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German Pages 248 Year 2006
Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 91
Betriebsausgabenabzugsbeschränkung und Halbeinkünfteverfahren Zugleich ein Beitrag zur Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft
Von
Urs Wäckerlin
a Duncker & Humblot · Berlin
URS WÄCKERLIN
Betriebsausgabenabzugsbeschränkung und Halbeinkünfteverfahren
Schriften zum Steuer recht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 91
Betriebsausgabenabzugsbeschränkung und Halbeinkünfteverfahren Zugleich ein Beitrag zur Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft
Von
Urs Wäckerlin
a Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Sommersemester 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 739 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-12076-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2005 als Dissertation von der Juristischen Fakultät der Universität Passau angenommen. Sie befindet sich inhaltlich auf dem Stand von Ende Januar 2005; die Angaben in den Fußnoten wurden teilweise aktualisiert. Ich danke allen Freunden, die mir durch ihren stetigen Zuspruch geholfen haben, zwischenzeitliche Phasen der Stagnation zu überwinden und immer wieder von neuem Kraft und Zuversicht zu schöpfen. Jeder von ihnen hat seinen Teil zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Mein Dank gilt auch meinem Doktorvater Prof. Dr. Hartmut Söhn für die Betreuung dieser Arbeit und Prof. Dr. Michael Schweitzer für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Schließlich bedanke ich mich für die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe bei den Herausgebern Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke. Ganz besonders hervorzuheben sind aber meine Eltern, die Studium und Promotion stets vorbehaltlos und mit größtmöglichem Einsatz unterstützt haben. Ohne sie wäre diese Arbeit nicht entstanden. Ihnen ist sie deshalb auch gewidmet. München, September 2005
Urs Wäckerlin
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
1. Teil Zur Geschichte der Ertragsbesteuerung von Kapitalgesellschaften und Anteilseignern
21
§ 2 Die Körperschaftsbesteuerung in Deutschland – ein geschichtlicher Abriss . . . .
21
I. Gründerzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
II. Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
III. Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
§ 3 Die Entwicklung der Besteuerung von Kapitalerträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
I. Die Preußische Einkommensteuer von 1891 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
II. Das Einkommensteuergesetz 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
III. Das Einkommensteuergesetz 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
IV. Das Einkommensteuergesetz 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
V. Die Entwicklung nach 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
2. Teil Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
27
§ 4 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
I. Die Körperschaftsteuer als „Einkommensteuer der Körperschaften“ . . . . . . . . .
27
II. Der Begriff der Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
III. Die Wirkung der Körperschaftsteuer im Ertragsteuersystem . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
10
Inhaltsverzeichnis
§ 5 Politische und fiskalische Rechtfertigungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
§ 6 Körperschaftsbesteuerung und Äquivalenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
I. Körperschaftsteuer als Gegenleistung für Verleihung der Rechtsfähigkeit . . . .
31
II. Körperschaftsteuer als Gegenleistung für Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . .
32
III. Körperschaftsteuer als Gegenleistung für die Inanspruchnahme staatlicher Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
IV. Berechtigung des Äquivalenzprinzips im Ertragsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
§ 7 Körperschaften als Subjekte des Ertragsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
I. Leistungsfähigkeit als Grundlage der Steuerbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
II. Die Körperschaftsteuer aus Sicht der Opfertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
1. Der opfertheoretische Begriff der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
2. Die Theorie vom wirtschaftlichen Eigentum der Anteilseigner . . . . . . . . . . .
39
3. Folgerungen für die Besteuerung von Unternehmenserträgen . . . . . . . . . . . .
40
a) Das Integrationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
b) Die Körperschaftsteuer als „Sicherungssteuer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
III. Zur Tauglichkeit des Opfergedankens für die Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
1. Gleichsetzung von Opferfähigkeit und Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . .
42
2. Zur Vorstellung vom wirtschaftlichen Eigentum der Anteilseigner . . . . . . .
44
3. Art der Einkommensverwendung als Leistungsfähigkeitsmerkmal . . . . . . .
46
IV. Unternehmensbesteuerung als Objektbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
V. Die steuerliche Leistungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . .
49
1. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
a) Bedeutung des Art. 106 GG für die Besteuerung von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
b) Bedeutung des Art. 19 Abs. 3 GG für die Besteuerung von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
Inhaltsverzeichnis
11
aa) Die individualschützende Bedeutung des Art. 19 Abs. 3 GG . . . . .
52
bb) Die objektiv-rechtliche Wirkung des Art. 19 Abs. 3 GG . . . . . . . . .
53
cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
2. Argumentation in der Steuerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
a) Zur „Theorie vom Unternehmen an sich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
b) Wirtschaftliche Eigenständigkeit als Folge der rechtlichen Verselbständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
c) Originäre steuerliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . .
58
3. Endgültige oder nur „vorläufige“ Leistungsfähigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
3. Teil Die Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne beim Anteilseigner
63
§ 8 Vorgaben durch das Europäische Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
I. Keine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
II. Der Prüfungsmaßstab nach dem primären Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . .
66
1. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 Abs. 1 EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
a) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
b) Rechtfertigung von Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
2. Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
a) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
b) Rechtfertigung von Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
3. Das Verhältnis von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . .
70
§ 9 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus dem Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
I. Der Gewährleistungsgehalt des Gleichheitssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
1. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
2. Vom Willkürverbot zur „neuen Formel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
12
Inhaltsverzeichnis II. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip des Steuerrechts . . . . III. Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Einkommensbesteuerung
73 76
1. Objektives Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
2. Subjektives Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
3. Tarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
a) Anstieg der absoluten Steuerbelastung mit steigendem disponiblen Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
b) Keine Pflicht zur Progression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
c) Kein Verbot der Degression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
4. Personenbezogenheit des Leistungsfähigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
IV. Gebot der Folgerichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
1. Geltung des Gebots der Folgerichtigkeit für die Auswahl des Steuergegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
2. Bedeutung für das Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
V. Gleichbehandlung der Einkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
1. Einheitssteuer und Schedulensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
2. Einheitssteuer als verfassungsrechtliche Anforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
VI. Lenkungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
1. Zulässigkeit lenkender Steuernormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
2. Gesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
3. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
4. Steuervergünstigung durch Minderung der Bemessungsgrundlage . . . . . . .
93
§ 10 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Freiheitsgrundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
I. Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
1. Eröffnung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
a) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
b) Lehre von der Eigentümerfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
c) Kein Wegfall des Grundrechtsschutzes durch Auswahl des aufzuopfernden Vermögensgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
Inhaltsverzeichnis
13
2. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
3. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
a) Die konfiskatorische Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Der Vermögensteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . 100 c) Zur Existenz eines „Halbteilungsgrundsatzes“ im Ertragsteuerrecht . . 101 aa) Der Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Vorrang der privaten Eigentumsnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Eröffnung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 III. Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 § 11 Rechtsformneutralität als Verfassungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Der Begriff der Rechtsformneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Rechtsformneutralität und Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 III. Rechtsformneutralität und Freiheitsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 § 12 Das Halbeinkünfteverfahren im System der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. Das Halbeinkünfteverfahren als pauschaliertes Anrechnungsverfahren . . . . . . 118 II. Zur sog. „wirtschaftlichen Doppelbelastung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Der Begriff der Doppelbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
14
Inhaltsverzeichnis 2. Die „Doppelbelastung“ im Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Maßgeblichkeit der verfassungsrechtlichen Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 III. Zur Existenz eines „Grundsatzes der Einmalbesteuerung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Die zivilrechtliche Vorprägung des Steuersachverhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Die anfängliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . 129 c) Die „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
§ 13 Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 § 14 Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Die Rechtsform als Ausdruck der wirtschaftlichen Stellung des Anteilseigners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Die wirtschaftlichen Tatbestände des Unternehmers und des Kapitalgebers
136
a) Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Einkünfte aus Kapitalvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Abgrenzung der Einkunftsarten durch die Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Personenunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 c) Übertragung auf die Gesellschafterbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 II. Abweichungen von der Rechtsformabhängigkeit durch den Gesetzgeber . . . . . 142 1. Ermäßigter Körperschaftsteuertarif für „personenbezogene Kapitalgesellschaften“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Die nach § 17 EStG steuerbare Anteilsveräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Der Regelungszweck vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens . . . 144 b) Die Veränderung des Regelungszwecks durch das Halbeinkünfteverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
Inhaltsverzeichnis
15
III. Die Stellung des Anteilseigners in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Unternehmenssteuerrecht
146
a) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. 01. 1962 . . . . . . . . . . 147 b) Die nachfolgende Rechtsprechung zum Unternehmenssteuerrecht . . . . 148 c) Analyse der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Anknüpfung an das Zivilrecht durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Vorrangigkeit des Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Der atypische stille Gesellschafter in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Der „typische atypische“ stille Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 bb) Die atypische stille Gesellschaft an einer Kapitalgesellschaft . . . . 154 c) Der Vorlagebeschluss zu § 32 c EStG a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. Die Bedeutung der Rechtsform in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Keine wirtschaftliche Gleichheit aller Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . 157 2. „Einheitsbetrachtung“ von Gesellschaft und Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. Trennung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Wahlfreiheit des Gesetzgebers zwischen Einheitsbetrachtung und Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Pflicht zur Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 V. Ausrichtung der Gesellschafterbesteuerung an der typologischen Stellung des Gesellschafters in der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Die Unterscheidung von Publikumsgesellschaft und personenbezogener Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Die Publikumsaktiengesellschaft als normativer Idealtypus . . . . . . . . . . . 163 b) Die personenbezogene Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Die Leistungsfähigkeit des Anteilseigners in der Kapitalgesellschaft . . . . . 165 a) Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Widerstreit zwischen Rechtssicherheit und Leistungsfähigkeitsprinzip
167
16
Inhaltsverzeichnis 3. Identität von Gesellschaft und Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Keine zivilrechtliche Identität von Gesellschaft und Gesellschafter . . . 170 b) Wirtschaftliche Identität von Gesellschaft und Gesellschafter . . . . . . . . . 171 c) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4. Die Besteuerung von Körperschaftsgewinnen als Zurechnungsfrage . . . . . 173 a) Der Begriff der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 aa) Funktion der Zurechnung im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 bb) Die Zurechnungslehre nach Ruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Die Bedeutung der Zurechnungslehre für die Besteuerung des Anteilseigners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 c) Der Zurechnungsbegriff als Zäsur zwischen Einkommenserzielung und Einkommensverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
§ 15 Maßstäbe für die Besteuerung des Anteilseigners aus Freiheitsgrundrechten
181
I. Anrechnungspflicht durch Eigentumsgarantie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Besteuerung des Anteilseigners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Beeinträchtigung der Nutzungsbefugnis durch Besteuerung der Gesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Unmittelbarer Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 bb) Mittelbarer Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 II. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
Inhaltsverzeichnis
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4. Teil § 3 c Abs. 2 EStG im System der Gesellschafterbesteuerung
188
§ 16 Die Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 I. Die noch junge Geschichte des § 3 c Abs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Ursprüngliche Fassung des § 3 c Abs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Wegfall der einjährigen Behaltefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Erstreckung auf Organschaftsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4. Neuregelung für einbringungsgeborene Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Anwendungsbereich des § 3 c Abs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Natürliche Personen und Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Laufender Aufwand und Wertminderungen der Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Einbringungsgeborene Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4. Wirtschaftlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Geltung des Veranlassungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Der wirtschaftliche Zusammenhang bei gemischt veranlassten Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 5. Abzugsbeschränkung trotz fehlender Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 § 17 Verfassungsmäßigkeit der Abzugsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 I. Der Grundgedanke des § 3 c EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 II. Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 3 c Abs. 2 EStG im Schrifttum
198
III. Die Doppelnatur des Halbeinkünfteverfahrens als Auslegungsgrundlage . . . . 201 1. Der personalistisch beteiligte Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Der kapitalistisch beteiligte Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 a) Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Rechtfertigung als Typisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Die gesetzgeberische Typisierungsbefugnis und deren Grenzen . . 204 bb) Gleichbehandlung aller Anteilseigner als Typisierungstatbestand 2 Wäckerlin
205
18
Inhaltsverzeichnis c) Rechtfertigung als Wirtschaftslenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Die Zielsetzung der Vermeidung der Doppelerfassung . . . . . . . . . . . 207 (1) Ungleichbehandlung gegenüber anderen Formen der entgeltlichen Kapitalüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (2) Ungleichbehandlung gegenüber personalistisch beteiligten Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Wahl des Lenkungsmittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (1) Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (2) Gründe für das Halbeinkünfteverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (3) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 IV. Vereinbarkeit der Abzugsbeschränkung mit dem Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . 212 1. Objektives Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Gebot der Folgerichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 V. Vereinbarkeit der Abzugsbeschränkung mit Freiheitsgrundrechten . . . . . . . . . . . 215 1. Verfassungsrechtlicher Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Beurteilung des § 3 c Abs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
§ 18 Rechtsfolge der teilweisen Verfassungswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 I. Vermischung von Fiskal- und Lenkungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 II. Quantitative Teilnichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 III. Qualitative Teilnichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
§ 1 Einleitung und Gang der Untersuchung „Mit einem guten Gesetz ist es wie mit einer guten Frau, von beiden spricht man nicht.“1 Vom deutschen Steuerrecht wird in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dagegen viel gesprochen. Es ist in einem Maße pausenloser Veränderung ausgesetzt, wie dies nur in wenigen anderen Rechtsgebieten der Fall ist. Dadurch ist inzwischen ein Rechtszustand erreicht worden, der ein systematisch durchdachtes Konzept nur noch in Ansätzen erkennen lässt. Die so erzeugten rechtlichen Schwierigkeiten und der im Eifer gesetzgeberischer Aktivität abhanden gekommene Überblick über das Recht haben zu der Unsicherheit geführt, mit der steuerliche Sachverhalte und Rechtsfragen gegenwärtig behaftet sind. Steuerrecht liegt im Schnittpunkt zahlloser politischer Interessen. Es dient nicht nur der Deckung des staatlichen Finanzbedarfs, sondern auch der Schaffung von Verhaltensanreizen in Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik. Die Erfahrung zeigt, dass steuerrechtliche Veränderungen nicht selten durch geschickt vorgetragene Anliegen einzelner Interessengruppen angestoßen werden. Die Folgen für die Akzeptanz steuerlicher Belastung werden dabei oft nicht genügend berücksichtigt. Wer das Gefühl hat, vom Staat ungerecht behandelt zu werden, wird auch für sich selbst „Steuersparmodelle“ auffinden wollen. Die Suche der Steuerpflichtigen nach Umgehungsmöglichkeiten fordert weitere „Abwehrgesetze“ heraus, die wiederum das Steuerrecht mit zusätzlichen Vorschriften anreichern. Ist schließlich der Punkt erreicht, wo allen Beteiligten der Reformbedarf offenbar wird, lässt sich mit kleineren Korrekturen nicht mehr viel bewirken. Steuervereinfachung ist eine Forderung der Zeit; der vornehmste Weg dazu ist Systematisierung. Systematisierung bedeutet Regelhaftigkeit. Ohne die Trennung von lieb gewonnenen, aber ungerechtfertigten Annehmlichkeiten ist ein einfaches und gerechtes Steuersystem nicht zu haben – Qualität hat eben ihren Preis. Das erfordert eine Synthese von Steuerpolitik und Steuerwissenschaft. Der Wissenschaft kommt die Aufgabe zu, systematischen Anspruch im Steuerrecht und Wege zu dessen Verwirklichung aufzuzeigen. Die praktische Umsetzung ist dann Sache der Politik, die sich dabei wieder verstärkt auf das langfristige gesamtstaatliche Wohl konzentrieren muss. Wer eine systematische Ordnung des Steuerrechts anstrebt, kann nicht „everybody’s darling“ sein – und wird dies auch nicht ernsthaft wollen. Auf dem Weg zur Systematisierung des Steuerrechts sind schon große Schritte zurückgelegt worden. Wer die heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse mit dem 1
2*
Knobbe-Keuk, DB 1989, 1303, 1309.
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§ 1 Einleitung und Gang der Untersuchung
Stand vor fünfzig oder hundert Jahren vergleicht, wird dies schnell bemerken. Das hat die Existenzberechtigung der Steuerwissenschaft jedoch nicht geschmälert. Die Steuerwissenschaft ist weit davon entfernt, sich selbst überflüssig zu machen. Sie muss fortwährend das neu Geschaffene auf seine Systemkonformität untersuchen und beurteilen. Diese Arbeit geht in absehbarer Zeit nicht aus. Markstein der steuerlichen Entwicklung des Jahres 2000 war die Unternehmenssteuerreform. Sie brachte einen Paradigmenwechsel bei der Besteuerung von Kapitalgesellschaftsgewinnen und war politisch sehr umstritten. Die erforderliche Zustimmung im Bundesrat konnte nur durch schwierige Verhandlungen mit den Regierungen einzelner Bundesländer sichergestellt werden. Das seit 1977 geltende Anrechnungsverfahren wurde aufgegeben, dessen Ablösung überaus kontrovers beurteilt. Umso bedeutsamer ist eine Einordnung der Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft in den Kontext der Einkommensbesteuerung und deren systematische Beurteilung. In den Blick genommen wird die Regelung des § 3 c Abs. 2 EStG, die als Gegenstück zur hälftigen Steuerfreistellung von Beteiligungserträgen eine hälftige Abzugsbeschränkung vorsieht. Ein Verständnis dieser Norm ist nur im Zusammenhang mit der Besteuerung des Anteilseigners möglich, die ihrerseits durch eine Wechselbeziehung mit der Ertragsbesteuerung der Kapitalgesellschaft verbunden ist: Die Gesellschaft kehrt ihr Ergebnis an den Anteilseigner aus, solange dieses nicht vorläufig in der Gesellschaft verbleibt; der Anteilseigner bezieht seine Einkünfte von der Gesellschaft. Die Rechtfertigung der Besteuerung körperschaftlich erzielter Gewinne auf der Ebene der Gesellschaft kann daher nicht ausgeblendet werden. Auch sie wird bei einer Untersuchung der Besteuerung des Anteilseigners in ihren Grundzügen einzubeziehen sein. Damit ist die Gliederung der Arbeit vorgegeben. Sie enthält in ihrem ersten Teil einen Überblick über die Geschichte der Körperschaftsbesteuerung und der Besteuerung von Kapitalgesellschaftsgewinnen beim Anteilseigner. Der zweite Teil befasst sich mit der Rechtfertigung der Körperschaftsteuer. Von Bedeutung ist die Besteuerungsmaxime, an der die Ertragsbesteuerung ausgerichtet werden sollte, wenn Ziel die systematisch richtige Besteuerung von Kapitalgesellschaftsgewinnen ist. Welche Maßstäbe sich für die Besteuerung des Anteilseigners aus dem Verfassungsrecht ergeben, führt in den dritten Teil, der sich zunächst mit der Frage befasst, inwieweit der einzelne Anteilseigner die Einhaltung von Besteuerungsschranken verlangen kann. Die Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat beschränken dessen Gestaltungsfreiheit und ermöglichen es, ihn zu verpflichten, die Steuerrechtsordnung an den verfassungsrechtlichen Vorgaben auszurichten. Gleiches gilt für die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, deren Bedeutung auch im Steuerrecht in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Diese Erkenntnisse bilden anschließend die Grundlage für die Festlegung des rechtlichen Rahmens für die Besteuerung des Anteilseigners. Daran wird im vierten Teil die Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG gemessen.
1. Teil
Zur Geschichte der Ertragsbesteuerung von Kapitalgesellschaften und Anteilseignern § 2 Die Körperschaftsbesteuerung in Deutschland – ein geschichtlicher Abriss Die Körperschaftsteuer hat in Deutschland eine lange Tradition. Die Geschichte der Besteuerung von Kapitalgesellschaften lässt sich bis weit in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen. In der Zeit von den Anfängen der Körperschaftsbesteuerung bis zu ihrer gegenwärtigen Form war diese einer Entwicklung unterworfen, die sich in drei Phasen einteilen lässt. Die ersten Schritte auf dem Feld der Körperschaftsteuer stammen aus der deutschen Gründerzeit, denen in der Weimarer Republik ein Entwicklungsschub folgte. Daran angeschlossen hat sich die Ausgestaltung der Körperschaftsbesteuerung in der Nachkriegszeit.
