besten überlassen. Um der Einförmigkeit zu entgehn, auch als kleine Zerstreuung, und um Stoff für neue Arbeiten zu sammeln, könnten Sieiii den Winter auf einige Zeit nach München gehen, das kann keinen Bedeutenden Kostenaufwand machen. Mit M. St. aus [H.?]1 habe ich zwei neue Pläne, der erste ist, Sie sollen dem Berger nach Paris schreiben, Sie fordern ihn auf, sich in einer Angelegenheit für Sie nach allen Kräften zu verwenden, voniv seiner i

ii iii iv

1

O. J.: »1821« (hs. Zus. e. Bearb.). – Adr.: frei Herrn Dr Börne logirt Charlottenstraße bei Herrn Fosetta in Stuttgart (Kuvert). ÜdZ, Orig.: wäre. ÜdZ, Orig.: würde ich. ÜdZ, Orig.: bei. Moritz Steinthal (1798–1892), mit der Fam. Ochs verwandt, Student der Medizin in Berlin.

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Dienstfertigkeit und v. Rothschilds großem Einfluß […]v von Müllner zugestellt, Sie sehen daß er ihn schon lange erhalten, auch fügte er die komische Bemerkung hinzu „er habe den Brief in Gedanken erbrochen, er war an Ihrer Aeltern Haus adressirt. Ihre Schwester2 ist noch hier, in jeden Fall beunruhigen Sie sich doch nicht wegen dem Bettel von f 50. Die Rechnu[n]g ist quittirt (Ihr Wirth hat dem Samuel mehre[re] Billets und Bücher, nicht von Bedeutung zugestellt, wenn der S. Ihnen Geld schickt, will er sie mitpacken, wo nicht, werde ich Ihnen den unbedeutenden Inhalt berichten, vom zweiten B. der W.3 ist ein Exemp: beivi der Post verlangt worden, „es wären also 10.“ Es wird auch besorgt. Der Sichel4 ist heute Morgen vorbei gefahren, es hat mich überrascht, ich bin ans Fenster gerannt und habe ihm tausend freundliche Grüße zugewinkt, was wird seine Frau, die neben ihm saß, von mir denken! –– Ich habe Ihr wort „Sie scherzen nur, und gewiß Sie werden mich so nicht kränken! Ihre No 505 hat mich zum Todt erschreckt, und eher kann ich nicht wieder ruhig werden, als bis Sie mir auf Ihr Ehrenwort erklärt haben, das es nur ein Spas war, und Sie gar nichts Ernstes und böses dabei im Sinne hatten. –– Machen Sie doch keine so abenteuerliche Pläne! Ich will Ihnen viel solidern, und wahrscheinlich auch ausführbareren vorschlagen, wobei Sie auch eine bedeutende Summe gewinnen könnten. Ein gewisser Braun aus Carlsruh6 hat Ihnen einen Almanach auf d. J. 22 zugeschickt, und obschon sein und Ihr Freund Robert7 beiträge dazu geliefert hat, so ist doch kein gescheidtes Wort darin, Sie wißen wie erbärmlich der größte Theil der übrigen Almanache sind, ich schlage daher vor daß Sie einen herausgeben sollen, und es v vi

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3 4 5 6

7

Unverständl. Satz: evtl. Textverlust (Seitenwechsel). Davor Orig.: von. Amalie (modo Marianne) Baruch (1784–1860), seit 1801 verh. mit Beer Salomon Spiro (1770–1847) in München. Vgl. Br. 85. Vermutl. Band 2 der Wage. Bernhard Juda Sichel (vgl. Br. 13). Br. 38, den B mit der Nr. 5 versieht (die beigefügte 0 wurde nachträglich gestr.). Gottlieb Braun (1783–1835), Verlagsbuchhändler in Karlsruhe, zusammen mit seiner Schwester Friederike Hg. der Rheinblüthen. Ludwig Robert, urspr. Liepmann Levin (1778–1832), Bruder Rahel Varnhagens, Dramatiker u. Lyriker (der wie B zahlreiche Theaterkritiken für Cottas Morgenblatt schrieb), Verfasser des in den 1820er Jahren oft aufgeführten Trauerspiels Die Macht der Verhältnisse (1819); durch seine Frau Friederike Braun mit Gottlieb B. verwandt.

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scheint mir noch für dieses Jahr ausführbar, weil, besonders an den Rheinischen Briefen, und mehreres aus einem geschriebenen Tagebuch, dazu ganz gut zu benutzen wäre. Hübsche dazu geeignete Lieder, die S fertig hat könnte er Ihnen dazu geben. Müllner der sich wie es scheint Ihnen gerne verbindlich machen möchte würde Ihnen auch manches schon fertige zuschicken auch an Benzelsternau, die Herz, Uhland, und mehrere könnten Sie sich wenden, ich bin überzeugt, es würde ganz über Ihre Erwartung gelingen, nur müßten Sie gleich, und thätig Hand ans Werk legen, Sie haben noch ganze drei Monathe Zeit, und bedenken Sie welche, bedeutende und nahe Geldhülfe Ihnen das brächte, zögern Sie nicht, und ich will Ihnen dann die Briefe aufs schnellste schicken, oder auch nach meinem Gutdünken ausschreiben, wenn Sie mir das überlassen wollten. – Wenn Sie so kümmerlich lebten, und so anstrengend arbeiteten, würde ich ernstlich böse mit Ihnen werden. Aber so ein Narr sind Sie nicht, ich kenne meine Leute schon Im Beck8 ist Ihr Name nicht gedacht worden. Vernachläßigen Sie doch den Müllner nicht, schreiben Sie ihm eine bestimmte Adresse vor, Sie sehen welche Unordnung es sonst giebt, und sein Sie doch nicht zu schüchtern, wenn es nöthig ist, gleich bezahlung für die Arbeiten zu bedingen, Sie verstehen ja die Kunst alles leicht und in Spas wegzumachen. Ich bitte ängstigen Sie mich doch nicht immerfort mit Ihrem kindischen Heimweh! Diesmal habe ich nun als lezte Probe ganz entschiedenes Vertrauen in Ihr Wort, und Ihre Beharrlichkeit gesezt, wenn Sie mich auch dies mal täuschen, dann sind wir, aber ganz im Ernste, für immer –– geschiedne Leute, Sie werden kein unfreundliches Gesicht von mir sehen, – Sie werden mich gar nicht sehen, es kann und darf nun einmal nicht anders sein, Sie dürfen diesen Winter nicht in Ffurt leben, Sie sagen selber daß Sie anders wo nichts entbehren als mich, und hier würde ich auch nicht für Sie sein, ich verstehe das besser als Sie, darum folgen Sie hübsch, und quälen Sie mich nicht ewig, mit Ihren Unarten, und verzogenem kindischem Wesen, da wie Sie selber sagen Ihr Fortkommen überall ist, so ist dies keine Härte von mir, sondern eine gut gemeinte und Ihnen sehr heilsamer Strenge.vii – Was schwazen Sie da wieder à la Mimle Reiz,

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»Zum 8t Sept 1821. [/] September [Blst.] Aug.« (hs. Zusätze. v. 2 Bearbb.) Vgl. Br. 38.

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von Ehe, von Heirathen, und gott weis was alles noch, ich habe Sie kein Wort verstanden, von Oper kam auch etwas vor, und da Sie so ein großer Verehrer, und noch größerer Kenner der Musik sind, so habe ich mir herausgedeutet daß Sie wünschten daß ich oft in die Oper gienge, das will ich denn auch gleich thun und die Oper Kantemira9 die heute aufgeführt wird hören, Sie sehen wie ich alle Ihre Wünsche zu erfüllen strebe, ich erwarte gleiches von Ihnen, und auch das Sie mir den leeren Raum verzeihen werden, wobei Sie üb[rigens?]viii gar nichts verlieren, ich muß eilen [… tare?] ruft. Ich schreibe Ihnen recht bal[d wie]der Adieu J. Wohl. Sein Sie nicht leichtsinnig, nicht zu bescheiden, und überlegen Sie gehörig, und schnell (was Sie doch besser verstehen als ich) wegen dem Allmanach.

40.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 11. September 1821.

Nr. 6. Stuttgart den 11 Sept. 1821.i Geliebte Köchin! Ich streiche mir den Bauch vor Behagen und der Mund wässert mir, nach Ihrem leckern Brief, den ich in einer Stunde erwarte. Was werden Sie mir schreiben? Welche neue Knospe der Liebenswürdigkeit werde ich aufbrechen sehen? Sie haben eine Genialität des Herzens, von der die Welt gar keine Vorstellung hat, Sie sind der Raphael der Freundlichkeit. Wenn Sie mir schreiben „mein lieber Freund“ oder andere solche süße Worte, dann überkömmt mich so die Dankbarkeit, daß ich mir schwöre, Sie erst nach tausend Briefen wieder zu sehen. Ja, Sie sind meine Welterschaffung, meine Erbauung Roms, meine Olimpiade, meine Christi Geburt, meine Hegira1, mein Jahr der Freiheit, ich rechne meine Zeit nur viii

Besch. Stelle.

i

Adr.: Herrn Samuel Ochs Sohn Aelterer für Madame Jeanette Wohl in Frankfurt a/m frei (Kuvert).

9

Cantemire (1819), Oper von Friedrich Fesca (1789–1826) (vgl. Br. 35).

1

Hegira oder Hijrah, Mohammeds Flucht von Medina nach Mekka 622 n. Chr.

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nach den Briefen die ich Ihnen schreibe und von Ihnen erhalte. Aber sehen Sie süßer Engel wie gelehrt ich bin, mein Herz hat mehr gelernt als mein Kopf. Doch ich will nicht ungerecht seÿn. Gestern habe ich den ersten Aufsatz für meine Wage geendigt, 3 meiner Bogen aufs engste geschrieben – denken Sie, denken Sie! Wenn die Briefträgerin kömmt, werde ich ihr Ehre erzeigen, und ihr sagen: guten Morgen Mamsell! Sie Närrin machen Ihre Briefe frei, ich habe nur einen Kreuzer Botenlohn für jeden zu zahlen, und da muß ich immer lachen, wenn mir beifällt, daß mich das langweiligste Buch mehrere Gulden kostet, und einer Ihrer Briefe nicht mehr als einen Kreuzer! Wenn Sie nicht aufhören Ihre Briefe zu frankiren, schwöre ich Ihnen daß ich der Briefträgerin jedesmal 3 Batzen schenken, und also Ihre Absicht mir Geld zu sparen doch vereiteln werde. – In Müllners Literatur Blatt2 steht die Rezension von Hohenlohe abgedruckt,3 die Sie schon im Manusscripte gelesen. Was sagen die Leute zu meiner unerschöpflichen Thätigkeit? Die Thoren, sie dachten wohl der Löwe sei gestorben, weil er nicht brüllte! – Gestern Abend sah ich die Diebische Elster von Rossini. Wird diese Oper in Frankfurt nicht gegeben? Wahrhaftig sie ist schön, trotz der Ouvertüre worin ärger getrommelt wird als bei der Frankfurter Thorsperre.4 – Habe ich Ihnen schon erzählt, daß ich ein sehr sauberer Mensch geworden bin? Schon sechs mal habe ich mich hier gebadet. Ich sehe aber auch aus, über und über, man könnte Billiardkugeln aus mir drehen. – Liebes Kind, was macht mir meine Wäsche für Kummer, und wie unglücklich ist man doch, wenn man keine Frau hat! Nie habe ich meine Wäsche selbst besorgt, und jezt muß ich sie bei der Ablieferung zuzählen und aufschreiben, und beim Empfange nachzählen, daß ich roth werde und glaube die Musen kichern zu hören. Und was man mich prellen wird! 9 Halstücher 1 Paar Strümpfe und 4 Hemden, haben mich 1 fl. 27 kr. zu wäschen gekostet, jedes Hemd 12 Kreuzer. Ist das nicht zuviel? Nein, geheirathet wird, und das Bald. Ich habe es Ihnen vorhergesagt, kommen Sie mir nicht hinten drein. – – – Da ist Ihr Kreuzerbrief! Zuerst bitte ich Sie, die Oblate mit

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Vgl. Br. 25. Materia medica in: Literatur-Blatt, Nr. 72 v. 7. September 1821. – Bs Artikel behandelt Alexander Prinz zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (1794–1849), seit 1821 Domkapitular in Bamberg, der mit seinen sog. Wunderheilungen großes Aufsehen erregte. Vor dem Schleifen der alten Befestigungsanlagen um 1800 wurde die abendliche Schließung der Stadttore mit Trommelschlag angekündigt.

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der Sie siegeln so anzubringen, daß beim Aufmachen, keins Ihrer kostbaren Worte verlohren geht. Nun weiter. Sie können sich darauf verlassen, daß ich ohne die reiflichste Ueberlegung aller Vortheile und Nachtheile nicht nach Paris gehen, und daß ich auf jeden Fall alle meine Gründe und Berechnungen zuvor Ihnen mittheilen werde. Paris scheint für meine Schriftstellerart und Geistesbeschaffenheit geeignet zu seÿn. Die schöpferische Kraft, die sich den Stoff selbst bildet fehlt mir, ich muß einen Stoff vorfinden, und dann kann ich ihn wohl mit einigem Talente bearbeiten. Oder um nicht ungerecht gegen mich zu seÿn, ich könnte wohl auch etwas was noch nicht da ist, aus mir hervorrufen, ich habe aber keine Theilnahme für Geschöpfe der Einbildungskraft, mich regt nur an, was schon lebendig, ausser mir besteht. Ich bin zu Deutsch, zu philosophisch, zu Empfindungsvoll, und so gäbe mir Paris ausser den Stoff, auch die erforderliche Leichtfertigkeit im Denken und Schreiben. Zum Beispiel ich schriebe mit Ernst und Fleiß auch nur die Wage, ich wüßte wahrhaftig nicht mit den besten Vorsätzen zur Ausdauer, wie ich sie in Deutschland im Gange erhalten könnte. Theater? Litteratur? Sitten? Alles Carricatur, nichts großes, nichts mannichfaltiges, selbst im schlechten und lächerlichen. Und soll man immer tadeln, immer spotten? Das ermüdet den Schriftsteller wie den Leser. Und gar die Politik? Man gewinnt in Deutschland keine richtige und klare Ansicht. Selbst ich, der doch besser bin wie viele Andere, bin doch nur ein Metaphÿsiker in der Politik, den ein Franzose auslachen würde. Der Aufenthalt in Paris ist auch meiner Gemüthsart gesund. Weil ich so sehr leidenschaftlich und reizbar bin, muß ich in einer Welt leben, die noch reizbarer und leidenschaftlicher ist als ich. Dieses Gewimmel von allen Seiten hält mich im Gleichgewicht. Wenn es recht lärmt und tobt um mich her, dann bin ich am ruhigsten. Wenn ich in Deutschland lebe, lebe ich nur in Deutschland, und das nicht einmal, ich lebe in Stuttgart, in München, in Berlin. Bin ich aber in Paris, so bin ich in ganz Europa. Dort fühlt man eigentlich erst, daß man keine festgewurzelte Pflanze ist, sondern daß man Beine hat. Glauben Sie nicht etwa, daß mich Paris in der Art lockt, wie es andere zerstreuungssüchtige Menschen anzieht; ich habe nie stiller eingezogner und sittsamer gelebt als dort. Mich fesselt jenes tolle Leben, wie schöne Gegenden den Landschaftsmaler, weil er sie mit künstlerischem Auge auffasst. Das ist übrigens nur eine Theorie, die meinen Entschluß nicht leiten soll. Ich werde bei allem was ich thue mit Zahlen rechnen. – Liebes Kind, Ihr gutes Herz hat Ihnen den Plan mit St. vorgespiegelt, der aber in der Art wie Sie ihn entworfen gar nicht auszuführen ist. Sie wissen,

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daß ich bei Rothschild wenig gelte. Ich habe Sie zwar selbst auf seine Verwendung für St. aufmerksam gemacht, allein dabei sezte ich voraus, daß ich selbst in Paris sei, Zeit habe mich bei ihm zu insinuirenii, ihm nach und nach St. Verhältnisse und Brauchbarkeit beizubringen, und durch Berger auf ihn einzuwirken. Allein von hier aus an Berger zu schreiben, würde durchaus nicht helfen. Ihm eine Anstellung auf einem Büreau zu schaffen, dieses habe ich selbst schon als das zweckmäßigste und ausführbarste geachtet. Es giebt dort einträgliche Büreaustellen in tausend Arten, nicht blos für den Staatsdienst, sondern für Privatunternehmungen, Zeitungen, Intelligenzanstalten, Buchhändler, Tontinen5 u. s. w. wo ein Ausländer, der fremden Sprache wegen, um so leichter ankömmt. Wenn St. ein spekulativer Kopf ist, so kann er sogar als selbstständiger Handelsmann in Paris Glück machen. Kein regelmäßiger Handel wird eigentlich dort nicht getrieben, darum wissen die Leute dort oft nicht, wie sie ihr Geld verwenden sollen, darum spekuliren sieiii. Es ist kein Plan so abentheurlich, zu dem man nicht, Theilnehmer und Geldunterstützungen fände. Wenn St. nur vor der Hand sein Auskommen in Paris fände, würde ich ihm rathen gleich hinzugehen, Gelegenheit sich zu verbessern findet sich dann leicht. – Sie schreiben mir ein Wort bei Gelegenheit des Lotterielooses, das ich nicht lesen kann. – Liebes Kind, ich kann Ihnen kein Morgenblatt schicken, besonders da Cotta nicht hier ist. – Ich kann mir denken wie langweilig Weils Rezension der Albaneserin ist,6 er heißt nicht ohne Ursache Weil und ist lang. Sie wollen sich lustig machen über mein Schreiben, Sie Lump? Wie wird Rath, wie Scham, wie Judenpack geschrieben? He? – Ich merke meine 50 fl. bekomme ich nicht, ich werde mich zu trösten wissen. – An Müllner werde ich antworten, und für den Bogen 5 Karolin fordern. Ist das genug? Auch werde ich ihm rathen, dem Cotta vorzuschlagen, daß er das Litteraturblatt vermehre und wöchentlich vier Blätter herausgebe, [in]iv welchem

ii iii iv

5

6

Orig.: insiniren. Orig.: ist. Orig.: ich. Eine frühe Form der Rentenversicherung, benannt nach dem italienischen Bankier Lorenzo de Tonti (um 1602–1684). Jakob Weil (1792–1864), Pädagoge u. Publizist, war von 1814–1819 Lehrer am Philanthropin in Frankfurt, auch Mitarbeiter der Iris, in der die Rez. v. Müllners Albaneserin erschien.

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Falle ich mich dann zur regelmäßigen Theilname verpflichten wollte. – Sie sind aber nicht ein bischen gescheid, das kömmt daher, wenn man nicht boshaft ist, wie andere Weiber! Warum haben Sie dem Sichel7 nicht zugewinkt, bei Ihnen abzusteigen? Das hätte schöne Szenen gegeben mit seiner Frau. Wahrscheinlich ist er zu Speÿer gefahren.8 Warum sind Sie nicht mit aller Ihrer Liebenswürdigkeit hinter ihm her zur Speÿer? Sie hätten die beiden eiteln Närrinnen mit einer Pille vergiftet. – Wer hat sich den Almanach aus Carlsruhe ang[e]eignet? Wer anders als Sie Vielfraß. Ich will meinen Almanach wieder haben, ich will wenigstens den Begleitungsbrief haben, damit ich mich bei Braun9 bedanken kann. Sie sollen den Almanach durchaus nicht behalten, schicken Sie ihn durch meine Schwester. Sie äussern so große Aengstlichgkeit über meine mögliche Tollheit zurückzukehren, daß es mich beleidigt. – Sie sind rein verrückt mit Ihrem Almanachsplan, der noch in diesem Jahre zur Ausführung kommen soll. Wissen Sie daß jeder Almanach schon 4 Monate vor Neujahr, fertig gedruckt seÿn muß, um Abgang zu finden, und daß daher die Buchhändler ein ganzes Jahr vorher, schon alles Manuscript fordern? Heute erhalten Sie wahrscheinlich nur 2 Seiten, ich bin gestört worden, ich will auch sagen durch Wen. Die Angelegenheiten der hiesigen Juden sind jezt bei den Ständen zur Verhandlung gekommen. Eine aus Juden des ganzen Landes bestehende Kommission beschäftigt sich der Regierung Gutachten mitzutheilen. Man fordert meinen Rath, und hat mich durch Kaula auf heute Abend zu einer Conferenz einladen lassen.10 Ein Rabbiner der auch von der Commission ist, sagt mir Caula, hätte so viel gutes von mir gehört und hielt so viel auf mich. Vielleicht läßt sich dabei etwas verdienen. Es sind zwar im ganzen Lande nur 8000 Juden, die werden nicht viel blechen können. Die Juden sollen aber geprellt werden so viel wie möglich. Kann nicht mehr als nur noch diese Seite herunter. Es ist schon Mittag. Daß ich nicht schon gestern dem Brief angefangen beweißt Ihnen daß ich fleißig war. – Reis könnte Ihnen 7 8 9 10

Vgl. Br. 13. Vgl. Br. 35. Gottlieb Braun (vgl. Br. 39). Nathan Wolff Kaulla (1784–1838), Vertreter der jüdischen Gemeinden, wurde 1820/ 21 mit anderen Glaubensgenossen beratend zur Ausarbeitung eines Gesetzes in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen hinzugezogen, das 1828 in Kraft trat, die bürgerliche Gleichstellung der Juden allerdings nur teilweise verwirklichen konnte. An der gemeinschaftlichen Kommission von Regierung und Abgeordnetenkammer wirkten Vertreter der Kirchen und der Judengemeinden mit.

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wohl auf den Abend das Morgenblatt aus der Harmonie mitbringen. Ich hätte nicht geglaubt, daß Jemand was Schönes an meinem Berichte finden würde. Ich habe viel Glück, nur nicht mit Ihnen. Auf Chonje11 darf ich doch nach Frankfurt kommen? – Grüßen Sie alles von mir. Dieses gilt ein für Allemal. Ich bete Sie an, dieses gilt nur für jezt. – Die Mehlspeisen die es hier giebt! Dürfte ich nur davon sprechen, ohne Sie zu beleidigen! Adieu Frau Doktor Börne. Ihr Louis.

41.

An L udw i g Bö r n e i n [ S tu t tg art ] . [Frankfurt], den 14. September 1821.

Freitag 14 Septemberi Sie beschämen mich durch Ihre allzugroße Dankbarkeit für meine unbedeutende Briefe, Sie nehmen wie ich sehe mit dem Willen vorlieb, und das ist auch alles, das es herzlich gut gemeint ist. Doch – ich merke, Sie sind schlau, Sie wollen mich bestechen, fangen, durch süße Worte durch die Last der Dankbarkeit, und durch die ungeheure Waschausgabe! lezteres meinen Sie müßte am stärcksten auf mich wirken, und [mich]ii aus aller Faßung bringen, aber weit gefehlt, das rührt mich nicht so sehr als Sie meinen, – eine Frau nehmen um seine Wäsche nicht besorgen zudürfen, – das klingt possirlich! ich rathe Ihnen dafür bei Ihren Hausleuten anzufragen, ob die nicht das Ausbessern und waschen Ihres Geräths übernehmen, oder besorgen lassen wollen, da kämen Sie besser und billiger dabei weg. – Wegen St. haben Sie mich ganz mißverstanden, ich wollte nicht daß Sie bei Roth: sich verwenden sollten, im Gegentheil würde ich das für schädlich halten, sondern daß Sie nur am Berger sich wenden, den, ich bin es überzeugt es freuen würde, Ihnen einen Dienst leisten zu können, der Berger müßte es als eine eigene Angelegenheit betrachten, und nur sich Roth: Einfluß dabei zu nutze i

ii

11

O. Adr. – hs. Zus. e. Bearb.: »1821.« – Orig: Freitag 14 September [v. e. Bearb. durchgestr.] Sept. [Bearb.: üdZ] Aug [Bearb.: üdZ]. Ausgelassenes Wort. Chonje = Chanukka: jüdisches Lichterfest im Dezember zur Erinnerung an die Tempelweihe des Makkabäers Juda. Symbolische Erinnerung an das Lichtwunder im Heiligtum, als der Ölvorrat für acht Tage reichte.

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machen, er ist jezt, und bleibt auch lange Zeit in Paris, sein Sie nicht träge und schreiben Sie ihm. – Wenn Sie auch meinen Almanachplan verrückt nennen, so laß ich mich doch nicht irre machen, Ihre Briefe müßen gedruckt werden, und Ihnen wenigstens f 1000 einbringen, hören Sie mich nur an! Ich habe alles geschriebene was ich von Ihnen habe, aufmerksam durchgelesen, habe auch Thümels Reiseroman1 durchgeblättert, und nicht nur ich, auch die Rosette, und der Reis, und alle haben den Ausspruch gethan, daß Ihre Briefe weit schöner und auch weit mehr gefallen würden, besonders sind die erste 5 Rheinbriefe reich an Inhalt, ich will nun alles abschreiben, und auf kurzem Bogen die Hälfte der Seite leer lassen, Sie können dann entweder aus der Erinnerung, oder auch erfundenes dazusetzen, oder wenn Sie im Augenblick nicht dazu gelaunt sind, die Briefe unter irgendeiner Benennung, wie „Streifzüge am Rhein, oder wie Sie sonst wollen, und dann die einzelne Sachen, als „Auszüge aus einem Tagebuch“ herausgeben – in jedem Fall würde das Büchlein, an Inhalt und Bogenzahl, doch so bedeutend werden, als dem Polsdorf seine kleine Reise, die Sie kennen, und die Ihnen gefallen hat, wen Sie noch etwas Zeit darauf verwenden wollten, so könnten Sie ja einstweilen nur 1 Wagheft drucken laßen, glückt Ihnen dieser Versuch, woran ich gar nicht zweifle, so könnten Sie in Zukunft in dieser Form fortarbeiten, die Ihnen doch so leicht ist, und die Leute werden sagen „das ist ein würdiger Nachfolger Thümels“ – Der hat aber Bände geschrieben!! Die kann ich nicht umblasen mein lieber Freund! Jezt wäre nur noch eine kleine Schwierigkeit, nehmlich das ich noch am leben bin! Sagen Sie, müßen denn die Leute nicht todt sein, von denen man Briefe drucken will die sie bei ihrem Leben erhalten haben? Die Guste2 zu der ich mich darüber äußerte, sagte, „ich traue dir zu, daß du dich begraben läßt, um dem Dr B. einige hundert Gulden zu sichern, sagen Sie mir doch was Sie darüber denken, und wenn es ausführbar daß die Sachen gedruckt würden, das würde Ihnen viel Geld, und viel Beifall einbringen. Bis dahin daß Sie Geld einnehmen will ich mich als Ihren Banqieur empfehlen, Sie brauchen gar keine Umstände zu machen, und nur geradezu fodern wenn Sie Geld brauchen Sie sehen ich bin nicht leichtsinnig, und leihe nicht auf den hohlen Grund, sondern auf dem guten Unterpfand Ihres Talents, und, ganz im Ernst, Intressen, und 6 pr: noch dazu müßen Sie mir auch bezahlen, also 1

2

Moritz August v. Thümmel, Reise in die mittäglichen Provinzen Frankreichs im Jahre 1785 bis 1786, 10 Bde., Leipzig 1791–1805. Vgl. Br. 1.

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brauchen Sie mir kein gutes Wort zu geben, ich bin gerade jezt gut bei Kasse (ich schwöhre Ihnen daß ich die Wahrheit sage) und werde Ihnen, wen Sie mir es erlauben nächstens f 100 schicken, Ihr Bruder sagte als er die verlangten f 50 verweigerte „Ihr Vater käme selbst nach Stuttgart“. – Ihrer Vortrefflicht wiedersteht doch nichts, selbst einem Rabbiner zählen Sie unter Ihre Verehrer, das ist doch stark! es ist wohl möglich daß Sie den Leuten mit gutem Rath nützen können, wen diese aber nur mehr Billigkeit haben als die Hamburger und andre, und auch einsähen was Ihnen nüzt und hilft! – Was machen Sie nur für Mühe! Condolieren, heißt, nach dem Dictionnaire, faire ses complimens de condoléance; Es soll mich freuen wen ich falsch prophezeit und Ihnen zum großen Loose gratuliren kann. Dr Weil3 läßt Sie aufs flehentlichste bitten seinen Aufsatz im allernächsten Wagheft einzurücken „er habe seine Ursache dazu, wenn Sie das nicht wollen so schicken Sie die Geschichte zurück. Der Kirchner4 hat Ihnen zugeschickt „Lahn und Maingegenden v. Gerning5 und dabei folgendes Billet „Herr v. Gerning hat mir aufgetragen, Ihnen da er abwesend ist, dieses Buch zu übergeben, und Sie zu ersuchen, gelegentlich ein empfehlendes Wort zu sprechen“. – – Was stehe ich aus mit Ihnen!! Den Almanach würde ich Ihnen gerne schicken eben so den Gerning, ich meine aber Sie wären beide das Postgeld nicht werth. Wenn Sie mir meinen Willen thun, und mich zu Ihrem Banquier annehmen, werde ich auch meine Briefe nicht mehr frei machen, Sie wißen wir Frauenzimmer sind nun einmal eigensinnig und eitel, und erst wenn Sie nachgeben, dann will ich Ihnen auch gehorchen, dann sollen Sie erst hören, was ich Ihnen vieleiii gute Worte gebe, für schöne Sachen sage „mein lieber Freund“ das ist Kinderspiel dagegen, Sie sollen sich wundern! für Ihre Wäsche zahlen Sie wirklich zu viel, aufiv Ihren nächsten Brief bin ich nun wieder sehr gespannt, was Sie über meine projektirte Rheinreise, die aus Ihrer Feder geflossen, iii iv

3 4

5

Orig. davor: für. Orig. davor: hier zahlt für. Jakob Weil (vgl. Br. 40). Anton Kirchner (1779–1834), ev. Pfarrer, Frankfurter Schulreformer, Stadthistoriker, freisinniger Journalist u. Vorsteher der literarischen Klasse der Museumsgesellschaft (seit 1817). Johann Isaac Frh. v. Gerning (1767–1837), Bundestagsbevollmächtigter HessenHomburgs, Verfasser v. Reiseberichten (u. a. Die Lahn- und Main-Gegenden, von Embs bis Frankfurt antiquarisch und historisch. Wiesbaden 1821).

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denken. Sie wißen daß es dummer Leute Art ist, daß wenn sie sich etwas in den Kopf gesezt es gar nicht heraus zu reden ist, ich lebe, und sterbe nun darauf, die Briefe müßen gedruckt werden, und Sie ein reicher und berühmter Mann dadurch werden, und wenn Sie nicht einwilligen, so lasse ich sie auf meine eigenen Kosten drucken, sie sind ja doch mein Eigenthum, und hat man denv Nachdruck zu vertheitigen gesucht, so werde ich doch gewiß mit meinem Unternehmen, das doch eine weit löblichere Absicht hat, Gnade vor Ihren Augen finden, noch einmal antworten Sie mir vernünftig hierüber. Auch wie es bei der Conferenz Ihrer ehmaligen Glaubensgenoßen hergegangen erzählen Sie mir. Alle lassen Sie aufs freundlichste grüßen. Dem Sichel geht es fortwährend gut. Adieu mein lieber Herr Doktor, grüßen Sie Ihren Freund Louis, unter uns, ich glaube er ist ein bischen Schode.6 J. Wohl.

42.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Stuttgart, den 13., 14. u. 15. September 1821.

Nr. 7 Stuttgart den 13. Sept. 1821.i Wir wollen ein bischen plaudern, liebe Kamerädin. Sie haben Müllner’s Briefchen gelesen. Machen wir uns nicht wechselseitig sehr artige Complimente? Ich hatte ihm geschrieben, in Bezug auf die sanfte Weise mit der er von der Wage gesprochen: „Milde war immer die Beglaubigung der Kraft“ Und er schrieb mir, ich gäbe einen neuen Beweis „daß ein geistreicher und gewandter Gegner der beste ist“. Wie es in den Wald hienein schallt, so schallt es heraus. Ich liebe, liebe, liebe Dich . . still! Aber Sie sind auch kein Wald, sondern ein Blumengarten. Die Antwort auf Müllners Anfrage wegen des Honorars liegt noch vor mir. Ich forderte 5 Carolin1 für den Bogen. v

Orig. davor: doch.

i

O. Adr.

6

Schote, Schaute (jidd.) = Tölpel.

1

In Süddeutschland gehandelte Goldmünze, deren Realwert sich im 18. Jh. auf etwa 11 Gulden belief.

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War es recht so, Tochter Israels? Das sind meine Worte: „Ich weiß, daß dieses mehr ist als gewöhnlich bezahlt wird, und daß meine Arbeiten nicht so viel Werth sind. Ich schreibe aber sehr langsam. Sie würden Mitleid mit mir haben, wenn Sie wüßten wie schwehr mir alles fällt, ja sogar wenn ich witzig bin, bin ich es, gegen alle Psÿchologie, im Schweise meines Angesichts.“ Wir wollen sehen was er antwortet. Auch habe ich ihm vorgeschlagen, Cotta zu bewegen, daß er das Lit. Bl. um einige Blätter wöchentlich vermehre. – – Lesen Sie die Postzeitung vom 9 September, was unter dem Artikel Bremen von den Griechen erzählt wird.2 Es giebt nichts rührenderes, das hat mich in der tiefsten Seele erschüttert. Lesen Sie es ja. – Ich schrieb Ihnen von dem hiesigen Judenvorstande der sich mit mir berathen wollte. Am bezeichneten Tage führte man mich zum Haupte der Vorsteher, der Pfeifer heißt, und Vater desjenigen Pfeifers ist, dessen Frau dem Dr. Reis so sehr gefiel. Der alte Pfeifer lebt in Weigersheim, ist jezt blos wegen der jüdischen Angelegenheiten in Stuttgart, und wohnt im Hause seines Sohnes.3 Als wir kaum von unserer Sache zu sprechen angefangen hatten, geht die Thüre auf, und die junge Frau, die eben von ihrer Reise zurückgekommen war, tritt ins Zimmer. Ich hatte mir schon, sobald Sie mir von ihr geschrieben, vorgenommen, sie nach allen Regeln der Kriegskunst zu belagern, und ich eröffnete sogleich den Feldzug. Ich stellte mich ganz verblendet und betäubt, und spielte so gut, daß ich wirklich nichts sah noch hörte, und nicht urtheilen kann, ob sie wirklich so schön ist als auch hier die Leute sagen. Um die Familie[n]scene des Willkommens nicht zu stören ging ich gleich fort, und wußte mich so geschickt zu betragen, daß ich im vorbeitaumeln das Lieblingskind der Mutter umwarf, welches heftig weinte. Ich dächte der Anfang war gut. Armes Dorchen! (So heißt sie) 21 Jahre, einen vierzig jährigen Wittwer, Stiefmutter, sechs Wochen auf der hohen Schule der Bäder, und meine Augen! Armes Dorchen, arme Jeanette! Wenn Sie meinen es sei besser nicht nach Paris zu gehen, so will ich hier bleiben, ich folge Ihnen in Allem. – 14 Sept. Gestern Mittag komme ich zu Tische, sizt da, der Dr. wie auch Rath Zimmern. Er kömmt von Karlsruhe und hat sich dort taufen las-

2

3

Der Art. Bremen, vom 4. September berichtet aus dem Tagbuch eines braunschweigischen Offiziers über den Freiheitskampf der Griechen gegen die Türkei (in: Frankfurter Ober-Post-Amts-Zeitung, Nr. 252 v. 9. September 1821). Ezechiel Pfeiffer (1766–1827), württemberg. Hofagent u. Vorsteher der Weikersheimer Gemeinde, u. Marx (Mordechai) Pf. (1786–1842), Hofagent u. Abgesandter zur Gemeinschaftlichen Kommission (vgl. Br. 37).

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sen.4 Aber der Mensch kann auch gar nicht fertig werden davon zu sprechen, er meint ganz Europa würde erstaunen. Was sie in Heidelberg, Frankfurt, Hanau nur dazu sagen werden! Dieses zu erfahren brennt er vor Begierde. Seine Eltern waren damit einverstanden. Er will den Winter in Hanau bleiben. Kömmt der Narr gestern zu Kaula, die er früher gar nicht kannte, und wo er nur an die Tochter einen Brief abzugeben hatte, kömmt hin, und sagt gleich beim Hereintreten ins Zimmer ganz ernsthaft: ich muß Sie preveniren, daß ich getauft bin, Sie könnten es vielleicht hinter her erfahren . . . Ich habe etwas die Honneurs machen und ihn gestern herumführen müssen, und er hat mich ziemlich ennuirt. Er sagte mir die Briefe der V. in der Wage5 hätten seinem Vater gut gefallen, und als ich ihm bemerkte, in Frankfurt hätte man sie langweilig gefunden, sagte er: ja die wollen immer Witz haben! Das war auf mich gestichelt. Denken Sie nur, das Spottgedicht auf mich und Müllner Die Zauberflöte, das im Freimüthigen stand, ist von Robert.6 Er hat Zimmern schon vor einigen Monaten die darin dargestellte Idee mitgetheilt. Die Dr. Neustädtel in Hanau,7 schrieb man hierher, fiele dort ihrem Manne alle Augenblicke um den Hals, und küsse ihn, darüber spottet man, und man schilt die Heuchlei. Eine Frau die mich nicht leiden könnte, hätte aber für mich etwas pikantes, die könnte ich zu Tode ärgern. Aber eine Frau die ihren Mann liebt und nicht liebenswürdig ist, das ist schrecklich. – Unter den Büchern die ich Ihnen zurückgelassen, ist auch eine Sammlung Operntexte. Wenn Ihnen an der Vollständigkeit der Sammlung etwas liegt, so lassen Sie sich von Aloÿs Schmidt, diejenigen zurückgeben, die ich ihm geliehen habe. Es sind die Mozartschen Opern. – Vor einigen Tagen lernte ich einen gewissen Weisser8 kennen, einen bekannten Dichter. Wir sprachen von Göthe und den falschen Wanderjahren.9 Er nickte mir Beifall zu und war sehr aufmerksam. Ich, geschmeichelt, gerathe in Feuer, und rede eine ganze halbe Stunde, über und gegen Göthe. Er gab mir in allem Recht. Endlich merke ich, daß er stocktaub ist, er hatte mich kein Wort verstanden. – Ein Frankfurter Dichter Na4

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Sigmund Wilhelm Zimmern wurde im Mai 1821 zum ghzgl. badischen Geheimrat ernannt, im September konvertierte er zum lutherischen Glauben (vgl. Br. 10). Rahel Varnhagens Briefe in: Wage (1821), 2. Bd., 5. H. Justus Larve (Pseud.), Duett aus der Zauberflöte in: Der Freimüthige für Deutschland. Zeitblatt der Belehrung und Aufheiterung, Nr. 98 v. 19. Juni 1821 (vgl. Br. 39). Regine N., geb. Zimmern (vgl. Br. 37). Friedrich Christoph Weisser (1761–1836), Dichter u. Oberfinanzrat in Stuttgart. Vgl. Br. 31.

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mens Distling10 hat mir gestern ein Gedicht zugeschickt, das soll ich in das Morgenblatt befördern.11 So bin ich schon durch mehrere unnützen Briefen belästigt worden. – 15. Sept. Samstag. Sei mir gegrüßt, heiliger Sabbath, der Du mir Ruhe und Freude bringst! Segne nur immer zu, in einer Stunde geht meine Sonne auf. Wenn der Brief kömmt, General der Engel, dann wird geklingelt, wie bei der Lotterieziehung vor einem großen Loose. Nicht wahr, unser Briefwechsel geht wie am Schnürchen? Aber diese Ordnung ängstigt mich Ihrentwillen. Wenn auch Ihr Brief einmal am bestimmten Tage ausbliebe, so würde ich darum nicht besorgt seÿn. Höchstens würde ich denken, Sie hätten Verdruß, weil irgend einem armen Teufel in Lappland der Finger weh thut. Aber ich bin keine so gute Seele, das wissen Sie, und wenn ich einmal zur gewöhnlichen Zeit nicht schreibe, möchten Sie denken ich sei krank, oder es wäre mir sonst etwas Unangenehmes begegnet. Seien Sie nicht gleich so unruhig, wer kann denn alle Hindernisse vorausberechnen. Aber bei der eingeführten Ordnung, daß am Tage wo wir einen Brief empfangen, auch sogleich die Antwort wieder abgeht, wollen wir beharren. Ueberraschung ist schön, aber Gewißheit ist schöner Wenn Sie keinen bestimmten Tag einhielten, wenn ich täglich Briefe von Ihnen bekommen könnte, so würde mich das zu unruhig machen, und mich am Arbeiten hindern. Sie Thörin haben mich gar nicht verstanden. Ich sprach von 52 Briefen, die ich abwesend bleiben wollteii, und Sie dachten ich zählte blos meine Briefe. Ich rechne aber die Ihrigen und die Meinigen zusammen. Das ist eine lange Zeit, denn es kommen 5 Tage auf jeden Brief. Uebrigens wenn ich von Rückkehr spreche, so meine ich Frankfurt nicht. Will ich mir das Wiedersehen recht schön ausmalen, dann denke ich an einen dritten Ort wo wir zusammenkommen. Gewinne ich aber in der Lotterie, so gilt alles nichts, es wird dann eine ganz neue Einrichtung getroffen. – Ein schon früher angekündigtes Buch von Görres: Europa und die Revolution, ist, so viel ich merke vor einiger Zeit erschienen12, es wird aber geheim gehalten, und ich konnte nichts Gewisses darüber erfahren. Sagen Sie doch dem Dr. Reis, er soll sich bei Eichenberg13 darnach erkundigen. – ii

10 11 12 13

Orig.: wollten. Johann Gerhard Distling (1767–1846). Lebensklugheit in: Morgenblatt, Nr. 254 v. 23. Oktober 1821. Joseph Görres, Europa und die Revolution (1821). Philipp Wilhelm Eichenberg (1763–1834), Frankfurter Buchhändler.

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O weh, o weh! Die Stunde der Post ist vorüber und ich habe keinen Brief. Hat also wirklich ein Lappländer etwas Kopfweh? Ach, mein schöner Feÿertag! Ich mache Ihnen aber keine Vorwürfe, Sie sind nur zu gut gegen mich. Sie haben mich verwöhnt. Doch nein, Rache, fürchterliche Rache! Der Himmel selbst hat sie mir zugeschickt. Da besucht mich so eben ein jüdischer Hofmeister,14 der mich zu seinem Mäcen erkohren hat, und bringt mir Gedichte. Die sollen Sie mir alle herunterwürgen. Kein Erbarmen Eÿ, räthst Du’s nicht? 1) „Flapsens Kopf ist seicht“ Heißt es allgemein. „Sollte das gegründet seÿn? Er urtheilt doch so leicht“ Eben drum: eÿ, räthst Du’s nicht? Weil er von allem spricht. 2) Ein einzig Mal des Jahres lügt Malin, 3.) Trautmann wird gehasst, Und doch schilt alle Welt den Lügner ihn. verfolgt sogar „Wie geht das zu“? Eÿ, räthst Du’s nicht? Von Vielen. Ist das wahr? Ist sein Wandel doch nicht schlecht, Er lügt alles was er spricht Stets lebt er bieder, fromm, gerecht Offen und human. Einen solchen Mann zu hassen, Nein, bei Gott! Ich kanns nicht fassen. Warum also? Sag an! Eÿ, Du Unschuld! Räthst Du’s nicht? Weil er stets die Wahrheit spricht 4) „Welch’ eine Gans ist Galathee“! 5) „O wie böß ist [Camasin]!“ Zischt’s in jeder Assemblee Heißt’s bei Jederman von ihr. Von Mund zu Mund von Ohr zu Ohr Das scheint Verläumdung mir, Bedauernd den, der sie erkohr. Ist sie freundlich doch, zeigt Mitleidssinn. Sonderbar! Scheint sie doch nicht dumm, Ist höflich auch: also? Nach Mien’ und Blick: also warum? Eÿ räthst Du’s nicht? Eÿ räthst Du’s nicht? Weil sie von jedem spricht Weil sie gar nicht spricht?

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Karl Weil (1806–1878), liberaler Publizist u. Hauslehrer der Familie Kaulla in Stuttgart, setzte sich für die bürgerliche Gleichstellung der Juden ein.

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6) Ein herrlich Weib ist Adelgunde. 7) „Ach, Du quälst mich mit Gedichten Das Muster aller Frauen. Trautester sag’ mir doch an, Kann seÿn; doch mit welchem Grunde Willst Du mich denn ganz Soll ich diesem Urtheil trauen? vernichten? Wer kennt sie? Im ganzen Stadt-Revier Sprich, was hab’ ich Dir Weiß ja keine Seele was von ihr“ gethan?“ Eben drum! Auch dieses muß ich Dir Eÿ Heuchlerin Du räthst es nicht, Erst commentiren? Eÿ räthst Du’s nicht? Ist kein Gedächtnis Dir? geblieben? Weil Niemand von ihr spricht Das ist Gottes Strafgericht, Weil Du mir heute nicht geschrieben. Schmeckt’s Liebchen? Nr. 7 ist von mir. Er wollte die Gedichte wieder einstecken, da sagte ich ihm, ich schriebe so eben einer Freundin, die solche Gedichte sehr liebe, ich wollte sie ihr mittheilen. Der Baacher15 ward Feuer roth vor Vergnügen, und ganz taumelnd. Er sagte mir, er wisse recht gut, daß er als Hofmeister nicht an seinem Plaze sei. – Die schönsten Sachen könnte ich Ihnen noch schreiben, aber jezt schreibe ich alles der Madame Speÿer,16 Sie bekommen kein Wort mehr von mir. Es ist abscheulich! Wie bin ich so vergnügt aufgestanden! Adieu bößer Mensch. Dr. Börne, geb. Speÿer.

43.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 16. September 1821.

Nr. 8. Stuttgart. Sonntag 16. Sept. 1821.i Vielleicht bin ich heute glücklicher als gestern, un[d] ein Brief kömmt. Ich sollte wohl auch nur keinen jüdischen Feÿertag halten, welches sich nicht mehr ziemt für mich, und darum wurde ich in meiner Erwartung betrogen. Aber wie haben Ihnen die Verse gefallen? Mir haben sie erstaunlich viel Freude gemacht. Es war ein Glück, daß ich betrübt war, sonst wäre es i

15 16

Adr.: An Herrn Samuel Ochs Sohn Aelterer für Madame Jeanette Wohl in Frankfurt a/m frei (Kuvert). Bacher (jidd.): junger Mann, Junggeselle, Talmudschüler. Vgl. Br. 35.

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mir nicht möglich gewesen das Lachen zurückzuhalten. Ich habe den Baacher aufgemuntert, fortzudichten . . . . Kling, kling, kling! Da ist er. Guten Morgen Herr Brief. Lassen Sie sich einmal ansehen, wie groß Sie sind. Nur 4 Seiten, der Teufel soll sie holen. Wo sind Sie wieder den ganzen Tag herumgelaufen? Geschäfte gehabt, in die Oper gegangen? Doch ich will Ihnen antworten, daß Sie mir aus den Augen kommen. Ich habe es Ihnen gesagt, ich habe das Meinige gethan. Jezt lachen Sie, hinter her werden Sie weinen. Ich kann meine Wäsche nicht selbst besorgen. Noch 4 Wochen warte ich. Ueberlegen Sie was Sie thun. Ein Sperling in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dache, und bin ich auch keine Taube, so bin ich doch ein Tauber. – Ich habe Sie wegen St. nicht misverstanden, ich habe es nicht anders gemeint als daß an Berger zu schreiben sei, und eben dieses habe ich für zwecklos gehalten. Berger erzeigt mir wohl ein Gefallen, allein dieses ist mehr als das. An Rothschild oder sonst seine Bekannten in Paris wird ihm mehr gelegen seÿn als an mir. Wie sollte er für einen Mann wie St. den er gar nicht kennt, oder für mich, mit dem er doch eigentlich wenig umgegangen ist, die Verantwortlichkeit übernehmen die immer mit Dienstempfehlungen verbunden sind? Es geht nicht. Können Sie glauben, daß ich zu träge wäre einen Brief zu schreiben, wo das Glück eines Menschen davon abhängt? Allein dieses wäre nicht allein vergebens, sondern sogar schädlich, weil bei einer unausbleiblichen abschlägigen Antwort, mir die Gelegenheit genommen würde, später wenn ich etwa nach Paris käme, die Sache in Anregung zu bringen. Hier habe ich mich wegen einer Stelle schon umgesehen, aber bis jezt ohne Erfolg. – Sie sind wie alle verrückten Leute, Sie lassen sich von Ihrer fixen Idee mit dem Almanach nicht abbringen. Liebes Weib, wovon willst Du leben nach meinem Tode? Du hast Dich bei mir an Glanz und Fülle gewöhnt, und es wird Dir schwer fallen, Dich wieder einzuschränken. Ich habe gedacht meine Briefe und andere zu hinterlassende Schriften, sollten Dir einst ein Standesmäßiges Auskommen verschaffen. Aber ich erkenne Deine böße Gesinnung, Du bist willens Dich zum drittenmale zu verheirathen, und darum liegt Dir nichts daran, wenn ich jezt schon meine Briefe drucken lasse . . Der Einfall der Guste ist herrlich, und ich küsse sie dafür: Sie würden sich begraben lassen, um mir ein Paar Hundert Gulden zu verschaffen. O sterben Sie. Sind Sie tod, dann bin ich auch versorgt, dann brauche ich kein Geld mehr. Wenn Sie glauben, die kleinen Sachen, die Sie von mir besitzen, wären des Druckens werth, so lassen Sie dieselben immerhin auf die angegebene Art abschreiben, auch die Pariser Briefe. Dann müssen Sie aber ja nicht vergessen, mir Schreibers Rhein-

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buch1 (das ich Ihnen zurückgelassen) mitzuschicken. Vielleicht läßt sich aus diesen und neuen Kleinigkeiten, ein „kleines Neujahrgebinde“ zusammenstellen. Aber wie wenig wird das einbringen! – Jezt habe ich noch Geld, aber wenn der Monat vorüber ist, und ich meinen Tisch, Logis, Aufwartung etc bezahlt haben werde, wird nichts übrig bleiben. Ich schreibe Ihnen dann. Früher schicken Sie mir nichts. Daß ich Sie doch immer ausplündern muß! Wenn auch mein Vater herkömmt, ich fordere kein Geld von ihm, lieber wollte ich Hunger sterben. – Aus meinem gestrigen Briefe werden Sie ersehen haben, daß ich mit den hiesigen Juden, wegen ihrer Angelegenheit noch nicht recht zur Sprache gekommen, ich weiß also noch nicht, ob etwas zu verdienen seÿn wird. – Kömmt denn meine Schwester2 nicht hierher? Geben Sie ihr den Almanach und Gernings Buch3 mit, damit ich sie rezensiren kann. Schicken Sie aber die Bücher nicht in mein elterliches Haus, ohne der Abreise meiner Schwester gewiß zu seÿn, sonst werden sie dort behalten. Auf jeden Fall aber machen Sie Papier darüber und meine Adresse darauf – Sind meine Bücher noch nicht aus meinem Logis geräumt? Ich habe von meinem Bruder4 noch keine Antwort erhalten. Mein ältester Bruder5 hat mir schon 2 Mal geschrieben, wegen einer Nachfrage in einer Prozesssache die ich hier halten sollte. Jeder Brief hat volle 3 Zeilen, und es hieß immer, ich solle ihm „umgehend“ antworten. – Ob ich des Weil’s Aufsatz werde drucken lassen, weiß ich noch nicht. Auf jede Weise nur im Falle der Noth. Das Ding ist langweilig, ob zwar sonst nicht schlecht. – Ich lebe sehr einförmig. Die Lesegesellschaft besuche ich viel. Die Anstalt ist vortrefflich; alle mögliche Zeitungen, Journale und Bücher. Leztere könnten mir zu Rezensionen dienen, man darf aber nichts mit nach Hause nehmen. Das habe ich doch in Frankfurt nicht gehabt, ja das wenige von Journalen, was sich in der Harmonie befand konnte ich nicht benutzen, weil die […]ii so lärmten, daß es mir nicht möglich war mit Aufmerksamkeit zu lesen. Hier hört man unter hundert Menschen kein leises ii

Geschw. Passage.

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Aloys Wilhelm Schreiber, Handbuch für Reisende am Rhein von Schaffhausen bis Holland (1816); bis 1841 in 5 Aufllagen erschienen. Amalie Spiro (vgl. Br. 39). Vgl. Br. 41. Philipp Jakob Baruch (vgl. Br. 2). Simon Jakob Baruch modo Börne (vgl. Br. 20).

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Wörtchen. Die vielen Journale die ich durchlaufe, geben mir eine bessere Einsicht in politischen Dingen als ich vorher hatte. Alle Tage geht in meinem Kopfe ein Licht mehr auf, wie an einem Chanjeeisen.6 Ach, wie dumm sind die deutschen politischen Schriftsteller, mit den französischen verglichen! Wenn ich nur nicht so schrecklich unwissend wäre, mehr von Geschichte, Statistik, Staatsrecht wüßte, ich wollte den Leuten zeigen, wie man Politik schreiben muß. Zum Glücke habe ich einen Instinkt wie ein Vieh, der mich das Gehörige auffinden läßt. Ich schreibe oft über Dinge die ich gar nicht verstehe, wie im magnetischen Schlafe. Ist die Sache fertig, und ich überlese sie im wachenden Zustande, begreife ich gar nicht, wie ich dazu gekommen bin. Aber die übrigen politischen Schriftsteller, die keine Nachtwandler sind, bleiben immer auf ebener Erde, und wollen sie sich einmal erheben, purzeln sie herab. – Eine wunderbare magnetische Geschichte, die sich vor einigen Jahren hier ereignet hat, und von einem Dr. Römer beschrieben worden ist,7 bin ich im Begriffe zu rezensiren.8 Ich habe schon viel Dummes in der Art gelesen, aber das übertrifft Alles. Das junge Mädchen macht in den Mond, die Juno und andere Sterne, lange Reisen, und erzählt sie. Darüber ein dickes Buch. In der Juno ist es prächtig, aber im Monde hat es ihr nicht gefallen. Da schreit sie immer: Wau, wau, hu hu! Ich will mich gehörig darüber lustig machen. – Ich habe hier empfunden wie es dem Murhard9 zu Muthe ist. Ueberall lausche ich, ob es nichts neues giebt, um es Ihnen zu schreiben. Aber es ist ein gar kleiner, stiller Ort. Sie müssen sich begnügen. – Wenn ich die Iris10 regelmäßig bekommen könnte, wenn mir jemand über die neuen Stücke die in Frankfurt gegeben werden, über die Merkwürdigkeiten der Messe, ausführlichen Bericht erstattete, wäre ich im Stande einen Artikel für das Morgenblatt zu schreiben. Darauf kömmt jezt alles an, daß ich so viel wie möglich für Cotta arbeite, 6 7

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Chonje-Eisen (jidd.): Chanukka-Leuchter. C. Römer, Ausführliche historische Darstellung einer höchst merkwürdigen Somnambule, nebst dem Versuche einer philosophischen Würdigung des Magnetismus (1821). Die angekündigte Rezension kam nicht zustande. Das von Johann Caspar Lavaters Magnetismus-Lehre abgleitete Experimentieren war eine populäre Modeerscheinung um 1800. Insbesondere bei Nervenleiden oder Schlafstörungen wurden Patienten mit Hypnose und Magnetisieren behandelt. Vgl. Br. 25. Iris. Unterhaltungsblatt für Kunst, Literatur und Poesie (1816–1829), Beil. der Zeitung der freien Stadt Frankfurt. B verfaßte zw. 1817 u. 1827 mehrere Artikel, darunter auch seine Denkrede auf Jean Paul (Nr. 241 v. 4. Dezember 1825).

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damit ich im Nothfalle schicklicher Weise Geld von ihm fordern kann. Ich habe noch so wenig von meiner Schuld abgearbeitet – Könnten Sie nicht einmal an einem schönen Tage, nach Neu-Isenburg gehen? Ich käme dann hin und wir sprächen ein bischen mit einander. Lassen Sie sich diesen Winter keine neue Kleider machen? Doch für wen sollten Sie sich putzen? Bleiben Sie noch lange im Garten? Das Wetter hier ist jezt meistenstheils schlecht. – Die Kaula’s hier, die Herrn, sind alle Fromm. Der Eine der einen Orden hat, reist neulich mit noch einem Juden, im Oesterreichischen, und kehrt zum Mittagessen in eine jüdische Garküche ein. Es wird gut aufgetischt, unter andern auch Knackwurst. Sagt mein Kaula leise zu seinem Reisegesellschafter: „Hört e mal ehe, die Worst komme mer verdächtig vor, die sinn user nit kauscher11!“ Darauf theilt er seinen Verdacht dem jüdischen Wirth mit. Dieser schlägt die Hände über den Kopf zusammen. „Schma Jesruel, weil Se trage ein Orde, hab’ ich gemant Se wäre e Guhj,12 un hab’ im Wirthshaus treife Esse fer Sie hole lasse. Schma Jesruel, exkusire Sie mich!“ Meine Juden haben sich müssen kaschern13 lassen. – Als ich hierher kam, dachte ich die Pest müsste in der Stadt seÿn, denn das 10te Frauenzimmer wenigstens, ging in Trauer. Später erfuhr ich, das sei eine Modeeitelkeit. Weil schwarz gut kleide, trauerten hier die Mädchen und Weiber, um den entferntesten Verwandten. – Diesesmal bekommen Sie zwei Tage hinter einander, Briefe von mir. Und über die gefährliche 7 wäre ich auch hienaus. Freuen Sie sich. Jezt habe ich noch 18 Briefe zu schreiben, – dann komme ich. – Wenn Sie meine Rheinbriefe u. andere Sachen abschreiben, dürfen Sie die Stellen die sie betreffen, wie auch sonstige die sich zum Drucke nicht eignen, dennoch nicht auslassen. Denn solche geben mir Erinnerungen an Situationen und Gefühlen, die ich bei der Ausarbeitung benutzen kann. – Sagen Sie mir, um wie viel Uhr erhalten Sie meine Briefe? Die Post wird in Frankfurt gegen 10 Uhr ausgegeben, da Sie aber im Garten wohnen, geht wohl eine längere Zeit darauf. Oder lassen Sie sie holen? Ich kann mir nicht denken, daß Sie Geduld haben bis Mittag, wenn die Lehne das Essen bringt. Das wäre schrecklich. Dadurch würde auch die Zeit zu kurz, noch am nehmlichen Tage zu antworten, wie es sich gebührte. Ich, erhalte Ihre Briefe um 9 Uhr. Mittwoch fängt die Lotterieziehung an. Wenn ich gewinne verliere ich den Verstand, und fange meinen 11 12 13

Jidd. = koscher. Guhj oder Goj (jidd.) = Nichtjude. Kaschern (hebr.): gründliche rituelle Reinigung der Wohnung zu Pessach.

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Brief mit folgenden Worten an: Wau wau! Hu hu! Ich küsse Dich süßer Häringskopf. Wau, wau! Hu hu! Dr. Lump, geb. Lumpin.

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An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . [Frankfurt], den 19. September 1821.

Mittwoch 19 Septemberi Ich will Ihre beide Briefe Wörtlich beantworten, weil ich vielerlei zu schwatzen habe, und sonst eines über das andre vergeße. Ueber Müllners schmeichelhafte Wendungen habe ich herzlich lachen müßen, und gleich dabei am Mohr und Papageno gedacht, wenn nur bei den vielen Artigkeiten etwas reeles herauskömmt, und er Ihre Vorderung bewilligt, haben Sie ihm denn auch bemerkt, daß Sie nicht lang auf Rechnung arbeiten können? Die Postzeitung1 vom 9 Sept: habe ich gelesen, Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie mir fortwährend interressante Zeitungstellen bemerkten, ich […]ii errieth den Inhalt schon vorher, an den großen Eindruck den er auf Sie gemacht. Sie sind auf eine sehr angenehme weise in Ihren trokenen Berathschlagungen unterbrochen worden, ja wenn man vom sehen und hören leben könnte! Aber nicht einmal gesehen haben Sie die schöne Frau! Und doch sind Sie so hübsch folgsam und wollen nicht nach Paris reisen? Ei ei, ich merke wo das hinaus will, das hat aber alles nichts zu sagen, sein Sie nur immer hübsch fleißig, so bleiben wir vor wie nach gute Freunde. Aber was Sie für Einbildung auf Ihre Augen haben! Sie närrischer eitler Mensch, wer hat Ihnen denn das eingeredet daß Ihre Augen gefährlich, oder auch nur schön wären, ziehen Sie vielleicht Ihren Spiegel jezt mehr zu rathe, und hat der es Ihnen gesagt? Ha, ich verstehe!! Zimmern hat sich also endlich taufen lassen, auch gut, je mehr, je besser, seine Schwester Regine und Neustädtel haben mir leztere Tage, in einem artigen Schreiben Ihre i

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O. J. – Jg. »1821« (hs. Zus. e. Bearb.). – Adr: Herrn Dr Börne logirt Charlottenstraße bei Herrn Fosetta in Stuttgart (Kuvert). Durchgestr. Pass. Frankfurter Ober-Post-Amts-Zeitung.

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Verbindung angezeigt, sie würden bald nach Ffurt kommen heißt es darin. Ich habe meine rechte Schadenfreude daran, daß Sie tauben Ohren gepredigt haben, nehmlich dem Dichter Weise,2 so gehts den Geizigen, habe ich nicht immer um ein hübsches drukenswerthes Wort betteln müßen? Geschieht Ihnen ganz recht! Wie ich an Ihrem liebenswürdigen Hofmeister und Dichter,3 und Dichter [Distling?],4 und Gott weiß wer noch alles, sehe, sind Sie dort eben so gut als hier mit überlästigen Autoren geplagt, von rechts wegen müßten Sie von dort weglaufen, um den unerträglichen Manuscripte los zu werden, wie hier, das sieht Ihnen ganz ähnlich, vor allem aber verschonen Sie mich, mit solche poetische Blumenkränzeiii, meine prosaische Bekannte machen mir genug zu schaffen, ich kann der Hebraischen Poeten wie der Poesie ganz entbehren, und nun noch Ihre 7te Strophe, die böse 7, läßt nicht von Art, Sie haben sie nun einmal als Sÿmbol aller Tollheit und Narrenstreiche auserwählt. – Den Reis werde ich wegen dem Buche fragen, und Ihnen darüber antworten. Wäre es nicht besser wenn ich Ihnen jede Woche nur einmal schriebe? Das heißt nicht weniger, aber nur einmal abschiken, und auf einen bestimmten Tag, weil das öftere Brief erhalten, und auch die Erwartung darauf, Sie im Arbeiten stört, bestimmen Sie, wie ich es einrichten soll. – Thun Sie daß mein Freund, schreiben Sie nur alles der Madame Sp: ich bin gewiß Sie verlieren nichts dabei, in jeden Fall wird sie Ihnen mehr Neues, und unterhaltender schreiben, als ich es je im Stande sein werde. Ganz im Ernste thut es mir oft leid, daß ich nicht die Fähigkeit habe, schön das heißt liebenswürdig zu schreiben, Ihre Briefe sind es, und Sie armer Mensch müßen nun, statt einer Belohnung, mit meinen unschönen, Briefen vorlieb nehmen, hätte Ihnen das Glück nicht günstiger sein sollen, und statt mir eine M. oder Julie Saling5 zuführen können! Sagen Sie mir keine Schmeicheleien das würde ich übel nehmen, denn es thut mir im ernste leid, daß Sie bei unsrem Brieftausche so viel geben, und so wenig erhalten. Ihre Schwester ist schon lang fort, iii

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Orig.: solchen poetischen Blumenkränze. Friedrich Christoph Weisser (vgl. Br. 42). Vermutl. Karl Weil. Vgl. Br. 42. Helene Luise Mariane Saling oder Saaling (1786–1868), von B häufig nur mit ‘M.’ oder ‘M. S.’ bezeichnet u. Julie S. (1788–1863), verh. Heyse, waren Töchter des kgl.preuß. Hofjuweliers Jakob Salomon (1735–1788) und verkehrten in den Berliner und Wiener Salons. Mariane gehörte dem Freundeskreis Rachel Varnhagens an.

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muß also nicht über Stuttgart gegangen sein. Ochs, haben gestern zu Ihrem Bruder geschikt, wegen ausräumen, am besten wäre Sie schrieben ihm noch einmal, Sie müßen auch eine Einrichtung treffen, wo künftig Bücher, Briefe an Sie etc. hingeschikt werden soll, das giebt ja sonst Unordnung. Sie können mir das nicht ausreden, es würde in jeden Fall nicht schaden wenn Sie dem Berger schrieben, was wäre denn dabei zu verlieren im schlimmsten Falle blieb es beim alten und man hat dann das Mögliche gethan. Sagen Sie mir entschieden ob Sie durchaus nicht wollen, dann muß ich mich an jemand anders wenden, der dem Berger schreibt, was ich zwahr sehr ungerne thue. Sie sind ein gar wunderlicher Mensch. Das ist nun freilich etwas altes. Während Sie hier waren, waren Sie nicht zu bewegen Monatberichte zu schreiben, jezt da es Ihnen an allem Material fehlt, wollen Sie in Stuttgart Ffurter Berichte schreiben, Wenn man nicht so oft über Sie lachen müßte, würde man nicht auff hören können sich über Sie zu ärgern, ich kann nichts in dieser Angelegenheit für Sie thun, könnten Sie sich nicht am Weil6 wenden, der macht sich wahrscheinlich eine Ehre daraus Sie in litterarische Angelegenheiten aufs eifrigste zu unterstützen. Das Morgenblatt wird ja allenthalben gelesen, werden denn keine Berichte über Stuttgart darin aufgenommen? Da hätten Sie ja leichtes Spiel viel für C. zu arbeiten. Wissen Sie denn noch nicht wenn Cotta zurückkommen wird? Auch für die Nekar Zeitung, scheinen Sie keine Arbeit übernommen zu haben. Wie stehts denn mit Ihrer Wage? Haben Sie viel gearbeitet? Und bis wann wird sie gedrukt sein? Schreiben Sie nichts über das dortige Theater? Das „kleine Neujahrgebinde“ wird reichhaltiger werden als Sie glauben, ich habe ohngefähr berechnet, daß wenn Sie auch wenig hinzufügen, doch sechs gedruckte Bogen herauskommen, wie hoch können Sie die wohl anrechnen? Ich meine es sei besser wenn ich die Briefe so abschreibe, daß waß nicht gedruckt werden kann gleich wegbleibt, und Sie nur noch auf der leeren Seite manches hinzufügen könnten, sonst müßen Sie ja von neuem abschreiben, was Ihnen doch viele Mühe und Zeitverlust verursacht. Der Reis hat schon früher gesagt, als Neujahrgebinde, würde es besonders sehr gesucht werden. Wollen Sie daß erst alles abgeschrieben wird, und dann zusammen mit dem „Rheinbuche, auf den Postwagen geschickt wird, und ob man da und

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Jakob Weil (vgl. Br. 40).

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wie viel Werth angeben muß, und wie bald Sie es haben müßen, und ob die Briefe an einen Freund, oder Freundin gerichtet werden (es befällt mich doch ein bischen Angst bei der Sache) Sie haben mir auch noch nicht gehörig geantwortet, ob die Briefe schiklich gedrukt werden können weil ich noch lebe, obschon es niemand zu wißen braucht daß sie an mich gerichtet waren,iv freilich wirds mancher sagen, was meinen Sie über alle diese wichtige Fragen? Sie wißen ja schon lange daß man viel Gedult mit mir haben muß, und an Ihre gelassene artige Briefe sehe ich, daß die Ihrige Gottlob noch lange nicht erschöpft ist. Sein Sie doch nur nicht so gewissenhaft mit dem Cotta. Ich bin überzeugt daß Sie weit mehr an diese Geldschuld denken, als er selbst, sehen Sie nur daß Sie Arbeit bekommen die bald bezahlt wird. Ich wills Ihnen nur gestehen, ich war Närrin genug, schon einigemale um 9 in die Stadt zu gehen wegen Ihre Briefe, die Lene blieb mir zu lange aus, und da verlor ich die Gedult, aber am nämlichen Tage kann ich doch nicht immer antworten, bis ich wieder nach hause komme ist Mittag, und gleich nach Tische kömmt mehreremal die Woche Besuch wie Sie wißen. Sie sehen mein Herr daß man außer für’s Eßen auch für andre Dinge Sinn haben kann, auch kann ich Sie versichern daß Ihre Briefe weit besser sind als mein Eßen, denn das ist über alle Masen schlecht, ich beneide Sie ordentlich um Ihre gute Mehlspeisen und andre Vortrefflichkeiten, ich bekomme die gute Briefe, und sie haben das schöne Eßen, Ach wer ist wohl der Beneidenswerthe von uns?! Das Wetter ist hier auch schlecht, wir ziehen bald in die Stadt, ich bin auch schon mit meiner Einrichtung beschäftigt, das wird glänzend werden. Laßen Sie sich nur nicht davon locken, ich denke es wird noch einfacher, bei mir aussehen, als selbst bei Ihnen, wenn Sie aber nach einem Jahre kommen mich zu besuchen, laß ich hübsch aufputzen, aber so lange müßen Sie noch wegbleiben, denn ich will mir erst alles einzeln Stück für Stück anschaffen, und da geht noch so ein zwölf Monate drauf.v Gott, soll ich mich denn wirklich entschließen, alle das dumme Zeug auf die Post zu iv v

2 durchgestr., korr. Passage. Komplizierter Satz mit Streichungen – Orig.: Das Wetter ist hier auch schlecht, wir ziehen bald in die Stadt, ich bin auch schon mit meiner Einrichtug beschäftigt, das wird glänzend werden. laßen Sie sich nur nicht davon locken, ich denke es wird noch einfacher, das heißt mehr bei mir aussehen, als selbst bei Ihnen, wen Sie aber nach einem Jahre komen mich zu besuchen, laß ich hübsch aufputzen, ud wen ich mir die kostbarste Möbeln aber so lange müßen Sie noch wegbleiben, den ich will mir erst alles einzeln Stück für Stück anschaffen, ud da geht noch so ein zwölf Monate drauf.

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schiken! Wenn einer meine Briefe lese wie würde der sich wundern über die dumme gelehrte Frau, aber Sie sind an allem Schuld, ich soll viel schreiben, und habe leider wenig Verstand, was kann dabei heraus kommen? Wie Sie sehen nichts gescheidtes. Wegen Geldangelegenheiten, beobachten Sie dieselbe Form wie bei der andern Angelegenheit, nehmlich daß waß Sie darüber zu besprechen, auf einem besondern Zettelchen beischlagen, verspäten Sie sich nur nicht, damit Sie in keine Verlegenheit kommen, und schreiben Sie mir nächstens, auf welche weise ich es Ihnen schicken soll. Sie plündern mich gar nicht, wie schon gesagt, ich bin sehr gut bei Kasse, dies zu Ihrer Beruhigung. Leben Sie wohl. J. Wohl.

45.

An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Stuttgart, den 20. u. 21. September 1821.

Nr. 9 Stuttgart d. 20 Sept. 1821.i Es ist erschrecklich was man für Mühe hat, Ihnen etwas begreiflich zu machen! Die Hälfte von 52 macht 26. Von 26, 9 abgezogen bleiben 17. Also nach 17 Briefen, oder in 6 Wochen komme ich nach Frankfurt. Punktum, Streusand drauf. Wer weiß, ob nicht früher. Die Würtembergische Armee ist heute ausgezogen und wird acht Tage lang große Manövres halten. Wenn das Wetter gut bleibt, laufe ich ihr nach, erstrecke meine Wandrung bis Heilbronn, welches 8 Stunden von hier ist, und auf dem Wege nach Frankfurt liegt, und wenn Sie mich dann nicht anziehen, sind Sie wahrhaftig ein rostiger Magnet. Gestern Abend habe ich eine Visitenkarte von Cotta vorgefunden, also er ist wieder hier, ich werde ihn heute besuchen. – Auf meine Schwester hätte ich lang warten können. Gestern sagt mir eine Frau sie habe einen Brief von München bekommen, worin man ihr schreibt, daß meine Schwester wieder dort angekommen sei. Wie bekomme ich jezt meine Sachen hierher, besonders meine Bücher die ich sehr nöthig brauche? Nicht einmal geantwortet hat mir mein Bruder, es ist abscheuliches Volk! Mein Vater kömmt bestimmt auch nicht, denn der Mann mit dem er Geschäfte hier hat, ist jezt in Frankfurt. – Vorgestern war

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O. Adr.

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ich zu einem großen Thee bei der Kaula eingeladen. An Herrn Stadtdirektoren, Oberzahlmeistern des Königs, Hrn. v. Schwarz, schönen Weibern, guten Wein, hat es dort zwar nicht gefehlt, aber an Unterhaltung ziemlich. Die Frau Pfeifer1 ist gar nicht so schön als man mir erzählt, sie gefällt mir nicht, und da mir daher nichts daran liegt sie zu erobern, war ich sehr freundlich und artig gegen sie. – Gefällt Ihnen die hier herrschende Sitte, daß man verheirathete Frauen, und wären sie noch so jung und schön, auf öffentlichen Bällen nicht zum Tanze auffordert? Ich schließe daraus, daß es hier schwer ist ein Mädchen an den Mann zu bringen, und sich darum die Mütter des Tanzens enthalten, um die Berührungen ihrer Töchter mit Herrn nicht noch seltener zu machen. Darunter muß nun alles leiden was eine Haube trägt. Ich habe auf dem lezten Casinoball bemerkt, daß die Frau Pfeifer die doch erst 20 Jahre alt ist sizen blieb. Ich neckte sie damit, und sie lachte. An öffentlichen Lustbarkeiten ist hier kein Mangel, Winters und Sommers geht kein Tag leer aus. Vier mal in der Woche, Theater, einmal Konzert, ein Mal Damenunterhaltung im Museum. Leztere besteht in einem Thée Dansant der nur bis 10 Uhr dauert. Es ist dabei die artige Einrichtung getroffen, daß größere und kleinere Zirkel an besondern Tischen Thee trinken, wozu die Wirthin ihre Bekannten einladet, gleich wie im Hause. Alle einige Wochen ist großer Ball. Das Theater wird von Männern und Frauen unausgesezt besucht, was mir schon lästig war, denn an Theater=Abenden findet man niemand zu Hause, und ich weiß dann nicht was ich thun soll. – Ihren Briefen habe ich eine Equipage angeschafft, sie fahren überall herum. Was sagen Sie dazu? – Also auch heute keinen Brief! Und ich hätte schon gestern einen haben sollen. Daß Sie wüßten wie mir zu Muthe ist, wenn ich einen Briefbogen vornehme, zu schreiben anfange, und mich darauf freue, daß ich bald werde unterbrochen werden, und fünf Minuten nach fünf Minuten gehen vorüber und es kömmt nichts. Es ist gar zu traurig. Ich habe meinen Kopf hingelegt um meine Ungeduld zu verschlafen, aber ich wurde nicht aufgeweckt. Anfänglich waren Sie fleißiger. Haben Sie keine Zeit für Ihren Freund, keinen Stoff? Schreiben Sie mir das Abc, daß ich mich nur überzeuge, daß Sie wohl sind und an mich denken. Auf zwei Briefe sind Sie noch Antwort schuldig. Das ist nun wieder ein trüber Tag mehr. – 21. Sept. Es soll alles vergeben und vergessen seÿn, wenn heute einer kömmt. Cotta reist wieder, auf seine Güter, wird aber bald zu-

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Vgl. Br. 37.

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rückkommen. Ich habe ihn nur in Gegenwart von Andern gesprochen. Er fragte mich ob ich keine Lust hätte das hiesige Theater im Morgenblatte zu kritisiren. Das habe ich aber aus dem Stegreife abgeschlagen. Soll ich mir neue Feinde machen? Von neuen Stücken zuweilen zu reden, erbot ich mich; daran schien ihm aber nicht viel gelegen. – Mein Freund Robert aus Carlsruhe will hierherkommen. Er hat mein Hierseÿn erfahren, und da hat er einen Plan ausgeheckt, mit mir und noch einem, eine Art Almanach, ich glaube einen politischen herauszugeben, und um darüber zu sprechen will er her kommen. Gehorsamer Diener! Er erzählte Jemanden, ich hätte ihm einen Brief von nur wenigen Zeilen geschrieben, aber voller Witz. (Ich hatte ihn gelobt darin.) Was nur seine Schwester, die Varnhagen sagen wird, daß ich ihr nicht geantwortet? Und die Herz? Sie sind an allem Schuld, Sie haben mich gleichgültig gegen die Welt und grob gemacht. Ich will es aber auch den Leuten erzählen. Der Robert heirathet nächstens auch.2 Hu, hu, hu!! – Auf heute Mittag bin ich eingeladen zu Milchding.3 – Ach, was sind Bücher für eine Wohlthat! Man lernt sie, wie die Gesundheit, erst schäzen wenn sie Einem fehlen. In der ersten Zeit mangelte es mir daran, jezt aber habe ich welche, und nach meinem Geschmacke. – Jezt fängt bald die trübe Zeit an zwischen Einheizen und nicht Einheizen, und wenn diese gar, wie bei mir, mit der Zeit zwischen Geld und Nicht geld zusammenfällt, so ist das noch betrübter. Aber wir haben jezt sicher schon in der Lotterie gewonnen. Gestern Donnerstag, juckte es mich stark an der Stirne, und das bedeutet immer Glück; ausser der Ehe, daß man Geld gewonnen, und in der Ehe, daß man eine Frau verlohren hat. Ich armer Schelm bin lustig wie ich merke, aber ich war es gestern auch, und habe mit Thränen geendigt. Der Lateiner sagt, Nemo Ante Obitum beatus, d. h. es ist keiner glücklich ehe die Post gekommen.4 – Kling kling kling! Ungeheuer! Erst in einem Jahre soll ich Sie besuchen? Lesen Sie nur die ersten Zeilen meines Briefes noch ein mal. Da steht es geschrieben wenn ich komme, und dabei bleibt es. Nur alle 8 Tage wollen Sie mir schreiben? Ich weiß nicht ob ich darauf eingehen soll. Was ich dabei verliehre ist klar, aber ich gewinne auch dabei. Ich gewinne daß ich nicht gleich so ängstlich werde, wenn der Brief einen Tag länger ausbleibt. Thun Sie was Sie wollen, aber machen Sie keine Regel aus der Wöchentlichkeit, und viel, recht viel. 2 3 4

Ludwig Robert heiratete 1822 Friederike Braun (1795–1832); vgl. Br. 39. Zu milchigen Speisen im Sinne der koscheren Küche eingeladen sein. »Niemand ist vor seinem Tode glücklich zu preisen.« (Herodot, Historien, I, 32).

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Sie sind wirklich nach der Stadt gegangen um meinen Brief zu holen? Sie sind und bleiben mein liebes Kind, an dem ich Wohlgefallen finde. – Nein, an Berger zu schreiben, würde von meiner Seite zu gar nichts führen, ich wüßte auch nicht, wie mich dazu anstellen. Das hieße die Täuschung die Ihnen Ihre Gutherzigkeit giebt nur hinhalten. Wenn Einer helfen könnte, so wäre es Sichel.5 An den wenden Sie sich. – Sie undankbare Tochter der Natur, Sie klagen, daß Sie nicht liebenswürdig schreiben können? Liegt nicht Ihre Seele und Ihr ganzes Herz in Ihren Briefen? Sie wünschen mir eine einäugige Julie6 an den Hals, und eine noch schlimmere Mariane, der an jeder Nervenspitze ein Auge sizt, und der, wenn der Wind ihre Blüthen abgeschüttelt haben wird, keine Wurzel bleibt um neue hervorzubringen? Bedanke mich gehorsamst. Sie sind ein gesundes deutsches Weib, das ganz für den Dr. Börne geschaffen ist, Ihr Magen ist so gut als Ihr Herz, und haben Sie auch Launen, so wird sich das schon verliehren, wenn ich Sie nur erst ein paar Male, bei Wasser und Brod werde in Ihr Zimmer eingesperrt haben. Nicht wahr meine Mehlspeisen, die behagen Ihnen? Weil wir grade von Essen sprechen – acht Tage lang, saß mir am Wirthstische ein Fremder gegenüber dessen Art zu essen, ich in einem kleinen Aufsatze geschildert habe. So ein merkwürdiger Esser ist mir noch nicht vorgekommen, ob ich zwar das Glück habe Sie zu kennen. In einigen Tagen erhalten Sie die Schildrung, sauber abgeschrieben. Sie werden das Papier nicht hinter den Spiegel stecken, wie man zu sagen pflegt. – Der Müllner muß mir 5 Carolin zahlen. Wenn er nicht will soll er es bleiben lassen. Ich schreibe durchaus nicht wohlfeiler. Eben die Schuldforderung Cotta’s hindert mich dieses ins Reine zu bringen, sonst wäre sie mir nicht lästig. Er gäbe mir bestimmt noch mehr, wäre ich nur erst frei, daß ich trotzen könnte. – Sie verstehen viel von Rechnen. Alle Briefe die Sie von mir haben, betragen noch keine drei Bogen. Thut aber nichts, ich werde dazu fügen. Schreiben Sie sie nach Gutdünken ab; es eilt aber nicht so. Schicken Sie mir die Papiere erst, wenn alles fertig ist, und bei dieser Gelegenheit auch diejenigen meiner Bücher die ich nöthig brauche, und die ich noch näher bezeichne[n] werde. Seien Sie nur ganz ruhig, es soll Niemand erfahren noch merken, daß die Briefe an Sie gerichtet waren. Ich werde sie nennen: Briefe an ein dummes Frauenzimmer.“ Eigentlich erscheinen Sie ja erst nach Ihrem Tode; denn mit Ihrer Aengstlichkeit sind Sie ganz wie verrückt, und die Tollen werden im bür5 6

Bernhard Juda Sichel (vgl. Br. 13). Aufgrund einer Pockeninfektion hatte Julie Saling ein Auge verloren.

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gerlichen Leben als Tod angesehen. So viel sage ich Ihnen vorher, und ich versichere Sie dessen auf Ehre, daß in den Rheinbriefen, der ganze Streit beschrieben wird, den ich mit Ihnen gehabt auf unserer Reise. Die Leser sollen urtheilen wer Recht hatte. – Wenn Sie Ihre neue Wohnung bezogen haben werden, muß mir der Samuel,7 eine illuminirte Zeichnung von Ihrer Stube, mit Tischen Stühlen Sopha und allem was im Zimmer ist, verfertigen, damit ich als guter Christ lerne wie es im Himmel aussieht. – Es ist aber recht schlecht von den Ochsen, daß sie mir noch gar nicht geschrieben haben. Sagen Sie ihnen das. Schöne Freundschaft! – Für die Wage, beschäftigt mich noch immer die Uebersetzung eines großen französischen Aufsatzes, dann kömmt sie in den Druck. – Ich habe Cotta sehr gebeten mir gelegentlich ein französisches Werk zum Uebersezen zu geben. Anmerkungen dazu. Das würde mir wirklich viele Freude machen. Ich lasse das Buch in Schweineleder binden, und schicke [es] Ihnen. Dann können Sie blasen wie der Nordwind, daß Sie aussehen wie die Posaunenengel in der Kirche – es fällt doch nicht um. Wie will ich lachen! – O Wonne meines Lebens, was entdecke ich! Forderung haben Sie mit einem [pf ]ii geschrieben: [Pf ]orderung. Juchei! Das ist mir lieber wie zehn Gulden. Also: 1. Rath. 2. Schahm. 3. Juden[b]ack. 4. [Pf ]orderung. Ich will eine Erzählung daraus machen. „Auf meiner Reise nach Stuttgart brach ein [Rath]iii an meinem Wagen, so daß ich mich einen ganzen Tag länger aufhalten mußte. Darüber kam ich mit meinem Gelde zu kurz. Ich ging zu mehrern Juden um eine kleine Summe zu borgen, aber das Juden[b]ackiv blieb taub. Nur Einer bot mir 10 Louisd’or auf 8 Tage, gegen 20 Gulden Interessen an. „Elender Jude, sagte ich ihm, welche eine [Pf ]orderung! Habt Ihr Leute denn gar keine Scha[h]m?“ „Gut erzählt? Sie sehen doch, Spötterin, daß meine Augen gefährlich werden können. Hätte ich ohne Sie Ihren [V]ehler ge[v]unden? – Sehen Sie den Sichel nicht? Sagen Sie ihm oder lassen Sie ihm sagen, daß ich ihn herzlich grüße. Wenn ich wüßte, daß er nicht mehr wässerig wäre, ließ ich mich mit ihm in einen Briefwechsel ein. – Milchding ist ein bös Ding, aber ich habe es einmal versprochen zu kommen und

ii iii iv

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Geschw. Passage. Geschw. Wort. Geschw. Buchst. Samuel Ochs, vgl. Br. 29.

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es ist Zeit, daß ich mich anziehe. Adieu Du Ra[th]v meines Lebens, die Du es in Bewegung setzest; Du bist schöner als die Schahmröthe der Unschuld; das Juden[b]ackvi kann stolz seÿn daß Du eine Jüdin bist; Du erfüllst alle [Pf ]orderungen meiner Einbildungskraft. Dr. Börne

46.

An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. Frankfurt, den 24. September 1821.

Montag 24 September.i Cotta ist wieder in Stuttgart, und statt darauf bedacht zu sein seine Gegenwart zu benutzen, treiben Sie Ihre Kindereien mit kommen, und laufen, vor wie nach. Es ist traurig daß Sie nie sich bessern werden, und nicht wenig betrübt es mich meine Hoffnungen auf Ihre verändertem und stätere Sinnesart immer von neuem wieder getäuscht zu sehen. Ich weiß recht gut daß Sie kein Freund von ernster Unterhaltung sind, besonders wenn der Ernst, sich auf Geld bezieht, dennoch müßen Sie mich geduldig anhören. Sie müßen durchaus darauf bedacht sein, sich ein sicheres Auskommen zu verschaffen. Auf Ihren Vater1 können Sie gar nicht rechnen, wie Sie schon lange wissen, und wie ich mich immer mehr überzeuge. Gestern war Dr Goldschmidt2 zu Besuche bei mir, es war die Rede von Ihnen und über das Verhältnis zu Ihrem Vater, und da habe ich wieder von neuem den herzlichsten Aerger gehabt. Kurz, ganz im Ernste gesprochen, wenn Sie sich meine Freundschaft erhalten wollen, so handeln Sie endlich einmal wie ein Mann, und beweisen Sie mir, daß Ihnen für meine Zufriedenheit keine Kraftanstrengung zu groß, und keine Mühe zu schwehr fällt. Das erbärmliche Verhältnis, in das v vi

Geschw. Buchstaben, üdZ: d. Gestr., üdZ: p.

i

O. O., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt« (Br.k.). – Adr.: Herrn Dr Börne logirt Charlottenstraße bei Herrn Fosetta in Stuttgart. (Kuvert)

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Vgl. Br. 13. Vgl. Br. 10.

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Sie zu Ihrem Vater stehen, daß Sie immer doch in Fälle gerathen, wo sie um einen Bettel, sich zu Bitten und Vorstellungen herablassen müßen, erniedrigt Sie, und geholfen wird Ihnen von dieser Seite doch nicht. Sein Sie mir nur nicht böse, daß ich schon wieder in dem ernsten predigt Tone verfalle, und glauben Sie nur immer das ich es herzlich gut meine, und daß, wenn ich nicht ein richtiges Maas, und Vertrauen in dem was Sie zu leisten vermögen setzte, ich Sie gewiß nicht mit Vorstellungen dieser Art betrüben würde. Hören Sie nur meine Meinung, folgen Sie mir das einemal noch, Sieii werden sehen, das es gut geht. In keinen Fall gehen Sie von dort weg, ehe Sie alles versucht, alles aufgeboten haben was Sieiii zu einem nützlichen Zwecke führeniv könnte. Was wolle Sie denn hier machen? Sie wißen ja daß Sie noch nicht einmal in der Lesegesellschaft aufgenommen sind. Schöne Aussichten zu einem avancement! Es wundern sich viele daß Sie sich nicht um eine Anstellung im Würtembergischen bemühten, das wäre ein ehrenvoller und thätiger Wirkun[g]skreis für Sie, ganz angemeßen Ihren Fähigkeiten und Ihrer Sinnesart. Oder wenn es auf eine rechtliche weise geschehen kann, warum reden Sie nicht mit dem Cotta, wegen der übernamev der Annalen,3 das wäre ein sehr bedeutendes Einkommen, und einen Gehülfen zur Erleichterung der Arbeit könnten Sie schon um ein weniges finden. Dr Rheinganum4 sagte gestern „für f 100 Jährlich hätte ich gerne den größten Theil der Arbeit vom Dr Börne übernommen“. Der Cotta kann ja als Vorwand gebrauchen, daß er das Blatt lieber in Stuttgart ii iii iv v

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4

Orig. davor: und. ÜdZ. Orig. davor: Sie. Orig.: übernahme. Die von Cotta hg. Allgemeinen politischen Annalen wurden von Lindner u. kurzfristig auch von Heinrich Heine (1827) redigiert. Eine Anfrage Cottas (1820), ob er die Leitung des Blatts übernehmen wolle, hatte B ausgeschlagen. Dr. Maximilian Reinganum (1798–1878), Frankfurter Kommunalpolitiker und Jurist, enger Freund Bs und JWs. R. war ein Opfer der Rücknahme der den Juden in der napoleonischen Zeit gewährten Gleichstellung durch den Frankfurter Senat 1816. Nachdem R. 1821 zum Protestantismus konvertierte, wurde er als Rechtsanwalt zugelassen. Der demokratisch-freisinnige Anwalt kämpfte viele Jahre lang im Stadtparlament für die Emanzipation der Juden. Er war Rechtsberater der Rothschilds und vertrat auch Bs Interessen. R. besorgte eine Ausgabe von Bs Gesammelten Schriften in 12 Bde., die 1862 bei Rütten & Löning erschien. Sie enthält eine Biographie seines Freundes: Aus Börne’s Leben.

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und unter seinem Augen redig[i]ren lasse, Sie könnten sich ja vor der Hand dazu verstehen dort zu bleiben, oder übernehmen Sie sonst ein Blatt mit einem jährlichen fixen Gehalt, da könnten Sie ja auch von Ihrer ungeheuern f 700 Schuld jährlich einiges abgehen lassen. Nur darauf lassen Sie sich nicht ein, daß Sie zwei Wag=Bände für f 2000 schreiben. Das wäre ja nach Ihrer gewissenhaften Bearbeitung eine ungeheure Anstrengung. Der Einfall mit einem politischen Almanach ist sehr gut, aber Sie thun wohl daran sich mit niemand in Gesellschaft einzulassen, das wäre also erst eine Spekulation auf anderthalb Jahr hinaus, das ist freilich lang, und nicht gut drauf warten, dann könnten Sie es aber am besten allein ausführen. Wir sind in voller Arbeit mit dem abschreiben Ihrer Rhein und Pariser Briefe, da Sie es meinem Gutdünken überlassen haben, so habe ich zusammenhängende Auszüge daraus gemacht, die Sie nun freilich ergänzen müßen, was ich ausgelaßen hätten Sie aber auch schwehrlich benutzen können, und Erinnerungen hätte es Ihnen gar nicht gegeben. Sie werden sehen das alles mit großem Beifall aufgenommen werden wird, ich bin überzeugt, daß sie Ihnen beim Durchlesen selbst gefallen werden. Wenn wir gute Freunde bleiben sollen, dann erzählen Sie unsern Rheinischen=Zank nicht, ich weiß daß Sie es nicht im Ernste thun wollen, aber ich kann schon solchen Spas nicht vertragen, und es ist gar nicht fein daß Sie Ihre Freude daran finden mich zu necken und zu ängstigen, und Recht behalte ich doch, das kann mir ganz Europa und Ihr liebes Publikum nicht streitig machen. Ihr Vater5 war diese Woche schon mehremale bei Murhart6 die Tante hat ihn gesehen. Die Ochs sagten daß er bis den 30 dieses nach Stuttgart gienge, da habe ich die zwei Bücher von [Gerning]7 und Braun,8 versiegelt hinschiken lassen, Ihre Mutter9 will es besorgen, sollte Ihr Vater nicht nach Stutt: gehen, so besorge ich Ihnen alle Bücher mit den abgeschriebenen Briefen zusammen auf den Postwagen, Sie müßen mir nächstens auch genau sagen was Sie alles zu haben wünschen. Bis anfangs Oktober erhalten Sie die ganze wichtige Sendung. In welchem Format werden Sie es druken lassen? Nur so keine eng gedrukte Bogen wie in der Wage, da kömmt wenig 5 6 7 8 9

Vgl. Br. 13. Vgl. Br. 25. Vgl. Br. 41. Gottlieb Braun, Rheinblüten, Taschenbuch auf das Jahr 1822. Vgl. Br. 10.

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dabei heraus, obschon ich doch besser gerechnet habe als Sie glauben, ich schike Ihnen gewiß mehr als drei Bogen. Sauerländer10 hat nach Meßgebrauch, eine kleine Rechnung von f 86. 35. zugeschikt, grämen Sie sich nicht darüber es wird schon alles gut gehn. Sie haben für meine Briefe eine Equipage angeschaft, und lassen sie herumfahren. – Wissen Sie auch daß Sie sich durch diese lezte Verschwendung ganz zu Grunde gerichtet haben! Denn wo wolle[n] Sie das Geld dazu hernehmen, und wie wollen Sie mein Vertrauen wieder gewinnenvi? Und wenn sich auch das eine wieder erwerben läßt, so haben Sie doch das andre auf eine unersätzliche Weise verschleudertvii. Schaffen Sie diese Equipage wieder ab, mein Freund, da Ihreviii Umständeix vor der Hand, einen solchen Aufwand nicht zulassen, und verwahren Sie meine Briefe unter Schloß und Riegel, wie sich’s geziemt. Bevor ich diese feierliche Versicherung und Zusage erhalte, keine Zeile von mir. „Punktum Streusand darauf“. Und nun hören Sie meinen letzten Willen, obschon ich noch […]x gesund und frisch bin, und noch lange zu leben hoffe, und wünsche, wäre es auch nur darum um Ihnen Sünder von zeit zu Zeit eine heilsame Bus= und Strafpredigt zu halten, Sie thun für jezt worum ich Sie anfangs des Briefes schon gebeten habe, sein Sie doch nur nicht so ängstlich zurükhaltend mit dem Cotta, besorgen indessen die Wage, und das Arrangement der Rheinbriefe, auf Weihnachten machen Sie mir dann das unaussprechliche Vergnügen, und besuchen mich in Ffurt in meiner neuen Wohnung, bis dahin versorge ich Ihre Ausgaben, und Sie schreiben mir nur immer ohne weiteres in einem beiligenden Zettelchen wie viel ich schiken soll (ich habe auf den Winter vier bis fünfhundert Gulden vorräthig) und zum Weihnachtgeschenk bringen Sie mir mit –– Ihr elegantes Rhein=Werkchen, genannt „Neujahrgebinde“) ist das nicht schön ausgedacht? gestehen Sie nur, für diesmal sind Sie beschämt, Sie erfreuen, ergözen sich an meine Fehler, und ich –– an ihre Vorzüge, denn drei Monate vorher schon bin ich glücklich bei dem Gedanken, an dem Ruhme und dem Beifall, den Sie durch Ihr schönes vi vii viii ix x

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Orig. davor: erlangen. Orig.: verschleidert. Orig. davor: es. Orig.: Umstänste. Durchgestr. Passage., vermutl.: am leben bin. Vgl. Br. 37.

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und –– fehlerfreies Schreiben einerndten werden. Ich schreibe Ihnen wahrscheinlich jezt nicht wieder als bis die Sachen völlig abgeschrieben, weil ich alle Zeit nur darauf verwenden will. Sein Sie nur nicht böse daß ich so viel darüber schwatze, Sie wißen daß ich ganze Stücke darauf gehalten, und daß man von einen so kos[t]baren Eigenthum sich nicht so leicht lossagt. Ihr Lotterie Glück ist noch unentschieden. Diese Meße sollen viele Sehenswürdigkeiten hier sein, ich bin noch nicht ein einziges mal in der Stadt gewesen mich darnach um zu sehen. Ich weiß nicht ob Sie aus der Zeitung oder sonst davon gehört haben, welch eine bedeudente Sendung der Kaÿser von Oesterreich von seiner Tochter aus Brasilien zum Geschenke bekommen, nämlich einen Mann Frau, und ein Wochenkind, Wilde, und eine merkwürdige Menagerie von den seltensten Thieren, besonders schönen Vögeln.11 Von den Vögeln sind viele auf dem Wege gestorben, die Oesterreicher haben sie ins Wasser geworfen, man könne sie halt doch nicht mehr brauchen, Sie können sich den Aerger der Naturforscher darüber denken, die Herrn haben hier immer darauf gehoft, daß einer von den Wilden sterben solle, das wäre ein Braten für sie gewesen, Man sollte nicht glauben daß die Liebe zur Naturwissenschaft einen so unnatürlich und grausam machen könnte. Sie kennen ja die neugierige Ffurter Narren, der Main war mit Schiffen bedeckt, Tausende von Menschen sind hinzugeströmt, es soll ein merkwürdiger Anblick gewesen sein, ich habe erst davon gehört, als schon alles fortgesegelt war. v. Rothschild hat hier f 10 000 für Porto ausgezahlt. – Mit Sichel geht es abwechselnd gut, und schlimmer, ich habe Sie schon früher aufmerksam machen wollen ob es ihn nicht freuen würde wenn Sie ihm schrieben, ich werde nachfragen, ob es jezt thunlich ist. Ich weiß Ihnen für heute nichts mehr zu sagen, als recht viele gute Worte, daß Sie sich gut aufführen sollen, und ein herzliches Lebe wohl. J. Wohl

11

Leopoldine (1797–1826), Erzherzogin v. Österreich, Tochter v. Kaiser Franz I. (1768–1835), 1817 auf Betreiben Metternichs in Wien mit dem portugiesischen Kronprinzen, dem späteren Kaiser v. Brasilien Pedro I. (1798–1834) vermählt. Unter ihrer Regentschaft trennte sich die portugiesische Kolonie 1822 vom Mutterland. JW erwähnt die auf der Expeditionsfahrt in die Neue Welt von Zoologen und Botanikern zusammengestellten naturkundlich-ethnologischen Sammlungen, die offenbar 1821 in Frankfurt zur Schau gestellt wurden.

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt] . Stuttgart, den 26. u. 27. September 1821.

Nr. 10 26 Stuttgart den 26 Sept. 1821.i Nr. 10 10 Nr. 10 16 Mama, Sie nehmen sich gut aus in der Kutte, ich habe Sie wahrhaftig nicht erkannt. Sie predigen wie ein leibhaftiger Kapuziner. Warum haben Sie mir nicht gleich Ihren Strick geschickt, daß ich mich daran aufhänge? Ich bin so ein ordentlicher Mensch geworden, daß ich mich oft vor den Spiegel stelle, und hienein frage: Bist Du es wirklich? Und Sie lesen mir den Text als wäre ich der verworfenste Bößewicht. Ihr Text ist zwar immer mit Noten versehen, die eine himmlische Melodie bilden, Sie bleiben ein Engel auch wenn der Teufel aus Ihnen spricht. Aber meine liebste Frau Pastorin, was habe ich denn eigentlich verbrochen? Was konnte ich denn mit Cotta abmachen in der ersten Unterredung, die nicht einmal ohne Zeugen statt fand? Habe ich Arbeiten fertig, die ich ihm verkaufen kann? Darauf kömmt es an. Was habe ich versäumt? Sie widersprechen sich. Sie sind überzeugt von meiner Fähigkeit, und verzweifeln doch an mein Fortkommen. Cotta geht in Alles ein was ich ihm vorschlage, das weiß ich sicher. Aber ich muß mich ihm zuvor durch Arbeiten wichtig zu machen suchen. Darum habe ich mich mit Müllner eingelassen, und sehe seiner Antwort entgegen. Das fixe Einkommen für literarische Beschäftigungen, hängt nur von meiner fixen Thätigkeit, nicht von Cotta ab. Ueber Murhards Annalen1 zu sprechen ist noch lange Zeit, denn hiermit könnte eine etwaige Veränderung doch erst beim neuen Jahre vorgenommen werden? Und was kümmert mich Murhard’s Journal? Kann ich nicht ein neues ähnliches unternehmen? Unser ganzer Streit, holde Gegenparthei, läuft darauf hienaus: Sie wollen, ich solle kein Bedenken tragen, mir von Cotta Geld geben zu lassen; ich aber finde es sehr unschicklich und sehr unklug. Ich habe zusammengerechnet für wie viel ich bis jezt in seine Blätter gearbeitet. Es beträgt erst 100 Gulden, und dieses nach meiner Rechnung, wobei ich 5 Carolin für

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O. Adr.

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Friedrich Wilhelm Murhard (1778–1853) arbeitete für Cottas Allgemeine politische Annalen (vgl. Br. 46).

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den Bogen angesezt. Ich muß nothwendig erst noch einige Bogen für ihn schreiben, ehe ich ihm Geld abfordern kann. Sie haben mir Ihre Meinung über das Theaterkritisiren für das Morgenblatt nicht gesagt. Ich bin immer noch nicht entschlossen, ob ich es thun oder unterlassen soll. Geschieht es nicht im Morgenblatt, so denke ich wenigstens in den nächsten Wage-Heften etwas über das hiesige Schauspiel zu sagen. Ein neues Stück von Houwald das ich aufführen gesehen (Fluch und Segen) hat mir Stoff und Lust gegeben.2 – Aengstigen Sie sich doch nicht, wenn ich in meinen Briefen von der Heimkehr spreche. Ich schwöre Ihnen zu, daß ich ohne Ihre Bewilligung nicht kommen werde. Warum nehmen Sie mir meine Scherze so übel, warum misgönnen Sie mir meine Träume? Soll ich von einem Glücke das ich nicht genießen kann, nicht wenigstens schwärmen dürfen? Und doch wenn ich schwärme, mahle ich mir mein Glück ganz anders aus. Sie wiedersehen, verlöhre den halben Reiz für mich, wenn dieses in Frankfurt geschähe, das mir so verhasst ist. Unsere Zusammenkunft müsste an einem andern Orte geschehen. – Wenn ich die Rheinbriefe drucken lasse, so erhalten sie Almanach-Format. Sie sollen so klein werden, daß Sie Ihr Herz damit bedecken können. Wie hart ist Ihr heutiger Brief! Lachen wir mein Kind. Wage, Almanach, Annalen, Literaturblatt, Morgenblatt, politischer Almanach . . . Wenn ich nur die Titel aller der Werke drucken lasse, die wir beide schon ausgeheckt, so giebt das ein schönes Buch! Alle diese Versplitterungen machen mir wenig Freude. Wenn ich Zeit, d. h. Geld hätte, schriebe ich einen Roman. Dazu hätte ich eine wahre Wuth. Während dem Essen beschäftige ich mich immer fort, die vielen Fremden die ich am Tische kennen lerne, einen nach dem Andern, in meinem Sinne abzumahlen. Und das geht ganz herrlich. Nur zu sentimentalen Charakteren hätte ich keine Fähigkeit, [mehr] zu humoristischen, obzwar mit dem Lachen nichts näher verwandt ist als das Weinen. Doch ginge das vielleicht auch. In der Welt ist alles so voller Widersprüche, zwischen unsern Verhältnissen und Wünschen, zwischen unsern Sitten und Staatseinrichtungen, zwischen unserm Geiste und Charakter, zwischen unser Wollen und unser Können ist so viel Uneinigkeit, daß alle Menschen im Satirischen Lichte erscheinen. Das Unglück selbst ist lächerlich. Nur Jugend und Liebe geben sentimentalen Stoff, aber der Romanschreiber der sie auffassen will, muß selbst ein glücklich Liebender und einmal jung gewesen seÿn. Ich war weder das Eine

2

Christoph Ernst Frh. v. Houwald, Fluch und Segen (1821).

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noch das Andere, ich bin mit einem behaarten Herzen auf die Welt gekommen, und in einer stinkenden Judengasse. Seit einigen Tagen sizt ein Knabe von 16 Jahren mir bei Tische gegenüber, neben ihm sein bejahrter Vater oder Hofmeister, mit dem er wie mit einem Kameraden spricht und rothen Wein trinkt. So ein Gustav im Jean Paul.3 Schön, liebenswürdig, reich, selig lächlend, und zitternd vor Ueberkraft des Lebens. Ach Mama, vieles ist schön in der Welt, die Schönheit, Sie, die Macht, Italien, der Reichthum, die Weisheit, selbst die Entsagung; aber das schönste ist doch die Jugend. Der Genuß dieser ist mit einem spätern Leben voll Noth und Schmerzen, nicht zu theuer bezahlt. – Was nur mein Vater mit Murhard zu thun hat? Wahrscheinlich läßt er ihn in Judensachen arbeiten. – Sie werden sich doch mit dem Abschreiben meiner Papiere nicht zu sehr anstrengen? Es eilt ja gar nicht so. – Die Bücher die ich haben möchte, will ich Ihnen in meinem nächsten Briefe bezeich[nen], Ihre Absendung geschieht doch wohl nicht so bald, und vielleicht bringt Sie mir mein Vater mit. – 27. Sept. Ich fahre heute fort. Die Abschrift des Jean Bien4 hat mich verhindert Ihnen gestern schon zu antworten, wie ich es bisher gewohnt war. Erquicken Sie sich am Esskünstler. Nicht einen einzigen Zug habe ich erfunden. Das Original das mir zu meiner Schilderung gedient hieß Hr. v. Rath, ein Beamter aus Augsburg. – Was sind das für Menschen die sich einbilden, ich könnte hier eine Anstellung bekommen? Es ist alles so überladen, daß die jungen Leute, wenn sie das Gÿmnasium verlassen, einer strengen Prüfung unterworfen werden, und nur den Fähigsten wird erlaubt auf Universitäten zu gehen. – Daß ich es nicht vergesse, auch Vogts Rheinbuch5 müssen Sie mir mitschicken. Armes Kind, weine nicht, Du sollst es wieder haben. Aber ich kann manches darin benutzen. Die Handknöchel thun mir weh vom Abschreiben, ich werde die Seite nicht herunter bekommen. Seÿen Sie doch in Ihren Briefen nicht so schauerlich, ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können. Eine weiße Gestalt ist vor mein Bett getreten, und hat gerufen: „Wehe, Wehe, Wehe! Verschaffe Dir ein sicheres Auskommen, handle wie ein Mann, oder Du bist des Todes!“ – Ich habe gestern Cotta gesprochen.

3 4

5

Figur aus dem Roman Die unsichtbare Loge (1793) von Jean Paul. Held in Bs Humoreske Der Eßkünstler. B neckte JW damit, daß er ihren Namen ins Französische umänderte. (Johann) Nikolaus (gen. Niklas) Vogt (1756–1836), Historiker und Exponent der Rheinromantik, Senator und Mitbegründer der Museumsgesellschaft in Frankfurt, Verfasser der 1817 erschienenen Rheinischen Geschichten und Sagen in vier Bänden.

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Er meint, ich solle nur einen kurzen Monatsbericht über das hiesige Theater für das Morgenblatt schreiben. Das ist also eine Kleinigkeit, ich mag es thun oder unterlassen. – – Kann nicht mehr. Adieu Frau Pastorin. Zu Ihrer Kirchweihe besuche ich Sie. Könnten Sie mir wohl einen Topf Birnmus überlassen? Der Wein will heuer nicht recht gerathen, aber der Hanf steht gut. Unser genädiger Herr hat mir zwei prächtige Stück Schweizer Ochsen in den Stall gegeben. Wir verbleiben der Frau Pastorin Gehorsamster Diener Dr. Börne Verfasser des Jean Bien und Verehrer seiner Frau Schwester.

48.

An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den 28. September 1821.

Freitag 28 Sept: 1821i Ich habe heute Brief von Ihnen erwartet, es kam aber keiner, wahrscheinlich morgen erst, dennoch schreibe ich Ihnen, das wird Sie ein bischen beschämen, und mich über frühere Anklagen rechtfertigen. Ich schreibe Ihnen auch um mich einer übernommenen Pflicht gegen Sie zu entledigen. Die Aerzte haben den armen Sichel ganz aufgegeben, es sei auch kein Funken Hoffnung diesmal zu seinem Aufkommen. Sie haben mich darum gebeten wenn dieser Fall eintrette Sie davon zu unterrichten, und ich thue es jezt. – Ich wollte diese vorbereitende Einleitung vorangehen lassen, dann ein langes und breites schreiben, und Ihnen zulezt erst sagen, daß der Kranke schon verschieden ist, aber während ich davon spreche betrübt mich die Sache selbst zu sehr als das ich von etwas anderem reden könnte. Montag den 24. in der Nacht starb er. Ich hatte einige Tage vorher nichts über ihn gehört, und erst als ich Montag mein Brief an Sie abgeschikt, erfuhr ich Abends daß der Kranke in den lezten Zügen sei. Betrüben Sie sich

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Adr.: Herrn Dr Börne logirt Charlottenstraße bei Herrn Fosetta in Stuttgart (Kuvert).

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nicht zu sehr darüber, ich weiß daß der Verstorbene Ihnen werth war. Wir müßen ja bei einem jeden hinscheiden unsrer Freunde denken, daß es nur ein Vorangehn ist, und daß wir doch früher oder Später alle nachfolgen. Seine Neigung zum so genannten gleichreden hat ihn sogar in der lezten Zeit nicht verlassen, er sagte noch vorige Woche zu Rothschild „er solle ein Anleihen auf seine Füße machen, damit sie fallen“. Er soll bis zulezt nicht ernstlich gewußt daß er den Todte so nahe. Das ist sehr tröstlich. Ich schreibe Ihnen heute nicht mehr, weil mich der Bericht verstimmt hat. Wenn ich morgen Brief von Ihnen erhalte, werde ich ihn gleich beantworten. Leben Sie wohl mein lieber Freund, und nehmen Sie Ihre Philosophie zuhülfe, gegen etwanige Anfälle hÿpochondrischer Grillen, und in Ihrer Betrübnis gedenken Sie der innigen Anhänglichkeit Ihrer Freundin J. Wohl.

49.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 30. September u. 1. Oktober 1821.

Nr. 11. Stuttgart d. 30 Sept. 1821.i Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Brief. Alles wird milder wenn es durch Ihre Hände geht, selbst der Tod. Ich habe geweint, aber ich bin nicht ausser Fassung gekommen. Ich beklage den Sichel weil er mir werth war, und er war mir werth, weil ich ihn immer beklagenswerth fand. Die Natur hatte ihn grausam behandelt, und die Menschen sind hierin wie die Höflinge, sie ahmen das Beÿspiel der Majestät nach. Er stand dem Bessern nahe, nahe der Tugend, der Kraft, dem Geiste, aber er konnte sie nicht erreichen. Der helle Strahl des Guten der in alle seine Fehler drang, machte diese um so sich[t]barer. Darum kam er zu kurz in dem Urtheile der Menschen. Man fand seinen Neid um so häßlicher, weil er zugleich freigebig war, man schalt seine Eitelkeit gemein, weil er auch die Vorzüge zu achten verstand die wahren Ruhm geben, und man fand ihn boshaft, weil er oft

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Adr.: Herrn Samuel Ochs Aelterer für Madame Jeanette Wohl in Frankfurt a/m frei (Kuvert).

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ein weiches Herz zeigte. Der ist nun abgemacht, und nichts hatte er vom Leben, als den Schmerz es verlassen zu müssen. Ich möchte lieber nicht gebohren, ja ich möchte eher der gemeinste niederträchtigste Kerl, als Sichel gewesen seÿn. Reine Charaktere sind selten glücklich; für sie giebt es nur ein Stand der äusserlichen Dinge, in de[m]ii sie zufrieden leben können. Da nun die Welt sich immer ändert, schweben sie in beständiger Gefahr. Gemischte Charaktere sind glücklicher, weil sie anschmiegender sind. Sichel war zwar von zusammengesezter Gemüthsart, aber die Stoffe aus welchen diese bestand, waren nicht gemischt, sondern nur gemengt. Seine Fehler und Vorzüge wirkten nicht gleichzeitig und halfen sich einander aus, sie folgten aufeinander, sie rennten gegen einander, und traten sich wechselseitig auf die Füße. Eine Wetterfahne die der tollste Wind herumpeitscht, war eine Mauer gegen Sichels Herz. Ich habe ihn in einer Minute weinen sehen über den Mangel an Geld und lachen hören über die Sucht zum Gelde. Ich habe ihn mit gleichem Neide von Rothschild und von meinen eignen Vorzügen reden hören. Welch ein glückliches Loos ist mir dagegen zugefallen, ich finde keinen beneidenswerth als mich selbst. Ich habe so die rechte Mischung von Fehlern und Vorzügen, wobei man sich behaglich fühlt. Sie vollkommnes Geschöpf haben keine Vorstellung davon, wie Einen Fehler glücklich machen können, und doch ist es so. Jeder Fehler ist freilich eine Pforte, durch welche das Unglück eindringen kann, aber durch die nehmliche Pforte, kann sich ein Schmerz auch flüchten. Der Leichtsinn der in Gefahren stürzt, rettet auch aus Gefahren. Lichtenberg sagt irgendwo etwas sehr Wahres, zwar ohne daß er es will, denn er spricht an jenem Orte aus Ironie. Er bemerkt nehmlich: es wäre doch sonderbar, daß man einen g[e]ringen Grad in jeder Tugend, Laster nenne. Z. B. wenig Thätigkeit – Faulheit, wenig Muth – Feigheit. Hat der Mann nicht recht? Wenn ich mein ganzes Leben durchgehe, finde ich, daß mir meine Fehler eben so viel Freuden gemacht als meine Tugenden. Mein flatterhaftes Herz schüzte mich und Andere vor unauflöslichen Verbindungen; meine Trägheit vor eiteler Ruhmsucht und Geldgierde; meine Kränklichkeit vor dem Tode, denn bei meinem leidenschaftlichen Treiben wäre ich schon längst vermodert, wenn mich nicht meine Hÿpochondrie ängstlich gemacht, und mich vor den größern Ausschweifungen bewahrt hätte. So gleicht sich alles aus. Geld kann man im Lotto gewinnen, aber nicht Zufriedenheit. Ich

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Orig.: der.

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danke der Natur, daß Sie mir diese gegeben. Und eine Tugend habe ich, die alle meine Fehler gut macht – Sie, Ihre Freundschaft. Ich dürfte wohl etwas stehlen und morden, der liebe Gott würde es mir nicht zu hoch anrechnen. Flüchten Sie in der Noth zu meinen Schwächen, ich will, bedrängt, bei Ihrer Vollkommenheit Hülfe suchen. Sichel’s Tod – wie nahe liegt bei dieser Trauer auch wieder das Komische. Wenn ich mir die lächerliche Verwirrung im Hause denke! Mitten in der Messe, die gemeinen Handelsjüdischen Brüder, […]iii voll Neid, Habsucht Mistrauen! Sie wird wohl geweint haben, aber ich will nicht Ihr Freund seÿn, wenn sie nicht mit thränenden Augen zu Gerson1 herüberschielte. Und Sichels Frau?2 Ich will ihr nicht Unrecht thun, sie ist Mensch und Weib, und hat auch wohl Verstand genug zu begreifen, daß sie an Sichel wenigstens einen wohlerzogenen und gebildeten Mann verlohren. Aber wenn Zeit und Stärke der wahren Trauer vorüber sind, und die künstliche beginnt, und wenn sie dann ihre vieljährigen Koketterieproben im Ernste anwenden wird, um einen neuen Mann zu bekommen – das muß eine wahre Komödie werden. Sie müssen mir das zu seiner Zeit alle schreiben. – 31. Sept. Ich habe heute dem Briefe entgegengesehen, den Sie mir gestern zugesagt, aber er kam nicht. Doch danke ich Ihnen herzlich für das Versprechen. Ihre gute Seele ist leicht zu durchschauen; Sie wollten mich durch etwas erheitern. Auch hat es seine Wirkung gethan, und noch einmal, ich danke Ihnen. Mein Bruder Philipp3 hat mir endlich geschrieben. Er meldet mir, mein Vater würde heute Montag hier ankommen. Dann schreibt er: „Die fl 50 werden sobald der Vater weggeht (denn er will nicht) an Handwerker bezahlt, und für Deine geheime Schulden, die ich nicht aber, Ochs wissen darf werden sie nicht angewendet, worauf Du Dir auch keine Rechnung machen kannst, schicke mir also alle Deine Rechnungen. Sie sehen, daß keine Liebe von Eifersucht frei ist, selbst die brüderliche nicht. Ja, den will ich sehen, der einen Jud in Geldsachen anführt! Das hat mein Herr Bruder gemorken, was ich mit den 50 Gulden machen wollte. Ich glaube am besten ist, ich zahle zuerst den

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Geschw. Passage. Vermutl. Josua Gerson (1784–1848), jüd. Tuchhändler, der seit 1811 in Frankfurt lebte. Henriette (Jettchen) Samson, Frau v. Jakob Mayer S. (vgl. Br. 32). Vgl. Br. 2.

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Steinthal, weil dessen Rechnung grade 50 fl. beträgt. Wollen Sie daher diese Rechnung meinem Bruder (durch Ochs oder unter Couvert) zustellen lassen. Finden Sie eine andere Schuld dringender, so überlasse ich Ihnen die Wahl. Ein Bekannter (Hr. v. Meseritz)4 hat mir alle Zettel von den verschiedenen Sehenswürdigkeiten der Messe von Frankfurt geschickt. Auch den einer neuen Oper: Der umgeworfene Postwagen,5 mit der Bemerkung sie wäre ausgepfiffen worden. Sie ist vom Dr. Döring bearbeitet.6 Wäre es gar nicht möglich mir die Iris, u. sämmtliche Zettel von den während meiner Abwesenheit aufgeführten neuen Stücken zukommen zu lassen? Das kostet durch den Postwagen nicht mehr als 24 kr. Dann bemerken Sie was Sie über das Theater und andere Dinge gehört. Ich hätte Spas daran, von hier aus über Frankfurt zu berichten. Haben Sie die abgerichteten Flöhe nicht gesehen, die eine Kanone losschießen? Und den Schwiegersohn des Königs der Wilden? – – „Sie sollten die Geschichte Ihrer Zeit in einem Romane beschreiben, wie Swift die Seinige, das kann keiner in Deutschland als Sie“.. Das habe ich mir wieder gestern von einem sehr geistreichen Manne müssen sagen lassen – und kein Geld! Und dann war ich in des Königs Privat-Bibliothek, und habe einen ganzen Nachmittag über einem herrlichen Kupferwerk, die Florentiner Gemählde und Antiken=Gallerie enthaltend, zugebracht, daß mir das Herz schwoll vor Sehnsucht nach Italien – und ach, kein Geld! Ich sehe dem Dinge kein Ende. Sagen Sie nicht: das ist Ihre Schuld, ärgern Sie mich nicht. Hätte ich mehr Fleiß, so hätte ich auch mehr Kälte, dann kein Gefühl, dann keine Lust auf Italien, dann keine Phantasie, dann keine Kraft einen Roman zu machen. Ich möchte mich dem Teufel verschreiben, aber der Teufel kann Leute meines Gleichen umsonst haben. Was fange ich an? Und doch scheint eine Reise nach Italien so ausführbar. Zwei junger Männer, haben neulich die ihrige beschrieben. Von Schlesien bis Neapel sind sie gegangen, zuweilen

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Louis Ferdinand v. Meseritz (1781–1856), ein mit B seit dessen Studienjahren in Giessen bekannter Publizist, der seit 1820 in Frankfurt am Main lebte. M. war auf Empfehlung Bs als Korrespondent für verschiedene Zeitungen tätig (u. a. auch für Cottas Allgemeine Politische Annalen und den Constitutionnel). François Adrien Boieldieu (1775–1834), Der umgeworfene Postwagen (dt. Bearb. v. Le Séducteur en voyage, ou les voitures versées, 1820). Das Stück wurde am 29. September 1821 in Frankfurt gespielt (vgl. Rez. in: Iris, 30. September 1821). Georg Chr. W. Döring (1789–1833) war 1817–1819 Redakteur der Zeitung der freien Stadt Frankfurt, er gründete die Beilage Iris (vgl. Br. 22).

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gefahren. Acht Monate sind sie weggeblieben, und haben zusammen nur 400 Thaler gebraucht. Nach Italien sagen sie müsse man nur den Geist mitbringen, nur geistige Genüsse suchen. Die jungen Herrn verstehen das nicht. Eben um nur mit dem Geiste zu genießen, muß man die Sinne beschwichtigen, und dazu gehört Geld. Wenn nur das Stehlen erlaubt wäre! Es ist eine dumme Welt. Ach, was wollte ich Ihnen vom Krater des Vesuvs für schöne Ach’s und O’s schicken! Das Donnerwetter soll hieneinschlagen. O Heilige, bete für mich. Wenn ich sicher wäre ewig ein Lump zu bleiben, ich tröstete mich vielleicht, ich wäre Narr und Philosoph genug dazu. Aber wenn ich mir denke, daß ich vielleicht in meinem funfzigsten Jahre ein reicher Mann werde, dann wo einem durch späte Augen alles herbstlich erscheint, selbst Italien – möchte ich mich in einem stinkenden Bache ersäufen. Himmlische Seele, lass Dich von mir verkaufen. Du schöne Sklavin bist eine Million werth. Ich verhandle Dich dem Pascha von Janina, und dann komme ich mit den Griechen und befreie Dich.7 Wie, Sie wollen nicht? Nicht so wenig wollen Sie mir gefällig seÿn? So wende ich mich an die Guste, die thut’s Gewiß. Nun Adieu. Ich werde im Lande bleiben, und mich redlich ernähren müssen, wie ein Philister. Sich ernähren! Es ist ein abscheuliches Wort, sich zu mästen für die Schlachtbank des Todes! Von dem Werthe eines einzigen Wagens, den Rothschild oder sonst so ein hündischer General=Pächter des Menschenglücks, in der Remise verfaulen läßt, könnte ich alle meine Wünsche befriedigen. Es muß anders werden. Gehe zu Bette Gräfin Lavagna, morgen wecke ich die Herzogin.8 Dr. Börne.

7

8

Anspielung auf das in den populären Türkenopern verwendete Motiv der Versklavung und Befreiung schöner Europäerinnen. Ali Pascha von Janina (1741–1822) hatte sich als Provinzstatthalter vom Reich des Sultans Mahmud II. (1785–1839) losgelöst und dabei mit den aufständischen Griechen paktiert, bevor er sich 1821 der osmanischen Herrschaft beugen mußte. In Schillers Die Verschwörung des Fiesko zu Genua (1783) spricht Fiesko zu Leonore: »Gehe zu Bette, Gräfin – morgen will ich – die Herzogin wecken« (4. Aufz., 14. Auftr.).

194 50.

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Nr. 50

An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den 30. September 1821.

Sontag 30 Septemberi Ihr Jean Bien ist ein ganz köstlicher Mensch! besonders gut kleiden ihn seine weitläufige Knöpfe, und der neu Häring.1 Der Mensch wird Epoche machen. Auch werde ich mich um ihn bemühen, und ihn in alle bedeutende Häuser, und vornehme Zirkel einzuführen suchen. Ist er denn noch an Ihrem Tische? Ich beneide Sie ordentlich um diesen Spas! Aber wie ich zu der Ehre der Verwandschaft komme begreife ich noch gar nicht. Sagen Sie nur, gestehen Sie’s nur ein, sind Sie denn nicht der größte ärgste Verläumder! Wo hätten Sie denn je Gelegenheit gehabt solche Virtuositäten an mir zu bemerken? Können Sie mir nachsagen das Sie je einen Pudding, oder einen neuen Häring, oder gar Nachtisch auf meinem Tische gesehen hätten? Wo nichts ist, hat der Kaÿserii sein Recht verlohren“! Wenn also besagte Eßinstrumente niemals bei mir zu finden sind, so können Sie auch meine Virtuosität darauf nicht Beweisen, oder Sie müßten Ihre Anklage auf Brodt und Kohl und Rüben etc. durchführen wollen, nun das wäre aber doch auch in der That zu arg! Es bleibt dabei, im ersten Falle sind Sie ein Verläumder, im zweiten, ein ganz abscheulicher – Grobian, und mit solchen Leuten will ich gar nichts zu thun haben. Adieu Herr Doktor, Sie hören kein Wort mehr von mir. – Geweint habe ich vor Schmerz über die – – – köstlichste Bissen die der herrliche Junge, der Jean Bien, täglich in seiner Gewalt bekömmt. – Reden wir von was anderem, sonst entlockt mir diese Betrachtung noch mehr Thränen. Sie haben mich, weil ich Ihnen verschiedne kleine Wahrheiten gesagt habe, nicht wieder erkannt? Ei, ist Ihnen das so neu! Betragen Sie sich endlich einmal darnach, das man das Predigen verlernt. Sie sehen ich falle nicht aus der Rolle, und weil Sie mir doch einmal eine Kutte übergeworfen, so will ich eine Zeitlang meinem Ordenskleide Ehre machen, und besonders gegen Sünder Ihrer Art, Strenge […]iii üben, wenn ich der weisen Gestalt i

ii iii

1

O. J. – hs. Zus. e. Bearb.: »1821«. – Adr.: Herrn Dr Börne logirt Charlottenstraße bei Herrn Fosetta in Stuttgart (Kuvert). Orig.: Kÿser. Unles. gem. Wort. Vgl. Bs Der Eßkünstler in: Morgenblatt für gebildete Stände (1822), Nr. 58–62.

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die Ihnen erschienen voraus hätte Unterricht geben können, hätte ich ihr stat „Mehre die Worte bessere dich“ in den Mund gelegt, und in der Hand – ein paar Ohrfeigen für Sie zum Dessert. – Aber in der That, ich erkenne mich fast selbst nicht mehr, so haben Sie mich vermummt. Bald bin ich eine Eßkünstlerin, bald ein Kapuziner, und dann wieder eine Frau Pastorin! ich glaube gar Sie wollen Komödie mit mir spielen? trotz all Ihrer Schelmereien ärgern Sie mich doch nicht, und damit Sie nur wissen wie ich heiße, und heissen werde; Dero ganz gehorsamste Dienerin Frau Jeanette Wohl gebohrne Wohl, und zukünftige Wohl – wohl bekomm’s Ihnen Herr Doktor! Sie müßen ein zweiter Jean Bien sein wenn Sie diesen Nachtisch gut verdauen. – Ich habe nun zweimal nicht Wort gehalten. Einmal daß ich nicht schon gestern geanwortet, und dann wieder daß ich früher geschrieben, als die Sachen abgeschikt worden. „Laune beherrscht die Weiber“ aber diesmal ists nicht so. ich weiß noch nicht gewiß ob bis morgen alles gepakt sein wird, ich erwarte den Samuel, weiß aber nicht gewiß ob er kommen wird, in jeden Fall wird aufs späteste alles den Donnerstag, wenn es bis morgen noch nicht sein kann abgeschikt, nämlich die verlangte Rheinbücher, die Abschriften, und die f 100. – Sichels Verwandte solle[n] schon alle ziemlich getröstet sein, ich hoffe daß auch Sie sich über diesen Fall beruhigen. Ich hätte noch recht viel Lust zu schreiben, auch gäbe mir Ihr lezterer Brief viel Stoff dazu, aber es kömmt Besuch, und ich habe dies alles nur in der größten Eile schreiben können, weil ich Sie nicht länger auf Brief warten lassen wollte. Nächstens viel mehr als heute von Ihrer Freundin J. Wohl.

51.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 5. Oktober 1821.

Nr. 12. Stuttgart. Freitag d. 5 Okt. 1821.i Leben Sie recht wohl, Madame Wohl, es hat mich sehr gefreut Ihre werthe Bekanntschaft gemacht zu haben. Wenn Sie einmal nach München kommen, schenken Sie mir die Ehre Ihres Besuchs, mein ganzes Haus steht i

Adr.: Herrn Samuel Ochs Sohn Aelterer Für Madame Jeanette Wohl in Frankfurt a/m frei. (Kuvert)

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Nr. 51

zu Ihren Befehlen. Ich reise Samstag Abend oder Sonntag Morgen ab, in Gesellschaft des Hrn. Baruch aus Frankfurt, der mir durch seinen Sohn den Dr. Börne empfohlen worden. Suchen Sie doch ja die Bekanntschaft dieses meines Freundes zu machen, es wird Sie nicht gereuen. So viele und so mannichfaltige gute Eigenschaften habe ich noch nie in einem Menschen vereinigt gefunden (ich rede natürlich nur von Männern). Wenn Sie ihn kennenlernen, suchen Sie ihn aufzuheitern, denn sitzende Lebensart und angestrengtes Studieren haben ihn in eine tiefe Schwermut gestürzt. Es wird Ihnen gewiß gelingen, verehrte Frau, ihn zu überreden, daß er sich denjenigen Zerstreuungen hingebe, die seinem jugendlichen Alter angemessen sind. Seien Sie aber zurückhaltend mit Ihrer Liebenswürdigkeit, damit Sie ein achtungswertes Frauenzimmer nicht unglücklich machen, die meinem Freunde leidenschaftlich ergeben ist. Es kann sein, daß ich später von München nach Wien reise, doch wo ich auch sein werde, werde ich mich Ihrer, verehrungswürdige Frau, mit Teilnahme erinnern . . . . . . Ach, mein Gott, ich scherze, und das Herz pocht mir vor Angst. Ich fürchte, die weiße Gestalt erscheint mir wieder und ruft: Wehe! Mütterchen, sei nicht bös. Mein Vater, der hier angekommen ist, reist nach Wien. Natürlich bitte ich ihn, mich mitzunehmen. Er wollte es aber durchaus nicht tun, denn er fürchtete, die Östreicher ließen mich nicht ins Land. Und da ist es denn dabei geblieben, ich solle mit ihm nach München, einstweilen dort bleiben und ihm von dort meinen Wunsch schreiben, Wien zu besuchen. Diesen Brief wolle er an Gentz zeigen und hören, was er dazu sage. Werden Sie mit mir zanken, liebe Seele? Ich werde nicht ruhig sein, bis ich Ihren nächsten Brief erhalte. Wenn Sie nicht bös sind, fangen Sie Ihren Brief mit den Worten an: Der Teufel soll Sie holen! Wenn er nicht so anfängt, lese ich ihn gar nicht, sondern werfe ihn ins Feuer und benetze seine Asche mit meinen Tränen. Meine Mutter1 wird auch in 14 Tagen nach München kommen. Mein Vater ist, wie immer in der Fremde, sehr freundlich gegen mich. Diese Freundlichkeit soll ihm teuer zu stehen kommen, ich werde mir etwas Geld von ihm ausbitten. Ich habe ihn schon gestern um 5 Gulden geprellt, bei Ankauf von Büchern, die er mit nach Wien nimmt. Sie glauben gar nicht, wieviel und vorteilhaft ich durch meine Schriftstellerei bekannt geworden bin. Menschen aus allen Gegenden Deutschlands und von allen Ständen, Kaufleute nicht weniger als Gelehrte, suchen eifrig mit mir ins Gespräch zu kommen. Mein Wirth, bei dem ich esse, unter1

Vgl. Br. 10.

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richtet immer denjenigen Fremden, der neben mir zu sitzen kömmt, was er für einen merkwürdigen Nachbar an mir habe, so daß ich anfänglich ehe ich dieses Verfahren des Wirthes wußte, gar mir nicht erklären konnte, woher dieser oder jener Fremde meinen Namen wußte, ohne mich vorher gesehen zu haben. So redete mich gestern ein gewisser Herr von Scheerer an,2 der Akademiker und Bibliothekar in München ist. Ein sehr interessanter Mann, der drei Jahre in Griechenland war. Von meiner Wage erinnerte er sich noch der Einleitung, und er lobte mich dermaßen, daß ich habe rot werden wollen, ich konnte es aber nicht zustande bringen. Er fragte mich, ob ich verheiratet wäre? Ich seufzte, schwieg und aß Wildbretsragout. Rasend, möchte ich werden. Mein Vieh von Mädchen sagt mir heute erst, daß schon gestern vormittag ein Paket von der Post an mich gekommen wäre, der Träger aber, da ich nicht zu Hause gewesen, habe es wieder mitgenommen. Ich schicke den Morgen um 9 Uhr hin, und jetzt ist halb 12, und ich habe es noch nicht. Wird es nun endlich kommen, dann werde ich keine Zeit mehr haben, auf den Inhalt Ihres Briefes zu antworten. Schon 3 Stunden gehe ich wie verrückt im Zimmer auf und ab. Ich habe so mancherlei noch zu besorgen und darf nicht ausgehen. Ich glaube, die Kerls wollen sich rächen wegen der Postschnecke.3 Jetzt um 4 Uhr nachmittags erhalte ich erst das Paket, welches Montag von Frankfurt abging. Mittwoch vormittag war der Wagen schon hier, Donnerstag (gestern) nachmittag 4 Uhr ward mir das Paket gebracht, und weil ich nicht zu Hause war, wieder mitgenommen, und heute erhalte ich es erst. Jetzt werden Sie besorgt sein, weil meine Empfangsanzeige so lange ausblieb. Danken Sie all den Engelskindern, die sich mit der Abschrift meiner Papiere so viel Mühe gegeben. Jede von ihnen erhält ein Prachtexemplar des künftigen Almanachs. Daß meine Reise nach München an diesem unserem Plane nichts ändert, versteht sich von selbst. Soll ich den Jean Bien nicht auch mit abdrucken? Den nächsten Brief erhalten Sie von München. Schreiben Sie mir aber sogleich, nach München Post Restant, ohne meinen Brief abzuwarten. Und nicht zu vergessen: Der Teufel soll Sie holen! Der Ihrige. Dr. Börne, geb. Wohl. 2

3

Joseph Scherer (1776–1829), Orientalist, Direktor der Bayerischen Hof- u. Staatsbibliothek in München. Vgl. Br. 27.

198 52.

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Nr. 52

An L udw i g Bö r n e i n [ S tu t tg art]. [Frankfurt], den 6. Oktober 1821.

Samstag 6 Septemberi Sie haben recht, das Judenthum folgt und verfolgt einen überall hin. Selbst an meinen armen Brief hat es sich gehängt, um mich zu necken und zu plagen. Ich hätte gar nicht gewußt daß heute der lange Tag wäre, wenn ich nicht auf Ihren Brief, der gewiß mit der Post für mich gekommen ist, bis Abend’s 9 oder, was noch wahrscheinlicher und Schlimmer ist, gar bis morgen früh warten müßte. Wäre ich abergläubisch dann hätte ich gedacht es wäre eine Strafe für begangene Eßsünde. aber ich weiß daß es dem lieben Gotte wohl gefällt, wenn der Mensch gehörig ißt, und wie könnte auch das Böse oder unschön sein, was einen Mann wie Sie zur Begeisterung erhoben, der selbst, um seine Freundin zu verewigen, und ihr ein bleibendes Denkmal zu errichten, kein erhabeneres Bild, in der reichen, schönen, großen Schöpfung finden konnte, als d[as]–– einer Eßkünstlerin. – Dr Golds: war gestern hier,1 er hat Thee mit uns getrunken und blieb bis 9 Uhr. Er traut Ihne ja die Fähigkeit zu einen guten Roman zu schreiben. „Ihre Postschnecke2 wäre das beste was Sie noch geschrieben hätten, Sie sollten doch eine Fortsetzung davon machen. Für die Rheinbriefe wenn sie gedruckt würden sollten Sie nicht zu wenig fordern, Ihre Sachen wären sehr gesucht, was Sie denn eigentlich dort treiben und schreiben etc: „ich) „ja das weiß ich selbst nicht recht, er ist aber sehr fleißig“ er). Ha, ha, ha!“ – Was halten Sie von diesem kleinen Dialog? – Ich habe Sie schon früher darum bitten wollen, mir so ohngefähr in Form eines Tagebuchs über Ihre Beschäftigungen, Ihren Umgang, Ihren Vergnügungen mitzutheilen, das wäre zugleich so eine Art Beichte, können Sie sich denn dazu verstehen mein feiner Herr? Ja, die Kapuziner sind schlau! Mit denen ist nicht gut spaßen, Sie sehen daß nicht gezögert wird, Ihnen den verlangten Strick umzuwerfen. – Ihr kostbares rares Geld, mein lieber Freund (wieder eine überzuckerte Pille) haben Sie in der Lotterie – verspielt, nemlich ich habe es für Sie verspielt, zanken Sie mich nur derb aus, ich habe es verdient, obschon meine Absicht gut i

Datum im Orig. korr. v. e. Bearb.: »Samstag 6 September October 1821«. – o. Adr. – hs. Zus. e. Bearb.: »An Dr. B in Stuttgart.« (Br.k.)

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Vgl. Br. 10. Vgl. Br. 27 u. Br. 51.

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war. Ihre erste Nr. kam mit dem eingesetzten Gelde heraus, alle bedeutende Preiße lagen noch im Glückstopf, und da sagte ich va banc (der Himmel weiß ob’s auch so heißt) Gewonnen oder verlohren, und – verlohren, war der Schiksalsspruch. Mit meiner Nr ergieng es eben so, der zweite Erfolg ist aber noch unentschieden, also dürfen Sie immer noch die Hoffnung nicht aufgeben mit mehr als 400 Thaler nach Italien zu reisen. Ich meine nun, da wir noch einstweilen arme Leutchen sind, Sie sollten die Väterliche 50 Gulden theilen, und dem Adler3 und dem Steinthal jedem f 25 zahlen mit dem f 25 Rest kann Steinthal noch warten, und mit Adler wären Sie dann quit. Schreiben Sie Ihrem Bruder dieses durch die Post, auch soll der Samuel ihm alle Rechnungen bringen, Sie hätten ihm das befohlen, soll er sagen. Ihren Eßkünstler sollten Sie Malen, das heißt druken lassen, er verdient es, [ich]ii stehe Ihnen dafür daß er sehr gefallen wird. Der Mann ist trefflich portraitirt, da ich aber keine Famillien=Ähnlichkeit, auch nicht den kleinsten Zug von mir an ihm erkenne, so will ich daß Sie ihm einen andern Namen geben. Es schikt sich auch gar nicht für einen so seltenen ausgezeichneten Menschen, daß er nur einen gewöhnlichen, und bürgerlichen Namen trage, Sie müßen ihn adeln, und ihm einen recht vornehmen Namen geben, das kostet Sie keinen Pfenning, sonst wollte, dürfte, und könnte ich es freilich nicht von Ihnen verlangen. Wenn Sie mich versöhnen wollen, vielmehr, wenn Sie mich nicht unversöhnlich sehen wollen, ich schreibe dies feierlich am Versöhnungstage,4 so lassen Sie den Herrn Taufen, dann können Sie ihn in die Welt einführen, ich bin überzeugt das ganze lesende Publikum wird Ihnen dafür dank wissen. Thun Sie es ja. Herr Dr Mediz. Clemenz ist verlobter der Jungfer Steuernagel,5 in sechs Wochen wird er heirathen hu, hu, hu! Wegen der Iris, und den C. Zetteln werde ich wo möglich zu besorgen suchen. – Ihre Schilderung vom Sichel, ist wahr und treffent, es ist mir daraus klar geworden, warum man ihm immer gut und böse war. Jezt da er tod bedauert ihn jeder – und gedenkt nur seiner Vorzüge. Sein Leichenbegängnis war sehr feierlich, die ganze Harmonie=Brüderschaft, die Collegianer,6 ii

Orig.: ist.

3

Vgl. Br. 29. Jom Kippur. Christina Margaretha Steuernagel u. Aloys Clemens heirateten 1821 (vgl. Br. 6). Bezeichnung für die Mitglieder der jüdischen Lesegesellschaft Harmonie.

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alle in schwarz gekleidet, und weisen Handschuhen, folgten zwei und zwei in einem langen Zuge, es hat aufsehen gemacht, weil bei hiesigen Juden noch nie ein ähnliches statt fand, die Aufklärung begleitet einen jezt sogar bis in den Sarg. Sichel soll noch ausführlicher als Sie und mit dem größten Humor von alle dem gesprochen haben was nach seinem Tode vorgehen werde, er soll wie ein Philosoph gestorben sein, immer auf seinem Krankenbette voller Witz und Laune. Er ist sehr sanft verschieden, so zu sagen eingeschlafen. Dr Golds: hat mir dies alles und mehreres erzählt.

53.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 6. Oktober 1821.

Nr. 13 26 Stuttgart. Samstag 6 Okt. 1821.i Nr. 13 13 Nr. 13 13 Ganz betrübt bin ich, wenn ich bedenke, daß Sie zwei Tage über die Ankunft des Pakets, oder wenn auch darüber beruhigt, über das Ausbleiben meines Briefes werden besorgt gewesen seÿn. Ich werde einen grimmigen Nachtrag zur Postschnecke1 machen. Zittert Ihr Elenden! Meine Schreibereien zu lesen habe ich heute keine Zeit mehr. Sie sollten mir aber die Engelskinder nennen, die sich dabei bemüht haben, denn ich werde sie alle belohnen. Sie scheinen zu zweifeln ob die Pariser Briefe Interesse genug haben? In ihrer Ausdehnung gewiß nicht. Ich meine aber um den flüchtigen Eindruck zu schildern den Paris in den ersten Tagen macht, dazu reichten sie hin. Zum Beispiel, ich sagte: „Um mich mit meiner lechzenden Neugierde durch einen Vortrunk abzufinden, habe ich Paris, dieses Riesen= Prachtwerk in den ersten Tagen nur durchblättert, und wie bei Almanachen mich flüchtig an den Kupfern erfreut. Später will ich es aufmerksam lesen.“ Ich überschreibe die Briefe: Die ersten drei Tage in Paris. Was das Tagebuch betrifft, so wird sich das Taugliche darin, mit den Rheinbriefen

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Adr.: Herrn Samuel Ochs Sohn Aelterer Für Madame Wohl in Frankfurt a/m frei. (Kuvert)

1

Vgl. Br. 27.

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verschmelzen lassen. Aber das reicht alle noch nicht hin, einen Almanach auszustatten; Mannichfaltigkeit wird gefordert. Welchen Stoff soll ich bearbeiten? Ich erwarte Ihre Befehle. Der Almanach wird den Titel bekommen: „Die vier Jahreszeiten. Taschenbuch für das Jahr 1823. Ohne Kupfer, und ohne Beiträge der vorzüglichsten deutschen Schriftsteller.“ Ich bin das Phantasirende Milchmädchen, werde es wohl auch zu keiner Kuh bringen. – Das neue Werk von Görres, von dem ich schon lange habe munkeln hören, ist endlich erschienen.2 Es ist hier gedruckt. Schöne Sachen darin, aber theuer! Alles vergoldet, selbst das Brod. O die Deutschen! Um schwimmen zu lehren, fangen sie von der Sündflut an. Zu Bilderreiche Sprache, und oft mehr Rahmen als Bild. Es ist keine rechte Frische; das Buch riecht wie der Laden einer Puzmacherin, zuweilen wie eine Apotheke. – Auf München freue ich mich sehr. Die einzige Bildergallerie! Ich werde mich für die Kunst zu erwärmen suchen. In zwei Tagen, ist man von dort in Italien. Das kleine Beÿfüßchen reist mit meinem Vater3 nach Wien. Es hat gestern die Boissereesche Sammlung gesehen, und große Hanuhe4 davon gehabt. Mit ihm und meinem Vater, habe ich gestern zur Feier des Eref Jomkipper5 in einer jüdischen Garküche essen müssen. Ein Barchkopp und eine Barchköppin haben aufgewartet. Ich konnte kein Bissen essen, und lief von Tische weg. Hingel haben sie gehabt und Barches.6 – Das sehr angenehme Leben, das ich hier geführt, denke ich in München fortzusetzen. Wie ist das Frankfurt abscheulich! Ihr meine Rosen, hätte ich euch nur von dem Misthaufen weg! – Ich soll Cotta den Almanach vorlesen, Sie sind doch gar zu ängstlich. Cotta ist nicht hier, ich konnte nicht Abschied von ihm nehmen. Fürchten Sie, ich werde kein[en] Verleger dazu finden? Hier ist ein Buchhändler, eben derselbe, der Görres Buch verlegt,7 der schäzt sich glücklich, wenn ich ihm etwas gebe, und geht um mich (oder um mir) herum, wie die Katze um den Brei. Bin ich nicht ein süßer Brei mein Kätzchen? – Wissen Sie, daß München sehr hoch liegt? Ich weiß nicht wie hoch über der Meeresfläche. Und wissen Sie, daß die Bergluft 2 3

4 5 6 7

Joseph Görres, Europa und die Revolution (1821). Seligmann Löb Beyfus (1786–1845), Sohn des Frankfurter Bankiers Levin Amschel Beyfus (1764–1838). Hanuke (jidd.) = Freude. Eref Jom-Kippur: Vorabend des Versöhnungsfestes. Jidd.: Schabbat-Brot. Görres Europa und die Revolution erschien in der J. B. Metzler’schen Buchhandlung in Stuttgart (vgl. Br. 6).

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dem Verstande sehr zuträglich ist? Verrückte Menschen haben die Alpen oft geheilt. Ich zittere. Klugheit wäre mir so lästig, als ein Nachtlicht im Schlafzimmer. – Heute Abend reisen wir Ab, und Morgen Abend sind wir schon in München. Schreiben Sie mir doch ja gleich, und nicht zu vergessen: Der Teufel soll Sie holen. – Danken Sie dem Samuel8 in meinem Namen, für alle die Dienste die er mir geleistet, ich werde ihn fürstlich belohnen. Ach, hätte ich nur schon Ihre Antwort, und wüßte ich, was Sie zu meiner Reise sagen. Ich muß jezt schließen, ich habe einzupacken. Adieu, süßer Mallaga. Dr. Börne, geb. Wohl.

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An L udw i g Bö r n e i n M ü n ch en. [Frankfurt], den 7. Oktober 1821.

Sonntag 7 Septemberi Der Teufel soll Sie holen! Weil Sie es denn doch so haben wollen. Ueber Ihre Reise verdienen Sie diese Verwünschung gar nicht, im Gegentheil habe ich mich sehr damit gefreut, Sie können in München und Wien eben so gut arbeiten als in Stuttgart wenn Sie wollen, und Zerstreuung ist Ihnen heilsam für Geist und Körper, also wie gesagt ich freue mich herzlich damit. Aber über die Verspätung der Paket Anzeige, und daß Sie alles richtig erhalten habe ich mich freilich geängstigt, da war wieder Ihr ewiges umher laufen schuld daran, Meine Ängstlichkeit, und Ihre Flatterhaftigkeit, Bildenii einen schönen Wiederspruch, wir wollen beide versuchen, ob Besserung möglich. – Ich habe Ihnen schon gesagt (vom 6ten) daß Sie Ihren getauften Eßkünstler (sein gestohlener Familien Name kömmt nicht mehr über meine Zunge) drucken lassen sollen, jezt sollen Sie es gewiß thun und das bald, denn in Wien und München da ist ja sein wahrer heimathlicher Boden, wo er recht gedeihen, und nach verdienst anerkannt werden wird. Die Baÿern werden Sie vergöttern. – Es ist zwahr unbescheiden darnach zu i

ii

8

O. Jg. u. O. – Dat. v. e. Bearb. hs. korr.: »Sonntag 7 September Oct« (vgl. Br. 58. v. 13. 10. 1821). – Adr.: Herrn Dr Börne Post-Restant in München (Kuvert). Orig. davor: machen. Vgl. Br. 29.

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fragen, aber Sie verzeihen mir’s wohl! In dem Paket waren Bücher, Manuscripte und – f 100. Haben Sie das alles erhalten? Beantworten Sie mir diese Fragen in Ihrem nächsten Briefe in einem beigeschlagenen Zettelchen. Nicht wahr das ist vorläufig noch kein Zeichen einer nahen Besserung. Es kömmt Besuch über Besuch, und nur in der größten Eile konnte ich Ihnen die paar Zeilen schreiben. Leben Sie wohl. Schreiben Sie nur gleich von München. Sein Sie recht vergnügt. Ich bin es auch sehr bei dem Gedanken, daß Sie einmal recht leben und sich etwas herumtreiben. Adieu J. Wohl. Bald hätte ich eine nöthige Erinnerung vergessen. Sein Sie hübsch sparsam, und betragen Sie sich gegen Ihren Vater wie ein guter und vernünftiger Sohn. – Ich verbleibe dero ergebene Frau Pastorin, Schwester des bekannten Kapuziner, und ehrwürdige Ahnfrau nicht weh sondern Wohl

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 9. Oktober 1821.

Nr. 14. München. Dienstag 9 Okt. 1821.i Thun Sie mir den Gefallen und lesen Sie München nicht, wies gelesen werden muß, sondern das ch hart, gleich in dem Worte, womit die Juden ihren Nachmittags=Gottesdienst1 bezeichnen – ich hätte meine Freude daran. Es klingt so ironisch, und passt vielleicht zu der Stimmung worin Sie jezt gegen mich sind. Musikalisch dazu geseufzet, wie Sie pflegen, süßes Saitenspiel, und dann allen Groll in ein Allerliebstes Ach ausgehaucht . . So, jezt ist es gut. Wir – Sie und ich, denn Sie sind immer bei mir – sind gestern Nachmittag 3 Uhr hier angekommen. Wir aßen bei meiner Schwester zu Mittag, und gleich nach dem Essen, sezte mein Vater seiner Reise nach Wien fort. Beim Abschiednehmen umringte ich ihn, nicht wie die Mücke das Licht in immer engern, sondern in immer weitern Kreisen, denn mit jedem Pulsschlage ward mein Stolz Geld zu fordern größer. Da half mir

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Adr.: Herrn Samuel Ochs Sohn Aelterer Für Madame Jeanette Wohl frei in Frankfurt a/m (Kuvert)

1

Mincha.

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meine Schwester aus. Sie fragte den Vater, ob sie mir für seine Rechnung Geld geben dürfte? Er bewilligte eine unbedeutende Summe, und auf weitere dringende Vorstellung unbestimmt mehr. So wäre ich nun einiger Maßen geborgen, und ich hätte Carta bianca2. Sie soll ihre Unschuld nicht lange behalten. Da bin ich nun! Es war grade Zeit daß ich von Stuttgart weg kam, mein Heimweh, oder daß ich es mit dem rechten Worte nenne – mein Wohlweh fing sich wieder an zu regen. Ich war Ihnen zu nahe. Jezt trennen uns hohe Berge, Ihre Pfeile erreichen mich nicht mehr. Sie können Felsen verwunden, aber nicht mich. Von hier giebt es Mehreres zu berichten als von Stuttgart, das geht schon ins Große. Zwei beständige Theater3 und Winters italiänische Oper.4 Der Direktor des Kinderballets in Wien,5 wovon Dr. Reis so viel erzählt hat, ist hierher berufen. Die Metzger6 bei der deutschen Oper, soll jezt die erste Sängerin seÿn. Ich werde sie Freitag im Titus7 zum ersten Male hören. In drei der hier erscheinenden Blättern, wird das Theater kritisirt; da kann man also ein Wort mitreden. Zwei Casino’s – ich bin gestern in beide eingeführt worden. War ich schon in Stuttgart erfreut über die gute Einrichtung der dortigen Lesegesellschaft, so bin ich es hier noch mehr. Zwischen Moskau und Lissabon wird kein dummes Wort gedruckt, das ich nicht erfahren könnte. Sogar die Iris habe ich gefunden, worüber ich einen großen Jubel gehabt. – Ich wohne noch im Wirthshause, werde mir aber ein Privat=Logis suchen. Schreiben Sie mir unterdessen Post-Restant. Hätte ich nur schon Ihren Brief, und hätte mich nur schon der Teufel geholt! – Ausser der berühmten Gemählde=Gallerie, einem Antiken=Kabinette, der Glÿptothek des Kronp[r]inzen, und andern Kunstsammlungen, giebt es hier auch eine vollständige Sammlung von Gÿpsabgüssen aller alten Kunstwerke Italiens. Ich will mein Frankfurter Herz so durchheizen, daß Sie es nicht sollen aushalten können. – Mann gewinnt 2 3 4

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7

Vollmacht, freie Hand. Das kgl. Theater am Isartor u. das National- und Hoftheater. Peter v. Winter (1754–1825), Komponist, seit 1798 Hofkapellmeister am kurfürstl. Hof in München. Im Churfürstlichen Hoftheater im Cuvilliés-Theaterbau der Residenz wurden seit Eröffnung für das Publikum überweigend italienische Opern aufgeführt. Friedrich Horschelt (1793–1876), Vizeballettmeister u. Begründer eines Kinderballetts am Theater a. d. Wien, seit 1821 Hofballettmeister am kgl. Hoftheater in München. Klara Vespermann geb. Metzger (1799–1827), ab 1820 Sängerin am Münchner Hoftheater. Mozart, La clemenza di Tito (1791).

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durch einiges Reisen eine Fertigkeit sich überall zu Hause zu fühlen, die wohl thut. Da sitze ich in Schlafrock und Pantoffel, als wäre ich seit je hier gewesen, so bequemlich. Auch ist der Unterschied nicht groß. Der Himmel wechselt überall zwischen blau und grau, wie die Erde zwischen grün und schwarz; die Weiber haben ihre Augen, und die Männer sind blind, hier wie dort. – Mein Vater ist ein sehr lieber braver Mann, doch auf Reisen weniger lieb. Natürlich; fällt der Apfel nicht weit vom Stamme, so muß auch der Stamm nahe beim Apfel stehen. Doch hatten wir uns beide als erfahrene Männer mit Gedult und Höflichkeit gesalbt, und die Reibung war gelinde. Mein Vater hatte Ursache zum Misbehagen. Er hatte mich gefragt, ob ich viel Sachen aufzupacken hätte? Ich war politisch und sagte: ein ganz klein klein Mantelsäckchen. Nun blieben mir aber nach meinem Koffer den ich auf den Postwagen gegeben, noch übrig: 1. ein großer Mantelsack mit Kleidungsstücken. 2. ein großer Dito ganz mit schweren Büchern gefüllt. 3. ein kolossaler majestätischer Nachtsack. 4. ein Ränzchen. 5. ein Hut. Nun waren Samstag, mein Vater und Beifuß in der Jomkipperschul,8 und diese Zeit benuzte ich, um mit Hülfe der Bedienten jener Herrn, mein Gepack aufzuladen. Nr. 1 und 4 brachte ich auf des Beifuß Wagen, die übrigen auf meines Vaters seinen. Als dieser nach Hause kam, mußte Abends bei Lichte alles umgepackt werden; denn der Mantelsack mit Büchern war so aufgeladen, daß er den Wagen sehr hätte beschädigen können. Der scharfkandige Mozin,9 drohte mit Bohren und Schneiden. Da kam alles ins Innere des Wagens, so daß wir nicht sitzen konnten. Mein Vater brummte und sagte mir Anzüglichkeiten. Wir seufzten beide im Stillen und dachten wahrscheinlich: Ein Mal ist Kein Mal. – Das Beifüßchen ist ein sauberes Kerlchen. Eine Art Bonbonniere führte es bei sich, angefüllt mit weißen Halskragen, und wie man von Zeit zu Zeit, Pfeffermünzkügelchen einnimmt, nahm es mehrere Male im Tage, einen Kragen heraus. Es sagte: es könne nichts unsauberes an sich dulden. – Zwischen Ulm und Augsburg fragte mich mein Vater: „was ist denn die Otten für eine Frau?“10 Ich sagte: O! Sie ist 50 000 Gulden Werth ohne die Ausstaffirung. Es war Nacht, und ich wollte noch allerlei sagen, aber denken Sie, da kam der Erlkönig und wollte mich von der Seite meines Vaters reißen; da mich dieser gleich los ließ, 8 9

10

Gottesdienst am Jom Kippur. Das mehrbändige Nouveau Dictionnaire complet à l’usage des Allemands et des Français (1811/12) v. Abbé Dominique Joseph Mozin (1769–1840). JW (vgl. Br. 7).

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ward der König gerührt, und that mir nichts zu leid. – Auf meiner Ofenplatte ist ein Haut-Relief von Eisen, darstellend eine Tänzerin die das Tambourette spielt. Sie ist so schlank wie Sie, und sieht Ihnen auch im Gesichte ähnlich. Wie hold sie mich anlächlet, die schwarze Schöne! Adieu mein Wohlthuerin. Ich nenne Sie so, denn nicht blos für Gutthaten bin ich Ihnen verpflichtet, ich bin Ihnen alles schuldig. Sie sind meine Speise und meine Luft, mein Ohr, mein Auge und meine Zunge; Sie genieße ich in allem, und alles nur durch Sie. Bleiben Sie treu, nicht mir, sondern sich, dann bin ich geborgen. Ich schreibe nicht weiter, weil ich nicht säumen will, mir eine Wohnung zu finden, es scheint theuer zu seÿn im Wirthshause. Hätte ich nur schon Ihren Brief, und den süßen Fluch gelesen: Der Teufel soll Sie holen! – Esslair,11 jezt der größte deutsche Schauspieler, ist beim hiesigen Theater. Das wu[ß]ten Sie vielleicht nicht. Wenn Sie gleich Sonntag geschrieben, kann ich Morgen Mittwoch Ihren Brief haben, we[nn] Montag, übermorgen. Ich warte ihn ab, ehe ich wieder schreibe. – Sehr vergnügt war ich in Stuttgart, ich denke es wohl hier auch zu seÿn. Ahmen Sie mir nach. Die Zufriedenheit kömmt von innen. Die Erfahrung stumpft die Reizbarkeit ab, und das Alter überzieht unsere Empfindungen mit wohlthätigem Fett. Nicht der Schlaf aber das Einschlafen ist süß. Zwischen Schlafen und Wachen [Mor]gen’s wie Abends, ist das Herz am glücklichsten. B. g. W.

56.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt . München, den 12. Oktober 1821.