I. Gründerzeit Mit der Einführung der Möglichkeit, sich mit anderen in einer neuen Rechtsperson zur Verfolgung eigener Zwecke zusammenzuschließen, begann sich die Frage nach der Körperschaftsbesteuerung erstmals zu stellen. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 schuf die rechtlichen Voraussetzungen zur Gründung einer Aktiengesellschaft und wurde in der Folgezeit von nahezu allen wichtigen Ländern, 1869 vom Norddeutschen Bund und 1871 vom Deutschen Reich als eigenes Gesetz übernommen. Dem folgte 1892 die Einführung der GmbH als weitere Form der Kapitalgesellschaft insbesondere für kleinere Unternehmen.2 Die deutschen Gliedstaaten, denen in der Zeit des Kaiserreichs auch die Steuergesetzgebungskompetenz zukam, standen vor der Herausforderung, auf die neue Situation zu reagieren. So sah das Sächsische Einkommensteuergesetz vom 22. 12. 1874 in § 4 die Einkommensbesteuerung juristischer Personen vor. Schon damals wurde es für notwendig erachtet, dass auch Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr, die sich nicht unmittelbar auf natürliche Personen zurückführen lassen, einen Beitrag zur Finanzierung der staatlichen Aufgaben leisten. Die Besteuerung fand in Form einer 2
Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 25 ff.
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1. Teil: Zur Geschichte der Ertragsbesteuerung
progressiv gestaffelten Einkommensteuer auf der Ebene der juristischen Person statt. Ausgeschüttete Gewinne unterlagen daneben bei den Anteilseignern einer individuellen Einkommensbesteuerung.3 Diese Entwicklung setzte sich mit dem Preußischen Einkommensteuergesetz vom 24. 06. 1891 fort. Danach wurden Aktiengesellschaften, seit 1906 auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung der Einkommensbesteuerung unterworfen.4 Wenngleich die konkrete Ausgestaltung der Körperschaftsbesteuerung in den einzelnen Ländern voneinander abwich und dogmatisch noch auf unsicherem Boden stand, entsprach es zu Beginn des 20. Jahrhunderts einmütiger Überzeugung, dass die im Handelsverkehr aktiven Gesellschaften zu einer gewinnabhängigen Steuer heranzuziehen sind.
II. Weimarer Republik Nach dem Ersten Weltkrieg ging die Kompetenz für die Ertragsbesteuerung auf das Reich über, so dass erstmals eine einheitliche Regelung für alle deutschen Länder in greifbare Nähe rückte, die als Folge des damals hohen Finanzbedarfs der öffentlichen Hand nicht lange auf sich warten ließ. Bereits im Jahr 1920 wurde das erste reichseinheitliche Körperschaftsteuergesetz geschaffen. Dieses war mit einer grundlegenden Änderung des Steuersystems verbunden: Die juristische Person wurde nunmehr auch steuerlich als ein von der natürlichen Person verschiedenes rechtliches Gebilde wahrgenommen, so dass eine einheitliche Einkommensteuer für natürliche und juristische Personen nicht mehr als sachgerecht empfunden wurde. Dies führte zur Ausgliederung der Besteuerung juristischer Personen aus dem Einkommensteuergesetz. Für die Körperschaftsbesteuerung wurde nunmehr im Unterschied zur Einkommensteuer der natürlichen Person eine Proportionalbesteuerung eingeführt. Prägendes Merkmal war die Ausgestaltung der Steuerpflicht als Definitivsteuer. Von der Kapitalgesellschaft wurde ein Anteil ihres wirtschaftlichen Erfolgs eingefordert, der unabhängig vom weiteren Schicksal der Gewinne als Belastung erhalten blieb. So kam es weder auf den persönlichen Einkommensteuersatz des Anteilseigners noch darauf an, ob die Gewinne im Unternehmen verblieben oder an diesen ausgeschüttet wurden. Mit der Schaffung der Körperschaftsbesteuerung hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er aus seiner Sicht zur Besteuerung des wirtschaftlichen Erfolgs juristischer Personen losgelöst von den hinter ihnen stehenden natürlichen Personen berechtigt ist.5 3 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, S. 558 Fn. 1 m. w. N.; Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe 17, Kap. IV Rn. 5. Ausführlich zur Geschichte der Körperschaftsteuer Rasenack, Theorie der Körperschaftsteuer, S. 19 ff.; zusammenfassend Walz, Gutachten für den 53. Deutschen Juristentag (1980), S. F 17 ff. 4 Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe 17, Kap. IV Rn. 6.
§ 2 Die Körperschaftsbesteuerung in Deutschland – geschichtlicher Abriss
23
Das anschließende Körperschaftsteuergesetz 1925 brachte keine grundlegenden systematischen Änderungen und war vom Bemühen gezeichnet, die durch die Trennung von Einkommens- und Körperschaftsbesteuerung geschaffenen Unterschiede dort zu überbrücken, wo sich Personenunternehmen und Körperschaft berühren. Dies geschah durch die Einräumung eines Sondertarifs besonders für die kleine GmbH, der aber 1934 zugunsten eines einheitlichen Körperschaftsteuertarifs wieder abgeschafft wurde.
III. Bundesrepublik Im Jahre 1953 erfuhr das Körperschaftsteuerrecht durch die Einführung eines gespaltenen Körperschaftsteuertarifs eine bedeutende Änderung, die das Wesen der Körperschaftsteuer in den folgenden Jahrzehnten prägte. Durch die Differenzierung zwischen Gewinnen, die in der Gesellschaft verblieben und Gewinnen, die an die Anteilseigner ausgeschüttet wurden, hatte nunmehr die Art der Gewinnverwendung unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe der Steuerbelastung. An die Anteilseigner ausgeschüttete Gewinne wurden nurmehr mit einem deutlich ermäßigten Tarif besteuert. Zweck der Differenzierung zwischen thesaurierten und ausgeschütteten Gewinnen war auch die Abmilderung der Gesamtsteuerlast aus Körperschaftsteuer und Einkommensteuer des Anteilseigners angesichts der damals besonders hohen Steuersätze.6 Schließlich wurde nach entsprechender Vorarbeit 1977 das Anrechnungsverfahren eingeführt. Die Gewinne der Kapitalgesellschaft wurden zunächst unabhängig von deren Verwendung mit Körperschaftsteuer belastet. Bei einer anschließenden Ausschüttung konnte der Anteilseigner die von der Kapitalgesellschaft gezahlte Körperschaftsteuer auf seine persönliche Einkommensteuerschuld anrechnen. Im Ergebnis wurden thesaurierte Gewinne der Körperschaftsteuer, ausgeschüttete Gewinne dem persönlichen Steuersatz des Anteileigners unterworfen.7 Auf die Besteuerung der Kapitalgesellschaft wirkte sich das Anrechnungsverfahren nur in verfahrensrechtlicher Hinsicht aus. Die Gesellschaft hatte bei der Ausschüttung von Gewinnen an den Anteilseigner eine Bescheinigung über die von ihr entrichtete Körperschaftsteuer zu erteilen, die erst im Rahmen der Einkommensbesteuerung des Anteilseigners von Bedeutung war. 5 Zum Ganzen Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, S. 558 ff. m. w. N.; Walz, Gutachten für den 53. Deutschen Juristentag (1980), S. F 20 f. 6 Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung, BT-Drucks. 1 / 4092, S. 48. Der allgemeine Körperschaftsteuersatz betrug bei Einführung des gespaltenen Tarifs 60 v.H. Für Gewinnausschüttungen wurde dieser auf 30 v.H. ermäßigt, vgl. Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe 17, Kap. IV Rn. 13. 7 Überblick bei Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, S. 563 f. und Pezzer in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 2, jeweils m. w. N.
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1. Teil: Zur Geschichte der Ertragsbesteuerung
Die Unternehmenssteuerreform im Jahr 2000 hat für die Besteuerung der Körperschaften wesentliche Neuerungen gebracht, die die derzeit gültige Körperschaftsbesteuerung kennzeichnen. Durch den einheitlichen Körperschaftsteuersatz von nunmehr 25 v.H. (§ 23 Abs. 1 KStG)8 wurde die bisherige Trennung von Thesaurierungs- und Ausschüttungssteuersatz beseitigt. Unverändert geblieben ist die Verpflichtung, von thesaurierten und auszuschüttenden Gewinnen Körperschaftsteuer einzubehalten, die Körperschaftsteuer hat jedoch ihren definitiven Charakter wiedererlangt.
§ 3 Die Entwicklung der Besteuerung von Kapitalerträgen I. Die Preußische Einkommensteuer von 1891 Die Besteuerung von Kapitalerträgen ist in Deutschland noch älter als die Körperschaftsbesteuerung. Bereits einkommensteuerrechtliche Vorschriften zu Beginn des 19. Jahrhunderts sahen eine Besteuerung des Einkommens aus Kapitalvermögen vor.9 Die Grundlage der modernen Einkommensbesteuerung bildet die Preußische Einkommensteuer von 1891. Mit ihr wurde eine Form der direkten Besteuerung gefunden, die sich alsbald zur wichtigsten Einnahmequelle des Staates entwickelte und die Bedeutung der bislang vorherrschenden indirekten Steuern zurückdrängte. Prägendes Merkmal war der Verzicht auf eine allgemeine Definition des Einkommensbegriffs. Der Steuergegenstand der quellentheoretisch konzipierten Einkommensteuer wurde durch die Aufzählung verschiedener Einkommensarten bezeichnet, zu denen auch Einkommen aus Kapitalvermögen zählte. § 12 des Preußischen EStG enthielt einen Katalog einzelner Tatbestände, in dem auch Zahlungen aus Dividenden aufgeführt waren. Die Überarbeitung des Einkommensteuergesetzes brachte im Jahr 1906 gleichzeitig mit der Aufnahme der GmbH in den Kreis der einkommensteuerpflichtigen Rechtssubjekte die Besteuerung von Ausschüttungen auf Anteile an einer GmbH als Einkünfte aus Kapitalvermögen.10
II. Das Einkommensteuergesetz 1920 Mit dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz auf das Reich durch die Weimarer Reichsverfassung war die Epoche der einzelstaatlichen Einkommensteuergesetze an ihrem Ende angelangt. 1920 wurde das erste reichseinheitliche Einkom8 Die vorübergehende Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes auf 26,5 v.H. für den Veranlagungszeitraum 2003 (§ 34 Abs. 11 a KStG) zur Finanzierung der Schadensbeseitigung des Hochwassers im Sommer 2002 bleibt hier außer Betracht. 9 Harenberg in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 20 Rn. 3. 10 Birk, Steuerrecht, Rn. 20.
§ 3 Die Entwicklung der Besteuerung von Kapitalerträgen
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mensteuergesetz erlassen. Es löste sich vom vorherrschenden quellentheoretischen Verständnis der Einkommensbesteuerung und hat den Einkommensbegriff in Richtung der Reinvermögenszugangstheorie weiterentwickelt. In die Generalklausel des § 5 EStG 1920 wurden die vier bereits aus dem Preußischen EStG bekannten Einkunftsarten, darunter die Einkünfte aus Kapitalvermögen, aufgenommen.11 § 8 EStG 1920 enthielt eine systematisierte Aufzählung verschiedener Kapitalanlagen, darunter Erträge aus der Beteiligung an Kapitalgesellschaften.
III. Das Einkommensteuergesetz 1925 Aus dem EStG 1925 ist die Grundstruktur des heutigen Einkommensteuerrechts hervorgegangen. Es hat sich vom Theorienstreit um das zutreffende Verständnis des Einkommensbegriffs im Sinne der Quellentheorie oder der Reinvermögenszugangstheorie gelöst und stattdessen mit der Aufzählung der einzelnen Einkunftsarten eine davon unbeeinflusste Regelung getroffen. Zu den steuerbaren Einkunftsarten zählten auch Einkünfte aus Kapitalvermögen, die damals wie heute die fünfte Einkunftsart bilden. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen wurden der Gruppe der Überschusseinkunftsarten zugewiesen und ihnen damit ein quellentheoretisches Verständnis zugrunde gelegt. Die Konkretisierung der Einkunftsart in § 37 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1925 ist der Vorläufer des heutigen § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und erfasste Dividenden oder Gewinnausschüttungen, die auf Aktien und GmbH-Anteile entfielen.12
IV. Das Einkommensteuergesetz 1934 Das EStG 1934 baut in seinen wesentlichen Bestandteilen auf dem EStG 1925 auf und dient bis heute als Grundlage des Einkommensteuerrechts. Durch das EStG 1934 wurde der Dualismus der Einkunftsarten festgeschrieben und der auch heute noch gültige Gesetzesaufbau eingeführt.13 Es enthält außerdem die terminologische Unterscheidung zwischen Einkommen als Oberbegriff und Einkünften im Sinne von Reineinkünften bei den einzelnen Einkunftsarten. Ferner wurden die Begriffe der „Einnahmen“ und „Werbungskosten“ ausschließlich den Überschusseinkunftsarten zugeordnet und für Gewinneinkünfte der Begriff der „Betriebsausgaben“ eingeführt.14
11 12 13 14
Vgl. Birk, Steuerrecht, Rn. 21. Wassermeyer in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 20 Rn. A 63. Wassermeyer in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 20 Rn. A 67. Kirchhof in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 446.
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1. Teil: Zur Geschichte der Ertragsbesteuerung
V. Die Entwicklung nach 1934 Seit dem EStG 1934 hat die Besteuerung der Kapitaleinkünfte natürlicher Personen bis ins Jahr 2000 keine wesentlichen Änderungen erfahren. Durch die Einführung des Anrechnungsverfahrens für die Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne ist die Struktur der Kapitaleinkommensbesteuerung unverändert geblieben, weil die Körperschaftsteuergutschrift wirtschaftlich lediglich die Funktion einer Vorauszahlung auf die Steuerschuld des Anteilseigners hatte, die Besteuerung der ausgeschütteten Kapitalgesellschaftsgewinne mit dessen persönlichen Einkommensteuersatz aber unberührt geblieben ist. Kern des Systemwechsels in der Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne durch die Unternehmenssteuerreform ist die hälftige Steuerbefreiung der Gewinnausschüttungen und die entsprechende Beschränkung des Abzugs korrespondierender Ausgaben.
2. Teil
Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung Die Diskussion über die Rechtfertigung der Körperschaftsteuer ist ebenso alt wie die Steuer selbst und hat eine Vielfalt von Rechtfertigungsversuchen hervorgebracht. Die Rechtfertigung der Körperschaftsteuer stellt die Grundlage für die Beantwortung der Frage dar, in welchem Verhältnis Körperschaftsbesteuerung und Einkommensbesteuerung zueinander stehen und ist daher notwendige Vorfrage für die Beschäftigung mit der Besteuerung des Anteilseigners. Die durch die Unternehmenssteuerreform geschaffene Rechtslage beruht wesentlich auf dem Nebeneinander der Ertragsbesteuerung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner.
§ 4 Vorbemerkungen I. Die Körperschaftsteuer als „Einkommensteuer der Körperschaften“ Der soziale Rechtsstaat im Sinne des Grundgesetzes ist notwendigerweise Steuerstaat.15 Ohne die Möglichkeit, über eigene Mittel zu verfügen, kann diese Zielsetzung nicht verwirklicht werden. Es ist unbestritten, dass der Staat berechtigt ist, zur Deckung seines Finanzbedarfs Steuern zu erheben. Eine der bedeutsamsten Steuerarten sind die Steuern vom Ertrag. Sie beruhen darauf, einen Teil des wirtschaftlichen Erfolgs des Steuerrechtssubjekts, der sich in der Erzielung von Einkünften ausdrückt, zugunsten des Staates abzuschöpfen. Der Einkommensteuer als Ertragsteuer der natürlichen Person entspricht konzeptionell die Körperschaftsteuer als Ertragsteuer derjenigen Rechtsgebilde, denen der Steuergesetzgeber körperschaftsteuerliche Rechtsfähigkeit zuschreibt.16 Das Zivilrecht kennt zunächst die Rechtsfähigkeit der natürlichen Person (§ 1 BGB). Sie gibt die Möglichkeit, rechtlich in Erscheinung zu treten und sich am Rechtsverkehr mit anderen Personen zu beteiligen, Rechte zu erwerben und sich dieser zu entäußern. Die Stellung der natürlichen Person als Rechtssubjekt wird ergänzt durch die der juristischen Person von der Rechtsordnung zuerkannte Rechtssubjektivität. Bei der juristischen Person handelt es sich um eine vom 15 16
Isensee, Festschift f. H. P. Ipsen, S. 409; Papier in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 167. Birk, Steuerrecht, Rn. 1040.
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
Rechtskreis natürlicher Personen abgelöste Organisation mit eigener Willensbildung, die als solche am Rechtsverkehr teilnehmen und wie eine natürliche Person Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann. Die geltende Rechtsordnung kennt als privatrechtliche Organisationsformen mit körperschaftlicher Struktur und allgemeiner Rechtsfähigkeit den eingetragenen Verein, die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, die eingetragene Genossenschaft und den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.17 Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die juristische Person als abstrahiertes Rechtsgebilde eine andere Behandlung erfordert als die natürliche Person. Die in den Anfängen des Steuerstaates praktizierte einheitliche Einkommensbesteuerung von natürlichen und juristischen Personen hat sich als wenig gangbar erwiesen und ist 1920 durch das erste Körperschaftsteuergesetz abgelöst worden.18 Ausgangsgröße bei der Ermittlung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage ist der Gewinn.19 Die Körperschaftsteuer verfolgt damit einen der Einkommensteuer der natürlichen Personen vergleichbaren Zweck und kann als „Einkommensteuer der juristischen Person“ bezeichnet werden.20
II. Der Begriff der Körperschaft Die Bezeichnung der Körperschaftsteuer als Steuer auf das Einkommen der juristischen Person erfasst die wichtigsten Fälle der Körperschaftsbesteuerung, stellt jedoch keine umfassende Kennzeichnung dar. Der steuerrechtliche Begriff der Körperschaft und der zivilrechtliche Begriff der juristischen Person sind nicht vollständig deckungsgleich. Juristische Person ist – als Gegenstück zur natürlichen Person – eine Personenvereinigung oder rechtlich verselbständigte Zusammenfassung von Vermögenswerten, der die Rechtsordnung eigene Rechtsfähigkeit zuerkennt. Sie unterscheidet sich damit von sonstigen Verbänden, die auch auf einer Zweckgemeinschaft mehrerer Personen beruhen, denen aber durch das Gesetz oder im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nur in einzelnen Beziehungen die Möglichkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr eröffnet ist. 17 Vgl. Krüger / Sachs in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 60. Hier und im Folgenden soll die rechtliche Situation bei Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung als den im Wirtschaftsleben weitaus bedeutendsten Körperschaften betrachtet werden, die auch in erster Linie Gegenstand der Regelungen zur Ertragsbesteuerung von Körperschaften sind. 18 Zur Einkommensbesteuerung vor 1920 vgl. o. § 2 I. 19 Birk, Steuerrecht, Rn. 1061. 20 BVerfG, Urt. v. 24. 06. 1986 – 2 BvF 1 / 83 u. a., BVerfGE 72, 330, 407; Birk, Steuerrecht, Rn. 530; Dieterlen in: Lademann, KStG, § 1 Rn. 1; Hidien in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 106 Rn. 1450; Lange in: ders. / Reiß, Lehrbuch der Körperschaftsteuer, Einl. Rn. 4. Ähnlich Becker, Einkommensteuer, S. 96 und Stolterfoht, Festschrift f. Schmidt, S. 497: „Einkommensteuer der Kapitalgesellschaften“.
§ 5 Politische und fiskalische Rechtfertigungsversuche
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Der steuerrechtliche Begriff der Körperschaft ist weiter als der zivilrechtliche Begriff der juristischen Person. Er umfasst sämtliche Rechtsgebilde, die nach dem Zivilrecht als juristische Person anzusehen sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG). Darüber hinaus werden auch Rechtsgebilde wie der nichtrechtsfähige Verein (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG) einbezogen, der zivilrechtlich mangels eigener Rechtsfähigkeit keine juristische Person darstellt. In der Diskussion um die Unternehmensbesteuerung wird der Begriff der Körperschaft dennoch regelmäßig als Gegenbegriff zur Personengesellschaft verstanden, die nicht Subjekt der Körperschaftsteuer ist.