Nr. 15 München. 12 Okt. 1821.i Hu hu hu! Der Lausbub! Er war noch auf der Schulbank, da war ich schon Doktor. Und schon nach 6 Wochen Hochzeit! Der braucht sich nicht erst in alle vier Welttheile auf die Probe schicken zu lassen. Hu hu! Wie unglücklich bin ich! Geschieht mir aber Recht. Warum habe ich meinen Blick so hoch gewagt, warum habe ich nicht gewählt unter den Töchtern der i

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Adr.: Herrn Samuel Ochs Sohn Aelterer Für Madame Jeanette Wohl frei Frankfurt a/m. (Kuvert) Vgl. Br. 26.

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Erde, die sechs Wochen nach der Wahl Hochzeit machen! Komme ich in der andern Welt wieder zu meinem Herzen, dann will ichs besser machen. – Ich seegne Sie für Ihren Fluch. Aber was ich ein Thor war, besorgt gewesen zu seÿn um Ihre Zustimmung! Ich hätte es wissen können, daß Sie mir alles Verzeihen, nur nicht das Rückkehren. Weit, recht weit weg. Hundert Stunden trennen mich von Ihnen; aber Utzschneider hier verfertigt Teloscope wie keiner in Europa,1 und ich bin Ihnen so nahe als sonst. Ich sehe Sie, vor Behagen sich die Hände reiben, und zufrieden lächlen wie ein Kind. Sie müssen ganz glücklich seÿn, daß Sie Ruhe haben vor meiner Unruhe. Ich gönne Ihnen Ihr Glück, wahrhaftig ich freue mich darüber. – Gedacht habe ich daran, daß Sie der lange Tag2 wegen der späten Ablieferung der Briefe, die mir bekannt war, ungeduldig machen würde, aber das war mir Recht. Denn am Samstage hätten Sie doch keinen Brief von mir erhalten, und es war für Ihre Beruhigung besser, daß Sie die Verzögerung dem Feÿertage zuschreiben durften. Sie Göttin der Aengstlichkeit! Man sollte Sie mahlen mit Ketten an den Händen, die Sie sich selbst angelegt, damit Ihnen im Schlafe die Hände nicht gestohlen werden. Sie wissen, daß Päktchen ist angekommen, und jezt fragen Sie noch, ob nichts darin gefehlt? Um Sie zur Verzweiflung zu bringen, rechne ich den Inhalt nicht her. – Es nicht zu vergessen – meine Adresse ist: Max-Joseph:Platz Nr. 41. bei Hrn. Königshöfer. – Ihr Gespräch mit dem Dr. Goldschmith3 war ganz lakonisch, Sie sind eine wahre Spartanerin, bis auf die schwarze Suppe, mit der sich meine Esskünstlerin wohl nie befreunden wird. – Ich werde mir alles sehr genau ansehen, was sehenswürdig ist in München. Einiges wird heute und Morgen für dieses Jahr zum lezten male gezeigt. Ich muß mich darum eilen, und meine nachsten Briefe können nur kurz seÿn. Lesen Sie mir es nicht an, daß ich zerstreut bin? Wie könnte ich auch ruhig schreiben. Ich wohne auf einem großen Platze, denii eben jezt die schönste Sonne beii

Orig.: denn.

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Joseph v. Utzschneider (1763–1840), Unternehmer u. Politiker, 1819–1840 Mitglied der Abgeordnetenkammer des bayer. Landtages. U. gründete 1804 mit J. Liebherr u. Georg F. v. Reichenbach (1771–1826) das Mathemathisch-mechanische Institut in München, aus dem das Optische Institut hervorgegangen ist. Sein Teilhaber, der Instrumentenbauer Joseph v. Fraunhofer (1787–1826), entwickelte besonders leistungsfähige Objektive, mit denen ganz Europa beliefert wurde. Jom Kippur. Vgl. Br. 10.

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scheint. Es ist des Königs Namenstag. Unter meinen Fenstern glänzende Wachtparade mit der herrlichsten Musik. Mir pocht das Herz vor Lust, so oft ich so etwas sehe und höre, ob ich zwar glühend hasse diese Werkzeuge der Tÿrannei. Wie schön ist die Macht, auch noch im Misbrauche schön! Die Kraft des reinen Willens erquickt mich nicht, das ist Gottes Kraft. Will der Mensch sich seines eignen Willens erfreuen, dann muß er der Regel spotten und willkührlich seÿn; nur frech kann er sich freÿ fühlen. Ich wäre so ein schlimmer König als ich ein schlimmer Unterthan bin. Wie erträgt man’s nur kein Fürst zu seÿn? Man muß Sie lieben. – Ich muß mich ankleiden, um 11 Uhr hält die Akademie öffentliche Sitzung, das geschieht jährlich nur 2 Mal.4 Vielleicht morgen schon mehr. Ich will München genau kennen lernen, daß ich darüber schreiben kann. – Heute Abend ist Titus, und wie ein Kind freue ich mich schon die ganze Woche darauf. Das neue Schauspielhaus5 soll überaus glänzend, das Orchester, das beste in Deutschland seÿn. – Für alles das was ich vergesse Ihnen zu schreiben über München, oder was sich nicht dazu eignet, habe ich angefangen ein Tagebuch zu führen. Mit den Rheinbriefen wird sich dieses gut zusammengesellen. Fangen Sie nur gleich an meine hiesigen Briefe abschreiben zu lassen. Brief nach Brief, das ist leichtere Arbeit, als sie zusammenkommen zu lassen. – Meine Schuld an Adler6 wird mit der lezten Klasse wohl mehr als 25 fl. betragen, und es ist doch besser, daß er die Forderung ganz erhalte. Den Rest mag Steinthal nehmen. Ich will meinem Bruder schreiben; heute kann ich es nicht, auch nicht morgen. Den Lotteriezettel soll ich wohl aufgeben. Wie Sie wollen. – Wenn ich den Jean Bien drucken lasse, geschieht es am besten in den Almanach. Ich werde ihn anders benennen. Es soll keiner der Consonannten, die Jeanette Wohl enthält im Namen vorkommen. Aber die Vokale werden Sie mir doch erlauben? Sonst blieben mir ja blos i und u übrig, und ich müsste den Esskünstler Fitzli Butzli taufen. – Es macht mir Verdruß, daß ich nicht weiter schreiben kann, ich darf aber nichts versäumen. Ich opfere mein Vergnügen der Noth auf. Ich muß sehen, um zu beschreiben, beschreiben um Geld zu gewinnen, und Geld gewinnen um . . . um ja, um es zu verzehren. Es ist hier theuerer als in 4

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Am 12. Oktober, dem Namenstag v. König Maximilian I. Joseph (1756–1825), fand eine der beiden öffentlichen Sitzungen des Jahres 1821 der Bayerischen Akademie der Wissenschaften statt. Das National- und Hoftheater war 1818 eröffnet worden. Vgl. Br. 30.

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Stuttgart, zwar nicht theuerer als in Frankfurt; es giebt aber hier mehr Gelegenheit als dort, Geld zu brauchen. Wollen Sie nicht in den Vorschlag eingehen, den ich Ihnen neulich gemacht, sich verkaufen zu lassen, an den Pascha von Janina?7 – Adieu, Morgen oder Uebermorgen. Dr. Börne, geb. Wohl.

57.

A n L udw i g Bö r n e i n [ M ü n ch en]. [Frankfurt], den 11., 13. u. 14. Oktober 1821.

Donnerstag 11 September.i Ihre zwei Briefe vom 5 und 6 ten aus Stuttgart habe ich erhalten, Sie werden seitdem einen von mir vom 7 ten vorgefunden haben, der laut Befehl „nach München Post-restant adressirt war, und mit dem schönen Motto „der Teufel soll Sie hohlen“ begonnen hat. – Jezt horchen Sie auf, Sie Ungläubiger! Und dann gestehen Sie ein, daß ich Geschäftsgeist habe wie ein Minister. Mittwoch Vormittag hat S.1 Abschied genommen, und Mittwoch Nachmittag bin ich in die Stadt gezogen, wo ich erst heute nachts 11 Uhr ein Stündchen Zeit gewinne, Ihnen über alles mitzutheilen. – Wie eine Zentnerlast ist mirs vom Herzen gehoben! Ich fange jezt an mich zu erhohlen, und Sie sollen sehen, Sie werden in diesem Punkt mit mir zufrieden werden. Meine Wohnung ist sehr freundlich und bequem – mit Ihrer Aufführung war ich bis jezt auch zufrieden, und ich habe wahrscheinlich nicht falsch prophezeit, als ich mir einen ruhigen und zufriedenen Winter versprach. Aber daß Sie nach Wien wollen beunruhigt mich sehr. Nicht meine Aengstlichkeit, sondern die vieler Anderer muß hier in Anschlag gebracht werden „Sie wagten sehr viel, es sei keine thörichte Furchtsamkeit, und gegründete Gefahr“ was Sie denn in Oesterreich machen wollten? – Aber warum bleiben Sie nicht lieber eine Zeitlang in München? Da könnten Sie sich frei bewegen, angenehm leben, und treiben was Sie wollen. Bedenken i

O. O. u. Jg. – hs. Zusatz e. Bearb.: »1821.« – hs. Zusatz e. Bearb.: October. – o. Adr. – hs. Zusatz e. Bearb.: »an Dr. B. nach München.«

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Ali Pascha von Janina (vgl. Br. 49).

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Aloys Schmitt.

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Sie, daß ich Sie dazu bestimmt habe von hier wegzugehen, und daß wenn Ihnen böses wiederführe, ich mich als die Ursache, Veranlassung, und alles Unheils anklagen würde. Sie werden mich auslachen und Ihr komisches „Wehe!“ rufen, aber das heilt meine Angst nicht. Gegenwärtig bin ich zwahr noch sehr ruhig, dies zu Ihrem Troste, und auch weil Ihr Vater schon hinlänglich ängstlich, also auch vorsichtig sein wird. „Es wäre aber durchaus nicht zu trauen, man könne ihm sagen, Sie sollten kommen, um Sie zu locken, und wenn Sie dort, wären Sie steter Gefahr ausgesezt“. Ich begreife nicht wie Sie nach einem Lande gehen können, von dem mann solchen Argwohn hegen kann. Gehen Sie nicht von der Stelle, das heißt, nicht nach Wien, bis Sie mich darüber beruhigt haben. Wenn Sie unbesonnen handeln, dann laufe ich – – ans Ende der Welt, nicht nach Wien, so hart will ich Sie nicht bestrafen. Murhart frägt oft die Tante ob Sie bald zurückkömmen? Ist es wahr, das der Graf Bubna ein Judenmädchen, eine Eppinger geheirathet hat?2 Sie wissen ja das interressirt mich sehr, schreiben Sie doch dem Mandel nach Wien, und lassen Sie sich genau darüber berichten. – Ich, Guste, Samuel3 und Bernhardt,4 sind die Engelskinder, die sich mit dem abschreiben Ihrer Papiere beschäftigt haben. Sie werden in der Münchner „Gallerie schwehrlich Seiten=Stücke zu diesen Engelsköpfen finden. Die Idee wie Sie die Pariser Briefe benutzen wollen ist sehr gut. Wenn Sie das Tagebuch auch nicht mit den Rheinbriefen verschmelzen können, so kann ja dies recht gut als ein besonders, dabei aufgenommen werden. Sie dürfen nichts davon weglassen, es ist alles darin sehr gehaltvoll, interressant, und schön. – Ein großer Mann baut sich überall einen, neuen Weg und klammert sich nicht wie gewöhnliche Menschen am alten Schlendrian fest. Die erbärmliche Manichfaltigkeit die seit mehreren Jahren in den Almanachen zu finden, wird jeder gerne nicht finden mögen, Sie sind nun einmal dazu berufen, das Publikum zu bilden, und ich verspreche Ihnen im voraus, das jeder gerne diese Einfache Manichfaltigkeit, die in jedem guten Buche, es habe einen Namen wie es wolle zu finden ist, dem gewöhnlichen Almanachgemengsel vorziehen wird. Uebrigens bezeichnet ja

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Ferdinand Graf Bubna v. Lititz (1768–1825), österr. Feldherr und Diplomat, im April 1821 an der Niederwerfung der revolutionären Erhebung im Kgr. PiemontSardinien durch österr. Truppen führend beteiligt. Anders als JW meint, war er seit 1813 mit Wilhelmine Freiin v. Ahrenfeld (1790–1840) verheiratet. Vgl. Br. 29. Vgl. Br. 26.

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schon hinlänglich, der Titel den Sie dem Büchlein geben wollen, was der Leser davon zu erwarten hat. Nicht aus Aengstlichkeit sollten Sie dem Cotta den Almanach vorlesen, im Gegentheil, ich war so gewiß davon überzeugt, daß er ihm ausnehmend gefallen würde, daß ich mir Aufmunterung von ihm für Sie versprach, und daß er Ihnen ein bedeutendes Honorar dafür anbieten würde, Sie wissen ja daß ich nur Mißtrauen in Ihrem Fleiße setze, und nie in Ihrem Talente. Wie stehts mit der Wage? Wie weit sind Sie damit gekommen vor Ihrer Abreise? Sie haben sehr angenehm in Stuttgart gelebt, sagen Sie mir, aber gearbeitet? Hm! – Samstag 13ten. Eben erhalte ich Ihren Brief vom 9ten. Der blieb ziemlich lange aus. Warum sind Sie denn nur so ängstlich! Und warum sollte ich Ihnen denn böse sein weil Sie einen angenehemeren, und zweckmäßigern Aufenthalt gewählt? Von hier weg wollte ich Sie haben, weil Sie nicht allein unthätig, sondern auch unangenehm lebten. An einem andern Orte dachte ich würden Sie vergnügter, also auch thätiger sein, und daß Sie München mit Stuttgart verwechselt, halte ich für einen sehr glücklichen Tausch. Ich bin also doppelt, […]ii zufrieden und vergnügt, erstens daß Sie es sind, zweitens daß ich dazu beigetragen. Der Geldsorge wären Sie vor der Hand überhoben, jezt sein Sie auch darauf bedacht Ihren dortigen Aufenthalt gehörig zu benutzen, sein Sie hübsch fleißig mein lieber Herr, und weil ich Ihnen doch heuer den verlangten Topf […]iii Birnmuß so weit nicht schiken kann, so sollen Sie öfter ein kleines Schächtelchen voll Ermahnungen und guter Lehren erhalten, die schmeken zwahr nicht so süß als – Birnmuß, doch verschlucken Sie sie nur getrost, Sie werden Ihnen sehr heilsam sein. – […]iv Herr Döring Bücherverleiher,5 erzählt den Leuten merkwürdige Sachen von Ihnen! „Sie hätten sich jezt in Stuttgart etablirt, und, ein Mädchen aus Rödelheim geheirathet, daß Sie kennen gelernt, als Sie dort Ihre Religion verändert“ wir haben viel über diese Geschichte gelacht, sind Ihnen böse daß Sie uns gar nichts von Ihrer Verbindung mitgetheilt, gratuliren wir dazu. – Der kleine Hiller hat in de Groots Conzert gespielt, der junge hat selbst bei Kenner Bewunderung erregt, er macht jezt großes Aufii iii iv

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Durchgestr. Passage., vermutl.: und dreifach. Unkenntlich gem. Wort. Unkenntl. gem. Passage. D. hatte eine Buchhandlung in der großen Sandgasse (vgl. Bs Aufsatz in: Wage (1821), Bd. 2, H. 3).

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sehen hier, es soll ein Wunderkind sein.6 Ausser dem Erlkönig scheinen Sie noch wenig Abenteuer auf Ihrer Reise erlebt zu haben. Ich wünschte Sie begegneten einmal stat einem erdichteten König einem wirklichen Prinzen, Grafen, oder sonstigen großen Herrn, von dem Sie mir berichteten „der hat mich mit auf seinen Gütern genommen, er will mich zu einem reichen Manne machen“ und wenn ich es auch nur deswegen wünschen sollte, damit Sie von Ihrem Vater kein Geld mehr zu fordern brauchten, das macht mir immer verdruß. Sein Sie einmal endlich gescheid, sehen Sie sich viel um, bemühen Sie sich um das sogenannte Glück, vielleicht erreichen Sie es dann von einer ganz unerwarteten Seite. Es ist zwahr Ihre Ansicht, das Glück müße ungerufen kommen, aber bei Ihnen scheint es eigensinniger zu sein, Sie sollen sich darum bemühen. – Hat Ihnen Müllner noch nicht geantwortet? Das sollte mich wundern. ––– Ich werde davon abgehalten Ihnen heute mehr zu sagen als ein Lebewohl, weil ich nicht bis morgen verschieben wollte. Nächstens und recht bald mehr von Ihrer Freundin. J. Wohl. Sonntag 14ten

58.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt . München, den 13. u. 14. Oktober 1821.

Nr. 16 München d. 13. Okt. 1821.i Ich fühle mich beschämt, denke ich daran, daß ich Ihren Brief so spät beantworte – ich fühle mich beschämt, denn ist es eine Ehre mit einem Frauenzimmer umzugehen, das (ausser der Mittagsstunde) gar nicht weiß in welcher Zeit es lebt? Ihr lezter Brief war am 7ten September ausgestellt! Wahrhaftig, diese 5 Wochen sind mir so schnell als 5 Tage vorübergegani

Adr.: Herrn Samuel Ochs Sohn Aelterer Für Madame Jeanette Wohl. Frankfurt a/m frei. (Kuvert)

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Ferdinand Hiller (1811–1885), Pianist u. Komponist, Sohn des Frankfurter Kaufmanns Justus H. (bis 1814 Isaak Hildesheimer), Schüler v. Aloys Schmitt. Das sog. Wunderkind trat bereits mit zehn Jahren öffentlich auf. Anfang der 1830er Jahre lebte H. in Paris, wo er B häufiger begegnete.

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gen. Ich möchte Sie die Zeitlose nennen, aber ich habe keine Naturgeschichte bei der Hand, und weiß nicht, ob dieses eine schöne oder häßliche Pflanze ist. In andern Dingen sind Sie sehr gründlich in Ihren Briefen. Sie schreiben: Va banc, und nicht wie das seichte Volk: banque, denn das Wort Spielbank kömmt von Sitzbank her, welche im Französischen banc heißt. Aber, liebes Kind, mit den Wölfen muß man heulen, schreiben Sie künftig va banque! Wir wollen wieder einmal abrechnen. 1. Rath. 2. Schahm. 3. […]ii. 4. [Pf ]orderung.iii 5. banc. In 8 Wochen nicht mehr als 5 Fehler! Sie sind ein Wunder der Literatur. Die einzige Frau, seit Erschaffung der Welt, die gar keine orthographische Fehler gemacht hat, war unsere Mutter Eva, denn diese konnte noch nicht schreiben. – Der Baron v. Eichthal (Seeligman) hier, und seine Kinder und Schwiegerkinder (welche leztere alle getauft sind) gehören zu den ersten Häusern in München.1 Forschen Sie doch aus, ob die Bettÿ Speier,2 welche mit dieser Familie nahe verwandt ist, mit derselben in guten Vernehmen steht. In diesem Falle würde ich ihr schreiben, und sie um Empfehlungen bitten. – Ich habe gestern Abend den Titus gesehen, worauf ich so begierig war. Das Schauspielhaus wurde erst vor anderthalb Jahren vollendet, es ist groß, bequem und prächtig. Zur Feÿer des Namenstags des Königs war es von unten bis oben beleuchtet. Die Dekorationen sind herrlich, und würden mich noch mehr überrascht haben, wenn nicht die Dekorationen grade zu dieser Oper, auch in Frankfurt zu den vorzüglichsten gehörten. Den Glanz und Reichthum des Kostüms, die Fülle und Menge bei den Aufzügen, kann ich Ihnen nicht beschreiben. Das Orchester übertrifft noch das Unsere, was es ausser seiner größern Zahl, wohl auch seiner architektonischen Einrichtung verdankt: Das Orchester selbst ist ein Instrument. Die Spieler sitzen so viel Tiefer als das Parterre, daß sie, selbst stehend, mit den Köpfen nicht über die Scheiii iii

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Geschw. Passage., vermutl.: Judenback (R IV, 400). Pf ist geschwärzt. Aron Elias Seligmann Freiherr v. Eichthal (1747–1824) aus Leimen b. Heidelberg, seit 1811 katholisch konvertiert, Bankier und kurfürstl.-bayer. Hoffaktor, mit der Verlegung der Residenz der Wittelsbacher nach München dorthin umgesiedelt; verh. mit Hintele modo Henriette Levi (1746–1831), Tochter des Jakob L. und der Chaile Kaulla. Die ebenfalls katholisch getauften und nobilitierten Söhne David (1767– 1851) und Simon (1787–1854) gehörten zu den vermögendsten Hof- und Staatsbankiers Bayerns. Vgl. Br. 35.

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dewand vom Parterre hienausragen, und sitzend gar nicht gesehen werden. Auf diese Weise werden Resonanzwände gebildet, die zur Stärke und Fülle des Tons sehr viel beitragen müssen. Die Sänger sind gut, einige derselben vorzüglich. Und doch habe ich Langeweile empfunden! Mozart hat Zahnschmerzen gehabt als er diese Oper schrieb, oder, ich wollte wetten, sie war eine bestellte Hofarbeit, die der Künstler mit übler Laune verfertigte. Gestehen Sie, daß nur allein der Marsch, der doch in einem Stücke wo sich römischer Kriegsprunk entfaltet, bedeutend seÿn soll, sehr abgeschmackt ist, und daß er weit unter dem der Vestalin3 steht, der doch auch kein Meisterwerk genannt werden kann. Der König war nicht im Theater, aber der Kronprinz.4 Als dieser eintratt ward er mit Vivat und Trompeten empfangen, er zog sich aber gleich zurück. Endlich begann die Ouvertüre. Nachdem diese zum Theile abgespielt war, trat der Kronprinz mit seinen Brüdern wieder in die Loge. Abermals Vivat, die Trompeten mischten sich hienein, und die unterbrochene Ouvertüre mußte wieder von vorn angefangen werden. Einem Demokraten wie mir, konnte das nicht gefallen. Aber das dumme Volk gab mir eine kleine Schadenfreude. Wenn so ein Elephant zart seÿn will! Sonst sind sie wie toll hier, mit Beifallklatschen und Herausrufen; heute aber unterließen sie es, weil sie dem Prinzen applaudirt hatten. Sie unterdrückten aber ihre Lust mit so sichtbarer Anstrengung, und riefen so, drohend und emsig still, wenn sich einer oder der andere Luft machen wollte, daß diese Ehrfurcht – wenigstens mich beleidigt hätte. Ein Fürst ist nichts anderes als ein Komödiant, nur daß er blos tragische Rollen spielt, und sich theuerer bezahlen läßt als ein Anderer. – Gestern hielt die Akademie öffentliche Sitzung, ich konnte aber nicht mehr in den Saal kommen, er war zu voll. Daran ist nichts verlohren, es wird eine Rede gehalten, die später im Drucke erscheint. – Die Iris brauchen Sie mir nicht zu schicken, sie wird hier im Museum5 gehalten. – Von Sehenswürdigkeiten habe ich erst besucht, das Kabinet der Naturalien,6 der phÿsischen, optischen, mathematischen u. mechanischen Instrumente; weil es für dieses

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Die Vestalin, Oper v. Spontini (1807). Ludwig I. (1786–1868), 1825–1848 Kg. v. Bayern. Das 1802 gegründete Museum bezeichnete sich als literarisches Institut für das gehobene Stadtbürgertum u. die Hof- und Staatsbeamten, denen Gelegenheit zu einer gebildeten geselligen Unterhaltung gegeben werden sollte. Ab 1809 war das Münchner Naturalienkabinett im Wilhelminum, seit 1783 Sitz der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, zu sehen.

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Jahr geschlossen wird, machte ich hiermit den Anfang. Bei solchen Anschauungen lernt man und erfährt man nichts, als wie groß die Wissenschaft und wie klein das Wissen ist – nehmlich Meines. Ich habe mich gewundert wie ein Hotentotte. Krokodill, Colibri und Electrisirmaschiene ausgenommen, war mir alles unbekannt, und keiner fand sich der mir Erklärung geben konnte. Es ist niederdrückend. – Jener Esel hatte es viel besser als ich; der stand doch nur zwischen zwei Heubündeln.7 Mich aber nekken zwanzig. Wozu soll ich greifen? Soll ich die in Deutschland einzigen Kunstwerke die sich hier finden, gehörig sehen, gehörig kennen lernen, um sie dann gehörig zu genießen? Das würde alle meine Zeit rauben. Soll ich mich mit Fleiß an den Almanach machen? Zuerst müßte die Wage fertig seÿn. Soll ich in hiesigen Blättern über Theater schreiben, um mich bekannt zu machen, auch einen Nothpfennig zu gewinnen? Ma Bonne, was soll ich thun? Aber nicht rathen, befehlen müssen Sie Ihrem Esel. – Meine Schwester hat einen herrlichen Jungen von 15 Jahren, der studieren soll.8 Geist und Fleiß. Da habe ich nun eine Noth mit seinem Vater. Der Junge wendet allen seinen Ernst auf alte Sprachen, Mathematik, und andere solche gediegene Sachen. Der Vater sagt, er solle sich für’s Leben bilden und sich mehr mit neuen Sprachen beschäftigen. Ich soll ihm vorpredigen. Er hat nicht ganz Unrecht, aber ich denke, in den alten ist der wahre Grundbesitz, zu Geld und Münze kann man immer kommen, wenn man Land hat. Mein Neffe liest die schwehrsten griechischen Tragiker wie wir den Kotzebue. Er hält mich für einen breiten Gelehrten, und ich lasse ihm seinen unschuldigen Wahn. Gestern verstand ich irgend wo eine alte Inschrift nicht. Ich ließ mir nichts merken, und sagte zu meinem Schulbuben mit Lachen: Nun Junge, ich will einmal sehen, ob Du etwas gelernt hast, übersetz’ mir das. Er that es, und jezt wußte ich was ich wissen wollte. Dabei kam ich mir vor, wie Don Ranudo di Colibrados,9 der vorgeblich aus Spas, aber eigentlich aus Hungerleiderei dem Bauer den Käse wegißt. Die Schule hier hat eine vortreffliche Einrichtung, bei den Schülern durch Wetteifer den Fleiß zu unterhalten. Halbjährlich werden in einem Programm, die Schüler in der Ordnung ihrer Tauglichkeit öffentlich genannt. So steht mein Neffe als der 4te unter 59 Schülern seiner Klasse angeführt. Ueber 7 8

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Vgl. das Johannes Buridan (1300–1358) zugeschriebene Gleichnis (Buridans Esel). Louis Spiro (1806–1837), zweitältester Sohn v. Bs Schwester Amalie und Beer Salomon S. August v. Kotzebue, Don Ranudo de Colibrados (1803).

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diese Anregung des Ehrgeitzes brummt mein Schwager, weil dadurch sein Sohn vom Französischen und Englischen abgezogen wird. – Ich habe ein kleines aber sehr schönes Gedicht gemacht, ich theile es Ihnen mit. Weinlied Ein Land ohne Wein Nein, nein, nein. Dr. Ludwig Börne. Der Wein ist hier sehr theuer, denn im Lande wächst keiner. Das würde mich nun nicht abhalten welchen zu trinken, aber er ist auch schlecht. Ich trinke also Bier wie alle Welt, welches hier vortrefflich. Es ist komisch zu sehen, wie reiche Leute meines Gleichen Bier trinken. Ich fühle mich schon so schwehr wie ein Elephant. Von Jean Paul habe ich erzählen hören, er könne Baÿreuth nicht verlassen des dortigen Bieres wegen. Es ist wirklich das stärkste Band, welches die Baiern an ihr Vaterland knüpft, und wenn sie singen: Das glückliche Volk am Isarstrande, unter Max-Joseph’s mildem Szepter – so meinen sie ihr Bier. Es haben mir Leute hier gesagt, daß sie auf Reisen in Weinländern krank würden, daß ihnen die Adern wie austrockneten, und daß sie nach ihrer Rückkehr erst beim Bierkruge wieder auflebten. – Lesen Sie im Morgenblatte, etwa vom Anfange Septembers und so fort bis in den Oktober hienein: Rückerts Gedichte aus Neapel.10 Die sind herrlich, und ganz eigenthümlicher Art! – Wenn Ihnen, Ihres Freundes wegen, daran gelegen ist, München kennen zu lernen, suchen Sie sich zu verschaffen: „München unter Maximilian Joseph I. von Dr. Christian Müller.“ 2 Bände. Es ist in Mainz herausgekommen vor 3 Jahren.11 Sollte keine Leihbibliothek das Buch besitzen, so lassen Sie bei Demmert12 etwa durch Samuel, darnach fragen, und es ihm in meinem Namen empfehlen. Dann schafft er es an . . In Mainz bei Kupferberg ist es erschienen.13 – Sie nennen sich „Schwester des bekannten Kapuziners“ und wissen nicht einmal, daß Kapuziner nicht heirathen dürfen. Wie dumm! – – Sonntag d. 14. Sie betragen sich schön, an Ihnen erlebe ich viele Freude.

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Friedrich Rückert (1788–1866), Gedichte aus Neapel in: Morgenblatt, 22. September –11. Oktober 1821 (in mehreren Folgen). Christian Müller, München unter Maximilian Joseph I. Ein historischer Versuch zu Baierns rechter Würdigung. 2 Bde. 1816/17. Lorenz Demmert, Inhaber einer Buchhandlung in der Frankfurter Döngesgasse. Der Mainzer Verlag war 1808 von Florian Kupferberg (1773–1851) gegründet worden.

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Ich habe gestern meinen Brief noch zurückbehalten, weil ich hoffte, heute einen Brief von Ihnen zu erhalten. Haben Sie wieder Besuche gehabt? – Ich habe noch keine Bekanntschaften gemacht, morgen will ich damit anfangen. Ungern thue ich es, ich möchte meine Zeit schonen. – Sie haben mir noch kein Wort von den Ochsen geschrieben. Wird viel an mich gedacht? Ziehen Sie bald in Ihre Stadtwohnung? Dann wird wohl die Adresse meiner Briefe an Sie verändert werden müssen. Sie werden mich zu seiner Zeit davon unterrichten. – Sie wollen wissen, wie ich in Stuttgart meine Tage zugebracht? Das würde kein Buch ausfüllen. Ich bin mit einigen verständigen Leuten umgegangen, ich habe viel gelacht, viel getrunken, viel getanzt, viel gelesen, etwas geschrieben und beständig an Sie gedacht. Es sieht nicht aus, als würde es mir hier so gut werden, ob zwar München an äussern Vorzügen nicht hinter Stuttgart zurücksteht. Aber es geht mancher Stadt wie manchen Menschen: man findet sie liebenswürdiger als Andere, ohne für die Vorliebe zu ihnen einen Grund zu finden. Ich habe in Stuttgart einen gebildeten Berliner kennen gelernt, der seit 4 Jahren in Europa herumreist, in Italien allein sich 2 ½ Jahre aufgehalten hat, und der sagte mir, in München habe er es nicht acht Tage aushalten können. In Stuttgart lebte er schon 6 Wochen und konnte sich nicht losreisen. Er überredete sich, er wolle sich dort von den Beschwehrden seiner langen Reise ausruhen. Das Bier in München wirkt nicht gut auf das gesellige Leben. Es giebt den Leuten, auch von Geist und Bildung, eine gewisse Klebrigkeit, die den Fremden nicht aufmuntert sich ihnen anzuschließen. Bachus lebe! Adieu Blondchen. B. g. W.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 19. Oktober 1821.

Nr. 17 München d. 18 Okt. 1821.i 19. Okt. Der Teufel soll Sie holen! . . Sie waren schon wieder zu voreilig; ich meine ja nicht Sie sondern sie – die Post. Was ich mich geängstigt habe! Ihr lezter Brief war vom 7ten, und bis heute Morgen, also seit 12 Tagen, hatte ich keine Nachrichten von Ihnen. Also 6 Tage wurde der Brief aufgei

Adr.: Herrn Samuel Ochs Sohn Aelterer Für Madame Jeanette Wohl in Frankfurt a/m frei (Kuvert).

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halten. Ach, ich wollte Sie wären mir so gleichgültig als eine trockne Semmel. Man hat ja kaum die Kraft, sich selbst genug zu lieben, und doch ist man so thörigt seine Neigung nach aussen zu wenden! Eine ganze schwarze Bildergallerie ging vor meinen Augen vorüber. Was Ihnen begegnet seÿn mochte! Reils Fieberlehre1 und alle Leiden der Ortenbergischen Familie,2 erschöpften meine Angst nicht. Nun, jezt ist es gut. – Sie sagen, jezt sei eine Zentnerlast von Ihrer Brust genommen . . Ich bedanke mich, Madame, für die funfzig Pfund, die auf mich kommen. Ich ersehe mit Vergnügen daraus, daß nicht ein Mal die Hälfte meines Wesens Ihnen zur Last war, denn ich wiege mehr als 120 Pfund. Das, vom Verfasser der Wage. – Wenn die Aengstlichkeit überlegt und berathschlagt, dann wird sie vollends blind. Was Sie mir von Wien reden! Nicht vor den Uebelthaten dieser Herren, von ihren Schmeicheleien wäre mir bange. Sie würden suchen mich in ihr Netz zu ziehen, sie haben schon Andere Vögel, die gepfiffen haben wie ich, kirre gemacht. Sie beobachten Einen, sie erforschen jede zugängige Seite, sie erfahren jede Sekunde der Schwachheit. Und meine Tugend reicht nicht weiter, als daß ich mit Ernst die Versuchung fliehe. Ich werde also nicht nach Wien, am wenigsten so lange mein Vater dort ist. Uebrigens, was mich hinzöge, wäre nur der Forschungstrieb. Oesterreich ist ein merkwürdiges Land, das Europäische China. Ich habe das Meer noch nie vom Ufer ausgesehen – ich meine das Politische, und das sieht man nur in Wien. Angenehmes Leben, was man darunter versteht, würde ich da nicht suchen, wo man für nichts Höheres Sinn hat, und was noch schlimmer ist, zeigen darf, als für die feineren und gröberen Genüsse der Sinne. Doch müssen Sie nicht denken, daß die Oesterreichische Regierung eine türkische sei. Das schlimmste was mir widerfahren könnte, wäre, daß man mich aus dem Lande jagte. Willkommen romantischer Stoff, Du würdest meinen Almanach zieren! – Nach Graf Bubna will ich mich erkundigen, aber an Mandel kann ich nicht schreiben, ich weiß seine Adresse nicht, auch würde er plaudern. – Mit meines Vaters mir zugesagten Unterstützung hat es nicht viel zu bedeuten. Meine Schwester sagt mir, er habe ihr nur zu 5 Carolin Vollmacht gegeben, sie wolle es aber bis zu 10 treiben. Das ist Alles! Indessen würde das bis zum Monate Dezember ausreichen, wo ich meine Pension einnehme. – Sie haben also gelacht über meine Verbindung mit einem Rödelheimer Mädchen? Wie froh bin ich! Ich war so angst Sie 1 2

Johann Christian Reil, Ueber die Erkenntniß und Cur der Fieber, 5 Bde., 1799–1815. Vgl. August v. Kotzebue, Die Leiden der Ortenbergischen Familie, 2 Teile, 1785/92.

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möchten sich darüber grämen. Als ich vor 3 Jahren in Rödelheim war, ging ich eines Abends von dort nach Hausen. Da hörte ich hinter mir eine Stimme, welche rief: Sie verliehren Ihr Schnupftuch. Ich kehrte mich um, gewahrte in der Warnerin ein wunderschönes Mädchen, und mein Dank ward um so wärmer. Wir wurden bekannt miteinander, aber nicht genug, und darum heiratheten wir uns. Dankbarkeit schloß diese Verbindung, Liebe kam erst später dazu. Jezt, verehrte Freundin, lassen Sie ein vernünftiges Wort mit sich reden. Ich bin versorgt, und muß jezt für Sie Sorge tragen. Ich habe Ihnen hier einen Mann ausgefunden, einen prächtigen Mann: Dr. Breslau,3 Hausarzt meiner Schwester.4 Wir haben zusammen in Halle studiert; er erkannte mich gleich wieder, ich aber erinnerte mich seiner nicht. In meinem Alter, höchstens 2 bis 3 Jahre mehr als ich. Dr. Breslau, ist der seelige Dr. Oppenheimer,5 wie er in frühern Jahren gewesen seÿn muß – eine Aehnlichkeit zum erschrecken. Meine Schwester schrie laut auf vor Freude, als ich ihr die Bemerkung machte, denn sie selbst hatte das auch gefunden. Die Gestalt, die Sprache, die Gestikulationen, das Nekkische, die Bravheit, ja sogar den schwankenden Gang. Lezteres kam dem Dr. Breslau aus dem russischen Feldzuge, wo er sich die Fußzehen erfroren hat. Er diente mehrere Jahre als Militairarzt bei den Franzosen, war bis Moskau, lange in Paris, noch bei der Schlacht von Waterloo. Erst drei bis vier Jahre practizirt er hier, und hat als Militair-Spitalarzt ein gewisses sicheres Einkommen. Meine Schwester sagt mir, sei[n]ii jetziges Einkommen beliefe sich jährlich über 2000 Gulden, es werde aber steigen, denn er seÿ geschickt und angesehen. Ich habe mich nach seinem Charakter erkundigt, er wurde mir gelobt. Den einzigen Fehler hat er, daß er bei Veränderung des Wetters mürrisch wird, weil ihm dann seine Narben schmerzen. Er hat alle seine Fußzehen verlohren, welches ihn aber im Gehen nicht hindert, er läuft schneller als ich. Mir gefällt er ungemein. Nichts vom Philister. Er hat mir gesagt, ich sollte ihm eine Frau mit Geld schaffen. Es sei ihm hauptii

Orig.: seit.

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Heinrich Breslau (1784–1851), Militärarzt in napoleonischen Diensten, später praktischer Arzt u. Universitätsprof. in München (1828), seit 1834 Leibarzt König Ludwigs I. Amalie Baruch (vgl. Br. 39). Seligmann Josef Oppenheimer (1767–1817), jüd. Arzt u. Schulrat in Frankfurt am Main (vgl. Br. 29).

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sächlich darum ans Heirathen gelegen, damit er einen Klotz an die Füße bekäme, denn er fürchte, daß er bei der ersten Gelegenheit wieder in die Welt hieneinlief[e]. Kind, verscherze Dein Glück nicht, auf mich darfst Du Dir keine Rechnung machen, denn ich lebe mit meiner Rödelheimerin, die Gott sei Dank eine dumme Gans ist, sehr glücklich. – Müllner hat mir nicht geantwortet. Thuht nichts. – Mit Ihrem künftigen Herrn Gemahl und seiner unverheiratheten Schwester (merken Sie was?) war ich vorgestern in Nÿmphenburg. Das ist die Sommerwohnung des Königs. Der Garten, wie der Schwetzinger,6 mit Wasserkünsten u. s. w. Ich habe die Königliche Familie speisen sehen. Wahrhaftig diese Götter essen mit dem Munde, wie wir auch. 24 Gäste hatten etwa 30 Bediente zur Aufwartung! Die meisten in weiß seidnen Strümpfen, mehrere aber in schwarzen. Ich weiß nicht was das bedeutet. Ein Zeremonienmeister mit Degen, und Hut unter dem Arm, ging im Zimmer auf und ab. Alle Teller von Silber. Vor jedem Gaste stand eine bedeckte silberne Schüssel, was darin war weiß ich nicht. Kein Wort wurde gesprochen, zuweilen nur lispelte der König und die Konigin. Die langeweile wurde gefüttert. Etwas in Nÿmphenburg hat mir viele Freude gemacht. Ein berühmter Mechaniker in München Herr v. Bader,7 hat vor einigen Jahren einen Wasserstuhl erfunden. Man sezt sich hienein und darauf wie in einen Lehn[se]ssel, hat ein Tischchen vor sich, worauf man ein Buch legen kann, und ohne Ruder, nur durch eine leichte Bewegung der Füße, schifft man sich, auf dem großen mit Inseln besäten Teiche des Gartens, hin und her. Sie können sich die Lust nicht denken, so ganz allein und ohne Anstrengung herumzuschiffen, und an die Inseln zu landen. Der Mechanismus ist einfach. Zwei luftleere Kasten erhalten den Stuhl über dem Wasser, und die Bewegung geschieht durch eine Vorrichtung die den Entenfüssen nachgeahmt ist. – So eben kömmt der Dr. Breslau und ladet mich zum Mittagsgessen ein. Beim Teufel, wie die Räthin

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Die Gartenanlage in Schloß Nymphenburg wurde vom kgl. Hofgartenintendant Friedrich Ludwig Sckell (1750–1823) im englischen Landgartenstil nach dem Vorbild des Schwetzinger Hofgartens umgestaltet. B benutzte ein aus zwei Schwimmkörpern und Sitz bestehendes Wasserfahrrad, das durch zwei mit einem Schaufelrad verbundene Tretbretter bewegt wurde. Der Konstrukteur war Joseph v. Baader (1763–1835), kgl.-bayer. Maschinen- u. Bergbaudirektor, der sich 1819 für den Bau einer eisernen Commerzstrasse zwischen Nürnberg und Fürth einsetzte. 1825 präsentierte er im Park von Nymphenburg ein maßstabgetreues Modell der englischen Eisenbahn.

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Oppenheim8 den sähe, das gäbe ein Unglück! Sie fiele ihm um den Hals – „ja Du bist mein seeliger Mann, ich lasse Dich nicht los, ich bin Deine Frau, ich will es nicht untersuchen warum Du mich verlassen hast, alles sei vergessen, komm’ nur wieder in meine Arme.“ – – Gestern habe ich die Bibliotheck9 besucht. In 54 Sälen und Zimmern stehen 300 000 Bände, ohne die Doubletten zu rechnen. Handschriften die 1300 Jahre alt sind, dummes Zeug! Ein Hospital, die herrschenden Krankheiten des menschlichen Geistes beherbergend, ein anatomisches Kabinett alle die misgestalteten Auswüchse der Seele, in Weingeist verewigend – das ist so eine Bibliothek. Und der Wahrheiten sind so wenig unter den Irrthümern, als der gesunden Wächter im Krankenhause. – Heute Abend ist die erste italiänische Oper. Das soll eine Wonne seÿn, sagen die Münchner. Sie sind wie toll mit ihrer Musik. Auch spricht alle Welt italiänisch. – Eine Ungebundenheit herrscht hier im Leben, die gar nicht zu beschreiben ist. Bei uns ist das lockerste doch wenigstens brochirt. Treue, Beständigkeit, Sitte, Anstand, das hängt an keinem seidnen Faden. Die Lüderlichkeit ist hier so feste Regel, daß sie ohne Leidenschaft ist und gelassen bleibt. Das macht die katholische Religion, und das macht, das jährlich zwei Monate lang, öffentliche Schule der Sittenlosigkeit gehalten wird – das Carneval. Wie wahnsinnig gebehrdet sich da alles in Bachantischer Lust. Von Morgen bis Abend, durch die Nacht; kein Haus ist unzugänglich, alle Straßen voll, alle Stände vermischt. Da werden unter den verschwiegenen Masken, die Liebeshändel für das ganze Jahre geschlossen. In Deutschland findet sich so ein Treiben nicht mehr, es ist wie in Italien. Ich habe mir das alle erzählen lassen. Ich danke Gott, daß ich vom Apoll nichts habe, als eine Saite seiner Leÿer. – Am vorigen Sonntage war ich auf einer „Freinacht“. So nennt man hier die Bälle für Bürgermädchen, wie etwa in Frankfurt hinter der Rose. Bis 2 Uhr bin ich geblieben, und habe mich ungemein ergözt. Aber Leute meines Standes tanzen dort nicht, man macht nur den Zuschauer. Ich horchte aber auch. Wenn ich auf einem zweiten Balle noch Mehreres gesammelt, beschreibe ich das Leben, nach Art des Esskünstlers. – Ein Jouÿ10 fände hier Stoff genug, ich will versuchen was ich vermag. Auch in Kirchen treibe ich mich 8 9

10

Julie Oppenheimer, geb. Kulp, Witwe v. Seligmann Josef O. (vgl. o.). Die heutige Bayerische Staatsbibliothek, 1558 als Münchner Hofbibliothek gegründet, im 19. Jahrhundert mit der kurpfälzischen Hofbibliothek zusammengelegt, seitdem eine der größten Bibliotheken Europas. Victor-Joseph-Étienne de Jouy, Librettist u. Schriftsteller.

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viel umher. Sie sind gewöhnlich offen für den Heiligen-Götzendienst. Jedes Mütterchen hat seinen eignen Patron zu dem es betet. An den Kapellen hängen Votif-Tafeln. „Die Jungfrau Maria hat mir geholfen in der schwehren Krankheit meines Kindes. Den 30 Sept. 1821“ und dergl. Man lernt katholisches Wesen kennen, und – nicht achten, aber schätzen. Eine 45jährige Frau von Stande, mit Spuren großer Schönheit, sah ich vor dem Bilde der reuigen Magdalena knieen. Die Mess-Pfaffen plärren den ganzen Tag. Es ist so lästig immer zu Fuße zu gehen! Ein armer Teufel, den die katholische Kirche eingeschläfert, träumt wohl zuweilen, er fliege. Vielleicht werde ich noch einmal katholisch, man muß von allem kosten. – Ein junger Mensch in Frankreich wohnte mit seinem Weibe in einem Garten. Er pflegte sich im Pistolenschießen zu üben, und die Thüre eines verlassenen Treibhauses war das Ziel. Die Thüre hatte den Kugeln noch immer widerstanden. Kürzlich schießt er wieder, da dringt ein gellender Schrei in sein Ohr. Er fliegt hin, und seine Gattin sinkt ihm mit den Worten: Jules tu m’as tué, sterbend in die Arme. Ich las das gestern, und man muß sich so etwas mittheilen. Denn wenn man gewahrt, wie entsezlich zwar der höchste Jammer, aber wie selten er auch ist, lernt man die Widerwärtigkeiten des Lebens ruhig ertragen. Wir müssen gerecht seÿn; das Unglück spielt doch lange, ehe es einmal Ernst treibt. Adieu, Madame Breslau. Dr. Börne, geb. Wohl, verehl. Breslau. Ich freue mich, daß S.[chmitt] verreist, und daß Sie den Winter ruhiger zubringen werden. Ich wollte er wäre in meine Gegend gekommen. Ich begreife diesen Menschen nicht, er liebt und ist ein Künstler und reist nach Norden! Lehren kann er dort viel, aber nichts lernen. Seiner Liebe und seiner Kunst, ich traue beiden nicht viel. Aber Sie gute Seele täuschen sich wieder. In dem Betragen der alten W.11 ist nichts was eine veränderte Gesinnung anzeigte. Man ändert sich nicht in solchen Jahren. Sie wird auch wissen, daß S. verreist, und die Hoffnung die sie daraus schöpft, macht sie nachgiebig. Die G.[uste] von Frankfurt wegzubringen, davon würde ich mir immer noch viel versprechen; Sie glauben nicht, was neue Verhältnisse thun. Hierher sollten Sie kommen, und ich bürge dafür, in 6 Monaten soll es nur noch die Treue seÿn, die sie an S. fesselt. 11

Breunle Wohl (geb. Schwab), Mutter v. Auguste u. Tante v. JW. B deutet hier familiäre Konflikte vor der Eheschließung Aloys Schmitts u. Auguste (Guste) W.s 1824 an, die in Schmitts kath. Religionszugehörigkeit begründet waren: Augustes Vater drohte seiner Tochter mit Enterbung für den Fall der Heirat u. Taufe (vgl. Br. 35).

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An L udw i g Bö r n e i n [ Fr a n k fu rt ]. [München], den 19. Oktober 1821.

Freitag 19 Oktober 1821i Sie leihen die Maske der Demuth, und verstecken sich hinter dem Esel! Aber diese List verbirgt den Schalck nicht, der ganz deutlich in der Bitte versteckt liegt „Ma Bonne, befehlen Sie Ihrem Esel“. Das heißt das er bis eine entscheidente Antwort kömmt, müßig herumschlendern kann. Wenn Sie auch den Schalck ableugnen, bleiben Sie doch ein ungerathnes Thier, denn ein jeder gute Esel thut seine Schuldigkeit Sie aber thun nichts! Da Sie sich freiwillig zwischen zwei Heubindel gepflanzt (eine poetische Situation) so sollen Sie auch die große Gabe der Geduld jezt ausüben lernen! – Wie, ein, Wag Heft ist noch nicht einmal fertig!? Die Zeit der Abwesenheit scheint Ihnen kurz zu werden. Ich muß Ihnen vorrechnen, daß es schon an zwei Monate sind. Was haben Sie denn die lange Zeit in Stuttgart gemacht? Sie haben sich wahrscheinlich in der Deklamations=Kunst zu vervollkommnen gesucht, wie ich höre haben Sie dort mit einer Schauspielerin in einem Hause gewohnt. Warum überlassen Sie andern Leuten zu ergänzen was Sie mir zu schreiben vergeßen?! – Ich befehle also meinem verwandelten Eselsau[tor]en, denn für die Benennung mein lieber Freund, muß ich mich für jezt wohl hüt[en] daß wenn Sie eine Zeitlang in München zu bleiben gedenken, wo möglich ein eig[enes] wöchentliches Blatt, etwa wie die Iris1 herauszugeben, oder wenn dies [nicht gehen] sollte, unter Ihrem Namen in anderen Blättern das heißt besonderes in elegante, dort zu arbeiten, das würde Ihnen Geld einbringen, und Sie vortheilhaft bekannt machen, Sie würden gesucht werden, und dadurch angenehmer leben. Dann sollen Sie ein Wagheft, an dem Sie doch schon so lange vorgearbeitet endlich fertig machen, und endlich drucken lassen. Und dann sollen Sie, meinen geliebten Almanach vornehmen. Behandeln Sie mir diesen meinen Liebling, ja mit aller möglichen Vorliebe, und sollte man auch Ihren andern Arbeiten, etwas von der Verwandlung und Eselsnatur anmerken, so wenden Sie nur alles was Sie noch gutes und menschliches besitzen darauf an. – Es i

O. O. u. Adr.; hs. Zs. e. Bearb.: »An Dr. B. in München.« – Abs.: Adresiren Sie jetzt Ihre Briefe, Frau Jeanette Wohl, bei Herrn Dr Med. Stiebel, an der schönen Aussicht. (vgl. u.)

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Vgl. Br. 43.

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scheint Ihnen in München nicht so gut zu gefallen als in Stuttgart das thut mir leid, ich möchte Sie gerne recht vergnügt wissen. Frau Speier ist gegenwärtig in Mannheim, so bald Sie zurück werde ich Ihren Auftrag besorgen, ich glaube sie steht gut mit der Familie Seligmann.2 Werden Sie nach Wien gehen? Ich bin begierig darauf wie sich das noch machen wird. Wenn Sie ihrem Vater, das heißt dem Genz3 schreiben, schiken Sie mir doch eine Kopie von dem Briefe, und auch die Antwort, ich bitte Sie darum, und – bestehe darauf. Frau Sichel4 geht tie[f ] in Trauer gehüllt spazieren. Sie hat entschieden erklärt daß sie nie wieder heira[t]hen werde. Hu, hu, hu! Wieder eine Partie mit f 20 000 für Sie verlohren, Sie unglückseeligster! Apropos, München, und Ihr Buckelgen, haben Sie noch nicht daran gedacht, noch keine Erkundigung eingezogen? An alle muß ich für Sie denken! Dann könnten Sie mir wie in Ihrer [Wage] schreiben „Mein Haus steht Ihnen offen u. s. w. Sie Ärmster! Wenn aus dieser Partie auch nichts wird, dann war, ist, und bleibt […]ii ein falscher Herold, und großer Prahler. – Ja, wenn der Pascha von Janina5 ein[er] wäre wie der Dr Börne der mich f 50 000 ohne Ausstaffirung werth sch[ätzt.] Dieser Seite, mein Bester, kann Ihnen nicht geholfen werden. Wenn aber meine Freundschaft und der Wunsch und Wille Ihnen zu nützen Werth für Sie hat, dann sind Sie ein reicher Mann. Ach, Sie armer Reicher! Nennen Sie mir doch den Namen, den Ihr Eßkünstler jezt bekömmt. – Sie närrischer Mensch! Wissen Sie daß Ihnen der Spas geb. Wohl. zu unterschreiben, so zur Gewohnheit werden kann, daß Sie sich einmal in der Zerstreuung durch eine solche Unterschrift lächerlich machen können! Ja, ja, in großen Städten muß man vorsichtiger sein! Sie sagen mir ja selbst ob ich ich’s Ihnen nicht anlese daß Sie zerstreut wären? Es hätte dieser Bemerkung nicht bedurft, ich hätte es dem Briefe angefühlt. Verwerfen Sie mir das Wort nicht, Göthe hats gefunden, es ist genau bezeichnend, und durch kein anderes zu ersetzen. Ich wüßte doch nicht daß Sie über mich zu klagen hätten, während ich Ihnen jezt schreibe habe ich noch keine Antwort auf meinen Letzteren, ich ii

Besch. Rand

2

Vgl. Br. 58. Bs Vater stand während des Wiener Kongreßes als Vertreter der Frankfurter Jüdischen Gemeinde mit Friedrich Gentz in Wien in Verbindung (in den Jahren von 1819–1822 fanden mehrere Treffen statt). Vgl. Br. 49. Ali Pascha von Janina (vgl. Br. 49).

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wollte aber nicht verschieben, weil Sie mich so freundlich mit mehreren Briefen diese Woche bedacht. Schaffen Sie sich doch bessere Tinte an, das ist ja kaum leserlich, man sieht daß Sie Ueberfluß an Bier, selbst in der Stube haben, meine arme Augen. – Dr Gold: hat Rückerts Gedichte „erbärmliches Gewäsch genannt, aber ich glaube Ihnen, und will sie lesen. – Was Sie sich nicht [alle]s anmasen! Urtheilen Sie nicht über Mozart ab, als wären Sie einer der ersten Ton[…]teriii! „Schuster bleib bei Deinem Leisten“ das heißt, lernen Sie Griechisch, wenn Sie – […]iv (mit Ihrer Erlaubnis) kein Esel bleiben wollen! Ja wohl. Fühlen Sie sich nur beschämt, daß Sie List gebrauchen müßen, einen unschuldigen Schulknaben auszuhohlen, um sich die Beschämung der überführten Unwissenheit zu ersparen. Sie dürfen sich nur das Abrechnen, und numeriren mit mir ersparen, dieser einzige Casus wiegt Miliarden solcher Fälle auf. – Ihr Geistvoller Neffe heißt Louis, das wird ein anderer Mann werden, als der Frau Herz ihr Louis, diesem ward zwahr auch manche gute Gabe, aber – doch, sprechen wir nicht davon. Jener aber, Ihr Neffe, hat viel Fleiß, wie Sie sagen, und ist blas, interresant, so gar schön, wie die Leute sagen. – Ja das wird ein anderer Louis werden! Gestern am 18ten Oktober=Fest waren wieder für die Juden „Gebete verordnet“6 auch haben die jüdische Kinder […]v nicht gesungen wie es sonst üblich war, argeren Sie sich nicht darüber, Sie sehen daß alles Reden bei den Christen und lieben Ffurtern verlohren ist, das sind die glücklichen Esel, die Wählen nicht lange, und bleiben ein für allemal bei ihrem herkömlichen Heubindel stehen. Heute gehe ich zu Ochs, ich war sehr lange nicht dort, meine neue Einrichtung, obschon nicht viel neu daran ist, hat mir, vielleicht eben darum, viel zu schaffen gemacht. Da habe ich erst recht Gottes gütige Fügung preißen lernen, daß Sie nicht hier waren, was hätte ich da leiden müßen! „Sind Sie ins Teufels Namen noch immer nicht fertig! „Lieber Engel lassen Sie nur ein Wort mit sich reden“ kann nicht sein mein bester herr Doktor, hab gar zu viel zu thun „das Donnerwetter mit den Weibern ist nicht fertig zu werden“. Sehen Sie wie gut es ist und bleibt, daß Sie nicht hier sind, iii iv v

6

Besch. Rand – vgl. Tr. M: Tondichter (M, 22). Besch. Rand. Unleserl. gemachte Passage. Anspielung auf die jährliche Feier zum Gedenken der sog. Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813.

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lauter gute Worte haben wir schriftlich gewechselt. Ein alter jüdischer Hum[…]stvi sagte „es gäbe keine größere Seeligkeit, als Brief von seiner Frau [zu] [e]rhalten, diese Seeligkeit kann also auch bei Freunde stat finden. Nächstens sollen Sie hören was wir alles, gutes und auch Böses bei Ochs von Ihnen geschwazt haben. Adressiren Sie jezt Ihre Briefe, Frau Jeanette Wohl, bei Herrn Dr Med. Stiebel, an der schönen Aussicht. Sie müßen ausführlich so schreiben es ist keine überflüßige Ängstlichkeit, es wohnt noch eine Frau hier die den Namen führt, und es ist ein Brief aus Hamburg an mich auf diese Art schon verwechselt worden. Wie wird Ihre Galanterie sich wundern, daß es noch ein Wesen ähnlicher Art mit mir auf dieser Erde giebt. Gut, jezt habe ich Ihnen den Paß versperrt. Sie eleganter Grobian, sagen mir imer in einem Briefe beides so bunt durcheinander gemischt, daß ich durch diese Verschmitzheit eigentlich gar nicht weiß woran ich bin. Ich werde nächstens genaues Inventarium halten über meine Brief Buch=Kasse, und da wollen wir das Facit daraus ersehen. Gott sei Ihnen gnädig! – Und –– auch mir wegen dem fremden Wörter Schwall, über deren falschen gebrauch Sie sich wieder gehörig lustig machen können. Adieu, grüßen Sie den interressanten fleißigen Louis von mir, wen Sie sich diese Vorzüge aneignen wollen, dürfen Sie auch den gruß für sich behalten, für jezt aber bleibts noch beim alten. Leben Sie wohl Herr Doktor ignorant, behalten Sie in geneigtem Andenken Ihre Ergebene J. Wohl.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt . München, den 22. Oktober 1821.

Nr. 18. München d. 22 Okt. 1821.i Ach, der schöne breite Brief! Anfänglich erschrack ich über dieses Zeichen guter Hoffnung, denn ich dachte er wäre von einem Andern, weil Ihre Briefe gewöhnlich sehr niedlich sind. Aber die Grobheit und die Unsÿm-

vi

i

Vgl. Tr. M: Humorist (M, 23). Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Medic. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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etrie der Adresse goßen Freude in mein Herz. Warum schreiben Sie mir nie Wohlgebohren? Bei mir ist das doch kein leeres Wort, denn ich bin doch wirklich, wie ich mich unterschreibe, ein Wohl=Gebohrner. Ueber Ihre Besorgnis, daß ich in der Zerstreuung einmal diese Umschrift auch gegen Fremde gebrauchen möchte, habe ich lachen müssen wie die seligen Götter im Olÿmp. Denn gewartet, gewartet habe ich darauf, Sie würden einmal kommen mit dieser Angst. O Sie! Sie dürfen mit größerem Rechte sagen, was Shakespeare den großen Cäsar sprechen läßt, ohngefähr das: „Ich und die Gefahr, wir sind Zwillinge, doch ich bin der Aeltere, und wohl weiß die Gefahr, daß ich noch gefährlicher bin als sie.“1 Gefährliche Freundin, Ihr Esel wird beide Bündel essen, die Sie ihm vorgeworfen, die Wage und den Almanach. Aber ein eignes Blatt kann ich hier nicht schreiben, denn die Erlaubnis dazu ist so schwehr zu bekommen, als Geld von den Buchhändlern. Auch Artikel in die hier erscheinenden Blätter würden mir nichts eintragen, da deren Herausgeber zu der Familie Lump gehören. Die Theaterkritiken werden schon regelmäßig in zwei Zeitungen besorgt, und das ziemlich gut. Die Verfasser aber, werden wie es mir scheint nicht dafür bezahlt, sondern erhalten nur freien Eintritt. – Wer hat Ihnen verrathen, daß ich bei einer Schauspielerin wohnte in Stuttgart? Wer? Und ich frage noch? . Die Eifersucht. Aber beruhigen Sie sich, die Frau Fosetta2 hat schon einige Enkel, und es giebt wenige Frauen, die, gleich Ihnen, auch als Grosmütter gefährlich wären. – Ich habe Ihnen nicht geschrieben, daß es mir hier nicht gefällt; nur so gemüthlich ist München nicht als Stuttgart, welches ländlichen Reiz mit städtischen Vorzügen verbindet. – Wenn ich auch nach Wien reise, so kann das nicht so bald geschehen, denn ich habe hier noch vieles und dieses viele oft zu sehen, wenn ich von meinem Aufenthalte in München Belehrung ziehen will. – Mein Buckelchen ist schon verheirathet, wenigstens versprochen – hu, hu, hu! Aber über der Sichel3 Erklärung nicht heirathen zu wollen, lache ich – ha, ha, ha! Das kenne ich; sie geht nur zurück um einen Anlauf zu nehmen. – Ich überlasse es Ihnen, meinem Esskünstler einen Namen zu suchen. – Ich habe vorsätzlich blasse Dinte genommen, als ein Verehrer des ganzen weiblichen Geschlechts. Jezt darf ich ohne Gefahr schreiben: Ich liebe Sie ewig – schon nach einem Jahre kön-

1 2 3

Vgl. Shakespeare, Julius Caesar (1598/1600), 2. Akt, 2. Szene. Charlotte Fossetta-Marconi (1777–1856) (vgl. Br. 32). Vgl. Br. 49.

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nen Sie mir es nicht beweisen. Hätte ich nur alle meine Schwüre, weiß auf weiß geschrieben! – Sie mögen sagen was Sie wollen, am Titus ist nichts schön als das zweite Finale, weil damit die Oper zu Ende geht. – Ja, ich danke Gott, daß ich nicht in Frankfurt war, während Ihres Einzugs,4 und Sie mögen ihm auch danken, wir hätten uns wechselseitig zur Verzweiflung gebracht. Jezt haben Sie auch Zeit und Gemüthsruhe mir oft und viel zu schreiben, und ich werde sehen, ob Sie noch meine liebe Tochter sind. Ich freue mich über Ihre Briefe daß es eine Sünde ist. Sie sind doch auch nur ein Menschenkind. Gott weiß wie es gekommen, daß Sie mich so umzaubert, Sie rächen Ihr Geschlecht an mir; aber die Rache ist süß – mir süß. – Vorigen Freitag ward die erste italiänische Oper aufgeführt, eine von Paccini.5 Schrecklich, schauderhaft langweilig, Handlung wie Musik. Aber Sänger und Sängerinnen, auch deren Spiel, vortrefflich. – Mit der Gemählde-Gallerie habe ich den Anfang gemacht, das heißt ich bin sie einmal durchlaufen. Ein großer Theil derselben befindet sich in Schleisheim, einem königlichen Lustschloße das einige Stunden von hier entfernt ist. Dahin wanderte ich mit meinem griechischen Neffen vor einigen Tagen. In der Gallerie habe ich 4 Stunden zugebracht. 42 Zimmer und Säle durchrennte ich, 1500 Gemählde flogen an meinen Augen vorüber, daß mir schwindelte.6 Das nennen sie sehen. Es ist grade als wollte man anderthalb tausend Bücher durchlesen, in so kurzer Zeit. Die sentimentalen, lÿrischen Gemählde verstand ich nicht, die tragischen schreckten mich ab, weil ihr Stoff aus der widerlichen Mÿthologie der Christen genommen; am meisten zogen mich die humoristischen an, die in großer Zahl sich da fanden, nehmlich die Niederländischen. Aber man hätte bei einem einzelnen solcher Gemählde einen ganzen Tag zubringen können, um es in allen seinen Theilen zu betrachten. In der hiesigen Gallerie, wo das edelste sich befindet, war ich gestern. Da sie mir täglich offen steht, kann ich mit Ruhe alles betrachten. Einige Wärme glaubte ich in mir zu fühlen, und ich hoffe daß mir Gott gnädig seÿn, und mir Herz und Auge öffnen wird. Ich konnte

4 5 6

Der Einzug JWs im Haus v. Fam. Stiebel An der Schönen Aussicht. Giovanni Pacini (1796–1867), Adelaide e Comingo (1817). Das im Auftrag des Kurfürsten Maximilian II. Emanuel (1662–1726) von Hofbaumeister Joseph Effner (1687–1745) erbaute Neue Schloß Schleißheim beherbergte in der Großen Galerie eine der bedeutendsten Gemäldesammlungen des europäischen Barock. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts war die fast 60m lange, nach dem Vorbild des Louvre geschaffene Gemäldegalerie der Öffentlichkeit zugänglich.

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Kunstkenner zu Führern haben, ich mag sie aber nicht, ich will allein den Weg machen. Wenn ich Zeit und Geduld hätte, und schriebe: „Geheimes Tagebuch eines Kunst=Ignoranten, geführt in München“, das müsste lustig zu lesen seÿn. Die Herrn Kunstkenner scheinen mir oft so unwissend zu seÿn als ich. Ein Gemählde von Raphael wird gezeigt, das von einigen für Original, von andern für eine Kopie von einem neuern Baierischen Künstler gehalten wird. So schwanken sie. Gemählde die mit mehr als 20 000 Gulden bezahlt wurden, erklärte man später als Kopieen. Da in München große Kunstliebe herrscht, wüthet auch große Kunsteifersucht. Die Tonangeber dissoniren stark unter sich. . Genug. – Habe ich Ihnen schon erzählt, daß Friedrich Schlegel in Wien ein Pfaff, und seine Frau, die Mendelssohn, eine Nonne geworden ist?7 O Zeiten, o Sitten! – Hier ist doch schon ein großes und bewegtes Leben, wie es Frankfurt nicht hat, wo, wenn der Handel nicht lärmt alles schweigt. Und das katholische Wesen lobe ich mir. Seitdem ich den Kirchendienst kennen gelernt, sehe ich ein, wie die katholische Religion nichts ist, als das Heidenthum der Griechen und Römer, nur unter einer andern Form. Darum gefällt sie mir. Sie ist der Wein der die niedergedrückte Menschheit, die Leiden und Entbehrungen vergessen machte, die durch die Zertrümmerung der alten Welt, ein unabwendbares Geschick über sie gebracht. Sie ist Wein für männliche und Milch für kindliche Naturen. Hätten die Fürsten nicht vor Pfaffen gezittert, dann wäre nach zweitausendjähriger Gewaltherrschaft, die Welt nur noch eine Wüste. Der Katholizismus ist auch nicht so Freudezerstörend als ich mir immer vorgestellt, es giebt nichts lustigeres. Reue kann nie das Herz eines katholischen Missethaters zerfleischen, denn jede Sünde findet Ablass. Die Feÿertage sind der Freude, und nicht wie bei den Protestanten der Langeweile gewiedmet. Hier sind Sonntags alle Läden geöffnet, es wird mehr gehandelt als in den Wochentagen. Gestern war sogar großer Jahrmarkt. In England darf sich an Feÿertagen keine Musik hören lassen. Glauben Sie aber nicht, daß der Protestantismus ein Verderben der Menschheit sei, er führt zu ihrem Glücke. Bürgerliche Freiheit kann mit der katholischen Religion nicht bestehen. Nur ist jezt noch in protestantischen Ländern eine traurige leere Zwischenzeit. Das alte Gebäude ist niedergerissen, und man zögert mit der Aufführung des neuen. Der wüste Bauplatz ist un-

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Friedrich v. Schlegel, seit 1804 verh. mit Dorothea Mendelssohn (1764–1839), konvertierte 1808 gemeinsam mit seiner Frau zum Katholizismus.

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erfreulich, und man stolpert jeden Augenblick über alte Balken, und neues Bauholz. Der Glaube ist zerstört, und die Fürsten wollen den Verstand der Völker nicht aufkommen lassen – so haben sie gar nichts. Auch wollen sie das neue Haus auf das alte Gewölbe, freie Staaten auf das Christenthum gründen – ein Wahnsinn der noch viele Jahrhunderte des blutigen Jammers über die Welt bringen wird . . . Was ich schwätze! – – Ich lese jezt zum erstenmale ein Werk von Swift,8 und es ist mir klar geworden, warum mich schon viele Leute mit ihm verglichen haben. Wir haben viel in der Form der Darstellung, und in der ironischen Art von der Politik zu reden, gemein. (Aus diesem leztern Satze können Sie lernen, wie man nicht schreiben darf; das Wort gemein schleppt sich mühsam hinten drein) – Sie schreiben mir nicht was Sie lesen, womit Sie sich beschäftigen. Gewiß sitzen Sie den ganzen Tag müßig, nähen kattunene Mäntel, und stecken Ihre Hüte um. Ich fürchte bis ich nach Hause komme, sind Sie wieder so unwissend als Sie waren, da ich Sie kennen lernte auf der Friedberger Chaussee. Dann ist es aus mit uns. Wie viele Mühe hat es mich gekostet, Sie so weit zu bringen. – Was macht mein Regenschirm? Heraus mit der Sprache. Gewiß vertauscht? Wehe Ihnen, wenn es sich so findet. – Erinnern Sie sich, daß ich vor einigen Monaten ein Trauerspiel von München zugeschickt erhielt (ich glaube es hieß die Zwillinge, und wenn ich mich nicht irre habe ich es Ihnen gebracht) Der Verfasser heißt v. Schmets oder so ungefähr.9 Nun quält dieser Herr Dichter meinen Schwager,10 den er kennt, ihm meine Bekanntschaft zu verschaffen; ich aber weiche dem aus. Dabei ist das lustigste, daß wir an einem Tischeii essen, und er mir grade gegenübersizt. Ich kenne ihn, denn ich habe ihn bei seinem Namen rufen hören, er aber kennt mich nicht, und ich habe bei Tische noch nicht eine Sÿlbe gesprochen. – Bekanntschaften könnte ich wohl machen, aber es liegt mir vor jezt noch nichts daran. Ich will erst die Sachen kennen lernen, dann die Menschen. – Mein Weibchen aus Rödelheim schmollt, weil ich nicht zu Tische

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Orig.: Tisse.

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Jonathan Swift (1667–1745). Wilhelm Smets (1796–1848), Schriftsteller u. Publizist. Nicht Smets, sondern der Münchner Schriftsteller Johann Edler v. Plötz (1786–1856) war der Autor des Trauerspiels Die Zwillinge (1821). Beer Salomon Spiro (vgl. Br. 85).

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komme; ich mache ihr eine Faust und sage: halts Maul dumme Gans, ich will noch das Blatt voll schreiben. Sie sehen daraus, wie Sie sich in mir geirrt, und daß ich ein zärtlicher Gatte bin. – Neulich besuchten mich zwei junge Leute, die erst auf Akademieen gehen wollten. Sie kamen, den berühmten Verfasser der Wagen kennen zu lernen. Nachdem wir uns lange unterhalten, gestanden sie mit Stottern, sie hätten gemeinschaftlich ein Trauerspiel geschrieben, und würden sich die Freiheit nehmen, es mir vorzulegen. Seitdem, so oft einer an meiner Thüre klopft, zittre ich, die schreckliche Melpomene11 möchte eintreten. Auch heute Morgen hörte ich mit Angst klopfen, aber es war nicht Melpone allein, es waren alle Musen und Grazien zugleich, es war Ihr Brief. . . Halt’s Maul, dumme Gans, ich bin gleich fertig . . . Der Ehestand ist ein Wehestand. Ach warum habe ich geheirathet! Jeden Augenblick hält sie mir vor, daß ich ohne ihren Beistand mein Schnupftuch verlohren hätte. Ich werde mich noch damit erwürgen – sage ich ihr dann. – Bei Ihrem Zukünftigen Gemahl, dem Dr. Breslau,12 habe ich neulich vortrefflich gegessen, und noch vortrefflicher getrunken. Das ist ein Mann! Ich werde gewiss sein treuester Hausfreund. Schreiben Sie mir nur bald Ihre Meinung, ob Sie die Hauptstadt von Schlesien werden wollen. – Grüßen Sie mir Ihren Hausherrn und Ihre Hausfrau mit aller möglichen Freundlichkeit, und schreiben Sie mir genau, was Ihr bei Ochs von mir gesprochen. – – Das wichtigste hätte ich bald vergessen. Vorgestern tritt ein Soldat in mein Zimmer (man gebraucht hier die Soldaten zu allerlei Botendienste) und bringt mir ein Billet folgenden Inhalts: „Mein Herr! Es gäbe Ihnen nicht mehr Aufklärung, auch wenn ich meinen Namen unterschriebe, denn man könnte Ihnen keine Auskunft über mich geben, da ich erst 8 Tage hier bin und in der Vorstadt wohne. Ich suche bei Menschen keine Hülfe mehr, denn . . . (Fortsezung folgt)

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Muse der tragischen Dichtkunst. Heinrich Breslau (vgl. Br. 59).

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An L udw i g Bö r n e i n [ M ü n ch e n]. [Frankfurt], den 21., 24. u. 26. Oktober 1821.

Sontag 21 Oktober 1821i Guten morgen. Was macht unser lieber Louis? Ist er noch recht munter und fleißig? Ich meine Ihren liebenswürdigen Neffen,1 auch heißen Sie jezt Ludwig, es kann also keine Verwechslung stat finden. Wenn Sie sich darüber ärgern, so werden sie nur hübsch wieder ein frommer gottesfürchtiger Jude, denn sie sehen was vom taufen kömmt. Ich schreibe Ihnen jetzt jeden Morgen beim Frühstücke, gefällt Ihnen diese Einrichtung: Madame Ochs2 besonders, bedauert Ihre Abwesenheit. Sie sagt es sei gar kein rechtes Leben mehr im Hause, seid Sie nicht mehr kommen. Sie möchte nur einmal einen ganz besondern Gruß von Ihnen lesen. Ich finde es überhaupt sehr unfein, daß Sie nicht an Ochs schrieben, Sie wissen ja wie sehr sich alle für Sie interressiren, wenn Sie bei recht guter Laune sind, schreiben Sie den Mädchen, der Brief wird gewiß wie ein Schatz aufbewahrt werden. Steinthal3 macht Witz. Sie müßten quarantaine halten in München, bevor Sie nach Wien könnten. – Dr Jasoga ist auf eine schreckliche Weise, nachts in seinem Gartenhause bestohlen worden. Er wurde durch ein Geräusch geweckt, als er aufstand um nachzusehen, sprang jemand mit großem Geschrei hinter einen Schrank hervor, und zur Thür hinaus. Er nahm schnell eine Pistole, und da fand sich daß das Pulfer ausgeleert war. f 1500 sind ihm entwendet worden, man ist den Thätern auf der Spur. – Baumeister Heß4 ist nach Paris gereist um das dortige Theater zu sehen, es sollen beim hiesigen 36 Logen angebaut werden. – Was sagen Sie zu der entlehnten Beurtheilung des „falschen Wilhelm Meisters, [in] der Iris Nr 42..5 Werden Sie nichts dagegen sagen? Sie verhalten sich überhaupt ein bischen still in der litterarischen Welt, allzu große Beschei-

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O. O., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt« (Br.k.). – o. Adr., hs. Zus. e. Bearb.: »An Dr. B. in München« (ebd.).

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Louis Spiro (vgl. Br. 58). Hannah Ochs, geb. Steinthal (vgl. Br. 1). Vermutl. Martin Steinthal (vgl. Br. 142). Johann Friedrich Christian Hess (1785–1845), seit 1816 Frankfurter Stadtbaumeister. Iris, Nr. 42 v. Sonntag, 14. Oktober 1821.

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denheit!! Die Leute raisonniren daß noch kein Wagheft erschienen „Sie hätten in Stuttgart gar nichts gethan“. Die böse Welt! Die Verläumderische!!!! Die Mädchen und ich wir waren gestern über den Röderberg nach Bornheim spazieren. Im Kuchengärtchen6 sind wir eingekehrt, haben süßen Eppfelwein getrunken, und Kümmelweckchen dazu gegessen. Was halten Sie von diesem merkwürdigen Tagebuch=Bericht! Doch das Wichtige kömmt noch. Dr Heß und Frau7 traf ich da, wovon sprachen wir? Von Literatur! Vom Morgenblatt und Andern war die Rede, Heß sagte, es sei in ganz Deutschland kein Blatt, daß gelesen zu werden verdiene. Göthes Monatschrift,ii wäre das Fadeste was es nur geben könne. Da dachte ich wieder an Sie! Was Sie alles erwerben könnten, Ruf und Geld, und Lob, und Beifall, wenn Sie – so wie Ihr Neffe, ein lieber fleißiger Louis sein wollten, und wenn Sie etwas mehr, und Griechisch gelernt hätten, und nicht den ganzen Tag auf dem Nekar spazieren geschifft wären, und sich jezt gut aufführten, und Ihre Zeit vernünftig eintheilten, und –––– Ach, was könnten Sie nicht alles! ––– Wissen Sie schon daß […]iiisich von seiner Geliebten, Demois. […]iv mit f 4000 losgekauft hat?8 Er soll gerechte Ursache haben sich von ihr loszusagen. Das nenne ich, (freilich gegen alle Poesie) eine glückliche Liebe, die sich so leicht, und mit Gelde auflösen läßt! Sie verstehen mich schon?! –– Gestern sagte Frau Feidel9 Sie wären nach Wien abgereist. Obwohl Ihr nächster Brief von daher kommen wird? –– Unter uns, denn es soll es noch niemand wissen, […]v hat sich schon wieder von neuem, in Wien in ein wunderschönes, äusserst liebenswürdiges und talentvolles Mädchen ––– ii iii iv v

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Über Kunst und Alterthum (1816–1828). Geschw. Passage., vermutl.: Anton Schnapper. Geschw. Passage. Geschw. Passage., vermutl.: Anton Schnapper. Auf einem rege frequentierten Spazierweg von Frankfurt nach Bornheim lag die bei den Frankfurtern beliebte Königsche Wirtschaft, genannt Kuchengärtchen. Vgl. Br. 37. Anton Schnapper (1790–1870), ein nach Wien übergesiedelter Bankier u. Großhändler, Sohn des Frankfurter Wechselmaklers Meyer Wolf Sch. (1757–1821), nach Auflösung seiner Verlobung 1822 verh. mit Marie v. Wertheimstein (vgl. u.). Sara Stiebel, Tochter v. Beer Joseph u. Schwester v. Salomon Stiebel, 1817 verh. mit Wechselmakler David Feidel (vgl. Br. 93).

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verliebt M. Wertheimstein.10 Es ist noch die Frage ob sie seiner Bewerbung gehör geben wird. Also wieder einer der nichts taugt. – Als wenn es ein Mann gebe der etwas taugte. Mittwoch 24 Oktober Sie sind den Esel schon müde! Das wußte ich gleich daß Ihre Natur den nicht lange verträgt. In der zweiten Verwandlung treten Sie wieder als Fuchs auf, der kleidet Sie schon besser, da habe ich Sie gleich an der Phisignomie erkannt, doch mir sollen Sie mit Ihrer Schlauheit nicht entwischen, und wenn Sie sich noch so listig verkriechen und verstecken, ich werde Sie aus Ihrem Hinterhalt hervorlocken. Einem Frauenzimmer das zu bieten! Auch die Dümmste hätte Sie durchschaut. Also nur heraus damit Herr Fuchs in der Fabel, die unverheirathete Schwester, ist sie schön, jung, liebenswürdig??? Also aus meiner vorgeschlagenen Partie mit dem reichen Buckelgen wird nichts? Sie alter Narr werden wieder jung, machen dumme Streiche, und vergaffen sich in Eigenschaften ohne Geld. Das war freilich vorauszusehen, wenn Sie nicht mehr unter guter, unter vernünftiger, unter meiner aufsicht stehen! Ja, ich rede stolz, gekränckte Liebe, gekränckte Eitelkeit, Verzweiflung –– Bösewicht! –– Sonst war die wirkliche Welt zu wenig, zum Olÿmp verstiegen Sie sich mich zu vergöttern, da war ich ein Engel, manchmal auch ein Teufel, zum mindesten aber eine liebenswürdige Kreatur. Jezt aber, ziehen Sie mich grausam zu Ihrer Buffonischen Welt herab, und qualifiziren mich gar zu einen Klotz, um Ihren herrn Doktor fest an Ort und Stelle zu halten. Die ganze Geschichte der Götter und Helden, wird von einem so grausammen Verfahren kein ähnliches Beispiel aufzeigen können. Ja, ich sehe es prophetisch voraus, auch noch die eine Saite der Apollon Leÿer die Sie zu besitzen glauben, wird nur allzubald in dem plumpen Bierlande versiegen! – Wir wollen wieder gute Freunde sein. – Was macht mein Liebling, mein Almanach? Haben Sie die Abschriften schon durchgelesen, sind Sie damit beschäftigt sie zu ordnen? Sie weichen mir immer aus, und haben mir noch nicht ein einzigesmal gesagt, was Sie seit Ihrer Abwesenheit gearbeitet, fertig gemacht haben, das lautet hart, und prosaisch, da Sie aber bald in den Ehestand zu treten gedenken, so müßen sie sich daran, und an Ordnung gewöhnen. – Katholisch wollen Sie werden? Was Sie nicht alles in der Welt kosten wollen, stat dem Vielerlei, gewöhnen Sie sich doch einmal an Ordnung und Fleiße, wenn Sie daran 10

Marie Edle v. Wertheimstein (1800–1883), Tochter des Bankiers Wilhelm v. W., verh. mit Anton Schnapper.

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gewöhnt schmekt’s auch, und bekömmt Ihnen gewiß gut. –– 26ten Beim wiederhohlten Durchlesen Ihres Briefes stose ich wieder auf eine neue Artigkeit. Mein gütiger Freund, Sie überhäufen mich ja mit den zartesten Verwünschungen. Bald soll ich eine trokene Semmel, und bald ein Klotz sein. In der That Sie haben eine prächtige Phantasie! Wenn ich mir nun noch, den auf mich gemünzten Eßkünstler dazudenke, so schwindle ich mich zu einer Laura hinauf.11 Mein theurer Petrarka wie wird die Nachwelt uns bewundern! Wenn Sie aber auch kein Sänger sind, zum mindesten sollen Sie kein Thor sein, und sich über verspätete Briefe ängstigen. Was sollte mir denn begegnet sein? Ich gebe Ihnen mein Wort, daß wenn ich krank würde, oder mir sonst ein Unglück wiederführe, ich es Ihnen auf der Stelle selbst, oder durch einen andern mittheilte, dies ein für allemal, also künftig nichts mehr von Angst und Unruhe. Ich werde jezt immer nur an direkte Posttage schreiben, welche Montag und Freitag sind.12 Verwichnen Montag wollte ich erst Ihren Brief abwarten, den erhielt ich (Dienstag am 23ten) und wenn ich mit der indirekten Post geantwortet, hätten Sie wahrscheinlich meinen Brief doch nicht früher erhalten. Also nicht aus gleichgültiger Nachläßigkeit, wie Sie aus meinem Briefe selbst aus frühern Daten ersehen werden, sondern mit Absicht, und der Besten, habe ich diesmal bis heute zu antworten verzögert. Richten Sie sich auch dort ein, an direkte Posttage zu schreiben, an andern Tagen abgesendet bleiben die Briefe gar zu lange auf dem Wege. – Haben Sie, mein Herr Gesandter in Auswärtigen Angelegenheiten, dort noch nichts aufgefunden wodurch Sie für meine Absichten, M. St13 nützen könnten? Denken Sie nur stets daran, spähen Sie mit Argusblicken, und bei jeder Gelegenheit, bei jeder neuen Bekantschaft die Sie machen, denken Sie dabei an Moritz, wer weiß, vielleicht ist Ihnen der Zufall, und ihm das Glück günstig. Ihr Arzt (zukünftiger Herr Schwager),14 kann Ihnen vielleicht darin sehr nützlich sein, durch sein früheres vieles Reisen im Norden, in Paris und sonst und auch, durch seine wahrscheinlich jezt sehr ausgebreitete Bekantschaften. Denken Sie daran, und eifrig. – Was einem nicht alles ahnden kann! Ich denke am Nekar, und o Wunder, in der nehmlichen Sekunde vielleicht, sind Sie – auf dem könig11 12

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Die unerreichbare Laura des Francesco Petrarca (1304–1374). Laut Staatskalender v. 1821/1822 nahm montags u. freitags um 2 Uhr von Frankfurt aus eine Postkutsche Course über Augsburg nach München. Moritz Steinthal (vgl. Br. 39). Heinrich Breslau (vgl. Br. 59).

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lichen Teiche zu Nÿmphenburg herumgeschwommen. „Eine Gans gieng über den Rhein, eine Gans – kam wieder herein.“15 – Wenn’s nicht so heißt, können wir noch richtiger übertragen. „Ein Müßigg . . . . . still! – Ich begreife warum Sie so gegen Bibliothecken, und aller Gelehrsamkeit losziehen! Sie waren (schon am Nekar) den herrn Professoren, ihren Kollegien, und all dem t[r]okenen Wissenskrame von jeher Feindvi, man muß sich nur ein bischen in Ihrer Art hineinstudiren, um ganz klar und deutlich Ihren Lebensgang und Faden herauszufinden. Es geht doch nichts über das dolce fare niente, und das seelige herumschiffen. –––– Ebenvii schlag 11 Vormittags erhalte ich Ihren Brief. Sie sind brav, Sie schreiben mir oft, wenn Sie nur nicht unruhig werden, wegen meinem verspäteten schreiben, ich will es gewiß jezt öfterer thun. Ich bitte alle frühere Unarten ab. Das ist brav daß Sie arbeiten wollen, und zwei Wercke zugleich. Da muß ich eine Belohnung für Sie aussinnen, halten Sie damit Wort, und bald, und ich halte dann auch Wort, und – auch bald. Sie gehen also noch nicht nach Wien, das ist mir in jeden Fall lieb, weil Sie sich in München auch nützlicher beschäftigen können. Den Namen für Ihren Eßkünstler will ich weil Sie es doch so wollen nächstens bestimmen. – Merken Sie sichs, damit Sie nicht ausgelacht werden, im Titus ist auch das erste Finale ganz herrlich, und in anderem Sinne als Sie sagen, Sie unmusikalischer Mensch! – Und wie, aufrichtig dank ich Gott daß Sie nicht hier –– waren, als ich eingezogen, und daß Sie nicht hier und vergnügt sind, und viel schönes sehen und genießen, und Arbeiten wollen, und ein ganz andrer Mensch werden. – Aber gehen Sie mir nicht so oft nach Nÿmphenburg – der fatale Teich – wie leicht sind Rückfälle möglich. –– Wie unartig! Einem Frauenzimmer einen abenteuerlichen Vorfall mitzutheilen, und dann ohne zu enden abzubrechen. Ich will Ihrem Beispiele folgen, und alles weitere was ich noch zu sagen hätte auf nächsten Montag verschieben, nicht aber in der Absicht Sie zu necken, sondern weil die Post geht, und ich den Brief nicht verspäten darf. Jezt wie immer Ihre aufrichtig ergebene J. Wohl. Freitag den 26 Oktober 1821

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Orig.: Feund. Absatz: mit drei übereinanderliegenden Strichen markiert. »Es flog ein Gänschen über den Rhein, und kam als Gans wieder heim.« (Sprichwort)

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 24., 25., 26. u. 27. Oktober 1821.

Nr. 19 München d. 24. Okt. 1821.i „Wie ein Hirsch nach frischen Quellen schmachtet, so schmachtet meine Seele nach Dir“1 – so sang David, ich weiß nicht, ob zu Gott, Jerusalem, oder seiner Frauen eine. Aber der alte König verstand sich auf jedes Lieben. Nun bin ich zwar kein Hirsch, aber Du bist eine süße Quelle, der liebliche Born meines Glückes und meiner Lust. Heute sind es zwei Monate und zwei Tage, daß ich das Licht meiner Seele nicht gesehen habe. Die Schiffer der Nordpol=Expedition hatten es freilich noch schlimmer, doch durften sie sich eines beständigen Nordscheins erfreuen; ich aber muß immer acht Tage auf jeden Ihrer Briefe warten, welche mein Nordlicht sind in dieser Winternacht der Trennung. Ich wollte Ihre Briefe wären nicht himmlisch, und vollendeten mit der Erde alle 24 Stunden Ihren Lauf. Liebstes Herz, was haben Sie denn zu thun, was haben Sie besseres zu thun, als mir zu schreiben von Morgen bis Abend? Oder brennt Ihre Lampe noch für einen andern? Ich erinnere mich, daß Sie vor einem Jahre einmal Ihr Zimmer verschlossen hielten, um an Jemand zu schreiben ungestört – geschieht das jezt wieder? Muß ich befürchten, daß Sie Ihre Zeit und Ihre Feder spalten? Vergessen Sie wenigstens über den Nord, nicht völlig den Süden; ich muß es ja zufrieden seÿn, daß Ihr Herz nach allen Weltgegenden ausstrahlt! Lassen Sie uns ein vernünftiges Wort mit einander Sprechen. Was halten Sie denn von meinem Besuche? 19 von 26 abgezogen bleiben 7, also nach so viel Briefen darf ich kommen, das hatte ich mir gleich anfänglich zugesagt. Und doch ist meine Freude an den Gedanken nicht rein. Sie in Frankfurt zu sehen, das ist mir, als sollte ich die lang ersehnte Schweiz im Winter bereisen. Dort friert michs immer. Es ist ein wahres Glück für mich, daß mir Frankfurt so zuwider ist, denn das Vergnügen nicht dort zu seÿn, giebt mir selbst für Sie einigen Ersatz. Doch ich weiß es, Sie sind mir ja nicht gut genug, und Sie suchen mich nur immer hinzuhalten. Wenn ich bis zum i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Medic. Stiebel An der schönen Aussicht. frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Psalm 42,2: »So wie der Hirsch nach frischen Quellen schmachtet; So schmachtet meine Seele, Gott! nach dir.« (Die Psalmen, übers. v. Moses Mendelssohn, Frankfurt am Main/ Leipzig 1787, 103).

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Frühlinge warten wollte, kämen Sie dann nach einem dritten Orte, um mit mir zusammenzutreffen? Versprechen würden Sie es gewiß, das wäre aber auch alles. Und wollten Sie es auch ernstlich, so wird doch nichts daraus, ich sehe das Alle schon kommen. Im Frühlinge kehren die Schwalben zurück, da haben Sie wieder alle Hände voll zu thun, und für mich wird keine Zeit übrig bleiben. Ich bin recht verdrüsslich bei dieser Vorstellung, denn ich kann mich nicht täuschen, und das traurigste ist, daß Sie nicht mich allein, daß Sie auch sich dabei aufopfern. Wären Sie nur zufrieden, ich würde es auch. Sie können mir es glauben, ich habe das genau berechnet, Ihr Glück hängt von Ihrer Ruhe ab, Sie brauchen nichts mehr. Ein Mann ist ein Strom der fließen, die Frau aber eine Quelle die unbewegt seÿn muß, um klar zu bleiben. Ihr Herz ist zu zerstreut, die Liebe kann ihm nie eine Richtung geben, nur die Pflicht kann es. Es ist ganz gleich von wem Sie sich diese Pflicht auflegen lassen, oder nein es ist nicht ganz gleich – ein Mann den Sie nicht lieben ist der tauglichste für Sie, denn ein solcher macht die Pflicht um so schwehrer, und hält Sie um so fester. Ein Anker von Eisen ist besser als einer von Gold. Und ich sage das nicht um mich zu empfehlen, denn der Männer die Sie nicht lieben giebt es genug. Lassen Sie sich belehren und leiten. Sie sind ein Mann Andern zu helfen, aber sich selbst zu helfen sind Sie nicht einmal eine Frau, Sie sind ein Kind. Sie überreden sich vielleicht, es hätte Fälle gegeben, wo Sie mit Verstand und Ausdauer, für Ihren eignen Vortheil gesorgt, aber Sie täuschen sich. In jenen Fällen war das Glück Ihrer Freunde mit Ihrem eignen verbunden, und dieses allein gab Ihnen die Kraft für sich zu sorgen. – – 25. Okt. Ich habe gestern endlich die Rheinbriefe und die übrigen Abschriften gelesen. Mit den Pariser Briefen hatten Sie recht, daraus läßt sich gar nichts machen. Der beste Beweis ihrer Untauglichkeit liegt darin, daß ich nicht Geduld hatte sie aus zu lesen. Die Vorrede: Ferienreisen eines Journalisten haben mir gefallen, wie auch die Rheinbriefe. In dem Tagebuch findet sich manches Gute, aber die Geschichte vom Erlkönig hat mir Langeweile gemacht. Alles zusammen macht höchstens 3 Bogen, und zu einem Almanache brauche ich wenigstens zwölf. Aber was ist einem eisernen Fleiße gleich dem meinigen unmöglich? – Meinen Tischnachbarn den Hrn. v. Pletz2 habe ich endlich so glücklich gemacht, mich ihm zu erkennen zu geben. Der hat das Maul aufgesperrt! „Ich freue mich den ersten Schriftsteller, den geistreichsten

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Johann Edler v. Plötz (vgl. Br. 61).

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und witzigsten Kritiker Deutschlands kennen zu lernen“ Ich. Ich bitte Ihnen. Er: „ja so schreibt keiner sonst in Deutschland, das war mir immer eine Stÿlübung, so, habe ich oft gesagt, möchte ich schreiben können.“ Ich: Sie sind sehr gütig . . . Sehen Sie, Frau erste Schriftstellerin, ich Anker bin doch nicht von gringem Eisen, und wenn auch nicht von Gold, doch dem Golde sehr ähnlich, wie Geißenheimers Crizot=Uhren.3 – Ich bin ein Kunstnarr geworden. Alle Narrheiten erschöpfen – so kömmt man auf den Boden der Weisheit. Ich habe mir in diesen vierzehn Tagen eine kleine Gemähldesammlung angelegt, die mich sehr viel Geld kostet. Einige Male bin ich betrogen worden. Daß ich den Dr. Goldschmith4 nicht bei mir habe! Ein Engel der auf dem Bauche schläft, so daß man das Gesicht nicht sieht, wurde mir für einen Raphael verkauft, ich habe 24 000 Gulden dafür gegeben, und da fand sich daß es eine Copie war. Die „Perl“ meiner Sammlung ist eine Laus von Leonarda da Vinci. Ein herrliches Bildchen! Es juckt einen, wenn man sie ansieht, man möchte sie grade knicken. 500 Dukaten, habe ich dafür gegeben. Es ist nichts leichter als ein Kunstkenner zu werden. Zeigt man Ihnen ein Gemählde, so gehen Sie drum herum, wie die Katze um den Brei, um das rechte Licht zu suchen. Dann treten Sie näher, und fahren mit den Fingern über das Gemählde her, den Conturen des Bildes, der Gewänder folgend. Sie murmeln dabei: Faltenwurf – Gruppe – markiger Pinsel – Lichter – Colorit. Frägt Sie einer deutlich um Ihre Meinung, so lassen Sie sich ja nicht irre machen, sondern Seufzen oder lächlen, oder Sie sagen: „Das ist eine Perl“, und gehen weiter . . . Aber es ist Gottlos, daß ich bei einer so heiligen Sache spotte! Mich ärgert nur – nicht die Heuchelei der sogenannten Kunstfreunde, denn kein menschliches Herz ist dem Eindrucke des Schönen verschlossen – mich ärgert die Nichtverschämtheit mit der sie ihre Gefühle offenbaren. Jede Liebe soll verschwiegen seÿn, und lautes Beten hat mich immer verdrossen. Auch mir hat manches Gemählde, wie mit Strahlen der Frühlingssonne die kalten Adern durchwärmt, aber es wäre mir nicht möglich

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Der Frankfurter Kfm. Siegmund Geisenheimer (1775–1828), Gründer des Philanthropin (1804) u. Mitbegründer der Loge zur aufgehenden Morgenröthe, hatte durch Heirat der verwitweten Fanny Kulp deren Tuchhandlung übernommen. Zu den mechanischen Apparaturen, die dort ebenfalls verkauft wurden, gehörten die CrizotUhren: beliebte, billige Taschenuhren, deren goldfarbenes Gehäuse sich rasch schwarz verfärbte. Vgl. Br. 10.

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gewesen, meine Gefühle gegen Fremde zu äussern, ja es war mir unbehaglich, wenn in der Gallerie mir Jemand zur Seite stand, der meine Bewegung hätte belauschen könne[n]. Ich habe schnell gelernt, daß die Mahlerei höher steht, als Musik und Poesie. Die Musik ist zu flüchtig, die wahre, auch etwas Ueberirrdisches, geisterartiges, Schauerliches; die Poesie ist zu lästig, zu anspruchsvoll für die Freude die sie uns giebt, sie will von allen Kräften der Seele empfangen seÿn, man muß zu viel dabei denken. Aber vor Gemählden kann man Besinnungslos stehen; manches hat mich in völlige Vergessenheit gelullt, so daß ich fast davor eingeschlafen wäre. Glauben Sie nicht, daß man Kenntnisse haben müsse um Kunstwerke zu genießen. Das Technische zu beurtheilen (die Regeln des Handwerks) dazu gehören allerdings einige, und man erlernt diese nur, wenn man selbst zeichnet und mahlt. Das ist aber nur Nebensache. Genieße ich nicht ein dramatisches Werk, ja beurtheile ich nicht dasselbe wie ein Kenner, ohne daß ich weiß (Ihnen im Vertrauen eingestanden) was Jamben oder Hexameter sind, und ohne daß ich unterscheiden kann, ob ein Vers zu kurz oder zu lang ist? In der Gemähldegallerie folgt mein Auge nur dem Zuge meines Gefühls, und dann urtheile ich frei wie ein König. Um die Rangordnung der Kunstwerke wie sie der Staats= und Adresskalender des Catalogs aufstellt, bekümmere ich mich nicht viel. Gefällt mir ein Gemählde, dann erst suche ich nach von welchem Meister es ist. Ich habe mir die Freiheit genommen, die Werke eines berühmten italiänischen Mahlers, Guido Reni’s5 sehr abgeschmackt zu finden. Thun Sie mir den Gefallen und sagen Sie das dem Dr. Reis und Goldschmith, damit sie sich darüber ärgern. Idee, Anordnung, Colorit besonders, alles ist abgeschmackt in seinen Gemählden – sagen Sie, hätte ich gesagt. – 26. Okt. Gestern wurde die Zauberflöte aufgeführt. Der berühmte Bassist Fischer6 sang den Sarastro. Er ist hier auf 10 Jahre angestellt und bekömmt jährlich 4000fl. Er wird aber gar nicht geachtet. Seine Stimme hat sehr verlohren. Erst seit kurzem hat er es dahin gebracht, nicht mehr ausgepfiffen zu werden, und er wurde ausgepfiffen, weil er sich herausnahm, in der Arie „in diesen heiligen Hallen“ die zweite Strophe zu variiren. Hier soll sehr viel musikalische Bildung herrschen. Kenner sagen mir, daß sich jeder Philister die Ohren zuhalte, wenn der leiseste fallsche Ton fällt. Könnte ich Ihnen nur die herrlichen Dekorationen und Maschinerieen beschreiben, die ich in der Zauberflöte sah. Da kom5 6

Guido Reni (1575–1642). Joseph Fischer (1780–1862).

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men wie bei uns nicht blos zwei schabige Löwen, sondern die ganze Naturgeschichte von wilden und zahmen Thieren: Elephanten, Gazellen, Affen, Dromedare, sogar Schaafe und Flöhe. – 27. Okt. Nun ja, auf diese Art kann ich den ganzen Kalender durchschreiben, wenn ich warten will, bis ein Brief von Ihnen kömmt. Zwar habe ich heute noch eine halbe Stunde Hoffnung. Es scheint mir, Sie fangen an etwas lau zu werden. Im ganzen Monat Oktober haben Sie mir erst 3 Briefe geschrieben, und dieser der meinige Brief ist schon der 8te. Ich muß Sie auf etwas Aufmerksam machen. Die Post von Frankfurt hierher und zurück geht eigentlich nur zwei Mal in der Wochen, und dann kommen Sie den 4ten Tag an. Versäumet man aber diese Tage, dann werden die Briefe oft sechs Tage aufgehalten. Wir haben das beide schon erfahren. Sie müssen sich also genau erkundigen, an welchen Tagen die regelmäßige Post nach München abgeht. Von hier aus schreibt man am Montag und Donnerstag. Diesen Brief den ich heute Samstag abschicke wird vielleicht 6 Tage auf dem Wege zubringen. Sie verdienen es nicht besser, denn Sie haben mich gar nicht mehr lieb. Wäre ich doch lieber nach Offenbach gereist, da könnte ich 2 Mal täglich Briefe von Ihnen bekommen. – Gestern ist meine Mutter7 hier angekommen. Schöne Sachen hat sie von Ihnen erzählt! Ist es wahr, daß Sie reiten lernen? Meiner Schwester sagte ich, die Wittwe Sichel8 habe betheuert, sie werde nie wieder heirathen. Schon! rief meine Schwester. Das ist gewiß sehr mahlerisch, und ich habe neulich viele Worte gebraucht, um diesen Gedanken auszudrücken. Meine Mutter fragte mich, warum ich die Sichel nicht heirathete. Ich erwiederte: Philibert. – Also heute wieder nicht! Jezt weiß ich warum Sie lau geworden sind und mir seltener schreiben als vormals. Sie sind schon eine halbe Breslau.9 Was die Verzweiflung witzig macht! – Rosaliens Nachlass Roman von Jakobs,10 höre ich hier loben. Lesen Sie ihn, bilden Sie sich, nehmen Sie Unterricht, aber ja bei keinem jungen Maas, sondern bei einem alten.11 Können Sie mir nicht Sagen, ob während meiner Abwesenheit kein neues Heft der Wage erschienen ist? – Fällt 7 8 9 10

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Vgl. Br. 10. Vgl. Br. 49. Vgl. Br. 61. Friedrich Jacobs (1764–1847), Rosaliens Nachlaß neben einem Anhange (1812): ein Erziehungsratgeber für junge Mädchen. Rechenlehrer Michel Nathan Maas u. Sohn Nathan Meyer M. (1755–1836). Bis zur Gründung des Philanthropin hatte es eine jüd. Privatschule, die Samuel Mayer Maas’sche Schule, gegeben.

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Ihnen Abends 10 Uhr ein sich zu fragen: was mag jezt mein geliebter Börne machen? So geben Sie zur Antwort: er sizt im Kaffehause, raucht eine Zigarre und hat eine große Bouteille Bier vor sich stehen. Was hat er um 9 Uhr gemacht? Er hat ein wunderschönes Bürgermädchen aus dem Theater nach Hause geführt. Ist er auch mit ihr hienein ins Haus gegangen? Leider nein, denn die Mutter leidet das nicht. Sie sehen was daraus entsteht, wenn Sie mich vernachläßigen und zur Verzweiflung bringen. Mein Herz ergiebt sich aus Gram dem Trunke. – Es ist doch schlecht von den Ochsen, daß sie mir noch nicht ein einziges Mal geschrieben, ja mich nicht einmal haben grüßen lassen, aber . . . dis moi qui tu hantes et je te dirai qui tu es. Dr. Börne, ehemals geb. Wohl.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt . München, den 29. Oktober 1821.

Nr. 20 München. Montag 29 Okt. 1821.i Kling, kling, kling! Das klingt so herrlich wie die Glöckchen in der Zauberflöte. Und auch wie Jene fortlaufen möchte Ihr Sklave – zu Ihnen hin – so oft Sie einen Brief spielen, aber er darf ja nicht! Er muß bis zum Sommer in einem Treibhause verkümmern. Machen Sie mir meine Winterstube nur recht warm, schreiben Sie mir oft. Die Einrichtung mir jeden Morgen beim Frühstücke zu schreiben ist ganz herrlich. Wenn Sie nur Wort halten! Aber Sie thun es gewiß, ich weiß ja, daß Sie mich halb so viel lieben, als ich Sie liebe, also ungemein, und daß Sie nur darum so oft von meinem Neffen reden, weil er meinen Namen führt. Sie schreiben sehr fein, es wäre unfein von mir, daß ich noch gar nicht an die Ochs geschrieben, denn eigentlich wollten Sie sagen grob. Aber fragen Sie Fannÿ und Süßchen,1 ob sie mich nicht oft versichert, sie würden keine Briefe von mir annehmen. Ohne diese Besorgnis hätte ich schon längst die süßeste aller Pflichten erfüllt. – Ich danke Ihnen für alle die schönen Neuigkeiten die Sie mir gemeldet, Sie würden eine angenehme Zeitungsschreiberin werden. Der glückliche Ani

Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Med. Stiebel an der schönen Aussicht. frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

1

Susette Ochs (vgl. Br. 26).

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ton Schnapper!2 So wohlfeilen Kaufes davon zu kommen. Ich hätte in einem ähnlichen Falle mein leztes Kleid hingegeben. Lieber Engel, wollen wir nicht auch so einen Handel schließen? Zahlen Sie mir zehen Millionen, und ich entsage allen Ansprüchen auf Sie. Was reden Sie von Fuchs? Ich habe mit einem Fuchse keine weitere Aehnlichkeit, als daß ich oft geprellt worden bin. Ob die unverheirathete Schwester schön, jung und liebenswürdig ist? Was weiß ich! Was kümmert das mich! Ich liebe nur die abstrakten Ideen. Daß ein Frauenzimmer liebenswürdig sei, reicht nicht hin mich zu gewinnen, ich kann nur die Liebenswürdigkeit lieben. Sind Sie etwas Anderes als ein Fußklotz? Mir sind Sie noch etwas Schlimmeres. Sie halten mich, wie die Nadel einen Schmetterling, fest; jede Anstrengung mich loszureißen würde mich tödten, und so duften mir alle Blumen und Schwestern vergebens, und ich muß mein junges Leben, zwischen Bluten und Verbluten hinschmachten. – Sie melden mir, ich würde bald in den Ehestand treten? Nun, das freut mich, Sie müssen das am besten wissen. Was doch ein Frauenzimmer für verschämte Wege einschlägt, um zum Ziele zu kommen. Nachher will ich recht ordentlich und fleißig werden. Wir wollen leben wie die Engel im Himmel, nichts essen und nichts trinken, sondern nur uns lieb haben. Wenn Sie mich ernstlich fragen, wie es mit meinen Arbeiten stehe, so muß ich Ihnen ernstlich antworten, daß ich ausser dem wovon ich Ihnen schon geschrieben habe, noch wenig zu Ende gebracht. Woher die Zeit nehmen? Ich habe so vieles zu sehen, zu betrachten und zu bedenken. Ich verliere aber nichts durch mein Zögern, nicht einmal Zeit, denn mir kömmt an neuen Ideen und Stoff so viel zu, daß ich später werde rascher Arbeiten können. Nur daß ich oft schwanke und wähle ist schlimm. Das beste wäre gewesen, ich hätte alle meine Stunden zu Hause darauf verwendet Ihnen zu schreiben und alles mitzutheilen, was mir von innen und aussen zukam. Da hätte sich viel gesammelt was zu brauchen gewesen wäre. Aber da that ich mir Gewalt an, beschränkte meine Neigung, um zu förmlichen literarischem Thun zu schreiten, woraus denn immer noch nichts geworden ist. Ich werde wahrscheinlich diese Woche meinem Vater schreiben, doch zweifle ich sehr, daß er mir die Reise nach Wien verstattet; es läßt sich anerzogene Aengstlichkeit so schwehr besiegen. In einem gewissen Sinne hatte Steinthal3 ganz recht zu sagen, ich hielte hier Quarantaine, ich werde wirklich durchräuchert und unschädlich gemacht 2 3

Vgl. Br. 62. Vermutl. Martin Steinthal (vgl. Br. 62).

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nach Wien kommen. Von Politik hört man hier kein Wort sprechen, und ich selbst bin ihr fast entwöhnt worden. Zwar lese ich hier alle Zeitungen, aber es ist nur das lebendige Wort was aufregt. Wärme des Gesprächs verbreitet sich hier nur über Kunst, und da im Sommer jedes Land Italien ist, so giebt man sich zufrieden. Nur Sonne; die Erde worauf man steht, ist gleichgültig. Jede Leidenschaft, jeder Wind ist mir willkommen, daß ich nur fortgetrieben werde. Doch ein Gebiet giebt es im menschlichen Leben, wo ich zur Eisscholle erstarre, dieii kein Frühling schmilzt – der Handel. An meinem Schwager ist mir das so klar geworden. Das ist ein verständiger, gebildeter, ja geistreicher Geschäftsmann. Nur sollten Sie ihn reden hören, über Rothschild, über Oestreichische Anleihen u. dergl. Mit Entsetzen höre ich ihn an. Diese Leidenschaftlichkeit, diese Glut, dieses Lebendigkeit, dieses Mienenspiel, diese Begeisterung. Es ist nicht die Habsucht, von der er mir ganz frei scheint, die würde ich bedauerungswürdig aber erklärlich finden. Er spricht von solchen Dingen, wie ein Kunstfreund von einem Raphaelschen Gemählde, das er mit Entzücken anschaut, ohne daß der leiseste Wunsch das Kunstwerk eigenthümlich zu besitzen, seine Empfindung störe. Ist das nicht fürchterlich? Und so sind sie alle in Frankfurt. Und gar an Ihrer Seite dort zu leben, das wäre mir als Zugluft noch unerträglicher. – Ich danke Ihnen für das Versprechen mir gleich zu schreiben, wenn Ihnen etwas fehlt, und Gott gebe, daß Ihnen nie etwas fehle als ich, denn da kann ich helfen. – Wir schönen Geister kommen uns in Allem entgegen. In meinem lezten Briefe war auch vom Postenlauf die Rede. Direkte, undirekte Post, wir reden wie die Handelsleute. Die Einrichtung ist ganz gut. An dem nehmlichen Tagen wo man von hier schreibt, nehmlich Montag und Donnerstag, kommen auch die Frankfurter Briefe an, so daß ich gleich darauf antworten kann. Wenn meine Briefe nach Frankfurt kommen, hatte ich in dieser Minute ausgerechnet, habe es aber schon wieder vergessen. Der Kopf schmerzt mich davon. – Ich habe immer an St.[iebel] gedacht, aber bis jezt noch nichts ausfindig machen können. – Engel, welche Belohnung und welche baldige haben Sie mir ausgedacht? Ist es etwas lebendiges oder etwas todtes? Hat es Hände und Füße? Wird es gegessen oder ißt es selbst, und zwar viel? Bis ich das alle erfahre, schwimme ich täglich auf dem Nÿmphenburger Teich herum. – Meine Mutter4 ist hier angekommen. Denken ii

Orig.: den.

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Vgl. Br. 63.

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Sie nur, sie trägt Haare, was sie in Frankfurt nie gethan! Zwar nur falsche, aber die schönsten braunen Locken. Ich habe sie gefragt, wie sie es auf der Reise mit dem Essen gehalten hätte, und da hat sie gesagt sie hätte Fische gegessen, und hat sich wahrhaft über sich selbst lustig gemacht. O Sitten! O Zeiten! Muß ich das von meiner Mutter erleben! – Jeden Sonntag esse ich bei meiner Schwester. Dort findet sich auch ein Pro[fe]ssor Speth5 ein, der seit 12 Jahren keinen Sonntag fehlt. Vortrefflicher Kunstkenner, dessen Werk „Die Kunst in Italien“ sehr gelobt wird. Er ist katholischer Geistlicher, ganz der französische Abbé wie in Fanchon6 und in den Memoiren. Wel[che] Gewandtheit, wie versteht er geistliche Würde und pfäffische Heuchelei, mit gefälligem Scherz und offener Lebenslust zu verbinden! Wenn er des Fürsten Hohenlohe Wunderkraft in Schuz nimmt, wenn ich ihm sage, Ihr Katholiken seÿd [H]eiden, darum gefällt Ihr mir – dann sollten Sie sein Gesicht sehen, wie das zwischen Lächlen und Ernst, dem Zuschauer unbeschränkte Wahl giebt. Jeden Sonntag zieht er die Spieluhr auf, lobt meiner Schwester sieben Kinder die Reihe nach, sagt meinem Schwager er sei nicht dick, erzählt jedem Fremden, ich sei Verfasser der Wage, und frägt mit den Worten nach mir: wo ist mein Doktor? Meine Schwester hat feine Spitzen in Commission – er läuft in der Stadt herum, und sucht einen Käufer. Ist eine Speise misrathen, da[nn] läßt er sich gewiß zwei Mal davon geben. Von dem könnte ich was lernen, nur müßte ich zuerst lernen fremdes Essen so zu lieben wie er. Es schmeckt mir aber nur, wenn ich es bezahlt habe. Bei dem Prinzen Eugen7 hat er sich einzuschmeichlen gewußt, und hat ihm die kostbarsten herrlichsten Kupferwerke ausgelockt. Ich habe an Speth wieder bestättigt gefunden was ich so oft wahrgenommen: Um zu gefallen muß man eitel seÿn; man lernt die Eitelkeit Anderer, nur an sich selbst schmeichlen. Wenn ich ihm erzähle, ich hätte seine Schriften loben hören, dann ist er ganz ausser sich vor Freude. Der Prinz Eugen hat sich hier sehr beliebt gemacht, er ist ein schöner, reicher, und soll ein sehr kluger Mann seÿn. Seine Familie, das sollen alle Gr[a]zien ver-

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6

7

Balthasar Speth (1774–1846), kgl.-bayer. Hofkaplan u. Prof. der Religions- u. Sittenlehre an der kgl. Kadettenanstalt in München, Kunstsammler u. –Historiker (Die Kunst in Italien, 3 Bde., 1819–1823). Friedrich Heinrich Himmel (1765–1814), Fanchon das Leyermädchen, Singspiel (1804). Eugène de Beauharnais (1781–1824), Adoptivsohn Napoleons, Vizekönig v. Italien (1805–1814), verh. mit der bayerischen Prinzessin Amalie Auguste (1788–1851).

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einigt seÿn. – Was ein Rezensent geplagt ist! Manchmal verwünsche ich die Stunde, in der ich zuerst kritisirt. Von einem Hrn. v. Pletz habe ich Ihnen geschrieben, der ein Trauerspiel verfertigt, daß er mir schon früher nach Frankfurt geschickt, das ich aber nicht gelesen habe, dieser Menschiii verfolgte mich seitdem er mich kennen lernen, mit dem schamlosesten Schmeichleien. Jean Paul wäre ein Pudel gegen mir. Ich sah das Gewitter heraufziehen. Giebt mir vorgestern unser Dichter, mit aller Unterthänigkeit und Feÿerlichkeit seine Tragödie, die ich nicht allein lesen, sondern auch beurtheilen soll „mit meiner gewöhnlichen Freÿmüthigkeit“! Wäre sie ganz schlecht, hätte ich leichtes Spiel, ich könnte dann aus Ironie alles loben. Aber das Werk ist mittelmäßig, und nicht genug loben, beleidigt mehr als unbedingter Tadel. Dabei ist Pletz ein großer dicker Kerl, der täglich 4 Mas Baierisch Bier trinkt. Wehe mir, wenn er Dr. Katzenberger’s Badereise8 gelesen hätte. Ich habe mich schon darnach erkundigt, und zu meinem Glücke findet er Jean Paul langweilig. Ein wahrer Magister Lämmermeier! Ich wollte ihn besuchen, das verbat er sich aber, vorgebend, er sei den ganzen Tag nicht zu Hause, denn die Nacht sei sein Tag, dann arbeite er. Wahrscheinlich hat er keinen haltbaren Stuhl in seiner Dachstube. Es herrschen in der Stadt zwei verschiedene Meinungen über ihn. Die Einen sagen er hätte nie einen Gulden, die Andern hingegen, er hätte nie 24 [kr.] in der Tasche. – Draussen vor der Stadt sieht man die Tÿroler Berge, hinter ihnen liegt Italien. Gar nicht los machen kann ich mich von der Vorstellung, daß ich in zwei Tagen den kalten Herbstnebeln dieses Landes entfliehen könnte, daß ich in drei Tagen einen neuen Frühling, in vier das Meer, in fünf Roms alte Götter, in sechs den Sommer und blühende Citronen=Bäume finden könnte . . könnte . . könnte! Dr. Müller,9 der Verfasser der Beschreibung von München, die ich Ihnen neulich empfohlen, war Sekretär beim Prinzen Eugen, mit 2000 fl. jährlichem Gehalt. Er betrug sich nicht gut, und da schickte ihn der Prinz mit Manier zum Teufel, das heißt: er gab ihm 2500 Gulden, und rieth ihm Italien zu bereisen. Das that er, und jezt macht Brockhaus, der die künftige Beschreibung in Verlag genommen, einen unendlichen Lärm von dem schönen Werke, dem die Welt ent-

iii

8 9

Orig.: Menschen. Jean Paul, Doktor Katzenbergers Badereise, 2 Bde. (1809). Christian Müller (geb. 1790); vgl. Br. 58.

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gegensehen dürfte. Die Proben die ich im Literaturblatte gelesen, sind schlecht, der Mensch schreibt wie eine Köchin. Wie man in Italien keinen Stÿl haben könne, begreife ich nicht. Hätte ich nur auch schon einen fürstlichen Herrn! Daß er mich zum Teufel jage, dafür wollte ich sorgen. – Das erste Finale im Titus ist freilich schön. Habe ich es denn getadelt? Wenn auch Mozart nicht er selbst ist, so bleibt er immer noch genug. – „Ihre aufrichtige ergebene J. Wohl“ . . Aus welchem Briefsteller haben Sie das abgeschrieben? Schreiben Sie doch: Ihre heißgeliebte und Sie desgleichen liebende Freundin – das klingt schöner. Das Ende an Ihren Briefen gefällt mir nie. – Der Himmel weiß, wie es geschieht, daß mein Verstand und meine Zeit in meinen Briefen immer zugleich aufhören. Es schlägt schon halb 2 Uhr, und ich wüßte Ihnen nichts neues mehr zu schreiben. Also Donnerstag bekomme ich wieder Brief. Wäre ich jezt ein Türke, dann hätte ich wöchentlich 5 Feÿertäge. Sonntag für Christus Montag und Donnerstag für Sie, Freÿtag für Mahomet, und Samstag für Moses, dann blieben mir noch zwei Wochen= und Arbeitstage: Dienstag und Mittwoch. Eine herrliche Einrichtung für einen Müßiggänger meines Gleichen. Ich will den Koran studieren. Allih Allah! Der Prophet segne Dich; süßer Balsam von Mekka, duftende Rose Persiens, Aller Thau des Himmels komme über Dich! Bajased10 genannt der Blitz, geb. Wohl.

65.

A n L udw i g Bö r n e i n M ü n ch en. [Frankfurt], den 28., 29. u. 30. Oktober 1821.

Sontag 28 Oktober 1821i Ist in Baiern der Herbsthimmel auch so heiter? Bei uns ist das Wetter gar zu schön. Das wird eine traurige Enttäuschung werden, man glaubt den Frühling kommen zu sehen, und der Winter ist so nahe. Gestern waren wir wieder spazieren, alle Samstag einmal, das ist doch nicht zuviel? Und doch i

Adr.: Herrn Dr Börne wohlg: logirt Max-Joseph:Platz Nr. 41. bei Herrn Königshöfer in München (Kuvert).

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Bâyezîd I. (reg. von 1389–1402), osmanischer Herrscher, aufgrund seiner Eroberungen in Anatolien und Europa der Blitz genannt.

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sagte die Süschen, wenn uns Dr Börne so laufen sähe würde er uns auszanken, wir hätten schon wieder den […]ii in die Beine. Sie zanksüchtiger Mensch! Warum machen Sie mir Vorwürfe wegen der Adresse, wer wird denn so umständlich sein. Wenn Sie wüßten was mir das Brief Format, siegeln, Adresse schreiben, alles das für Pein und Mühe machte, Sie würden nachsichtiger sein. – Was Sie ein ungelenker Mensch sind. Hätten Sie sich nicht zum Adoptif=Sohne des Herrn v. Barkhausen1 einschmeicheln können, der hat Güter! Wir kamen gestern durch Bokenheim, er läßt immer mehr anbauen, wie bedauerte ich das so wenig Hoffnung vorhanden, Sie als einstigen Besitzer davon zu sehen. Murhart ist dem Onkel2 an der Börse „nachgelaufen“ „Kömmt der herr Dr Börne immer noch nicht zurück? Ist es wahr daß er nach Wien geht“? Der Geizhals muß freilichiii nicht begreifen können, wie Sie „Hans ohne Sorgen, und ohne Geld, sich so zum Vergnügen in der Welt herumtreiben können.–– Der gelehrten Verein3 hat sich aufgelöst, aber eine neue Bibel Gesellschaft4 hat sich gebildet. Die Frommen treiben ein gottloses Wesen hier, es hat sie eine ordentliche Bekehrungswuth ergriffen, sie haben, wie Sie vielleicht schon wissen einen Fonds errichtet zur Unterstüzung für unbemittelte die übertreten wollen, zu Karl Feist, und Dr Neuburger5 haben sie ins Haus geschikt und beide zu thäthiger Theilnahme ihres Unternehmens aufgefordert, die haben sie aber (und nicht höflich) abgewiesen . . . – Dr Zimmern, seine Schwester, Regine Neustädel6 und noch viele andre waren heute morgen zu Besuch bei mir, Regine sieht ganz herrlich, gesund und vergnügt aus. Zimmern wollte nach Paris, er hatte schon seine Empfehlungschreiben in der Tasche, – erhielt ii iii

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Unleserl. Wort. Orig.: freiflich. Carl Ludwig Freiherr v. Barckhausen, gen. v. Wiesenhütten (1761–1823), landgräflich-hessischer Staatsminister bis 1805. Mordochai (Markus) Baruch (1765–1837), Bs Onkel, Tuchhändler. Frankfurterischer Gelehrtenverein für deutsche Sprache: 1817 unter Berufung auf Luther u. die Reformation zum Zwecke der Bewahrung u. »Reinhaltung« der dt. Sprache gegründet. Wie viele andere Bibelmissionsvereine folgte auch die Frankfurter Bibelgesellschaft von 1816 dem Vorbild der 1804 in London gegründeten British and Foreign Bible Society. Vgl. Br. 33 u. Br. 37. Sigmund Wilhelm Zimmern u. Regine N., geb. Zimmern (vgl. Br. 10 u. Br. 37).

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aber den Ruf, als ordentlicher Professor, und geht jezt nach Heidelberg zurück. Meine Schwester Schnapper7 wünscht sehnlichst einen Gruß, von Dero hoch eigenen Händen geschrieben, zu lesen. – Wenn es Sünde ist sich über erhaltne Briefe zu freuen, dann kommen wir beide in die Hölle. Hat das katholische Wesen schon so viele Macht über Sie, daß Sie sich fürchten vor den unschuldigsten reinsten Freuden? Mir wird ganz bange, denn wenigstens eine sehr verlokende Seite hat das Pfaffenthum, und wenn Sie auch vor den Thorheiten, und frömmelnder Schwärmerei eines Schlegels behütet sind, so ist doch das schöne, lachende, sicher gegründete Gütchen, des feisten Müssigangs nur all zu anziehend. Nr 1 Ach, der behagliche einschläfernde Katholizismus, und ––– der fatale Ententeich zu Nymphenburg! Und, Ach! Der sonst so langmüthige geduldige Eichenberg,8 hat sich gewundert, und tatelnd beklagt, daß immer noch keine Wage erschienen. Ach! – refr. an Nr 1 Montag 29 Abe[nd] ––– . . . „Was ich schwätze“! sind Ihre verweisende Worte am Dr Börne, weil er sich endlich einmal wieder herabläßt ein paar vernünftige Worte mit Frau Wohl zu reden. Das ist wieder Ihre alte Unart. Wenn Sie einst als Kirchenlehrer so eifrig und gläubige Zuhörer hätten als mich, würde Ihr Ruhm sich weit verbreiten, Sie neidischer unfreundlicher Freund! Sie wissen was mir Freude macht, und sind so karg mit dem geben, und bereuen selbst nachdem Sie gegeben, das ist auch kein ächt frommes Gemüth, mein heiliger Bruder! – Gabriele ein Roman von Frau Schoppenhauer9 stürzt alle Frauenzimmer in Verzweiflung, und entlockt Ströme von Thränen. Den habe ich jezt nach einer langen Lesepause auch vorgenommen. Wir wollen sehen ob mir noch Antheil und Thränen für eine erdichtete Liebe geblieben sind! – Unwissend werde ich wohl vor wie nach bleiben, darum werde ich aber gewiß Ihre Freundschaft nicht einbüßen. Ich weiß ja wie Sie daß Wissen an Frauen schätzen, und waß ich von Ihnen gelernt, nun –– – das Hätte ich zu meinem Seelenheile auch wohl entbehren können. Uebrigens mein lieber Freund, habe ich mir einen sehr schönen lila seidnen Hut gekauft, den alle Welt bewundert, er kostet fünf ganze Gulden. In dem und meinem schönen weisen Schawls bin ich gestern Mittags mit Zimmern,

7 8 9

Fanny Wohl, verh. Schnapper (vgl. Br. 1). Vgl. Br. 42. Johanna Schopenhauer (1766–1838), Gabriele, 3 Bde., 1819/20 (vgl. Br. 74).

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Kulbs10 Hiller R ‹Oschterkeim?› etc etc. und etliche Christen in der Promenade herumstolzirt. Ihr Regenschirm ist nicht vertauscht, aber auch nicht gebraucht worden. In einem engen Koffer ist er gleichsam wie in Klösterlicher=Einsamkeit, den Augen und den Stürmen der Welt entzogen. Ich habe das Gelübde gethan daß er das Licht der Sonne nicht erblicken soll, bis ein Rittersmann der ausgezogen nach Katholischen Landen, um begangene Müßigthaten Reuig abzubüßen, gebessert, und mit den Früchten und Orden des Fleißes geschmückt nach Jahren, in seine Heimath zurück gekehrt, um den duldenten Regenschirm, aus seinem Kofferverlies zu erlösen. Warnung hilft gegen böses Peispiel nicht, denn Sie sehen ich habe eher Ihren schleppenden Perioden=Bau nachgeahmt als vermieden. A propos, halten Sie meiner Unwissenheit diese Frage zu gut, hat Swift starke stehende Bände geschrieben, oder auch solche die man umblasen kann? Im ersten Falle, suchen Sie sich weiter nach ihm fortzubilden. An Erfindungsgabe fehlt mir’s gänzlich, schiken Sie mir eine Liste von Nahmen für Ihren Eßkünstler, ich will dann einen für ihn auswählen. – Sie führen ein schönes Leben mit Ihrer Rödelheimerin! Ich habe es ja immer gesagt daß Sie nicht für den Ehestand taugen, doch halt, wahrscheinlich sind Sie schon Wittwer und wollen zum zweitenmal heirathen, ich habe beinahe ganz an der „unverheiratheten Schwester“ vergessen. – Kömmt die Wage bald? Mein saumseliger Herr Swift? Sie sehen, ich kann kippele trotz Ihrer Rödelheimerin. Rödelheim oder Ffurt, oder –– auch München, die Weiber sind sich überall gleich! Haben Sie diesen Stich bemerkt, mein satirischer Herr? – Leben Sie wohl mein guter Freund, schreiben Sie mir nur alles, und auch gescheidter, ich will mir schon Mühe geben –– Sie verstehen zu lernen. J. Wohl. Guten morgen 12 Uhr Mittags.

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Vgl. Br. 74.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 1. u. 2. November 1821.

Nr. 21. [Münc]hen, Do[nnerst]ag d. 1 Nov. 1[821]i Schon wieder ein Brief? Nein, das ist zu arg, eine solche Zudringlichkeit ist [mir] noch gar nicht vorgekommen. Eÿ, [Frau] Wohl, Sie haben sich ja sehr verändert, Sie sind ja ganz erstaunlich mürbe geworden! Erinnern Sie sich gefälligst, wie Sie gewüthet haben, da ich Ihnen vor 4 Jahren, durch eine vertraute Köchin, ein Zettelchen in Ihr Schwester Haus geschickt. Bin ich der Nehmliche nicht mehr? Ist das nicht meine Handschrift? Hat sich mein Herz verändert? . . Nein, theuere Freundin, es hat sich nicht verändert, und wie es damals für Sie schlug, wird es ewig für Sie schlagen. Aber mit meiner Klage ist es mir doch Ernst. Sie sollen mir nicht so oft schreiben, ein Mal jede Woche ist genug. Sie sind zu gut, Sie verzärteln mich. Wenn ich auch manchmal über das Gegentheil geklagt, so war das eine Schwachheit, die Sie mir verzeihen aber nicht nachgeben dürfen. Wenn ich selbst häufig schreibe, so ist das etwas Anderes, denn alles was ich denke und fühle, ist in meinem Geiste und Herzen, doch immer an Sie gerichtet, und an meinen Briefen habe ich nichts als die Adresse zu schreiben. Heute, liebes Kind, kann ich diesen meinen Brief nicht abschicken, denn ich habe allerlei zu sehen und zu hören. Wir haben heute Feÿertag1, und überdies wird unser Hochwürdigster Bischof eingeweiht.2 Große Kirchenmusik, und hundert blau seidne Hüte ziehen mich fort. Auf morgen denn. – 2. Nov. Es ist doch nicht schön, daß wir so weit von einander entfernt sind, die Briefe gehen zu langsam, man erinnert sich nicht mehr was man geschrieben, und Frage und Antwort verwirren sich. Als Sie Ihren lezten Brief abschickten, waren meine leztern Briefe (Nr. 19 u. 20) noch nicht angekommen. In Paris hat sich jezt eine Gesellschaft gebildet, welche zum Vortheile des Handelsstandes, telegraphische Linien nach allen französischen Häfen errichten, so daß die Pariser Kaufleute in wenigen Minuten, von der Ankunft der Seeschiffe benachrichtigt werden können. Ich ergötze mich an i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Medic Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Allerheiligen. Am 1. November 1821 wurde Lothar Anselm Frhr. v. Gebsattel (1761–1846) in der Hofkirche zum Bischof von München und Freising geweiht.

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den Gedanken, daß bei dem immerwährenden Fortschreiten des menschlichen Unternehmungsgeistes, nach einer Reihe von Jahren, die Telegraphen so allgemein seÿn werden, daß gute Freunde auf diesem Wege sich schreiben können. Dann können Sie mir von Frankfurt aus in drei Stunden Nachricht geben. Das müsste herrlich seÿn. Wenigstens bis dahin wollen wir uns gut bleiben, damit wir uns des Vortheils erfreuen. – In der Kirche habe ich gestern keinen Plaz mehr gefunden, doch habe ich an diesem Tage das merkwürdigste Schauspiel auf meiner ganzen Reise gesehen. Ich erinnere mich nicht, Ihnen von dem hiesigen Kirchhofe3 schon geschrieben zu haben. Er ist äusserst merkwürdig. Wie der Mensch von der Sinnlichkeit beherrscht wird, wie keine Vorstellung der Seele, sie sei erhaben oder gemein, traurig oder freudig, selbstständig ist, sondern von den Sinnen geschaffen, erweckt, erzogen, ernährt, eingeschläfert oder vernichtet wird – das kann man auf dem hiesigen Kirchhofe lernen. Es mag Jemand noch so sehr den Tod fürchten, er mag sich noch so ängstlich an das Leben klammern, er wird auf diesem Kirchhofe nichts von den Schauern fühlen, die der Anblick der Vergänglichkeit sonst zu erregen pflegt. Er ist ein freundlicher heller Garten, der wie jeder andere Spatziergang alle Tage benutzt wird. An den Mauern sind wohl niedere Pflanzungen, doch Bäume die düstern Schatten geben, sind vermieden. Breite Wege, der Sonne ganz offen, führen nach allen Richtungen. Die Gräber sind sÿmetrisch, Reihe hinter Reihe, geordnet. Die Meisten sind mit Grabmählern versehen, zu deren Errichtung die Hinterlassenen, eine Aufforderung mehr in ihrer Eitelkei[t] finden, da diese Denkmäler der Liebe der Achtung oder Dankbarkeit, täglich der Betrachtung der Lustwandelnden ausgesezt sind. Die leeren Grabstätten sowohl, als auch diejenigen welche kein Denkmal bezeichnet, sind mit numerirten Stäbchen versehen, so daß das ganze Feld das Ansehen eines botanischen Gartens hat. Auf der einen Seite wird der Kirchhof, von einem halbzirkelförmigen mehrere hundert Schritt langen bedecktem Säulengange, umgrenzt. Wer da Ruhe sucht, kann sie auf marmornen Bänken finden. Ich habe aber noch Niemanden darauf sitzen sehen, an einem solchen Orte mag sich wohl jeder seiner Beine erfreuen. Unter diesen Arkaden gelangt man in einige große Zimmer, die zwar mit einigen Zeichen der Trauer ausgestattet sind, ohne jedoch ein düsteres Ansehen zu haben. 3

B berichtet vom Münchner Hauptfriedhof, dem alten Münchner Südfriedhof, den 1819 der Architekt u. Oberbaurat Gustav Vorherr (1778–1848) parkartig umgestaltete.

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Darin werden diejenigen Toden, welche man aus Mangel an Plaz oder aus andern Gründen, nicht die verordneten drei Tage im Hause behalten kann oder will, in offnen Särgen ausgestellt. Die Zimmer sind zwar verschlossen, aber durch große Glasthüren kann man alles sehen. Gepuzte Kinder, Blumenbekränzte Mädchen, Weiber in Nachthauben mit schwarzen Bändern, liegen da mit entblößten Gesichtern, auf schiefrechten hohen Gestellen. Die aus Sonnen= und Kerzenlicht zusammenfließende magische Beleuchtung, giebt den Todten das Ansehen von Schlafenden. Das ist die Bühne, auf der ich gestern ein so merkwürdiges Schauspiel sah. Es war der Tag des Allerheiligen Festes. An diesem Tage wird für das Heil aller Verstorbenen gebetet „damit sie um so bälder aus dem Fegfeuer befreit, werden, und zur Anschauung Gottes gelangen.“ Der Kirchhof war mit Tausenden von Menschen bedeckt. Alle Grabmähler waren mit Blumenguirlanden umwunden, oder mit Bl[u]men in Töpfen umstellt. Bei jedem standen Lichter, Entweder Wachskerzen auf hohen Kirchenleuchtern, und zum Schuze gegen den Wind mit farbigem Papier umsteckt, oder Oehllampen in farbigen, gewöhnlich dunkelblauen Glaskugeln. Die Grabmähler sind mit eisernen Armen versehenii, woran die Lampen gehängt werden. Zur Bewachung der Lampen, Blumentöpfe und anderer Dekorationen, werden von den Hinterbliebenen die ihren Todten diese Ehren erzeigen, alte Weiber bestellt. Ich habe nie so viele alte Weiber beisammen gesehen. Vor jedem Grabe steht ein Eimer mit Weihwasser, woraus vermittelst einer langen Bürste das Grab von Zeit zu Zeit benezt wird. Fromme und Kinder die damit ihr Spiel treiben, verrichten diese Benetzung im Vorbeigehen, auch wenn ihnen der Tode nicht nahe war. Die alten Weiber [beten ihre Rosenkrä]nzeiii, die Mä[nner] mit e[ntblößtem Ha]upte vor den Gräbern ihrer Angehörigen. Die Denkmäh[ler sind] nicht blose Steine, sondern gewöhnlich architectonische und plastische Allegorien, manche von sehr guter Idee, obzwar wie natürlich, von keinem großen Kunstwerke in der Ausführung. Ich habe an dieser Feÿer die sehr poetisch ist, und die ich aus Mangel an Zeit, nur schlecht beschreiben konnte, nichts auszusetzen, als daß sie nicht im Frühlinge begangen wird. Es ist schwehr, das schmerzliche Gefühl der Vergänglichkeit im Herbste zu beseitigen. Was die Einrichtung des Kirchhofs betrifft, so meinen Sie gewiß, daß sie mir gefiele; sie gefällt mir aber nicht. Das heißt nicht, wie die Griechen, den Tod erheitern, das heißt ihn wegii iii

Orig.: verstehen. Besch. Rand (vgl. R IV, 434).

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lügen, ihn verbergen. Nur Gedankenlose Schlemmer können sich auf diese Art betäuben lassen. Das heißt nicht wahren Muth geben, gegen die Schrecken des Todes, das heißt, uns gleich Soldaten vor der Schlacht, durch Rausch die Feigheit benehmen. Dieser Kirchhof ist so lustig, daß man Ball darauf halten könnte. Man wird leichtsinnig gestimmt, der Genius mit der umgekehrten Fackel, wird in einen Hanswurst verwandelt. Das ist nicht gut . . . Genug gestorben, wir wollen zu den lebendigen zurück[k]ehren. Das Wetter war gestern wie im Frühling, und wenn es bis Morgen so anhält, werde ich mit meinem Neffen, eine Fußreise ins Gebirge machen. Nach Tÿrol hin 5 Stunden von hier, liegt der Stahremberger See, der 5 Stunden lang und 1 1 ½ Stunden breit ist; eine reizende Insel in seiner Mitte. Dahin wandern wir auf zwei bis drei Tage. Wie ich mich freue aus dieser Flachheit Münchens zu kommen. Es giebt hier nicht so viel Berg, daß man darüber stolpern kann. – Eines Ihrer holdseligen Worte, das hebräische habe ich nicht lesen können. Heißt es etwa Suhden,4 Teufel? Von der oder dem Süßchen, will ich nichts wissen.5 Es oder sie, hat mir auf den Brief den ich ihm oder ihr schon vor 6 Wochen Postrestant geschickt, noch nicht geantwortet. – Ihr blau seidner Hut muß Sie herrlich kleiden, das ist Ihre Farbe die des Himmels. Wenn es regnet, werden Sie lieber den Hut verderben lassen als meinen Regenschirm gebrauchen? Ich habe den größten Verdruß davon. Worauf sollen Sie ihn versparen? Ich wollte den Trunkenbold Noah hätte der Teufel geholt, ehe er, auch den Elephanten in seine Arche gerettet. Der ist Schuld an Allem, denn nur des Elfenbeinernen Knopfes willen gebrauchen Sie den Regenschirm nicht. – Lassen Sie doch dem Murhart weiß machen, ich ging nach Wien und übernähme die Redaction des Oestreichischen Beobachters,6 aber ernsthaft; er würde es in der ganzen Stadt erzählen, und ich wette, man glaubte es. – Aus dem Dr. Zimmern wird nie ein ordentlicher Professor werden. Ich halte ihn für sehr geistlos, er kann wohl seine Schüler, aber gewiß nicht die Wissenschaft weiter bringen. – Sie schreiben mir, Sie wären in der Promenade mit einigen Christen herumstolzirt? Wer waren diese Christen? Sie wissen daß ich sie nicht leiden mag. Recht zum Narren habe ich mich von Ihnen halten lassen, mit meinem Reisen. Ich glaube Sie machen sich gute Tage und sind so 4 5 6

Jidd. Susette Ochs (vgl. Br. 26). Für den Österreichischen Beobachter, das offiziöse Organ der Regierung Metternich, schrieb u. a. auch Friedrich Gentz.

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vergnügt als ein Fisch im Wasser. Was führe ich hingegen für ein elendes Leben. Montag ist bei Havard Extra-Tafel für Leckermäuler, Mittwoch bei Michel, Freitag bei [J]unneman,iv dann Museum,7 dann italiänische, dann deutsche Oper, dann ein Staberl,8 dann ein Rendez-vous, [ich] möchte mir die Haare aus dem Kopfe reißen. Wenn sich ein Anderer um 10 Uhr zu Bette legen [k]ann, muß ich noch mit Hrn. v. Pletz, und noch einigen allerliebsten Gesellschaftern Billiard à la Guerre spielen. Wenn werden meine Leiden enden! – Haben Sie mir doch Wohlgebohren schreiben müssen. Ich will Sie schon zu recht bringen, ich will noch eine ganz ordentliche Person aus Ihnen machen. Sie sollen mir tanzen lernen nach meiner Pfeife. Auf Ihren nächsten Brief schreiben Sie mir Hochwohlgebohren. Nicht gemuckst! – Gestern Abend hatte ich einen Anfall von Heimweh, auf ein Gläschen Kümmel verlohr es sich aber wieder; ich hatte mir den Magen verdorben. – Wer ein Land nur im Herbste und Winter gesehen hätte, dürfte der sagen, daß er das Land kenne? Nein. Eben so wenig, kennt derjenige das Gebieth des menschlichen Geistes, welcher nur die Wissenschaft aber nicht die Kunst inne hat – die Kunst welche Frühling und Sommer ist. Wie glücklich ist der zu preißen der eine vollständige Erziehung genossen! Während ich beschäftigt bin ein Zimmer in dem Gebäude meines Wissens auszumahlen, dringt der Regen durch das unbedeckte Dach, und der Keller stürzt ein. Nirgends Festigkeit, nirgends Zusammenhang. Wenn ich nicht wahrhaftig demüthig wäre vor Gott meinem Schöpfer, ich könnte in Verzweiflung gerathen. Was mir fehlt, kann ich nicht nachholen. Wer sich an Leinwand erfreut, kann sich Hemder daraus schneiden, wer aber wie ich, Talent, Farben und [P]insel hat, nur keine Leinwand, darauf zu mahlen – wem das unterste fehlt, und der darum [w]eiß was ihm fehlt, der muß sich wie ich mit erschlichener Achtung und unverdienter Liebe begnü[g]en.v Daß meine Augen weiter gehen als meine Füße, das macht mich oft so mismuthig – Sie glauben es kaum. Hier ist so viel Talent, und so allseitige Ausbildung bei vielen Menschen, daß man neidisch werden muß. Mein Stilliv v

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Vgl. R IV, 436. Besch. Rand. Das 1802 gegründete Museum war Lesegesellschaft u. geselliger Treffpunkt der Münchner Oberschicht. Die zur stehenden Rolle geworde Figur des Schirmmachers Staberl aus Adolf Bäuerles Lustspiel (1786–1859) Die Bürger in Wien (1813).

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schweigen ist mir schon manchmal für Bescheidenheit aufgenommen worden, und ich darf nichts dagegen einwenden. Neulich sagte ich Jemanden, ich wolle mich hier auf Italien vorbereiten, denn mir fehle so viel: Kunstkenntnis, Alterthumskunde (daß mir auch Geschichte und Sprache fehle, schämte ich mich zu gestehen) und da lächelte der Mann, und sagte, (ich hörte es ihm an, er wollte mir nicht schmeichlen): „Nun, wenn Ihnen das fehlt, so weiß ich nicht, wer das sonst besitzen sollte!“ Viele Leute waren dabei. Lieben Sie mich, wenn auch unverdient. Dr. Ignorant, geb. Ignorantin.

67.

An L udw i g Bö r n e i n M ü n ch en. [Frankfurt], den 1. u. 2. November 1821.

Donnerstag 1ten Novemberi Dieser Brief wird Sie freundlicher gesinnt gegen mich finden, denn er ist schon der dritte, seitdem Sie sich in Ihrem Letzteren bitterlich wegen meiner Schreibsaumseligkeit beklagt. Am 31 sten, also Mittwoch (Vormittag) habe ich diese Ihre Nr 19 vom 27 ten erhalten. Sie haben schon ersehen daß ich Ihnen zuvorgekommen, und mich genau darauf eingerichtet an regelmäßigen Posttagen, wie Montag und Freitag, also zwei mal die Woche zu schreiben. Aber nun sollen Sie wissen auch daß Ihre Vorwürfe mir wehe gethan! Ich war nie wandelbar, mit wem ich es herzlich gut meine, der bleibt mir ewig werth, und Sie dürften wohl der Letzte sein gegen den ich diese natürliche Neigung und Gesinnung verändern könnte. Von dieser Seite glaubte ich von niemand mehr gekannt zu sein, als von Ihnen, ja es ist sogar Noth daß Sie diesen Vorzug an mir anerkennen, den niemand kennt auch so genau die Mängel, und viele, viele Fehler die mir ebenfalls zu theil geworden, als Sie mein Freund! – Es ist wahr, daß die Theilnahme, und große Anhänglichkeit an so vielen Menschen, und wieder die so unverkennbare Liebe so vieler zu mir, mich mehr quält als beglückt, besonders jezt, da unter meinen Freunden gegenseitig eine gewiße Spannung herrscht, und ich unter so vielen nur noch die Einzige bin, die von allen i

O. Jg., hs. Zus. e. Bearb.: »1821«. – o. Adr., hs. Zus. e. Bearb.: »Nach München« (Br.k.).

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gleich werth gehalten wird. Das wird mir aber oft zu viel, und ich leide unsäglich dadurch, daß während ich dem einen genug thun möchte, ich den andern zu vernachläßigen scheine. Diese peinliche gegenseitige Verhältnisse haben schon oft aufs lebhafteste den Wunsch in mir erregt: allen kannst du doch nicht helfen, so hilf wenigstens dir selber, und fort aus dem beengenten Kreis heraus, wo ich vor allzu vieler Liebe fast erdrückt werde. Aber es ist nicht zu helfen, Sie können es auch nicht. –– Sie wollen mich ruhig, glücklich sehen! Sie wünschen dies mit Wärme, daß weiß ich von früher, und Ihre herzliche Meinung fühlt sich selbst dem todten Buchstaben an. Ich soll heirathen! Sie meinen es so gut, so ehrlich, daß es undankbar wäre wenn ich mir nicht, schon um Ihretwillen die Mühe gebe darüber nachzudenken, denn gewiß ohne diese Auffodrung wäre es nicht geschehen. Nicht aus Leichtsinn, wie Sie mir vorwerfen, unterbliebe es, sondern weil ich weiß daß es zu nichts führt. Kurz und offen! Erinnern Sie sich noch meiner frühern Erklärung? Sie kann ich nicht heirathen, dazu gehört mehr Muth, und mehr selbstvertrauen, als ich habe, den Dr Br.1 kann ich auch nicht heirathen, dazu habe ich Sie zu lieb, und dazu gehörte so viel Zeit, daß er und ich graue Haare hätten, ehe es zu einem ja kömme. Auch von dieser Seite sollten Sie mich kennen, zu allem viel Zeit, und wie wenig Muth. Erinnern Sie sich daß ich auch das Ihnen schon früher gesagt, daß wenn man mir auch Vorzüge zugesteht, diese nur von meinen Freunden anerkannt werden können, die auch zugleich so gut und nachsichtig gegen meine Fehler und Mängel sind. Warum sollte denn eines Fremden, ud dieses Manes Wahl gerade auf mich fallen? Sie haben mir aber von Ihrem neuen Freunde oder Bekannten, so viel gutes und Rühmliches gesagt, daß wenn mir früher, Zufall, oder – Fügung seine nähere Bekantschaft zugeführt, wir beide vielleicht aus Wahl glücklich durcheinander geworden wären. Dies ist nun aber nicht so. – ‹Doch? ›, ist er mir durch Ihr ausgezeichnetes Lob zu wichtig geworden, als daß ich nicht sonst beachten sollte, was gutes daraus hervorgehen könnte. Ich habe zwahr zu der Jette ihren Aeltern2 noch nichts davon erwähnt. Ich frage Sie aber jezt ernstlich ob ich dies thun soll, ob Sie glauben daß die Jette der Art ist daß sie diesem Manne gefallen kann, und ob sie durch 1 2

Heinrich Breslau (vgl. Br. 59). Henriette (Jette) Rindskopf, Tochter v. Henriette Wohl (JWs Schwester) u. Jacob Beer Rindskopf, 1827 verh. mit Louis Ochs.

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ihn glücklich werden kann. Diese Aufgabe ausführlich und gründlich zu berichtigen, sei die Bestimmung Ihres nächsten Briefes. Sind Sie nun mit mir zufrieden? Und können Sie den alten Vorwurf gegen mich geltend machen „aus den Weibern ist nicht klug zu werden, sie reden niemals wie sie denken“! – Jezt zu etwas – auch wichtigem. Hören Sie mein Freund, Zahlen bestimmen nichts, sondern Willen und That. Auf Deutsch – ich will nicht daß Sie kommen, die Nummern Ihrer Briefe sind in dieser Bedeutung Nullen für mich. Sie sollen erst handeln, das heißt arbeiten, und bevor einige Waghefte und der Almanach im Drucke erschienen, ist gar nicht daran zu denken daß Sie zurückkommen dürfen. Dies mein unwiederruflicher Beschluß. Sie haben ja dort so viel mehr Stoff zu litterarischen Arbeiten, sie sollten es gewiß bereuen, wenn Sie früher als es hier bestimmt ausgesprochen zurückkommen. – Wie stehts mit Ihrer Kasse? Sagen Sie mir nur unverhohlen, und nicht zu spät, wenn ich Ihnen gegen gute Intressen einiges Geld vorschiesen soll. Es ist der erste Hÿpothek=Einsatz auf den Almanach, den übrigen Werth können Sie dann vom Verleger fordern. – Hören Sie nur, Man erzählt sich hier als Wunder der Galanterie, daß Ihr Vater einen kostbaren türkischen Shawlii (an dem Worte scheitre ich immer) Ihrer Mutter zum Geschenke gemacht, ehe sie nach München gereist. Das hat mich daran erinnert mit welcher kostbaren Garderobe der Herr Sohn ausgestattet war, als er seine Reise nach der Residenz antrat. Im Ernste, wie stehts mit Ihrer Kleider Baarschaft? Und da Sie besonders dort auf Eroberung ausgehen, und so gar freien, war es die höchste Zeit daß Ihre Mutter kam, die wird nun gewiß aufs sorgsamste für die Ausstaffierung bedacht sein, und ich kann mir für diesmal alle weitere Besorgnis ersparen. – Die Lübecker haben an Ochs geschrieben, sie möchten von Ihnen die Antwort vom Bundestag haben, auf die eingereichte Schrift, die Gemeinde will diese haben.3 – Dr Passavant4 hat sich bei den Herrenhutern anwerben las-

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Orig.: Scha Schal Shawl.

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Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft wurden die Rechte der Juden in den meisten deutschen Staaten wieder eingeschränkt. In Lübeck und Bremen drängten die Senate auf deren Ausweisung, stießen damit aber auf den Widerspruch Österreichs und Preußens am Bundestag in Frankfurt. Metternich befürchtete Unruhen wie bei den Hep-Hep-Krawallen 1819, während der preußische Staatskanzler Hardenberg für die Emanzipation der Juden eintrat. Amschel Mayer Rothschild und der Lübecker Rechtsanwalt Carl August Buchholz (1785–1843) vertraten die Rechts-

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sen, ein Seitenstück zum Schlegel. Dr Reis hat Sie ausgelacht, Herr „Kunstignorant“! – Freitag 2 November Sie entschlüpfen mir immer wie ein Aal, aber diesmal will ich Sie in Ihrem eigenen ausgeworfenen Netz festhalten. „– Das Beste wäre gewesen, ich hätte alle meine Stunden zu hause dazu verwendet Ihnen zu schreiben, und alles mitzutheilen, was mir von innen und ausen zukam. Da hätte sich viel gesammelt was zu brauchen gewesen wäre“. – Nun so lassen Sie dies noch das Beste sein! Befassen Sie sich nicht mit dem Studium des Korans mein lieber Baja[zet],5 und schreiben Sie täglich Ihre erhabene, oder ordinaire Gedanken, Bemerkungen, Ansichten etc. etc. alles nieder, zwei mal die Woche schiken Sie mir dies sogenannte Tage=Buch, und dann wird sich finden was daraus benutzt werden kann. – Also noch kein Wagheft im Drucke? Es ist unerhört! Das ist wieder Ihre Anbetung mir Kummer und Verdruß zu machen. Thun Sie mir doch einmal das zu liebe und sorgen Sie daß ein Heft in Drucke kömt, da hilft aber alles reden nicht! Und die drei Bogen, was soll den aus diesen Aermsten werden? Bittre Thränen könnte ich weinen über Ihre Verstocktheit. Wozu habe ich Ihnen denn den Schreiber,6 und Vogt7 schiken sollen, wenn Sie nicht zur Vermehrung der Bogenzahl beitragen und benutzt werden sollten?! Sie haben jezt gar keine Aussicht auf irgend einer Einnahme für Litterarischen Arbeiten, wovon wollen Sie denn leben? Auf dieses Rhein=Werckchen habe ich viel für Sie gezählt, und muß es denn gerade ein Almanach werden der ja eine Bogenzahl erfordert? So verhaßt Ihnen auch der Handel sein mag, so müßen Sie doch jezt ein spekulativer Autor werden wenn Sie nicht verhungern wollen (das letztere lautet wahrhaft poetisch!) Schwimmen Sie in Gottes namen vor wie

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sache der Juden der vier Freien Städte am Frankfurter Bundestag. In der von JW hier erwähnten Eingabe vom 3. August 1820 richteten diese die dringende Bitte um schleunige Abwendung des ihnen drohenden Unglücks an den Bundestag. Über Louis Ochs hatten sich die jüdischen Einwohner der Hansestädte zuvor offenbar häufiger an B gewandt, um über den Stand der Beratungen in Frankfurt Näheres zu erfahren. Johann Karl Passavant (1790–1857), Frankf. Arzt u. Schriftsteller. Vgl. Br. 64. Alois Wilhelm Schreiber (1761–1841), Handbuch für Reisende am Rhein von Schafhausen bis Holland (1816). Johann Nikolaus gen. Niklas Vogts Rheinische Geschichten und Sagen (4 Bde., 1817–1833) dienen JW als Anreiz u. Vorbild, um B zur Herausgabe der sog. Rheinbriefe zu bewegen (vgl. Br. 47).

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nach auf dem Nÿmphenburger Teich herum, Sie kennen ja das Sprichwort „ – – – –! Belohnung wollen Sie jezt, wofür?! Erst verdienen Sie eine, und dann sollen Sie erfahren „ob es gegessen werden kann, oder ob es selbst ißt, und – ob zwar viel?“ – Gestern hörte ich die Zauberflöte, wären wir nur jezt gute Freunde, daß ich mit Ihnen davon reden könnte, über den unendlichen, den himmlischen Genuß, den eine Mozartische Oper giebt, ich schäme mich beinahe, es zu gestehen, und zu Ihnen, daß mir daß Herz so voll davon war, und noch ist. – Denken Sie, in der Loge neben mir hörte ich ganz deutlich von mir sagen. „Das ist eine sehr genaue, und gute Freundin, von Dr Börne, dem unrühmlich bekannten Wag-Banquerouteur“! – Schöne Ehre hat man von Ihrer Bekanntschaft! Warum sind Sie nicht darauf bedacht, sich bei Ihrem Abbé einzuschmeicheln, damit er Ihnen die erledigte Sekretär=Stelle beim Prinzen Eugen verschaffe. Im Ernste wäre dies nicht ausführbar? – Ihr sehnlicher und so verzeihlicher Wunsch nach Italien, hat mich, besonders durch die lebhafte Malerische Schilderung, wie bald und schnell Sie in dem schönen Lande sein könnten, in die Lebhafteste Unruhe versezt. Es schmerzt mich so sehr daß Sie sich diesen so hohen Genuß versagen müßen. Nach allem sinen, dichten und trachten, wie Ihnen darin geholfen werden könte, ist nichts geblieben als die unzuverläßige hülfe eines Lotterieloses zur ersten Klasse, daß ich auch gleich heute kaufen werde. Wie Sie Ihr Herz aus Verzweiflung dem Trunke ergeben wollen, so ich dem Spiele. – Wehe! ruft die Ahnfrau, wessen Beispiel willst du folgen. Er verdient kein besseres Loos, es ist dies gerechte Strafe für sein (nichts) thun, er könnte dies alles haben, und noch mehr, wenn er es gewollt, und noch wollte, Wehe“!! – Ich zittre, und kaufe doch ein Glücksloos. – Ich höre daß der Maler Cornellius8 jezt hier sein soll. –– (Zur Benachrichtigung, damit Ihnen künftig, beschwehrliches Rechnen, und Kopfweh erspart werde.) –– Dero Werthes vom 29ten vorigen Monats habe, Donnerstags 1 November Mittags 12 Uhr erhalten, und mit Vergnügen daraus ersehen daß Sie noch bei gutem Wohlsein sind. Obschon mir (für Ihre dortige Geschäfte, und weiteres Fortkommen), noch manches zu wünschen ubrig 8

Peter Joseph Cornelius (1783–1867), Maler, der vor seinem Romaufenthalt im Kreis der Nazarener einige Jahre als Auftragsmaler u. a. für Fürst Dalberg in Frankfurt verbrachte. 1818 berief ihn Kronprinz Ludwig zur antikisierenden Ausmalung der Glyptothek nach München, wohin er als Akademiedirektor zum Zeitpunkt von Bs Aufenthalt endgültig übersiedelte.

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bliebe, so will ich doch (nicht auf Ihren guten Willen) sondern auf den guten Fähigkeiten mit denen der Himmel Sie begabt, meine Hoffnungen stützen, denn auch der ärgste Müßiggänger, kann durch die himmlische Gnade, zu einem fleißigen thätigen Menschen bekehrt werden. (Ob zwar dieses ein so großes Wunder wäre, daß selbst der hochgelahrte Herr Abbé es bezweifeln könnte, so ist es doch möglich). Nur muß er fest am Christenthum hangen, und nicht der fünf Feÿertage wegen, ein Muselmann werden, welches Gott verhüten wolle! Und so verharre ich mit alle der Hochachtung die Eure Wohlgebohrne verdienen. – Wie gefällt Ihnen dieser Briefsteller, ich habe ihn mir gestern noch express neu angeschaft. Dero ergebene J. Wohl.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 5. u. 6. November 1821.