III. Die Wirkung der Körperschaftsteuer im Ertragsteuersystem An eine natürliche Person ausgeschüttetes Einkommen einer Körperschaft wird zunächst mit Körperschaftsteuer und anschließend mit Einkommensteuer belastet. Die Möglichkeit eines zweifachen Steuerzugriffs durch Körperschaft- und Einkommensteuer ist notwendige Folge einer Körperschaftsbesteuerung, die neben die Einkommensbesteuerung gestellt wird. Der Übergang von der Körperschaft zur natürlichen Person ist die steuersystematisch bedeutsame Nahtstelle von Körperschaft- und Einkommensteuer weil die Existenz und Aktivität der Körperschaft notwendig mit der Willensbildung natürlicher Personen verbunden ist. Die Frage nach dem Verhältnis von Körperschaft- und Einkommensteuer ist damit zunächst eine Frage nach der Rechtfertigung der Körperschaftsteuer. Erst dies macht es möglich und notwendig, auf die systematischen Auswirkungen der Körperschaftsbesteuerung auf die Einkommensteuer einzugehen. Insbesondere muss dann geklärt werden, ob es gerechtfertigt oder sogar geboten ist, das Zusammenwirken beider Steuern durch weitere Maßnahmen zu beseitigen oder abzumildern. Die Frage nach der Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung bei der Einkommensteuer ist logisch der zweite Schritt.
§ 5 Politische und fiskalische Rechtfertigungsversuche Aus dem Kreis der steuertheoretischen Rechtfertigungsüberlegungen zur Körperschaftsteuer sind zunächst diejenigen auszuscheiden, die nicht auf einer rechtssystematischen Betrachtung beruhen und deshalb bei Anlegung wissenschaftlicher Maßstäbe von vornherein als untauglich betrachtet werden müssen. Hierzu zählen die gelegentlich unternommenen und eher irrational anmutenden Versuche, die Erhebung der Körperschaftsteuer mit politischen oder fiskalischen Überlegungen zu rechtfertigen. Wenn geltend gemacht wird, bei der Körperschaftsteuer handle es sich um eine ergiebige Steuer, die zudem aufgrund ihrer Unmerklichkeit politisch populär sei,21 wird der Versuch einer an systematischen Erwägungen orientierten
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
Argumentation gar nicht erst unternommen. Dass die bloße Ergiebigkeit einer Steuer keinen Rechtfertigungsgrund bilden kann, ist ohne weiteres einsichtig, wenn man berücksichtigt, dass jede Steuer per definitionem auf die Erzielung von Einnahmen angelegt ist, auch wenn dies nur ein Nebenzweck darstellt. Eine rechtsstaatliche Steuerrechtsordnung kann derart willkürlichen Überlegungen keinen Raum bieten. Auch die Übereinstimmung einer Besteuerung mit dem mutmaßlichen Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung22 oder ähnlich unidentifizierbaren Maßstäben kann für eine Rechtsanwendung, die sich in erster Linie an in positivierten Rechtssätzen zum Ausdruck kommenden Rechtsüberzeugungen orientiert, nicht maßgebend sein.23 Der schlagwortartige Hinweis auf die Notwendigkeit der Steuererhebung reicht nur zur Begründung des Steuerwesens an sich, nicht aber zur Rechtfertigung einer konkreten Einzelsteuer aus.24
§ 6 Körperschaftsbesteuerung und Äquivalenzprinzip Die Rechtfertigung einer Steuer mit Äquivalenzüberlegungen beruht auf dem Verständnis der Steuer als Preis für vom Staat einer individualisierbaren Gruppe von Steuerpflichtigen erbrachte Leistungen.25 Die Steuer stellt danach eine Gegenleistung für vom Staat bereitgehaltene Möglichkeiten des Erwerbs dar. Nutze der Steuerpflichtige die ihm eingeräumte Möglichkeit, sich erwerbswirtschaftlich zu betätigen und Einkünfte zu erzielen, dürfe der Staat an diesen wirtschaftlichen Werten mit einer Ertragsbesteuerung partizipieren. Angewandt auf den Bereich des Körperschaftsteuerrechts bedeutet dies die staatliche Teilhabe am Periodengewinn einer Körperschaft.26 Das Verständnis von Steuern als Gegenleistung für vom Staat gewährte Vorteile, insbesondere für Schutz und Sicherheit des Einzelnen, aber auch für die Schaffung von Gelegenheiten zur erwerbswirtschaftlichen Betätigung hat eine lange Tradition.27 Sie lässt sich auch für die Körperschaftsteuer bis zu deren Anfängen zurückverfolgen. 21 McNulty, StuW 1989, 120, 131; weitere Nachweise aus der angloamerikanischen Literatur bei Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 1167 f. 22 Von Colm stammt die Aussage, dass es neben der Körperschaftsteuer keine andere Steuer gibt, die so viel Geld einbringt und gleichzeitig so wenige Wähler verärgert (zitiert nach Schneider in: Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft II, S. 529). 23 Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 1167 f. 24 Friauf, DStJG 12 (1989), 3, 5. 25 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 87. Differenzierend Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 476, der zwischen individueller Äquivalenz als Steuermaßstab und allgemeiner Äquivalenz als Steuerrechtfertigungsgrund unterscheidet; ebenso Seer, FR 1999, 1280, 1289 Fn. 141. 26 Rasenack, Theorie der Körperschaftsteuer, S. 300. 27 Vgl. Vogel / Waldhoff in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. Art. 104 a-115 Rn. 398, wonach dies schon von Hobbes im Jahr 1651 propagiert worden ist.
§ 6 Körperschaftsbesteuerung und Äquivalenzprinzip
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I. Körperschaftsteuer als Gegenleistung für Verleihung der Rechtsfähigkeit Der Gesetzgeber des Körperschaftsteuergesetzes von 1920 verstand die Körperschaftsbesteuerung als Konsequenz der Verleihung der Rechtsfähigkeit an die Körperschaftsteuersubjekte.28 Das Körperschaftsteuersubjekt, namentlich die Kapitalgesellschaft, verdanke dem Staat seine Existenz und damit die Fähigkeit, gleichberechtigt am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Daraus ergebe sich auch das Recht des Staates zur Teilhabe am hierdurch hervorgebrachten Gewinn. Bei dieser Überlegung ist jedoch unberücksichtigt geblieben, dass durch die Verleihung der Rechtsfähigkeit für die Körperschaft zwar Rechte, gleichzeitig aber auch Pflichten entstehen. Die Rechtsfähigkeit stellt die juristische Person lediglich mit der natürlichen Person gleich, so dass sie nunmehr ebenfalls im Rechtsverkehr aktiv werden kann. Die Verleihung der Rechtsfähigkeit erweist sich kaum als tragfähige Grundlage einer Körperschaftsbesteuerung, weil kein Zusammenhang zwischen Rechtsfähigkeit und Gewinnerzielung besteht. Wird der Gewinn als Bemessungsgrundlage der Steuer herangezogen, lässt sich nicht erklären, warum Kapitalgesellschaften ohne Gewinn diese Leistung kostenlos gewährt wird.29 Darüber hinaus entsteht eine gefährliche Nähe zum Kopfsteuerprinzip, lässt man bereits die bloße Existenz der juristischen Person als Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung ausreichen. Dieses sähe sich bei juristischen Personen denselben verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, wie sie für eine Kopfsteuer bei natürlichen Personen gelten. Zwar kann eine Verletzung der Menschenwürde30 bei juristischen Personen naturgemäß nicht geltend gemacht werden.31 Das Kopfsteuerprinzip wäre jedoch auch wegen der damit verbundenen Verstöße gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Willkürverbot32 und die Steuergerechtigkeit verfassungsrechtlich untragbar.33 Auch der Gesetzgeber hat sich inzwischen von diesem Rechtfertigungsgedanken gelöst. Der Körperschaftsbesteuerung unterliegen nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG auch nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen des privaten Rechts. Damit erscheint es nicht denkbar, die Körperschaftsbesteuerung als Gegenleistung für die Verleihung 28 Begründung zum KStG 1920, Verhandlungen der Nationalversammlung, Band 341, S. 14. 29 Schneider, StuW 1975, 97, 104 f. 30 So Lang in Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 86 für die Kopfsteuer bei natürlichen Personen. 31 Krüger / Sachs in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 68. 32 BVerfG, Urt. v. 27. 05. 1992 – 2 BvF 1 / 88 u. a., BVerfGE 86, 148, 251. 33 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 86; dazu auch Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 473 ff.
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
der Rechtsfähigkeit anzusehen, ohne sich in einen unauflösbaren Widerspruch zu begeben.34
II. Körperschaftsteuer als Gegenleistung für Haftungsbeschränkung Teilweise wird die Erhebung der Körperschaftsteuer als Gegenleistung für die Einräumung der Möglichkeit verstanden, mit Hilfe dieser Rechtsgebilde eine Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen herbeizuführen. Die Körperschaftsteuer wäre damit der staatlich auferlegte Preis für die begehrte Begrenzung des geschäftlichen Risikos.35 Gegen diesen Erklärungsversuch spricht bereits die Existenz von Personengesellschaften mit ebenfalls teilweiser oder vollständiger Haftungsbeschränkung, etwa die Kommanditgesellschaft oder die zivil- und steuerrechtlich inzwischen allgemein anerkannte GmbH & Co. KG. Wollte der Gesetzgeber die Körperschaftsbesteuerung mit der beschränkten Haftung rechtfertigen, müsste sich die Auswahl der Steuersubjekte an der Existenz einer Haftungsbeschränkung und nicht am Vorhandensein einer von den Gesellschaftern getrennten rechtlichen Organisation ausrichten. Das war in der Vergangenheit noch nie der Fall und ist es auch gegenwärtig nicht. Darüber hinaus wird der Äquivalenzgedanke als Grundlage dieser Rechtfertigungsidee nicht verwirklicht. Die Leistung des Staates in Form der Haftungsbeschränkung wird an eine Gegenleistung mit der Bemessungsgrundlage Gewinn geknüpft. Ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen, das Gewinne erzielt und zur Steuer herangezogen wird, bedarf der Haftungsbeschränkung jedoch gerade nicht, weil es ohnehin in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Das Not leidende Unternehmen, für das allein die Haftungsbeschränkung von Bedeutung ist, erzielt dagegen keine Gewinne und wird nicht zur Körperschaftsteuer herangezogen.36 Damit ergäbe sich eine eigenartige „umgekehrte Äquivalenz“, bei der Steuersubjekte die Gegenleistung für eine von anderen Steuersubjekten in Anspruch genommene Leistung zu entrichten hätten. Der Äquivalenzgedanke wäre damit ad absurdum geführt.
Schneider in: Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft II, S. 530. Vgl. Pohmer, FinArch n.F. 15 (1954 / 55), 373, 388; Stiglitz / Schönfelder, Finanzwissenschaft, S. 534. 36 Schneider, StuW 1975, 97, 104 f.; ders. in: Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft II, S. 530. 34 35
§ 6 Körperschaftsbesteuerung und Äquivalenzprinzip
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III. Körperschaftsteuer als Gegenleistung für die Inanspruchnahme staatlicher Infrastruktur In jüngster Zeit wieder aufgegriffen wurde der Ansatz, die Körperschaftsteuer als Gegenleistung für die Inanspruchnahme staatlicher Infrastruktur anzusehen. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Erhebung einer allgemeinen Unternehmenssteuer für sämtliche Erwerbsgesellschaften unabhängig von der Rechtsform, wie sie von der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre und Teilen der Rechtswissenschaft gefordert wird. Diese Unternehmenssteuer sei als Äquivalent dafür zu verstehen, dass die Unternehmen staatliche Infrastruktur in Anspruch nähmen und dem Staat Kosten verursachten. Die Körperschaftsteuer erfasse einen Teil der Erwerbsgesellschaften und stelle eine partielle Unternehmenssteuer dar. Damit lasse sich die Rechtfertigungserwägung für die allgemeine Unternehmenssteuer auf die Körperschaftsteuer übertragen.37 Außer Acht gelassen wird dabei, dass die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen und Infrastruktur nicht auf Unternehmen begrenzt ist. In der hoch entwickelten Umgebung, die von Teilnehmern am Wirtschaftsverkehr heute angetroffen wird, lässt sich kaum ein Einkommen ohne die Inanspruchnahme staatlicher Infrastruktur erzielen.38 Inkonsequent ist darüber hinaus, eine partielle Unternehmenssteuer allein für Körperschaften einzuführen. Dass Unternehmen im Vergleich zu anderen Steuersubjekten und körperschaftlich strukturierte Unternehmen im Vergleich zu anderen Unternehmen staatliche Leistungen in besonders großem Umfang in Anspruch nehmen, lässt sich kaum verifizieren und verkennt die große Bedeutung unternehmerischer Betätigung für die wirtschaftliche Prosperität einer Volkswirtschaft. Die alternativ angebotene Begründung, der Staat werde im Sinne eines partnerschaftlich interpretierten Äquivalenzprinzips durch die Bereitstellung der Infrastruktur „stiller Teilhaber“ am Gewinn jeder Körperschaft,39 erweist sich als reine Fiktion.40 Nicht erklären lässt sich, warum es dem Staat im Unterschied zu jedem stillen Teilhaber des Privatrechts möglich sein soll, den Umfang seiner Teilhaberschaft einseitig zu bestimmen. Kein wirtschaftlich denkendes Steuersubjekt würde sich auf eine derartige Vereinbarung einlassen. Bei der Auferlegung von Steuerpflichten handelt es sich um ein Musterbeispiel der Eingriffsverwaltung. Gerade hier tritt hier das Über- / Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger offen zutage. Worin der „partnerschaftliche“ Aspekt liegen soll, wenn die Bedingungen 37 Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 1174; ders., StuW 1993, 8, 10 und bereits Flume, DB 1971, 692, 693; ders., StbJb. 1973 / 74, 53, 60. Zur Unternehmenssteueridee s. u. § 7 IV. 38 Pezzer, Festschrift f. Tipke, S. 419, 425 f.; Schneider, StuW 1975, 97, 106. Ablehnend auch Seer, FR 1999, 1280, 1289 Fn. 141. 39 Rasenack, Theorie der Körperschaftsteuer, S. 300. 40 Schneider, StuW 1975, 97, 106.
3 Wäckerlin
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
einer Teilhaberschaft einseitig durch Befehl und Zwang bestimmt und durchgesetzt werden, erscheint nicht nachvollziehbar.
IV. Berechtigung des Äquivalenzprinzips im Ertragsteuerrecht Die Bemühungen in der Wissenschaft um eine Rechtfertigung der Körperschaftsteuer mit Äquivalenzüberlegungen haben trotz der über lange Zeit geführten Diskussion ersichtlich nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt. Vor diesem Hintergrund muss bezweifelt werden, ob sich Äquivalenzgedanken überhaupt zur Rechtfertigung der Körperschaftsteuer eignen. Die Äquivalenztheorie wird als sinnstiftendes, wenn auch nachrangiges Fundamentalprinzip der Besteuerung bezeichnet.41 Gleichzeitig ist das Äquivalenzprinzip aber das systemtragende Prinzip für die Bemessung von Gebühren.42 Zu berücksichtigen ist stets der grundlegende Unterschied zwischen Steuern und Gebühren. Die einfachgesetzliche Definition des § 3 Abs. 1 AO beschreibt Steuern als Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen, während für die Bemessung von Gebühren die tatsächliche Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung wesentlich ist. Steuern werden mithin voraussetzungslos erhoben, so dass dem Steuerpflichtigen keine besonderen Vorteile zugeordnet werden können.43 Wegen der Unabhängigkeit des staatlichen Steueranspruchs von einer Gegenleistung lässt sich die Äquivalenztheorie jedenfalls in ihrem eigentlichen Sinne auf die Erhebung von Steuern nicht anwenden.44 Jachmann45 will den Äquivalenzgedanken im Steuerrecht zwar für Ausnahmen von einer anderweitig gerechtfertigten Steuer heranziehen, nicht jedoch für die Erhebung einer Steuer. Dies überzeugt jedoch ebenfalls nicht. Es ist nicht recht ersichtlich, weshalb Äquivalenzüberlegungen bei einem steuerlichen Ausnahmetatbestand ein anderes Gewicht zukommen sollte als bei der Normierung des BePezzer, Festschrift f. Tipke, S. 419, 425. Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 3 Rn. 18. Das kommt in den Kommunalabgabengesetzen der Länder besonders deutlich zum Ausdruck, vgl. etwa Art. 8 Abs. 1, Abs. 4 BayKAG. Zu Äquivalenz und Gebührenrecht auch Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1065 ff. 43 BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3 / 77, BVerfGE 55, 274, 298; BVerfG, Urt. v. 06. 11. 1984 – 2 BvL 19 / 83 u. a., BVerfGE 67, 256, 275; BVerfG, Beschl. v. 08. 06. 1988 – 2 BvL 9 / 85 u. a., BVerfGE 78, 249, 267; BVerfG, Urt. v. 04. 04. 1989 – 1 BvL 44 / 86 u. a., BVerfGE 81, 156, 186 f.; BVerfG, Beschl. v. 24. 01. 1995 – 1 BvL 18 / 93 u. a., BVerfGE 92, 91, 113. 44 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 12; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 477; vgl. auch Arndt / Schumacher, AöR 118 (1993), 513, 518 und Vogel in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 87 Rn. 91. 45 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 12 f.; dies., DStJG 23 (2000), 9, 13. 41 42
§ 6 Körperschaftsbesteuerung und Äquivalenzprinzip
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lastungsgrundes. Auch durch Ausnahmetatbestände wird die Steuerlastverteilung maßgeblich beeinflusst. Dies zeigt sich etwa bei den §§ 3, 3 b EStG, die fiskalisch außerordentlich bedeutsame Ausnahmetatbestände beinhalten.46 Entscheidend kann daher nur die Rechtfertigung einer konkreten steuerlichen Belastung ohne Rücksicht darauf sein, ob diese durch einen von Anfang an eng gefassten Steuertatbestand oder durch einen umfassenden Steuertatbestand mit anschließenden Ausnahmen erreicht wird. Das Äquivalenzprinzip wird in der steuerrechtswissenschaftlichen Literatur überwiegend kritisch beurteilt und insbesondere im Bereich der Generalsteuern nicht für anwendbar gehalten. Weil eine strikte Anwendung des Äquivalenzprinzips im Bereich des Steuerrechts von vornherein nicht in Betracht kommt, soll das Äquivalenzprinzip auf eine gruppenäquivalente Betrachtung beschränkt werden,47 so dass in die Äquivalenzbetrachtung nicht einzelne Individuen, sondern Gruppen von Steuerschuldnern einbezogen werden. Teilweise wird das Äquivalenzprinzip im Steuerrecht aber auch insgesamt abgelehnt. So hält Kruse Äquivalenzüberlegungen nur im Gebühren- und Beitragsrecht für berechtigt48 und auch Tipke äußert sich insoweit sehr reserviert.49 Als sachgerechter Maßstab der Ertragsbesteuerung eignet sich das Äquivalenzprinzip nicht. Hier geht es nicht um eine Gegenleistung für die Einräumung eines identifizierbaren geldwerten Vorteils. Die Ertragsbesteuerung der natürlichen Personen und Körperschaften ist vielmehr der klassische Fall einer nicht an einem konkreten Leistungsaustausch orientierten öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflicht, die dem Staat zweckungebunden finanzielle Mittel zur Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung stellen soll. Es spricht viel dafür, sich jedenfalls in diesem Bereich von der Idee eines Leistungsaustauschs zu lösen. Ein „konkreter“ Austausch kann schon deshalb nicht vorliegen, weil es sich um Steuern und nicht um Gebühren handelt. Die Konstruktion einer abstrakten Leistung, deren Vorteile für den einzelnen Steuerpflichtigen nicht namhaft gemacht werden können, ist als Maßstab der Steuerlastverteilung ohne wirklichen dogmatischen Wert. Der Anwendungsbereich des Äquivalenzprinzips muss auf Fälle beschränkt bleiben, in denen sich dem Einzelnen die Vorteile staatlicher Leistungen zuordnen lassen. 46 So verursacht allein die Steuerbefreiung des § 3 b EStG im Jahr 2004 voraussichtlich Mindereinnahmen von fast 2 Mrd. Euro, vgl. 19. Subventionsbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 15 / 1635, S. 107. 47 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 87. 48 Kruse, BB 1996, 717, 718. 49 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 476 ff. Vgl. auch ders., StuW 1993, 8, 9: Das Äquivalenzprinzip missachte das Existenzminimum, genüge dem Sozialstaatsprinzip nicht und könne zu einer Besteuerung umgekehrt zur Leistungsfähigkeit führen. Die Leistungen des Gemeinwesens seien nicht praktikabel bewertbar und zurechenbar, so dass das Äquivalenzprinzip als generelles Besteuerungsprinzip nicht in Betracht komme. Vorsichtiger Vogel / Waldhoff in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. Art. 104 a-115 Rn. 525, die „ein weitgehend durchgeführtes Äquivalenzprinzip“ für mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar halten (Hervorhebung durch den Verf.).