Nr. 22. München d. 5 Nov. 1821i Ich hatte kaum Ihren Brief zu Ende gelesen, da sezte sich unter meinen Fenstern der große Prunkzug in Bewegung, womit heute die katholische Priesterschaft das Volk zum Besten hält. Dieses Abwenden meines Blickes von mir selbst und meinen eignen Begehrungen, auf die Menschheit und die ewige Lüge welche sie beherrscht, war mir sehr heilsam – ich vergaß mich, vergab Ihnen, und verschmerzte Ihren Brief. Sie können sich nichts romantischer und schöner denken, als dieser Zug war. Unser hochwürdigster Erzbischof gab heute den lezten Akt der Komödie, die er seit 8 Tagen spielt.1 Der Weg aus einer Kirche zu einer Andern, mehrere Straßen durch, eine große Länge der Stadt, war mit Brettern belegt. Die Menge Fahnen und Kreuze, Schuljungen und Messbuben mit Körben aus denen sie imi

Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Medic. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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B spielt hier auf die aufgrund konkordatsrechtlicher Differenzen zwischen Bayern u. dem Vatikan erst verspätet am 1. November 1821 erfolgte Bischofsweihe Lothar Anselm Freiherr v. Gebsattels (1761–1846) zum Oberhirten des 1821 neu errichteten Erzbistums München-Freising an. G. galt als Vorkämpfer einer sittlich-religiösen Erneuerung des katholischen Klerus.

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merfort Blumen und Binsen streuten, Gesang, feiste Pfaffen, Tausende von Männern und Frauen, mit Rosenkränzen in der Hand laut ihr Ave Maria plärrend, Militair, Musik, Kirchendienerschaft, Wachskerzen auf hohen silbernen Leuchtern, der Bischof mit seiner Mütze unter einem Baldachin, rechts und links das Volk segnend mit einer Bewegung der Hand, womit man den Hühnern Futter streut, zwanzigstimmiges Glockengeläute . . da haben Sie einige Ingredienzen zu der Aqua Tohana,2 woran seit 1800 Jahren die Menschheit siecht. Ich glaube, daß solche heuchlerische Spiele, nicht blos gegeben werden um zu betrügen, sondern auch um neue Betrüger zu werben. So lange der Zug dauerte, hatte ich die größte Lust ein Spitzbube zu werden, ich hätte das erste beste Schnupftuch ziehen mögen. Jezt ist mit der Stille meine alte Ehrlichkeit zurückgekehrt, und mit dieser beantworte ich den wichtigsten Punkt Ihres Briefes. Sie schreiben: Sie hätten mich zu lieb, um den Dr. Br. zu heirathen. Ich weiß nicht wie ich das verstehen soll. Heißt das, Sie können nicht heirathen, weil Sie Ihrem Manne glauben ein Herz bringen zu müssen was ich schon besitze; oder heißt das, Sie könnten nicht heirathen, weil es mir Schmerz verursachen würde? In beiden Fällen irren Sie, Sie verkennen entweder sich oder mich oder die Pflicht einer Gattin. Die Liebe die Sie zu mir haben, dürfen Sie mit in Ihre Ehe nehmen, und sie Ihrem Manne gestehen, und dürfen Sie das leztere nicht, so fehlt es ihm an Verstand oder Herz, und dann würden Sie ihn doch nicht wählen. Was das Andere betrifft, so irren Sie auch, ich bin besser oder stärker als Sie glauben. Als zuerst der Wunsch, und die Vorstellung der Möglichkeit in mir aufkam, Sie mit Dr. B. verbunden zu sehen, floßen Thränen des Entzückens aus meinen Augen. Ich schwöre es Ihnen bei dem allmächtigen Gott, daß, so heiß ich auch den Wunsch hegte Sie zu besitzen, und so oft ich ihn auch ausgesprochen habe, ich immer mehr dabei an Ihr Glück als an das Meinige gedacht. Meine Liebe zu Ihnen macht mich glücklich; was hätte mir die Ehe mehr geben können, da sie jene nicht vermehren konnte? Ja, ich war immer besorgt, wenn ich es Ihnen auch nicht gestand, die Ehe möchte unser schönes Verhältnis herabziehen in das Leben der gemeinen Wirklichkeit. Aber ich dachte mir, was ich noch denke, Sie würden dabei gewinnen, und dieses hätte auch mittelbar mein Glück erhöht. Es ist also nichts was Sie abhalten sollte, eine Verbindung mit einem andern Manne zu schließen. Sie und ich, wir verlöhren 2

Geruch- u. geschmackloses, wässriges Giftgemisch unbekannter Zusammensetzung, angeblich von einer Neapolitanerin namens Teofania um 1710 gebraut.

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nichts dabei. Lassen Sie sich durch eine lebhafte Vorstellung von meinem Schmerze von meinen Thränen nur nicht irre führen. Das ist das niedere Gewölk der Seele, das sich über mich wie über jeden Menschen lagert, aber die Sonne des Geistes bleibt Siegerin. Ich würde weinen, wie auch ein Vater weint, wenn sein Kind das elterliche Haus verläßt, aber wenn Sie glücklich würden, wäre ich es auch. Ob Dr. B. der gehörige Mann sei, daran zu zweiflen hat sich mir bis jezt noch kein Grund dargebothen. Auf das Gute das ich von ihm gesagt, setze ich keinen Werth, denn eine einzige böße Eigenschaft zieht zehen Tugenden herab. Von Fehlern frei zu seÿn, das muß einen Mann zum Gatten empfehlen. Wie man sich kennen lernt, das weiß ich nicht, man könnte sich den Sommer in einem Bade treffen. Ob die Jette dem Br. gefallen würde kann ich nicht bestimmen. Ich habe ihm scherzend gesagt, ich würde ihm eine Frau schaffen. Er äusserte: er müsse eine mit Geld haben, doch gab er dafür die bekannten vernünftigen Gründe an. Dann sagte er: seine Frau müsse häuslich und einfach seÿn, und nicht viele Ansprüche machen. An seinem Charakter habe ich ferner entdeckt, daß er ein Weltkluger Mann ist, und etwas lebenslustig. Ich hatte Ihnen geschrieben, er habe bei einem Spital eine Stelle. Das verhält sich aber eigentlich nicht so. Er ist nur in einem Stadtbezirk Armenarzt, welches mit keiner Besoldung verbunden ist, doch der Gesammtertrag seiner Praxis, ist so wie ich angegeben. Was schadets wenn Sie mit Jetten’s Eltern sprechen? Der Rindskopf war ja schon einmal hier, hat also wahrscheinlich Bekannte die ihm über Br. Auskunft geben können. Ich brauche wohl nicht zu befürchten, daß man auf meine Empfehlung allein Gewicht [le]gt, denn ich würde auf keine Weise in solchen Dingen Verantwortlichkeit auf mich nehmen. – Abends 7 Uhr. Ich konnte heute nicht dazu kommen, den Brief zu schließen und abgehen zu lassen. Also morgen mit der krummen Post. Frau Wohl, Sie sind geprellt, es wird nichts daraus, Sie werden ihn nicht haben, und die Jette wird ihn nicht haben. Ein anderer Teufel hat ihn schon geholt. Meine Schwester3 hat ihm ein Frankfurter Mädchen gekuppelt, und sie sagte, es sei so gut als richtig. Sie heißt Jungfer Ries und hat 8000 Gulden Mitgift. Gott seÿ Dank, diesen Nebenbuhler wäre ich los, und meine Tugend kam mich wohlfeil zu stehen. Ich rede vom Dr. Breslau.4 Schöne Wittwe, grämen Sie sich nicht, es giebt noch mehr artige Männer in der Welt, und ich selbst bleibe stets zu Ihrem Gebote. Jezt wol3 4

Amalie (Marianne) Spiro (vgl. Br. 39). Vgl. Br. 59.

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len wir wieder allerlei angenehme Scherze treiben, es fällt mir gar zu schwehr lange ernsthaft zu seÿn. Sie sind so tückisch wie der Kaiser Caligula, der seine Gesetze so unleserlich schreiben ließ, daß man aus Unwissenheit sie übertreten mußte und in Strafe verfiel. Sie haben verordnet, ich dürfe nicht eher nach Frankfurt kommen bis einige Wagenhefte und der Almanach im Drucke erschienen. Heißt der verrückte Schnörkel und oder Oder? Oder heißt er Und und Oder zugleich, je nach Belieben? Und und oder, oder und, oder oder – erklären Sie sich bestimmt woran ich mich zu halten habe. Sie dürfen nicht glauben, daß ich Ihr Narr bin. Sie beleidigen mich sehr, wenn Sie von einem Wag-Hefte reden. Ueber eine solche Kleinigkeit sollte ich so lange Zeit zu bringen? So etwas mache ich in 8 Tagen. Wenn ich mich mit solchen Dingen abgebe, so geht das ins Große – 2 oder 3 Hefte auf einmal. Ich bin jezt sehr dabei, und Sie werden erstaunen. – Die Nachbarn neben Ihrer Loge haben sich gewiß anders ausgedrückt als „genaue gute Freundin“. Gewiß haben Sie gesagt: Die Braut des Dr. Börne. Sie wollten mir nur nicht die Freude anthun, mir es so wieder zu erzählen. – Den 6. Nov. Die Stelle beim Prinzen Eugen ist schon längst wieder besezt. Ohne Frau, was soll mir eine Anstellung? Verheirathet müsste ich eine haben, damit ich nicht bei dem ersten häuslichen Zwiste desertire. – Ihnen gute Seele darf man gar keinen Wunsch mittheilen. Jezt haben Sie schon Verdruß davon, daß ich nicht nach Italien reisen kann. Glauben Sie doch ja nicht, daß ich selbst Kummer darüber habe, ich war nie eines anhaltenden traurigen Gefühls fähig. Die Vorstellung einer italiänischen Reise kann mich angenehm beschäftigen, und darum rede ich so oft davon. Sie wiederzusehen reizt meine Einbildungskraft noch viel mehr, und der Erfüllung dieses Wunsches steht nichts als Ihre Grausamkeit im Wege, vor der ich mich wenig fürchte, und mit der ich schon fertig werden will. – Die Herrnhuter duzen bekanntlich Jederman, sagt denn Dr. Passavant auch Du zu seinen Patienten? Wenn so ein Frankfurter […]ii romantische Streiche begeht, das ist grade als wie wenn ein Esel die Laute spielt. Sie glauben gar nicht, was Ihr Frankfurt ein ekelhafter Ort ist, man muß in der Fremde seÿn und vergleichen, um dieses fühlen zu lernen. – Geschäfte. Bitten Sie den Samuel, er möchte auf die Polizei gehen Vormittags. Dort sizt ein Polizeidiener Schulz in der Passstube. Diesen soll er bei Seite nehmen und in meinem Namen ihm folgendes sagen. Ich bliebe noch zwei Monate in München, wie ich es zu machen hätte, um Anfangs Dezember mein Quarii

Geschw. Passage.

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tal5 zu beziehen? Ob mir das Geld auf eine hier ausgestellte Quittung würde ausbezahlt werden? Ob ich ein Lebensattestat auszustellen hätte, oder was sonst zu thun sei? Er Schulz solle sich erkundigen. Was Ihnen Samuel berichtet, schreiben Sie mir. Es mangelt mir übrigens jezt noch nicht an Geld. Meine Garderobe ist ganz miserabel, und ich werde bald wie ein Wilder nakt auf Eroberungen ausgehen müssen. Giebt es aber auch eine größere Bosheit, als die des Schicksals, das einen armen Teufel dick werden läßt, so daß ihm seine wenigen guten Kleider zu eng werden? Die linke Klappe meines schwarzen Rocks geht nicht weiter als bis an die Oestliche Grenze meines Herzens. Die Knöpfe daran werde ich verkaufen ich kann sie doch nicht mehr brauchen. Das verdammte Bier! Wenn das so fortgeht, habe ich in einem halben Jahre einen solchen Bauch, daß man sich seiner als Schreibpult wird bedienen können. Seÿen Sie doch barmherzig und ärgeren Sie mich in Ihren Briefen so oft wie möglich. – So eben fällt der erste Schnee. Wie das wirbelt! Habe schon einige Damen zum Schlittenfahren eingeladen. Ihnen zu liebe werde ich sie umwerfen, Sie sollen diese Freude an Ihren Nebenbuhlerinnen haben. – Sie haben mir immer noch nicht Ihre jetzige Lebensweise beschrieben. Lassen Sie sich Ihr Essen wie vor bringen? Gehen Sie Abend’s in Gesellschaft und wohin? Oder bleiben Sie zu Hause und wer kömmt zu Ihnen? Haben die Ochsen der Sichel eine Trauer-Visite gemacht, und was ist dabei vorgefallen? Wie geht es Ihrer Hausherrschaft? Grüßen Sie Röschen und ihren Mann,6 und Sophie.7 – Ich gehe oft ins Theater, besonders wenn Karl8 seine Staberl spielt. Da lache ich mich bald buckelig. Mein Ihnen wohlbekanntes Buckelchen, heirathet einen Advokaten Real aus Landau. Er wollte lange nicht in den sauren Apfel beißen, denn als ihr nächster Anverwandte, wäre ihm doch einst das buckelige Vermögen zugefallen. Da hat sie ihm aber gedroht, sie würde den ersten besten armen Teufel heirathen, wenn er sie nicht nehme. Wäre ich nur ein Jahr früher hierhergekommen, hohl mich der Teufel, ich hätte sie gehohlt mit ihren dreimal hundert tausend Gulden, und dann wäre ich bei verschiede5

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B erhielt aus seiner früheren Anstellung als Polizeiaktuar eine jährliche Pension v. 400 fl., die er in einem Prozess gegen den Senat der Stadt Frankfurt nach seiner Dienstenthebung 1815 erstritten hatte. Röschen u. Salomon Stiebel (vgl. Br. 1). Vermutl. Sophie Ullmann, die spätere Frau v. Bs Bruder Simon (Br. 20). Carl Andreas Frhr. v. Bernbrunn (Pseud.: Carl Carl; 1787–1854), Schauspieler u. Theaterdirektor in Wien, zeitweise am Isarthor-Theater in München, wo er den Staberl populär machte (vgl. Br. 66).

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nen Weibern in die Schule gegangen, um zu lernen, wie man eine Ehehälfte unter die Erde bringt. Nachher hätte ich Sie geheirathet, und hätte mich von Ihnen unter die Erde bringen lassen, und jenseits da giebt es wohl keine Buckel, da hätte ich mit meiner verklärten Frau ein zweites seeligeres Leben geführt. – Unter den Büchern die mir mein Bruder nach Stuttgart geschickt, befand sich auch ein Band von Beckers Weltgeschichte.9 Der Himmel weiß, wie ich dazu kam, das Buch gehört nicht mein. Aber bei dieser Gelegenheit las ich diesen Theil. Ein ganz herrliches Werk, so ergötzlich als belehrend. Ein verfluchter Kerl dieser Becker, voller Ironie! Er läßt sich nichts weiß machen, und die lumpige Geschichte der Erdenwürm[er] von höchstens 5000 Jahren, kömmt ihm gar nicht so ehrwürdig vor, als uns Andern Schwachköpfen. Lesen Sie ja das Werk von Anfang bis Ende. Das wichtigste ist, zu lernen daß nichts wichtig ist – Sie und ich ausgenommen . . Sind Sie fleißig, machen Sie gute Fortschritte? Wo liegt Morea?10 Wie hat der erste Mensch geheißen? Wenn ein Pfund käse 24 kr. kostet, wie viel kosten 13 Loth? Führe Dich gut auf mein Kind, ich bringe Dir auch etwas Schönes mit. – Grüßen Sie Ihre Schwester und deren Mann, auch Wilhelm. Die Ochsen lassen mich nicht grüßen, so lasse ich sie auch nicht grüßen. Können Sie denn wirklich vergnügt seÿn in dem verfluchten Nest? Ich will lieber hier Stallknecht seÿn, als in Frankfurt Bürgermeister. Kommt zu mir, Alle meine Freunde, ich bin reich, ich will euch alle versorgen, verlasst nur den abscheulichen Ort. – Wohin ist der Schmidt11 gereist? Warum ist er nicht hiergekommen. Von Moscheles12 redet hier alles mit Entzücken, ich erzähle den Leuten S. wäre weit mehr. Schade daß Sie nicht hier sind, die ganze Stadt ist voller Musiknarren. Für oder Gegen Rossini – man hört da manches vernünftige Wort. Neulich bei Tische wollte man meine Meinung hören. „Rossini, sagte ich, gleicht, wenn ich mich so ausdrücken darf . . .“ zum Glücke ließ der Kellner ein Glas fallen, das klirrte, zog die Aufmerksamkeit ab, und ich war gerettet. Dr. Börneiii iii

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Orig.: geb. W. Karl Friedrich Becker (1777–1806), Weltgeschichte für Kinder und Kinderlehrer, 9 Bde., Berlin 1801–1805. Bezeichnung des seit 1715 osmanischen Peleponnes, nach der griech. Rückeroberung Ende 1821 erhielt die Halbinsel wieder den antiken Namen. Aloys Schmitt (vgl. Br. 1). Ignaz Moscheles (vgl. Br. 33).

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Sie sind ein Mann von Geschmak und Urtheil, und da Sie mich als eine angenehme Zeitungsschreiberin anerkannt, so will ich, unähnlich Ihnen, in diesem meinem Berufe fortfahren. – Reinherz1 hat dem Dr Goldschmidt gesagt „die Wage wäre eines der gesuchtesten, beliebtesten, und gewiß am allgemeinsten verbreitete Zeitschrift geworden, wenn Sie fortwährend regelmäßig erschienen wäre“. Ueber diesen Ausspruch habe ich mir nun einen neuen Plan für Sie ausgedacht, denn ich muß Ihnen nur sagen, Ihre Tÿroler Berge haben mir ganz den Kopf verrückt, und ich kann mirs gar nicht versagen daß Sie nicht nach Italien sollen. „Warum, muß Dr Börne gerade der Glückliche sein? Wir wünschen es auch, und können es doch nicht“ sagen viele aus der Gesellschaft. „Die Jeanette hat recht sagt Dr Golds. Er (der er sind Sie) ist ein origineller Kopf, er würde sich sehr bereichern, er hat ja noch nie ein fremdes Land, und fremde Sitten gesehen, er sollte nach Italien, und nach England.“ Und nun wollte ich mein Klavier verkaufen, es wird mir aber niemand 50 Karolin dafür geben, das hätte mich zur Verzweiflung gebracht, wenn mich des Dr Golds. Besorgnisse „daß Sie die Oesterreicher wahrscheinlich nicht nach Italien ließen, einigermasen getröstet hätte. Sie haben gehört wie Reinherz über die Wage urtheilt, meine Ansicht wäre, Sie blieben nun einmal bei diesem Blatte weil es doch schon ein bedeutendes Ansehen in der Welt behauptet. Ich würde alle vorräthige Manuscripte, selbst was für meinen lieben Almanach bestimmt war, den Aufsatz über Preußen „ha, ha, ha,!“ kurz alles, alles was Sie vorräthig haben, und nur irgend brauchbar ist, selbst Auszüge aus Ihren jezigen Briefen will ich Ihnen schiken, und so schnell als möglich die drei Hefte nach einander herausgeben. Dann machen Sie sich dem Cotta verbindlich Monatlich bestimmt, also jährlich 12 Hefte (nicht mehr) für f 2000 zu schreiben, doch unter Vorbehalt einer gewissen abonenten Zahl. Sie machen zur Bedingung

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O. Dat., hs. Zus. e. Bearb.: »d 9t November« (Br.k.). – Adr.: Herrn Dr Börne wohlge bei Herrn Königshöfer Nr 41 Max-Joseph:Platz in München (Kuvert).

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Arnold Ludwig Gerhard Reinherz (1780–1827), Frankf. Verlagsbuchhändler, Inhaber der Hermannschen Buchhandlung.

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vierteljährlich vorausbezahlt zu werden, und reisen dann wenn es den Winter noch sein kann nach Italien, oder wenn es sich verzögern sollte den Sommer nach der Schweiz, und im Spätjahr 22 nach Italien. Monatlich ein Heft von 3 Bogen zu schreiben, scheint mir ausführbar, und vierteljährlich vom C. f 500, und Ihre Pension f 100 also f 600 wären wohl auch hinreichende Reisekosten! Wenn Sie eine sichere Zusage geben pünktlich zu sein, thut es der Cotta gern. Gewinnen Sie es nur über sich dem Cotta den Antrag zu machen, wenn es Ihnen auch schwehr fällt, die Strafe haben Sie durch Ihren Leichtsinn verdient, suchen Sie es durch Selbstüberwindung abzubüßen. Mir scheint das alles so ausführbar. Ich habe so viele Abenteuerliche Pläne im Kopf, unter andern auch schon den. Der junge Cotta ist sehr reich, vielleicht auch sehr eitel, er hält viel von Ihnen, könnten Sie den nicht für Ihr Intresse zu gewinnen suchen? Sie sagen ihm Sie wollten über Italien schreiben, das Werck ihm dediziren, und also Italien bereisen. – Was halten Sie von meine gescheidte Einfälle? Wahrscheinlich nicht mehr als sie werth sind. –– Ihre wiederhohlten Klagen der Unwissenheit, ärgeren mich manchmal! Haben Sie mir nicht selbst oft genug gesagt „ich bin nicht zum Gelehrten gebohren, Fleiß ist auch ein Talent, wollen Sie also weil Ihnen gerade dieses versagt worden jede andre Gabe [un]benutztii lassen? Muß ich Ihnen sagen, daß eines Menschen Vermögen nicht hinreichen ka[nn], alles das zu erschöpfen, und zu ergründen, waß ein gebildeter Geist übersieht, und ist der nicht der Reichste und Glücklichste, der wie Sie den Zusammenhang des Ganzen begreift, ohn[e] sich über ein Besonderes abmühen zu müßen? Gelehrte giebt’s genug, aber gute Köpfe nicht so viel, und wenn Sie auch die Lesewelt überschäzt, haben Sie deshalb mit ihr zu rechten? Allzu ehrlich! Benutzen Sie das waß Ihnen geworden, zu Ihrem und andrer frommen, und kümmern Sie sich jezt nicht mehr darum, da es doch zu spät ist, waß Sie alles noch hätten leisten können. – Ihre Brüder haben sich beklagt Sie hätten noch keine Sÿlbe geschrieben, es wäre dies ein gutes Zeichen, Sie müßten im Gelde schwimmen. Wenn Sie aber jezt schrieben, würden sie Ihren Brief unerbrochen zurückschiken. Vorgestern war Agathe Samsons Hochzeittag.2 Die Sichel soll wirklich sehr übel aussehen, und zurückgezogen und traurig leben. – Fürst Metter-

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Besch. Rand.

2

Agathe Samson (1800–1869) war mit dem Bankier Louis Simon verheiratet.

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nich, und eine Gräfin Lieben3, und mehrere Bundestag Gesandte haben Gestern bei Rothschild gegessen. Es hat großes Aufsehen gemacht, die beide Burgemeister haben eine erhaltne Einladung ausgeschlagen, denken Sie sich überhaupt den Neid und die Bosheit der Ffürter. – Der Stahremberger See, der Laacher See, und – Nippes! Erinnern Sie sich mein Herr, und so genannter Freund? Nippes! – Und dennoch wünsche ich das Ihre Fußreise ins Gebirge recht angenehm für Sie gewesen sein möge, freilich verdienen Sie diesen Wunsch nicht wenn ich an Nippes denke, - dreimal, so ists gerade recht! –––– Wir wollten vorigen Sontag nach Darmstadt, um im neuen Opernhause4 den […]iii zu hören, aber es zerschlug sich wieder, Sie wissen ja, in unsrer Gesellschaft kömmt selten etwas zu stande, wobei man sich freuen könnte. Sonst leben die Leute diesen Wi[n]ter recht angenehm hier, unsere Leute fangen an gescheidt zu werden, es werden Bälle gegeben, viel Musizirt, Herr Sachs ihr Mentor,5 hat als ‘Wintererheiterung’ Kinder=Konzerte in seinem Hause eingeführt. Der kleine Hiller6 spielt besonders eine merkwürdige Rolle in der Musikalischen Ffurter Welt. – Frau Speier ist immer noch in Manheim, sie war dort krank geworden, wenn Ihnen an Empfehlungen viel gelegen, könnte man ja den Speier dazu auffodern. Wollen Sie das? Der Suhden heißt, (Schabesiv […]v).– Simon Adler7 hat Ihre Adresse verlangt, der wird gewiß Geld haben wollen, Sie sehen wie unklug Ihr Benehmen gegen Ihre Brüder war, übrigens iii iv v

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Unles.Titel: [Donj . . .]. ÜdZ: über dem b ist ein w hinzugefügt. – Schawwes o. Schabbes (jidd.) = Sabbat. Unles. gem. Wort. ÜdZ: w. – Gräfin Dorothea v. Lieven, geb. v. Benckendorff (1784–1857), wurde 1800 mit dem langjährigen russ. Gesandten in London Christoph v. L. (1774–1838) verheiratet (Sohn der russ. Gräfin Charlotte v. L., Oberhofmeisterin am Hof des russ. Zaren). Dorothea v. L.s Salons in London und Paris waren gesellschaftliche Treffpunkte des europäischen Adels; ihr wurden Affären mit Metternich u. dem frz. Minister François Guillaume Guizot (1787–1874) nachgesagt. Im neuen Darmstädter Hoftheater, v. großherzogl. Hofbaurat Georg Moller (1784–1852) 1818 im Stil des Klassizismus erbaut, wurde am 4. November 1821 die Oper Don Giovanni aufgeführt. Jakob Sachs (1769–1843), ehem. Privatlehrer Bs, Gründer einer jüd. Privatschule in Frankfurt. Ferdinand Hiller (vgl. Br. 57). Vgl. Br. 29.

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ist das zu unbedeutend, als daß es Ihnen Leid thun könnte. Fallen Sie nicht mit der Thüre ins Haus, und überlegen Sie erst, ob Sie ihnen, jezt doch wieder schreiben sollen. – Der Louis Ochs8 hat mich bitten lassen, Ihnen folgende Abschrift von den Lübecker zuzuschiken „Vor 4 Wochen haben wir an H. Dr Börne geschrieben Wegen der Antwort, so dem hiesigen Senat von Seiten des Bundestags mitgetheilt wurden. H. Dr. Börne hat bestimmt eine Abschrift davon bekommen, wir haben ihn darum ersucht, und keine Antwort erhalten. Bitten Sie daher, Sie möchten solche für Uns fordern, und umgehend einsenden, indem es von Seiten unsrer Gemeinde dringend verlangt wird.“ ––––––9 Mit einem so einflußreichen Manne wie Sie in Verbindung zu stehen, schätzt sich über die Maßen glücklich Dero ganz ergebene J. Wohl. Ffurt den 9ten November 1821.

70.

AnJeanet te Wohl in Frankfurt. München, den [12.] November 1821.

Nr. 23. [Münc]hen. [12]. [No]v. 1821.i Schon viele Menschen sind aus Liebe wahnsinnig geworden, aber aus Menschenliebe ist es noch keiner. Nur Sie wären [da]zu fähig. Sie dachten daran Ihr Klavier zu verkaufen, um mich nach Italien reisen zu lassen? Kommen Sie mir ni[cht] mehr mit solchen Gedanken, welche die schmerzlichsten Gefühle in mir erwecken. Es ist ein Glück, daß Sie nie den Mann Ihres Herzens gefunden – Sie können ja den Wein nicht einmal unter Wasser vertragen! Seien Sie ruhig, liebe Freundin, ich komme gewiß noch nach Italien, denn was der Mensch heftig und beständig wünscht das erreicht er immer (Sie zittern?). Ihr Plan ist gut, und er soll ausgeführt werden, nur mit einigen Veränderungen. Die drei Hefte der Wage sollen nicht blos nach i

Datum unlesbar (besch. Rand): Postst. v. 13. Nov. (Kuvert). – Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Medic. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Vgl. Br. 73. Vgl. Br. 67.

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einander, sondern zugleich erscheinen. Ich habe Vorrath genug dazu, und ich werde die Auszüge meiner Münchner Briefe, vielleicht nicht einmal die Rheinbriefe nöthig haben. Sodann beginne ich einen neuen Band der Wage, den ich aber nicht Heftweise, sondern auf einmal herausgeben werde. Das erstere zu thun, wie Sie vorgeschlagen, ist nicht zweckmäßig. Denn auch den Fall gesezt, Cotta ließe sich darauf ein, so ginge doch die Hälfte der Freude und des Nutzens meiner Reise verlohren, wenn ich die Verbindlichkeit auf mich nähme, während ihrer Dauer, und seÿ es noch so wenig, zu schreiben. Das ist eine Sorge die allen Genuß stört. Dann würde meine Reisebeschreibung, die mir gewiß noch mehr als meine Reisekos[ten] einbringen müsste, dadurch zerstückelt werden. Ich gebe also lieber ein ganzen Band heraus, und zwar auf S[ub]scription. Wenn ich hier und in Frankfurt nur 500 Subscribenten bekomme, so betrüge das (zu 3 fl. das Exp schon 1500 Gulden. Die Freude die ich Ihnen, theure Freundin, machen würde, durch die Erstrebung meines Lieblin[gs]wunsches, wird mich gewiß stärken, daß ich mein Vorhaben ausführe. Bis zu Ende des Mai soll die Handschrift des ganzes Bandes fertig seÿn. Habe ich dann eine Zahl Subscribenten gesammelt, so werde ich die Wage an Cotta [vo]rtheilhaft verkaufen können. Eher will ich Sie nicht sehen, als bis ich das durchgeführt habe. Am 1sten Juli [re]ise ich nach der Schweiz und von da im Herbste nach Italien. Den Juni bringe ich mit Ihnen zu. [Si]nd Sie zufrieden? – Es fällt mir schwehr mich über meine Unwissenheit zu beruhigen, auch nach Ihrem freund[lic]hen Troste. Ich weiß wohl, daß ich das Höhere und Schönere besitze, aber das Niedere und Unschöne, ist auch im Leben des Geistes das Nothwendigere. Was ist gemeiner und nothwendiger als das Essen? Bedenken Sie, was es mich stört und aufhält, daß ich von der italiänischen Sprache, so viel als nichts weiß. Wenn ich auch jezt das nöthige Geld hätte, könnte ich nicht eher nach Italien reisen, als bis ich noch einige Monate die Sprache studiert. Und wie we[ni]g Zeit kann ich jezt darauf verwenden, da ich die Wage schreiben muß. – Aus meiner Wanderung nach dem [St]ahrenberger See ist nichts geworden, das Wetter war zu rauh. – Gestern Sonntag ist Ihr ehmaliger Bräutigam Dr. Breslau1 nach Miltenberg gereist, welches auf der Münchner Straße noch 16 Stunden von Frankfurt entfernt ist. Dahin kömmt die Jungfer Ries, (ehemals Rüsselsheim genannt) mit ihren Aeltern, um sich beschauen zu lassen. Um 9000 Gulden

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Vgl. Br. 59.

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ist der Handel geschlossen. Erzählen Sie aber in Frankfurt nichts davon, als bis Sie hören, daß die Sache richtig geworden ist. Meine Schwester würde wüthend werden, wenn sie erführe, daß ich die Geschichte ausgeplaudert. Sie sind nun schön angeführt. Haben Sie sich schon recht viele Kleider machen lassen? Sie können sie für eine andere Gelegenheit ersparen. – Nach Darmstadt haben Sie reisen wollen? Sie werde[n] ja ganz wild. Wehe Ihnen, wenn ich das gewußt hätte. Darmstadt liegt auf meinem Wege, ich wäre viell[eicht] hingekommen. – Ich habe heute, gleichzeitig mit Ihrem Briefe, ein Schreiben von Adler erhalten, der mir für die neue Ziehung einen halben Zettel geschickt. Wenn ich ihn hier nicht verkaufen kann, welches ich versuchen w[ill] werde ich ihn zurückschicken, und dem Adler auftragen, ¼ dem Ochs für mich einzuhändigen. Er forde[rte] mir auch 24 fl. die ich ihm noch schuldig bin. Hat denn mein Bruder keine Schulden für mich bezahlt, haben Sie ihm die Rechnungen nicht einhändigen lassen? – Der Brief, den mir die Lübecker vor 4 Wochen geschrieben haben wollen, habe ich nicht erhalten.2 Wahrscheinlich hat ihn mein Bruder in Empfang genommen. Ich werde diese Gelegenheit benutzen ihm zu schreiben. Glauben Sie doch nicht, daß diese Menschen empfindlich sind, über mein Nicht=Schreiben. Sie stellen sich nur so an, um einen Vorwand zu haben, kein Geld herzugeben. – Ich habe einige Hoffnung an der hiesigen Judenschaft etwas Geld zu gewinnen. Bei der bevorstehenden Ständeversammlung, wird auch ihre Angelegenheit zur Sprache kommen.3 Sie haben mich scho[n] des wegen zu sprechen gewünscht, aber ich stelle mich in Einverständnis mit meinem Schwager etwas [zä]heii und vornehm, damit sie auf meinen Beistand um so mehr Werth setzen lernen. – Was mir ein[mal] in Stuttgart begegnet, habe ich hier abermals erfahren müssen, eine unangeii

Vgl. R IV, 447.

2

Vgl. Br. 67. Ein Gesetz hatte den Juden 1813 Ortsbürgerrechte verliehen, so daß sie in den Gemeinderat oder in den Handelsstand der Münchner Kaufleute eintreten konnten. Weil die Lebenswirklichkeit der Juden der formellen Gleichberechtigung oft widersprach, wurden zahlreiche Rechtsgutachten u. Eingaben zur Klarstellung der Verhältnisse der Juden vorgebracht. Der bayerische Landtag hatte 1819 eine schon früher beabsichtigte Revision der über die Verhältnisse der jüdischen Glaubensgenossen bestehenden Verordnung v. 1813 für die nächste Sitzungsperiode in Aussicht gestellt. Der mit B befreundete Frankfurter Jurist Dr. Carl Leopold Goldschmidt beriet die jüdischen Gemeinden in Bayern.

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nehme Baruchische Reminisz[enz.] Ein Herr, der bei Tische gegen mir übersizt, spricht: Ich habe in Heidelberg mit Ihnen studiert; nicht wahr Herr Doktor – Baruch? Und die zwanzig meiner täglichen Tischgäste, die mich als Dr. Börne kennen, sehen sich an. Das Vieh mit seinem verdammten Gedächtnis heißt Graf Frohberg, und ist ein reicher Gutsbesitzer.4 Dem Kerl zünde ich noch einmal alle seine Scheuern an. Ich war in der peinlichsten Verlegenheit. Ich bin und bleibe der ewige Jude! – Schreiben Sie mir doch jedesmal, welches die lezte Nummer ist, die Sie bei Abgange Ihres Briefes von mir erhalten haben, sonst werde ich ganz irre. – Sie haben mir immer noch nicht ausgeführlich geschrieben wie Sie leben, und ich möchte es doch gar zu gern wissen. Aber es scheint Sie sind vergnügt Sie sehen oft Gesellschaft, und ich bin ganz glücklich bei der Vorstellung, daß Sie frohe Tage haben. Was die Zeit verfließt! In 8 Tagen sind es schon 3 Monate, daß ich Sie nicht gesehen habe. Der Mensch hat eine glückliche Natur, er kann in allen Klimaten ausdauern, was kein anderes Thier kann. – Um nach meinem Plane, bis zu Ende des Mai mit einem Bande der Wage fertig zu seÿn, brauche ich täglich nur 3 meiner Seiten zu schreiben. Da wäre ich ja nicht werth, daß mich der Teufel holte, wenn ich nicht damit zu Stande [käm]e. Gut oder schlecht, alle eins. Wird es sch[lecht], so erkläre ich offenherzig in der Vorrede, ich hätte gesudelt, [wei]l ich zu einer italiänischen Reise Geld gebraucht hätte, ein Andermal wolle ich es besser machen. Vielleicht [k]ann ich mir auch Beiträge verschaffen, und dann wird der Band um so eher fertig. Merken Sie sich’s: Ich brauche [z]ur Ausführung meines Planes 528 geschriebene Seiten, den neuen Band, und die noch fehlenden Hefte des [a]lten zusammengerechnet. In jedem Briefe werde ich Ihnen schreiben, wie viele Seiten ich seitdem zu Stande gebracht. Sie müssen das jedesmal auf ein Blatt setzen, Nummer unter Nummer, so daß sie zusammengezogen werden können. Dann können Sie übersehen, wie weit ich noch von meinem Doppelt=Ziele bin, von Ihnen und Italien. Ich bin ein Kind, ich muß mir durch allerlei Spielereien die sauere Arbeit zu versüßen suchen – Ich zittre diesen Brief zu endigen, denn da beginnt meine Arbeit und Besserung. Ich will mir nicht unrecht thun, es ist nicht blos Faulheit, die mir das Arbeiten so sauer macht, sondern die Begierde auch, so gut wie möglich zu schreiben. Ich glaube und wenn noch mehr als Italien davon abhinge,

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Ein Nachkomme des 1814 verst. Johann Nepomuk Graf v. Frohberg-Montjoie (1763–1814), Kämmerer u. Generalleibadjutant des bayer. Königs.

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ich könnte nicht eilen und schmieren. – Schon [1]5 Uhr! Den ganzen Vormittag bin ich in der Stube auf= und abgegangen, und habe hundert Titel zu hundert Aufsätzen ersonnen. Glücklicher Weise muß der Mensch zu Mittag essen, der Mensch muß auch Nachmittag spazieren gehen, um gesund zu bleiben, und heute Abend muß der Mensch in die Italiänische Oper gehen, um – die richtige Aussprache des Italiänischen zu lernen. Also Morgen! „Morgen, morgen, nur nicht heute, sprechen immer [f ]aule Leute, morgen will ich fleißig seÿn.“– Vorgestern sah ich ein neues Stück: „Staberls Wünsche“6 Wahr[s]cheinlich kennen Sie diesen Charakter Staberl, und haben Carl spielen sehen. Im ersten Akte macht er einen mismüthigen reichen Gutsbesitzer, und beginnt mit einem Monolog in Art des Hamlets: „was ist das Leben der Menschen? Aufstehen, sich rasiren lassen, schlafen und sterben. Und ist der Mensch ein Frauenzimmer, aufstehen, sich nicht r[a]siren lassen und doch sterben“ So geht es fort. Ein Geist erfüllt dem Staberl 3 Wünsche. Er wünscht also [er]stens, daß sich alle Frauenzimmer in ihn verlieben, 2tens ein indianischer Prinz zu seÿn, und drittens [in] Don Juan verwandelt zu werden. Es ist köstlich, wie sich Staberl in allen diesen Verhältnissen beträgt! Mit ganz München bin ich in Streit über dieses Stück. Alle tadeln dasselbe, denn, sagen sie, Staberl trete aus seinem Charakter heraus. Ich sage ihnen: Das ist ja eben der Spas, daß Staberl nicht Staberl seÿn will sie verstehen das nicht. Es herrscht hier viele Bildung, man merkt es aber doch den Leuten an, daß sie Parve[nu]s sind; sie sind zu vornehm und bekrittelnd. Vor 20 Jahren waren sie noch in Dummheit verschlammt. Wir Andern von gebildeter Herkunft, sind herablassender gegen G[e]ringe Leute, und sehen nicht so viel auf die Etikette. – – Abends 5 Uhr. Ich komme so eben von einem Spaziergange zurück. Eigentlich geht die Post nach Frankfurt erst Abends 8 Uhr ab, und die Briefe werden bis 7 Uhr und noch später angenommen. Ich habe aber nie gewagt so lange zu warten, sondern, aus Furcht die Post zu versäumen, schon um 1 Uhr Mittag den Brief abgegeben. Heute zum erstenmale weiche ich von der Regel ab. Ich bin so ängstlich als Sie in Dingen woran mir liegt. So können Sie auf den Adressen meiner Briefe bemerken, daß ich immer Frankfurt am Main schreibe, welches eine ganz überflüssige Sorgfalt ist, und worüber jeder Handelsm[ann] [la]cht. – Schreiben Sie mir doch, was des 5 6

Vgl. R IV, 448. Staberls Wünsche, oder: der Berggeist (1821, nicht publ.) nach Joseph Alois Gleich (1772–1841), Der Berggeist oder die drei Wünsche (1819).

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Dr. Breslau wahrscheinliche Jungfrau Braut, für ein Mädchen [ist]; versteht sich im Vertrauen, denn es wird es keiner hier erfahren, wenn Sie mir was Nachtheiliges von ihr schrei[be]n sollen. Auf 24 Stunden kommen sie in Miltenberg zusammen, und in dieser kurzen Zeit wollen [si]e sich kennen lernen! Ich kenne ein gewisses Frauenzimmer schon 4 Jahre lang, und ich getraue mich noch immer nicht es zu heirathen, so sehr ich auch täglich darum gequält werde.. Ein Bräutigam der mir sagte, er habe sein Mädchen gründlich kennen gelernt, und er sei ihrer Vortrefflichkeit sicher, würde ich erwiedern, was Jakob Sichels Vater7 einst zu einem Juden sagte, der sich während der Sommermonate in Paris aufgehalten, und nach seiner Rückkehr mit Französisch sprechen groß that. Sichel sagte ihm: Sagt mir einmal wie Schnee auf Französisch heißt! Du lieber Gott! In Petersburg ist es im Juli und August so warm als in Italien, aber schon im November frieren die Flüsse zu. Ungeheuer seÿd Ihr, abscheuliche Natterbrut, [sch]önfarbige heuchlerische Schlangen. Hu! Wenn Dr. Breslau zurückkommt und er erzählt mir, seine Verbin[d]ung sei geschlossen, lache ich ins Fäustchen und trinke eine Bouteille Wein auf die Gesundheit meiner [Fr]eiheit.iii – Adieu, himmlische Seele. Sie können diesen noch leeren Streif, statt meiner ausfüllen, mit all [de]n Worten die Liebe und Verehrung bezeichnen. Ich küsse tausendmal Ihre liebe Hand. B.

71.

A n L udw i g Bö r n e i n M ü n ch en. [Frankfurt], den 15. u. 16. November 1821.

Antwort auf Nr 23i Ffurt den 15 November 1821ii Werden Sie auch Wort halten, und darf ich trauen daß Ihr Versprechen ernst gemeint ist? Doch scheint mir die Art wie Sie Ihren Vorsatz auszuführen gedenken nicht die Rechte, und wie selten ist auf diese Weise noch iii

Vgl. R IV, 450.

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Hs. Zus. e. Bearb.: »u. 22« (Rotstift). Adr.: Herrn Dr Börne wohlge bei Herrn Königshöfer Nr 41 Max-Joseph:Platz in München (Kuvert).

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Mayer Salomon Sichel (gest. 1810).

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etwas bei Ihnen zu stande gekommen. „Ich muß mir durch allerlei Spielereien die saure Arbeit zu versüßen suchen, ich zittre diesen Brief zu endigen, denn da beginnt meine Arbeit und Besserung. Den ganzen Vormittag bin ich in die Stube auf und ab gegangen, und habe hundert Titel zu hundert Aufsätze ersonnen.“ Mein Freund, ich kenne das, es taugt nicht für Sie, auch giebt es keinen Preiß der solche Plagereien vergütete. Sie sollen aus Lust und Neigung Arbeiten, aber nicht mit Zwang, da gedeiht nichts. Daß Erfinden fällt Ihnen so schwehr, aber wenn Sie vorliegenten Stoff haben Arbeiten Sie leicht und schnell. Warum wollen Sie die Rheinbriefe nicht benutzen? Ich bin überzeugt daß Ihnen diese sogar ein großes Publikum für die Italienische Reise gewinnen würden, man kennt Ihr Schriftstellerisches Talent von dieser Seite noch nicht, und für ungetheilten, und sehr großen Beifall, wollte ich mich aufs gewißeste verbürgen, das wären eigentliche Probeblätter, denn was würden sich die Leser nicht über Italien erwarten, da sie schon am Rheine so zufrieden mit Ihnen wären. So heroisch Sie nun auch schwören daß es eine Kleinigkeit für Sie sei 3 Ihrer Seiten täglich zu schreiben, so zweifle ich doch sehr stark daran daß Sie dies ausführen, wenn Sie nicht vorliegende Sachen Ausarbeiten, wo sie dann billig mehr als 3 Seiten täglich fertig zurücklegen könnten, da würde ich Münchner Theaterkritiken hinzufügen, und die drei lezte Hefte einzeln herausgeben, weil Sie dort viele einzelne Hefte verkaufen würden, welcher kleine Zuschuß Ihnen sehr gut kömme. Mein lieber Freund, man darf über die Zukunft niemals die Gegenwart vergessen, und über das Paradie[si]sche Italien die rauhen und unentbehrlichen Bedürfnisse des Winters nicht ausser acht lassen. Wie Sie es übrigens mit dem Neuen Bande mit Cotta einzurichten gedenken, ist sehr gut, nur finde ich den Preiß (nach gewohnter Art) von f 1500 zu wenig. Doch das wird sich schon finden. Unser Jean bien1 ist ja ganz in Vergessenheit gerathen, das wolle Gott verhüten! Wollen Sie den Theuern nicht drucken lassen? Folgen Sie meinem Rath, arbeiten Sie die vorräthige Manuscripte aus, schreiben Sie einiges über die Münchner Theater. Staberl muß Ihnen ja schon so manchen drolligen Einfall erwekt haben, und geben Sie die Hefte einzeln heraus, das bringt Ihnen Geld ein was Sie nöthig brauchen werden, und macht Ihnen wenig Mühe. Wenn Sie das nicht thun, bleibt wieder alles beim Alten, ich sehe das schon voraus. Ihrem Bruder habe ich keine Rechnungen geschikt, er zahlt doch

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Der Eßkünstler (vgl. Br. 47).

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nichts, und nimmt sich bei solchen Gelegenheiten viel gegen Sie heraus, was mich immer ärgert. Samuel hat Ihren Auftrag auf der Polizei versorgt, Sie sollten, sagte der Polizeidiener Schulz eine Quittung schiken, dann besorge er das Geld für Sie, wie immer.2 Wenn Sie früher oder später den Cotta zu sprechen bekommen, erinnern Sie sich doch M. Steinthals.3 Ich habe schon oft daran gedacht, er hat ein so großes Geschäft und Comtoir, so viele Güter, was könnte es schaden, wenn Sie ihn darum befragten, ob er einen Mann wie M. St. vortheilhaft anstellen könnte. – Ihr Dr Br.4 gefällt mir nicht. Ein Mann in dem Alter, frei und unabhängig der sich entschließen kann –– 9000 Gulden zu heirathen, denn das Mädchen kennt er nicht, wenn er sie auch 24 Stunden lang angesehen. Das ist mir unbegreiflich, und wie Ihnen der gefallen konnte, da er doch so gewöhnlich und alltäglich handeln kann, begreife ich noch weniger. Doch richten wir nicht, wer weiß waß ihn dazu bewogen haben kann, und ob er nicht mit Ihnen die Ansicht theilt, daß man sein Herz nicht in die Ehe mitzubringen brauche. Nach Schiller ist die beste Frau, von der man nicht spricht,5 und in diesem Sinne gehört die Braut zu den guten, ich kenne sie nur von Ansehen, und da kann ich sie am besten mit der […]iii vergleichen, übrigens ist dem Mädchen alles gute zu wünschen, denn sie hat früher wahrscheinlich viel gelitten, ihre Eltern haben in sehr unglücklicher Ehe gelebt, ihre Mutter ist aus Gram gestorben, ich weiß das alles noch von früher, sie sind mit Flersheims6 verwandt. – Jezt will ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen, bewahren Sie mir es gut. Können Sie Dr Lewita aus Mainz,7 der Ihr elfenbeinernes Genick küßen mußte? Man rühmt ihn als eine sehr gute Partie für die J. R. aber wie wäre das einzuleiten, könnten Sie mir dabei mit Rath und That zu Hülfe kommen? Dr Golds. und Frau8 die seine genauste Freunde sind, befassen iii

2 3 4 5

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Geschw. Passage (unles. gemachter Name). Vgl. Br. 68. Moritz Steinthal (vgl. Br. 39). Heinrich Breslau (vgl. Br. 59). »Woran erkenn’ ich den besten Staat? Woran du die beste Frau kennst – daran, mein Freund, daß man von beiden nicht spricht« (Schiller, Der beste Staat, 1795). Eine ursprüngl. aus Flörsheim am Main stammende jüd. Frankf. Familie, die im Geld- u. Warenhandel tätig war. Johann Heinrich Levita (vgl. Br. 4). Babette (Betty) Oppenheim (1791–1868), seit 1816 verh. mit Carl Leopold Goldschmidt (vgl. Br. 10).

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sich nicht damit, weil sie schon in einem ähnlichen Unternehmen bei ihm gescheidert sind. Sie wissen das vielleicht daß eine Cousine der Frau Dr Golds. Braut [war] mit dem […]iv daß dieser Reue bekam, und die Verbindung wieder auflöste. Also Rath und That mein Herr. – Sie haben mir meine Frage nicht beantwortet, ob Sie von Speiers Empfehlungen an die Familie Seligmann9 dort haben wollen. Wie ich lebe wollen Sie nun wissen! In jeden Fall besser als vergangenen Winter und Sommer. Leute sehe ich sehr wenige bei mir, und ich gehe auch zu niemandem. Wenn ich offen sein soll muß ich bekennen daß es für mich jezt keine andre Freude giebt als Ihre Briefe. Sie sehen daß ich nicht undankbar bin, und den Werth ihrer Freundschaft gehörig zu schätzen weiß. Ich habe mir schon eine Schreibtafel angeschaft, schiken Sie mir nur recht viele Numern von fertigen Arbeiten, am genauen Notiren soll es nicht fehlen. Noch einmal folgen Sie mir, unternehmen Sie für jezt keine neue Arbeiten, und halten Sie sich an der Ausarbeitung des Vorräthigen S10 hat verwichenen Samstag erst in Würzburg Konzert gegeben, und ist jezt in Nürnberg, von da geht er nach Leipzig und weiter. […]v – Es sollte mich freuen wenn Sie sich der dortigen Judenschaft nützlich machen könnten, eigentlich gilt dieser fromme Wunsch mehr Ihrer Garderobe als der Gemeinde, denn Ihrer betrübten Beschreibung nach ist es kaum denkbar daß der Zustand der Baierischen=Juden nöthiger einer Verbesserung bedürfte als diese. Den Beker11 will ich zu lesen anfangen, und dabei den Groll zu untertrücken suchen, daß Sie Schuld sind an allem, daß ich nicht weiß wo Morea liegt, und wie ein wild Fremder in dem schönen Griechenland herumirre. Aber die Postzeitung12 lese ich jezt täglich dies zur Nachricht von Ihrer J. W. Freitag den 16 November.

iv v

9 10 11 12

Schwer entzifferbare Initialen, vermutl.: Dr. Levita. Durchgestr. Passage., vermutl: Es sind [wird?] sehr viele […] seitdem […]. Vgl. Br. 58. Aloys Schmitt (vgl. Br. 1). Vgl. Br. 68. Frankfurter Ober-Post-Amts-Zeitung.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 19. November 1821.

Nr. 24. München 19 Nov. 1819i Ihre Versicherung, daß Ihnen meine Briefe so große Freude machen, hat mir sehr wehe gethan, es ward mir um so fühlbarer welch’ ein abscheulicher Mensch ich bin Ihnen so lange nicht geschrieben zu haben, seit 8 Tagen nicht. Wohl mag die Vorstellung in der ich mich gefalle Sie als meine Frau zu denken, daran Schuld seÿn. Was Sie mir über Dr. Br. schreiben, darin haben Sie recht, jedoch beweißt das nichts gegen ihn. Die Ehen ohne lange Wahl werden oft am glücklichsten, die Kühnheit belohnt sich auch hierin. Und schlägt die Sache übel aus, so ist es tröstlicher sich der Uebereilung als des Unverstandes anzuklagen. Dr. Breslau1 ist von seiner Brautfahrt zurückgekommen, der Narr ist ganz verliebt, und auf die kommenden Hundstage ist die Hochzeit festgesezt. Er hat einen Bruder der auch eine Frau sucht. Er soll 25 000 fl im Vermögen haben, und ist Geschäftsführer in einer Lederfabrick, mit mehrern tausend Gulden Einkünften. Ich habe ihn bei seinem Bruder kennen gelernt, und er schien mir ein ordentlicher Mensch zu seÿn. Jedoch wüßte ich nicht, was ein junges Mädchen reizendes an ihm finden könnte. Er sagte mir, die Frau die er nähme, müsste sich entschließen, sich nach der Hochzeit taufen zu lassen. Unter uns gesagt, der Dr. Br. läßt sich auch taufen, sobald er geheirathet. – Ich werde, weil Sie es wünschen, die Rheinbriefe ausarbeiten. Bis die 3 Hefte geschrieben und gedruckt sind, mögen vielleicht noch 3 Monate vorübergehen. Darum schwanke ich noch immer, und überlege, ob ich nichts fertig machen könne, was mir bald Geld einbringt. Ich fürchte sehr, daß mir mein Quartal nicht ausbezahlt werden wird, ob es zwar Schulz meint. In meinem nächsten Briefe will ich die Quittung übersenden. Schade, daß ich alles das, was ich über unsere gemeinschaftliche Rheinreise bemerkt hatte, verlohren habe. Das Taschenbuch worin ich meine Bemerkungen niedergeschrieben hatte, ist mir in Stuttgart, als ich bei Gelegenheit eines Feuerwerks im Volksgedränge stand, zugleich mit einer Tobacksdose gestohlen worden.

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Hs. Korr. e. Bearb.: »1819«, hs. Zus. e. Bearb.: »1821«. – Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Med. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/M (Kuvert).

1

Vgl. Br. 59.

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Einzeln kann ich die Hefte nicht herausgeben, weil ich dann größere Aufsätze trennen müsste. Ueberall wo Ihr Herz mitspricht, verstummt Ihr Verstand. Sie meinen, 1500 fl für einen Band der Wage wäre zu wenig? Das betrüge für den Bogen 62 Gulden! Sie sehen ja, daß mir Müllner dem ich nur 5 Karolin gefordert, gar nicht geantwortet hat. – Bei Cotta ist für […]ii gar nichts zu machen. Seine großen Geschäfte sind so vereinfacht in der Verwaltung, daß er nicht mehr als 2 Leute auf seinem Comptoir hat, und dieses Comptoir ist ein enges dunkles Stübchen, worin kein dritter Platz hätte. Ich möchte auch keinen Freund bei ihm anstellen, Dienst und Herr sind beide hart, und die Bezahlung schlecht. – Den Dr. […]iii halte ich für einen bößen Menschen; jedoch weiß ich durchaus nichts nachtheiliges von ihm, ich beurtheile ihn blos nach seiner Phÿsionomie. Sind Sie aber des Werthes Ihres Mannes sicher, so könnte ich ihm ja schreiben, es ließe sich schon eine schickliche Wendung finden. Denken Sie auch immerhin, an den Bruder des Dr. Breslau. Er ist ein ordentlich gewachsener Mensch, von meinem Alter, hat aber eine jüdische Nase und vergöttert den Herder. Wie gefallen Ihnen meine Charakteristiken? Noch eins, er will hoch hienauf, und verlangt von seiner Frau 20 bis 25 tausend Gulden. Es ist närrisch wie viel ich seit einiger Zeit von heirathen spreche. Ich thue es vorsätzlich. Ich will das heirathen so in Mode bringen, daß man sich ohne Unschicklichkeit nicht davon ausschließen kann. – Der Schmitt ist in Nürnberg? Er hätte von dort so nahe hierher, warum kömmt er nicht? Ein so kunstliebendes und kunstverständiges Publikum als das hiesige, findet er ausser Wien in ganz Deutschland nicht mehr. Wenn es noch Zeit ist, schreiben Sie ihm nach Nürnberg, daß er hierherkommen soll. Wie leicht könnte er hier eine Anstellung finden! Der König2 soll ein Engel von Güte seÿn, und einem seiner Unterthanen schlägt er gewiß nichts ab. Wie der König und die Königin3 angebet[et] werden, kann ich Ihnen nicht mit Worten beschreiben. Man erzählt tausend Züge edlen Herzens von ihnen, die man ohne Rührung nicht anhören ii iii

2

3

Geschw. Passage, vermutl.: Moritz Steinthal (vgl. Br. 39). Geschw. Passage, vermutl. Breslau (vgl. o.). Maximilian I. (1756–1825), trat nach dem Tod des kinderlosen Karl Theodor 1799 die Erbfolge im Kurfürstentum Pfalz-Bayern an u. wurde von Kaiser Napoleon I. als Bündnispartner Frankreichs 1806 zum König von Bayern erhoben. Karoline (1776–1841), Königin v. Bayern, Tochter Karl Ludwigs v. Baden (1755– 1801).

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kann. Die Dankbarkeit und die aufrichtigste Liebe, nennt ihn, wie andere Fürsten der Kanzlei-Stÿl oder die Schmeichelei: Vater seines Volkes. Er duzt Jeden den er nur etwas kennt. Er giebt so viel an Hülfsbedürftige, daß er manchmal seine Kasse erschöpft. Einer Offizierswittwe wollte er einmal 20 Louisd’or geben, da fand sich, daß er nicht so viel Geld hatte; er schickte zur Königin, die hatte sie auch nicht, und so mußte er die Wittwe auf den andern Tag bestellen, wo er ihr statt 20, 40 Louisd’or gab. Seine Vortrefflichkeit kömmt auch wohl daher, weil er in seiner Jugend durch Schmeicheleÿ nicht verdorben worden. Er hatte keine Hoffnung zur Krone; erst durch das Aussterben der regierenden Linie, ward er zur Herrschaft berufen. – An Empfehlungen an Seligman4 ist mir grade nicht viel gelegen, wenn Sie Gelegenheit finde[n]iv mit der Speier5 davon zu sprechen, und diese sich willig findet, werde ich eine Empfehlung benutzen. – Gestern war eine herrliche Vorstellung von der schönen Müllerin.6 Nach dem Theater beim Bier, war meine Gesellschaft ganz verrückt vor Entzücken. Diese Gesellschaft mit der ich mich jeden Abend zusammenfinde, besizt, mein Vermögen dazu gerechnet, wahrscheinlich keine 500 fl. baares Geld. Es sind aber gebildete Menschen, meistens Offiziere, alle von Adel. Darunter 4 Grafen die zusammen 8 Bouteille Bier trinken. – Heute fangen die abonnirten Winter Conzerte an. 6 werden vor, und ebenso viel nach dem Carneval, jeden Montag gegeben. Was das wohlfeil ist. Ein gesperrter Sitz parterre kostet im Abonement nicht mehr als 30 kreuzer. Heute läßt sich der Violinspieler Grund7 hören, ein Schüler Spohr’s.8 – Das Wetter hier ist seit einigen Tagen schwül wie im Sommer, so daß ich meine Fenster geoffnet habe. – Ein Buch will ich Ihnen empfehlen, das ichv erst kürzlich gelesen habe, ob es zwar schon über 20 Jahr ist: […]vi Den Namen des Verfassers habe ich vergessen, es wird in Frankfurt sicher zu haben seÿn. Gejubelt habe iv v vi

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7 8

Orig.: findet. Orig.: ist. Geschw. Passage., vermutl.: La guerre des Dieux (vgl. R IV, 453) v. Evariste Parny. Vgl. Br. 58. Betty Speyer (vgl. Br. 35). B hatte am Vortag im Hoftheater die Aufführung der italienischen Oper La Molinara von Giovanni Paisiello (1740–1816) in der deutschen Bearbeitung Die schöne Müllerin von Christoph Friedrich Bretzner (1748–1807) gesehen. Eduard Grund (1802–1871). Vgl. Br. 100.

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ich beim Lesen wie ein Betrunkner. Es wird gesungen, wie die christlichen Götter und Heiligen, die heidnischen aus dem Olÿmp vertreiben, und ihre Stelle einehmen. Die christliche Religion wird mit ganz Schonungslos und mit einer Beispiellosen Kühnheitvii lächerlich gemacht. Es ist so arg, daß der Dichter […]viii selbst während der Gottlosen Revolutionszeit, keine Stelle in der franz. Akademie bekommen konnte. Es sind Scenen darin, die, gelesen zu haben, kein Frauenzimmer gestehen darf. Lesen Sie und schweigen Sie. Das wahrste Wort spricht Jupiter. Als ihm erzählt wird, welche langweiligen, abgeschmackten, niederträchtigen und feigen Götter jezt die Christen haben, sagt er ganz lakonisch: tel maitre tel valet (wie der Herr so der Diener). Voltaire hat nie gewagt, so frei zu lästern Die verjagten Götter ziehen sich auf den Parnass zurück, und meÿnen man würde sie einst zurückrufen. Gott gäbe es! – Görres ist mit seiner Familie nach Paris gezogen. Mein Wunsch mich dort niederzulassen befestigt sich täglich mehr. Es ist in Deutschland nicht auszuhalten. Ich spreche jezt gewiß nicht aus Mismuth und Ueberdruß, denn es hat mir in Stuttgart sehr gut gefallen, und auch in München lebe ich vergnügt genug. Aber ausser Paris ist überall Einseitigkeit, und was noch schlimmer ist Schwehrfälligkeit. Dort fährt die Unterhaltung, hier geht sie zu Fuße. Ein Kritiker dürfte sich nicht unterstehen, anderer Meinung zu seÿn, als der gebildete Theil des Publikums, etwa einen beliebten Sänger zu tadeln, alles würde über ihn herfallen. Das ist doch eine unerträgliche Kleinstädterei. Ich fühle den Zwang in der Unterhaltung selbst mit billigen und vernünftigen Menschen, und – es beträffe Theater, Literatur oder Politik – ich kann nicht dazukommen, ohne zu beleidigen, meine abweichende Ansicht mitzutheilen. Um die großen Interessen der Menschheit bekümmert man sich hier nicht. Ueber eine Arie der Metzger,9 vergessen sie Griechen und Türken. Ich habe seitdem ich hier bin noch kein vernünftiges Wort gesprochen. Langeweile habe ich eigentlich nicht, was mich aber die Zeit vergessen macht, ist mehr eine Art Schlummer, als eine rasche Bewegung des Geistes. – Wenn ich hier über Theater schriebe, so würden meine Kritiken zwar auffallen, aber schwehrlich gefallen. Daß die Kunst Nachbildung der Natur ist, das vergessen die Leute ganz, und so vergessen sie über die Kunst das Leben. Wie ich nun auf meine Art beide in vii viii

9

Orig. davor: Kindheit. Geschw. Passage., vermutl.: Evariste Désiré Déforges (vgl. ebd.). Klara Vespermann, geb. Metzger (1799–1827) (vgl. Br. 55).

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Verbindung zu setzen pflege, würden sie mir unzeitige Abschweifungen vorzuwerfen finden. – Was doch die Katholischen für eigne K[…]ix haben! Da zieht eben eine Leiche unter meinem Fenster her, wahrscheinlich eines vornehmen Mannes. Wohl zwanzig Pfaffen und Kirchdiener, in weißen Messgewändern, Wachskerzen, Trompeten, Gesang, und der Sarg von 8 Livreebedienten umgeben, die brennenden Fackeln tragen, am hellen Tage! – In der Iris finde ich jezt zuweilen vollständige Theaterkritiken, die gar nicht übel sind, z. B. neulich eine von Houwald’s Fluch und Seegen.10 Ich bin dem Hrn. v. Houwald auch noch Komplimente schuldig über diesen seinen neuen Unsinn, und ich gedenke sie ihm bald zu bezahlen. – Mit 3 Oblaten versiegeln Sie Ihre Briefe. Haben Sie noch immer Furcht vor Vrints=Berberich?11 – Nächstens wird Göthes Tasso aufgeführt. Da will ich mich recht con amore oder eigentlich con odio darüber her machen. Das ist der ganze Göthe drin, mit aller seiner Größe und aller seiner Niedrigkeit. Vielleicht läßt sich dabei schicklich anknüpfen, was ich über die falschen Wanderjahre zu sagen finde. – Von den hierbeiliegenden Lotterielooßen verwahren Sie das eine 4tel für mich, das andere aber lassen Sie dem Adler durch Samuel zurückgeben, und ihm bemerken: 1stens, daß ich für die Bezahlung des noch Schuldigen „Sorge tragen würde“ und 2tens daß er die folgenden Klassen, mir nicht in Briefen schicken, sondern dem Samuel geben solle, und 3tens daß ich bis Neujahr wieder nach Frankfurt kommen werde. – Woher bekommen Sie die Postzeitung?12 Haben Sie sich statt meiner einen andern literarischen Freund angeschafft? Aber die Iris lesen Sie wohl nicht mehr? Ich sehe aus Ihrem Briefe, daß Sie zwar ruhiger leben als sonst, aber doch eigentlich keine frohen Tage haben. Das schmerzt mich in der tiefsten Seele. Sie wären doch vergnügter wenn ich bei Ihnen wäre, es hat Sie ja doch keiner so lieb als ich. Aber Sie rufen mich nie zurück, und Sie reden auch nicht davon, wie das künftig werden soll. Haben Sie denn gar keinen Plan, wie wir uns nahe seÿn können, aber fern von Frankfurt? In der Fremde bin ich viel liebenswürdiger als zu Hauße, da würde ich Ihnen auch besser gefallen. Geben Sie mir wenigstens Hoffnung, und reden Sie ix

10

11 12

Geschw. Wort, vermutl.: Komödien (vgl. R IV, 454). Rez. zu Ernst Frhr. v. Houwalds (1778–1845) Fluch und Segen (1821) in: Iris. Nr. 44 v. 28. Okt. 1821. Vgl. Br. 5. Vgl. Br. 71.

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wenigstens mit mir wie dieser mein Lieblingswunsch möglicher Weise ausgeführtx werden könne. Ich kann ohne Schrecken nicht daran denken, wieder nach Frankfurt zu gehen, ich kann aber auch nicht glücklich ohne Sie leben. Sie haben keine Ahndung davon, was Sie selbst an Frohsinn gewinnen würden, wenn Sie nicht in Frankfurt wären, auch alle persönliche Beziehungen ungerechnet. Eigentlich ist in Frankfurt gar kein Leben, man bereitet sich dort nur zum Leben vor. Die Stadt ist eine große Kindbetterin=Stube. Man handelt und kömmt nie zur Ruhe, man kocht und ißt nie. Mir ist das Volk ein Gräul. Wie doch jeder Mensch seine Sprache redet! Gestern sagte mir ein hiesiger Jude: „ach Frankfurt ist doch ein ganz anderer Ort wie München, hier ist ja gar kein Leben“ Anfänglich verstand ich ihn nicht, aber bald fiel mir ein, daß er ein Jude ist, der unter leben handeln versteht. Ein Handelsman ist eine Jude, ein Jud’ ist ein Gaul, und ein Gaul ist ein Schinnes! hat Aristoteles gesagt. – Vor einigen Tagen war ich auf einem Ball, im Casino des 2ten Ranges. Es giebt nehmlich zwei Casinos und Lesegesellschaften die ich beide besuche.13 Die Juden […]xi in beiden, ihre Frauen und Töchter, die jüdisch genug aussehen, tanzen lustig mit, und ich habe nicht im geringsten bemerkt, daß man sie auf irgend eine Art auszeichne. Ich habe das Wort Jude noch nicht aussprechen hören. Nur zuweilen im Billiard oder in andern Spielen wird die 7 der Jud genannt, und die 14 ein doppelter Jud! Da können die Frankfurter noch etwas lernen. – [Seien Sie] [ve]rgnügt theuere Freundin, ich bin es auch. Machen Sie sich keine Sorgen. In höchstens 14 Tagen habe ich keinen Kreuzer mehr mir einen Apfel zu kaufen, und ich lebe so ruhig als hätte ich Millionen. Gott verläßt den Gerechten nicht. B. x xi

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Orig.: aufgeführt. Verschmierte Passage., vermutl.: sind Mitglieder (geschw. Passage auf Rückseite; vgl. R IV, 456). B bezieht sich hier auf die beiden bedeutendsten geselligen Vereine Münchens, die 1801 gegründete Gesellschaft Museum u. die Harmonie v. 1802. Sie hatten sich aus Lesegesellschaften zu Vereinen des gehobenen Münchner Stadtbürgertums u. der höheren Beamtenschaft, Offiziere und Hofdiener entwickelt. Besonderer Wert wurde auf Bildung gelegt. Juden konnten Mitglied werden, sofern sie den Ansprüchen genügten. Wie B beobachtet, drängte die Geselligkeit der Bälle, Konzerte, Billard- und Kartenspiele das Bildungsideal in den auf 500 Mitglieder angewachsenen Vereinen allmählich in den Hintergrund. Die sinkende soziale Exklusivität der Vereine begünstigte die Aufnahme der Münchner Juden.

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An L udw i g Bö r n e i n [ M ü n ch en]. [Frankfurt], den [16]. u. 23. November 1821.i

Nachtrag zu meinem lezteren Briefe und zu Ihrer Nr 23ii Man kann aber doch auch gar zu verstokt dum sein! Aber begreiflich ist’s dennoch, wenn Wunder erscheinen wie leicht verliert man da sein bischen Verstand. Ich habe Ihren Brief Nr 23 gelesen und wiedergelesen, und erst jezt verstehe ich ihn eigentlich. Ich konnte nicht klug daraus werden woher Sie denn Geld vorgeschossen bekömmen zu Ihrer italienischen Reise, da ich heraus buchstabirte daß Sie eine Subskription auf einen Band Reisebeschreibung in Form der Wage berechneten. Endlich gieng mir ein Licht auf. Die drei Hefte, und der ganze Band von 8 Hefte sollen bis Ende Maÿ fertig sein ? ! Ich selbst, und wer sonst noch die Ehre hat den Herrn Verfasser zu kennen, müßen diesmal Nachsicht mit meiner schwehren Fassungskraft haben, denn wer glaubt mehr heutiges Tages an übernatürliche Dinge, und an einem achten Wunder der Welt! Haben Sie denn wirklich ernstlich diesen Entschluß gefaßt, und denken ihn auszuführen? Sie ! ? Nun möglich ist alles, der Himmel stärke Sie in Ihrem Vorsatz, Amen! – Aber nach dieser Erken[nt]nisiii Ihres Vorhabens finde ich die Anordnung die Sie treffen wollen nicht gerathen. Ich muß weitschweifig, also langweilig sein, sonst verstehen wir uns wieder nicht, sehen Sie es meinem guten Willen nach, obschon der sauerste Apfel für Sie die Langeweile ist, ich kenne das. Ich verstand wörtlich so – Bis ende Maÿ wollten Sie die drei letzte Hefte des zweiten Bandes fertig machen, dann dem Cotta eine Subscribenten Zahl liefern, sich eine gewisse Reisesumme zahlen lassen, und dann Material zu einem ganzen Bande auf der Reise sammeln, sich aber nicht an eine besti[mm]te Zeit der Herausgabe binden lassen. Ich zweifelte zwar daß der Cot: sich von neuen mit einer so unzuverläßigen Sache befassen würde, und erklärte mir dadur[ch] von Ihrer Seite die Verringerung des angenomenen Preißes. Da Sie aber bis ende Maÿ drei Hefte und einen ganzen neuen 3 ten Band von 8 Hefte liefern wollen begreife ich gar nicht warum Sie selber einen geringern i

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Adr.: Herrn Dr Börne wohlge bei Herrn Königshöfer Nr 41 Max-Josef:Platz in München. (Kuvert). O. O., Dat. u. Adr.: Datierung auf 16. 11. 1821 nach M (vgl. M, 33). – 2. Teil d. Br. ist datiert (vgl. u.), hs. Zus. e. Bearb.: »An Dr. B. in München«. Besch. Rand.

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Preiß ansetzen wollen. Wenn Sie dem Cotta eine noch größer Abonenten Zahl liefern als Sie schon haben, welches nach Ihre[m] dortigen Aufenthalte nicht zu bezweifeln ist, so können Sie sich ja mit Ihren Bedingungen an ihn durch den einmal angenommenen Preiß von f 5.30 das Exemplar am vortheilhaftesten richten, für Ihre Wage wäre es das Beste wenn Sie bei einem einmal angenommenen Preiß und regelmäßigem Erscheinen verharrten. Folgen Sie mir Sie werden sehen es nützt Ihnen mehr. Geben Sie die drei Hefte einzeln, jeden Mo[n]at eines heraus, auch wenn sie schon alle drei fertig wären. Den neuen 3ten Band den Sie dem Cot: verkaufen wollen, liefern Sie die Handschrift wie Sie sich vorges[tellt] bis ende Mai ab, bedingen sich aber aus daß auch immer Monatlich nur 1 Heft erschein[t.] Sehen Sie denn nicht ein daß es in jeder Hinsicht besser für Sie ist, wenn regelmäßig Monatlich ein Heft erscheint, als wenn Sie alles auf einmal geben. Erstens haben Sie vie[l] leichter arbeiten, ich weiß es ja aus den Zeitschwingen wie viele Kleinigkeite[n] und kleine Sachen, ungemeinen, und beinahe den größten Beifall gehabt, und wie Ihnen dieser Art zu arbeiten so leicht fällt. Täglich beim lesen der politischen und littera[ri]schen Blätter, drängt sich Ihnen, wie Sie mir selbst sagten, so viel neues auf, waß sich spielend bearbeiten läßt, und waß mit dem größten Wohlgefallen vom lesenden Publikum aufgenommen wird, wenn es in einem anspruchlosen Hefte erscheint, un[d] in einem Zeitverlauf von vier Wochen immer noch an seinem Platze sein kann, wäh[rend] so ein Band eigentlich gar keine Phisionomie hat, denn es ist kein ganzes geschlossenes Werk und auch keine Zeitschrift. Sie zerplagen sich mit Nachdenkeniv über große Aufsätze, und stellen bei aller Anstrengung das Publikum doch nicht zufrieden, denn bei einem Buche macht man bei einem nicht unbedeutenden Verfasser schon Ansprüche, aber bei einem niedlichen Waghefte nimmt man mit allerlei vorlieb, nennt Sie einen liebenswürdigen geistreichen Journalisten, der gewiß noch einst als bedeutender Schriftsteller hervortreten wird, wenn er sich einmal entschließt Ernst zu machen“. Man sollte nie aus einen einmal erworbenen Besitz unvorsichtig heraustreten, und zu allen diesen Vortheilen kömmt noch dieser, daß Ihre Wage eine regelmäßige Zeitschrift würde, die immer mehr und mehr Ansehen gewönne, und mit jedem monatlichen Hefte würde Ihr Andenken aufgefrischt werden. –

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Orig. davor: Vorsätzen.

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Es gilt den Leuten viel, und sie sind dankbarer dafür wenn man sie öfterer wenn auch mit wenigerem vergnügt, als alle Jahre einmal mit recht vielem. Auszüge aus Ihre Briefen „als Münchner Tagebuch könnten Sie recht gut zu dem neuen Band benutzen, auch habe ich noch einen Aufsatz über das hiesigern Theater („ha, ha, ha!“) – Es sollen noch Parteien wegen dem Anbau des Theaters sein, Sie können ja dies als Vorwand nehmen, und durch diesen alten Aufsatz beweisen, wie nöthig es sei, und daß Sie sich nur um der guten Sachen willen entschlossen hätten ihn druken zu lassen. Doch erfodert das noch Ueberlegung. Gefallen würde er gewiß. Sie wissen daß ich niemals falsch hierin prophezeit habe, es sind gar hübsche Sachen darin, aber auch viel hartes und Beleidigendes, und Sie dürfen sich doch auch besonders jezt, mit dem Ffurter Publikum nicht muthwillig entzweien. Wenn Sie den Aufsatz haben wollen, kann ich ihn Nächsten Monat mit den f 100 bei packen, Auch Briefe aus Ihrer Gefangenschaft,1 die Sie zu dem „Reisenden Journalisten, Einleitung zu den Pariser Briefen“ vielleicht anwenden können. – Wäre ich nur im Stande für alle den überlästigen Rath recht hübsche eigens verfertigte Aufsätze zu schiken! Fromme Wünsche! Ach wenn man nichts gelernt hat ist man doch zu gar nichts nütze, und wer ist schuld an allem ! ? A propos, wissen Sie daß Ihr erster Theil Becker mein gehört? Jezt erfahre ich nun auch gar nichts vom alten Testamente, und nicht wie der erste Mensch geheißen, nun werden Sie mir auch nichts mitbringen, und ––– –– –– das ist mein Trost! Denn einen ganz merkwürdigen Schreck habe ich bei der belohnenden Drohung verspürt. Die Erinerungen an alle die Herrlichkeiten des Pariser=Reisezwek, und des zu erwartende Bombardements der Knallbabillots, hatten [m]ich dergestalt bestürzt gemacht, und ausser Fassung gebracht, daß es des ganzen beschwichtigenden Inhalts Ihrer Nr 23 bedurfte um mich in einiges zu 1

Geschichte meiner Gefangenschaft nebst Beschreibung der herrlichen Wandgemälde, die sich in der Hauptwache zu Frankfurt befinden (1820). B war wegen der fälschlicherweise ihm zugeschriebenen anonymen Flugschrift Frag- und Antwortbüchlein über Allerlei, was im deutschen Vaterlande besonders Noth tut. Für den Bürgers. Und Bauersmann (1819) der Prozess gemacht worden. Der Student Karl Theodor Sichel aus Frankfurt, der das inkriminierte Traktat des revolutionären Burschenschaftlers Wilhelm Schulz (1797–1860) verteilte, soll im Polizeiverhör B (den er wohl außer Landes vermutete) als Verfasser angegeben haben. B wurde daraufhin am 22. März 1820 verhaftet und 15 Tage in der Hauptwache festgehalten. Wilhelm Schulz beschreibt die Vorgänge in seinem Briefwechsel eines Strafgefangenen und seiner Befreierin von 1846.

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beruhigen. – Auftrag „Wenn Sie auch den Brief von den Lübecker2 nicht erhalten haben, so sollen Sie mir doch beantworten was ich Ihnen unlängst über diese Angelegenheit berichtet habe. Er bittet Sie inständigst darum Louis Ochs“.3 –– Freitag 23 November 1821v Ich hatte schon ein ganzes Blatt angefüllt mit Rathschlägen und zuversichtlichen Aussichten für Sie. Ich wollte es nach Lesung Ihrer Nr 24 bei seite legen, aber weil es nun einmal geschrieben, so sollen Sie es auch erhalten, indem ich freiwillig meine thörichte Leichtgläubigkeit zeige, womit ich an Ihre gute Vorsätze, mit Thätigkeit und festen Willen eine neue vorgezeichnete Bahn zu verfolgen glauben konnte. Während ich Sie in voller Arbeit dachte, und sogar Ihr langes Schweigen dieser Ursache zuschrieb, schwanken Sie immer noch, wie nach den ersten Tagen Ihrer Ankunft in Stuttgart (was wohl zu bedenken schon über drei volle Monate ist) was Sie arbeiten sollen? Und diese ermüdente Frage wird wohl die Losung und das Räthsel Ihres ganzen Lebens bleiben. Genug davon. Es ist mein heiligster Vorsatz, nie über Angelegenheiten mehr mir Ihnen zu reden, ich will Ihnen nicht lästig fallen, und mir Kränkungen ersparen. Heute bin ich noch nicht aufgelegt dazu, aber künftig werde ich mir Ihre kluge Lebensregel niemals ernsthaft zu sein, und immer Spas zu treiben anzueignen suchen. Sie sollen Ihre Freude an meine scherzhaften Briefe haben. Die frühere die vielleicht manches ernsthafte Wort enthalten, bitte ich sorgfältiger zu verwahren als Ihr Taschenbuch, das Sie so vorsichtig gerade im größten Volkstumult hineingetragen haben. – S.[chmitt] [geht] nicht nach München, weil er seine Ansprüche noch nicht geltend machen will. Uebrigens wenn daß Münchner Publikum keinen bessern Geschmak hat als das Wiener, so ist’s eben nicht weit her. Ich war vorgestern in der Rossinischen=Oper, Die diebische Elster“. Das ist der erbärmlichste Unsinn der jemals noch gedichtet und gesungen worden ist. Diese Oper vergöttern die Wiener, die Mozartischen wollen sie gar nicht mehr hören, die haben Kunstempfindung! – Sie sind München schon satt, Sie wollen nach Paris?

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Hs. Zus. e. Bearb. »An Dr. B. in München« (Br.k.).

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Vgl. Br. 67. Louis Ochs (1795–1841), verh. mit Henriette (Jette) Rindskopf (Nichte JWs).

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In Deutschland ist Ihnen die Engherzigkeit der Leute drückend, und in Frankreich – war Ihnen die Sprache beengend: es ist Ihnen eben nirgends recht! Ich bitte, keine galante Antwort, denn ich versichre Sie es wäre Ihnen bei mir auch nicht gut. Sie lassen dem Adler wissen daß Sie bis den Januar hier sein werden, soll dies eine beschwichtigende Ausflucht für ihn sein, oder ist dies Ihr Ernst? Glauben Sie nicht voreilig daß ich meinen Vorsatz so schnell breche, ich werde Ihnen auch darüber nichts mehr einreden, halten Sie das wie Sie wollen, nur so viel weiß ich daß Sie nichts angenehmem entgegen gehen. Es hat sich in unserem Zirkel nichts zu seinem Vortheil verändert, im Gegentheil ist alles noch verstimmter und einförmiger, und ––– eben darum ist mir’s besser, wenn Sie nicht hier sind. Das sage ich Ihnen nur in Beziehung auf mich, Sie brauchen sich nicht darnach zu richten, thun Sie was Sie für sich selbst am angenehmsten finden. Waß für einen Plan soll ich denn für die Fremde haben? Sie kennenvi die einzige Bedingung unter welcher ich aus meinem Grabe, aus Ffurt herauskönnte, wenn eine von meinen Freundinen in die Fremde heirathete! Dr. Br.4 wäre vielleicht der Mann gewesen, wodurch dies mit der J. R.5 hätte ausgeführt werden können. Sie haben diese Gelegenheit, die Sie doch ganz in Händen gehabt fahren lassen. Jezt können Jahre darüber hingehen ehe sich wieder eine solche Aussicht darbietet. Von seinem Bruder sagen Sie mir eben nichts sehr anziehendes, und ich muß sagen daß mir beide durch ihre Heirath=Schacherei verleitet sind. Ich habe mir erzählen lassen, daß eben dieser Bruder, der so hohe edle (Geld) Ansprüche an seine künftige Frau macht, dem Schwiegervater (Ries) tausend Gulden ausgepresst haben soll. Der Man weigerte sich, mit dem Ausruf „ich kann nicht, ich kann nicht“. Aber es half nichts, es mußten f 9000 sein. Dr. Br. soll sich vortheilhaft über Sie geäußert haben, nur mit dem Zusatze „Schade daß der Dr Börne getauft ist“. Und jezt sagen Sie mir er lasse sich selber taufen, Wie erklären Sie sich diesen Wiederspruch? ––– Das Kloster von Walter Scott6 habe ich gelesen, es ist zwar nicht so gut als manches andre Werk von diesem vortrefflichen Dichter, aber es hat mir doch viel Vergnügen gemacht. vi

Orig.: können.

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Heinrich Breslau. Jette Rindskopf (vgl. Br. 67). Das Kloster. Ein Roman. Berlin 1821 (The Monastery, Edinburgh 1820).

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Das vorlezte Wort war ein freundliches, und so will ich auch dabei schließen. J. W. Dr Stiefel7 ist angekommen. Er wird wie ich höre nicht lange hier verweilen, er hat eine Anstellung in Wiesbaden doch weiß ich noch nichts näheres darüber.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt . München, den 22. November 1821.

Nr. 25. München. 22. Nov. 1821.i Heute sind es drei Monate, seitdem ich Ihnen von Stuttgart den ersten Brief geschrieben. Wie schnell mir diese Zeit vorüberging! Das kömmt aber daher, weil ich nicht wie in Frankfurt beständig nach der Uhr sehen konnte, denn Sie sind der Minutenzeiger meines Lebens. Ich fühle mich ganz glücklich, daß ich es schon halb seÿn kann ohne Sie, und, liebes Weibchen, ich liebe Dich mehr als je, seitdem Du mich nicht mehr beunruhigst. Ach, es giebt kein größeres Glück als die Ruhe des Herzens, und zerreißen sollte man euch Weiber, daß Ihr sie uns so spät giebt, daß Ihr uns so spät gewähret, was Ihr uns doch endlich immer gewähret, wenn man nur standhaft bleibt im Fordern. Aber ein Männerherz das majestätisch ausruht wie ein Löwe Ruhm= und Beutesatt, das wisst Ihr nicht zu achten, nur am Brüllen erkennt Ihr die Kraft des Löwen. Wehe, wehe!. Nun fürchten Sie sich nur nicht, ich thue Ihnen nichts zu leid, ich bin ja Ihr alter Bekannter. Sonst hatte ich wohl zuweilen einen grünen Donnerstag, jezt aber ist er grau wie der heutige Himmel, und nur mein blauer Montag ist mir geblieben. Ist das genug für mich faulen Gesellen? Ich glaube, ich Narr war großmüthig und habe Sie selbst gebeten, mir nicht öfterer als alle 8 Tage zu schreiben. Das habe ich schon längst bereut. Ach, wenn man nicht gebohren ist für

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Herrn Dr. Medic. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Nathan Stiefel, Bekannter Bs, Studienkollege in Heidelberg, arbeitete 1821 vorübergehend in einer Wiesbadener Anwaltskanzlei (vgl. Br. 130).

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die Tugend, sollte man nicht stümpern darin, es ist gar zu lächerlich! Ich sollte eher suchen mich zum vollkommnen Taugenichts auszubilden, das ist meine Bestimmung. – Sichels Commis, Hr. Völklein1 ist seit 2 Tagen hier. Ich habe mir viel erzählen lassen von Sichels Tod und Krankheit, und von dem Leben der Familie. Bettchen2 heirathet bestimmt Robin den Rothen.3 Sehr gefiel mir, daß am Tage von Sichels Leichenbegängnis, ja ehe er noch begraben war, seine Frau Schwester und Mutter,4 trotz ihrer Traurigkeit laut haben lachen müssen, wegen dem Mahler Böhmer,5 der sich an Kulbs6 Fenster in seinem Ornate so drollig geberdet. Dann erzählte er mir, es wäre bekannt, daß ich über Sichels Tod „einen so schönen Brief“ nach Frankfurt geschrieben, besonders hätte gefallen, die Alte die mit thränenden Augen zu Gerson7 hinüberblicke. Woher weiß man das Alle? Ihnen soll man auch seine Gunst schenken! Verschwiegenheit ist die erste Pflicht der Liebenden . . Es ist spashaft zu sehen, wie es hier von reisenden Handlungsdienern wimmelt. Schon zehen Bekannte habe ich gespr[o]chen. Sie folgen sich auf den Fuß. Es ist ein lustiges Leben, und die Sommerseite des Handels. Meistentheils junge Leute, lassen sie sichs hier wohl seÿn. – Die Abonnirten Conzerte die am verflossenen Montag angefangen, sind sehr schön. In diesem ersten wurde gegeben: Sÿmphonie von Clementi8; Arien von Simon Maÿer9 und Aiblinger10 (mit Chor); Flötenconzert; Conzert von Spohr gespielt von Grund; Haÿdns Gedächtnisfeÿer, Cantate von Cheru-

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Handlungsgehilfe v. Bs verstorbenem Freund Jakob Meyer Sichel, einem Händler niederländischer Tuchwaren. Bettchen Sichel, Schwester v. Jakob Meyer Sichel, verh. Georg Götz (Getz). Anspielung auf Walter Scotts Robin der Rothe. Eine schottische Sage (1819). Henriette (Jettchen/Bettchen) u. ihre Mutter Sara Sichel, die nach dem Tod des Sohnes das Geschäft weiterführte. Vermutl. Johann Friedrich Böhmer (1793–1863), Jurist, Historiker u. Kunsthistoriker, der sich 1819 in Rom im Umkreis der Nazarener mit der altdeutschen und italienischen Kunst beschäftige. In der Schnurgasse führte Hirsch Nathan Kulp eine Handlung mit Eisen-, Baumwoll- u. Steingutwaren. Es könnte auch die Tuchwarenhandlung v. Amschel Nathan Kolb gemeint sein. Vgl. Br. 49. Muzio Clementi (1752–1832), Komponist. Johann Simon Mayr (1763–1845), Komponist. Johann Kaspar Aiblinger (1779–1867), Komponist, Schüler Joh. Simon Mayrs; 1819–1823 Kapellmeister an der ital. Oper in München.

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bini11 (herrlich); Ouvertüre aus Egmont.12 Anfang präcis um halb 7 Uhr. – Unter allen Merkwürdigkeiten Münchens, hat mich das Krankenhaus, das ich gestern sah am meisten angezogen.13 Was nicht der menschliche Geist vermag, wenn ihm das Herz beisteht! Es ist im Verhältnis der hiesigen Bevölkerung so groß, daß noch für einige hundert Kranke Plaz übrig bleibt. Sehen Sie, ich bin nicht weich, denn ich weiß daß am Leben das Leben nicht das Beste ist, es ist daher mir wie der Welt, und dem armen Teufel von Kranken selbst oft, ganz gleichgültig ob er lebt oder stirbt; aber daß so ein armer Teufel, der in dieses Haus kömmt, durch sein Krankseÿn gewinnt, daß er eine Pflege, eine Reinlichkeit, eine Sorgfalt und eine Bequemlichkeit genießt, der er sich gesund nie zu erfreuen hatte; daß ihm die Genesung nur Entschädigung giebt, für das was er verliehrt, wenn er das Haus verläßt – das hat mich gerührt. Diese Frische und Reinheit der Luft findet man bei keinem Reichen in seinem Wohlseÿn. Es ist zu wissen, daß die größten Mechaniker und Wasserleitungskünstler Europens, Bader und Reichenbach,14 beide hier wohnen. Dieser leztere hat im Hospitale eine für das ganze Haus wirkende Vorrichtung zur Reinigung der Luft ausgeführt, die durch ihre Größe und Einfachheit in Erstaunen sezt. Wir verstehen beide zu wenig von der Mechanik, ich daß ich die ganze Einrichtung gehörig beschreiben, und Sie, daß Sie sie begreifen könnten. Ich sage Ihnen nur so viel: Durch zwei Thürme die über das Haus hervorragen, und deren sechs Oeffnungen mit ledernen Klappen behängt sind, dringt der Wind hienein, von welcher Seite er auch wehe, gemauerte Kanäle leiten ihn in sämmtliche Oefen des Hauses. Diese leztern haben einen äussern Mantel mit Löchern, die Luft strömt in den leeren Raum den beide Wände bilden, und von da durch kleine Oeffnungen in die Krankensäle, so daß die Luft nicht blos immer frisch, sondern auch gewärmt einströmt. Unaufhörlich Tag und Nacht, wird auf diese Weise, ohne daß man das Fenster zu öffnen braucht, die Luft

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Luigi Cherubini (1760–1842), Chant sur la mort de Joseph Haydn (1805). Overtüre zur Musik zu J. W. Goethes Egmont. Das Städtische Allgemeine Krankenhaus wurde mit dem säkularisierten Vermögen des Klosterspitals der Barmherzigen Brüder erbaut, die Einrichtung der Krankensäle u. sanitären Anlagen erfolgte nach den Plänen des Mediziners Franz Xaver v. Haeberl (1759–1846), dem 1. Direktor u. Oberarzt des 1813 eröffneten Krankenhauses. Die auf freiem Felde vor dem Sendlinger Tor gelegene Anstalt war mit fast 600 Betten eines der größten u. modernsten Krankenhäuser der damaligen Zeit. Joseph v. Baader, Konkurrent v. Georg Friedrich v. Reichenbach (vgl. Br. 56).

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erneuert.15 Sie müssen mir erlauben auch von den Abtritten zu sprechen. Ich habe den Deckel aufgemacht, und meinen Dickkopf hieneingesteckt so tief als möglich. Dort unten herrschte zwar eine schauerliche Dunkelheit, aber es roch wie bei Montanari.16 Wie ist das möglich? Das ist so möglich. Eine äusser[s]t künstliche Einrichtung bewirkt, daß so bald man den Dekkel aufhebt, frisches Quellwasser zu strömen anfängt, und in den Kanal hienabläuft. So lange der Deckel offen steht, so lange strömt das Wasser. Ich kann mir nichts romantischer denken, als hier zu sitzen, und dem Murmeln des unsichtbaren Baches zu zu hören. Jeder Saal enthält 12 kranke, deren Betten durch Wände geschieden sind. Der Boden ist mit Marmor getäfelt. Jeder Kranke der bei Besinnung, oder in der Genesung ist, erhält zu seiner Erheiterung ein vollständiges Exemplar der Wage. Merkwürdig, besonders für Frauenzimmer ist die Waschküche. Eine chemische und phÿsische Einrichtung ist solcher Art getroffen, daß die Wäsche nicht von Menschenhänden gerieben zu werden gebraucht, wodurch sie sehr verdorben geht, sondern, daß sich das alle von selbst macht. Seife wird gar nicht gebraucht. In weniger als 3 Stunden ist die Wäsche bis auf ’s trocknen fertig. Ich habe mir in diesen künstlichen Waschkufen, die Hände gewaschen, und sie glänzen heute noch wie frisch gefallener Schnee. Die Hühner und Gänse für die Küche, sind so abgerichtet, daß sie sich selbst schlachten und rupfen, und sie eilen alle freudig in den Tod. Ich habe selbst gesehen, daß sie sich um den Vorrang herumgebissen haben. Es giebt auch einen Krankensaal für Verliebte weiblichen Geschlechts, so lange sie nicht ganz verrückt sind. Der Direktor des Hospitals, Obermedizinalrath Koch,17 der mich selbst herumgeführt, hatte mich darauf vorbereitet, und mich ersucht, den Mädchen eine angemessene und Eindrucks volle Rede zu halten. Ich that es mit großen Erfolg. Ich werde die Rede niederschreiben und sie Ihnen schicken. Kranke die Vermögend sind, können auch eigene Zimmer im Hause haben. Alle Pflege zusammen kostet täglich nicht mehr als 1 fl. 30 kr. Mein lüderlicher Freund, Herr v. Pletz, der zuweilen an der Gicht leidet, kann es gar

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B folgt hier der 1813 veröffentlichten Abhandlung Über die öffentliche Armenund Krankenpflege des Konstrukteurs der sanitären Einrichtungen Franz Xaver v. Haeberl, dessen Lüftungs- u. Heizungssystem bis in die 1840er Jahre als mustergültig angesehen wurde. Joh. Baptist Montanari, Frankfurter Spirituosen- u. Parfumeriehändler. Andreas Koch (1775–1846), Direktor u. 1813–1827 Oberarzt der chirurgischen Abteilung.

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nicht erwarten bis er wieder einen Anfall bekömmt, denn sagt er, er spare täglich mehrere Gulden wenn er im Spital lebe. Ein wenig Gicht, wäre mir jezt auch sehr wohlthatig. Monatlich 45 Gulden, man kann nicht wohlfeiler leben. Ich will es aber erst mit dieser Quittung versuchen. Sie ist unterm 1sten Dez. ausgestellt, ich zweifle aber sehr daß ich an diesem Tage schon das Geld werde haben können. Gewöhnlich muß ich bis zur Mitte des Monats warten. Das wäre schlimm, denn, meine liegenden Gründe ungerechnet, habe ich nicht mehr als noch 7 große Thaler. Auch mein Credit ist erschöpft, und nichts ist mir geblieben als meine Tugend. Der Polizeidiener Schulz hat mir zuweilen gegen einige Gulden Provision, auf meine Quittung das Geld vorausgegeben.18 Schicken Sie den Samuel mit diesem Antrage zu ihm. Thut er es wieder dann giebt er ihm (er muß ihn bei Seite nehmen) 2 fl. oder einen großen Thaler, und dann schicken Sie mir das Geld auf den Flügeln der Liebe. In jedem Falle muß Samuel dem Schulz, auch wenn er das Geld nicht vorschießt, für die Einkassirung von der Rechnei, einen Gulden geben; so viel hat er immer von mir erhalten. Genug von solchen Gemeinheiten! – Dr. Breslau19 sagt mir, seine Braut wäre eine Tabula rasa; das heißt, eine leere Tafel; das heißt, eine Person aus der sich alles machen läßt; das heißt, eine Person die nichts ist; das heißt, eine unbedeutende Person; das heißt, der Dr. Breslau ist ein Narr; das heißt, ich beneide ihn; das heißt ich liebe Sie; das heißt ich bete Sie an. Nehmen Sie sich in Acht, daß Sie auf dieser steilen logischen Treppe nicht ausgleiten. – Werde ich denn in Frankfurt gar nicht vermisst? Fehle ich Keinem und nirgends? Ich freue mich sehr, wenn ich einmal nach Hauße komme, und das Mädchen das ich ein Kind verließ, als erröthende Jungfrau vor mir erscheint. Was sagen meine Gläubiger? So lange war ich seit meinen Universitätsjahren nicht mehr von der Heimat entfernt. Ueberhaupt kehren die schönen Tage meiner Jugend zurück. Ich fahre auf dem Wasser herum, und esse Confect; ich spiele Billiard; ich gehe um 4 ins Theater und warte bis 6; ich bin galant; ich bin ein kleiner Baruch. Nach der Schoppenhauer Gabriele,20 die Sie mir empfohlen, habe ich so eben geschickt, sie war aber nicht zu Hauße. – Mein Bedienter nennt mich Ew. Gnaden, und meiner Schwester Bediente küsst mir die Hand, wenn ich ihm etwas schenke. Für 600 Gulden kann man sich hier adeln lassen – soll ich, genädige Frau? – Man erzählt 18 19 20

Br. 68. Vgl. Br. 59. Vgl. Br. 65.

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sich hier Rothschild habe als Metternich bei ihm gegessen, den Weg von Hanau bis an sein Haus, mit scharlach Tuch belegen lassen. Ist das Wahr? – Eine russische Gräfin Liewen21 hat zugleich mit Metternich bei Rothschild gegessen ist diese Gräfin ausgezeichnet schön, liebenswürdig? Ich möchte das gern wissen, ich habe meine Ursachen, erkundigen Sie sich darnach. – Haben Sie in Frankfurt den jungen Larsonneur22 gehört? Ich weiß nicht spielt er Klavier oder Violin – gefiel er Ihnen? – Adieu, liebes Weibchen, bleiben Sie mir gut. Ich küsse tausendmal Ihre Hand. Herzlichen Gruß an die Mutter der Drachen. Dr. Börne, geb. Wohl.

75.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 25. u. 26. November 1821.

Nr. 26 52 München. 25 Nov. 1821.i Nr. 26 26 Nr. 26 26 Ich will Ihnen entgegen kommen, da ich auf morgen, sicher einen Brief erwarte. Das danke Ihnen auch der Teufel, lieber Engel, daß Sie mir alle 8 Tage ein Mal schreiben, das ist Ihre bittere Pflicht. Aber wie alles vorübergeht! Die 26 Briefe sind nun auch erreicht, und ich fange eine neue Zählung an, Alles geht vorüber, nur meine Sehnsucht nicht. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen wie Sie aussehen, und wenn ich nach Hause kehre, müssen Sie mir einen meiner Briefe zu Ihrer Beglaubigung vorzeigen, damit ich mich in der Person nicht irre. Noch jedesmal habe ich Sie reizender wiedergefunden als ich Sie verließ, und das that mir doppelt wohl, denn ich überredete mich immer, Sie hätten alle Ihre Liebenswürdigkeit für mich aufgespart. Seien Sie unterdessen nur recht garstig, recht grob, i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Vgl. Br. 69. Hippolyte Larsonneur (geb. 1810), frz. Musiker; in der Frankfurter Ober-Post-AmtsZeitung v. 15. November 1821 wurde für den folgenden Tag ein Konzert des elfjährigen »Wundergeigers« angekündigt.

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recht unausstehlich gegen die übrige Welt. Aber wenn Sie den Murhard1 sehen, dem legen Sie sich als Schlange in den Weg, und beißen Sie ihm in seine dünne Beine. Haben Sie gelesen, wie er sich und sein Journal vor einigen Tagen wieder in der Postzeitung2 gelobt hat? Der niederträchtige Kerl! Seine Uneigenützigkeit hat er gelobt, hat sagen lassen, er, weil unabhängig durch seinen Reichthum, sei allein in der Lage ein freÿsinniges Journal zu schreiben. Ich könnte den Kerl erwürgen. Und gar keine Möglichkeit, ihm was anzuthun, da kein gelesenes Blatt in Deutschland ein Wort gegen ihn aufnimmt, weil er an allen arbeitet. Ich rücke ihm aber doch noch einmal auf den Leib, es ist gar nicht zum aushalten. Beißen Sie ihm nur recht tief hienein. Weil ich grade von Niederträchtigkeiten spreche, will ich noch eine andere erwähnen, die mir auch aufgefallen. Spontini, Sie werden es wissen, ist seit etwa 2 Jahren Oper=Direktor in Berlin. Allerdings hat er seine Verdienste, aber das Hündische Geschmeichel, mit welchem sich alle Berliner Blätter an ihn drängen, bezeichnet recht das deutsche unterthänige Sklavenvolk, und das Berliner zerlumpte und doch hochmüthige Gesindel. Selbst Hoffmann, der doch in seinen Phantasiestücken gezeigt hat, daß er Mozart und seine deutsche Kraft und Tiefe zu schätzen weißii, erhebt Spontini bei Gelegenheit seiner neuen Oper (Olimpia) bis über die Sterne.3 Gewiß gegen seine eigne Ueberzeugung; aber Spontini ist bei Hof angesehen, ist ein Weltkluger Pariser, und giebt wahrscheinlich den Berliner Hungerleidern, Geld und Wein. So las ich gestern im Freimüthigen daß „eine Gesellschaft Kunstfreunde“ Spontini auffordert, er solle doch endlich einmal wieder mit seinen eignen Compositionen beglücken, da er seit mehrern Monaten durch die Aufführung von Glucks, Mozarts, Cherubinis u. a. Opern, seine Unpartheÿlichkeit und Bescheidenheit hinlänglich an den Tag gelegt. Ueber die Flachheit und Gemeinheit der Deutschen, werde ich täglich in meiner Ansicht entschlossener. Ich dächte doch, ich wäre unpartheÿisch, alt und erfahren genug, um Vertrauen in mein Urtheil setzen und ii

Orig.: weißt.

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Der als »Jakobiner« u. »Demagoge« verfolgte M. stand offenbar trotz einer polit. Gesinnungsverwandtschaft in scharfer beruflicher Konkurrenz zu B. Seit 1816 in Ffm. lebend, schrieb er u. a. für Cotta’s Allgemeine Zeitung und war einige Zeit deren Korrespondent am Bundestag. (Vgl. Br. 25). Vgl. Br. 71. Gaspare Luigi Pacifico Spontini (1774–1851), Olimpie (1819).

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fordern zu dürfen. Was man erhabene Menschen nennt, haben die Deutschen seit drei Jahrhunderten nur zwei gehabt, Luther und Mozart. Aber jedes Volk hat so viel große Männer als es verdient. Der größte deutsche Dichter ist seines Volks, wie das deutsche Volk seines größten Dichters würdig. Sie wissen, ich achte Göthe wenig, ich liebe ihn gar nicht, aber doch empört mich die Art, wie sich Deutschland rücksichtlich seines Denkmals beträgt. Welch ein beleidigendes und schmutziges Hin= und hersprechen, ob man ihm ein Denkmal setzen oder nicht solle. Da hat ein gewisser Carové, der noch dazu jung, der noch dazu ein deutscher Volksnarr ist, der noch dazu auf der Wartburg gepredigt hat – vorgeschlagen, man solle, Göthe zu ehren, ihm nicht ein steinernes Denkmal setzen, sondern für die deutsche Armuth eine wohlfeile Ausgabe seiner Schriften veranstalten.4 Und Herr Göthe, was ist das für ein Mensch! Welcher Hochmuth, welche Hoffarth! Jezt läßt er alle seine Handzeichnungen, wie sie jeder aus seiner Jugend aufzuweisen hat, wie sie Guste, Jettchen und Samuel wohl auch haben, im Kupferstiche erscheinen! Der verkauft noch seine Windeln Spannenweise. Pfuÿ Und Ihr Börne ist auch gewaltig herabgekommen. Sein neuster Roman, besonders der dritte Theil ist sehr langweilig. Unter den achtzig Bänden die Börne geschrieben hat, sind höchstens nur dreÿsig, von denen man sagen kann, daß sie dem deutschen Volke zum Ruhme gereichen. – Morgen im Abonnement-Conzert, werden folgende Sachen gegeben: Ouvertüre aus der Oper Der Freÿschütz von Maria v. Weber5; Arien von Orlandi6 u. Rossini; Violin-Conzert; Duett v. Simon Maÿer7; Clarinett=Conzert; Ouvertüre d. Ferdinand Cortez.8 Anfang präcis halb 7 Uhr. Um 6 Uhr komme ich Sie abzuholen, aber ich bitte mirs aus, daß Sie nicht wieder ein so großes Gefolge mit sich führen. – 26. Nov. Diesen Morgen beim Frühstück, da ich mit Sehnsucht Ihrem Brief entgegenharrte, sang ich leise vor mich hin: Klinge Glöckchen klinge, bring mein Weibchen her. Da kamen Sie endlich, und ich hätte gern gesungen: klinge Glöckchen klinge, schaff mein Weibchen fort – wenn’s mich was geholfen

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Friedrich Wilhelm Carové (1789–1852), Publizist und führendes Mitglied der Heidelberger Burschenschaft Teutonia. Er trat 1817 als Redner beim Wartburgfest der Burschenschafter auf und wurde 1848 in das Frankfurter Vorparlament gewählt. Der Freischütz (1821), Oper von Carl Maria v. Weber (1786–1826). Ferdinando Orlando (1774–1848), Komponist. Johann Simon Mayr. Ferdinand Cortez ou la conquête du Mexique (1809), Oper von Spontini (vgl. Br. 74).

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hätte. Was Sie wieder schmälen! Und mit welcher Ungeduld eröffnete ich die fünf Siegel Ihres Briefes. Das müssen große Zärtlichkeiten seÿn, dachte ich, die man so sorgfältig verbirgt. Das kömmt dabei heraus, wenn man ein Narr ist, und einem seine Gedanken mittheilt, die bei mir wie bei jedem Andern herüber und hienüberschweifen. Ich sehe nicht ein woraus Sie schließen, daß ich noch gar nichts gearbeitet. Ich will Ihnen aber auch künftig von meinen Plänen nichts mehr sagen; ist etwas geschehen, dann erfahren Sie es zeitig genug. Was mich aber wahrhaft geschmerzt hat, ist Ihr merklicher Vorwurf, daß ich mir die Gelegenheit für […]iii hätte aus den Händen reißen lassen. Es hat mir leid genug gethan, daß ich Ihnen zu einer Zeit Hoffnung gegeben habe, wo gar keine mehr war, denn schon als ich hierherkam, war die Sache mit Dr. Breslau in Richtigkeit gebracht, ich wußte das aber nicht. – Daß Dr. Br. von mir gesagt hat: schade daß ich getauft wäre, erkläre ich mir so: er wollte, da er selbst mit dem Gedanken umgeht sich taufen zu lassen, seine Leute auf diese Weise ausforschen, was sie von der Sache halten. – Grüßen Sie meinen alten Freund Stiefel9 tausendmal von mir, und küssen Sie ihn für mich [ein]ige Mal weniger. Es thut mir gar nicht zu leid, daß ich jezt grade nicht in Frankfurt bin. Was werden sich die Ochsen gefreut haben! Wenn Sie ihn sehen, fragen Sie ihn, ob er sich noch erinnere, wie wir uns eines Freitags Abends bei Ochs freundschaftlich mit Füßen getreten haben? – Nicht den 1sten, den 4ten Theil von Becker10 habe ich. Der gehört Ihnen also nicht. – Lassen Sie den Lübeckern schreiben, daß ich gar nichts von dem Fortgange Ihrer Sache erfahren habe, und daß mir vom Bundestage nicht die gringste Mittheilung gemacht worden ist. Ich kann ihnen also keine Auskunft geben.11 – Ich habe gestern in der Allgemeinen Zeitung gelesen,12 daß aus Rücksicht für Metternich, Frau v. Rothschild13 zum erstenmale in die Assemblee des Golz14 gekommen sei. Es iii

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Geschw. Passage., vermutl.: Jette Rindskopf (vgl. Br. 67 u. R IV, 465). Vgl. Br. 73. Vgl. Br. 68. Vgl. Br. 67. Korrespondenzbericht der Augsburger Allgemeinen Zeitung, Nr. 329 v. 25. November 1821: Frankfurt, 18. Nov. Eva Rothschild, geb. Hanau (1779–1848), verh. mit Amschel Mayer R. (1773– 1855), der mit seinen Brüdern 1812 die Leitung des europäischen Bankhauses M. A. Rothschild und Söhne vom Vater Meyer Amschel R. (1743–1812) übernommen hatte. (Vgl. Br. 76).

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ist ein Ekel, wie alle Blätter voll von der Geschichte sind, daß Metternich bei Rothschild gegessen.15 Kein anderer als Murhard hat diese Nachricht in Europa verbreitet. Der macht aus jedem Dreck Geld. – Also Sie haben die diebische Elster kennen gelernt?16 Was sagen Sie zu dem Unsinn? Wenn es Ihnen so ging wie mir, so müssen Sie während der Vorstellung beständig gelacht haben. Rossini ist der Kotzebue der Musik, darum gefällt er, und darum muß er gefallen, denn in der musikalischen wie in der literarischen, wie in jeder Welt, ist die Menge dumm. Rossini versteht sich auf die Theater=Coups, das muß man ihm lassen, und auf ’s rühren. Selbst diejenigen hier, die Rossini weniger achten (eigentlich gering geschäzt wird er von keinem) preißen seinen Othello,17 und meinen, der wäre im strengen und ernsten Stÿl gut gehalten. In Wien wird jezt ein bößes Beispiel gegeben, das gewiß nachgeahmt werden, und der deutschen Kunst gefährlich werden wird. Das Theater am Kärnther Thor, welches vom Staat unterhalten wird, hat der Kaiser der Leitung eines Italiäners unterworfen, der will eine Opera Seria, eine Opera buffa, und ein glänzendes Ballet einführen, mit Hintenansetzung der deutschen Opern.18 In einem kleinen Gespräche das ich über diesen Gegenstand niedergeschrieben, habe ich gesagt: „Die Kunst ist eine Polizeidienerin. Hätten die Italiäner mehr Konsonanten in ihrer Musik, wären die Neapolitaner nicht wie die Hasen davon gesprungen. Deutsche Musik hat zu viel Männlichkeit Mozart war ein Schwärmer und gefährlicher Sectirer, Beethoven ist ein musikalischer Riego,19 seine Ouvertüre zum Egmont eine Sieggekrönte Verschwörung, den Freiheitsjauchzenden 14

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August Friedrich Ferdinand Graf v. der Goltz (1765–1832), seit 1816 preuß. Gesandter am Bundestag in Frankfurt. Salomon Mayer R. (1774–1855) baute die Verbindung zu Metternich auf und gründete 1817 in Wien die Bank S. M. von Rothschild. Die Wiener Dependance finanzierte 1821 Österreichs Krieg in Italien. Die enge Verbindung der Rs. zu Metternich ist Gegenstand der hier von B kritisierten Presseberichterstattung. La gazza ladra (1817), Oper von Rossini. Otello, ossia Il moro di Venezia (1816). Kaiser Franz I. hatte 1821 das Kaiserl. u. Kgl. Hoftheater zu Wien, den Neubau des 1761 abgebrannten Theaters am Kärntnertor, an den italienischen Theaterunternehmer Domenico Barbaia (1778–1841) verpachtet. Oberst Rafael del Riego y Nuñes (1784–1823), spanischer Revolutionär, der 1820– 1823 gegen den absolutistisch regierenden Monarchen Ferdinand VII. für die Wiederherstellung der Verfassung von Cadiz (1812) kämpfte. Nach der Intervention der Franzosen im spanischen Bürgerkrieg und der Restauration der Monarchie wurde der Freiheitsheld 1823 hingerichtet.

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Schluß kann kein getreuer Unterthan ohne Murren anhören u. s. w.“. – So eben war der Herr v. Pletz bei mir. Er fragte mich: an wen Schreiben Sie da? An eine böße Stieffreundin, sagte ich, die immer fort zankt. – Bei Cotta erscheint vom neuen Jahre an ein neues tägliches Blatt in Art des Morgenblattes, unter dem Namen Hesperus.20 Der Herausgeber (André)21 wohnte früher im Oesterreichischen, wo die Zeitschrift Heftweise erschien, verließ aber das Land der argen Zensur wegen. – Im Januar versammeln sich hier die Stände, da wird es etwas lebhaft werden.22 – Sie haben Unrecht, wenn Sie von Dr. Breslau und seinen Bruder darum eine üble Meinung haben, weil sie dem Ries noch tausend Gulden ausgepresst. Der wird ein […]iv seÿn wie alle Andere. Suchen sie nicht immer ihre Kinder so wohlfeil wie möglich an den Mann zubringen, auch wenn sie Geld genug haben? So höre ich hat der Götz unter mehrern Bewerbern um Bettchen Sichel, nur darum den Vorrang erhalten, weil er sich mit der kleinsten Mitgift begnügt.23 Genanntes Bettchen, Ihr mögt sagen was Ihr wollt, ist doch das ordentlichste und liebenswürdigste Judenmädchen in Frankfurt. Unter einer rauhen Schale verbirgt sie einen zarten Kern. Dr. Br. rühmt mir die Handschrift seiner Braut, sie schreibe wie in Kupfer gestochen. – Erfahren Sie nichts von Oppenheimer in Petersburg?24 Daß Sie mir nur ja alles genau schreiben, was sich mit meinem alten Freunde Stiefel25 in Frankfurt begiebt. Daß ich grade abwesend seÿn muß! – Warum seÿd Ihr denn verstimmt, was geht denn vor? Sie lassen mich darüber im Dunkeln. Warum leeren Sie Ihr Herz nicht aus? Haben Sie kein Vertrauen zu mir? Oder trauen Sie selbst den fünf Siegeln nicht. Wie wird das Enden? Folgen Sie meinem Rathe, flüchten Sie diesen Winter noch, nach Hamburg oder wohin es sei. Warten Sie nicht wieder, bis es zu spät geworden. – Ich bin in großer Besorgnis, daß ich mein Poliiv

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Geschw. Passage. Der Hesperus oder Belehrung und Unterhaltung für die Bewohner des österreichischen Staats erschien zunächst in Brünn, später in Prag, ab 1822 wurde er u. d. T. Hesperus. Encyclopädische Zeitschrift für gebildete Leser in Stuttgart bei Cotta verlegt. Christian Karl André (1763–1831), Pädagoge u. Journalist, lebte seit 1821 in Stuttgart. Die zweite Sitzungsperiode des Bayerischen Landtags dauerte vom 21. Januar bis zum 2. Juni 1822. Vgl. Br. 74. Simon Lazarus Oppenheimer (1802–1867), Frankfurter Kaufmann. Vgl. Br. 73.

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zei-Geld zu spät bekomme; schreiben Sie mir doch ja bald, wie es damit steht. Wenn es Ihnen möglich ist schießen Sie mir die 100fl. vor. – Den Aufsatz wegen meiner Arretirung, schicken Sie mir gelegentlich. – – So eben komme ich von meiner Schwester und Mutter, die mir sagen, sie hätten heute nach Frankfurt geschrieben, und die Parthie zwischen dem Bruder des Dr. B.26 und der J. R.27 einzuleiten gesucht. Sie haben nehmlich folgendes Interesse bei der Sache. Meiner Mutter Schwägerin die Frau Gumperz treibt das Heirathsstiften. Sie hat die Sache mit der Ries in Richtigkeit gebracht, nun soll sie auch bei diesem Geschäfte Geld verdienen. Also sie haben der Gumperz geschrieben, sich bei Rindskopf deswegen zu melden. Wegen der Vermögensumstände des Br. [m]öchten sie sich bei Ostrich in Frankfurt, wegen des Charakters bei mir erkundigen. Was ich von Br. weiß habe ich Ihnen schon mitgetheilt. Erst einmal habe ich mit ihm zusammengegessen. Er kann ein ganz ordentlicher Mensch seÿn, ich glaube aber nicht daß er sehr liebenswürdig ist. Ich halte ihn für einen strengen Geschäftsmann. Ueberhaupt darf weder meine Empfehlung noch mein Abrathen, Einfluß auf eine solche Sache haben, das würde mich beunruhigen. Meine Mutter28 und Schwester haben auch ihre Schritte ohne mein Wissen gethan. Uebrigens würde sich Br.29 dazu verstehen sich in Fr. zu präsentiren. Die Ehen werden im Himmel geschlossen, ich haltev in solchen Fällen wenig auf Ueberlegung. Nur selten sind die Vorzüge oder Fehler eines Mannes so ausgesprochen, daß man mit Sicherheit vorhersagen kann, die Ehe werde glücklich oder unglücklich werden. Ich glaube, daß von zwei glücklichen Ehen, die mit einem Gelehrten die glücklichere ist, ich weiß aber aus Erfahrung, daß von zwei unglücklichen Ehen, die mit einem Handelsmann noch die erträglichste ist. Ein Frankfurter Judenmädchen gewinnt schon sehr viel von Frankfurt weg zu kommen. Uebrigens wissen Sie wie sehr ich bei der Sache interessirt bin, und daß meinem Urtheile nicht zu trauen ist. Jedoch werde ich Sie mit Wissen nie täuschen, sondern Ihnen die Wahrheit in allem sagen, was ich etwa über diesen Br. noch erfahren könnte. Die Sache mit der Gumperz erzählen Sie nicht. Das ist ja v

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Orig.: halten. Heinrich Breslau (vgl. Br. 59). Jette Rindskopf (vgl. Br. 67). Vgl. Br. 10. Heinrich Breslau.

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auch etwas Gleichgültiges, man kann ja doch bei einem solchen Handel diese Art Leute nicht entbehren. Es ist auch nicht wahr, daß man dem Ries noch tausend Gulden abgedrungen habe, das war alle schon früher durch meine Schwester verabredet worden. – Adieu Stiefmütterchen. Machen Sie Ihren nächsten Brief mit 6 Oblaten zu, damit das halbe Duzend voll werde. Der Briefträger muß meÿ[n]en, es lägen Dukaten im Briefe. Tausend Umarmungen meinem lieben alten Freunde Stiefel,30 Besucht er Ochs fleißig? War bei Ihnen? Hat er Alle geküsst bei seiner Ankunft? – Einer der guten Schauspiel[er] hier, Urban,31 noch ein junger Mann, ist ein getaufter Jude, und war in Frankfurt ein Baacherchen.32 Haben Sie je etwas von ihm gehört? – Das Wetter ist hier immer noch gelind, wie im Frühling. Aber wo ist Frühling ohne S[ie]? Ihr Sie verehrender Stiefsohn Dr. Börne.

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A n L udw i g Bö r n e i n [ M ü n ch en]. [Frankfurt], den 26. November 1821.

Nr 25 Scherzhafte Briefe Nr 1i Heute kömmt Dr Reis mit den Worten zu mir „Wissen Sie waß neues Jeanette?“ Im Schwanen wurde erzählt Dr Börne sei Bräutigam mit – mit – mit – Frau – Herder!1 Ei ei Herr Doktor, eine ‘schiefe’ Wahl, nun, die Männer machens nicht anders, Gratulire! Dann sagte ein Anderer „Haben wir nicht noch – ein Heft-Wage vom Börne zu erwarten“? Reis machte lachend die Bemerkung, Sie hätten Ihre Leser nach Ihrer Manier so gut gewähnt daß sie ganz irre geworden, und sich gar nicht mehr erinnern könnten waß sie zu fordern berechtigt seien. doch halt, die Ahnfrau=Wage,2 das droht i

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O. Adr. – hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt 26 Novb 1821. An Dr. B in München.« (Br.k.). Vgl. Br. 73. Wilhelm Urban (1795–1833). Vgl. Br. 42. Louise v. Herder (vgl. Br. 25). Vgl. Bs Rez. v. Grillparzers Ahnfrau v. 19. Juli 1818 auf der Frankfurter Volksbühne (in: Wage (1818), Bd. 1., H. 2.).

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ernsthaft zu werden, behüte! Zurück zu unsrer Lebenstendenz „Zu tändeln und zu scherzen“.ii – Ich will Ihnen einen kleinen Schattenriß von Ihrem Freund Stiefel3 schiken, damit seine Grazie in Ihrem Gedächtnis aufgefrischt werde. Der Baron bei dem er im Hause war gieng auf die Jagd, seine Frau begleitete ihn, Stiefel sollte mit, er weigerte sich, er verstünde nichts vom Jagen u.s.w. – Der Baron besteht darauf, unser Freund nimt seine Flinte, ladet scharf. Kaum sind sie an Ort und Stelle angekommen gewahrt unser Jäger einen Hirsch, ihn sehen und sein Gewehr losbrennen war das Werk des Augenblicks und des Unverstands. Die Baronin erbleicht bis zum umsinken, denn der Schuß fiel gefährlich dicht neben ihr, der Baron geräth in Wuth und auser sich, denn nun war’s aus mit dem Jagen, er hatte alles Wild verscheucht. Ist das nicht ächt Stiefelisch? Man sollte schwören er habe der Unliebenswürdigkeit ewige Treue gelobt, der ist zuverläßig, die Dame kann ruhig heim, er hält ihr gewiß Wort. Er bedauert ihre Abwesenheit und hat mich sehr angelegentlich nach Ihren Geschäften in München gefragt. Ich habe Komödie gespielt, eine wichtige Mine eingenommen, trotz dem Marschall Kalb,4 und „habe geschwiegen!“ Er hätte Gerichtshalter werden können, wenn er den Juden abgelegt. „Warum thaten Sie es nicht?“ Mit dem sauersten moralischen Gesicht erwiederte er mir „Und das können Sie noch fragen?“ – Wie gefällt Ihnen das? Er kömmt nach Wiesbaden zu einem Advokaten der zugleich eine Beamtenstelle bekleidet, sein Gehalt scheint gering zu sein. Orest und Phÿlades scheinen die Götter nicht begünstigen zu wollen.5 Den einen werden die Grazien sich nie versöhnen, von dem anderen wenden die Musen noch immer abseits ihren Blick. Werden diese dem einen verwirrten nicht von der Natur ausgestoßenen je wieder hold werden? Die russische Gräfin Lieven ist jung, schön, liebenswürdig, eines Generals Frau und, wie man sagt, Geliebte des Herzogs Wellington.6 [Was] Sie neugierig sind und nicht alles von mir zu wissen verlangen. Bei „Rothschild war das ganze Haus und die Treppen allerdings mit Teppichen belegt, bei Tische soll es aber gar steif ii

ÜdZ: gezeichnete Noten über dem Motto.

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Vgl. Br. 73. Figur aus Schillers Kabale und Liebe (1784). Orest u. Pylades töteten aus Rache am Mord des Vaters Agamemnon Orestes Mutter Klytaimnestra u. deren Liebhaber Aigisthos. Gräfin Dorothea v. Lieven, geb. v. Benckendorff (Br. 69).

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hergegangen sein, wie Frau von Rothschild selbst erzählt hat. Ein Musikschrank hat als Unterhaltung aushelfen müssen. Dieser merkwürdige Schrank vereinigt ein ganzes Orchester in sich und spielt 19 Stücke. Der Künstler, der ihn verfertigte, wird von Fürst Metternich beschüzt, und A. v. Rothsch:7 hat ihn aus Wien von seinem Bruder8 zum Geschenke erhalten. Erstaunen Sie nicht über die guten Quellen, aus denen ich alle diese Kabinetsgeheimniße schöpfe! Einem Humoristen ist mehr erlaubt, als einem – wohlerzogenem Frauenzimmer;: „deshalb kann ich nicht gleich Ihnen, den Spas, und manchen hübschen Witz mittheilen, den bei dieser Gelegenheit besonders v. Anstätten9 dabei aufgewendet haben soll. Warum sind Sie bange wegen Ihrem Quartal, es wird gewis bis den 1 Dezember eingenommen, und dann mit dem allernächsten Postwagen erhalten Sie die große Summe. Und nun ein Compliment! –– Sie sind der ächteste Menschenkenner, denn – Sie kennen sich auch selbst. Sie wollen nun auf den nächsten Weg die Ihrer Natur gemäßen Bildung vollenden, und – sich zum vollkomenen Taugenichtse ausbilden. Ach wie traurend die Musen sich wieder abwenden! Sie sollen diesmal keinen grauen Donnerstag haben, und wer weiß wenn Sie freundlich gestimmt, kehren Sie auch wieder um zur Tugend, bessern sich, und wäre es auch nur mir zu liebe. Setze ich nicht zu viel Vertrauen in dem kleinen galanten Baruch, daß ich ihn immer noch nicht verlohren und aufgeben kann! Ach wie schmerzt getäuschte Hoffnung! Haben Sie in der Postzeitung10 gelesen wie viel dem W. Scott zwei Romane Jährlich eintragen? Schon wieder Geschäfte, halt’s Maul dumme Gans. Bittet demüthigst um Verzeihung Dero ganz ergebene Dienerin, und verharrt in Freundschaft, die Ihnen wohl zu leben wünscht, und verbleibend Ihre getreue Freundin J. Wohl Montag 26 November

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Amschel Mayer v. Rothschild (1773–1855) (vgl. Br. 75). Salomon Mayer R. (vgl. Br. 75). Johann Protasius Frhr. v. Anstett (1765/66–1835), seit 1815 russischer Bevollmächtigter am deutschen Bundestag in Frankfurt. Vgl. Br. 71.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 28. u. 29. November 1821.

Nr. 27. München 28 Nov. 1821.i Guten Morgen, liebes bößes Stiefmütterchen. Haben Sie wohl geschlafen? Sind Sie bei guter Laune? Noch heute mit keinem gezankt? Da bin ich. Aber nein, diesmal werden Sie nicht mit mir zanken. Ich habe heute den ganzen Tag an so viele Arbeiten gedacht die ich morgen anfangen will, daß mir die Brust davon Wehe thut. Zittre Weib! Wenn ich einst mit abgemagerten Gliedern, mit bleichen eingefallenen Wangen, mit hohlen trübem Blicke, matt, schwankend und schwehrathmend vor Dich trete; wenn ich Dir mit düsterm Schweigen ein großes Buch überreiche; wenn Du vor meinem erbarmungswürdigen Anblicke zurücktaumelst, und Dein schon ausgestreckter Arm entkräftet zurück sinkt, daß Du das Buch nicht fa[s]sen kannst; wenn ich dann die Hand auf meine röchelnde Brust lege, und Dir mit zweÿschneidiger bebender Stimme zulisple: Nimm, nimm nur hin, es ist Dein Werk; wenn Du dann den thränenden Blick vom Buche abwendest, und aufjammerst: weg von mir Du rächendes Gespenst, o barmherziger Himmel, gieb dem Jüngling die Röthe seiner Wangen, gieb Freiheit seiner Brust, seinem Auge den Glanz zurück . . . doch nein, ich will Sie nicht länger quälen; noch ist es Zeit, noch kann ich meinem Fleiße Einhalt thun, aber eilen Sie ehe es zu spät wird. Bis zu Ihrem nächsten Briefe will ich die Arbeit noch verschieben. Sie – wie soll ich Sie nur nennen – Sie Erzweib, wie können Sie sich unterstehen, mit mir, mit einem Manne zu zanken? Ihr Weiber, was seÿd Ihr denn? Noch weniger als die Blumen an euerer Brust. Diese sind doch nur in Eurer Gewalt, Ihr aber seÿd in der Unseren. Da komme ich gestern zu meiner Schwester, sie sitzen noch am Tische und eine Torte wird aufgetragen. Meine Mutter1 hatte damit meine Schwester überrascht, weil an diesem Tage, die zwanzigste Jahresfeÿer ihrer Hochzeit fiel.2 Zwanzig Jahre! Wir sind ohngefähr von gleichem Alter, meine Schwester hat nur ein Jahr mehr. Vor zwanzig Jahren, was war ich da noch! Ich i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Vgl. Br. 10. Amalie Baruch (1784–1860) war seit 1801 mit Beer Salomon Spiro (1770–1847) verheiratet.

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wußte mein Schnupftuch kaum zu gebrauchen, ich wußte noch kein englisch, kein italiänisch, kein lateinisch, kein griechisch, nichts von Medizin, Jurisprudenz, Philosophie, Kameralwesen, nichts von Liebe, Geschichte, Politik, Mÿthologie, Geographie, Poesie, keine Mathematik, nichts von Musik, Tanz, Kunst, nichts von Finanzwissenschaft und Polizei, gar nichts wußte ich. Das Alle und noch hundertmal mehr, habe ich seitdem gelernt. Was habe ich geliebt, geweint, gelacht, gelitten; wie viele Freuden habe ich gehabt, wie viele Städte und Menschen gesehen, wie viel gesprochen und geschrieben, wie viel erfahren und vergessen. Und meine Schwester? Sie war schon vor zwanzig Jahren so klug als jezt, und was hat sie gethan? Dreÿzehen Kinder zur Welt gebracht, tausend mal mit ihrer Wäscherin, und siebentausend mal mit ihrer Köchin abgerechnet. Und Sie, Schwester meiner Schwester, werfen sich nicht in den Staub vor mir? Umgürte Dich mit allen Reizen die Dir gehören, ich verachte Dich – ein deutscher Jüngling! – Gestern führte man mich zu Hrn. v. Stich,3 Hof=Intendanten des Theaters, der meine Bekanntschaft machen wollte. Ein rechtschaffner, aber hÿpochondrischer reizbarer Mann. Er gesteht es selbst, daß er ohne Zittern und Herzklopfen nie das hiesige Blatt in die Hände nehme, worin das Theater kritisirt wird. Mit ängstlicher Spannung lauschte er auf jedes Wort, das ich beurtheilend über das Theater sagte. Der arme Mensch! Sein Vorgänger noch ein junger Mann, Fii weil er einen Blutsturz bekommen hatte vor Aerger, und er selbst hat auch schon einen Blutsturz gehabt.4 Nachdem ich ihn verlassen, ließ er mir ein Freÿbillet für die hiesigen Theater während meines Aufenthaltes anbieten, ich habe es aber ausgeschlagen. Sie sehen, ich bin immer noch ein ehrlicher Narr. – – Changement de Décorations! So eben komme ich von meiner Schwester, die mich hat rufen lassen. Ich, ganz wüthend, (denn ich lasse mich Vormittags in meinen Arbeiten ungern stören) eile hin. Was war’s? Mein Vater hat geschrieben, wenn ich nach Wien wolle, solle ich hin. Ich hatte keine Lust, und habe mich mit meiner Mutter sehr herumgestritten. Endlich willigte ich doch ein. Es werden aber wohl noch 14 Tage darüber hingehen, denn ich will vorher noch einmal meinem Vater schreiben. Von so einer bößen Stiefmutter wie Sie, kann man nicht ii

FN auR: F mußte sein Amt aufgeben.

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Joseph v. Stich, seit 1821 Intendant am Münchner Hoftheater. Karl August Delamotte (1768–1841), Regierungsrat, seit 1811 Theaterintendant in München.

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weit genug entfernt seÿn. – Hr. Bamberger, der Wittwer, Bruder des Lord Schachtel ist hier.5 Wir gehen mit einander um wie Castor und Pollux. Er ist fromm und geht in eine jüdische Garküche. Da hat er mich nun gebeten, ich solle einmal in seinem Wirthshause mit ihm zu Nacht essen, damit er Gelegenheit habe etwas zu verzehren. Ich that ihm den Gefallen, ließ gute Gerichte und eine theuere Bouteille Wein auftischen. Mein Pollux aß aber nur gebackne Karpfen, und, wegen der Nähe der gefährlichen Gräten, nicht ohne sichtbare Gewissensangst. – Sagen Sie Ihrem Schwager Schnapper6 und an Moritz Götz7:ich ginge nach Wien, und würde dort die Papiere herabzudrücken suchen, ich würde contre miniren, wozu ich von einer anonÿmen Gesellschaft, mit gehörigen Fonds versehen worden bin. Sie sollten sich, jeder mit 10 000 Gulden mit mir abzufinden suchen, sonst wäre es ihr Unglück. – Meine vorhabende Reise in eine glänzende Hauptstadt, macht es um so dringender, Sie in einer äusserst wichtigen Sache um Rath zu fragen. Mir selbst zu helfen, haben mir bis jezt alle meine Erfahrungen nichts gefruchtet. Seit etwa einem halben Jahre, fallen mir immer die Strumpfbänder herab, und mit jedem Tage wird das Uebel ärger. Ich mag noch so fest knüpfen, kaum bin ich 5 Minuten auf der Straße, gehen sie wieder los, und ziehen hinten nach. Ich bin ganz in Verzweiflung. Versammeln Sie doch unsere ganze Gesellschaft, und überlegen Sie mit ihr, wie mir geholfen werden könne. – 29. Nov. Ein Briefchen mit nur drei Siegeln! Ach wie klein! Wenn Sie wüßten, wie hier die ganze Post von Ihnen spricht, und was erst gestern der Finanzminister, der über der Post steht, in einer großen Gesellschaft von mir erzählt hat, daß ich die artigsten Liebesbriefchen empfinge, und daß jedesmal einigen Dukaten drin lägen (wahrscheinlich wurden die Oblaten die sich von aussen fühlen für Geldstücke angesehen) – wenn Sie das wüßten, Sie schrieben mir größere Briefe mit weniger Oblaten. Aber Ihr heutiges Briefchen ist so süß, daß ich es mit meinem Thee hienabgetrunken habe. Glauben Sie doch nicht, daß ich die Herder heirathe, Ihre Feinde sprengen solche Gerüchte aus, um Sie zu beunruhi-

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Seligmann Löb Bamberger (gest. 1829), 1810 verh. mit Agathe Wertheimer, Seidenhändler; Bruder v. Aron Löb Bamberger (gen. Lord Schachtel) (1790–1830), verh. mit Sofie Spiro, Bs Nichte. Moritz Meyer Schnapper (vgl. Br. 1). Moritz Löb Getz, auch Götz, urspr. Getz Amschel (1790–1850), Frankf. Wechselmakler, in 1. Ehe verh. mit Marianne Beyfus, in 2. Ehe mit deren Schw. Henriette (verschwägert mit den Rothschilds).

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gen. Meine Frau muß einen schiefen Kopf und grade Beine haben. – Es ist mir recht lieb, daß die Leute nicht mehr wissen, wie viel Wagehefte ich ihnen noch schuldig bin. Ich werde, hierdurch aufgemuntert, die Sache weiter treiben, und bekannt machen, ich hätte ein Heft zu viel geliefert, und müsste Geld heraus bekommen. – Hat denn mein Freund Nimrod8 den Hirsch getroffen? Das ist die Hauptsache. Sie glauben nicht, wie leid es mir thut, daß ich nicht um ihn seÿn kann, ein ganzes Buch hätte ich über ihn geschrieben. Ich wette mit Ihnen, er fällt zu Wiesbaden, gleich am Tage seiner Ankunft in den Kochbrunnen. Schlagen Sie ihm vor, er solle mir sein Tagebuch, das er geführt während er in Preußen als Spion gefangen saß, so wie auch seine bisherigen Schicksale mittheilen, ich wollte sie bearbeiten und herausgeben; das Honorar theilen wir. Wenn er nur Süßchen9 recht abgeküsst hat! Hat er es gethan? Sie sagen, Sie hätten Komödie gespielt – so? Also Sie wissen Alles? Sie wissen, daß ich nicht Geschäfte habe? Vielleicht irren Sie sich Madame. Vielleicht bin ich von einer großen Macht, an mehrere deutsche Höfe abgeschickt, um eine gewisse äusserst wichtige Angelegenheit in Ordnung zu bringen. Vielleicht habe ich über Millionen zu gebiethen. Vielleicht erhalten Sie bald von meinen Briefen von den Ionischen Inseln. Vielleicht . . Doch, Weibern darf man nichts anvertrauen. Glauben Sie kein Wort von dem was ich Ihnen gesagt habe, ich habe nicht über Millionen zu gebiethen, ich habe keinen Kreuzer, es war alles nur Scherz. – Lieber Engel, ich muß wissen was Anstätt10 für Witz gemacht hat? Machen Sie die Augen zu und schreiben Sie mir alles. Das ist ein tüchtiger Kopf der Anstätt, und gar nicht so abgeflacht als sonst die Diplomaten. Er kann Metternich nicht leiden, hat er sich etwa über ihn lustig gemacht? Ich könnte Ihnen Briefe von einer jungen schönen und liebenswürdigen Gräfin zeigen, die Frau eines Generals, Geliebte eines englischen Helden, und Vertraute eines berühmten deutschen Schriftstellers ist . . kurz, es gehen Dinge vor in der Welt, für die Ihr Köpfchen keinen Platz hat. – Gestern gab Madame Grassini, eine ehemalige berühmte Sängerin jezt aber eine alte Gurgel, ein Conzert eigner Art, nehmlich „ein dramatisches Conzert“.11 Es wurde nehmlich die Oper, die Horazier und Curazier 8 9 10 11

Urenkel Noahs, erfolgreicher Jäger; gemeint ist Bs Freund Stiefel. Susette Ochs (vgl. Br. 26). Vgl. Br. 76. Guiseppina Grassini (1773–1850), v. Napoleon 1806 zur ersten Sängerin des Kaisers ernannt.

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von Cimarosa im Auszuge, übrigens aber ganz förmlich auf der Bühne, mit Dekorationen, Costüm Chor u. s. w. gegeben.12 Das ist eine herrliche Musik, die sich wohl unmittelbar nach Mozartscher setzen darf. Was mir daran auffiel und wohlgefiel, wie auch an Paesiellos Müllerin, ist die Einfachheit, die man selbst bei Mozart nicht mehr findet.13 Jene Aeltere verhält sich zur heutigen Musik, wie eine Zeichnung zu einem Gemählde. Ich weiß nicht zu entscheiden, welcher Weg der Kunst und Natur der richtige sei. Die Musik der alten Griechen, so viel wir aus den wenigen Ueberlieferungen urtheilen können, war so einfach, daß man jezt kaum mehr einen Sinn darin findet, und die sinnliche Empfänglichkeit der Griechen, war doch viel ausgebildeter als die unsere. Was eine alte Stimme heißt, das konnte man der Grassini anhören. Ihrer Stimme fehlte es weder an Umfang, noch an Höhe, noch an Reinheit, noch an Lieblichkeit, aber sie war schlaff. Diese Sängerin hat noch eine Merkwürdigkeit: Napoleon hat sie, da er noch Lieutenant war, heÿrathen wollen, und – sie schlug ihn aus. Merken Sie sich das, ein Mann kann alles werden. – „Gans“, dumme Gans, wird nur mit einem n geschrieben. Zu Ihrem Glücke, sind mir Ihre früheren Sünden alle entfallen, sonst hätte ich wieder mit Ihnen abgerechnet. – Wenn Sie glauben, ich würde diese Seite noch herabschreiben, dann irren Sie sich sehr. Wurst wider Wurst, und Würstchen wider Würstchen. Sie haben einen kleinen Brief geschrieben also schreibe ich Ihnen auch einen kleinen. Ich bin es müde Ihr Narr zu seÿn. Doch noch ein Räthsel will ich Ihnen zu lößen geben, Sie sind doch nun einmal meine kluge Frau im Walde.14 Im Conversations=lexicon, unter dem Artikel Cimarosa wird erzählt: „Gretrÿ, der von Napoleon über den Unterschied zwischen Cimarosa und Mozart gefragt wurde, antwortete: Cimarosa met la statue sur le théâtre et le piédestal dans l’Orchestre, au lieu que Mozart met la statue dans l’Orchestre et le piédestal sur le théâtre.“ Was heißt das? Ist der Gedanke auch wahr, den ich, zwar nicht begreife, so scheint mir doch dieser Witz auf jeden Fall verfehlt zu seÿn. Denn Statüe und Piedestal, gehören zusammen, und jene hätten also beide Unrecht, sie zu trennen. Uebrigens was ist die Hauptsache? Man kann sagen die Statüe, man kann aber auch sagen das Piedestal als Stütze und Grund wäre die Hauptsache. (O weh,

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Gli orazi ed i curiazi (1796/1797), Oper v. Domenico Cimarosa (1749–1801). La Molinara, Oper v. Giovanni Paisiello (vgl. Br. 72). Anspielung auf Kotzebues Die kluge Frau im Walde, oder der stumme Ritter (1801).

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hätte ich mich nur nicht in diese langweilige Geschichte eingelassen, ich kann nicht mehr heraus!) Heißt es: Cimarosa sezt die Melodie auf die Bühne, und die Harmonie ins Orchester, Mozart aber die Harmonie auf ’s Theater, und die Melodie auf ’s Orchester? Jener verwendet mehr auf den Gesang, dieser mehr, auf die Instrumentirung? U. A. W. G. Adieu Blümchen Stiefmütterchen. Sie wissen ja wohl, daß Stiefmütterchen ein allerliebstes Blümchen ist, welches auf lateinisch viola tricolor heißt? Viola tricolor, ich küsse alle Ihre fünf Blätter. Dr. Börne, geb. Wohl.

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An L udw i g Bö r n e i n M ü n ch en. [Frankfurt], den 29. u. 30. November 1821.

Nr 26i Der Polizei=Direktor Thomas1 ist dieser Tage einer schreklichen Gefahr entgangen, und hier kann man glücklich Ihre Worte anwenden „das Schiksal spielt lange ehe es Ernst macht“.2 Sie kennen den buckligen Hahn, dessen Bruder ist Dr und halb verrückt.3 Er hatte sich schon lange in den Kopf gesezt Senator zu werden, und bis jezt sah er wie natürlich noch immer andre vorgezogen. Dies reizte ihn bis zur äußersten Wuth, er schwuhr alle Senatoren zu ermorden. Senator Thomas geht am Montag Vormittag über den Marktplaz, Hahn steht am Fenster zielt auf ihn, und streift dicht an ihn vorbei ohne ihn zu verletzen. Ein Polizeidiener der ins Zimmer eindringen will wurde von einen zweiten Schuß durch die Thüre getödtet, denn er hatte Kugeln geladen, der Wahnsinnige wurde ins Tollhaus gebracht. Ich weiß nicht, dieser Vorfall hatte mich auf ’s Aeußerste erschüt-

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O. O. u. D., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt 29 Novber 1821.« (Br.k.). – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlge bei Herrn Königshöfer Nr 41 Max-Joseph:Platz in München (Kuvert).

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Johann Gerhard Christian Thomas (1785–1838), Senator u. Bürgermeister; als Vorsteher des Polizeiamtes 1816–1820 Bs Dienstvorgesetzter. Das Schicksal macht nie einen König matt, ehe es ihm Schach geboten hat. (B, Fragmente und Aphorismen). Carl Ludwig Hahn (1785–1856).

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tert. Wenn ich an Thomas Frau4 dachte, die schon so viel Unglück gehabt, die jezt noch so spät im Hafen des Glückes und der Ruhe so zuversichtlich lebt, wie diese Frau ich möchte sagen um einen Schritt, einem endlosen Jammer so nahe war, wie gräßlich wäre es gewesen wenn hier das Schiksal ernst gemacht hätte! –Ueber Tabula rasa kann ich Ihnen jezt mehr Auskunft geben, ich habe verschiedne aber einstimmige Urtheile darüber gehört. Ein höchst unbedeutendes altmodisches Mädchen […]ii – – – […]iii – Sie sehen das Wagstücke der Art zu gefährlich sind. Wenn Dr Br. ein gehaltvoller Mann ist, waß ich mir zwar nach der Art seiner Verbindung schwehr denken kann, so hat er sich eine traurige Zukunft bereitet, denn nichts ist schreklicher, als sein zerstörtes Lebens Glück sich selbst, und einer kalten unbesonnenen Uebereilung zuschreiben zu müßen. Straus erzählt Ihr Freund Br.5 schreibe sehr schöne Briefe, doch hätten ihm die Ersten am besten gefallen, wo er sich und seine Eigenheiten schildre, d[ie] Spätern wären gar zu arg verliebt, man meine der Blitz habe eingeschlagen denn für einen und ein halben Tag der Bekantschaft wäre es doch ein bischen zu viel. „Wie schrei[bt] denn die Braut“? Nun, wir helfen ihr ein bischen durch, erwiedert Straus ziemlich [Naif?] genug von Braut und Bräutigam, es kömmt mir ganz närrisch vor daß diese fremde Leute sich so in unsre Briefe eingeschlichen haben. – So oft S[t]iefel kömmt leite ich die Unterhaltung auf unseren Freund Börne. Da thue ich mir gütlich, gebe ihm gute Worte hohle ihn aus. „„ Wie konnten Sie nur gerade mit Börne in so engem Freundschafts Bündnis stehen, Sie, die Ehrlichkeit selbst, und er ““ ! – er wiederspricht mir nicht und erwiedert „sie wiss[en] ja daß gerade die unähnlichsten Chraktere sich am meisten anziehen“. Da höre ich, und höre, und habe mir schon von diesen „– Geständnißen einer schönen Seele“ – ein ganzes Verzeichnis volliv geschrieben auf einer nochv leeren Tafel, die zum notiren Ihrer Bogenzahlen bestimmt war, Stille! – Freitag

ii iii iv v

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Geschw. Passage. Geschw. Passage. ÜdZ. ÜdZ. Anna Rosina (Rosette) Magdalene Th. (1782–1845), Tochter Johann Jakob Willemers. Heinrich Breslau.

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30 November. – Weil ich Sie schonen wollte habe ich Sie wahrscheinlich einer großen Verlegenheit ausgesezt. Ich habe nur den 1 Dezember abwarten wollen und hätte Ihnen dann in jeden Fall die f 100 geschikt. Der Postwagen geht aber erst kommenden Montag 3ten Dezembr, fragen Sie dort nach wenn er ankömmt, damit Sie zu hause sind wenn das Paket abgeliefert wird. Sie können ganz ruhig sein, ich schwimme in Geld und übler Laune. Überdies werde ich auch noch nächsten Januar f 1.80 000 gewinnen, ich habe mir für f 1000 also 3 Stück, ich glaube es heißt, Partial=Obligationen6 kaufen lassen, und Sie wissen ja ich bin ein Glücksvogel, da gewinnt kein Andrer wenn ich mit einsetze „immer munter““ das ist jetzt me[ine] Devise mit Ihnen. Sie brauchen also gar nicht zu drohen daß Sie mir von Ihren Plänen kün[f ]t[ig] nichts mittheilen wollen, ich setze mir solche schwehrfällige Sachen gar nicht mehr in den Kopf, wir leben von unsern liegenden Gründen, nur nicht ernsthaft „„ […]vi freut euch des Lebens “““ […]vii.. Woraus ich schließe daß Sie nicht gearbeitet haben? niedlicher [Naifer] unverschämt, kann man doch gewiß nicht fragen. „ist etwas geschehen, dann erfahren sie es zeitig genug“. O himmlische geduldige Geduld verlaß mich nicht! „[…]viii Der Vogelfänger ist bekant “““.7 – Also einix Hr. André8 giebt ein neues tägliches Blatt heraus, und Cotta ist der Verleger? – Das hätte Hr. Börne nicht auch gekonnt, und für alle die Plattheiten und Zeitungskriechereien giebts gar kein Damm mehr, kein Blatt dagegen das diese niedrige Schmeichler im Zaume hielt? Schläft Brutus! (Ich bin kein Geschichtschreiber, und darf nicht dutzen). Schade daß der brave Börne für die politische und litterarische Welt verlohren ist, der hat imer unumwundne Wahrheit gesagt, es heißt er sei ein reicher Mann geworden lebe von seinen Renten, und bekümre sich nicht mehr um Welthändel. Wenn er noch für etwas zu gewinnen wäre, sollte man ihn auffovi vii viii ix

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Mehrere gez.Noten. Eine gez. Note. 2 Noten. ÜdZ. Staatsschuldscheine (verzinsliche Staatspapiere) wurden nach festgesetzten zeitlichen Intervallen zur Auslosung gespielt. Das Bankhaus Gebrüder Bethmann in Frankfurt hatte erstmals 1779 Partialobligationen als Anteile einer Milionenanleihe für den Kaiser in Wien ausgegeben. Anspielung auf Mozarts Zauberflöte (1791). Vgl. Br. 75.

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dern ein tägliches Blatt herauszugeben, dessen Hauptbestimmung sein sollte, dem Unfug aller dieser Zeitungsskribenten zu steuern, das würde ein heilsames, und gesuchtes Blatt werden! „[…]x“ Kind willst du ruhig schlafen […]xi““neck und foppe Sie „„[…]xii“. Wie gefallen Ihnen meine Quodlibets? Alles im neusten Geschmake. Wenn ich nur einmal die Schadenfreude geniesen könnte, mit anzusehen wie Sie sich so recht herzlich über meine kleine spitze schiefe Nötchen, und alle den Unsinn ärgern, das wäre köstlich! Waß leid ich! Wieder ein Schidech!9 Passen Sie auf Hr. Schadchen.10 Die Frau Schadchente Reschen Geler hat schon über den Artikel Br: abgehandelt. Ich habe meine Schwester R.11 davon gesagt daß Hr Br.12 zwahr ein Judenmädchen mit f 25 000 heirathen wolle, sich aber nachdem er die Netinge13 einkassirt zum Christenthum bekennen werde. Meine Schwester die nicht so freisinnige Ansichten hat als Hr. Br. und wir, schauderte bei diesem Antrage. Da wird also nichts daraus werden. Sie Amhorez,14 zu deutsch ignorant, merken Sie auf meiner schönen Mendelsohnischen Uebersetzung! Schadchen heißt ‘Seelenverkäufer’ und die Hauptsache ‘Netinge’ heißt „Mitgift“ habe ich Sie genug geärgert mit meinem verwirrten Kauderwelsch? Dann bin ich zufrieden. […]xiii „u bi bene i bi Patria“15 (ist’s recht so?“!) – Stiefel16 kömmt öfter wie ich Ihnen schon gesagt. Und wie lasse ich mir vom Börne erzählen, und waß weiß ich nicht schon alles, waß habe ich nicht schon alles ausgehört! Er bringt mir auch nächstens einen Brief und mehrere Aufsätzexiv die er noch von Ihnen hat, wir projektiren diese Ihre Sachen druken zu lassen, und wollen eine Vor= und Nachrede dazu liefern, die Vorrede überlasse ich ihm, aber die Nachx xi xii xiii xiv

9 10 11 12 13 14 15 16

3 Noten. 2 Noten. 1 Note. 3 Noten. Orig.: von ihnen. Schidduch (jidd.): Heiratsvermittlung. Jidd.: Heiratsvermittler. Henriette Rindskopf (vgl. Br. 67). Heinrich Breslau. Netinge (jidd.): Mitgift. Amhorez (jidd.): ungebildet im orth.-jüd. Sinne, ohne Talmudstudium. »Ubi bene, ibi patria«. Vgl. Br. 73.

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rede –– da will ich mir Luft machen. – Rathen Sie wo ich gestern Abend bis 10 Uhr war, und in welcher Gesellschaft ich recht gut gegessen und Champagner getrunken habe? Wie werden Sie nach dieser Einleitung neugierig sein? – Bei Moritzxv Getz,17 in Gesellschaft der Herrn James Rothschild.18 Es war durch Getz verabredet daß ich ihn dort sprechen wollte. Der Onkel giebt und hält viel auf ihn, er hat mir versprochen, alles was in seinen Kräften stünde aufzubieten, er ist ganz der Mann dazu, der einigen Einfluß in der Sache haben kann, wenn der alte Osterried19 noch lebte, könnte vereinigt mit Roth:20 viel gewirkt werden. Glauben Sie nicht daß ich mir goldne Berge davon verspreche, ich weiß nur zu gut daß Dingexvi der Art nur einzeln unterhöhltxvii werden können, aber auch dazu muß man brauchbare Arbeiter haben. – Wo bin ich hingerathen! Geschäfte, Vertrauen! – Geben Sie mir nur gleich Nachricht wenn Sie Ihr f 100 Paketchen erhalten haben. Ich ärgere mich über meine falsche Delikatesse, hätte ich meiner Neigung gefolgt, hätten Sie schon verflosne Woche das Geld und gute Tage gehabt, die ich Ihnen wohl jezt vergebens wünsche. Ich kenne schon Ihre än[g]stliche Art, das ist aber keine Taugenichts Manier, und es fehlt Ihnen noch viel, bis Sie zu Ihrem Ideale die höchste Stufe der Vollkomenheit erreicht haben. Adieu, heute Abend gebe ich einen großen Ball Ihrem Freund Stiefel zu ehren, wir sind auf den ganzen Abend éngagirt, ich werde mit keinem anderen tanzen, als mit Ihrem Pÿlades, oder Orestes (wählen Sie für sich und ihn). Sein Sie vergnügt und gedenken Sie Ihrer Stiefmütterlichen Freundin J. Wohl.

xv xvi xvii

17 18 19 20

Orig.: Mortiz. Orig. davor: Sachen. Orig. davor: so zu sagen. Vgl. Br. 77. Vgl. Br. 12. Samuel Friedrich Osterrieth (1763–1821), Kaufmann. Rothschild.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 2. Dezember 1821.

Nr. 28 München 2 Dez. 1821i Liebe Getreue! Meinen freundlichen Gruß zuvor. Wahrhaftig ich schäme mich; Sie schreiben mir die herrlichsten und lieblichsten Briefe – lauter Perlemutter mit Gold – und die meinigen sind so langweilig und nur von Holz dagegen. Aber, es ist nicht meine Schuld, die Natur gab mir auch kein Herz, wie sie Ihnen eins gab, und das Herz ist der wahre Briefsteller. Ich habe nichts als Gedanken und Gedankenstriche! – Der arme Thomas! Er war schon so fromm, und nun, da ihn der Himmel aus einer so großen Lebensgefahr befreÿt, wird er gewiß ein Mönch. Willemer muß am meisten darüber erschrocken seÿn, er ist gegen die die ihm angehören sehr weich.1 Ich habe Ihren Ausdruck: durch die Thüre, nicht recht verstanden. Ist die Kugel die den Polizei=Diener getödtet durch das Holz der Thüre gedrungen, oder war diese geöffnet? Da ich die meisten Polizeidiener noch von früher her kenne, so möchte ich wohl den Namen des Gemordeten wissen. Mir fiel bei dieser schrecklichen Geschichte, sogleich der dazu gehörige Spas ein: mein Freund Murhard.2 Ueber das was Sie mir in zehen Worten vollständig erzählt haben, macht er die einträglichsten längsten Zeitungsartikel. Wie viele Briefe hat er an diesem Montage zu schreiben gehabt! Und Sie sehen ja hier auch wieder, wie recht ich habe, das menschliche Elend zu den seltensten Dingen zu rechnen; das Schicksal hat zwar diesmal den Spas etwas zu weit getrieben, aber Ernst gemacht hat es doch nicht. – […]ii – Aber vor dem Stiefel3 war mir gleich angst. Er weiß hundert Dinge von mir, die am wenigsten Sie wissen dürfen, und jezt läßt sich der dumme Kerl von Ihnen kirre machen und ausholen. Ich möchte aus der Haut fahren. Sie sind aber auch eine abscheuliche Person, daß Sie nach meinem früheren Leben so emsig herumstöbern. Aber lebte ich denn damals? Ich kannte Sie ja noch nicht, und was ich vor meiner Geburt gethan und gei

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert). Geschw. Passage (über 4 Zeilen). Joh. J. Willemer ist der Schwiegervater v. J. G. Chr. Thomas (vgl. Br. 7 u. Br. 78). Vgl. Br. 25. Vgl. Br. 73.

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sprochen habe, das werden Sie mir doch jezt nicht anrechnen wollen? Das Vieh! Ich weiß mir gar nicht zu helfen. Ich würde ihm gern schreiben, und ihm Verhaltun[gs]regeln geben, aber wenn man so einem Bären einen künstlichen Gang lehrt, dann gebehrdet er sich um so plumper. Ich bitte Sie, schonen Sie mich. Der Stiefel übrigens, Sie müssen es gestehen, ist kein sonderlich scharfsinniger Beobachter. Geben Sie denn wi[rk]lich ihm zu Ehre einen Ball? Wollen Sie auch einen Pätz vor Ihren Triumphwagen spannen? – Wahrscheinlich ist es der Straus der zu Ochs kömmt, welcher von der Tabula rasa erzählt. Nun wird er eben dort, dieses und jenes erfahren, was ich Ihnen über Dr. Br. geschrieben, wird vielleicht manches, wenn auch in keiner üblen Absicht weiter erzählen, so daß mir Verdruß daraus entstehen kann. Seÿen Sie doch vorsichtig und warnen Sie die Ochsen. – Da erhalte ich so eben ein Briefchen von einem gewissen Schielin, der glaube ich, Commis bei Eichenberg4 ist. Er verlangt den Abdruck oder die Rücksendung eines Manusscripts über die Kirchhöfe, das er mir für die Wage mitgetheilt hatte. Ich weiß nicht, ist dieser Schielin Verfasser des Gedichts, oder ist es ein Anderer. Er schreibt mir derselbe Verfasser habe die Sachsenhäuser5 geschrieben, ein Seitenstück zum Bürgerkapitain.6 In Frankfurt glaube ich gehört zu haben, der Verfasser der Sachsenhäuser sei Dr. Döring,7 erkundigen Sie sich darnach. Dr. Reis muß das wissen. Uebrigens werde ich das Manusscript zurückschicken. Das Gedicht ist recht gut, aber der Gegenstand hat für das Ausland kein Interesse, und selbst die Frankfurter sind der Kirchhofsstreitigkeiten satt.8 – Soll ich oder soll ich nicht nach Wien? Ich bin noch gar nicht entschlossen, und mehr geneigt die Reise zu unterlassen. Unterdessen habe ich meinem Vater geschrieben, und ihm einige Bedenklichkeiten wegen meines Passes mitgetheilt. Diese Antwo[rt] werde ich abwarten, und auch Ihre Meinung, die Sie in Ihrem nächsten Briefe gewiß äussern werden. Es läßt sich viel dagegen und viel dafür sagen. Ich habe dort gewiß Verdruß; zwar nicht in der Art, wie es Ih-

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Philipp Wilhelm E. (vgl. Br. 42). Die Sachsenhäuser, oder Kätchens Hauchzeit (1821) ist ein Lustspiel v. Balser Breimund (Pseud.). Vgl. Br. 33. D. lebte seit 1815 in Frankfurt (vgl. Br. 22). Die Kirchhofstreitigkeiten wurden 1821 von der Frankfurter gesetzgebenden Versammlung damit beendet, daß die Friedhöfe vor die Stadtmauer verlegt wurden. Viele Bewohner hatten wegen gesundheitlicher Bedenken darum gebeten.

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nen Ihre Aengstlichkeit hat ahnden lassen, aber doch immer in einer Art die unangenehm ist, und die man besser vermeidet. Sie wissen, ich bin nicht fanatisch, und meine Neigungen, besonders aber meine Abneigungen sind immer ruhig, und halten sich an den Verstand. Nur gegen die Oesterreichische Regierung habe ich einen wahren fanatischen Hass. Man braucht das Wort Oesterreich nur auszusprechen, und es ist grade als würde der Hahn meines Herzens geöffnet, und ein Strom von Vorwürfen und Verwünschungen stürzt dann heraus. Das Wort niederträchtig, welches ich nie, weder schriftlich noch mündlich noch in meinen Gedanken gebrauche (weil es zu leidenschaftlich und unphilosophisch ist) wende ich in meinem Sinne nur an, wenn ich über das Verfahren der Oesterreicher nachdenke, und nach meinen Gefühle hat die Sprache nur zu diesem Zwecke dieses Wort geschaffen. Es ist dort ein solches tiefes dichtverwachsenes Wurzelwerk von aristokratischer Tÿrannei, daß es mich zur Verzweiflung bringt, weil ich gar keine Möglichkeit sehe es auszurotten. So haben jezt erst, alle Privat-Erzieher, alle Lehrer die keine Oesterreicher sind, das Land verlassen müssen, und nicht allein die öffentliche Erziehung in Schulen, sondern auch die häusliche Erziehung wird den Händen der niederträchtigen Jesuiten anvertraut. Wenn nicht dort ein Erdbeben alles übereinander wirft, Tugend, Klugheit, Tapferkeit der Freigesinnten wird dort nie etwas ändern. Man fühlt dort seine Ohnmacht, aber die Ohnmacht schimpft, und darum werde ich auch schimpfen. Ich werde acht Tage, ich werde 14 Tage schweigen, aber am 15ten werde ich herausplatzen, und im gelindesten Falle, wird mich die Polizei über die Grenze schicken. Glauben Sie nicht, daß es in Wien so leicht seÿ, sich Ortgemäß zu betragen. Ueber Politik mich nicht zu äussern, das fiel mir wohl leicht, aber dort ist alles Politik, denn alles geschieht durch die Regierung. Theater, Straßenpflaster, Beleuchtung, Brod, Bier, nichts darf ich kritisiren. Was dort der niedrigste Staatsdiener verrichtet, geschieht im Namen des Kaisers, und wenn ich mich über die Tanzpas eines Unteroffiziers lustig mache, habe ich ein Majestätsverbrechen begangen. Dann fürchte ich immer, mein Vater geht mit dem Gedanken um, mich in Oesterreichische Staatsdienste zu bringen. Denken Sie nur mein Unglück, wenn ich mich etwa durch vortheilhafte Anerbiethungen, durch schmeichelhaftes Betragen gewandter Männer, durch das Zureden meines Vaters, mich in so einen goldnen Käfig locken ließe! Welche Schande für mich, für Sie, für die ganze liberale Partheÿ! Auf der Andern Seite aber, habe ich wohl mehr Stärke als ich mir zutraue, und ich würde wohl Verführungen zu widerstehen wissen, und Ehre und Frei-

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heit nicht verkaufen; auf der Anderen Seite hat Wien so viel interessantes, Natur, Kunst, Volk und eben die Staatsverwaltung haben so viel eigenthümliches, daß ich diese Gelegenheit, zugleich mit meinem Vater dort zu seÿn, an dem ich in jeder Noth eine Stütze fände, vielleicht benutzen sollte. – Ach, liebe Seele, ich habe mich verspätet, es ist schon Abenddämmerung, und ich muß schließen. Ich hole es nächstens ein. B.

80.

An L udw i g Bö r n e i n M ü n ch en. [Frankfurt], den 3. Dezember 1821.

Nr 27 Montag 3. Dezember 1821i Mein armes armes Brieflein. Mir däucht Ihre Comandoworte ihm entgegenrufen zu hören „Was, schon wieder“! Bitte tausendmal den gnädigen Herrn um Verzeihung, ich wollte nur einige kleine Aufträge bestellen, und Sie versichern daß ich künftig bescheidner sein, und nur alle vierzehn Tage einsprechen werde. (Prosa) Ein Paketchen f 100 und eine Handschrift von Ihnen enthaltend, ist (nicht Montag) sondern Sonntag den 2 Dezember mit dem Postwagen an Sie abgeschikt worden, man bittet den Empfang gefälligst anzuzeigen. (Beförderungs=Träume) Das Bibliothek=Gebäude ist schon bis unter das Dach herangewachsen, und sieht mir recht keck den ganzen Tag ins Fenster herein.1 Das verdros mich, und da es gerade am Dienstag war, und ich mit Ihnen nicht zanken konnte, und zanken muß ich nun einmal, wie Sie mir nachsagen, so rief ich ihm ganz ärgerliche Worte hinüber, und daß er der böse neidische Koloß mir den reizendsten Theil der Aussicht entzöge. So will ich Deinem Freund eine schönere und entschädigende dafür bieten, rief er mir zu. (Der Grobian, mich zu dutzen, und Sie meinen Freund zu nennen. Da er mein nächster Nachbar sollte er doch wissen daß vieles mit uns anders geworden. Ich erschrack zwar an-

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O. O., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt« (Br.k.). – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg bei Herrn Königshöfer Nr. 4. Max-Joseph:Platz in München (Kuvert).

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Die Frankfurter Stadtbibliothek wurde von 1820–1825 nach den Plänen des Stadtbaumeisters Joh. Fr. Chr. Hess errichtet (vgl. Br. 62).

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fangs über die Anrede des „steinernen Gastes“2 faßte mich aber bald wieder, und horchte seinen ferneren Worte. Kurz, ich fürchte mich doch ein bischen so geisterartig zu reden, und will Ihnen nur rund heraus sagen, daß es mir durch den Kopf fuhr, ob Sie nicht mitbewerbende Ansprüche machen könnten als Bibliothekar hier angestellt zu werden. Ich wollte mich zwar nicht mehr in Ihre Angelegenheiten mischen, aber mein Nachbar Koloß droht mir es auszurichten. Wenn die Sache Ihnen einleuchtet könnten Sie doch an v. Bethmann.3 Willmer.4 Kirchner.5 Reinherz.6 Willmanns.7 Schlosser.8 etc. schreiben. Auch weil Sie eine Pension genießen würde man Sie vielleicht berücksichtigen. Prof: Matthiä der jezt diese Stelle bekleidet soll ein alter Mann sein, und ohne dies beim Gÿmnasium mit Geschäften überladen sein,9 man glaubt daher daß diese Anstellung einem andern zugesprochen wird. – Mals hat ein neue Lokalposse geschrieben. Das Finkische Kaffeehaus. Neujahrsabend solls bei P . . . Betsch aufgeführt werden. Wolf Wertheim10 spielt, wie sich’s versteht eine Hauptrolle darin. Die närrischste Sachen werden davon erzählt, die aber – – – – ein wohlerzogenes Frauenzimmer nicht erzählen darf, noch kann, noch soll, noch will, noch mag, noch gefordert werden kann, noch bewilligt werden kann. Der Hr. Mals,11 das ist ein andrer Mann, der giebt doch wenigstens alle Jahr einmal den Leuten etwas zu lachen, aber gewiße andre profissionisten von der Schriftstellerei geben weder zu lachen noch zu weinen, sie spielen zwar verstekens, thun heimlich, gar geheimnisvoll, und auch groß, aber man

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Anspielung auf Bentzel-Sternaus Roman Der steinerne Gast. Eine Biographie (1808). Simon Moritz v. Bethmann (1768–1826), Frankf. Bankier u. kaiserl.-russischer Staatsrat. Johann Jakob v. Willemer (vgl. Br. 7). Anton Kirchner (vgl. Br. 41). Vgl. Br. 69. Friedrich (1764–1830) u. Joh. Christian Wilmans (1788–1854), Verlagsbuchhändler u. v. Aug. 1818 bis zum Ende des Erscheinens im Juni 1819 Hg. der Zeitschwingen. Ihre Buchhandlungen befanden sich auf der Zeil und der großen Sandgasse. Johann Friedrich Heinrich Schlosser (1780–1851), Jurist, Politiker u. Schriftsteller, enger Freund u. Rechtsberater Goethes. Prof. Dr. Friedrich Chr. Matthiae (1763–1822), ab 1806 Rektor am Gymnasium u. nebenamtlicher Leiter der Frankfurter Stadtbibliothek. Wolf Zacharias Wertheimer (vgl. Br. 26). Karl Balthasar Malss (1792–1848), Frankf. Theaterdirektor u. Lustspieldichter (vgl. Br. 33).

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weiß doch was, und daß – zwar nichts dahinter ist – „Haben Sie den – Stich bemerkt“! Ich will mich Ihrer erbarmen, Ihrer strengen altväterischen Freundin zum Trotz. Roths.12 fragte Anstätten13 was er dem Fürsten M.14 nach dem Essenii für angenehme Aufmerksamkeit erzeigen könne. Anstätt erwiederte, Lassen Sie ihm einen recht kostbaren, reich verzierten, eleganten, und sehr bequemen – – – – Nachtstuhl hinsetzen. – In Malsens Komedie sitzt W. Werth: und rechnet mit Kreide auf Kannches (Jacob Hirsch Kann)15 Beinkleider. Ihr ergebener berichterstattender Anonymus. T. S. v. P.16 „U. A. W. G“? Sie sind ein Narr! Das ist die beste und gründlichste Antwort, die man einem Menschen geben kann, der sich um Dinge bekümmert die er nicht versteht. Lassen Sie den Hrn. Gretrÿ17 bildlich sagen waß er will, und denkeniii Sie an Ihre eigene Angelegenheiten. Warum hatten Sie keine Lust dem Rufe nach Wien zu folgen? es war doch sonst einer Ihreriv Lieblingswünschen dahin zu kommen. und Sie stritten sich noch mit Ihre Mutter darüber? Hat man denn so sehr Sie zu bereden gesucht, und bedurfte es dessen um Sie dafür zu bestimmen? Erklären Sie mir das, denn ich begreife schon wieder Ihren Wankelmuth nicht. Ich, möchte Ihnen weder zu noch abrathen, denn Sie wissen daß ich früher ängstlich gemacht wurde, doch wenn Ihr Vater Sie beruft wird wohl nichts zu befürchten sein, hat er etwa Aussichten, oder Absichten mit Ihnen? Weil er doch sonst nicht so zuvorkommend gegen Sie war, Sie irgend wohin einzuladen. – Ich werde Ihnen jetzt nicht wieder schreiben bis ich auf diesen Brief Antwort habe, und wo Sie mir auch zugleich sagen werden, ob ich Ihre Ankunft in Wien abwarten soll, denn es wäre mir unangenehm, wenn ich nach München schriebe wenn Sie schon abgereist, auch wenn Ihnen der Brief nachgeschikt

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ÜdZ: nach dem Essen. ÜdZ, Orig.: bekümmern Sie sich um. Orig. davor: von. Rothschild. Vgl. Br. 76. Metternich. Jakob Hirsch Kann (1777–1846), Händler. Tournez s’il vous plaît. André Ernest Modeste Grétry (1741–1813), frz. Schriftsteller u. Komponist.

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werde. Waffnen Sie sich mit Geduld, es kommen noch einige Besorglichkeiten. Meine Briefe! Es ängstigt mich daß sie Ihre stete Begleiter auf Ihren Streifereien sein sollen, nicht als wenn ich etwas dabei zu verheimlichen hätte, ich würde den Inhalt der ganzen Welt erzählen, ich, erzählen, – aber finden soll sie keiner, wäre es auch nur um mir die Beschämung wegen meiner schlechten Ortographie, und noch schlechtern Handschrift zu ersparen. Im Ernste ich bin unruhig darüber, und wenn Sie es gut, und freundlich mit mir meinen, so beruhigen Sie mich. Wenn es Ihnen auch lächerlich vorkommt, – Sie wissen ich bedarf Nachsicht und ––– Schonung hierin. –– Bestimmen Sie ob das Datum Ihrer Polizei=Quittung hier ausgefüllt werden kann, oder ob Sie eine Andere schiken wollen, auf den 31 Dezember. –– Ist das eine Frage, ob Ihr Freund den Hirsch getroffen? Ich sagte Ihnen ja der Schuß viel neben der Baronin. Ihnen soll man das von Ihrem Freund erklären müßen!! – Sie thun gewaltig groß mit Ihrer Männerwürde und demüthigen unser armes Geschlecht daß ihr gleißnerisch das Schöne nennt gar zu sehr. Aber es ist tröstlich, um sich aufzurichten, um Euch Männer in die Karten zu sehen, und Eure Größe kennen zu lernen, braucht man nur Geschichte zu lesen. Ich habe Kenillworth ein Roman von W. Scott gelesen,18 da erscheint Elisabeth zwar mit ihren Mängeln und Schwachheiten, aber auch der große erbärmliche Graf Leicester, über diesen, und über allen diesen ehrsüchtigen Höflinge ragt die königliche Fiona immer noch wie eine Gottheit hervor. Lesen Sie das Buch, mein hoher erhabener Freund, damit Sie demütiger, und – bescheidner werden. –– Sie sollen nächster Tage ein Rezept wegen Ihrer Strumpfbänder Krankheit erhalten, so lange leiden Sie schon an diesem Uebel; Sie Ärmster, wie beklage ich Sie, nun nur gedult, so gott will soll Ihnen schon geholfen werden. – Helfen Sie auch dem Uebel in Ihren Briefen ab, damit kein Unberufener lese was Sie mir schreiben, bei Ochs wo der Brief neulich abgegeben wurde, haben Sie ganz deutlich, auf der Fläche der Adresse durchlesen können, und mir lachend vieles erzählt was in meinem Brief stünde, ich war ganz erstaunt, bis sie mir das Wunder aufklärten, man kann nicht vorsichtig genug sein, und ich will Ihnen wohl weißlich, sintemal ich Ihren Leichtsinn nur allzugut kenne mit gutem Beispiel vorangehen, wie Sie bei dem heraus gefallnen Papierstreifen bemerkt haben werden. Schreiben Sie mir nur nächstens, ob Sie nach Wien gehen, ob Sie gern gehn, ob Sie nicht gern gehn, warum Sie nicht gerne

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Kenilworth A Romance (1821).

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gehn, gehn würden gehn mögen u. s. w. – Sind Sie wirklich so bleich und hager vom vielen Arbeiten? Das ist ja recht hübsch, recht brav, das thut mir gar nicht leid, daß muß Sie recht gut kleiden, das macht Sie recht interressant, wer wird auch rothe Wangen haben wollen, wie bäuerisch! Strengen Sie sich nur immerfort recht sehr an, arbeiten Sie nur getrost unermüdet Tag und Nacht, streben Sie nur mit aller Anstren[g]ung immer vorwärts, Sie erreichen es wohl noch den größten Thron von Europa zu zieren, warum nicht? Sie sind ja ein Mann! Dero unterthänigste Magd J. Wohl. Verbrennen sollen Sie meine Briefe nicht, aber für die sicherste Sicherheit sorgen. Adieu Ew. Majestät, königliche oder kaÿserliche was gefällt Ihnen besser, und was werden Sie wahlen? J. Wohl

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt . München, den 5. u. 6. Dezember 1821.

Nr. 29. München 5 Dez. 1821.i Ich finde in Ihrem lezten Briefe noch einiges zu beantworten. Wenn Sie mir nicht Alles bis auf das kleinste Wort mittheilen, was der verdammte Stiefel1 von oder über mich gesprochen hat, verlasse ich Sie auf ’s grausamste und hänge mich an das erste beste Mädel. Dumme Menschen, die fürchte ich am meisten. Den Stiefel hatte ich immer zum besten gehabt, tausend und tausend Dinge habe ich ihm weiß gemacht, die er alle für wahr angenommen, und jezt ging er vielleicht hin, und erzählte Ihnen alle die schönen Sachen. Also dabei bleibt es, ich drücke Sie so lange, liebes Schwämmchen, bis Sie alles wieder von sich gegeben, was Sie vom Stiefel eingesogen haben. Wie können Sie nur an der Unterhaltung eines solchen Menschen Vergnügen finden? – Sie haben schon wieder Staatspapiere gekauft? Das macht mir immer den größten Verdruß. Erstens, weil Sie sich

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Vgl. Br. 73.

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dabei in Gefahr setzen zu verliehren, und zweitens weil mich das immer in die Klemme bringt zwischen zwei Lieben, der zur Freiheit und der zu Ihnen. Mit größerer Sehnsucht erwarte ich nicht Sie wieder zu sehen, als ich auf den Ausbruch des Krieges warte; soll ich nun um Ihrer tausend Gulden willen, mit meinen Feinden Frieden schließen? Soll ich darum die armen Griechen aufopfern? Und was mich am meisten schmerzt, müssen Sie wenn Sie Geld brauchen zum Handel Ihre Zuflucht nehmen? Haben Sie keine Freunde, ist nicht mein Vermögen auch das Ihrige? Können Sie was dagegen sagen? – Wie ich meine Leute kenne! Als ich Ihnen von dem neuen Blatte schrieb, das bei Cotta erscheint,2 wußte ich schon Wort für Wort, was Sie mir darauf erwiedern würden. Köstlicher Engel, Sie sind ja voller Gift und Galle. Jede Ihrer spitzen Noten sticht mich gleich einer Nadel, ich kann es aber schon aushalten. Doch den Andre3 schätzen Sie nicht gering; das ist nicht etwa ein belletristischer Windbeutel, das ist ein ganz tüchtiger Mann, der bei seiner Schriftstellerei immer dahin strebt „die Schule in das Leben einzuführen“. Sein Blatt war schon früher achtungswerth, trotz der Oesterreichischen Zensur, und wird jezt gewiß vortrefflich werden. – Sie werden ja mit der Zeit ein ganz schlaues spitzbübisches Weltkind. Weil Ihnen für die Jette4 die Parthie mit Br.5 nicht anstand, haben Sie deren Mutter6 bei ihrer schwachen Seite angegriffen und von der Taufe gesprochen. Lassen Sie nur nicht bekannt werden daß Sie das von mir wissen, sonst bekomme ich hier auch Feinde. – Ubi bene ibi patria7 ist zwar ganz recht, man sieht aber doch, daß es ein Gänschen geschrieben. Ubi und ibi sind nur 2 Wörter, Sie haben aber 4 daraus gemacht, u bi, i bi. Wahrscheinlich haben Sie die Worte unter Noten so abgetheilt gefunden. – Sie haben bei Moritz Getz8 Champagner getrunken tief in die Nacht hienein – das ist mir eine schöne Aufführung! Darum also wurde ich in die weite Welt geschickt, damit Madame um so ungestörter nach ihren Launen leben kann. Und an glänzenden Gesellschaften in unserm Hause wird es auch nicht fehlen. Ihr Ruf, der Meinige, meine Ruhe, mein Vermögen, nichts wird geschont.

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Hesperus (vgl. Br. 75). Christian Karl André (vgl. Br. 75). Vgl. Br. 67. Dr. Breslau. Henriette Rindskopf (geb. Wohl), Mutter v. Henriette (Jette) R., verh. Ochs. »Patria est ubicumque est bene.« (Cicero, Tuscul. 5,37). Vgl. Br. 77.

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Treiben Sie es nur so fort, ich werde mich schon dafür zu entschädigen suchen. Und noch giebt es Gesetze, die einen Mann von Ehre gegen die Unbesonnenheiten seiner Frau in Schuz nehmen. Prr! 6 Dezember. Schon wieder ein Brief! Sie misbrauchen meine Geduld. Aber das war immer mein Schicksal, ich bin viel zu gut, viel zu nachsichtig. Was wollen Sie schon wieder von mir? Habe ich Ihnen nicht neulich erst gesagt, Sie sollen mir nicht so oft schreiben? Meÿnen Sie ich hätte meine Zeit auf nichts besseres zu wenden, als Ihre abscheulichen Briefe zu lesen? Alle Woche sechsmal schreiben – ich wollte sagen, alles sechs Wochen einmal, das ist ganz genug. Sie wollen Bibliothekarin werden Daraus wird nichts, liebes Kind. Nicht wahr, das ist eine Zweÿdeutigkeit, die Sie in Verzweiflung sezt, aber beruhigen Sie sich, Ich meÿne, ich kann nicht Bibliothekar werden Das Herz ist doch gar zu dumm! Wie konnte es Ihnen nur im Traume einfallen daß man auf meine Mitbewerbung auch nur im gringsten Rücksicht nehmen würde? Ich habe unter den Männern von Einfluß in Frankfurt auch nicht einen Freund. Wie wäre das auch möglich? Mein ganzes Wesen, vom Kopfe bis zur Fußzehe ist so unfrankfurtisch, daß mein bloßer Anblick für jeden Frankfurter eine Beleidigung ist. Glauben Sie denn etwa, daß mich Kirchner gern hat, und sich mit Wärme für mich verwenden würde? Wie irren Sie sich! Der ist wie die Uebrigen, nur klüger, d. h. er ahmt durch Kunst nach, was die Andern von Natur haben. Ich würde aber auch in Frankfurt keine Stelle annehmen. Nie werde ich mich dort mehr bleibend aufhaltend, und selbst der Erfüllung meines höchsten Wunsches, könnte ich meinen Widerwillen nicht aufopfern. Genug davon. – Das Finkische Kaffehaus von Mals, muß ganz was köstliches seÿn. Wäre ich in Frankfurt, hätte ich Ihnen das Vergnügen diese Posse zu lesen leicht verschaffen können. Jezt fällt es Ihnen vielleicht schwer, das Stück zum lesen zu bekommen. Mir, auch wenn ich das Talent dazu hätte, wäre es unmöglich gewesen, über diesen Gegenstand ein Lustspiel zu schreiben. Der Inbegriff aller […]ii Schlechtheit und Gemeinheit ist in jenem Kaffehause, es hätte mir nur Stoff zu einer Tragödie gegeben. – Wie ich über meine Wiener Reise denke, wissen Sie jezt aus meinem lezten Briefe. Ich weiß nicht warum Sie sagen, dahin zu kommen, wäre früher mein Lieblingswunsch gewesen, da ich mich doch nicht erinnere Ihnen je so etwas gesagt zu haben. Und Sie auch, Sie können denken, ich wäre im Stande in gewisse Absichten die

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Geschw. Passage.

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mein Vater mit mir haben könnte einzugehen? Sie lieben Sie kennen und achten mich so wenig, daß Sie mich dazu fähig halten oder wünschen? Ich sollte in Oesterreichische Dienste treten? Ich sollte freÿwillig meinen Geist in einen Kerker bringen, wo ihm Licht, Nahrung und Bewegung fehlt? Sie kennen diese Menschen gar nicht, Sie sind zu ungeübt, zu arglos um sie zu begreifen, auch wenn man sie Ihnen wollte verständlich machen. In Wien ist der 10te Mensch ein Spion. Meine Reden, meine Mienen, mein Sprechen im Schlafe, mein Schweigen wird beobachtet. Es ist nicht möglich sich der Auflauerei zu entziehen. Die neuesten Ereignisse in Spanien und Italien9 haben die Strenge der Regierung auf ’s Ausserste getrieben. Sie zittert, und nichts ist gefährlicher als eine Mächtige Regierung die sich fürchtet. Ich glaube Ihnen schon geschrieben zu haben, welche neue Anordnungen dort getroffen werden, um schon das Kind im Leibe der Mutter zum Sklaven zu erniedrigen. Und ich sollte in einem solchen Lande wohnen? Ich glaube zwar nicht, daß man in Wien meine Dienste sucht, aber gewiß wird sich mein Vater darum bemühen, und dann giebt es Verdruß zwischen uns beÿden. Jedoch, wie ich Ihnen schon geschrieben, und aus den Gründen die ich Ihnen mitgetheilt, bin ich eben so wenig noch fest entschlossen nicht auf einige Zeit nach Wien zu gehen. Ich will Ihnen sagen, wovon ich es werde abhängen lassen. Ich habe vor einiger Zeit mich der Neckarzeitung zum Mitarbeiten angeboten. Man hat mir auch gleich geantwortet: ich käme ihren Wünschen zuvor, und ich sollte nur das Honorar bestimmen. Ich forderte in einem zweiten Briefe 100 fl. monatlich. Darauf habe ich aber noch keine Antwort. Bewilligt man meine Forderung, so daß ich hier ein festes Einkommen diesen Winter habe, dann gehe ich nicht nach Wien.10 Im entgegengesezten Falle aber gehe ich hin, und lasse mich bis zum Frühjahre von meinem Papa […]iii. Jezt kümmert mich nur wieder, daß Sie mir erst in 8 Tagen wieder schreiben wollen, aus Furcht Ihr Brief findet mich nicht mehr hier. Seÿen Sie doch hierüber nicht besorgt. Die Zeit meiner Abreise hängt ja immer von mir ab, und ich würde jeden Brief der von Ihnen auf dem Wege seÿn könnte immer erst abwarten. Schreiben iii

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Geschw. Passage. Gemeint sind die revolutionäre Erhebung in Spanien u. das Aufkommen einer nationalen Bewegung in Piemont u. Neapel, die von Österreich im Bunde mit den von Wien abhängigen italienischen Fürsten mit politischen Prozessen bekämpft wurde. Die ersten Beiträge Bs für die Neckar-Zeitung erschienen im Dezember 1821.

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Sie mir so lange, bis ich Ihnen sage einzuhalten. – In dem was Sie mir bei Gelegenheit das Ke[n]illworth über Frauenwürde sagen, kann ich Ihnen nicht beistimmen. Ihr Beweis ist falsch. Höflinge sind keine Männer, sie sind eine Art Ungeziffer. Der schlechteste König ist immer noch besser als der beste seiner Höflinge. Und hätte ich die Männer ihrer Würde wegen über die Frauen gestellt? Sie sind nur glücklicher, weil stärker und geistreicher, als jene, nicht besser. – Ist denn zugesagt worden, daß am 31. Dez. die Quittung bezahlt werden soll? Warum haben Sie sich nicht deutlicher darüber geäussert. Ich werde sie Ihnen nächstens schicken. Wenn das Geld am 31sten bezahlt wird, muß die Quittung auf einige Tage früher ausgestellt seÿn, da sie ja natürlich Zeit gebraucht um von hier nach Frankfurt zu kommen. Das thut aber nichts. Ich habe schon auf Quittungen die 14 Tage alt waren, mein Geld ausbezahlt bekommen. Vergessen Sie nicht, dem Polizeidiener Schulz sein gewöhnliches Trinkgeld (1 fl.) einhändigen zu lassen.11 Diesen Gulden stellen Sie mir auf Rechnung. Seÿen Sie nicht so ängstlich, Sie sollen ihn schon wieder bekommen. – Ich werde mich nach dickerem Papier umsehen, welches das Geschriebene nicht durchscheinen läßt. Bis dahin werde ich Ihre Geistreiche Erfindung anwenden. Hätte ich Baumwolle bei der Hand, so würde ich solche unter die Adresse legen, das wäre das Allerbeste. – Im Morgenblatte steht eine merkwürdige Kritik von Houwald’s Bild von Müllner.12 Es würde Ihnen interessant seÿn sie mit der meinigen zu vergleichen. Das Stück wird mit vielem Scharfsinne getadelt, in der zweiten Hälfte der Rezension aber die ich noch nicht gelesen habe, soll Houwald sehr gelobt seÿn. Ich begreife nicht wie ein so heftiger Tadel sich in Lob auflößen kann. – Frau v. Fouqué, die bekannte Schriftstellerin,13 und ein Prinz von Mecklenburg in Berlin,14 schreiben gemeinschaftlich einen Roman in Briefen; er, die Männer=, sie, die Frauen=Briefe.15 Das ist ein sehr guter Gedanke, und wird ein Roman in Briefen geschrieben, welche Form ich verwerflich finde, so ist jene Art immer noch die beste. Wir beide sollten das nachahmen. – Ich lese jezt die Delphine der 11 12 13 14

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Br. 68. Literatur-Blatt (Beil. des Morgenblatts), Nr. 95/96 v. 27. u. 30. November 1821. Caroline de la Motte Fouqué, geb. v. Briest (1774–1831), Schriftstellerin. Karl Friedr. Aug. v. Mecklenburg-Strelitz (1785–1837), Sohn des Großherzogs Karl II. (1741–1816) v. M-S., General, preuß. Staatsrat u. Gelegenheitsdichter. Caroline de la Motte Fouqué u. Karl Friedr. Aug. v. Mecklenburg-Strelitz, Vergangenheit und Gegenwart. Ein Roman in Briefen (1822). Am 3. Dezember 1821 erschien im Freimüthigen eine Ankündigung des Romans.

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Stael16 zum ersten Male, und mit großem Vergnügen. Die zwei ersten Bände habe ich schon durch. Das Buch ist noch lehrreicher als unterhaltend, und ich bin sehr begierig wie die Geschichte sich endet. Aber hundertmal – so oft ich nehmlich wahrnahm, wie da überall die Weiber das Wort führen, die Handlung leiten, befördern oder aufhalten, wie überall die Männer im Hintergrunde stehen (natürlich weil der Roman von einer Frau geschrieben ist) – hundertmal fiel es mir mit Lachen ein: Wenn die Katze nicht zu Hause ist, springen die Mäuse auf dem Tisch herum. Und dies Gleichnis fand ich um so passender, weil alle Frauen die darin auftreten, die Männer nicht blos als ihre Herrn und Meister, sondern auch als ihre Feinde anerkennen. Ich habe manches aus dem Buche gelernt. Ich habe immer geglaubt, die Weiber wären sich alle gleich. Jezt erfahre ich aber daß es nicht so ist. So bemerkt man mit Erstaunen, daß ein Schäfer die vielen Hundert Schaafe seiner Heerde, eines von dem Andern, zu unterscheiden weiß, die dem ungeübten Blicke alle gleich erscheinen. Wahrscheinlich hat die Stael in der Delphine sich selbst geschildert, und sich zu schildren geglaubt. – Lesen Sie im Morgenblatte vom 29 Nov. die schauerliche Geschichte eines Lebendigbegrabenen. Sie mag in so weit erdichtet seÿn, als derjenige der sie erzählt der Lebendigbegrabene selbst ist; aber solche Dinge haben sich wirklich schon ereignet. Es wird einem kochend heiß, wenn man die Erzählung liest. – Wie ich merke empört sich Ihr Stolz sehr gegen meine Art die Frauen tief unter die Männer zu setzen. Das thut mir leid. Aber warum ärgern Sie sich, und was verliehren Sie dabei? Ich Mann wenigstens, misbrauche meine Herrschergewalt nicht, Sie haben mich schon so zahm wie ein Lämmchen gesehen. Das viele Bier das ich trinke macht mich jezt so Männertrotzig und Heldemüthig. Sie spotten meiner mit Unrecht, indem Sie sagen: „Sie erreichen es wohl noch den größten Thron von Europa zu zieren, warum nicht? Sie sind ja ein Mann!“ Ich frage auch warum nicht? An Ihrer Seite ist jeder Stuhl ein Thron, und Ihre volle Huld gäbe mir eine Majestät, die ich mit keiner königlichen vertauschte. – Haben Sie nicht gehört ob sich meine Frankfurter Gläubiger nach meinem Befinden erkundigen? Die armen Leute sind wohl sehr um mich besorgt. – –Mein Freund der Hr. v. Pletz mit seinem dicken Bauche, drückt mich auch schon wie der Alp mit seinen Besuchen. Eine ganze Stunde hat er mir entwendet. – Sie schreiben mir jede Woche zwei Mal, Sie setzen Wohlgeb. hinter meinen Namen, Sie siegeln mit nur 3 Oblaten, Sie 16

Anne Louise Germaine de Staël, Delphine, 4 Bde. (1802, 2. überarb. Fassung 1820).

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thun was ich befehle, Sie sind eine gehorsame Schülerin. Jezt merken Sie sich noch etwas. Sie pflegen auf der Adresse München mit deutschen Buchstaben zu schreiben. Das könnte einmal Anlass geben, daß der Brief an den unrechten Ort käme. Sie müssen München mit lateinischen Buchstaben wie das Börne schreiben. O darin bin ich Ihrer Folgsamkeit gewiß. Dr. Börne, geb. Wohl in München.

82.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt . München, den 8. u. 10. Dezember 1821.

Nr. 30. München 8 Dez. 1821.i Heute Samstag ist Mariä Empfängniß; das geht uns aber nichts an. Wichtiger ist, daß ich das angenehme Manusscript mit dem langweiligen Gelde erhalten habe. Ich danke Dir Geliebter! Was hatte ich doch gesagt um zu erklären, warum mein vorlezter Brief so kurz war? Ich hatte die Wahrheit nicht gesagt; um Sie nicht zu ängstigen verschwieg ich Ihnen, daß ich krank, recht sehr krank war. Erst gestern bin ich zum erstenmale wieder ausgegangen. Ich hatte eine heftige Hämorrhoidal=Colik (ein schönes Wort um sich daran in der Orthographie zu üben!) Doktor, Chirurgus und Apotheker, diese liebenswürdigen Vettern der Atropos1 bekamen mich in ihre Gewalt. Ich hatte Fieber, mit welcher Aengstlichkeit fühlte ich meinen Puls! 90 mal in jeder Minute schlug mein Herz für Sie. Acht Blutigel stießen ihre Dolche nach mir; aber die Elenden Memmen! Sie wagten nur mich rücklings anzufallen. Einem dieser Meuchelmörder hatte ich erst einige Tage zuvor das Leben gerettet. Die Tücke dieses Undankbaren schlug mich ganz darnieder. Ich rief schmerzlich: auch Du mein Brutus? Und verhüllte mein Anlitz. Mein schöner Bierbauch war weg, und ich sah ganz so aus wie ich mich Ihnen erst neulich aus Scherz geschildert hatte. Jezt aber, bin ich wieder so munter wie ein Eichhörnchen. Knick, knack. Alle viertel i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

1

In der griech. Mythologie eine der drei Moiren, die den Lebensfaden zerschneidet.

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Stunde sprang ich auf, um zu versuchen, ob ich noch die Kraft hätte Ihnen zu schreiben. Meine Glieder waren auch nicht schwach, ich fühlte mich aber matt und verwirrt im Kopfe, und ich hatte über Nr. 28 vier Stunden zugebracht. Mein Arzt und Freund Dr. Breslau,2 hielt mir nach meiner Wiederherstellung eine ernste Strafpredigt über meine verkehrte Lebensweise. Er stellte mir vor, wie thöricht es seÿ, seine Gesundheit dem unmäßigen Studiren aufzuopfern. Er sagte mir, besonders im hiesigen Klima, seien anstrengende Kopfarbeiten der Gesundheit gefährlich, und die emsigen Gelehrten bekämen hier Alle die Hämorrhoidal=Colik, das Scharlachfieber, oder den Dippel.3 Ich habe es ihm feÿerlich zugesagt, mich künftig mehr zu schonen, aber ich weiß schon wie weit ich komme mit meinen Vorsätzen. Einige Tage werde ich mäßig im Arbeiten seÿn, und dann wieder in meinen alten Fehler fallen. Der Mensch kann nun einmal seine Natur nicht ändern! – Ihrer Verordnung gemäß habe ich in meinen lezten Brief ein Blättchen Papier gelegt, damit mein Herz nicht durchscheine; aber zu spät bemerkte ich, daß das Blättchen zu kurz war, so daß zwei Streifen unserer Geheimnisse sichtbar blieben. Ich brauche zu diesem Briefe anderes Papier das dichter ist. – Montag. 10 Dez. Schlingel, abscheulicher! Also heute keinen Brief. Mit Ihrer ewigen Aengstlichkeit! Schreiben Sie mir nur so lange bis ich es abbestelle. Auch auf diesen Brief antworten Sie mir. Ich habe ja noch nicht einmal Nachricht von meinem Vater. Wer weiß, ob er nicht Reue bekommen hat. Ich habe es in meinem Briefe an ihn einigermaßen darauf angelegt. Ich schrieb ihm: „Da ich jezt in München alles gesehen, gehört und beschrieben habe, so will ich jezt nach Wien reisen.“ Am Schlusse meines Briefes politisirte ich etwas über die Russen und Türken. Da nun mein Vater eben so ängstlich ist als Sie, so mußte die Besorgnis in ihm erweckt werden, ich wolle Wien auch beschreiben, und die Furcht, daß ich mich dort des gefährlichen politisiren’s nicht enthalten würde. Von Stuttgart habe ich keine Antwort erhalten, es scheint daß die Redactoren der Neckarzeitung nicht in meine Forderung eingehen können. Von dieser Seite hätte ich also nichts was meine Reise nach Wien verhinderte. Ich hoffe, mein Herzchen, daß Sie sich über diese neue Art zu schreiben, wobei jede Zeile immer weniger Worte enthält, stark ärgern werden. Das ist auch meine Absicht, denn ich will mich rächen, weil Sie mir heute nicht geschrieben haben. Meine vielen und lästigen Vorbereitungen, die ich jedes2 3

Vgl. Br. 59. Mumps.

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mal für Ihre Briefe zu machen habe waren heute ganz vergebens. Mit diesen Vorbereitungen verhält es sich nehmlich wie folgt. Da Ihre Briefe so fest und mannichfaltig verwahrt sind, so lege ich um die Stunde wo ich weiß, daß die Post kömmt, große und kleine Scheeren, große und kleine Messer zurecht. Es sieht grade aus, als hätte ich eine bedeutende chirurgische Operation zu unternehmen. Kömmt der Brief, dann wird mit aller möglichen Vorsicht geschnitten, damit keiner der edlen Theile verlezt werde. Sie sehen mein Zorn hat abgenommen, und meine Liebe zu Ihnen wächst wieder. Ach für diese ist kein Papier breit genug! – Gestern Abend war Museum=Ball. Da war ein Frauenzimmer, die hatte eine Aehnlichkeit mit Ihnen, eine solche Aehnlichkeit, daß ich eine ganze Stunde lang nicht an Sie dachte. Das Museum=Gebäude4 ist ein kleiner Pallast, der vormals einem großen Herren gehörte. Es ist dort die schöne Einrichtung getroffen, daß nicht allein an Ball=Tagen, sondern den ganzen Winter über täglich, die ungeheuern Treppen und Vorplätze, auch geheizt sind, so daß das ganze große Haus, so warm ist wie ein Zimmer. Sogar die Keller sind geheizt, so daß der Wein in den Fässern kocht, und man beständig Glühwein hat. Damit die Damen wenn sie an der Musik vorübertanzen sich an der Luft die aus den Blas-Instrumenten strömt, sich nicht erkälten, sind diese leztern in ihrem Innern mit kleinen Oefen versehen, so daß der Wind warm herauskömmt. Die Frauenzimmer hier lieben sehr die Wärme. An Wintertagen, wenn die Sonne scheint, tragen sie Sammthüte, an deren Kopfdeckel große Brenngläser angebracht sind, damit die Strahlen sich sammeln, und den Kopf warm machen. Die verheiratheten Frauen lassen sich in der öffentlichen Promenade von ihren Liebhabern begleiten, damit die Angst ihren Männern zu begegnen, sie in wohlthuender Transpiration erhalte. Ich will doch froh seÿn, wenn ich nach Wien komme, damit ich meinen schönen Engel besser unterhalten kann. Meine Briefe, fühle ich, müssen sehr langweilig seÿn. München giebt grade keinen reichhaltigen Stoff. Bis zum Frühlinge, denke ich, werde ich doch wohl ein Bändchen kleiner Reise=Beschreibungen gesammelt haben, die Rheinbriefe mitgerechnet. Wenn ich in Wien nur etwas fleißig bin, kann ich dort Bemerkungen genug zusammenschreiben. Und grade über diese Stadt, haben sich die Reisebeschreiber noch nicht erschöpft. Es fällt mir nur immer so schwehr,

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Das 1693 im italienischen Barockstil v. Enrico Zuccalli (1642–1724) erbaute Adelspalais Porcia war 1819 in den Besitz der Literarischen Gesellschaft Museum gelangt.

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wenn ich an Sie schreibe, an den künftigen Druck meiner Briefe zu denken. Es ist so abgeschmackt, so lieblos. Und doch sehe ich nicht ein, wie ich auf eine andere Art zu vollständigen Berichten gelangen kann. Ich muß Sie wie mein Publikum behandeln. Sie zarte Seele ein Publikum, kumm, kumm! Wie rauh, wie abscheulich. Sagen Sie mir, ist denn in meinen Briefen von Stuttgart und von hier, Stoff genug, um mit Hülfe der Erinnerungen, etwas ganzes daraus zu machen? – Wie Angstvoll ich während meiner Krankheit war, kann ich Ihnen nicht genug beschreiben. Ohne Sie zu leben ist schon traurig, aber ohne Sie zu sterben, das ist schrecklich. Ich dachte an Ihren Schmerz wenn Sie meinen Tod erführen und weinte bitterlich. Ich dachte daran mein Testament zu machen, aber dazu war ich zu abergläubisch; ist dieses geschehen, glaubte ich, müsste ich gewiß sterben. Und dann wußte ich nicht, da ich einen Theil meines Vermögens meiner Familie hätte hinterlassen müssen, welchen ich Ihnen geben solle, ob Sie meine Güter im südlichen Frankreich oder die am Rhein vorzögen. Auf meinem Bette liegend, las ich die Delphine,5 und hatte dabei (wie es mir vorkam) so schöne und geistreiche Gedanken, in so blühenden Bildern, als ich mich ihrer sonst nicht fähig hielt; da bildete ich mir denn ein, ich läge in Fieberphantasieen, und bat den Himmel flehentlich um meine alte Dummheit. Das Uebel das ich hatte ist vielleicht an sich nicht lebensgefährlich; ich hatte aber zwei Tage gewartet ehe ich den Arzt kommen ließ, und mir durch starken Wein zu helfen gesucht, den man sonst gegen Leibschmerzen anzuwenden pflegt. Später, da nichts mehr für mich zu fürchten war, sagte mir mein Doktor, ich hätte mich durch das Weintrinken in große Gefahr stürzen können. Ihm selbst wären schon zwei Kranke, die am nehmlichen Uebel leidend, sich auf gleiche Art zu helfen gesucht, binnen 48 Stunden gestorben, sie hätten eine Unterleibs-Entzündung bekommen. Ich, eine Unterleibs-Entzündung! Hu! Entzündungen des Herzens kann ich schon eher aushalten. Mein einziger Trost war noch daß ich an den Galgen gehöre. Aber meine schöne Gedanken über die Delphine, die mir so große Furcht gemacht, habe ich rein vergessen. Jezt muß ich Ihnen vorpredigen, daß wenn ich einen Posttag aussetze, oder wieder nur eine Seite schreibe, Sie nicht gleich denken, ich sei abermals krank. Ich habe mir vorgenommen, wenn ich wieder in einen solchen Fall kommen, und längere Zeit zum schreiben unfähig werden sollte, ich es Ihnen durch meinen Arzt werde

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Germaine de Staël, Delphine (1802).

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wissen lassen. – Vor einigen Tagen gaben die Italiäner wieder eine neue Oper von Rossin[i] la Donna del lago.6 Die Handlung ist aus Walter Scotts Fräulein vom See.7 Zum Sterben vor Langeweile. Rossinis Othello8 wird ja in Frankfurt auch gegeben. Ist denn das wirklich so himmlisch? Leute hier, die sonst diesen Mann mit weniger Begeisterung loben, sagen: der 3te Akt des Othello seÿ etwas Ausserordentliches . . Ein Fremder und daher unpartheiischer Musik=Kenner, sagte mir neulich, das Frankfurter Orchester sei besser als das hiesige, dem es an Präzision fehle. Das läge aber weder an den Mitgliedern noch am Direktor Fränzel,9 die alle ihre Sache verstünden, sondern daran, daß die Spieler nicht so sehr wie in Frankfurt vom Direktor abhingen, sondern vom Hofe feste Anstellungen hätten, und daher dem Kapellmeister nicht strenge Folge leisteten. – Die Quittung die ich hier beilege stelle ich unterm 20sten Dez. aus. Das thut aber nichts, wie ich Ihnen schon gesagt habe, auch wenn das Geld erst am 31 ausbezahlt würde. – Noch einmal, schreiben Sie mir nur immer fort. Ich werde nie abreisen, so lange noch ein Brief von Ihnen auf dem Wege seÿn kann. Ich bin ja darin mein eigner Herr. Es wurmt mich sehr, daß ich jezt wieder bis Donnerstag warten soll. Ungeheuer! Dr. Börne, geb. Wohl.

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A n L udw i g Bö r n e i n M ü n ch en. [Frankfurt], den [9.] u. 10. Dezember 1821.

Nr 28i Sie haben mich erschrekt, durch die böse Deutung die Sie meinen Worten gegeben. Ich wollte Tabula rasa weder verläumden noch eines Lasters anklagen. Sie baten mich früher darum, ich sollte Ihnen wo möglich dari

Hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt 10 Dec 1821.« (Br.k.). – Adr.: Herrn Dr Börne bei Herrn Königshöfer Nr 41 Max-Joseph:Platz in München (Kuvert).

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Rossini, La donna del lago (1819). The Lady of the Lake (1810) (dt.: Das Fräulein vom See, 1819). Rossini, Otello ossia Il Moro di Venezia (1816). Ferdinand Fränzl (1767–1833), Musiker, seit 1806 Hofmusikdirektor in München, Vorsteher der Museumsgesellschaft.

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über berichten, es sollte ganz geheim, geheim gehalten werden, da dieser Zug mir nun eine gewiße ordinaire Art bezeichnete, und ich schon ohngefähr wußte in welcher Klasse von Frauen diese einst gehören werde, so sprach ich mit Ihnen darüber, ich möchte sagen, was ich innerlich mir selber dabei dachte. Jezt machen Sie mir solche fürchterliche Angst, daß ich mich dem Teufel verschworen, und – daß ich Sie heirathen müßte? Daraus wird nichts mein hoher schwarzer Freund! Mein armes Gewissen ist schon nach dieser ersten Anklage so verschüchtert und geängstigt, daß es gar nicht zur Ruhe kommen wird, bis Sie mir aufs heiligste versprechen, diese verläumderische Stelle (wie Sie sie nennen) in meinem früheren Briefe so zu durchstreichen, zu vernichten und unleserlich zu machen, daß selbst mit einem Microscop kein Buchstabe mehr heraus gefunden werden könnte. Lassen Sie sich die Mühe nicht verdrießen, durchstreichen Sie wörtlich wie ich gesagt, mir zu liebe, und auf Ihr Ehrenwort – eher kann meine arme Seele keine Ruhe und keinen Frieden finden. Auch was der herr Anonÿmus berichtet, streichen Sie aus, ich werde dem lästigen keine Berichte mehr erlauben, und überhaupt künftig selber vorsichtiger verfahren, und mich nicht durch Ihre Listen verleiten lassen anders zu schreiben als waß mir zusagt. Ich bereue das später immer, man darf und soll sich zu nichts zwingen. – – – – Montag 10 Dez. Diesmal giebts eine ungewöhnlich lange Pause. Ich habe gestern Brief von Ihnen erwartet wie immer, aber er blieb aus. Was mag wohl die Ursache davon sein? Ich will hoffen nur nichts Böses. – Reis hat mir für Sie empfohlen, wenn Sie es noch nicht gelesen haben sollten, „Schiksale einiger junger Schweizer in Wien, in den Ueberlieferungen von Zschokke“.1 –– Eben jezt 12 Uhr Montag vormittags erhalte ich Ihren Brief, ich weiß die Ursache der Verspätung nicht, und habe kaum noch Zeit Ihnen einige Worte zu Antworten, denn der Brief muß sehr bald auf die Post. Wegen meiner Staatspapiere kanns Krieg oder Frieden geben, deswegen brauchen Sie Ihre Wünsche nicht zu ändern, ich kaufte nur für f 1000 wo in keinem Falle von Bedeutung verlohren gehen kann, und nur um mit Antheil an der Hoffnung zu haben daß große Loos zu gewinnen, im Januar wird diese Wiener Staatspapier=Lotterie gezogen, und nach der Ziehung verkaufe ich sie wieder. – Sie sind recht boshaft, warum sagen Sie mir nicht ob Sie das Pakätchen mit dem Postwagen erhalten haben? Sie wollen sich 1

Johann Heinrich Daniel Zschokke (1771–1848), Schriftsteller u. Pädagoge, lebte seit 1803 in der Schweiz.

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mit meiner Aengstlichkeit belustigen, und erwähnen gar nichts davon, ich bin eigentlich mehr darum besorgt daß Sie im Falle des Außenbleibens dadurch in Verlegenheit gerathen können, als über den möglichen Fall des Verlustes. – Der P. D. Schulz2 war nicht hier, ich habe also das Geld vorgeschossen, jetzt richten Sie es mit der Quittung ein wie Sie es für gut finden. Steinthal und Wimpfen haben sich sehr zärtlich nach Ihrem Befinden erkundigt, und wünschen nichts sehnlicher, als –– die noch rückstehende f 50 von Ihnen zu erhalten, sie wollten eine Anweisung schiken, ich habe ihnen durch Louis O. sagen lassen sie sollten sich noch ein bischen gedulden. – Ich bin noch obendrein unterbrochen worden. Es thut mir recht leid, aber ich kann Ihnen für heute nichts mehr als einen freundlichen Gruß schreiben, recht bald mehr von Ihrer J. Wohl. Montag 10 Dez.ii

84.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt . München, den 13. Dezember 1821.

Nr. 31. München. Donnerstag 13 Dez. 1821.i Asmodi1 soll Sie holen mit Ihren kleinen Briefen! Acht Tage lassen Sie mich hungern, und dann kommen Sie herbeigeschlichen mit Ihren Brosamen. Parturi[un]t montes nascitur ridiculus mus,2 d. h. auf Deutsch: Muß ist eine harte Nuß. Entweder schreiben Sie mir gar nicht oder gehörig viel, aut Cesar aut nihil. Mit Ihren Nummern machen Sie mich auch verwirrt. Sie bemerken Nr. 28, und Sie mussten doch als Ihr Brief abging schon Nr. 29 erhalten haben. Beruhigen Sie mich ja hierüber. Das Paket hatte ich damals noch nicht empfangen; wie konnten Sie denken, ich würde es Ihii

Hs. Zus. e. Bearb.: »1821.«

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m.

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Polizei Diener.

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Asmodaios: Dämon des Zorns, Feind der Ehe in der jüd. Mythologie. Horaz, De arte poetica, 139.

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nen verschweigen? Mein Vater hat mir noch immer nicht geantwortet. Vielleicht konnte er die Erlaubnis mich nach Wien kommen zu lassen nicht erhalten. Das ist nicht unwahrscheinlich, denn wie ich erst gestern gehört habe, soll der hiesige Oestereichische Gesandte die Weisung erhalten haben, keinem Gelehrten einen Pass nach Wien zu visiren. Von Stuttgart habe ich Antwort erhalten wegen der Neckarzeitung. Sie können mir meine Forderung von 100 fl. monatlich nicht bewilligen, sie wollen erst abwarten, wie das Blatt geht. Unterdessen haben sie mir für den Bogen 6 Dukaten angeboten. Das ist ganz schimpflich wenig. Ein Bogen der Neckarzeitung enthält 2 mal so viel als einer der Wage. Ich bin aber doch gesonnen mich auf 4 Wochen um diesen Preis zu verbinden, damit ich nur wieder einmal ins Schreiben komme. Morgen schicke ich einiges ab. Schwehrlich also werde ich jezt nach Wien reisen, auch wenn mich mein Vater dazu einladen sollte. Diese Woche ist München eine wahre Herberge vagabundirender Journalisten. Ausser dem berühmten Verfasser der Wage, befinden sich gegenwärtig hier: Dr. Pfeilschifter3 der von Madrid kommt, Dr. Heine, Verfasser=Redacteur des Conversations=Lexicons und literarischer Agent des Brockhaus,4 und Siewers aus Paris, Correspondent im Morgenblatte und in der musikalischen Zeitung. Ich muß mir den Spas machen, dieses zufällige Zusammentreffen in irgend einer Zeitung zu verkündigen, damit sie in Wien glauben es stecke was dahinter und die Beurlaubten einrufen. Dr. Pfeilschifter, der linke und linkische Flügel der Zeitschwingen war ein Jahr lang in Spanien für Cotta’s Rechnung, der aber unzufrieden mit ihm ihn verabschiedet hat. Jezt schimpft er gewaltig auf ihn. Wo dieser Mensch nicht schon alle war, was er nicht schon getrieben hat! Und doch ist er ein Vieh von der ersten Qualität, 11/4 breit! Mit dem Siewers5 ist ein großer Spas. Der kömmt hier nicht aus dem Erröthen heraus, und wagt keinem Menschen ins Gesicht zu sehen. Bärman der berühmte Clarinettist6 beim hiesigen Orchester, hat vor zwei Jahren in Paris 3

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Johann Baptist v. Pfeilschifter (1793–1874), Journalist, gab 1817 in Jena die Zeitschwingen heraus u. war dann als Korrespondent für Cottas Augsburger Allgemeine in Europa unterwegs. Ludwig Hain (1781–1836), seit 1812 Redakteur des Konversationslexikons, lebte ab 1820 in München. Georg Ludwig Peter Sievers (1766–1830) schrieb Musik- u. Theaterkritiken für das Morgenblatt und die Allgemeine musikalische Zeitung. Heinrich Joseph Bärmann (1784–1847), Klarinettist u. Komponist, ab 1806 an der Münchner Hofkapelle angestellt, unternahm Konzertreisen durch Europa.

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Conzert gegeben. Mein Siewers schreibt ihm 2 Billete des Inhalts: daß wenn er ihm nicht eine gewisse Anzahl Napoleons schicke, er sein Spiel in den öffentlichen Blättern herabsetzen würde. Jezt da Siewers hier ist, zeigt Bärmann diese Billets in der ganzen Stadt herum. Der arme Teufel dauerte mich, und da er im Augenblicke das Geld nicht hatte seine vorhabende Reise nach Wien gleich fortzusetzen, habe ich ihm 100 Dukaten geliehen. Wer weiß ob ich sie je wiederbekomme. – – Was wir Großen geplagt sind! Kömmt mir da ein langer Mensch über den Hals, Lieutenant Northing aus Berlin, der anderthalb Stunden mich martert ohne mich umzubringen. Ein Schöngeist, ein Freund des Theaters, der den Verfasser der Wage kennen lernen will. Gerechter Gott, was habe ich ausgestanden! Spricht mir der Mensch von Müllner von Grillparzer, von Iffland, von antiker und moderner Poesie, daß ich hätte die Schwernoth kriegen mögen. Um des Himmels willen, schreibe ich denn in einer Art, daß man glaubt ich mache mir viel aus dem Theater und solchen Lumpereien? Sieht man mir denn nicht an, wie gleichgültig mir alle diese Sachen sind? „Sie hätten nur hören sollen wie vor einigen Monaten der Reinhard7 den Valeros8 gespielt hat! Wie ein Kutscher . . Das Lustspiel in Wien ist einzig . . O der Korn!9 . . Esslair10 als Theseus,11 Devrient12 als Falsstaff, Carl als Staberl . . . Grillparzer ist in die Antike gerathen, das ist ein großes Unglück . .“ Und dabei kam er in die höchste Begeisterung. Ich war wie erstarrt und machte Kalbsaugen wie Wagenräder so groß. Als er fort war, mußte ich mir den Kopf mit eau de Cologne waschen. – Wie man sich nur jezt um die Bretterbühne bekümmern kann, begreife ich nicht. Die wahre Geschichte jedes Tages ist witziger als Moliere und erhabender als Schakespeare. Ein Paar Lampen angezündet und die Zeitung vorgelesen – was könnte Esslair Besseres geben? Engelchen kleines, ich freue mich sehr auf das nächste Jahr, große Dinge gehen vor. Die Welt hat Leibschmerzen, wenn das losbricht, wird es ein schöner Spektakel geben. Mir, Rosengerüche. O, daß mein Herz keine Knochen, mein Geist kein Fleisch hat, ich möchte vergehen vor Zorn und Schaam! Aber

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Carl Reinhard (1763–1836), seit 1805 Schauspieler in München. Figur in Müllners Die Schuld (1813/16) (vgl. Br. 86). Maximilian Korn (1782–1854), Schauspieler am Wiener Burgtheater. Vgl. Br. 26. Vermutl. Theseus aus Schillers Phädra: das Stück war bereits 1813 in München mit Esslair aufgeführt worden. Ludwig Devrient (1784–1832), Schauspieler.

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einen Schnurrbart lasse ich mir wachsen, damit ich wenigstens grimmig aussehe. Die Kinder und die Türken sollen vor mir fortlaufen, auch Sie. – […]ii – Ich merke schon, dieser Brief wird auch nur eine Seite lang wie die Ihrige[n]. Das ist mir eine schöne Liebe! Entweder unsere Herzen oder unsere Köpfe schrumpfen ein. Wenn Ihr nächster Brief nicht 7 Meilen lang ist und eine Million Porto kostet, nehme ich ihn gar nicht an, und schicke Ihn zurück. Warum haben Sie meinen lezten Brief einen Tag zu spät erhalten? Vielleicht hatte ich ihn zu spät auf die Post gebracht, so daß er erst mit dem nächsten Felleisen abging. Wenn es mir nur mit diesem Briefe nicht auch so geht, es ist fast Abenddämmerung; ich werde gar zu oft gestört. – Heute Abend ist die Schuld, worauf ich mich sehr freue. Esslair spielt den Hugo.13 Seit den 9 Wochen daß ich hier bin ist er in keinem Stücke von Bedeutung aufgetreten, und ich habe ihn noch gar nicht gesehen. – Schreiben Sie mir das nächste Mal ja recht ausführlich. Wie hat Ihnen die Zeichnung meines lezten Briefes gefallen? Ahmen Sie mir aber ja nicht nach in den weißen Dreÿecken. – Sagen Sie dem Wimpfen und Steinthal, sie sollten mich – sie sollten mich – sie sollten mich – mit Nachsicht behandeln. Verstanden? – Hundert tausend Grüße meiner holden Elise. „Es thut mir recht leid, aber ich kann Ihnen für heute nichts mehr als einen freundlichen Gruß schreiben, recht bald mehr von Ihrem Dr. Börne geb. Wohl.

85.

A n L udw i g Bö r n e i n [ M ü n ch en]. [Frankfurt], den 14. Dezember 1821.

Nr 30 Freitag 14 Dezember 1821i Sie waren krank! Das hat mir noch gefehlt. So fürchterlich mich auch diese Nachricht erschrekt hat, und so viel ich auch geweint, und es nach meiner gewohnten Art nicht an Forwürfe gegen mich selber habe fehlen

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Geschw. Passage. (fast 5 Zeilen).

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O. O. u. Adr. – hs. Zus. e. Bearb.: »An Dr. B. in München« (Br.k.).

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Figur in Müllners Die Schuld (vgl. Br. 86).

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lassen, daß ich Schuld daran daß Sie in der Fremde sind, daß Ihre Angst nicht hier krank zu sein, daß Uebel hätte gefährlicher machen können; so bin ich doch jezt wieder beruhigt, Sie dürfen mir’s glauben. Ich bin beruhigt durch Ihren scherzhaften Brief, der die Farbe der Gesundheit trägt, und –– durch die Vorstellung, welche qualvolle Lage es für mich gewesen wenn ich bei Ihrer Krankheit anwesend, Sie nicht hätte pflegen können, so liebevoll und treu, wie ein Kind – wie eine Schwester – wie eine Freundin, die zwar in gesunden Tagen oft mit Ihnen grollt, aber in Noth und Gefahr, alles, bis auf den letzten Blutstropfen für Sie hingeben könnte. Aber daran glauben die Leute nicht, daß es eine reine Freundschaft geben könne, daß man sich gut sein könne, wie ich es Ihnen bin, ohne sich – heirathen zu wollen. Doch hätte ich in diesem Falle, selbst auf die Gefahr, die Welt böses sagen lassen, meiner guten Ueberzeugung, und meiner bessern Neigung gefolgt, und mich als Krankenwärterin bei Ihnen etablirt. Sie wissen wie viel daß bei meiner ängstlichen verzagten Natur heißen will, erkennen Sie es an mein Freund, und hüten Sie sich in der Entfernung von mir, je wieder krank zu werden. Jezt ein Wort zu Ihrem guten freundlichen Arzt, so nenne ich Ihn weil er Ihnen so treulich beigestanden, und so heilsame Ermahnungen gegeben. Sie schelten mich sonst immer ängstlich, Sie kennen mich noch nicht genug um zu wissen, daß wenn es auf wichtige Dinge ankömmt, ich mehr Muth habe, als Sie mir zutrauen dürften, und Sie erwarten wohl nicht daß ich so kühn sein könnte mich in einer Angelegenheit an einen fremden Manne zu wenden. Doch ist mir Herr Doktor Breslau1 durch das viele Gute daß Sie mir schon früher von ihm gesagt nicht mehr fremd, und ich ersuche Ihn, den Herrn Doktor Breslau selber, mir eigenhändig in Ihrem nächsten Briefe mitzutheilen wie es mit Ihrer Gesundheit stehe, ob Ihr dortiger Aufenthalt nicht schädlich auf Sie einwirkt, und –– ob Sie wirklich zu viele geistesanstrengende Arbeiten gehabt. Sie dürfen mir diese Beruhigung nicht vorenthalten, sonst –– schreibe ich Herrn Doktor Breslau unter seiner eigenen Adresse, um mich über den Zustand Ihrer Gesundheit zu unterrichten. Ich nehme mir dann meinen Hausherrn und Freund Dr Mediz. Stiebel zu Hülfe, und es soll eine solche Medizinische Intrigue gegen Sie eingeleitet werden, daß jede Ihrer hÿpochondrischen Grillen, jeder Schritt und Tritt Ihrer Gesundheit bewacht werden soll, und während Sie nicht nach Wien wollen um den politischen Spionen

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Vgl. Br. 59.

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zu entgehn, Sie in München dem medizinischen Auflauern nicht entkommen sollen. Zittern –– oder gehorchen Sie! Wissen Sie daß Ihnen eine Ueberraschung bevorsteht? Welche? Rathen Sie einmal. Daß ich vielleicht nach München komme, und bald. Dazu wäre aber Ihre thätige Mitwirkung nöthig, vielleicht gienge es auch leichter als ich mir denke. Gestern Vormittag war ich in Angelegenheiten bei meinem Rathgeber Dr Golds.2 wir sprachen später dann in Gegenwart seiner Frau, über mancherlei, und auch von München. „Jeanette (sagte er) wir drei wollen nach München, das wäre vielleicht ausführbarer als Sie glauben. Der Vorstand der Juden aus ganz Baÿern versammelt sich jezt dort wegen ihren politischen Angelegenheiten. In Baÿern giebts kein jüdischer Rechtsgelehrter, sie könnten mich recht gut, ja recht nöthig dort brauchen. Ich gienge unter sehr billigen Bedingungen, selbst wenn ich nur Entschädigung für meinen hiesigen Zeitverlust hätte, so wäre ich schon willig dazu. Schreiben sie dem Dr Börne (sein Schwager Spiro3 hat keinen Einfluß) er solle sich, aber an Herrn Marx (Schwiegervater von Kaufmann)4 und, (ich glaube (an einen Fr. von Hirsch)5 wenden, das kann recht gut gehn Jeanette, sobald ich verlangt werde, setzen wir uns ein, und fort nach München“.6 –– Halten Sie das für ausführbar? Sie könnten sich ja in jeden Fall dort befragen, wer Einfluß in diesen Angelegenheiten hat. Denken Sie wenn das möglich, wie würde ich mich freuen! Betreiben Sie das nicht zu hastig, und bedenken Sie Ihre Gesundheit. Halten Sie doch auch genaue vorgeschriebene Diätregeln, damit kein Rückfall Ihrer Krankheit zu befürchten ist, vor allem verwahren Sie sich gegen hÿpochondrische Grillen. Ich kenne ja Ihre ängstliche Art, Sie sind oft in der Einbildung krank. Hat Ihre Mutter und Schwester sich recht theilnehmend gegen Sie erwiesen? Es ist mir ein großer Trost, daß Sie in München, und so gut wie zu hause bei Ihren Verwandten sind. Sie sollen auch nicht nach Wien, wozu? Sie haben ja entschiedne Abneigung, und mit Recht. Ich weiß auch gar nicht waß bei Ihrer Gesinnung Ihnen dort für große Beförderung bevorstehn könnte. Aengstigen Sie 2 3

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Vgl. Br. 10. Beer Salomon Spiro (1770–1847), seit 1801 verh. mit Amalie Baruch, Bs Schwester (vgl. Br. 39). Eduard Marx gehörte zum Vorstand der 1815 gegründeten Israelitischen Kultusgemeinde in München. Jakob v. Hirsch (1765–1840) (vgl. Br. 86). Carl Leopold Goldschmidt war Rechtsberater der jüdischen Gemeinden Bayerns in ihrem Kampf um bürgerliche Gleichstellung.

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sich nur nicht wegen Geld, und wie Sie den Winter ausreichen werden, ich weiß schon die Mittel, wie dafür auf eine leichte Weise gesorgt werden kann, in meinen nächsten Briefe werde ich Sie Ihnen angeben, heute habe ich keine Geschäftslaune. Für die beruhigende Zusage mir durch Ihren Arzt schreiben zu lassen wenn Sie selber es nicht im Stande wären, sage ich Ihnen den herzlichsten besten Dank. Sie hätten keinen bessern Gedanken haben können, ich hätte mich sonst zu todt geängstiget wenn Nachricht von Ihnen durch irgend einen Zufall verspättet worden wäre. Und nun sage ich Ihnen Ihre Briefe sind mir immer noch schön und unterhaltend genug. Deswegen brauchen Sie nicht nach Wien zu reisen, das wäre auch eine merkwürdige, und wichtige Ursache. Auch hoffe ich von meinem genesenden Patienten, daß er bald völlig von solchen faselnden, noch etwas krankhaften Anreden und Ausrufungen, wie „Mein schöner Engel“! –– geheilt sein werde, und sich in recht gesunder kernhafter Sprache vernehmen lassen wird. Solche Süsigkeiten, könnten mich gar bald krank machen. Sie haben Unrecht, und mir thut es nicht leid wenn Ihre Briefe gedruckt werden, es wäre gar zu eigensichtig, wenn ich Ihnen, und der lesenden Welt, den Genuß und den Vortheil davon entziehen wollte. Waß Sie freundliches persönliches mir darin gesagt, bleibt ja doch mein, und unverzeihlich wäre es, wenn ich das waß andre erfreuen und auch nutzen kann, wie ein reicher Geizhals in meinem Brief=Schatz=Kästlein versperren wollte. Ich habe Ihnen schon gesagt daß ich heute keine Geschäftslaune habe, sonst würde ich Ihnen Summarisch aufzählen, wie viel daraus benuzt werden kann, also auch dies auf nächstens. – Wäre es Ihr Ernst, und hätten Sie wirklich gefürchtet an Ihrem Testamente zu sterben? Sie, abergläubisch! Sollte einst die Nachwelt von Ihnen sagen dürfen, waß sie von Voltaire auf seinem Todtenbette zu sagen sich erkühnt!7 Könnte Ihr Biograph gleich jenem diesen Schwachsinn mit 100, sage hundert Bände, bedecken? Hätte er besagter (Ihr) Biograph eine solche Bücher=Ruhm=Pÿramyde aufzustellen, um Ihren Namen dennoch der Nachwelt zu bewahren? Sein Sie lieber starck und muthig mein lieber Freund, jezt, wie bei Ihrem einstigen Testamente, und sollten Sie auch weniger Bücher schreiben, weil ich Ihre Gesundheit Ihrem Ruhme weit vorziehe. Besser die Nachwelt sage einst von

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Dem Priester, der ihm ein Schuldbekenntnis gegenüber der Kirche abringen wollte, soll Voltaire geantwortet haben: »Laissez-moi la paix«.

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Ihnen „Er war zwahr –– –– ein großer Müßiggänger, aber ein – ächter Philosoph im leben und im Sterben! –– Das hiesige Orchester8 ist nach aller Kenner Urtheil unstreitig das Beste nichtii allein in ganz Deutschland, sondern das nur gehört werden kann. Was Ihnen die Musik nahe am herzen liegt! Ich höre jezt beinahe gar nichts mehr, wie sich doch alles ändern kann! Ihnen zu gefallen will ich bei der ersten gelegenheit, den schwarzen eifersüchtigen Othello hören, ich weiß aber schon im voraus waß ich davon zu erwarten habe, und was Rossini daraus gemacht haben wird. Ich werde Ihnen jezt immerfort schreiben bis Sie halt gebieten, aber heute gebietet die Zeit halt zu machen, es ist schon spät, und ich darf nicht säumen. Leben Sie wohl, sagen Sie mir nur recht sehr viel über Ihre Gesundheit und wie es Ihnen geht. Werde ich nach München kommen? Antwort, Ihrer Sie freundlichst grüßenden J. Wohl.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 17. Dezember 1821.

Nr. 32 München d. 17. Dez. 1821i Eine innere Stimme hatte mich deutlich genug gewarnt, ich solle Ihnen nicht schreiben, daß ich krank war. Aber ich folgte ihr nicht, ich wollte Ihnen die Freude machen mich glücklich wieder hergestellt zu sehen, und beachtete nicht wie theuer Ihnen diese Freude käme. Sie werden sich jezt nicht beruhigen. Ich schwöre Ihnen bei allem was uns werth und theuer ist, ich schwöre bei Ihrer Seele und Ihrem Leben, daß ich vollkommen wieder genesen bin, und daß keine Spur von meinem Uebel zurückgeblieben ist.

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Orig. davor: des.

i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Med. Stiebel frei in Frankfurt a/m.

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Das berühmte Frankfurter Museumsorchester stand 1821 unter der musikalischen Leitung des Theaterdirektors Carl Wilhelm Ferdinand Guhr (1787–1848). Er trat auch als Solist hervor und brachte das klassische Opernrepertoire zur Aufführung: neben Stücken seines Vorgängers Spohr vor allem Mozart und sämtliche Sinfonien Beethovens (vgl. Br. 102 u. 114).

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Lassen Sie sich das genug seÿn, und stehen Sie davon ab, ein Zeugnis von meinem Arzte zu verlangen. Wir wollen uns nicht auslachen lassen. Auch im Uebrigen, war ich in Stuttgart und bin hier viel gesünder als in Frankfurt. Ich leide weit seltener an hÿpochondrischen Anfällen, und ich brauche um mich in Ordnung zu erhalten, nicht so strenge Diät zu halten als ich es zu Hauße musste. Noch einmal, theuere Freundin, quälen Sie sich und mich nicht durch unnöthige Besorgnisse. Und, was ich Ihnen schon einmal geschrieben habe, denken Sie an kein Unglück, wenn meine Briefe einmal länger als gewöhnlich ausbleiben. Die Fülle der Hindernisse lassen sich gar nicht vorhersehen. So mag die Ursache, daß Sie neulich einen Brief einen Tag zu spät bekamen, daran gelegen haben, daß ich ihn nicht, wie gewöhnlich, selbst auf die Post trug, sondern ihn durch mein Mädchen aufgeben ließ. Diese hatte den Brief wahrscheinlich zu spät besorgt, so daß er mit der Post dieses Tages nicht mehr abging. – Der Dr. Goldschmith!1 O Qual, o Lust! Ich fühle mich gegen ihn, wie Valeros gegen Hugo in Müllners Schuld. Bald möcht ich mich in seinem Blute kühlen bald zieht’s mich hin ihn zu lieben.2 Ich werde zwischen Fluch und Seegen hin und her geworfen. O Gott warum hat er mir das gethan, warum haben Sie mir das gethan? Warum haben Sie Wünsche in mir erregt, die so fern von mir waren, warum Hoffnungen die nicht erfüllt werden können? Die Bedingung an welche mein Glück gebunden ist, wird nimmermehr eintreten. Die Juden hier sind noch schlimmer als die Frankfurter, denn sie lassen sich nicht einmal Geld kosten. Als ich herkam sprach dieser und jener des Vorstands davon mich zu brauchen, sie sind aber wieder davon abgekommen, und wahrscheinlich der Kosten wegen. Doch vielleicht hat das eine andere Ursache, vielleicht wollen sie nichts mit mir zu thun haben, seitdem sie etwa erfahren haben, daß ich getauft bin. Ich will zu Marx und zu Hrn. v. Hirsch3 gehen und mit ihnen sprechen. Ich kenne zwar diese Leute gar nicht, ich werde ihnen aber begreiflich machen, daß mein Eifer für die An-

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Vgl. Br. 10. »Bald möcht’ ich in Blut sein Leben schwinden sehen, bald – ihm vergeben.« (Adolf Müllner, Die Schuld 1813/16, 2. Akt, 5. Szene). Die aus dem Fränkischen stammende jüd. Familie Hirsch gehörte zu den bedeutendsten Hoffaktoren der damaligen Zeit. Jakob v. H. (1765–1840), 1818 nobil., verh. mit Johanna Oettinger (gest. 1832), hatte sich 1821 in München niedergelassen, gehörte der jüd. Gemeinde Münchens an u. war an den Beratungen zur Revision des Judenediktes von 1813 beteiligt.

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gelegenheit der Juden mich zu dem Vorschlage traue den Dr. G.4 kommen zu lassen, und sollten sie mich fragen, warum ich das Geschäft nicht selbst übernehme, werde ich ihnen antworten, ich hätte keine Zeit dazu. Aber es führt zu nichts. Gott, ist es denn auf keine andere Art möglich? Eine solche Reise, wenn sie 3 Personen gemeinschaftlich machen, kostet weniger als Sie glauben. Sie miethen sich zusammen ein Privatlogis, welches monatlich jeder Person nicht mehr als 10 fl. kostet. Für 24 kr. bekommt man ganz gutes Essen ins Haus gebracht. Wie wollten wir uns während des Carnevals amüsiren. Wie glücklich glücklich wäre ich! 60 Karolin, diese kleine Summe könnte mich jezt glücklich machen! Könnte Dr. G. nicht vom Frankfurter Vorstand auf das hiesige wirken lassen! Wenn der Frankfurter Vorstand gescheidt wäre, würde er auf seine eigne Kosten den Dr. G. hierherschicken, denn die Entscheidung der Sache der hiesigen Juden, wird auf die der Frankfurter den größten Einfluß haben. Sollte nicht wenigstens Kaufmann seinem Schwiegervater deswegen schreiben? Aber da kömmt mir eine andere Besorgnis in den Sinn. Sie haben zuweilen an der Brust gelitten, und das hiesige Klima, soll für Personen von schwacher Brust sehr gefährlich seÿn. Wenn Sie sich auf dieser Seite nicht ganz stark fühlen, dürfen Sie nicht hierherreisen. Sollte die Sache wirklich zur Ausführung kommen, dann können Sie den Professor Sömmering5 in Frankfurt, der München in ärztlicher Beziehung kennt, darüber zu Rath ziehen lassen. – Sie himmlisches Herz, Sie haben mich durch Ihre gütige Theilnahme sehr beschämt. Mit einiger Bosheit um mich mit Ihnen zu necken, schrieb ich Ihnen, ich wäre vom vielen Arbeiten krank geworden, und Sie ob Sie mich zwar kennen, hielten dieses für möglich! Oder haben Sie auch blos gescherzt? – Mein Vater hat von Wien geantwortet auf meinen Brief (nicht mir selbst sondern meiner Mutter) Er schreibt: er würde mir von Wien einen Pass besorgen, da der meinige nicht in gehöriger Form seÿ; ferner schreibt er, ich wäre ein Windbeutel, da ich ihm in Stuttgart schon gesagt hätte, es wären 2 Hefte der Wage im Druck, und bis jezt noch nichts erschienen sei. Sie sehen, theuere Freundin, wie auf dieser Erde der Gerech[t]e verkannt wird. – Wie ich Ihnen schon gemeldet, in jedem Falle bleibe ich noch einige Woche hier, selbst in dem Falle, daß ich mich endlich doch noch zur Reise nach Wien entschließen sollte. Vielleicht kommen die Eigenthümer der 4 5

Goldschmidt. Samuel Thomas Soemmerring (1755–1830), Arzt und Anatom, lebte seit 1819 in Frankfurt (vgl. Br. 37).

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Neck[a]rzeitung in die Lage, mir ein Vortheilhafteres Anerbiethen machen zu können. Ich habe einige Kleinigkeiten für das Blatt abgeschickt, fürchte aber daß die Zensur vieles streichen wird. Erstens einen Brief von München6 der anfängt: „Das Pastoralschreiben etc“, ich mache mich darin über den Erzbischof lustig. Zweitens: Miszellen. Ich kann Ihnen leztere nicht näher bezeichnen, weil die Neckarzeitung einen täglichen Artikel unter dieser Aufschrift liefert, aber meine Freunde werden schon am Stÿle erkennen was mir gehört. – Heute bekam ich einen Brief von unbekannter Hand, und als ich die Oblate aufmachte, fand sich die Unterschrift so weggerissen, daß von dem Namen auch nicht eine Spur übrig blieb. Anfänglich dachte ich er wäre vom Dr. Goldschmith, endlich fand ich den Ort Wiesbaden. Er ist von Dr. Stiefel.7 Ich muß Ihnen den Brief mittheilen.: „Mein theuerster Herr Swift! – Seit ich Sie nicht gesehen, sind Sie ein so berühmtes Thier geworden, daß wer, wie ich, nicht mehr ist wie ein Mensch, qui n’est plus qu’un simple bourgeois, sich kaum getraut Ihnen zu schreiben. Ihre Berühmtheit, von der Sie selbst keinen Begriff haben, geht so weit, daß Sie sich in der That für Geld sehen lassen, und dadurch die Reisekosten nach Italien verschaffen könnten, was ich daraus schließe, daß in Sachsen die Mädchen welche bekanntlich schön sind, (daher ich auch hingegangen, mir eins zu suchen, und nun ich eins gefunden, zurückgekehrt bin) als die Rede auf Sie kam, und ich mich des Glückes rühmte Sie zu kennen, ganz neugierig nach Dero körperlichem Aussehen sich erkundigten, und als ich ihnen den Schlimihl8 schilderte, wie ich ihn ehemals kannte (jetzt werden Sie freilich hübscher geworden seÿn), mich einen Lügner schimpften (Das hatte ich für meinen guten Willen), weil sie sich einen Schöngeist nur in einem Schönkörper denken können. Sie wissen die Frauen sind etwas körperlich. Doch nun von Ihnen auf mich zu kommen – ein Sprung, von dem es Sie wundern wird, zu hören daß ich nicht den Hals dabei gebrochen – es hat mich gefreut von Mad. Wohl zu vernehmen, daß Sie nicht allein mich, sondern auch meine Fußtritte noch nicht vergessen haben, und um Ihnen zu beweisen, daß ich auch Ihrer und der Ihrigen (bitte aber nicht etwa an Ihre liebe Familie, sondern an Ihre Fußtritte dabei zu denken) mich erinnere, schreibe ich es Ihnen; zumahl ich Mad. Wohl 6

7 8

Organ deutscher Kaufleute, Fabrikbesitzer, Staatswirte und Finanzmänner (Neckarzeitung), Nr. 351 v. 21. Dezember 1821 (Beil. Nr. 83). Vgl. Br. 73. Schlemihl: Pechvogel.

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mit einem so prosaischen Geschäffte, wie das Bestellen eines Grußes, nicht belästigen wollte. – Ich kann Ihnen nicht sagen wie sehr ich es bedauert, Sie und Sichel nicht zu finden bei meiner Rückkehr; von beiden hatte ich während der ganzen Dauer meiner Abwesenheit nichts direct gehört; den Einen hatte mir der Tod, den andern sein unstäter Geist entführt. Murhard9 habe ich in Frankfurt gesprochen, der elende Kerl hielt sich auf über Ihre Trägheit – wer so schreibt wie der, kann freilich viel schreiben. Warum haben Sie diesem Wicht die Annalen10 zugeschustert? Sie dachten damals gewiß nicht an Ihren Freund. Durch diesen trüben Kanal bin ich zu einer lautern Quelle gelangt. Er hat mir nehmlich eine Empfehlung an Weitzel11 mitgegeben, den ich heute besucht habe, der mir einen Gruß an Sie aufgetragen, und recht sehr bedauert, daß Sie als Sie hier waren so auseinander gekommen, und er nichts weiter von Ihnen gehört habe bis auf den heutigen Tag. u. s. w.“ Wegen der Annalen hat er ganz Recht. Hätte ich damals an ihn gedacht, würde ich das Journal vielleicht übernommen haben. Er hätte mir alles Mechanische, alle Uebersetzungen u. drgl. abgenommen, und sein Glück dabei gemacht, da ich ihm gern 800 fl. vom Honorar abgegeben haben würde. Besitzt er auch nicht mehr Talent und wohl weniger als Murhard, so hat er doch mehr Sorgfalt und Ehre, und das Journal wäre auch schon durch seine Mitwirkung, besser geworden als es jezt ist. Wie gefällt Ihnen sein Humor? – – Anliegender Druck wird Sie über eine artige Lotterie belehren, die jährlich hier gezogen wird. Ich habe für Sie auch einen Zettel genommen. Was hätte ich für eine große Freude wenn Sie etwas Schönes gewönnen. Morgen wird gezogen. – Meine lezten Briefe sind darum etwas kürzer als früher, weil ich viele Zeit auf dem Lesezirkel zubringe, um für meine Correspondenz für die Neckarzeitung etwas zu erwischen. – Adieu mein schöner Engel, mein schöner Engel, mein schöner Engel, mein schöner Engel. Ihr gesunder, treuer, lustiger und fauler Freund Dr. Börne, geb. Wohl.

9 10 11

Vgl. Br. 25. Vgl. Br. 46. Vgl. Br. 18.

346 87.

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An L udw i g Bö r n e i n M ü n ch en. [Frankfurt], den 17. Dezember 1821.

Nr 31 Montag 17 Dezember 1821i Sie sagen mir kein Wort über Ihre Gesundheit, und schreiben nur eine halbe Briefseite. „Es ist schon Abenddämmerung“ sagten Sie auch in einem frühern Briefe, wo es eigentlich wahrhaft heißen sollte „ich bin krank und kann nicht weiter schreiben“ Wenn Sie nur nicht wieder krank sind, ich will mich nicht ängstigen und Ihren nächsten Brief abwarten. – Soll ich mich denn wirklich entschließen von Geschäfts=Angelegenheiten mit Ihnen zu reden? Nun ich will Sie als ein genesendes krankes Kindlein behandeln, dem man viel mehr als in gesunden Tagen nachsieht. So habe ich im vorigen Briefe um Ihrem kindischen kleinen Eigenwillen zu genügen, nur mit zwei Oblaten gesiegelt, München geschrieben, und schreibe schon heute wieder, waß sonst unterblieben wäre, und noch dazu von Geschäften. Ihrer Krankheit also, und nicht Ihrem Spotte, toben und poltern, haben Sie meine Nachgiebigkeit zu zu schreiben, so bald ich die Gewißheit habe daß Sie völlig gesund und stark, siegle ich mit drei Oblaten, schreibe München (und ohne Wohlg), jede Woche einmal, und –– nichts von Geschäften. –– Ich berechnete Sie sollten sich nur auf 3 Monate bei der Nekarz.1 éngagiren, für diese drei Monate sich mit f 200 begnügen, die f 100 die ich von der Polizei für Sie einnehmen werde schike ich Ihnen, da hätten Sie ohne die f 100 die Sie jezt schon erhalten haben für Monate Januar, Februar, Merz f 300. Ich glaubte daß das hinreichend wäre. Endes Merz bekommen Sie wieder f 100 von der Pol. und auf vier Monate des neuen Jahrs 22 wären Sie geborgen. Das ist eine lange Zeit, bis diese zu ende wird schon wieder Hülfe werden. Verlieren Sie nur kein Wort wegen der f 100 die ich Ihnen schiken werde. Ich betheure Ihnen ein für allemal daß ich sie nicht nur entbehren kann, sondern gar nicht brauche, und wenn ich sie Ihnen nicht geschikt, hätte ich bei St.2 und Adler Ihre Rechnungen dafür quittiren lassen. Aber daß Sie für so einen Bettel an der Nekarz. arbeiten sollen und, wollen, das kränkt mich, suchen Sie doch wenigstens wie schon gesagt i

Adr.: Herr Dr Börne Wohlg bei Herrn Königshöfer Nr 41 Max-Joseph:Platz in München (Kuvert).

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Neckar-Zeitung. Steinthal.

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f 200 vierteljährlich zu bedingen. Es ist mir ganz leicht daß Sie nun entschieden nicht nach Wien gehn, und daß endlich das zwecklose hin und herreden ein Ende hat. Wie stehts aber um Gotteswillen mit Ihrer Garderobe? Könnten Sie denn nicht eine List ersinnen, daß Sie Ihrer Mutter eine Ausstaffirung auslokten? Nun die List wäre gleich gefunden, Sie müßten sich entschließen Bräutigam zu werden, aber die Braut?! Einen Spas mus ich Ihnen erzählen, eine Wette die Fürst Metternich, und von Bethmann3 zusammen eingegangen sind. F. M.4 war bei B. gebeten, dessen Frau5 gefiel ihm überaus, sie war in weisem Sammt gekleidet, weise Federn im schönen schwarzen Haar mit einer diamantenen Schleife befestigt. Sie können sich denken daß sie schöner als meine fantasiearme Beschreibung ausgesehen. […]ii F. M. bestand auch darauf daß v. B. seine Frau mit nach Wien bringen müße. B. reißt nächster Tage dahin ab. […]iii M. zweifelte daran daß B Wort halte und seine Frau mitbringen werdeiv, da ward um 3000 Boutellen Champagner gewettet, B. setzte die [daran] er bringe seine Frau mit, M. er werde sie nicht mitbringen. Erinnern Sie sich noch? Graf Woronzof6 hat auch schon einmal den B. eine ähnliche Wette gewinnen lassen. Waß sagen sie zum Kirchner in der Iris von gestern?7 ich hätte nicht geglaubt daß dieser Mann so geistlos sein könnte. Nichts als schaale Worte, nicht ein einziger Gedanke. Wie ich zu lesen aufhörte, fragte ich mich was er denn eigentlich gewollt? Und daß er den Rousseau mit Byron zusammenstellt ist mir ganz unbegreiflich. Rousseau war nur an den Menschen, und den menschlichen Einrichtungen irre, aber an Gott, einer Vorsehung, einer weisen Weltordnung, hat er wie mir däucht nie gezweifelt. Byron aber ist ja in seinem Manfred8 ein rasender und –– verzweifelter Frefler! – Waß ich dumme ii iii iv

3 4 5

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8

Durchgestr. Passage, vermutl.: Seine Durchlaucht. Durchgestr. Passage, vermutl.: S. D. ÜdZ. Vgl. Br. 80. Fürst Metternich. Louise Friederike Boode aus Amsterdam (geb. 1792), 1810 verh. mit Simon Moritz v. Bethmann. Michail Semjonowitsch Woronzow (1782–1856), russ. Politiker, bereiste 1820–23 Europa. Anton Kirchner (vgl. Br. 41) hielt im Museum einen Vortrag über Peter Berlys (1781–1847) Charakteristik einiger neueren englischer Dichter, erschienen in: Iris, Nr. 51/52 v. 16. u. 23. Dezember 1821. Lord Byron, Manfred A Dramatic Poem (1817).

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Gans schwaze! Es war mir aber gar zu auffallend, und ich habe ja jezt niemanden der sich herabließe, und zu dem ich’s auch vertrauensvoll wagte in meiner Verzagtheit über solche Dinge zu reden, wie sonst zu Ihnen mein nachsichtsvoller herablassender hoher Freund. Wollten Ew. Gnaden ein paar huldvolle Worte über diesen Gegenstand mir zukommen lassen? Ich habe alle Numern folgend erhalten, es war nur ein Versehen und vergessen im Notiren. Haben Sie denn nicht gehört davon daß die Brief=Post von München hierher von Räubern angefallen worden? Die Briefe sollen alle im Walde zerstreut herumgelegen haben, das war die Ursache des spätern Eintreffens. Wie kommen Sie darauf „Grüße an Elise“ oder war es des Reimes wegen? – Ich bin recht begierig waß Ihr nächster Brief auf Donnerstag enthalten wird, ob Sie mich wegen meines Reiseplans auslachen, oder ob Sie einige Hoffnung zur Ausführung einsehen. Dr Golds. behauptet steif und fest, es wäre sehr möglich. – Wer stört Sie denn oft? Und warum richten Sie es nicht so ein daß Sie ungestört schreiben können? Weil ich Ihnen doch viel schreiben soll, will ich auch viel fragen. Wann werden die drei Waghefte im Drucke erscheinen? Wann die Rhein und andre Briefe? Wann soll ich Ihnen die Abschrift von meiner jezigen unschätzbaren Sammlung schiken? Wann wird etwas „geschehen“ und wann werde ich es erfahren? Wann werden Sie mir diese Fragen genügendv beantworten? Wann werden Sie sich bessern? Wann werden Sie anfangen ein nützliches, fleißiges, geachtetes, geschätztes, geliebtes, geehrtes Glied der Gesellschaft zu werden? Wann werden Sie aufhören ein Taugenichts zu sein? Wann werden Sie anfangen, so tugendhaft, so liebenswürdig, so fleißig, so thätig zu sein, daß Sie einem gefallen können, daß man Sie liebgewinnen kann? Wann stehen Sie auf? Wann, und um welche Zeit arbeiten Sie? Hm,. – Mit wem tanzen Sie auf den Bällen? Wen begleiten Sie nach hause, wen auf den Spaziergängen? Hm,. – Welche Dame gefällt Ihnen am besten in München? – Hm,. – Welcher sagen Sie Artigkeiten, welcher machen Sie den Hof? – Hm,. – An welcher denken Sie?. Von welcher (alles Münchner) träumen, reden, schwärmen Sie? ––– Es ist aber in der That auch gar zu arg! Sie haben mir auch noch nicht ein Wörtchen von Ihrem eigentlichen dortigen Leben und Treiben gesagt. Ei hr. Doktor, Sie waren doch sonst kein Einsiedler! Sie werden mir doch nicht weiß machen wollen, daß Sie gerade in der Residenz ein so frommer Klausner geworden, und die Heuchelei noch

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ÜdZ.

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so weit treiben, als nehme der fromme Mann, von allem Weltverkehr keine Notiz, und erbaue sich nur an meine arme Brieflein, und sättige sich alleinig an dieser heiligen Seelenkost! In der That, in allem Ernst, ich werde argwöhnisch! Sie leben in ganz andern, ganz neuen Verhältnissen, und die ganze „changement de Decoration“ besteht darin, daß Sie mir stat wie hier von einem hrn. v. Möseritz,9 dort von einem hrn. v. Pletz und von einigen vagabundirenden Journalisten erzählen. Da steckt viel dahinter, und mehr, als Sie mir eingestehn werden, aber „des Hasses, und der Liebe Rache“!10 wenn ich nach München komme!! – Wenn Sie nur gesund sind. Ihr halber Brief, und die „Abenddämerung“ hat mir doch immer eine kleine Beängstigung zurückgelassen. „Es thut mir recht leid“ daß ich Ihnen boshaften Spötter so viel geschrieben habe, dafür bekommen Sie aber auch heute keinen freundlichen Gruß wie voriges mal, „und nächstens – gar nichts“. Vor Ihrem Martialischen Schnurrbart fürchte ich mich auch nicht, und komme getrost nach München, wenn der Galante Juden Vorstand mich und meinen Dr Juris hinzuberufen geruhen wird. Ein recht mürrisches Adieu, da können Sie sich doch nicht darüber lustig machen, auch wird ein solcher Schluß in keinem Briefsteller nachzuweisen sein. Ein böses Zeichen! Nichts als Zank und Hader, schon in den Flitterwochen des Briefwechsels! J. Wohl.

88.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 20. Dezember 1821.

Nr. 33 (Drandruhdel) München d. 20. Dez. 1821.i Beste und zärtlichste aller Freundinnen – vor allem, ich bin so gesund wie ein Salm am Lurleÿ1 und so stark wie ein Löwe. Und jezt seÿen Sie ruhig und ängstigen Sie mich nicht mit Ihrer Angst. Zweitens – Träume sind i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m. (Kuvert)

9

Louis Ferdinand v. Meseritz (vgl. Br. 49). Anspielung auf Des Hasses und der Liebe Rache. Schauspiel aus dem Spanischen Kriege in fünf Akten (1815) von August v. Kotzebue.

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1

Loreley.

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Schäume. Sie und Dr. Goldschmith werden nicht hierherreisen. Ein Glück, daß ich die Unausführbarkeit dieses Vorhabens gleich erkannte, sonst würde ich mich grämen. Ich habe mit dem Großmogul des jüdischen Vorstandes mit Pappenheimer2 gesprochen, es ist nicht daran zu denken. Er sagte: die nöthigen Schriften wären alle schon fertig, es wäre Alles nöthige eingeleitet und es ginge ganz prächtig. Uebrigens (im Vertrauen) an den Dr. G.3 würde man sich am wenigsten wenden. Er ist hier gar nicht beliebt. P. sagte mir: er mag ein ganz gescheidter Mann seÿn, wenn man ihn aber sprechen hört, sollte man meÿnen er wäre ein Schode.4 Auch Leuten aus dem Marx’schen Hause habe ich abgehört, daß man ihn dort nicht leiden kann. Er mag sich wohl arrogant betragen haben. So erzählte man mir als ich hierherkam: Dr. G. habe an der Wirthstafel einen lebhaften Wortwechsel mit einem Manne gehabt, der ihm derb die Wahrheit gesagt, weil er als Fremder, der Meinung so vieler Kunstkenner entgegen, sich herausgenommen über die hiesige Gemähldegallerie abzusprechen. Man bemerkte ihm, um diese zu beurtheilen, müsse man sie ein halbes Jahr studieren, und es sei nicht genug, wie von ihm geschehen, sie ein einziges Mal durchlaufen zu haben. Giebt es denn keine andere Art, wie Sie hierherreisen können? Es war recht leichtsinnig von Ihnen mich so in meiner Ruhe aufzustören. Thun Sie das ja nicht mehr. – Also, wenn Sie meiner Gesundheit gewiß sind, wollen Sie mir jede Woche nur einmal schreiben? Das wäre doch die Gesundheit etwas zu theuer erkauft! Aber es sei. Doch in diesem Falle werde ich Ihnen auch nicht öfterer schreiben. So oft Sie also einen Posttag aussetzen, seÿen Sie gefasst darauf, daß ich das nehmliche thue. Unsere Briefe mögen dann um so größer werden. – Aha! Sie reden wieder von Geschäften; die Katze läßt das Mausen nicht. Vor jezt, wie ich Ihnen schon geschrieben, habe ich mich der Neckerzeitung auf einige Wochen verpflichtet, auf einige Wochen nur, das habe ich den Herrn ausdrücklich bemerkt, und auch, „daß die Summe die ich zu fordern genöthig seÿn würde, wenn sie mich auf die Dauer annehmen wollten, von dem was sie mir angebothen weit abstünde“. Den Verlauf dieser Zeit muß ich also abwarten. Was Ihre übrige Fragen nach der Wage und den andern Unternehmungen meines rastlosen Geistes betrifft, muß ich antworten wie im Frag= und Antwort2

3 4

Israel Hirsch Pappenheimer (1776–1837), Bankier, Vorsitzender des Vorstands der jüd. Gemeinde in München. Goldschmidt. Schote, Schaute (jidd.) = Tölpel.

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spiel, auf eine Art die auf alle Fragen passt: „Sie sind sehr neugierig . . Zeit bringt Rosen . . Verschonen Sie mich mit dieser Frage.“ Jezt wissen Sie woran Sie sind. Fragen Sie aber nach meiner sinnlichen Lebensweise, so kann ich Ihnen betheuern, daß ich, weder im Scherze noch im Ernste etwas zu verheimlichen Habe. Ich lebe einen Tag wie den Andern. Zwischen 5 und 9 Uhr stehe ich auf. Frühstück, Lectüre, Schreibereien, Sehnsucht, Tobackrauchen, im Zimmer spazieren – damit fülle ich meinen Vormittag. Nach dem Essen gehe ich ¼ Stunde zu meiner Schwester dann spazieren, Abends bis 9 Uhr: Theater, Lesegesellschaft, auch oft zu Hause. Um 9 Uhr gehe ich ins Caffehaus, wo ich mich einem engern Kreise von Offizieren, Beamten und Künstlern, die mich alle sehr achten und freundschaftlich behandeln, angeschlossen habe. Bis 10 Uhr trinke ich Bier, und spiele Schach, welches hier sehr in Mode ist. Von 10 Uhr an wird Billiard gespielt (à la Guerre) Gewöhnlich gehe ich um 12 Uhr erst nach Hause. Die andern bleiben noch länger und würfeln. Seit einigen Abenden werden wir aber schon um 11 Uhr von der Wache hienaus gejagt. Es ist hier nehmlich Polizei=Ordnung, daß alle öffentlichen Häuser um 11 Uhr geschlossen werden müssen. Nur das Kaffehaus welches ich besuche, genoß einer stillschweigenden Vergünstigung, weil es bekannt ist, daß sich dort nur gebildete ruhige Leute versammeln. Wahrscheinlich aber haben die andern Wirthe, aus Neid uns angegeben, so daß die Polizei sich genöthigt gesehen, auch gegen uns die gesetzliche Strenge eintreten zu lassen. Es ist spashaft. Um halb 11 kömmt ein Unteroffizier in den Saal, und ruft mit lauter Stimme: meine Herrn es ist halb 11, um 11 Uhr ist Feuerabend, Sie haben noch eine halbe Stunde Zeit. Jezt werden die Biergläser bis zum Ueberlaufen angefüllt, damit ja kein Tropfen des köstlichen Trankes zurückgelassen werde. Um 11 Uhr erscheint die Patrouille von 5 Mann, und jagt alles fort. – Noch andere Fragen haben Sie mir gemacht, die ich mit gleicher Offenherzigkeit beantworten werde. Ich habe nicht eine einzige weibliche Bekanntschaft. Den Mädchen ist hier schwehr beizukommen. Jede Mutter ist die Mauth ihrer Tochter, sie lassen keinen Liebhaber durch. Nicht etwa daß sie ihn zurückwiesen, aber sie confisciren ihn zu ihrem eignen Vortheil. Doch verheiratheten Frauen Fii halte ich für sehr unsittlich. Die Sängerin Metzger5

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FN auR: F den Hof zu machen.

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Vgl. Br. 55.

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habe ich besucht, weil sie mich durch Spiel und Gesang entzückte, die ist aber so häßlich wie die Nacht, und gar nicht liebenswürdig. Auch Männerbekanntschaften, nehmlich in der Art, daß ich sie im Kreise ihrer Familie besuchte habe ich nicht. Im Allgemeinen ist man hier wenig Gastfreundlich, doch haben manche ordentliche Leute den Wunsch geäussert mich bei sich zu sehen. Zu faul und zu gleichgültig habe ich das nicht benüzt bisher. Doch von nun an werde ich mich darum bemühen, weil mir daran gelegen ist für meine Correspondenz nach Stuttgart Neuigkeiten zu erhaschen. Besonders da sich in einigen Wochen die Stände hier versammeln, werden mir Bekanntschaften nützlich seÿn. Vor einigen Tagen habe ich den Anfang gemacht, und mich bei einem Staatsrath Hazzi einführen lassen. Er ist ein warmer liberaler, Verehrer der Wage; reich, und an eine Gräfin aus einer guten Familie verheirathet.6 Er hat mir förmlich während meines Aufenthaltes sein Haus angebothen. Er sagte mir in irgend einer Zeitung gelesen zu haben, daß ich mich jezt – hier oder in Stuttgart, das hatte er vergessen – aufhalte. . . Seit einigen Wochen ist jeden Samstag kleine Tanzgesellschaft im Museum, die ich auch besuchte. Der erste große Ball wird in der Silvester-Nacht gehalten. Werden Sie nicht auch in einer Gesellschaft zubringen? Ich habe mir vorgenommen um 12 Uhr ein Glas Wein auf Ihr Wohl und auf das unserer Freunde zu trinken. Denket mit dem Glockenschlage an mich. Ich will mir alles genau merken, was mich um jene Zeit umgeben, was ich gethan geredet. Thun Sie das nehmliche, wir werden austauschen . . . Die Leiden des jungen Börne. 1ster Brief. München 15. Dez. „Ich liebe, ich werde geliebt! O Natur, o Natur! Noch haben unsere Herzen nicht an einander geschlagen, noch haben wir keinen Laut der Empfindung gewechselt, aber unsere Blicke haben sich gesehen, sich verstanden, und unsere Seelen haben sich vermählt zu ewiger Treue. Ich komme vom Balle, ich habe nicht getanzt, Gedankenvoll saß ich an einen entfernten Tischchen, und aß Heringssalat. Da hörte ich mit einer Silberstimme hinter mir fragen: n’avez vous pas vu Belisle? Ich wende mich um, und – o Götter! Wilhelm, der Vorhang der mir mein eignes Leben verbarg, ist emporgerollt, und tausend Lampen erleuchten mein Herz. Ein Mädchen stand vor mir – nein, es war Amor selbst mit ausgebreiteten Fittigen – Thoren nennen das Buckel! Sie heißt Strasburger. Sie soll einen Bräutigam haben, einen Dr. Ju-

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Joseph Ritter v. Hazzi (1768–1845), bayer. Staatsbeamter, Vorstand u. Mitbegründer des Münchner Museums u. Josepha Basselet de La Rosée (1784–1870).

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ris in Landau. Wilhelm wie wird das enden? Lebe wohl.“ – Meine Mutter,7 was ich nicht wußte, weiß daß ich getauft bin, und hat nicht den geringsten Verdruß davon. Vor einigen Tagen, hat meine Schwester in ihrer und meiner Gegenwart scherzend davon gesprochen. Meine Mutter sagte zwar nichts dazu, aber sie schien nicht ein bischen beunruhigt. Wie sich die Zeiten ändern! Vor zwanzig Jahren noch, hätten wir Geschwister alle sterben können, unsere Eltern hätten uns auch vom martervollsten Tode nicht durch die Taufe loskaufen mögen. Meine Mutter ist freundlicher und mütterlicher gegen mich als je. Als ich krank war, brachte sie mir unaufgefordert einiges Geld, ob sie zwar wußte, daß ich in diesem Augenblicke nicht Mangel daran hatte, nur um mir etwas Angenehmes zu erzeigen. Ja, wenn ich klar in ihre Seele blicke, scheint sie sogar stolz darauf zu seÿn, einen getauften Sohn, und so viel Aufklärung zu haben, sich darüber hienauszusetzen; Es kann mich rasend machen, ich könnte alle Fürsten und christliche Pfaffen mit meinen Händen erwürgen. An denen, an unsern misgestalteten Regierungsformen liegt es. Damit hundert Menschen schwelgen können in Herrschlust und Sinnlichkeit, müssen Millionen darben, und sterben ohne gelebt zu haben. Das weiß ich auswendig wie das Ein mal Eins. So lange ein Wahn besteht habe ich nur Thränen des Mitleids, aber wenn er aufhört, aufhört nach dem er ein Jahr Tausend die Menschheit gepeinigt, da vergieße ich Thränen der Wuth, und ich wünsche mir, Kraft Herz und Tatzen eines Tÿgers. Erst gestern Abend hörte ich eine traurige Geschichte erzählen, die sich 1785 in München ereignete und noch in der Erinnerung vieler Menschen ist. Ein 17jähriges Mädchen liebte. Es war das schönste der Stadt. Die Eltern waren ihren Wünschen entgegen. Weil sie eine andere Wahl getroffen? Nein, das wäre noch trostvoll. Sie waren Frömmler und wollten ihre Tochter zwingen in’s Kloster zu gehen. Eines Morgens ging das unglückliche Kind mit ihrem Kammermädchen in die Liebfrauenkirche, kniet nieder, betet lang und heiß, und eilt dann mit schnellen Schritten den Thurm hienauf. Die entathmete Begleiterin kann nicht schnell genug folgen. Von der höchsten Spitze des Thurms stürzt sie sich herab, bleibt mit dem Kleide am Uhrzeiger hängen, fällt dann tiefer, auf ein baufälliges Haus, schlägt durch das Dach, durch den Boden, und sinkt in die Stube und zu den Füßen eines dort wohnenden Geistlichen. Das Mädchen trug einen rosafarbnen seidnen Mantel. Sie steht vor meinen Augen. Ein noch

7

Vgl. Br. 10.

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lebender alter General ist gewohnt, täglich wenn er am Thurme vorbeigeht, hienaufzusehen um seine Uhr zu richten. An jenem Tage da er gerade hienaufblickte, sah er das Mädchen am Zeiger hängen. Die Schwestern und Brüder des Mädchens leben noch alle und sind glücklich verheirathet. Jezt giebt es keine Klöster mehr, aber wer sammelt den verwehten Staub und wer belebt ihn wieder jenes Schlachtopfers menschlicher Raserei? Habe ich nicht Recht, möchte man nicht ein Tÿger seÿn, um diese Hÿänen zu zerfleischen? Erst 52 Jahre alt wäre jezt das Mädchen, und vielleicht glückliche Mutter vieler Kinder! Und jezt wollen sie, nicht im Fieberwahne wie damals, sondern gesund und mit kaltem Blute, das teuflische Spiel von vorn anfangen. In Oesterreich in Italien haben sie es schon begonnen, und in weniger als 4 Wochen werden Sie hören, wie alle die Pagen welche der heiligen Allianz8 die Schleppe tragen, wie alle die nichtswürdigen kleinen Fürsten sich anschließen und hinter drein stürzen. Es wird ihnen nicht gelingen, aber schon der Wille ist so schrecklich, daß die That das Verbrechen nicht vergrößert. Ich bin kalt, überlegt, berechnend, selbstsüchtig, aber träte mir jezt ein Unternehmen vor die Augen, das wirkte, wenn auch nur zur Aufmunterung, ich wüßte nicht, ob ich sie unterließe. – – Sagen Sie mir warum Ihnen meine Garderobe so große Sorge macht? Kann mein edles Herz nicht auch unter einem zerrissenen Mantel schlagen? Ich danke Gott, daß ich darüber hienaus bin, und wenn ich Millionen hätte, ich trüge keine bessere Kleider, mein Kammerdiener müsste mir denn die alten wegnehmen. In meinem schwarzen Rockchen sehe ich göttlich aus. An Gallatagen suche ich wenigstens einen Knopf zuzubringen, und da kracht mir das Herz im Leibe.– Die Iris worin der Kirchner gesprochen habe ich noch nicht gelesen. Ich glaubte doch es Ihnen oft gesagt zu haben, daß der Kirchner nicht ein bischen Geist hat. Ueber Rousseau und Bÿron haben Sie vortrefflich gesprochen. Ueberhaupt schreiben Sie seit einiger Zeit die herrlichsten Briefe. Dabei gewinne ich zwar nichts, Ihre Briefe, wie sie auch seien, machen mir so viele Freude, daß sie nicht erfreulicher werden können. Aber ich bemerke doch mit einigem stolz, daß Sie besser schreiben als noch im vorigen Jahre, und ich rede mir ein, Sie hätten Sich etwas an mir ausgebildete. Ich betheuere Ihnen auf ’s heiligste, daß ich Ihnen nicht schmeichlen 8

Ein unter der Führung Zar Alexanders I. (1777–1825) 1815 begründetes u. 1820 erneuertes Bündnis der drei konservativen Mächte Russland, Österreich u. Preußen zur Sicherung der inneren und äußeren Ordnung Europas gegen Revolutionen u. Freiheitsbewegungen.

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will, wenn ich sage, Ihre Briefe müssen Jeden auch den sie nicht entzücken wie mich, im höchsten Grade anziehen. Manchmal bin ich ganz ärgerlich darüber, wenn ich gestehen muß, daß Sie mit viel mehr Leichtigkeit schreiben als ich. Ich schreibe wie ein Buch, ob ich zwar nicht darauf ausgehe; doch das ist ein großer Fehler. – Wie! Einer meiner Briefe ist Straßenräubern in die Hände gefallen? Sie sehen, wie wenig er werth war, die Spitzbuben haben ihn nicht einmal behalten. Das ist sehr schimpflich für den Verfasser der Wage. – Also, Sie wollen mir schreiben bis ich Halt rufe! Nun: Halt! Rechts um kehrt euch! Marsch! – Adieu mein schöner Engel, mein schöner Engel, mein schöner Engel, mein schöner Engel (bis) Dr. Börne, geb. Wohl.

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A n L udw i g Bö r n e i n M ü n ch en. [Frankfurt], den 23. u. 24. Dezember 1821.

32i 33 Fortsetzung einiger noch restirenden Bogen. –– Wie halten Sie Haus? Noch so leichtsinnig, noch ein so großer kleiner Verschwender? Wem kaufen Sie hübsche reich verzierte Paraplui kostbare Kästchen, Cristalgläßer aller Art, Steindruck, alte und neue Litteratur? Bei wie vielen Zuckerbäkkern sind Sie schon herumgestiegen, O die herrliche Weihnachtzeit! Das kindliche liebliche Fest, so recht erwählt für das Gemüth eines kleinen schiffend Baruch! Wie viele Centner Babillots,1 Pfefferkuchen, Bisquit, Marzipan. Wie viele Bogen Devisen, wie viele Tutzend Neujahrswünsche, wie viele hundert Almanache, haben Sie schon eingekramt, mein süßer theurer Freund? Hm,- Wie viel brauchen Sie Wöchentlich, Monatlich? Ich habe in meinem Vorigen eine falsche Berechnung gemacht. Wenn Sie noch der Alte sind, reichen alle Hunderte nicht aus, wenn Sie aber in sich gegangen, und ordentlicher leben, brauchen Sie wohl keine hundert Gulden mo-

i

O. O. u. D. – hs. Zus. e. Bearb.: »Aus München Ffurt 23 Dceb 1821 –« (Br.k.). – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg bei Herrn Königshöfer Nr 41 Max-Joseph:Platz in München (Kuvert).

1

Papillote. eine in Papier mit einem Spruch oder Vers eingeschlagene Süßigkeit.

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natlich. –– Der Schauspieler Haas2 heirathet eine bejahrte Wittwe die f 50 000 im Vermögen, aus Neigung wie man sagt. Noch eine Stadtneuigkeit. Vor einigen Tagen wird morgens um 4 Uhr die Sturmglocke geläutet. Alles lauft erschrocken in den Strasen „Wo brennt’s“? Im Thürmer sein Kopf! Der hatte nemlich zu tief ins Glas gegukt, und stat der gewöhnlichen, die Sturmgloke geläutet. Ein ächter khräwinkel3 Spas. Mals giebt ihm wohl noch eine Boutelle obendrein, für den gelieferten Lustspiel Stoff. – Warum klagen Sie wieder über Geld Noth, über den kleinen Mangel von 60 Karolin? Waren Sie denn je darauf bedacht wie ein guter Wirth auf Fälle der Noth Vorrath zu sammeln? Doch diesmal können Sie sich wegen dem Mangel an Baarem beruhigen. Es wäre mit Geld allein nicht auszumachen. Wenn Dr. G.4 nicht in Geschäften gienge, wäre er unter keiner andern Bedingung dazu zu bewegen, selbst wenn er Kostenfrei reisen könnte. Warum sollte er es auch? Um das lästige Vergnügen zu haben mit zwei Frauenzimmer zu reisen, wovon die eine noch obendrein eine eigene Frau ist. Sie müßen die Sache nicht zu ernst nehmen, und wenn nichts daraus wird, wie sehr wahrscheinlich, sie zu den übrigen fehlgeschlagenen Wünschen und Hoffnungen des Lebens zählen. Auch wollte ich Ihnen nur mit diesem kleinen Anschlag beweisen, daß es immer noch Möglichkeiten giebt, sich auser den Mauern Ffurts wiederzusehen. – Brieflich ist der Humor Ihres Freundes St.5 nicht sehr ergötzlich, auser dem Worte „zuschustern“ habe ich auch gar nichts malerisches in seinem Stÿle entdeckt. In der mündlichen Unterhaltung ist er ein ganz anderer Mann. Ja, das ist nicht zu leugnen, wie viele interressante Stunden haben mir seine „Erinnerungen“ gewärt, doch daß wissen Sie ja schon alles, wie sehr ich mir in seiner Gesellschaft gefallen habe. – Ihr Vater sagt, Sie wären ein Windbeutel? Ihr Vater muß Sie kennen! Gegen eine solche Autorität läßt sich nichts einwenden. – Sie müßen also abwarten, darauf hoffen, daß die Eigenthümer der Nekarz. in dem Stande kommen Ihnen bessere Bedingungen zu machen, dahin ist es mit Ihnen gekommen?! Sie! Der Sie Andre besolden könnten! 2

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Der Frankfurter Sänger u. Schauspieler Johann Georg Haas (1763–1835), seit 1789 am Frankf. Theater engagiert, heiratete im Dezember 1821 die Witwe Catharina Gertrude Dary geb. May (gest. 1832). Vgl. Jean Paul, Das heimliche Klagelied der jetzigen Männer (1801) u. Kotzebue, Die Deutschen Kleinstädter (1803), Carolus Magnus (1806) u. Des Esels Schatten, oder: Der Proceß in Krähwinkel (1810). Goldschmidt. Stiefel (vgl. Br. 73).

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„Sie sehen mein theurer Freund, wie auf dieser Erde der Gerechte erkannt – und verdient belohnt wird“! –– Nr 33 Montag 24 Dezember Sie haben viel verwirrt und verdorben, und mich und sich aus dem Geleis gebracht. Sie wollten mir etwas Angenehmes sagen, und haben es verfehlt. Wer hätte glauben sollen, daß der feinste, scharfsinnigste, eleganteste Schriftsteller seiner Zeit, einen solchen Mißgriff thun könnte! „Ich hätte mich etwas an Sie ausgebildet“ – und gleich darauf, die Selbstanklage „Sie schrieben wie ein Buch“! Ich will diese Wiedersprüche unerörtert lassen, aber ich will Ihnen nur meine Empfindungen sagen, die mir nach dieser Phraße, und nach lesung Ihres – ganzen Briefes geblieben sind. Ich habe manchmal keine Vorstellung davon, es bleibt mir ein unerklärliches Räthsel und Wunder, wodurch es eigentlich bewirkt worden, daß ich Ihnen so offen und unbefangen schreibe. Ich bin zu schüchtern und verzagt meinen besten genausten Freunden nur ein Billett, ein paar Zeilen zu schreiben, und mit Ihnen rede ich über die geheimsten Empfindungen meines Herzens, über alles waß um und in mir vorgeht, jezt kommen Sie und sagen „ich schreibe schöne Briefe“! Daß hat mich seltsam bewegt. Sie haben mich aufmerksam gemacht, daß ich etwas lernen sollte, daß ich bei unserem Briefwechsel stÿlistisch profitiren könnte, an dem allen hatte ich nicht gedacht, wie hätte ich es sonst je über mich vermocht Ihnen zu schreiben. Mein lieber Freund, lernen, ist ein wunderliches Wort. Es giebt Verhältnisse und Bestimmungen wo die höchste Kunst, die gediegenste Ausbildung wäre – zu verlernen. Bei Frauen besonders entwikeln sich Fähigkeiten und Anlagen nur dann günstig, wenn daß Glück sie freundlich behandelt –– ich habe allen Ansprüchen auf Fertigkeiten und Wissen entsagt.– Genug von mir! Warum schreiben Sie wie ein Buch? Macht es Ihnen denn keine Freude mehr mit mir zu reden? Sind Sie denn nicht recht heiterer Laune? Daß Wetter – kann auch Einfluß haben. Menschen von Ihrem Naturell sind –– allem Wechsel unterworfen. Wir wollen munter sein, weg mit allem Trübsinn und Ernst! Daß neue Jahr kömmt heran, wir wollen ihm freundliche Gesichter zeigen, vielleicht versöhnt die Zukunft mit dem waß vergangen. Sind Sie nicht erstaunt mit welcher stoischen Ruhe ich schon früher auf die nicht Erfüllung meiner Carnevals=Reise gefaßt war? Ich finde diese Gegensätze „Carneval, Stoisch, und eine vereitelte Frauenzimmer=Reise, wo es viel zu tanzen gegeben hätte, recht kräftig, recht kernig, recht malerisch. Das ist eine schöne, eine gelungene Stelle, die muß sich herrlich in meinem Briefe ausnehmen, waß halten Sie von meinem Stÿl? Wie sollte es auch anders! Ich werde doch meinem, und einem sol-

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chen Meister Ehre machen. Aber geben Sie nur acht daß ich Ihnen nicht über den Kopf wachse, denn unter uns (daß Publikum solls nicht erfahren) Ihre Bilder sind doch öftersii nicht sehr gewählt „die Katze läßt daß Mausen nicht“!! – Welch ein Glück daß meine guten Gaben, mich in der rechten, ächten, nicht schlechten ästhetischen Ansicht aufrecht erhalten werden! Wenn ich in Ihrer Manier verfiele mein hoher Meister, in welche Irrwege der Stÿlistick würde ich zu gerathen gefahr laufen! Auch Ihre Sinnreiche Erfindungen, treffen nicht mehr so recht „den Nagel auf dem Kopfe“ denn es hätte warlich das Frag und Antwort Spiel, und der Schluß=Phrase „Jezt wissen Sie woran Sie sind“ – nicht bedurft, denn – mit Ihnen – weiß ich schon gar lange –– woran ich bin. Es ist eben schlimm, Sie waren leider eine Zeitlang auser Thätigkeit gesetzt. Gott sieht daß Herz, und dem allein werden auch die fromme Gründe Ihres langen Müßiggangs bekannt sein. Ein frommes Gemüth wie daß Ihrige berichtet nur seinem Schöpfer, und kümmert sich weder an dem Urtheil noch Antheil der irrdischen Erdenkinder. Ich ärgere mich gar nicht, mein theurer Freund ich weiß ja „Uebung macht den Meister“ (schön!) und da Sie nun in der letzten kurzen Zeit, ich weiß nicht von wie viel Monate, ausser Uebung gekommen, so werden Sie sich nun wieder mit kleinen anspruchlosen Versuchen in der Nekarz. per doppelt Bogeniii f 32.30 (sehr bescheiden) ans Tageslicht heranwagen. Sie demüthiger Mensch werden gar zum Kinde, und gehen wie ein bestrafter gebesserter Knabe von neuem in die Schule, da sollten Sie aber doch billig stat zwischen 5 und 9 Uhr Morgens, wenigstens um 8te aufstehn, Sie versäumen ja die beste Schulzeit „Morgen Stund, hat Gold im Mund“ mein lieber Anfänger! Hübsch fleißig, hübsch fleißig! Daß nicht die mich so tief betrübende Prophezeiung eintreffe „es wird sein lebtag nichts aus ihm, er ist, und war, und bleibt –– – – –!“ Wie gefällt Ihnen der hr. Cantor, versteht der nicht seinen Text? O, ich kann auch Spas machen! Doch wäre mein Wunsch daß Sie mir erfreulichern Stoff dazu lieferten. Adieu mein liebes Schulkind von 36 Jahren. Hätte ich gewußt daß Sie so große Rück . . . Fortschritte wollte ich sagen, gemacht, hätte ich Ihnen zum Christgeschenk ein recht hübsch nettes Bücherränzgen geschickt, angefüllt mit köstlichem Naschwerk. Ich kenne daß liebe Kind schon, das hätte ihm besser behagt als alle Lehren Ciceros, alle Weisheit der Alten, und aller gut ge-

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ÜdZ: ers. Orig.: Bogeen.

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meinten Lehren und Predigten seiner gehorsamen Dienerin. (Schön! guter Schluß, das Muster eines schönen Briefs!) Ich habe Ihnen Bösewicht wieder „Futterkraut“ für Ihren Spott geliefert. Ich habe mich einer Beschämung ausgesetzt. Sie werden den Irrthum mit Kirschner, und daß er nur vorgetragen, wovon ich ihn in der Eile des Lesens fälschlich für den Verfasser hielt, schon erkannt haben, auch ist Fortsetzung und Schluß weit besser „Schuster bleib bei Deinem Leisten“ und – Frau, in Deiner Küche“! Ich weiß schon alles, machen Sie mir also keine Anmerkungen darüber, daß dieser Vorstos und – noch vieles Andre, daraus entspringt – daß ich keine Küche habe. –– Warum haben Sie halt gerufen, da ich noch weiter schreiben soll, und Sie noch in München bleiben? Ich war beinahe versucht nicht zu schreiben, Sie müßen mich aber auch nicht mit Kindereien verwirren. – Die zierliche Schreibart der letzten Blatt-Seite müßen Sie nicht so wohl einem Schonheitssinne, als vielmehr oekonomischen Gründen zurechnen. Es geht nun einmal nicht – Ihnen gegenüber scheitern die wohlberechnetsten Sparanstalten, und Sie müßen trotz meinen freundlichen Absichten gegen Sie, ein Blatt porto mehr bezahlen. Der Bernhardt6 sagte mir, daß Ihr Bruder gestern Vormittag auf der Post, einen dicken Brief worin gedrucktes gelegen, mit Ihrer Adresse erhalten habe, er habe gewaltig neugierig durch alle Briefspältchen geguckt, der wird wichtigkeiten daraus erfahren haben! Was die Leute Narren sind, viele haben sich neugierig um ihn gedrängt, Ich bin so glücklich mich zu nennen, die Freundin des Neugiererregenden // // / / / / / / / / / / / / / / / / // Dr Börne, und seine gehorsame Schülerin in / / / / der Stÿlistick // // // J. W.

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Bernhard Jakob Rindskopf (vgl. Br. 26).

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt . München, den 24. Dezember 1821.

Nr. 34. München. D. 24 Dez. 1821.i Ungerathenes Kind, warum hast Du mir heute nicht geschrieben? Hätte ich wissen können, daß Du so eine Rabentochter werden würdest, in der Wiege hätte ich Dich erwürgt. Nicht wahr, wenn Du ein neues Kleid einen Hut brauchst, dann bin ich Dein lieber guter Papa. Ich will aber auch meine Hand von Dir abziehen, ins Kloster will ich Dich stecken. . Bin ich nicht lustig? Ach der Schein trügt. Zum erstenmale in meinem Leben ist die Sorge bei mir eingekehrt. Ich weiß nicht ist man glücklich oder unglücklich im 36sten Jahre des Alters so sprechen zu können. Hören Sie. Es wird mir immer sichtlicher und wahrscheinlicher, daß mein Vater mit dem Gedanken umgeht, mich in Oesterreichische Dienste zu bringen. Er hat meiner Mutter wieder geschrieben, sie hat mir den Brief vorgelesen. Ich theile Ihnen seinen Inhalt wörtlich mit, so viel ich davon im Kopfe behalten. Merken Sie wohl darauf, denn ich werde Ihnen die Bedeutung der anscheinend gleichgültigen Scherzreden klar machen. „Wenn der Doktor nach Wien reist, soll er sich nur im München beim Oesterreichischen Gesandten melden, der wird ihm einen Pass geben – Wasch ihm Hände und Gesicht sauber – nehm ihm die Schnupftobacks=Dose weg – lass ihm einen schwarzes Kleid machen Rock, kurze Hosen, lass ihm ein Paar Schuh machen – Wenn es ihm an Wäsche fehlt, so will ich ihm hier welche geben – geb’ ihm Reisegeld – er soll mir den Tag bestimmen wenn er hier ankömmt, u. s. w.“ . . Mein Vater ist so heines,1 was er ob zwar im Herzen sehr zärtlich gegen seine Kinder, nie sonst ist, daß mir ganz wehmüthig zu Muthe wird. Er hat meiner Mutter einen bedeutenden Wechsel geschickt, um alle nöthigen Ausgaben für mich zu bestreiten. Meine Mutter2 hat sich entschlossen mir nicht blos ein schwarzes Kleid, sondern auch noch einen blauen Frack, einen Ueberrock, einige Westen, einige Hosen, Schuhe und Stiefel3 und was weiß ich was noch mehr machen zu lassen. Lachen Sie i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Jidd.: liebenswürdig, großzügig. Vgl. Br. 10. Vgl. Br. 73.

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nicht über diese Kleinigkeiten, ich werde geschmückt wie zu einem Opfer. Meine Mutter ist ökonomisch, und sie thut mehr als ihr aufgetragen wird! Mein Vater, obgleich mich auf Verlangen zuweilen unterstützend, war doch niemals zuvorkommend großmüthig gegen mich. Noch einmal schon in mehrern Briefen hat er sich Heines über mich geäussert, und ich kenne seine Weltkluge Art; er sucht mich zu gewinnen. Daß der Oesterreichische Gesandte den Auftrag hat mir einen Pass zu geben, mir einen zu geben, er der erst kürzlich (wie ich in die Neckarzeitung habe setzen lassen) von seinem Hofe den Befehl erhalten, auch keinem Gelehrten auch nicht einmal seinen Pass nach Wien zu visiren, das ist eine ausgezeichnete Gunst die mich erschreckt. Warum liegt meinem Vater so viel daran, mich in Wien zu haben? Mir ist es so klar wie der Tag, daß ihm eine Anstellung für mich zugesagt worden. Wie ich darüber denke wissen Sie, was ich bei diesem Gedanken fühle, wissen Sie nicht ganz. Wenn ich mich verführen, wenn ich aus Liebe zu meinem Vater nachgäbe, es könnte mich zum Selbstmorde bringen. Wie stark und offen habe ich nicht mündlich und schriftlich meine Ansichten ausgesprochen! Mit welcher Wuth ziehe ich nicht täglich an öffentlichen Orten gegen Oesterreich los! Ich thue es hier ich habe es in Frankfurt und Stuttgart gethan. Wenn ich jezt zu meinen Feinden überträte, würden selbst meine Freunde glauben, ich sei immer ein geheimer Spion der Oesterreichischen Regierung gewesen, und ich hätte nur gegen sie gesprochen, um die Leute auszuhorchen. Sie sind meine Freundin, Sie kennen mich, Sie wissen daß ich nicht eitel bin. Vielleicht sind es trübe Grillen, vielleicht denkt man gar nicht daran, mich in Dienst zu nehmen, das mag seÿn, aber wenigstens ist es die Eitelkeit nicht die mich verblendet, und mir einflüstert, daß man in Wien so großen Werth auf mich läge. Wie ich die Dinge klar erkenne, wäre mich zu gewinnen, für die Oesterreicher eine gewonnene Schlacht. Nicht zu gedenken, daß sie ausser Genz4 (der jezt todtkrank vielleicht schon gestorben ist) keinen haben der so gut schriebe als ich, ja daß ich in mancher Beziehung noch brauchbarer wäre, weil ich die Gabe des Witzes wodurch man auf die Menge wirkt, besitze, und ich besser als selbst die Ultras die schwache und lächerliche Seite der deutschen Liberalen kenne – so wäre in mir die ganze liberale Partheÿ geschlagen. Es war eine solche Redlichkeit eine solche Unbefangenheit in meinen öffentlichen politischen Aeusserungen, daß ich, wie ich von meh-

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Vgl. Br. 36.

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rern Seiten erfahren, selbst den Wiener Ultras Achtung eingeflößt habe, ob zwar keiner sich so feindlich als ich gezeigt hat. Sie mussten gestehen, daß ich es aufrichtig meinte, wenn ich auch irrte. Wem soll man ferner trauen wenn ich die gute Sache verrathe? Ich selbst traue keinem einzigen deutschen Liberalen, ich würde mit meinem Leben dafür bürgen, daß sie sich alle mit Geld erkaufen ließen. Wollte ich auch mit meinem Gewissen zerfallen, das wäre das Größte aber nicht das einzige Unglück, das mir in Oesterreichischen Diensten bevorstünde. Man würde mir dort nie trauen, und ich lebte wie [in] ewiger Gefangenschaft. Genz war zwar früher auch liberal, er aber konnte Bürgschaft geben seiner aufrichtigen Bekehrung die ich nicht geben kann. Genz war schon viele Jahre ehe er in Oester. Dienste trat, an England verkauft.5 Er ist sinnlich, verschwenderisch, der lüderlichste Mensch im Lande, er läßt sich jeden Vormittag eine Bouillon von 15 Pfund Fleisch kochen. Ich bin nicht der Art, wenn ich in Wien nichts zu Nacht esse, werde ich schon für einen Carbonari6 gehalten. Liebe Freundin was soll ich machen? Sie sind schon einmal ungeduldig geworden über diese Zweifel; Sie werden wieder sagen, nehmen Sie keinen Dienst an oder gehen Sie gar nicht nach Wien. Das ist eben was mir Kummer macht. Mein Vater will mein Glück begründen, er ist auch ehrgeizig, und es liegt so viel rührendes darin, wenn ein Vater sich in seinem Sohne geehrt fühlt, daß ich ohne Schmerz nicht daran denken kann, ihm diesen Genuß versagen zu müssen. Ich habe meinem Vater schon so viel Verdruß gemacht, nicht durch Bösartigkeit, aber durch meine eigenthümliche Weise zu denken und zu handeln, daß ich mich glücklich schätzen würde ihm etwas zu Wunsche zu thun. Aber hierin könnte ich ihm nicht nachgeben. Vergebens aber wäre alle meine Vorstellungen, er verstünde mich so wenig als er das Bellen eines Hundes versteht. Eine vortheilhafte Anstellung auszuschlagen! – er würde mich für Wahnsinnig, oder für einen schlechten leichtsinnigen Menschen halten. Mein Vater ist ein Hofmann, hat von seiner Kindheit an unter Hofleuten gelebt, mit Fürsten verkehrt. Er ist so verstockt wie 5

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Mit diesem Vorwurf sah sich Friedrich Gentz häufig konfrontiert, wohl vor allem deshalb, weil es ihm gelang, seinen Lebensunterhalt weitgehend aus seiner publizistischen Tätigkeit zu bestreiten. Formal seit 1802 im österreichischen Staatsdienst, bewunderte er England aufgrund seiner ausgewogenen inneren Verfassung und seiner Gleichgewichtspolitik in Europa, die ihm ein ideales Vorbild zur Vermeidung revolutionärer Erschütterungen zu geben schien. Anspielung auf die italienische Geheimverbindung der Carboneria, deren Ziel die Einheit und Unabhängigkeit Italiens war.

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ein Minister. Wenn ich mich auch aller ihm schwärmerisch dünkenden Aeusserungen von Freiheit Redlichkeit Unabhängigkeit gegen ihn enthalten wollte, wenn ich auch um in seiner Art zu reden, ihm sagte: es seÿ nicht klug es jezt mit den Höfen zu halten, man müsste mit den Wölfen heulen, und die Wölfe wären heute die Liberalen, er würde lachen aber mit Ingrimm lachen. Er glaubt so fest an die Fortdauer der jezt bestehenden Dinge, wie er an Gott glaubt. Sie selbst, liebe Freundin, haben keinen Begriff davon, wie man jezt verachtet und verfolgt wird, wenn man es nicht mit den liberalen hält. In Frankfurt erfährt man das gar nicht. Ich bin der einzige der Nachsicht mit den Ultra’s hat, es ist mir kein zweiter begegnet der so duldsam wäre. Ich kenne schlechte und feile Menschen, die um Geld alles thäten und schrieben, sie aber auch nehmen wenigstens den Schein des Liberalismus an, so allmächtig und verbreitet ist die Sitte. Der arme Dr. Pfeilschifter7 der jezt hier ist, und der von Madrid kömmt, wird in allen Zeitungen verspottet, weil er in der allgemeinen Zeitung8 die Berichte im royalistischen Interesse abgefasst. Dabei ist er ein aufrichtiger Ultra, nicht des Interesses wegen. Cotta gab ihm jährlich 1800 fl., weil er aber seiner Meinung treu blieb und nicht liberal schreiben wollte, gab er lieber seinen Gehalt auf. Er ist übrigens ein unbedeutender Mensch, und doch verfolgt ihn die öffentliche Meinung. Alle Zeitungen erzählen, er hätte eine Anstellung in Wien erhalten, und fände jezt die Belohnung seiner Anhänglichkeit. Es ist kein wahres Wort daran, ich habe ihn selbst gefragt, aber ein Pariser Blatt hat die Lüge in Umlauf gebracht um ihn verhaßt und lächerlich zu machen. Hr. v. Haller9 ein aufrichtiger Ultra, und einer der geistreichsten Schriftsteller wird auf die nehmliche Art in den Blättern geneckt, und von ihm erzählt, er habe einen Ruf nach Wien erhalten. Was würden sie von mir sagen? Schon eine blose Lustreise nach Wien würde mich verdächtig machen. – – Ich will Ihnen jezt sagen was ich zu thun beschlossen habe. Nach Wien gehe ich auf keine Weise. Hier bleiben kann ich aber auch 7 8 9

Vgl. Br. 84. Die Augsburger Allgemeine Zeitung. Karl Ludwig v. Haller (1768–1854), konservativer Schweizer Schriftsteller u. Politiker. H.s bekanntestes Werk Die Restauration der Staats-Wissenschaft oder Theorie des natürlich-geselligen Zustandes, der Chimäre des künstlich-bürgerlichen entgegengesetzt (6 Bde.) erschien 1816–1825 u. gab der Restaurationsepoche ihren Namen. Er stellte sich 1821 in Paris als Publizist in den Dienst der Ultra-Royalisten. B benutzt den Begriff Ultras als allgem. Bezeichnung für die konservativen Anhänger der Restauration in Europa.

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nicht, ich muß aus der Nähe meines Vaters und meiner Mutter weg. Von meinem festen Entschlusse nicht nach Wien zu gehen, habe ich meiner Mutter zwar nichts gesagt, aber so viel, daß ich erst nach einigen Wochen abreisen könne. Und da schon war sie ver[p]blüfft und verdrüsslich. Ich fürchte mich vor mir selber, ich fürchte dem Verlangen meines Vaters, den Einreden meiner Mutter und Schwester und meines Schwagers nachzugeben. Ich werde an die Redactoren der Neck[e]arzeitung schreiben ob sie mir Geld vorschießen wollen nach Paris zu reisen, um dort ihre Correspondenz zu führen. Thun sie es, so reise ich nach Paris. Wo nicht, nehme ich die 100 fl. die Sie mir schicken wollen, und gehe, wozu die Summe hinreicht, nach Aarau in der Schweiz. Dort erscheinen einige Zeitschriften, die mir gewissen und schnellen Erwerb zusichern. Auf jeden Fall besorgen Sie mir von Frankfurt einen Pass nach Paris. Lassen Sie durch Samuel, einliegendes Zettelchen auf die Polizei an Hrn. Schrambach10, und wenn etwa dieser nicht mehr angestellt wäre, an denjenigen der Actuare geben, welcher die Pässe ausstellt. Hat er den Pass erhalten, dann muß er ihn dem französischen Gesandten zur Unterschrift geben. Sie schicken mir ihn dann sogleich. Sie müssen aber Samuel das größte Geheimhalten dieser Sache abfordern. Gehe ich für Rechnung der Neck[e]arzeitung nach Paris, so sage ich meinem Vater das Verhältnis der Sache, gehe ich aber nach der Schweiz, so mache ich ihm weiß, ich wäre dahin gerufen worden, um an der Aarauer Zeitung11 zu arbeiten. Wie Sie aus dem beiliegenden Zettelchen ersehen, lasse ich den Pass nach Frankreich und der Schweiz ausstellen. – – Halten Sie den Inhalt dieses Briefes vor jedermann geheim, mit Ausnahme des Dr. Reis u. Stiebel. Ich fordere besonders, daß Sie dem Dr. Goldschmith12 nichts davon sagen, ich habe meine Ursachen. Mit den Andern aber (unter Abfordern des Stillschweigens) überlegen Sie ob ich nach Wien gehen soll. Schreiben Sie mir ausführliche Antwort. Wenn, was ich glaube, am Tage der Ankunft meines Briefes, die Post abgeht, und Sie zur Antwort nicht Zeit genug hätten, schreiben Sie mir gleich am andern Tage, ohne die regelmäßige Post abzuwarten, ich bekomme ihn dann doch 24 Stunden früher – – Der Pass muß Vormittags bestellt werden, und kostet 45 kr. – Von meinen Beiträgen in die Neck[e]arzeitung ist ein Brief von 10 11

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P.W. Schrambach, Polizeischreiber. Die 1814 erschienene liberale Aarauer Zeitung war im Juni 1821 durch die Zensur vorübergehend verboten worden. Vgl. Br. 10.

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München abgedruckt. Die Zensur hat alles gestrichen, was ich von Bemerkungen angebracht, so daß nichts als ein trockner langweiliger Bericht übrig geblieben.13 So wird es wohl mit allem gehen. Ich habe schon vieles geschickt, und schicke heute wieder; wahrlich von den besten Dingen die ich je geschrieben. Wie ich mich ärgere über die verdammte Zensur! Und doch werde ich fortfahren, um des Geldes Willen. Nie aber soll mich Geld verleiten, etwas zu thun was mich Ihrer unwürdig machte. Adieu Dr. Börne, in Freud und Leid, aber nie in Schlechtigkeit geb. Wohl

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An Jeanet te Wohl in [Frankfurt ]. München, den 26. u. 27. Dezember 1821.

Nr. 35. München 26 Dez. 1821.i Diesen Morgen war mein Zimmer ein Lager. Offiziere, Kriegskommissaire, ab= und zugehenden Ordonnanzen welche rapportirten. Nehmlich auf dem Plaze wo ich wohne, war zu Ehren eines Prinzen der den hiesigen Hof besuchte, eine große glänzende Parade.1 Einige Offiziere meiner Bekanntschaft, die nichts dabei zu thun hatten, kamen herauf meine Fenster zu benutzen, brachten noch Andere mit bis endlich die Stube voll. Eine Teufelswirthschaft. Ich in meinem Schlafpelz, zerrissene Wollschuhe an den Füßen, die Tabackspfeife im Munde, sah mahlerisch aus unter den vergoldeten bebänderten Riesen. Hätte mich nicht mein innerer kecker Humor aufrecht erhalten, wahrhaftig ich hätte mich geschämt meiner gar zu erbärmlichen Magistergestalt. Meine Stube hat nur zwei Fenster, das Gesimse des Einen dient mir zum Büchergestelle. Da verkündigte Trompetenge-

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O. Adr.

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Deutschland. München, 15. Dec. in: Neckar-Zeitung, Nr. 351 v. 21. Dezember 1821.

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Die Münchner politische Zeitung vom 28. Dezember 1821 (Nr. 306) berichtet am 27. Dezember über eine Truppenparade aus Anlaß des Besuchs des Erbprinzen von Mecklenburg-Schwerin in München: „Gestern Vormittag hatten sich die königl. Garden zu Pferd und zu Fuß, so wie die übrigen Truppen der hiesigen Besatzung in der Nähe der königl. Residenz aufgestellt, um von Sr. k. Hoheit besichtigt zu werden.“

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schmetter die Ankunft des Prinzen, das Fenster mußte schnell geöffnet, die Bibliothek weggeräumt werden. Was von Büchern auf die Erde fiel, blieb liegen, die übrigen warf ich auf ’s Bett. Ein Theil des Fußbodens und alle Stühle waren mit Wäsche überschneit, und der Schnee war etwas schmutzig. Zwanzig mal sagten sie mir mit der größten Ernsthaftigkeit: Herr Doktor, knöpfen Sie sich ja vorn recht zu, damit Sie sich nicht erkälten. Ich, um die Unordnung nicht lächerlich werden zu lassen, karrikirte sie und vermehrte vorsätzlich die Verwirrung. Alles warf ich untereinander. Sehen Sie, es geht wahrhaftig so nicht länger, ich muß heirathen. Kann ich ja kein ordentlichen Menschen in mein Zimmer führen, ohne mich zu schämen. Ach, treues Herz, könnte ich nur eine Stunde mit Dir sprechen! Was hilft ein enger Brief? Das sind nur einige Tropfen, und mir ist die Seele so voll, daß ich zu Ader lassen müsste um gesund zu werden. In welcher Beklemmung ich vorgestern war, da ich Ihnen den lezten Brief schrieb, in welcher Bewegung ich ihn geschrieben, Sie glauben es nicht. Ich selbst habe erst entdeckt, daß es ein wahre Leidenschaft ist, was ich sonst nur für eine ruhige Anhänglichkeit in mir gehalten. Es ist närrisch, die neuen Kleider die ich haben sollte, waren es am meisten die mich in eine fieberhafte Unruhe gestürzt! Meine Mutter2 hatte, den Auftrag meines Vaters gemäß, unsern Familien=Agenten Vohs zu mir geschickt, um mit mir zu verabreden, was ich an Kleidungsstücken zu meiner Reise nöthig hätte. Ich, im Herzen entschlossen nicht nach Wien zu reisen, hatte die Schwachheit mich der vielen schönen Kleider zu erfreuen. Die will ich mir auf jeden Fall machen lassen, dachte ich, und erst hinterher meine Gesinnung äussern. Ich schickte also den Vohs mit dem Verzeichnisse meiner Bedürfnisse zu meiner Mutter, die sich vorgenommen hatte, noch am nehmlichen Tage alles einzukaufen. Da er fort war, fing sich mein Gewissen an zu regen. Ich konnte mir nicht verhehlen es sei eine Art Betrug wenn ich in diesen Verhältnissen die Geschenke meines Vaters annähme. Es trieb mich wegzueilen um meine Mutter von ihrem Vorhaben abzuhalten, aber ich war mit dem Briefe an Sie beschäftigt und ich hatte keine Zeit zu verliehren, die Post drängte. Ich litt an einer unbeschreiblichen Angst, ich fürchtete, daß meine Mutter unterdessen den Einkauf besorgen möchte. Endlich war der Brief fertig, ich rannte fort, und erfuhr zu meinem Troste, daß noch nichts besorgt sei. Ich sagte meiner Mutter, da ich noch nicht ganz bestimmt wüßte, ob ich nach

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Vgl. Br. 10.

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Wien reiste, sollte sie wegen der Röcke noch abwarten. Sie hatte nichts dagegen. Meine Schwester und ihr Mann waren im Zimmer. Da fing nun lezterer an mir zuzureden, ich solle mein Glück nicht verscherzen, und gestand mir – nicht zwar daß er etwas Näheres davon weiß, was vielleicht der Fall ist – aber wenigstens er vermuthe allerdings, mein Vater müsse in Wien Aussichten für mich haben. Er fuhr fort mir alles so glänzend als möglich auszuschmücken. Da fing ich an zu sprechen, und ergoß mein ganzes Herz. Ich schilderte Wien, mich und unsere Zeit. Doch gewahrte ich, was Glaube und Begeisterung über Menschen von nüchternem Verstande vermögen. Meine Schwester ist eine sogenannte kluge Frau, mein Schwager ein Handelsmann dem Geld haben etwas Großes und Geld gewinnen das Größte ist, meine Mutter, was Sie sich denken können. Aber meine Rede hat großen Eindruck gemacht. Meine Mutter, die anfänglich lachte ward still, mein Schwager zog sich zurück, meine Schwester schien sogar gerührt. Da ich erklärte, ich würde München verlassen, um jeder Versuchung auszuweichen, baten sie mich da zu bleiben und versprachen mir, nicht mehr von der Sache zu sprechen. Aber ich fühle, daß ich unruhig bleiben werde, so lange ich hier bin, Mein Vater hat gestern wieder von mir geschrieben, meine Mutter las mir den Brief vor. Ich habe nicht darauf gehört oder den Inhalt vergessen, aber in allen Worten drückte sich der lebhafteste Wunsch und das Vergnügen aus, mich bald in Wien zu sehen. Wie mir das Wehe thut, und warum mir das so thut, können Sie sich in mich hieneinfühlen? Ich werde mich auf keine Weise übereilen mit dem Weggehen von hier, aber den Pass schicken Sie mir auf jeden Fall, daran ist nichts verlohren. – – Ich schrieb Ihnen ich würde von den Herausgebern der Neckarzeitung Vorschuß verlangen um nach Paris zu reisen, ich bin aber von diesem Gedanken wieder abgekommen. Erstens, werden Sie wahrscheinlich nicht damit einverstanden seÿn; Zweitens will ich mich in keine neue literarische Schulden stürzen; 3tens wird es jenen Herrn, wenn auch nicht an gutem Willen, doch vielleicht an Mitteln fehlen; 4tens und der Hauptgrund ist der: ich muß meinem Vater durch meine Abreise von hier, meinen Widerwillen gegen seine Wünsche unzweideutig zu erkennen geben, gehe ich aber nach Paris, so kann er meine Weigerung nach Wien zu gehen auf eine andere Art deuten. Nach der Schweiz zu gehen, werden Sie auch abentheuerlich finden. Das beste ist, wenn ich München verlassen (wovon Sie mir gewiß nicht abrathen werden, wenn Sie mich nur etwas verstanden haben) ich gehe wieder nach Stuttgart. – – Ich hatte einen Zettel in der Lotterie, deren Plan Sie mit meinem vorlezten Briefe erhalten haben, gekauft, um

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Ihnen mit dem Gewinnste ein Geschenk zu machen. Der Zettel ist auch mit einem Treffer herausgekommen. Was haben Sie gewonnen?. Eine kleine Suppenschüssel von schlechtem Steingut, 6 Batzen an Werth, eigentlich ein Nachtgeschirr mit einem Deckel darauf. Was bin ich geneckt worden! Ich habe das Schüsselchen meiner Schwester geschenkt, mit der Betheuerung: sie könne es brauchen wozu sie wolle, es würde mich gar nicht beleidigen. – Haben Sie das Werk der Frau von Stael De L’Allemagne3 gelesen? Ich bin jezt damit beschäfftigt. Schlagen Sie die Kapitel über Oesterreich und Wien nach. Sie spricht mit der möglichsten Schonung von der Oesterreichischen Regierung, sie will ihr guten Willen nicht absprechen, und doch was sagt sie von diesem Lande! Eine Frau wie die Stael, von solchem Geiste, von dieser Berühmtheit, die glänzendste Gesellschafterin Europens, reich, der hohen Aristokratie zugehörend, Necker’s Tochter, damals als sie in Wien war (1808) gleich Oesterreich eine Feindin Napoleons und der französischen Regierung – Sie können sich denken, wie sie dort aufgenommen worden, wie ihr alles entgegen gekommen ist. Sie hatte sich gewiss nicht zu beklagen, und, noch einmal, lesen Sie ihr Urtheil. Unter andern: „L’on trouve en Autriche beaucoup de choses excellentes, mais peu d’hommes vraiment supérieurs, car il n’y est pas fort utile de valoir mieux qu’un autre, on n’est pas envié pour cela, mais oublié, ce qui décourage encore plus. L’ambition persiste dans le désir d’obtenir des places, le génie se lasse lui=même; le génie au milieu de la société, est une douleur, une fièvre intérieure, dont il faudrait se faire traiter comme d’un mal, si les récompenses de la gloire n’en adoucissaient pas les peines.“ . . . „On se fait presque un scrupule en Autriche de favoriser les hommes supérieurs, et l’on aurait pu croire quelquefois que le gouvernement voulait pousser l’équité plus loin que la nature, et traiter d’une égale manière le talent et la médiocrité.“ – Diese Woche stand in Müllners Literatur=Blatt, eine kleine Rezension die Sie kennen, mit meiner Namensunterschrift.4 Schon vor 3 Monaten hatte ich sie eingeschickt. Es war damals als ich ihm wegen des Honorars schrieb. Sollte Müllner vielleicht, da er endlich den Artikel abdruckte, meine Forderung von 5 Carolin bewilligen wollen? Sollte er mir vielleicht nach Stutt3 4

Germaine de Staël, De l’Allemagne, 2 Bde. (1813). Geschichte des ewigen Juden, von ihm selbst geschrieben. Enthaltend einen kurzen und wahrhaften Abriß seiner bewundernswürdigen Reisen seit ungefähr achtzehn Hundert Jahren. Aus dem Frz. Gotha b. Ettinger 1821 in: Literatur-Blatt, Nr. 102 v. 21. Dezember 1821.

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gart geschrieben haben, und mir der Brief von dort nicht zugeschickt worden seÿn? Ich führe aber auch eine Lebensart! Cotta könnte die vortheilhafteste Pläne für mich haben, er weiß gar nicht, wo ich in der Welt zu finden bin. Ein sauberes Freundchen haben Sie an mir, meine liebe Madame Wohl! – Mit der Neckarzeitung, da habe ich einmal ein glänzendstes Glück gemacht! Daß sich Gott erbarme. Für einen Bogen so groß wie Steinthals Nase 6 Dukaten, und die Censur streicht mehr als die Hälfte, so daß ich 2 Bogen fertigen muß, um einen bezahlt zu erhalten. Und was sind das für magere abgeschmackte Ueberreste, welche sie drucken ließen. Ein gutes Geschäftsmännchen haben Sie an mir, meine liebe Madame Wohl! – 27 Dez. Sie liebes weiches Herz! Schon heute wieder einen Brief, und erst vor 8 Tagen haben Sie mir geschrieben. Das kann ich unmöglich annehmen. Es ist genug wenn Sie mir alle sechs Wochen schreiben. Fühlen Sie diesen grimmigen Spott? Ihr Herz ist ein Drachenfels, zwar so schön gelegen alsii jener am Rhein, aber um so schlimmer. So viel Bosheit bei so vieler Liebenswürdigkeit! Und auch heute haben Sie mir nicht schreiben wollen? Weil ich halt gerufen? Das habe ich zwar gethan, ich hatte aber gleich marsch hinzugesezt, das übersahen Sie wohl. – Woher es kommt, daß Sie mir so offen und unbefangen schreiben? Die liebe Unschuld! C’est L’amour qui a fait ça! – Mein Bruder hat einen Brief an mich bekommen? Das mag schon öfter geschehen seÿn, seit meiner Abreise; aber nie hat er mir einen zugeschickt. Ich ärgere mich auch gar nicht mehr darüber. Zweifeln Sie nur gar nicht, daß er meine Briefe nicht allein zurückhält sondern sie auch öffnet. Das sind jüdische Chochmes,5 dabei stirbt ein Jude so ruhig als hätte er eine Wohlthat begangen. – Ich habe bis jezt monatlich grade hundert Gulden gebraucht, und ich kann Sie versichern, daß ich gar nichts verschwendet habe. Doch habe ich seit meiner Entfernung von Frankfurt nichts für Kleider und Stiefel gebraucht, sonst hätte jene Summe nicht ausgereicht. Ich schrieb Ihnen, ich glaube in meinem lezten Briefe von den 100 fl. die Sie mir angebothen haben. Es versteht sich von selbst daß ich sie nur dann annehme, wenn Ihnen das Quartal von der Polizei ausgezahlt wird. Sollte dieses nicht geschehen, dann müssen Sie sich kein neues Opfer aufladen. Ich habe es so nöthig nicht, meine Mutter, die wenn ich nach Wien gegan-

ii

Orig.: alles.

5

Chochmess (jidd.): Weisheiten.

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gen wäre 300 fl. für mich hätte ausgeben müssen, wird sich nicht weigern mir einen Theil dieser Summe für die Reise nach Stuttgart zu geben, und dort werde ich das Nöthigste von der Neckarzeitung erwerben können. – Gestern las ich den Othello. Schön werdet Ihr Weiber beschrieben: „Ihr seÿd Gemählde ausser Hause, Im Zimmer Glocken, Kazen in der Küche, Heilige, wenn Ihr beleidigt, aber Teufel, wenn man euch kränkt, Komödiantinnen in Eurem Haushalt, Hausfraun in den Betten.“6 Zug für Zug wieiii Sie sind. Und mit solchen Wesen pflege ich freundschaftlichen Umgang! Ich will nichts mehr mit Ihnen zu thun haben. Adieu. Dr. Börne, geb. Wohl.

92.

An L udw i g Bö r n e i n M ü n ch en. [Frankfurt], den 28. Dezember 1821.

Nr. 34 Freitag 28 Dezember 1821i Mein lieber Freund! Ich verliere immer den Athem wenn ich von Wien höre, und nur der einliegende Zettel der den Wunsch enthältii nach Frankreich oder der Schweiz zu gehen, führte mir wieder eine erquikende Freiheit athmende Luft zu. Ich habe mit St. und R . .1 auf Ihre geforderte Bedingung des Schweigens, über diese Angelegenheit gesprochen, Sie werden ihre Ansichten aus dem eingeschlagenen Briefe ersehen. Daß einzige waß Sie vielleicht thun sollten, wäre Ihrem Vater zu schreiben, ihn offen, unverhohlen, und ohne Umwege zu fragen, waß Sie denn eigentlich in Wien sollten? Es ist freilich auch dann noch zu befürchten daß er Sie umgehn könnte, Ihne[n] andre Dinge angäbe, als die er wirklich im Sinne führt, und erst mit der Wahrheit herausrückte wenn Sie einmal dort sind. Bei unsrer Sitzung gestern Nachmitiii i

ii

Orig.: für. Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg bei Herrn Königshöfer Nr 41 Max-Joseph:Platz in München (Kuvert). Verschmiert, vermutl. Korr. v.: enthielt.

6

Shakespeare, Othello, 2. Akt, 1. Szene.

1

Stiebel u. Reiss (vgl. Br. 5).

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tag gleich nach Empfang Ihres Briefes wurde viel deliberirt. Die Rathsversammlung bestand nach Ihrem weisen Gesetze, nur aus mir, Oberrichter, und meinen beiden Senatoren St. und R. Die Frage war, was für einem wahrscheinlich großen Glücke Sie denn eigentlich entgegen gehn könnten? St. sagte Sie könnten vielleicht für die gute Sache wirken, Met.2 wäre ein guter Kopf, und wäre für alle diese Dumheiten nicht, er (St.) der er in seiner Gesinnung fest wäre gienge hin, sich zu amusiren, sich umzusehen, und auch zu hören was man eigentlich von ihm wolle, auch würde das Ihren Ruf dann noch mehr heben, wenn man hörte daß Sie eine Anstellung ausgeschlagen. R. war dagegen, und behauptete daß in jeden Fall Gefahr und Verdruß vieler Art für Sie daraus entstehen könnte. Der Schluß blieb noch daß wenn man Sie dort um jeden Preiß gewinnen wollte, man Ihnen alle Wege zur Rückkehr und zum Weggehn abschneiten könnte. Ihr Vater würde Ihnen Geld versagen, Ihren Pass könne man zurückhalten, und so wären Sie am Ende noch gezwungen, sich wie eine ausgehungerte Festungsgarnison auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Mir wirds schon wieder ganz eng und beklommen, und, sorgen Sie nicht, an meiner Dienstfertigkeit soll es nicht fehlen, daß Sie Ihren Reisepass aufs schnellste erhalten. Uebrigens hätten Sie doch nicht nöthig war unser aller Meinung, so schnell von München fortzueilen. Ihre Gesinnungen können Sie Ihrem Vater nicht aufopfern, aber da Sie ihn doch schonen wollen, sollten Sie ihn, wie schon gesagt offen fragen, waß er denn wolle, und seine Antwort abwarten. Wagen Sie denn etwas dabei? Daß Sie sich aber so große Sorge um der Sache machen, ist doch im Grunde recht thöricht. Sind Sie denn nicht frei? sind Sie denn durch irgend eine Rücksicht in der Welt gezwungen, daß Schlechte mit wiederwillen zu wählen, und daß einmal anerkannte Wahre und Gute, oder – die Wahrheit selbst aufzuopfern? Welches Opfer! welcher Zwang, welcher grausame Druck, welches wiedernatürliche zerstören seiner ganzen Individualität! und wofür? ich suche nach einer Antwort auf diese Frage, und weiß keine zu finden. Welch ein Unsinn! St. und R. wollen daß Sie nach Paris, nicht nach Aarau gehen, das hängt nun von der Nekarz. ab. Ich darf Ihnen jezt nicht viel darüber sagen, wie wehe mir daß thut daß Sie so abhängig sind, wo Sie doch durch ein klein bischen guten Willen, so frei sein könnten. Sie hassen die Tÿranei, und lassen sich doch von einem so kleinen großen Despoten – Ihrer Trägheit, beherrschen. ist das Recht?

2

Metternich.

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Auch sollten Sie Ihre einmal fertige Arbeiten nicht so verschleidern. Ich würde mir bei der Red. der Nekarz. ausbedingen, daß wenn die Zensur so viel streiche, daß mit einem Wort, nichts an der Sache bliebe, man Ihnen die Arbeiten zurückschiken solle. Sie könnten sie ja dann für die Wage benutzen. ––– Eben erzählt mir St. daß er voniii Ihre Brüderiv komme, die hätten ihm gesagt „Nun der Doktor geht nach Wien“ St. (versteht sich daß er alles waß er aus Ihrem Briefe weiß ignorirte) sagte „Der wird ein Narr sein, was soll er in Wien machen.“ „Wir wissen nicht waß er dort soll, der Vater hat ihm aber f 500 Reisegeld geschikt, vielleicht will der Met. ihn nur sprechen, und kennen lernen.“ St. wenn sie ihn aber nicht wieder weg lassen wenn er fort will? „Wenn der Vater dort, ist er in jeden Fall sicher.“ Ein interressanter Dialog. f 500! Reisegeld! Ich muß gestehn daß war mir selber auffallend, es wird aber der Wechsel sein den Ihre Mutter erhalten, und wo also daß anschaffen der Kleidungsstücke mit inbegriffen war. In jeden Fall meine ich sollten Sie also Ihrem Vater schreiben, und nicht zu übereilt von München weggehen. ––– Eben erzählte ich Reiß waß Ihre Brüder mit St. gesprochen. Er sagte es wäre möglich daß Met. Sie nur sprechen, kennen lernen wolle, aber auch möglich daß er am Schlusse der Unterhaltung sagte „ich habe eine Anstellung für Sie ausgewirkt, Sie sind geheimer Sekretair bei der Kanzlei. Ihr Vater würde Ihnen sagen ich bin ruinirt wenn die Stelle nicht angenommen wird etc etc. Ich arme Frau, und dumme Gans! Waß ich zu berichten, und debattiren habe. Ich meine Sie hätten dem Cotta und nicht der Nekarz. den Antrag wegen der Pariser Corresp. machen sollen, selbst wenn von einigen hundert Gulden Vorschießen die Rede gewesen, erstens ist es unrechtlich daß Sie sich jezt an einem andern wenden da er Ihnen doch früher, und immer noch, obschon unverdient, so viel zutrauen geschenkt, und dann stehen dem Cotta andre Mittel zu gebote, als der Nekarz. Oder könnten Sie nicht so lange in München bleiben, bis Sie das Bändchen Briefe fertig, waß Sie doch gut verkaufen könnten? Vor allem aber mein Freund, bleiben Sie der alte „Hanns ohne Sorgen“ daß grämliche Wesen wiederspricht Ihrer Natur, und kleidet Sie nicht. Wollen Sie sich denn der Gefahr aussetzen aufzuhören zu gefallen? Sein Sie wie gewohnt froh und heiter. Haben Sie denn die Stelle an „Ihrem Wilhelm“ vergessen „ob ich Erbsen zähle oder Linsen, es läuft ja am Ende doch alles auf einer

iii iv

Drübergeschr., Orig. davor: bei. Orig.: gewesen,.