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
Dies gilt für Gebühren und Beiträge, wo eine Verbindung zwischen der Leistung und einer individualisierbaren Person hergestellt werden kann, und in engen Grenzen für Sonderabgaben zum Ausgleich von Gruppenvorteilen.50 Damit ergibt sich ungeachtet der möglicherweise vorhandenen Berechtigung in anderen Bereichen des Steuerrechts,51 dass der Äquivalenzgedanke jedenfalls für den Bereich der Ertragsbesteuerung bei Unternehmen keine brauchbaren Resultate hervorbringt.52 Plakativ bezeichnet Schneider die äquivalenztheoretischen Begründungen für die Körperschaftsteuer als „Relikte ungenauen Denkens“53.
§ 7 Körperschaften als Subjekte des Ertragsteuerrechts I. Leistungsfähigkeit als Grundlage der Steuerbemessung Durch das Aktiengesetz und das GmbH-Gesetz wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert die zivilrechtlichen Voraussetzungen für die Gründung von Kapitalgesellschaften geschaffen und ein neuer Typus unternehmerischer Betätigung etabliert. Die mit der Gründung einer Kapitalgesellschaft ermöglichte Haftungsbeschränkung trägt dem Umstand Rechnung, dass bei einer immer weiter voranschreitenden Industrialisierung der Wirtschaft das mit dem Betrieb eines großen Unternehmens verbundene geschäftliche Wagnis nicht mehr von Einzelpersonen getragen werden kann und die wirtschaftliche Entwicklung ohne die Schaffung einer Möglichkeit der Haftungsbegrenzung entscheidend gehemmt worden wäre. Dass eine Kapitalgesellschaft am Rechtsverkehr als eigenständiges Subjekt teilnimmt, gehört schon lange zum gewohnten Bild des Wirtschaftslebens. Demgegenüber ist die Rechtfertigung der Ertragsbesteuerung von Körperschaften bis heute umstritten. Die Ungeeignetheit des Äquivalenzprinzips als Maßstab des Ertragsteuerrechts zeigt, dass eine steuertheoretische Rechtfertigung der Ertragsbesteuerung von Körperschaften durch außerhalb der Rechtsperson liegende Umstände nicht möglich ist. Ein steuersystematischer Erklärungsversuch muss bei den Verhältnissen der Kapitalgesellschaft selbst ansetzen. Da der staatliche Finanzbedarf nicht Birk / Eckhoff, Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, S. 54, 66. Dazu Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 478. Dass das Äquivalenzprinzip im Abgabenrecht durchaus Bedeutung haben kann, meint auch Lang, Bemessungsgrundlage, S. 101: „Leistungsfähigkeitsprinzip und Äquivalenzprinzip sind mithin nicht als gegensätzliche, sich ausschließende systemtragende Prinzipien aufzufassen. Beide Prinzipien haben vielmehr ihren rechtssystematisch eigenständigen Anwendungsbereich.“ (Hervorhebung im Original) 52 So auch Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 262; Schipporeit, StuW 1980, 190, 193; Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe 17, Kap. IV Rn. 57 ff.; Vodrazka, StuW 1971, 235, 241. 53 Schneider in: Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft II, S. 532; ders., StuW 1975, 97, 107. 50 51
§ 7 Körperschaften als Subjekte des Ertragsteuerrechts
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nach Art einer Kopfsteuer unterschiedslos durch Heranziehung jedes Steuersubjekts in gleicher Höhe gedeckt werden kann, kommt die Bemessung der Steuer danach in Betracht, was der Steuerpflichtige aus seinem Einkommen beitragen kann, um dem Staat die Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen.54 Die jeweils unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeit der einzelnen Person, durch die Abgabe finanzieller Mittel zur Aufrechterhaltung des staatlichen Gemeinwesens beizutragen, stellt deren Leistungsfähigkeit dar. Die Verteilung der Steuerlast nach der „Steuerfähigkeit“ oder der „steuerlichen Leistungsfähigkeit“ wird heute sowohl in der Finanzwissenschaft als auch der Steuerrechtswissenschaft als tragendes Besteuerungsprinzip erkannt.55 Der Gedanke einer Besteuerung von Rechtssubjekten nach deren individueller Leistungsfähigkeit dient zunächst als systematischer Rahmen einer Steuerrechtsordnung. Auf dieser Basis ist die Tauglichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips als Rechtfertigungsmaßstab der Körperschaftsbesteuerung zu untersuchen. In einem zweiten Schritt kann anschließend beurteilt werden, ob und mit welchem Inhalt es in der Verfassung verankert ist und welche konkreten Folgen für Rechtsetzung und Rechtsanwendung im Steuerrecht daraus abzuleiten sind.56
II. Die Körperschaftsteuer aus Sicht der Opfertheorie Die Existenz und Betätigung von Kapitalgesellschaften im Rechtsverkehr wirft die Frage auf, ob diesen grundsätzlich Leistungsfähigkeit im steuerlichen Sinne zukommen kann. Die Idee der Bemessung von Steuern nach der Fähigkeit des Einzelnen, Beiträge für die Allgemeinheit zu leisten, wurde zunächst für die natürliche Person entwickelt. Zwar ist nicht jede natürliche Person leistungsfähig. Wer selbst kaum seine Existenz gewährleisten kann, ist nicht in der Lage, die ohnehin knappen Mittel mit anderen zu teilen. Jede natürliche Person besitzt aber die „Fähigkeit zur Leistungsfähigkeit“, das Potenzial zu deren Erwerb. Das Wesen der Kapitalgesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich als ein mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteter Akteur im wirtschaftlichen Leben auf eine oder mehrere natürliche Personen zurückführen lässt. Die organschaftliche Willensbildung erfordert stets die Aktivität natürlicher Personen; das wirtschaftliche Ergebnis wirkt sich früher oder später auf natürliche Personen aus. Diese wesensmäßige Dichotomie zwischen unabhängiger rechtlicher Existenz und faktischer Abhängigkeit von der Willensbetätigung natürlicher Personen hat auch die Diskussion um die Möglichkeit einer eigenen Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft beeinflusst. Deren Anerkennung steht und fällt mit dem Verständnis von dem, was steuerliche Leistungsfähigkeit ausmacht. 54 55 56
Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 479. Statt vieler Neumark, Steuerpolitik, S. 121 ff.; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 479 ff. Dazu u. § 9 II.
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
Durch den Systemwechsel in der Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne hat die Diskussion um die steuerliche Leistungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften neue Aktualität erlangt. Das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren führte im Ergebnis zur Belastung des ausgeschütteten Kapitalgesellschaftsgewinns mit dem persönlichen Einkommensteuersatz des Anteilseigners. Die Belastung des Gewinns mit Körperschaftsteuer trat nur vorläufig für die Zeitspanne ein, in der der Gewinn im Unternehmen thesauriert wurde. Seit der Unternehmenssteuerreform bleiben ausgeschüttete Kapitalgesellschaftsgewinne endgültig mit der vom Unternehmen entrichteten Körperschaftsteuer belastet. Dieser Systemwechsel enthält die Abkehr von der Vorstellung, ein Unternehmen könne mangels Leistungsfähigkeit nicht selbst Träger einer Steuerlast sein und ist deswegen auf energischen Widerspruch gestoßen. Der auf die Beibehaltung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens gerichtete Aufruf zahlreicher Vertreter der Steuerwissenschaften57 legt Unterschiede im grundsätzlichen Verständnis offen.
1. Der opfertheoretische Begriff der Leistungsfähigkeit Die Finanzwissenschaft geht davon aus, der Fähigkeit, durch Steuerleistungen zur staatlichen Aufgabenerfüllung beizutragen, entspreche die Fähigkeit zum persönlichen Opfer. Das Opfer, zu dem der Einzelne durch die Auferlegung von Steuern herangezogen werde, bestehe in der Einschränkung privater Bedürfnisbefriedigung, mithin im Verzicht auf persönlichen Nutzen.58 Eine am Gedanken der Leistungsfähigkeit orientierte Besteuerung sei verwirklicht, wenn jedem Staatsbürger eine relativ gleich große Einbuße an persönlicher Bedürfnisbefriedigung für denjenigen Teil seiner Bedürfnisse auferlegt wird, die über den existenznotwendigen Lebensbedarf hinausgehen.59 Weil der individuelle Nutzen eines materiellen Gutes von jedem in unterschiedlicher Weise empfunden wird, besteht ein exakter Maßstab für dessen Ermittlung naturgemäß nicht. Als Indikator zur Messung des Umfangs der eigenen Bedürfnisbefriedigung wird das Einkommen herangezogen60 und von einem höheren Einkommen auf ein höheres Maß an individueller Bedürfnisbefriedigung geschlossen. Als Steuern auf das Einkommen gerechtfertigt sind demnach Steuern, die durch Abschöpfung finanzieller Mittel zu einem Verzicht auf persönlichen Nutzen führen. 57 Siegel / Bareis / Herzig / Schneider / Wagner / Wenger, BB 2000, 1269. Bei den Unterzeichnern des Aufrufs handelt es sich ganz überwiegend um Vertreter der Finanzwissenschaft und der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. Bemerkenswert ist aber, dass sich auch Teile der Steuerrechtswissenschaft den Inhalt des Aufrufs zu Eigen gemacht haben. s. dazu auch u. Fn. 73. 58 Haller, Die Steuern, S. 14 f. 59 Haller, Die Steuern, S. 15. 60 Haller, Die Steuern, S. 43.
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Da der persönliche Nutzen eines Wirtschaftsguts nur von natürlichen Personen empfunden werden kann, ist nur bei diesen eine Einbuße an persönlicher Bedürfnisbefriedigung überhaupt denkbar. Juristische Personen als abstrakte Rechtsgebilde haben keine persönlichen Bedürfnisse und sind zu einem entsprechenden Opfer nicht in der Lage. Diese denklogische Unmöglichkeit eines Nutzenverzichts führt zur Verneinung einer steuerlichen Leistungsfähigkeit bei Kapitalgesellschaften.61 Danach lässt sich eine Steuer auf das Einkommen bzw. den Ertrag einer Kapitalgesellschaft jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn sie zu einer endgültigen Belastung des Unternehmensgewinns mit ihr führt.
2. Die Theorie vom wirtschaftlichen Eigentum der Anteilseigner Das opfertheoretische Verständnis der Ertragsbesteuerung wird durch Begründungsansätze ergänzt, die stärker wirtschaftliche Gesichtspunkte unternehmerischen Handelns berücksichtigen. Die Körperschaft wird als Instrument betrachtet, mit dessen Hilfe natürlichen Personen Einkünfteerzielung ermöglicht wird. Aus wirtschaftlicher Sicht bestehe keine Trennung zwischen Körperschaft und Anteilseigner. Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft sei lediglich eine andere Form der unternehmerischen Betätigung, die sich vom Einzelunternehmen nicht grundsätzlich unterscheide, so dass auch eine eigene steuerliche Leistungsfähigkeit der juristischen Person nicht bestehen könne.62 Auch hinter einer juristischen Person stünden natürliche Personen als Wirtschafter; der Begriff des Einkommens lasse sich nicht von diesen trennen.63 Unternehmungen bestünden nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sich deren Eigentümer ein persönliches Einkommen verschaffen wollten; dies gelte für Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften gleichermaßen.64 Weil in jeder Organisation Entscheidungen über deren Angelegenheiten durch einzelne oder mehrere natürliche Personen getroffen würden, ließen sich juristische Personen nicht als autonome Wirtschaftseinheiten begreifen. Das Unternehmen als Organisationsform zur Realisierung wirtschaftlicher Interessen 61 So bereits Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, S. 187; ferner Haller, Die Steuern, S. 176 f.; McNulty, StuW 1989, 120, 131; Reich, Doppelbelastung, S. 34; Schmölders, StuW 1948, Sp. 906 ff.; Schneider, StuW 1975, 97, 101; ders. in: Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft II, S. 533 ff.; Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe 17, Kap. IV Rn. 54. Das Vorhandensein einer eigenen steuerlichen Leistungsfähigkeit bei Körperschaften wird auch verneint von Andel, Finanzwissenschaft, S. 340 f.; Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 54 f.; Neumark, Steuerpolitik, S. 131 ff. Bach, StuW 1991, 116, 127 f. versteigt sich sogar zur Behauptung, es gelte „heute allgemein als akzeptiert, dass juristischen Personen, insbesondere einer Kapitalgesellschaft keine eigenständige Leistungsfähigkeit zukommen“ könne. 62 Meichssner, Besteuerung der Kapitalgesellschaftsgewinne, S. 129; Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe 17, Kap. IV Rn. 75; Wöhe, ZfbF 1971, 502, 507. 63 Schneider, StuW 1975, 97, 101. 64 Wöhe, ZfbF 1971, 502, 507.
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
der dahinter stehenden natürlichen Personen könne nicht selbst Träger einer Steuerlast sein.65 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, die Anteilseigner seien „wirtschaftliche Eigentümer“ des in Kapitalgesellschaften angelegten Vermögens, so dass die in Kapitalgesellschaften erzielten Gewinne steuerliche Leistungsfähigkeit nicht des Unternehmens, sondern der dahinter stehenden natürlichen Personen begründen.66 Der Begriff der Leistungsfähigkeit ist danach auch aus wirtschaftlichen Überlegungen auf natürliche Personen zu beschränken.
3. Folgerungen für die Besteuerung von Unternehmenserträgen Einem so verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzip zufolge wäre eine endgültige Belastung von Körperschaften mit einer Ertragsteuer nicht zu rechtfertigen. Das juristische Gebilde „Körperschaft“ stehe außerhalb des Leistungs-Opfer-Zusammenhangs.67 Legt man diese Prämisse zugrunde, kreist die Diskussion um die Tatsache, dass die von der Körperschaft erzielten Gewinne bis zu deren Ausschüttung unversteuert bleiben müssen, wenn nicht auf andere Weise ein Besteuerungsmodus gewährleistet wird, der die fehlende Leistungsfähigkeit der Körperschaft berücksichtigt. Der Verzicht auf die Besteuerung einbehaltener Kapitalgesellschaftsgewinne würde einem so verstandenen Leistungsfähigkeitsbegriff entsprechen, ist aber mit Rücksicht auf den mitunter sehr langen Zeitraum zwischen Gewinnerzielung und Gewinnausschüttung weder fiskalisch wünschenswert noch politisch durchsetzbar, weil die Besteuerung auf einen unabsehbaren Zeitpunkt aufgeschoben würde. Eine Besteuerung von Kapitalgesellschaftsgewinnen ist ausschließlich aufgrund der persönlichen Verhältnisse der Anteilseigner möglich und erfordert eine Einbeziehung der Körperschaftsbesteuerung in die Einkommensbesteuerung. Die Besteuerung der Gesellschaftsgewinne muss danach so ausgestaltet werden, dass keine Belastung der Gesellschaft verbleibt. Die Befreiung von steuerlicher Belastung auf der Ebene der Gesellschaft ist grundsätzlich auf zwei Arten denkbar: Die Körperschaftsbesteuerung kann entweder durch eine Teilhabersteuer in die Besteuerung des Anteilseigners integriert oder als nur vorläufige Belastung des Gesellschaftsgewinns ausgestaltet werden.68
Wagner, StuW 2000, 109, 116. Haller, Die Steuern, S. 177; Meichssner, Besteuerung der Kapitalgesellschaftsgewinne, S. 129; Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe 17, Kap. IV Rn. 52; Wöhe, ZfbF 1971, 502, 507. 67 Haller, Die Steuern, S. 177. 68 Schneider, StuW 1975, 97, 110. 65 66
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a) Das Integrationsverfahren Das Konzept der Teilhabersteuer69 ist die Frucht einer in den 1960er Jahren geführten Diskussion um die wirtschaftlich richtige Besteuerung von Unternehmensgewinnen. Dass auch einbehaltene Kapitalgesellschaftsgewinne besteuert werden müssen, wird von den Befürwortern einer Teilhabersteuer nicht in Abrede gestellt.70 Allerdings wurde der damals bestehende Dualismus von Körperschaftsteuer und ungemilderter Einkommensteuer abgelehnt und nach einer Möglichkeit gesucht, eine zeitnah nach Ablauf des Veranlagungszeitraums einsetzende Besteuerung der von Kapitalgesellschaften erzielten Gewinne beim Anteilseigner zu gewährleisten. Die Teilhabersteuer beruht auf dem opfertheoretischen Konzept, dass eine steuerliche Leistungsfähigkeit nur natürlichen Personen zukommen kann und auch bei Kapitalgesellschaften Leistungsfähigkeit allein und unmittelbar auf der Ebene des Anteilseigners begründet wird. Das bedinge es, die Kapitalgesellschaft in ertragsteuerlicher Sicht als nicht existent zu behandeln; eine Trennung der Besteuerung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner sei nicht anzuerkennen. Danach kommt es bei der Kapitalgesellschaft ebenso wie bei der Personengesellschaft zu einer unmittelbaren Zurechnung des gesamten Körperschaftsgewinns zum Anteilseigner. Beim einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner wird der gesamte Kapitalgesellschaftsgewinn im Jahr seiner Entstehung entsprechend seiner Beteiligung am Unternehmen als eigenes Einkommen erfasst.71 Die Teilhabersteuer führt zur Entbehrlichkeit der Körperschaftsteuer und macht sie zur reinsten Form der Verwirklichung des Opfergedankens im Recht der Unternehmensbesteuerung.
b) Die Körperschaftsteuer als „Sicherungssteuer“ Soll dagegen die Körperschaftsbesteuerung beibehalten werden, so lässt sich diese nach der Opfertheorie nur als Sicherungssteuer verstehen, um den Körperschaftsgewinn solange steuerlich zu erfassen, bis dieser an den Anteilseigner ausgeschüttet wird. Der Gewinn wird in der Thesaurierungsphase der Körperschaftsteuer, nach der Ausschüttung der Einkommensteuer zugeordnet. Die Körperschaftsteuer kann – dem Sicherungsgedanken entsprechend – nur als Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld der hinter der Körperschaft stehenden natürlichen Personen verstanden werden.72 Grundlegend Engels / Stützel, Teilhabersteuer, Rn. 1 ff. Vgl. Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 17 a.E. 71 Engels / Stützel, Teilhabersteuer, Rn. 1; Haller, Die Steuern, S. 178. Vgl. auch Schneider, StuW 1975, 97, 108 ff. 72 Schneider in: Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft II, S. 545. Dies wird aber von der Rechtsprechung abgelehnt. Der Bundesfinanzhof begreift die Körperschaftsteuer nicht als Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld des Anteilseigners. Dass unter der 69 70
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
Das opfertheoretische Verständnis der Ertragsbesteuerung determiniert damit auch die Frage nach dem Verhältnis von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer. Die Einführung und Aufrechterhaltung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens ist danach zwingend erforderlich. Es stellt unter opfertheoretischen Gesichtspunkten ohnehin schon einen Kompromiss dar, weil das anzustrebende Ergebnis, die alleinige steuerliche Belastung des Anteilseigners, nur mit zeitlicher Verzögerung erreicht wird. Im Zeitpunkt der Ausschüttung entfällt der mit der Körperschaftsteuer verfolgte Sicherungszweck aber spätestens. Die bislang bestehende Körperschaftsteuerbelastung muss dann in die Belastung der Gewinne mit dem persönlichen Einkommensteuersatz des Anteilseigners überführt werden. Diesen – aus Sicht der Opfertheorie zwingenden – Zusammenhang ins Bewusstsein zu rufen, war zentrales Anliegen des Aufrufs zur Beibehaltung des Anrechnungsverfahrens. Da sich eine an den Gewinn der Körperschaft anknüpfende und auf der Ebene der Körperschaft erhobene Ertragsteuer opfertheoretisch nur mit dem Sicherungsgedanken erklären lässt, ist eine vollständige Anrechnung der Körperschaftsteuer im Zeitpunkt des Wegfalls des Sicherungszwecks unabdingbar.73
III. Zur Tauglichkeit des Opfergedankens für die Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung Die Forderung nach einer Teilhaberbesteuerung oder der Beibehaltung des Anrechnungsverfahrens ist konsequent, wenn man die Ertragsbesteuerung an der Opferfähigkeit der Rechtssubjekte ausrichtet. Dass das ökonomische Opferprinzip zum richtigen Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips führt, erweist sich jedoch aus mehreren Gründen als zweifelhaft. Die Einwände gegen ein opfertheoretisches Verständnis der Besteuerung von Kapitalgesellschaftsgewinnen ergeben sich zum einen aus steuersystematischen Erwägungen, zum anderen aus einer Missachtung verfassungsrechtlicher Wertmaßstäbe. 1. Gleichsetzung von Opferfähigkeit und Leistungsfähigkeit Dogmatisches Fundament der Opfertheorie ist die Abwesenheit steuerlicher Leistungsfähigkeit bei nichtphysischen Personen. Auch wenn eine Besteuerung auf Geltung des Anrechnungsverfahrens die Körperschaftsteuer wirtschaftlich die Wirkung einer Vorauszahlung gehabt hat, sei dabei ohne Bedeutung. Vgl. BFH, Beschl. v. 09. 02. 1982 – VIII B 132 / 81, BStBl. II 1982, 401, 402; BFH, Beschl. v. 26. 11. 1986 – VIII B 114 / 86, BStBl. II 1987, 179, 180; BFH, Urt. v. 12. 12. 1990 – I R 43 / 89, BStBl. II 1991, 427, 430. Ebenso Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 9. 73 Siegel / Bareis / Herzig / Schneider / Wagner / Wenger, BB 2000, 1269. Umso erstaunlicher mutet vor diesem Hintergrund die Unterstützung des Aufrufs seitens der Steuerrechtswissenschaft an, die die Opfertheorie einhellig ablehnt. Das lässt sich wohl nur damit erklären, dass die Beibehaltung des Anrechnungsverfahrens aus anderen Erwägungen befürwortet wurde, ohne die inhaltliche Begründung des Aufrufs nachvollzogen zu haben.
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der Ebene der Körperschaft erfolge, lasse sich diese nicht von der Vorstellung lösen, dass das Einkommen unabhängig von der rechtlichen Verselbständigung der juristischen Person den hinter ihr stehenden natürlichen Personen zuzuordnen sei. Dieses Verständnis steht im Widerspruch zum gesetzgeberischen Regelungskonzept. Als gemeinsames Merkmal der körperschaftsteuerpflichtigen Rechtsgebilde wurde die Erzielung von Einkünften angesehen, die nicht unmittelbar der Steuerpflicht in der Hand einer natürlichen Person unterliegen. Weil juristische Personen Inhaber ihres Vermögens seien, schlössen sie ihre Mitglieder rechtlich von der Einkünfteerzielung aus. Das Einkommen der juristischen Person erscheine grundsätzlich als ihr eigenes, nicht als das anderer Besitzer.74 Würde die Leistungsfähigkeit der juristischen Person allein von ihren Eigentümern her aufgefasst, wären Erträge einer Körperschaft, deren Träger sich nicht auf eine natürliche Person zurückführen lässt, von jeder Ertragsbesteuerung frei.75 So hat eine Stiftung lediglich Begünstigte, die aus den Erträgen des Stiftungsvermögens unterstützt werden. Dies werden zumeist natürliche Personen sein, „Anteilseigner“ der Stiftung sind sie jedoch keinesfalls. Auch bei Betrieben gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG), etwa den als GmbH organisierten Stadtwerken76, kommt der wirtschaftliche Erfolg unmittelbar keiner natürlichen Person und mittelbar den Einwohnern zugute, ohne dass diese als Anteilseigner der Gesellschaft betrachtet werden können.77 Das mag man als vernachlässigenswerte Eigentümlichkeit betrachten, schon allein weil diese Fälle, hält man ihnen die große Zahl „klassischer“ Kapitalgesellschaften gegenüber, nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Die Vernachlässigung gesetzlich vorgesehener Tatbestände bietet aber zumindest Anlass, sich mit der Überzeugungskraft der opfertheoretischen Steuerrechtfertigungslehre zu befassen. Es kann nicht in Frage gestellt werden, dass durch die so erzielten Erträge – opfertheoretisch gesprochen – Bedürfnisbefriedigungspotential geschaffen wird, auch wenn natürliche Personen nur sehr mittelbar daran partizipieren. Die Körperschaftsbesteuerung lässt sich in diesen Fällen mit dem Opfergedanken nicht erklären, mit der Vorstellung einer Teilhabersteuer noch weniger als mit der Hilfskonstruktion einer Körperschaftsteuer als Sicherungssteuer. Auch für die übrigen körperschaftsteuerpflichtigen Rechtsgebilde erscheint es zweifelhaft, ob diesen die steuerliche Leistungsfähigkeit abgesprochen werden 74 Begründung zum KStG 1920, Verhandlungen der Deutschen Nationalversammlung, Band 341, S. 19 f. 75 Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 354; Schredelseker, StuW 1975, 324, 325. 76 Dies ist im Rahmen der landesrechtlichen Vorschriften über die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden zugelassen, für Bayern etwa in Art. 92 BayGO. Von dieser Möglichkeit haben insbesondere größere Gemeinden bereits in vielfältiger Weise Gebrauch gemacht. 77 Das hat Wöhe, ZfbF 1971, 502, 507 erkannt, der daraufhin aber lediglich die Erforderlichkeit besonderer steuerlicher Regelungen für diese Fälle konstatiert, ohne sein Konzept zu hinterfragen.
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kann. Begriffliche Ableitungen sind zumeist mit dem Mangel behaftet, dass vorher in den Begriff hineininterpretiert wird, was anschließend aus ihm abgeleitet werden soll.78 Die opfertheoretische Begründung für die fehlende Leistungsfähigkeit des Unternehmens leidet dementsprechend an der Gleichsetzung von Opferprinzip und Leistungsfähigkeitsprinzip.79 Opferfähigkeit und steuerliche Leistungsfähigkeit werden als Einheit betrachtet, ohne sich ausreichend Gewissheit darüber verschafft zu haben, ob eine solche Gleichsetzung überhaupt zugelassen werden kann. Das Opferprinzip stellt selbst eine nicht unbestrittene Hypothese dar, die auf kaum verifizierbaren Annahmen beruht.80 Von vornherein ausgeblendet wird die Wirkung, die der rechtlichen Eigenständigkeit der juristischen Person zukommt. Eine wirtschaftliche Betrachtung unter bewusster Vernachlässigung rechtlicher Unterschiede, die sich auf die wirtschaftliche Situation auswirken können, führt nicht zu einer zutreffenden Einschätzung der steuerlichen Leistungsfähigkeit. Eine Auseinandersetzung mit diesen tatsächlichen Gegebenheiten wird nicht durch die Berufung auf ein Dogma entbehrlich, das zur Begründung auf sich selbst zurückgeführt wird. Auch wer eine ökonomische Sichtweise pflegt, darf nicht übersehen, dass die zivilrechtliche Gestaltung Vorgänge oder Zustände auslösen kann, in denen sich wirtschaftliche Stärke oder Schwäche verkörpert und die für die wirtschaftlichen Folgen konstituierend sind.81 Zutreffend weist Raupach darauf hin, dass die rechtliche Trennung zwischen der juristischen Person und deren Substrat regelmäßig – wenn auch nicht stets – eine wirtschaftliche Trennung zur Folge hat,82 denn die wirtschaftliche Situation der juristischen Person wird durch den rechtlichen Aktionsrahmen beeinflusst. Die rechtliche Unterscheidung von juristischer Person und Anteilseigner bildet ein gewichtiges Indiz für das Vorhandensein steuerlicher Leistungsfähigkeit auf der Ebene der Gesellschaft. Der Opfergedanke ist angesichts seiner Mängel nicht geeignet, diese Ausstrahlungswirkung der Rechtslage auf die wirtschaftliche Situation der juristischen Person zu widerlegen.
2. Zur Vorstellung vom wirtschaftlichen Eigentum der Anteilseigner Nur wer in der Lage ist, Steuern aus dem zu entrichten, was er eingenommen hat, kann im steuerlichen Sinne leistungsfähig sein. Grundvoraussetzung der Leistungsfähigkeit eines Steuersubjekts ist daher die Verfügungsmacht über die Mittel, die zur Steuerzahlung aufgewendet werden sollen. Die ökonomische Konzeption der Körperschaftsbesteuerung sieht sich vor die Tatsache gestellt, dass vor einer Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 1171. Schipporeit, StuW 1980, 190, 196. 80 Flume, StbJb. 1973 / 74, 53, 62 f.; Schipporeit, Unternehmungsteuer, S. 129; ders., StuW 1980, 190, 196. 81 Lang, StuW 1989, 3, 9; Tipke, NJW 1980, 1079, 1080. 82 Raupach, Durchgriff, S. 87. 78 79
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Ausschüttung der vom Unternehmen erzielte Gewinn nicht im Vermögen des Anteilseigners vorhanden ist. Erst im Zeitpunkt der Gewinnausschüttung erfolgt ein Zufluss in das Vermögen des Anteilseigners, der bei diesem steuerliche Leistungsfähigkeit begründet. Die Idee einer Teilhaberbesteuerung wird im steuerrechtswissenschaftlichen Schrifttum deshalb einhellig abgelehnt.83 Dem wird von wirtschaftswissenschaftlicher Seite mit der Überlegung entgegengetreten, dass der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft wirtschaftlich als deren Eigentümer zu betrachten und daher auch bereits während des Zeitraums der Thesaurierung als Inhaber des Unternehmensgewinns anzusehen sei. Die Restriktion des Leistungsfähigkeitsgedankens auf natürliche Personen durch die Vorstellung vom „wirtschaftlichen Eigentum“ der Gesellschafter will ihre Überzeugungskraft aus der Begründung zum Aktiengesetz 196584 beziehen. Dem dort verwendeten Begriff des wirtschaftlichen Eigentums der Anteilseigner wird entnommen, dass die Aktiengesellschaft gedanklich nur aus der Perspektive der hinter ihr stehenden Personen erfasst werden kann. Dementsprechend sei auch nicht die juristische Person selbst, sondern allein die durch sie agierende natürliche Person zur Leistung von Steuern in der Lage. Auch hierbei wird verkannt, dass eine wirtschaftliche Betrachtung unergiebig ist, wenn sie die rechtlichen Parameter unberücksichtigt lässt, die die wirtschaftliche Situation beeinflussen. Die zivilrechtliche Verselbständigung der Kapitalgesellschaft steht als Ausgangstatbestand außer Frage. Das Eigentum an einzelnen Produktionsmitteln steht der juristischen Person als Trägerin des Unternehmens zu. Die hinter einer Gesellschaft stehende natürliche Person erwirbt mit ihrer Beteiligung nur einen Anteil am Unternehmen, nicht einen Miteigentumsanteil an einzelnen Wirtschaftsgütern. Auch die Übertragung der Unternehmensbeteiligung erfolgt durch die Übertragung der im Anteil verkörperten Berechtigung am Unternehmen. Die Vorstellung vom wirtschaftlichen Eigentum der Anteilseigner kann danach nur Bestand haben, wenn sich eine vom Zivilrecht abweichende Eigentumszuordnung begründen lässt. Für das Steuerrecht ist in der verallgemeinerungsfähigen Regelung des § 39 Abs. 2 AO niedergelegt, welche Umstände eine von 83 Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 354; Englisch, DStZ 1997, 778, 782; Flume, DB 1971, 692, 693; Hennrichs, StuW 2002, 201, 210; Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 250; dies., DStJG 24 (2001), 155, 217 f.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 106 f.; Lang, StuW 1989, 3, 9; ders., DStJG 20 (1997), 70, 71 (Diskussionsbeitrag); Pezzer, Festschrift f. Tipke, S. 419, 429; ders., DStJG 25 (2002), 37, 49; Reiß, DStJG 17 (1994), 3, 18; Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 161 ff.; Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 1199 f.; ders., NJW 1980, 1079, 1080; Walz, Gutachten für den 53. Deutschen Juristentag (1980), S. F 67 ff.; Wendt, Festschrift f. Friauf, S. 859, 868 ff. 84 Begründung zum Entwurf eines Aktiengesetzes, BT-Drucks. 4 / 171, S. 92 f.: „Unsere Rechts- und Wirtschaftsordnung beruht auf der Anerkennung und dem Schutz des privaten Eigentums und der freien Verfügung über das Eigentum. [ . . . ] Ein Aktienrecht, das diesen Grundsätzen unserer Wirtschaftsverfassung entsprechen soll, muss daher von dem wirtschaftlichen Eigentum der Aktionäre an dem auf ihren Kapitalbeiträgen beruhenden Unternehmen ausgehen [ . . . ].“ (Hervorhebung durch den Verf.)
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wirtschaftlichen Erwägungen geleitete, spezifisch steuerliche Eigentumszuordnung rechtfertigen. Das angebliche wirtschaftliche Eigentum des Anteilseigners hält den Anforderungen des § 39 Abs. 2 AO jedoch nicht stand. Weder kann der Anteilseigner über die von der Gesellschaft erzielten Gewinne vor deren Ausschüttung disponieren noch hat er an Vermögensgegenständen der Gesellschaft unmittelbaren oder mittelbaren Besitz.85 Der zunächst in der Gesellschaft verbleibende Gewinn wird nicht selten erst nach langer Zeit an die Anteilseigner weitergeleitet. Vor dem Zufluss kann der Anteilseigner nicht frei über den Gewinn verfügen. Er kann damit auch nicht als wirtschaftlicher Eigentümer der Gewinne i.S.d. § 39 AO angesehen werden.86 Dieses Fehlverständnis wird offen gelegt, wenn von „Miteigentum“ des Anteilseigners an der Gesellschaft die Rede ist.87 Die Ableitung des Verhältnisses von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner aus dem Begriff des „wirtschaftlichen Eigentümers“ im AktG 1965 beruht auf einer Überhöhung des Aussagegehalts der Gesetzesbegründung. Der Begriff des „wirtschaftlichen Eigentums“ dient im dort gebrauchten Zusammenhang lediglich dazu, die Tatsache zu veranschaulichen, dass sich das wirtschaftliche Ergebnis der Beteiligung früher oder später im Vermögen einer natürlichen Person wiederfinden wird. Weder bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs den Inhalt des Eigentumsrechts zivilrechtlich oder steuerrechtlich definieren wollte, noch wäre dies durch Ausführungen in der Begründung eines Gesetzes möglich, wenn diese nicht auch im Gesetzeswortlaut ihren Niederschlag gefunden hätten. Für die Beurteilung der steuerlichen Zuordnung von Kapitalgesellschaftsgewinnen und damit der steuerlichen Leistungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften kann diese Aussage daher nicht herangezogen werden.88 3. Art der Einkommensverwendung als Leistungsfähigkeitsmerkmal Charakteristisch für den Opfergedanken ist ferner, dass die Existenz steuerlicher Leistungsfähigkeit von der Art der Verwendung des Einkommens abhängig gemacht wird. Nur wenn die Gewinne der Körperschaft natürlichen Personen zur Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung stünden, werde durch den Erwerb der Mittel eine Steigerung der Leistungsfähigkeit erzielt. Ob sich die erwirtschafteten Mittel für den Lebensunterhalt natürlicher Personen verwenden lassen, kann aber nicht entscheidend sein.89 Vergleichbar mit der EinkommenHey, Unternehmensbesteuerung, S. 250. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 71. 87 Unzutreffend deshalb etwa Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe 17, Kap. IV Rn. 75. 88 Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 251; Pezzer, Festschrift f. Tipke, S. 419, 429; Ruppe, Doppelbelastung, S. 93 f.; Schredelseker, FinArch n.F. 31 (1972 / 73), 27, 31. 89 Pezzer, Festschrift f. Tipke, S. 419, 425. 85 86
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steuer lassen sich auch im Bereich der Körperschaftsteuer Einkommenserzielung und Einkommensverwendung trennen90 und Vorgänge, die sich bei der Körperschaft ergebnismindernd auswirken, entweder der betrieblichen Sphäre der Körperschaft oder der Sphäre der Einkünfteverteilung an die Anteilseigner zuordnen.91 Die Art der Einkommensverwendung ist für die Ertragsbesteuerung grundsätzlich irrelevant, weil durch sie keine betrieblich motivierten Zwecke verfolgt, sondern dem Anteilseigner wirtschaftliche Vorteile verschafft werden.92 Ungeachtet der Diskussion um die Definition des Einkommensbegriffs93 ist konstituierendes Merkmal, dass die Einnahmeseite, nicht aber die Ausgabenseite – die Art der Verwendung – einen Maßstab für das Vorhandensein von steuerlich relevantem Einkommen bilden kann. Einkommenserzielung und Einkommensverwendung sind verschiedene Tatbestände, die jeweils für sich Ausdruck steuerlicher Leistungsfähigkeit sein können.94 Die Abschöpfung der in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommenden steuerlichen Leistungsfähigkeit geschieht in der Form allgemeiner und besonderer Verbrauchsteuern. Sie belasten den Konsum aller oder bestimmter Güter und sind als indirekte Steuern ausgestaltet, so dass sie vom privaten Endverbraucher zwar nicht an den Fiskus abgeführt, aber wirtschaftlich getragen werden.95 Beide Indikatoren steuerlicher Leistungsfähigkeit dürfen nicht miteinander vermischt werden, weil sie nicht in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Die im privaten Konsum zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit96 besteht unabhängig von der Art und Weise des Erwerbs der dafür aufgewendeten Mittel. Nichts anderes kann umgekehrt für den Vorgang der Einkommenserzielung gelten. Auch die hierdurch vermittelte Leistungsfähigkeit kann nur durch Kriterien bestimmt werden, die keinen Bezug zur nachfolgenden Einkommensverwendung haben. Die Verwendbarkeit des Einkommens für den Lebensunterhalt kann wegen der Trennung von Einkommenserzielung und Einkommensverwendung keine 90 Frotscher, DStJG 20 (1997), 205, 208; Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 4. 91 Pezzer in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 56. Die umstrittene Frage, ob Körperschaften eine nicht steuerbare Privatsphäre haben können, soll in diesem Zusammenhang nicht behandelt werden; vgl. dazu Stolterfoht, Festschrift f. Kruse, S. 485 92 BFH, Urt. v. 13. 11. 1996 – I R 149 / 94, BFHE 181, 494, 498; Pezzer in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 56. 93 Diese reicht vom Reinvermögenszugang über die Abschöpfung einer fortbestehenden Einkunftsquelle und die Erzielung von Einkommen am Markt bis zur schlichten Aufzählung möglicher Einkunftsarten ohne weitergehenden dogmatischen Ansatz. 94 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 95; Reiß, ebd., § 14 Rn. 1. 95 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 111. 96 Dass mit Verbrauchsteuern jedenfalls die in der Einkommensverwendung zutage tretende steuerliche Leistungsfähigkeit von privaten Verbrauchern abgeschöpft wird, ist auch in der Finanzwissenschaft anerkannt; vgl. Schmölders in: Gerloff / Neumark, Handbuch der Finanzwissenschaft II, 2. Aufl., S. 640.