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Lumperei hinaus“!3 – Fassen Sie muth, am Ende lößt sich doch alles noch glücklich ––– oder – wie es sich lösen muß. Das ist ja die Stützev die uns durchs Leben führt, der Trost – der uns das Leben ertragen läßt. Leben Sie wohl mein lieber Freund, und gleich Ihnen, in Freud und Leid Ihre J. W.

93.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 30. u. 31. Dezember 1821.

Nr. 36. München. Sonntag d. 30. Dez. 1821.i Ich habe große Furcht vor Ihrem Briefe morgen. Stiefmütterchen, sind Sie sehr schlimm mit mir umgegangen? Jezt haben Sie meinen spätern Brief erhalten, und Sie wissen, daß ich von meinen abentheuerlichen Einfällen zurückgekommen bin. Zwar ist meine Neigung für Paris immer noch dieselbe, und ich werde ihr mit der Zeit doch noch nachgeben. C’est la seule ville du monde où l’on peut se passer du bonheur, sagt Frau v. Stael;1 also dort meine Freundin, könnte ich Sie am ruhigsten entbehren. Aber für jezt bleibt es bei Stuttgart. Ich denke kommenden Freitag den 4ten Januar abreisen, ich müste denn aus Ihrem Schreiben das ich Donnerstag erwarte, ersehen daß noch ein Brief an mich, oder etwa Geld auf dem Wege ist, und dann verschiebe ich meine Reise noch auf einige Tage. Also schreiben Sie mir nicht mehr, und schicken Sie mir auch die 100 Gulden nicht. Ich habe zwar mit meiner Mutter noch nicht gesprochen, aber meine Schwester hat sich verbürgt, daß ich das nöthige Geld zur Reise bekommen soll. – Haben Sie meine Neujahrskarte recht mit Angst geöffnet? Ich log Ihnen das vor, damit Sie achtsam zu Werke gehen, denn meine Freundschaft ist gar zu zerbrechlich. Freundschaft, vergis mein nicht, wie ein schüchternes Mädchen v

Orig. davor: der Trost.

i

Adr: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

3

Vgl. Goethes Werther, 1. Buch, Br. v. 20. Juli 1771.

1

Germaine de Staël, De l’Allemagne, Bd. 1, 1. Teil, Kap. 11.

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bin ich verfahren. Geliebter, Du kennst das Herz Deines Mädchens, und was ich Dir gestand, verrieth Dir wohl was ich verschwieg. – Von Müllner habe ich heute Brief erhalten. Fünf Wochen ist der Brief in Deutschland herumgereist, er war in Frankfurt und in Stuttgart, und wurde wie ein Ball hin und hergeschickt. Meine ganze jüngste Zeitgeschichte steht auf der Adresse. Müllner bewilligt mir meine gemachte Forderung bis auf einen Gulden; er bietet mir nehmlich für den Bogen 30 Thaler an, welches 54 fl. beträgt. Aber er verlangt, daß ich eine ernstliche Theilnahme an dem Unternehmen zeigen soll. Das Literatur=Blatt wird auch vom 1. Jan. ausgedehnter, und es erscheinen zweimal so viel Blätter als bis jezt. Also, am Platz für meinen Ruhm wird es nicht fehlen. Wie ich arbeiten will! Uff! Was thut mir die Brust weh! Ich thue es wahrlich nicht des Geldes willen – habe ich etwa Geld nöthig? Ich thue es pour plaire à vos beaux yeux. – Um des Himmels willen, sagen Sie doch allen Freunden die es etwa von Ihnen erfahren haben, daß in der Neckerzeitung Sachen von mir stehen, daß ich auf die abscheulichste Weise verhunzt worden bin, nicht blos durch die Zensur, denn diese konnte doch blos streichen, sondern auch durch den Redacteur des Blattes, der, wahrscheinlich um die Artikel zu mildern, meine Ausdrücke geändert und meine Gedanken verkehrt hat. Die niederträchtigsten gemeinsten Dinge hat man mich sagen lassen, und ich würde mich zu todt schämen, wenn jemand glauben könnte, die Artikel wären ganz von meiner Abfassung. – Seit 8 Tagen erzählt man sich hier allerlei abentheuerliche Dinge von Wien: eine Verschwörung soll dort entdeckt worden seÿn – Carbonari=Logen – man habe in der Nacht sechs Menschen in Masken gehängt – nach Andern: diese hätten sich selbst umgebracht. Reisende die von Wien kommen sagten aus: wenn dort 4 Menschen auf der Straße beisammenstünden, würden sie von der Polizei auseinander getrieben. Wenn Sie in Frankfurt von diesen Geschichten etwas Näheres gehört, theilen Sie mir es mit. – Montag. 31. Dez. Ich erhalte so eben Ihren lieben Brief, einige Stunden später als gewöhnlich, und übrigens habe ich heute noch allerlei Vorbereitungen zu meiner nahen Abreise zu machen. Danken Sie R. und St.2 für ihre Theilnahme, ich sehe daß wir einverstanden sind. Aber meinem Vater offenherzig zu schreiben, aus welchen Gründen ich nicht nach Wien wolle, finde ich nicht räthlich, und ich bin hierin der Untrüglichkeit meiner Ansicht ganz gewiß. Ich würde ja eben dadurch bewir-

2

Reiss u. Stiebel.

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ken, was ich so viel als möglich vermeiden möchte, nehmlich meinen Vater zu kränken. Der erste Gedanke nach Wien zu gehen kam ja von mir selbst, es ist daher viel besser, wenn ich (was ich gestern bereits gethan) meinem Vater schreibe: ich hätte in Stuttgart vortheilhafte Anerbiethungen erhalten, und in diesem Falle wäre es leichtsinnig „meinem Vergnügen so große Opfer zu bringen“, als wenn ich mir merken lasse, daß ich seine Absichten mit mir kenne, und ihn wissentlich betrübe. Darum muß ich auch eilen von hier wegzukommen, ehe mein Vater von Wien Antwort schreibt, und dann vielleicht deutlicher seine Absicht ausdrückt. Donnerstag schreibe ich Ihnen noch einmal. Den Pariser Pass wenn er noch nicht abgeschickt, senden Sie mir in der Folge nach Stuttgart, damit ich ihn habe, wenn ich in die Lage komme ihn zu brauchen. – Was Sie mir gerathen, war bei mir schon beschlossen: mir nehmlich von der Neckerzeitung meine verstümmelten Artikel zurückgeben zu lassen, und sie noch einmal drucken zu lassen. – Stiebel irrt sich in mir, in sich, und in dem Menschen überhaupt, wenn er meint, wäre ich nur fest in meinen Grundsätzen, könnte ich ohne Gefahr nach Wien gehen, und mich dort lustig machen. Wer die Folgen des Rausches meiden will, muß den Wein fliehen, und es giebt so viele Mittel die Seele zu berauschen, denn jeder Nerve ist ein Mund. Ich wäre verlohren wenn ich nach Wien gienge. Ihr kennt die höllische Einrichtung der dortigen hohen Polizei nicht. Sie führt Buch und Rechnung über jeden Menschen in Deutschland der ihr verdächtig ist, also auch über mich. Sie kennt mich besser als Ihr, besser als ich mich selbst kenne. Sie weiß meine schwachen Seiten und Stunden, sie weiß wenn sie da waren, wenn sie kommen werden, die Lust steht in ihrem Solde. Sie läßt mich mein Geld im Spiele verliehren, sie läßt es mir stehlen, um mich in Noth zu bringen. Wenn ihr daran liegt alle Mienen springen zu lassen, entgehe ich ihrer Gewalt nicht, und warum soll ich ein Thor seÿn es zu versuchen, ob ihr daran liege? Ich fliehe, und sobald als möglich nach Frankreich, wo mich meine strengen Grundsätze keine Opfer kosten wie in Deutschland, und wo man als freier und ehrlicher Mann, Vortheil und Achtung findet. – Bereiten Sie Ihren nächsten Brief vor, daß er recht groß werde und mich erquicke. Ich berechne, daß Sie 10 bis 12 Tage dazu Zeit haben werden, bis mich Ihr Brief in Stuttgart fände. Danken Sie Stiebel und Reis sehr für ihren freundschaftlichen Brief. Schicken Sie sie hinter Feidel3 und meine Brüder, daß

3

David Feidel (1759–1836), Frankf. Wechselmakler, verh. mit Sara Stiebel.

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sie wo möglich noch etwas erfahren. – Ich habe, um meine Empfindungen über Wien auszuströmen, wieder ein Gedicht gemacht. Zwar sollte ich es Ihnen nicht mittheilen, denn von meinem schönen Weinliede,4 das, wie ich mir schmeicheln darf mir sehr gelungen war, haben Sie auch mit keinem Worte gesprochen. Doch vielleicht gefällt Ihnen dieses besser. Zweifel und Entschluß Nach Wie = N?. nie Dr. Ludwig Börne, Herausgeber der ehemaligen Wage, wie auch geb. Wohl.

94.

An Jeanet te Wohl in Frankfurt . München, den 1. u. 3. Januar 1822.

Nr. 37 München den 1. Jan. 1822.i Liebes Herz, den ersten guten Morgen im neuen Jahre. Was ich Ihnen wünsche! Der Himmel soll Ihnen nur die Hälfte Ihres Verdienstes ausbezahlen, dann haben Sie so viel Glück, daß Sie die ganze Welt damit versorgen können. Schon wieder ein Jahr ist hienabgesunken in den Schoos der Zeiten, plump, da liegt es. Und so wird der Teufel eins nach dem andern holen und uns auch. Ich habe an diesem ernsten Tage viel nachgedacht, über Tod, Unsterblichkeit, Schulden, Leibschmerzen und enge Röcke; ich habe einen Blick auf mein vergangnes Leben geworfen und gefunden, daß ich immer ein großer Taugenichts war. Ich will mich aber nächstens bessern. Arbeiten will ich wie ein Vieh, wenn ich nur nicht so eine schwache Brust hätte, ich bekomme Stiche wenn ich nur ans Arbeiten denke. Aber gleichviel. Ein ganz neuer Mensch will ich werden, Sie sollen mich gar nicht mehr kennen, und wenn ich nach Hause komme und Ihnen um den Hals falle, sagen: mein Herr Sie sind unverschämt. Kind, bessere Dich auch, gehe in Dich, und denke an Dein Seelenheil. Enthalte Dich des Fluchens und iß nicht so stark. Der Mensch muß essen um zu leben, er lebt aber nicht um zu essen. i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht, in Frankfurt a/m frei (Kuvert).

4

Vgl. Br. 58.

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Hand in Hand wollen wir den Pfad der Tugend wandeln. Amen! Noch eins. An diesem feÿerlichen Tage will ich auch dem Samuel eine goldne Lebensregel geben; so lange er sie befolgt wird es ihm wohlergehen. „Jüngling, wenn Du eine Reise zu machen gedenkst, sage nie einem Juden ein Wörtchen davon, denn, Du magst ihm noch so fremd seÿn, er giebt Dir ein Paketchen mit“ Das habe ich erst gestern erfahren. Ich sprach einen Jud zum erstenmale in meinem Leben, und als er hörte, daß ich nach Stuttgart reise, bat er mich ein Paket an seine dortigen Verwandten mitzunehmen. – Sind Sie in der vorigen Nacht wach geblieben, haben Sie sich lustig gemacht? Ich lag schon um 10 Uhr im Bette, und habe den glänzendsten Ball versäumt. – Ihre Briefe, als ich sie wegen meiner Reise einpackte, habe ich gezählt. Es sind 28. Welche Noth hatte ich aber bis ich sie alle zusammengebracht! Sie waren in der ganzen Stadt zerstreut. Meine Schwester und diese und jene gute Freunde quälten mich so lange, bis ich nachgab, und sie ihne[n] lieh. Ich weiß das ist Ihnen nicht unangenehm. – – Donnerstag. 3. Jan. Liebes Kind, warum haben Sie mir heute nicht geschrieben? Nie war mir Ihr Stillschweigen verdrieslicher. Ich habe schon alles gepackt, der Wagen ist schon gemiethet, morgen wollte ich abreisen, und jezt weiß ich nicht woran ich bin, muß hier bleiben und weiß nicht bis Wenn. Ich begreife gar nicht warum Sie mir nicht geschrieben haben. Haben Sie etwa die 100 fl. auf die Post gegeben? Nun, es giebt doch allerlei Fälle im menschlichen Leben, sogar der, daß ich mich ärgern kann, wenn ich Geld zu erwarten habe. Erstens habe ich es jezt nicht nöthig, wie ich Ihnen schon geschrieben, denn meine Mutter hat mir das Nöthige Gegeben. Zweitens der Aufenthalt, denn ich nicht berechnen kann. Ich habe mich schon nach der Ankunft des Postwagens erkundigt, es kömmt morgen einer. Wenn aber der nichts mitbringt, dann muß ich wieder 5 bis 6 Tage bis zur Ankunft des nächsten, auf jeden Fall aber bis Montag warten. Ich kann nicht erwarten bis ich hier fort bin, weil ich alle Tage befürchten muß, daß meines Vaters Antwort auf meinen lezten Brief kömmt, worin ich die Reise nach Wien abgelehnt, und daß ich dann mit meiner Mutter über meine Weigerung neue Verdrüßlichkeiten bekomme. Es ist nun nicht zu ändern, und verlassen Sie sich darauf, daß ich warte bis ich Nachricht von Ihnen bekommen habe. – Anliegenden Lotteriezettel den ich heute erhalten, bitte ich mir zu verwahren. – Es hat mir jemand erzählt, daß vor einigen Tagen der König1 von mir gesprochen

1

Maximilian I. Joseph (1756–1825).

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hat. Er soll gesagt haben: „nun, es ist ja jezt so ein gescheidter witziger Mann hier“ und als man ihm erwiedert: „Ja, er hat sich hier alles angesehen“ hinzugefügt haben: „Wenn er nur nicht schimpft“. . Jezt ist mein Glück gemacht! Wollen Sie mir’s wechseln? Ich bin so verrückt, daß Sie mir heute nicht geschrieben, wie König Lear. Bist Du meine Tochter?2 – Nach Stuttgart adressiren Sie Ihre Briefe in den König von England. Doch schreiben Sie mir nicht eher, bis Sie Nachricht von meiner Ankunft erhalten. – Ich habe mir einen Wagen ganz allein nach Stuttgart gemiethet, und fahre wie ein Prinz. Da ich die Nächte liegen bleibe komme ich erst am 4ten Tage nach Stuttgart. – Was ich auf die Neckarzeitung wüthend bin, was meine Schriftsteller-Eitelkeit gereizt worden ist, Sie hätten Ihre Schadenfreude daran, wenn Sie das so recht wüßten. Nicht allein die Censur hat die Hälfte gestrichen, nicht allein der Redacteur3 hat auf die dümmste Weise geändert, die Bestie hat sogar ihren eignen Witz und ihre unsinnige Gedanken hieneingebracht, daß gar nicht herauszubringen ist, was mein oder sein gehört. So habe ich, von den Zeitungsschreibern redend, gesagt: „wird ihnen ein offizieller Knochen vorgeworfen, wie sie darüber herfallen und ihn zernagen!“ Jezt hat der Mensch die Hÿperbel steigern wollen, und schreibt: „wird ihnen einen Viertels=Offizieller Knochen u. s. w.“4 Fühlen Sie recht lebhaft die gemeine Bestialität in dem Worte Viertels? Es hat mich geschaudert als ich das las. Sie sehen, jeder Mensch ist in seiner Sphäre ein Marschall Kalb.5 Wie dieser als die wichtigste Sache erzählt, daß ihm beim Einsteigen in den Wagen, da er zum Fürsten fahren wollte, durch das Austreten der Pferde die seidnen Strümpfe beschmuzt worden,6 so wichtig rede ich von dem großen Unglücke, das mir durch das Viertels widerfahren. Viertels=offizieller Knochen! Es ist schrecklich, diesen Schandfleck kann nur Blut abwaschen. – So eben erhalte ich mein jüdisches Paketchen nach Stuttgart. Steht darauf: per bonté. Hätten Sie je gedacht, daß ich bonté hätte? Ich möchte einmal ganz nahe dabei seÿn, wenn so ein jüdischer Handelsmann Hochzeit macht, ob er da nicht auch seine Sprache führt: Valuta habe baar empfangen – leiste richtige Bezahlung zur

2 3 4 5 6

Vgl. Shakespeare, König Lear, 1. Aufz., 4. Szene. Ludwig G. F. Seybold (vgl. Br. 25). Vgl. Neckar-Zeitung, Nr. 358 v. 29. 12. 1821. Vgl. Br. 76. Vgl. Schiller, Kabale und Liebe, 1. Akt, 6. Szene.

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Verfallzeit. […]ii – Den inliegenden Brief hatte ich auch nach Stuttgart geschickt, habe ihn aber zurückerhalten. Das darf nicht gedruckt werden, die Würtembergische Regierung steht unter russischer Herrschaft, die Baierische unter Oesterreichischer. Schön Deutschland, prächtig Volk! Sie können sich den Brief abschreiben, aber Ihrem ersten Schreiben nach Stuttgart müssen Sie das Original oder die Abschrift beilegen, ich kann die Geschichte vielleicht noch brauchen. Erquicken Sie sich daran, wenn Sie können. Jedes Wort darin ist ein Dolch in Ihr Gewissen, die Abhandlung ein Lungenmus von meiner eignen Lunge. Uff! – Ein Viertels=offizieller Knochen! Und daß es jezt Winter seÿn, und der Himmel keine Blitze haben muß! Ein Viertels-offizieller! Abscheulich! Ungeheuer! Dr. Börne, vormals geb. Wohl.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. München, den 4. u. 6. Januar 1822.

Nr. 38. München. Freitag. 4 Jan. 1822.i Der Postwagen ist heute Morgen gekommen, und hat nichts mitgebracht, Sonntag kömmt wieder einer. Sie tugendhafter Bößewicht, warum sind Sie so übereilig zu jeder Gutthat als Andere zu Uebelthaten? Warum schicken Sie Geld zur ungelegenen Zeit? Denn daß dieses geschehen daran zweifle ich nicht. Aber warum haben Sie mir nicht geschrieben? Konnten Sie nicht berechnen, daß ein Postwagen 7 bis 8 Tage auf seinem Wege zubringt? Ungerathenes Kind, ich verstoße und enterbe Dich. Da sitze ich nun in meinem leeren Zimmer, alles eingepackt und festgeschnürt, kein Buch, kein Hemd, keine Geduld. Ist das die Art einen Mann wie mich zu behandeln, vor dessen Tadel sogar Könige zittern? Mein Vater hat wieder geschrieben, wo ich so lange bleibe. Unterdessen erhält er meinen Brief, und antwortet darauf. Diesem Verdruße habe ich entfliehen wollen. Grau-

ii

Geschw. Passage, vermutl.: Weh weh Jud! (vgl. R IV, 527)

i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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same Barbarin! – Sontag 6. Jan. Drache, Schlange, Klapperschlange, Riesenschlange, Eidechse, Skorpion, Tarantel, Hÿäne, Krokodill, wilde Katze – es ist Ihr Glück, daß ich meine Naturgeschichte schon eingepackt habe, aber in Stuttgart will ich mir Zeit dazu nehmen, und da soll das Schimpfen erst recht angehen. Der heutige Postwagen hat nichts mit gebracht. Das ist mir zwar lieb, weil ich das Geld nicht brauche, aber ich hoffte bei dieser Gelegenheit einen Brief zu bekommen. Um Gottes willen, warum haben Sie mir nicht geschrieben? Erst in dem Briefe, den Sie Donnerstag von mir erhalten, sagte ich Ihnen Sie sollten nicht mehr schreiben, also hätte ich noch einen Brief erhalten müssen. Morgen früh reise ich von hier weg, Donnerstag komme ich nach Stuttgart. Freitag schreibe ich Ihnen. Ich bitte Sie aber, nicht zu warten bis Sie meinen Brief erhalten, sondern gleich nach Empfange des Gegenwärtigen mir nach Stuttgart in den König von England zu schreiben. Sollte gegen alle Erwartung noch ein Schreiben oder Paket an mich auf dem Wege hierher seÿn, so beunruhigen Sie sich nicht, denn ich habe dafür gesorgt, daß mir alles nach Stuttgart geschickt werde. – Mein Vater hat heute wider geschrieben, meine Mutter hat mir den Brief zugeschickt, und einen Dollmetscher der mir ihn vorlas. Die Sache ist gelinder abgelaufen als ich erwartet habe, aber mit der Anstellung hat es so ziemlich seine Richtigkeit. Mein Vater schrieb: „Daß der Doktor nicht hierher kömmt thut mir sehr leid. Er hätte hier sein Glück machen können, ich hätte ihm vielleicht eine Anstellung verschafft. Er soll mir einen ostensiblen Brief schreiben, warum er nicht kömmt etc.“ Wenn mein Vater schreibt vielleicht, so war die Sache schon in Ordnung. Welcher Gefahr bin ich entgangen. – So eben sagt mir mein Kutscher: er habe erst kürzlich Hebräer nach Würzburg gefahren. O Sisyphus! – Adieu. Jezt komme ich Ihnen näher. Schlange, wende Deinen Kopf weg, sonst, wenn es Deinen Athem fühlt, kömmt Dir Dein Vögelchen an den Mund geflogen. Dr. Börne, geb. Schlange.

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An L udw i g Bö r n e i n [ S tu t tg a rt]. [Frankfurt], [6]. u. 10. Januar 1822.

Nr. 38 Donnerstag 10 Januar 1822i Das ist ja eine Verwirrung wie beim Thurme zu Babel! Gott sei Danck, daß es nun endlich ein Ende hat. Ich dachte gleich daß es so kommen werde, das haben Sie alle versündet durch Ihre ausländische Complimente, und Ihren galischen Redensarten! Wie Sie nur das erste Wort französisch mit mir redeten, verwirrte Gott unsre Sprache, und es wußte einer nicht mehr was der andre wollte. Wir sind gute ehrliche Deutsche, wir wollen nicht mehr vom Pfad der Tugend abweichen, und verheißen und verschwöhren will ich es, je wieder ein welsches Wörtchen fahren zu lassen. […]ii Ich habe einen Brief mit ein paar hundert erklärenden Daten abgeschikt, warum ich nicht geschrieben, wodurch die Mißverständnisse entstanden etc. etc. . . . Zum sterben vor Langerweile. Lassen Sie das noch den lezten Rest Ihres Aergers sein, und verschreiben Sie sich dieses deliziöse Brieflein von München, im Falle sie ihn nicht nachgeschikt bekommen. Jezt wollen wir wieder vergnügt sein. Das war einmal ein Sturm!! Wer’s nicht besser weiß sollte meinen wir wären die glücklichsten Menschen von der Welt, das wir solche Schiksals=Knäule zu entwirren haben! Ach! – Jezt sein Sie auch wieder gut. Ich gebe Ihnen tausend gute Worte, ich will Ihnen alles zu liebe und zu gefallen thun, sein Sie nur wieder versöhnt, und denken Sie gar nicht mehr daran daß ich so ungeschikt war. Ich weiß nur allzugut in welche Lage Sie durch meine Verkehrtheit versezt worden sind: Abreisen wollen, eingepackt haben, fortwollen, und nicht können, warten müßen, und nicht wissen woran man ist, nun, ich kenne ja meine Leute! Das war kein Spas! Für Sie, der bei der kleinsten Verzögerung gleich „aus der Haut fahren möchte! Ich bin bestraft genug, wenn ich daran denke waß ich Ihnen für Unannehmlichkeit verursacht habe. –– „Meine Reise von Stolpe nach Danzig“!1 Also wieder nach Stuttgart! Daß der Weg nicht ohne Narren steht“! Doch ist dies für jezt das Gescheideste was Sie thun konnten, und

i ii

1

O. Adr. – hs. Zus. e. Bearb.: »Nach Stuttgart« (Br.k.). Geschw. Passage (1 1/2 Zeilen). Anspielung auf Kotzebues Pagenstreiche (1804).

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ich lobe Ihre Besonnenheit. Ich bin selber darüber erstaunt das man Ihnen einmal so aus vollem Herzen daß Lob der Besonnenheit zusprechen kann. Sie sehen ich bin gerecht und ergreife gern recht sch[n]ell eine jede Gelegenheit Ihnen dies zu beweisen. – Also „Herr Marschall Rückwärts“2 von dem verhängnisvollen Tag an, an welchem Ihr Zimmer ein Lager von Offizier und Kriegsleuten war, fing die Verwirrung in unsrem Briefwechsel an. Sie schrieben mir damals Nr 35 vom 26 Dez. daß Sie nicht nach der Schweiz nicht nach Frankreich, sondern nach Stuttgart zurückgiengen, und auch daß Sie von Ihrer Mutter Reisegeld bekömmen, das war mir recht, denn ich dachte Sie könnten Ihre hundert Gulden später auch noch brauchen, doch war ich noch nicht entschieden darüber ob ich’s Ihnen schiken sollte oder nicht, und wollte erst eine noch bestimmendere Antwort auf den Brief abwarten, in welchem Reis und Stiebel auch geschrieben hätten, diese Antwort kam mit der Weisung nicht mehr zu schreiben, das befolgte ich, und jezt gabs Verwirrung über Verwirrung. Sie sind aber auch manchmal gar zu unüberlegt, hätten Sie sich denn nicht denken können, daß wenn ich Geld auf den Postwagen an Sie abgeschikt, ich durch die Brief=Post Sie davon unterrichtet hätte? Jezt lassen wirs nun einmal genug sein. Das ist gewiß die Langweiligste, ungeduldigste, und unleidlichste Epoche in Ihrem Leben. Wenn Sie sich aber unterstehen mir noch einmal so viele Naturgeschichtliche Süsigkeiten zu sagen, so fange ich die ganze Geschichte von neuem zu erzählen an, und sende Ihnen noch einen ganzen Bogen voll Nummern und Daten, über dieses Wichtige Ereignis. Sie werden doch nicht verschieben, und Ihrem Vater gleich antworten? Suchen Sie ihn freundlich gesinnt gegen Sie zu erhalten. –– Der Schauspieler Wurm3 giebt wieder Gastrollen hier, ich habe gestern den Schewa4 von ihm gesehen, er wurde aber nicht hervorgerufen, obschon er ganz vortrefflich gespielt. Ich habe beim Nachhauskommen Ihre Rezension über das Stück in Ihrer „ehmaligen Wage“ gelesen,5 tief gedacht, sehr scharff sinnig, sehr schön. –– Sehr schade! – Was wollte ich doch sagen? – – Ja, – daß Sie – und zwar ein recht loser Vogel sind der gern flattert und fliegt, und daß ich

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Anspielung auf Friedrich Rückerts Gedicht Marschall Vorwärts in: Deutsche Gedichte (1814) (unter dem Pseudonym: Freimund Reimar). Albert Alois Ferdinand Wurm (1783–1834), populärer Schauspieler, für seine Judenkarikaturen bekannt. Hauptfigur in Richard Cumberlands (1732–1811)Der Jude (1794). Rez. v. Cumberlands Jude in: Wage, April 1819, Bd. 1,H. 6

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keine Schlange bin, aber Sie dennoch bitte, bitte mir nicht zu nahe zu kommen. Im Ernste lieber Freund, ich finde es sehr gerathen daß Sie für jezt in Stuttgart bleiben, Sie sind ja gerne da. Arbeiten Sie gleich hübsch fleißig für’s Litte. Blatt. Bis zum Frühling wollen wir diese Trennung bestehen lassen, dann kommen Sie nach Ffurt, oder was noch besser, und auch wahrscheinlich ist, ich komme nach Stuttgart, bis dahin kann sich noch vieles machen. Sind Sie das zufrieden? Heute vormittag war Adolph Zimmern mit seiner jungen Frau, und seiner Mutter6 bei mir zu besuch. Die Sarchen sieht recht hübsch aus. Er erzählte mir die Herrn Heidelberger Proffessoren wären recht ärgerlich daß sein Bruder ja so gescheidt gewesen sich taufen zu lassen.7 – Was werden Sie mir denn noch von Ihrem Auffenthalt zu München erzählen? Sie müßen ja sehr viele Freunde und Bekannte dort zurückgelassen haben. Ueberhaupt denke ich mir daß Ihr dortiger Auffenthalt sehr interressant und belehrend für Sie gewesen sein muß. – Das war ein Stürmischer Morgen „heut Morgen“! Gerade mit Ihrem rasenden verzweifelten Brief, kam auch einer von Sch. .. ähnlichen Inhalts. Das war ein komischer Jammer! Ich hatte noch die Briefe kaum überflogen, da fährt ein Wagen vor, Zimmern wird gemeldet, ich suche mich zu fassen, empfange meine Gäste freundlich, und niemand merkt es meiner freundlichen Laune an, was ich ungeheures schon den tag erfahren, gelesen hatte. Bewundern Sie mich mein Freund, mit welcher Fassung ich die Schläge des Schiksals zu ertragen weiß. Adieu mein lieber, ich hoffe versöhnter – Freund. Hübsch fleißig hören Sie! J. W. Xiii Nr 35 und 36 und 37. 38 Sie glauben nicht wie leid es mir thut daß ich Sie auf einen letztern Brief nach München vergebens warten ließ. Ich wollte erst eine Antwort auf einen frühern abwarten, und dann Brief Geld und Pass, alles zugleich absenden. Ich bereue dieses Verschieben sehr, und werde mich dann nur erst völlig darüber beruhigen, wenn ich aus Ihrem Nächsten ersehe daß Ihre Abreise von München dadurch nicht verzögert worden, wel-

iii

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7

FN, vgl. u.: X Montag 7 Januar […]. Adolph Zimmern (1797–1845), Sohn v. David u. Sara Zimmern, blieb als einziger der Geschwister der Bankiersfamilie ungetauft. Sigmund Wilhelm Zimmern (vgl. Br. 10).

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che ich jezt nach allem vorgefallenen eben so sehr wünsche als Sie selbst. – Daß Müllner Ihre Forderung eingegangen und gerade jezt, hat mich recht angenehm überrascht. In der That Sie verdienen gar nicht daß man sich so um Sie bemüht. Ist ein solches Betragen auch erlaubt? Fortzulaufen ohne seine Adresse zurückzulassen! Jezt sind schon wieder fünf Wochen dadurch verlohren – verlohren? – Gewonnen werden Sie freilich sagen. Aber hören Sie – mein lieber – bester – guter Freund – führen Sie sich jezt gut auf! Sie glauben nicht wie ich mich freue daß Ihnen dies Anerbieten für’s Litt: Blatt gemacht worden. Wie leicht bequem und angenehm ist für Sie diese Art zu arbeiten, und welches reichliches Auskommen sichert Ihnen dieses éngagement. Wie unabhängig und frei können Sie dabei leben. Bitte bitte fangen Sie doch gleich an regelmäßig zu arbeiten, täuschen Sie doch diesesmal nicht von neuem Cottas, Müllners, – und meine Erwartungen. – Für Ihr artiges bescheidnes Neujahrgeschenk, danke ich Ihnen recht freundlich, recht herzlich. Ich liebe die Devise Freundschaft! Ueberhaupt fangen Sie an mir recht gut zu gefallen, und ich gebe der Hoffnung raum daß Ihre künftige Aufführung dieses Wohlgefallen von Tag zu Tage vermehren wird. Meinen Sie ich wäre so dumm, und merkte nichts? – „Ich bin so gesund wie ein Salm am Lurlei“ – und dann zu mir – „Ihr Herz ist ein Drachenfels etc““ ––! Woher diese blühende frühlingsathmende Rheinbilder mitten im Winter, in Münchens einförmigem flachen Sande? O ich weiß, ich errathe alles! Ich will nicht unbescheiden sein, aber ich bin gewiß Sie haben mir eine angenehme Ueberraschung zugedacht. – Ich lese jezt von Johanna Schoppenhauer Verfasserin des nicht schlechten Romans Gabrielle.8 Reise an den Rhein, nichts sonderliches,9 wenn ich an Ihre Briefe dabei denke, was würden die gefallen! Sie wissen es nicht, Sie haben wirklich keinen Begriff davon, was alles was Sie schreiben für ausserordentliches Auffsehen macht, wie über allen Ausdruck gefällt. Die Sachen in der Nekar Zeitung über deren Verstümlung Sie sich so bitterlich beklagen, gefallen dennoch so sehr, daß es den Leuten gar nicht in den Sinn kömmt daß es besser sein könnte. St. R. und Dr Golds. die ich schon öfter ein bischen […]iv difficile gefunden waren ganz entzückt davon. Reis hat mir die Blätter aus der Harmonie iv

Geschw. Passage.

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Vgl. Br. 65. Johanna Schopenhauer, Reise an den Rhein. Ausflucht an den Rhein und dessen nächste Umgebungen im Sommer des ersten friedlichen Jahres (1818).

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verschaft. Ich habe eine kindische Freude gehabt wieder etwas gedruckt von Ihnen zu lesen. Mir schien als hätten Sie nie so blühend geschrieben, und doch ist wie Sie sagen durch Censur und Redac: so viel verwischt und unkentlich gemacht worden. Reis und ich wir haben heute viel über Sie gesprochen, über die Gaben die Ihnen zu theil geworden, über den eigenthümlichen Reiz der Ihre Schrift – en – beseele. Es wäre eigentlich nicht deutscher, sondern mehr französicher, orientalischer Geist waß sich darin ausspräche, kurz, Sie sind der gefeierte litterarische patriotische Held des Tages, und – ich bin Ihnen auch schon ohnedies von herzen gut, wenn Sie sich gut aufführen, mais „ce n’est pas l’amour qui fait cela, ce n’est que la plus sincère amitie. – Sie lesen jezt viel von der Stael, ich habe auch die Delphine10 gelesen, Sie haben recht, man kann viel daraus lernen, obschon das bei uns beide ein verschiednes sein wird. Bei ihren Ansichten über Ehescheidung dachte ich mir, hätte ich das Buch früher gekannt, wäre ich früher frei, und erlöst geworden, und hätte weniger Qualen und Zweifel erlitten. Es ist schlimm – wenn man die Bücher versteht braucht man sie nicht mehr, und – wenn einem die Lehren daraus leiten und nützen könnten – versteht und begreift man sie noch nicht. Viel Schönes wahres und Geistreiches ist in diesem Wercke der Stael enthalten, aber die Verknüpfung der Begebenheiten sind doch wunderlich, und der Schluß des Romans ist das Martervollste was nur erdacht werden kann. War das eine nothwendige poetische Gerechtigkeit? Ich begreife nicht warum das so enden mußte?! – – „Das alte Lied“. – Sollten Sie nicht dem Müllner meine protegirte, und gewiß ganz vortreffliche und höchst interressante Rezension (Geschichte von Preusen)11 schiken? Da hätten Sie ja gleich mit etwas bedeudentem den Anfang gemacht. Thun Sie es doch, wenn er sie nicht brauchen will, kann er sie ja zurückschiken. Selbst wenn das Werck schon im Litt. Blatt rezensirt wäre, würde es immer noch Intresse genug durch Ihre Bearbeitung darbieten, […]v thun Sie es doch „pour plaire à mes beaux yeux“! Wie werde ich denn die Sachen zu lesen bekommen, muß ich mich darauf abonniren, oder werden Sie mir das Blatt schiken können? – – – – – – Eine – – Neuigv

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Durchgestr. Passage. Germaine de Staël, Delphine (1802). Die Zensoren verweigerten Bs Rez. v. Johann Caspar Friedrich Mansos Geschichte des preussischen Staates vom Frieden zu Hubertusburg bis zur zweiten Pariser Abkunft (1819/29) die Druckfreigabe.

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keit –– ! Moritz Steinthal12 ist verlobt mit einer Demoise: Émanuel in Hamburg, die sonst keine Geschwister, als nur noch eine jüngere Schwester hat. Dem. Emanuel ist jung, schön, von feiner Erziehung, und –– ihr Vater ist eine halbe Million reich. Moritz kömmt zu ihm in der Handlung! –––– Haben Sie von Adler ein Loos zur zweiten Klasse erhalten? Er sagt er habe es Ihnen geschikt. Die f 100 von der Polizei habe ich für Sie erhalten. Von Wiener Neuigkeiten hört man hier gar nichts. v. Bethman13 reißt heute 6 ten ohne seine Frau dahin ab. –– Ihre Gedichte – Ihre Lieder ! ! Was soll ich Ihnen darüber sagen? Die Sprache ist zu arm um ihren wahren Werth ausdrücken zu können! Bis jezt wußte ich daß Sie ein guter Prosaist, aber waß Sie in der Poesie vermögen, das hat sich mir erst offenbart in Ihrem ausserordentlichen Weinliede und – in „Zweifel und Entschluß“! – Cotta soll sich hier nach einem Correspondenten für Ffurt umgesehen haben. ––– Xvi Montag 7 Januar habe ich noch einen schon besagten Brief nach München an Sie abgeschikt, welcher heute Donnerstag 10ten dort eingetroffen sein muß. Sie erhalten ihn also wahrscheinlich gleichzeitig mit diesen, wenn er Ihnen nachgeschikt wird. Sagen Sie mir doch ob ich Ihnen jezt den Pass, und das Geld jezt schicken soll. Da Sie mir es erlaubt, habe ich einliegendes politische Brieflein abgeschrieben, danke Ihnen dafür, und sende es Ihnen zurück. Das Loos von Adler werde ich gut aufbewaren. Adieu.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 11. Januar 1822.

Nr. 39. Stuttgart. Freitag. 11 Jan. 1822.i Abendwolf, Abgottsschlange, Alligator, Alpenrabe, Ameisenbär, Armpolÿp, Atzel, Auerochs – Bachstelze, Bär, Bartgeÿer, Basiliske, Bienenfresser, Bombardierkäfer, Brieftaube, Brillenschlange, Bruchschlange, Brummfliege, vi

i

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FN für X (vgl. o.). Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert). Vgl. Br. 39. Vgl. Br. 80.

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Butzkopf – Centconblatolli, Chamäleon, Curassaospinne – Distelfink, Dohle, Dompfaff, Dromedar, Drossel, Dudu – Eisbär, Elster, Ente (gemeine), Ente (türkische), Esel, Essigälchen – Faulthier, Feuersalamander, Fischadler, Flußnÿ[m]pfe – Gänsefuß, Galgenvogel, Gans, Geier, Gimpel, Goldpuppe, Gottesanbeterin, Gutfisch – Habicht, Hammel, Hexe, Höllenfurie, Hofdame, – Ibis, Jupujapa – Kakadu, Knurhahn, Königsschlange, Krähe, Kräuterdieb – Lämmergeier, – Mandelkrähe, Medusenstern, Meerengel, Meerschlange, Menschenfresser, Müllerchen, – Nachtigall, Natter (Aegÿptische), Natter (gehörnte), Natter (gemeine) – Otter, Otternköpfchen – Paradiesvogel, Pfefferfresser, Pfingstvogel, Prachtkäfer, Purpurschnecke – Quappe – Rhinoceros, Ringelnatter, Rohrdommel – Sardelle, Schakal, Schauerschlage, Schooßschlange, Siebenschläfer, Singdrossel, Sonnengeier, Spottdrossel, – Tapezierbiene, Taubengeÿer, Teufelchen, (Formosanisches), Teufelskind, Trampelthier, Trotzkopf – Uhu – Vampir, Verkehrtschnabel, Vielfraß – Wasserscorpion, Würger (grauer), Würger (rothköpfiger), Würger (tÿrannischer) – Zaunkönig, Zeisig, Zibethkatze, Zuckerthierchen – Schurke, Schuft, Schlingel, Spitzbub, Dieb, Mordbrenner, Fränzin Moor . . . Ah, jezt ist mir die Brust ganz leicht! Aber auch kein gutes Wort wird geschrieben, bis ich Brief von Ihnen bekomme, bis Sie sich vertheidigt und gereinigt haben. Adieu. Dr. Börne im König von England. Ich vermag es doch nicht über mich, den Brief so lieblos zu schließen. Und eben überfällt mich die Angst, wie wenn es etwas Anderes war als Nachläßigkeit, daß Sie mir nicht nach München geschrieben? Beruhigen Sie mich bald. Wieii froh bin ich, daß ich meine Berge und meinen Wein wieder habe! Süße Turteltaube trockne Deine Thränen, es war so übel nicht gemeint.

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Hs. Zus. e. Bearb.: »X zum Brief 64 [/] gedruckt«.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 12. u. 13. Januar 1822.

Nr. 40. Stuttgart d. 12 Jan. 1822.i Das war wieder ein herrlicher voller Becher! Süße Hebe, ich danke Dir für Deinen Nektar. Alle Flüche nehme ich zurück, und hat sie der Himmel schon gehört, sollen sie auf mich fallen. Aber eine Schlange bleiben Sie doch. Immer, wie auch diesmal, endigten unsere Streitigkeiten, daß ich Sie für Ihre Kränkungen noch um Verzeihung bitten musste. Ich bitte ganz demüthig um Verzeihung, vergeben Sie mir, daß Sie mich geärgert haben. Ganz erstaunt bin ich darüber, daß Sie gar nicht ängstlich wegen Ihres Briefes sind. Nur diese Aengstlichkeit hatte ich gefürchtet, sonst hätte ich mich nicht einen Tag in München zurückhalten lassen. Der Brief kann mir erst Morgen, vielleicht erst übermorgen zukommen, aber ich erhalte ihn gewiß. Das Geld schicken Sie mir allerdings, aber jezt noch nicht, ich will einige Tage warten bis ich Ihnen mein Privat=logis angeben kann. Schicken Sie doch den Samuel1 zu meinem Bruder, und lassen Sie ihn bitten, er möchte den Brief herausgeben, den er neulich für mich erhalten (wie Bernhardt gesehen)2 und alle sonstige Briefe, die unterdessen an mich gekommen seÿn mögen. Diese legen Sie dem Pakete bei. – Ja wohl haben Sie recht „Also wieder nach Stuttgart, daß der Weg nicht ohne Narren steht!“ Ich führe ein komisches Leben, ich bin ein reisendes Lustspiel. In München haben sie sich die Köpfe zerbrochen, was ich dort zu thun haben möchte. Gewohnt Vormittags zu Hause zu bleiben, that ich so wichtig, daß ich mir in dieser Zeit alle Besuche verbat. Zu träge mich anzukleiden, zögerte ich damit, und kam später als die Uebrigen zu Tische. Mich bei dem Bier langweilend, wartete ich selten das Ende der Mahlzeit ab. Natürlich war alles überzeugt, daß ich ein großes Werk über München schreibe. Sie lächelten, sie drängten sich an mich, Schauspieler, Künstler, einige Schriftsteller, dieser und jener Vorsteher öffentlicher Anstalten, sie suchten mich auszuholen; ich lächelte geheimnisvoll und urtheilte sehr bescheiden über alles. Meine Reise fiel in das strengste Wetter. Zwischen Ulm und Stuttgart liegt i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Vgl. Br. 29. Vgl. Br. 26.

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ein hohes Gebirge die rauhe Alp genannt, man braucht 5 Stunden hienüberzukommen. Ich, saß zwar in meinem mit Fenstern verschlossenen Wagen, so warm wie im Zimmer, aber ich sah wie der arme Teufel von Kutscher, mit der grimmigsten Kälte, mit Sturm und Schneegestöber sich herumstritt. Eine Stunde, recht in der rauhesten Wildnis – ich hatte einen Krug Wein und herrliche Münchner Zwieback auf dem Schoose, und rauchte meine Pfeife mit der himmlischen Gemüthsruhe eines Gerechten – da mußte ich hell auflachen und frug mich mit lauter Stimme: Schlingel, was machst Du denn im Januar auf der rauhen Alp? Ich antwortete mir: lieber Freund, das kann ich Dir wahrhaftig nicht sagen, Gott mag es wissen. Der Kutscher sah in den Wagen hienein, er glaubte, ich hätte ihm zugerufen. – Cotta ist nicht hier, wird aber in einigen Tagen zurückerwartet. Er ist nach Genf gereist, um seine Tochter in eine Erziehungsanstalt zu bringen.3 – Ach liebe Seele, ich habe fast geweint vor Verdruß, da ich las, wie Sie glaubten, ich würde Sie mit der Herausgabe der Rheinbriefe überraschen. Ich darf Sie in dieser Täuschung nicht lassen. Es ist bis jezt noch gar nichts damit vorgenommen worden, aber es geschieht doch noch einmal. – Was werde ich mit Briefen gequält! Wollte Gott, es könnte Niemand auf der Welt schreiben als Sie. Als ich hier ankam fand ich einen langen Brief von Robert in Carlsruhe,4 der drei Monate hier lag. Erinnern Sie sich des Paradiesvogels?5 Ich hatte ihn längst vergessen. Das Stück war mir vom Dichter in der Handschrift mitgetheilt worden, und ich hatte es lange in Frankfurt behalten. Diese Saumseligkeit zu entschuldigen, machte ich ihm weiß, eine Freundin habe den Paradiesvogel im Käfig gehabt. In dieser Beziehungen schreibt er mir: „Mein Paradiesvogel hat also in Frankfurt in dem Besitz eines geistreichen Frauenzimmers gelebt und Liebkoßungen von ihr erhalten? Das hätte ich, ohne Anzeige, schon an dem Fädchen gemerkt, das er, wie der Göthesche Vogel6, aus seinem Kerker mitbrachte: ich 3

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6

Nach dem Tod seiner Frau Wilhelmine (vgl. Br. 32) reiste Cotta mit seiner Tochter Ida nach Genf: dort sollte sie in einer pädagog. Anstalt erzogen werden. Vgl. Br. 39. Ludwig Robert, Kassius und Phantasus, oder der Paradiesvogel. Eine erz-romantische Komödie mit Musik, Tanz, Schicksal u. Verwandelungen, in drei großen und drei kleinen Aufzügen. Nebst einer empfehlenden Vorrede von dem berühmten Hunde des Aubry. Berlin 1825. – R. hatte B das Stück vor der Uraufführung 1821 zugeschickt, weil er sich eine Beurteilung erhoffte. Vgl. Johann Wolfgang v. Goethes Gedicht An ein goldnes Herz, das er am Halse trug (1789).

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meine das Bändchen, womit die Rolle gebunden war, und das sich unmöglich von Ihnen herschreibt.“ Und dann lud mich mein Dichter auf den 16ten Oktober nach Karlsruhe ein, um der Aufführung des genannten Stückes beizuwohnen. Es solle mich gar nichts kosten, ich solle bei ihm wohnen, essen, schlafen, und er wolle mich nach Stuttgart zurückfahren lassen. – Mein Münchner Freund Pletz, hat mir auch schon einen langen Brief geschrieben. – Ich schreibe Ihnen heute noch nicht viel, erstens, weil ich herumzulaufen habe, mir eine Wohnung zu suchen, und zweitens, weil ich, obzwar ganz versöhnt mich immer noch beleidigt anstellen will, denn ich habe von Ihnen gelernt, meinen Zorn nur nach und nach verrollen zu lassen, gleich dem Donner. – Sie haben sich über meine Gedichte lustig gemacht; dafür bestrafe ich Sie, indem ich Ihnen ein französisches Gedicht, das ich gestern zu Stande gebracht, und welches Jeanette überschrieben ist, vorenthalte. Das Refrain heißt: Fi! des coquettes maniérées! Nur eine Stelle daraus:ii Fi! des bégeules du grand ton! Tout son charme est dans la grace. Je préfère à ces mijaurées Jamais rien ne l’embarasse; Ma Jeanette, ma Jeanneton. Elle est bonne, et toujours rit.iii Elle dit mainte sottise, A parler jamais n’apprit; Et cependant, quoi qu’on dise, Ma Jeanette a de l’Esprit.7 Adieu ma Jeanette, ma Jeannetoniv Excusez mon impertinence Comme Poëte je ne suis qu’un piéton Mais mon Coeur va en Diligence Et toujours a vos pieds prosterné Vous trouverez votre ami Boerne Sonntag. 13. Jan.

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Mit Strich abgesetzt. Hs. Zus. e. Bearb: »V. 63.« Abgesetzt durch Striche. Vgl. Pierre-Jean de Bérangers (1780–1857) Gedicht Jeanette.

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An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 15. Januar 1822.

Nr. 41 52 Stuttgart d. 15 Jan. 1822.i Nr. 41 41 Nr. 41 11 Ich habe Ihr Brieflein von München erhalten, und jezt soll Alles vergessen und vergeben seÿn. Da ist meine Hand – aber beiß mich nicht Schlange! Es ist recht Schade, daß mein Zorn nicht einen Tag länger gedauert hat, denn gestern las ich in der Reise des Prinzen von Neuwied nach Brasilien1, wie in der Sprache der eingebohrnen Brasilianer die größte Schlange heißt. Das wäre ein prächtiges Scheltwort gewesen: Encarang-cuong-cuongjipakin! Nun, es wird sich wohl noch eine Gelegenheit finden, es zu brauchen. – Ich habe eine Wohnung gefunden, und werde morgen hieneinziehen. Adieu Jeanette, adieu Freundschaft, adieu Vergißmeinnicht. Weinen Sie nicht, keiner entgeht seinem Schicksale, und wie die Götter aller Weisheit, ja aller Tugend der Menschen spotten, das lernen Sie an mir. Vernehmen Sie das Entsezliche was mir begegnet ist. Gleich den Tag nach meiner Ankunft, schickt die Odenheimer2 zu mir, und läßt mir sagen: sie habe erfahren, daß ich Zimmer suche, sie hätte solche zu vermiethen, und ich solle zu ihr kommen. Das Haus hat eine angenehme Lage, die mir bestimmte Wohnung war mir bekannt, und zwei Töchter, von welchen eine sehr schön. Und Blicke hat das Mädchen, man könnte den Winter damit schmelzen. Unter uns gesagt, sie hat eine Liebschaft gehabt, mit einem Leibarzte Ludwig3, die um so gewisser unglücklich endigen musste, da mein Namensvetter wohl gar nicht ernstlich daran dachte das Mädchen zu heirathen. Sie wohnten in einem Hause. Meine Karoline4 hat sich gegrämt, und man sieht es ihrem schmachtenden Wesen an, daß sie gelitten. Konnte mir etwas erwünschter kommen? Ich habe nichts zu thun als mich besiegen i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied (1782–1867), Reise nach Brasilien in den Jahren 1815 bis 1817, 2 Bde. 1820/21. In dem Kapitel Über die Sprache der Botocuden findet sich der Name der größten Landschlange: Encarang-cuong-cuong-jipakiú. Vgl. Br. 26. Wilhelm Friedrich v. Ludwig (1790–1865), Staatsrat u. kgl. Leibarzt. Caroline Ottenheimer (geb. 1800), Tochter v. Jacob u. Sara O. (vgl. Br. 26).

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zu lassen, denn die Weiber, ungleich den Zwiebacken, macht das zweite Feuer weich. Also ich schlug ein und nahm die Wohnung . . . . schwaches Weib, wie wenig kennst Du das Herz eines edlen Mannes! Ich schickte den Bedienten mit einer unbestimmten Antwort fort, renne im ärgsten Wetter in der Stadt herum, sehe 10 Logis, immer eins schlechter als das Andere, und wähle das schlechteste, nur weil die Wirthin eine Wittwe von wenigstens 70 Jahren ist. Wie heiter war ich nach dieser That! Ach wie beseligend ist die Tugend! Gehorsamer Diener. Hören Sie was weiter geschah. Abend bei Tische erzähle ich einem guten Bekannten, einem ganz jungen Arzte, ich hätte bei der Regierungsräthin Haselmeier5 Zimmer gemiethet. Steigt dem jungen Menschen die Glut ins Gesicht. „Wissen Sie auch, daß Sie beim schönsten Mädchen in der Stadt wohnen?“ Ich fühlte mich erb[leichen]ii und musste das Glas niedersetzen. „Aber mein Gott – sage ich – es ist nicht möglich, die Frau ist älter als 70 Jahre, sie kann keine so junge Tochter mehr haben.“ „Ja, die Sie gesprochen, ist die Grosmutter; deren Tochter6 ist auch Wittwe und selbst noch eine schöne Frau, und die Enkelin7 ist eins der schönsten Mädchen in der Stadt. Sie wohnen im 3ten Stocke des Ha[uses.] Nun, Frau Wohl, da sehen Sie was bei der Tugend herauskömmt. Ich habe gekämpft wie ein Löwe und habe doch nicht gesiegt. Weil es nun die Götter haben wollen, so will ich auch ein rechter Bößewicht, ein Mordbrenner will ich werden, in die Böhmischen Wälder will ich gehen, heirathen will ich Sie. Jezt ist mir meine Bestimmung klar, der Tÿger soll sich mit der Schlange Encarang-cuong-cuong-jipakin verbinde[n], daß der Menschheit das Herz erbebe. Tÿger-Gattin, schicke mir die 100 fl. in [mei]ne Räuberhöhle: Langenstraße, bei Frau Regierungsräthin Haselmeier. . .iii – Von den wichtigsten Sachen schreiben Sie mir nie. Ist meine Freundschaft unverdorben angekommen? Haben Sie sich nicht vor dem Knollen gefürchtet? – Sagen Sie mir doch etwas Naheres von Schmidt. Wo ist er jezt? Wohin reist er noch? Wenn kömmt er nach Frankfurt zurück? – Bethman8 war sehr geii iii

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Textverlust (vgl. R IV, 535). Gedicht seitlich mit Strichen abgesetzt (vgl. u.: Briefende). Christiane Rosine Haselmaier geb. Hofstetter (1750–1828), seit 1767 verh. mit Regierungsrat Haselmaier (1736–1806). Caroline Danz geb. Haselmaier (1774–1837), Witwe des Regierungsrates Danz. Christiane Friederike Gros geb. Danz, seit 1817 verheiratet. Vgl. Br. 80.

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scheidt, daß er seine Frau9 nicht mit nach Wien genommen, er hätte sich dort zu todt geärgert. Und dann hat er eine gute Gelegenheit dem Metternich 3000 Bouteillen Champagner zu schenken, das ist auch etwas werth. – Also Sie schreiben dem Sch. wie mir, und er schreibt Ihnen wie ich! Das Schmerzt mich doch. Nicht Sie thun mir wehe, aber die Verhältnisse. Wäre es nicht schöner, ich wäre Ihnen, was Sie mir sind? Eines und Alles. Daß Ihnen der Sch. Freude macht, darauf bin ich nicht eifersüchtig, der Mensch muß seine wenigen Freuden weit umher zusammensuchen. Aber Alles Leid sollte Ihnen nur von mir kommen. Es ist so, ich muß es geschehen lassen. – Müllner hat mich falsch berichtet, das Literaturblatt ist nicht vergrößert worden. Cotta ist noch nicht hier, ich konnte über diese Sache keine Auskunft erhalten. – Wenn ich erst eingezogen bin, dann schreibe ich Ihnen längere Briefe, und dann muß Ihre und meine Zukunft ernstlich zur Sprache kommen. – Ich habe Sie schon längst einmal nach Simon Oppenheimer10 gefragt, haben Sie nicht gehört wie es ihm in Petersburg geht? Wird er dort bleiben, bald heirathen. – Meinem Vater habe ich auf die erforderliche Art nach Wien geschrieben. Meine Gesundheits=Umstände, schrieb ich, hätten mir auf keine Weise verstattet, eine Anstellung anzunehmen, weil ich nicht immer im Stände wäre zu Arbeiten, was doch von einem Beamten gefordert würde. Von den übrigen Gründen meiner Abneigung schwieg ich, damit mein Vater den Brief vorzeigen könne. – Haselmeier! Voll Mordbegier Nah’ ich Dir Naht der Schmerz, Leicht wie Eier Brech’ ich Dein Herz. Arme Jeanette! Dir zürnen die Sterne, Leg’ Dich zu Bette Weine und klage Seufzend entsage Deinem Freund Börne. Dr. Börne, geb. Encarang-cuong-cuong-jipakin.

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Vgl. Br. 87. Simon Lazarus Oppenheimer (vgl. Br. 75).

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100. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den [14.], 15. u. 17. Januar 1822. 41 Nr 39.i 40ii Lassen Sie sich erzählen. – Vorige Woche war ich verdrießlich, ungeduldig, wegen der Schreibverwirrung. Ich suchte mich durch allerlei zu zerstreuen, und da fiel mir das Päckchen [Papier] in die Hände, das Sie mir aufzubewaren gegeben, und, wohl gemerkt, auch zu lesen erlaubt hatten. Was fand, was las ich! Eine ganze lange Rheie von Briefe, mit einer noch längern Reihe Ermahnungen, von Ihrer mütterlichen Freundin Frau Hofräthin Herz. – Ei ei ei ei! wenn ich das gewußt, daß Sie schon 1802 so wenig getaugt, und so wenig Folgsamkeit bezeigtiii, wie hätte ich fein 18–21 alle die eindringlichen Weisheitslehren bei Ihnen ersparen können! Mein Gott, waß wären Sie ein Muster von Vollkommenheit geworden, wenn Sie dem Guten und Vortrefflichen so lange beständig treu und anhänglich geblieben, als Sie es dem nicht guten, und Ihren Fehlern geblieben sind. „Und Sie unterstehn sich noch mir, auch nur ein böses Wörtchen zu sagen! Sie, neunzehn Jahrelanger Müßiggänger! Nichts gelernt, nichts geworden, nichts getaugt, – und nicht gebessert! – Ei, ei, ei. wenn ich das gewußt! – Sehen Sie. Mein Guter, Sie dürfen nicht mit mir zanken, und eigentlich scheint mir’s als hätten Sie mir nur eine Artigkeit erweisen wollen. Sie wollen mir Bitterkeiten sagen und – müßen sie aus einer Naturgeschichte entlehnen, das klingt sehr schmeichelhaft: Was kümmert mich Ihre ganze Buffonische=Menagerie. ich erkenne nur Ihren ohnmächtigen Aerger daran, mich trifft – also ärgert es mich auch nicht. Aber Sie, wenn ich mit Ihnen zanken wollte! ich brauche dazu keine Bücher, selbst keine Erinerungen. Sie sind darin so gefällig einem immer vom neusten Tage neuen Stoff zu geben. – Bei der Postexpedition sind von Ihren Wag=Abonnenten die schreiendsten Klagen eingelaufen „Man solle – entweder die folgenden Hefte, oder das schon dafür bezahlte Geld zuschiken“. – Sind Sie bei Kasse, bei Geld oder Kopf=Kasse? So bezahlen Sie doch die Leute Herr Doktor, das will sich gar nicht für einen berühmten Mann schiken, in diei ii

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Br.k. undatiert: der 1. Abschnitt ist vermutl. am 14. 01. 1822 geschrieben. O. O. u. D., hs. Zusätze v. 2 Bearbb. »Ffurt [15] 17 Januar 1822.« (Br.k.) – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Langenstraße, bei Frau Regierungsräthin Haselmeier in Stuttgart (Kuvert). Überschr.: gezeigt.

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sem Sinne die Europäische=Welt so laut über sich reden zu lassen. – Dienstag 15ten. – Es ist – ich kann nicht sagen possirlich – sondern recht verdrieslich daß ich immer Ihre nur allzuwahre Anreden an sich selbst parodiren muß. Also „Schlingel, was werden Sie jezt anfangen ? ! Habe ich doch gehofft auf dem Briefe den ich mir voll des Inhalts dachte „Ich bin jezt so beschäftigt mit dem Lit. Blatte,1 daß mir wenig Zeit bleibt Ihnen für heute mehr zu schreiben“. statt diesen raisonnabeln Inhalts heißt’s wieder in der alten Manier „ich laufe herum“! Obs nun nach einer Wohnung, oder, pour passer le temps, oder um das 20te Jahr eben so würdig als die vergangene 19 zu beschließen? – – Ach Gott wenn ich mir nur abgewöhnen könnte mich um Ihre Aufführung zu bekümmern, mich darüber zu betrüben. Es hilft ja doch alles nichts, und wird bleiben wie es war. Wenn Ihre Münchner Freunde Sie gekannt hätteniv, wie Sie Ihre Berliner und Ffurter Freunde kennen, hätten sie gewiß kein großes litterarisches Werk von Ihnen erwartet, hätten sich nicht an Sie gedrängt, Sie hübsch stehen lassen, wie es Ihre Ffurter Freunde auch thun werden. Gewiß, gewiß es geschieht noch, Sie bringen es noch dahin. Jezt sitzen der gnädige Herr in Stuttgart, spielen den Fürsten der nichts hört vom raisonniren und Murren, und ich armer aufrichtiger treuergebener Geschäftsnarr muß alles erdulden und ertragen. Sollten Sie nur hören mein Prinz „Klagen, nichts als Klagen – nichts als Klagen, Bittschriften – in allerlei Gestalt – von der Post, von Steinthal – vom Schuhmacher – vom Schneider – Buchbinder, Buchhändler etc etc etc – , – , , , , , , , , , , , . . . . . ! Ach und waß ist Ihr Freund Robert2 für ein süßer Narr, mit seinem Paradiesvogel und zierlichem Bändchen!3 Da unterhalte ich mich mit andre Leute als Sie „Der liebe Müh ist umsonst“ von Schakes[p]ear.4 Das ist ein andrer Vogel, waß sind da für herrliche Sachen d’rin! obschon daß ganze nicht zu seinen vorzüglichsten Dichtungen gehört. Und Palingenesien von Jean Paul. Da heißt’s einmal „Die Entfernung des Ortes löset an Menschen wie an Bühnendekorazionen, die harten Striche Schonheitslinien, und die iv

Korr., urspr.: kannten.

1

Vgl. A. Müllner (Br. 25). Vgl. Br. 39. Vgl. Br. 98. Verlorene Liebesmüh (Love’s Labour’s Lost [1597]). 1778 war eine dt. Übersetzung u.d.T. Der Liebe Müh ist umsonst erschienen.

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Klekse in Laubwerk auf; der Abwesende ist ein Todter, den unser lossprechend Herz verklärt, und der seelig wird, wenn er wieder aufersteht“v – Ach, Sie sind nicht einmal eine Bühnendekorazion! habe ich nicht täglich und immerwährend großes Herzleid durch Sie! Warum haben Sie nicht wenigsstens so viel Verstand gehabt auf der Rückreise Ihren verehrten Dichter Jean Paul zu besuchen? Sie führten dies ja immer im Sinne, und wenn Sie auch einen Umweg gemacht, so hätten Sie doch wenigstens gewußt „Warum Sie im Schnegestöber herumkutschen. Vielleicht wären Sie auch dort klug geworden, oder hätten verlernt zimmperliche Gedichte zu machen. Bei alle dem ist mir als wollten Sie sich mit fremden Federn schmüken, denn obgleich Ihres schönen Gesanges lezte Strophe nach Deutsch Französisch schmekt, so scheinen doch die Ersten orginal Französisch zu sein, ich werde Ihnen aber schon auf die Spur kommen, Sie „rauhe Alp“ Müßiggänger, Sie Parnasdieb! Werden Sie mir noch oft von Ihren lieben Freunden Herrn v. Pletz, und Hrn Robert5 erzählen? ich bedanke mich schon im voraus dafür, unterstehn Sie sich nur! jezt will ich Ihnen einen „lezten Entschluß, und kein Zweifel“ erzählen. Ich schwöre daß so gewiß ich Ihnen jezt schreibe, so gewiß wird dies der lezte Brief sein, wenn Sie mir nicht aufs heiligste, auf Ihr Ehrenwort versprechen zusagen, vonheutean in vier Wochen ein Wagheft fertig und gedrukt, und so folgend die drei Hefte also in einem Zeitraume von drei Monate einzeln zu liefern. Sie können alles vorräthige Material die Rheinbriefe und alles, auch Auszüge aus den Münchenern Briefe dazu verwenden, dabei arbeiten Sie jede Woche wenn auch nur einen halben Bogen für’s Lit. blatt,6 weil dies alles eine leichte Arbeit, und weil Sie auser den f 100 die Sie jezt erhalten keine Einnahme bis zu ende März haben, Sie mit dem Gelde auf so lange nicht ausreichen, und Sie daß Lit. Blatt, als ein Handwerck, als ein Nahrungszweig betrachten müßen. Sind Sie nur erst einmal von der Wagschuld befreut, dann können Sie ja so Sorgenfrei und Unabhängig leben. Mit f 1000 jährlich können Sie recht gut auskommen, und die können Sie spielend, auf ’s leichteste beim L. B. erschreiben. Ihre f 400 Pension sollten Sie dazu verwenden einzeln Ihre Schulden abzutragen. Mit Ihrer übrigen Zeit könnten Sie dann nach

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Orig.: auferstehet. – Vgl. Palingenesien, Erster Reise-Anzeiger (Nachschrift).

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Vgl. Br. 39. Vgl. Br. 25.

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belieben schalten, entweder aus Neigung Schriftstellern, oder auch – auf der, rauhen Alp herumlaufen. Es ist mir sehr leid daß Sie Steinthal und Adler nicht bezahlen können, ersterer weiß ich hat nicht gern lange geduld und Murrt, und lezterer – soll sehr arm sein. – Also Sie werden schreiben, oder ich werde aufhören zu schreiben, darauf mein Wort und unwiederruflich, denn nun ist’s völlig zu Ende mit meiner Geduld! – – Donnerstag 17ten. Ich habe Sie wieder ein bischen gezankt! Nun das kann niemals schaden. – zu Ihrem heutigen Briefe!: Also tugendhaft, aufopfernd! hm, – Sie scheinen sich aber nicht recht zu trauen, Sie sind zu vorsichtig Herr Doktor! Das ist nicht die rechte Tugend nicht die rechte Festigkeit. Doch lassen wir das! Sie wollen ernstlich, und über Zukunft mit mir reden? ich bin doch begierig was Sie vorbringen werden. – Ueber Schmitt sind Sie ja in einem merkwürdigen Irrthum befangen. ich habe ihm, auch noch nicht ein einzigesmal geschrieben. Er schrieb mir mehreremale, und sehr dringend daß ich ihm antworten sollte, da er aber sah daß ich hartnäkig in meinem Schweigen beharrte, so unterlies er es endlich. Auf Weihnachten hat er mir ein Buch und ein Schreiben dabei zugeschickt, ich habe beides nicht angenommen, und uneröffnet zurückgegeben. Seine Briefe kommen unter meiner Adresse, das ist alles, ich kann es nicht ändern. Obschon mein Betragen gegen ihn sehr hart scheint, so kann ich doch nicht anders, aus – Gefühl, und aus Ansicht nicht anders handeln. ich will und kann nicht heucheln noch täuschen. Wenn – er Verstand und Urtheil hat, so wird er meine Gesinnung leicht aus meinem Benehmen erkennen. Was soll ich Ihnen übrigens über das unseelige Verhältnis noch sagen? Es hat sich noch gar nichts geändert, wie Sie sich’s auch leicht werden denken können. S7 ist jezt in Leipzig, auch Spohr8 ist da. S. hat Konzert da gegeben, er geht noch nach Hamburg und Berlin, vielleicht auch noch nach Kopenhagen. Bei seiner Abreise war bestimmt daß er bis Ende April wieder hier sein will. Warum so ungewöhnlich neugierig? –– – Von Simon Oppenheim9 hört man nichts, als daß er zuweilen schreibe, was? kann nicht dienen. Seine Braut lebt jezt in Offenbach bei ihren Aeltern. ist Ihnen denn so viel daran gelegen von ihm zu hören, weil Sie so angelegent7 8

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Aloys Schmitt (vgl. Br. 1). Louis Spohr (1784–1859), Komponist, 1817–1819 Opern- u. Musikdirektor in Ffm., war mit B über Aloys Schmitt u. den Börsenmakler u. Komponisten Karl Wilhelm Speyer bekannt (vgl. Br. 102). Simon Lazarus Oppenheimer (vgl. Br. 75).

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lich, und öfter nach ihm fragen? – Habe ich Ihnen denn nicht schon gesagt, daß Ihre Freundschaft unbeschädigt angelangt. und daß ich mich vor dem gedrohten Knallen gar nicht gefürchtet. Wenn Sie warnen – ist nichts zu fürchten. – Ich werde mich erkundigen wann der nächste Postwagen geht, und Ihnen das Geld dann schiken. ich werde den nämlichen Tag auf der Post an Sie schreiben, damit Sie auf den Empfang vorbereitet, und es keine neue Verwirrung giebt. – Ueber Ihr heutiges schöne Gedicht „Haselmeier!“ könnte und sollt ich Ihnen viel antworten, die Zeit ist aber zu kurz, die Post geht, ich will es auf ein andermal verschieben, und Sie nur für heute ––– auslachen! Adieu Herr Börne, reden Sie doch nächstens versprochener maßen ernstlich über Ihre und meine Zukunft. Nr 41 Donnerstag 17 ten Januar 1822 J. W.

101. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 19. u. 20. Januar 1822. Nr. 42 Stuttgart. Den 19ten} Jan. 1822. Nr. 42 Stuttgart. Den 20 = }i Meine Trägheit, das was Sie mein Leichtsinn nennen, Ihre Klagen darüber und meine Einreden, das Alles, hat mich wie Sie, schon oft belustigt, aber auch mich wie Sie schon sehr gekränkt. Sie thun mir Unrecht, oder, da Sie mir so gut sind, darf ich sagen Sie treten sich zu nahe. Die phÿsische Beschaffenheit meiner Seele und meines Geistes ist solcher Art, daß ich nicht fleißig seÿn kann. Das ist meine Schwäche, aber nicht mein Verbrechen. Sie sollten mir darüber keine Vorwürfe machen, Sie sollten mich eher trösten, oder vielmehr Sie sollten sich freuen, daß ich keines Trostes bedarf, und stark und bescheiden genug bin, mich trotz meiner Mängel glücklich zu fühlen. Die Schwäche meines Gemüths hängt mit der meines Körpers zusammen. Ich könnte vielleicht durch diese jene heilen, aber das ist ein Helden=Unternehmen, das nur Wenigen gelang, ein Unternehmen, das man bewundern mag wenn es gelingt, das aber wenn es fehl schlägt keinem i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Menschen zur Schande gereicht. Es ist keine Kleinigkeit täglich auf dem Seile der Entbehrung herumzuwandeln, und so oft man auch herabfällt immer unverdrossen wieder hienaufzusteigen, und so fortzufahren durch das ganze Leben. Sie irren sich sehr, wenn Sie glauben, daß es bei mir darauf ankäme, daß ich mich anstrenge. Jede Anstrengung ist mir willkommen, aber sie führt mich zu nichts, mir fehlt es nicht an Beweglichkeit, mir fehlt es an Ruhe des Geistes; ich muß mich nur immer zu mäßigen suchen. Wein, Liebe, Ehre, Gewinnsucht, alles was sonst die Meisten Menschen zur Thätigkeit antreibt macht mich nur Matt, weil ich schon zu viele innere Reize habe. Wie erklären Sie sich denn, daß ich so faul bin? Sie reden zwar von meinem Herumlaufen, aber ich hoffe daß Sie nur scherzten. Ich habe Sie schon oft ernstlich versichert, daß ich gar nicht herumlaufe, sondern den größten Theil des Tages zu Hause bin. Und das befolge ich schon mehrere Jahre. Also Zerstreuungen sind es nicht, die mich vom Arbeiten zurückhalten, nur jene Schwäche thut es. Ich mache täglich den Versuch ob diese Schwäche nicht zu überwinden sei, und da ich mich durch Niederlagen nicht abschrecken lasse, so wird es mir damit gehen wie mit andern Fehlern, denen ich so oft die Thüre gewiesen, bis sie ungeduldig geworden sind und mich verlassen haben. Seien Sie ruhig, ich fühle in mir, daß ich mich noch machen werde. Fürchten Sie auch nicht, ich möchte darüber zu alt werden, denn, ob ich zwar freilich jezt schon zu alt wäre um Neues in mir zu schaffen, so wissen Sie doch recht gut, daß es darauf nicht ankömmt, da ich Kräfte genug besitze, und ich nur nöthig habe, sie nach Aussen zu wenden. Bringe ich es einmal zu anhaltender Thätigkeit, so werden sehr schnell ganze Bücher zu Stande kommen, da ich sie blos aus dem Kopfe abzuschreiben brauche, und es wird sich am Ende finden, daß ich nicht einmal Zeit verlohren habe, durch mein Zögern. Was die Wage betrifft, so kann ich Ihnen darüber keine Zusage geben, doch verspreche ich Ihnen, in Zeit vor 4 Wochen hier oder dort so viel drucken zu lassen, als der Inhalt eines Wagehefts ausmacht. Das nöthigste ist, daß ich sogleich für das Lit. Bl. zu arbeiten anfange, damit ich im Nothfalle von Cotta Geld bekommen kann. Zweitens gedenke ich einen politischen Aufsatz wozu mir eine gewisse Veranlassun[g]ii Stoff gab, als besondere Flugschrift drucken zu lassen. – Sollte ich wirklich einen dummen Streich gemacht haben, da[ß ich] Ihnen die Briefe der Herz anvertraute? Das wäre Ihr Vergehen nicht

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Besch. Rand.

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meines. Ich hätte nie gefürchtet, daß Sie daraus [eine] schlimme Meinung über mich schöpfen würden. Ich war damals noch sehr jung, aber keiner der Fehler, die mir in den Briefen vorgeworfen sind, ist mit meinen Jahren gewachsen, sie sind alle stehen geblieben, und mancher ist unmerklicher geworden – Liebes Kind, hätten Sie nur ein bischen Verstand in geographischen Dingen, so hätten Sie einsehen können, daß ich nicht auf einem kleinen Umwege zu Jean Paul hätte kommen können. Dieser Weg nach Stuttgart wäre um das Doppelte weiter gewesen, und den Aufenthalt in Baireuth eingerechnet, würde mein Geld nicht ausgereicht haben. – Sie halten mich beim Worte und ich soll ernstlich von unserer Zukunft sprechen. Ich dachte dabei mehr an Sie als an mich. Was mich betrifft, den Göttern sei gedankt, ich nehme das Leben nicht so tragisch. Ich bin vergnügt, und wie der Moralist zu den Reichen und Mächtigen sagt: was hilft euch euer Reichthum und Glanz, Ihr müsst doch sterben, so sage ich zu mir; ‘was schadet Dir Armuth und Niedrigkeit’, das Grab bleibt Dir gewiß, so gut wie den übrigen. Nur einen Wunsch habe ich – mit Ihnen zusammen zu leben, nicht blos weil ich Sie liebe, sondern auch weil ich Sie brauche, da meine Neigung zu Ihnen das Einzige ist, was meine Kräfte verbinden, mir Geist und Herz zusammenhalten, und meinem Leben Einheit geben kann. Doch auch das beunruhigt mich nicht, denn jeder weise Wunsch giebt schon zur Hälfte das Glück, das dessen Erfüllung ganz gewährt. Nur unbefriedigte Wünsche machen unglücklich. Aber an Ihre Zukunft denke ich. Sie sitzen zu Hause und warten geduldig, bis der Frühling Ihren Kummer erneuere. Warum gehen Sie nicht früher von Frankfurt weg? Was hält Sie zurück? Ich trau[e] Ihnen wohl die Stärke zu, sich zu retten, wenn etwas auf ’s Aeusserste kömmt, aber das ist eben die Tücke des bößen Geschicks, daß es einen Menschen den es plagt, nie auf ’s Aeusserste bringt, wohl wissend, daß er sich dann zu helfen weiß. Das größte Unglück ist, daß man noch unglücklicher werden kann, und es selten dahin kömmt, daß ein Schmerz unerträglich wird. Ich schreibe Ihnen das, ob ich zwar weißiii, daß es keinen Eindruck bei Ihnen machen wird. Und Sie sollen mir antworten, nicht um mir, um sich selbst Rechenschaft zu geben, was Sie in diesem oder jenem Falle zu thun gesonnen sind. Sie haben sehr Unrecht gehandelt, daß Sie dem Sch.1 nicht geschrieben. Sie am meisten müssen sich hüten unzeiiii

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ÜdZ. Aloys Schmitt (vgl. Br. 1).

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tig hart zu seÿn, weil Ihr gutes Herz immer damit endigt, Ihre Härte durch unzeitige Nachgiebigkeit zu bezahlen. Wenn Sie an Schm. geschrieben, hätten Sie Ihre Meinung bestimmter und doch freundlicher äussern können als durch Sch[…].iv – Haben Sie die Briefe der Herz wirklich erst jezt gelesen? Sie sind ja sehr wenig neugierig. Jung gewohnt, alt gethan – warum haben Sie mir das nicht vorgehalten? Oder: was Hänschen nicht lernt, holt Hans nicht nach? Sie verstehen sich nicht aufs Predigen. – Sie machen sich über meine Verse lustig, Unglückselige! Einen Dichter zu beleidigen ist doppelt gefährlich. Er kann sich an die Schönheit rächen durch Schweigen und durch reden. Meine Rache soll so groß seÿn als Ihre Schuld. Ich mache ein französisches Heldengedicht auf Sie in einigen tausend Gesangen und in jedem Briefe, müssen Sie einen Löffel von meiner Poesie einnehmen. Ich fange gleich an: Jeanette Poëme épique, en trois milles, quatre cents treize Chants. I. Chant. Mon Orgueil se frotte les yeux Saute du lit et bâille: grands Dieux, Quel Démon m’a éveillé? J’ai si doucement sommeillé! C’est Jeanette, coquine, c’est toi, Cruelle que voulez-vous de moi? Jeanette sourit et dit: „mon cher, Allez faites-moi de vers.“ Croyez-vous que cela m’embarasse? Après femmes et rimes quand on chasse, L’on ne retourne jamais sans butin. Toute la nuit du soir au matin, Toute la journée du matin au soir Ma chère amie vous allez voir Je ferai des vers rimés ou blancs Moi inépuisable comme un étang. Je chanterai le fameux serpent Qui est malin mais qui est charmant.

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Geschw. Passage, vermutl.: Schweigen.

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Dans une obscure ruelle à Francfort sur mein Nacquit l’aimable Jeanette bien, Et aussitôt s’accomplit l’oracle: Que l’enfant sera un miracle. Dès le premier jour de son berceau Jeanneton mangea de gros morceaux, Et s’exerça à gronder avec véhemence Le futur auteur de la balance. – Continuation à la prochaine lettre Wir haben heute schlechtes Wetter. Cette rime vraiment est fort drôle! Dr. Börne, geb. Wohl.

102. An L udw i g Bö r n e i n [ S t u t tg a rt]. [Frankfurt], den 20., 21. u. 22. Januar 1822. Nr. 42 Haben Sie schon gehört daß Spohr1 in Kassel als Kapellmeister angestellt ist, mit einem Lebenslänglichem Gehalt von 5000 schwere Thaler? Eine unerhörte Summe! Wie wird der Guhr jezt seinen Tausch bereuen.2 Der neue Regent3 soll ein großer Verehrer und Beschützer der Künste sein, sollte er nicht auch der Wissenschaft? Wenn auch nicht der forschenden, vielleicht mehr für erheiterende. Wer weiß ob er nicht im Gegensatze mit seines Vaters4 Geize, seine Hauptstadt wieder zu dem Glanze erheben will, in welchem sie unter Hieronimus Buonaparte5 stand. Ich dachte – natürlich gleich dabei an Sie. Der Fürst soll bis zur Verschwendung freigebig sein. Sollte das nicht für Sie zweckmäßig zu benutzen sein? Sie sind ja, Bel-

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Vgl. Br. 100. Bevor Guhr 1821 Operndirigent in Frankfurt wurde, war er am Kasseler Kurfürstlichen Hoftheater beschäftigt (vgl. Br. 85). Wilhelm II. (1777–1848), seit 1821 Kurfürst v. Hessen. Wilhelm I. (1743–1821). König Jérôme Bonaparte (1784–1860) residierte 1807–1813 in Kassel, der Hauptstadt des von Napoléon I. geschaffenen Königreichs Westfalen.

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letrist, Humorist, Schöngeist, Politikus etc etc. . – Denken Sie darüber nach. –– – Mit Adler hat es, zwar ein erwartetes, aber dennoch unerhörtes Ende genommen. Denken Sie, es heißt allgemein er gienge nach Linz, wo er den Schauspieldirektor kenne, um sich bei der dortigen Truppe anwerben zu lassen. Nach einigen soll er schon fort sein. Er wollte von jemand 50 Karolin Reisegeld gelien haben, erhielt sie aber nicht. Der Frau Verwandte bestehen darauf daß sie sich scheiden lasse. Das Lotteriegeschäft geht schon unter ihrem Namen.6 Wie dauert mich die brave junge Frau, und die schönen und so unglücklichen Kinder. Und alle das Elend aus Erbärmlichkeit und Narrheit, ohne eigentliches Schiksal und Unglück, es ist doch entsetzlich. – – Dr Heß7 erzählte mir neulich von einem Litteratus der erst kürzlich von Paris zurückgekommen, der dort 9 Monate gelebt, und schon dadurch ein reichliches Auskommen gefunden, daß er bei einem vornehmen Manne Monathlich 100 Francs, und freien Tisch erhalten habe, dafür, daß er ihn täglich eine Stunde besucht in der er sich mit ihm unterhalten oder auch vorgelesen habe. – Waß sagen Sie zu Moritz Steinthal?8 – – Es war ja früher die Rede davon daß Ihr Bruder vierteljährlich f 50 für Sie ausbezahle? Sollten Sie ihm nicht darüber schreiben, und die noch rückständige f 25 von voriger Lotterie an Frau Adler, und die andre f 25 als Hälfte an Steinthal bezahlen lassen? Sie sind ja schon 5 Monate entfernt, vielleicht bezahlt er auch noch verlauf des 6te[n] Monats die andre f 50 also f 100. Das wäre schön, da könnte man noch mehrere Rechnungen quittiren lassen. Doch – wie Sie meinen. – – „Weine und klage. Seufzend entsage. Deinem Freund Börne“! Ist das Ihr Ernst? Es ist gut daß Sie mir das zeitlich gesagt haben, denn gerade jezt hat sich ein Bewerber um mich gemeldet, zwar indirekt, aber es ist doch etwas an der Sache – Professor Zimmern aus Heidelberg. Soll ich ihn heirathen? In keinem Falle geschieht es ohne Ihren Beifall, und Ihrer Zustimmung, obschon Sie sich so hart und lieblos gegen mich benommen haben. Aber um Gotteswillen machen Sie mit niemanden Spas darüber, es könnte leicht Gerede geben, was äußerst widrig wäre, und nur weil man Ihnen alles deutlich sagen muß habe ich den Namen ausgeschrieben, aber aus Rücksicht für mich streichen Sie den 6

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Im März 1822 trat Simon Feist Adler Handlung und Lotterie an seine Frau Sara (Sophie) Adler ab. Nach der Scheidung verließ er Frankfurt, ab 1823 führte Sara das Lotteriegeschäft unter dem Namen Sophie Adler weiter (vgl. Br. 29). Vgl. Br. 37. Vgl. Br. 39.

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Namen gleich aus wenn Sie gelesen, ich bitte Sie darum. – Wie finden Sie Ihre dreistöckische Freundinen, die wunderschöne Tochter, und – auch die schöne Wittwe – wie? Jezt können Sie ja offen sein ohne daß Ihr gutes weiches Herz der Furcht erliege mich in Verzweiflung zu stürzen. – Waß Kinderpossen! Schikt sich gar nicht mehr für unser eins. Man sieht es eben uns Beide an daß wir Müßiggänger sind, und nichts besseres zu thun wissen als die liebe Zeit mit „Tänteln und Scherzen zu verkürzen. – Sein Sie einmal einen Augenbl[i]ck ernsthaft, und denken Sie daran was ich über Kassel gesagt habe. Daß [Beichoss?]9 dort ein politisches Blatt herausgiebt, kömmt hier nicht zur Sache, und weil der Fürst jezt in allem eine ganz neue Einrichtung trifft, rede ich mir ein Sie könnten, wenn Sie es noch bei zeiten benutzten vielleicht eine glänzende Karriere dort machen. Geben Sie acht ob sich nicht Künstler und Gelehrte aus allen Fächern dort hinziehen werden, und es ist immer am besten wer es am frühsten thut. Ich weiß nicht ob ich recht habe. Die ganze Folgerung kömmt nur so aus meinem Kopfe, ich wollte Sie aber darauf aufmerksam machen. Sie haben ja mehr Gelegenheit waß wahr an der Sache zu erfahren, ich meine Sie dürften sich nur bei seiner Durchlaucht vorstellen lassen und Ihr Glück wäre gemacht. Es wäre mir nicht einmal genug wenn Sie bei der Inspektion des Theaters, oder eine litterarische Anstellung bekämen. Sie sollen sich um eine Anstellung beim Regierungswesen bemühen, oder etwa Sekretair beim Fürsten selbst werden. Herr von Karlshausen10 war eines Schulmeisters Sohn, und ward der erste Mann im Staate. Sie sehen ich will hoch mit Ihnen hinaus. Sie sind so indolent, daß mein Ehrgeiz dadurch erweckt wird. – – Rheinganum11 ist auch endlich in Thätigkeit gesezt worden, es ist ihm eine Masse bei einem Banqueroute vom Amte zugewendet worden. – – Die Hof. Herz12 sagt einmal in ihrem Briefe ohngefähr folgendes zu Ihnen „Denken Sie daran lieber 9

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Baihoss, Beifuss o. Buchholz? lt. M: »Buchholz« (M, 56): Friedrich Buchholz (1768– 1843), liberaler Publizist, gründete 1815 das Journal für Deutschland (seit 1820 Neue Monatsschrift für Deutschland). Vermutlich Carl Friedrich Buderus v. Carlshausen (1759–1819), Kammerpräsident und 1815–1817 Bundestagsgesandter im Dienste des Kurfürsten von Hessen-Kassel; der Vater Friedrich Ludwig B. (1733–1805) war Kammerdiener u. Lehrer in der Hanauer Neustadt. Maximilian R. bemühte sich nach seiner Promotion v. 1818 in Frankfurt vergeblich um eine Zulassung zur Advokatur, die ihm erst nach seiner ev. Taufe 1821 gewährt wurde (vgl. Br. 46). Hofrätin Henriette Herz.

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Louis daß der Mensch auch ein äusseres Leben habe, einem bestimmten Berufsgeschäft sich widmen müße, damit er in seiner innern Welt desto freier und unabhängiger leben könne“. Sie sagt es schöner, und sonst noch viel Schönes gutes und belehrendes, mein lieber Taugenichts! Aber – da war „aller Liebe Müh umsonst“! !, – Wie dauert mich die zarte Karoline13! Ihr Namensvetter macht Ihnen Ehre, das ist wieder ein schöner Streich von einem „hochgeprießenem Manne! Ist der Mosaische oder Christliche Glaube so glücklich diesen Tugendhelden zu ihrer Gemeinde zu zählen? – Sie sagen mir Cotta habe seine Tochter nach Genf in eine Erziehungsanstalt gebracht, ich glaubte Fräulein Cotta wäre schon ein erwachsenes Frauenzimmer. Erkundigen Sie sich darüber. Und wenn es sich thun läßt, sprechen Sie doch den Cotta über die Verhältnisse und Einrichtungen in dieser Genfer Anstalt. – – Ich habe lezter Tage Ihre frühere Briefe aus Stuttgart durchgelesen, da heißt es öfter „ich bin fleißig, ich habe unter andern einen politischen Aufsatz von drei meiner Seiten fertig gemacht. Ich werde nächste Woche mehrere Bogen für die Wage nach Tübingen schiken“! Waß ist denn aus allen diesen Arbeiten geworden? Ich bitte Sie um gotteswillen bedenken Sie doch nur – den 20 Januar waren es schon fünf Monate daß Sie abwesend, und was haben Sie in der langen Zeit gethan? „Wie wird das werden, und was soll aus Ihnen werden?“ Sie machen mir viel, und recht herzlichen Kummer, und wie die Leute über Sie reden! Wenn ich nur wenigstens das nicht mit anzuhören brauchte. – – Montag 21ten. Zu einem lustigen Thema. Ich komme eben aus dem Theater und schreibe Ihnen noch. Ist das nicht liebreich? Bedanken Sie sich hübsch. Der Wurm14 hat mich sehr ergözt. Er spielte den Stadtrichter von Saardamm15. Eigentlich sollte es heißen, der Burgermeister v. S., aber das sollen sich die hiesigen Hrrn Burge: verbeten haben. Sie hatten aber auch recht, denn der konnte der Stammherr aller Burgemeister sein, so ein erztölpelhafter Esel war er. Und wie ist der Adel mitgenommen worden! Die Herrn Ffurter haben sich recht derb liberal gezeigt. Ich weiß nicht ob Sie das Stück kenneni. Die Handlung ist geschichtlich, wie Peter

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Orig.: könen. Caroline Ottenheimer (vgl. Br. 99). Vgl. Br. 96. Georg Christian Römer, Der Bürgermeister von Saardam oder Die zwei Peter (1818).

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der Große sich als Zimmer=Gesell in Saardamm befindet.16 In einer recht hübschen Scene wo Peter als besagter Zimmermann den französischen Gesandten zu einer Unterredung in eine Schenke erwartet, findet sich auch der englische und russische Gesandte alleii vermummt da ein. Der Burgemeister erhält Befehl einige Ausreisser die sich unter der Menge befinden sollen arretiren zu lassen. Er, nach seiner dumtreisten Art pakt drohend den ersten besten an „Wer bist Du, he?“ So die Gesandten der Reihe nach. Wie er nun die zerschmetternden Namen hört, ruft er ganz verduzt aus „ich habe Spitzbuben gesucht, und finde lauter Exellenzen“. Den Jubel und das schallende Gelächter hätten Sie nur hören sollen. Die Freude hätte ich Ihnen gegönnt, und so gieng es das ganze Stük durch. Das Haus war zum erdrücken voll, und die Einahme für den Herr Stadtrichter. – – Das Pakätchen enthaltend f 100 und den Pass, ist heute Montag den 21teniii Januar mit dem Postwagen an Sie abgeschikt worden. Erkundigen Sie sich wenn er dort eintrifft damit Sie hübsch zu hause bleiben. Samuel hat mehrere male zu Ihrem Bruder geschikt, er war aber niemals zu hause. Dabei ist nichts verlohren. Wenn es etwas wesentliches wäre hätte er es Ihnen gewiß geschikt. Er hat Stiebel gesagt waß er für Sie erhalten wäre das Porto nicht werth. Kathalogen von Brokhaus u.d.g. Zeigen Sie mir gleich den Empfang des Paketes an. Sein Sie hübsch sparsam Waß haben Sie denn für Aussichten für die Zukunft, daß heißt, nachdem die f 100 ausgegeben? Reden Sie hübsch vernünftig und gelassen mit mir, und werden Sie mir nicht ungeduldig über meine vielen Fragen – und vieles zanken. Sie wissen ja wie gut ich es meine, und daß mir nichts zu schwer fällt wenn es Ihr Wohl betrifft, selbst – wenn es gezankt sein muß! –– Dienstag 22ten Jan. – Sie mögen sagen waß Sie wollen, und – „die phÿsische Beschaffenheit Ihrer Seele und Ihres Geistes“ mögen von der Art sein – wie Sie sagen, so ist dies immer noch kein hinlänglicher Grund Ihre Aufführung zu entschuldigen! Drei Waghefte die Sie einem ganzen Publikum schuldig sind, in so langer Zeit zu liefern, übersteigt Ihre Kräfte ii iii

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ÜdZ. Blst.-Unterstreichung. Peter der Große (1672–1725) war im Rahmen seiner Bildungsreise 1697 in die Niederlande gekommen. In Zaandam (d.i. Saardamm) ging er einige Tage bei einem Schmied in Lehre, bevor er auf einer Werft bei Amsterdam als Zimmermann arbeitete.

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nicht, das weis ich. Und nach dem bedeutenden Honorar daß Ihnen bezahlt wird f 1000 jährlich zu erschreiben, ist warlich auch kein Riesenwerck. Ich habe nicht so viel Verstand als Sie, aber das weis ich doch recht gut – und eben so gut als Sie, daß sich Geisteswercke nicht erzwingen lassen. Auch habe ich niemals von Ihnen gefordert dass Sie viel schreiben, um Habsucht oder Ehrgeiz zu befriedigen. Ich habe nur von Ihnen gefordert, daß, da Sie von Natur Müßig und – träge sind, Sie Ihr Geld nicht verschleuderniv sollen, und das wenige was zu Ihren eigentlichen Bedürfnissen erfoderlich erschreiben, oder auf welche sonstige ehrliche Art es auch sei – erwerben sollen. Noch einmal das ist ein leichtes für Sie. Dann könnten Sie erst recht nach Ihren innern Neigungen leben, und wenn Sie – […]v hätten Sie dies schonlängst gethan, oder würden es noch thun. „Daß war nur so meine Meinung, halten zu Gnaden“! – – Sie fragten mich einmal in einem frühern Briefe „heißt der verrückte Schnörkel und, oder, oder?“. Ich bin jezt mit Ihnen in derselben Lage – – „hier oder dort drucken zu lassen?“ – „Hier“ bedeutet Stuttgart, aber dort? Was heißt das? Sie werden doch nicht ohne mir es vorher zu sagen nach Ffurt kommen? – – – – Haben Sie mir nicht mehr über meine Verhältnisse zu sagen? Daß mitgetheilte war sehr wenig! Ich denke mehr darüber – als Sie glauben, und mehr – als Sie wahrscheinlich vermuthen werden. Daß Sie so gewiß annehmen daß die G. mit dem S17 unglücklich würde, ist leichter gesagt als erwiesen. Daß ich ihre Zukunft dem Schiksal überlassen muß, weiß ich auch recht gut. Ich habe alles erschöpft, waß sich über diese Sache denken läßt, weiß recht gut daß gar nichts gethan werden kann noch darf.. […]vi – Waß auf Ihren heutigen Brief sonst noch zu beantworten, verschiebe ich auf nächstens, es wird zu spät sonst. – Vergessen Sie meinen Auftrag nicht wegen dem Genfer Institut. Auch an Kassel denken Sie, und auch – wenn Sie so gütig sein wollen an – J. W.

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Orig.: verschleidern. Geschw. Passage. Geschw. Passage. Aloys Schmitt.

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103. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 24. Januar 1822. Nr. 43. Stuttgart d. 24. Jan. 1822.i Ihr heutiger Brief ist ja ein wahrer Markknochen voll Inhalts. Ich werde lange daran zu saugen haben. Zuerst: das Päktchen habe ich gestern erhalten, und Ihren Brief heute! Sie sind eine schöne Avis=Geberin. Was Cassel betrifft, so sind Sie nicht klug. Das war nur so meine Meinung, halten zu Gnaden. Eine Anstellung dort wäre mir so zuwider als eine in Wien. Die Hessische Regierung ist nur um so viel besser wie die Oesterreichische als sie nördlicher ist. Und überall die jämmerlichste Philisterei. Oder soll ich ein Hofschreiber werden? Denken Sie ich alter Bär könne noch tanzen lernen? Und dann so ein abscheuliches Kartoffelland, ohne Wein und Sonne. Ich weiß recht gut, wie Sie auf diesen Gedanken kommen. Da Sie willens sind mich bald von Ihren Fesseln frei zu machen, wollen Sie auf neue für mich bedacht seÿn. Über Zimmern werde ich Ihnen nicht eher meine Meinung sagen, als bis Sie mir die Ihre mitgetheilt haben. Wollen Sie ihn heirathen? – Von meiner Zukunft soll ich ernstlich mit Ihnen reden, und ich habe noch auf länger als 4 Wochen zu leben! Das ist viel gefordert. Vor einigen Tagen hatte ich keinen Thaler mehr in der Tasche, und ich dachte, mich innerlich ergötzend an den Fall, daß ich das Geld nicht haben würde, um für das erwartete Paketchen das Porto zu bezahlen. Ich überlegte mit Wohlgefallen, daß ich das Päktchen würde öffnen müssen, um von dem Gelde das Porto zu nehmen. „Aber was wird der Postkerl denken? . . Gut, ich werde mich stellen als hätte ich den Schlüssel zu meiner Casse verlegt . . . Aber Teufel, wie sind denn eigentlich die Rechte? Darf mir der Postbediente das Päktchen zum Aufbrechen in die Hände geben, ehe ich das Porto bezahlt? . .“ So überlegte ich mit der größten Gemüthsruhe was in dieser verzweiflungsvollen und komischen Lage zu thun sei. Mir auf der Stelle einige Gulden zu verschaffen, dazu wollte mir gar kein Mittel einfallen. Aber es ist sonderbar, so oft ich noch in meinem Leben in Geld=Noth war, auch in der Fremde entfernt von Freunden und Verwandten, hat mir immer Gott geholfen. Ich Dummkopf nehmlich hatte ganz vergessen, daß ich für meine Miszellen in der Neckerzeitung das Honorar zu fordern habe,

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Herrn Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m.

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ich eilte hin und ließ mir den Betrag auszahlen, welcher sich auf 25 fl. belief. Jezt Schurke, komme mir noch einmal mit dem Vorwurfe, daß ich in 5 Monaten nichts gearbeitet und verdient hätte! Die Herrn von der Neckerzeitung waren noch obendrein ganz glücklich, daß ich ihnen durch meine Forderung Gelegenheit gab, von meiner künftigen Theilnahme an dem Blatte zu sprechen, denn sie waren schon die ganze Zeit um mich herumgeschlichen und hatten gewartet ich würde mit ihnen anfangen. Ich sagte ihnen: um diese Kleinigkeit als sie mir für den Bogen bewilligten könne ich ferner nicht schreiben, und ich zeigte ihnen den Brief von Müllner. Darauf boten sie mir jährlich 600 fl. an. Ich sagte, ich wäre das zufrieden, und ich wollte ihnen für 50 fl. jeden Monat einen Bogen schreiben. Das war ihnen nun freilich nicht recht, denn die Narren dachten, ich würde für dieses Geld den ganzen Tag zu ihrem besten Arbeiten. Ich beharrte aber dabei und sie entschlossen sich es einige Monate zu versuchen. Da hätte ich also monatlich für Miszellen 50 fl. und hierin gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, daß ich das festhalten will, wenigstens so lange bis ich ausser aller Geldverlegenheit bin. Denn nach Verhältnis der kleinern Bogen des Literaturblattes, würde ich für einen Bogen der Neckerz. doch nur 40 fl. bekommen. Sobald ich also in keiner Geldverlegenheit mehr bin, wäre ich ein Thor, wenn ich für sogenannte 50 fl. einen Bogen der Neckerz. schriebe. Da ich für solche Miszellen nicht grade viel Zeit brauche, so werde ich daneben noch viel für Müllner arbeiten können. Es ist komisch! Ob ich zwar so ein armer Schlucker bin, daß ich gejubelt habe, wie ich die Rolle mit 25 fl. (6 kr. Stücke) für Honorar einnehm, und wahrscheinlich jedesmal jubeln werde, wenn ich am Ende des Monats meine 50 fl. einehme, so konnte ich mich doch kaum des Lachens enthalten, als der Redacteur der Neckerz.1 ganz pathetisch zu mir sprach: wir können Sie jezt gut bezahlen, wir wollen Sie ganz für uns gewinnen – wir geben Ihnen jährlich 600 fl. – Warum interessirt Sie Genf? Sie sind sehr vertraut mit mir, das muß ich sagen! Cottas Tochter ist erst 15 Jahr alt. Sie ist aber nicht in Genf geblieben, der Vater hat sie zurückgebracht und sie nach Mannheim in ein Institut geschickt. Sie ist ein verzogenes Mädchen, und sie wollte sich (ihre Mutter ist tod) nicht so weit von ihrem Vater entfernen. Da weinte sie ihrem Vater die Ohren voll. Aber ein anderer meiner guten Bekannten, ein hiesiger Professor, war zugleich mit Cotta nach Genf ge-

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Ludwig Georg Friedrich Seybold (vgl. Br. 25).

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reist, und hatte seine eigne Tochter in das nehmliche Institut gebracht, sie auch dort gelassen. Ich werde mich genauer nach den dortigen Verhältnissen erkundigen. So viel weiß ich, daß die Vorsteherin eine Dame von Stande ist, die in ihrem Vermögen zurückgekommen, und daß sie nur wenige Zöglinge hat. Aber noch einmal, was geht Sie das an? Wollen Sie sich in ein Institut geben? Das wäre herrlich, ich zöge mit an den himmlischen Genfersee. In Genf, Lausanne und andern Orten sind die berühmtesten Institute man braucht nur zu wählen. – Ich getraue mich nicht, meinem Bruder die versprochenen 50 fl. abzufordern, denn ich habe diesen Winter schon viel Geld von meinen Eltern erhalten, was er erfahren haben wird. Da Sie mich nicht heirathen wollen, und ich also keine Hoffnung habe, Sie als meine Frau zu plage[n], so muß ich jede Gelegenheit Sie als meine Freundin zu ärgern, sorgfältig benutzen. Ich glaube, wenn ich Ihnen eine Uebersicht gebe, wie viel ich seit meiner Abreise von Frankfurt, in diesen 5 Monaten eingenommen und ausgegeben habe, so wird Sie das in einen kleinen Zorn bringen. Einnahme Von der Fee Purpurlippe . . . . . 22 200 fl. Von der Polizei . . . . . . . . 100 – Von meinen Eltern: Bei der Abreise von Frankfurt . . . 150 – } In München . . . . . . . . 121 – } . . . 14 } Ein Geschenk für Dr. Breslau2 Baar . . . . . . . . 22 } Unterhosen . . . . . . 6. } Bei meiner Abreise von München . . . 143 } 456 fl. . . . . . . 25 Verdient! (Neckerzeitung) Summa Summarum 781. fl. In Kasse vorrathig . 115 Also in 5 Monaten gebraucht 22 666 fl. Eÿ Schau nur einer einmal an! Die mÿstische Zahl 666! Das bedeutet etwas. Ich muß die Offenbarung Johannis nachlesen. Ich will Ihnen aber berechnen, wie viel ich bis zu Ende Merz zu verzehren haben werde.

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Vgl. Br. 59.

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In Casse . . . . . 115 fl. Polizei-Quartal . . . 100 2 Monate Neckerzeitung . 100 315 Also auf ein Viertel-Jahr hätte ich keine Sorgen, und Gott wird weiter helfen. Wenn meine Mutter hierdurchreist, gedenke ich ihr auch noch einige Karolin abzulocken. Aber meine Schulden? . Der Gott, welcher die Raben speist und die Lilien auf dem Felde kleidet, wird sie schon bezahlen. Wenn aber meine Gläubiger keine Gläubige sind, und nicht an die göttliche Vorsehung glauben, so mögen sie ihre Unruhe als verdiente Strafe tragen. Lassen Sie uns, theuerer Zögling, aus obigen todten Zahlen, die lebendigen Nutzanwendungen ziehen. Es ergiebt sich daraus: Erstens, daß ich ein großer Taugenichts bin, indem ich fast 500 fl. gebraucht, und nur 25 verdient habe. Zweitens. Daß die Menschen, komische Menschen sind. Hätte mir mein Vater gleich in Frankfurt 40 Karolin geben, wäre ich damit nach Paris gereist, hätte dort nicht mehr gebraucht, und, wenn ich auch noch so wenig gearbeitet hätte, doch mehr verdient. Drittens, daß ich jährlich, Kleider mit eingerechnet, für die ich seit meiner Abreise von Frankfurt keinen Kreuzer ausgegeben habe, 2000 fl. brauche, die ich aber, da mir meine Pension und die Neckerzeitung allein schon 1000 fl. eintragen, recht leicht verdienen kann, weswegen mich auch der Teufel holen soll, daß ich sie nicht verdiene. Quod erat demonstrandum, d. h. Keine Ehre bringt Faulheit. – Prächtige Miszellen habe ich wieder gemacht, aber Gott weiß, was die Kerls wieder damit anfangen werden. Unter uns gesagt, meine Nekkerleute sind so dumm wie Stroh. Und doch muß ihnen die Zeitung jährlich 16 tausend Gulden reinen Gewinnst eintragen. Auch leben 4 Familien davon. Wenn ich diese Zeitung hätte! 6 Weiber wollte ich damit ernähren. – Adieu Pandektenweibchen. Schon seh’ ich Sie schimmern Dr. Börne – und nichts weiter Als Profesorin Zimmern. Das ist wahrlich viel gescheiter. Wie werde ich wimmern! Herab von meiner Jakobsleiter!

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104. An L udw i g Bö r n e i n [ S tu t tg art]. [Frankfurt], den [27.] u. 30. Januar 1822. Nr 43 Ihr Freund Stiefel war hier. Er ist sehr zufrieden mit seinem Platze, hat einen sehr schönen neuen Ueberrock, und zierliche Weste mit blitzenden Knöpfen an, will durchaus die Süschen dutzen – und klagt daß es nicht gut, wenn der Mensch allein sei! Murhardt hat ihm einen ganzen Pak Anzeigen von seinen Annalen1 aufgedrungen, er solle sie zu verbreiten suchen. Weitzel2 sagt von den An:3 daß sie gut geschrieben würden, er glaubt der Red: habe f 800 dafür, sagten sie mir nicht f 1800? – Waß Sie mir von den Einkünften der Nekarzeitung sagen sezt mich in Erstaunen: Stiefel sagte mir auch, daß das ordinaire Ffurter Journal jezt 2000 Exemp: absetze, und dem Redac: f 8000 Gewin jährlich verbliebe. Und Sie – verkaufen Mißzellen für f 25 6 kr Stück. – Das ist eine verkehrte Welt! Waß könnten Sie bei einem ähnlichen Unternehmen wenn Sie es mit Beharrlichkeit betrieben für großes Glück machen? Wäre es denn nicht möglich daß Sie irgendwo die Erlaubnis erhielten, ein tägliches Blatt herauszugeben, und dafür den Titel der Wage beibehalten? – – Gestern Sontag 28teni haben die Harmoniebrüder wieder einen großen Leichenzug gehalten, Emanuel Stern4 ist gestorben. – - Feidel5 erzählte bei Rothschild, Ihr Vater habe von Met.6 die Erlaubnis für Sie erhalten nach Wien zu kommen, er habe Ihnen f 300 Reisegeld geschikt (oder schiken wollen). Sie wären aber nach Stuttgart. Genz schrieb unlängst an ii daß er ganz gesund, und gar nicht krank gewesen sei. Feinde von ihm müßten dies falsche Gerüchtiii verbreitet haben. – Wenn es i

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Blst.-Unterstr. – Der Sonntag ist vermutl. der 27. Januar (vgl. u. weitere Datumsangaben). Orig.: Roths. FN auR: x an Anstätt, dieser hat es an Roths. erzählt: Johann Protasius v. Anstett (vgl. Br. 76). Orig.: Gericht. Vgl. Br. 25. Vgl. Br. 18. Allgemeine politische Annalen (vgl. Br. 46). Emanuel Stern (1776–1822), Onkel Jakob Samuel Stern, Schwager JWs, war am 25. Januar 1822 verstorben. Vgl. Br. 93. Metternich.

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Ihnen möglich, suchen Sie es doch einzurichten daß die f 100 von der Poli. endes März, hier an St.7 und Adler ausbezahlt werden können. – – Ueber Zimmern? wie zurückhaltend! Waß ist da viel zu sagen. – Wenn ich ernstlich darum gefragt würde, wäre die Antwort, warum wird er der Narr sein und mich, oder ich die Närrin sein, und ihn heirathen, voila tout. Warum ich nach Genf gefragt? ich bin entschlossen künftiges Frühjahr von hier wegzugehn. Es ist waß das Weggehn betrifft alles schon in Richtigkeit gebracht, und die G selbst hat sehr dafür gestimmt. Jezt ist nur noch die Frage wohin? Alle sind dafür nach Hamburg. Über meine Zweifel ob ich auch willkommen wäre, werde ich ausgelacht, und wahr ist es, daß mir Steinthals schon die unverkenbarste Beweise großer Anhänglichkeit und Theilnahme gegeben haben. „Nanette8 lebe sogar jezt durch Moritzens Verbindung in angenehmere Verhältnisse, und daß ich dort in jeden Fall, waß wohl zu beachten, eben so gut als hier bei Freunde lebte“. Ich sehe das recht gut ein, auch ist es mir gar nicht unwesentlich Nanette wieder zu sehen – doch im Frühling, in der herrlichen Jahreszeit – über die Lüneburger Heide! Ich kam vor einigen Monate schon auf den Gedanken aufs Früjahr nach der Schweiz zu gehen, und zwar auf folgende Veranlasung. Ein jüngerer Mekel9 Professor der Anatomie zu Halle, hat den Ruf erhalten nach Bern mit einem Gehalte von f 3000. Er war mit Stiebel gleichzeitig in Berlin, und hat auch als Freiwilliger mit ihm gedient; sie sind Dutzkameraden. Er kam auf seinem Wege nach Bern hierdurch, war auf ein Tag Stiebels Gast, und hat ihnen seine Frau empfohlen, die (wahrscheinlich im M. April) mit ihren zwei kleinen Kindern nachkommen wird. Mit Frau Mekel10 könnte ich füglich reisen, vielleicht wären die Leute auch willig dazu, mich gegen ein gutes Kostgeld ins Haus zu nehmen. Ein Professor der Naturwissenschaften in der Schweiz, bleibt wohl auch nicht immer in der Stube sitzen, Ferien giebts auch, und da hätte ich wohl recht interressante Coursen erwarten dürfen. Mekel hat aus Liebe zu seiner Wissenschaft bei chemischen Versuche beinahe beide, aber das eine Auge wirklich verlohren. Wenn ich nun zu Stiebel

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Steinthal. Nanette Ochs (geb. 1788), Tochter v. Amschel Samuel Ochs, seit 1814 mit Martin Steinthal verheiratet (vgl. Br. 142). Albrecht August Meckel (1790–1829), Prof. der Anatomie u. Gerichtsmedizin in Halle u. seit 1821 in Bern, hatte mit Stiebel im Lützowschen Korps gedient. Luise Johanna Wilhelmina Meckel, geb. Schmelzer (1795–1873), seit 1818 mit Albrecht August M. verheiratet.

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sage, soll ich mit Mekels nach Bern? sagt er „nein, Sie sollen nicht“. Und die Andern sagen „Du sollst nicht zu fremde Leute, gleichsam in die Welt hinein. Du sollst nach Hamburg zu Freunde“! Und was sagen Sie? – Wenn ich nun auch mit Ihrer und aller Einstimmung für Hamburg mich bestimme, so bleibt mir doch noch eine Bedingung mit Ihnen. Wenn Sie mir nicht die heiligste Zusage geben, daß Sie mir in die erste drei Monate meines dortigen Aufenthalts nicht nachfolgen wollen, kann ich entschieden nicht hingehn. Sollte ich aber langer dort bleiben, oder gar für immer da zu wohnen mich entschließen, so brauche ich Ihnen wohl nicht erst zu sagen, daß es dann nur von Ihrer Neigung abhängt, ob Sie ebenfalls sich dort etabliren wollen, ich fordre also nur – Ihr Ehrenwort auf die erste drei Monate. Ich habe noch nicht nach Hamburg geschrieben, und erwarte erst Ihre Antwort, womit Sie sich aber nicht übereilen sollen. Da ich nicht weiß ob ich diese Ihre Antwort von Andern lesen lassen kann, oder will, schließen Sie sie in einem zweiten Briefe ein, worin Sie ja nur ohngefähr sagen können, daß Sie durch Lit. Arbeiten abgehalten wären mir mehr für heute zu schreiben, und mich nur nicht in Verlegentheit setzen wollten etc etc. – – – Ich plage Sie viel, aber Sie mich – minder?! Ich muß Ihnen von neuem wiederhohlen daß das Gerede über das gänzliche Ausenbleiben der Wage kein Ende nimmt. In mehreren Gasthäusern sollen sich Gesellschaften das Wort gegeben haben eine förmliche gedruckte Anklage gegen Sie zu verbreiten, worin Sie die Ehrentitel, Wortbrüchiger und Betrüger erhalten sollen. Ist Ihnen Ihre Ehre so feil, so gar nichts werth, daß Sie das alle geduldig abwarten wollen, da Sie noch vorbeugen können? Und bedenken Sie wohl, daß die Leute so gerechte Ursache zu alledem haben, und selbst meine wiederhohlte Bitten, sollten immer noch nicht so viel über Sie vermögen daß Sie wenigstens einstweilen nur ein Heft herausgeben? Zum hundertstenmale, Sie haben ja so viel Material das würde Ihnen ja so wenig Mühe, und so wenig Zeit kosten. Sie haben mich auch nicht ein bischen lieb, sonst hätten Sie sich nicht so lange vergebens eine so kleine Gunst abbetteln lassen. Haben Sie den Jean bien vergessen, und daß Tagebuch? In wie viel Tage oder Wochen (aber kurz, kurz,) werde ich ein gedrucktes neues Wagheft von Ihnen erhalten? –– Mittwoch 30 Januar.iv Ich habe gestern schon Brief erwartet, aber auch heute keinen erhalten, ich will aber nicht länger verschieben und Ihnen schreiben. iv

Blst.-Unterstr.

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Wenn litt: Arbeiten Sie abhalten mir öfter zu schreiben, so bin ich das wohl zufrieden, und wenn ich auch ungerne Ihre Briefe vermisse, so entschädigt mich der Gedanke daß Sie fleißig sind, und sich vielleicht noch gar entschließen mir zu liebe ein ordentlicher Mensch zu werden. Doch müßen Sie mich darauf vorbereiten wenn Sie seltner schreiben wollen, Sie kennen ja meine Aengstlichkeit. Ich erwarte morgen Brief von Ihnen, sollte aber keiner auf dem Wege sein, so beantworten Sie mir diesen sogleich, wenn Sie mir auch nur die wenige Worte schreiben sollten, daß Sie gesund und fleißig sind. Adieu J. W. Verwichenen Samstag 26 ten Jan: habe ich Ihren lezten Brief Nr 43 erhalten.

105. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 31. Januar 1822. Nr. 44. Stuttgart. 31. Jan. 1821.i Was soll ich denken? Ich denke nichts, aber ich fühle Ihr langes Stillschweigen und bin sehr betrübt. Gewöhnlich haben Sie mir jede Woche zwei Mal geschrieben, aber noch niemals während meiner ganzen Abwesenheit mich länger als 8 Tage ohne Brief gelassen. Und heute ist schon der 8te Tag. Täglich geht eine Post hierher. Mein Gott, was geht denn vor? Mir ist der Kopf verwirrt, nur diese wenige Zeilen schreibe ich Ihnen. Und was nützen Sie mir, was soll ich Ihnen sagen? Wenn Sie mir erst auf diesen Brief antworteten, darüber vergingen 5 Tage, und diese könnte ich nicht ertragen. Wenn auch morgen kein Brief kömmt, bin ich sehr unglücklich. B.

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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106. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 1. Februar 1822. Nr. 45 Stuttgart. Den 1 Febr. 1822i Sie haben mich aus der schrecklichsten Angst gerissen. Um Gottes Willen, warum haben Sie mir so lange nicht geschrieben? Ich habe eine schlaflose, kummervolle Nacht zugebracht. Das ist auch vorüber. Ich werde Ihnen heute wenig schreiben können, ich bin viel gestört worden, und es ist gleich Mittag. Es macht mich ganz glücklich, daß Sie nun einmal ernstlich daran denken von Frankfurt wegzugehen. Ich verspreche Ihnen auf ’s Feÿerlichste, wohin Sie auch reisen, Ihnen nicht nachzufolgen, wenigstens nicht eher als bis Sie mir’s erlauben. – An die Wage will ich denken, doch vor der öffentlichen Beschimpfung der Frankfurter fürchte ich mich nicht, ich werde die Lacher auf meiner Seite behalten. – Grüßen Sie den Wiesbader Stiefel; ich werde nächstens seinen Brief beantworten. Ich könnte wohl noch einige Zeilen schreiben, Sie sollen aber für die Sorge die Sie mir durch Ihr langes Stillschweigen gemacht, etwas bestraft werden. Hier heißt es allgemein, Sie hätten eine Liebschaft mit einem russischen Gesandtschafts=Sekretär, ich glaube das aber nicht. Pandekten=Weibchen, Gruß und Kuß, wenn es noch erlaubt ist. Nicht eher mehr, als bis Sie mir wieder geschrieben Dr. Börne, vor langer Zeit einmal geb. Wohl.

107. An Jeanet te Wohl in [Frankfurt]. Stuttgart, den 1. Februar 1822. Zu Nr. 45. Stuttgart. I. Febr. 1822. Wenn Sie nach Bern gingen, wäre ich höchst glücklich; gingen Sie aber nach Hamburg, so wäre ich nicht glücklich – die traurigste Lage in der man sich befinden kann. Nicht glücklich seÿn ist schlimmer als unglücklich seÿn, denn das erstere kann durch das ganze Leben dauern, das leztere aber nicht. Ich muß von mir selbst reden, denn ich will ehrlich zu Werke gehen, und Sie in die Lage setzen beurtheilen zu können, wie viel mein eigner Vori

Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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theil auf den Rath den ich Ihnen geben werde, Einfluß hatte. Gehen Sie nach Hamburg, so folge ich Ihnen (nach 3 Monaten) aber das wäre mir ein verhasster Aufenthalt. Der Widerwille gegen Handelsleute, und gegen Juden als solche, ist bei mir auf den höchsten Grade gestiegen, seitdem ich, entfernt von Frankfurt gesehen habe, was das eigentlich heißt sein Leben genießen. Welche Freuden kann Ihnen Hamburg bieten? Sie kommen zu Menschen die es gut mit Ihnen meinen . . . Was heißt das? Meint es Jemand besser mit Ihnen als Ihre Mutter und möchten Sie darum mit ihr leben? Steinthal und seine Frau1, und wenn sie Sie so sehr lieben als sich selbst, was nüzt Ihnen das? Liebt sich denn ein jüdischer Handelsmann? Lebt er denn nicht in freiwilliger Sklaverei unter seiner unersättlichen Habsucht, unter seinen unaufhörlichen Sorgen? Es giebt in Hamburg nicht gebildetere Menschen als in Frankfurt, und Sie werden Langeweile haben. Ihre Verwandte finden Sie da, wo Sie gleichgestimmte Geister und Herzen finden. Ich möchte, daß Sie das Leben einmal genießen, daß Sie für mannichfache Leiden, einmal Ersatz fänden. Bern ist eine schöne heitere Stadt, die Einwohner sind gebildet. Was die Schweiz großes und herrliches hat, liegt in der Nähe. So eine Gelegenheit dahinzukommen findet sich vielleicht nie mehr für Sie. Sie brauchen ja darum Hamburg nicht aufzugeben. Machen Sie für jezt nur den Plan, einige Sommermonate in der Schweiz zuzubringen, und reisen Sie mit der Meckel2. Der Weg führt hierdurch oder kann wenigstens über Stuttgart genommen werden. Wenn Sie wollen begleite ich Sie von hier aus, doch wenn Sie das nicht wollen, bin ich es auch zufrieden. Es liegt mir nur daran, daß Sie einmal sich von Herzen freuen. Ich habe bekannte in der Schweiz, in Aarau, Lucern, Basel, Zürich, in Bern selbst, wollen Sie und können Sie nicht bei Meckel bleiben, so ließe sich wohl eine andere Familie für Sie ermitteln. Benzel-Sternau kömmt auch wieder hin. Kurz, sagen Sie Ihren Frankfurter Freunden, Sie wollten im Herbst nach Hamburg, diesen Sommer aber in der Schweiz leben. Ich wohnte in Bern bei Ihnen, bereiste von diesem Mittelpunkte aus die übrige Schweiz, so viel möglich, wenn sich noch andere weibliche Gesellschaft findet, mit Ihnen; oder allein, schriebe Ihnen Briefe, und bis zum Herbste, wäre eine einträgliche Reisebeschreibung fertig . . Da Sie diesen Brief nicht vorzeigen wollen, schreiben Sie mir, was ich Ihnen nächstens offen über Hamburg sagen soll? – In Bern ist viel Buchhandel und literarischer Ver1 2

Martin Steinthal u. dessen Frau Nanette (vgl. Br. 104). Vgl. Br. 104.

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kehr. Mehrere Zeitungen und ein sehr guter Almanach3 erscheinen dort. Brauche ich einige Karolin, so gehe ich zum Thor hienaus, besteige einen Berg, und beschreibe meinen Spaziergang. Nur etwas thut mir leid, Sie werden dort meinen schönen Regenschirm nicht brauchen können, denn: „Im größten Theile der Stadt kann der Fußgänger unter Hallen gehen, sicher vor Regen, Koth, und Wagen. Die sehr breiten und trefflich gepflasterten Straßen werden reinlich gehalten.“ Die Luft ist himmlisch Fliehen Sie den Hamburger Nebel . . . Ich bin heute durch den Hühneraugenoperateur und andern, wirklich gestört worden. Schreiben Sie mir bald, wegen Ihrer Reise, und beachten Sie meinen Rath. – Süßchen4 war doch früher mit M. Steinthal versprochen. Wie hat sich denn das aufgelößt? Freundlich? Sie sollten mir das wohl im Vertrauen mittheilen. Seÿen Sie keine Pedantin. – Hätte Süßchen eine so große Abneigung den Dr. Stiefel5 zu heirathen? Könnte er sie nicht ernähren? Er hat sie gern. Liebenswürdig ist er freilich nicht, aber ein ehrlicher Kerl. Es giebt keinen liebenswürdigereni Ehemann. Ich könnte ihm wohl durch Empfehlungen mancherlei Verdienst an Zeitungen u. s. w. zuwenden. An Fleiß fehlt es ihm nicht, auch nicht an Routine in solchen Dingen. B.

108. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den 4. Februar 1822. Nr 44. 45 Montag 4 Februar 1822i Das ist ja ein kindisches verrücktes Treiben. Immer Sorgen ohne Noth. Ich bin in der größten Angst, Sie ebenfalls, und warum? Indessen fällt alle Schuld jezt auf Sie, noch nie haben Sie so selten geschrieben, also war i

Orig.: kein liebenswürdiger.

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Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Langenstraße, bei Frau Regierungsräthin Haselmeier in Stuttgart (Kuvert).

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Seit 1811 erschienen in Bern die Alpenrosen. Ein Schweizer Almanach auf das jeweilige Jahr. Susette Ochs (vgl. Br. 26). Vgl. Br. 73.

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meine Aengstlichkeit verzeihlich, aber mir, haben Sie ja schon selbst befohlen jede Woche nur einmal zu schreiben, und nur daß ausenbleiben Ihres Briefes war Schuld an dem verspäteten Eintreffen des Meinigen. Doch das habe ich Ihnen ja schon gesagt, es scheint als wenn wirs darauf anlegten, uns gegenseitig zu ängstigen, und – zu langweilen. Mit der Schweizerreise steht es noch weit hinaus, überlassen Sie sich auf keinen Falle zu schönen Schwärmereien. Ich habe wieder darüber gesprochen, alle finden es verrückt und abenteuerlich zu ganz fremden Leuten deren Sinnesweise und ganze Art man nicht kenne in die Fremde zu gehn. Nach Hamburg? – – – Ich habe keine rechte Neigung, fort soll und muß ich – also? – – Doch es sind ja noch mehrere Monate bis zum möglichen Weggehen, und bis dahin will ich es noch unentschieden lassen, vielleicht thut das Glück einmal etwas für mich, und führt mir ein unerwartetes Gute herbei. Ich werde indessen alles reiflich überlegen, und – in jeden Fall von hier weggehen. Sie haben mir noch nicht über Genf geantwortet, wenn es angienge in einer Anstalt dieser Art einen Aufenthalt zu wählen, so wäre dies immer daß unabhängigste. Uebrigens bin ich nicht zufrieden mit Ihnen. Sie sagen mir nichts wie Sie leben, mit wem Sie umgehen, ob, und was Sie arbeiten, schreiben wenig und selten – wenn das so fortgeht werden wir einander ganz entfremdet, wünschen Sie das? Dann müßte ich mich freilich darein fügen. – – Die Reisen der Lady Morgan1, wenn Sie noch nicht gelesen empfehle ich Ihnen sehr, auch Florentin von Schlegel2, habe ich von neuem mit großem Vergnügen gelesen. – Sie würden in der Schweiz eine Reisebeschreibung liefern? Wenn ich nicht lachen müßte würde ich mich ärgern, über solche schöne hohle Versprechungen, ich kenne schon die Anlage und den Plan des großen Werk’s, etwa in der Art wie die über Frankreich und Bayern ha ha, ha! Aber mit demii heirathsprojekte mit Ihrem Stiefel3 und ‹Süschen›iii ärgere ich mich wirklich. Wissen Sie nichts besseres, dann lassen Sie hübsch daß Anrathen künftig bleiben. Mit Moritz und S war es nie ii iii

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ÜdZ, Orig.: Ihrem. ÜdZ. Sydney Morgans (1776–1859) Reisebeschreibungen France (1817) u. Italy (1821) waren in Deutschland u.d.T. Reisen der Lady Morgan 1821 ff. erschienen. Dorothea Schlegels anonym erschienener, v. Friedrich Schlegel hg. Roman Florentin (1801). Vgl. Br. 73.

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eine ernste Absicht oder Verbindung, und wie, wenn man nichts wirkliches hat man gerne Luftgebäude aufführt, so haben wir oft damit geschwärmt, wenn einem von beiden ein Geldglück zu fiele, sie ein recht passendes Paar wären. Es hat anders sein sollen, darum – ist es wahrscheinlich anders – ach die leidige Philosophin! – Gar nichts, auch in Stuttgart noch niemanden gefunden, den eine von meinen Mädchen heirathen könnte? – – „Es giebt kein liebenswürdiger Ehemann“ beinahe habe ich Sie in Verdacht daß Sie verheirathet sind, denn Sie sind gar nicht mehr liebenswürdig, wie gesagt ich bin unzufrieden mit Ihnen, bessern Sie sich. „Nicht eher mehr (mein feiner Herr) als bis Sie mir wieder geschrieben“. – Ist Cotta noch nicht zurück? An der Wage sollen Sie nicht nur denken, sondern auch schreiben, Sie haben keine Ruhe über diesen Gegenstand, bis Sie mir meinen Willen, und Ihre Pflicht gethan. Zanken Sie nicht daß ich so wenig geschrieben, es ist Ihre eigene Schuld, Sie gehen mir schon lange mit diesem guten Beispiele voran, und jezt nuriv noch einen recht freundlichen Gruß von Ihrer J. W.

109. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 6. Februar 1822. Nr. 46. Stuttgart d. 6 Febr. 1822.i Sie sind Schuld, mit Ihrer gütigen Erlaubnis, ich bin es nicht. Ich habe mir einige Male gefallen lassen, acht Tage auf Ihre Briefe zu warten, Ihren lezten Brief aber, hatten Sie 9 Tage unter dem Herzen getragen. Es ist freilich wahr, daß meine eignen Briefe seit einiger Zeit sehr kurz und langweilig sind, aber das ist ein gutes Zeichen. Gar keinen Zweifel daß wir uns bald heirathen. Liebes Kind, sträuben Sie sich nicht länger, beißen Sie in den sauern Apfel. Ach, ich weiß recht gut, was Sie bei diesen Worten denken, denn ich kenne Ihre Bosheit – Sie werden denken: ein sauerer Apfel ist er nicht, aber ein fauler. Wenigstens sollen Sie die Ehre des Witzes nicht haben, ich will mich lieber selbst verwunden. Wahrhaftig, die furchtbaren iv

i

ÜdZ. Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Zeichen am Himmel vermehren sich immer fort, ich gähne unaufhörlich über dem Schreiben. Es kann freilich daher kommen, weil ich erst um 5 Uhr von dem Maskenballe nach Hause gekommen bin, und nur zwei Stunde[n] geschlafen habe; es kann aber auch unsere baldige Hochzeit bedeuten. Einen Kapuziner habe ich gemacht, und ich sah ganz miserabel aus. Es war erschrecklich voll, über 1200 Menschen waren im Saal, der, mit Bequemlichkeit nur 400 fassen kann. Der König, die Königin und der ganze Hof, trieben sich da auch herum, und man konnte ihnen so nahe als man nur wünschen mochte in das Gesicht sehen. – Die Hindernisse, welche mit einer Reise nach der Schweiz für Sie verbunden wären, habe ich nicht übersehen, und fürchten Sie nicht, daß ich mich Schwärmereien hingegeben. Gegen das Fehlschlagen meiner Wünsche, bin ich abgehärtet genug, und Ihnen am meisten habe ich diese stärkende Erziehung zu verdanken. Aber was wollen Sie von Genf, und was soll ich Ihnen davon schreiben? Nach Bern oder nach Genf, das ist ja ganz das Nehmliche, Sie kämen immer unter fremde Leute. Wie auch der Ort heiße, Sie müssten wagen hinzureisen, und Menschen suchen, welchen Sie sich anschließen könnten und möchten. Auch hier vielleicht, ließe sich ein schickliches Verhältnis für Sie finden, aber Sie würden ja doch keinen Gebrauch davon machen, da ich hier bin. Wenn Sie Benzel=Sternau so kennte, wie Sie sind, dann bin ich überzeugt, daß der Graf und die Gräfin1, es sich zum Glücke rechnen würden, Sie in ihrem Hause aufzunehmen. Ließe sich das denn durch Dr. Goldschmith2 gar nicht einleiten? Er müsste sich freilich einen ganzen Tag dazu Zeit nehmen, den Grafen auf seinem Gut besuchen, und ihm alle ihre Verhältnisse aufrichtig mittheilen. Er brauchte ja anfänglich mit seinem Vorschlage nicht deutlich herauszurücken, G. müsste den Grafen fragen, ob er keinen schicklichen Aufenthalt an einem freundlichen Orte und in einer freundlichen Familie für Sie wüßte. Es wäre auch zu erwähnen, daß Sie Vermögen haben. Die Reise nach Hamburg fürchte ich, bereuen Sie. Und doch sollte ich Ihnen das nicht sagen. Sie lassen sich vielleicht ängstigen, und sich dadurch in Frankfurt zurückhalten, was das schlimmste wäre. Nach Frankfurt zurück können Sie immer kommen, aber nicht zu jeder Zeit von dort weg . . Warum muß es grade Hamburg seÿn, warum ist es nicht Stuttgart! Das ist ein gar zu lieber Ort. Von den Men1

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Karl Graf v. Benzel-Sternau u. Marie Anne Sophie Therese v. Benzel-Sternau (1783–1838), geb. Freiin v. Seckendorff. Vgl. Br. 10.

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schen will ich nicht reden, doch habe ich diese nirgends besser gefunden. Aber die freundliche, die so anmuthige Gegend! Wo man auch aus der Stadt tritt, und gleich bei den Thoren, Berge und Thäler. Aber die Berge nicht so hoch und rauh wie am Rhein. Lieben Sie auch Berge so sehr? Wenn ich spazieren gehe und sie sind mir im Rücken, blicke ich immer nach ihnen zurück, wie nach schönen Mädchen – ehemals. Auch hat die Kunst hier viel gethan, [den] Genuß der Natur bequem zu machen. Ein englischer Garten führt fast eine Stunde lang, von hier nach Kannstadt, [dem] sehr besuchten Badeorte in der reizendsten Gegend.3 Da man mit den Jahren doch immer etwas besonnener wird, so vergl[eiche] ich auch Stuttgart mit Hamburg rücksichtlich der Kosten des Lebens. Wenn ich die Kleidung abrechne, welche, wenn wie [bei] mir, die Eitelkeit das Bedürfnis nicht steigert, doch zu den ungewöhnlichen, unregelmäßigen Ausgaben gehört (ich wollte mit meiner gegenwärtigen Garderobe, ohne meinen Stand herabzusetzen, noch ein ganzes Jahr meine Naktheit verberg[en]) kann ich hier, mit 50 fl. monatlich, alle meine Ausgaben bestreiten, Kost, Wohnung, Bedientenlohn, und Wäsche. Und die 50 fl. verdiene ich schon allein mit meinen lüderlichen Miszellen, wenn ich täglich n[u]r eine Stunde darauf wende. In Hamburg muß ich mich putzen wie ein Narr, wenn ich nicht auffallen will. Und wie theuer sind die Lebensmi[ttel.] Ich bin durchaus kein Schlemmer, aber ich habe darum das Bedürfnis den besten Gasttisch in jeder Stadt zu besuch[en] weil ich das Bedürfnis habe in der besten und feinsten Gesellschaft zu essen. Hier kostet mich die Mahlzeit im ersten Gasthofe, wo die vornehmsten Hofleute, die reichsten Offiziere und Bürger, die unverheiratheten Beamten und Gelehrte hinkommen, mit Wein, nicht mehr als 42 kr. In Hamburg müsste ich in den ersten Gasthöfen, einen Thaler dafür bezahlen, wie ich ganz genau weiß. Und die Flachheit, der Nebel, die Kaufleute, die Juden! Schauderhaft. Mein Bedürfnis und meine Lust, wie auch die Ihrige, zuweilen kleine Reisen zu machen, können wir in Hamburg gar nicht befriedigen. Man hat 40 Meilen bis man in ein freundliches Land kömmt. Und dann die langweiligen Judengeschichten, wovon man im südlichen Deutschland gar nichts weiß. […]ii Liebes Weibchen, da wir uns kur[ze] und langweilige Briefe schreiben, und unser trauriges

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Geschw. Passage.

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Stuttgarter Schloßgarten.

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Schicksal unabwendbar ist, so wollen wir uns wenigstens in einem schönen Lande zanken und ärgern, und nicht nach Hamburg gehen. – Was ich treibe? Ich mache Miszellen, denn auf 4 Wochen hienaus reicht meine Geduld. Auch habe ich für Müllner mehreres in Arbeit. Mit wem ich umgehe? Davon ein Ander mal. Der Schlaf trozt auf seine Rechte, als Bruder, und als Erstgebohrner; Sie wissen ja wohl, daß die Nacht, die Mutter des Schlafes und der Liebe ist. – Cotta ist gestern, mit Sohn und Schwiegertochter4 nach München gereist, und wird 14 Tage ausbleiben. – Vergangnen Sonntag war ich bei der jungen und schönen Frau Hof-Agentin Pfeifer5 zu einem feÿerlichen Mittagessen eingeladen. Unter den Gästen war auch ein Frankfurter Kaufmann – Stern6, Tobacksfabrikant. Mehr über Essen und Wirthin, ein Anderes Mal. – Wenn Sie mir noch einmal so einen kleinen Brief schreiben, als Ihren heutigen, werfe ich ihn Ihnen an den Kopf; da ich aber Ihren Kopf nicht vor mir habe, werfe ich ihn dem gemahlten [En]gel ins Gesicht, der über meinem Tische hängt. Das kann Ihnen aber nicht sehr wehe thun, es ist ein garstiger Engel. Die Augen fallen mir zu, Singen Sie Eia Popeyia. Ich weiß nicht mehr was ich schreibe, ewig der Ihrige B.

110. A n L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . [Frankfurt], den [8.] u. 9. Februar 1822. Nr 46i Seit langer Zeit habe ich nichts gelesen waß mir so genußreich und anziehend gewesen als (wovon ich Ihnen schon gesagt) Lady Morgans Frankreich. Es ist ganz in der Art der französischen Memoiren verfaßt, und so in-

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Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Langenstraße, bei Frau Regierungsräthin Haselmeier in Stuttgart (Kuvert).

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Johann Georg Cotta heiratete 1820 Sophie v. Adlerflycht (1801–1838), die Tochter des Frankfurter Senators Justinian Frhr. v. A. (1761–1831). Vgl. Br. 37. Inhaber der Tabakfirma u. -handlung Stern (im großen Hirschgraben) waren Johann Heinrich St. (1752–1831) u. dessen Sohn Johann St. (1782–1858).

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terressant und unübertrefflich auch Marmontel1 in diesem Genre gewesen, so bleibt dieses neuere Werck an Bedeutung nicht hinter jenem zurück, weil alles in eine noch größere Zeit fällt, und die merkwürdigsten Zusamenstellungen darbietet. Daß einzige waß mir zu wünschen übrig blieb, war daß ich’s nicht im Original lesen konnte, man fühlt doch immer das unbehülfliche, und unzulängliche einer Uebersetzung. Waren Sie in Paris?! Freilich – so wie Lady Morgan, über Hofzirkel, und den geselligen Verhältnissen der höhern Stände spricht, kann so leicht keinem andern, und einem bürgerlichen vergönnt sein, einzusehen. Aber über Theater, über alle öffentliche Anstalten, Gebäude, Kunst, Volksleben – waß allen andern offen und zur Beschauung dasteht, und zum Denken Stoff giebt, können auch Andre reden und sehen, wenn sie nur Mund und Augen aufthun wollen. Paris! Das ist ja eine Welt, ein wahres Wunder, eine ungeheure Schöpfung – und Sie konnten kaum vier Wochen da ausdauern! Das ist unerhört und unbegreiflich! Nach Lady M. bedarf es nur geistiger Fähigkeiten um der Pariser Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und sich geltend zu machen, das hätten Sie am leichtesten vermocht, und eben dadurch sich auch den Zutritt zu gebildeten Zirkeln verschafft. Waß sind Sie für ein Mann! Ein wunderlicher närrischer Mann. Kein Ehemann. Und doch nicht liebenswürdig – nicht tüchtig – nicht klug –. Sie sprechen ja so gering von den Frauen, beschämen Sie die Lady Morgan, und geben Sie einmal eine ähnliche, oder bessere Reisebeschreibung, wollen Sie das? Das wäre auch eine rechte Strafe für meinen Unglauben, O, ich weiß Sie sind rachsüchtig – –! Ich will Sie mit einer kleinen Note aus diesem Buche regaliren, die Ihnen gewiß sehr behagen wird. „Als wir allein waren befragte ich Hrn Denon2 um daß Geheimniß seiner Bildung, mit der Bemerkung daß er in seiner Jugend viel studirt haben müße „tout au contraire.“ erwiederte er sorgenlos. „Je n’ai jamais rien etudié, parceque cela m’a toujours énnuyé: j’ai beaucoup observé, parceque cela m’amusait. Ceux qui en savent plus que moi, me conseillent, ce qui fait que ma vie a été remplie, et que j’ai beaucoup joui.“3 – – – Wissen Sie schon daß Ihr Vater mit S. v. Rothschild4

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Jean-François Marmontel (1723–1799), Autor der Mémoires d’un père pour servir à l’instruction de ses enfants (posthum 1804/1805), 4 Bde. Dominique-Vivant Baron de Denon (1747–1825), Diplomat, Schriftsteller u. Maler, v. Napoléon 1804 zum Generalinspektor der Pariser Museen ernannt. Lady Morgan, Reisen der Lady Morgan. I Frankreich, 2 Tle. (1821), 2. T., Kap. 8. Salomon Mayer R.

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nach Mailand gereist ist? Ihre Mutter soll sich durchaus nicht entschließen wollen von München wegzugehen, bis die lezte Carneval tour ausgetanzt ist. Und der Herr Sohn sind wahrscheinlich schon um 10 Abends im tiefsten Schlafe vergraben. Wie gesagt eine verkehrte Welt! Oder denke ich zu solide von Ihnen? – Samstag 9 Febr 22 Freilich dachte ich zu solide von Ihnen! Sie treiben sich also auf Bällen herum, und – gähnen wenn Sie mir schreiben sollen wie ein zweiter Hrr von Langsalm.5 Aber das ist noch kein Zeichen baldiger Ehe, denn wenn eine so drohende Langeweile, und ein so gräßlicher Ungehorsam vorhergehet, wird man sich wohl hüten ein so idealisches Verhältniß anzuknüpfen. Was macht die Wage? werden Sie bald die Wage herausgeben? Was lassen Sie diesmal in Ihr Wagheft drucken? Kommen große prachtvolle, oder kleine niedliche Aufsätze in Ihrer nächsten Wage? Das Publikum sieht mit angenehmen Erwartungen Ihrem nächsten Wagheft entgegen. Wie freue ich mich auf die Wage! Theaterkritiken kommen wohl diesmal schwehrlich in Ihrer Wage? Doch wäre es wohl nicht uninterressant über die Stuttgarter Bühne in der Wage zu lesen. Sie können es gewiß gar nicht erwarten bis Sie mir daß erste Exemplar zugeschikt, Sie guter Mensch, nein, wie Ihr einziges Bestreben nur darauf hinaus geht mir Freude zu machen, mir einen kaum ausgesprochenen Wunsch abzulauschen, und mich mit einer unerwartet schnellen Ausführung zu überraschen. Ich grüße freundlich den Herausgeber der Wage, aber ‹nur?› an den Hr Verfasser dieser Zeitschrift ist dieser Gruß und meine Zuschrift gewendet. Sollte er sich diesem Berufe entzogen haben, oder noch entziehen wollen, so sehe ich mich gezwungen ihm auf lange ein Lebewohl zu sagen – oder – die Wage! Die Wage, Wage, Wage Wage Wage Wage Wage Wage Wage Wage Wage Wage Wage Wage Die Wage! ! !ii J. W.

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Zumehmende Schriftgröße in den letzten vier Zeilen.

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Figur aus Kotzebues Der Wirrwarr oder Der Muthwillige. Eine Posse in fünf Akten (1803).

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111. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 10. u. 11. Februar 1822. Nr. 47. Stuttgart. 10 Febr. 1822.i Ich hätte heute Ihre Antwort auf meinen lezten Brief haben können, also auch sollen, aber es scheint, Sie sind es müde mein Glück zu seÿn – Sie ruhen sich, nach jedem kurzem Wege den Sie machen, gar zu lange aus. Und dabei haben Sie noch die Heuchelei, sich anzustellen als wären Sie mit mir unzufrieden. Ich bin mir immer gleich geblieben, und ich schreibe Ihnen nicht seltener und nicht kürzer, als ich es früher gethan. Sie aber fangen an zu kargen. Ist Ihnen das Herz ausgegangen? Wenn Sie so fortfahren, dann werde ich aufhören Sie freiwillig zu lieben, dann wird es nur noch die Noth seÿn, die mich an Sie bindet, die Noth, ein menschliches Wesen zu lieben, und keines finden zu können, das neben Ihnen noch liebenswürdig ist. Sie fragten mich in Ihrem lezten Briefe, mit wem ich umginge. Aber was nennen Sie umgehen? Seitdem ich Sie kenne gehe ich nur mit Ihnen um. Ich begreife nicht, wie man auch nur zwei Freunde haben kann, ein ganzer ist oft zu viel, und schon manchmal hätte ich gern Ihrem Kopfe verschwiegen was ich Ihrem Herzen anvertraut habe, oder umgekehrt. Ich habe hier wenige Familien die ich besuche, das liegt freilich nur an mir, wie es doch wohl auch in Frankfurt viel an mir lag, daß ich so wenige gesellschaftliche Verbindungen hatte. Man muß sich darum bemühen, und das ist nun eben meine Sache nichtii. Ich bin hierin so leichtsinnig wie bei den andern Lebensbedürfnissen. Manchmal Abends wird mir die Zeit lang, und ich wünsche mir dann ein angenehmes Haus, aber am Morgen denke ich nicht daran. Professor List und Hauptman Seÿbold, die Herausgeber der Neckerzeitung1 besuche ich oft in ihrer Familie. Gute ehrliche Leute, aber nicht viel mehr. Zu einer Madame Kaula komme ich auch oft – ein ganz gewöhnliches Judenweib, die schrecklich schreit, und gern Geistesspiele mit mir treibt, denn sie glaubt, sie hätte viel Verstand. Bei ihr wohnt eine unverheirathete Schwester, ein ganz gewöhnliches Judenmädchen, so wie sie zu Frankfurt vor 20 Jahren waren, da sie anfingen Schinken zu essen und ach i

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert). Orig.: sind. Vgl. Br. 25 u. 26.

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und o zu sagen. Ich besuche diese Leute, weil sie gleicher Erde wohnen, und ich, wenn ich Abends aus dem Wirthshause komme, an ihrem Hause vorbei muß. Seit einiger Zeit fange ich aber an mich zurückzuziehen, denn einer meiner Bekannten, ein Künstler, hat sich in den Kopf gesezt, ich mache dem Mädchen förmlich den Hof, und würde es heirathen, mir auch die Versicherung gegeben, er wolle das in der ganzen Stadt ausbreiten. Das Frauenzimmer ist aber so unbedeutend, daß ich mich schämen würde wenn die Leute im Ernste dächten, es gefiele mir. Die Frau Pfeifer 2 hingegen zieht mich sehr an, wegen ihrer reizenden Gestalt, ich besuche sie aber wenig; erstens, weil ihr Mann eifersüchtig istiii, und zweitens weil sie keine Lebhaftigkeit hat. Sie ist so kühl wie ein Borstoffer Apfel. Tanzen ist das einzige, was sie in Bewegung sezt, ob sie aber mit einem Adonis tanze oder mit mir, d[as]iv gilt ihr alle gleich. Doch ist sie wohl erzogen, artig und freundlich gegen Jeden, ohne gefallsüchtig zu seÿn, und nicht ein bisch[en] jüdisch. Die übrigen Juden aber, sind es im hohen Grade. Und an diesen auch, habe ich von neuem gesehen, was das abgeschmackte Volk, voller Eitelkeit und Hochmuth ist. Sie sind nicht ein wenig besser als die Frankfurter, und es giebt vie[le] Juden in Frankfurt die besser sind als sie. So oft ich aber mit ihnen von Frankfurt gesprochen, und erzählt hatte, wie schlimm es die dortigen Juden hätten, und wie sie aus aller christlicher Gesellschaft fern gehalten würden, haben sie die Achs[eln] gezuckt und gesagt: sie sind aber auch darnach ! . . Die Juden, werden mir alle Tage mehr zuwider. Sie sind sich überall [gleich] in Gestalt, Sprache, Beschränktheit und Witz. Ach, ihr Witz! Vor einigen Tagen ging ich mit der Pfeifer und noch andern Judenwe[ibern] weit spazieren. Und da war auch eine alte Tante dabei, die der Weg anstrengte, und ein jüdischer Commis. Ich hatte unaufh[ör]lich die schönsten und witzigsten Reden geführt, obzwar mehr zu meiner eigenen Unterhaltung, denn ich merkte bald, daß m[an] mich nicht verstand. Da sagte der jüdische Commis, in Bezug auf die alte Tante, und den weiten Weg den sie heute gemacht: [sie] hätte „eine Bravourarie gesungen“ Und da haben die jungen und alten Weiber darüber gelacht eine Stunde lang, und [woll]ten gar nicht fertig werden das göttlich zu finden. Mit meinem

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ÜdZ. Besch. Rand. Vgl. Br. 37.

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Schwager in München,3 der sonst ein ordentlicher Mann ist, sp[rach] ich einmal vom türkischen Kriege, und da meinte ich, er würde auf jeden Fall losbrechen, wenn nicht heute in sechs Mon[naten.] Da sagte mein Schwager: Wissen Sie, wie Sie mir vorkommen, wie Elie Schloß! Kennen Sie Elie Schloß nicht? Der hat sich [ein]mal mit Jemand gezankt, und nach allerlei wechselseitigen Schimpfreden, seinem Gegner gesagt: „Du, was willst Du habe? „Du hast ja ä Bahn4 gebroche?“ Der andere war ganz verduzt und erwiederte: „Ich hab ä Ban gebroche? Wenn hab ich ä Ban gebroche?“ Elie Schloss: „Nu, host Du kan Bahn gebroche, werste noch ans breche“! – In einen Ihrer lezten Briefe schrieben Sie, ich möchte wo möglich, mein nächstes Pension=Quartal zur Bezahlung Frankfurter Schulden verwenden Aber, liebes Kind, das wird nicht möglich seÿn. Ja ich bin schon ängstlich, daß ich die 100 fl. erst mit dem lezten März we[rde] bekommen können, und ich sie vielleicht früher brauchen werde. Meine Miszellen in der Nekkerzeit. werden etwas langsam gedruckt, und ich bin nicht ohne Sorge, daß der Redacteur vielleicht bereut, monatlich 50 fl. für den Bogen zugesagt zu [ha]ben, und daß er für eine kleinere Summe und weniger abdrucken will. Es ist heute der 10te schon, und es sind erst 4 [1/2]v Spalten aufgenommen, ich muß aber für 50 fl. 16 Spalten liefern. An mir liegt es nicht, denn Manusscript haben sie [viel]vi vorräthig. Lesen Sie die Miszellen? Da ich jezt die Neckerzeit. unentgeldlich bekomme, so kann ich Ihnen gelegentlich die Blätter schicken, worin etwas von mir steht. – Neulich gab mir die Räthin Kaula einen spashaften Brief von Feist in Frankfurt zu lesen. Unter andern schreibt er: „meine liebe Frau ist jezt in andern Umständen – das heißt, sie ist nicht in andern Umständen! Denn nur, wenn sie nicht in andern Umständen ist – ist sie in andern Umständen!“ – Mals aus Frankfurt, der mit Bethmann nach Wien gereist war, um die Einrichtung der dortigen Theater kennen zu lernen, ist auf seiner Rückreise hier durchgekommen. Ich erzählte ihm, was Sie mir jüngst von Adler geschrieben, und darauf bemerkte er: jezt ginge ihm ein Licht auf! Der Theaterdirektor in Linz5, habe v vi

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Vgl. R IV, 557. Vgl. ebd. Vgl. Br. 85. Bein (frankfurterisch). Von 1819–1824 war der Sänger u. Schauspieler Nikolaus Alois Hölzel (1785–1848) Direktor des Linzer Landestheaters.

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ihm erzählt, vor kurzem sei ein Frankfurter Schauspieler der sich Stern genannt, und ein Jude geschienen, in einer bedeutenden Rolle des Weidner6 in Linz aufgetreten, sei aber gänzlich dur[ch]gefallen. Er habe eine gedruckte Kritik vorgezeigt, worin er in jener Rolle, die er auch zu Frankfurt gespielt habe, se[hr] gelobt worden sei. Dieser Stern habe sich darauf nach Wien gewendet, mit dem Vorhaben dort Sprachunterricht z[u] geben. Er (Mals) glaube, dieser möchte wohl Adler gewesen seÿn . . Schreiben Sie mir: ob der Adler wirklich von Frank[furt] weg ist? – – 11. Februar. Was das wieder ein kleiner Brief ist! D. T. s. S. h.7 – daß mein Vater nach Mailand g[ereist] hat mir gestern Dr. Euler8 aus Frankfurt erzählt, der sich seit einigen Tagen hier aufhält. Hätte mein Vater meine schwache Seite gekannt, hätte er mich durch diese italiänische Reise nach Wien locken können. Wahrscheinlich hätte ich nicht widerstanden. – Suchen Sie auch das neuere Werk der Lady Morgan, über Italien sich zu verschaffen; aber dieses dürfen Sie nur in der französischen Uebersezung lesen, nicht in der deutschen, weil diese ganz verstümmelt ist, denn das halbe Buch ist mit Politik, besonders mit Ausfällen gegen die Oesterreichische Regierung angefüllt, die in der Uebersezung weggeblieben. Sie sehen, daß ich Recht habe Paris zu lieben, und ich sehe, daß ich Unrecht hatte, Sie mehr zu lieben als Paris. Paris ist dankbarer als Sie und erwiedert und belohnt die Neigung seiner Freunde. Ich habe Ihnen drei Jahre aufgeopfert, die ich bis jezt (von 1819) in Paris verlebt hätte, und ich habe es doch nicht weiter mit Ihnen gebracht, als daß Sie ohne meine Erlaubnis keinen heirathen. Habe ich denn eine Tochter gesucht? – Mich ärgert auch, daß Sie sich gar nicht nach mir sehnen, ob ich zwar in einigen Tagen schon 6 Monate entfernt bin. Ich glaube wenn ich 10 Jahre wegbliebe, Sie würden nur immer gesunder dabei. – Ehe ich zur Wage greife, muß ich erst für Cotta mehreres gearbeitet haben. Woher soll ich sonst den Muth und das Recht nehmen, Geld von ihm zu fordern, wenn ich welches brauche, was bald der Fall seÿn wird? – Ich wollte Sie schon längst auf etwas bedacht machen, es ist mir aber immer wieder entfallen. Hier sowohl als in München, sind mir häufig Commis=Voyageurs, aus Frankfurt, in den Weg gekommen, die ich zwar persönlich nicht viel kannte, da sie aber junge Leute und meine Landsleute 6

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Vermutl. eine Rolle, in der Julius Weidner (1779–1855) im Frankf. Theater aufgetreten war. Der Teufel soll Sie holen. Heinrich Ludwig Carl Euler (1777–1832), Anwalt.

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waren, hatte ich es für meine Pflicht gehalten, ihrer Unerfahrenheit, durch mein Beispiel und meinen Rath zu Hülfe zu kommen. Daher war ich auf allen öffentlichen Vergnügungsörtern, ihr Begleiter, um darauf zu wachen, daß die jungen Leute nicht auf Abwegen gerathen. Ich sage Ihnen das, damit wenn Dieser oder Jener, nach seiner Zurückkunft, dieses oder jenes von mir erzählen sollte, Sie sich nicht etwa irre machen lassen, sondern verstehen, was das für ein Bewandnis hatte. – Ich bin und bleibe, weil ich mir nicht anders zu helfen weiß Dr. Börne, geb. Wohl.

112. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den 13. Februar 1822. Nr 47 Den 13 Febr.i Die Wage! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! J. W.

113. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 15. Februar 1822. Nr. 48. Stuttgart den 15 Febr. 1822.i Liebe Freundin, Ihr Scherz hat mir sehr wehe gethan, und Sie werden ihn nicht wiederholen. Sie hätten daran denken sollen, daß ich von Ihren Briefen lebe, und daß es gleich viel ist, ob Sie mir diese Nahrung aus Bosheit oder aus Muthwillen entziehen, mich schmerzt immer der Hunger. An den i

O. O. u. J., hs. Zus. e. Bearb.: »1822«. – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Langenstraße, bei Frau Regierungsräthin Haselmeier in Stuttgart (Kuvert).

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m.

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Tagen wo ich Ihre Briefe erwarte, erwache ich eine Stunde früher als gewöhnlich, ich bin in der glücklichsten Unruhe, und nun das Schreiben schon in der Hand zu halten, und sich getäuscht zu sehen! Mir sind die hellen Thränen aus den Augen geflossen. Oder sollten Sie sich vielleicht vorgenommen haben, mir nicht eher wieder zu schreiben als bis die Wage erschienen? Das wäre schlimm für mich und für Sie. Ich würde mich im Anfange an mir selbst rächen, und Ihnen auch nicht mehr schreiben, und könnte ich es nicht mehr ertragen, mich an Ihnen rächen und nach Hause kommen. Ich habe Ihnen die Ursachen geschrieben, warum ich mich jezt nicht mit der Wage beschäftigen kann. Gedulden Sie sich noch ein wenig, liebes Herz, sobald als möglich, will ich mich daran machen. Ich weiß es ja recht wohl, daß ich Ihre Freundschaft nur der Wage zu verdanken habe. Sehen Sie was Sie mir angethan haben. Das war kein mündlicher Scherz den man in der nächsten Viertel Stunde wieder gut machen kann, 10 Tage kostet er mich, in denen ich kein Wort von Ihnen erfahren. In einigen Tagen sind es 6 Monate, daß ich von Ihnen entfernt bin, und das ist der Lohn für meine Ausdauer! Nicht um es Ihnen zu vergelten, aber ich kann meines Verdrußes und meines Kopfes nicht Meister werden, und darum dieser Brief so kurz. Aber doch der Ihrige Dr. Börne, geb. Wohl.

114. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . [Frankfurt], den 17. Februar 1822. Nr 48 Sontag 17 Febr 1822i Nicht um zu scherzen, sondern um Ihnen meinen Unmuth recht lebhaft auszusprechen, haben Sie meine lezte mürrisch=lakonische Wage erhalten. Ich will es nicht mehr thun, weil ich Ihre mißliche Lage, Ihren und meinen Verdruß nicht noch vermehren will. Es gehört aber kein kleiner Grad von Leichtsinn dazu, sich über alles das hinaus zusetzen – wie es künftig, und auch gegenwärtig mit Ihnen werden soll. Sie thun mir Unrecht mit dem Vorwurfe „daß Sie meine Freundschaft der Wage zuschrieben“ Im Gegentheile, ist es mein lebhaftester Wunsch, Sie von allen litterarischen Veri

Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Langenstraße, bei Frau Regierungsräthin Haselmeier in Stuttgart (Kuvert).