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Voraussetzung für die Existenz steuerlicher Leistungsfähigkeit bilden. Dabei ist es ohne Bedeutung, dass die Verwendung des von der Körperschaft erwirtschafteten Gewinns regelmäßig nur den Gesellschaftern zugute kommt. Die Abgeschlossenheit des Kreises der Begünstigten hat keinen Einfluss auf die Abgrenzung von Einkommenserzielung und Einkommensverwendung, weil auch hierdurch das eine nicht in das andere umschlagen kann. Das Opferprinzip kann allenfalls als Orientierungshilfe für steuerpolitische Entscheidungen dienen. Als Argumentationsgrundlage gegen die Annahme einer eigenen Leistungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften ist es untauglich.97
IV. Unternehmensbesteuerung als Objektbesteuerung Objektsteuern sind Steuern, die auf einzelnen Gegenständen lasten und bei demjenigen erhoben werden, dem diese Gegenstände zuzurechnen sind.98 Sie sind im Unterschied zu den Personalsteuern nicht darauf angelegt, Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse des Steuerobjekts zu nehmen. Das Steuerrecht steht bei der Erfassung der juristischen Person, die als Unternehmensträger fungiert, vor der Entscheidung, an den objektiven Rechtsgegenstand „Unternehmen“ oder subjektiv an die Person des Unternehmensträgers anzuknüpfen.99 Das geltende Recht der Ertragsbesteuerung sieht keine Objektbesteuerung des Unternehmens vor, seine Grundlage ist die rechtliche Verfassung des Unternehmensträgers.100 In der Literatur wird teilweise mit großer Entschiedenheit gefordert, die Unternehmensbesteuerung als Objektbesteuerung auszugestalten. Namentlich Flume, der die Opfertheorie ablehnt und eine eigenständige Unternehmensbesteuerung befürwortet,101 versteht das Leistungsfähigkeitsprinzip dennoch als eine allein auf die Einzelperson bezogene Besteuerungsmaxime. Weil das Unternehmen ein „Objektivum“102 und die Besteuerung des Unternehmers in Wirklichkeit eine Besteuerung des Unternehmens sei,103 könne das Unternehmen allgemein kein Steuersubjekt darstellen. Die Besteuerung der Unternehmen müsse als Objektbesteuerung ausgestaltet und am Grundsatz der Sachgerechtigkeit ausgerichtet werden.104 Richtig sei daher allein In dieser Deutlichkeit Schipporeit, StuW 1980, 190, 196. Drüen in: Tipke / Kruse, AO, § 3 Rn. 62; Kruse, Steuerrecht I, S. 77. 99 Stolterfoht, Festschrift f. Kruse, S. 485, 489. 100 Stolterfoht, Festschrift f. Kruse, S. 485, 490. 101 Flume, StbJb. 1973 / 74, 53, 68: „Den Personen-gerechten Personalsteuern ist eine sachgerechte Unternehmensbesteuerung gegenüberzustellen. Es heißt dagegen das ,Kind mit dem Bade ausschütten‘, wenn man [ . . . ] für die Unternehmungen fordert, sie müssten überhaupt frei von Gewinn- und Vermögensteuern sein, ohne dass etwas anderes an ihre Stelle tritt.“ 102 Flume, StbJb. 1973 / 74, 53, 67 f.; Knobbe-Keuk, DB 1989, 1303, 1306. 103 Flume, StbJb. 1971 / 72, 31, 37 f.; Knobbe-Keuk, DB 1989, 1303, 1306. 104 Flume, StbJb. 1973 / 74, 53, 67 f. 97 98
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eine Objektsteuer, die sich auf alle Arten von Unternehmen beziehe, während eine Ertragsbesteuerung einzelner Unternehmenstypen ausscheiden müsse. Die juristische Person ist jedoch mehr als ein bloßes Steuerobjekt. Die Körperschaftsteuer ist als Personensteuer ausgestaltet und darauf angelegt, einzelne Personen nach bestimmten sachlichen Merkmalen zur Steuerzahlung heranzuziehen.105 Dass im Gegensatz zur Einkommensteuer bei der Körperschaftsbesteuerung persönliche Merkmale keine Rolle spielen, hat seine Ursache nicht in der Entscheidung des Gesetzgebers, die Körperschaftsteuer nicht als Personensteuer auszugestalten, sondern in der fehlenden persönlichen Sphäre der Körperschaft. Wird der juristischen Person kein Bereich privater Lebensgestaltung zugestanden, entfällt eine Anknüpfung an in diesem Bereich wurzelnde Merkmale. Daraus kann indessen nicht geschlossen werden, das Leistungsfähigkeitsprinzip entfalte für die Unternehmensbesteuerung keine Wirkung. Die Ausgestaltung der Unternehmensbesteuerung unabhängig von der Rechtsform als Objektsteuer kann allenfalls de lege ferenda von Bedeutung sein. Die Forderung Flumes, die Unternehmensbesteuerung aufgrund ihres Objektsteuercharakters von der dem Leistungsfähigkeitsprinzip unterliegenden Ertragsbesteuerung zu lösen,106 ist nicht überzeugend, weil der Objektsteuergedanke de lege lata in der Körperschaftsteuer nicht verwirklicht ist. Wird die Unternehmensbesteuerung zulässigerweise in der Form von Personensteuern ausgestaltet, kommt dem Leistungsfähigkeitsprinzip auch für die Besteuerung der juristischen Person als Unternehmensträger rechtliche Bedeutung als Maßstab der Steuerlastverteilung zu.
V. Die steuerliche Leistungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften Die Unzulänglichkeiten des finanzwissenschaftlichen Opferprinzips erfordern es, die Grundlagen einer an der Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts ausgerichteten Ertragsbesteuerung aus einer von der natürlichen Person des Unternehmensinhabers abstrahierenden, überindividuellen Deutung des Leistungsfähigkeitsprinzips zu entwickeln.107 Das Leistungsfähigkeitsprinzip dient einer qualitativ gleichen Verantwortung aller für das Gemeinwohl; es erschließt sich nicht über finanzwissenschaftliche Opfertheorien.108 Die Möglichkeit einer eigenen steuerlichen Leistungsfähigkeit von Körperschaften ist deshalb mehr als „juristische Mythologie“109. Damit stellt sich die Frage, wodurch bei einer juristischen Person steuerliCrezelius, Steuerrecht II, § 2 Rn. 2; Drüen in: Tipke / Kruse, AO, § 3 Rn. 61. Flume, DB 1971, 692, 693; ders., StbJb. 1973 / 74, 53, 69. 107 Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 254; Pezzer, Festschrift f. Tipke, S. 419, 424; Schipporeit, Unternehmungsteuer, S. 130; Schredelseker, StuW 1975, 324. 108 Flume, StbJb. 1973 / 74, 53, 64; Walz, Gutachten für den 53. Deutschen Juristentag (1980), S. F 40. 109 Walz, Gutachten für den 53. Deutschen Juristentag (1980), S. F 22. 105 106
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che Leistungsfähigkeit entsteht, die neben die Leistungsfähigkeit einer natürlichen Person tritt. 1. Verfassungsrecht Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips als Maßstab systematischer Steuerlastverteilung ist die individuelle Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuersubjekts. Zu beurteilen ist zunächst, ob sich aus dem Grundgesetz Anhaltspunkte für eine steuerliche Leistungsfähigkeit juristischer Personen entnehmen lassen. Die Besteuerung von Körperschaften ist in der Verfassung nicht im Einzelnen geregelt, das Grundgesetz enthält jedoch mit Art. 106 GG und Art. 19 Abs. 3 GG zwei Bestimmungen, deren Regelungsinhalt die Besteuerung von Körperschaften berührt.
a) Bedeutung des Art. 106 GG für die Besteuerung von Kapitalgesellschaften Die Körperschaftsteuer ist in Art. 106 GG ausdrücklich als Steuerart aufgeführt. Aus der Nennung einzelner Steuern in Art. 106 GG wurde in der älteren Literatur teilweise der Schluss gezogen, dass dadurch das Steuersystem festgelegt und die genannten Steuern in ihrem Bestand gewährleistet sind. Zwar könnten einzelne Vorschriften der Steuergesetze nach wie vor geändert werden, solle aber eine Steuerart insgesamt aufgegeben oder in ihrem Charakter wesentlich umgestaltet werden, sei dies nur nach einer vorherigen Verfassungsänderung möglich.110 Wird Art. 106 GG in diesem Sinne verstanden, ergäbe sich eine Pflicht zur Erhebung der Körperschaftsteuer; die Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft wäre unerheblich. Dass diese These jedoch zu weit geht, ist inzwischen unbestritten. Aus Art. 106 GG lässt sich keine Verpflichtung ableiten, eine dort erwähnte Steuer unabhängig von der Entwicklung der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen stets beizubehalten.111 Dem Gesetzgeber muss es unbenommen bleiben, in Art. 106 GG genannte Steuern aufzuheben. Übt er seinen Einschätzungsspielraum dahin aus, dass er Einbußen des Steueraufkommens aus Gründen politischer Opportunität hinnehmen will, gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, ihn dennoch an der Fortführung einer Steuer festzuhalten. Die Bedeutung des Art. 106 GG in der Steuerrechtfertigungslehre ist dennoch umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit mehrfach die Erhebung einer Steuer mit der Begründung als zulässig angesehen, diese sei in den Vorschriften über die Finanzverfassung erwähnt.112 In der Literatur wird diese Wacke, Finanzwesen, S. 62 ff. Vogel, Festschrift f. Tipke, S. 93, 94. 112 BVerfG, Beschl. v. 13. 05. 1969 – 1 BvR 25 / 65, BVerfGE 26, 1, 8; BVerfG, Beschl. v. 25. 10. 1977 – 1 BvR 15 / 75, BVerfGE 46, 224, 236 (Gewerbesteuer); BVerfG, Beschl. v. 110 111
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Auffassung heute namentlich von Klaus Vogel vertreten. Durch die Nennung einer Steuerart in der Finanzverfassung sei der Verfassungsgeber unausgesprochen von deren rechtlicher Zulässigkeit ausgegangen, weil dies Voraussetzung für den Kompromiss über die Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern gewesen sei. Diese Kompromisslösung schließe die Feststellung ein, dass die Erhebung der in Art. 106 GG genannten Steuern nicht unzulässig sein könne.113 Art. 106 GG käme danach die Bedeutung zu, dass der einfache Gesetzgeber zur Erhebung der dort genannten Steuern nicht verpflichtet, aber ohne Zwang zu weiterer Rechtfertigung berechtigt ist. Der Regelungsinhalt des Art. 106 GG lässt sich jedoch nur unter Einbeziehung des Normzwecks bestimmen. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes soll eine Finanzordnung sicherstellen, die den Gesamtstaat und die Gliedstaaten sachgerecht am Ertrag der Volkswirtschaft beteiligt und ihnen eine hinreichende finanzielle Ausstattung verschafft.114 Die Körperschaftsteuer stellt neben der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer eine Gemeinschaftssteuer dar, an deren Aufkommen Bund und Länder beteiligt sind. Art. 106 GG trifft als Bestandteil des bundesstaatlichen Systems der Steuerverteilung und -ausgleichung eine Regelung der Ertragshoheit und tritt als Sonderform der Kompetenzverteilung neben Gesetzgebungsund Verwaltungshoheit.115 Ertragshoheit ist die Summe der je Bund und Ländern zugeordneten Ertragsrechte im Rahmen der Art. 106, 107 Abs. 1 GG.116 Sie umfasst das Recht, das Steueraufkommen für den eigenen Haushalt zu verwenden und schafft einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen.117 Dabei regelt Art. 106 Abs. 1 bis 4 GG die vertikale Verteilung der Steuererträge und Steuerertragsrechte zwischen Bund und Ländern.118 Wenn in Art. 106 GG Steuern, die der Verfassungsgeber vorgefunden hat, beschrieben und deren Verteilung geregelt werden, spricht dies dagegen, der Norm eine über diesen Verteilungszweck hinausreichende Bedeutung beizumessen.119 Das legt nicht nur der Telos der Norm, sondern auch die Verwendung des Begriffs „zuweisen“ nahe. Es bestehen keine Anhaltspunkte da06. 12. 1983 – 2 BvR 1275 / 79, BVerfGE 65, 325, 345 ff. (Zweitwohnungsteuer); BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 121, 134 f. (Vermögensteuer); BVerfG, Beschl. v. 10. 08. 1989 – 2 BvR 1532 / 88, BStBl. II 1989, 867 (Jagdsteuer). 113 Vogel, Festschrift f. Tipke, S. 93, 101 f.; ders. in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 87 Rn. 32. Für eine Rechtfertigung der Körperschaftsteuer aus Art. 106 GG auch Wieland, DStJG 25 (2002), 63 (Diskussionsbeitrag). 114 BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3 / 77, BVerfGE 55, 274, 300; BVerfG, Urt. v. 24. 06. 1986 – 2 BvF 1 / 83 u. a., BVerfGE 72, 330, 388. 115 Siekmann in: Sachs, GG, Vorb. Art. 104 a Rn. 12. 116 Hidien in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 106 Rn. 97. 117 Vogel / Waldhoff in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. Art. 104 a-115 Rn. 43. 118 Hidien in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 106 Rn. 87. 119 Hey, DStJG 24 (2001), 155, 173 f.; Pezzer, DStJG 25 (2002), 71 (Diskussionsbeitrag); Rasenack, Theorie der Körperschaftsteuer, S. 208. Gegen die Argumentation mit Art. 106 GG zur Rechtfertigung von Steuern auch Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 3 Rn. 4; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 300 f.; Wendt in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 104 Rn. 29. 4*
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
für, dass mit der Aufnahme der Körperschaftsteuer in den Katalog des Art. 106 GG steuersystematische Grundentscheidungen getroffen werden sollten. Die Nennung beruht allein darauf, dass es sich um eine Steuer handelt, die schon vor Einführung des Grundgesetzes erhoben wurde und für die ein Verteilungsbedürfnis vorhanden war. Auch aus der gleichzeitigen Nennung mit der Einkommensteuer folgt nichts anderes. Die in Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG genannten Steuerarten weisen sämtlich ein vergleichsweise hohes und verlässliches Aufkommen auf, das nicht ausschließlich Bund oder Ländern zugewiesen werden soll. Allein hierauf beruht das Nebeneinander von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer in Art. 106 GG. Zur steuerlichen Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft enthält die Norm indessen keine Aussage.
b) Bedeutung des Art. 19 Abs. 3 GG für die Besteuerung von Kapitalgesellschaften In der Literatur wird teilweise aus Art. 19 Abs. 3 GG abgeleitet, dass auch die juristische Person Zuordnungssubjekt steuerlicher Leistungsfähigkeit sei. Mit dem Auftreten der Gesellschaft als solche im Rechtsverkehr und der Ertragserzielung übe sie ihre wirtschaftliche Freiheit aus;120 mache die Gesellschaft nach Art. 19 Abs. 3 GG von dieser Freiheit Gebrauch, sei sie auch Zurechnungssubjekt der dadurch entstehenden steuerlichen Leistungsfähigkeit.121
aa) Die individualschützende Bedeutung des Art. 19 Abs. 3 GG Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Durch den Zusammenschluss mehrerer natürlicher Personen soll der grundrechtliche Schutz nicht untergehen. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit eines personalen Substrats betont. Bildung und Betätigung der juristischen Person seien Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Person, die hierdurch von ihren geschützten Freiheiten Gebrauch mache. Der umfassende Schutz des Einzelnen vor staatlicher Freiheitsbeschränkung erfordere einen Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehende natürliche Person.122 Der dogmatische Ansatz der Literatur beruht auf dem Vorhandensein einer grundrechtstypischen Gefährdungslage. Die Situation der juristischen Person sei mit der einer natürlichen Person vergleichbar, welche gegen den freiheits- oder Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 19; dies., DStJG 23 (2000), 9, 17. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 67; dies., DStJG 23 (2000), 9, 22. 122 BVerfG, Beschl. v. 02. 05. 1967 – 1 BvR 578 / 63, BVerfGE 21, 362, 369; BVerfG, Beschl. v. 08. 07. 1982 – 2 BvR 1187 / 80, BVerfGE 61, 82, 101. Vgl. Bethge, AöR 104 (1979), 54, 71 f. 120 121
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gleichheitsgefährdenden Staat den Schutz der Grundrechte beanspruche.123 Die Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat dürfe nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass Adressat des staatlichen Eingriffs ein rechtsfähiger Zusammenschluss mehrerer Personen und nicht nur eine Einzelperson ist. Etwas anderes gilt dort, wo ein Grundrecht seiner Natur nach bei juristischen Personen nicht angewendet werden kann, weil hier eine grundrechtstypische Gefährdungslage von vornherein ausgeschlossen ist. Der praktische Unterschied beider Ansätze liegt in der Behandlung juristischer Personen des öffentlichen Rechts, denen von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung seit jeher kein Grundrechtsschutz zuerkannt wird, weil sie als Elemente mittelbarer Staatsverwaltung kein personales Substrat aufweisen.124 Die Literatur gelangt demgegenüber auch bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem zumindest eingeschränkten Grundrechtsschutz.125 Bei juristischen Personen des Privatrechts und damit insbesondere bei den hier relevanten Kapitalgesellschaften spielt die Frage nach der rechtsdogmatischen Herleitung des Art. 19 Abs. 3 GG jedoch keine Rolle. Dass juristische Personen des Privatrechts unter der Voraussetzung der wesensmäßigen Anwendbarkeit von Freiheits- und Gleichheitsrechten eigenständig Gebrauch machen können, ist unbestritten. Die juristische Person übt diese Rechtsposition als eigenes Recht, nicht durch Ableitung von ihren Mitgliedern als Sachwalterin gebündelter Individualinteressen aus.126
bb) Die objektiv-rechtliche Wirkung des Art. 19 Abs. 3 GG Die grundrechtlichen Verbürgungen enthalten neben dem individualrechtlichen Abwehranspruch auch objektive Wertentscheidungen, die für alle Bereiche der Rechtsordnung gelten und Richtlinien für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung darstellen.127 Art. 19 Abs. 3 GG spricht gegen ein streng individualistisches Verständnis der Grundrechte. In der Vorschrift kommt zum Ausdruck, dass das Handeln in Gemeinschaft mehr ist als die Summe isolierter Einzelhandlungen, so dass auch die durch die Verfassung eingeräumte Freiheitssphäre nicht lediglich in der Zusammenfassung der Rechtspositionen Einzelner bestehen kann.128 123 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 152; vgl. auch von Mutius in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 114. 124 Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 08. 07. 1982 – 2 BvR 1187 / 80, BVerfGE 61, 82. 125 Statt vieler Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 160 ff. m. w. N. 126 BVerfG, Urt. v. 03. 06. 1954 – 1 BvR 183 / 54, BVerfGE 3, 383, 391; Bethge, Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 25 f.; von Mutius in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 33. 127 BVerfG, Urt. v. 15. 01. 1958 – 1 BvR 400 / 51, BVerfGE 7, 198, 205; BVerfG, Beschl. v. 15. 07. 1998 – 1 BvR 1554 / 89 u. a., BVerfGE 98, 365, 395; Jarass in: ders. / Pieroth, GG, Vorb. Rn. 3.
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
Aus Art. 19 Abs. 3 GG lässt sich jedoch nicht die eigene steuerliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft ableiten. Der Begriff der „juristischen Person“ in Art. 19 Abs. 3 GG kann nicht mit dem gleichgesetzt werden, was im Zivilrecht unter diesem Begriff verstanden wird. Unter den verfassungsrechtlichen Begriff der juristischen Person fallen neben Kapitalgesellschaften 129 auch rechtliche Zusammenschlüsse, die bei den Personensteuern nicht als eigene Steuerrechtssubjekte wahrgenommen werden. So sind Personengesellschaften zwar nach Art. 19 Abs. 3 GG Grundrechtsträger,130 aber weder Körperschaftsteuersubjekt noch als solche der Einkommensteuer unterworfen. Grundrechtsträgerschaft und Existenz steuerlicher Leistungsfähigkeit müssen daher nicht parallel vorliegen. Der verfassungsrechtliche Begriff der juristischen Person enthält einen Oberbegriff für Personenzusammenschlüsse in organisierter und institutionalisierter Form, die im einfachen Recht abweichend voneinander behandelt werden können. Auch aus der Zielsetzung des Art. 19 Abs. 3 GG folgt nicht die eigene steuerliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft. Art. 19 Abs. 3 GG bewirkt die Grundrechtsfähigkeit abstrakter Rechtsgebilde nicht wegen sondern trotz ihrer Separierung von natürlichen Personen.131 Die Einbeziehung der juristischen Person in den Schutzbereich der Grundrechte wird gerechtfertigt, weil ihre Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung natürlicher Personen ist.132 Grundgedanke des Art. 19 Abs. 3 GG ist die Gewährleistung des Grundrechtsschutzes infolge personeller Verbindung mehrerer natürlicher Personen. Durch einen Zusammenschluss von Grundrechtssubjekten und eine dadurch bewirkte rechtliche Abstraktion soll die Freiheitssphäre nicht abnehmen. Dementsprechend wird der Schutz juristischer Personen durch Art. 19 Abs. 3 GG teilweise dort als gelockert angesehen, wo der Bezug einer juristischen Person zu natürlichen Personen abnimmt.133 Durch die Unabhängigkeit der juristischen Person von natürlichen Personen nimmt die Entfernung zum Schutzgehalt des Art. 19 Abs. 3 GG zu. Die 128 Bethge, Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 27; Dürig in: Maunz / ders., GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 3. 129 Statt vieler Dürig in: Maunz / ders., GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 29; Huber in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Rn. 255; Krüger / Sachs in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 60; von Mutius in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 60. 130 Dürig in: Maunz / ders., GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 29; Huber in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 259; Krüger / Sachs in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 64; von Mutius in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 68. 131 BVerfG, Urt. v. 03. 06. 1954 – 1 BvR 183 / 54, BVerfGE 3, 383, 391: Grundrechtsfähig sind „nicht nur – wie es dem Ursprung der Grundrechte an sich entspräche – natürliche Personen, sondern sogar juristische Personen, obwohl sie nicht notwendig Vereinigungen von natürlichen Personen sind“. 132 Bethge, Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 26. 133 s. o. Fn. 131. Auch in der Literatur wird a fortiori von der Grundrechtsfähigkeit der juristischen Person auf die Grundrechtsfähigkeit teilrechtsfähiger Organisationseinheiten geschlossen, so etwa Dürig in: Maunz / ders., GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 29. Vgl. dazu auch Bethge, AöR 104 (1979), 54, 77 f.
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Rückführung der juristischen Person auf deren personales Substrat durch Art. 19 Abs. 3 GG spricht daher dagegen, aus der Norm auf die eigene Besteuerung der juristischen Person zu schließen. Auch die einfachgesetzliche Körperschaftsteuerpflicht juristischer Personen des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) zeigt, dass kein Gleichklang von Art. 19 Abs. 3 GG und der Rechtfertigung der Körperschaftsteuer besteht. Die Frage der Einbeziehung von Körperschaften des öffentlichen Rechts in Art. 19 Abs. 3 GG wird sehr kontrovers beurteilt,134 demgegenüber werden gegen die Körperschaftsteuerpflicht dieser Rechtsgebilde keine durchgreifenden Bedenken geltend gemacht. Das spricht dagegen, zwischen Erhebung der Körperschaftsteuer und der Norm des Art. 19 Abs. 3 GG einen Zusammenhang anzunehmen.
cc) Zwischenergebnis Art. 19 Abs. 3 GG bietet in Bezug auf die steuerliche Leistungsfähigkeit juristischer Personen weder einen Anhaltspunkt für deren Fehlen noch für deren Vorhandensein. Die Vorschrift zielt darauf ab, nichtphysischen Personen verfassungsrechlichen Schutz dort zu gewähren, wo das Handeln in rechtlicher Gemeinschaft über die Vereinigung der Einzelinteressen natürlicher Personen hinausreicht. Aus Art. 19 Abs. 3 GG ergibt sich mithin, dass die juristische Person prinzipiell als grundrechtsfähig betrachtet werden kann.135 Die Annahme, eine steuerliche Belastung nichtphysischer Personen sei ungerechtfertigt, weil sich auf diese der Gedanke einer steuerlichen Leistungsfähigkeit seinem Wesen nach nicht übertragen lasse,136 beruht jedenfalls auf einem Missverständnis von Normzweck und objektiv-rechtlichem Gehalt des Art. 19 Abs. 3 GG. Ebensowenig können aus der Norm aber Erkenntnisse zur Rechtfertigung einer Körperschaftsbesteuerung gewonnen werden. Durch die Anerkennung der juristischen Person als Grundrechtsträger wird die Grundrechtsausübung und der Grundrechtsschutz der juristischen Person nur ermöglicht. Die Möglichkeit, als eigenständiges Rechtssubjekt von grundrechtlichen Freiheiten Gebrauch zu machen, beinhaltet die Ablehnung der Vorstellung, nichtphysischen Personen könne in steuerrechtlicher Sicht von vornherein keine Bedeutung zukommen, trifft aber keine Aussage zum Vorhandensein steuerlicher Leistungsfähigkeit bei juristischen Personen. Die Norm ist lediglich für eine derartige Wertung offen, wenn diese von einer Teilrechtsordnung in Übereinstimmung mit dem übrigen Verfassungsrecht vorgenommen wird.
s. o. § 7 V. 1. b). Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 36; differenzierend Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1124. 136 So Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 55, allerdings ohne Begründung. 134 135
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
2. Argumentation in der Steuerrechtswissenschaft Eine Antwort auf die Frage nach der steuerlichen Leistungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften kann damit nur unter steuerrechtlichen Aspekten gewonnen werden. Ausgangspunkt ist dabei die rechtliche Selbständigkeit der juristischen Person, die aber ohne Ergänzung durch wirtschaftliche Kriterien überwiegend nicht für ausreichend gehalten wird, um auf eine eigene Leistungsfähigkeit zu schließen.
a) Zur „Theorie vom Unternehmen an sich“ Die „Theorie vom Unternehmen an sich“137 argumentiert allein mit der rechtlichen Selbständigkeit. Sie schließt vom Faktum der rechtlichen Verselbständigung der Kapitalgesellschaft – insbesondere der Aktiengesellschaft138 – auf das Vorhandensein einer eigenen Leistungsfähigkeit. Dass dem Unternehmensträger eine eigenständige Leistungsfähigkeit zukomme, ergebe sich allein schon aus seiner Eigenschaft als Rechtsträger,139 durch die er rechtlich von den Anteilseignern getrennt sei. Teilweise wird deshalb in der Aufgabe des Anrechnungsverfahrens zugunsten des Halbeinkünfteverfahrens eine Hinwendung des Gesetzgebers zur „Theorie vom Unternehmen an sich“ gesehen.140 Indem der Gesetzgeber nunmehr wieder eine Definitivbesteuerung der Körperschaft verfolge, gehe er von der eigenen Leistungsfähigkeit der Körperschaft aus. Gegen eine ausschließlich auf der Existenz zivilrechtlicher Unterschiede basierende Betrachtung spricht, dass erst die darauf aufbauende unterschiedliche wirtschaftliche Betätigung Grundlage einer steuerlichen Leistungsfähigkeit sein kann.141 Überwiegend wird die rechtliche Eigenständigkeit der juristischen Person als notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für deren eigene Leistungsfähigkeit betrachtet. Entscheidend sei, ob das körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen steuerdogmatisch als selbständiger, im Wettbewerb tätiger Organismus verstanden werden könne.142
137 Zur „Theorie vom Unternehmen an sich“ Greif, Körperschaftsteuerreform, S. 64 ff. m. w. N. Eingeführt wurde der Begriff des „Unternehmens an sich“ von Haussmann, Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht, S. 27 ff. 138 Vgl. Ruppe, Doppelbelastung, S. 94 f., wonach sich die „Theorie vom Unternehmen an sich“ stets auf die Aktiengesellschaft beschränkt habe. 139 Frenz, StuW 1997, 116, 124. 140 Crezelius, DB 2001, 221, 224. 141 Gegen die „Theorie vom Unternehmen an sich“ deshalb Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 16 f.; dies., DStJG 23 (2000), 9, 16; Watrin, DStZ 1999, 238, 240. 142 Lang, DStJG 24 (2001), 49, 98; Pezzer, Festschrift f. Tipke, S. 419, 424 f.; ders., DStJG 20 (1997), 5, 13.
§ 7 Körperschaften als Subjekte des Ertragsteuerrechts
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b) Wirtschaftliche Eigenständigkeit als Folge der rechtlichen Verselbständigung Die herrschende Ansicht in der Literatur bejaht die eigenständige Leistungsfähigkeit der juristischen Person aus einem steuerrechtlichen Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips heraus, das die zivilrechtliche Ausgangssituation und wirtschaftliche Erwägungen einbezieht. Weil die juristische Person zivilrechtlich ein eigenes Rechtssubjekt ist und wirtschaftlich ein von den Anteilseignern getrenntes Betätigungsfeld aufweist, seien die erzielten Gewinne auch der Gesellschaft zuzurechnen. Während der organisatorischen Verselbständigung des Marktzugangs in einer Personengesellschaft tatbestandsbildende Wirkung zukomme, führe die zusätzliche rechtliche Verselbständigung dazu, dass die Körperschaft auch als Steuerschuldner gesondert erfasst und mit einer besonderen Körperschaftsteuer belegt werden könne.143 Durch die rechtliche Abstraktion von den Anteilseignern werde es der Kapitalgesellschaft ermöglicht, auch wirtschaftlich eigenständig aufzutreten, allein und unter eigenem Namen Vermögen zu erwerben und Gewinne zu erwirtschaften. Die rechtliche Verselbständigung schaffe ein wirtschaftlich eigenständiges Zuordnungssubjekt für Vermögensvorgänge, so dass die Kapitalgesellschaft als „sehr reale Größe“ die Einkünfteerzielung von der Vermögenssphäre der Teilhaber trennt.144 Vor der Ausschüttung für den Anteilseigner sind die Gewinne der Kapitalgesellschaft für den Anteilseigner auch wirtschaftlich nicht disponibel, so dass sie kein diesem zurechenbares Einkommen darstellen.145 Die steuerliche Leistungsfähigkeit der Körperschaft werde dann durch den als rechtlich und wirtschaftlich eigenständiges Gebilde erwirtschafteten Reinvermögenszugang vermittelt.146 Die Rechtsprechung hat sich mit der Frage der steuersystematischen Rechtfertigung der Körperschaftsteuer bislang nicht intensiv auseinandergesetzt. Gleichwohl finden sich auch hier vereinzelt Aussagen zur Rechtfertigung einer eigenen Besteuerung der Kapitalgesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Körperschaftsteuer als zwangsläufige Folge der Verselbständigung der juristischen Person.147 Im Beschluss zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 KapVerkStG wird erweiternd auf die 143 Kirchhof, Gutachten für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. F 73, ebenso Wendt, StuW 1992, 66, 71. Diese Auffassung darf indes nicht mit der äquivalenztheoretischen Rechtfertigung der Körperschaftsteuer verwechselt werden. Dort wird die Verleihung der Rechtsfähigkeit an die Körperschaft als staatliche Leistung angesehen, für die im Gegenzug eine Beteiligung am laufenden Gewinn geschuldet werde. Hier geht es darum, dass die Rechtsfähigkeit zu eigener Leistungsfähigkeit führt und deshalb eine Besteuerung der Körperschaft gerechtfertigt ist. 144 Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 253; Lang, StuW 1989, 3, 6; Wendt, Festschrift f. Friauf, S. 859, 869 f. 145 Tipke, NJW 1980, 1079, 1080 f.; Wendt, StuW 1992, 66, 71. 146 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 18; dies., DStJG 23 (2000), 9, 17; Pezzer, DStJG 20 (1997), 5, 14; Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 161 f.
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
wirtschaftlichen und rechtlichen Unterschiede abgestellt, die Kapitalgesellschaften im Vergleich zu Personengesellschaften aufweisen.148 Die vor Einführung des Anrechnungsverfahrens bestehende definitive Körperschaftsbesteuerung ist in der Rechtsprechung nicht als fragwürdig empfunden worden. Auch der Bundesfinanzhof sieht die Körperschaftsteuer als notwendige Konsequenz aus der Verselbständigung der juristischen Person, deren einbehaltene Gewinne ansonsten gänzlich unbesteuert bleiben würden. Die Körperschaftsteuer knüpfe an die Zivilrechtslage an und betrachte als Steuersubjekt das im Wettbewerb tätige, als Rechtssubjekt verselbständigte Unternehmen.149
c) Originäre steuerliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft Für die eigene steuerliche Leistungsfähigkeit bei der einkünfteerzielenden Betätigung einer Gesellschaft kann das Faktum der organisatorischen Eigenständigkeit allein in der Tat nicht ausschlaggebend sein. Die sog. „Theorie vom Unternehmen an sich“ schließt von der rechtlichen Trennung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner auf den verwirklichten Sachverhalt, ohne zu berücksichtigen, in welcher Form sich die rechtliche Vorgabe tatsächlich auswirkt. Steuerliche Leistungsfähigkeit kann aber nicht ausschließlich von der rechtlichen Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft abhängig gemacht werden. Rechtliche Gegebenheiten sind von Bedeutung, wenn sie Ausdruck eines bestimmten wirtschaftlichen Sachverhalts sind.150 Eine eigenständige Leistungsfähigkeit der juristischen Person kann sich nur aus einem Zusammenspiel rechtlicher und wirtschaftlicher Faktoren in der Weise ergeben, dass die auf der Grundlage einer vorgefundenen Rechtslage stattfindende wirtschaftliche Tätigkeit steuerliche Leistungsfähigkeit entstehen lässt. Die Körperschaftsteuer lässt sich somit rechtfertigen, wenn durch die rechtliche Situation die Möglichkeit des Erwerbs originärer wirtschaftlicher Leistungsfähig147 BVerfG, Urt. v. 24. 01. 1962 – 1 BvR 845 / 58, BVerfGE 13, 331, 352 f.: „[ . . . ] die Körperschaftsteuer [ . . . ] ist [ . . . ] die notwendige Konsequenz aus der Verselbständigung der juristischen Person, deren nichtausgeschüttete Gewinne sonst überhaupt steuerfrei bleiben würden, und sie trägt [ . . . ] der Verschiedenheit juristischer und natürlicher Personen Rechnung.“ 148 BVerfG, Beschl. v. 02. 10. 1968 – 1 BvF 3 / 65, BVerfGE 24, 174, 181: „Allerdings kann [ . . . ] davon ausgegangen werden, dass das Kapitalverkehrsteuergesetz grundsätzlich nur die Zuführung von Kapital an Kapitalgesellschaften erfassen soll. Das hat seinen Grund in den wirtschaftlichen und rechtlichen Besonderheiten dieser Gesellschaften, die sie – jedenfalls im Regelfall – von den Personengesellschaften unterscheiden. Während bei den Personengesellschaften die persönliche Leistung und die persönliche Haftung der beteiligten Gesellschafter im Vordergrund stehen, sind bei den Kapitalgesellschaften die Rechte und Pflichten der Gesellschafter sowie die Gesellschaftsstruktur in erster Linie durch deren Kapitalbeteiligung bestimmt.“ (Hervorhebung im Original) 149 BFH, Urt. v. 12. 12. 1990 – I R 43 / 89, BStBl. II 1991, 427, 430; BFH, Beschl. v. 24. 02. 1999 – X R 171 / 96, BStBl. II 1999, 450, 462. 150 Hey, DStJG 24 (2001), 155, 168.
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keit geschaffen ist. Stellt sich eine Körperschaft als rechtlich und wirtschaftlich von ihren Anteilseignern getrennt dar, gibt es keinen Grund, deren eigene steuerliche Leistungsfähigkeit in Zweifel zu ziehen. Betrachtet man den Einzelunternehmer, stellt man fest, dass diese Form der erwerbswirtschaftlichen Betätigung durch einen starken Bezug zur Person des Unternehmers gekennzeichnet ist. Unternehmensträger ist die natürliche Person; eine von der Person des Unternehmers abgelöste Unternehmensorganisation besteht nicht. Er allein tritt nach außen in Erscheinung, bestimmt die Art der Unternehmensführung und verantwortet das Risiko des wirtschaftlichen Misserfolgs. Die juristische Person unterscheidet sich von der durch den Unternehmer unmittelbar wahrgenommenen einkünfteerzielenden Betätigung durch ihre organisatorische Verselbständigung und eigene Willensbildung.151 Sie ist nach der gesetzgeberischen Vorstellung rechtlich so getrennt, dass ein Handeln der juristischen Person nicht als Handeln ihrer Anteilseigner begriffen werden kann. Die Existenz der Körperschaft wird durch den Wechsel der hinter ihr stehenden Personen nicht in Frage gestellt.152 Die Unabhängigkeit einer Körperschaft von ihren Inhabern ist ein grundlegendes Strukturmerkmal im Recht der Kapitalgesellschaften, das vor allem im Grundsatz der Fremdorganschaft zum Ausdruck kommt. Die Körperschaft nimmt im eigenen Namen am rechtsgeschäftlichen Verkehr teil, erwirbt unter ihrem Namen Vermögen, das ihr rechtlich zuzurechnen ist, hat eigene Erwerbsquellen, Verbindlichkeiten und ist Verfahrenssubjekt. Folge der Verselbständigung der Körperschaft ist die Möglichkeit, zivilrechtliche Verträge zwischen Gesellschaft und Gesellschafter auch mit steuerlicher Wirkung abzuschließen. Sie lässt sich nur dadurch rechtfertigen, dass die Körperschaft steuerlich als eigenständiges Subjekt wahrgenommen wird. Wollte man die Leistungsfähigkeit der juristischen Person verneinen, dürfte dies nicht anerkannt werden: Ein Vertrag, den jemand aus wirtschaftlicher Sicht gleichsam „mit sich selbst“ schließt, kann keine steuerliche Wirkung haben. Dies alles prägt das Bild der Körperschaft auch in wirtschaftlicher Sicht. Regelmäßig erscheint das unternehmerische Wagnis als solches der Gesellschaft und sind die Gesellschafter nicht unmittelbar an der Unternehmensführung beteiligt. Die juristische Person ist typischerweise ein eigenständiger, im Wettbewerb tätiger Organismus.153 Der Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann folglich nicht eng personenbezogen verstanden werden. Leistungsfähigkeit ist die Fähigkeit, aus dem Gewinn zum Steueraufkommen des Gemeinwesens beizutragen.154 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 19. Vgl. auch Badura, DÖV 1990, 353, 359 ff. Pezzer, DStJG 20 (1997), 5, 13. 153 Begründung zum KStG 1977, BT-Drucks. 7 / 1470, S. 326; Pezzer, Festschrift f. Tipke, S. 419, 424 f.; ders., DStJG 20 (1997), 5, 13. 154 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 480 f.; ders., Steuerrechtsordnung II, S. 1173; ferner Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 117; Pezzer, Festschrift f. Tipke, S. 419, 424; Stolterfoht, Festschrift f. Kruse, S. 485, 495. 151 152
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
Die körperschaftlich verfasste Gesellschaft ist infolge ihrer einkünfteerzielenden Betätigung originär steuerlich leistungsfähig. Sie ist in der Lage, mit dem von ihr hervorgebrachten Gewinn einen Beitrag zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs zu erbringen. Der Gesetzgeber kann die Kapitalgesellschaft mithin als eigenes Subjekt des Ertragsteuerrechts zu Steuerleistungen heranziehen; von dieser Möglichkeit hat er durch die Körperschaftsteuer Gebrauch gemacht.