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bindlichkeiten frei zu sehenii. Und eine meiner liebsten Schwarmereien ist die, nur so viel im Glücksspiele zu gewinnen, daß Sie davon frei und unabhängig leben könnten. Denn mir selbst scheint es nun eine ausgemachte Sache, und gänzliche Unmöglichkeit, das Sie, schon Ihrer Gesundheitsumstände Wegen, von litterarischen Arbeiten leben können. Sollten Sie denn gar nichts ersinnen können, was Ihnen ein sicheres auskommen verschaffte, ohne daß Sie durch geistesanstrengende Arbeiten Ihr – ach! – Ihr tägliches Brodt gewinnen müßen? Die Ausgabe deriii lezten drei Hefte der Wage aber, halte ich für eine Ehrensache, und wenn ich Ihnen auch nichts mehr darüber sagen werde, so werde ich doch keinen frohen Augenblick haben, bis ich das erste, oder fünfte gedruckte Heft in Händen habe. Julie Saling die gegenwärtigiv in Berlin ist schreibt wunder wie glänzent und prächtig es sich dort lebe, das Schauspielhaus wäre ein wahrer Feenpalast, die herrliche Ballets u. s. w. auch S[chmitt] der jezt dort ist schreibt viel davon wie interressant der dortige Auffenthalt ihm wäre. Die vielen gelehrten und Künstler, das gesellige Leben etc . . . Wäre Berlin vielleicht ein angenehmer, oder vortheilhafter Auffenthalt für Sie? Was würde die Herz sagen? „Lieber Louis, nach so langer Zeit noch nicht gebessert?!“ v. Rothschild soll nach Mailand sein, wegen der Uebernahmev Salz Regie im ganz Lombardischen, Andre sagen, es sei in andern Angelegenheiten. – Ihr Bruder Ph. beklagt sich sehr daß Sie ihm auch noch nicht ein einziges mal geschrieben. Thun Sie es doch einmal, Sie sollten sich doch mit ihm verhalten. erwähnen Sie nur nichts, daß man es Ihnen wieder gesagt, auch sagt man daß er Bräutigam sei mit Demois. Hannchen Stiebel ein reiches und hübsches Mädchen, er läugnet zwahr noch, aber es heißt sobald Ihre Mutter zurückwäre käme die Sache in Richtigkeit.1 Sie kennen wahrscheinlich das Mädchen, sie wohnen bei Seligman Oppenheim2 im zweiten Stock. Simon Op.3 soll ungeheuer weite Reisen machen, bis an der Grenze

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Orig.: sehehen. ÜdZ: Ausgabe der. ÜdZ. ÜdZ. Die hier angedeutete Heirat von Bs jüngerem Bruder Philipp Jakob und Hannchen Stiebel erwies sich als bloßes Gerücht. Vermutl. Seligmann Josef Oppenheimer, Juwelenhändler. Simon Lazarus Oppenheimer.

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von Persien soll er schon gewesen sein. Wenn er sich nur nicht verliert, der kleine wunderliche Patron, hätten Sie sich das je von ihm träumen lassen, er soll sehr gute Geschäfte machen, und jede Woche hat seine Braut, trozt der entsetzlich weiten Entfernung Brief von ihm. – Ich kann Ihnen heute gar nicht zusamenhängend schreiben, ich werde jeden Augenblick unterbrochen, wollte aber heute noch schreiben, weil Sie so kindisch verdrießlich sind, wüßte ich Ihnen doch nur ein Augenblick noch etwas recht freundliches, und angenehmes zu sagen! Nun vielleicht auf nächstesmal, in jeden Fall aber viel mehr als heute, denn bis zu Ihrer nächsten Antwort, schreibe ich Ihnen täglich – und schike dann einen recht großen versöhnenden Brief. Uebrigens sollen Sie nicht so gespannt, und in so großer Erwartung sein, wenn Sie Nachricht von mir entgegen sehen, erstens weil Sie dann oft sich getäuscht finden müßen, und auch weil ich mich nicht an so regelmäßigem Antworten binden will, überhaupt sind wir ganz auser Ordnung gekommen, war denn nicht die Abrede daß ich nur alle acht Tage schreiben sollte? – Sie haben ja mehr Gelegenheit alle erdenkliche Blätter zu lesen, haben Sie über S4 Kunstreise noch nichts erwähnt gefunden? Allerdings wäre es mir sehr lieb, wenn Sie mir die Nekarzeitung schiken könnten, aber vorausgesezt, daß dies Ihnen keine Kosten macht. Der kleine Hiller5 ist ein Wunder von Musikalischem Talent, er hat unlängst auf unabläßiges Bitten des Kapel. Guhr6 im Museum ein Konzert von Mozart gespielt, und ganz fortrefflich zum erstaunen aller Zuhörer. Besonders hörte man mehrstimige Ausrufungen „Ein Judenbub soll so spielen“! Auch Ihr langweiliger v. Gerning7 äußerte diese liberale Ansichten. Was schwatze ich Ihnen in aller Eile den Kopf so voll, es kömmt jeden Augenblick ein anderer ein recht freundliches Lebe wohl. Bald mehr J. W.

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Aloys Schmitt. Ferdinand Hiller (vgl. Br. 57). Carl Guhr. Vgl. Br. 41.

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115. An Jeanet te Wohl in [Frankfurt]. Stuttgart, den 19. Februar 1822. Nr. 49. Stuttgart d. 19 Febr. 1822. Habe ich das Kieselherz weich gemacht? Da kann man stolz darauf seÿn, so einen harten Bößewicht wie Sie zu rühren! Es gehört erstaunlich viel Zeit und Stÿl dazu. Ich bin auch heute so zärtlich gegen Sie gestimmt, daß ich Ihnen auf kleinem Liebes-Papier schreibe, wie an jenem schönen Tage da eine vertraute Köchin Ihnen mein erstes Geständnis brachte, und Sie mir die Augen auskratzen wollten. Aber der genädige Gott hat Ihnen auf die Finger geschlagen, denn hundertmal seitdem habe ich Ihnen gesagt und geschrieben, daß ich Sie liebe, Sie anbete, und – ich sehe immer noch. Aber, liebes Herz, seien Sie nicht so trübsinnig, geben Sie nicht so ganz die Hoffnung auf, mich in geregelter Thätigkeit zu sehen. Der Leichtsinn stumpft sich ab mit den Nerven, und diese stumpfen sich ab mit den Jahren. Das ist gerade nichts erfreuliches, denn so schön ist die Jugend, daß, wenn man sie verlohren hat, es noch ein Trost ist, ihre Fehler zu theilen. Woran es mir hauptsächlich mangelt, das ist Geduld. Um welchen Lohn ich auch arbeite, sei es Beifall oder Geld, glauben Sie, daß ich nicht thätig genug wäre mein Tagwerk zu vollenden, wenn jener Lohn am nehmlichen Abend ausbezahlt würde? Nun, das eben lernt man, daß Wochen und Monate wie Tage vorübergehen, und daß dann jedem wird nach seinem Verdienste. So einen leichtsinnigen Streich, wie den ich zu Paris beging, wo ich für 3000 fl. jährlich gewiß nicht mehr, als täglich 2 Stunden hätte zu arbeiten brauchen, wäre ich nicht fähig zu widerholen. Da aber solche vortheilhafte Anerbietungen bei mir nicht blos glückliche Zufälle sind, die einmal nicht benuzt, nicht mehr widerkehren, sondern da ich alle Tage die nehmlichen Bedingungen erlangen kann, sobald ich mir nur angelegen seÿn lasse, mehr Zutrauen zu meinem Fleiße zu erwecken – kann alles noch gut werden, und wir wollen unsern Freund Börne nicht so schnell aufgeben. – In Berlin möchte ich wohl einmal ein halbes Jahr zubringen, ich hätte meine tausend Freuden dort, wohl auch eben so viele Thaler. Ich getraute mir zu, nicht blos das Gespräch des Tages, sondern eines ganzen Winters zu werden. Ich wollte diese elegante Seelen wie ein Plazregen auseinander scheuchen. Es ist gar zu hochmüthiges Volk, auf uns Südländer sehen sie mit der größten Verachtung herab. Und doch kömmt ihnen das ganze Jahr kein Bissen frisch[es] Fleisch in den Mund, sie ernähren sich von eingepöckelten Ideen. Ganz dunkle Nacht ist eigentlich nie bei ihnen, denn sie haben Nord-

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schein, aber sie thun auch gewaltig stolz mit ihrer Aufklärung, und sie schwöhren darauf Phöbus sei ein Brandenburger Gott. Sie sind eine Art Franzosen, aber eingemachte. Denken Sie sich das Heer von Schriftstellern, die Kritiker, die Dichter, die schönen Geister, die gelehrten Weiber, die näselnden jüdischen Elegants, die getauften Juden, die Deutschthümler, die Preußenthümler, die frommen Lutheraner, die tausend Magister Lämmermeÿer, Hr. v. Schaden1, Julius v. Voß, der besoffene Hoffmann, den vergötterten Spontini, Fouqué2, Houwald, den Freÿmüthige3. Aber Prügel bekäme ich genug. Ich wollte mit meinen Theaterkritiken die ganze Stadt in Aufruhr bringen. Ich schmeichle mir nichts vor, aber alle Partheÿen, würden sich große Mühe geben, mich zu gewinnen. Sind Sie denn ganz fest entschlossen, im Frühlinge von Frankfurt weg und nach Hamburg zu gehen? Und wie und mit wem? Ich fürchte es wird nichts daraus. Schreiben Sie mir doch hierüber umständlich. Wollen Sie warten bis S.4 zurückkömmt? Berlin ist ja das Ziel seiner Reise. Wie lauten denn seine Briefe an G.? Hamburg ist nur zwei Tagereisen von Berlin entfernt, und lezterer Ort wäre ein angenehmerer Aufenthalt für Sie. Da ließe sich leicht eine Familie ausfindig machen, der Sie sich anschließen könnten. – Neulich las ich in irgend einer Zeitung, ich säße in München, und wezte schon meine Feder, um über den bevorstehenden Landtag zu schreiben. Mein Schleifstein muß nichts taugen, denn die Feder will nicht scharf werden. Das haben Sie zu verantworten, denn Sie sind eigentlich meine Federschleiferin. Sie müssen nicht so faul seÿn, Sie müssen miti mir zanken und das Rad drehen, zisch, zisch! – Von dieser Heirath meines Bruders hat man schon früher gesprochen, ich glaube es aber nicht, das wäre ein großer Schimpf für mich, weil ich der Aeltere bin. Alle Welt heirathet, nur ich allein muß ledig bleiben. Hu, hu! Das Mädchen kenne ich. – Ist denn die Sache wahr, wegen des Ausrufs: ein Judenbub’ soll so spielen? Wer hat es gehört? Wer hat es von Gerning5 gehört? Sind Sie Ihrer Sache sicher, dann schreiben Sie mir etwas i

ÜdZ.

1

Johann Nepomuk Adolph v. Schaden (1791–1840), Verfasser v. Berlins Licht- und Schattenseiten (1822), einem Sittengemälde der Stadt. Friedrich Baron de la Motte-Fouqué (1777–1843), romantischer Dichter aus Brandenburg a. d. Havel. Der Freimüthige, oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser. Aloys Schmitt. Vgl. Br. 41.

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Genauer über das Conzert des kleinen Hillers,6 schreiben Sie ferner, was sonst seit Neujahr beim Theater, merkwürdiges vorgegangen ist, ziehen Sie gute Erkundigungen ein, auch über den Theaterbau7, über Göthe’s Denkmal8, und können Sie mir auf diese Weise Stoff zu einem Berichte geben, dann will ich im Morgenblatte, wieder einmal unter diese Hunde fahren. – Vor einigen Tagen habe ich auch einen 12 jährigen Knaben, ein Clavierconzert spielen hören. Bewunderungswürdige Fertigkeit! Er heißt Schunke9, sein Vater ist beim hiesigen Orchester, und soll ein vortrefflicher Waldhornist seÿn. Beide haben gestern eine Kunstreise angetreten, und sie werden auch in Frankfurt spielen, da können Sie Schunke mit Hiller vergleichen. Sollte ein gewisser Posaunenbläser, vonii Cassel, dessen Name ich vergessen habe, in Frankfurt Conzert geben, so versäumen Sie ihn ja nicht. Er hatiii mir hier auf seinem Zimmer vorgespielt, das ist ganz was erstaunliches! Die Cavatine aus dem Tankred10 mit Variationen so zart und fertig, wie man sie nur singen hört. – In der Neckerzeitung vom 16 Febr. habe ich unter andern Miszellen, auch eine über die jüdischen Papierhändler. Eigentlich gut gemeint, aber die Juden werden das nicht verstehen, und gewiß über Risches11 schreien. Lesen Sie das. – Lesen Sie auch das Morgenblatt von gestern (18. Febr.)12 Darin wird neuerdings in einem Pariser Berichte von dem berüchtigten Balle gesprochen, den Rothschild im vorigen Jahre dort gegeben. Lustig zu lesen. Das Salz wollen sie auch pachten? Ihr Juden werdet am Ende alle todtgeschlagen um der Rothschild wegen. Ich habe es vorhergesagt. Ihnen aber soll nichts geschehen, Sie haben Füße unter dem Tisch, ich bin Ihr Freund Dr. Börne, geb. Wohl. ii iii

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Orig. davor: auch. ÜdZ. Ferdinand Hiller (vgl. Br. 57). Der Plan zum Umbau des Frankfurter Theaters konkretisierte sich 1821, wurde aber erst einige Jahre später realisiert. Sulpiz Boisserées Anregung, zum 70. Geburtstag des Dichters 1819 ein Denkmal zu errichten, wurde nicht verwirklicht. Ludwig Schunke (1810–1834), Pianist, ging mit seinem Vater Gottfried Sch. auf Konzertreisen durch Europa. Tancredi (1813) v. Rossini. Jidd.: Judenhaß. Paris, d. 25. Jan. in: Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 42 v. 18. Februar 1822.

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116. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . [Frankfurt], den 22. Februar 1822. Nr 49 Freitag den 22 Febr 1822.i Die Wage – ist Ihnen nicht geschenkt! Trotz Ihrem liebenswürdigen Brieflein. Denn liebenswürdig freundlich und überaus angenehm waren Sie am 19 ten, daß muß ich Ihnen sagen. Ich habe gelacht, mich ergözt wie lange an nichts anderem, aber ich lasse mich durchaus nicht bestechen, und durch nichts. Und ich kann nicht aufhören zu trauren bis ich meinen vermißten Liebling erscheinen sehe, meine geliebte theure, köstliche Wage! Wann wirst Du mir wieder gegeben werden?! Ich werde zu weich bei diesem Klagethema, meine Thränen fließen, mein Herz bricht, Ach! O! – O! Ach! Aergern? Langweilen Sie sich? Das ist noch nichts, es kömmt noch besser, ich lasse nicht nach bis ich meinen Willen habe. Sie kennen ja die Art der dummen Leute! – das endet nicht. Sie sehen also mein herr daß mein Kieselherz noch nicht erweicht ist, Sie dürfen also auch noch nicht so stolz thun, im übrigen aber gehört „Ihre Zeit, und Ihr Styl dem Publikum und – Ihrer Wage!ii Wie gefällt Ihnen das alte neue Lied? – – – Könnten Sie denn in Berlin ungeneckt leben, ich meine wegen Ihrem politischen Charakter? ich dachte es wäre dort, wenn auch nicht in so hohem Grade als in Wien, aber dennoch gefährlich für Sie. Ich hätte große Neigung wenn Sie mir es erlaubten, Ihre Ansichten über die Berliner der Herz zuzuschiken. Sie ist zu geistreich als daß sie nicht darüber lachen und sich daran erfreuen sollte, aber gewiß würde sie ausrufen „Immer noch so gottlos Louis! Einliegendes ist ein Auszug aus einem Briefe von S an Reis, und auch einzelnes aus G’s Briefe. Das über die Herz darin vorkommende wird Sie gewiß interressiren, sie gedenkt Ihrer immer noch so lebhaft, und Sie-! Gestehen Sie nur wir Frauen sind doch viel besser als Ihr. Sie Undanckbarer, eine solche Frau so zu vernachläßigen: Die Herz erweckt mir öfter sonderbare Empfindungen – ihre Vergangenheit – meine Zukunft – hätten Sie damals vor 18 Jahre gedacht daß Sie ihr so fremd werden könnten? – – Lustig, ha, ha, Dr Br Bruder, der vergötterer Herders, heirathet wie man sagt –

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Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Langenstraße, bei Frau Regierungsräthin Haselmeier in Stuttgart (Kuvert). ÜdZ: sieben gezeichnete Noten.

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rathen Sie wen – – – Demois: Sarchen Wetzlar1 mit 12 000 Gulden! Waß halten Sie von diesem Aesthetiker und Philosophen? In der That beide Brüder sind mir unbegreiflich auf welche Art die heirathen, und besonders der Doktor den Sie so sehr rühmten, entweder kann ich es Ihnen, oder ihm nicht verzeihen. – Waß S über das Verhältnis von Juden zu Christen in Berlin sagt, bestätigt mir immer mehr, wie gerecht Ihr Urtheil ist über die engherzigen Deutschen, und daß Ihr Wunsch nicht zu tadeln, in Paris zu leben. Wer weiß, vielleicht ziehen wir noch beide hin, auf daß es uns wohlergehe! (Wie Biblisch! Auch Prophetisch?) Würde Sie das glücklich machen? Aber auf wie lange? ehrlich geantwortet! – – Ob daß Theater gebaut, ob Göthes Denkmal etc.. Man hört nichts mehr davon, es scheint alles verklungen, auch habe ich keine Gelegenheit Nachricht über dergleichen zu sammeln. Die Aeusserungen über Hiller2 kann ich Ihnen nicht verbürgen. J. Speier3 will gehört haben daß einer gesagt „ein Judenbub etc“. Und noch ein anderer, Gerning4 habe, nicht boshaft, aber mit Verwunderung geäußert „es sei zum Erstaunen wie die Israeliten sich herausbildeten“. Worauf die G in einem Briefe an S bemerkte „als wenn die Natur sich um die thörigte Vorurtheile der Menschen kümmerte“. Im ganzen aber soll große Stille, und Aufmerksamkeit geherrscht haben, und des Jungen Spiel mit Theilname und Bewunderung aufgenomen worden sein. – – Ich höre davon daß wieder ein neues Oesterreichisches Anleihen zu stande kommen soll, und von R. ist wohl deshalb und nicht des Salzes wegen in M.5 – – S geht wahrscheinlich von Berlin nach Koppenhagen, und kömmt in keinem Falle früher als im May, in jeden Falle aber gehe ich spätestens ende April fort – wohin? Das ist wie gesagt noch unentschieden. Ich habe so allerlei Hoffnungen und Pläne, und damit will ich mich herumspielen bis die entscheidente Zeit kömmt zum weggehen. Ich habe keine Geheimniße vor Ihnen, daß schwöre ich, und habe die feste Zuversicht, daß das waß ich Ihnen vertraute, auch wenn es andere betrifft Ihnen heilig wäre, und Sie verschwiegen sein könnten, aber es sind nur so aus der Luft ge-

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Sarchen Wetzlar (1790–1861), Verlobte v. Heinrich Breslau. Ferdinand Hiller (vgl. Br. 57). Joseph Isaak Speyer (1776–1841) war erster Vorsteher der 1808 von jüd. Freimaurern gegründeten Loge Zur Aufgehenden Morgenröthe. B trat der Loge, die ein exklusiver Treffpunkt des Frankfurter jüdischen Bürgertums war, ein Jahr später bei. Vgl. Br. 41. Mailand.

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griffene Sachen, und ich möchte Ihnen gerne verdrießliche Täuschungen ersparen. So baue ich Luftschlösser auf einen nächsten oesterreichischen Lotteriegewinnst, mache Heirathspläne für die Mädchen, o ich war erstaunlich thätig diesen Winter, es muß anders bei uns werden, ich ruhe nicht eher, wenn etwas angenehmes vorfällt sollen Sie es gewiß gleich erfahren, dafür erfreuen Sie mich auch recht bald mit Ihrer ––– Wage!iii Das fünfte Heft. Verbleibe Ihre wohlmeinende Gönnerin die mahnende Ahnfrau J. W. Adler ist so viel ich höre noch hier, und war gar nicht weg, also auch nicht in Linz. – – Wie befindet sich denn das schönste Mädchen in Stuttgart?6 Drei Stiegen hoch? Warum lassen Sie denn kein Wörtchen von ihr verlauten? Sie sagten ja selber daß mir der gnädige Gott auf die Finger geschlagen, und Sie – noch sehen. Ei ei wie schüchtern, Sie schlagen wohl gar die Augen unter, wenn Sie sie sehen? Wie oder ist’s nicht so, ist’s anders? Verräther! !

117. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 24. Februar 1822. Nr. 50. Stuttgart d. 24. Febr. 1822.i Liebes Butterherz (es ist von der süßesten Maibutter), glauben Sie ja nicht, daß mein Herz dem Ihrigen gleiche, und daß ich Ihnen den Aerger nicht vergelten werde, den Sie mir neulich durch Ihren dreysylbigen Brief verursacht. Sie erhalten einmal einen ähnlichen Brief von mir, damit Sie erfahren, wie das schmecke. Ich hätte es schon gethan, aber die Strafe soll unvermuthet kommen, wenn Sie Ihre Schuld und meine Drohung ganz vergessen haben werden . . Um Gottes willen, begehen Sie nicht die Tollheit, mein Urtheil über die Berliner der Herz zuzuschicken! Die würde gar nicht iii

ÜdZ: drei gezeichnete Noten.

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Die Enkelin der Regierungsrätin Haselmeier, bei der Börne logierte.

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darüber lachen, sondern sich betroffen fühlen, und mit Recht; denn so geistreich sie ist, hat sie doch viel Berlinisches, und ich habe an sie auch gedacht, da ich so geurtheilt. Ich bin sehr stark Willens, dem Schmidt einige Worte zu schreiben, und einen Brief an die Herz einzuschließen, das wäre eine gute Art wieder anzuknüpfen. Wenn ich es thue, schicke ich Ihnen beide Briefe unversiegelt, und Sie mögen Sie an S.1 besorgen. Ich habe viel gelächelt über das was S. unter andern von der H.2 geschrieben: „sie sah mir mit Ihrem Königsauge zuweilen so fest in das Meine, als wenn sie noch was mit mir reden wollte, auf das ich nicht mit ihr einginge.“ Wenn es S. dort mit allen Weibern so macht, so wird er den Ruf eines großen Tölpels zurücklassen, und man wird von ihm sagen: er hat allen seinen Verstand in den Fingern . . Ich widerspreche Ihnen gar nicht, die Vergangenheit der Herz ist Ihre Zukunft, das furchtbare Schicksal, von mir vergessen zu werden, haben alle Frauenzimmer die mich nicht heirathen. – In Berlin hätte ich durchaus nichts zu befürchten; es giebt zwar dort Taugenichtse sogut als in Wien, aber keine Dummköpfe, und man wird nicht aus Versehen gehenkt. Uebrigens habe ich ja nie etwas Strafwürdiges gethan, und ich erinnere mich nicht einmal je etwas Nachtheiliges über die Preußische Regierung geschrieben zu haben. Nur das hätte ich zu besorgen, daß vielleicht Manche Bedenken trügen, mit mir umzugehen. – Hatte ich Ihnen denn von dem Heiratsplane zwischen der Wetzlar und Br.3 nie geschrieben? Davon war schon die Rede als ich in München war. Der ist geprellt! Und ist er kein Hornvieh wird er eins werden. München, das ist der rechte Ort für eine Puzmacherin! – Auf wie lange es mich glücklich machen würde, wenn Sie mit mir nach Paris gehen würden? Ehrlich geantwortet – auf drei Jahre. Aber diese drei Jahre, würde ich mit Verstand durch mein ganzes Leben vertheilen. Nehmlich, wenn wir 14 Tage zusammen gelebt auf flitterwöchentliche Art, verreise ich auf ein Jahr, welches man in Paris ohne Mühe und Kosten thun kann, das heißt: ich ziehe, in ein Ander Stadt=Quartier, weit von Ihrer Wohnung entfernt. Eine Briefpost in der Stadt, wird uns tausend Freuden machen. Man kann sich auf diesem Wege täglich 6 Mal schreiben, 3 Mal Vormittags und 3 Mal Nachmittags. Das müste mit dem Teufel zugehen, wenn wir uns auf diese Weise nicht ewig lieben sollten . . Aber was haben Sie, ausser Hamburg, denn eigentlich für andere Reise1 2 3

Aloys Schmitt. Henriette Herz. Heinrich Breslau.

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pläne? Wohin? Wie so? Auf Lotteriegewinnst zu warten, ist ja die größte Thorheit. Mit Geld kann Jeder Pläne machen. Aber ohne Geld, das ist es. Seien Sie doch nicht so bedenklich, lassen Sie sich einmal von Ihrer Mutter ein Paar tausend Gulden schenken, und führen Sie aus, was Ihnen Lust macht. Ich für mich, will mir schon Geld schaffen, wenn es darauf ankömmt, Ihnen nachzureisen. – Der Herr Kaula, von dem ich Ihnen geschrieben, daß ich ihn oft besuche, reist heute über 8 Tage nach Frankfurt. Ich werde ihm einen Brief an Dr. Goldschmith mitgeben, weil er mich um die Adresse eines Advokaten gebeten, den er vielleicht brauchen wird. Soll ich ihn auch an Sie addressiren? Er ist zwar ein gewöhnlicher, aber übrigens ein ordentlicher (junger) Mann. Wenn Sie es zufrieden sind, müssen mir das bald schreiben. Er hat grade nicht viel Verstand, und Sie Spitzbübin können ihn geschickt über mein hiesiges Leben ausforschen. Uebrigens kennt er unsere Verhältnisse. Da war neulich Dr. Euler hier mit seiner Frau Tochter4, das heißt: mit seiner Frau=Tochter; die ist eine arge Plapplies, und hat der Kaula alles von uns erzählt. Sie hat gesagt: eine Madame Wohl und eine Madame Otten5, hielten so viel auf mich, daß sie über nichts zu urtheilen wagten, ehe sie meine Meynung erfahren. Das fehlte mir noch, daß Sie doppelt wären! Auch die Geschichte von G. und S. hat sie ausgeplaudert. Lezteres habe ich natürlich abgeläugnet. – Gestern las ich wieder in der Zeitung, ich sei von München hierher gereist, um die Redaktion des Morgenblatts zu übernehmen. – Jean Bien habe ich vor einigen Tagen der Mad. Huber für das Morgbl. geschickt, eigentlich aus Muthwille, denn sie nimmt es gewiß nicht auf, und hat Recht.6 Und wenn es ja erscheint, und ich werde damit ausgelacht, haben Sie es zu verantworten. Ich habe den Künstler Peter Schlund genannt – eine getreue Uebersezung von Jean Bien. – Wenn ich Sie auf Ehre versichere, daß ich das schöne Mädchen in meinem Hause noch mit keinem Worte gesprochen, und erst einmal auf dem Balle gesehen habe – was hilft es mir? Eifersucht ist nicht zu heilen. Uebrigens können Sie sich beruhigen. Bis zum 16 Merz, beziehe ich ein anderes Logis, und ich werde mir eins suchen worin nur alte Weiber wohnen, damit Ihr Bild mir immer vorschwebe. – Wie S. bei Glucks Iphigenie Lang4

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Johanne Wilhelmine Phillippine Kohl (1797–1838), Stieftochter u. spätere Ehefrau Heinrich Ludwig Carl Eulers. Vgl. Br. 7. U.d.T. Der Eßkünstler im Morgenblatt v. 8., 9., 12. u. 13. März 1822 (Nrn. 58, 59, 61 u. 62) erschienen.

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weile haben konnte, ist mir unerklärlich. Ich habe vor einigen Tagen die Oper gesehen, und bin ganz entzückt davon. Meiner Heiden-Natur, that diese Musik eigentlich wohler als Mozartsche, die mir zu romantisch ist, und mich zu sehr rührt. – Ich habe mir gleich gedacht, daß die Frankfurter Juden, wie immer, zu argwöhnisch waren, und daß, wenn beim Spiel des Hillers7 seiner Religion erwähnt worden, dieses gewiss nicht aus Bosheit geschehen ist. – Ich habe gestern einen Brief von Eduard Ellisen8 erhalten, voller Neuigkeiten. Er will Sie auf dem Bornheimer Schießplatz mit einem Husaren=Offizier gesehen haben. Das glaube ich nicht von meiner treuen Jeanette. B.

118. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den 27. Februar 1822. Nr 50 Mittwoch 27 Febr 1822i Ihre Briefe machen mi[r] unendliches Vergnügen, aber auch viel Aergerniß. Sie sind ungewöhnlich liebenswürdig, aber auch sehr boshaft. Waß haben Sie mir da für einen Streich gemacht mit Ihrem umgetauften Peter Schlund!1 Ich hoffte darauf daß dieses Meisterstück in der Wage prangen sollte, und jezt verschleudern Sie ihn am Morgenblatte. Im Ernste das ist mir nicht recht, und es scheint mir ordentlich, daß wenn Sie mir absichtlichii Verdruß machen wollten. Daß klingt freilich hart, aber Sie sind mir auch ein feiner Ritter, ein Muster der Galanterie! Wo bleibt die Wage? Die Farben meiner verfertigten schön gestickten Schärbeiii werden erbleichen, bevor ich sie dem Ritter ohne Ruhm, und voller Tadel überreichen kann. Ach die Wage! Sonst wagte ein Verehrer für seine Dame Leib und Leben, i

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Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Langenstraße, bei Frau Regierungsräthin Haselmeier in Stuttgart (Kuvert). Im Original: absichtlichlich. Vermutl. Schärpe. Ferdinand Hiller (vgl. Br. 57). Vgl. Br. 13. Bs Erzählung Jean Bien u.d.T.: Der Eßkünstler.

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und Sie? Ach die Wage! Deswegen verabscheuen Sie daß Mittelalter, deswegen ist Ihnen der fromme Fouque ein Dorn im Auge, weil er nichts höheres kennt, als die Verehrung, die Folgsamkeit, und die Demuth gegen die Frauen! – Gehen Sie nur, Sie, gleißnerischer Mensch! Jezt verstehe ich Ihren Heroismus, Ihre Humanität, – Sie verabscheuen die Feudalzeit weil Sie ganz frei sein wollen, daß heißt, nicht einmal die zarten fromen Bande des Gehorsams gegen Ihre Gebieterin tragen wollen. Ach die Wage, ach meine Wage, ach – der abscheuliche Peter Schlund, ist meiner Wage entflohen! Ach die, ach meine Wage! A propos, reden wir von was anderem. – – – Wann werden Sie die Wage drucken lassen? Haben Sie schon einige Bogen nach Tübingen geschikt? Bis wann schiken Sie mir ein Exemplar? Nun – ich will nicht unbescheiden sein, Sie werden mich gewiß auf ’s baldigste damit überraschen. Daß sich Gott erbarme einer solchen Ueberraschung! – – – Die Briefe an die Herz und S.2 besorgen Sie bald, bevor dieser von dort weg gehet, verschieben Sie nicht lange, oder besser, schreiben Sie gleich, sonst vernachläßigen Sie diese Gelegenheit wie schon viele frühere. Sie haben S. mißverstanden, er bezog daß mit „dem Königsauge“ auf seine Verhältnisse mit der G. wo er wahrscheinlich glaubt daß die Herz davon weiß, er ist so davon erfüllt, daß er meint die ganze Welt müße Antheil daran nehmen, ich habe schon früher darüber gedacht, ob nicht von Berlin aus, wenn S. vieler Gunst für sich gewänne, durch bedeutende Leute, auf den Onkel gewirckt werden könnte, etwa wie durchiv Mendelsohn3, und Proffessor Ritter4 etc. Bei lezterem ist er täglich, und als Freund aufgenommen, waß meinen Sie? – – – Ist der junge Kaula nicht verheirathet? Ist er ein ordentlicher Mensch, und sind seine Verhältnisse gut? Oder kürzer, wäre er eine Partie für die Jette? So schiken Sie mir ihn zu, und ich will mir es gefallen lassen ihn kennen zu lernen, wo nicht, mag ich keine uninteressante neue Bekantschaft machen. Sie wissen ja daß an solchen, leider hier ein großer Ueberfluß ist. Ist er ein Sohn der Räthin Kaula, die mit C. Feist hier in Verbindung steht? – Sie durch ihn kennen zu lernen ist gar nicht nöthig, ich kenne Sie schon hiniv

ÜdZ.

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Aloys Schmitt. Joseph Mendelssohn (1770–1848), Sohn v. Moses M., Bankier u. Vorsteher der Berliner Kaufmannschaft (1820–1846). Karl Ritter (1779–1859), Geograph u. Pädagoge.

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länglich. Ach die W Wage! Und wie Sie leben, was Sie dort treiben, was Sie müßig gehen, zu erforschen? ist auch nicht nöthig. O die Wage! Wehe, die Wage ! ! Ei Sie junges herrchen sagen mir ja die schmeichelhaftesten Dinge! Schon gut. Miethen Sie sich ja nur auf hübsch lange Quartier, denn ich werde schon dafür sorgen, daß Sie mich nicht eher wiedersehen sollen, bis ich mich wirklich mit Ihren Hausgenossinen als ehrwürdige Matrone gleich stellen kann. Daß für „mein Bild, und die alten Weiber“! Ja ja, ich meine es ernst, solche Beleidigungen kann eine junge Frau wie ich nicht ungerochen lassen. Nein mein Herr, nichts, nichts kann mich versöhnen als –– die Wage! – – – Hat Ihnen der Elisen5 unter andern auch die hu! hu!v Neuigkeit geschrieben, daß Dr Passavant sich verlobt hat, mit einer Dem. Lessing6, eine weitläufige Anverwandte des großen Dichters. Es scheint eine Verbindung aus Neigung zu sein, denn sie soll weder schön noch reich sein, vor zwei Jahre lag sie am Nervenfieber krank, und da war er ihr Arzt. Die Bibel= oder Bekehrungsgesellschaft hat wieder einen neuen Rekruten angeworben, erinnern Sie sich noch des jungen Mannes Rosenstein? den Reis zu einem weitern Fortkommen unterstüzte, es wollte aber nicht gehn, er kam zurück, und ließ sich hier taufen. Göntgen7 unterstüzt ihn thätig, und es ist ihm auch schon ein Phisikat in Bergen versprochen, dennoch beredten sich Göntgen und er, er sei – nur des wahren Heiles wegen übergetreten. – Haben Sie die Braut von Walter Scott gelesen?8 fürchterlich! aber natürlich, wahr, also auch schön. ich war ganz in Verzweifelung, so hat mich noch selten etwas erschüttert, ist es auch zu verwundern, daß ich weinen mußte, daß ich mich gar nicht fassen konnte, es war mir ja alles noch so nahe, so kurz vergangen, ich habe ja beinahe nehmliches mit erlebt, und mit erlitten! Lesen Sie nur, und sehen Sie selbst, wie grausam die Menschen sind, was sie alles ihren Vorurtheilen, ihrem Wahne opfern, und da soll man noch die Hand dazu reichen ? ! ! – – – Durch den Kaula hätten Sie ja die beste Gelegenheit, mir die Nekarzeitung, und was sonst noch von Ihv

ÜdZ.

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Vgl. Br. 13. Die Hochzeit v. Juliane Marianne Lessing (1796–1862) u. Johann Carl Passavant (1790–1857) fand am 22. Mai 1822 statt. Vgl. Br. 11. Die Braut. Ein romantisches Gemälde (1820) ist die Geschichte einer Zwangsverheiratung (The Bride of Lammermoor aus den Tales of my Landlord v. 1819).

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nen gedruckt zuzuschiken, auch daß Morgenblatt, wenn Sie haben legen Sie bei, es kann ja durch den Dr Goldschmidt mir zukommen, Sie glauben, Sie glauben nicht waß ich Noth leide ich bekomme von allen dergleichen sehr selten etwas zu lesen, und auch dann nur mit der größten Mühe. – Sie schreiben ja gar nichts von Cotta. Sie scheinen überhaupt wenig mit Christen, und viel mit Juden umzugehen, das ist mir – und besonders bei Ihrer Sinnesart nicht so recht begreiflich. Schreiben Sie ja der Herz, ich habe noch meine besondere Ursachen dazu, daß Sie wieder anknüpfen, vielleicht gerathe ich einmal auf den Einfall zu ihr zu ziehen, wer weiß, vielleicht läge es in ihrem Intresse es nicht abzulehnen, doch – versteht sich daß Sie davon jezt nichts verlauten lassen. T. S. v. P. Die Frau Tochter Plapplies hat Sie in Furcht gejagt, und mit Recht. Aber nicht die Frau Wohl Otten hätten Sie zu fürchten, die war ihnen immer gut immer nachsichtig, wohl aber die Frau Wohl Wage, die wird Sie plagen, wie ich von dato an mich immer unterzeichnen werde Dero errharrende J. Wage Jezt – haben Sie die Doppel=Qual! Sie wollten es ja und wollen es nicht besser! Adieu Wenn Ihnen viel daran gelegen könnte ich vielleicht durch den Reis für einen Monat Bericht sammeln lassen, warum schreiben Sie dem Elisen nicht darüber, der ist ja am besten über dergleichen unterrichtet wie ich glaube.

119. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 1. März 1822. Nr. 51. Stuttgart den 1 Merz 1822i Liebe Treue, ich möchte Sie wohl wieder einmal von Angesicht zu Angesicht sehen, ich möchte Ihre süßen Lippen reden hören – und Sie schweigen davon. Schon fangen Bäume und Felder an zu grünen, die Sonne wird immer freundlicher, die Tage werden länger, und mit ihnen wächst meine i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Sehnsucht. Warum muß ich einsam in den Frühling hieneinleben, warum sind Sie nicht neben mir, wenn ich meine lieben Berge besteige? O, ich muß fluchen, daß ich nicht weine! Der Teufel soll so ein Lumpenleben holen. Was habe ich davon wenn ich Sie in Frankfurt besuche? Das hieße mein Glück bezahlen, und ich hasse das Bezahlen, das Schönste ist nicht mehr schön wenn man es erkaufen muß. Lieber warte ich noch länger, bis ich Sie in einer bessern Gegend sehe. Das fällt mir auch nicht schwer, mit dieser Natur bin ich gebohren. Da ich ein Kind war, wurden mir beim Frühstücke die Stückchen Zucker zu zwei Tassen Kaffe zugezählt, und da habe ich die erste Tasse immer bitter getrunken, und allen Zucker in die zweite Tasse geworfen. Das ist das große traurige Geheimnis des Lebens. Frühling und kein Geld! Ich möchte rasend werden. Ich darf gar nicht mehr zum Thore hienaus, die ganze Natur neckt sich mit mir, Sonne und Schatten, Berg, Thal, Nähe und Ferne, alles foppt mich, jeder Vogel zwitschert mir zu: „Glückliche Reise, lieber Herr Doktor, es ist recht vernünftig von Ihnen, daß Sie das schöne Wetter benutzen, Sie haben ja schon längst nach der Schweiz gewollt. Nun, Sie haben einen guten Schritt, bis Uebermorgen Abend sind Sie in Schaffhausen. Auf Widersehen, lieber Hr. Doktor.“ Da hat mir ein trockner Freund, der von Genf gekommen von dieser Herrlichkeit erzählt, und ich habe noch meine Farben hinzugethan. Welch ein See! Das schönste Auge der Erde. Die feinen Sitten der Städter, das Chamounÿ-Thal1, der Mont-Blanc, Ferneÿ mit Voltaires Zimmer! Wüsste ich nur mit Nachschlüsseln umzugehen, ich wollte bald in Genf seÿn. Aber vielleicht erleben Sie noch, daß ich gehängt werde. Und ich sage es Ihnen vorher, das dürfen Sie sich nicht etwa zur Schande rechnen. Am Fuße des Galgens, werde ich eine ergreifende Rede halten. Ich werde sagen: „Ihr Hallunken lästert mich. Warum, was habe ich gethan? Hätte ich Geld gestohlen, um mich vor Hungertod zu schützen, nicht wahr, das hättet Ihr nicht getadelt? Aber ich habe noch einen andern Hunger wie Ihr, mein Herz hungert auch, mein Auge will auch trinken, diese mußte ich beim Leben erhalten. Ihr andern dort weint, warum bedauert Ihr mich? Ich habe Rom gesehen, ich habe auf dem Rigi Himmelsluft eingesogen, und im alten Sÿracus, an der Säule des Jupitertempels gelehnt, herrlichen Wein getrunken. Ihr Philister aber seÿd auf dem Sandweg nach Bornheim geschlichen, und habt dort niederträchtiges Zeug getrunken, und müsst doch 1

Das Chamonix-Tal und der Mont Blanc entwickelten sich zu Beginn des 19. Jhs. zu einem Anziehungspunkt des europäischen Tourismus.

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sterben wie ich, nur miserabler an der Wassersucht. Munter die Leiter hienauf, in einigen Minuten bin ich bei Gott, und mit diesem will ich schon reden, daß er seine Welt anders mache .“. . Aber das geschieht mir gewiß noch und bald, daß ich, Ränzchen auf dem Rücken und Stock in der Hand, fortlaufe, mit wenigen Gulden in der Tasche, mag es gehen wie es will, und bis Venedig. Habe ich darum Tag und Nach[t] studiert, mir die Augen blind gelesen, die Finger steif geschrieben, daß ich wie jeder Dummkopf Geld soll brauchen um zu reisen? Mit Nichten meine Dame. – Was wollen Sie nur mit Ihrem Peter Schlund? Das wäre ein Meisterstück? Wollen Sie mich zum Besten haben? Seitdem ich es der Huber geschickt, habe ich keine ruhige Nacht. Läßt sie es drucken, werde ich von der Welt ausgelacht, läßt sie es nicht drucken, von ihr und doch von der Welt, denn sie erzählt es gewiß in ganz Stuttgart, was ich da für Abgeschmacktes Zeug geschrieben. Ist es denn wirklich Ihr Ernst mit dem Meisterstück? Haben Sie es denn sonst Jemanden zu lesen gegeben, und hat man gesagt, das könne gefallen? Ich bin darüber in der größten Unruhe. – Der Kaulla ist freilich verheirathtet, und hat mehr Kinder als Verstand. Ich werde ihm kein Schreiben an Sie mitgeben, und Sie verliehren nichts dabei. – Ich habe recht gut verstanden, was S.2 mit dem „Königsauge“ hat sagen wollen, ich habe nur einigen Spas machen wollen. Aber Sie haben mich nicht verstanden, wenn Sie glauben, ich hätte Sie eine alte Frau genannt. Sie haben Ansehen, Liebenswürdigkeit, Verstand und Orthographie eines 18 jährigen Mädchens. Wenn ich beÿ einer alten Frau wohne, wird mir darum lebendiger Ihr Bild vorschweben als bei einer jungen, weil diese leztere, wegen der Aehnlichkeit mit Ihnen, leicht Ihr eignes Bild an die Stelle des Ihrigen setzen kann – so habe ich es gemeint. Das war ein schwehrer Satz! Lieber Gott, man muß sich helfen so gut man kann. – Die Neckerzeitung kann ich Ihnen jezt noch nicht schicken, denn ich brauche sie um meine Rechnung zu machen. Ich denke doch, daß Sie meine Miszellen aus der Harmonie zu lesen bekommen? Es thäte mir sehr leid wenn das nicht geschähe. – Noch zu keiner Zeit habe ich so wenig an Sie gedacht als im verflossenen Monate. Wenn Sie die Ursache errathen, gebe ich Ihnen einen Kuss. – Meine Wage sezt Ihre Zunge gewaltig in Bewegung; das ist natürlich, denn Sie sind die Zunge meiner Wage. Sie werden aber bestimmt noch toll darüber. Das wäre gerechte Widervergeltung, denn Sie haben mich auch toll

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Aloys Schmitt.

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gemacht. Was hilft alle das Reden! Geld ist die Hauptsache. Ich habe wieder so eine unwiderstehliche Lust zu reisen, daß es mir gelingen wird, wie immer in solchen äussersten Fällen, das Geld aufzutreiben, und bald erhalten Sie Briefe von den Alpen. Dabei habe ich mir fest vorgenommen, den ganzen Weg zu Fuß zu machen, und alles genau zu beschreiben – und noch etwas. Wo von lauen Frühlingswinden, niederschmelzen Gletschers Rinden, muß ich eine Mimli finden, mich mit Rosen anzubinden, sie mit Mÿrthen zu umwinden – eine Mimli muß ich finden, sollt’ ich suchen zum Erblinden . . . Winden, Rinden, finden, binden, winden, erblinden – ganz richtig. Dr. Börne, geb. Wage.

120. A n L udw i g Bö r n e i n S t u t tg a rt. [Frankfurt], den 4. März 1822. Nr 51 Den 4 Merz 1822i Warum haben Sie mir daß Wessentlichste meines vorigen Briefes nicht beantwortet? Die mögliche Ausführung mit der Frau Hofräthin Herz zusammenzuleben? Gegen Hamburg habe ich Abneigung. Mit einen von den Mädchen zu reisen habe ich nach reiflicher Ueberlegung gefunden, daß es nicht rathsam, wenn auch ausführbar wäre. Ausser des kostspieligen sind der Gründe noch viele die zu weitläufig und auch unnütz hier anzu führen sind. Die Herz lebt von einem gewissen Einkommen wie ich auch, wenn wir nun dieses Geld zusammenlegten, könnte möglicher Weise, da die Ausgaben durch unser Zusamenleben nicht sehr gesteigert würden, noch mehr Annehmlichkeiten durch die verdoppelte Summe für uns beide daraus erwachsen. Die Herz scheint mir in jeder Hinsicht die Frau zu sein mit der ich gerne zusammen wäre, sie ist klar, sicher, gutmüthig, und gewiß nicht kleinlich, ich kenne ihre jezigen häusliche Verhältnisse nicht, aber meinen Sie nicht auch, daß ein solcher Vorschlag auch für sie annehmbar wäre? Da sie doch wahrscheinlich ganz allein ist? Jezt im Frühlinge aber nach Berlin zu reisen, und den Sommer da zu verleben, dazu könnte ich mich unmöglich entschließen, das wäre auch offenbarer Unsinn. Vielleicht wäre es der i

Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Langenstraße, bei Frau Regierungsräthin Haselmeier in Stuttgart (Kuvert).

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Herz ebenfalls erwünscht den Sommer anderswo zu verleben, und wenn dies auf gemeinschaftliche Kosten unternommen würde, wäre es auch für sie ausführbarer, den Winter gieng ich dann mit ihr nach Berlin. Sie könnten auf diese Weise mit uns Reisen, und nach belieben wie es Ihre unstäte Natur erfordert kommen und gehen. Was halten Sie von diesem Vorschlage? Glauben Sie daß die Herz darin eingehen wird? Wissen Sie was mir ein Hindernis zu sein scheint – der Herz ihre große Anhänglichkeit an Schleiermacher. Übrigens weiß ich nicht wie sich das verhält. Sagen Sie mir in Ihrem nächsten Briefe ausführlich waß Sie von meiner Ansicht halten, wie es mit der Herz einzuleiten ist, denn ich möchte nicht gerne mehr verzögern. Sie schreiben also jezt noch gar nicht nach Berlin, bis Sie eine Antwort auf Ihrem nächsten Briefe von mir haben, und wenn Sie für’s ganze sind, schiken sie mir mit Ihrem nächsten, auch die Skitze eines Briefes den Sie der Herz in dieser Angelegenheit schreiben wollen, ich würde ihn, Ihnen dann mit den allenfalsigen Veränderungen wieder zuschiken. In jeden Fall aber können Sie ja Ihre Reise=Lust befriedigen. Sie bekommen nächstens f 100 von der Polizei, wenn Sie zu Fuße gehen und sparsam sind, können Sie wohl damit nach Aarau, oder sonst nach der Schweiz, und da können Sie ja überall wie Sie selbst sagen, eben so gut an Journale mitarbeiten, als in Stuttgart. Bis kommender Mittwoch den 6ten sind die Nachrichten hier die über das Lotterie Glück in Wien entscheidten1, ich habe 7 und eine halbe Nr wenn ich gewinne dann ist uns allen geholfen, [n]ehmlich – fürs reisen. – Der Ellisen2 ist ganz glücklich durch Ihre Briefe. Schöne Sachen habe ich daraus gehört! „von Toilette machen, zu der schönen Frau Pfeiffer eilen“ u.s.w. – – Schreiben Sie mir vernünftig und gesezt, ich bin neugierig auf Ihre Antwort. Jean Bien, oder Peter Sch: habe ich noch einmal gelesen, und kann nicht anders als wiederhohlen daß er mir sowohl als auch Reis und Eichenbergs3 sehr gut gefällt, es kömmt nun darauf an ob ihn Frau Huber unentstellt drucken läßt? Wenn daß Salz genomen wird, bleibt er freilich

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»Von der am 1. März a. c. in Wien statt findenden 2te Ziehung der Rothschildschen fl. 100 Loose, kann man das Schicksal der gezogenen Nummern von 6. März an […] mit Einsicht der Originalziehungslisten, zu billiger Nachschlaggebühr, bei Unterzeichnetem erfahren, wozu sich ergebenst empfiehlt Seligmann Flörsheim […].« (Frankfurter OberPost-Amts-Zeitung, Nr. 63 v. 4. März 1822.) Vgl. Br. 13. Philipp Wilhelm u. Anna Elisabeth Eichenberg (vgl. Br. 42).

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eine fade Speise. Deswegen hätte ich ihn auch ihren Händen nicht anvertraut, Sie kennen ja das aus Erfahrung. Ich ärgere mich unaufhörlich über Ihre unzeitige litterarische Schüchternheit, so haben Sie es immer gemacht – mit der Fastenpredigt4, mit Ihrer Mayii Einleitung, mit den besten Sachen. Warum schämen Sie sich nicht da wo Sie es Ursache hätten? Ihres Schweigens. Die Lesewelt hat nur einen, und gegründeten Tadel gegen Sie, Sie kennen ihn, und diesem sich zu entziehen thäte Noth, und – wäre würdig. Aber es scheint, als wenn Sie allen Verstand und Urtheil verlohren hätten, während Sie mich „toll!“ nennen. – – – Ihre Mutter ist den 1 März hier eingetroffen, ist sie durch Stuttgart gekommen, und haben Sie Ihren guten Vorsätzen gemäß „Geld ausgelockt“? Ihr Vater und Hr. v. R.5 sind wie ich höre nur einen halben Tag in Mayland geblieben. Ueber den hr. v. R. scheint also der wunderbare Anblick des Doms keine fesselnde Macht ausgeübt zu haben. ärgern Sie sich nicht, oder vielmehr trösten Sie sich, Sie sehen ja wie sich alles nach Ihren eigenen Worten „Compensirt“. Ich habe die Ehre mich Ihnen als I[h]r „Mittler“ zu empfehlen „thuts Noth“ wegen Geld? sagen Sie mir wenn’s Zeit ist, vielleicht kann ich Ihnen die f 100 von d. P.[olizei] früher oder auch sonst verschaffen. Heute Abend gehe ich ins Konzert. Gestern war ich über Offenbach nach Bornheim spazieren gefahren, und Samstag waren wir in Hausen, und zu Fuße, dies alles stößt besser Ihre Verläumdung um, als „Ihr schwehrer Satz“! Denn freilich bleibt es schwehr, selbst bei Ihrer Verschmiztheitiii, eine Grobheit in eine galanterie umzuwandeln, sie war aber auch darnach (die Galanterie) plump genug. nun das könnte ich Ihnen noch verzeihen, aber die Wage! – Wie gesagt ich sehe über meinen Reiseplan, einer vernünftigen, überlegten Antwort entgegen, übereilen Sie sich nicht damit, und wenn Sie Zeit dazu brauchen, so schikeniv Sie lieber Ihren Brief erst den folgenden Tag an mir ab. Sein Sie recht vergnügt und vernünftig. Adieu ich bin in der That neugierig wie es mit dieser meiner Reise n[och] werden wird. J. W. ii iii iv

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Oder Wag? Orig.: Vermitztheit. Orig. davor: antworten Sie. Ludwig Börne, Fastenpredigt über die Eifersucht (1818). Rothschild.

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121. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . Frankfurt, den 5. März 1822. Nr 52. Freitag 5 Merz 22i Von Proffessor Mekel1 ist gestern Antwort gekommen, unter andern Wissentschaftlichen=Geschäftsangelegenheiten folgenden Inhalts. „Deinen Brief habe ich meiner Frau geschikt. Ich denke daß für meine Frau und auch für die Dame (wenn sie so ist wie Du schreibst) durch die gemeinschaftliche Herreise und das hiesige beisamensein gut gesorgt sein wird. Für Wohnung in unserer Nähe will ich gewiß sorgen, ob mit uns, ist Sache meiner Frau, ich glaube nicht daß sie es mag, denn wir haben 2 Kinder und denken nur eine Magd zu halten, denn diese sind hier sehr kostspielig. Ich wohne jezt in einer Monathsweise mit guter Aufwartung zu vermiethenden Stube, ganz nahe bei unsern künftigen Logie; wahrscheinlich würde Deine Freundin diese Wohnung künftig gebrauchen können. Empfähl mich Deiner Frau (die mir ganz vorzüglich gefallen hat) und behalte lieb Deinen Freund. [ ? ] Eine Schwierigkeit fällt mir noch in Absicht der Herreise ein, indem im Wagen meiner Frau unmöglich Platz übrig sein kann, doch dies wird ja auch einzurichten seÿn.“ –– Das ist alles gerade nicht mehr und nicht weniger als ich erwartet habe, Aber ich war schon früher mehrii geneigt nach Baden zu gehen, und den Sommer da zu verleben, als nach Bern, und bin jezt ganz entschieden dafür. Nach Bern ist die Reise weiter und kostspieliger, wenn ich auch bei Mekels im Hause wohnen könnte wäre das auch nicht anziehend, voniii fremden Leuten in eingeschränkten häuslichen Verhältnissen abhängig zu sein, es bleibt also dabei ich gehe nach Baden sobald es die Jahrszeit und das Wetter erlaubt. Wer von den Mädchen mitgeht ist noch nicht entschieden, vielleicht die Jette2, oder wären Sie dafür daß ich Rosette3 dazu beredete? Antworten Sie mir darüber offen. Süschen4 oder Fannÿ5 geht wahrscheinlich gar nicht an. Ich bin noch zweifelhaft ob i ii iii

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Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (Kuvert). ÜdZ. ÜdZ. Vgl. Br. 104. Henriette Rindskopf (vgl. Br. 67). Vgl. Br. 31. Susette (Süßchen) Ochs. Fanny Ochs (vgl. Br. 1).

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es kostspieliger, oder oekonomischer ist die Lene auchiv mitzunehmen? Ich denke überhaupt von hier aus nicht gleich nach Baden zu gehn, sondern überall wo es mir gefällt, zum beispiel in Heidelberg, und an andern Ortenv einige Zeit zu bleiben, wo ich mir dann privatlogie miethen, speisen lassen könnte, und mich überhaupt häuslich einrichten könnte, wie zu hause, ich meine dies wäre dies recht angenehm und minder kostspielig (meinen Sie nicht auch?) in so fern wäre es besser, wenn ich die Lene mitnehme. (Finden Sie daß das angehet, und wie rathen Sie mir?) – Eben 12 Uhr erhalte ich Ihren artigen feinen Brief. Sie undankbarer Mensch! ist das recht, daß Sie so genau mit mir abrechnen? Doch ich will Sie nicht beschämen, und dem Zanken ein Ende machen. Wäre es nicht besser gewesen Sie hätten sich wegen Ihrem Aphorismen Büchlein an Cotta gewandt? Der hatte Ihnen wahrscheinlich mehr gegeben, wegen dem Gelde was Sie ihm noch schuldig wäre[n] ja wie Sie selber sagen dabei nicht in Anschlag gebracht worden. Doch ist 40 Karolin auch schon eine schöne Summe, sein Sie nur hübsch sparsam, damit Sie gehöriges Reisegeld haben, und den Sommer über sorgenfrei leben können. Doch müßen Sie auf Ihre Forderung wegen, Nachschuß bei Ihrem Buchhändler drauf bestehen. Wie steht es mit Ihrer Miszellen Arbeit?6 Sorgen Sie nur dafür daß Sie fortwährend, auch den Sommer über f 50 Monatlich erhalten. Ich denke den Sommer recht angenehm zu verleben, und – wir wollen einmal sehen was Sie zu meiner Zufriedenheit beitragen werden, wir fangen jezt wieder – – ganz von neuem an, und der Sommer 1822 soll die eigentliche Probezeit sein, und auch der Maasstab Ihrer Freundschaft zu mir in Beweisen, Ihrer Artigkeit, Gefälligkeit, Nachgiebigkeit, Gehorsams und –– Fleißes, denn fleißig müßen Sie sein das ist die Hauptsache, und schon nach den ersten paar Wochen unseres Wiedersehens muß ein Heft der Wage fertig sein. Sie sollen schon unter meiner Aufsicht hübsch nachholen, was Sie die lange Winterzeit verschlendert haben. – Schreiben Sie mir doch ausführlich darüber wie Sie mit Ihrem Buchhändler einig geworden, und wie viel Sie aus den Briefauszügen benutzen konten. Haben Sie an Stiefel7 nach Wiesbaden geschrieben? Dr Reis bekömmt nächstens die Blätter aus dem Lesekabinett. – Die veriv v

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ÜdZ. ÜdZ. Miszellen für die Neckar-Zeitung. Vgl. Br. 73.

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langte Tuch Adresse lautet „Amschel Kolp“8. Sie müßten sich das Verlangte auf dem Postwagen von ihm selber schiken lassen, also in Ihrem Briefe auch Ihre Adresse angeben. Ich meine Sie ließen das noch beruhen, es eilt ja nicht so sehr, Sie könnten also noch einige Wochen warten, es ist besser. Ich überschike Ihnen auch einige kleine Sätze aus dero höchst eigenen später eingetroffenen Briefen, zu beliebiger Benutzung. – „Ich habe schon so oft erfahren, daß man die Güter des Lebens zu einer Zeit erlangt, wo man sie nicht mehr brauchen kann; im Winter giebt einem das Schiksal Limonade, und im Sommer Punsch. – „Alles Unglück in der Welt kömmt daher, daß die Einen mehr Geld als Verstand, und die andern mehr Verstand als Geld haben – ich wollte sagen alle Unzufriedenheit“. – Der Mensch soll es besser machen als die Natur“. – – Nun meine Schuld ist es nicht, daß ich Ihnen so wenige Aphorismen, und so wenig geistreiches schike, Sie waren in den lezteren Briefen recht dumm, das kömmt alles von Ihrer boshaften Rachsucht. Bessern Sie sich, hierin wie in allem übrigen, und antworten Sie mir recht ausführlich auf alle meine Fragen. Ich freue mich sehr auf meiner baldigen Wanderung, und auch darauf nicht minder, Sie wiederzusehen, aber besser müßen Sie werden, und artiger, und fleißiger, beherzigen Sie das mein Freund! – J. W.

122. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 6. März 1822. Nr. 52. Stuttgart den 6 Merz 1822.i Liebe junge Frau! Ich glaube, der Teufel verzeiht es eher, wenn man ihn einen ehrlichen Mann, als selbst ein Engel von Weib, wenn man es eine alte Frau nennt. Von diesem Anfalle von Grobheit werde ich mich nur schwehr erholen, das fühle ich. Es wird nichts Anderes übrig bleiben, als daß ich nach Frankfurt

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Gemeint ist die Tuchwarenhandlung von Amschel Nathan Kolb (1756–1831).

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eile, und zu Ihren Füßen meine Verzeihung erflehe. Darf ich das, liebe junge Frau? Aber Sie können auch unhöflich seÿn, und rauh – wie die Schaale einer Ananas. Was einem Frauenzimmer Schönheit und Jugend, das ist einem Manne der Verstand. Was berechtigt Sie mich für so dumm zu halten, daß Sie glauben, ich brauche zwei Tage, einen vernünftigen Brief zu schreiben? Und das müssen Sie doch wohl glauben, weil Sie mir schrieben, ich solle mich mit der Antwort nicht übereilen. Sie haben den herzhaften Entschluß gefasst, nach Berlin zu gehen – hier folgt meine herzliche Meinung. (Das soll Witz seÿn!) Die Herz ist zwar ganz wie sie Ihnen scheint: klar, fest, sicher, einfach, gutmüthig, verständig, aber sie ist noch mehr, und dieses Mehr, wird Ihnen nicht zusagen. Sie ist eine Frau der Welt, nicht blos im Genitiven, sondern auch im Dativen Sinne. Solche Frauen kennen Sie nur aus Büchern, und wenn Sie sie auch verurtheilten, mochten Sie sich doch begnügt haben, über ihre Zwanglosigkeit zu lächlen. Denn in Büchern verliehren die Charaktere, seien sie auch mit der größten Treue gezeichnet, ihre häßlichen Züge – als eine schöne Folge der Kunst, wie auch an den getroffensten Bildnissen, keine Pockennarben erscheinen. Träten Sie aber den Urbildern nahe, würden Sie Ihre holde Natur nicht bezwingen können, und Sie würden sich unbehaglich fühlen. Wäre die Herz noch jung wie Sie (sehr fein) würden Sie sich, trotz dem Angedeuteten mit ihr befreunden können; denn sie hat unendlich viel Anstand, und die Jugend, weil sie Zeit hat, hat auch Geduld, und sie vermag es über sich, die Stunde des Geheimnisses abzuwarten. Aber die Herz steht jezt in den Jahren, wo man die Gelegenheit nicht mehr nachzieht, sondern, wo man ihr folgt, wo man keine Zeit mehr zu verliehren hat – und warum sollte sie sich, so ein unerfahrenes Ausrufungszeichen wie Sie in den Weg stellen? Wie sie Ihnen eine zu leichte, so wären Sie ihr eine zu lästige Gesellschafterin. Sie kann das Bedürfnis einer häuslichen Freundschaft nicht haben, denn sie hat eine so unzählige Menge von wahren Freunden, daß sie ihr Haus nicht fassen kann. Im Sommer könnten Sie am wenigsten mit ihr zusammen seÿn, denn da ist sie nie in Berlin, sondern lebt in irgend einer Gegend bei guten Freunden (gewöhnlich auf der Insel Rügen), wohin sie doch wahrscheinlich keine Gäste mitbringen kann. Ist es denn gar nicht zu machen, daß Sie auf ’s Grathe (grade) Wohl nach Berlin reisten, dort würde sich sehr bald ein Haus für Sie finden. Die Varnhagen1 z. B. könnte sich

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Vgl. Br. 14 .

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dazu entschließen Sie aufzunehmen, aber natürlich müsste sie Sie erst kennen lernen. Guter Gott, was werden Sie nur machen? Ich bin ganz in Verzweiflung. Freilich wäre es Ihnen zu kostspielig, eines der Mädchen mit zu nehmen. Aber die Jette, oder Jettchen Worms?2 Wenn Sie den Eltern vorstellten, in der Fremde machten sich leichter Bekanntschaften, die zu einer Heirath führten? […]ii, das mit, würde W.3 oder R.4 bestimmen, Ihnen die Tochter zur Gesellschafterin zu geben. Sie könnten dann hierher (wenn meine Gegenwart hindert, würde ich Stuttgart auf einige Zeit verlassen) oder nach der Schweiz, oder nach Carlsruhe, welches ein sehr angenehmer Aufenthalt ist. Robert5 daselbst steht im Begriffe zu heirathen. Seine Brautiii ist eine geschiedene Ehefrau die mit ihrem vorigen Manne unglücklich gelebt. […]iv Karlsruhe ist nur eine Tagereise von hier. Ueberlegen Sie. Der April ist bald da, und dann folgt der Mai, […]v – Ihre thörigste Hoffnungen von der Wiener Lotterie machen mir den größten Kummer. Heute ist der Tag der sie vereitelt, und Sie haben sicher Verdruß darüber. Aber gewiß schreiben Sie mir gleich, wenn Sie ja gewonnen haben sollten, und dann habe ich übermorgen einen Brief von Ihnen. – Mit den 100 Gulden die ich erwarte, werde ich mich hüten eine Reise zu unternehmen, die reichten nicht hin. Uebrigens brauche ich sie hier. Ich habe aber einen andern Plan, und die Faulheit selbst kann ihn ausführen. Ich will nehmlich aus meinen Aphorismen in der Neckerzeitung, in der Wage, in den Zeitschwingen und wo sonst welche stehen, ein Bändchen machen, und dieses, mit neuen vermehrt (ich mache solche Sachen schnell) als ein Taschenbuch herausgeben. Ich will heute noch mit einem Buchhändler sprechen. Das bringt mir vielleich[t] Geld ein Beifall gewiß. Einzeln wie sie erschienen, und ohne meinen Namen, entgingen sie der Aufmerksamkeit, in einer Sammlung würden sie gewiß gefallen. Dazu brauche ich nun wieder Ihre Hülfe, aber ich habe kaum den Muth Ihnen meine sieben Bitten vorzutragen. Sie werden denken: wieder vergebene Mühe, es wird so wenig daraus, ii iii iv v

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Geschw. Passage. ÜdZ, Orig.: Frau. Geschw. Passage. Geschw. Passage. Vgl. Br. 26. Benedikt Worms. Rindskopf. Vgl. Br. 39.

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als aus dem frühern Almanach. Mir sind nöthig. 1. Ein vollständiges Exemplar der Wage, welches Sie von meinem Bruder können holen lassen. 2. Die Zeitschwingen; aber diese woher? Denn Ihr eignes Expl. mit der Dedication dürfen Sie sich durchaus nicht entäussern. 3. Haben Sie wahrscheinlich noch allerlei geschriebene Kleinigkeiten, woraus sich Aphorismen bilden lassen. Wären Sie wohl so unaussprechlich gütig, meine Briefe (mit Ausnahme der Rheinischen u. der aus Paris die ich schon besitze) durchzulesen, und auszuziehen, was als Sentenz u. s. w. für sich bestehen kann? Wenn es auch nur eine Andeutung ist, ich kann das ausführen: Was sagen Sie zu diesem Merzplänchen? Finde ich einen Verleger, dann lasse ich gleich zu drucken anfangen. – Die 100 Gulden, mein Schatz, (das sind Sie, auch im Ursprünglichem Sinne des Wortes) schicken Sie mir so bald wie möglich. Ich lege die Quittung bei. Mit meinen Neckarleuten bin ich sehr zufrieden. Denn ob ich zwar gemeint war, für 50 fl. monatlich einen ganzen Bogen zu schreiben, so waren sie doch so liberal, mein eingeschicktes Manusscript im verflossenen Monate nicht aufzubrauchen, sondern nur etwa 2/3 Bogen drucken zu lassen, und dafür haben sie mir so eben 50 fl. geschickt, welche ich mit großem Vergnügen betrachte, denn mein Vermögen war diesen Morgen 8 Uhr bis zu 1 fl. 11 kr. herabgeschmolzen. Folgen meiner Wohlthätigkeit gegen Wittwen und Waisen! Jezt sagen Sie aber noch einmal, daß ich faul wäre! Ich habe in weniger als 7 Monaten 75 Gulden verdient. Diesen Mittag will ich aber recht saufen. Adieu, liebe junge Frau. Liebe mich, wie ich Dich. Dr. Börne, geb. Wage. Beinahe hätte ich geb. Wohl unter der Quittung geschrieben.

123. An L udw i g Bö r n e i n S t u t tg a rt. Frankfurt, den 9. März 1822. Nr 52 Samstag 9 Merz 22i Nichts habe ich gewonnen! und daran sind Sie mit Ihren bösen Prophezeiungen schuld. Aber sein Sie doch nicht so kindisch zu glauben, daß mir das Verdruß macht, das sind nur immer Spielereien die schon vergesi

Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Langenstraße, bei Frau Regierungsräthin Haselmeier in Stuttgart (Kuvert).

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sen ehe sie entschieden sind. Gewonnen hat diesmal Moritz Getz und sein Bruder1 f 142 000. Daniel Bonn2 christlicher reicher Kaufmann f 72 000. Wolf Wertheim3 f 30 000 und f 15 000. Die 72 000 hat Sp[eier] auf der Zeil das Loos davon in Händen gehabt, er wollte es durchaus nicht verkaufen, aber sein Bruder Schadeii hat es ihm mit Gewalt aus der Hand genommen, und mit mehreren andern verkauft. Was wird die Frau Speier Aerger haben! – Jezt stehen Sie auf mein lieber Herr von Ihrem Fusf[e]lle, es soll Ihnen gänzlich verziehen sein, Sie dürfen nicht etwa deswegen erst nach Ffurt kommen. . – Ueber die Herz? Ich bin ganz verwundert! Wenn ich Sie recht verstanden, so wäreiii sie eine Frau der französischen Memoiren, wie eine Epinai4 und mehrere. Ich glaubte dieser Reise Vorschlag würde Ihren völligen Beifall haben, also auch nicht zur Herz! – Wer weiß ob Sie recht haben, ich traue Ihrem Urtheil nicht ganz. Da Sie über gewisse Dinge keinen Tadel kennen, so setzen Sie sie auch zu leicht voraus. Auch scheinen Sie übersehen zu haben, daß ich den Sommer nicht nach Berlin wollte, und daß, waß ich noch glaube, die Herz den Vorschlag, nächsten Sommer eine Reise auf gemeinschaftliche Kosten zu machen, eingegangen wäre. Denn, den Winter in Berlin zu leben, hätte sie mich am besten an ein Haus empfehlen können, wenn sie mich als ein lästiges Ausrufungszeichen nicht bei sich behalten wollen: Nach G.5 Anfragen bei S.6 was die Herz denn eigentlich über Sie und mir gesprochen, war der ausführliche Bericht „daß sie sich gewaltig verwundert habe –– daß wir unsiv noch nicht geheirathet hätten, und warum noch nicht? Daß sie viel, ausserordentlich von Ihnen halte, daß sie mit Anbetung von mir sprä-

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O. Schode? ÜdZ, Orig.: ist. ÜdZ. Moritz Löb Getz (vgl. Br. 77) u. dessen Bruder Getz Löb Getz (1792–1859), Frankfurter Bankiers u. Wechselmakler. Johann Daniel Bonn, Frankfurter Spezerei- u. Farbwarenhändler. Vgl. Br. 26. Madame Luise d’Épinay (1726–1783), frz. Schriftstellerin (1774: Les conversations d’ Émilie). Guste (Auguste Wohl). Aloys Schmitt.

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che, und die gute Aufnahme nie vergessen werde die sie bei mir gefunden“.7 (Ob alle das wörtlich wahr – – – ?) Aber Sie sind so ganz thörigt mit Ihrer Verzweiflung wegen meinem Wegreisen, das wird sich alles schon machen, sein Sie nur ruhig. – Sagen Sie mir nur wie wollen Sie sich unterstehen etwas anders drucken zu lassenv bevor Sie wenigstens ein Heft der Wage herausgegeben? Sie werden sich dadurch wahrhaft beschimpfen, und allgemeinen gerechten Tadel zuziehen. Ich habe Sie schon früher einmal gefragt, wo sie die Arbeiten denn gelassen die sie im September vorigen Jahr’s für die Wage bestimmt hattenvi „Mehrere meiner eng geschriebenen Bogen, ich schike sie gleich nach Tübingen“. –? Sie haben mir das nicht beantwortet, wo ist denn das alle geblieben? Ich wiederhohle Ihnen Sie können nichts eher drucken lassen bis ein Wagheft vorhergegangen, Sie sollten nur das vielen Nachfragen, und raisonniren darüber hören. Nehmen Sie dochvii die Rheinbriefe dazu, in dieser Jahreszeit besonders werden sie gewiß gut aufgenommen, Sie brauchen weder viel Zeit noch Mühe darauf zu verwenden, fügen Sie nicht einmal etwas hinzu, ergänzen Sie nur verbindent wo Stellen ausgeblieben, lassen Sie nur alles so drucken wie ich es Ihnen Auszugsweise zugeschikt, alles waß Sie haben, machen Sie etwa über das Mangelhafte eine passende kleine Vorrede dazu, und ich bin überzeugt daß Sie den größten Beifall davon ärndten, Sie sind dann frei, und meiner Quälereien überhoben, und daß Sie mich ganz glücklich dadurch machen gilt Ihnen nichts? ! – Dürfen Sie denn schon einmal gedruckte und verkaufte Sachen, noch einmal verkaufen? […]viii Beantworten Sie mir diese Frage, ob Sie das dürfen rechtlicher Weise? Erst sagen Sie mir die Wage zu (schämen Sie sich!) Dann schike ich Ihnen Nr 1 die Wage. Nr 2 die Zeitschwingen, die sind mir ja unverlohren, wenn Sie sie benutzt erhalte ich sie wieder. Nr 3 alles waß aus Ihren Briefen benutzt werden kann. Ich mache heute schon damit den Anfang, ich glaube daß ein Auszug aus diesen 52 Briefen nicht unbedeutend sein wird. Ihr Stiefel8 war gestern bei mir, ich sagte ihm daß Sie zu diesem Unternehmen aufgefordert v vi vii viii

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Orig. danach: als der Wage. Orig. davor: gearbeitet haben. ÜdZ. Geschw. Passage. Im Jahre 1819 hielt sich Henriette Herz auf ihrer Rückreise von Italien nach Berlin bei JW in Frankfurt auf. Vgl. Br. 73.

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wären, er versprach mir alles was er von Ihnen gedruckt (wie das Journal9) und geschrieben besitze, mir zu zu schiken, ich werde es mit dem übrigen schiken. – – Nach herkömmlicher Weise „das beste kömmt zulezt“. Also ich wünsche Glück zu Ihrem neugekauften prächtigen Hause, das so viele Leute als gäste aufnemen kann, und auch – zu Ihrer baldigen Vermählung, die noch geheim gehalten werden soll – nun Sie nehmen das nicht übel daß ein guter Freund mir dies im Vertrauen mitgetheilt. Aber waß mich mehr als alles angeführte in Erstaunen gesezt, war die Versicherung des Hrn Kaula, daß Sie sehr fleißig wären, waß habe ich über das alle bei Dr Gold:10 gelacht. Der Samuel11 kömmt eben, und will zu schreiben anfangen, ich hätte auch ohnedies für heute nichts mehr zu sagen gewußt. als einen herzlichen Wunsch für Ihren fortdauernden Fleiß. Adieu Ich habe den Kaula nicht selber gesprochen und kenne ihn also auch nicht. J. W.

124. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 11. März 1822. Nr. 53. Stuttgart den 11 Merz. 1822.i Da hören Sie nun selbst – auch die Herz wundert sich, daß wir uns noch nicht geheiratet. Wer wundert sich nicht? Der Hof, die Stadt, ganz Deutschland wundert sich, und so weit mein Name reicht, reicht auch die Lästerung. Denn Sie haben mich, um meinen guten Ruf gebracht, die besten Heirathen habe ich Ihrentwegen ausgeschlagen, und jezt verhöhnt man mich, daß Sie mich haben sitzen lassen. Aber sobald der Frühling kömmt, gehe ich an den Unkenteich und begrabe meine Leiden dann werden nur noch Frösche dieses betrogene Herz zernagen. O, Ihr armen, i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Stiefel war 1814 Redakteur des Frankfurter Journals, in dem u. a. Bs Aufsatz Was wir wollen abgedruckt wurde. Goldschmidt. Samuel Ochs.

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schwachen Geschöpfe, flieht die Schmeichlei, lasst euch mein Unglück zur Warnung dienen! . . Genug geweint, jezt von Geschäften. Sagen Sie doch dem Moritz Getz,1 und den übrigen Schlingels, die Geld gewonnen, sie sollten mir etwas davon leihen. Die Ziffer sind etwas undeutlich, hat der Getz 142 000 fl. gewonnen? Und Sie sind leer ausgegangen? Ach, welch eine Welt! Aber es muß anders werden. Liebes Kind, es ist nicht so, wie Sie meÿnen. Die Herz würde den Vorschlag mit Ihnen diesen Sommer zu reisen, nicht annehmen. Ich habe Ihnen ja den Grund schon gesagt. Da die Herz den schönsten Theil der Welt schon gesehen hat, so kann sie diejenige Reiselust nicht mehr haben, die aus Neugierde entspringt. Auch eine weitere Reise im Sommer, würde sie nur als eine Landpartie wünschen, und, wie bemerkt, hat sie überall in Deutschland Freunde, wo sie unentgeldlich aufgenommen wird, und daher keine Gäste mitnehmen kann. Da nun dieser Ihr Plan unausführbar ist, bin ich allerdings besorgt, was mit Ihnen werden wird. Ihr widerholter Spruch: „Das wird sich alle schon machen“, beruhigt mich nicht. Ich fürchte nicht die äussern Hindernisse, sondern die in Ihnen. Ich kenne Sie. Sie werden sich nur mit Schmerz von der G.2 losreisen, und kommen nun noch einige äussern Hindernisse, die nicht fehlen werden, dazu, so lassen Sie sich von Ihrem Herzen überreden, in Frankfurt zu bleiben. Sie haben ja nur noch einige Wochen Zeit, über Ihren Entschluß also und die Art seiner Ausführung müssten Sie jezt schon im Reinen seÿn. Warum erklären Sie sich nicht deutlich gegen mich? Warum weichen Sie immer aus? Schreiben Sie mir doch in Ihrem nächsten Briefe ausführlich darüber, ob Sie, wenn sich nicht besseres findet, nach Hamburg gehen wollen, und mit wem, und wie Sie Ihre Einrichtung treffen werden. – Wenn ich auch den Almanach unternehme, so würde doch die Wage früher erscheinen können, denn bis der Almanach gedruckt ist, darüber mögen 4–6 Monate verfließen. Ihr eignes Exemplar der Zeitschwingenii sollen Sie mir auf keine Weise schicken, denn allerdings ginge es zu Grunde, wenn ich es zu genanntem Zwecke benutzen wolle. Ist es Ihnen nicht möglich ein anderes Expl. zu bekommen, so lassen Sie anliegendes Zettelchen Hrn. Willmanns3 bringen. Der darf aber natürlich nicht ii

Orig. davor: Wage.

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Vgl. Br. 77. Guste (Auguste Wohl). Vgl. Br. 80.

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wissen wozu ich es brauche. Uebrigens bin ich allerdings berechtigt, zerstreute kleine Sätze zu sammeln, denn das schadet Keinem. – Der Esskünstler ist jezt im Morgenbl. abgedruckt.4 Meinen Bekannten hier gefällt es sehr. Einige Reden werden sprichwörtlich. Einige hiesige Esskünstler werden geneckt, ich hätte sie kopirt, ob ich zwar, wie Sie wissen, einen fremden Reisenden vor Augen hatte. Sagen Sie mir, was man in Frankfurt davon urtheilt. – Von meiner Schwester in München habe ich gestern einen Brief erhalten. Sie meldet mir: einer des Judenvorstandes habe zu ihr geschickt, und sie fragen lassen, wo ich mich jezt aufhalte, und ob ich wohl geneigt wäre, auf einige Zeit nach München zu kommen, um die jüdischen Angelegenheiten dort zu betreiben? Sie habe geantwortet: sie wisse nicht, ob mir das meine Geschäfte erlaubten, doch würde ich auf keine Weise kommen, wenn ich nicht vorher wüßte was ich zur Bezahlung erhielte. Und da meint sie, wenn man mir schriebe, sollte ich nicht weniger als 2000 fl. fordern! Aber die Herrn werden sich wohl bedacht haben, denn sie haben mir bis jezt nicht geschrieben. – Gestern habe ich mir einen Zettel genommen, zu einem Schimmelchen, das ausgespielt wird. Es ist nicht größer als ich. Zugleicher Zeit habe ich zwei Loose zu einer Damen=Uhr mit goldner Kette gekauft, die auch ausgespielt wird. Wenn das Schicksal nur ein wenig Humor hat, läßt es mich das Pferdchen und das Ührchen gewinnen, und dann setze ich mich auf das Pferdchen, und reite nach Frankfurt, und bringe meinem Liebchen das Uehrchen. Wie schön wäre das! Wenn Sie nur schon einmal abgereist wären. Denn das mögen Sie erwarten – aus dem ersten grünen Wald an Ihrem Wege, springt ein Räuber hervor, öffnet den Schlag, und ruft: ein Kuss oder das Leben! Und dieser Räuber werde ich seÿn. – Von Dr. Weil5 habe ich einen poetischen Brief erhalten, mit Complimenten wegen meiner Miszellen in der Neckerzeitung. Er schreibt mir: es thäte einem Leser wohl, in den wüsten Steppen der politischen Blätter, unvermuthet auf blühende Oase zu stoßen. Ich will Schawes6 daraus machen! – Meine Mutter war nicht hier, und aus meinem Prell-Plänchen ist nichts geworden. Ist mein Vater auch nur einen halben Tag in Mailand geblieben, und warum so kurz? – Warum schreiben Sie mir kein Wörtchen von Ochs? Wird dort nicht mehr an mich gedacht? – Mein Zuckerpüpp4

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Morgenblatt für gebildete Stände, Nrn. 58, 59, 61 u. 62 v. 8., 9., 12. u. 13. März 1822. Vgl. Br. 40. Jidd. Feiertag.

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chen, mein Engel, haben Sie denn gar keine Sehnsucht nach mir? Könnten wir denn nicht in Heidelberg zusammentreffen? Würde Sie Ihre Schwester nicht auf eine solche Reise begleiten? – Es will mir gar nicht in den Kopf hienein, daß Sie wirklich fest entschlossen seyn sollten von Frankfurt wegzugehen, und dennoch immer noch nicht wissen, wohin und auf welche Art. Wenn Frauenzimmer eine Lustreise wenige Meilen weit vorhaben, werden Monate vorher die Zubereitungen gemacht, und Sie wollen eine weite Reise machen, und haben noch nichts eingerichtet, ob Ihnen zwar nur noch einige Wochen bleiben? Ich traue der Festigkeit Ihres Vorsatzes nicht. Die Messe beginnt ja schon in 14 Tagen. Wenn Sie nach Hamburg wollen, müsste Sie ja von dort einer abholen. Haben Sie auf das was ich von Jettchen Worms7 gesagt, kein Gewicht gelegt? Schreiben Sie mir ja nächstens alle Ihre wechselnden Gedanken, damit ich ruhig werde. […]iii Wären Sie nur erst in frischer Luft, dann käme Ihnen auch frischer Muth. – Grüßen Sie Ihre Schwester, Ihren Schwager und den Wilhelm herzlich von mir8, und sage Sie, ich wette immer noch auf Krieg9. Seit 8 Tagen lasse ich mir einen Schnurrbart wachsen, er ist schon ziemlich weit, und gräulich anzusehen. Ich werde meine Räuberrolle zum Erschrecken spielen B. g. W.

125. An L udw i g Bö r n e i n S t u t tg a rt. Frankfurt, den 14. März 1822. Nr 53 Donnerstag 14 Merz 22i Ich habe Ihnen ja schon oft ganz entschieden gesagt, daß ich in jeden Fall von hier weggehe. Also darüber können Sie ruhig sein. Vorbereitungen habe ich keine zu treffen, und bin zu jeder Zeit Reisefertig, denn was an iii

Geschw. Passage.

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Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Langenstraße, bei Frau Regierungsräthin Haselmeier in Stuttgart (Kuvert).

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Vgl. Br. 26. Wilhelm Schnapper (vgl. Br. 2). B bezieht sich vermutlich auf den griechischen Unabhängigkeitskrieg gegen das Osmanische Reich.

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meiner Garderobe unvollständig kann ich mir allenthalben anschaffen, damit werde ich mich hier in keinem Falle Beschäftigen, der S.1 mag nun kommen oder wegbleiben, ich gehe in jeden Falle, oder er müßte sich verbindlich machen wollen, so lange der Onkel am Leben nicht nach Ffurt zu kommen, unter dieser Bedingung wäre es Pflicht von mir zu bleiben, aber ich zweifle stark daß er diesen Vorschlag eingehen wird, also – ich gehe – weil ich es unter diesen Verhältnissen ebenfals als nothwendig recht und – Pflichtmäßig halte. – Nicht wahr, das war eine zum einschlafen langweilige Predigt für Sie? in der Abneigung die ich gegen Hamburg, besonders in dieser Jahrs zeit hatte, haben Sie michxii durch einen frühern Brief noch mehr bestärkt. Indessen da ich fort muß, so werde ich hingehen wenn bis ende April keine andere Gelegenheit sich findet. Hirsch der bei I. Sichel2 war und jezt in Hamburg etablirt ist, ist schon seit einiger Zeit hier, er geht gegen ende der hiesigen Messe, nach Hamburg zurück, ich habe schon dafür gesorgt daß ich ihn nächster Tage spräche, um mir die Gelegenheit mit ihm zu reisen zu sichern, im Falle ich sie benutzen will. Steinthals schreibe ich früher kein Wort davon, ich habe ja die gewißeste Ueberzeugung daß ich ihnen Willkommen bin, und durch das viele hin und her reden und Schreiben, würde mein Vorhaben eher vereitelt als befördert, ich weiß das aus Erfahrung. Von mancher Seite hätte der Auffenthalt in Hamburg viel Angenehmes für mich, die häuslichen Verhältnisse bei Steinthals sind sehr angenehm, sie wohnen jezt bequem, haben einen kleinen Garten beim Hause, wenn die Reise auch kostspielig, so hätte ich doch vorder hand dort keine Ausgaben, und bliebe ich lange dort, so könnte ichiii ja meinen Einkünften gemäs mit Steinthals Absprache nehmen. Sie, könnten hinkommen so bald Sie wollten, da ich mich bei Steinthals wie bei meinen Aeltern, wie bei meinen Geschwistern, oder gar wie zu hause betrachtete. – Aber, die Lüneburger Heide! Der Frühling, und Hamburg! Da mir nun wie gesagt dieser Ausweg unverrückt bleibt, so werde ich in der Zwischenzeit doch nicht müßig bleiben, und mich viel umhören, ob sich sonst irgendwo etwas schikliches finden ließe. Vielleicht kommen auch Mekels in der Zwischenzeit hier durch, die Mekel reißt mit ihrem Vater der Proffessor der ii iii

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FN aoR: x durch einen frühern Brief. ÜdZ. Aloys Schmitt. Isaak Sichel, Wollhändler.

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Rechte in Halle ist Gutke3 kennen Sie ihn? Vielleicht bringe ich auch Stiebel dazu daß er dem Mekel schreibt. Ich habe sonst noch allerlei Anschläge, die aber schwehrlich ein Resultat bringen werden. So habe ich Reis den Auftrag gegeben mit Frau Eichenberg4 und Lindheimer zu sprechen, leztere ist eine geborne Schweizerin, reißt noch oft dahin, und ist eine genaue Freundin von Eichenbergs. Mit meinem Schwager Stern5 werde ich ebenfalls heute noch sprechen, ob er nicht seiner Schwester der Frau v. Rothschild6 in dieser Angelegenheit schreiben könne, wo die mich hin empfähle wäre ich gewiß gut aufgehoben, auch hat Stern viele bekante Christliche Häuser am Rhein. Auch mit Dr Goldschmidt7 werde ich darüber reden, seine Frau hat in der ganzen Welt verwandte und Bekannte, und auch Benzel-sternaus erwähnen. Bei alle dem ist es ein Glück, daß kein gescheidter Mensch diesen Brief zu lesen bekömmt, für Sie ist nichts toll genug. Ein jeder andere würde fragen, wer er ist denn diese wichtige Person mit ihrer wichtigen Reise, die die ganze Welt dafür in Bewegung setzen will ? ! Jezt aber sollen Sie mit thätigen Antheil an meine Narrenpläne nehmen. Erstens erkundigen Sie sich in Stuttgart ob in Baden Baden wolfeilleben ist, wer vielleicht von Ihren dortigen Bekanten hingeht, ob sich vielleicht da etwas ausführen ließe. etc. etc.iv Dann, schreiben Sie – der Herz!!? Aber ohngefähr folgendes. „Das ich wünschte auf einige Zeit von hier wegzugehen, daß ich Sie darum ersucht hätte bei ihr anzufragen, da die Zahl ihrer Bekannte und Freunde so ausgebreitet wäre, ob sie mich nicht an einer Familie empfehlen könnte, wo ich auf einige Zeit als ein Glied derselben aufgenommen würde, bei der ich aber auch im eigentlichsten Sinne des Worts vergnügt leben könnte. Sie kennen ihr sagen wie viel ich armer Schlucker jährlich zu verzehren habe, (f 1000) auch müßte es in einer schönen Gegendv sein. Und auch das noch, daß wenn S.8 noch in Berlin sein sollte, sie iv v

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ÜdZ. Orig. danach: Deutschlands. Hier liegt eine Verwechslung vor: Friedrich Wilhelm Ferdinand Gutike (1792– 1868) war Mediziner u. mit Pauline Meckel (1790–1825), der Schwester v. Albrecht A. Meckel, verheiratet (vgl. Br. 126). Der Vater v. Meckels Frau Luise Johanna, Friedrich August Schmelzer (1759–1842), war Prof. der Rechte in Halle. Anna Elisabeth Eichenberg, Frau v. Philipp W. Eichenberg (vgl. Br. 42). Jakob Samuel Hayum Stern (1780–1833), Handelsmann, verh. mit Theresia Wohl. Karoline Stern (1782–1854), 1800 verh. mit Salomon Mayer v. Rothschild (vgl. Br. 12). Vgl. Br. 10.

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nichts davon gegen ihn äußern solle. Nun, sind Sie zufrieden mit Ihrer tollen Prinzessin? Und waß einem vernünftigen Menschen noch das Verrückteste scheinen muß, ist – daß alles dies mein Ernst ist. – – Sie wollen immer ich soll ausführlich sein und Sie sind doch die Verworrenheit selbst: haben Sie mir nicht in Ihrem vorlezten gesagt, daß wenn sich ein Verleger fände Sie gleich zu drucken anfangen ließen? Jezt sagen Sie mir nicht ob Sie mit einem Buchhändler darüber einig geworden, und auch könne dies noch 6 Monat dauern, ich Narr setzte mich gleich mit dem Abschreiben aufs eifrigste in Bewegung. Jezt weiß ich nicht, soll ich es unterlassen, oder fortfahren. Das ist ein großer Trost daß die Wage früher kömmt als der Almanach, wenn dieser erst in 6 Monate erscheint, also wahrscheinlich in 5 und 3/4 Monat, der Allmächtige verlieh mir Geduld, Sie machens aber auch gar zu arg. Geschworen sei es aber, daß wenn Sie sich nicht bessern, ich mich räche, ich reise dann irgendwohin wo Sie mich gewiß nie auffinden sollen. Ihrem ungefälligen Betragen nach zu urtheilen wäre das freilichvi eher eine Belohnung als eine Strafe für Sie. Ihr Eßkünstler gefällt allgemein hier, wer hat immer recht?! Wenn Sie vortheilhafte Anträge von München aus gemacht bekommen so vernachläßigen Sie sie ja nicht besonders wegen meiner Reise, und wegen Reisen überhaupt lassen Sie sich davon nichtvii abhalten, denken Sie wenn Sie eine bedeutende Summe bekömmen das könnten Sie gut brauchen, Sie könnten dann auch zur Erhohlung nach dem Salzburgischen. Vernachläßigen Sie ja nichts hierin. – Was habe ich über Ihrem Schimmelchen, und Ihr Uehrchen gelacht! Sie sind ja gewaltig Naiv. Dieser Tage sagte eine Demoiselle O[tt]enheim bei meiner Schwester Schnapper (ich war nicht zugegen) der Her. Dr Börne gienge in allen Gesellschaften, auf den redouten, im Theater, spazieren, aber – er wäre dennoch sehr fleißig. „Wer hat ihnen das leztere von ihm gesagt?“ er selbst. Sie selbst also rühmen sich betriebsammen Fleißes? Nun dem Sprichworte nach thun Sie ganz wohl daran. – f 142 000 haben die Hrn wirklich gewonnen, scheinen aber nicht sehr geneigt zu sein viel davon zu verschenken. Worms9 ist heute von hier ab nach Lyon gereißt, in vierzehen Tage ist er schon wieder hier, er geht über Strasburg, ich habe zu fragen vergessen ob er über Stuttgart vi vii

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Orig. davor: vielleicht ehe. ÜdZ. Aloys Schmitt. Vgl. Br. 178. – Orig. danach: (Ochs).

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kömmt, in vier Tage ist er in Lion, wie schnell man jezt reisen kann. Bei Ochs wird immer Ihrer gedacht, sie lassen Sie recht herzlich grüßen, am meisten noch vermißt Sie Louis10, und die Mutter11, alles ist entzückt von Ihre Briefe, die ich zuweilen dort lesen lasse; (zwar selten) Vergangenen Sontag war es zum erstenmal den ganzen Winter etwas lebhaft bei mir. Der kleine Hiller12 spielte, es ist wahrhaft rührend mit welcher Festigkeit,viii mit welchem Ausdruck dieses Kind Grandiose Sachen vorträgt, die Guste, der Sigmund Stern13, der Reis alles spielte, und ich, habe auch mein Scherflein beigetragen mit meinem verlernten Gesange. Auch eine Fräulein von Hammerstein14 des Hannövrischen Gesandten Tochter, unsre nächste Nachbarin, ließ sich von der Röschen bei mir einführen, denken Sie wie der Zeitgeist auch auf uns gemeine Bürgersleute eingewirkt hat, ich habe mir kein bischen Ehre daraus gemacht, und war noch vergnügter als sie weg war. Schnappersix grüßen ebenfalls. Wann kömmt die Wage? Adieu J. W. kennen Sie den blauen Sand? Der hat viel geld gekostet.

126. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 16. März 1822. Nr. 54. Stuttgart d. 16 Merz. 1822.i Das war einmal ein vernünftiger Brief! Und was mich ganz glücklich gemacht hat, ist, daß ich zu Ihnen kommen darf, sobald ich will. Liebe Frau Wohl, ich werde so frei seÿn von Ihrer gütigen Erlaubnis gebrauch zu maviii ix

ÜdZ. Orig.: Spnappers.

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Louis Ochs. Hanna Ochs geb. Steindahl (Steinthal). Ferdinand Hiller (vgl. Br. 57). Siegmund Jakob Stern (1800–1872), Sohn v. Jakob Samuel Hayum u. Therese Stern, Neffe JWs. Eine Tochter Hans Detlev Freiherr v. Hammersteins (1768–1826), seit 1822 hannoverscher Gesandter am Bundestag in Frankfurt.

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chen. Aber Sie sind ja ein weiblicher Napoleon, in welche Länder Sie nicht alle ziehen, welche Länder Sie nicht alle erobern wollen, denn wo Sie sich auch hin wenden, da werden Sie die Völker unterjochen – zwar nur ihre Herzen. Wir beide, wollen einmal recht die Welt tÿrannisirn, Sie die Männliche, und ich die Weibliche. Wir wollen es so arg treiben, daß man uns nach Helena schickt. Das Entsezen soll vor uns her wandeln, überall wo wir erscheinen, wird man das Angstgeschrei hören: „fliehet Ihr Jünglinge, verbirgt euch Ihr Mädchen, dort nahen die Wütheriche von Frankfurt.“ Aber verdient es auch Hamburg, daß wir es unglücklich machen, wollen wir nicht lieber die stillen Thäler der Schweiz mit Thränen überschwemmen? Hamburg! Ach, sobald ich nur daran denke, bekomme ich einen Pfeffergeschmack im Munde, und nichts als Caffebohnen, Zuckerhüte und Callicots1 schweben mir vor den Augen. Ist es nicht ein Herzzereißender Anblick, unter Menschen zu leben, die auf der Folter des Eigennutzes gespannt sind? Kaufleute und Bergwerker arbeiten unter der Erde, ich möchte nicht bei ihnen wohnen. Und die Lüneburger Haide? Für mich zwar ein Fegfeuer, wodurch ich ins Paradies komme, aber für Sie, die Sie keine Seligkeit in Hamburg finden, da Sie sich selbst erst mitbringen? Lieber lassen Sie sich vom ersten besten Lieutenant entführen, als daß Sie nach Hamburg gehen. Lassen Sie uns einmal Ihre andern Pläne besprechen. Meckel: Ich finde das nicht so unausführbar. Auch sind Sie mit diesen Leuten durch mich verwandt, und nahe genug. Sie sind die lezte Frau meines Herzens, und Meckels Schwester war eine der ersten, in die ich, da ich in Halle studierte verliebt war. Sie hieß Pauline,2 und war ein allerliebstes Stumpfnäschen. Diese Ihre Ansprüche müssen Sie durch Stiebel geltend machen lassen. Benzel-Sternau: Das ginge auch, wenn Sie nur die Sache ohne Schüchternheit angreifen wollten. Dr. G.3 müsste zuvor den Benzel schriftlich, oder besser mündlich, von Ihrer Persönlichkeit unterrichten, und dann mit Ihnen, zu ihm hienausfahren. Rothschild: Ist sie denn noch in Paris? Aber mein Gott, wenn Sie nur ernstlich wollten, die würde Sie ja mit dem größten Vergnügen zu sich nehmen. In Baden-Baden (Sie meÿnen doch wahrscheinlich das Badische Land, und nicht den Bade-ort, der eigentlich so heißt) ist es wohlfeil leben, das weiß ich. Sie haben mir nicht 1 2

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Kaliko. Pauline (1790–1825), verh. mit Friedrich Wilhelm Ferdinand Gutike, war die Schwester Albrecht A. Meckels (vgl. Br. 125). Dr. Goldschmidt.

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geantwortet, ob ich mit Robert in Carlsruhe,4 darüber unterhandeln soll. Wenn Sie wollen, will ich selbst nach Carlsruhe reisen, und das mit ihm überlegen. – Das wegen des Almanachs haben Sie nicht recht verstanden, was mich gar nicht wundert, da Sie so lange von mir getrennt sind. Bis das Büchelchen fertig gedruckt ist, mögen 4–6 Monate vorübergehen, denn in Deutschland druckt man langsam; aber damit steht nicht im Widerspruche, daß, wie ich gesagt, der Druck sogleich beginnen könne. Der Buchhändler, mit dem ich gesprochen, ist nicht abgeneigt den Verlag zu übernehmen, auf das Nähere aber, sind wir noch nicht eingangen. Auf die Ironischen Reden, die Sie über meine Wage führen, antworte ich Ihnen gar nicht, eine Person wie Sie kann mich durchaus nicht beleidigen, weil ich Sie viel zu sehr verachte. – Lieber Engel und theuerer Schatz! Hülfe! Rettung! Thue Deinem Nächsten, wi[e] Du willst das Dir geschehe. Das Glück ist rund; heute mir, morgen dir. Ich bin in großer Noth wegen Geld! Wenn ich nicht spätestens bis zum 24 Merz, wo ich Zahlungen zu machen habe, die 100 fl. erhalte, komme ich in den Schuldthurm. Aber ich gehe nicht hienein, lieber erhänge ich mich. Oder ich plündere und ermorde meinen Sohn, und dannii wird das ein 24 ster Merz, wie es schon ein 24 ster Februar giebt, und die Leute machen eine miserabele Schicksalstragödie aus mir. Hülfe! Rettung! In der Noth lernt man seine Freunde kennen. – Heute ziehe ich in eine andere Wohnung, zu – Odenheimers5. Ich bin 14 Tage herumgelaufen, um mir ein schönes Logis mit einer garstigen Frau zu suchen; ich habe garstige alte Weiber genug gefunden, aber keine schöne Wohnungen, und da blieb mir nichts anders übrig. Wenn Sie etwas zittern wegen meiner Treue, das wäre mir schon recht, denn Sie würden dann eilen, von Frankfurt weg zu kommen, um mich aus der Nähe dieses gefährlichen Mädchens zu bringen. Ihre Nebenbuhlerin heißt Caroline6, aber sie ist nur eine Nebensonne. Was kann mich auch eine Caroline7 helfen! Ja wenn es tausend Caroline wären, das machte eilf tausend Gulden ohne die Agio! Also meine Adresse: Herrn Dr. Börne, geb. Wohl, in Stuttgart. Königsstraße, bei Hrn. Oddenheimer. – Geld! Hülfe! Rettung! – ii

ÜdZ.

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Vgl. Br. 39. Vgl. Br. 26. Caroline Ottenheimer (vgl. Br. 99). Vgl. Br. 42.

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Mein guter Freund, Dr. Schorn8, Künstler und Kunstgelehrter, Herausgeber des Kunstblattes (welches das Morgenbl. begleitet) reist diesen Sommer nach Italien, auf ein Jahr. Ihm zugesellen wird sich Professor Müller9 aus Göttingen, Philolog und Alterthumsforscher. Wie nützlich, und angenehm könnte ich in solcher Gesellschaft reisen! Ich muß mirs aus dem Kopf schlagen. Tralla la la la ! – Daß man mich für sehr fleißig hält ist sehr natürlich, weil ich viel zu Hause bin. – Meine neuen Wirthe, werden mir Stoff zu allerlei humoristischen und sentimentalen Bermerkungen geben. Habe schon einiges abgesehen und gehört. – Bekannt bin ich noch nicht viel mit ihnen, denn seitdem ich hier bin, habe ich sie erst 2 Male auf eine Viertelstunde besucht. Wandrer steh’ und Weine! Diese schlotternden Gebeine, Sind dem Verfasser der Wage. Nicht Krankheit noch Liebesplage Nur zeitiger Mangel an Geld Führten mich aus dieser Welt Hätt’ man mir 100 fl. gegeben Wär’ ich heute noch am Leben.iii

127. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . [Frankfurt], den 18. März 1822. Nr 54 Montag 18 Merz 22i Waß Sie wieder viel Lärm machen! Mir ist das gar nicht spashaft mit Ihrer ewigen Geldnoth. Diesmal bin ich Ihren Klagen sogar zu vor gekommen, denn gestern schon hat der Samuel1 das Paket auf den Postwagen geiii

Gedicht rechts neben Zeichnung.

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Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (Kuvert).

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Ludwig Schorn (1793–1842), 1820–42 Redakteur des Cotta’schen Kunst-Blatts, Beil. z. Morgenblatt. Karl Otfried Müller (1797–1840), Altertumsforscher u. Philologe.

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Samuel Ochs.

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geben, enthaltend f 100, davonii fr. 42 und die Wage und Zeitschwingen, ich wußte aber noch nichts von Ihrer Wohnung veränderung, und habe es unter der Adresse der Hofräthin Haselmeier abgeschikt. Heute Mittag geht der Postwagen weg, und wird wohl Mittwoch, Morgens, dort eintreffen, sorgen Sie dafür daß es keine Verwirrung giebt, wegen der unrichtigen Adresse. Der polizei Beamte hat dem Samuel gerne so viel früher das geld für Sie gegeben. – „Gleiches mit gleichem“ Noth bricht Eisen, also auch meine Geduld. Da ich nun sehe daß Sie hartnäkig darauf bestehen die Wage nicht herauszugeben, so bin ich ganz fest entschlossen die Auszüge aus Ihren Briefen, die ich sehr eifrig betreibe, Ihnen nicht zu schiken, und hier bei Wenner2 auf meine Kosten als 6tes Wagheft druken zu lassen. Punktum, Sand darauf. – Hirsch aus Hamburg war gestern bei mir, er versicherte mich daß ihm nichts angenehmer sein könnte, als mit mir zu reisen, in fünf Wochen geht er weg, er will sich während dieser Zeit nach passende Gesellschaft umsehen. Diese Gelegenheit blieb mir also wie schon gesagt unverloren, aber – ich werde schwehrlich Gebrauch davon machen. Allerdings meine ich den Badeort, und nicht das Badische Land, ich habe mir das überlegt, im äußersten Falle willigt immer eines von den Mädchen ein mitzugehen, und dann gehe ich anfangs Maÿ entweder nach Ems oder Baden Baden, meiner Schwester Wochenbett im Julÿ giebt mir den Vorwand früher wegzugehn, ich hätte mehr Neigung nach B. Baden als nach Ems, bis Heidelberg könnte mich Bernhardt oder Samuel begleiten, und von da weiter könnten sie mit uns gehen, wenn Sie wollten? Und – wenn ich will! Jezt kommen viele Bedingungen – Erstens wenn Sie wieder so liebenswürdig sind wie am Rhein, giebts eine Interressante Reise. Zweitens gienge ich unter keiner Bedingung früher von der Stelle, bevor Ihr, oder mein Wagheft gedrukt ist. endlich drittens, wo wollen Sie das Geld dazu zum Reiseniii hernehmen? Mit Robert3 lassen Sie es vor der Hand nur noch gut sein, da habe ich gar keine Lust dazu. Schließen Sie nur mit Ihrem Buchhändler nicht ab bis Sie mir die Bedingungen mitgetheilt, ich kenne ii iii

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ÜdZ, Orig.: weniger. ÜdZ: zum Reisen. Johann Friedrich Wenner (1772–1835), mit B befreundeter Buchhändler u. Buchdrucker, der die Zeitung der Freien Stadt Frankfurt verlegte; nach Bs Abreise Ende 1819 zeichnete W. alleine verantwortlich. Vgl. Br. 39.

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Ihre unzeitig Bescheidenheit. Erst dauert es ein halbes menschenleben bis ein gedrucktes Bögelchen erscheint, und – dann – bekommen Sie nichts dafür bezahlt. Der Eßkünstler der Ihnen so viel Sorge der „Lächerlichkeit“ gemacht hat, gefällt allgemein ganz ausserordentlich hier, ich höre täglich davon. Mit der Wage haben Sie es freilich anders gemacht, da haben Sie sich zahlen lassen, und – nichts dafür gegeben. Ein ganz neues Schriftsteller Talent! – Dr Reis hat f. Julie Saling gesprochen. Sie ist vor einigen Tagen von Berlin hier eingetroffen. Sie ist sehr gut auf S.4 sprechen, er war täglich bei ihr. Sie erzählt erstaunliches wie angesehen, wie sehr geachtet S.[chmitt] dort wäre. Der Fürst Radziwill5 habe ihn mit der größten Auszeichnung aufgenommen. Zelter6 spreche nur mit der größten Bewunderung von seinem großen Künstler Talent, und hoher Genialität. Das Publikum wäre so sehr gespannt darauf ihn zu hören, daß der Conzertsaal schwehrlich groß genug für die Menschenmenge sein werde, obschon der Sa[a]l so groß, daß er 1800 Mensch fasse. Von Mendelsohn7, bei denen S stets ist, erzählt Sie ebenfalls sehr viel. Beide Kinder sind ausgezeichnet. Der Junge8 von 13 Jahre hat eine gute Oper Componirt, und wird mit S in seinem Conzert ein Doppelkonzert von Dussek9 spielen, die Tochter10 17 Jahre Alt, hat schon ein Heft Lieder herausgegeben. Die ganze Familie Mendelsohn reist nächstes Jahr nach Italien. – Hat sich denn weiter nichts verlauten lassen, von den Münchner Judenangelegenheiten? Sollten Sie nicht dem Vorstand schreiben? Es ist mir wirklich ganz bange wie Sie sich aushelfen wollen, es scheint als hätten Sie von den f[l.] 100 viel rückständiges auszubezahlen, wovon wollen Sie denn leben? Sie brauchen auch viel. Haben Sie denn für Müllner nichts gearbeitet? Sie wollten dies ja so bestimmt. Eben höre ich erzählen, daß ein gewißer Kollman in Wien der so viel Einfluß aufs steigen und fallen der Papiere gehabtiv, gestorben ist. Er iv

ÜdZ, Orig.: hat.

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Aloys Schmitt. Anton Heinrich Fürst Radziwill (1775–1833), verh. mit Prinzessin Luise von Preußen (1770–1836), preuß. Staatsrat u. Komponist. Sein Palais am Pariser Platz war ein gesellschaftlicher Mittelpunkt Berlins. Carl Friedrich Zelter (1758–1832), Komponist u. Prof. an der Kgl. Kunstakademie. Abraham Moses Mendelssohn-Bartholdy (1776–1835), Bankier. Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809–1847). Johann Ludwig Dussek (1760–1812), Komponist u. Pianist. Fanny Hensel, geb. Mendelssohn-Bartholdy (1805–1847), Pianistin u. Komponistin.

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war getauft, und hat noch eine halbe Stunde vor seinem Tode Testament gemacht, sonst hätte der Kaÿser 3 Millionen die er hinterlassen, geerbt, die jeztv seine Mutter und ein Bruder bekömmt. Was das eine langweilige Geschichte ist mit dem zu viel und zu wenig Geld. Adieu J. W.

128. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 20. März 1822. Nr. 55. Stuttgart den 20 Merz 1822.i Mein Weibchen, Du wirst mit jedem Tage goldner und Wonniger. Du bist die wahrhafte Elise1 oder das Weib wie es seÿn sollte. Nach Baden – da ist der Weg des Heils! Dort ist die herrlichste Gegend, der besuchteste Bade-Ort, und gar nicht theuer. Aber auf den Haupt=Vortheil muß ich Sie erst aufmerksam machen. Dort ist der Zusammenfluß von Stuttgart Carlsruhe, Strasburg, München, dem ganzen südlichen Deutschland, der Schweiz, dem östlichen Frankreich – wie leicht macht man nicht Bekanntschaften, wie leicht findet sich da für Sie, was wir suchen. Der eigentliche Badelärm beginnt zwar erst mit dem Juli, aber auch schon im Mai kommen Gäste hin. Wie schön können wir da leben! Das Geld für mich? Das wird sich schon finden. Ich werde bis dahin für Cotta noch allerlei arbeiten, und dann streckt er mir schon eine Summe vor. Oder ich schließe unterdessen einen Vertrag wegen des Almanachs ab. Was übrigens meinen hiesigen Unterhalt betrifft, seien Sie ausser Sorge. Da ich von der Neckerzeitung monatlich 50 fl. bekomme, habe ich bis zum Juni, wo ich wieder ein Quartal einnehme 250 fl. womit ich ausreiche. Von den 100 fl. die Sie mir jezt geschickt, habe ich vor dem 1 sten April gar nichts, und da auch nur einige und zwanzig Gulden für meine Wirthshausrechnung zu bezahlen. Ich habe v

ÜdZ: die jezt.

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Anspielung auf Wilhelmine Karoline v. Wobesers (1769–1807) Elisa oder das Weib wie es seyn sollte (1795).

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nur aus Vorsorge so dringend gethan. Aber mit den Auszügen der Briefen, liebster Engel, eilen Sie, so viel wie möglich. Denn der Buchhändler will eine Probe haben, von den neuen, noch nicht gedruckten Gedanken. Haben Sie die Auszüge auf Postpapier schreiben lassen, können Sie mir dieselben mit der Briefpost schicken; würde aber das Päktchen zu dick und daher zu kostspielig, wäre es auf die fahrende Post zu legen. Ich werde Ihnen weiter unten einige Bücher angeben, die dazu dienen können, das Paket erforderlich schwer zu machen . . . Um des Himmels willen, schlagen Sie sich jezt Hamburg ganz aus dem Sinne, bleiben Sie fest bei Baden. Denken Sie nur, wenn ich armer Teufel nach Hamburg müsste! Wenigstens 9 Tage und so viele Nächte, brauchte von hier aus der Postwagen dazu. Und nach Heidelberg ging ich zu Fuße als singender Student, durch lauter Gärten. Im Schloßgarten, am Fuße des eingestürzten Thurms, würde ich mir die Freiheit nehmen, Ihnen ewige Treue zu schwören. Ich würde sagen: ein Thurm kann brechen, aber meine Treue nicht. Um Gotteswillen nicht nach Hamburg, ich wäre sehr unglücklich. – Am vorigen Sonntag habe ich bei Cotta zu Mittag gegessen. Vom Esskünstler sagte er, das wäre „ganz excellent“, und die Frau des jungen Cotta2 sagte, sie wäre „ganz entzückt“ davon gewesen. Sie reisen auch nach Baden. Was wollte ich dort ein interressantes Tagebuch führen, ein Roman müsste daraus werden! Seien Sie nur nicht besorgt, es möchte wieder so gehen wie am Rhein. Ich bin seit meiner Entfernung von Ihnen erstaunlich liebenswürdig geworden; in Ihrer Nähe kann ja keiner aufkommen. Ich kann lächlen wie ein Kammerherr. Und so lieb bin ich Ihnen, es ist unaussprechlich. Und wenn wir uns auch zuweilen zanken, das ist ja gebräuchlich unter Liebenden, das ist Pfeffer in den Salat. Aber die Eifersucht müssen Sie sich in Baden abgewöhnen, denn ich sage Ihnen, die Weiber hängen sich an mich wie fliegender Sommer. – Könnten Sie mir den Aufsatz in der Iris3, Dioptrik (über die Hüte) nicht schicken? Wenn Sie in meinem Namen das Blatt von Wenner4 fordern lassen, giebt er es Ihnen wohl. – Abscheulicher Spitzbub, alles habe ich erfahren. Sie waren neulich bei Ihrer Schwester Schnapper5, und da war die Ottenheimer6

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Sophie Cotta v. Cottendorf, geb. v. Adlerflycht (1801–1838), seit 1820 verh. mit Johann Geog C. (vgl. Br. 25). Iris, Nr. 4 v. 23. Januar 1820: Dioptrik. Vgl. Br. 127. Fanny Schnapper, geb. Wohl (vgl. Br. 1). Sara Benedikt (geb. 1774), verh. mit Jacob Ottenheimer (vgl. Br. 26).

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auch, und da wurde viel von mir gesprochen. Wahrscheinlich haben Sie das arme Mädchen ausgeforscht. Haben Sie etwas Schlimmes erfahren? Sie hat es ihrer Mutter hierhergeschrieben, mit dem Auftrage es mir zu erzählen, daß Madame Wohl auch da gewesen, „denn Hr. Dr. Börne interressirt sich sehr für gewisse Leute“. Sie sind in aller Leute Mund, schämen Sie sich! – Jezt den wichtigen Punkt von meiner Garderobe. Ich kann es nicht länger aufschieben mir neue Kleider machen zu lassen. Mir hier die nöthigen Stoffe zu machen, dazu habe ich gegenwärtig nicht Geld genug, und auch sind ohnedies die Tücher hier theuerer und schlechter als in Frankfurt. Ich will es mir von Frankfurt kommen lassen, so daß ich hier nur d[en] Macherlohn zu bezahlen hätte. Von Steinthal? Bei dem ist nichts gutes und wohlfeiles zu bekommen, auch ist die Frage ob er mir borgt. Ich bin willens, es mir von Kulb7 (Ihr Schwager kauft auch dort) zu verschreiben. Durch wen könnten Sie das besorgen lassen? Denn ich wünschte nicht, daß es Steinthal erführe. Kulb, gäbe mir Credit, weil ich ihm schon früher abgekauft habe, und nichts schuldig bin. Ich erwarte Ihren Rath. Ich brauchte für 100 fl. Waare. – Bitten Sie den Samuel, anliegendes Zettelchen, dem Buchhändler Sauerländer8 zu bringen, und ferner aus meiner Frankfurter Bibliothek sich zu holen: Nitsch Mÿthologisches Wörterbuch9 1 ster Band. (In halb Franzband. neu.) Er muß es aber selbst suchen, denn mein Bruder wird sich nicht die Mühe geben. Haben Sie diese Bücher beisammen, dann schicken Sie mir dieselben nebst den Briefauszügen. – Noch einmal, bleiben Sie bei Baden fest stehen, lassen Sie sich durch nichts davon abwendig machen. Ich habe dabei große und mannichfaltige Zwecke – politische, literarische, romantische, pekuniäre. Einige Monate an einem Badeorte zugebracht, würde mich in viele nützliche und angenehme Verhältnisse bringen. Aber Sie müssten gegenwärtig seÿn, damit es mir an keinem Sporn fehle. Ich sehe für Sie durchaus kein Hindernis bei der Sache. Welches der Mädchen würden Sie mitnehmen? – Es wundert mich gar nicht, daß S.10 so viel Glück in Berlin macht. Wenn kömmt er zurück? Reisen Sie im Mai erst ab, dann treffen Sie ihn noch in Frankfurt. Besser Sie

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Vgl. Br. 74. Vgl. Br. 37. Paul Friedrich Achat Nitsch (1754–1794), Hg.: Neues mythologisches Wörterbuch für studirende Jünglinge, angehende Künstler und jeden Gebildeten überhaupt (1793, Neuaufl. 1821). Aloys Schmitt.

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vermieden das. Ich traue Ihrer Entschlossenheit nicht. – Das Paket mit Geld und allem erhalte ich so eben. – Den Plan mit Meckel brauchen Sie wegen Baden nicht aufzugeben. Der Weg nach Bern führt über Baden, wenigstens nah vorbei. Von Bern nach Baden ist auch nicht weit. – Fassen Sie bald Ihren Entschluß, damit ich mich darnach einrichten kann. Adieu, liebe. Dr. Börne, geb. Wohl

129. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . [Frankfurt], den 22. März 1822. Nr 55. Freitag 22 Merz 22i Sie können ganz ruhig sein, ich gehe entschieden nicht nach Hamburg, und gewiß nach Bern oder Baden. Ich suche in Baden weiter nichts als einige Monate angenehm, das heißt, ruhig in einer schönen Gegend zu verleben, weiter wird sich auch nichts daraus ergeben, und das ist genug, Sie sind trotz Ihren Dreißigen immer noch so kindisch, so heftig, und bauen gleich Schlösser in der Luft, das wollte ich Ihnen gerne gönnen, wenn ich aber nur einmal so glücklich wäre Sie mit Ihren Finanzverhältnisse in Ordnung zu sehen! Daß Sie aufii die f 100 zählen die Sie bis endes Juni einzunehmen haben ist mir gar nicht recht, wenn Ihr Lotterieloos bis ende April nichts gewinnt haben Sie an Frau Adler f 50 zu bezahlen, die müßen bezahlt werden, und auch an Steinthal können Sie nicht länger verschieben, das muß auch bezahlt werden, also habe ich darauf gerechnet daß Sie sich darnach einrichten werden, die Polizei Quittung für beide anzuweisen, damit sie sich so lange gedulden, und das muß auch geschehen. Sehen Sie indessen daß Sie einen vorthe[i]lhaften Vertrag mit Ihrem Buchhändler abschließen, sein Sie nicht zu ängstlich mit auswählen, lassen Sie alles druken, Sie sehen ja jezt hinlänglich daß Sie Glück haben, und daß alles waß Sie sagen gefällt. Es sind wirklich in den Auszügen die ich Ihnen schiken werde vortreffliche Sachen enthalten, nur wäre schlimm wenn viel gestrichen würde, die Hälfte der Briefe ist schon ausgeschrieben, das übrige wird i

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O. O., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt 22 Merz – 1822« (Kuvert). – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (ebd.). Orig. danach: über.

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in einige Tage beendigt sein, und dann schike ich gleich alles wie Sie es vorschrieben. Wegen dem Sauerländer1 hätte ich große Neigung Ihnen eine Bitte vorzutragen, würden Sie es nicht mißbilligen wenn ich ihm in Ihrem Namen den Antrag machen ließe, daß, da Sie doch vieles von Ihm gekaufte, wegen langer Abwesenheit nicht benutzen könnten, und alles noch ganz neu erhalten wäre, und da Sie gegenwärtig nicht im Stande wären Ihre Schuld an Geld abzutragen, ob er sich vielleicht geneigt finden ließe, die Sachen wieder an Zahlung anzunehmen? Versteht sich daß ich ohne Ihre Erlaubnis dazu nicht anfragen lasse, wenn Sie glauben daß nichts unehrenvolles für Sie in diesem Antrage liegt, so geben Sie mir ohne weiteres diese Erlaubnis, mir wäre es eine wahre Freude Sie um eine Geldschuld leichter zu wissen, und es würde mir einigermaßen den Aerger vergüten, den ich gleich beim anschaffen der Bücher hatte, kommen Sie wieder zu Geld. Dann ersetzen Sie alles durch Prachtausgabe. Uebergehn Sie das nicht, und antworten Sie mir darauf. Ich kann durch niemand bei Kulb2 für Sie borgen lassen, thun Sie dies auf Ihre eigene Hand, und wenn es denn doch geborgt sein muß so schreiben Sie ihm selbst, direkt,. – J. Saling erzählt von der H. Herz in Berlin, sie sehe so sehr gut aus, und sei liebenwürdiger als je. Ferneriii, Ffurt gegen Berlin, das wäre gar nicht zu vergleichen, unser Ffurt sei ein ganz erbärmlicher Ort, hier habe man – höchstens Bäume (das heißt Gegend, dort wären Menschen. – Sein Sie nur ruhig, ich habe das arme Mädchen die Ottenheim3 nichtiv ausgeführt, im Gegentheil habe ich sie vermieden, denn ich war nicht bei meiner Schwester den Abend als sie dort gebetenv. Warum sollte ich auch? Ich weiß schon genug von Ihnen, und mehr als mir lieb, Sie denken sich also leicht daß ich mich gar nicht erbaue bei diesem frommen Kapitel. Sie antworten mir gar nicht mehr auf meine Anfragen wegen der Wage? Wenn ich auch das Fragen künftig unterließe, so würde doch das meinen Verdruß darüber nicht verringern „Wenn Sie mir nur wenigstens sagen wollten wo denn die politischevi Aufsätze, die iii iv v vi

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ÜdZ. Orig. davor: gar. Orig. davor: war. ÜdZ. Vgl. Br. 37. Vgl. Br. 74 u. Br. 128. Caroline Ottenheimer (vgl. Br. 99).

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französische Uebersetzungen, die alle früher dafür bestimmt waren hingekommen sind? Sie würdigen mich nicht einmal einer Antwort, und das soll mich nicht schmerzen? – Sie erhalten recht bald alles verlangte Adieu J. W. Sichern Sie sich ja die f 50 die Sie monatlich von der Nekarz: einnehmen, und sorgen Sie nur dafür daß Sie die Unternehmer geneigt für sich erhalten.

130. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 24. März 1822. Nr. 56 Stuttgart den 24 Merz 1822.i Mein liebes Stiefmütterchen kann das Keifen nicht lassen – den ganzen schönen Morgen habe ich geweint. Sie sollten wenigstens mein Christenthum schonen, und nicht an Sonntagen mit mir zanken. Lassen Sie mich alle Woche einmal ausruhen, denn „auch Deines Viehes sollst Du Dich erbarmen“, sagt die heilige Schrift. Sie sind die furchtbare Göttin der Wage, die unerbittliche Nemesis. O, Du schreckliche Tochter der Nacht, werde ich Dich nie versöhnen können? Aber Geduld! Sind wir nur erst in Bern, da ändre ich die Sprache, da mach ich den Herrn . . Bern ist doch besser als Baden, wenigstens fürs Erste. Wenn die Meckel nach Frankfurt kömmt, müssen Sie nicht gleich in der Art mit ihr unterhandeln, als wollten Sie den Sommer über bei ihr im Hause wohnen – hat sie Sie erst näher kennen gelernt, dann wird sie sich das zum Glücke rechnen, Sondern Sie reden anfänglich nur davon, daß Sie in ihrer Gesellschaft die Reise machen wollen, das Uebrige findet sich dann von selbst. – Sie sind rein toll mit Ihrem Sauerländlichen Plan. Gewiß sind Sie es geworden aus Sehnsucht nach mir, das Herz ist Ihnen in den Kopf gestiegen. Warum verschwiegen Sie Ihren Gram? Guter Gott, warum behandeln Sie meine Schulden mit solcher Wichtigkeit? Ihr Handelsleute in Frankfurt seht das für etwas schimpfliches an. Die meisten Gelehrten haben Schulden. Erst neulich sagte mir Cotta, Friedrich Schlegel wäre ihm mehrere tausend Gulden schuldig, die

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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er sich auf seine herauszugebenden sämmtlichen Werke habe vorschießen lassen. Und hintendrein hat er seine Werke einem andern Buchhändler verkauft, so daß C. keinen Kreuzer zurückerhält.1 Von einem andern hiesigen Schriftsteller sagte er mir das nehmliche, und beides nur gelegentlich, er wollte damit keinen Tadel verbinden. Ja, ich möchte fast denken, er habe mir diese Dinge erzählt, um mich aufzumuntern, daß ich auf die Schuld, in der ich gegen ihn stehe, keine Bedeutung läge. – Die Briefauszüge sehe ich als Stoffe zu weiterer Bearbeitung an, also weit entfernt sie durch Ausstreichen zu vermindern, gedenke ich sie durch Zusätze eher anzuschwellen. – Vor vielen Jahren (1811 od. 1812) erschien in Frankfurt ein Blatt unter dem Namen der Gemeinnützliche, herausgegeben von Pfarrer Friedrich. 1 oder 2 Blätter dieser Schrift enthalten Aphorismen unterzeichnet Dr. Baruch.2 Wären diese Blätter wohl aufzutreiben? Auch in der Zeitung die Dr. Stiefel geschrieben, stehen einige Kleinigkeiten von mir.3 Er hat Ihnen ja versprochen, sie herbeizuschaffen, Gedanken, Gedanken treiben Sie mir auf. Ich brauche 12 große Druckbogen Gedanken, welche etwa 20 Almanachsbogen ausmachen werden. Dafür werde ich 60 Karolin fordern. Wenn ich sie nur schon hätte! – Aber wissen Sie, daß ich ganz im Ernste ärgerlich bin über Ihr ewiges Brummen? Sie schreiben mir: Sie hätten nicht nöthig die Ottenheimer4 auszuhorchen, Sie wüssten genug von mir, und mehr als Ihnen lieb sei. Was wissen Sie denn von mir? Erklären Sie sich doch näher. Was habe ich gethan? Warum sind Sie niemals mit mir zufrieden? Wenn Sie mich lieb hätten, wären Ihnen sogar meine Fehler lieb. Es kann recht leicht seÿn, daß Sie ein wahrer Teufel sind, ich merke das aber gar nicht. Die Hoffnung Sie nach so langer Zeit bald wieder zu sehen, ist mein schönster Frühling, aber Sie sind der April dieses Frühlings. Das muß nicht seÿn, der Mensch soll es besser machen als die Natur. In Ihren Briefen fühle ich noch nichts von der Wärme, mit der ich hoffte von Ihnen empfangen zu werden. Sie haben erstaunlich viel Geduld. – Das brauchen wir nicht erst von der Saling zu hören, das Frankfurt ein ganz erbärmlicher Ort

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Friedrich Schlegels Sämtliche Werke erschienen beim Verlag Jakob Mayer und Compagnie in Wien (10 Bde., 1822–1825). Gemeinnützliche Blätter für das Grossherzogtum Frankfurt und dessen Umgebung. Unterhaltungsblatt für Gebildete (1811), Nrn. 69 u. 77 (9. u. 28 Juni). St. redigierte 1814 das Frankfurter Journal, in dem Bs Aufsatz Was wir wollen erschienen war. Vgl. Br. 26.

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ist. […]ii Gestern sprach ich so einen […]iii Ich trug ihm auf dem Ellisen5 zu sagen, ich hätte gestern seinen Brief erhalten – „und die Rimessen würden nachkommen“ sezte der Jud lachend hinzu. (Mauche Emden, heißt er). Wenn Sie einmal von Frankfurt weg sind, kehren Sie gewiß nicht dahin zurück. – Also mit Kulb6 ist nichts? Wie soll ich es denn machen? – Den heutigen Brief, haben Sie wieder auf Ihre übliche leichtsinnige Art zugesiegelt, die vierte Oblate hat gefehlt. Darüber erschrecke ich immer, denn das ist mir ein Zeichen, daß die zweite Seite des Briefs, nicht bis zu Ende geschrieben ist. Ich möchte ein Mal einen Brief mit 8 Oblaten haben. – Die Zeitschwingen hätte ich mir nicht brauchen schicken zu lassen, ich glaube, daß ich für den Almanach keine 30 Zeilen daraus werde ziehen können. Die Wage liefert auch nur einen Bogen. – Adieu Brummeisen, adieu liebe Maultrommel. In meinem vorigen Logis, hatte ich einen Ventilator am Fenster, der hat grade so gelärmt wie Sie. Jezt wohne ich sehr hübsch und bequem. Auch ein Fortepiano habe ich im Zimmer. Ich phantasire oft darauf, dazu singend und dichtend. . Wie schön wäre, wenn Sie mich dabei mit Ihrer Maultrommel begleiteten. Einige Stuttgarter kommen morgen von Frankfurt zurück. Sie werden mir von Ihnen erzählen wollen, ich werde sie aber meiden um ihnen nicht zuzuhören. Warum sollte ich auch? Ich weiß schon genug von Ihnen, und mehr als mir lieb ist. Sie können sich also leicht denken, daß ich mich gar nicht erbaue, bei diesem frommen Kapitel. Sum summ, brumm brumm, dumm dumm! Dr. Börne g. Coeur à loueriv

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iii iv

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Geschw. Passage., vermutl.: Man sollte die Juden mit dem Gelde […] der Christen aufhängen […]. (vgl. R IV, 586) Geschw. Passage., vermutl.: Jud […] Emden (vgl. ebd.). Eingerahmt in einen Kasten. Vgl. Br. 13. Vgl. Br. 74 u. Br. 128.

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131. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den 27. März 1822. Nr 56 Mittwoch 27 Merz 22i Sie närrischer wunderlicher Mensch, wer wird denn gleich so empfindlich sein! Es war ja so böse nicht gemeint, aber – so ein bischen Teufelei mag doch in mir stecken, denn aufrichtig gestanden habe ich mich erfreut an Ihrem Aerger. Bisher waren Sie immer ganz unempfindlich gegen meine Bitten, meine Vorwürfe, Sie beliebten das nur mit spashaftem Spotte zu erwiedern, siehe, dachte ich, wenn du den geheirathet hättest ! ! Der giebt nicht nach, der ist gar nicht zu ärgern, und also – der taugt nicht zum Ehemanne! Nun – geärgert haben Sie sich leidlich, aber nachgeben – folgsam werdenii – die Wage? – die Wage! – Der Fisch ist blau, und bleibt blau! Wir wollen das einmal abwarten. – Aber, alles wollen Sie wissen, alles mein lieber zänkischer Freund was ich schlimmes von Ihnen weiß? Sie sind auch gar zu neugierig, wie wäre das möglich, das ist ja eine Unsumme! (Reimt „brumme“) Schon die Wage allein ersezt ein ganzes Register von Missethaten. Doch Sie sollen sehen daß ich auch billig und gut sein kann, das eine erträgliche waß ich von Ihnen weiß, will ich Ihnen auch redlich mittheilen. Die Ottenheim1 soll von Ihnen sagen „sie lebten sehr solide in Stuttgart. Ist das nicht ein gewaltiges Lob für einen Menschen in Ihrem Alter, der kaum die Kinderschuhe vertretten hat? Also in Bern wollen Sie den Herrn spielen? Das wollen wir doch sehen! Warum sind Sie denn wieder so lau und abrathend gegen Baden? Sie meinten ja „das wäre der Weg des Heils“! Stiebel hat verwichenen Samstag 23 ten an Prof. Mekel ohngefähr folgendes nach Bern geschrieben. „Eine Freundin die bei uns im hause wohnt, wünscht auf einige Zeit zum Vergnügen in der Schweiz zu leben. Da sie von Ihrem Gelde lebt, so ist dies auch in so fern ausführbar, nur daß Sie keine Bekante in dortiger Gegend hat. Ich frage Dich also lieber M. ob Frau wohl (nun streicht er mich sehr heraus, ich sei gut (hören Sie?) gebildet, einfach, habe ihm schon manche frohe Stunde durch meinen Gesang gewährt, was man nicht alles schreiben kann!) Also, ob Frau Wohl bei Dir i

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O. O., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt 27 Merz – 1822« (Kuvert). – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (ebd.). Orig. davor: sein. Vgl. Br. 26.

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oder sonst irgendwo dort wohneniii, und ob sie mit Deiner Frau von hier ausreisen kann. Du wirst mir so bald als möglich meine Fragen beantworten, und mir auch sagen wenn Deine Frau hier eintreffen wird. Daß Ihr mir für die Bekantschaft der J. W. dankbar sein werdet ist mir kein Zweifel etc etc.“ – Nun was sagen Sie dazu, waß für eine vortreffliche Frau ich bin? Und Sie unterstehen sich mich brum brum, drumm drumm anzureden! Ich muß lachen über unser Abenteuerliches Treiben. Wie gefällt Ihnen aber mein galanter Freund Stiebel? Es wäre auch schlimm wenn alle Leute so unartig wären als Sie. Wir wollen jezt sehen was Mekel antwortet, ich erwarte wenig. Vorgestern am Montag war viel Lärm hier, alle Welt ist gespannt wegen Courire die Roths. an diesem Tage erhalten, und abgeschikt hat, die Papiere sind gefallen, man hat aber noch keinen Aufschluß darüber. Bethmann2 kömmt diese Woche noch auf seiner Rückreise nach Stuttgart, wenn Sie ihn vielleicht sprechen wollen. – Als Probeblätter hätten Sie ja einstweilen dem Buchhändler die Rheinbriefe, Tagebuch, etc vorzeigen können. Könnten Sie nicht wenn Sie den Almanach abschließen eine Zahl ohngefähr 50 Exemplare für sich bedingen, und Sie dem Sauerländer an Zahlung geben? Der Reis meint das gienge gut an, mir gefällt es auch. Betrachten Sie immerhin Schulden machen als eine Ehrensache, es ist aber doch auch nicht tadelnswerth wenn man von zeit zu zeit etwas abbezahlt, meinen Sie nicht mein vornehmer Cavalier? Sauerländer hat das verlangte Buch an einen dortigen Freund x3 für Sie geschikt, sagen Sie mir ob Sie es erhalten haben. – Wollen Sie denn nur einzelne Gedanken, und nicht auch kleine Abhandlungen im Almanach aufnehmen? Ich meine Sie könnten den Aufsatz über das hiesige Theater recht gut brauchen, Sie müßten nur einige starke Ausfälle darin mildern. Da jezt so viel hin und wiederreden wegen dem bauen des Theaters, so könnten sie ja durch die Mängel die Sie in Ihrem Aufsatze anführen, recht ein Wort zu seiner zeit für das Bauen mitreden, und ich bin gewiß (Sie wissen daß ich immer bei einer solchen Behauptung recht gehabt) daß das gefällt, nur wie gesagt manches mildern oder wegstreichen, und auch manches hinzufügen. Die Auszüge aus den Briefen werden Sie wohl auch alle brauchen können, waß das Periii

2 3

Orig. anschl.: kann. Vgl. Br. 80. X Dr Adrian. – Johann Valentin Adrian (1793–1864), ein aus Frankurt stammender Schriftsteller u. Bibliothekar.

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sönliche darin betrifft richten Sie an einen Freund, ich überlasse das Ihrer Einsicht (aber vernünftigen) Die größere Beschreibungen darin, wie die vom Kirchhof und Krankenhause sind ebenfals gut, besonders die vom Kirchhofe ist sehr interressant. Es sind wirklich ganz vortreffliche Sachen in diesen Auszügen, und ich habe alles mehreremale mit großem Vergnügen gelesen, das gefällt gewiß (refrain. Sie wissen daß ich immer recht gehabt.) Waß mir Ihre Zaghaftigkeit für Mühe macht! Dieser Almanach wird Aufsehen machen, sehr gefallen (refrain etc.) Aber ganz im Ernste. Wenn nur die Censur nicht zu viel streicht. Morgen Donnerstag werden die Brief Auszüge, und auch das verlangte Buch von Ihrem Bruder mit dem Postwagen an Sie abgeschikt. Die „gemeinnützliche Blätter wird der Reis besorgen, sehr bald. An Stiefel sollten Sie selber schreiben, das schikt sich besser als für mich. Er hat mir gesagt daß er alle diese Blätter [b]esitze, auch hat er sich beklagt daß Sie ihm noch nicht geschrieben, thun Sie es also, er hat auch noch Manuscripte von Ihnen, die er gerne giebt, fodern Sie diese Auch. Wegen Kulb war nicht meine Meinung daß Sie nicht borgen sollten, er thut es vielleicht gerne, nur kann ich das nicht vorsorgen, schreiben Sie ihm also auch. – Ich weiß nicht gewiß ob Sie das verlangte Buch von Ihrem Bruder miterhalten werden, der Samuel war schon unzählige Mal dort. Am besten wäre künftig, wenn Sie etwas von ihm verlangen, Sie schreiben ihm selbst, er scheint empfindlich zu sein. – Es gebe Krieg sagen jezt die Leute, die Courire hätten diese Nachricht gebracht. – Die Zeitschwingen schonen Sie so viel möglich, da war auch viel Lauferei darnach, Willmans4 hat sie immer noch nicht gegeben, und – da habe ich Ihnen mein Exemplar geschikt, das hat übrigens gar nichts zu sagen, die Dedikation lasse ich noch zierlicher wieder einbinden. Nun sein Sie nur wieder gut, ich habe ja auch gar nichts weiter an Ihnen auszusetzen, als daß Sie meinem Wunsch wegen der Herausgabe der Wage nicht befriedigen, wenn einmal dieser Zankstof erschöpft, was doch in Ihrem Willen steht, gebe ich Ihnen tausend gute Worte, und unterstehe mich nur, Sie einen vortrefflichen Menschen zu nennen, – – gehorsame Dienerin J. W. Sagen Sie mir doch Ihr Urtheil über die Briefauszüge, ud sagen Sie mir auch etwas darüber wenn Sie mit dem Buchhandler davon gesprochen. Adieu.

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Vgl. Br. 80.

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132. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 29. März 1822. Nr. 57. Stuttgart den 29 Merz 1822i In Ihrem heutigen Briefe sind Sie wieder ein süßes mürbes Brödchen. Ja, ich weiß, wie man Sie mürbe macht. Auch habe ich Ihre vier Siegel mit den angenehmsten Vorgefühlen eröffnet. Aber der Mensch muß nie stehen bleiben, er muß fortschreiten und sich immer mehr auszubilden suchen. Gebrauchen Sie zu Ihrem nächsten Briefe 5 Oblaten, ich bitte, das macht mir Freude. Und dann jedesmal einemehr, so daß endlich ein Brief aussieht wie eine zugeknöpfte Weste. Jezt bin ich auch ganz wieder gut mit Ihnen, und jezt heirathe ich Sie auch wieder. – Ich bin in der brennendsten Erwartung, was Meckel antworten wird. Sie müssen mir über den Erfolg sogleich schreiben, auch wenn es Ihr gewöhnlicher Brieftag nicht seÿn sollte. O weh! Da fällt mir eben etwas Schlimmes bei. Es ist ja gar nicht möglich, daß Sie mit der Meckel reisen. Sie hat einige Kinder reist in Begleitung ihres Vaters, und wahrscheinlich auch eines oder mehrerer Dienstmädchen.1 Wie kann denn noch Platz für Sie im Wagen übrig bleiben? Das ist eine harte Nuß. Wenn aber dieses das einzige Hindernis wäre, wäre doch besser, Sie nähmen einen eignen Wagen, und führen hinten drein. Von Baden rieth ich Ihnen keineswegs ab, ich meÿnte nur, Bern wäre besser; denn wenn es Ihnen dort gefiele, könnten Sie ja auch im Winter da bleiben. – Von meinem Almanach haben Sie nicht die gehörige Vorstellung, und es thut mir leid, daß Sie durch meine Schuld, weil ich mich nicht näher erklärt, sich einige vergebene Mühe gemacht haben. Denn Ihre Auszüge, die München betreffen, kann ich nicht brauchen, eben so wenig als die Rheinbriefe. Die Tendenz des Büchelchens ist nur auf allgemeine Sätze, Aphorismen gerichtet. Hätte ich die Münchner und Rheinreise darin aufnehmen wollen, so wäre das ein ganz anderes Werk geworden, und das mich längere Zeit gekostet hätte, als ich warten kann um Geld zu bekommen. Denn das leztere ist doch eigentlich meine Absicht. Aber wenn ich mit dem Buchhändler nicht einig würde! Was wäre ich ein geschlagener Mann! Wenn Sie i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Luise Joh. W. Meckel u. ihre Söhne Philipp Friedrich (1819–1847) u. Johann Heinrich (1821–1856) sowie Friedrich August Schmelzer (vgl. Br. 104 u. 125).

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in der Schweiz oder in Baden wären, und ich könnte aus Mangel an Geld nicht zu Ihnen kommen. Ich glaube, Sie würden vor Wonne und Schadenfreude ganz dick werden. Vor dem Streichen der Zensur haben wir nichts zu fürchten, Bücher, werden hier nicht zensirt. Was Ihnen der Sauerländer für Sorge macht! Der Verleger des Almanachs würde mir 50 Exempl. ja nicht schenken, sondern deren Betrag in das Honorar einrechnen. Aber das wäre ja so gut als baares Geld, und wenn ich das habe, kann ich Sauerländer auf natürlichem Wege bezahlen. Hat denn Sauerländer gesagt, er hätte beide Bücher an Adrian2 geschickt? Das kann ich hier jezt nicht erfahren, denn Dr. Adrian ist nach der Schweiz gereist, und wird in 3 Wochen erst zurückkommen – Die Zeitschwingen konnte ich nicht schonen, und sie sind schon ruinirt; denn die Blätter, die mir dienlich waren, mußte ich herausschneiden und aufkleben. Auf keine Andere Art waren Sie zu gebrauchen. Sie mögen sich jezt an das Exemplar halten, was Willmans3 schicken will. – Es war nicht anders gemeint, als daß ich an Kulb4 wegen der Waare schreibe, allein auf der Post kann dieses nicht geschehen (ich weiß nicht einmal seine Adresse), es müsste ihm in Frankfurt jemand meinen Brief überbringen, die Waare gleich mitnehmen, und sie mir hierherschicken. Ich frage Sie also, wer das besorgen könnte. Denn durch Samuel, wäre nicht thunlich, weil es dann Steinthal erführe. Oder meÿnen Sie, Steinthal würde mir borgen, und daß es besser wäre, ich nähme die Waare von ihm? Schreiben Sie mir darüber. Meine Garderobe ist gar in zu schlechten Umständen, und wie ich Ihnen schon bemerkt, brauchte ich etwa für 100 fl. Sachen. – Daß der Krieg mit den Türken5 ausbrechen würde, haben wir hier schon vorgestern durch Kouriere erfahren. In Frankfurt mag schöner Lärm gewesen seÿn. Schreiben Sie mir ferner, was Sie davon hören. – Im Ernste gefragt: könnten Sie denn in Frankfurt keinen gutherzigen Narren auftreiben, der mir 50 Karolin oder mehr borgte? Während der Kaula in Frankfurt war, habe ich seiner Frau so eindringlich zugesprochen, daß in ganz kurzer Zeit der Krieg losbrechen würde, daß sie in Angst gekommen ist, und es ihrem Manne nach Frankfurt schrieb. Dieser nahm es sich auch

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Vgl. Br. 131. Vgl. Br. 80. Vgl. Br. 74 u. Br. 128. Seit der Einberufung eines griechischen Nationalkongresses in Epidauros am 1. Januar 1822 hatte sich der Konflikt mit dem Osmanischen Reich verschärft. Sultan Mahmut II. gelang es zunächst, die Aufstände niederzuschlagen.

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zu Herzen, und verkaufte dort seine Papiere. Jezt strömt er über von Dankbarkeit. Der Narr aber hat keine Vorstellung davon, daß ich durch eine bloße verständige Beurtheilung der Verhältnisse, zu der eingetroffene Prophezeiungii geführt wurde, sondern er redet sich ein, ich müsste besondere Verbindungen haben, wo ich politische Geheimnisse schöpfte. Jezt liegt er mir täglich in den Ohren, ich solle ihm mittheilen, was ich ferner erführe. Er ist ganz entsezlich geizig, und er würde mir keinen Batzen borgen, ob er zwar meiner Warnung viel zu verdanken hat. – Sie Lump, wie geht es Ihnen denn mit Ihren Papieren. Ich habe vielleicht noch für 800 fl. Wagen liegen, würde sich denn in Frankfurt kein Spekulant finden, der mir auf diese sehr gute Papiere Geld leihte? Es wäre viel dabei zu verdienen. – Meine schöne Karoline scheint nicht sonderlich viel Verstand zu haben. Indessen kann ich noch nicht mit Sicherheit urtheilen, denn ich habe sie immer nur in Gegenwart ihrer Eltern gesprochen. Die Ottenheimer6 die jezt in Frankfurt ist, soll sehr klug seÿn. Da habe ich nun auch wieder erfahren, daß man die Güter des Lebens zu einer Zeit erlangt, wo man sie nicht mehr brauchen kann; im Winter giebt einem das Schicksal Limonade, und im Sommer Punsch. In frühern Jahren wäre ich ganz glücklich gewesen, in der Nähe eines so schönen Mädchens zu wohnen, jezt drehe ich nicht den Kopf nach ihr um. Wenn ich älter werde und vor Gicht nicht gehen kann, fällt mir gewiss Geld zu, womit ich nach Italien reisen könnte. Doch sehe ich in die Fenster eines Mannes (eines hiesigen Beamten) der in das 90 ste Jahr geht. Er ist so rüstig, und wahrscheinlich gesünder als ich. Noch vor 4 Jahren, hat er zum Vergnügen eine Reise nach Italien gemacht. Das sieht man unter Juden auch nicht. Was macht der Schlingel Götz7 mit seinem Gelde? Das muß anders werden. Ich hoffe sehr bald. Alles Unglück in der Welt kömmt daher, daß die Einen mehr Geld als Verstand, und die Andern mehr Verstand als Geld haben – ich wollte sagen alle Unzufriedenheit. Wir beide verdienen jeder eine Million, und die müssen wir haben, oder das Donnerwetter soll hieneinschlagen. Was ist das für eine erbärmliche Welt, wo elende Schacherjuden mit Ehre und Ruhm leben, und man in Zeitungen von Rothschild und Wertheimer8 spricht, als wären sie Napoleone? Der ii

Orig.: Propheizung.

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Vgl. Br. 26. Moritz Löb Getz (vgl. Br. 77). Vgl. Br. 26.

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elende Murhard füllt alle Blätter [an],9 mit seinen langweiligen Metalliques-Geschichten, der Hund sollte Mäkler werden . . . Ich habe mich so geärgert, daß ich hingehen muß, einen halben Schoppen Wein trinken, für 6 kr. – und dazu esse ich um 1 Kreuzer Radieschen. So lebt ein Börne! Und die Rothschilder schwelgen! Pfui Teufel! […]iii

133. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den 1. April 1822. Nr 57 Montag 1 April 22i „Schikt man den Narren hin wo man will“! Sein Sie aber ganz ruhig, es soll kein langweiliger sondern ein recht kurzweiliger kleiner Brief Narr sein. Aufrichtig gestanden ich habe heute gar keine Schreibelust, daran ist ein Roman Schuld den ich eben mit großer Hast zu ende gelesen, und das Schreiben hätte ich gerne auf morgen verspart, wenn ich nicht Ihre zu ängstliche pünktliche Post Besorgnisse befürchtet hätte. Also für heute zur kurzen Beantwortung Ihres Briefes. Wenn in Büchern nichts gestrichen wird, warum lassen Sie Ihren schönen Aufsatz über Krieg Frieden und die Griechen nicht drucken? Das würde ein jegliches Buch zieren. Den Zettel an Sauerländer besorgte ich damals, er sagte nach wiederhohltem Anfragen, er habe das Verlangte an Dr Adrian mit einer andern Sendung überschikt. Das Buch war von Ihrem Bruder nicht zu bekommen, einmal hatte er den Schlüssel verlegt etc.. Es giebt übrigens nichts neues als das ich für diesmal Ihnen zu gefallen diesen wichtigen Brief mit nur zwei Oblaten siegele, und Ihnen Ihr brum brum, dum dum, sum sum, vielleicht, – durch dieses liebe herzige Brieflein vergelte. Adieu, ganz im Ernste nächstens mehr, ich bin heute auch viel gestört worden, meine Schwester bezieht eine neue Wohnung da habe ich auch zu iii

Hebr. Buchstt. – lt. Geiger: Juda Leib Mergentheim.

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O. O., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt« (Br.k.). – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (Kuvert).

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Vgl. Br. 47.

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helfen. Sein Sie mir nicht böse, vergelten Sie böses mit gutem, wie, (glaube ich, die Heilige Schrift sagt, und schreiben Sie mir aus edler Wiedervergeltung stattdem wenigen recht viel Adieu J. W. Haben Sie das Päklein Manuscripte erhalten? Und werden Sie viel daraus benutzen können?

134. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 3. April 1822. Nr. 58. Stuttgart den 3 April 1822.i Gehorsamer Diener! Der Teufel ist grosmüthig, ich aber werde es nicht seÿn. Ihr Brief, soll der Vater seÿn können des Meinigen, so klein will ich ihn machen. Warum habe ich gutherziger Narr meinen Plan nicht ausgeführt! Schon vor 3 Monaten hatte ich mir vorgenommen, um Sie für den Brief ohne Inhalt, den Sie mir einmal geschickt, zu bestrafen, Ihnen das Gleiche anzuthun. Am 1sten April sollten Sie ihn erhalten. Als aber die Zeit herangekommen war, hatte ich nicht das Herz Sie zu ärgern. Nichts hätte Sie abhalten sollen, mir wie gehörig zu schreiben. Was geht Sie Ihre Schwester an? Die Schrift sagt: Du sollst Vater und Mutter verlassen, und an Deinem Manne hangen – also die Schwester gewiss. Romane soll ein junges Frauenzimmer gar nicht lesen. Da sezt sich das Närrchen Schwärmereien von ewiger Liebe, Glück in der Ehe, und anderen solchen Dingen in den Kopf, die Sie bei mir doch einst nicht finden werden. Mit einem Worte: der Teufel soll Sie holen. Päktchen erhalten. Die Bestie von Buchhändler will mir statt gefordeter 60 nur 40 Karolin geben. Da habe ich ihm vorgeschlagen, zwar mit dieser Summe vorliebt zu nehmen, aber bei steigendem Absatze auf einen Nachschuß Anspruch zu machen. Bis Morgen entscheidet es sich. Adieu Schlingel. B.

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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135. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 7. April 1822. Nr. 59 Stuttgart den 7 April 1822.i Tochter Israels! Der Gott Deiner Väter segne Dich, und vermehre Deine Nachkommen, wie Sand am Meere. Ich hatte über Ihren Brief eine große Freude, denn er überraschte mich, weil ich vergessen hatte zu berechnen, daß heute einer kommen könnte. Als ich nun aus dem Bette stieg, (ich hatte, um als guter Christ den ersten Ostertag zu feÿern, mir mit längerm Schlafen etwas gütlich gethan) fand ich den Brief auf meinem Tische. Ueber die wenigen Oblaten erschrack ich anfänglich; doch diesesmal hatte das Zeichen getäuscht, der Brief war gehörig lang, obzwar meine eigenen Worte, einen großen Theil davon ausmachen. Darum will ich mir das künftig, ganz gehorsamst verbeten haben. Ich will mir es schon merken, wenn etwas in meinen Briefen zum Drucken dienlich ist. Das soll Ihnen nicht mehr zum Vorwande dienen, mir auch nur eine Sÿlbe weniger zu schreiben. – Daß Sie nicht nach Bern reisen, unter solchen Verhältnissen, damit bin ich einverstanden. Also nach Baden, und auf dem Wege sich überall aufgehalten, wo es schön ist. Aber, liebes Kind, Heidelberg thut nur auf einige Tage genug, für länger ist das sehr langweilig. Die eigentliche Badzeit beginnt erst mit dem Juli, und wo bis dahin zubringen? . . Nirgends Anders als in Stuttgart. Die hiesige Gegend ist schöner, mannichfaltiger wie die von Heidelberg, und dabei eine große Stadt, Theater, einige Merkwürdigkeiten. Für mich wäre das von großem Vortheile, denn ich könnte dann ungestört fortarbeiten, und zur Badereise das nöthige Geld verdienen. Auch ist es hier wohlfeiler als sonst wo. Zwei Zimmer mit 2 Betten, würden Ihnen höchstens monatlich auf 16 fl. kommen, das Essen ins Haus gebracht 24 kr. Ich würde das Logis vorher bestellen. In Heidelberg holte ich Sie ab. Wir blieben nur einige Tage dort, und gingen dann hierher, im Juli nach Baden. Sie brauchten sich ja nicht einmal in Frankfurt darüber zu äussern, daß Sie nach Stuttgart wollen. Es würde sich dann hervorstellen, als hätten Sie sich erst in Heidelberg dazu entschlossen. Die Lehne mitzubringen, dazu rathe ich Ihnen nicht. Das würde Ihre Kosten nur vermehren. Eigene Wirthschaft zu führen, würde überall theuerer kommen, als

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Herrn Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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sich speisen zu lassen. Und eine Aufwärterinnen, die Sie freilich nicht entbehren können, fänden Sie in jedem Privatlogis, oder Sie mietheten sich eine. Daß die Rosette mitginge, wäre freilich am besten für uns beide, wir würden am meisten Unterhaltung in ihrer Gesellschaft finden. Der Unterschied ist aber, daß Sie für die Rosette, die Reisekosten mit tragen müssten, daß die Jette aber wahrscheinlich bezahlte. […]ii Zu bedenken wäre auch, ob die Rosette nicht ungeduldig würde, und früher nach Frankfurt zurückkehren wollte, als Sie. Am besten wäre, noch eine dritte, die Jette oder sonst eine, ging auch mit. Ich fürchte mich sehr mit nur zwei Frauenzimmern zu seÿn. Es könnte mir geschehen, wie dem Orpheus von den Bachantinnen, in euerer Liebe und Eifersucht könntet Ihr mich zerreissen. Eine dritte aber, hielte gutes Gleichgewicht. – Sie abscheuliche Jüdin, was Sie mit meinem Herzen wuchern! Also diesen Sommer soll die Probe von neuem angehen? Aber ich lasse mich auf gar kein Versprechen ein. Erst muß ich Sie sehen, wer weiß ob Sie sich conservirt haben. Was mich betrifft, so bin ich schöner als je. Uebrigens werde ich mir, um mich auf Ihren Empfang würdig vorzubereiten, einen neuen Backenbart wachsen lassen. Ich möchte hierbei Ihrem Geschmacke folgen, darum lassen Sie sich von Samuel mehrere Zeichnungen von Backenbärten vorlegen, wählen Sie den heraus, der Ihnen am besten gefällt, und schicken Sie mir ihn. Ganz im Ernste. Soll ich mir auch einen Schnurrbart wachsen lassen? Entscheiden Sie. – Auf der Reise will ich recht artig seÿn. Um mich in Geduld zu üben, lese ich jezt die langweiligsten Bücher. Aber eins lasse ich mir nicht nehmen. Der Neckar bei Heidelberg hat auch einen Strudel, und da muß mir der Schiffer (nachdem er sich vorher besoffen) hieneinlenken. Und wie will ich arbeiten! Ich kann ja ganz sprechen wie Clavigo,1 der auch ein Journalist war: als ich noch zu den Füßen meiner Jeanette schrieb, da war es anders.2 Liebes Osterlamm, höre ich nur erst wieder dein süßes Mäh, dann kömmt frische Kraft in mein Herz. – Mit meinem Buchhändler bin ich noch nicht in Ordnung. Das ist ganz ein erbärmliches hin= und her schachern, und der Kerl sieht nicht aus als wenn er Geld vorräthig hätte, vorauszubezahlen. Viel-

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Geschw. Passage. (1 Satz).

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José Clavijo y Fajardo (1726–1806), liberaler spanischer Publizist. Vgl. Goethe, Clavigo. Ein Trauerspiel v. 1774 (1. Auftritt, 1. Akt). Anspielung auf Clavijos nicht vollzogene Eheschließung mit Marie-Louise Beaumarchias.

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leicht wende ich mich noch an Cotta. Wie gut wäre, wenn Sie hierherkämen; dann eilte es gar nicht so mit dem Gelde. Denn um Ihnen nach Heidelberg entgegenzukommen, und auch 8 Tage dort zu bleiben, dazu wird zu seiner Zeit, mein jeziger Geldvorrath noch ausreichen. – Unter meinen Büchern ist eine Beschreibung von Heidelberg u. Gegend, von Frau v. Chezÿ.3 Vergessen Sie nicht, sich das Buch holen zu lassen, und es mitzunehmen. – Mit den Kleidern will ich noch warten. Aber wenn ich dem Kulb schreibe, er solle mir die Sachen auf dem Postwagen schicken, so würde ihn das stutzig machen, weil ich in Frankfurt Freunde und Verwandte habe, die den Transport übernehmen könnten. Das geht also nicht. Würde Steinthal nichts ablassen? Lieber Gott, ich muß doch auf der Reise so erscheinen, wie es einem Gemahle der Prinzessin Jeanette zukömmt. – Die Fortsezung des Conversationslexicons, worin ich, der Ankündigung nach, auch vorkomme, ist nun erschienen;4 bricht aber ab, ehe mein Name kömmt. Das ist miriii sehr ärgerlich. Im Bade hätte es mir genüzt, wenn meine Biographie, die gewiss lobend ausfällt, schon bekannt wäre, dann hätten viele, die nichts von mir wissen, von mir erfahren. – Nächsten Freitag wird Webers Freischüz zum erstenmale aufgeführt, worauf alle Welt sehr begierig. Wenn Sie die Oper kenneniv, sagen Sie mir Ihre Meinung, es kann seÿn, daß ich veranlasst werde, im Morgenblatte davon zu sprechen. – Mit Cottas werde ich täglich freundschaftlicher, er ladet mich in seine Familie, zum Thee u. s. w. Aber desto schlimmer, dann habe ich gar kein Herz in Geldsachen. Es muß jeder seiner Natur treu bleiben. Andern steht es ganz gut an, wenn sie an ihren Vortheil arbeiten, bei mir geschieht das alle ohne Grazie. Ich habe gar keinen Anstand, so bald ich handele. Darum muß geheiratet werden und das bald. Aber ich will damit noch nichts gesagt haben; es kömmt alles darauf an, ob Sie noch schön sind. – B.

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Orig.: mehr. Orig.: können. Helmina v. Chézy, Gemälde von Heidelberg, Mannheim, Schwetzingen, dem Odenwalde und dem Neckarthale (1816). Ab 1822 erschienen die Neuen Folgen des Brockhaus’schen Conversations-Lexicons, dabei handelte es sich um Ergänzungsbände zur 5. Auflage der Allgemeinen deutschen Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände (Conversations-Lexicon) von 1819/1820.

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136. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . Frankfurt, den 9. April 1822. Nr 59 Dienstag 9 Merzi 22ii „Es kömmt alles darauf an ob Sie gescheidt sind“! Warum sprechen Sie nicht beherzt und gerade zu mit dem Cotta, der hat ja ganz andere Mittel als Ihr armseliger Buchhändler, waß Sie ihm noch schuldig läßt er ja gerne durch einzelne Arbeiten am Morgenblatte abtragen, und gewiß würde er Ihnen mehr bezahlen als jeder andre. Nur müßen Sie nicht so gar unzeitig ängstlichiii und übermäßig bescheidten sein, und nicht zu wenig fodern. Ich begreife Sie nichtiv, unter Männern werden doch Geschäftssachen so leicht besprochen, auch könnten Sie ihm ja darüber schreiben. Die Herrn hier sagen 60 Karolin das wäre eine zu geringe Forderung für eine so bedeutende Bogenzahl, und auch sollten Sie nicht nur Aphorismen herausgeben, das wäre zu einförmig, und auch die Besten ermüdeten wenn sie unmittelbar nacheinanderfolgten den Leser. Sie sollten kleine Aufsätze hineinverflechten. […]v Mit Ihrem Freund Stiefel habe ich einmal eine Noth gehabt, bis er mir „für den Undankbaren!Die verlangten Blätter gegeben, Sie werden das aus seinem hier beigefügten wüthenden Brief ersehen. – Es kostet mich –– Ueberwindung, ich muß es gestehen in Geschäftssachen etwas für Sie zuvi thun, oder Ihnen darüber zu schreiben, es kömmt ja doch nichts dabei heraus. Der Cotta hat Ihnen schon voriges Jahr f 2000 zugesagt für die Wage, ich bin gewiß er hätte Ihnen diese Summe auch nur für 12 Hefte bewilligt, monatlich ein Heft herauszugeben, mein Gott das wäre ja für Sie eine solche Kleinigkeit, wenn Sie mir in Briefform täglich das niederschrieben waß Ihnen so durch den Kopf fährt wäre schon die ganze Arbeit gethan, aber Sie wollen es nicht, Sie scheinen sich zu gefallen in der ewigen jämmerlichen Geldplagerei, ich, finde nichts humoristisches mehr darin. Und auch das, wenn wirklich eine Aussicht dazu wäre, daß man Sie als hiesiger Bibliothekar einem jeden andern vorziehen würde, wäre es uni ii

iii iv v vi

Orig.: Merz. Hs. Zus. e. Bearb.: »April [üdZ] 1822 [überschr.]«. – o. O., hs. Zusatz e. Bearb.: »Ffurt 9 April –– 1822« (Kuvert). – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (ebd.). Orig. folgend: sein, ich begreife Sie. Orig. davor: gar. Durchgestr. Passage. ÜdZ.

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verzeihlich leichtsinnig wenn Sie einen Versuch dazu vernachläßigten. – Wegen Heidelberg haben Sie recht daß Sie mir nur kurze Zeit da zu verweilen rathen, aber so lange in Stuttgart zu bleiben, und privatlogie zu miethen, das wird sich wohl nicht schiken, Sie und die Leute hätten dann wohl das Recht zu sagen, daß ich Ihnen nachgereist wäre. Zum Reisen, und lange und oft in Gasthäusern zu verweilen, was ich doch eigentlich thun müßte, und für mich und noch ein Frauenzimmer, wird wohl sehr viel kosten machen. Da ich nun aber um jeden Preis im nächsten Monat fort will, aber mich auch nicht gerne über meine Mittel in thörigte Geld Sorgen stürzen möchte, habe ich mir auch das noch überlegt, ob es nicht vernünftig wäre wenn ich einige Monate im Rheingau, etwa in Rüdesheim lebte. Die Absicht von hier wegzukommen, und [in] einer schönen Gegend zu leben hätte ich dabei auch erreicht, in einem Tag wäre ich ohne Kostenaufwand dort, könnte in einem hübschen privatlogie wohnen, würde die Lene mitnehmen, hätte also nicht mehr Ausgaben als in Ffurt auch, im Monat Julÿ oder August stünde mir dann immer noch frei über Worms und Manheim nach Baden zu gehen. Was denken Sie davon? Nur etwas ist noch dabei zu berücksichtigen was mich abhalten könnte, Stiefel würde jede Woche mein Gast sein.vii Sein prinzipal Dr Strobel hat sehr viele Bekante in Rüdesheim, und. für gute billige Wohnung will der St. mir sorgen da, aber Ihr Freund! Wäre er nur ein bischen liebenswürdiger, es ist in der That recht schade, denn er ist doch im Grunde ein recht braver Mensch. Doch beschließe ich für jezt noch gar nichts, wir haben viele Nummern dies mal im Glücksrade liegen, und diese Entscheidung wollen wir fürs erste abwarten, sagen Sie mir aber doch Ihre Meinung über Rüdesheim. Ich habe die von Ihnen verlangte Blätter noch nicht alle beisammen, wahrscheinlich aber schike ich Sie ihnen nächster Tage. – Eine Neuigkeit Frau Räthin Oppenheim ist erklärte Braut, mit einem Mannheimer genannt Hohenemser.1 – Die Oper der Freischütz ist hier erst einmal aufgeführt worden, wegen Mangel an Plätze konnte ich sie nicht hören, hat aber auch hier gefallen, aber viel mäßiger als anderwärts, nicht mit so abgöttischer Bewun-

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Orig. anschl.: Aber das bleibt unter uns. Hirsch Levi Hohenemser (1771–1838), Gründer des Bankhauses Hohenemser, heiratete am 19. Juli 1822 Julie Kulp, die Witwe des Arztes Dr. Seligmann Josef Oppenheimer.

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derung, es soll eine leichte gefällige Musik sein, sagen die Leute hier, viel effekt Sachen, wie Trinklieder, Lachchöre u.s.w. S.2 schrieb darüber von Berlin aus, (ohngefähr folgendes) es sei eine recht hübsche Oper, abe[r] bei weitem keine Klassische Musik, die sich wie eine Mozartische behaupten könnte. Einige Meßfreunde haben sich nach dem Befinden der Wage erkundigt, und ob denn keine Hoffnung zu ihrem Aufkommen wäre? Ich seufzte, und schwieg. „Womit besch[ä]ftigte sich denn bis jezt, und […]viii seine Wohlg der Herr Doktor Börne“? Ich seufzte, – und schwieg! Die Leute sahen meine Betrübnis und schwiegen auch – das heißt in meiner Gegenwart. Denn ausserdem soll des Geredtes und Tadelns kein Ende sein. Einen schönen Reisegesellschafter habe ich mir auserkohren! Der wird mir Ehre machen, an allen Orten und Enden wo wir hinkommen wird es heißen „das ist der Wag Betrüger! Schöne Titel, schöne Ehre! Dies alles gehörig beachtet, und noch dazu Ihre übergroße zärtliche Bemühung jezt schon einen Nekarstrudel aufzuspüren dient Ihnen so sehr zur Empfehlung, das Sie alle verschönernde Schnurbärte und Backenbärte – – – – – ersparen könen. Auch ist es „gar nicht fein“ von Ihnen, daß Sie mir von dem Plane Ihres neuen Werkchens (es wird wohl beim alten – nichts! bleiben), kein Wörtchen mittheilen. So viel hätte ich doch durch meine Kopisten Arbeit wenigstens verdient, daß Sie mir gesagt wie viel, und was Sie daraus benutzen können. Leid thut mir’s in jeden Fall, daß Sie einzelnes herauszerren, und nicht lieber das Ganze, mit gehöriger Aussonderung, als „Tagebuch geführt in München am Rhein, und auch zu hause“ (so ohngefähr) herausgeben, das würde Ihnen mehr Geld, und auch mehr Beifall einbringen. Ich würde an Ihrer Stelle dem Cotta alles vorlesen, und es ihm dann um einen viel höhern Preis, etwa einige hundert Karolin, verkaufen, wer weiß, er giebt sie Ihnen auch vielleicht dafür. Ich möchte nur um gotteswillen wissen warum Sie in so ganz einfachen Sachen so unerhört schüchtern sind? Gehen Sie nur gleich hin zum Cotta, und auf meine Gefahr, lesen Sie ihm Ihre Manuscripte alle vor, und lassen Sie sich gut, das heißt viel bezahlen, thun Sie das, und gleich, bei meiner Ungnade! (refrain) Adieu Herr Ritter voller Furcht und voller Tadel! J. W.

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Unles. Wort. Aloys Schmitt.

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Im Ernste, befolgen Sie das gesagte wegen dem C. Sie wagen gar nichts dabei. Sie sehen ja wie freundschaftlich die Leute Ihnen entgegen kommen, und wenn dies auch nichts wäre, es ist gewiß daß der C. viel Werth auf Ihre Arbeiten legt.

137. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 11. April 1822. 60. Stuttgart den 11. April 1822.i Nicht nach Rüdesheim! Noch weit weniger als Heidelberg, ist dieser oder sonst ein Ort im Rheingau, für einen längern Aufenthalt geeignet. Man entbehrt zu sehr, städtischer Vergnügungen, besonders gebildeten Umgangs. Denn das kleinstädtische Volk das ich aus Erfahrung kenne, ist ganz unerträglich, und Ihnen genug zu seÿn – darf ich mir das schmeichlen? Auch irren Sie sehr, wenn Sie glauben, im Rheingau wäre wohlfeiler leben als hier oder in Karlsruhe etwa, es ist grade das Gegentheil Der Hauptgrund aber, und der, wie ich hoffe, Sie abhalten wird, Sich im Rheingau niederzulassen, ist der Umstand: daß ich dann meine Arbeiten für die Nekkerzeitung nicht fortsetzen könnte, weil ich dort Zeitungen und andere literarische Hülfsmittel nicht fände, die mir nöthig sind. Ich kann Ihre Bedenklichkeiten nach Stuttgart zu kommen, nicht billigen. Wie sollte es denn auffallen, daß Sie, Willens nach Baden zu gehen, bis zur Kurzeit, hier bleiben. Und dann reiste ich ja doch in Ihrer Gesellschaft, es wäre also in den Augen der Leute gleichviel, ob wir hier, wo ich ja selbst fremd bin, oder anderswo, beisammen wären. Wollen Sie nicht gar zu lange in Stuttgart bleiben, so könnten Sie nach einigen Wochen nach Carlsruhe gehen, welches ohne dies die Richtung nach Baden ist, das Reisen kostet weniger als Sie glauben, wenn man nur mit einigem Verstande dabei zu Werke geht. Gelingt es mir übrigens für meinen Almanach die gewünschte Summe zu bekommen, so kann ich Ihnen auch einen großen Theil meiner Schuld abtragen, denn das ganze Geld brauchte ich doch nicht, da ich ja ausserdem monatlich 50 fl. einehme. – Mein Almanach kann nichts anderes aufnehmen als Aphorismen. Andere Dinge zu bearbeiten, bleibt mir jezt keine i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Zeit. Sind die Sachen nur sonst gut, dann ermüdet auch die Leser nicht. Klinger1 hat drei dicke Bände von lauter Aphorismen geschrieben, Rouchefocault hat sich durch seine Maximes et pensées2 berühmt gemacht, der Verfasser der falschen Wanderjahre hat kürzlich 2 Bücher dieser Art hintereinander herausgegeben (Wilhelm Meisters Tagebuch, und Gedanken einer frommen Gräfin) die äusserst langweilig sind.3 Mit Cotta habe ich noch nicht gesprochen, ich will auch jezt noch warten, vielleicht gewinnen wir in der Lotterie. Das Sprechen eilt nicht, denn geht er in den Handel ein, so ist die Sache in 10 Minuten abgeschlossen. Schreiben Sie mir nur ja gleich, wenn unsere Zettel blind gegangen sind, damit ich die närrische Hoffnung aus dem Kopfe bekomme. (Nicht gleich, sondern in dem regelmäßigen Briefe) Aber wenn wir gewinnen, schreiben Sie gleich. Es wäre doch gar zu schön! Bekomme ich ausser der Zeit einen Brief, z. B. morgen, da weiß ich schon, daß wir gewonnen. […]ii Estafette brauchen Sie mir nicht zu schicken, die Ausgabe wollen wir sparen. Juchei! Dann wird geheirathet. – Sie schreiben mir, Sie hätten die von mir verlangten Blätter, noch nicht alle beisammen. Was sind denn das für viele Blätter? Ich weiß nur von zweien. Aber, ich habe schon so viel geschrieben, daß ich meine sämmtlichen Werke gar nicht mehr kenne. – Bleiben Sie mir doch weg mit Ihrer Bibliothekarstelle, ich bekäme sie doch nicht. Wenn sie Lust hätten mich anzustellen, würden sie schon von selbst auf mich fallen. Und wäre das ein Glück? Ich verhehle es Ihnen nicht, ich würde in Frankfurt gar keine Stelle annehmen. – Mit Ihnen und Dr. Stiefel geht es nicht richtig zu, Ihr seÿd so vertraut zusammen, und es endigt noch damit, daß Ihr euere Hände wie euere Briefe in einander legt. Gottes Segen. Es wird recht spashaft seÿn, wenn ich Ihnen dann als ehemaliger Anbeter den Hof mache, und Ihr Männchen wird eifersüchtig und tritt mich dann mit Füßen, wie es mir schon einmal gethan hat, da es hitzig war. – Ich lese jezt den Kenilworth von Walter Scott.4 Wenn ich nicht irre, haben Sie mir früher von diesem ii

Geschw. Wort.

1

Friedrich Maximilian v. Klinger (1752–1831), Betrachtungen und Gedanken über verschiedene Gegenstände der Welt und der Literatur, 3 Bde. (1803–1805). François de La Rochefoucauld (1613–1680), Réflexions ou sentences et maximes morales (1665). Pustkuchens Wilhelm Meisters Tagebuch (1821) u. Gedanken einer frommen Gräfin (1822) sind Beilagen zu Wilhelm Meisters Wanderjahre (vgl. Br. 31). Kenilworth (1821).

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Roman geschrieben. Was ist das für ein Mann! Ganz Shakespeare, nur so viel erfreulicher, als Romane anziehender sind, wie Schauspiele. Daß noch jezt einer den Muth hat neben Walter Scott Romane zu schreiben! Nicht Göthe, nicht Jean Paul brauchte abzuschrecken, man kann doch wenigstens einen Theil des Berges ersteigen, auf dessen Gipfel sie stehen. Aber Walter Scott steht auf einem Felsen im Meere, an dem man scheitert, will man sich ihm nahen. Wie er die Menschen schildert! Wie weit weniger haben hierin die größten Künstler, die Menschenmaler gethan. Sie waren unbefangen, sie hielten sich an das was sie Natur nannten, sie betrachteten ihre Personen von der guten und von der bößen Seite, wie man einen Zeug herumwendet, um seine umgekehrte Seite und Farbe zu zeigen. Aber das ist nicht die lebendige Menschennatur. Das Gute und das Böße, das Schöne und Häßliche im Menschen ist gemischt wie Wasser und Wein, und bildet ein Ganzes. Wie hat er Elisabeth und Leicester geschildert! Da braucht man nicht zu addiren, um die Summe ihre[s] Charakters zu finden, in allem was sie thun und reden, sind sie ganz sie selbst, und um die Bestandtheile ihrs Charakters kennen zu lernen, muß man sie chemisch zergliedern. Scott schreibt Romane wie man die Geschichte schreiben soll. Auf jeder seiner Seiten fällt mir nur immer ein, was Andere gringere Dichter bei dieser Gelegenheit für Fehler gemacht hätten. Z. B. mit welcher bewunderungswürdigen Nüchternheit, läßt er bei Hofe von Shakespeare sprechen, ohneiii darum diesen Dichter verkennen zu lassen. Ich habe den 3ten Band noch nicht gelesen. Da kömmt Elisabeth nach Kenilworth. Ich zittre vor Neugierde. Wird das Verhältnis zwischen Leicester und seiner Geliebten an den Tag kommen? Erinnern sie sich der Audienzscene, der Wasserfahrt der Königin? Wie ist das Alle herrlich beschrieben. Und die Schilderung des Hufschmids, des Zwergs, der Reise der Gräfin Leicester nach Kenilworth! Gedenken Sie der Janette, des Mädchens der Gräfin, die immer so biblisch spricht? Ich habe dem frommen Kinde einen Kuss gegeben – einen Kuss in Ehren kann niemand wehren. – Kömmt Schmidt bald zurück? Werden Sie seine Rückkunft abwarten? – Mütterchen, da merke ich eben, unsere Trennung wird alt, sie tritt heute schon in den 60sten Brief. Und wir werden dabei auch älter. Gut, daß wir uns bald wiedersehen, denn dauerte es noch länger, was würde das für ein Willkommen geben! Wollen Sie mich fragen: wie geht es mein Lieber? müssen Sie sich erst aushusten um zu Worte zu

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Üdz, Orig: und.

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kommen; drücken Sie mir die Hand, schreie ich: Au, mein[e] Gicht! Mütterchen, reisen Sie, ehe wir mit dem Kopfe wackeln. – Grüßen Sie Ihren Freund Stiefel, und sagen Sie ihm, in wenigen Tagen schriebe ich ihm gewiss. Ich konnte heute nicht dazu kommen. – Schaffen Sie mir doch einen Mann für meine Mamsell Kaula hier. Im Ernste, ich habe den Auftrag; könnte dabei Geld verdienen. Dr. Börne, geb. Wohl.

138. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . [Frankfurt], den 13. April 1822. Nr 60 Sontag 13 April 22i Sie haben Unrecht daß Sie verschieben mit dem Cotta zu sprechen. Sie waren ja sonst immer so vernünftig solchen leeren Lotteriehoffnungen keinen Raum zu geben, und jezt unterlassen Sie darüber ein Geschäft zu betreiben, das in diesem Augenblicke sehr wichtig für Sie ist. Sein Sie vernünftig und warten Sie das nicht ab. Die Hunderttausend Gulden hat schon ein hiesiger Kollekteur namens Aumann1 selbst gewonnen, und bis die ganze Ziehung beendigt dauert noch beinahe drei Wochen, sollten wir gewinnen, dann haben Sie immer noch Zeit – – nicht zu arbeiten! – und wenn Sie kein Geld wollen, würde dann auch der Cotta nicht eilen mit der Arbeit. Sehr beruhigend wäre mir wenn Ihnen der Cotta schon ein bedeutendes Honorar zugesagt hätte, denn so wie es jezt, ist alles noch gar zu sehr ins Weite gestellt, und auf Luft gebaut, zögern Sie also nicht, und betreiben Sie Ihr Geschäft ohne weitern Aufschub, und vor allem fodern Sie nicht zu wenig, nur ja nicht zur Unzeit zu bescheidten. Bedenken Sie doch daß C. der Käufer ist, wenn Sie wirklich zu viel fodern, wird er wohl als geübter Geschäftsmann, nicht so wie Sie zu schüchtern sein Ihnen andere Bedingungen vorzuschlagen, fodern Sie aber zu wenig, oder weniger als er gerne gegeben hätte, so sehen Sie leicht ein daß er Ihnen das mehr nicht freiwillig anbieten würde. Also, denken Sie an dem Zweck den Sie dabei im Auge haben, und fodern i

O. O., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt« (Br.k.) – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (Kuvert).

1

Johann Christoph Aumann (1772–1834), Inhaber eines Lotteriegeschäfts.

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Sie muthig so viel als möglich. Noch mehr, Sie können dem Cotta sogar Ihre Absicht sagen, daß Sie von dem Honorar eine Reise machen wollten, und ihm sogleich eine künftige Reisebeschreibung zusagen. Es kömmt mir vor als wenn Ihnen der Cotta sehr gewogen wäre, und sich gerne gefällig gegen Sie benähme, vielleicht hat er auch seine Absichten. Wie dem auch sei, er hat Ihnen noch immer Beweise der Art gegeben, benutzen Sie das also. Ich muß darauf bestehen das Sie nicht länger verschieben und zögern, und diese Angelegenheit thätig und vernünftig betreiben, wenn Ihnen nehmlich auch viel daran gelegen ist das ich reise. S.2 wird in wenigen Wochen hier sein, und es ist jezt die höchste Zeit daß alles ernstlich besprochen und abgethan werde. Die Jette wird wahrscheinlich mitgehen, Auch ist meine Mutter3 geneigt Ihr die Reisekosten als Geschenk anzubieten, ich ließe mir dann von meinem Schwager Rindskopf4 f 500 als halbjährliche Intressen von meinem Gelde vorausgeben, so viel würde aber die Jette nicht bekommen, wahrscheinlich nur etwa f 200, mehr dürfte sie auch nicht annehmen. Jezt weiß ich aber immer noch nicht, ob dies hinreichen würde vier bis fünf Monate wegzubleiben, ich könnte wohl mehr ausgeben, und so viel ich wollte, wenn ich von meinem Kapital nehmen wollte, aber das finde ich höchst leichtsinnig, und will es daher hübsch bleiben lassen. Aufrichtig gesagt ist es nicht einmal nach meiner Neigung weder mit der Jette noch mit irgendeine von den Mädchen zu reisen. Es ist zu weitläufig Ihnen hier meine Gründe alle anzuführen, aber ich bleibe dabei immer abhängig, und bin nicht frei so wie ich es wünsche, so zum Beispiele in der Zeit, wenn der Jette ihre Aelter nicht gerne sehen wenn sie sehr lange wegbliebe –. Ich will Ihnen sagen wie ich es gerne möchte – – wenn ich die Mittel dazu hätte. Kennen Sie, eine Mamsel Löwenthal? sie kam früher mit der jungen Elisen5 von Hamburg hierher. Diese Löwen: scheint mir ein sehr ordentliches Frauenzimmer zu sein, ich weiß daß sie nicht zufrieden mit ihrem Platze ist, und sich höchst glücklich schätzen würde in ein anderes Verhältnis zu kommen. ihr Gehalt ist auch nicht bedeutend – sehen Sie mit diesem Frauenzimmer möchte ich reisen, da könnte ich bleiben wo, und so lange ich wollte, in einem solchen Verhältnis wäre ich gleichsam, selbstständig 2 3 4 5

Aloys Schmitt. Merle Wohl, geb. Schwab. Vgl. Br. 26. Henriette Holländer (1790–1872) aus Altona, 1819 verh. mit Eduard Leopold Ellissen in Hamburg (vgl. Br. 13).

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wie ein Mann, das wünsche ich mir, und halte diesen Wunsch für erlaubt, und – nicht thörigt, und – was halten Sie davon? Die andern sagen „das könnte recht langweilig sein, mit einer fremden Person sich zu befassen, und ich würde es bald satt haben, und ob die Löwenthal nicht vielleicht recht langweilig und altmodisch wäre“? Sagen Sie mir doch wie Sie die Löw: kennen, und ob ich Ihnen verrückt oder vernünftig scheine, nur gerade heraus! Adolph Schnapper,6 meiner Schwester Schwager, geht in einigen Wochen nach Wien, er hat mirii mit der verbindlichsten Artigkeit Platz in seinem Wagen angeboten, bis nach Stuttgart, oder gar nach Baden mich zu begleiten, von Mekels muß auch bald etwas verlauten, kurz bis ende dieses Monats muß alles bestimmt und entschieden sein, richten Sie sich darnach ein. – – Stiefel hat mir das Jour[n]all7 gegeben, soll ich denn alles auch den großen Aufsatz „– Was wir wollen“, alles wörtlich ausziehen? Das wäre eine lästige Arbeit, die Blätter sind alle in einen Band gebunden, kann also nur ausgeschrieben geschikt werden. Dem Reis ist „Der Gemeinnützliche“8 bestimmt versprochen worden, habe aber trotziii dem vielen Nachfragen noch nichts erhalten. – – Lesen Sie auch den Abt von Scott,9 noch besser, diesem vorhergehend das Kloster, im Abt finden Sie die unglückliche Marie Stuart eben so interressant dargestellt als in Kenilworth die Elisabeth. – – Bedenken Sie doch wenn, während Sie zögern dem Cotta eine Reise vorfiele, was bei ihm so häufig der Fall ist, das wäre ein schöner Strich durch die Rechnung! ich kann gar nicht ruhig sein (diesen Fall auch abgerechnet) bis Sie mit ihm gesprochen und abgeschlossen haben. Sie haben mir immer noch nicht gesagt, ob Sie aus dem erhaltenen Manuscript viel benutzen können, es scheint als wenn Sie es noch gar nicht durchgeleseniv hätten, Ei ei das ist’s mit Ihrem Almanach noch weit im Felde. Sie sind leichtsinnig, das ist aber auch zu arg! ich fürchte die ganze Reisegeschichte zerschlägt sich durch Ihre Saumseeligkeit. Adieu. J. W. ii iii iv

6 7 8 9

ÜdZ. Orig. davor: noch. ÜdZ: durch. Amschel Adolph Meyer Schnapper, Bruder v. Moritz Meyer Schnapper. Frankfurter Journal. Gemeinnützliche Blätter (vgl. Br. 130). Der Abt. Ein romantisches Gemälde (1821); Das Kloster. Ein Roman (1821).

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139. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 16. April 1822. Nr. 61. Stuttgart den 16 April 1822.i Freÿlich haben Sie recht, es unvernünftig zu finden, daß ich mein Lotterieglück abwarten will, ehe ich mit Cotta spreche. Allein, meine Aengstlichkeit ist mir grade diesmal nicht zu verargen. Soll ich mich eilen den entscheidenden Schritt zu thun? Wenn er mislänge? Sie haben von Cotta’s Geneigtheit für mich, eine zu große oder falsche Vorstellung. Wenn war er denn zuvorkommend gegen mich? Doch nur das Eine Mal, da ich in Paris war. Ich habe ja seitdem, kein Geld von ihm gefordert. Ich kann nur in so weit auf seine Liberalität rechnen, daß er mir für vollendete Arbeiten, bedeutendes Honorar giebt, allein mein Almanach ist ja nicht vollendet. Von jezt bis in 3 Wochen, kann höchstens die Hälfte fertig seÿn. Nun wäre das zwar, in so weit gleichgültig, daß bis die eine Hälfte gedruckt wäre, ich die andere vollenden könnte; aber Cotta hat den vernünftigen Grundsatz, daß er ein Werk nicht eher zu drucken anfängt, bis er das ganze Manusscript in Händen hat. Gäbe er mir das Honorar also gleich, so wäre das wieder wie geborgt. Es ist die Frage ob er das thut, es ist die Frage, ob er mir die 60 Karolin bewilligt, die ich ihm zu fordern gedenke. Ich werde mit ihm sprechen, und Ihnen in meinem nächsten Briefe, den Ausgang melden. – Ihren Bedenklichkeiten mit einem von den Mädchen zu reisen, stimme ich völlig bei; aber wie wird dieses zu ändern seÿn? Ich hätte gegen die Löwenthal gar nichts einzuwenden, ich kenne sie recht gut, sie ist ein sehr ordentliches Mädchen, und ich glaube nicht, daß sie mehr als billig, langweilig ist. Allein erstens, reichte ihr Geld nicht hin, und dann ist zu erwägen, daß wenn die L. Ihrentwegen ihre Stelle aufgiebt, Sie eine Verbindlichkeit auf sich nehmen, auch in der Folge für sie zu sorgen. Auf keine Weise aber, binden Sie sich jezt schon […]ii zur Abreise, Freiheit des Entschlusses behalten. – So nöthig ist es gar nicht, daß Sie aus den gedruckten Blättern, lange Aufsätze abschreiben, verfahren Sie ganz nach Gutdünken und Bequemlichkeit; auch hat es gar keine Eile. – Mit Schnapper zu reisen, weisen Sie auch noch nicht zurück, es könnte vielleicht gut seÿn, davon Gebrauch zu machen. – Ich habe mich auf allen Seiten nach Baden erkundigt; der Aufenti

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert). Geschw. Passage.

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halt dort soll das Angenehmste seÿn, was man sich denken kann. Eines der besuchtesten Gasthöfe gehört dem Cotta eigenthümlich (er hat es verpachtet) Vor einigen Wochen hat er sich einige Stunden von München ein Gut für 120,000 Gulden gekauft. Drei Dörfer schließt es ein. Auch hat der König von Baiern, seinen Sohn zum Kammerherrn ernannt.1 – Sie fragen mich, ob ich von den Briefauszügen viel benutzen könne? Allerdings haben Sie errathen, daß ich sie noch gar nicht gelesen habe. Allein, das unterblieb nicht aus Saumseligkeit. Ich beschäftige mich vor der Hand, neue Gedanken, die mir in den Sinn kommen, niederzuschreiben, und zu dem Aeltern greife ich erst, wenn ich mich erschöpft fühlen werde. Der Gang ist besser, weil ich dadurch eine Sparkasse für den Fall der Noth mir sichre. – Der Freischüz von Weber wurde vor einigen Tagen gegeben. Die Meÿ[n]ungen sind getheilt, aber den Meisten, worunter ich auch gehöre, hat die Musik sehr gefallen. Es ist eine Deutsche Volksthümliche Musik, wie wir doch eigentlich noch gar keine haben. Denken Sie sich einen Deutschen Don Juan, aber keinen aus der gebildeten, sondern aus der niedern Volksklasse – und da haben Sie etwa, die Art und die Würde der Musik, zur Mozartschen Oper gehalten. Es ist recht viel Originelles darin, und viel singbare Sachen. Die Stücke werden alle Gassenlieder werden. Der Weber war lange hier, als Sekretär eines würtembergischen, nun verstorbenen Prinzen, hat sich vieler Prellerien und Spitzbübereien zu Schulden kommen lassen, saß im Schuldgefängnisse, und ist lahm.2 – Das Kloster und den Abt, habe ich schon früher gelesen, aber Kenilworth, gefällt mir nächst Ivanoe,3 am besten unter allen Scottischen Romanen. – Jezt, bei dem herrlichen Frühlingswetter, lerne ich die Stuttgarter Gegenden, täglich mehr kennen. Das ist ein Paradis, nur ohne Engel, und darum sollen Sie hierher reisen, das Paradis zu vollenden. Wenn nur mein Geldplan nicht fehl schlägt, ich stürzte mich ins Wasser, ich verschriebe mich dem Teufel. – Warum haben Sie mir von dem Frankfurter Mess-Philosophen, von Pitschaft4 nichts geschrieben. In 1

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1807 war Cotta in den Besitz eines ehemaligen Kapuzinerklosters in Baden gekommen u. ließ es zum Kurhotel Badischer Hof umbauen. Georg v. Cotta bewirtschaftete die Güter seines Vaters u. war 1821 zum königlich bayerischen Kammerherren ernannt worden. 1822 erwarb Cotta Schloß u. Gemeinde Hohenkammer. Carl Maria von Weber war seit 1807 Privatsekretär Herzog Ludwigs (1756–1817), des Bruders des Königs v. Württemberg. Hoch verschuldet und in eine Finanzaffäre des Herzogs verwickelt, wurde er 1810 des Landes verwiesen. Ivanhoe. A Romance (1819). Pitschaft (geb. um 1789), ehem. österr. Offizier u. reisender Philosoph.

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der Neckerzeitung waren die schönsten Dinge davon erzählt. Wenn Sie ferner so nachläßig sind, werde ich mir einen andern Correspondenten anschaffen. – Wahrlich, Sie haben recht, mich leichtsinnig zu schelten. Wenn das Geld nicht herbeikäme, und nicht allein meiner, sondern auch Ihr Plan würde dadurch vereitelt, ich wäre zu hart gestraft, trotz der Größe meiner Schuld. – Neulich stand im Freimüthigen: „Der Hr. Dr. Börne ist der reiche Mann, der gehörig bestohlen wird etc“5 Und da wird erzählt, daß irgend ein Blatt meine Theaterkritiken Wort für Worte nachschriebe. Sehen Sie, wie gut es ist, daß ich kein Geld habe, man würde es mir auch stehlen. – Vor einigen Tagen habe ich einen Brief von Professor Gubitz in Berlin, Herausgeber des Gesellschafters erhalten.6 „Sie würden mich sehr erfreuen, wenn Sie Ihre, von mir längst geschäzten Talente auch für meine Zeitschrift benutzen wollten. Ich lade Sie hiermit dazu ein, und werde jede, den Umständen nach mögliche Bedingung gern erfüllen.“ Ich habe ihm geantwortet, es wäre sonderbar von dem Hrn. Professor, daß er von mir zu denken scheine, ich wäre ein feiler Schriftsteller der für Geld arbeite. Unentgeldlich stünde ich zu jeder Arbeit bereit, und ich wolle mit einigen Erzählungen, humoristischen Aufsätzen, und einer Rheinreise, hiermit den Anfang machen. War das recht geantwortet? – Was die Dr. Oppenheiner Glück hat! Hat die Sache viel Aufsehen gemacht? – Sie sollen sehen, wir gewinnen sicher in der Lotterie, es ahndet mir. Brüderchen, da wollen wir recht saufen! Und dann reisen wir nach Rom. Wären Sie von so einer großen Reise, wenn das Geld vorhanden wäre? – Ich verbürge mich dafür, daß Sie in Baden Personen genug kennen lernen werden, mit denen Sie sich befreunden mögen, und in deren Familie, Sie den kommen Winter zubringen können. Denn offenherzig gestanden, was wäre bei dieser Reise gewonnen, wenn Sie im Herbste nach Frankfurt zurückkehrten? Ein flüchtiges Vergnügen, durch nachfolgenden Verdruß, theuer erkauft. Sie müssen durchaus Ihren Aufenthalt in Baden benutzen, eine Bekanntschaft zu machen, die Ihnen für den kommenden Winter dienlich sei. Daran wird es nicht fehlen; denn dort kommen Menschen aus allen Gegenden zusammen. Wir brauchen nur das Land zu wählen, wo wir hinmöchten. Dr. Börne, geb. Wohl. 5

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In: Der Freymüthige. Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser, Nr. 50 vom 28. März 1822 (Randglossen). Friedrich Wilhelm Gubitz (1786–1870), (Hg.): Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz.

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140. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . [Frankfurt], den 18. u. 19. April 1822. Nr 61 Donnerstagi 18 April 22.ii Aufrichtig gesagt; unsere Geschäfts und Reisekorrespondenz fängt an mich zu langweilen das eine muß dem Zufall, das andre Ihrer Thätigkeit überlassen bleiben, und daß von lezterem noch weniger Heil zu erwarten ist, als selbst von ersterem, hat mir, meine ich die Erfahrung hinlänglich schon gelehrt. – Sprechen wir also lieber vom schönen Wetter, von der herrlichen himmlichen Jahrszeit! Sie sollten nur die entzückende Aussicht von meinem Fenster aus, ins Freie sehen! Schöner, oder auch nur so schön ist’s bei Ihnen gewiß nicht. – – – Ich bin aber schon mit meiner schönen Frühlingsschilderung zu ende, denn – ich bin nicht vergnügt, und selbst die himmlichste Luft kann Unzufriedenheit nicht heilen. – Waß ist denn das mit dem Cotta für entscheidenter Schritt? Was gewinnen Sie denn mit dem zögern? Entweder er bewilligt, oder verweigert Ihr Begehren, und ich meine je früher eines oder das andre, oder beides entschieden, desto besser wäre es, weil Ihnen denn, in Falle er sich nicht geneigt dafür findet noch Zeit bleibt auf einen andern Ausweg damit zu sinnen. Auch sehe ich nicht ein warum es gerade eine so große Bogenzahl sein muß, da es nur Aphorismen sein sollen, so ist ja das kein geschlossenes Werk, und hat weder Anfang noch ende, da es Ihnen im Augenblickiii ums Geld zu thun ist, so ordnen Sie vorerst, das waß schon vorhanden, so wohl aus den Briefauszügen, als auch waß Sie seitdem niedergeschrieben, und auch was schon ausgedrucktem ausgezogen, diese wenige oder viele Bogen können Sie dem Cotta verkaufen, und er kann Sie als ein kleines Heft heraus geben. Findet dieses Büchlein eine gute Aufname, woran gar nicht zu zweifeln ist, so können Sie ja ein zweites und hunderstes!!! Heft nachfolgen lassen. Ich überzeuge mich immer mehr daß ich stets recht gehabt, und daß Ihre Behauptung falsch war. Sie sagten „wenn ich einen bestimmten Zweck vor Augen haben, kann ich auch etwas dafür thun, und aufopfern, und ich sagte „– – – – ––“ nun, wir wollens erst noch abwarten ! ! .– Der Reis sagte heute, im Freischütz solle sehr viel gestohlnes sich finden. – Vom Gemeini ii

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Orig.: Mittwoch Donnerstag [üdZ] 18 April 22. O. O., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt 18 April – 1822« (Kuvert). – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (ebd.). Orig.: Augenbilck.

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nützlichen sei der Jahrgang wo Ihre Aphorismen enthalten, nicht im Lesekabinet vorhanden, er hat also keine Gelegenheit sie Ihnen zu verschaffen. Von Pitschaft, haben Sie mir die Neuigkeit geschrieben, ich hatte noch kein Wort von diesem Ihrem Philosophen gehört, und fragte erst heute den Reis, wer denn das wäre? – Zimmerns haben mich lezter Tage besucht. Der Onkel lies nicht mit Bitten nach ich solle doch den Sommer in Heide[l]berg zubringen, er wolle mir für sehr volfeiles, und sehr schönes logie sorgen, ich habe es abgelehnt, sie waren erstaunlich verbindlich. – Freitag 19ten. Heute wird schon zum viertenmale der Freischütz aufgeführt, und noch immer konnte ich keinen logen Platz bekommen. Auch hat die Kanzie1 gestern Konzert gegeben. Ich habe sie aber nicht gehört. Ich hatte keine Lust zu Musik, und – auch keine Lust für heute mehr zu schreiben, nächstens mehr. Schreiben Sie mir den Erfolg mit dem Cotta Adieu J. W.

141. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 21. April 1822. Nr. 62. Stuttgart, den 21 April 1822.i Liebe Freundin, Ihr Brief hat mich zum Weinen betrübt. Sie sagen mir, daß Sie misvergnügt wären, und mehr als aus Ihrem Geständnisse, habe ich das aus dem Briefe selbst erfahren, aus der Zerstreuung mit der Sie ihn geschrieben, und aus der ängstlichen Eile, mit der Sie nur suchten zum Schlusse zu kommen! Hat es denn Ihr treuester Freund nicht wissen dürfen, was Sie beunruhigt? Oder fühlen Sie sich krank? Wenn Sie nur einmal Frankfurt hinter sich liegen sähen, und vor sich diese herrliche Frühlingswelt, Sie würden dann gewiss heiter werden. Haben Sie denn noch gar keinen Entschluß gefasst, wann Sie abreisen wollen? Das beste wäre, Sie schiebten das gar nicht auf, und reisen schon mit dem 1sten Mai. Seien Sie

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn Dr. Stiebel an der schönen Aussicht in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Katharina Kanz, auch Demoiselle Canzi (1805–1890), seit 1821 Sängerin an der Wiener Hofoper. Während ihrer Konzertreise gastierte sie auch in Frankfurt.

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ganz unbesorgt um mich, und wie ich zu Gelde kommen werde, das wird mir nicht fehlen. Dem Cotta habe ich mein Büchelchen schriftlich angetragen, und ihm einige Blätter als Probe mitgetheilt. Als ich nun gestern bei ihm war, um seine Entscheidung zu vernehmen, sagte er mir, er habe noch nicht Zeit gehabt die Blätter zu lesen, er wolle das heute thun. Jezt mag er in den Plan eingehen oder nicht, so wird mir das Anlass geben, Geld von ihm zu fordern, und ich glaube nicht, daß er mir es abschlägt. Denn eben gestern erst, hat er sich stark geäussert über das große Interesse, das er auf meine Arbeiten legte. Wie flehentlich hat er mich gebeten, doch für das Morgenblatt zu schreiben, was ich wollte, wie ich wollte, in jeder beliebigen Form, es wäre alles herrlich was ich schriebe. Und dabei hat er einige Male sich der Worte bedient: „ich werde Ihnen sehr dankbar dafür seÿn.“ So werde ich also gleich für das Morgenblatt zu schreiben anfangen, um meinen reichen Mann in gute Stimmung zu versetzen. Habe ich aber erst die Summe meines gegenwärtigen Bedürfnisses, sei es für den Almanach, oder als Darlehen von Cotta eingestrichen, und einige Zeit Beweise meiner regelmäßigen Thätigkeit gegeben, dann will ich sehen, daß ich mir einen fixen Gehalt bedinge, etwa monatlich 100 Gulden. Denn ich habe jezt aus der Erfahrung mit der Neckarzeitung gelernt, daß diese Art der Bezahlung die beste ist. – Ich wollte Sie hätten den Freischütz schon gesehen, damit Sie mir Ihre Meinung darüber hätten sagen können, denn ich muß im Morgenblatte diese Woche davon sprechen, Cotta hat mich gar zu dringend darum gebeten. Ich werde mich wohl hüten blößen zu geben, und meine Fechterstreiche sollen mich schon gegen Angriffe schützen. Denn ein Musikkenner hier, will gegen die Oper, auch im Morgenblatte eifern,1 ich aber gedenke sie zu loben. – Gestern las ich in der Kritik eines humoristischen Werkes von Müllner (nehmlich die Kritik ist von Müllner): „Das wären nun einige Proben von dem Humor des Verfassers; freilich, Jean Paul und Börne, haben ihn besser aufzuweisen.“2 Ich thue alles mögliche, mein liebes Kind aufzuheitern, wenn es noch verdrüslich seÿn sollte beim Empfange dieses Briefes, was aber Gott verhüte. – Ich kenne ja die Aussicht Ihres Fensters, die ist freilich schön, aber hier ist es tausendmal schöner. Wenn Sie nur bald hierherkämen, daß ich Ihnen diese Herrlichkeiten zei-

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Korrespondenznachrichten in: Morgenblatt für gebildete Stände, Nrn. 108 und 109 vom 6. und 7. Mai 1822. Literatur-Blatt Nr. 32 v. 19. April 1822 (Briefe des Deputierten Michael Wahrmann).

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gen könnte. Nur einige Wochen sollten Sie hier bleiben. Vormittags arbeitete ich, und Nachmittags striche ich umher. . Wie nützlich könnten Sie mir seÿn, bei meinen Aufsätzen für das Morgenblatt. Ich bin so ängstlich etwas drucken zu lassen, das nicht vorher Ihren Beifall erhalten hat. Schreiben Sie mir doch ja, wenn Sie denn eigentlich abzureisen gedenken. Wenn Sie keinen frohen Sommer haben, soll es gewiß nicht an mir liegen. Auf nichts will ich sehen als auf den Wink Ihrer Augen, und auf nichts hören als auf Ihre stillen Wünsche. Nach dem ersten Monate unseres Zusammenseÿns, werde ich Sie fragen auf irgend einem schönen Berge: bist Du mit mir zufrieden? Und Sie sollen mir antworten: ja mein Freund, ich bin mit Dir zufrieden. Du, werden Sie sagen, mich zu belohnen – ich setze eine Wette darauf daß es geschieht. – Diese Woche wird ein Frauenzimmer Conzert auf der Clarinett und der Violin geben. Das muß sich komisch ausnehmen. Sie hat in Frankfurt im Museum gespielt. Von Wien aus wird sie sehr gelobt. Ich habe sie kennen gelernt. Ein rechtes Genie! Sie hat einen Knaben bei sich, den sie für ihren Sohn ausgiebt. Ich bemerkte ihr, er sähe ihr auch sehr ähnlich. Da hat sie blos gelacht.3 Nachher hat sie mit einem Engländer angebunden, dessen reiche Uhrkette sie bewunderte, und hat mich sitzen lassen, nachdem ich mich eine Stunde lang mit ihr unterhalten. – Professor List, einer der Herausgeber der Neckarzeitung ist wegen einer Art Staatsverbrechens, zu 10 Monatlicher Festungsstrafe mit Zwangsarbeit, verurtheilt worden. Da hat er sich nach Strasburg geflüchtet.4 Und er hat Kinder und eine hochschwangere Frau, und kann jezt nicht mehr zurück, es müsste denn eine große politische Veränderung eintreffen. – Liebe Verdrüßliche, ich weiß jezt nichts mehr zu schreiben. Mögen Sie so glücklich werden, als ich Ihnen ergeben bin, Sie haben mir aber noch gar nichts schmeichelhaftes gesagt, über unser baldiges Wiedersehen, nicht ein Wort. Ist das Recht? Aber ich liebe Sie doch. Dr. Börne, geb. Wohl.

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Caroline Schleicher (geb. 1794), 1822 verh. Krähmer, hatte am 7. Dezember 1821 im Frankfurter Museum ein Potpourri für Klarinette von Danzi gespielt. Ihr neues Konzert wurde für den 25. April 1822 angekündigt. Friedrich List war für eine regierungskritische Petition, die er als Abgeordneter der Reutlinger Bürgerschaft verfaßt hatte, wegen Verleumdung der Staatsregierung zu Festungshaft verurteil worden (vgl. Br. 26 u. 111).

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142. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . [Frankfurt], den 23. u. 24. April 1822. Nr 62 Dienstag 23 April 22i „Und Ihr Brief, hat mich wirklich zum weinen gebracht, aber sonderbar, doch sehr erheitert. Den Antheil den Sie nehmen hat mich so sehr erleichtert, das es nur eines freundlichen Zuredens bedurfte um mich aus meiner finstern drückenden Stimmung zu ziehen – Sie haben das gethan, und ich danke Ihnen herzlich dafür. Es beunruhigt mich nichts, ich bin nicht krank, ich habe kein Geheimnis für Sie, aber Sie kennen ja meine Verhältnisse, meine Gemüthsart – alles – und da ist mir’s manchmal so satt und müde – doch das ist nichts neues, leider nur zu alt – und jezt ist’s auch schon wieder viel besser, und zuii diesem besser haben Sie viel beigetragen. – Ich lobe Sie darum daß Sie Cottas günstige Stimmungiii benutzen wollen, auch wegen einem fixen Gehalt vom Morgenblatte stimme ich sehr bei, das wäre die beste Art für Sie Sorgenfrei zu leben, nur bedenken Sie das es für den C. erstaunlich viel ist wenn Sie für sein Blatt arbeiten, und daß f 100 Monatlich für Cotta’s Mittel und großer, und dann noch vermehrter Abonenten Zahl sehr wenig ist, also legen Sie sich keine zu große Verbindlichkeiten auf. Schreiben Sie für’s Morgenblatt, aber entweder mit bessern Bedingungen, oder nur diesem Gelde nur so viel daß Ihnen für andre Arbeiten auch noch Zeit übrig bleibt. Der Reis sagte mir eben es könnte recht leicht sein, daß Sie nach dem Ableben der Huber, Redakteur des Morgenblattes würden, wäre denn das so vortheilhaft, oder erwünscht für Sie? Es thut mir, selber leid daß ich den Freischütz noch nicht gehört, ich werde es aber nächstens, darum brauchen Sie aber Ihr Urtheil nicht zu verschieben, Sie können ganz Ihrer eigenen Einsichtiv vertrauen, denn obschon Sie kein th[e]oretischer, noch großer praktischer Musikkenner sind, so begreifen Sie doch sehr gut den dramatischen zusamenhang, den Charakter einer Musik, davon haben Sie in frühern Opernrezensionen die besten Beweise gegeben, und so folgen Sie nur unverzagt Ihrem Gefühle, und eigener Einsicht. Dem Reis hat die Oper, obschon er ihr viel gestohlnes vorwirft, doch i

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O. O., hs. Zus. e. Bearb. »Ffurt 24 April – 1822« (Kuvert). – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (ebd.). Orig.: dazu haben. Anschl. Orig.: für Sie. Davor Orig.: Urtheil.

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im ganzen sehr gefallen, undv besser, als der ganze Rossini. – So schmeichelhaft es mir nun auch ist, daß Sie so viel auf mein Litterarisches Urtheil geben, so schelte ich Sie doch darum, entweder – einen Schmeichler, oder kindisch verzagt, oder verzogen und verwöhnt: wozu noch diese Aengstlichkeit? Ist Ihnen Ihr richtiger Tackt nicht Bürge daß Sie nichts abgeschmaktes sagen? Und das alles was Sie schreiben, ungemein gefällt, ist doch nicht mehr wie früher, wie im Anfange, nöthig von mir bestättigt und versichert zu werden: da alle Welt Ihr Talent weit höher anerkennt als Sie sich je hätten träumen lassen, also, ich bitte, nicht so ängstlich, fassen Sie sich ein Herz, oder – – – wäre Ihre Aengstlichkeit eben so unbesiegbar als Ihre – – – Trägheit? Bitte gehorsamst um Verzeihung für diese Frage, und diese Bitte! – Sie sind recht naiv mit Ihrem Vorschlage, ohne weiteres den 1 Maÿ von hier wegzugehn. Mit wem, und wohin? Das geht nicht so rasch. Ich muß bis im Maÿ noch abwarten, vielleicht kommen Mekels in einigen Wochen, und wenn es sich nur irgend thun läßt, reise ich mit dieser Familie nach Bern, nehme die Lene mit, und wenn in ihrem Wagen kein Platz, so nehme ich einen besondern Wagen für uns drei. Ich bleibe dann in Bern so lange ich will, und wenn ich im August nach Baden gehen will, kömmt entweder meine Schwester die Schnapper, oder sonst einige von meinen Freunden oder Bekannte hier. Ich kann also noch nicht bestimmen wann ich von hier fortgehe, längstens aber bleibe ich bis Pfingsten hier, und wenn sich bis dahin noch nichts entschieden haben sollte, komme ich in jeden Fall nach Heidelberg, wo wir dann beide das Weitere mündlich am besten besprechen können. Sein Sie indess nur recht fleißig, und streben Sie nur dahin mit dem Cotta auf ein bestimmtes vortheilhaftes Einkommen einig zu werden. Mit der Jette oder sonst eine von den Mädchen zu reisen bin ich nun ganz fest entschlossen mich nicht darauf einzulassen, ich habe an Martin Steinthal1 schreiben wollen, und mir eine von seinen Stendaler Cousinen, die sehr liebe wohlerzogene Mädchen sein sollen als Reisegefährtin ausbitten wollen, ich zweifle so gar nicht an der Bewilligung dieser Bitte, aber die Sache ist doch ein bischen weitläufig, und ich will einmal erst Ihre Meinung darüber hören. Also es bleibt dabei wenn Mekels kommen nehme ich die Lene mit und gehe nach Bern, in jeden Fall aber auf

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Orig.: sie gefiel ihm darnach.

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Verh. mit Nanette Ochs (vgl. Br. 104).

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Pfingsten nach Heidelberg, stimmen Sie mir bei? Und läßt sich nichts dagegen sagen, wenn ich so mit Mekels reiste? –– S.2 ist schon länger als 8 Tage von Berlin abgereißt, er macht mit einem guten Freunde die Harzreise zu Fuße, geht über Hamburg und Celle, und wird sehr bald hier sein. Es ist mir nicht bange dafür, ich bin jezt weit ruhiger in der Sache, und es ist mir so gar recht, daß ich ihn vor meinem Weggehen erst noch spreche, Sie dürfen sich also darüber nicht ängstigen. – Die Lage der Familie List3 ist schreklich! Können Sie mir denn nichts darüber mittheilen was der Mann eigentlich verbrochen hat? – Was halten Sie von Dr Reisens Anliegen? Befördern Sie doch die Sache so viel in Ihren Kräften steht, es ist doch abscheulich, daß gerade die vortrefflichste Menschen, die meisten Schwierigkeiten zu ihrem Fortkommen zu bekämpfen haben, der Siegmund, Sie wissen es ja, ist ein ganz herrlicher Junge, und schon seines verstorbenen Vaters wegen, der sich so verdient um die hiesige Judengemeinde gemacht hat, hätte Rothschild so gar alles hervorsuchen sollen, um dem jungen zu nützen, waß sind das für Leute! Ich will Ihnen jezt noch einen Auszug aus einem Briefe von S. mittheilen. – „Der Freischütz gefiel mir zwar sehr, vieles gute hat die Oper, aber rechte Achtung kann ich nicht davor haben, wahres Kunstwerk ist sie nicht, und nur im presens ist man seelig, nicht zurück, nicht vorwärts darf der Gedanke schweifen in Webers Musik, denn Vergangenheit und Zukunft liegen nicht darin, weil es an grandiosem Zusamenhange fehlt, und nur aus interressanten weichen und zarten Momenten bestehet, die zwar mit bedeutenden Erfolg und Geschikt an einander gereiht sind. Er versteht die Herzen. Das Herz aber, das tiefere kennt er nicht, so wie er noch weniger den denkenden Künstler erfüllt, und befriedigt. – – – Das sagt auch der Reis, es wäre nicht große, aber sinnige Musik, das heißt alles verständig geordnet, und klug auf den Effekt berechnet. Zum Beispiel im Lach=Chor, das gefiele sehr, und dennoch wäre alles darin meist Manier. Die Forte und dann die Wiederhohlung Piano dergleichen hätte Mozart nicht gethan, Mozart habe alles durch die Fülle der Melodie und Harmonie bewirkt, die andern suchten durch künstliche Mittel dies zu erreichen, und das nennt der Reis Manier, doch wie gesagt gefällt ihm die Oper, und er sagt, sie werde mir gewiß auch sehr gefallen. Die Canzie4 habe 2 3 4

Aloys Schmitt. Vgl. Br. 26, 111 u. 141. Vgl. Br. 140.

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ich in einer Rossinischen Oper gehört. Das heißt über allen Ausdruck schön gesungen, schade das es keine Mozartsche Oper war, wenig hübsches, und dann immer das nämliche Gedudel in einer wie in allen Rossinischen Opern. Was werden Sie mir böse sein über meine lange und langweilige Musikberichte! Ich werde Ihnen mündlich Abbitte thun, auch geschah es nur in der guten Absicht Ihnen zu nützen. Leben Sie wohl, und sagen Sie mir recht bald etwas erfreuliches. J. W. den 24.vi

143. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 26. April 1822. Nr. 63 Stuttgart d. 26 April 1822i Sie werden mir meine Besorgnis nicht ausreden, über das was daraus entstehen kann, wenn Sie die Ankunft des S.1 abwarten. Ich habe immer gefürchtet, daß Sie das thun würden, und jezt thun Sie es wirklich. Wären Sie recht fest entschlossen, sich aus diesem unglückseligen Verhältnisse zu ziehen, würden Sie sich die Ausführung dieses Entschlusses nicht vorsätzlich erschwehren. Wenn S. kömmt wird es wieder Händel geben. Die G.2 wird sich in ihrer Freudigkeit auffallender Schritte nicht enthalten können, ihre Eltern werden Lärm machen, d. G. kann wieder krank werden. Oder Sie überreden S. von Frankfurt weg zu gehen, er wird es versprechen, und nur um einige Woche Frist bitten. Dann wird man Ihnen anliegen, auf so lange Ihre Reise zu verschieben. Sie können noch auf hundert andere Arten verwickelt werden, und dann sind Sie um Ihren Zweck betrogen, weil Sie es nicht anders haben wollten. Ich rathe Ihnen früher abzureisen als S. ankömmt. Ist er in Leidenschaft, wird all Ihr Sprechen fruchtlos seÿn. Nimmt er Gründe an, ist ein Brief, den Sie ihm schreiben, auch genug. Warum also vi

»Maÿ«., hs. Zus. e. Bearb.: »April«.

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Aloys Schmitt. Guste (Auguste Wohl).

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auf ihn warten? – Wenn Sie nicht mit Meckels reisen, mit wem denn sonst? Da Sie ja entschlossen sind, keine der Frankfurter Mädchen mitzunehmen. Das mit den Steinthals ist ja ganz toll, warum sollten Sie sich diese Last aufbürden. Können Sie denn nicht allein mit der Lehne und mir reisen? Dann käme ich Ihnen bis Heidelberg entgegen. Und wenn Sie mit Meckel reisen, was soll ich dann thun? Schlimm ist es, daß Sie nicht bestimmt wissen, wann Meckel nach Frankfurt kommen. Auf jeden Fall müssen Sie sich reisefertig machen, denn Meckels werden sich wohl nicht lange in Frankfurt aufhalten. Und wie dann mir schnell Nachricht geben? Allein, das kümmere Sie nicht, machen Sie nur, daß Sie fortkommen, ich werde Sie schon finden. Wenn Sie sich einen Wagen allein nach Bern nehmen müssten, dann führe ich also mit. Denn es wäre auch zu kostspielig sonst; ein Wagen nach Bern kostet 80 bis 100 fl. Es schwindelt mir ganz, ich kann nicht klug werden aus der Sache. Sie müssen mir bestimmt schreiben, wie Sie es in diesem und jenem Falle halten wollen, und wie es mit mir gehalten werden soll. – Ich glaube schon früher einmal, hatten Sie mich gebeten, ichii solle mich bei Bethmann für Einen verwenden, ich weiß nicht mehr für Wen. Und schon damals schrieb ich Ihnen, daß ich mit Bethmann und Kirchner sehr schlecht stehe. Ich kann Sie versichern, daß sie mich nicht ausstehen können. Unsere Gesinnungen können nicht feindlicher entgegengesezt seÿn. Bethman hat mich niemals zum Essen eingeladen; weder eriii noch Kirchner haben, so oft ich ihnen auch darum angelegen war, sich verwendet, mich ins Lesekabinett zu schaffen, was sie wohl gekonnt hätten. Sie glauben nicht, wie viel sich die Minister, und solche die, wie Kirchner und Bethmann, mit ihnen zusammenhalten, sich angelegen seÿn lassen, Liberalgesinnte meinesgleichen, deren Reden sie fürchten, aus der Gesellschaft entfernt zu halten. Sie confisziren einen wie ein Buch. Es ist ihnen keine Verläumdung zu arg. Hat doch selbst der Hr. v. Handel,3 den Rothschild voniv mir gewarnt, und ihm gesagt, ich wäre ein Spion – wie mir der verstorbene Sichel erzählt hatte. Sie können sich keine Vorstellung machen, mit welcher Kleinlichkeit, diese Verfolgung geübt wird. Dazu kömmt ii iii iv

3

Orig. davor: und. ÜdZ. Gemeint ist wohl: vor. Paul Anton Freiherr v. Handel (1776–1847), Wiener Hofrat u. 1816–1834 Direktor der Bundespräsidialkanzlei in Frankfurt.

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noch, daß ich Bethmann und Kirchner das nehmliche gesagt habe, was ich Ihnen jezt eben schreibe, und allen möglichen Spott dabei hieneingelegt habe, über solche Erbärmlichkeiten. Es war meine größte Freude, Kirchner, der ein großer Schuft ist, und dessen Schuftereien ich kenne, dadurch in Verlegenheit zu setzen, daß ich gegen Schufte seines Gleichen los zog. Wen ich diesen Leuten empfehle, ist schlecht empfohlen. Ich würde dem Reis rathen, sich selbst an Bethmann, durch Kirchners Vermittelung zu wenden, Kirchner ist äusserst gefällig, wenn er grade keinen bestimmten Grund hat, es nicht zu seÿn. Oder ich rathe ihm, zu warten bis wir in der Schweiz sind. Dort ist die Judenbekehrungssucht eigentlich zu Hausse, und ich wollte mich dafür verbürgen, daß der Siegmund in einer Basler Handlung eine Stelle fände, wenn man sich geneigt zeigte, ihn die Taufe nehmen zu lassen. Vor einigen Tagen, war von der Bassler Judenbe[ke]hrungsgesellschaft4 ein Missionär hier, ein getaufter Jude, der hat mich im Wirthshaus bekehren wollen. Ich habe ihn aber gewaltig in die Enge getrieben, und es hatte sich eine Zahl Gäste um uns versammelt, den Spas mit anzuhören. Dieser Missionär hat mir gesagt, ich wäre in der Schweiz vortheilhaft bekannt. Um so leichter also, könnte ich für Siegmund etwas thun. Ich ließe ihn Buchhandlung lernen. Das ist ein Geschäft, wobei man mit Bildung und Verstand, auch ohne mit Vermögen anzufangen, sein Glück machen kann. Besonders wenn man sich die Verhältnisse denkt die nach 10 Jahren (wo Siegmund doch erst selbstständig wird) in Deutschland eintreten werden. Je unruhiger die Zeiten werden, je mehr steigt der Büchhandel in Flor, wenigstens in einigen Artikeln, die aber sehr bereichern. Sie haben keinen Begriff davon, wie viel das politische Leben in Frankreich (das sich auch bei uns entwickeln wird) auf den Flor des dortigen Buchhandels eingewirkt hat. Ihnen nur ein einziges Beispiel zu geben. Seit 5 Jahren sind in Paris 16 neue Ausgaben von Voltaire erschienen, und nur allein das Papier zu diesen Werken, hat in Werth 3 Millionen Franken betragen. – Ich habe eine Kritik des Freischützen eingeschickt.5 Sie ist in Form eines Briefes an ein Frauenzimmer eingekleidet. Ich will nehmlich öfter solche Briefe schreiben, und von Literatur, Theater, Tagesbegebenheiten sprechen, wie man mit Frauenzimmern von solchen 4

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Nach dem Vorbild der London Society for promoting christianity among the Jews wurde 1820 unter Mitwirkung Christian Friedrich Spittlers (1782–1867) die Baseler Gesellschaft für Verbreitung des Christenthums unter den Juden gegründet. Vertrauliche Briefe in: Morgenblatt Nr. 106 v. 3. Mai 1822.

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Dingen spricht. Sie werden über meinen zimperlichen Brief lachen. Er beginnt wie folgt: „Ich habe Ihnen Alles auf das schönste besorgt, und Sie werden Ihren Diener loben. Doch nein, nicht Alles. Oblaten von der Kleinheit wie Sie sie wünschen, waren nicht zu haben. Vielleicht suchte ich auch nicht emsig genug, denn es war grade kein Geschäft, das mich erquikte. Zwanzig Male fragte ich mich auf dem Wege zum Papierladen: für Wen mögen sie wohl bestimmt seÿn, denn es sind ja die größten Geheimnisse die man mit den kleinsten Oblaten versiegelt. Und da kam mir Ihr Onÿx in den Sinn, der auch klein, und worauf, ich weiß nicht welches Kind eingegraben ist; ich glaube Ihr Brüderchen. Daß Sie mich zu Ihrem Literatur-Minister ernannt haben, machte mich sehr lachen. Sie sind doch immer neu! Welcher Mensch hat sich je an einen Kriminalrichter gewendet, daß er ihm einen treuen Bedienten verschaffe? Und ich soll Ihnen gute Bücher empfehlen? Ich, ein Buchrichter, ich, ein Blutmensch? Was kümmern mich die guten Werke der Leute! Die geben mir weder Amt noch Brod. etc. etc. „Es soll aber doch geschehen. Ich will meine Gerichtsferien benutzen Leseproben für Sie zu halten. Seien Sie aber dankbar, und wenn ich einschlafe, erquiken Sie mich mit angenehmen Träumen.“ Den Freÿschütz habe ich mit Vorsicht gelobt, aber über den schrecklichen Lärm, den sie überall davon machen, weil es ein ächt deu[t]sches Werk sei, mich sehr lustig gemacht. Gehen Sie in Ihren Briefen auf meine gedruckten im Morgenblatte etwas ein. Das macht die Sache lebhaft, und Sie geben mir Stoff zu Antworten. Die Briefe sind ja eigentlich an Sie gerichtet, und ich habe Sie jezt ganz in meiner Gewalt. Wenn Sie nicht bald reisen, mache ich mich öffentlich lustig, über Ihre große Vorbereitungen. Ich habe Ihnen neulich einige Worte über Walter Scott gesagt. Schreiben Sie mir das ab. Wenn es Cotta zufrieden ist, werde ich jede Woche einen Brief drucken lassen. – Wie ist denn Schmidt’s Conzert in Berlin ausgefallen. Ich habe bis jezt in den Berliner Blättern nichts davon gelesen. – Die Redaktion des Morgenblattes möchte ich nicht übernehmen. Warum sollte ich mich so binden? – Lassen Sie der Lehne, wenn Sie sie mitnehmen, angemessene hübsche Kleider machen, damit sie wie ein Kammermädchen einer Dame von Stande aussehe. Wir wollen im Bade auf großem Fuße leben. Ich werde 12 meiner Pferde, und meine Jagdhunde mit mir führen. – Sind unsere Lotteriezettel noch nicht herausgekommen? – Die Canzi6 wird auch hier erwartet. – Der

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Vgl. Br. 140.

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Teufel soll alle Juden holen. Eben komme ich aus Ottenheimers Küche, wo ich gefragt was sie mit der Weinsauce machen wollten? Zu Spargeln wollten sie sie essen. Haben Sie je gehört, daß man Spargel in Weinsauce kocht? Immer weichen sie ab von europäischen Sitten. – Sie haben mir immer noch nichts schmeichelhaftes gesagt, über das Glück mich bald wieder zu sehen. Ich will Sie schon zwingen, ich drucke meine Empfindlichkeit darüber im Morgenblatte. – Dr. Börne, geb. Wohl.

144. An L udw i g Bö r n e i n [ S tu t tg art]. [Frankfurt], den 29. April 1822. Nr 63 Montag 29 April 22i Brief von Mekel1 ist heute gekommen, lautet wie folgt. – „Lieber Stiebel. Da ich die Sorge für Deine Freundin übernommen habe, was ich auch fernerhin so gewissenhaft zu thun gedenke, als ob sie eine Freundin oder Verwandte von mir wäre; so muß ich Dir jezt über ihre Herreise und hiesige Wohnung meine Meinung mittheilen. Zu Ende Mai’s kommt ein Berner Lohnkutscher, Kiener aus Holland zurück durch Ffurt, wo er im weisen Schwanen einige Tage bleiben wird, gerade nach Bern. Er ist hier als sehr reel bekannt, und auch wenn Deine Freundin allein mit ihm reisen sollte, wäre sie ganz gut gut versorgt. Doch sie wird nicht allein seÿn, es sind zwei Mädchen aus Bern, Fräulein Maurisse in Ffurt welche, wie ich von der Frau des Kiener gehört habe, dieselbe Gelegenheit zu Herreise benutzen wollen; den Akkord wirst Du wohl mit dem Kiener machen: der Wagen soll sehr groß und gut sein, 100 [Pfund] werden frei mitgenommen, für das Uebrige wird bezahlt. Für eine Wohnung in der Nähe der unsrigen habe ich vollständig gesorgt, aber freilich ist dies ein sehr theurer Punkt hier. Bestimmt kann ich den Preis noch nicht angeben, aber schwehrlich unter f 200 Jährlich, mit Meubeln, Aufwartung, Speisung, Wäsche, u. dgl. wird

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O. O., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt« (Br.k.). – o. Adr.

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Vgl. Br. 104.

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leicht zu arrangiren seÿn, ist jedoch alles nicht wolfeil in Bern. Daß ich alles was in meinen Kräften steht, beitragen werde, um es der Dame möglichst wolfeil und gut hier einzurichten, darauf gebe ich Dir mein Wort. – Du wirst Dich wundern, daß bei alle dem nicht von meiner Frau die Rede ist. Diese macht die Reise mit ihren Aeltern, steht also unter dem Einfluße derselben, und dies sind peinliche Leute voller Bedenklichkeiten, darum habe ich mir Mühe gegeben, die angegebene Reisegelegenheit auszumitteln. Hier wird sich alles finden, und Deine Freundin wird mit meiner Frau gewiß zufrieden seÿn. Lebe wohl und empfiel mich den Deinigen, antworte ja bald (haupsächlich in Betreff der Herreise und der Wohnung) Deinem Freunde. Bern 23 April –– Wenn Sie in Stuttgart Gelegenheit haben Leute zu sprechen die in Bern Meklii bekant sind, so suchen Sie genau zu erfahren wer diese Mädchen Maurisse sind. Stiebel und andre werden sich hier um Auskunft bemühen. Mekel benimmt sich in dieser Sache äusserst höflich gefällig und freundlich, man kann nicht mehr fodern, und auch,iii nicht mehr leisten, was halten Sie von seinen Vorschlage? Auf was ich am meisten in Ihrem Briefe gespannt war, war gar nicht darin zu finden, was hat Cotta zu Ihrem Aphorismen Werke gesagt? ich fürchte aus ihrem Schweigen zu errathen, daß nichts aus dem ganzen Anschlage wird. Es bleibt in jeden Fall dabei, daß ich auf Pfingsten nach Heidelberg komme, wenn ich nach der Schweiz, oder auch nach Baden gehe, und wenn Sie Einrichtungen zu treffen haben so nehmen Sie diese Weisung zur Richtschnur. – Was Sie über den Sigmund sagen, daß er die Buchhandlung erlernen soll leichtet mir sehr ein, ihn in die Fremde zu geben, wäre er noch zu jung sagt der Reis, er bedürfe noch der Aufsicht, und da verfiel ich auf der Germanischen Buchhandlung, beim Reinherz,2 wer hat am meisten Einfluß auf diesem? etwa Sie, oder der Dr Goldschmidt? Wenn man beim Buchhandel so reich werden kann, warum werden Sie nicht Buchhändler? Das wäre das Gescheidteste was Sie noch je gethan hätten, wenn Sie es einzurichten suchten ein reicher Mann zu werden. Ihr Morgenblatt Brief Auszug gefällt mir recht gut, und wird allen Gefallen, denn – Sie haben Glück – aber kein Geld! Das ist heut zu tage freilich ein großes Unglück, ein unbaares Glück! Drohen Sie nur nicht so arg! ich fürchte mich gar nicht vor Ihrer ii iii

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ÜdZ. ÜdZ. Vgl. Br. 69.

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Fehde. Zanken auf der Reise, davor fürchte ich mich, aber gedruktes zanken, das kömmt nicht – und dauert nicht – ich kenne meinen Mann! S3 hat dem Speier von Berlin aus hundert und 20 Friedr: d’or an Gold geschikt, er solle sie ihm aufbewaren, eriv selber hat nur v weniger über sein Konzert geschrieben, Sie wissen das er die Bescheidenheit sehr weit darin treibt. – Meine Lotterie Numern sind herausgekommen – Blind. Ihr Glücksloos ist noch nicht entschieden, aber darauf mein lieber träger Freund zählen Sie ja nicht. hören Sie, und sagen Sie mir in Ihrem nächsten Briefe ob Sie nichts bekommen für Ihr Büchlein, denn mir ist’s immer besser eine Sache entschiedten zu wissen. – Es ist eine Demoiselle Kaula hier, ist das dieselbe für die Sie einen Eheherrn von mir verschrieben haben wollten? Wenn Sie recht viel Geld hat, heirathet sie vielleicht hr Adolph Schnapper,4 es ist dies nur so eine Idee von mir, denn ich weiß nicht ob er schon gewählt hat, oder in Wien wählen wird, wohin er nächste Woche zu reisen gedenkt. – Ich hätte Ihnen noch nichts schmeichelhaftes gesagt über das Glück Sie bald wieder zu sehen. – Ei Sie haben ein schlechtes Gedächtnis, ich weiß daß es mir immer eine angenehme Hoffnung war, und diese Empfindung habe ich gewiß schon in irgend einem Briefe an Sie ausgesprochen, lesen Sie aufmerksammer künftig, damit Sie mir nicht selber Veranlassung geben, Sie solcher Zerstreuung und Flüchtigkeit zu zeihen! Werden Sie auch einen Meßmonat bericht ins Morgenblatt liefern? ich habe von allen ausgestellten Merkwürdigkeiten nur eines gesehen, und wenn ein Frauenzimmer witzig sein dürfte, würde ich Ihnen erzählen, wie ich bei fürstlicher Tafel zugegen, und hohe Herrschaften speisen gesehen. Es gieng aber sehr einfach dabei her, denn – sie bekamen nur rohes Fleisch, und frisches Wasser, welches mit Majestätischer Ruhe, und großer Behaglichkeit von der fürstlichen Löwenfamilie verzehrt wurde. Die haben eine einfache Hofhaltung! Was meinen Sie wohl welche Vorstellungen mich in dieser Pallast=Hütte zu erst ergriffen? Sie haben’s gewiß schon errathen daß es Furcht war! Wenn der mächtige Löwe, sich mit alle seiner Macht und Kraft, und dennoch so ohnmächtig an seinem Käfig Gitter drängte, und mit Augen und Rachen zu verschlingen drohte, versteckte ich iv v

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Orig. davor: Sie. ÜdZ, Orig.: nichts über. Aloys Schmitt. Vgl. Br. 138.

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mich ein klein bischen hinter die andern Leute, und doch zog mich die eben so mächtige Schaulust wieder herfor. wie dauerten mich die armen Thiere in ihren engen Behältern! ich hätte ihnen allen die Freiheit geben mögen, versteht sich wenn ich erst von der Höhe des Pfarrthurms aus ihre freudige Sprünge hätte mitansehen können. – Adieu ich muß eilen, ich habe mich verspätet, und der Himmel weiß ob der Brief noch heute auf der Post an Sie abgehen wird. Noch in aller Eile den Auszug über W. Scott, aber dennoch wortlich. – J. W. „Ich lese jezt den Kenilworth von W. S. Wenn ich nicht irre haben Sie mir früher schon von diesem Romane geschrieben. Was ist das für ein Mann! Ganz Schakespaere, nur so viel erfreulicher, als Romane anziehender sind, wie schauspiele, das noch jezt einer den Muth hat neben W. S. Romane zu schreiben! Nicht Göthe, nicht Jean Paul brauchte abzuschrekken, man kann doch wenigstens einen Theil des Berges ersteigen, auf dessen Gipfel sie stehen. Aber W. S. steht auf einem Felsen im Meere, an den man scheitert, will man sich ihm nahen. Wie er die Menschen schildert! Wie weit weniger haben hierin die größten Künstler, die Menschen maler vi gethan. Sie waren unbefangen, sie hielten sich an das was sie Natur nannten, sie betrachteten ihre Personen von der guten und von der bösen Seite, wie man einen Zeug herumwendet, um seine umgekehrte Seite und Farbe zu zeigen. Aber das ist nicht die lebendige Menschennatur. Das Gute und Böse, das Schöne und Häßliche im Menschen ist gemischt wie Wasser und Wein, und bildet ein Ganzes. Wie hat er Elisabeth und Leicester geschildert! Da braucht man nicht zu addiren, um die Summe ihres Charakters zu finden, in allem was sie thun und reden, sind sie ganz sie selbst, und um die Bestan[d]theile ihres Charakters kennen zu lernen, muß man sie schemisch zergliedern. Scott schreibt Romane wie man die Geschichte schreiben soll. Auf jeder seiner Seiten fällt mir nur immer ein, was andere geringere Dichter bei dieser Gelegenheit für Fehler gemacht hätten. Z. B. mit welcher bewundernswürdigen Nüchternheit läßt er bei Hofe von Schakesp. sprechen, ohne darum diesen Dichter verkennen zu lassen. Erinnern Sie sich der Audienz Scene. Der Wasserfarth der Königin, wie ist das alles herrlich. Und die Schilderung der [Hoff. des Zwergs?] der Reise der Gräfin Le[ic]: nach Kenilworth. –––

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Im Orig. überschr.: mMenschen Mmaler.

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145. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 30. April 1822. Nr. 64. Stuttgart, den 30 April 1822.i Holdes Maiblümchen! Ich schreibe Ihnen heute ausser der Regel, ohne Ihren Brief abzuwarten, der morgen kömmt, denn morgen werde ich nicht schreiben können, weil eine große Landparthie gemacht werden soll, zur Feÿer des 1sten Mai. Ach, warum können Sie nicht dabei seÿn! Ohne Sie ist mir der Mai nicht schöner als der November. 80 bis hundert Personen, Herrn und Mädchen, versammeln sich morgen früh 7 Uhr vor der Stadt. Dann wandert man durch herrliche Thäler und über waldiges Gebirge nach einem zwei Stunden weit entfernten koniglichen Schlosse, Solitüde genannt. Das liegt in der höchsten Gegend. Es soll eine paradischsche Aussicht seÿn. Da wird der ganze Tage zugebracht. Die Militairmusik zieht hienaus, und Nachmittags wird in einem der großen Säle des Schlosses getanzt. Es ist eine geschlossene Gesellschaft, und alles was vornehm, schön, reich, jung oder verliebt ist kömmt dazu. Es wird vom Unternehmer für Wein und kalte Küche gesorgt, und die Kosten werden nachher berechnet und vertheilt. Wenige dabei anwesenden Mütter und Väter fahren in Wagen, wir jungen Leute aber gehen sachte die Höhe hienan, und haben uns lieb. Ich werde Ihnen übermorgen meinen umständlichen unterthänigsten Bericht über diese Fahrt abstatten. Wahrscheinlich auch, werde ich sie im Morgenblatte beschreiben. Wenigstens habe ich das hier ausgesprengt, weil ich hoffe, daß sich manches schöne Mädchen, um meine Gunst bemühen wird, um von mir im Morgenblatte gefeÿert zu werden – – Ich bin mit Cotta im Reinen, und das auf die schönste Art von der Welt. Ich werde nicht allein die 60 Karolin bekommen, sondern auch nicht einmal nöthig haben, ein lüderliches Buch voll Miszellen dafür zu schreiben. Sie haben wieder Recht. Die alte Schuld fällt ihm gar nicht ein, und es sieht aus, als habe er mehr Vergnügen daran mir Geld zu geben, als ich habe, es zu empfangen. Sie wissen schon, daß ich ihm einige Blätter als Probe mitgetheilt. Nun war ichii mehrere Male bei ihm, ohne daß er davon sprach. Ich in meiner Aengstlichkeit, schwieg auch davon. Da erfuhr ich von einem Bekannten, daß Cotta nach Leipzig reisen werde. Ich zitterte vor Ihrem Zorne, denn Sie hatten mir es vorhergesagt, Cotta könne plözlich eine Reise mai ii

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel frei in Frankfurt a/m (Kuvert). ÜdZ.

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chen, und wir hierdurch um unsern ganzen Plan betrogen werden. Was wird sie sagen die Furchtbare? dachte ich. Nie sind Sie mir schauerlicher erschienen. Da fasste ich mir ein Herz, oder vielmehr ich unterdrückte mein Herz, denn ich habe davon zuviel für Geldgeschäfte – ging zu C. und sagte ihm: „Sie haben sich wahrscheinlich über mein Büchelchen noch nicht besonnen. Ich will es Ihnen offenherzig gestehen, daß mir sehr wenig daran liegt, ob das Büchelchen bald, spät oder gar nicht gedruckt werde, aber es war eine Finanzspekulation von mir. Ich bin in großer Geldnoth, und da dachte ich, mir von Ihnen Geld geben zu lassen, und Ihnen dafür das Büchelchen anzubieten.“ Er: „Wenn Sie Geld brauchen, so ist nichts weiter nöthig. Wie viel brauchen Sie denn?“ Ich. „Ich habe am 1sten Mai eine Schuld von 60 Karolin zu bezahlen“. Er (krazt sich hinter den Ohren) wenn es nur nicht so viel wäre“! Ich. O, an Geld wird es Ihnen nicht mangeln“ Er. Doch. Ich habe mein Gut in Baiern mit 120,000 Gulden baar bezahlt u. s. w. Kurz er versprach mir das Geld. Was das Büchelchen betrifft, bemerkte er mir, er habe die Proben mit Interesse gelesen, meÿne aber, in Almanachsform ginge es nicht gut. Ferner: 60 Karolin wäre zu viel. Er hat auch recht. Denn er bewies mir, daß er 700 Exempl. verkaufen müsse, um nur die Kosten herauszubringen. Ich aber, lachte ins Faustchen, dachte: das Geld kriegst Du nun einmal, jezt mag es mit dem Büchelchen gehen wie es will. Ich brach also ab, und fing von andern Dingen zu reden an. – Etwas für Ihre Mühle: Cotta sagte mir lachend: ja wenn Sie nur schreiblustiger wären (d. h. ins Grobe übersezt: wenn Sie nur nicht so faul wären) Worauf ich mit himmlischer Ruhe, und großer Unverschämtheit erwiederte: So faul, wie Sie vielleicht glauben, bin ich eigentlich nicht . . (kling, kling, kling! ich will nur erst den Satz ausschreiben) Sehen Sie, ich arbeite an einem großen politischen Werke, und auch an einem Romane, woran ich meine Liebhaberei habe. Das nimmt mir meine Zeit weg, und andere Dinge schreibe ich nur wenn ich Geld brauche – – das Kling, kling bedeutet, daß mir C. so eben, 660 fl. schickt, mit einem Billet. Aber, was ich vorhin behauptet, daß er die alte Schuld vergessen, wird durch das Billet widerlegt. Er spricht davon, doch artig. Ich schreibe das Billet ab: „(4 Unleserliche Worte, womit d. Billet beginnt. Dann:) . . gewünschte fl. 660. Sie dürften es als einen großen Beweis meiner Achtung und Verehrung annehmen (od. ansehen) daß ich mich bei meinem großen gegenwärtigem Geldbedürfnis, dieser Summe . . . (unleserliches Wort) – da ich sonst jede Kleinigkeit zu Rathe halte. Unsere Rechnung steht bis jezt (unl. Worte) 1500 Fr. 712 fl. – 660 fl. macht zusammen 1372. Davon ab. für

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pol. Annalen1 (ein Aufsatz) 27 fl. 30 kr. bleibt: 1344. 47 kr. Das Honorar für Morgenbl. ist noch nicht bestimmt“ – Ich mußte lachen über seine Kreuzerrechnung. Für den Aufsatz in den Annalen hat er also nur 2 Karolin gerechnet für den Bogen. Dafür bedanke ich mich aber. Ich schreibe ihm keinen Bogen unter 5 Karolin. Gut, daß ich ihn in meiner Gewalt habe. Ich werde aber heute deswegen mit ihm sprechen, und ihm folgenden Vorschlag machen. Er soll mir, für regelmäßige Theilname am Morgenbl. u. Litteraturbl. monatlich 150 fl. geben. Aber nur 50 fl. baar, und die andern 100 an der Schuld abziehen. Da ich als dann mit der Neckarzeitung monatlich 100 fl. habe, so kann ich, besonders, da ich jezt einen Geldvorrath habe, bis zur Tilgung der ganzen Schuld, recht gut auskommen. . . Schrecklich viel Geld habe ich jezt! Brüderchen, nun wollen wir heirathen. Erstens: 660 fl. Dann habe ich für 2 Monate von der Neckarz. 100 fl. zu fordern. Baar in Kasse. 4 fl. 27 kr. macht zusammen: 764. 27 kr. Ihre 20 000 fl. dazugerechnet, beträgt: 20 764 fl. 27. kr. Schreckliche Summe! – Jezt ist mirs aber auch, als hätte ich Quecksilber in den Füßen, und Sie dürfen nicht lange zaudern, sonst komme ich. – Aber wissen Sie, daß ich jezt sehr verdrüßlich wäre, wenn Sie nach Bern gingen, oder wohin sonst, ohne einige Wochen hier geblieben zu seÿn. Wenn ich jezt von Stuttgart weg ginge, würde mich das bei Cotta in sehr übles Licht sezen, und ich alles Zutrauen verliehren. Er weiß nicht anders, alsiii daß ich, jezt viel für das Morgenbl. arbeiten wolle, da ich es ihm versprochen. Gehe ich aber fort, so wird er meÿnen, ich hätte blos der Reise wegen mir das Geld geben lassen. Blieben Sie aber einige Wochen hier, hätte ich Zeit meinen guten Willen zu offenbaren, und wenn wir dann später nach Baden reisten, hätte das nichts zu sagen. Ueberlegen Sie das. Uebrigens würde ich Sie jeden Falls von Heidelberg abholen. Eine Entfernung von wenigen Tagen fiele nicht auf. – – Meine Mutter hat noch meine Sommerkleider in Verwahrung, die ich mir kommen lassen will. Darf ich ihr schreiben, das Paket zu Ochs zu schicken, und wollen Sie mirs dann mitbringen? Dr. Crösus, geb. Wohl

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ÜdZ. Vgl. Br. 25.

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146. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 2. Mai 1822. Nr. 65. Stuttgart d. 2 Mai 1822.i Warum mir gestern nicht geschrieben? Warum grade gestern nicht! Aus meinem lezten Briefe werden Sie ersehen haben, daß ich auf diesen Tag eine Lustfahrt vor hatte. Ihre Briefe erhalte ich morgens 8 Uhr, aber unsere Abreise war auf 7 Uhr festgesezt. Daß mir aber an meiner Freude nichts fehle, hatte ich den Tag vorher die Postleute gebeten, mir den Brief zurückzulegen, daß ich ihn vor 7 Uhr schon abholen könnte. Es wurde mir auch zugesagt. Als ich des Morgens nachfragte, war keiner da. Ich war wie zermalmt, – nicht sowohl wegen der Schmerzlichkeit der Täuschung selbst, als wegen des Gedankens der mir dabei in den Sinn kam: daß es doch keine reine Freude gäbe. Indessen ermannte ich mich, und nahm mir fest vor, meinen Verdruß nicht aufkommen zu lassen, und es gelang mir. Vor der Stadt, an einem Teiche, der Feuersee genannt, sollten wir uns versammeln, um dann in Gesellschaft die Wandrung anzutreten – so war die Abrede. Als ich auf den Platz kam, war noch Keiner da. Diese Einsamkeit hätte ich benutzen können Ihren Brief zu lesen, wenn ich einen gehabt hätte. Endlich kam ein Herr mit drei Frauenzimmern. Ich trat sogleich zu ihnen hin, verbeugte mich mit Grazie, und sprach mit dem mir eigenthümlichen zauberischen Lächlen, folgende Worte: „Sie gehören zur Gesellschaft, die nach Solitüde wandert? Ich bin ein Fremder, und von den wenigen Bekannten die ich habe, ist noch keiner hier. Ich bitte Sie mich unter Ihrem Schutz zu nehmen.“ Ich wurde mit der größten Freundlichkeit und Artigkeit aufgenommen. Ich schloß mich gleich an das schönste jener drei Frauenzimmer und begleitete sie den ganzen 2 Stunden langen Weg, von der übrigen Gesellschaft, etwas entfernt. Nie war ich liebenswürdiger gewesen, und Ihr Zögling hat Ihnen Ehre gemacht. Ich war so glücklich, unter den wenigen gebildeten Mädchen die es in Stuttgart überhaupt giebt, grade mit dem gebildesten zusammenzutreffen. Ich sprach von meinen Reisen von unserer Rheinreise, und erzählte alle Plagen die ich mit Ihnen gehabt. Der Zug bestand aus etwa 100 Personen, und es war ein herrlicher Anblick, wenn man ihn, zurückbleibend, den Berg hienan, oder voreilend, die Höhe herabsteigen sah. Ach, und welche Schönheiten! Mein Herz sieht aus wie ein Stai

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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chelschwein, so voll steckt es von Pfeilen. Um 10 Uhr kamen wir nach Solitüde, wo wir von herrlicher Musik empfangen wurden. Welche Aussicht, welche Landschaft! Dann wurde Chokolade und Wein gefrühstückt. Dann ging es nach einer offnen Stelle des Waldes. Die Frauenzimmer warfen sich ins Gras, wir uns zu ihren Füßen. Dann wurden Eichenblätter gepflückt, und die Frauenzimmer flochten Kränze, die sieii sich selbst in die Haare, den Herrn um die Hüte banden. Nachher wurden Gesellschaft=Spiele getrieben, meistens in Laufen bestehende: Wolf und Hasen – Katz und Maus. Sie hätten mich als Katze sehen sollen! Man muß ein Mädchen als die Maus erhaschen. Mittag gingen wir ins Schloss zurück und speisten. Es war die jubelnste Gesellschaft, die ich je gesehen habe. Die ältern Herrn betranken sich, die Frauenzimmer sangen. Ich hätte nie gedacht, daß sich so viele Ausgelassenheit mit so vielem Anstande paaren ließe. Ich habe nie in meinem Leben einen vergnügtern Tag verlebt (Denn Sie zähle ich nicht zu meinen irrdischen Freuden) Nach dem Essen wurde bis Abends 8 Uhr getanzt, und dann ging man nach Hause. Ich habe bei dieser Gelegenheit die hiesigen Frauenzimmer näher kennen lernen. Sie haben nicht viel Bildung, aber das that diesem Feste keinen Abbruch, denn die Freude, macht auch die Blöden geistreich. Nachmittags wurde in einem großen Zuber, eine Weinlimonade zubereitet. Ich goß eigenmächtig, ein halbes Duzend Bouteillen Arac und Wein nach. Das wirkte, wie ich es mir vorgesezt. Ich war „vergnügt wie ein Maikäfer“ wie einer meiner Freunde sich ausdrückte . . Wenn Sie hierherkommen, sorge ich dafür, daß so eine ähnliche Parthie veranstaltet werde. – Ich bin gar nicht dafür, daß Sie mit den Fräuleins reisen. Was hilft Erkundigung nach ihnen? Sie können sehr brav, und doch langweilig seÿn. Ich bin gar nicht dafür, daß Sie bis zu Ende Mai’s warten. Ich bin nicht einmal dafür, daß Sie nach Bern reisen. Ich bin dafür, daß Sie nach Heidelberg gehen, und das gleich, mit der Rosette, Süßchen oder Fannÿ (Eine dieser, wäre mir lieber als die Jette R.).1 Finden Sie für diese Tagereise männliche Begleitung nöthig, (was mir nicht scheint) kann Sie ja Samuel2 nach Heidelberg begleiten. Von dort hole ich Sie ab, und bringe Sie hierher. Sie können dann, wenn Sie wollen nach Baden. An Geld um

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ÜdZ.

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Rosette, Süßchen u. Fanny Ochs bzw. Henriette (Jette) Rindskopf, Nichte JWs. Samuel Ochs.

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für noch eine dritte Person die Reisekosten zu zahlen, fehlt es uns ja jezt nicht. Ich habe für Kleider, wenigstens 100 Thaler auszugeben, aber nach Abzug dieser Summe, wird mir noch 500 fl. übrig bleiben. Sie haben eben so viel. Dazu gerechnet, 250 fl. die ich in 5 Monaten von der Neckarz. einnehmen werde, macht zusammen 1250 fl. Damit können 2 Frauenzimmer und 1 Herr, recht gut 5 Monate reisen. Ich glaube, besonders der Rosette, wäre eine solche Freude wohl zu gönnen. – Aber die Lehne nehmen Sie nicht mit, die würde nur Kosten verursachen, ohne Ihnen zu nützen – Wäre es denn nicht möglich, mir Tuch etc. von Frankfurt zu schaffen, daß ich die großen baaren Auslagen, hier nicht zu machen brauchte? – Die Kaula in Frankfurt, ist eine jüngere Schwester der hiesigen, die ich verheirathen will. Ich glaube nicht, daß sie für Schnapper Geld genug hat. Indessen schreiben Sie mir, wie viel dieser fordert. Lassen Sie sich die Sache angelegen seÿn. – Dr. Goldschmith kann den Siegmund dem Reinherz3 besser empfehlen als ich. Dr. Crösus, geb. Wohl. Mein Herz gleicht einem Stachelschwein so viele Pfeile stecken drein

147. A n L udw i g Bö r n e i n S t u t tg a rt . [Frankfurt], den 2. Mai 1822. Donnerstag 2 Maÿ 22i Die Nachricht daß Ihr Geschäft mit dem Cotta glücklich beendigt, und Sie das Geld schon erhalten haben, hat mich aufs angenehmste überrascht, denn das Geld was ich mitbringe, reicht nur für mich und noch ein Frauenzimmer das mitreisen wird aus, aber nicht für drei, auch kam heute Ihre Lotterie Numer wie es zu erwarten war Blind heraus, und was noch recht tückisch vom Schiksale war; gerade auf der lezten Liste, und gleichzeitig mit dem großen Loosgewinnst von f 146 000 Gulden, nachii Basel ist deriii i

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O. O. – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (Kuvert). ÜdZ, Orig. darunter: in. Vgl. Br. 69.

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Treffer gekommen, nun wir aber gemeinschaftlich Geld genug zu unserer Reise haben, bin ich ganz ruhig, und sehr vergnügt. Wo wir jezt hinreisen wollen, und wie es überhaupt eingerichtet werden soll, werde ich Ihnen nach Empfang Ihres nächsten Briefes, der mir Ihre Ansicht über dieiv Berner Reise mittheilen wird, ausfürlich Beantworten. Um was ich Sie jezt aber auf ’s angelegentlichste Bitte ist, ja recht vorsichtig mit Ihren Crösus Schätzen zu verfahren, und auch keinen Kreutzer unnöthig aus zugeben. Die erhaltne Summe von C. legen Sie nur ganz bei seite und verwahren sie gut, und was Sie noch von den f 100 der Nekarzeitung zurücklegen können sparen Sie auch. Schreiben Sie Ihrer Mutter das Paket Kleider an Ochs zu schiken, ich bringe es Ihnen dann mit. Und jezt noch eins, Schiken Sie mir in Ihrem nächsten Briefe eine Quittung fürs nächste Polizei Quartal eingerichtet mit, diese will ich an Fr Adler und Steinthal vorzeigen lassen, und der Samuel soll dann zur zeit die Bezahlung besorgen, machen Sie keine Einwendung, ich erwarte bestimmt die Quittung. Wegen Kleider die Sie anzuschaffen haben, sorgen Sie auch nur für’s allernöthigste, denn das ist eine große Ausgabe, vielleicht wenn Sie Ihrer Mutter bei dieser Gelegenheit schrieben, schikte Sie Ihnen Tuch zu einige Kleider, Sein Sie artig, vielleicht willfahrt Sie Ihnen. – Haben Sie schon die schönen Eilwagen gesehen die jezt neu eingerichtet worden sind? ich und mehrere behaupten, daß Ihre Postschnecke1 das bewirkt hätte. Da Sie früher grob, so könnten Sie vielleicht jezt artig über diesen Gegenstand sprechen, das wäre ein allgemein interressanter Gegenstand und recht für’s Morgenblatt geeignet. Ich freue mich auf die Beschreibung Ihres Maÿfestes, Sie waren gewiß recht vergnügt dabeiv, und das wird die Erzählung beleben. Der Reis sagte mir heute von einem sehr schönen Aufsatze den er gestern in der Nekarzeitung von Ihnen gelesen. Wahrscheinlich reißt die Jette mit, und das wäre mir doch eigentlich noch am liebsten denn sie ist sehr anspruchlos und gutvi, und ich habe sie sehr lieb, im nächsten Briefe hören Sie alles bestimmt ud, entschieden nur recht sparsam! Adieu J. W. iii iv v vi

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Orig. davor: dieser. ÜdZ. ÜdZ. ÜdZ: und gut. Vgl. Br. 27.

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148. An Jeanet te Wohl in [Frankfurt ]. Stuttgart, den 4. Mai 1822. Nr. 66. Stuttgart den 4ten Mai 1822.i Madame, Sie reden mit mir, als wäre ich Ihresgleichen. Wie viele Befehle haben Sie nicht in Ihrem kleinem Briefe anzubringen gewußt! Mit Leuten die 60 Karolin haben, spricht man nicht in diesem Tone, man befiehlt ihnen nicht, man läßt sich von ihnen befehlen. Und so befehle ich Ihnen, auf Ehre und ernstlich gesprochen, daß Sie Ihre Reise so einrichten, wie ich in meinem lezten Briefe vorgeschlagen, sonst kann ich nicht dabei seÿn. Ich war lange genug leichtsinnig gewesen, und ich will jezt Cotta’s gute Meinung von mir, und den Vortheil den sie mir bringt, nicht zum zweitenmale verscherzen. Denken Sie nur, in welches schädliche Licht es mich bei ihm setzen müssteii, wenn ich nun, nachdem er mir eine bedeutende Summe so bereitwillig, aber mit der Erwartung bewilligt, daß ich für ihn arbeiten würde – wenn ich nun auf lange Zeit verreiste, und es sich fände, daß ich um damit zu reisen, ihm das Geld abgelockt hätte. Ich würde nicht den Muth haben, ihm dieses zu sagen, und müsste ohne Abschied zu nehmen, von Stuttgart weggehen. Ganz ein Anderes ist es aber, wenn Sie einige Zeit hier zubringen. Unter der Zeit kann ich ihm durch gelieferte Beiträge meinen guten Willen zeigen, und ihn darauf vorbereiten, daß ich nach Baden ging, was ihm an und für sich nicht unwillkommen seÿn kann, da ich von dort während der Curzeit, interessante Briefe in das Morgenblatt einschicken kann. Also folgendes ist meine Ansicht. Sie nehmen sich einen Hauderer1 nach Heidelberg und reisen an einem Dienstage oder an einem Freitage ab. Sie müssen ganz früh fortfahren, und mit dem Kutscher akkordiren, daß er Sie am nehmlichen Tage nach Heidelberg bringe. An den genannten Tagen geht die Eilkutsche von hier Morgens ab, und erreicht Abends Heidelberg. So kommen wir zu gleicher Zeit da an. Wir bleiben 2 Tage in Heidelberg, einen in Mannheim, so daß ich in 5 Tagen wieder in Stuttgart bin. Sie bleiben so lange hier als es Ihnen gefällt, und dann reisen wir nach Baden, oder wohin Sie sonst wollen. Das Beste wäre (auch der Er-

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O. Adr. Orig. davor: möchte. Lohnkutscher.

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sparnis wegen) Sie nähmen sich hier ein Privatlogis auf einen Monat. Sie unterrichten mich wenn Sie abreisen, und dann miethe ich es auf der Stelle. Sie sollten sich Empfehlungsschreiben verschaffen an die Kaula’s, Benedix, und Pfeifer;2 aber nicht etwa an noch andere Juden, die hier in keinem Ansehen stehen. Können Sie Empfehlungen an Christen bekommen, ist es um so besser. Ich rathe Ihnen sich von Rothschild einen Creditbrief hierhergeben zu lassen, nicht um ihn zu benutzen, aber der Ehre willen. Denn das erfährt hier in 24 Stunden die ganze Stadt. Darum muß auch der Creditbrief stark seÿn (5000 fl. etwa) Sie werden mir gewiß danken, Sie hierher verleitet zu haben, denn es giebt keine angenehmere Gegend im Sommer. – Vergessen Sie nicht einen Regenschirm mit zubringen, und Chezÿ Beschreibug von Heidelberg,3 die sich unter meinen Büchern befindet. – Wenn die Jette mitgeht, so ist es auch wegen der Reisekosten um so besser, denn wie Sie mir geschrieben, trägt sie 200 fl. bei. Verweigern Sie ja die Anahme dieser Summe nicht, etwa aus Grosmuth. Wir werden das Geld immer brauchen können. – Wenn ich auch nur das nöthigste von Kleidern, Stiefeln, Schuhen etc. mir machen lasse, so komme ich doch kaum mit 100 Thalern aus. Ich habe darum, in anliegendem Briefe, den Sie besorgen werden, meinen Bruder gebeten, mir die bezeichneten Sachen in Frankfurt zu kaufen auf meine Rechnung. Will meine Mutter mich frei halten, so wird sie es schon von selbst thun. Ich habe meinem Bruder, um ihn anzutreiben, daß er mit der Besorgung nicht zögere, geschrieben, das Paket zu Ochs zu schicken, der in 8 Tagen, auf seiner Reise nach der Schweiz, durch Stuttgart käme, und mir es mitbringen würde. Lassen Sie von Ochs diese Lüge unterstützen. – Wollen Sie mir bei Ochs, Zeug zu einer schwarz seidnen Weste, und zu einem Halstuche kaufen. Bezahlen Sie es für mich, oder lassen Sie es auf Rechnung stellen, wie Sie das für gut finden. – Mein Brief im Morgenblatt, der nun abgedruckt ist, erscheint mir als sehr leichte Waare.4 Indessen ist es mir grade nicht unlieb, daß es so gekommen ist. Das macht die Sache natürlicher, und in den Ernst kann ich

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Einflussreiche jüd. Familien in Stuttgart: 1820 hatte Adolf Benedikt, Sohn des Bankiers Seligmann Löb B. (1769–1842), eine Tochter Mayer Kaullas geheiratet. Der Commerzienrat Marx Pfeiffer (1785–1842) war auch mit der Familie Kaulla verwandt. Ab 1831 waren Seligmann Löb Benedikt, Marx Pfeiffer u. Nathan Wolf Kaulla (1784–1838) Mitglieder des neugegründeten Israelitischen Konsistoriums. Vgl. Br. 135. Der erste der Vertraulichen Briefe in: Morgenblatt Nr. 106 v. 3. April 1822.

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ja jeder Zeit hieneinkommen – Ich gedachte unser Maifest im Morgenbl. zu beschreiben, glaube aber nicht, daß ich damit zu Stande kommen werde. Es ist sich hier alles so nahe gestellt, daß ich auch bei der gutmüthigsten Darstellung, dieses und jenes verfehlen könnte. Auch hatte mich das schöne Mädchen, mit dem ichiii den H[ei]mweg gemacht zu sehr zerstreut, so daß ich auf den Weg, und die übrige Gesellschaft wenig acht hatte. Die armen Mädchen hier sind sehr schlimm daran. Meistens Töchter von Staatsbeamten, die ausser ihrer Besoldung kein Vermögen haben, und daher keine Mitgift bieten können, hält es ihnen schwer an Mann zu kommen. Die männliche Jugend besteht fast nur aus Offizieren, die keine Frau ernähren können. Eben meine genannte Begleiterin (Lotte heißt sie!) ist die Tochter eines bankrotten Kaufmanns, zwar noch schön, aber verblüht. Einer meiner Bekannten, ein junger Arzt, hatte ihr die Hand fast versprochen, sie aber verlassen, um die häßliche Tochter eines Königlichen Leibarztes zu heirathen, der seine Praxis in Flor bringen soll. Die Herrn sind hier wie die Juden, sie heirathen nur nach Geld. Ein anderes Mädchen, das auch von der Gesellschaft war, wunderschön, hatte ich für dumm gehalten, denn ich konnte sie in kein belebtes Gespräch bringen. Später erfuhr ich aber, daß es ein sehr verständiges Mädchen sei, das aber eine unglückliche Liebe, trübsinnig gemacht habe. Ein Offizier hat ihr den Hof gemacht, und sie dann sitzen lassen. Ein drittes Mädchen, die schöne Sophie genannt, die Tochter eines Staatsraths, lebhaft, sehr kokett, die erste Sängerin hier, ist auf allen ihren Wegen von einem Schwarme Anbeter umgeben. Mehr als 10 junge Leute, hassen sie auf den Tod (nehmlich aus Dépit amoureux) und doch findet sie keinen Mann, denn sie hat kein Geld, die armen Kinder! – Bringen Sie Ihre Theebüchse mit. – – Mir ist bange, daß mir mein Bruder, die Sachen nicht besorgt. Das wäre sehr schlimm. Ich habe mich eben beim Schneider erkundigt, was Tuch etc. hier kostet. Es ist mehr als ¼ theuerer als in Frankfurt, so daß Tuch zu einem Rocke, das mich in Frankfurt 33 fl. kostet, hier mit 45 bezahlt werden muß. – Wenn ich nach Heidelberg im Eilwagen reise, will ich den Postvogel beschreiben. In 24 bis 25 Stunden, sind beidemale die Wagen von Frankfurt hier angekommen, in dieser Woche. – Reisen Sie ja recht bald. Wozu noch zögern. Dr. Crösus geb. Wohl.

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Die Quittung für die Polizei, kann ich nicht ausstellen, weil ich ja nicht weiß, wo ich zur Zeit des Verfalles seÿn werde. Ich darf nicht Stuttgart drunter schreiben, wenn ich in Baden bin, das wäre ein falsum. Aber ich verspreche Ihnen aufs heiligste, daß die 100 fl. zur Bezahlung von Schulden angewendet werden sollen.

149. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den 4. Mai 1822. 65 Samstag 4 Mai 22i Samstag, also viel Besuch, und kaum Zeit einige Worte zu schreiben, auch habe ich heute schon vieles wegen der Reise zu besorgen gehabt. Also nurii ein paar Worte die mir sehr nöthig dünken, und daher nicht verschieben will Wenn Sie von Ihrer Mutter Tuch zu Kleider nicht fodern wollen, oder nicht bewilligt bekommen, so wäre mein Rath folgendes. undiii da ich nun mehr noch als Sie dafür bin, daß Sie sich des baaren Geldes nicht entäussern sollen, schiken Sie mir wie ich im vorigen Briefe schon verlangt habe die Polizei Quittung auf endes Junÿ, von diesen f 100 wird Steinthal und Adler bezahlt, dann noch eine Quittung auf endes September, für diese zweite Quittung von f 100 giebt Ihnen Steinthal, oder auch Jeder andre Tuchhändler Waare, Sie haben dann in doppeltem Sinne Ihren Zweck erreicht, erhalten Tuch und haben keine baare Ausgabe, für f 100 Kleider wird wohl genug sein, schränken Sie sich lieber ein (bischen) ein, ich thue es auch, weil für den Hauptzweck der Reise baares Geld gespart werden muß. Mit meiner Reisegefährtin werden Sie hoffentlich sehr zufrieden sein. Bis zur Antwort Ihres nächsten Briefes wird alles im reinen sein Ich werde mich nach Ihrem Wunsche, und auch eigener Ansicht nicht nach Bern engagiren, komme recht bald nach Heidelberg, und dann wollen wir gemeinschaftlich, das weitere Reise Ziel bestimmen. Ich bin über alle Masen vergnügt, und sehe sehr heiter in die Zukunft, (wenn auch nur für i

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Orig.: April Mai (üdZ). – o. O. – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (Kuvert). Orig.: also [üdZ] Nur. ÜdZ.

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den Sommer. Ihr glücklich beendigtes Geschäft mit dem Cotta, und auch Ihre freundliche Briefe, xiv hat diese zufriedene Stimmung bei mir hervorgebracht. Auf Ihren nächsten Brief werde ich Ihnen mehr antworten. – Ich begreife nicht warum Sie am Mittwoch, als am 1ten Maÿ meinen Brief nicht erhalten haben, er war doch am Montag 29tenv geschrieben, wann haben Sie ihn denn erhalten? Leben Sie wohl und so vergnügt wie ich es jezt bin J. W.

150. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 6. Mai 1822. Nr. 67. Stuttgart den 6 Mai 1822.i Schäm Dich Brüderchen! Du bist ja jezt schon ganz betrunken vom blossen Geruch der Reise, was wird das erst werden, wenn Du im Wagen sitzest, und neben mir? Denn was ich liebenswürdig geworden bin seit unserer Trennung, davon hat kein Mensch eine Vorstellung. Was kritzeln Sie mir denn für kleine Briefchen, ohne Orthographie, ohne Dativ, ohne Ablativ, Plural für Singular, Singular für Plural, Punkte so dick wie eine Faust, und die Hälfte der Worte wieder ausgestrichen? Wahrhaftig, die Post hier hat es ausgeplaudert, daß ich oft kleine Briefchen mit gekrizelten Adressen bekäme, und daß sie von einem Liebchen seÿn müssten. Jezt zaudern Sie aber nicht länger, und machen Sie, daß Sie fortkommen. In schöner Verwirrung mag jezt Ihr Köpfchen seÿn. Eine Reise nach Ostindien, Himmel! Ich wollte, ich wäre bei Ihnen. In Verzweiflung würde ich Sie bringen, durch Verlegen Ihrer Schlüssel und anderer sieben Sachen. – Sie müssen sich für einen Pass sorgen, und lassen Sie ihn sich nach der Schweiz und Frankreich ausstellen, denn wir werden von Baden aus, wohl auch Strasburg besuchen. Der französische Gesandte muß ihn unterschreiben. Es ist unangenehm, wenn Sie genöthigt sind, selbst auf die Polizei zu gehen. Sie könnten zwar iv v

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ÜdZ, Verweis auf FN auR: beides. ÜdZ. Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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den Passschreiber zu sich bestellen, dann müssen Sie ihm aber 2 fl. Trinkgeld geben. – Ich mache mir gar keine Hoffnung, daß meine Mutter mir die Kleider bezahlt, ich fürchte aber sogar, daß sie mir die Sachen gar nicht ein mal für meine Rechnung besorgen. Warum ich keine Quittung ausstellen kann, habe ich Ihnen geschrieben. Aber was kann dem Steinthal daran gelegen seÿn. Wenn ich mein Wort nicht halten wollte, würde ihm die Quittung nichts nützen. Sie giebt ihm kein Vorrecht auf meinen Gehalt, wenn ich der Rechnei eine andere Quittung einschicke. Es wird kein Beschlag auf Pensionen angenommen. – Ich habe hier davon sprechen hören, daß Carl Feist’s Vermögensumstände sehr schlecht geworden wären. Ist das wahr? – Suchen Sie es zu vermeiden, an Ottenheimer hier, Briefe oder Empfehlungen mitzunehmen. Denn wenn Sie mit ihnen bekannt würden, wären wir, da ich im Hause wohne, genöthigt, sie zu manchen Parthieen, die wir zu Fuß oder zu Wagen machen werden, einzuladen, was uns lästig fallen würde. – Ich habe wieder einen Brief ins Morgenblatt geschickt, der ist schon erhabener -1 Dein treuer Crösus.

151. A n L udw i g Bö r n e i n S t u t tg a rt. [Frankfurt], den 8. Mai 1822. Mittwoch 8 Maÿ 22i Nr 66 Hat mich sehr verstimmt, aber ich habe mir das aus dem Sinne geschlagen, und bin wieder vergnügt wie vorher, denn ich habe meinen Wunsch erreicht, und durch den günstigsten Zufall von der Welt, eine ganz angemessene Reisegefährtin gefunden. Der Jette Rii Aeltern1 haben es ent-

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O. O., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt« (Br.k.). – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (Kuvert). ÜdZ, d.i. Jette Rindskopf.

1

Vertrauliche Briefe, in: Morgenblatt Nr. 120 v. 20. April 1822 (vgl. Br. 148).

1

Vgl. Br. 26.

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schiedten nicht zugegeben daß sieiii mit mir Reise, eben so wenig wollten sich eine von Ochse Mädchen dazu entschließen, mein vieles Erkundigung einziehen und Nachsinnen, ward mir endlich durch ein glückliches Finden belohnt. Demoiselle Hirsch2 (kennen Sie sie?) ein äußerst wohlerzogenes, liebes, hübsches, freundliches Mädchen von 22 Jahren wird mich begleiten. sieiv ist seit einem Jahre bei Ruben Elisen als Gouvernante angestellt, aber dieser, wie jeder andern Anstellung dieser Art nicht gewachsen, hat Sie schon vor einem vierteljahre den Leuten aufgekündigt, und Andrer Anerbieten ausgeschlagen. sie wollte wieder nach hause zu Ihren Aeltern, und tröstete sich mit der Aussicht, daß Sie vielleicht in einem Jahre, als Gesellschafterin zur Frau v. Roths:3 kommen werde, wozu ihr v diese viele [Hoffnung] geben lies. Ich ließ dem Mädchen, durch Dr Heß,4 der Sie sehr gut kennt, folgendes Anerbiten machen, ob Sie auch eine zeitlang mit mir reisen wolle, ganz Kostenfrei, selbst für, Auslage vonvi Wäschevii etc wolle ich sorgen, kurz Sie solle auch nicht einen Pfenning auf der Reise auszugeben haben, aber zu Gehalt könnte ich mich nicht verstehen. Sie war dies nicht nur zufrieden, sondern noch ganz glücklich bei dem Vorschlage, auch konnte sieviii das recht gut eingehn, da sieix keine andre Stelle annehmen wollte, und also nur bei bei dieser gewinnt. Wie mir die Heß5 sagt, ist sie mit Kleidungsstücke etc gut und gründlich versehenx. Es ist nur eine Stimme über das Mädchen, sie ist allgemein beliebt, und sehr geachtet, sie hat mich diese Woche besucht, und mirxi sehr gefallen. Alle loben meine

iii iv v vi vii viii ix x xi

2

3 4 5

Orig. davor: diese. Überschr.: Ssie. Überschr.: Iihr. ÜdZ: Auslage von. Orig. folgend: und sonstige. Orig.: Ssie. Orig.: Ssie. ÜdZ: ehen, Orig.: versorgt. Orig. davor: hat. JW engagierte Pauline Hirsch (ca. 1800–1878) 1822 als Gesellschafterin. Später ging sie mit JW u. B nach Paris, wo sie Bs Freund Maximilian Reinganum kennenlernte und 1827 heiratete. Rothschild. Vgl. Br. 37. Hännchen Hess, geb. Flesch.

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Wahl. Die einzige Schwierigkeit ist noch, daß siexii bis ende Junÿ bei Elisens éngagirt ist, sie wird aber alles aufbieten, damit die Leute sie einen Monat früher entlassen. – – Wenn nun Sie, es auch so geschikt angefangen haben dem Cotta für 60 Carolin Ihre Freiheit zu verkaufen, so war doch Gott sei Dank diexiii meinige nicht in diesem Kaufe mitbedungen. Wenn? ich je nach Stuttgart kommen sollte, werde ich höchstens einige (wenige) Tage da bleiben, im Gasthause logiren, und wederxiv Credit Brief von Roths. noch um dem Stuttgarter jüdischen Adels Bekantschaft mich bemühen, vielmehr wäre mir das Letztere eine wahre Unannehmlichkeit, Sie sind ganz verrückt mit Ihren Anordnungen, ich bin zu ärgerlich, und mag mich gar nicht weiter darüber auslassen. Wenn Siexv Ihre Verpflichtungen gegen C.xvi nicht anders lösen können, so bleiben Sie in Gottesnamen so lange es Nothwendig ist, und Ihnen recht dünkt in Stuttgart, aber dazu ist meine angenehme Gegenwart gar nicht nothwendig, im Gegentheile, die würde Sie nur im Arbeiten stören. Ich will ganz ruhig und ohne allen Groll mit Ihnen reden. In den drei oder vier W[ochen]xvii können – Sie noch vielerlei für C. arbeiten, vorräthig würde ich die Rheinbriefe Ausarbeiten, und wenn Ihnen wenig Zeit zu dieser Arbeit bleibt, nur die Lücken ergänzen, damit nur ein Zusammenhang darin, diese Briefe sind nur zu schön, für das bis jezt so gehaltlose Blatt, und der C. wie das Publikum würde Ihnen Dank dafür wissen. In dieser Jahreszeit Briefe vom Rhein, und von – Ihnen, würde jeder mit Eifer lesen, und dann Ihr Aphorismen Büchlein? will der C. keine 60 Carolin dafür geben, so lassenxviii Sie etwas noch an Ihrer Forderung. Ueberhaupt begreife ich schon wieder Ihre Aengstlichkeit nicht, müßen Sie denn gerade in Stuttgart sitzen um für C. zu arbeiten? Das ist ja ganz einerlei von woher Sie ihm zuschiken! Halten Sie sich nur regelmäßig daran, jede Woche etwas zu liefern, und dann wird es dem C. ganz einerlei sein vonxix woher er dies erhält. Folgen Sie mir, und machen Sie die Rheinbriefe vorräthig fertig. Sobald ich Reisefertig bin schreibe ich

Orig.: Ssie. Orig. davor: ich nicht. xiv Orig. folgend: um. xv Orig. folgend: gestrichene Passage. xvi Orig.: den C. xvii Die Schrift auf diesem Blatt ist am Rand stellenweise sehr verblaßt. xviii Orig. uberlassen. xix ÜdZ. xii

xiii

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es Ihnen, können Sie mich begleiten, desto besser, ist es aber umgänglich Nothwendig daß Sie länger in Stuttgart bleiben, so folgen Sie mir später nach. Ich habe mich sehr zusammengenommen um Ihnen so ruhig und vernünftig auf Ihre Artige Nr 66 zu antworten, denn „Mein Herr, Sie redeten darin mit mir als wäre ich Ihres gleichen. Wie viele Befehle haben Sie nicht in diesem Briefe anzubringen gewußt! Mit einer Dame die mit einer Gesellschafterin reist, spricht man nicht in diesem Tone, man befiehlt ihr nicht, man läßt sich von ihr befehlen. Und so befehle ich Ihnen, auf Ehre und ernstlich gesprochen, daß Sie Ihre Reisegeschäfte so einrichten werden, wie es mir gemäß sein wird, sonst sollen Sie nicht dabei sein!“ – Den Brief an Ihren Bruder habe ich nicht übergeben lassen weil Sie sich darin eine Lüge erlaubt, die ich Ochs nicht zumuthen würde, und die zu bestättigen sich auch keiner von ihnen unterzogen hätte. Ich habe den Brief nicht erbrochen, wenn aber der Inhalt ist, daß Sie Aufträge versorgt haben wollen, so ist beim nicht abgeben nichts verloren, denn Sie verstehen sich so wenig darauf sich mit Ihren Verwandten zu verhalten, das man nicht ein mal ein Buch von Ihrem Bruder herauskriegen kann. Wenn inxx dem Briefe an Ihrem Bruder sonstiges verlangt ist, was besorgt werden muß, so schreiben Sie ihm einen andern, am besten direkt, und – ohne beziehende Lüge. Ihren Kleider Einkauf werden Sie wohl an baarem Gelde machen müßen, da ist nicht zu helfen, es borgt Ihnen keiner hier, und die f 100 vom nächste Quartal, müßen Sie St.6 und Adler darauf verweisen. Doch scheint es mir gar nicht unmöglich, daß Ihre Mutter sich zu diesem Geschenke verstehen würde, wenn Sie sich entschließen können sie darum zu bitten. Weste und Halstuch werde ich besorgen. Ihren Brief im Morgenbl. (über den Freischütz)7 habe ich heute erst zu lesen bekommen, hat mir sehr gefallen, eine hübsche gefällige Darstellungsart. Noch eins, es wäre mir sehr beruhigend wenn ich meine Briefe die Sie von mir haben sicher aufbewahrt wüßte ehe wir reisen, weil es dann doch ein unstätes Leben giebt, und leicht verloren werden kann. am besten wären diese aufgehoben wenn Sie mir sie schikten. ich bewahre sie für Sie auf, aber auf dem sichersten Wege schiken Sie mir

xx

6 7

ÜdZ. Steinthal. Morgenblatt Nr. 106 vom 3. Mai 1822.

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diese, etwa mit dem Postwagen, nur mit keiner fremden Gelegenheit. Eben warxxi A. Schnapper hier um Abschied zu nehmen, ich habe viele mündliche Grüße für Sie mitgegeben. Adieu J. W. Ihre Nr 67 war zwar kurz, aber recht freundlich und munter, und gottlob nicht so zänkisch und gebietrichxxii als ihre Vorgangerin.

152. A n L udw i g Bö r n e i n S t u t tg a rt. [Frankfurt], den 8. Mai 1822. Nachts 11 Uhr Mittwoch 8 Maÿ 22i „Tochter Israels“! können Sie mich jezt mit größte Fug und Recht nennen, denn kaum hatte der arme Schnapper1 seinen höflichen Abschiedsbesuch beendigt, so war ich auch schon so grob, ihm ein Paketchenii für Sie aufzubürden. Der Louis Ochs der den Einkauf besorgt, hat zu einem andern Zeug als Casemir gerathen, das sei jezt das neuste, und wollfeiler, ich werde Ihnen in meiner nächsten Antwort sagen wie ich es habe besorgen lassen. Sie bemühen also jezt nur Ihre Mutter zu schreiben, und Ihre Sommerkleider von ihr aus bitten, mit dem bedeuten dieseiii nur an Ochs zu schiken, da Ochs öfters Gelegenheit hätten Ihnen solches zu zu schiken. Ihren Brief an Ihren Bruder, habe ich mich doch endlich entschlossen zu erbrecheniv, obschon ungerne, und nachdem ich ihn gelesen ist es mir nicht einmal leid ihn nicht abgegeben zu haben, denn er hätte Ihnen wahrscheinlich nichts besorgt, und – bezahlen hätten Sie müßen in jeden Falle, also kömmts auf eins heraus. Zu Ihrer Zufriedenheit will ich doch nicht verschieben Ihnen zu sagen, daß Sie für überschiktes, erst nächst kommende xxi xxii

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Orig. davor: hat. Orig.: gebieterich. Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer durch Güte in Stuttgart (Kuvert). Orig. davor: kleines. Orig. davor: sie. Orig. davor: lesen. Amschel Adolph Meyer Schnapper.

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Messe zu bezahlen haben. Ob Sie Nankin2 etc, nöthig bedürfen ist noch die Frage, warten Sie damit, bis Sie diev Kleider von Ihrer Mutter erhalten haben, vielleicht findet sich dann, das es überflüßig ist T. S. v. P. Noch spät, heute Abend habe ich ein recht niedliches Briefchen von Demois. Hirsch3 erhalten,Xvi daß ihr Prinzipal eingewilligt habe sie einige Wochen früher zu entlassen. Vielleicht kann ich es dochvii einrichten, daß ich auf Pfingsten noch weggehe, mit andrer Gesellscha[f ]t, und die Hirsch nachkommen lasse. Ist denn daß wahr waß Sie in Ihrem brüderlichen Brief schreiben, daß Sie mit dem C.4 einen Monatlichen 100 Thaler Kontrakt machen werden, und das Sie in zwei Monaten ein Büchelchen verfertigen wollen, das 50 Karolin eintragen wird? ich frage, ist dem wirklich so, oder sind Sie ein Herr Windbeutel? Die Augen fallen mir zu gute Nacht, und guten Morgen. J. W. Sparen! sein Sie nur javiii recht sparsam! eine goldne Regel die wir beide jezt sehr gewissenhaft beachten müßen.

153. An L udw i g Bö r n e i n S t u t tg a rt . [Frankfurt], den 9. Mai 1822. Donnerstag 9 Maÿ 22i Von allen der schönen Sachen, die Sie durch Herrn Schnapper erhalten haben werden, habe ich gar nichts zu sehen bekommen. Das gieng alles sehr eilig, und davon übrig behalten habe ich nichts, als – die Angst, daß Sie auf v vi vii viii

ÜdZ, Orig.: Ihre. FN aoR: x des Inhalts. Orig. folgend: noch. Orig. davor: jezt (dreifach durchgestr.).

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O. O. – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg. Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (Kuvert). – hs. Zus. e. Bearb.: »9 May 1822« (Br.k.).

2

Nanking (Baumwollgewebe). Vgl. Br. 151. Cotta.

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Nr. 153

meinen frühern, morgens durch die Post erhaltenen Brief, alle sieben Sachen sogleich eingekauft haben könnten. Das wäre eine schöne Geschichte! Wenn ich Ihnen durch meine Ungeschiklichkeit doppelte Röcke, und doppelte Zahlung aufgeladen hätte! Der Louis O.1 hat die Sachen für Sie auf seinen Namen, um den billigsten Preißen bei Steinthal gekauft, Sie können also das Quartal im September dafür bestimmen, denn früher braucht nichts bezahlt zu werden. Sollten Sie noch einiges durchaus nöthig haben, so will ich es auf dieselbe Weise besorgen lassen. Wenn Sie nur nicht schon eingekauft hetten! Mein Trost ist daß Sie Vormittags nicht ausgehen. Sollten Sie Freitag mir nicht geschrieben haben, was ich zwar gewiß voraussetze, so thun Sie es gleich, und beruhigen Sie mich über diese wichtige Angelegenheit.ii Lassen Sie Ihre Kleider nicht gar so knapp arbeiten, damit ein so gescheidter Mensch nicht wie ein Stutzer aussehe. Was sagen Sie zu meiner Reisegefährdin?iii Die wird Ihnen gefallen ! ! ! „ “ „Adieu. J. W. T. S. v. P. […] [ab?]iv 1 ‹4/6› feines schwarzes Tuch f 20 –– f 32.30 Do Casemir – 6 –– 12 –– 2 Do 2.50 – 5.40 2 Circasscias2 – – 2 Westen – –– 2.45. 5.30 f 55: 40

ii iii iv

1 2

Orig.: Kleider Angelegenheit. Orig. davor: Wie gefällt Ihnen meine Reisegefährdin. Textverlust (ein Wort): Loch im Papier. Louis Ochs. Circassian bzw. Circassienne (Woll-/Baumwollgewebe).

Nr. 154

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154. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 10. Mai 1822. Nr. 68. Stuttgart den 10 Mai 1822.i Sie haben mich unaussprechlich betrübt, und mir einen unglücklichen Tag gemacht. Sie zeigen sich sehr undankbar, nicht gegen meine Handlungen, denn ich habe Ihnen noch nichts Gutes gethan, aber gegen meine Gesinnungen für Sie. Gott, der mir in das Herz sieht, weiß es, daß, so glücklich mich auch die frohe Aussicht machte, meine einzige Freundin, oder meinen einzigen Freund möchte ich sagen, nach so langer Trennung bald wieder zu sehen, doch dieses mächtige Gefühl immer bei mir zurücktrat, um dem freudigern Plaz zu machen, daß ich Sie heiter weiß, und daß Sie sich einen glücklichen Sommer versprechen. Bei meinen Vorschlägen für die Einrichtung der Reise, habe ich gar nicht an mich, sondern nur an Ihre Zufriedenheit gedacht. Ich glaubte Stuttgart würde Ihnen sehr gefallen, da Sie aber früher die Einbildung geäussert, es seÿ nicht ganz schicklich, mir entgegenzukommen, glaubte ich diese Grille abwenden zu können wenn ich Sie versicherte es seÿ mir unmöglich von hier wegzugehen. Es ist zwar allerdings wahr, es wäre wegen des Cotta passender, wenn ich noch länger hier bliebe, aber Sie wissen ja, daß ich viel zu leichtsinnig bin, um auf solche Verpflichtungen große Rücksicht zu nehmen. Ich finde kein Vergnügen daran, hier zu bleiben wo ich mich als einheimisch betrachte, und ich würde lieber anderswo mit Ihnen reisen. Nur der angegebene Grund bewog mich Ihnen das vorzuschlagen. Sie hätten mir also nicht so bitter bemerken sollen, daß Sie Ihre Freiheit nicht an Cotta verkauft. Ich weiß nicht, wie es Ihnen in den Sinn kam, meinen Brief zänkisch zu finden, ich war noch nie in einer freundlichern Stimmung als da ich ihn schrieb. Kommen Sie nicht nach Stuttgart, das ist mir viel lieber, reisen Sie wohin Sie wollen, ich werde Ihnen mit Freuden überall hinfolgen. Nur schmerzt es mich, daß dieses noch so lange dauert. Spätestens auf Pfingsten versprachen Sie mir abzureisen, und jezt reden Sie von 4 Wochen, und wenn Ihre Gesellschafterin nicht frei gelassen wird, dauert es noch 8 Wochen. Und so lange soll ich warten, da es jezt schon 9 Monate sind, daß ich Sie nicht gesehen habe. […]ii i

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert). Geschw. Passage.

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Nr. 155

Den Brief an meinen Bruder können Sie verbrennen, ich habe ihm heute einen andern geschrieben Ich kann mich des Weinens nicht länger enthalten, ich kann und mag Ihnen nichts mehr schreiben Dr. Börne

155. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 11. Mai 1822. Nr. 69 Stuttgart d. 11. Mai 1822.i Innerhalb 24 Stunden habe ich 3 Briefe von Ihnen bekommen. So glücklich bin ich noch nie gewesen. Ach, könnte ich nur den meinigen von gestern ungeschehen machen. Sie werden auf jeden Fall Verdruß davon gehabt haben, meine Vorwürfe mögen gegründet seÿn oder nicht. Ich weiß nicht was ich Bitteres in Ihrem Briefe fand, das mich über allen Ausdruck kränkte. Vielleicht hatten Sie es so schlimm nicht gemeint. Sie wissen ja, daß ich leidenschaftlich bin in den seltenen Fällen wo mein Herz aufgeregt wird, und Sie werden mir verzeihen. Seitdem ich von Ihnen entfernt lebe, hatte ich keinen so kummervollen Tag als gestern. So bestimmt hatte ich darauf gerechnet, spätestens bis Pfingsten mit Ihnen zusammenzutreffen, und jezt schrieben Sie mir mit der größten Gleichgültigkeit, wie sich Ihre Abreise noch lange verzögern könnte, und noch über dies, daß es Sie gar nicht betrüben würde, wenn ich Ihnen erst später nachkäme, Wie sollte mich das nicht kränken! Aber am meisten that mir der Gedanke weh, daß Sie blos des S.1 willen noch so lange in Frankfurt bleiben wollten. Ihr liebes Briefchen das mir Schnapper brachte, hat wieder Trost in mein Herz gebracht, weil Sie mir Hoffnung geben, doch auf Pfingsten abzureisen. Da Ihrer Gesellschafterin schon einige Wochen nachgelassen worden, wird es auf einige Tage früher den Ellisens nicht angekommen, und sie werden ihr wohl verstatten vor Pfingsten abzureisen. Früher als Ihre Gesellschafterin zu reisen und diese nachzukommen zu lassen rathe ich Ihnen nicht. Wie

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

1

Aloys Schmitt.

Nr. 155

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weit wollten Sie denn vorauseilen? Das könnte ja doch nur bis Heidelberg seÿn, und wir dadurch genöthigt werden, länger dort zu bleiben als uns ansteht. Auch würde das Ihre Kosten vermehren, weil Sie die Fahrt für das Frauenzimmer bezahlen müssten. Pfingsten fällt auf Sonntag und Montag; wenn Sie es also einrichten könnten, daß Sie den vorgehenden Freitag abreisten, so wäre das schön. Denn ich habe Ihnen schon geschrieben, daß Sie an einem Freitage oder an einem Dienstage abreisen müssen um am nehmlichen Tage mit mir in Heidelberg zusammenzutreffen. Was Ochs für mich von Steinthal gekauft, ist ganz nach meinem Wunsche, alles sehr gut und billig. Ich habe aber gestern gleich meinem Bruder geschrieben, ganz wie in dem Briefe den Sie in Händen haben, nur mit der Aendrung, daß er mir die Sachen auf der Post schicken soll. Ich will dem Schicksale überlassen, ob man mir die Sachen schickt oder nicht. Denn wenn ich ihm schriebe, daß ich mir schon durch Ochs habe besorgen lassen, so giebt das ein Teufelslärm, denn mein Bruder ärgert sich immer, daß ich mich immer anii O. wende. Ueberflüssig sind mir die Kleider nicht. Denn ich bin ganz zerlumpt, und habe mit dem was Sie mir geschickt, immer nur einen Rock. Bei meinem Bruder habe ich einen blauen bestellt. Einen Ueberrock habe ich auch nöthig, denn meinen alten kann ich nicht mehr brauchen. Doch will ich das Ihrer Entscheidung überlassen. Sind sie dafür, können Sie mir das auch von Steinthal holen. Es kömmt auf eins heraus. Im September zahlte ich dann Alles. – Ich werde sparen so viel als möglich. Ich habe berechnet was ich vor unserer Reise, den Schneiderlohn eingerechnet noch auszugeben habe, und nach Abzug dieses Alles, bleibt mir am 1sten Juni grade noch 60 Karolin. Also Geld genug. Hätten wir zusammen nur noch 50 Carolin mehr, könnten wir, hol mich der Teufel auf 4–6 Wochen nach Paris. Das wäre eine Freude für mich. Ich gebe aber diesen großen Plan nicht auf. Ich werde von Baden aus agiren, und vielleicht noch Geld auftreiben. Thun Sie mir den einzigen Gefallen, und lassen Sie sich und Ihrer Freundin, einen Pass nach Paris ausstellen, woran ja nichts verlohren ist, da wir auf jeden Fall nach Strasburg müssten . . Das ging geht mir schrecklich im Kopfe herum, wir können auch mit unserm jetzigen Gelde Paris besuchen, ich habe das ausgerechnet. Aber sagen Sie keinem Menschen ein Wort davon. Was sollten wir auch so lange in Baden machen? Ich glaube nach 4 Wochen werden wir es satt seÿn. Und in der Schweiz zu reisen, ist

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ÜdZ.

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(nur die nähere Hinreise abgerechnet) theuerer als in Paris zu leben. Sagen Sie mir vorläufig Ihre Meinung. – Also Ihre Gesellschafterin ist hübsch? Das läßt sich hören. Ich werde Ihnen abwechselnd den Hof machen, ein halb Jahr der Hirsch, und ein halb Jahr Ihnen. Ihr mögt loosen, mit wem ich den Anfang machen soll. Wenn sie nur nicht Hirsch hieße, sie muß sich wahrhaftig einen andern Namen annehmen für die Dauer der Reise. Lassen Sie doch in Frankfurt von einem Sachkenner berechnen, ob unsere Kasse nicht hinreicht, nach einem gehörigen Aufenthalte in Baden (von 4 Wochen) nach Paris auf 6 Wochen zu reisen. Sie müssen überdies noch monatlich 50 fl. in Anschlag bringen, die ich von der Neckarzeitung habe. Wahrhaftig es geht. Nach Paris, nach Paris. Da ich schon dort war, käme uns das sehr zu Statten. Wir brauchen keinen Führer, ich weiß wie man für wenig Geld gut lebt, ich kenne ordentliches Logis. Kenntst Du das Land wo man Französisch spricht? Geliebte dorthin wende Dein Gesicht Empfehlen Sie mich vorläufig der Dem. Hirsch.2 Ich werde ihr Jäger seÿn, Dr. Börne, geb. Wohl Schnapper ist mit einem Hauderer heute früh abgereist, und bleibt die Nacht in Ulm.

156. A n L udw i g Bö r n e i n S t u t tg a rt. [Frankfurt], den 12. Mai 1822. 68 Sontag 12 Maÿ 22i Man sollte niemals Empfindlichkeit im schreiben aussprechen, das nimmt gleich einen andern Charakter an, jezt haben wir nun beide einen verdrießlichen Tag dadurch gehabt. Das sei nun alles vergangen und vergessen, und wir wollen uns gut bleiben vor wie nach. Zu Ihrer Beruhigung wollte ich Ihnen in aller Eile nur sagen, daß ich sogleich dafür gesorgt, daß Ihr Bruder nichts für Sie eingekauft. Uebrigens aber war er sehr vergnügt mit Ihrem

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O. O., hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt 12 Mai 1822.« (Br.k.) – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (Kuvert).

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Vgl. Br. 151.

Nr. 157

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Briefe, der wäre einmal vernünftig geschrieben, und er wolle mich morgen besuchen. Ich erwarte morgen Brief von Ihnen der ruhiger und zufriedner lauten wird. Zweimal war Schnapper bei Ihnen wie er geschrieben, undii niemals waren Sie zu hause ! ? Mamselle Hirsch1 kann in der Hälfte des Monats Junÿ mitreisen. –– Sagen Sie mir doch niemals mehr solche Dinge über Sch.2 Das ist wahrer Hohn, und kränkt mich unendlich! ich zittre vor seiner Ankunft, und Sie sagen noch ich verzögreiii – nur um ihn aus Neigung zu erwarten. Genug davon! warum noch mehr hervor suchen um sich zu quälen! Ich bin nicht undankbar, glauben Sie dieser Versicherung ––– Ihrer Freundin! J. Wohl.

157. A n L udw i g Bö r n e i n S t u t tg a rt . [Frankfurt], den 13. u. 16. Mai 1822. Nr 69 Donnerstag 16ten Montag 13 Maÿ 1822i Jezt können Sie ganz im Ernste spotten „Was wird Frints-Berberich1 – und was werden Ihre Hausleute sagen?! Das ist ja ein wahrer Courierwechsel zwischen uns Beideii! Nun aber auch wieder zur Ordnung. – Ich werde alles aufbieten um es möglich zu machen daß die Hirsch auf Pfingsten schon los kömmt, aber ich zweifle an einem günstigen Erfolg, weil die Leute die nun schon erlassene 14 Tage auch nicht bewilligen wollten. Sollte meine Abreise durch dieses Hindernis durchaus erst im halben Junÿ (wo sie im spätesten Falle unwiederruflich festgesezt ist) statt finden können, so ii iii

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1 2

1

Orig. davor: hat. Orig.: verzögere. O. O. – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (Kuvert). ÜdZ. Vgl. Br. 151. Aloys Schmitt. Vgl. Br. 5.

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Nr. 157

nehmen Sie als Ersatz an, in welcher unabhängigen, angenehmen Lage, ich mit dieser Reisegefährdin mich befinde. An Paris habe ich auch schon gedacht, und früher. Aber ich dachte später, im Herbst erst, daß heißt, statt nach Ffurt zurück – nach Paris zu gehen, den Winter da zu bleiben, vielleicht länger oder gar – für immer –. Träume! Thorheiten! oder – wer weiß ? ! Vorerst wollen wir aberiii nach Bern oder Baden, das übrige wird sich finden. Ihr Bruder war gar nicht ärgerlich darüber daß Ochs die Sachen für Sie gekauft, ich habe Ihnen schon gesagt, daß er sehr zufrieden mit Ihrem Briefe war. Wenn Sie gewiß sind daß Ihre Verwandte die Auslagen für Sie nicht bezahlen, so ist es wirklich besser, das noch nöthige fehlende für Sie bei Steinthal zu kaufen, überlegen Sie vernünftig was Sie noch haben wollen, und ob ich es Ihnen dann mitbringen oder mit dem Postwagen schiken soll. Die Kleidungsstücke die Sie noch bei Ihrer Mutter haben, kann ich Ihnen in jeden Falle mitbringen. oder haben Sie schon ordre gegeben sie auf dem Postwagen zu schiken ist es auch gut – So zufrieden aber auch Ihr Brude[r] mit Ihnen war, so sagte er doch dem Louis O.2 daß er Ihnen nicht antworten werde, denn Sie schrieben niemals als bis Sie Aufträge für ihn hätten. Ich freue mich herzlich daß Sie wieder vergnügt sind! Mit meiner Mamselle Hirsch sind Sie also auch zu frieden? Das ist mir gar sehr lieb! sie wird Ihnen gewiß gefallen. Einen Pass nach Paris für uns beide Frauenzimer wird auch versorgt. Worms3 hat dies übernommen, der sich überhaupt bei meinen Reiseangelegenheiten, sehr gefällig, und artig beniemt. Doch muß ich Ihnen sagen, daß eine Reise nach Paris im Sommer weniger anziehendes für mich hätte, als nach der Schweiz. Auf den Winter, das ist ein anderes. Doch wie gesagt, das besprechen wir besser mündlich. – Sind Sie denn mit Wäsche gut versehen? Schreiben Sie Ihrer Mutter darum, das vergessen Sie nicht. –– Mir scheint mit einem Fracke wäre genug, aber einen Ueberrock könnten Sie nicht entbehren.. –– – Schelble4 heirathet eine Dem. Müller, anverwandte vom Hause Bernard, sehr hübsch, ob reich iii

2 3 4

ÜdZ, Orig.: erst. Louis Ochs. Vgl. Br. 178. Johann Nepomuk Schelble (1789–1837) gründete 1818 den Chor Cäcilienverein u. übernahm 1819 die Chorleitung. Am 7. Juli 1822 heiratete er Auguste Amalie (gen. Molli) Müller (1800–1862), eine gebürtige Königsbergerin.

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weiß ich nicht. Er wollte eine Dir[e]ktor Stelle mit lebenslänglichen Gehalt von f 2000 jährlich auswärts annehmen, der Verein lies ihn nicht los, und Sie haben ihm diesen Gehalt auf 10 Jahre zugesichert. – – Ihr Bruder hatt miriv heute wirklich seinen Besuch abgestattet, er wird Ihnen schreiben sagte er mir. „Aber, fragte er mich Madame Wohl, sie gelten ja so viel bei meinem Bruder, warum bestehen Sie nicht darauf daß er die – Wage! herausgiebt? Aber, antwortete ich ihm, Sie sehen Herr Baruch, daß ich gar nichts über Ihren Bruder vermag, denn ich habe ihn schon – recht flehentlich darum gebeten, aber er hat niemals auf diese Bitte, so dringend sie auch war geachtet. Ich habe Ihnen neulich schon geschrieben, daß, ehe wir unsere Reise um die Welt antreten ich für rathsam hielte, daß Sie vorher meine Briefe, mir zurückschikten, wo ich siev dann zu den Briefen die ich von Ihnen habe für Sie aufbewahren wollte. Sie haben mir das nicht beantwortet. es wäre mir sehr unangenehm wenn diese unortographische Begleiter, die Wanderung mitmachten, am besten sind sie bei mir aufbewahrt. Daß Sie mir sie aber nur mit keiner privatgelegenheit schiken, sondern auf dem sichersten Postwege. – – Donnerstag 16 Maÿ –– Um wieder in Reihe und Ordnung zu kommen, wollte ich Antwort auf mein zulezt abgeschiktes Brieflein, von 12ten, welches Sie am Dienstag 14te enthalten haben werden abwarten. Ich habe aber heute keinen Brief von Ihnen bekommen, und Sie werden erst diesen als Antwort von Nr 69 gewartetvi haben. Auf pfingsten werden wir wahrscheinlich nicht zusammentreffen. Die Ellisens sind ohnedies ärgerlich daß die Hirsch weggeht, und bewilligenvii nicht mehr als die schon erlassene 14 Tage. Schlagen Sie sich das aus dem Sinne, sein Sie vergnügt, und desto mehr können Sie nochviii in dieser Zeit für Cotta arbeiten. was Sie doch sehr wünschen. Richten Sie jezt wegen Ihrer Wäsche und Kleidungsstücke noch alles gehörig ein, und schreiben Sie mir was ich noch versorgen soll. Wenn es sich nun irgend einrichten ließe, wäre ich die 14 Tage früher weggegangen, und hätte die Hirsch nachkommen lassen, aber davon rathen Sie mir ja selber ab, und es hätte auch größere Ausgaben verursacht. Als Polizeikundiger geiv v vi vii viii

ÜdZ. Orig. danach: Ihnen. Orig.: abgewartet. Orig. davor: lassen. Orig. davor: also.

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ben Sie mir Auskunft. Die Hirsch hat keinen Pass, keinix Zeugnis von Hausex, und ist hier nicht eingeschrieben, wie ist das einzurichten? –– Sein Sie nicht verdrießlich wegen die 14 Tage verspätung ich bitte Sie darum. Wenn Sie nur nicht schon wieder ängstlich geworden sind, wegen dieser verspäteten Antwort die Sie wahrscheinlich heute Donnerstag 16 erwartet haben, denn das schließe ich daraus, weil ich heute keinen Brief von Ihnen erhalten. Sie sind doch gesund ? ! Es ist Zeit daß unser Briefwechsel endet, das ist eine ewige Verwirrung! Leben Sie wohl, und vergnügt, und fleißig, und zürnen Sie nicht Ihrer J. W.

158. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 18. Mai 1822. Nr. 70 Stuttgart den 18 Mai 1822.i Der Himmel sei gepriesen, daß wieder ein Brief von Ihnen da ist. Was ich mich geängstigt habe! Thun Sie doch das nicht mehr. Wie konnten Sie nur auf Ihr kleines Briefchen Antwort abwarten, da das was darauf zu antworten war, ja in meinem spätern Briefe stand? Wohl habe ich großen Verdruß, daß Sie so spät reisen; das ist nicht blos 14 Tage, das ist 3 Wochen später als Pfingsten. Nach unserer frühern Abrede, säße ich heute über 8 Tage schon bei Ihnen. Durch diese Verspätung, wird unser Beisammenleben, nicht allein verspätet, sondern überhaupt verkürzt. Denn das Geld was ich hier verzehre, wird unserer Reisekasse entzogen. Lieber Engel, was haben Sie denn für Pläne mit Paris? Allerdings wäre im Sommer eine Reise in der Schweiz interessanter, da wir aber nicht Geld genug haben, für Paris und die Schweiz, wäre ersteres vorzuziehen. Ich hatte, ich will es gestehen, meine stillen Pläne mit Ihnen, Sie auf immer in Paris zu behalten, denn wenn ich wüßte, daß ich mich im Herbste wieder von Ihnen trennen müsste (nach Frankfurt gehe ich auf keine Weise wieder) möchte ich lieber ix x

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Orig. davor: ihr. Orig.: zu Hause. Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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die Reise gar nicht unternehmen. Ich bedachte auch folgendes. Gehen wir gleich nach Paris, so würde ich dort viel arbeiten, denn die Vormittage sind dort lang, und uns zu vergnügen und umzusehen, bleibt uns nach dem Essen Zeit genug übrig. Hätte ich dann an Cotta viel geschickt, und mich so bei ihm insinuirt, würde ich mir nach Verlauf einiger Monate haben Geld schicken lassen. Ja ich hätte ihm dann angetragen, seinen frühern Vertrag, nach dem ich 3000 fl. jährlich in Paris bekommen sollte, zu erneuern. Dann hätten wir Geld genug gehabt, immer, oder so lange es uns gefällt, in Paris zu bleiben. Ganz was anderes aber ist es, wenn wir in der Schweiz herumreisen. Denn da bringt man den ganzen Tag mit Wandern zu, und es würde mir also wenig Zeit übrig bleiben für Cotta zu arbeiten, und hätte dann auch keine Ansprüche, mir den leeren Beutel wieder von ihm füllen zu lassen. Wir wollen das mündlich weiter besprechen. – Wegen des Passes mit der Dem. Hirsch hat es weiter keine Schwierigkeit. Wenn Worms1 oder sonst ein angesessener Frankfurter mit ihr auf die Polizei geht, erhält sie einen. Sie müssen mir auch einen geben lassen. Denn der Pariser Pass, den ich mir im vorigen Winter schicken ließ ist in einigen Wochen abgelaufen. Er war am 28 Dezember auf 6 Monate ausgestellt. Sie müssen dieses Datum der Polizei bemerken, damit sie mein Signalement finde. Nicht zu vergessen, daß der französische Gesandte unsere Pässe zu visiren hat. Auszustellen nach der Schweiz und Frankreich. Bitten Sie den Polizei-Beamten, den Pass auf ein Jahr auszustellen. – Wegen der Dem. Hirsch habe ich doch allerlei Bedenklichkeiten. Sie laden sich doch eine Last auf, und da ich Ihr Herz kenne, fürchte ich, Sie würden es nicht mehr über sich vermögen, sich wieder los zu lassen. Und dazu reicht ja Ihr Geld nicht. Wenn es sich machte, daß wir den Winter in Paris blieben, was soll dann mit der H. geschehen? Wie leicht könnten Sie auf der Reise Frauenzimmer kennen lernen, in deren Gesellschaft Sie reisen könnten, und dann wäre die H. überflüssig. Ueberlegen Sie das wohl, und richten Sie die Sache so ein, daß Ihre Verbindlichkeit, zu jeder Zeit wieder aufgelößt werden könne. – An Wäsche fehlt es mir nicht, aber Kleidungsstücke sind mir noch sehr nöthig. Ich darf mir jezt, da meine Mutter weiß, daß ich schon Sachen bekommen habe, gar keine Hoffnung machen, daß sie mir für ihr Geld etwas kauft, denn sie würde sagen, es sei überflüssig. Aber das ist es keineswegs. Ich habe nur einen schwarzen Rock, und ein Paar schwarze Beinkleider, das ist

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Vgl. Br. 178.

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alles, das farbige Zeug, das Sie mir geschickt, ist nur ein Sommerzeug, von wenig Haltbarkeit. Ich meÿne, daß Sie mir noch folgendes von Steinthal kaufen ließen. Ein Ueberrock (bestimmen Sie selbst die Farbe; ich wünsche Olivengrün, oder so etwa) ein paar casimirne Beinkleider (von einer Farbe die nicht schmuzt, denn ich bin immer noch ein Schwein) Zwei Stück breite Nankin. Auch das seidne Futter zum Rock (ich glaube 3 Ellen) kaufen Sie von Ochs. Lassen Sie meinem Bruder sagen, daß er Ihnen, die Sachen die meine Mutter hat, Ihnen oder Ochs zuschicke, dann packen Sie sie mit den neuen Zeugen zusammen, und schicken mir sie mit dem Postwagen, damit ich vor meiner Abreise vom Schneider noch alles fertig bekomme. – Auf jeden Fall müssen Sie vor dem 16 Juni, abreisen, denn am 16ten Juni ist meine Monatsmiethe aus, und bleibe ich dann einen Tag länger, kostet es mich unnothig 12 Gulden – Ihre Briefe bringe ich Ihnen nach Heidelberg. – Ellisen besizt von mir einen Guide de Paris, lassen Sie mir den holen. – Wir könnten eine schöne Reise machen. Ueber Schaffhausen, Bern, Lausanne, Genf, und über Lÿon nach Paris. Aber dazu gehört mehr Geld als wir haben. – Wenn Sie selbst zu Ellisens gingen, und sie darum bäten, erlaubten sie der Hirsch gewiß, früher zu reisen. Das ist ja nur Chicane. Was liegt an 14 Tage mehr oder weniger. – Sichels Commis, Völklein, war hier, und hat mir unter andern Neuigkeiten erzählt, daß Sÿlvester Sichel2 am Tode läge. – Sie hätten meinem Bruder zureden sollen, mir etwas Geld zu verschaffen, zu einer Reise nach Baden. Sie hätten ihm sagen können, ich wäre so geitzig geworden, daß ich die Summe die ich von Cotta bekommen, nicht antasten wolle. Das hätte vielleicht gewirkt. Aber es ist mit Ihnen nichts gescheidtes anzufangen. Habe ich Dich nur erst in meiner Gewalt, mach ich Dich tod. Dr. Börne, geb. Wohl.

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Salomon Joseph (gen. Silvestro Joseph) Sichel (1776–1822), Vater Julius Sichels, Schwager u. Geschäftspartner Justus Hillers.

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159. An L udw i g Bö r n e i n [ S tu t tg a rt]. [Frankfurt], den 20. u. 21. Mai 1822. Nr 70 Montag 20 Maÿ 1822i Schon wieder Angst gehabt! nun, das ist aber doch gewiß recht thörigt. Und auch das ist Thorheit, daß Ihnen die paar Wochen spätere Abreise, so vielen Verdruß macht. Sie waren ja sonst Philosoph genug, sich gerne zu fügen, wo nichts zu ändern ist. – „Wir wollen das mündlich weiter besprechen“ was die Reisepläne betrifft. Dabei bleibt es. Ihren Pass werde ich wie verlangt besorgen, wäre es nicht schon genug wenn ich Dem. Hirsch1 in meinem Passe setzten lies, etwa als Gesellschafterin, oder muß sie einen besondern Pass haben? Wegen den Verbindlichkeiten die ich gegen die Hirsch übernommen dürfen Sie sich auch nicht im geringsten beunruhigen, das ist alles ganz gut eingerichtet, von meinem Herzen kann hier gar nicht die Rede sein, sondern von meinen Mitteln. Verlassen Sie sich auf mich, das ist wie gesagt alles ganz gut. Auch sind zwei Brüder von Ihr in Strasburg, und wenn es darauf ankömme, würde sie von dort aus schon recht gerne nach hause gehn, ich glaube sie ist aus der Gegend von Saarbrücken, in Forbach zu hause. Uebrigens ist es ein ganz besonderer glücklicher Zufall, der mich mit diesem Frauenzimmer zusamenbringt, denn ohne sie wäre aus dem ganzen weggehn entschieden nichts geworden, denn keine von den Mädchen hätte mitgehn mögen, oder mitgehn dürfen. –– Alles verlangte von Ihrer Mutter und Steinthal werde ich Ihnen nächster Tage sehr baldii schiken. Wo möglich reise ich früher als den 16ten ab, sollte es aber durchaus, aus kleinlicher Hartnäckigkeit der Ellisens nicht sein können, so mietheniii Sie in jeden Fall Ihr Logie nicht von neuem, Sie könnten ja den 15 oder 16ten schoniv nach Heidelberg gehen, oder einen Tag in Stuttgart im Gasthause bleiben, oder sollten Ihre Hausleute so ungefällig sein auf eins zwei Tage zu knausern, in jeden Fall aber hüten Sie sich die zwölf Gulden einzubüßen, das wäre ja Sünde und Prellerei. Sie wollen meine Briefe mit nach Heidelberg bringen, damit aber wäre meine Absicht nicht erreicht, da i ii iii iv

1

O. O. u. Adr., hs. Zus. e. Bearb.: »An Dr. B. nach Stuttgart« (Br.k.). ÜdZ: sehr bald. ÜdZ, Orig.: gehen. ÜdZ. Vgl. Br. 151.

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müßte ich sie mit auf der Reise nehmen, und das soll eben nicht geschehen, ich will sie, diese Briefe bei denen, die ich von Ihnen habe hier gutv aufbewahren lassen, also müßten Sie mir sie hierher schiken, aber sehr bald, geht das an, und sicher? lachen Sie mich nur aus! „Wir könnten eine schöne Reise machen, wenn wir mehr Geld hätten“! Das ist freilich wahr, indessen, vielleicht können Sie es erwerben, und dann gienge es schon. Wie steht es denn mit Ihrem 100 Thaler Vertrag Monatlich mit Cotta? und was wirds mit Ihrem Aphorismen Büchlein? Ich meine von den gesammelten Aphorismen, sollten Sie ein ganzes Wagheft damit füllen, und sehr bald herausgeben, damit Sie Ihre Ehre retten. Dann sollten Sie dem Cotta wöchentlich einige Beiträge fürs Morgenblatt liefern, und wenn er Ihnen dafür Monatlich hundert Thaler bewilligt, würde ich f 75 für die alte und neue Schuld abgehn lassen, aber f 75 baar Monatlich zu erhalten bedingen. Wenn Sie beides vorgeschlagene regulirt haben, dann können Sie noch, mit gar leichter Mühe, und wenig Zeitaufwand, eine bedeutente Summe gewinnen, durch die Herausgabe, Ihrer gesamelten Briefe. Wenn Sie das alle wollen, was mir sehr ausführbar scheint, dann „konnen wir eine schöne Reise machen, und so lange in Paris bleiben als wir wollen“! Mit Ihren Briefen würden Sie erstaunliches Glück machen, das war ich schon längst gewiß, und will Ihnen nun auch sagen, wodurch ich noch mehr in dieser Meinung bestärkt worden bin. Reis erzählte mir viel, von vortreffliche Gedichte, und von Briefe „Rom und Römerin (welche leztere er mir aber nicht empfohlen haben wolle) von Müller.2 Das wäre ganz herrlich, und mache großes aufsehen. (Warum haben Sie mir gar nichts davon berichtet? Was kümmern mich Ihre Morgenblatt galanterien, und Ihre kleine Oblaten, während Sie die wichtigsten, interressantesten litterarische Anzeigen vernachläßigen ? !) Also bei dieser Müllerischen Veranlassung, drang der Reis entsetzlich in mich, ich möchte ihm doch einige Rheinbriefe von Ihnen an Eichenbergs3 vorlesen lassen. ich verweigerte, verschob, versagte, das half alle nicht, er quälte so lange, bis ich ihm endlich einige Briefe mit gab. Eichenbergs sind zuverläßige Leute, und ich hätte es wohl gleich thun können, ohne Ihr Missfallen mir zu zu ziehen. nicht wahr? Die waren ganz entzückt davon,

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ÜdZ.

2

Wilhelm Müller (1794–1827), Rom, Römer und Römerinnen (1820). Vgl. Br. 42.

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(ohne alle Uebertreibung, oder Schmeichelei) in der Art habe man noch gar nichts im Deutschen, und die Briefe die ich dem Reis gegeben hatte, sind noch gerade, die unbedeutensten. Wissen Sie, wo Sie von Gimbach und Bieberich sprechen, nicht die größere Rheinbriefe. Bringen Sie nur vorerst Ihren Vertrag mit Cotta wegen dem Monatlichen Gehalt fürs Morgenbl. und ein Wag Heft im reinen, das ordnen der Briefe kann recht gut während unserem zusamensein auf der Reise vorgenommen werden, und da sollen Sie sehen welch eine emsige pünktliche Copistin Sie an mir haben werdenvi. Auch meine ichvii – solle unser Briefwechsel während unserem zusamensein gar nicht unterbrochen werden, Sie schreiben mir an jedem Abend, als wäre ich noch in der Ferne, und ich antworte Ihnen eben so, das wird so gar nöthig sein, ich werde Ihnen schon sagen wie das eingerichtet werden kann. Meinen Sie das nicht auch? – Mit Ihrem Bruder sprach ich doch so einiges über Ihre Geldangelegenheiten, Garderobe, und – Schulden. Er sagte „Warum war er ein Narre, warum hat er die Kleider in München sich von der Mutter nicht machenviii lassen. undix warum ist er nicht nach Wien, da hätte er sein Glück machen können, und – wenn Sie (das heißt (ich) seine Fürsprecherin wären, ich glaube der Vater würde alle Schulden für ihn bezahlen“. Das ist alles was ich an baarem für Sie erhalten konnte. Dienstag 21ten Eben Mittags komme ich von Dr Golds. der mit erstaunlichem Lobe, und Beifall von Ihrem heutigenx Morgenbl. Brief sprach „Äußerst schön, vortrefflich“ – wiederholte er unaufhörlich. Was Sie Glück haben! – Wie ich nach hause kam fand ich zu meiner großen Freude das Blatt auf meinem Tische, der Dr G. und der […]xi Harmonie Diener Bing4 hatten mir diese Aufmerksamkeit erzeugt. Sehen Sie, selbst diese Leute sind artiger gegen mich als Sie! Das lasse ich ins Morgenbl. einrücken, um Sie für die Heuchelei Ihrer Artigkeiten zu bestrafen. Wenn es von Ihrer Vorsorge abvi vii viii ix x xi

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ÜdZ, Orig.: sollen. ÜdZ.: meine ich. ÜdZ., Orig.: geben. ÜdZ. ÜdZ. Geschw. Passage. (Schlaufen). Wirt der Lesegesellschaft Harmonie.

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hienge, würde ich nie etwas gedrucktes von Ihnen zu lesen bekommen, es will mir niemand diese Beschuldigung glauben und dennoch ist es so. Ihr Briefxii (gedruckter)xiii ist gar schön: aber warum setzen Sie niemals Ihren Namen darunter? Das sollten Sie nicht unterlassen, Siexiv sagen am Schluße „So schön ist die Jugend etc“. – Das meine ich hätten Sie aus meinen Brief Auszügen entlehnt, das müßen Sie künftig nicht thun. Das wäre schade wenn diese Briefe zerstückelt würden, sie sind zu schön, und sollen für sich ein ganzes bleiben, das würde auch bei der Ausarbeitung Verwirrung, und mehr Mühe verursachen. Der Cotta muß ja erstaunlich zufrieden mit Ihnen sein. und diese Art zu Arbeiten fällt Ihnen wohl sehr leicht, und kostet wenig Zeitaufwand, nicht wahr? – Endlich gestern zum erstemmale habe ich den Freischütz gehört! ich kann nicht so viel wesens d’raus machen, besonders gefällt mir der Held des Stückesxv gar nicht. Der ist gar zu weinerlich. Doch von einmal hören läßt sich noch nicht entschieden Urtheilen. – – Ich hätte Ihrem Bruder sagen sollen, daß Sie geitzig geworden, und – spashaft, daß er gerade zu mir sagte „geben Sie acht, wie geitzig der noch werden wird“. Das wäre künstlich wenn die „‹Ein?›gewickelte Ewigkeit das noch aus Ihnen heraus spönne – wir wollens abwarten. Stiebel hat mir bestimmt versprochen mit der Röschen mich nach Heidelberg zu begleiten, die haben beide Verlangen, Sie wieder zu sehen. Es wäre recht schön wenn er Wort halten könnte. S5 ist noch in Celle. Sie lassen ihn dort nicht fort er muß erst ein Konzert geben, ich danke Gott für diese Verzögerung. Ihre Sommerkleider hat der Louis schon von Ihre Mutter hohlen lassen. Donnerstag mit dem Postwagen wird er Ihnen alles schiken. Sylvester Sichel ist gestorben. – Die Canzi6 macht hier großes Aufsehen, ob Sie sie wohl noch in Stuttgart hören werden? Denken Sie daran was ich über das Zuschiken meiner Briefe Ihnen gesagt. Adieu, Wissen Sie das ich eifersüchtig bin, auf meine Morgenbl. Nebenbuhlerin Sie schreiben feinere, zierlichere, artigere Briefe ans weibliche Publikum als an mich, das leide ich xii xiii xiv xv

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ÜdZ: 2 (Satzumstellung). ÜdZ: 1. Orig. davor: meine ich. ÜdZ: des Stückes. Aloys Schmitt. Vgl. Br. 140.

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nicht! Sie wissen, ich bin ein „Neidhammel“ – in diesem Punkte dürfen Sie mir niemals untreue werden, nochmals Adieu, mein eleganter herr Schriftsteller! J. W.

160. An Jeanet te Wohl in [Frankfurt ]. Stuttgart, den 23. Mai 1822. 71. Stuttgart d. 23 Mai 1822.i Ich bin verdrüsslich, bin verdrüßlich, bin verdrüßlich. Ihr Brief ist zwar lang und lieb, aber das ist doch nur Arznei im goldnen Löffel. Die Mitte des Juni ist ganz genau am 15ten Mittags 12 Uhr. An dieser Mitte, sagten Sie früher, würde die Hirsch entlassen werden, und jezt reden Sie wieder von der Möglichkeit später als den 16. abzureisen, Ich habe beschlossen, spätestens an diesem Tage nach Heidelberg zu reisen, oder früher, je nachdem der Eilwagen abgeht. Es würde mir eine erstaunliche Freude machen, wenn Stiebel und Röschen mitkämen. Nur fürchte ich, das könnte zu noch längern Zögerungen Anlass geben. Um der zur Abreise bestimmten Zeit, könnte Stiebel ein Kranker in den Weg kommen. Dann würde aufgeschoben von Tag zu Tag, Sie würden warten. Das besorge ich. Sie müssen meinen Hauswirthen nicht Unrecht thun. Ich habe nicht sagen wollen, daß Sie mir für einige Tage über den 16ten, die Monatsmiethe abnehmen würden. Aber da sie in knappen Umständen sind, hätte ich mich wahrscheinlich geneigt gefühlt, es ihnen anzubieten. Und das will ich vermeiden, ich will meinem guten Herzen ausweichen. – Mein Aphorismenbüchelchen, gesezt auch es wäre vollendet, könnte mir doch jezt kein Geld eintragen. Sie vergessen ja ganz, daß mir Cotta gleichssam dafür vorläufig die 60 Karolin gegeben. Sie stellen sich manchmal an, als wären Sie in Geldsachen, die unverschämteste Jüdin, und doch, wenn es dazu käme, wären Sie ja sicher noch weit ängstlicher als ich. Bedenken Sie doch, daß ich Cotta 1300 fl. und mehr schuldig bin, und daß wenn ich auch das Honorar der ihm gelieferten Arbeiten zu 5 Carolin den Bogen rechnen wollten, doch immer erst 20 Karolin von jener Schuld abgingen, denn ich glaube nicht, daß alles zusammen gerechnet mehr als 4 Bogen macht. Um nach Verlauf einer Zeit, i

O. Adr.

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etwa nach 3 Monaten, wieder Geld fordern zu können, bleibt mir nichts übrig als für C. alles mögliche zu arbeiten. Die Rheinbriefe auch, werde ich für das Morgenblatt ausarbeiten. Ich habe es ihm schon gesagt. Von einem monatlichen Contract, kann ich jezt noch nicht reden, er muß erst gesehen haben, daß es mir mit dem Arbeiten ernst geworden ist. – Ueber meinen lezten Brief im Morgenbl. hat sich die hiesige Noblesse und Beamtenkaste, gewaltig geärgert. Er ist anti-monarchisch, freilich sehr stark, mich wundert nur daß er gedruckt werden durfte. Es ist tödtliches Gift darin für den Adel.1 Ich habe wieder einen langen Aufsatz (1/2 Druckbogen) eingeschickt, betitelt: Der allgemeine Anzeiger der Deutschen.2 Ganz für Frauenzimmer. –Ihre Briefe wenn Sie darauf bestehen, will ich Ihnen nach Frankfurt schicken. Mich verdrießt die Mühe des Einpackens. Besser ich bringe Sie nach Heidelberg. Sie können Sie ja dann von dort aus, nach Frankfurt schicken. Ich meine aber, wir nähmen sie mit auf die Reise, und Sie bringen die meinigen auch mit. Sie würden ja Stoff zu arbeiten geben. Uebrigens richten Sie Ihre Häuslichkeiten in Frankfurt so ein, daß Sie nichts hindre, den nächsten Winter oder auf immer wegzubleiben. – Sehen Sie doch, daß Ihnen jemand ein gutes Perspectiv schenkt oder leiht. Wäre auf der Reise zu gebrauchen. Worms3 hat einen Tubus4. Auch das nöthigste von Ihren Winterkleidern, (Mantel, Pelzkragen) müssen Sie auf jeden Fall einpacken. Denn in der Schweiz, auf den Bergen, muß man sich warm kleiden. – Freÿlich ging es an, daß die Hirsch als Gesellschafterin auf Ihren Pass gesezt würde. Aber erstens, wäre das eine Art Beleidigung für das Mädchen, denn nur Dienstboten, werden auf diese Weise in den Pass ihrer Herrschaft gesezt. Zweitens, könnte sie das geniren, wenn sie sich etwa auf der Reise von Ihnen trennte, denn da brauchte sie ihren eignen Pass. – Wenn Sie meinen Pass erhalten, schicken Sie mir ihn, daß ich ihn hier kann visiren lassen. – Sie thäten mir einen großen Gefallen, wenn Sie mir die Iris verschaften, worin vor 2 Jahren mein Aufsatz über die Weiberhüte stand (Dioptrik)5 Sie brauchen ja nur zu Wenner das Blatt von Wenner6 zu schicken in mei-

1 2

3 4 5 6

Vertrauliche Briefe, in: Morgenblatt v. 20. Mai 1822. Der allgemeine Anzeiger der Deutschen erschien in den Ausgaben Nr. 134, 144, 151 und 165 des Morgenblattes vom 15., 17., und 25. Juni und vom 11. Juli 1822. Vgl. Br. 177. Fernrohr. Dioptrik in: Iris, Nr. 4 v. 23. Januar 1820. Vgl. Br. 127.

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nem Namen. Ich möchte ihn nehmlich vermehrt in das Morgenblatt bringen. Davon müssen Sie aber Wenner nichts sagen. Lassen Sie ihn von mir grüßen. Das Manusscript des Aufsatzes, das Sie mir geschickt, ist zu mangelhaft. Es muß in das Gedruckte viel hinzugekommen seÿn. Sie können, Iris, Pass und Frau v. Chezÿ Beschreibung von Heidelberg7 etc. mir auf den Postwagen schicken. Bitten Sie doch Samuel sich Mühe zu geben, daß er es unter meinen Büchern finde. Es ist blau brochirt, nehmlich der Titel ist auf dem Umschlag gedruckt. Ich lasse mir dies Buch, das Sie mir mitbringen könnten, nur darum schicken, damit es mit dem Passe etc. das erforderliche Gewicht bekomme. Denn auf der Briefpost, würde Pass und Iris eben so viel kosten. – Ich habe eben nach dem Kalender gesehen. Wenn Sie nicht früher weg kommen können, reise ich spätestens. Freitag den 14 Juni, von hier mit dem Eilwagen ab, und komme dann Abends zwischen 10–11 dort an. Sonst müsste ich warten bis Dienstag den 18ten, was ich nicht will. Sollte ich unglücklicher Weise, in Heidelberg auf Sie warten müssen, werde ich diese Zeit benutzen, meine Reise im Eilwagen, als Gegenstück zur Postschnecke8 auszuarbeiten. – Ich habe mich bei Leuten die in der Schweiz waren, erkundigt, wie viel das Reisen dort mit Frauenzimmern kostet. Sie sagten mir eine Person wenigstens 8 fl. den Tag, also wir drei 24 fl. Um die Schweiz nur etwas zu sehen, braucht man 4 Wochen. Das wäre also eine Ausgabe von 720 fl. Was sagst Du dazu Hänschen. Ich habe berechnet was es in Paris kostet, und theile Ihnen die Rechnung am Schlusse des Briefes mit. Sie werden daraus sehen, daß wir 3 dort höchstens nur 16 fl. täglich brauchen. – Sie sollten meinem Bruder mehr zusetzen. Gebrauchen Sie Ihre unausstehliche – ich wollte sagen unwiderstehliche Liebenswürdigkeit, dann verschafft er wohl 30 bis 50 Carolin. Lassen Sie durch Dr. Stiebel beibringen, ich wäre zu geizig mit Ihnen zu reisen, ich hätte von den 60 Karolin von Cotta, diesem 50 wieder zurückgegeben, um sie auf Interessen zu behalten. etc. Ich weiß wie man auf meine Juden wirkt – Sagen Sie ihm, er sollte mich mit einer Rolle Geld überraschen. Rühr Dich Schlingel. – Statt wie ich meinte 60 werde ich nur 50 Carolin übrig behalten. Das machen die 3 Wochen die ich länger hier bleibe, Macherlohn für Ueberrock etc. Man muß sich begnügen. Wenn ich das Zeug zu meinen Kleidern hätte bezahlen müssen wären mir nur 40 Karolin geblieben – Nicht zu vergessen Die Beschreibung von Paris die Eduard Ellisen von mir hat. 7 8

Vgl. Br. 135. Vgl. Br. 27.

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Donderodondondon oder Genaue Berechnung, wie viel Geld, ein Mensch und zwei Frauenzimmer zu einer Reise nach Paris, in Franken und Gulden, brauchen. von Plutarch. Aus dem Griechischen übersezt und mit einer Vorrede und mit Anmerkungen begleitet von Dr. Ludwig Börne geb. Wohl. Franken Von Strasburg nach Paris1.) . . . . . . . . . . . . . . . 250 In Paris täglich: (3 Personen) Logis2.) . . . . . . . 4 Fr. 1= 1stes Frühstück3.) . . . 4.) . . . 3= 2tes Frühstück . . . . 6= Mittagessen5.) . . . 3= Abendessen6.) } . . . . 18 = Vergnügungen7.) Sehenswürdigkeiten } Wäsche } Aufwartung } u. s. w. Suma. 35 Fr. oder: 15 Gulden 48 kr. 2 Pfennige Anmerkungen. 1.) Ein Platz von Strasburg nach Paris kostet, auf der Diligence (wo die anständigsten Frauenzimmer reisen 50 Fr. die Person. Es giebt aber noch eine bessere Gelegenheit, mit dem Courrier de Malle9, denn dieser (ein herrlicher Wagen) hat nur 3 Plätze. Wir wären ganz allein, und in 3 Tagen u. 2 Nächten in Paris. (Die Diligence braucht 5 Tage u. 4 Nächte) Im Courrier de Malle kostet 1 Platz 60 Fr. also 3 Personen 180. Für Zehrung, Ueberfracht etc. noch 70 Fr. hinzugefügt, macht 250 Fr. Nehmen wir uns einen Miethwagen, würde es nicht mehr kosten; aber der braucht wohl 8 Tage. 2) Ich habe für ein gutes Zimmer 1½ Fr. täglich bezahlt. Zwei Zimmer, etwa mit Cabinett kosteten also 4 Fr. 9

Eilwagen der Briefpost.

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3) Wir frühstücken natürlich in unserm Zimmer, von unserer eignen Menage. (Die Wirtsleute liefern das nicht.) Sie werden aus Ihrer vieljährigen ( ! ) Erfahrung wissen, daß Thee, Butterbrod etc. für 3 Personen nicht mehr als 27½ kreuzer kosten (So viel beträgt der Frank) 4) Um 4–5 Uhr, wird Mittag gegessen. Ein ordentlicher Mensch begnügt sich um 12 Uhr mit einem Butterbrödchen u. einigen Kirschen, welches für 3 Personen nur 1 Fr. kosten würde. Da ich aber weiß mit welcher Esskünstlerin ich es zu thun habe, habe ich ein Cottelet, 1 Glas Wein u. drgl. in Rechnung gebracht. 5) Ich habe für 2 Fr. Mittags, 4 Gerichte, Desert, und 1 Schoppen Wein gehabt. Wir müssen uns das Essen ins Haus bringen lassen, und bekommen es wahrscheinlicher noch wohlfeiler. Frauenzimmer können nur zu den vornehmsten Restaurateurs essen gehen, wo eine Person wenigstens 4 Fr. verzehrt. Allein dieses thun wir, wie alle Reisende, die nicht ungeheuer reich sind, nur einige Male, um die Sache mit anzusehen. Man hat, einmal es gesehen, ohnedies kein Interesse daran. Diese Mehrausgabe, ist unter der Rubrik Vergnügen begriffen. 6) Eigentlich eine nicht gewöhnliche Ausgabe. Man kömmt um 6 Uhr und später noch vom Tische, und ißt nichts zu Nacht. Aber man geht mit Frauenzimmern zuweilen Abends in einige Kaffehäuser und ißt ein Gläschen Eis. etc. 7) Ist alles auf höchste berechnet. Die eigentlichen Sehenswürdigkeiten in Paris (Gallerie, jardin de Plantes, Museum) kosten nichts. Theater, kostet die Person 3 Fr. und ist man in Paris, zumal im Sommer, denkt man grade nicht oft daran, sich in Theater einzusperren. Eine Stunde in der Stadt herum zu fahren, kostet 2 Fr. Das meiste würden die Sehenswürdigkeiten ausser Paris kosten, Versailles, St Cloud, Monmorenzi etc. Aber im Durchschnitt könnten wir täglich nicht mehr als 18 Fr. brauchen. Wären wir nun auf diese Weise 6 Wochen in Paris, würde ich unterdessen für weiteres Geld sorgen. Im Nothfall könnten Sie Conzert geben, oderii Sie ließen sich bei Franconi10 als Kunstreuterin engagiren. Dr. Börne, geb. Wohl.

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10

Orig. davor: und. Cirque Olympique od. Théâtre de Franconi.

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161. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt. [Frankfurt], den 25. Mai 1822. Samstag 25 May 1822i Nr 71 Sie sollen aber nicht verdrießlich seÿn! ich kenne auch gar keinen erheblichen Grund dazu! Verzögerung wegen Stiebel, dürfen Sie gar nicht befürchten. ich gehe an einen bestimmten Tag weg, wenn beide dann mitgehn können ist’s gut, und mir sehr lieb, kann St. nicht mit auf diese Zeit, so begleitet mich Samuel, oder sonst ein Bekannter. Sie können in jeden Fall, am Freitag den 14ii mit dem Eilwagen abreisen, und ich gehe dann wo möglich den nehmlichen, oder einen nächstfolgenden fortiii. – Wir faseln beide mit unsern Reisplänen, Sie aber, mein werther Freund, ein gut Theil stärker noch als ich. Wir sollten beide den Hauptzweck nicht aus den Augen verlieren, und der ist – von hier wegzukommen. Es muß ja weder nach der Schweiz, noch nach Paris gereißt seÿn, ich will eine Zeitlang ruhig, und in angenehmem freundlichem Umgang verleben, je weniger weitausgreifende, anstrengende Pläne, und Kostenaufwand, je mehr Mittel und Aussicht auf ein längeres Ausreichen des Geldes, und eine längere Abwesenheit. Dies alles, haben wir ja schon so oft wiederhohlt, wollen wir mündlich bedenken, und besprechen. Verwirren Sie sich doch den Kopf nicht, mit so vielem berechnen und Spekuliren, sein Sie nur vor der Hand, hübsch fleißig wie bisher, und – ruhig – Moritz Getz,1 und Dr Golds. reisen kommendeniv Montag von hier weg, und auch nach der Bergstraße, und nach Baden, wie ich höre, aber nur auf vierzehn Tage. Daß ich diese Gelegenheit nicht benutzt darf Ihnen nicht leidthun. Sie sagten ja selber ich solle der Hirsch nicht vorausgehn, und auch wünschen die Herrn wahrscheinlich nicht mit Frauenzimmer[n] zu reisen, da sie doch keine von Ihren Frauen mitnehmen. Sie sehen daß keiner so erpicht darauf ist mit Damen zu reisen als Sie, und ob Sie es nicht noch bereuen – und mein verzögern mir noch danken werden – – – ! !? Sie i

ii iii iv

1

Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer in Stuttgart (Kuvert). Orig. folgend: aber. ÜdZ, Orig.: weg. ÜdZ: den. Vgl. Br. 77.

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werden mich wieder eine schöne Avis geberin schelten! Verwichenen Donnerstag am 23ten hat der Louis O.2 alles von Ihnen verlangte wie Tuch zum Ueberrock etc. auf dem Postwagen an Sie abgeschikt, Sie werden es schon erhalten haben, sagen Sie mir dies in Ihrem nächsten Br.v Ich würde viel ruhiger reisen, wenn ich meine und Ihre Briefe hier ließe, zur Bearbeitung, besitzen Sie ja in Auszügen alles was daraus zu benutzen. Ihren Pass, dächte ich, könnte ich mitbringen, da ich doch wenigstens einige Tage in Stuttgart bleibe, so hätten Sie da noch Zeit ihn visiren zu lassen, auch die Iris, (Dioptrik) bringe ich selber, wenn Sie nicht damit eilen, oder vielleicht kann ich leztere Götz noch mitgeben. Sie sollten mit Cotta ins reinen zu kommen suchen, entweder er läßt ihr Büchelchen drucken, und dann könnten Sie neue Bedingungen fürs Morgenbl. machen, oder Sie arbeiten für dieses Geld eine bestimmte Zeit fürs Morgenbl. und lassen, für besondre Bezahlung das Büchlein drucken, dem C. wäre es gewiß nicht lästig noch auffallend, wenn Sie sich auf diese weise zu arrangiren suchten. Nehmen Sie javi kein Aergernis […]vii, an meine Rathschläge, und vor allem an meinem wenigen schreiben für heute. Ihr Freund Stiefel ist wieder hier, Adieu. Vergnügte Pfingsten. Gute Laune, und - freundliche Erinnerung. J. W.

162. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 27. Mai 1822. Nr. 72. Stuttgart den 27. Mai 1822.i Ich bin alles zufrieden, liebes Kind, Sie üben einen unbeschränkte Macht über mich aus, und ich werde wie immer nach Ihrer Flöte tanzen. Mit Paris war es mir eigentlich mehr Scherz. Ließ es sich machen, wäre es freilich v vi vii

ÜdZ. ÜdZ. Gestr. u. geschw. Passage.

i

Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Louis Ochs.

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schön. Aber, wie Sie sagen, es kömmt darauf an, daß wir mit unserm Gelde haushalten, um so länger abwesend bleiben zu können. An Ihrer Seite finde ich es überall schön, da werde ich keine Entbehrung fühlen. Ihnen gegenüber, würde mir Suppe, Rindfleisch, Gemüs mit Beilagen, Ragout und Mehlspeisen, Pasteten, Braten, Desert und eine Bouteille Wein, besser schmecken, als trocknes Brod, ohne Sie genossen. Das können Sie mir glauben. – Ich würde mich freuen, wenn Dr. Goldschm. hier her käme; aber der Weg nach Baden, führt eigentlich nicht über Stuttgart.– Iris und Pass können Sie mir mitbringen. Das Paket habe ich erhalten. – Wenn ich Ihnen Ihre Briefe schicken soll, müssen Sie mir Adresse nach Straße, Litr. Nr. genau angeben. Denn da ich das Päktchen der fahrenden Post übergebe, bringt es nicht der gewöhnliche jüdische Briefträger, sondern Einer, dem Sie fremd sind, ins Haus.1 Auch hat man Beispiele, daß Postwägen beraubt worden, und die Briefe über die Felder gestreut worden sind. Die würden dann, nach dem ersten Regen, allerlei unorthographische Gräser und Blumen hervorbringen. Bedenken Sie das alle wohl. – Für den Fall, daß Sie etwa willens wären, Gold mitzunehmen, bemerke ich Ihnen, daß ich mir bereits 50 Napoleon eingewechselt habe – und es reut mich. Denn man sagt mir, daß man auf Reisen, wenn es grade nicht nach Frankreich geht, mit Gold immer verliere. Indessen das können Sie in Frankfurt am besten erfahren. – Meine neuen Kleider, bis auf das neu hinzugekommene, habe ich vom Schneider schon bekommen, und auch gestern, als am ersten Pfingsttage getragen. Ich fürchte mich, mich darin vor Ihnen zu zeigen. Die Sprache wird Ihnen vergehen. Alles nach dem Geschmacke der lezten Pariser Woche. Wo meine Beine anfangen, da hört der Rock auf. Ich sehe aus wie ein Närrchen von 16 Jahren, und habe gestern den ganzen Tag die frivolsten Grundsätze gehabt. Ganz Stuttgart hat mich angesehen, und mich ehrerbietigst gegrüßt (im Ernste). Die Westen sind unbeschreiblich gemacht. Un Coup de Ciseaux d’une hardiesse extraordinaire! An der schwarzen Weste, sind Knöpfe in Kugelform, von einer schwarzen Metallmasse. Die zweite Weste hat Knöpfe von Stahl, und die dritte von Perlenmutter. Die Westen, können nur bis zum sechstheil ihrer Länge zugeknöpft werden. Alles offen, so daß ich kein schwarzes Hemd darunter

1

Im frühen 19. Jh. wurde es allgemein üblich, daß Briefsendungen von einem Postboten vom Postamt zu den Empfängern gebracht wurden. In Frankfurt belieferte ein eigener jüdischer Bote das Judenviertel.

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anziehen kann. Schaffen Sie mir doch um Gottes willen eine brillantene Nadel zur Miethe. Es ist eine Schande, eine ordinäre offne Brust zu zeigen. Mein Ueberrock wird auch wundervoll; ohne Knöpfe, polnisch mit seidnen Schnüren. Zu dem Allen trage ich einen gelben Strohhut mit grünem Bande, wie sie jezt hier Mode sind. – Können Sie mir nicht sagen, ob die Wage noch herauskömmt, die ehemals in Frankfurt erschien? Ich habe darauf pränumerirt, aber seit fast einem Jahre, nichts davon zu sehen bekommen. – Wir haben jezt Messe hier, und auch Sehenswürdigkeiten, wie euer Frankfurt. Einen herrlichen Löwen, nebst Gattin und 3 Kindern. Diesen Morgen um 7 Uhr sah ich sie; da liefen die jungen frei umher. Dann einen Tombour=Major der 15 Trommeln spielt; einen Gesichterschneider etc. Vielleicht beschreibe ich die Messe im Morgenblatte. – Liebes Kind, seÿen Sie nicht böße, ich kann nicht weiter schreiben, denn ich will die Frau v. Riedesel2 besuchen, und ihr meinen neuen Rock zeigen. Ich habe sie erst neulich kennen gelernt. Sie spielte Claviervariationen von Moscheles, in einem öffentlichen Conzerte, das zum Besten, der Waisen eines verstorbenen Musikers, gegeben wurde. Den Tag nach dem Conzerte ließ ich mich zu ihr führen, und ward sehr artig aufgenommen. Gleich beim Eintreten sagte ich ihr: Genädige Frau, Sie haben gestern gespielt wie ein Engel, oder vielmehr nicht wie Engel; denn wenn die Engel mit solcher Fertigkeit Moscheleschesche Variationen spielten, was sollte aus den armen Griechen werden? Dieses Compliment gefiel ihr sehr gut. Schön ist sie nicht, im Uebrigen aber hat sie viel Aehnlichkeit mit Ihnen – Ehe Sie abreisen, waschen Sie sich das Gesicht recht sauber; ich habe meine Ursachen. Adieu mein Mäuschen. B.

2

Weit verzweigte hessische Adelsfamilie: ein Dr. jur. Karl Georg Freiherr v. R. (1746–1819) war Kammerherr des württemberg. Herzogs u. später Gerichtspräsident, sein Sohn Ludwig Philipp (1793–1825) fiel als Freiwilliger im Griechischen Unabhängigkeitskampf bei Missolunghi.

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163. An L udw i g Bö r n e i n [ S tu t tg art]. [Frankfurt], den [28.] u. 29. Mai [1822].i Ich meine immer Sie sollten mit Cotta reden, den früher zugesagten Gehalt erneuern, ausschließend nur für ihn arbeiten (nicht zu vergessen, die Nekarzeitung nicht aufzugeben) die erhaltene 60 Karolin für das erste Quartal abrechnen, die frühere Schuld, am lezten Viertel des Jahrgehalts abziehen, also nach Verlauf eines Vierteljahres ein Quartal von der 3000 Gulden Summe Ihnen zu bezahlen. Es ist gewiß daß Cotta Sie um jeden Preiß für sich gewinnen, oder vielmehr behalten will. Auch hat er Ihnen diese Summe von f 3000 ja schon früher bewilligt, und jezt, nach dem bedeutenten litterarischen Ruf den Sie haben findet er diese Foderung gewiß nicht zu hoch. Sie können ihm ja auch auseinandersetzen, daß Sie nur dann gut und leicht arbeiten, wenn Sie Sorgenfrei, und daß sie wenigstens so viel zu einem anständigen Auskommen bedürfen. Sie dürfen mit diesem Antrage um so weniger verzagt sein, da Sie doch dem C. ausdrücklich bemerken, daß Sie vor dem Verlauf des viertel Jahres, nach dem Datum der erhaltenen 60 Karol. keine Geld Forderung machten, daß Sie nur Ihre Finanzverhältnisse reguliren wollten, um ruhiger und thätiger leben zu können, und daß Sie auch deswegen gegenwärtig schon von einem Zukünftigen redeten, weil Ihnen mehrere Anträge gemacht worden (wie Sie mir früher über Berlin berichtet) und daß Sie ohne eine festere Aussicht, nicht alles auf ’s geradewohl ablehnen wollten. Daß es Ihnen angemessener wäre wenn Sie Ihre Arbeiten nicht zersplitterten etc. – und auch das könnten Sie noch hinzufügen, daß Sie, wenn ihm, dem C. sehr viel daran gelegen, vielleicht den Winter, oder schon den Herbst nach Paris gehn wollten. Ich wiederhohle, da Sie für jezt kein Geld verlangen, Sie sich bei C. […]ii nicht herabsetzen, und ich zweifle gar nicht im geringsten, daß er dies alles sehr annehmbar findet. Werden Sie nur nicht ungedultig, daß ich so oft über drgl. Angelegenheiten mit Ihnen rede, vielleicht ist Ihnen dies sehr lästig, aber mündlich habe ich oft ähnliches mit Ihnen besprocheniii, auch hat diesiv öfters genützt, und so kann ich es auch im schreiben nicht unterlassen. Wenn Sie mit dem C. über diese Summe von f 3000 Jährlich, noch i ii iii iv

O. D., hs. Zus. e. Bearb.: »ca 28. Mai 1822 (Dr. Sch)«. – o. Adr. Geschw. Passage. Ü.d.Z.: be, Orig.: gesprochen. Orig. folgend/anschl.: Ihnen.

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vor unserer Abreise einig werden könnten, so wäre dies eine zuversichtliche Aussicht auf den Winter nach Paris. Aber binden Sie sich nicht so, daß Paris, als unumgängliche Bedingung dabei festgesetzt wird. – Drv Stiefel hat mir aufgetragen Ihnen folgendes zu sagen: :Daß er im höchsten Grade auf Sie aufgebracht sei, und – Sie sollten sich doch erinnern, daß Sie in der Zeit wie Sie mit ihm nach Stuttgart gereist wären, dem Cotta eine „sehr hübsche Erzählung, als Probe gegeben hätten, wo also diese Erzählung geblieben wäre? Von Ihrem Dr Breslau,1 habe ich unglaubliche Dinge gehört, aber nichts desto w[e]niger verbürgte Wahrheit. Mehr als Gemeinheiten, der schmutzigste rohste Geitz. Die Ausstattung war ihm zu gering, er mußte noch etliche f 100 Nachtrag bekommen, sonst könne die Braut, nur wieder zurückfahren, und die […]vi Antwort, hat er in einem Dorfe, zwei Stunden von dem bestimmten Orte des zusamentreffens erwartet. Sie sind ein Menschenkenner! mündlich erzähle ich Ihnen das Ausführlich, erinnern Sie mich daran, auch an einem Merkwürdigen Abenteuer das Simons Opp.2 Schreiben ‹Bechhold›, auf einer Reise in Russland mit der größten Lebensgefahr bestanden. – Frau Adler hat einen sehr flehentlichen Brief an Samuel geschrieben, ich habe diesem den Auftrag gegeben mit den Polizei Diener Schulz zu sprechen, der sagte: Sie sollten nur die Quittung schiken, er wolle ihm jezt schon das Geld geben. Wenn das also angeht, so schiken Sie umgehend mir die Quittung. – Die Hirsch3 hat mich heute besucht, denken Sie nur Sievii war im Jahr 19 drei Monate in Paris, sie ist sehr bekannt da, ihr Vater viii mit dem sie dort war, war damals noch in sehr guten Verhältnissen, nehmlich Postdirektor (oder (Posthalter) in Strasburg. Sie war in dieser Jahreszeit dort, und so sehr es ihr auchix da gefallen, daß es doch im Sommer gerade nicht sehr angenehm sei, die Hitze wäre gar zu

v vi vii

viii ix

1 2 3

Orig. davor: Ihr. Durchgestr. Passage. Fälschlicherweise großgeschr., die beiden folgenden Personalpronomen wurden überschrieben: Ssie. Orig. folgend: war da. Ü.d.Z. Vgl. Br. 59. Simon Lazarus Oppenheimer. Vgl. Br. 151.

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drückend. Inx einem der besten Hotels ist sie sehr bekannt, ihr Vater hatte als Posthalter Gelegenheit den Leuten viel zu nützen, und da sagte sie könnten wir herrlich um die Hälfte, des gewöhnlichen Preißes logiren, das wäre auch bei ihr der Fall gewesen. Von die Rutsch berge hat sie mir viel erzählt. – Höchst wahrscheinlich gehe ich auch am 14ten von hier weg. Dann dürften Sie auch in Heidelberg nicht vergebens auf mich warten, dann kömme aber auch kein Postvogel zur Welt, das wäre jammerschade! und bringt mich beinahe in Versuchung Sie ein bischen warten zu lassen. – Worms hat mir seinen Tubus für die Reise zugesagt, er ist ganz merkwürdig artig, und denken – denken Sie ! ! er kennt keinen sehnlichern Wunsch (aber ganz im Ernste) als wieder mit mir zu reisen! und Sie – sind auch nicht abgeneigt – Was seÿd Ihr für Leute ! ! –– Parterre in unserem hiesigen Theater kostet jeztxi einen Gulden. Werden Sie Ihren Aerger darüber wieder drucken lassen? ich zweifle ! – Wäre dem Cotta nicht auch sehr erwünscht, wenn Sie, Nachträge zum Conversationslexicon schrieben? Schon als Nebenbuler von Brockhaus4 müßte ihm das sehr lieb sein. in diesem Genre könnten Sie viel leisten. Auch darüber mündlich mehr. – Ich habe Ihnen ja zu sagen vergessen, den Preis der überschikten Sachen, was Sie vielleicht zu wissen wünschen. 2 Staab grünes Tuch a f 13 – f 26 Casemir a – 6 – ˙ 12 2 – – 2 Stück breite Nankim 3 ˙ – 6 und f 55 erstere Sendung, f 44 haben wir den Monat September. Ach! Es wäre mir lästig, und auch (etwas) ängstlich 50 Karolin an Geld mitzunehmen, auch reden mir alle davon ab, ich solle Anweisungen, oder Empfehlungen, wie man es nennt mitnehmen. Schnapper, und Worms haben sich dazu erboten, auf welche Plätze soll ich mir geben lassen? Etwa aufxii Carlsruh, Schaffhausen, oder wo sonst? […]xiii Wenn Sie baares Geld mitnehmen, dann brauchte ich erst meine Anweisungen zu benutx xi xii xiii

4

Orig.: iIn. Ü.d.Z., Orig.: wieder. Orig.: etwa [ü.d.Z.] Auf Carlsruh. Durchgestr. Passage., vermutl. und auf w[…]. Friedrich Arnold Brockhaus (1772–1823).

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zen, wenn das aufgegangen, oder sagt Schnapr: Sie könnten Ihr Geld in Stuttgart auf die Bank legen, und sich Anweisungen dafür geben lassen, ich meine, aber einer von uns beide müßte Geld mitnehmen, also am besten Sie, nicht wahr? – – Mittwoch 29. – – Gestern den ganzen Tag habe ich den Dr Goldschmidt erwartet, um mündlichere freundliche Grüße an Sie bestellen zu lassen, aber ganz spät erst, als ich ihn gar nicht mehr erwartete, und ausgieng, kam er, wir haben uns also verfehlt. Iris, Pass etc. hätte ich ihm gerne mitgegeben, habe aber noch nichts davon erhalten können. Doch erhalten Sie nächstens alles verlangte. – – – 11 Uhr. – Die Frau v. Riedesel wird gedacht haben, waß ich Ihnen sage – Nr 72. Daß Sie ein Narre sind! Ich glaube im ernste, die neuen Kleider haben Ihnen den Kopf verrückt, denn Sie reden ja wie ein ‹Geck›, und Stutzer, und so (der Himmel verhüte es!) fürchte ich auch, daß Sie aussehen! Im Ernste, ich habe es Ihnen ja im voraus gesag[t]xiv Sie hätten vorsichtig, und darauf bedacht sein sollen, daß Ihre kleider soli[de] und vernünftig gearbeitet würden, wenn Sie wirklich so aufgestuzt aussähen? D[as] wäre ja gar zu Possenhaft, fürchterlich! aber ich glaube Ihnen kein Wort den Ueberrock Schnüren, und dem grünen Hut Bande, Sie wollten mich nur errschrecken, in Furcht jagen, um dann, mich desto mehr mit Ihrem einfachen, gute[n] Geschmacke, und Ihrer Solidität zu überraschen. Ja die Griechen! – und Sie! – Sie sind auch ein rechter Prophet! Wenn ich nicht Ihrem Kopfe, sondern dem meinigen gefolgt hätte, wäre ich jezt eine reiche Frau, und könnte Ihnen eine kostbare Diamantene Nadel kaufen. Die Papiere sind wie Sie wahrscheinlich wissen werden sehr gestiegen, aus Furcht vor Ihnen, Ihren Ansichten, Ihrem Zanken, habe ich nichts gekauft, jezt können Sie Ihre Hemdkrause hübsch mit einer bleiernen Stecknadel zu stecken. Das hat man (nichts) von den hohen politischen Ansichten, der geistreichenxv Köpfe! Den Gewin-Verlust will ich Ihnen noch (und gerne) verzeihen, machen Sie aber nur um gotteswillen, daß Sie vernünftig aussehen! Ihre Kleider machen mir ordentlich bange vor dem Wiedersehen! Unsere Reise, so wie wir drei zusammenstehen, hat ohnedies schon – etwas – aben= Abenteuerliches – denken Sie sich also meine Beklemmung, wenn ich an Ihre Ueber[röcke] Schnüre, und Ihrem Strohute denke! ––– Dr Golds. ist heute Morgen um 4 Uhr von hier abgereist, er kömmt nach Stuttgart. – – Wir haben weder Lit. noch Nr an unserem Hause, Stiebel hat xiv xv

Besch. Rand. Im Orig. ist die urspr. Unterstr. des zweiten Wortteils reichen wieder durchgestr.

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diesen Winter schon ein Paket mit der fahrenden Post, unter seinerxvi Adresse richtig erhalten. Doktor Medeziner Stiebel, an der schönen Aussicht, Sie können noch hinzufügen (neben Senator Thomas)5 frankiren Sie nichts, damit ich’s sicherer erhalte, und schreiben Sie mir auch auf der Brief Post, an welchem Tage ich das Paket zu erwarten habe, damit ich zu hause bin. „ha, ha, ha, ! !“. Auch meinen Namen, und daß ich zwei Stiegenhoch wohne, und daß es „an mich abzugeben, müßen Sie zu bemerken nicht vergessen.“ („sie sind unausstehlich“!) will ich Ihnen zu sagen, oder zu denken erparen. Wenn Sie nunxvii mein lieber Gärtner, diese kränkliche, aber eben deswegenxviii nur desto anspruchsvollere Brief=Pflanzen,xix so sorgsam hüten und bewahren wollen, werden Sie gewiß glücklich den Ort Ihrer Bestimmung erreichen, und dann, so gehütet werden, daß sie ferner keine Humoristisch malizöse Gräser treiben sollenxx. Als dann wird mich auch kein angedrohter „Postkutschenraub, Postkutschenregen, noch „unortographische Blumen“ mehrxxi erschrecken. Adieu mein eleganter Herr. Doch verstehen Sie wenig von der Kunstgärtnerei der Artigkeit, ausser –– – wenn Sie mit Frau v. Riedesel reden! hm! Könnte ich Ihnen nur eine Brillantne Nadel mitbringen! das geht mir im Kopfe herum! – – – – – J. W. Ich habe eben der Röschen und Stiebel Ihre Schneidergeschichten vorgelesen, „das wäre ja alles recht hübsch, es brauche mir gar nicht bange zu sein . . Dies zu Ihrer Beruhigung, wenn Sie nehmlich gar, unruhig waren, über meinen, möglichen, Zorn oder Misfallenxxii. Ganz wohl ist mir doch nicht bei der Sache, und erst – – wenn ich Sie wiedergesehen, werde ich zufrieden sein! Lernen Sie betragen von mir. Adieu. Iris, und Pass, bringe ich also selbst mit.

Ü.d.Z., Orig.: folgender. ÜdZ. xviii ÜdZ. xix ÜdZ: Brief=. xx ÜdZ. xxi ÜdZ. xxii Im Orig. ist das ß nachträgl. gestr. worden. xvi

xvii

5

Vgl. Br. 78.

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164. An Jeanet te Wohl in [Frankfurt ]. Stuttgart, den 31. Mai 1822. Nr. 73. Stuttgart den 31. Mai 1822.i Ihr Brief ist recht groß, aber meine Ungeduld Sie zu sehen ist noch weit größer. Durch solche Mittel gelingt es Ihnen nicht mein Herz zu beschwichtigen, was vielleicht Ihre freundliche Absicht war. Warum schreiben Sie, daß Sie wahrscheinlich den 14ten abreisen, warum nicht gewiß? Was hindert Sie den Tag unabänderlich zu bestimmen? Sie müssen sich einrichten, als wollten Sie schon den 8ten abreisen, sonst werden Sie bis zum 14ten nicht fertig, ich weiß ja wie es mit euch Weibern geht. Und dann müssen Sie schon am 13ten den Wagen vor das Haus kommen lassen. Auch darf Sie etwa eintretendes schlechtes Wetter nicht zurückhalten, und sorgen Sie darum für einen Wagen der gedeckt werden kann. In einem offenen ist man ohnedies der Sonne und dem Staube zu sehr ausgesezt. Sie wundern sich, daß Worms und ich Lust haben, mit Ihnen zu reisen? Das thun wir um unser Seelenheil willen. Ich habe neulich niedergeschrieben: „Eine böße Frau ist die Inokulation der Höllenstrafe; wer das Glück hat eine solche zu besitzen, kann dem himmlischen Jenner nicht genug für diese Wohlthat danken.“ Das ist es. – Ihr Mäulchen, wenn Sie von meinen literarischen und Finanzverhältnissen mit Cotta sprechen, geht wie eine Windmühle. Es ist aber auch alles Wind. In Ihren Plan, der übrigens ganz gut ist, kann ich jezt noch nicht eingehen. Wie ich Ihnen schon oft gesagt, muß ich erst einige Monate arbeiten, um von Cotta mir Geld geben zu lassen. Und dann erst, kann ich ihm den Antrag zur fixen Bezahlung machen. Das ist ja in der Hauptsache das nehmliche. Schriftlich kann ich ohnedies freier und besser mit Cotta unterhandeln als mündlich. – Ich will die Polizei=Quittung beilegen, es wäre aber besser, wenn Sie das Geld erst am 20ten einnehmen ließen. Früher zahlt es die Rechnei nicht, es müsste also Schulz es vorstrecken, wofür ihm 1 Brabanter Thaler Douceur gegeben werden müsste, und das Geld könnte gespart werden (ausser 1 Gulden, den Schulz auf jeden Fall bekömmt. – – So eben komme ich aus dem Wirthshause, wohin mich Goldschm. u. Götz, durch beiliegendes Billet haben rufen lassen. Sie sind gegangen die Boissersche Gallerie zu sehen.1 i

O. Adr.

1

Die Gebr. Boisserée hatten ihre Kunstsammlung im März 1819 nach Stuttgart verlegt (vgl. Br. 5).

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Wir werden Mittag zusammen essen. – Geben Sie unsere neuen Lotteriezettel vor Ihrer Abreise in sichere Hände. Die ersten Klassen, die Sie schon in Händen haben, nehmen Sie besser mit. – Nach Bezahlung der Schuld von Adler, wird von den 100 fl. wohl noch übrig bleiben. Ordnen Sie an, was damit gemacht werden soll. – Der Dr. Stiefel muß sich irren, ich erinnere mich nicht, vor einigen Jahren dem Cotta eine Erzählung fürs Morgenbl. gegeben zu haben. – Am besten, Sie lassen sich eine Anweisung nach Carlsruh geben. Von da aus, wenn wir das Geld nicht brauchen, lassen wir uns eine nach der weitern Bestimmung unserer Reise geben. D[och]ii lassen Sie sich genau sagen, wie man sich bei Anweisungen, Creditbriefe etc. zu verhalten hat, denn ich bin sehr dumm in solchen Sachen. – Suchen Sie wo möglich auf meinen Bruder einzuwirken, vielleicht gelingt es Ihnen mir noch Geld zu verschaffen. – Ich habe mich bei Dr. G. nach der Dem. Hirsch erkundigt, er hat sie sehr gelobt. Wenn wir nach Paris kämen, wäre sie uns von großer Aushülfe, Ich muß durch machen, daß ich den Winter nach Paris komme. Wäre ich vor 3 Jahren bis jezt dort geblieben, und hätte mich unterdessen im Französischen vervollkommnet, hätte ich eine französische Zeitung redigiren können. Wie mir vor einigen Tagen, ein Pariser junger Gelehrter erzählt hat, bekommen die Hauptredacteurs dort, jährlich 25tausend Fr. Gehalt. – Auch hätte ich jezt dort Gelegenheit, an einem eleganten bellitrisch, literarisch= und Theaterblatt zu schreiben, das unter dem Namen Miroir2 erscheint, und welches vortrefflich ist. Jouÿ giebt es heraus. Das wäre so ganz mein Genre. Alles Kurz, von einem zum Andern springend. Wie schwerfällig ist das Morgenblatt dagegen. Einer der Hauptredakteure dieses Blattes ist mir bekannt, und ich bin in Frankfurt, wo er sich so lange er aus Frankreich verbannt war, aufgehalten, viel mit ihm umgegangen. Durch diesen könnte ich leicht mit dem Miroir in Verbindung kommen. – Ich bin in meinen neuen Kleidern zum küssen. Aber einen gelben Strohhut habe ich mir nicht gekauft, sondern einen schwarzen. – Schreiben Sie mir doch in Ihrem nächsten Briefe ganz bestimmt, daß Sie den 14ten abreisen. – Wir haben hier auch einen Rutschberg. Sie hätten gewiß Furcht darauf zu fahren. Ich bin gar nicht

ii

Tintenklecks.

2

Le Miroir des Spectacles, des lettres, des moeurs et des arts erschien in Paris seit 1821, hg. v. Victor-Joseph-Étienne de Jouy (vgl. Br. 59).

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mehr der Meinung, daß wir nach Stuttgart reisen – doch das mündlich. Adieu. ich muß zum essen. Dr. Börne, geb. Wohl. Ich werde Sie benachrichtigen, wenn Ihre Briefe mit dem Postwagen abgehen werden.

165. An L udw i g Bö r n e i n S tu t tg a rt . [Frankfurt], den 3. Juni 1822. Nr 73 Montag 3 Junÿ 1822i Walter Scott sagt, in seinem trefflichen Romane, Der Pirat,1 den ich Ihnen zu lesen rathe.. „Und denkt nur dabei zu sehr an das, was sich doch einmal nicht ändern läßt. Seufzest du darüber mein Kind? Das ist der Fehler der halben Welt – laß ihn dir nie zu schulden kommen!“ – – Und Sie, lassen sich ihn auch zu schulden kommen diesen Fehler, und wie Sie mir dabei wunderlich und verkehrt vorkommen! Sie wünschen französisch zu schreiben, wo Sie doch schwehrlich bei aller Anstrengung über eine gewisse Mittelmäßigkeit hinaus kömmen, und so viele große Meister über sich hätten, während Sie im Deutschen den Platz eines Schriftstellers ersten Ranges einnehmen. „Grimm2 war auch ein Deutscher, aber welcher Art: Sie wissen ja aus den Memoiren, daß ihn Rousseau schon deswegen haßte, weil er ihn einmal mehrere Stunden lang beschäftigt sah, seine – Nägel, in möglichst zierlicher Form zu bringen. Nun – wenn dieser Zug einen Deutsch-Franzosen bezeichnet – aufrichtig – könnten Sie da jemals in einen Franzosen umgewandelt werden?! Lesen Sie nur darüber Göthe in seinem „Leben“ nach.3 Wie er die Unmöglichkeit zeigt, daß je ein gebildeter Deutsche, in dem höhern Sinne des i

Hs. Zus. e. Bearb.: »Ffurt 3 Juni – 1822.« (Kuvert). – Adr.: Herrn Dr Börne Wohlg Königsstraße, bei Herrn Ottenheimer Stuttgart (ebd.).

1

The Pirate (1821) (Der Pirat, 1822). Friedrich Melchior Freiherr v. Grimm (1723–1807), Schriftsteller u. Diplomat, aus einer Regensburger Pfarrfamilie, die viele Jahre in Paris verbrachte u. vielfältige Verbindungen zur Aufklärung u. den Enzyklopädisten pflegte. Vgl. Dichtung und Wahrheit (Aus meinem Leben), 4 Bde., Bd. 1–3 (1811–1814).

2

3

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Wortes, die französische Sprache sich aneignen könne. Wenn Ihnen denn doch der Sinn so sehr darnach steht 25 tausend Fr. Jährlicher Einkünfte zu haben, warum haben Sie die Wage nicht fortgesezt? Die hätten Sie eben so gut in jeder eigen beliebigen Form bearbeiten können „ganz in Ihrem Genre. Alles kurz, von einem zum andern springend“. Muß es denn gerade französisch gesprungen sein, man kann auch im Deutschen springen, und wenn Ihnen Ihre Landsleute zu schwehrfällig dazu scheinen, so hätten Sie sie schon gelehrt Geschmak daran zu gewinnen. Aber wie ich höre erscheint der Miroir unausgesetzt sehr regelmäßig, und das scheint bei der deutschen Wage, eine unausführbare Schwierigkeit zu sein, wenigstens – nach dem Gange (oder besser) nach dem gänzlichen Stillstande der Sache zu urtheilen. – Punktum. – So viel ein Mensch bestimmt sagen kann, reise ich den 14 ten von hier ab. Im Falle R.ii und St.iii nicht mitgehen, niemt wahrscheinlich deren Platz Fanÿ und Samuel Ochs ein. Pass, und Iris und Frau v. Chezü4 über Heidelberg, habe ichiv endlich bekommen, und werde es Ihnen alles mitbringen. auch Nythsch Mÿtolog.v Worterbuch, soll ich dies auch mitbringen? Wegen Creditbriefe werde ich, mit aller möglicher Zurechtweisung aufs beste einzurichten suchen. Die f 100 sind gerade für Adler und Steinthal hinreichend. Beides ist das dringentste. Die Herrn tragen hier vi sehr hübsche Sommerzeugne Uberröcke, kostet zum ganzen Rock f 12, wenn Sie keinen haben schreiben Sie mirs, ich will Ihnen Zeug mitbringen, ich finde dies sehr nöthig. Auch eine Vorstecknadel bringe ich Ihnen mit, von der Artvii wie sie die feinste reichsteviii Leute auf Reisen tragen. Eine halbe Nacht habe ich nicht geschlafen, als mir in Erinnerung kam, daß ich in meinem vorigen Briefe Bank, statt Banque, geschrieben habe, das war wieder ein rechtes Unkraut nach Ihrem Geschmake! Mit dem Abschiken der Briefe dürfen Sie jezt nicht zögern, Es ist die höchste Zeit. Wenn wir nur besseres Reisewetter

ii iii iv v vi vii viii

4

Hs. Zus. e. Bearb.: Röschen. Hs. Zus. e. Bearb.: Stiebel. Orig. folgend: erhalten. Ü.d.Z.: lo. Orig. davor: Man trägt hier. Ü.d.Z.: von der Art. Ü.d.Z. Helmina v. Chézy (vgl. Br. 135).

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bekommen, die Hitze ist gar zu drückend. Vergessen Sie auch nicht mir in Ihrem nächsten zu sagen, in welchem Gasthause ich in Heidelberg absteigen soll. Ihr Bruder ist nach Wiesbaden gereißt, ohne von mir abschiedix zu nehmen – denken Sie nur! Ich konnte also über Ihre Geldbitten nicht mit ihm sprechen, auch haben Sie gar nichts verloren dabei, denn selbst meine Beredsamkeit, was nicht wenig heißen will, hätte hier kein günstiges Gehör gefunden, auch hätte ich mich auf dieses Thema nicht eingelassen, wie Sie sich wohl von selbst denken werden. Denn Ihre Verwandte und ich, wir wissen nur zu gut, daß Sie niemanden bedürfen, wenn Sie ein raissonabeler Mensch, und so fleißig als der Monsieur Jouÿ sein wollen. Wie gefällt Ihnen dieses Briefx Blatt – Mein Spiegel? Ich fürchte das es einen scharfen ärgerlichen Rezensenten am Verfasser der ehmaligen Wage finden wird! […]xi Denken Sie man sagt der Mensch habe sich ein großes sicheres Einkommen mit der Einstellung dieser Zeitschrift verscherzt, und das alles – aus Trägheit. Ist das denkbar! Sie glauben gewiß nicht, daran mein theurer fleißiger Freund, der Sie unaufhörlich thätig beschäftigt sindxii, und sollten Sie auch in Ermangelung besserer, nur solche Gedanken, und Gleichnisse niederschreiben, daß die Hölle, und die Weiber Sÿnonÿme sind! Wir armen guten Weiber! Ich bringe Ihnen aber auch gewiß nur eine solche Vorstecknadel mit, womit Sie sich tagtäglich, alle zehn Finger zerstechen, Bei Ihrer virtuosen müßigen Ungeschiklichkeitxiii wird dieses Hexenmittel gewiß nicht fehlschlagen! Adieu Herr Grimm. […]xiv Denken Sie an Ihre schöne Hand bevorxv wir nach Paris gehen. Diese Vorsichtsmasregel, wäre auch schon für Baden anwendbar, habe ich Unrecht? (gewissenhaft geantwortet!) – Warum nicht nach Stuttgart? was haben Sie für neue Pläne? Diesesmalxvi wird lange verzögert bis Ihre Arbeit, von der Sie mir doch schon unlängst geschrieben ins Morgenbl. kömmt. warum das? Wie haben Sie sich denn mit unsre Ffurter Freunde unterhalten? War der Dr5 recht glücklich beim Anblicke ix x xi xii xiii xiv xv xvi

5

Orig. davor: sich zu. Ü.d.Z. Durchgeschtr. Passage. Ü.d.Z. Ü.d.Z.: lichkeit. Geschw. Passage. Orig. davor: ehe. Ü.d.Z.: es. Dr. Goldschmidt.

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der Alt deutschen Kunst? und M. G?6 erzählen Sie mir davon. Schöne Sachen haben Sie sich verlauten lassen! Meine Ffurter Freunde haben mir alles gesteckt, weil Sie es noch zeitlich, für rathsam hielten. „Sie wollten der Dem. Hirsch,7 recht den Hof machen“! Desto besser sagte ich zu aller nicht geringem Erstaunen, vielleicht ist sie unser guter Reiseengel, der dem herrn Dr mildere Gesinnungen einflößt, als dero Wohlgb. am Rheine blicken ließen. […]xvii Werden Sie sich gut aufführen? Welch eine große bedeutsame Frage! Wer wird dieses Räthsel lösen? – – – – – Adieu. J. W.

166. An L udw i g Bö r n e i n [ S t u t tg a rt]. [Frankfurt], den [3. Juni 1822]. Mein Freund!i Das ist recht närrisch! vor einer Stunde habe ich einen Brief auf die Post an Sie abgeschikt, und jezt schreibe ich schon den zweiten. Der Samuel pakt eben alles zusamen. Die Rheinbriefe und das Tagebuch enthalten überaus schöne Sachen; es wäre schade wenn sie es nicht gehörigii benutzten, ob Sie die Pariser Briefe und Brief Auszüge auch dazu benutzen können ist die Frage, aber dieiii Rheinbriefe, und das Tagebuch zusammen, das geht doch gewiß. Jezt noch die Bitte mein lieber Freund, gehörig durchzusehen ob meinem Scharfblick etwas entgangen was nicht gedruckt werden soll, also auf Ihr Wort, die strengste Discretion. Sie werden auch ausser dem erkennen der Handschrift gleich bemerken was ich abgeschrieben, die Weiber maxvii

i

ii iii

6 7

Durchgestr. Passage. O. O. u. D., hs. Zus. e. Bearb.: »3 Juni« (Br.k.). – o. Adr.: Herrn Dr Börne. (Kuvert). – Kuvert mit abgerissenem Siegelstempel u. Siegelabdruck: offensichtlich handelt es sich um ein gesiegeltes Schreiben, das dem Paket mit den Rheinbriefen u. dem Tagebuch beigelegt wurde. Orig.: göherig. Orig. davor: das. Moritz Getz. Vgl. Br. 151.

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chen alles verkehrt! – Wie wäre es, könnten Sie den jungen oder alten Cotta, oder beiden zugleich einigesiv aus dem Manuscripte vorlesen? Der würde es doch wenn es ihm gefiele, woran ich gar nicht zweifle, am besten bezahlen. Zeigen Sie mir gleich den Empfang des Paketes an, und vergnügen Sie sich, so viel und so gut als möglich die bevorstehende Herbsttage. T. S. v. P. Adie u J. Wohl Ich habe nicht Zeit gehabt alles noch einmal durchzulesen. Es werden sich wohl Fehler genug vorfinden. Adieu

167. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 5. Juni 1822. Nr. 74. Stuttgart den 5 Juni 1822.i Sie haben mich nicht verstanden, da ich von dem Wunsche sprach französisch schreiben zu können. Es ist ja nicht davon Rede, mein ganz Deutsches Wesen zu französiren, was ich glücklicher Weise nie lernen könnte, sondern es so weit zu bringen, daß ich ohne Sprach= und Stÿlfehler, einen kleinen französischen Aufsatz schreiben kannii, was hinreicht um an einem französischen Blatte als Mitarbeiter Theil zu nehmen. Auch hat sich die französische Denkweise und also auch der Stÿl ja ganz geändert und ist der Deutschen näher getreten. Die Eigenthümlichkeit welche die französische Sprache von der Deutschen unterscheidet, besteht nichtiii in etwas Eignen das sie voraus hätte, sondern in dem Mangel eines Gewissen was der Deutschen eigen ist, nehmlich in dem Mangel philosophischer Tiefe und cosmopolitischer Breite. Wenn aber, wie es jezt zwischen den Deutschen und Franzosen der Fall ist, zwei Nationen in ihrer Art zu denken und zu fühlen übereinstimmen, kann jede in der fremde Sprache schreiben, sobald sie nur

iv

i

ii iii

Orig. davor: etwas. Adr.: An Frau Jeanette Wohl bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt (Kuvert). ÜdZ, Orig. davor: zu können. ÜdZ.

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die Grammatik versteht. Rousseau schrieb ganz Deutsch, Chateaubriand, Benjamin Constand1 und die andern jezt lebenden französischen Schriftsteller, besonders die politischen schreiben wie Deutsche. – Den Pirat habe ich gestern gelesen, bis auf den dritten Band, der hier noch nicht zu bekommen ist. Er gefällt mir lange nicht so gut als die Andern. Die Charaktere sind etwas schwankend, nebelhaft, sentimental, und es fällt der Einbildungskraft nur darum leicht, sie sich in scharfen Umrissen vorzuzeichnen, weil sie Wiederholungen jener Charactere sind, die wir aus den frühern Romanen Walter Scotts kennen. Man wird nicht wie sonst inmitte des Schauplatzes hingestellt, sondern sieht die Shetländischen Inseln und die Menschen darauf, von der englischen Küste aus. – Ihre Briefe werde ich den nächsten Freitag abschicken, Sie bekommen Sie dann noch zeitig genug. – Es ist mir recht, daß Sie mir Sommerzeug zum Ueberrock kaufen, aber ich wünschte, daß Sie mir ihn den nächsten Samstag mit dem Postwagen schickten, damit ich den Rock hier kann machen lassen, denn ich möchte ihn auf der Reise anziehen. Sie können dann Pass und Iris beilegen. – Mit dem Nitsch brauchen Sie sich nicht zu belasten, ich wüßte nicht wo zu – Wäre es denn nicht möglich daß die Fannÿ mit käme, auch wenn Stiebel und Rößchen Sie begleiten? Das würde mir große Freude machen. Ihr seÿd ja alle magere Gänse, und könntet wohl zu 8 Platz im Wagen finden. Eine kann ja als verrückte Engländerin auf dem Bock sitzen. Reist nur ja früh ab, daß Ihr den Abend nach Heidelberg kommt. Wir logiren im Karlsberg. – An Eurer Stelle, würde ich Donnerstag um Mitternacht abfahren, und bis Freitag Morgen 10 Uhr reisen, dann liegen bleiben bis Nachmittags 4 Uhr. Auf diese Weise vermieden Sie die Hitze. Sie müssen einen ganz bedeckten Wagen nehmen. – Vergessen Sie nicht eine gut gehende Uhr mitzubringen, und köllnisch Wasser, wie auch Federmesser, Siegellack und geschnittene Federn. – Denken Sie nur, mein Vater hat mir aus Wien geschrieben. „Sr. Wohlgeb. Herrn Dr. Börne in Stuttgart. franco“ Was ich mache; er hätte gehört ich hätte viel Arbeit; ich solle ihm meine Werke schicken, die ich unterdessen zu Stande gebracht, und wenn ich mich entschließen könnte nach Wien zu kommen, würde ich dort mein gutes Fortkommen finden. Ich habe ihm geantwortet, daß ich arbeitete wie ein Vieh, daß ich nach Wien keine Lust trüge, daß ich in 14 Tagen nach Baden, und wenn ich das Geld dazu auftreiben könnte, auch nach der Schweiz, Mai-

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Vgl. Br. 14.

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land und Venedig reisen würde; und er solle die Güte haben, mir an Haber2 in Carlsruhe eine Anweisung zu schicken, ich würde dort nachfragen. – Mit Goldsch. u. Götz war ich sehr vergnügt. Es hat ihnen hier gut gefallen. Besonders am Rutschberg fanden sie Freude, und wir sind Samstag Morgen sehr viel gerutscht. Der Götz hat schrecklich geschwizt. Seine Frau hatte ihm ein sauber geheftetes Schreibbuch in Himmelblauem Umschlag mitgegeben, um ein Reise Tagebuch zu führen. Er gab es mir es auszufüllen. Das werde ich auch thun, aber mit unserer eignen Reise. – Meine Zähne habe ich mir putzen lassen, und von heute über 8 Tage an, wasche ich mir einen Tag um den andern die Hände. – Mit meinem neuen Aufsatze ins Morgenbl. dauert es nicht länger als gewöhnlich.3 Die Madame Hüber4 macht schreckliche Gesichter, wenn sie in meine sauere Aepfel beißen soll, und verschiebt es so lange als möglich. Sie hält es sehr mit der Noblesse und in meinem Aufsatze ist wieder viel gegen die Hofleute geeifert. – Eine Vorstecknadel muß ich haben, sonst kann ich nicht reisen. Wie viele Schachteln nehmen Sieiv mit? Ach, wäre ich ledig geblieben! Meine Nägel schneide ich mir auch vor der Abreise, daß ich ganz werde Ihr grimmiger Freund B.

168. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 7. Juni 1822. Nr. 75. Stuttgart den 7. Juni 1822.i Ich schicke Ihnen heute Ihre Briefe durch die fahrende Post, und glaube daß sie Sonntag ankommen werden. Ich habe etwas zu thun, und nicht viel Zeit Ihnen zu schreiben. Nur das: Den nächsten Dienstag schreiben Sie iv

Orig. davor: ich.

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Salomo Haber (1760–1839), badischer Hofbankier, Mitglied der Karlsruher jüd. Gemeinde, gehörte seit 1809 dem Großherzoglichen Oberrat für Staatsbürger mosaischen Glaubens an. Vgl. Br. 26. Therese Huber (vgl. Br. 25).

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mir zum lezten male, ohne Rücksicht ob etwa die Reihe an Ihnen sei. An diesem Tage schreibe ich auch, so daß wir beide am Donnerstage, den Tag vor der Abreise Brief bekommen. Sollten Sie, was der Himmel verhüten wolle, Freitag noch nicht abreisen können, dann schreiben Sie mir Donnerstag nach Heidelberg in den Carlsberg, welchen Brief ich dann Freitag Morgen erhielte. Adieu Schäzchen Dr. Börne, geb. Wohl.

169. An Jeanet te Wohl in Frankfurt . Stuttgart, den 10. Juni 1822. Nr. 76 Stuttgart den 10. Juni 1822.i Liebe Cousine! Ich zähle nicht mehr die Tage, ich zähle die Stunden bis ich Sie wiedersehe, und es ärgert mich daß ich nicht bestimmt wissen kann, ob dieses Freitag Abend, um 8, 9 oder 10 Uhr seÿn wird. Warum haben Sie mir aber nicht geschrieben, wer Sie begleitet, was doch jezt ausgemacht seÿn muß? Wenn Sie früher als ich in Heidelberg ankommen (im Karlsberg) bestellen Sie mir sogleich ein Zimmer, eine Vorsicht die, bei den vielen Reisenden, die jezt die Wirthshäuser anfüllen, nicht überflüssig ist. Dann schicken Sie mir, um die Stunde wenn der Eilwagen ankömmt, (welche Sie im Wirthshause erfahren können) einen Hausknecht ins Posthaus, daß er meine Sachen trage, denn sonst müsste ich dort eine halbe Stunde aufs Abpacken warten, und ich verginge vor Ungeduld. – Ich erinnere mich recht gut, dem Adler noch 100 fl. schuldig zu seÿn. Es ist schon viele Jahre her, daß er sie mir baar geliehen. Lassen Sie der Adler wissen, daß ich die Schuld anerkenne, und sie zahlen werde, sobald ich zu Geld komme. – Wennii Sie eine Uhr haben, reicht das aus, ich brauche keine. Meine silberne Uhr besitze ich noch, sie ist aber ganz unbrauchbar, und ich werde sie wahrscheinlich heute noch, nebst andern alten Kleidungsstücken verschachern. – Ihre Briefe werden Sie erhalten haben. – Sorgen Sie nur dafür, daß Sie Freitag früh abreisen, damit Sie zeitig in Heidelberg

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert). Hs. Zus. e. Bearb.: »(im folgenden Brief )« (roter Stift).

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sind. – Ich glühe vor Entzücken, wenn ich daran danke, daß wir uns bis heute über 8 Tage, schon einige Male gezankt und versöhnt haben werden. Denn was Sie mir schrieben von Verträglichkeit, damit scherzten Sie ja wohl nur. Lieben wir uns denn nicht mehr? Muß ich fürchten, daß an die Stelle der ehemaligen Herzlichkeit, kalte Höflichkeit getreten ist? Wir werden uns zanken, und uns etwas Schwindsucht anärgern, die in dieser warmen Jahreszeit gar nicht gefährlich ist. Aber das wollen wir ausmachen, daß wir, wenn wir uns Vormittags entzweien, nicht eher zu Tische gehen, und wenn Nachmittag, nicht eher uns zu Bette legen wollen, bis wir mit einander ausgesöhnt sind. In den Neckerstrudel müssen Sie hienein, von einem betrunkenen Schiffer gefahren – da ist keine Gnade. – – Das Päktchen habe ich heute nicht erhalten. Es fällt mir auch ein, daß der Postwagen hierher, den Samstag gar nicht abgeht, sondern Montag und Donnerstag. Ich kann also das Päktchen erst Mittwoch erhalten. – Ich schreibe Ihnen also auch nicht mehr, es müsste mir denn bis morgen noch etwas beifallen. Ich habe zu nichts mehr Geduld, nicht einmal Ihnen zu schreiben. Adieu Cousine. Dr. Börne.

170. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Stuttgart, den 12. Juni 1822. Nr. 77. Stuttgart den 12 Juni 1822.i Liebe Cousine, der Teufel soll Sie holen, wenn Sie es gütigst erlauben. So sehr es mich auch freut, daß Ihre Schwester wohl ist, so sehr beunruhigt mich das doch. Mein kritischer Scharfsinn sezt mich in Verzweiflung. Wenn Ihre Schwester wohl ist, und Sie bleiben doch bei ihr, was wird sich bis zum nächsten Dienstag geändert haben? Ihre Schwester wird wohl seÿn, und Sie werden noch länger bei ihr bleiben – so urtheile ich. Bei meiner Abreise Freitag bleibt es. Hier könnte ich es nun gar nicht aushalten, ich muß mich zu zerstreuen suchen. Am Tage wo Sie diesen Brief erhalten (Freitag) schreiben Sie mir sogleich nach Heidelberg, daß ich Samstag

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert).

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Nr. 170

Nachrichten von Ihnen bekommen. Und fahren Sie fort mir täglich nach Heidelberg zu schreiben, bis zu Ihrer Abreise. Versagen Sie mir wenigstens diesen Trost nicht. Ich schreibe Ihnen Samstag von Heidelberg, so daß Sie Sonntag den nächsten Brief von mir erhalten. – Warum benachrichtigen Sie mich nicht, von dem Empfange Ihrer Correspondenz? Das Päktchen mit Ueberrock, Pass etc. habe ich erhalten. – Sollte hierher noch ein Brief von Ihnen kommen, so habe ich dafür gesorgt, daß er mir nachgeschickt wird. – Ich bin ganz gesund, theils Geschäfte, mehr aber Ungeduld, verhindert mich lange Briefe zu schreiben1 – Grüßen Sie Ihre Schwester herzlich. – Was mich am meisten ärgert bei Ihrer Zögerung, ist, daß mir unterdessen meine schön gepuzten Zähne wieder schwarz werden. O herzliebe Base Du führst mich über alle Maaße An meiner langen Nase Ich weine und ich rase. grase Hase Ukase spaße blase Oase Vase Mein polnischer Uebrrock ist ganz herrlich geworden. Wehe Ihrem Herzen, wenn es noch frei ist. Es ist besser blind seÿn, als mich in diesem Kleide sehen. Seit heute ist das Wetter schlecht, und es wird wahrscheinlich eine Zeit lang so bleiben. Daß Sie nur das nicht zurückhalte. Es ist eigentlich besser so, als bei der bisherigen unerträglichen Hitze. – Erwürgen könnte ich Sie Dr. Börne geb. Wohl.

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Hs. Zus. e. Bearb.: »(siehe vorigen Brief.)« (Rotstift).

Nr. 171

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171. An Jeanet te Wohl in Frankfurt. Heidelberg, den 15. Juni 1822. Heidelberg den 15 Juni 1822.i Nr. 78. Ich will Ihrem Briefe entgegen schreiben. Liebe Cousine und theuerer Engel! Wenn Sie der Teufel noch nicht geholt hat, wie ich vermuthe, (er wäre auch ein[e] Narr wenn ers thäte, Sie würden ihm die ganze Hölle verderben mit Ihrer Liebherzigkeit) so wünsche ich Ihnen meine Ungeduld an den Hals. Sie können sich mit diesem Surrogate begnügen. Vielleicht haben Sie sich gewundert und gefreut, daß ich Ihnen auf die Nachricht Ihres längern Ausbleibens, so ruhig und geduldig geantwortetii. Mir hatte der Himmel, in meinem großen und gerechten Schmerze, eine schöne und mächtige Trösterin geschickt – die Phantasie. Sie wußte mir so zuzusprechen, daß mich die Zögerung freute. Ich hatte mir vorgenommen Ihnen bis Frankfurt entgegenzukommen, bis vors Thor, so daß Sie mich Dienstag morgen beim Wegfahren gleich getroffen hätten. Dieses hatte ich mir ausgemahlt, und mich daran ergötzt. Aber dann fielen mir die Schwierigkeiten ein, die Möglichkeit Sie zu verfehlen, und ich gab den Gedanken wieder auf. Darauf kehrte auch mein Verdruß zurück, und jezt ist kein Haar auf meinem Kopfe, das sich nicht boshaft und satÿrisch gegen das abscheuliche Weibsvolk sträubt. Darunter sind Sie aber nicht gemeint, liebe Cousine, Sie sind ein Engel. Es [ist] wirklich besser so, daß Sie jezt noch nicht reisen, es ist zu warm, im August, da wäre die schönste Zeit. Ich kann nicht verlangen, daß Sie wegen meiner Ihre Praxis versäumen. Zwar kommen hier die Weiber auch ins Kindbett, aber da Sie eine Fremde sind, würde Ihnen schwehrlich erlaubt werden, die Hebammenkunst zu treiben. Entgegenkommen werde ich Ihnen keinen Schritt, ich werde Sie in meinem Zimmer, im 2ten Stock Nr. 9 erwarten. Da können Sie mich aufsuchen, und nicht eher spreche ich mit Ihnen, als bis Sie sich zu meinen Füßen geworfen, und mich um Vergebung alles Vergangnen gefleht haben. – – Das ist ein kleines Briefchen! Und davon soll ich leben bis Dienstag? Fleißig soll ich seÿn? Damit kann ich nicht dienen. Es ärgert mich, daß ich nicht beim Packen bin und Sie ärgern kann . . . Vergessen Sie nicht Ihren Verstand einzupacken. – Warum

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Adr.: An Frau Jeanette Wohl, bei Hrn. Dr. Stiebel an der schönen Aussicht frei in Frankfurt a/m (Kuvert). Orig. davor: gefreut.

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Nr. 172

hatten Sie mir nicht geschrieben, daß sich ein Mals erschossen hat, welches mir gestern erzählt worden Adieu mein Täubchen. Warum nehmen Sie den langweiligen Lindenau1 mit? B.

172. An Jeanet te Wohl in [Stut tgart]. Frankfurt, den 17. März 1824. 1. Frankfurt den 17 Merz 1824i Morgens 11 Uhr. Ich Sitze bei Ihrer Schwester,1 und schreibe in der Eile einige Aphorismen Glücklich angekommen. Meine Eltern große Freude gehabt. Ihre Schwester ist wohl und sieht sehr gut aus, ächzet aber etwas. Dr. Stiebel war schon bei mir und Ellisen. Habe meine Nachtmütze verlohren, sonst nichts. Mein Vater hat ein schönes Haus. Die Post geht schon um 12 Uhr ab. Ich habe mich auf der Reise gut aufgeführt. Bin prächtig gefahrn. Die Papiere stehen sehr hoch. Guste stand am Fenster als ich an der Brücke ausstieg. Ich rief ihr zu bei Ihrer Schwester auf mich zu warten, wenn sie mich sprechen wolle. Sie ist aber bis jezt noch nicht da. Guste sieht sehr frisch aus. Der[e]n Mutter stand bei ihr. Mein Bruder Phillip2 ist (bei Regenwetter) mir bis zur Warte entgegengekommen, und hat sich dann zu mir in den Wagen gesezt. Gruß an die Pauline.3 Vertragt euch. Gruß an Lindners4 und Kaulas. Adieu liebes Herz. Morgen ausführlicher. Börne

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O. Adr.

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Bernhard August von Lindenau (1779–1854), Geschichte der Astronomie im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts (1811).

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Theresia Stern, geb. Wohl (vgl. Br. 12). Vgl. Br. 2. Vgl. Br. 151. Friedrich Ludwig Lindner u. dessen Frau Elise, geb. Reiffinger. Nach der Beilegung der publizistischen Auseinandersetzung 1819 entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen B und Lindner.

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Nr. 173

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173. An Jeanet te Wohl in Stut tgart. Frankfurt, den 20. März 1824. 2. Frankfurt den 20i Merz 1824ii Guten Morgen, liebe Seele! Du mußt zufrieden seÿn mit meinen zerstükkelten kurzen Briefen. Es geht wahrhaftig nicht anders. Ich fürchte, daß ich bis nächsten Montag noch nicht reisen kann, und einige Tage länger hier bleiben muß. Jette1 allein habe ich noch nicht gesehen. Sie wollte gestern zu Guste2 kommen, wo ich war, wurde aber durch eine Unpäßlichkeit ihres Bruders3 abgehalten. Ich war 2 Stunden bei der Guste allein und sie hat mir aufrichtig gesagt wie ihre Sachen stehen. S.4 hat in München, zwar noch keine Anstellung erhalten, aber die feste Zusicherung, auf die Stelle eines alten Kapellmeisters, wenn dieser sterben sollte. Wahrscheinlich im April schon kommt er nach Frankfurt, und dann wird Guste, mit ihm sich in Obernburg trauen lassen. Sie wird nicht katholisch werden, sondern protestantisch. Sie hat mir das alle so ruhig erzählt, daß sie sehr bei mir gewonnen hat, denn ich sah, daß sie in ihrem Wahnsinn so arg verstrickt ist, daß sie die ganze Welt über S. vergisst. Als ich sie fragte, ob sie denn überzeugt sei, daß es ihr im entscheidenden Augenblick nicht an Muth fehlen werde? antwortete sie: Ja, das sei sie überzeugt. Uebrigens werde sie ihrem Vater ihr Vorhaben nicht verschweigen. Mein Vater hat mir erzählt, der alte Wohl5 habe sein Testament gemacht, und G. enterbt, bis auf den kleinen Pflichttheil, den er ihr nicht entziehen kann.6 – Mein Vater hat mich auf heute Nachmittag zu einem Spaziergang eingeladen,

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ÜdZ, Orig.: 19. Adr.: An Frau J. Wohl, bei Frau Wittwe, J. A. Schmid. in der Kronenstraße in Stuttgart. (Kuvert) Jette Rindskopf, Nichte JWs. Auguste Wohl. Bernhard Jakob Rindskopf (vgl. Br. 26). Aloys Schmitt (vgl. Br. 1). David Lazarus Wohl (vgl. Br. 37). Ein Testament v. 1824 ist nicht erhalten; eine (später revidierte) Nachlaßregelung v. 1828 belegt, daß Auguste Wohl von dem Vermögen ihres Vater allein den Pflichtteil, d. h. ein Drittel des Erbes erhalten u. erst nach dem Tod des Vaters in den Besitz des mütterlichen Nachlasses kommen sollte.

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wo er über eine gewisse Sache mit mir reden wolle. Da werden wir also hören was vorgeht. Dein leztes Stündlein schlägt. Dr. Stiebel sagt mir, mein Vater habe sich geäussert, wenn mich eine gewisse Person heirathen wolle, werde er ihr eine bedeutende Summe zusichern, und den jungen Eheleuten einstweilen eine jährliche Rente geben. Was sagt mein Sauköpfchen dazu? – Es ist jezt ganz gewiß, daß ich Montag noch nicht abreisen kann. Mein Vater bat mich noch einige Tage zu warten, weil wir dann zusammen nach Stuttgart reisen wollten. Indessen komme ich spätestens bis Freitag. Ich habe viele Besuche gemacht, werde von allen zu Tische eingeladen, gehe aber nirgends hin. Meine Eltern haben sich geäussert, sie wären sehr mit mir zufrieden, ich wäre gesprächig geworden etc. – Ich werde Ihnen viel zu erzählen haben – die Industrie-Ausstellung7 hat hier auch sehr gefallen. – In Bettchen Sichels8 Ehe, ist das Ofenthürchen aus dem Janustempel eingeführt. – Schneider Barth war schon bezahlt als ich hierherkam, habe mich schrecklich darüber geärgert. – Schnapperchen9 hat mir ein Wechselchen von 25 fl. präsentirt, habe ihn auf der Stelle bezahlt – Erinnern Sie mich an Jettchen Sichel10 und Mad. Speÿer,11 habe viel zu erzählen. – Dein Karlchen schwäzt hier wie ein St‹ar›matz. – Lassen Sie sich nach einer Wohnung für mich umsehen. Wir wollen in Stuttgart recht vergnügt leben, und ich gedenke viel zu arbeiten. – Wie sehr würde es Ihnen hier misfallen! Alle lachen und ärgern sich, wenn ich ihnen erzähle, daß Sie wieder Lust hatten nach Frankfurt zu kommen. – Ich höre schon wieder jemand kommen. – Meine Nachtmütze habe ich nicht verlohren. – Süßer Engel, wie freue ich mich Dich wieder zu sehen. – Prächtiges Wetter ist heute Samstag – Sie haben mir so einen lieben Brief geschrieben, und ich habe so viel Verdruß, daß meine Briefe, die Ihnen sonst so viele Freude machen, diesmal so dürre und trocken sind. Ich bin gar zu zerstreut, und um 11 Uhr Vormittag, muß der Brief schon auf der Post seÿn. Ich habe Ihren gestrigen Brief im Herzen noch, aber nicht mehr im Kopfe,

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Gewerbe-Ausstellung, seit 1822 v. der Gesellschaft zur Beförderung der nützlichen Künste und deren Hülfswissenschaften (Polytechnische Gesellschaft) jährlich ausgerichtet. Bettchen (Jettchen) S., Witwe Jakob Mayer S. (vgl. Br. 49). Moritz Meyer Schnapper (vgl. Br. 1). Bettchen Sichel, geb. Rothschild, seit 1802 mit Bernhard Juda S. verheiratet (vgl. Br. 14). Vgl. Br. 35.

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denn ich habe ihn gestern Abend den Ochsen gegeben. Ihre Schwester hatte ihn aufgemacht, ehe sie mir ihn geschickt. Das war nicht recht. Sie entschuldigt sich, es sei aus Versehen geschehen, ich will es glauben. – Moritz Götz12 war witzig, und hat gesagt, ich wäre unwohl nach Frankfurt gekommen. – Bettchen Sichel,13 die mit Ihrer ehemaligen Schwiegermutter durch ihren Mann verwandt ist, hat mir gesagt, Hr. Otten14 den sie oft sehe, wäre ein gewaltiger Lümmel. – So eben läßt mir Ihre Schwester sagen, sie wäre glücklich von einer Tochter entbunden worden.15 Adieu. Ihr Karlchen.

174. An L udw i g Bö r n e i n [ Fr a n k fu rt ]. Stuttgart, den 20. März 1824. Stuttgart 20 Merz 24i Undankbarer! Ich bin gar nicht zufrieden mit Ihnen – würde ich sagen, aber ich will Sie nicht irre machen. Wenn Sie beschäftigt sind, wenn Ihnen wenig wenig Zeit zum schreiben bleibt – auch gut, merken Sie sich nur hübsch alles, damit Sie mündlich brav erzählen können. Madame Lindner war 4 Stunden hier, und ihr haben Sie es zu verdanken, daß Sie ein unbefriedigendes kurzes Brieflein erhalten. vielleicht ist er gar überflüßig, und Sie sitzen schon im Eilwagen wenn er eintrifft. Ausgegangen bin ich noch gar nicht seit Sie weg sind, fühle auch gar keine Neigung dazuii, nichts reizt mich in ihrem Stuttgart, ich will hoffen daß der kommende Frühling, und Ihre werthe Gegenwart etwas zur Erheiterung, zur Verschönerung der lieben Residenz beitragen werde ! ! ! war das nicht ganz kostbar gesagt ? ! Aber im Ernste, ich

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Adr. Herrn Dr. Börne eigenhändig (Kuvert). – hs. Zus. e. Bearb.: in Ffurt. ÜdZ.

Moritz Löb Getz (vgl. Br. 77). Vgl. Br. 14. Leopold Heinrich Otten (vgl. Br. 7). Charlotte Stern, Tochter v. Therese (JWs Schwester) u. Jakob Samuel Hayum Stern.

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bin ganz dumm, die warme Stube, die Frau Lindner, die vielerlei Ffurter Geschichten, Geschwätz, was weiß ichiii was alles –– Nun der Himmel behüte Sie gutes Kind, mir scheint Sie werden ganz verhätschelt bei Ihren Eltern! O, das Wunder! Adieu, bilden Sie sich mir nichts ein, und werden hochmüthig, ich werdeiv Ihnen schon den Uebermuth wieder heraus zanken, denken Sie daran! J. W.

175. An Jeanet te Wohl in Stut tgart. Frankfurt, den 21. u. 22. März 1824. 3. Frankfurt 21 Merz. 1824.i Abends 10 Uhr. Meine Aeugelein sind sehr schwehr, ich will aber doch meinem holden Engel noch ein Stündchen schreiben. Bei Tage ist keine Möglichkeit. Diesen Abend war ich mit der ganzen Ochsenheit bei Rosette zum Thee. Guste und Reis haben Schmidtische Sachen gespielt, und erstere war sehr vergnügt. Ich bin es auch, aber nur wenn ich bei Freunden, oder in meinem Hause bin. Aber auf offner Straße ist mir so schwül, als wäre ich in einer verpesteten Stadt. Nimmer und nimmer könnte ich in Frankfurt leben. Einen Pass nach der Schweiz, Frankreich und Italien habe ich mir geben lassen, aber die Oesterreichische Gesandtschaft hat mir das Visa nach Italien versagt, und die französische zieht mich auch von Tag zu Tag herum, so daß es scheint, man wolle mir auch Frankreich versperren. Sollte meine Furcht sich bestätigen, dann ist gewiss hier beim franz. Gesandten gegen mich intriguirt worden, denn ich kann mir nicht denken, daß er von Paris eine Weisung erhalten, da ich dort gar keinen Anlass zur Klage gegeben habe. – Guste hat Ihnen heute Postrestant nach Stuttgart geschrieben, weil sie vergessen, mich um die Adresse zu fragen. Schicken Sie

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ÜdZ. ÜdZ, Orig.: will. Adr.: An Frau J. Wohl, bei Frau Wittwe J. A. Schmid, in der Kronenstraße in Stuttgart. (Kuvert)

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also nach der Post. – Mein Vater hat gestern auf der Hanauer Chausee von einer wichtigen Sache mit mir gesprochen. Er wünscht sehr meine Verbindung mit einer gewissen Person. Er sagt, er habe von dieser Person viel Gutes gehört. Ich erwiederte, es sei falsch berichtet, jene Person tauge durchaus nicht; er ließ sich aber von seiner Meinung nicht abbringen. Er will in diesem Falle 1. meine Schulden bezahlen. 2. Meinen Haushalt einrichten (Messer und Gabel, Töpfe, Caserole etc.) 3. Mir eine jährliche Rente von 1100 fl. zusichern, so daß ich mit meiner Pension 1500 fl. hätte. Und 4. wenn die jungen Eheleute es wünschten, wolle er uns in Bonn in seinem Hause eine freie Wohnung geben. Ich sagte meinem Vater, das wäre alles recht schön, aber die gewisse Person möge mich nicht, und habe schon vor 7 Jahren, einer gewissen Dem. Rosette Ochs gesagt: „Sie wolle sich lieber ins Wasser stürzen als mich heirathen.“ Mein Vater sagte: Papparlapa! Wenn sie sich auch ins Wasser stürzt, sie kann schwimmen wie alle Gänse. Er sezte hinzu: „Komm den Weibern zart entgegen, Du gewinnst sie, auf mein Wort“1 Ich werde also bei der nächsten Gelegenheit, jener Person zart entgegen kommen. – Die Augen fallen mir zu. – Die gewisse Person hat sich in ihrem ersten Briefe, sehr verschnappt durch die Ausdrücke: „Das Schriftstellerische Sie.“ Die Ochsen fragten: Wie nahe seÿd Ihr euch denn gekommen? . . „ Bis zum Prügeln sagte ich. – Gute Nacht, liebes Leben! – – 22. Merz. Danke, meine süße Braut, für alle Ihre lieben lieben Briefe. Undankbar werde ich immer gegen Sie seÿn, denn für alles was ich Ihnen verdanke, giebt es keinen Dank. – Um 4 Uhr heute gehe ich zu einem Mittagessen im Weidenhof, welches der Gelehrtenverein giebt.2 Ich dachte anfänglich, ich wäre dazu als Gast eingeladen, und erst von andern Leuten habe ich erfahren, daß das Fest mir zu Ehren gegeben wird. – Werde ich bei Ihnen wohnen können? Es wäre doch besser. Ganz gewiß werden Sie in Stuttgart noch vergnügt. Freilich, so lange ich Ihnen mangele, mangelt Ihnen Alles. Donnerstag gedenke ich abzureisen; doch schreibe ich Ihnen noch einmal vorher. – Ihre Schwester ist sehr wohl, und die Entbindung ist ungewöhnlich leicht von Statten gegangen. Ich war aber noch nicht in der Wochenstube, im Vorzimmer aber. – Viel schöne Sachen habe ich Ihnen zu erzählen: aus meiner Fam‹ili›e, von Jettchen Sichel, von Guste etc. – Bei 1

2

»Geh den Weibern zart entgegen« (Goethe, Antwort bey einem gesellschaftlichen Fragespiel, 1796). Der Frankfurtische Gelehrtenverein für deutsche Sprache richtete am 22. März 1824 zu Ehren Bs ein Essen aus.

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Ochs ist mir als wäre ich nie fortgewesen. – Adieu lieber Engel. Freundlichen Gruß an Pauline.3 Börne. T.S.v.P. Wend’ um.ii

176. An Jeanet te Wohl in Stut tgart. Frankfurt, den 23. März 1824. Frankfurt d. 23. Merz 1824 Ich habe Ihren Brief an Stiebel gelesen, und ich bin glücklich bis in den höchsten Himmel. Sie sind zwar eine sehr schlaue Frau Hutzel, Sie haben eine sehr gewandte diplomatische Feder, es scheint mir, Sie wollen sich ein Hinterthürchen offen lassen; das wird Ihnen aber alles nichts helfen. Ich werde Ihnen entgegen diplomatisiren. Ich habe schon gestern ausgesprengt, ich wäre eigentlich gar nicht getauft, sondern ein kauscherer1 Jud, und hilft das nichts bei Ihrer Mutter, werde ich wirklich wieder ein Jude, und schwöre Dir bei der großen Thora, ewige Liebe und Treue. Sie wären nicht gescheit, wenn Sie sich bedächten, eine so reiche Parthie wie ich bin, findet man nur einmal in jedem Jahrhundert; gar wenige besitzen wie ich, ein schönes Haus in der Bonner Judengasse.2 – Beim Essen gestern nicht sonderlich amüsirt. Kirchner3 brachte meine Gesundheit aus ‘der Geißel 4.i

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Hs. Zus. v. Louis Ochs: »Eben bekomme ich durch Stiebel Ihr liebes Schreiben und da ich gerade bei Dr Börne bin, so will ich nur kurz sagen, daß hier gar nichts vorgefallen ist, was uns hätte traurig machen sollen. So weit habe ich Ihren Brief zu beantworten; das Uebrige gilt den Schwestern die ‹Ihnen› schon den Kopf voll schwatzen werden. Ihr Fr‹eun›d Louis.« (Rücks.)

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Adr.: An Frau J. Wohl, bei Frau Wittwe, J. a. Schmid, in der Kronenstraße in Stuttgart. (Kuvert)

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Vgl. Br. 151.

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Koscher. Bs Großvater besaß in Bonn mehrere Häuser in der Judengasse. Anton Kirchner, Mitglied des Gelehrtenvereins (vgl. Br. 41).

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aller Narren und Pfilister etc.’ – Ich w[erde] mich nicht länger aufhalten lassen durch meinen Vater, und Donnerstag abreisen. Morgen erfahren Sie das Gewisse. – Nach Ihrem gestrigen Briefe gefiele es Ihnen noch nicht sonderlich in Stuttgart, aber kommt der Frühling, und kommt Ihr Freund, denn wird es Ihnen schon gefallen. – Hüte haben Sie sich kaufen lassen und seidne Kleider, ohne meine Einwilligung! Das unterbleibt künftig Madame. – Dr. Stiebel kommt jeden Morgen zu mir. – – Ich bin in der größten Verlegenheit. So eben war mein Vater bei mir auf dem Zimmer, und bat mich dringend, noch bis Montag hier zu bleiben. Nicht etwa um auf ihn zu warten, sondern weil er die Sache noch nicht ins Reine gebracht. Wir wurden denn unterbrochen; er meinte wahrscheinlich die Angelegenheit wegen meiner Rente. Das Hierbleiben konnte ich ihm also nicht abschlagen. Werden Sie mir verzeihen? Gewiß; da es mein Bestes betrifft. Mein Vater sagte mir auch, ich sollte mit Ihrem Schwager von der Sache reden. Ich weiß aber nicht ob ich es thuen soll. Vielleicht aber rede ich mit Ihrer Schwester darüber.4 – So eben hat mich ein jüdischer Commis eine halbe Stunde gestört. Er beschäftigt sich mit den ernsten Wissenschaften wie er sagt, und nach jedem 10ten Worte sagt er, mich deucht. – Werde ich heute einen Brief von Ihnen bekommen? – Jezt verläßt mich […]ii nachdem er zwei Stunden, mich schrecklich ennuirt hat, mit vorlesen Gedruckter und geschriebener Sachen. Ich dachte, ich müsse sterben. – Es ist 12 Uhr Mittag, und ich habe keinen Brief von Ihnen. Ist das Recht? – Morgen wird die Lotterie gezogen. Ich gewinne ganz bestimmt. Ich glaube jezt an mein Glück. – Meine Mutter hat mir eine goldne Repetieruhr gekauft. Adieu mon ange. Börne. Propriètaire, Electeur und Eligible.

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Geschw. Passage (unkenntl. gemachter Name).

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Fanny Schnapper (vgl. Br. 1).

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177. An Jeanet te Wohl in Stut tgart. Frankfurt, den 24. März 1824. Nr. 5 Frankfurt d. 24. Merz 1824.i Liebe Seele, Deine Briefe sind wie Du. Wie glücklich machen sie mich! Aber Engel, ins Teufels Namen, warum Sind Sie immer so melancholisch? Alles ist vergnügt und heiter, hier, die Guste sogar, trotz ihres Schicksals! Nur Sie allein wollen nie lernen, leicht zu leben. Ich komme so eben von Ihrer Schwester, die mich hat rufen lassen. Es war das erste Mal, daß ich sie in ihrem Wochenbette sah. Sie ist so gesund und vergnügt als wäre gar nichts mit ihr vorgegangen. Ich habe mich sehr mit ihr amüsirt, und ich wäre noch länger bei ihr geblieben, wenn ich nicht gefürchtet hätte, das Plaudern möchte ihr schaden. Ich habe von gewissen ernsthaften Dingen mit ihr gesprochen. Sie war angenehm überrascht, und sagte, sie würde sichs zur Ehre nehmen, mit dem ersten Schriftsteller seiner Zeit verwandt zu werden. – Der Wilhelm1 ist ein prächtiger Junge geworden. Sophiechen ist ein gar lieb[e]s Kind. Was sonst noch? – Gute, liebe, begnügen Sie sich mit meinen kleinen Briefen. Nein, es ging wa[h]rhaftig nicht anders. Auch Abends bis 11 muß ich in meiner Familie plaudern. Dann bin ich schläfrig; mein Herz schläft darum nicht. Um so mehr erzähle ich mündlich. – Was soll der Jette fehlen? Sie ist ganz munter. Sie meinen, weil sie schweigt? Freilich wenn ein Frauenzimmer schweigt, ist das Zeichen von Krankheit. Gestern habe ich die Jette u. Guste auf der Straße begegnet. Sie waren mit großen Eingekauften Paketen für Sie belastet. Hüte, seidne Kleider! Was haben Sie denn vor, Madame Wohl? – Aber daß ich erst Montag abreise, das mir zu verzeihen, wird Ihnen schwehr fallen. Gott weiß es, es ist nicht meine Schuld. Ich konnte es meinem Vater nicht abschlagen. Mein Vater hat mir nicht fest zugesagt mit mir zu reisen. – Bei der Dr. Goldschm. war ich zweimal, aber ihn traf ich nicht zu Hause.2 Doch habe ich ihn andern Arts gesprochen. – Warum gehen Sie so selten aus? Das macht mir Verdruß. – Worms habe ich besucht, und Jettchen3 allein gesprochen. Darüber mündlich. – Heute Mit-

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Adr.: An Frau J. Wohl, bei Frau Wittwe, J. a. Schmid, in der Kronenstraße in Stuttgart. (Kuvert)

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Wilhelm Schnapper (vgl. Br. 2). Babette u. Carl Leopold Goldschmidt (vgl. Br. 10 u. Br. 71). Benedikt Worms (1772–1824), Frankf. Bankier, verh. mit Jeanette Worms (vgl. Br. 26).

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tag esse ich bei Dr. Stiebel. Es ist die erste Einladung die ich angenommen. – Rödelheimer Rabbiner4 hat mich gestört. Wäre ich doch schon fort! – In der Neckarzeitung stand die Vorrede aus der Spende diese Woche abgedruckt.5 Wilhelm Speÿer6 hat mich zweimal besucht. – Ich muß weinen, wenn ich daran denke, daß wir uns schon acht Tage nicht gezankt haben. Schreckliche Ruhe! Wir wollen es nachholen. Freitag schreiben Sie mir zum lezten Mal. Fällt Ihnen aber etwas besonderes vor, können Sie auch Samstag noch schreiben; dann bekäme ich den Brief noch Montag Morgen, und ich reise erst Mittag ab. – Viele Grüße an Pauline, Kaulas und Lindner. – – Ich komme vom Essen bei Stiebel. Sophiechen war total besoffen. Ich bin es auch, denke ich ans Widersehen. Ewig der Deinige Carl Ludwig Börne.

178. A n L udw i g Bö r n e i n Fr a n k f u rt. Stuttgart, den [24. März] 1824. Stuttgart Montag 1824i „Guten morgen, unliebe Seele!“ Ich bin nicht zufrieden, mit Ihren zerstückelten kurzen Briefen. „Er konnte wohnhaftig anders seyn“ Sie könnten abends schreiben. Warum haben Sie mir nichts näheres geschrieben, wie es meiner Schwester geht, ich bin in der unruhigsten Erwartung, bis ich Nachricht habe. Der Jette Schweigen, und alles, beunruhigt mich sehr, ist der Joseph krank? Ist sie denn nur selbst wohl, gewiß?! – Also, so stehen die Sachen mit der Guste – ach, ihre arme Eltern – ich habe so viel auf dem

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Adr.: Herrn Samuel Ochs Sohn Aelterer für Herrn Dr. Börne eigenhändig in Frankfurt a/M. (Kuvert)

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Für die jüd. Gemeinde Rödelheim war der Gießener Landesrabbiner Löb Mayer Hess (1748–1826) zuständig. Vorrede Bs in: Die Spende. Eine Auswahl von Aphorismen, Epigrammen, Anekdoten, Bemerkungen etc., hg. v. Bernhard Reinwald. Offenbach 1823 (ersch. in: Neckar-Zeitung, Nr. 76 u. 77 v. 18. u. 19. März 1824.) Der Offenbacher Börsenmakler u. Musiker war mit B, Aloys Schmitt u. Spohr befreundet (vgl. Br. 21).

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Herzen, die arme Jette, hat auch so wenig gute Tage! Meinen Sie mein leztes Stündlein habe geschlagen? Sie könnten irren, ich habe ein zähes Leben. – Nicht wahr Sie sind ein andrer Mensch geworden? Das haben Sie alles mir zu verdanken, und dennoch wollen Sie es nicht anerkennen. Dies Ihr Geständnis will ich mir recht zu nutzen machen, jezt soll das Hofmeistern und zanken, erst recht anfangen. Ihr Vater kömmt mit? Desto besser, ich halte Wort mit meiner Drohung oder Sie müßen mir sehr gute Worte geben – wir wollen sehen. Haben Sie meine Mutter nicht sprechen können? Bettchen Sichel,1 hat das rechte Wort für O.2 gefunden – eine unseelige – glückliche Erinnerung. – Sie dürfen sich nicht grämen, Ihre Briefe machen mir doch viel Freude, in Ermangelung der Länge, fange ich desto mehr von neuem zu lesen an. Haben Sie keinen Gruß für mich von meinem Freunde, Dr. Golds.? Sie wissen ich behalte ewig lieb, ich kann mich nicht daran gewöhnen, das wir uns so ganz fremd werden sollten! Gestern Sonntag waren wir zum erstenmale aus, seit Ihrer Abwesenheit. Kaulas sind sehr artig, zuvorkommend, sie ließen mich schon in aller frühe einladen, zum spazierfahren, Theater, Nachtessen, ich […] ab unter Vorwand, ging aber auf eine halbe Stunde zu besuch hier, die Lindner war mit dort. Mir ist am wohlsten zu hause. Ich sitze auf ’m Sopha, und thue – den ganzen Tag nichts – als nach Ffurt denken. Bilden Sie sich nichts ein, ich denke nicht nur an Sie, so junge Leute mit Renten, sind gleich eitel, übermüthig – ich denke viel an den andern, ich denke mir alles zu hause so trübe, unglücklich – und da soll ich – zufrieden – ruhig sein! – Sie sagen kein Wort von Worms, Sie werden doch nicht vergessen ihn zu besuchen Schreiben Sie mir doch was bei der Jette vorgeht, wär’s auch das Aergste, es giebt nichts peinigenders, als solche Ungewißheit. – – Wenn ich mich zerstreuen, lachen will, denke ich an Ihre komische Situation in Ffurt. Sie im Aelterlichen Hause werth gehalten, gesprächig. Ihr Vater [um 12h?] Nachmittag mit Ihnen spazieren gehend, von […] redent (so heißt glaube ich,) das ist zu todtlachen, man mag noch so traurig seyn! Was werden Sie beschließen Herr Rentiere?! Wissen Sie, ich glaube es wäre für meine Zufriedenheit, für den Augenblick besser rathsamer gewesen, nach einem andren Orte als Stuttgart zu gehen, ich habe ganz andre Dinge jezt im Kopfe, als an Putz und Conzert und dr gl. zu denken und doch wird man hier dazu 1 2

Vgl. Br. 14. Otten (vgl. Br. 7).

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genöthigt. Heidelberg, oder ein Dorf, wäre also besser gewesen. Sie kommen also Freitag? Sie sind verzogen, das weiß ich, Sie müßen also noch Donnerstag Brief von mir erhalten, gut, ich will nicht mit Ihnen abrechnen, und viel schreiben. Dafür versprechen Sie aber auch liebenswürdig zu seyn wenn Sie kommen, und desto mehr mündlich zu erzählen, und nicht zu toben, wenn ich will daß Sie oekonomisch sein sollen, und für Kleider Ausklopfen nicht f 12. ‹sage?› gegen zwei Gulden dem ‹Lohnb[ed]ienten?› täglich geben sollen! Haben Sie mich verstanden, wollen Sie sich gut aufführen, das heißt hübsch folgsam seyn in allem was ich will, ‹sage?›? O’ ich will Ihrem Vater erzählen! erzählen! erzählen! Doch, ich bin zu verführen, wie gesagt, wir wollen sehen! Was ist denn mit den Damen Sichel und Speier? Sollen sie etwa erstere auch heirathen? Was man Ihnen für Heirathspläne in den Kopf sezt! Sie armer Narre werden ganz ‹konfus? › in dem Ffurt. Adieu, genug dummes zeug. Im Grunde bin ich gar nicht so vergnüglich wie ich aussehe. Die Nachricht von meiner Schwester Wohlbefinden, und dem kleinen lieben Nichtchen, ist der einzige helle Punkt. Leben Sie wohl. Es bleibt Ihnen ewig gut Ihre J. W. Ich habe Ihnen ja zu sagen vergessen, daß ich eben die erfreuliche Nachricht, von dem völligen Wohlbefinden meiner Schwester, durch den Eilwagen (von meinem Schwager) erhalten habe.

179. An L udw i g Bö r n e i n [ Fr a n k f u rt ]. Stuttgart, den 25. März 1824. Stuttgart 25 Merz 1824i Machen Sie sich keine Unruhe meinetwegen. ich bin es ziemlich gewohnt hier, zufriedner, und bereue es nicht, nicht nach Ffurt gegangen zu seÿn. Bleiben Sie also so lange dort, als Sie mögen, und es Ihnen frommt. Wie mögen Sie die Stirne gerieben, gehustet haben und in Verzweifelung gerathen seÿn, mit dem Weil, und dem Hrn der ernsten Wissenschaften! Das ist ja sehr brav vom Stiebel, daß er so freundlich gegen Sie, aber warum höre ich nichts von Reis und Dr. Golds.? – – Ich bitte Sie, machen Sie keine dumme Streiche, seÿn Sie nicht zu genialisch – das ist alles mehr eine Ehrensache, und damit sollen Sie nicht zu leichtfertig spielen Herr Philosoph! i

O. Adr., hs. Zus. e. Bearb.: »An Dr B. nach Ffurt« (Br.k.).

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Auch wegen meiner Mutter,1 bitte ich Sie auf ’s Ernsthafteste, schonend, und vorsichtig zu verfahren, ich hätte keine ruhige Minute mein ganzes Lebenlang, wenn ich von dieser Seite etwas zu befürchten hätte. Ueberhaupt, zwingen, übereilen Sie nichts, ich sehe gar nicht ein wozu? wir können ja noch mündlich das alles besprechen. – Wie wollen wir Sie auslachen, mit Ihrer goldnen Uhr, verzogenes Söhnchen, ich glaubte Sie wären schon längst Confirmirt. steht sie Ihnen gut? ich wünsche ihr, der goldnen Uhr, glückliche Reise, und daß sie glücklich ankommen möge, amen!! Pauline2 will Sie nicht zum Electeur, Sie wären kein ächter Liberaler, gar ein halber Ultra, und ein Grobian in jedem Falle. Schwatzen Sie nicht zu viel mit meiner Schwester, das taugt nichts in den ersten acht Tagen, und wenn Sie doch durchaus schwatzen wollen, so bleiben Sie lieber noch acht Tage länger dort, ich spreche ganz im Ernste, und auf die Gefahr Ihren Zorn, über meine Hochherzigkeit zu erregen. Ihre Briefe machen mir unendlich viel Freude, Sie schreiben wie – wie – – Sie schreiben schöner wie gedruckt! wären Sie nur ein Brief – ich wollte sagen, wären Sie nur so lieb und liebenswürdig wie Ihre Briefe, ich wäre ganz vernarrt in Sie. – Haben Sie Ihren Pass nach Frankreich endlich bekommen? wenn man ihn verweigern sollte, das wäre eine dumme Geschichte. Sie sollten dies erst berichtigen vor Ihrer Abreise, wäre es nicht besser, daß Sie selbst zum Grafen Reinhardt3 gehen? – Es findet sich kein Brief auf der Post von der Guste, von Jette habe ich einen Postrestante erhalten, meinten Sie vielleicht diesen? – Madame Kaula will zwei bis drei Pfund Glondchen4 auf Ostern (niedliche Komission!) von Ihnen mitgebracht haben, halten Sie das wie Sie wollen. Als ich ihr sagte, ich wüßte gar nicht wann Ostern seÿ, und, wir lebten wie die Heiden, schien Sie etwas verduzt und verwundert über meine kecke Offenherzigkeit. Den Ton zwischen Mad. K.5 und L.6 müßen Sie hören, merkwürdig! Im Konzert hat mir’s sehr gefallen, im Theater war ich noch nicht seitdem, das können die Frauen hier gar nicht 1 2 3

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Merle Wohl, geb. Schwab. Vgl. Br. 151. Karl Friedrich Graf v. Reinhard (1761–1837), Diplomat in frz. Diensten u. Schriftsteller, nach Gesandtschaften in Italien, der Schweiz u. am Kasseler Hof bei Kg. Jérôme v. Westphalen (1784–1860) war er 1815–1829 Frankreichs Gesandter beim Deutschen Bundestag u. bei der Freien Stadt Frankfurt. Oder: Kluntchen (jidd.) = Bonbon, speziell für das Osterfest (Pessach). Kaula. Lindner (vgl. u.).

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begreifen, und wir lebten ja wie die Nonnen, da braucht’s eben hier keine große Heiligkeit dazu. Die Adress Seite, enthält einige Aufträge für Süschen, oder Fanÿ, Sie stellen ihnen also die halbe Seite, oder auch den ganzen Brief zu, steht bei Ihnen, wie Sie wollen. Rosette soll mir doch auch wieder einmal schreiben, sonst könnte ich michii gekränkt fühleniii, und denken – – – –. Auch Röschen, dürfte ein paar Worte von sich hören lassen, sonst – – – – dito! – Was soll ich Ihnen sonst noch sagen? – Frau Schmid,7 Fr Kaula, Hr. Lindner8 alles sehr artig gegen uns, der Jette und meiner Mutter habe ich gestern geschrieben. Sind Sie noch der Liebling der Madame Ochs? sie hat sich gewiß, und auch der Vater recht herzlich mit Ihnen gefreuet, grüßen Sie die guten, guten vortrefflichen Leute, recht herzlich von mir. was hat Ihnen Onkel [Abolh?] für Gesicht gemacht, unbestimmt? nicht wahr? Schwatzen Sie nicht zu viel mit meiner Schwester. warten Sie lieber noch acht Tage. sein Sie nicht zornigiv. machen Sie keine dumme Streiche. führen Sie sich gut auf. schreiben Sie mir wo möglich längere Briefe. Bringen Sie Ihren Pass, hübsche Garderobe, und gute Laune mit. Adieu, dero ergebene J. W.

180. An Jeanet te Wohl in Stut tgart. Frankfurt, den 25. u. 26. März 1824. 6. Frankfurt d. 25 Merz 1824i Sie werden böße seÿn, daß ich so lange ausbleibe, und sind Sie nicht böße, werde ich es seÿn über Ihre Gleichgültigkeit. Mir es auf jede Weise recht zu machen, müssen Sie mich mit einem Kusse und einer Ohrfeige ii iii iv

ÜdZ. ÜdZ, Orig.: werden. O. gering?

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Adr.: An Madame J. Wohl, bei Frau Wittwe J. A. Schmid, in der Kronenstraße in Stuttgart. (Kuvert)

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Unterkunft JW bei Fr. Schmidt in Stuttgart. Vgl. Br. 4.

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empfangen. Alle haben mir bemerkt, und Dr. Stiebel sagte es gestern, daß Sie während Ihrer Abwesenheit gelernt, sehr schöne Briefe schreiben. Was Wunder! Sie haben Füße unter dem Tisch. – Gestern Abend war ich bei Madame Speÿer. Madame Sichel1 war auch da. Als ich mit lezterer in der Mitternachtstunde nach Hause kehrte, und wir in süßen Gesprächen getaucht, an den herrlichen Ufern des Mains wandelten, seufzte sie, und sagte: Ach! wäre ich nur schon funfzig Jahre alt, und in dem Alter, wo man keine Ansprüche mehr macht an das Leben. Ich erwiederte der Holden: Eÿ, es steht ja bei Ihnen, schon jezt keine Ansprüche mehr zu machen. Ein Anders Mal sagte sie: ich bin recht unglücklich, ich bin gar nicht mehr eitel, und die angenehme Zeit der Täuschungen ist mir vorüber. Der auch fehlt ein Külschchen und ein Männchen drinn! Sie hat mir zu verstehen gegeben, sie möchte mit Ihnen in Familie leben. Sind Sie es zufrieden? – Um 100 Prozent sähe ich jezt besser aus als ich ausgesehen da ich hergekommen – sagen mir die Leute. Sehr schmeichelhaft für Sie! Ich habe es aber auch allen erzählt, daß Sie mich mager gezankt, und daß Sie mir nicht genug zu Essen gegeben. Aber komme ich wieder zu Ihnen, wird eine ganz neue Lebensart eingeführt. Künftig bin ich Herr. Ich freue mich, Ihnen eine neue Angst mitzubringen, nehmlich meine goldne Uhr. Eine Uhr kann 1. verlohren werden 2. zerbrechen 3. gestohlen werden. Sie liegt vor mir, und ich zähle die Minuten bis die Post mir Ihren Brief bringt. – Was der Zufall nicht thut! Auf dem Eilwagen hierher, reiste ein etwa 40jähriges Frauenzimmer mit mir, Fräulein von Schallern, deren Vater in Hanau lebte und hessischer General war. Die Familie ist so verarmt, daß das Fräulein schon viele Jahre sich als Gouvernante forthilft. Sie war in Triest engagirt und reiste nach Speÿer, ihre alte Mutter zu besuchen. Auf ihre Aeusserung, daß sie eine Stelle vorziehen würde, die sie ihrer Familie näher brächte, sagte ich ihr, ich könnte ihr wahrscheinlich eine solche in München verschaffen. Ich rede mit meiner Schwester2 und diese ist entschlossen sie zu engagiren, und hat ihr heute geschrieben. Das Schicksal im Postwagen! – Der Rödelheimer Rabbiner ist wieder da. – 26. Merz. Gestern und heute kein Brief! Ich verzweifle fast. Nicht daß ich an ein Unglück dächte, aber es kömmt daher, daß Sie mich auf heute Freitag erwarteten. Und doch begreife ich es nicht; Sie mußten es ja schon vorgestern von mir erfahren haben, daß ich erst künftigen Montag abreiße. 1 2

Vgl. Br. 49. Amalie Spiro, geb. Baruch (vgl. Br. 39 u. 85).

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Sollten Sie wirklich böße seÿn, daß ich nicht früher abgereißt? Sie werden einsehen, daß ich es nicht ändern konnte. – Ihre Schwester schickt so eben zu mir, sie wolle einen gruß unter meinen Brief schreiben. Ich werde ihn ihr bringen. – Also Dienstag komme ich. – Dr. Meÿer3 erzählte mir vorhin, die Leute sagten, ich hätte mir in Stuttgart ein Haus mit einem garten gekauft. – Adieu.. Dein Carl. umgewendet.ii

181. An L udw i g Bö r n e i n Fr a n k fu rt. Stuttgart, den 26. März 1824. Stuttgart 26 Merz 24i Ich grüße Sie Herr Dr. hoffe daß Sie sich recht wohl befinden mögen, und wünsche Ihnen eine recht glückliche Reise, wenn Sie sich nehmlich wirklich schon gefälligst entschließen wollten, wieder hierher zu kommen. Das ist das Gescheidteste was ich Ihnen eigentlich zu sagen weiß, denn, müßen uns nicht die Leute die unsre Correspondenz einsehen, fürii Narren, oder schrecklich verliebt halten? Ihnen täglich zu schreiben! zum Glücke daß nur das erstere möglich. Ihr Brieflein vom 24teniii habe ich heute Morgen erhalten. Wie freue ich mich, daß meine Schwester so sehr wohl, wie Sie mir sagen, Sie hätten nicht zu viel mit Ihr schwatzen sollen. Ich komme eben halb 3, von Lindners, recht gute einfache Leute, sie halten ganze Stücke auf Sie. Mit unserem Zanken, ist’s eigentlich doch kein ganzer Spas, eben auf dem Wege zu Lindners, erinnerte ich mich, wie sehr Sie mich, als wir das erstemal zu sammen hingiengen mit sehr harten Worten kränkten, als ich Sie bat einen andern, bessern Weg einzuschlagen, und, an dem wir ganz nahe vorbeigiengen, das hat mich sehr nach denkend gemacht auf ii

Hs. Zus. v. Fanny: »Ich grüße Dich vielmal liebe Jeanette und Dich versichern daß ich recht wohl bin F Schnapper« (Rücks.)

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Adr.: Herrn Samuel Ochs Sohn Aelterer für D. B. in Frankfurt a/m (Kuvert). Orig.: uns nicht. ÜdZ: vom 24ten.

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Bernhard Meyer (1767–1836), Arzt aus Hanau, Bs u. JWs Bekannter.

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viele Stunden langiv. Nein, Sie sind nicht so gut wie Ihre Briefe! Die sind arglos, offen, freundlichv, und so wohlwollend – das sind Sie nicht alle, nicht immer – ach – – beinahe hätte ich geseufzt! – ich glaube der Lindner raucht gar nicht. Das ist eine große Tugend, nicht, rauchen, oder auch, sehr mäßig rauchen, aber das unmäßige rauchen ein wahres Laster! keine edle Französin würde sich entschließen, einem solchen Manne ihre Hand zu geben – es giebt auch deutsche Frauen die ähnlichevi Gesinnungen hegen. Morgen schreibe ich in keinem Falle, wozu? was könnte hier vorfallen? eine närrische Stadt Ihr Stuttgart! Die einförmigen wie Mauern steife Berge, glotzen einem den lieben langen Tag ins Gesicht, wohin man den Blick auch wende, die Straßen wie aus gestorben. Heute das Kannstadter Thor erfragend, mußten wir in Kreuz und Quer über die Straße rennen, um einen zu erwischen, der uns Auskunft gäbe. Das Theater ist den guten L[e]uten, das höchste Gut auf Erden. Wenn die nachhause leuchtenden Theater Laternen ausgelöscht, glimmt auch kein Lichtchen mehr, in der ganzen Residenz. um 9 und ein halb Uhr, spätestens, schläft alles hier, sagen mir die Leute, was würden die Pariser zu einem solchen Exil sagen! Ich weiß Ihnen heute nichts mehr zu sagen, auch habe ich mich verspätet, und muß eilen, grüßen Sie vor allem meine Schwester aufs allerbeste und tausendmal, und allen, allen, die freundlichste Grüße. J. W.

182. An Jeanet te Wohl in Stut tgart. Frankfurt, den 27. März 1824. 7 Frankfurt 27. Merz. 1824.i Montag reise ich ab, habe schon den Platz genommen, Dienstag Mittag fangen wir das Zanken an. Was ist nicht alle nachzuholen. Ihre Schwester, alles ist gesund. Glondchen sollen besorgt werden. Sorge, daß ich Dienstag iv v vi i

ÜdZ. Orig. davor: und. ÜdZ, Orig. davor: solche. Adr.: An Frau J. Wohl, bei Frau Wittwe, J. A. Schmid, in der Kronenstraße in Stuttgart. (Kuvert)

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Mittag etwas zu Essen und zu Trinken finde, oder es giebt Spektakel. Ein ganz neuer Mensch will ich werden, durch Güte richtet man nichts mit euch aus. Prügel, Kerker, Fasten, das sind meine Besserungsmittel Nicht gemuckst! Zittere! Zu Deinen Füßen, Dein Carlchen

183. An Jeanet te Wohl in Stut tgart. Stuttgart, den 21. April 1824. 8. Stuttgart den 21 April 1824.i Liebe Mutter! Weil Du schon lang gewünscht hast, ein Perspektiv zu haben, habe ich mir seit 6 Wochen mein Taschengeld und mein Obstkreuzer gespart, und habe Dir davon ein schönes Perspektiv gekauft. Ich hoffe, liebe Mutter, dieses Geschenk wird Dir viele Freude machen. Dein treuer Sohn Carl Wohl. Ich habe mir heute meine Zähne ganz sauber gepuzt.

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Mit veränderter Schrift. – Adr.: An Madame Madame Wohl Dahier (Kuvert).

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Personenregister

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Personenregister Nicht aufgenommen wurden rein bibliographische Angaben, Firmennamen und Adressanschriften. Auf den gefetteten Seitenzahlen sind ausführlichere biographische Angaben zu finden. Abbé Henri Grégoire 43 Adelung, Johann Christoph 130 f., 149 Adler, Sara (Sophie), geb. Goldschmidt 119, 403, 475, 524, 528, 561, 574 Adler, Simon Feist 83, 119, 125, 199, 208, 269, 272, 283, 289, 346, 386, 397, 403, 413, 428 f., 439, 528, 533, 566, 568, 574 Adlerflycht, Justinian Freiherr von 423 Adrian, Johann Valentin 481, 484, 486 Ahrenfeld, Wilhelmine Freiin von 210 Aiblinger, Johann Kaspar 291 Alexander I. Zar von Russland 109, 137, 354 Ali Pascha von Janina 193, 209, 224 Amalie Auguste von Bayern 245 André, Christian Karl 300, 312, 323 Anstett, Johann Prostasius Freiherr von 304, 308, 320, 412 Aristoteles 284 Arndt, Ernst Moritz XXIII, 24, 30 f., 35, 60 Arndt, Siegerich 30, 35 Arnsberg, Paul LIII–LV Augustus Kaiser von Rom 87 Aumann, Johann Christoph 497 Baader, Joseph von 220, 292 Bader, Karl Adam 138 Bamberger, Aron Löb 307 Bamberger, Seligmann Löb 307 Barbaia, Domenico 299

Barckhausen-Wiesenhütten, Carl Ludwig Wilhelm Freiherr von 248 Bärmann, Heinrich Joseph 335 f. Barth („Schneider Barth“) 63, 580 Baruch Simon (Großvater Bs) LXII, 584 Baruch, Amalie, verh. f Spiro (Schwester Bs) LXXIXf., 151, 168, 172 f., 175, 203 f., 215, 218 f., 241, 245, 263, 272, 294, 305 f., 339, 364, 461, 592 Baruch, Jakob (Vater Bs) XVII, XXVIII, XXVIII, XLIV, L, LXVIII–LXIII, LXVIII, 29, 54, 69, 83, 94 f., 99–101, 140, 160, 168, 175, 180 f., 187, 191, 196, 199–205, 210, 212, 218, 224, 243, 258, 306, 316–318, 320, 325, 329, 335, 343, 356, 360, 362, 364, 367 f., 370–375, 379–382, 393, 411 f., 424 f., 429, 450, 461, 463, 572, 579 f., 583, 585 f., 588 f. Baruch, Julie, geb. Gumperz (Mutter Bs) XXIV, LVIIIf., LXIV, LXVIIIf., 40, 182, 196, 241–245, 258, 301, 305 f., 320, 339, 343, 347, 353, 360 f., 364, 366 f., 372 f., 377, 380, 382, 411, 417, 425, 432, 441, 450, 461, 520, 524, 526, 528, 530, 533–535, 542–547, 549 f., 585, 588 f. Baruch, Mina verh. Eskeles, Tochter von f Simon B 32 Baruch, Mordochai 248 Baruch, Philipp Jakob (Bruder Bs) XVIIf., LXII, LXIV, 7, 33, 56, 61, 63, 69, 72–75, 83, 134 f., 160, 168, 173,

598 175, 191 f., 199, 208, 266 ( ? ), 199, 268 f., 272 ( ? ), 275 ( ? ), 276 ( ? ), 359, 369, 372, 375, 388, 403, 406, 410, 432, 435, 456, 474, 482, 486, 526 f., 533 f., 538–543, 546, 549 f., 553, 566, 569, 578 Baruch, Simon (Bruder Bs) 82f., 168, 265 f., 268, 269, 272 ( ? ), 275 ( ? ), 276 ( ? ), 372, 375 Baruch, Simon (Onkel Bs) 29, 32 Basselet de la Rosée, Josepha, verh. f Hazzi 352 Bäuerle, Adolf 255, 265, 274, 276, 336 Bâyezíd I., Sultan 247, 259 Beauharnais, Eugène 245 f., 260, 264 Beck, Christian Daniel 142, 148, 152 Becker, Karl Friedrich 266, 278, 287, 298 Beethoven, Ludwig van 292, 299 Bendavid, Lazarus LVII Benedikt, Adolf 526 Benedikt, Seligmann Löb 526 Bentzel-Sternau, Karl Christian Ernst von XXII, 106, 152, 319, 417, 421, 464, 467 Bentzel-Sternau, Marie Anne, geb. Freiin von Seckendorff 421 Benzenberg, Johann Friedrich 23 Béranger, Pierre-Jean de 391 Berger, Pierre-Frédéric 139, 150, 156, 158, 167, 173, 178 Bernbrunn, Karl Freiherr von („Carl Carl“) 265, 274 Bernhard, Familie 542 Bertuch, Pastor LXIV Bethmann, Louise Friederike, geb. Boode 347, 392 f. Bethmann, Simon Moritz von 312, 319, 347, 386, 392 f., 428, 481, 511 f. Beyfus, Levin Amschel 201 Beyfus, Marianne 307 Beyfus, Seligmann Löb 201, 205 Bing, Harmonie-Diener 549 Bock, Helmut XIX Bodenstorff 83, 85

Personenregister

Böhmer, Johann Friedrich 291 Boisserée, Melchior 23, 104, 113, 117, 143, 149, 201, 656 Boisserée, Sulpice 23, 104, 113, 117, 143, 149, 201, 436, 565 Bonn, Daniel 457 Boucher, Alexandre-Jean 78 Bournaye, Friedrich Wilhelm 117 Bouterwek, Friedrich 141 Braun, Gottlieb 151, 157, 182 Breslau, Heinrich LXXIX, 219f., 222, 231, 234 f., 241, 257 f., 262 f., 271, 275, 277, 279 f., 289, 294, 298, 300 f., 311, 313, 323, 329, 338, 340, 410, 437 f., 440, 561 Bretzner, Christoph Friedrich 281 Brockhaus, Friedrich Arnold XXXIX, 48, 100, 246, 335, 406, 562 Bubna von Lititz, Ferdinand Graf 210, 218 Buchholz, Carl August 258 f. Buchholz, Friedrich 403 Buffon, Georges-Louis Leclerc de 108, 234, 394 Byron, Lord 347, 354 Caligula, Kaiser von Rom 264 Carové, Friedrich Wilhelm 297 Cäsar, Gaius Julius 227 Chateaubriand, François Réné Vicomte de 572 Cherubini, Luigi 291 f., 296 Chézy, Helmina von 490, 526, 553, 568 Cicero 323, 357 Cimarosa, Domenico 65, 309 f. Clavijo y Fajardo, José 489 Clemens, Aloys 27, 199 Clementi, Muzio 291 Constant de Rebecque, Benjamin 62, 64, 572 Cooper, James Fenimore 142 Cornelius, Peter von 260 Cotta von Cottendorf, Ida verh. Freifrau von Reischach 97, 389, 405, 409 f.

Personenregister

Cotta von Cottendorf, Johann Friedrich Freiherr XV, XXXV–XLV, Lf., LXXIX, 40, 48, 61–64, 69, 94 f., 97, 99–104, 107, 111 f., 121–123, 126, 129, 132 f., 137, 139, 142, 150, 156, 162, 169, 173–175, 179–181, 183, 185, 187, 199, 201, 211, 267 f., 271, 276 f., 280, 285 f., 296, 300, 312, 323, 363, 369, 371 f., 386, 389, 393, 399, 405, 409, 420, 423, 445, 452, 472 f., 477 f., 490 f., 493–501, 504 f., 508, 513, 515, 518–520, 523 f., 529, 532, 535, 537, 543–553, 557, 560–562, 565 f., 571 Cotta von Cottendorf, Johann Georg Freiherr 97, 112, 122, 129, 268, 423, 429, 473, 501, 571 Cotta von Cottendorf, Sophie, geb. von f Adlerflycht 423 f., 473 Cotta von Cottendorf, Wilhelmine 121, 128 f., 389 Crome, August Friedrich Wilhelm LVII, LXIf. Cumberland, Richard 382 Dalberg, Karl Theodor Fürst von XVII, 106, 260 Dannecker, Johann Heinrich 117, 143 Danz, Caroline geb. Haselmaier 392, 398 Danz, Regierungsrat 392 Décazes, Élie 68 Delamotte, Karl August 306 Demmert, Lorenz 14, 216 Denon, Dominique-Vivant Baron de 424 Devrient, Ludwig 336 Dietz, Alexander LIV Distling, Johann Gerhard 164, 172 Döring, Georg Chr. W. 90, 192, 211, 316 Drusus Germanicus 87 Dryden, John 110 Dussek, Johann Ludwig 471 Eberty, Babette 18 f., 22 Eberty, Hermann Julius 16–19, 22

599 Effner, Joseph 229 Eichenberg, Anna Elisabeth 449, 464, 548 f. Eichenberg, Philipp Wilhelm 164, 249, 316, 449, 464, 548 f. Eichthal, David von 213 Eichthal, Henriette geb. Levi 213 Eichthal, Simon von 213 Ellisen, Eduard Leopold LXXIX, 60, 442, 444 f., 449, 479, 498, 538, 543, 546 f., 553, 578 Ellisen, Henriette geb. Holländer 61, 498 Ellisen, Ruben 531 Elsässer, Lebrecht Maximilian 130 Émanuel, Demoiselle 386 Emden, Mauche 479 Épinay, Luise d’ 457 Eppinger, „Judenmädchen“ 210 Eskeles, Johann Ludwig 16 f., 20, 25, 29, 32 Eßlair, Ferdinand Johann Baptist 113, 206, 336 f. Euler, Heinrich Ludw. Carl 429, 441 Euler, Johanne Wilhelmine geb. Kohl 441 Feidel, David 233, 375, 412 Feist, Carl 248, 443, 530 Feist, Löb Joseph 125, 147 Ferdinand I. König von Neapel-Sardinien 95 Ferdinand VII. König von Spanien 299 Fesca, Friedrich Ernst 134, 153 Fischer, Joseph 240 Flersheim, Familie 277 Fossetta, Wilhelm David 123 Fossetta-Marconi, Charlotte 123, 227 Franz I. Kaiser von Österreich 19 f., 184, 299, 472 Fränzl, Ferdinand 332 Fraunhofer, Joseph 207 Friedländer, David LVI Friedrich I. König von Württemberg 95 Frohberg-Montjoie, Johann Nepomuk Graf von 273

600 Gans, Eduard 39 Gebsattel, Lothar Anselm Freiherr von XLIX, 251, 261 f., 344 Geiger, Abraham LXXI Geiger, Ludwig LXI, LXXf., 486 Geisenheimer, Siegmund 239 Gentz, Friedrich XXXIV, Lf.,137, 196, 224, 254, 361 f., 412 Gerning, Johann Isaac Freiherr von 160, 168, 182, 433, 435, 438 Gerson, Josua 191, 291 Getz, Getz Löb 457 Getz, Moritz Löb LXXIX, 125, 291, 307, 314, 457, 460, 485, 556 f., 565, 570, 573, 581 Gleich, Joseph Aloys 274 Gluck, Christoph Willibald Ritter von 296, 441 f. Goethe, Johann Wolfgang von LXV, LXVII, 6, 10 f., 26 f., 31, 65, 89 f., 111, 121–123, 126, 131 f., 137, 163, 224, 233, 283, 292, 297, 319, 373, 389, 436, 438, 489, 496, 517, 567 f., 583 Goldschmidt, Carl Leopold XVIII, LXXIX, 40, 44, 101, 180, 198, 207, 225, 239 f., 267, 272, 277, 339, 342–344, 348, 350, 356, 364, 384, 421, 441, 445, 459, 464, 467, 515, 523, 549, 556, 563–566, 569 f., 573, 586–589 Goltz, August Friedrich Ferdinand Graf von der 299 Göntgen, Johann Georg LXXIX, 45, 64, 444 Göntgen, Jonathan Gottlieb 45 Görres, Guido 24 Görres, Joseph XXIII, 23f., 28, 31 f., 42 f., 60, 164, 201, 282 Görres, Katharina verh. von Lassaulx 24 Görres, Sophie 24 Götz, Geheimrat von LXII Götz, Georg 291, 300 Grassini, Giuseppina 308 f.

Personenregister

Grétry, André Ernest Modeste 309, 320 Grillparzer, Franz 302, 336 Grimm, Friedrich Melchior Freiherr von 567, 569 Gros, Christiane Friederike geb. Danz 392 Grund, Eduard 281, 291 Gubitz, Friedrich Wilhelm LXXX, 502 Guhr, Carl 341, 402, 433 Guizot, François Guillaume 269 Gutike, Friedrich Wilhelm Ferdinand 464, 467 Haas, Catharina Gertrude verw. Dary 356 Haas, Johann Georg 356 Haber, Salomo 573 Haeberl, Franz Xaver von 292 f. Hahn, Anna Rosina Magdalena geb. Willemer 311 Hahn, Carl Ludwig 310 f. Hain, Ludwig 335 Haller, Karl Ludwig von 363 Halphen, Anselme 38, 40, 49, 57 Halphen, Rosine geb. Oppenheimer 38, 43, 46, 55, 57 Halphen, Salomon 43, 49, 57 Hammerstein, Fräulein von 466 Hammerstein, Hans Detlev Freiherr von 466 Händel, Georg Friedrich 110 Handel, Paul Anton Freiherr von 511 Hardenberg, Karl August Fürst von XXXVI, LXIII, 20, 258 Haselmaier, Christiane Rosine 392f., 398, 439, 470 Haug, Johann Christoph 97, 129, 147 Haydn, Joseph 291 f. Hazzi, Joseph Ritter von 352 Heine, Heinrich XIII, XV, XXV, XLVII, LVII, 181 Hensel, Fanny f Mendelssohn-Bartholdy Herder, Emil Gottfried von 97 Herder, Johann Gottfried von 97, 280, 437

Personenregister

Herder, Louise von, geb. Huber 97, 106 f., 128 f., 131, 302, 307 Herz, Henriette LVII–LX, 18, 21, 23, 31, 56, 60, 100 f., 152, 177, 225, 394, 399–404, 432, 437, 439 f., 443, 445, 448 f., 454, 457–460, 464, 476 Herz, Marcus LVIIf., LX, 21 Hess, Hannchen geb. Flesch 140, 233, 531 Hess, Johann Friedrich Christian 232 f. Hess, Michael Isaac 140 f., 233, 403, 531 Hess, Rabbi Löb Mayer 587, 592 Hezel, Wilhelm Friedrich LVII Hillebrand, Josef 4 Hiller, Ferdinand 211f., 250, 269, 433, 436, 438, 442, 466 Hiller, Justus (Isaak Hildesheimer) 212, 546 Himmel, Friedrich Heinrich 245 Hirsch „aus Hamburg“ 463, 470 Hirsch, Jakob von 339, 342 Hirsch, Pauline LXX, 531, 535, 540–547, 551 f., 556, 561, 566, 570, 578, 584, 587, 590 Hoffmann & Campe XVI, XXX, XLIV, 9 Hoffmann 296 Hoffmann, Gebrüder 48 Hohenemser, Hirsch Levi 492 Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst, Alexander Prinz zu 154, 245 Hölzel, Nikolaus Alois 428 f. Horaz LIX, 334 Horowitz, Pinchas Halevi ben Zwi LIV Horschelt, Friedrich 204 Houwald, Ernst Freiherr von 186, 283, 326, 435 Huber, Therese, geb. Heyne 97, 103, 105 f., 112, 129, 131, 441, 447, 449, 507, 573 Humboldt, Karoline von 100 Hunt, Henry 43 Iffland, August Wilhelm 336 Itzstein, Oberpolizeidirektor Anton LXIII

601 Jacobs, Friedrich 126, 141, 241 Jasoga, Dr. 232 Jean Paul 7, 20, 93, 100, 111, 125, 130, 169, 187, 216, 246, 356, 395 f., 400, 496, 505, 517 Jérôme Bonaparte, König von Westfalen 402, 590 Jolberg, Salomon 145, 148 Jouy, Victor-Joseph Étienne LXXX, 60, 221, 566, 569 Kann, Jakob Hirsch 320 Kanz, Katharina („Demoiselle Canzi“) 504, 509 f., 513, 550 Karl II. Großherzog von MecklenburgStrelitz 326 Karl „der Große“ 34 Karl Friedrich August Herzog von Mecklenburg-Strelitz 326 Karl Ludwig, Markgraf/Großherzog von Baden 280 Karl Theodor II. Kurfürst von Bayern 280 Karoline, Königin von Bayern 280 f. Katharina Friederike von Württemberg 123 Katharina Königin von Württemberg 109 Kaulla, Caroline („Demoiselle“) 101, 137, 148, 497, 516, 523 Kaulla, Chaile verh. Levi 101, 213 Kaulla, Eva geb. Binge („Räthin Kaula“) LXXIX, 95, 101, 104, 109–111, 113, 142 f., 147, 163, 176, 426, 428, 441, 443, 484, 588, 590 f. Kaulla, Mayer Raphael 101, 526 Kaulla, Nathan Wolf 95, 101, 157, 526 Kaulla, Salomon Jakob 95 Kaulla, Wolff von LXXIX, 95, 104, 109, 142, 157, 163, 170, 441, 459, 484 f., 588 Kiener, Herr und Frau 514 Kirchner, Anton 160, 319, 324, 347, 511 f., 584 Klaar, Alfred LXXI Kleist, Heinrich von 97 f.

602 Klinger, Friedrich Maximilian von 495 Knigge, Adolph Freiherr von 113 Koch, Andreas 293 Kolb, Amschel Nathan 291, 453 Kollmann 471 f. Korn, Maximilan 336 Kotzebue, August Wilhelm von 23, 31, 48, 137, 215, 218, 299, 309, 349, 356, 381, 425 Kulp, Fanny, verh. Geisenheimer 239 Kulp, Hirsch Nathan 250, 291, 474, 476, 479, 482, 484, 490 Kupferberg, Florian 216 La Rochefoucauld, François de 495 Labuhn, Wolfgang XV, XLV Lafontaine, August Heinrich Julius 59 f. Lancaster, Joseph 36 Larsonneur, Hippolyte 295 Laupp, Heinrich L, 100, 136 Lavater, Johann Caspar 169 Lehne („Lene“) LVII, 170, 174, 452, 488, 492, 508, 511, 513, 523 Lehne, Friedrich 14 Leidig, Peter Joseph 86 Lene f Lehne Leopoldine von Österreich 184 Lessing, Gotthold Ephraim XXXI Lessing, Juliane Marianne 444 Levi, Jakob 213 Levita, Johann Heinrich 14, 277 f. Lichtenberg, Georg Christoph 190 Liebherr, J. 207 Lieven, Graf Christoph von 269 Lieven, Gräfin Charlotte von 269 Lieven, Gräfin Dorothea von, geb. von Benckendorff 269, 295, 303 Lindenau, Bernhard August von 578 Lindner, Elise, geb. Reiffinger 578, 581 f., 590, 593 Lindner, Friedrich Ludwig 13, 137, 181, 578, 587, 590 f., 593 f. List, Friedrich LXXX, 107, 139, 149, 426, 506, 509 Löwenthal, Mamsell 498–500

Personenregister

Lucian 24 Ludwig Herzog von Württemberg 501 Ludwig I. König von Bayern 204, 214, 219 f., 260 Ludwig XVIII. König von Frankreich XLVIII, 92 Luise Prinzessin von Preußen 471 Luther, Martin 297 Maas, Michel Nathan 241 Maas, Nathan Meyer 241 Mahmut II., Sultan 193, 484 Malss, Karl Balthasar 126, 141, 316, 319 f., 128, 324, 356, 428 f., 578 Mandel 210, 218 Manso, Johann Caspar Friedrich 385 Marcuse, Ludwig LXII, LXV Marialva, Marquis von 20 Marmontel, Jean-François 424 Martin, Christoph Reinhold 43 Marx, Eduard 339, 342, 350 Marx, Karl XLV Matthiae, Friedrich Christian 319 Maucler, Eugen von 102 Maximilian I. Joseph König von Bayern XLIX, 208, 214, 216, 280 f., 365, 377, 501 Maximlian II. Emanuel Kurfürst von Bayern 228 Mayr, Johann Simon 291, 297 Meckel, Albrecht August LXXIX, 413 f., 451, 463f., 467, 480 f., 499, 508 f., 511, 514 f. Meckel, Johann Heinrich 483 Meckel, Luise Johanna geb. Schmelzer 413 f., 417, 463 f., 467, 475, 477, 483, 499, 508 f., 511, 515 Meckel, Pauline verh. Gutike 464, 467 Meckel, Philipp Friedrich 483 Méhul, Étienne-Nicolas 113, 138 Meißen gen. „Frauenlob“, Heinrich von 15 Mendelssohn, Henriette 65 Mendelssohn, Joseph 443

Personenregister

Mendelssohn, Moses LV, 57, 65, 237, 313, 443 Mendelssohn-Bartholdy, Abraham Moses 471 Mendelssohn-Bartholdy, Fanny, verh. Hensel 471 Mendelssohn-Bartholdy, Felix 471 Mentzel, Elisabeth LXXIIIf., LXXXII Menzel, Wolfgang XXV Meseritz, Louis Ferdinand von 192, 349 Metternich, Clemens Lothar Fürst von XXII, XXVII, LI, LIII, LXXIX, 19–23, 38, 137, 184, 254, 258, 268 f., 295, 298 f., 304, 308, 320, 347, 371 f., 393, 412 Metternich, Mathias 13 Meyer, Bernhard 593 Mohammed 153 Molière 67, 336 Moller, Georg 269 Montanari, Johann Baptist 293 Morgan, „Lady“ Sydney 419, 423 f., 429 Moscheles, Ignaz 125, 266, 559 Motte-Fouqué, Caroline de la 326 Motte-Fouqué, Friedrich Baron de la 435, 443 Mozart, Wolfgang Amadeus 59, 65, 93, 148, 163, 171, 204, 208, 213 f., 225, 228, 236, 247, 260, 269, 288, 296 f., 299, 309 f., 312, 341, 433, 442, 493, 501, 509 f. Mozin, Abbé Dominique Joseph 205 Müller, Christian 216, 246 Müller, Johann Ludwig Wilhelm 281 Müller, Karl Otfried 469 Müller, Wilhelm 548 Müllner, Adolph LXXX, 100, 107, 122, 151 f., 154, 156, 161, 163, 171, 178, 185, 212, 220, 280, 326, 336 f., 342, 368 f., 374, 384 f., 393, 395, 409, 423, 471, 505 Murhard, Friedrich LXXIX, 96, 113, 130, 169, 182, 185, 187, 210, 248, 254, 296, 299, 315, 345, 412, 486

603 Napoleon I. LVII, LX, LXVI, 20, 44 f., 57, 108, 181, 245, 280, 308 f., 368, 402, 424, 467, 485 Necker, Jacques 368 Neef („Zinngießer Neef“) 80, 114 Netter, Jeanette 131 Neuburg, Johann Georg d. Ä. 126, 141, 248 Neuburg, Johann Georg 126 Neustetel, Leopold Joseph 145, 148 Neustetel, Regine, geb. f Zimmern 171, 248 f. Nikolini 4 Nitsch, Paul Friedrich Achat 474, 568, 572 Northing, Leutnant 336 Ochs, Amschel Samuel 3, 28, 119, 413 Ochs, Familie XIX, LIII, LVIII, LVXXIX, 3–5, 25, 40, 44, 46, 52, 55 f., 69, 103, 114, 122, 125, 134, 135, 142, 145, 150, 173, 179, 182, 191, 217, 225 f., 231 f., 242, 265 f., 298, 316, 461, 465 f., 520, 524, 526, 531, 581–584 Ochs, Fanny, verh. Hortmuth LXVIIf., 5, 33, 56, 114, 125, 142, 148, 242, 451, 522, 572 Ochs, Hannah, verh. f Steinthal 3, 119, 232, 466 Ochs, Louis 3, 114, 257–259, 270, 288, 334, 466, 534, 536, 542, 550, 557, 584 Ochs, Malchen LXXIX, 3, 114 Ochs, Nanette 3, 413, 417, 508 Ochs, Rosa („Röschen“), verh. f Stiebel LXVIII, LXXIXf., 3 f., 114, 140, 265, 466, 550 f., 564, 568, 591 Ochs, Rosette, verh. f Reiß LXVI, LXXIX, 3, 114, 120, 122, 125, 134, 144, 159, 451, 489, 522 f., 582 f., 591 Ochs, Samuel LXXIXf., 3, 114, 119, 134 f., 145, 151, 179, 195, 199, 202 f., 210, 216, 264 f., 272, 277, 283, 294, 297, 364, 377, 388, 406, 459, 469 f.,

604 474, 482, 484, 489, 522, 524, 553, 556, 561, 568, 570, 581 Ochs, Susette („Süßchen“,) verh. Wolf LXVI, LXXIX, LXXX, 3, 110, 114, 242, 248, 254, 308, 418, 451, 522 Oettinger, Johanna verh. Hirsch 342 Oppenheim, Babette (Betty), verh. f Goldschmidt 277 f., 339 Oppenheim, Moritz Daniel 73 Oppenheimer gen. „Otten“, Leopold Heinrich LVI, 32, 581, 588 Oppenheimer, Julie, geb. f Kulp 221, 492, 502 Oppenheimer, Seligmann Josef 219–221, 432, 492 Oppenheimer, Simon Lazarus 300, 393, 397, 432 f., 561 Orlando, Ferdinando 297 Ostein, Graf Karl Maximilian von 86 Osterrieth, Samuel Friedrich 314 Ottenheimer, Caroline 391, 405, 465, 468, 474–478, 485 Ottenheimer, Jakob LXXIX, 110, 115, 391, 468 f., 473, 514, 530, 551 Ottenheimer, Sara LXXIX, 391, 468 f., 473, 514, 551 Paër, Ferdinando 16 Paisiello, Giovanni 281, 309 Pappenheimer, Israel Hirsch 350 Passavant, Johann Karl 258 f., 264, 444 Pauline Therese Königin von Württemberg 96, 109, 123, 146, 421, 496, 517 Pedro I. Kaiser von Brasilien 184 Pensa, Bernhard 85 Peter der Große Zar von Russland 406 Petrarca, Francesco 235 Pfeiffer, Dorchen, geb. Dorothea f Kaulla 142, 147, 162, 176, 423, 427, 449, 526 Pfeiffer, Ezechiel 161 Pfeiffer, Marx 142, 162, 427, 526 Pfeilschifter, Johann Baptist von LI, 335, 363

Personenregister

Pilat, Joseph Anton von LI Pitschaft 501, 504 Plato 24 Plötz, Johann Edler von 230, 238, 246, 255, 293 f., 300, 327, 349, 390, 396 Plutarch 554 Pustkuchen-Glanzow, Johann Friedrich W. 121, 126, 131 f., 137, 141, 163, 495 Radziwill, Anton Heinrich Fürst 471 Raffael 239, 244 Rath, Herr von 187 Reichenbach, Georg Friedrich von 207, 292 Reil, Johann Christian LVIII, 218 Reinbeck, Georg von 111 Reinganum, Maximilian (Mayer) LVI, LXX, LXXIX, 181, 531 Reinhard, Carl 336 Reinhard, Karl Friedrich Graf von 590 Reinherz, Arnold Ludwig Gerhard 267, 319, 515, 523 Reischach, Hermann Freiherr von 97 Reiß, Michael 25, 120, 126, 130, 142, 147, 157, 159, 162, 164, 172 f., 204, 240, 259, 302, 316, 333, 364, 372, 375, 382–385, 437, 444 f., 449, 452, 464, 466, 471, 481 f., 499, 503 f., 507, 509, 512, 515, 524, 548 f., 582, 589 Reni, Guido 240 Riedesel Frau von 559, 563 f. Riedesel, Karl Georg Freiherr von 559 Riedesel, Ludwig Philipp von 559 Riego y Nuñes, Rafael del 299 f. Ries, „Jungfer“ und „Schwiegervater“ 263, 271, 275, 277, 289, 294, 300–302 Riesser, Gabriel XXIII, XXV Rindskopf, Bernhard Jakob (Schwager JWs) LVI, LXXIX, 5, 114, 210, 263, 301, 359, 455, 498, 579 Rindskopf, Henriette (Jette), verh. f Ochs (Nichte JWs) LXVI, LXXIX, 5, 25, 33, 52, 61, 63 f., 114, 257 f., 263,

Personenregister

277, 288 f., 297 f., 301, 323, 443 ( ? ), 451, 455, 489, 498, 508, 522, 524, 526, 530, 579, 586–591 Rindskopf, Jacob Beer 257, 263, 266 Rippmann, Inge und Peter XIII, XLI, LXII, LXIVf., LXXf. LXXIV, LXXXII Ritter, Karl 443 Robert, Friederike, geb. Braun LXXX, 151, 177 Robert, Ludwig (Liepmann Levin) LXXX, 151, 163, 177, 389 f., 395 f., 455, 468, 470 Römer, Georg Christian 405 f. Rossini, Giacomo 148, 154, 266, 288, 297, 299, 332, 341, 436, 508, 510 Rothschild, Amschel Mayer von 50, 69, 114, 189 f., 193, 258 f., 269, 295, 298 f., 303 f., 320, 412, 432, 438, 450, 481, 509, 511, 526, 532 Rothschild, Eva, geb. Hanau 298, 304, 531 Rothschild, Familie LXXX, 139, 181, 193, 244, 307, 436, 485 f. Rothschild, Jakob (James) Mayer de 50, 52, 139, 151, 156, 158, 167, 314, 436, 438 Rothschild, Karoline, geb. f Stern 50, 464, 466 f. Rothschild, Meyer Amschel 50, 69, 114, 298 Rothschild, Salomon Mayer 50, 52, 61, 184, 244, 299, 303 f., 424 f., 449, 464, 467, 485 Rousseau, Jean-Jacques 347, 354, 567, 572 Rückert, Friedrich 216, 225, 382 Rühs, Friedrich XX, XXV Sachs, Jakob LVII, 269 Saling, Helene Luise 131, 172, 178 Saling, Jakob Salomon, gen. 131, 172 Saling, Julie verh. Heyse 172, 178, 432, 471, 476, 478 Samson, Agathe verh. Simon 268 Sand, Karl Ludwig 31, 95

605 Sauerländer, Johann David 142, 183, 474, 476, 481, 484, 486 Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Alexander Fürst von 90 Schaden, Johann Nepomuk Adolph von 435 Schallern, Fräulein von 592 Schelble, Auguste Amalie, geb. Müller 542 f. Schelble, Johann Nepomuk 542 f. Schelling, Friedrich Wilhelm LIX Scherbius, Carl Jacob 75 Scherer, Joseph 197 Schiller, Friedrich LXVI, 34, 148, 193, 277, 303, 336, 378, Schlabrendorff, Gustav Graf von 24, 44 f., 48, 64 Schlegel, August Wilhelm von 30 Schlegel, Dorothea, geb. f Mendelssohn 229, 419 Schlegel, Friedrich von XLII, 30, 229, 249, 259, 419, 477 f. Schleicher, Caroline 506 Schleiermacher, Friedrich LIX, 14, 21, 23 f., 30 f., 449 Schleiermacher, Nanna, geb. f Arndt 31 Schlosser, Johann Friedrich Heinrich 319 Schmelzer, Friedrich August 413, 467, 483 Schmitt, Aloys LXVIII, LXXX, 5, 131 f., 143, 163, 209, 212, 222, 266, 278, 280, 288, 383 ( ? ), 392 f., 397, 400 f., 407, 433, 435, 439 f., 443, 447, 457, 463–465, 471, 474, 493, 496, 498, 509–511, 513, 516, 538, 541, 550, 579, 587 Schmitz-Grollenburg, Philipp Moritz Freiherr von 146 Schnapper, Amschel Adolph Meyer 499 f., 516, 523, 534 f., 538, 540 f., 562 f. Schnapper, Anton 233 f., 243 Schnapper, Meyer Wolf 233

606 Schnapper, Moses (Moritz) Meyer (Schwager JWs) 3, 5, 7, 50, 140, 266, 307, 462, 466, 499 f., 523, 580 Schnapper, Wilhelm (Neffe JWs) 7, 134, 140, 266, 462, 586 Schnapper-Arndt, Gottlieb LXXIII Schopenhauer, Johanna 249, 294 Schorn, Ludwig 469 Schott, Christian Albert 100 f., 104, 107 Schrambach, Polizeischreiber 364 Schreiber, Aloys Wilhelm 167 f., 259 Schubart, Alexander 40 Schulz „Polizeidiener“ 264 f., 277, 279, 294, 326, 334, 561, 565 Schulz, Wilhelm 287 Schunke, Gottfried 436 Schunke, Ludwig 436 Schwab (Bruder von JWs Mutter Merle) LV Schwab „aus Darmstadt“, Hr. 7 f. Schwarz, Stadtdirektor 176 Sckell, Friedrich Ludwig 220 Scott, Walter 142, 289, 291, 304, 321, 325, 332, 444, 495 f., 499, 501, 513, 517, 567, 572 Sébastiani, Fanny 65 Sébastiani, Horace Comte de 65 Seligmann von Eichthal Familie 224, 278 f. Seligmann von Eichthal, Aron Elias Freiherr von 213, 281 Sengle, Friedrich XXXV Seybold, Ludwig Georg Friedrich LXXX, 104, 121, 139, 149, 378, 409, 426 Shakespeare, William 92, 100, 136, 138, 227, 370, 378, 395, 496, 517 Sichel, Bernhard Juda 61, 69, 151, 157, 178 f., 580 Sichel, Bettchen verh. Götz 291, 300, 580 f., 581 Sichel, Henriette (Jettchen) Samson 191, 224, 227, 241, 265, 268, 291 Sichel, Isaak 463 Sichel, Isabella (Betty, Bettchen), geb. f Rothschild 61, 69, 151, 580

Personenregister

Sichel, Jakob Mayer 122, 126, 128, 133, 140 f., 147, 161, 184, 188–191, 195, 199 f., 224, 275, 291, 345, 511, 546 Sichel, Julius 546 Sichel, Karl Theodor 35, 287 Sichel, Mayer Salomon 275 Sichel, Salomon Joseph („Sylvester“) 546, 550 Sichel, Sara 291 Sieber, Franz Wilhelm 31 Sievers, Georg Ludwig Peter 335 f. Simon, Louis 268 Sinzheimer 85 Smets, Wilhelm 230 Soemmerring, Samuel Thomas von 141, 343 Sokrates 24 Speth, Balthasar 245 Speyer, Betty, geb. f Seligmann von Eichthal LXXX, 125, 133, 157, 166, 213, 224, 269, 281, 457, 580, 589, 592 Speyer, Georg 85 Speyer, Joseph Isaak LXXX, 125, 133, 157, 269, 278, 438, 516 Speyer, Wilhelm (Wolf David) 85, 157, 397, 587 Spiro, Beer Salomon (Schwager Bs) LXXX, 151, 215 f., 230, 244 f., 272, 305, 339, 364, 367, 428, 462 Spiro, Louis (Neffe Bs) 215f., 225 f., 228, 232 f., 242, 254 Spiro, Theresia (Nichte und Schwägerin Bs) 7 Spittler, Christian Friedrich 512 Spohr, Louis (Ludwig) 281, 291, 341, 397, 402, 587 Spontini, Gaspare Luigi XXIX, 4, 45, 214, 296 f., 435 Staël, Germaine de 326 f., 331, 368, 373, 385 Steffens, Henrik LIX Steinthal, Martin LXXX, 55, 63, 69, 192, 199, 208, 232, 243, 334, 337, 346, 369, 395, 397, 413, 417, 463,

607

Personenregister

474 f., 484, 490, 508, 511, 524, 528, 530, 533, 536, 539, 542, 546 f., 568 Steinthal, Moritz LXXIX, 139, 150, 155–158, 167, 208, 235, 277, 280, 386, 403, 413, 418–420 Stern, Charlotte (Nichte JWs) 581, 589 Stern, Emanuel 412 Stern, Heinrich 423 Stern, Jakob Samuel Hayum (Schwager JWs) LXXX, 5, 50, 412, 464, 466, 581 Stern, Johann Heinrich 423 Stern, Johann 423 Stern, Siegmund 466, 509, 512, 515, 523 Steuernagel, Christina Margaretha 199 Stich, Joseph von 306 Stiebel, Beer Joseph 233 Stiebel, Betty 39 Stiebel, Hannchen 432, 435 Stiebel, Salomon LIII, LVII, LXXIXf., 3 f., 25, 28, 40, 44, 57, 72 f., 104, 114, 226, 233, 244, 265, 338, 364, 370–375, 382, 384, 406, 413, 464, 467, 480 f., 514 f., 550 f., 553, 556, 563 f., 568, 572, 578, 580, 584–587, 589, 592 Stiebel, Sara, verh. f Feidel 233 Stiefel, Nathan XVIII, XXXVI, 290, 298, 300, 302 f., 311, 313–316, 318, 321–323, 344, 412, 416, 418 f., 452, 458 f., 478, 482, 491 f., 495, 497, 499, 557, 561, 566 Stolberg-Stolberg, Graf Friedrich Leopold zu 100 Straus, Salomon LXIX, LXXIII, 311, 316 Strobel, Dr. 492 Swift, Jonathan 192, 230, 250, 344 Thomas, Johann Gerhard Christian 310 f., 315, 564 Thumb-Neuburg, Karl Konrad Freiherr von 83 Thümmel, Moritz August von 159 Tiberius, Kaiser von Rom 87

Titus, Kaiser von Rom 15 Treitschke, Heinrich von XXXI Uhden, Johann Daniel Wilhelm 83 Uhden, Madame 83 f. Uhland, Ludwig 97, 101, 107, 152 Ullmann, Sophie verh. Baruch 265 Urban, Wilhelm 302 Utzschneider, Joseph von 207 Varnhagen von Ense, Karl August 65 Varnhagen von Ense, Rahel geb. Levin LVXXX, 65, 151, 163, 172, 177, 454 f. Vespermann, Klara geb. Metzger 204, 282, 351 f. Vetter, Edith LIII, LVIf. Vogt, Johann Nikolaus gen. Niklas 187, 259 Vohs, Familienagent 366 Völklein, „Sichels Commis“ 291, 546 Voltaire 100, 116, 282, 340 f., 446, 512 Vorherr, Gustav 252 Voß, Julius von XXIX, 23, 100, 435 Vrints-Berberich, Alexander Konrad Freiherr von 21, 25 f., 28, 33, 47, 283, 541 Wallach, Israel 51 Wallach, Leonore geb. Wertheimer 51 Wangenheim, Karl August von 102, 112 Weber, Carl Maria von XXIXf., 297, 490, 492 f., 501, 503–509, 512 f., 533, 550 Weidner, Julius 429 Weil, Jakob 156, 160, 168, 173, 461, 589 Weil, Karl 165 Weisser, Friedrich Christoph 163, 172 Weitzel, Johann Ignaz 79, 137, 345, 412 Welcker, Friedrich Gottlieb 24 Welcker, Karl Theodor 21, 23 f. Wendelstadt, Karl Friedrich 76 Wenner, Johann Friedrich 63, 69, 470, 473, 552 f. Wertheimer, Agathe 307

608 Wertheimer, Wolf Zacharias 111, 319 f., 457, 485 Wertheimstein, Marie Edle von, verh. f Schnapper 233 f. Wetzlar, Sarchen 438, 440 Wied-Neuwied, Maximilian Prinz zu 392 Wild, Franz 138 Wilhelm I. König von Württemberg 96, 109, 111–113, 123, 126, 176, 192, 421, 501 Wilhelm I., Herzog von Nassau 92 Wilhelm I., Kurfürst von Hessen 402 Wilhelm II., Kurfürst von Hessen 402 f. Willemer, Johann Jakob von 32, 311, 315, 319 Wilmans, Friedrich 319, 460 f., 482, 484 Wilmans, Johann Christian 319, 460 f., 482, 484 Wimpfen, Benedikt Isaak 134, 140, 334, 337 Winter, Peter von 110, 204 Wobeser, Wilhelmine Karoline von 472 Wohl, Auguste („Guste“, Cousine JWs), verh. Aloys f Schmitt LXVI, LXVIII, LXXIXf., 5, 25, 52, 61, 63, 84, 110, 114, 116, 132, 134, 143 f., 159, 167, 193, 210, 222, 297, 435, 437 f., 441, 443, 457 f., 460, 466, 510, 578 f., 582 f., 586 f., 590 Wohl, Breunle, geb. f Schwab (Tante JWs) 144, 222 Wohl, David Lazarus (Onkel JWs) 144, 579 Wohl, Fanny, verh. f Schnapper (Schwester JWs) LV, LXVIII, LXXIX,

Personenregister

3, 5, 46, 50, 61, 140, 142, 148, 242, 249, 251, 266, 462, 465 f., 470, 473, 486 f., 499, 508, 575 f., 585, 593 Wohl, Henriette, verh. f Rindskopf (Schwester JWs) LV, 257, 263, 266, 272 Wohl, Merle, geb. f Schwab (Mutter JWs) LII–LVI, 498, 590 f. Wohl, Theresia oder „Therese“, verh. f Stern (Schwester JWs) LXVIII, LXXX, 50, 464, 466, 578, 581, 583, 587, 589 f., 593 f. Wohl, Wolf David (Vater JWs) LIII–LV, LXVIII Worms, Benedikt 114, 455, 465 f., 542, 545, 552, 562, 565, 586, 588 Worms, Jeanette („Jette“), geb. f Rothschild 114, 455, 462 Woronzow, Michail S. 347 Wurm, Albert Aloys Ferdinand 382, 405 Würzweiler („der alte Würzweiler aus Mannheim“) 9, 39 Zelter, Carl Friedrich 471 Zimmern, Adolph 383 Zimmern, David 383 Zimmern, Regine, verh. f Neustetel 145, 148, 163, 171 f., 248 Zimmern, Sara 383 Zimmern, Sigmund Wilhelm 39, 162 f., 171 f., 248 f., 254, 383, 403, 408, 413, 504 Zschokke, Heinrich 333 Zuccalli, Enrico 330