3. Endgültige oder nur „vorläufige“ Leistungsfähigkeit? Fraglich ist, ob die steuerliche Leistungsfähigkeit der Körperschaft durch die Gewinnausschüttung an die Anteilseigner abhanden kommt. Ein Wegfall der Leistungsfähigkeit der Körperschaft im Zeitpunkt der Gewinnausschüttung hätte zur Folge, dass damit der die Körperschaftsbesteuerung rechtfertigende Grund entfiele. Die Leistungsfähigkeit auf Zeit würde die Körperschaftsteuer zu einer Steuer auf Zeit machen. Von Hey wurde im Zusammenhang mit der Besteuerung von Körperschaften und ihrer Anteilseigner der Begriff der „vorläufigen Leistungsfähigkeit“ entwickelt. Demnach sei die Körperschaft, obwohl sie grundsätzlich eigene Leistungsfähigkeit erwerben könne,155 durch ihren Gewinn nur so lange leistungsfähig, wie dieser bei ihr verbleibe. Mit der Ausschüttung des Gewinns an die Anteilseigner ende die steuerliche Leistungsfähigkeit der Körperschaft und beginne diejenige des Anteilseigners.156 In der Ausschüttung der Gewinne liege lediglich ein Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit, der mit der Zahlung von Unterhaltspflichten vergleichbar sei.157 Die Bezeichnung als „vorläufige Leistungsfähigkeit“ führt leicht in die Irre, weil sie den Eindruck erwecken kann, dass sich die zunächst vorläufig vorhandene Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft nach dem Eintritt eines weiteren Ereignisses zu einer „endgültigen Leistungsfähigkeit“ verdichtet. Dem soll aber gerade nicht so sein. Vielmehr bleibe die „vorläufige Leistungsfähigkeit“ immer nur unvollkommen, bis sie schließlich mit dem Abfluss des Gewinns, spätestens mit der Liquidation der Gesellschaft beendet wird. Deshalb wäre es treffender, von vorübergehender Leistungsfähigkeit zu sprechen. Auch inhaltlich vermag die Rechtsfigur der „vorläufigen Leistungsfähigkeit“ nicht zu überzeugen. Sie beruht auf einer Einheitsbetrachtung von Gesellschaft 155 Die Annahme einer vorläufigen Leistungsfähigkeit, wie Hey sie vorschlägt, unterscheidet sich damit von opfertheoretischen Begründungsansätzen, die eine eigene steuerliche Leistungsfähigkeit der Körperschaft zu keiner Zeit bejahen. 156 Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 20. In diese Richtung bereits aus ökonomischer Sicht Schipporeit, StuW 1980, 190, 196 mit der Aussage, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens erlösche, wenn der Gewinn dieses verlasse. 157 Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 255 f.
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und Anteilseigner. Geltend gemacht wird namentlich, die Kapitalgesellschaft diene letztlich den hinter ihr stehenden natürlichen Personen als Instrument wirtschaftlicher Entfaltung.158 Damit wird unausgesprochen auf die Lehre vom wirtschaftlichen Eigentum der Anteilseigner Bezug genommen. Sie behandelt die Kapitalgesellschaft ebenso wie die Personengesellschaft als rechtlich durchlässiges Konstrukt. Genauso wenig wie mit dem Verweis auf die hinter der Kapitalgesellschaft stehenden natürlichen Personen die Rechtfertigung der Körperschaftsteuer insgesamt in Frage gestellt werden kann, lässt sich damit eine nur vorübergehend bestehende Leistungsfähigkeit belegen. Dass sich dieses Verständnis jedenfalls bei der großen Publikumsgesellschaft, die dem Gesetzgeber als Leitbild gedient hat, nicht durchhalten lässt, wird denn auch erkannt, aber als Ausnahmeerscheinung abgetan.159 Im gleichen Zusammenhang wird jedoch darauf abgestellt, die tatsächliche Machtfülle der Geschäftsführung bewirke, dass unternehmenspolitische Entscheidungen heute fast ausschließlich von externen Führungskräften und nicht mehr von den Anteilseignern getroffen würden.160 Auch wenn die genaue Zahl der Kapitalgesellschaften, bei denen die unternehmerische Betätigung faktisch von der Geschäftsführung beherrscht wird, nicht bestimmt werden kann, lässt sich jedenfalls sagen, dass es sich dabei nicht um singuläre Ausnahmen handelt. Das Argument, bei der Ausschüttung der Gewinne handle es sich lediglich um einen Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit, ist missverständlich und kann nicht überzeugen. Jede Verschiebung von Vermögenswerten zu einer anderen Person ist geeignet, beim Empfänger steuerliche Leistungsfähigkeit entstehen zu lassen. Diese Einkommensverwendung berührt die Leistungsfähigkeit des Leistenden jedoch grundsätzlich nicht. Für das Ertragsteuerrecht ist regelmäßig nur die Sphäre der Einkünfteerzielung von Bedeutung. Wie die Einkünfte anschließend verwendet werden, unterliegt dem aus privaten Motiven gefassten Entschluss des Steuerpflichtigen und ist auf dessen Leistungsfähigkeit ohne Einfluss. Nur ausnahmsweise ist bei indisponiblen, also tatsächlich, rechtlich oder sittlich zwangsläufigen Ausgaben die Einkommensverwendung steuerlich relevant. Bei der Berücksichtigung von Unterhaltspflichten handelt es sich um einen ebensolchen Ausnahmefall. Maßgebend ist mithin nicht der Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit an sich, sondern die Zwangsläufigkeit der so getätigten Ausgaben.161 Von einer mit Unterhaltspflichten vergleichbaren Zwangsläufigkeit bei der Ausschüttung von Gewinnen einer Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner kann aber nicht gesprochen werden, denn im Gegensatz zu Unterhaltspflichten besteht weder eine rechtliche noch eine tatsächliche oder gar sittliche Pflicht zur Ausschüttung an die Anteilseigner. Über Zeitpunkt und Umfang der Ausschüttung von KapitalgesellschaftsHey, Unternehmensbesteuerung, S. 255. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 255. 160 Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 251. 161 So auch Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 9 Rn. 74, wenn vom „Transfer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit durch zivilrechtlich zwangsläufige Unterhaltsleistungen“ die Rede ist. 158 159
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2. Teil: Rechtfertigung der Körperschaftsbesteuerung
gewinnen kann von den Teilhabern vielmehr ohne jeden äußeren Zwang nach eigenem Dafürhalten entschieden werden. Die Rechtsfigur einer „vorläufigen Leistungsfähigkeit“ begegnet darüber hinaus aber auch grundsätzlichen Bedenken. Die Begründung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit stellt einen steuerrechtlichen Vorgang dar, der unabhängig vom Willen des Steuerpflichtigen und nicht in dessen Belieben gestellt ist. Dies folgt bereits aus der Unbeachtlichkeit disponibler Privataufwendungen. Weil in diesem Rahmen nur die Einkommenserzielung und nicht die anschließende Einkommensverwendung von Belang ist, ist die Begründung steuerlicher Leistungsfähigkeit mit dem letzten Akt des Erwerbstatbestandes abgeschlossen, der im Bereich des § 4 Abs. 1 EStG in der bilanziellen Erhöhung des Eigenkapitals, im Bereich des § 4 Abs. 3 EStG und der Überschusseinkunftsarten im Zufluss liegt. Nach der Vollendung des Einkünfteerzielungstatbestandes eintretende Veränderungen in der Person des Steuerpflichtigen bewirken insoweit keine Änderung mehr. Schon die Natur der Leistungsfähigkeitssteigerung als zeitlich abgeschlossenes, von nachträglichen Veränderungen grundsätzlich unbeeinflusstes Ereignis steht dem Gedanken einer vorläufigen Leistungsfähigkeit entgegen.
VI. Ergebnis Die Besteuerung des von Körperschaften, namentlich von Kapitalgesellschaften erzielten Ertrags ist gerechtfertigt, weil diese typischerweise als rechtlich und wirtschaftlich selbständige Rechtssubjekte am Wettbewerb teilnehmen. Die durch die Ertragserzielung entstehende steuerliche Leistungsfähigkeit wird bei der Körperschaft selbst begründet. Dies folgt für den Zeitraum der Thesaurierung bereits aus dem fehlenden Zufluss des Ertrags beim Anteilseigner. Die Leistungsfähigkeit geht aber auch durch die Ausschüttung des Gewinns nicht unter. Wird der erzielte Gewinn an ein anderes Steuersubjekt weitergeleitet, ist nicht mehr die Sphäre der Ertragserzielung berührt, so dass anschließende Veränderungen die Entstehung von Leistungsfähigkeit nicht mehr beeinflussen können.
3. Teil
Die Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne beim Anteilseigner Die eigenständige Besteuerung der Kapitalgesellschaft und die gleichzeitige Besteuerung des ausgeschütteten Gewinns beim Anteilseigner führt zu einem Nebeneinander von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer. Es zeichnet sich dadurch aus, dass der ausgeschüttete Gewinn zunächst der Körperschaftsteuer und anschließend der Einkommensteuer unterworfen wird. In welchem Verhältnis Körperschaftsteuer und Einkommensteuer bei ausgeschütteten Kapitalgesellschaftsgewinnen zueinander stehen und ob die Tatsache der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung des Gewinns bei der Einkommensbesteuerung des Anteilseigners Berücksichtigung finden muss, ist eine Frage der steuerlichen Behandlung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne. Sie stellt sich in sämtlichen Steuerrechtsordnungen, die eine Körperschaftsbesteuerung kennen. Die Körperschaftsteuer weist weltweit eine große Verbreitung auf; von den Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verzichtet kein Land auf eine Körperschaftsbesteuerung.162 Die Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung erfolgt dabei in sehr unterschiedlicher Weise. Sie reicht vom gänzlichen Verzicht auf eine Abmilderung (sog. klassisches System) über eine teilweise Anrechnung oder anderweitige Entlastung bis zur Vollanrechnung, bei der im Ergebnis allein die Einkommensteuer eine Belastungswirkung auslöst. Schließlich wird auch eine Steuerbefreiung beim Anteilseigner praktiziert, so dass allein die Körperschaftsteuer relevant bleibt.163 Die Besteuerung der Ausschüttungen laufenden Gewinns und der Anteilsveräußerung bei Kapitalgesellschaften hat in den letzten Jahren durch die grenzüberschreitende Vernetzung der Wirtschaft auch eine verstärkte steuerpolitische Bedeutung erfahren. Im weltweiten Wettbewerb um standortungebundene Produktionsfaktoren hat die hochgradige Flüchtigkeit von Kapital international auch die Besteuerung von Kapitaleinkünften beeinflusst. In einer Reihe von Ländern wurde die Einkommensbesteuerung in ortsgebundene und ortsungebundene Einkunftsquellen gespalten, bei der Kapitaleinkommen im Vergleich zu Arbeitseinkommen Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 230. Vgl. den Überblick bei Pezzer in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 1. Ausführlich zu einzelnen ausländischen Körperschaftsteuersystemen Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 231 ff. 162 163
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
einer wesentlich niedrigeren Endbesteuerung unterliegen.164 Auch in Deutschland hat sich die Politik dieser Entwicklung nicht entziehen können und sich zu einer Neuorientierung bei der Besteuerung des Anteilseigners in Kapitalgesellschaften veranlasst gesehen. Durch die Strukturreform der Unternehmensbesteuerung soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gestärkt werden, um durch wirtschaftliche Dynamik Potential für Investitionen und Nachfrage nach Arbeitskräften zu schaffen.165 In der Gestaltung des Steuersystems ist die jeweilige Parlamentsmehrheit jedoch nicht frei. Sie hat die rechtlichen Bindungen zu beachten, die sich in erster Linie aus dem nationalen Verfassungsrecht, aber auch aus dem immer bedeutsamer werdenden Europäischen Gemeinschaftsrecht ergeben. Der deutsche Gesetzgeber unterliegt dabei strengeren Anforderungen, als sie in vielen anderen Staaten bestehen. Nur wenn das politisch Erwünschte mit dem rechtlich Zulässigen in Einklang gebracht wird, hat das Steuergesetz auch vor den Gerichten Bestand. Im Folgenden geht es darum, die rechtlichen Anforderungen an die Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft aufzuzeigen und die geltende Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne systematisch einzuordnen. Auf dieser Grundlage kann anschließend die Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG einer rechtlichen Beurteilung unterzogen werden.
§ 8 Vorgaben durch das Europäische Gemeinschaftsrecht Das Europäische Gemeinschaftsrecht wirkt in zunehmendem Maße auf alle Bereiche der nationalen Rechtsordnungen ein. Das Steuerrecht ist von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Der EG-Vertrag verpflichtet die Mitgliedstaaten zunächst, alle zur Verwirklichung des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen zu treffen (Art. 10 EG166). Dem Steuerrecht kommt hier eine wichtige Bedeutung zu, weil es sämtliche Bereiche der Wirtschafts- und Erwerbstätigkeit prägt. Der Steuergesetzgeber ist daher verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht zu wahren. Diese Verplichtung umfasst neben der Angleichung des nationalen Rechts entsprechend den Vorgaben der Richtlinien auch die Verpflichtung, nicht durch einzelstaatliche Vorschriften gegen die Gründungsverträge zu verstoßen.
Vgl. Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 8 Rn. 77. Begründung zum StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 93. 166 Die Zitierweise der Vorschriften des EG-Vertrags folgt zur Vermeidung von Verwechslungen durch die ab 01. 05. 1999 gültige neue Nummerierung der diesbezüglichen Praxis des Europäischen Gerichtshofs (vgl. NJW 2000, 52). 164 165
§ 8 Vorgaben durch das Europäische Gemeinschaftsrecht
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I. Keine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung Das Europäische Gemeinschaftsrecht sieht in Art. 93 EG einen Harmonisierungsauftrag nur für indirekte Steuern vor. Für die Harmonisierung direkter Steuern gelten dagegen Art. 94, 95 Abs. 2 EG, die den Erlass entsprechender Richtlinien nur bei Einstimmigkeit vorsehen. Die Harmonisierung der direkten Steuern hat bislang im Vergleich zu den indirekten Steuern, insbesondere der Umsatzsteuer wenig Fortschritte gemacht, weil nationale Interessen in aller Regel eine Übereinstimmung sämtlicher Mitgliedstaaten in den entscheidenden Sachfragen verhindert haben. Eine umfassende Harmonisierung der direkten Steuern ist von der Europäischen Kommission 1967 empfohlen worden und hätte namentlich eine Vereinheitlichung der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Folge gehabt. Diese Absicht hat sich jedoch als politisch nicht durchsetzbar erwiesen und es spricht wenig dafür, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern wird.167 Dass sich die bei der Einführung des Anrechnungsverfahrens gehegte Hoffnung, dieses werde sich auch international durchsetzen, nicht erfüllen würde, war bereits seit geraumer Zeit offenkundig. Ungeachtet des Bestehens eines Harmonisierungsauftrags muss die nationale Steuergesetzgebung den Normen des primären Gemeinschaftsrechts genügen. Die Mitgliedstaaten sind im Bereich der direkten Steuern zwar nicht zur Schaffung von Einheitlichkeit gezwungen, sie müssen ihre Befugnisse aber unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben168 und sind daher zur Einhaltung der im Vertrag festgeschriebenen Ziele und Grundfreiheiten verpflichtet. Dies gilt unabhängig vom Bestehen eines Harmonisierungsauftrags, weil die Schaffung des Binnenmarktes auch ohne vorherige Angleichung der nationalen Rechtsordnungen ermöglicht werden soll.169 Hier haben die Grundfreiheiten des EG-Vertrags eine wichtige Bedeutung auch für das nationale Steuerrecht erlangt. Durch seine Entscheidungen zur Auslegung der Grundfreiheiten, deren Wirkung nicht selten weit über Rechtsakte des sekundären Gemeinschaftsrechts hinausreicht, nimmt der Europäische Gerichtshof in vielfältiger Weise Einfluss auf die Ausgestaltung direkter Steuern. Dass die Grundfreiheiten in den Mitgliedstaaten unmittelbar Individualrechte begründen und ihnen bei einer Kollision mit wider167 Dazu Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 107; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 2 Rn. 53. 168 Grundlegend zum Steuerrecht EuGH, Urt. v. 14. 02. 1995 – C-279 / 93 (Schumacker), Slg. 1995, I-249, Rn. 21. Für das Unternehmenssteuerrecht etwa EuGH, Urt. v. 11. 08. 1995 – C-80 / 94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2508, Rn. 16; EuGH, Urt. v. 16. 07. 1998 – C-264 / 96 (ICI), Slg. 1998, I-4711, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 29. 04. 1999 – C-311 / 97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2664, Rn. 19; EuGH, Urt. v. 06. 06. 2000 – C-35 / 98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4113, Rn. 32; EuGH, Urt. v. 07. 09. 2004 – C-319 / 02 (Manninen), DB 2004, 2023, Rn. 19. 169 Cordewener, Grundfreiheiten, S. 456, 931 f.; Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 112; Schön, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 743, 756; Steichen, Festschrift f. Debatin, S. 417, 437 f.
5 Wäckerlin
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
sprechendem nationalen Recht der Vorrang gebührt, ist heute allgemein anerkannt.170
II. Der Prüfungsmaßstab nach dem primären Gemeinschaftsrecht Durch die Besteuerung von Unternehmensgewinnen beim Anteilseigner kann bei einer grenzüberschreitenden Unternehmensbeteiligung die Möglichkeit, sich ungehindert in dem anderen Mitgliedstaat zur Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit niederzulassen, als auch die unternehmensbezogene Kapitalanlage berührt werden. Prüfungsmaßstab für die Vereinbarkeit der Besteuerung des Anteilseigners ist somit die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit. Letzterer wird in diesem Zusammenhang oftmals besondere Bedeutung zukommen. 1. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 Abs. 1 EG) a) Schutzbereich Die Kapitalverkehrsfreiheit verbietet Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten oder zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat. Die Vorschriften über den freien Kapitalverkehr enthalten selbst keine Begriffsdefinition des Kapitalverkehrs. Art. 56 Abs. 1 EG verbietet jedoch seinem Sinn und Zweck nach jegliche Benachteiligung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs gegenüber dem landesinternen Kapitalverkehr unabhängig davon, ob ein Kapitalexport oder ein Kapitalimport stattfindet.171 Unter Kapitalverkehr kann daher jede über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinweg stattfindende einseitige Übertragung von Geld- oder Sachwerten vorwiegend zu Anlagezwecken verstanden werden.172 Geschützt ist die Finanzierung von Direktinvestitionen ebenso wie der Erwerb von Aktien oder anderen Wertpapieren mit Beteiligungscharakter.173 Nach ihrem Wortlaut schützt die Kapitalverkehrsfreiheit vor Beschränkungen des Kapitalverkehrs. Die Vorschriften über die Kapitalverkehrsfreiheit können in struktureller Hinsicht parallel zu den übrigen Grundfreiheiten, insbesondere der Warenverkehrsfreiheit ausgelegt werden.174 Der Begriff der Beschränkung ist wei170 Statt vieler Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 324 ff. Grundlegend EuGH, Urt. v. 05. 02. 1963 – 26 / 62 (van Gend & Loos), Slg. 1963, 1, 24 f.; EuGH, Urt. v. 15. 07. 1964 – 6 / 64 (Costa), Slg. 1964, 1251, 1269 f.; BVerfG, Beschl. v. 09. 06. 1971 – 2 BvR 225 / 69, BVerfGE 31, 145, 173 ff. 171 Cordewener, Grundfreiheiten, S. 222 f. 172 Bröhmer in: Calliess / Ruffert, EGV, Art. 56 Rn. 8; Eckhoff in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 1702; Schweitzer / Hummer, Europarecht, Rn. 1213. 173 Schön, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 743, 747 f. 174 Cordewener, Grundfreiheiten, S. 286 f.
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ter als der der Diskriminierung und umfasst nach der von der Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit entwickelten Dassonville-Formel175 nicht nur die Ungleichbehandlung gegenüber den eigenen Staatsangehörigen, sondern auch sämtliche Maßnahmen, durch die die Ausübung der Freiheit erschwert oder weniger attraktiv gemacht wird. Eine Beschränkung des Kapitalverkehrs liegt danach in jeder staatlichen Maßnahme, die für die Kapitalausfuhr oder Kapitaleinfuhr eine gegenüber dem inländischen Kapitalverkehr formell oder materiell abweichende Regelung vorsieht.176 Die Diskriminierung wird als wichtiger Sonderfall der Beschränkung automatisch mitumfasst.177 Findet eine grenzüberschreitende Kapitalbewegung statt, die einen Berührungspunkt zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Union aufweist, ist der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet. Die Beteiligung an einer ausländischen Körperschaft fällt sowohl hinsichtlich des Erwerbs der Anteile als auch der an den Anteilseigner bewirkten Gewinnausschüttungen in den Anwendungsbereich der Art. 56 ff. EG. b) Rechtfertigung von Eingriffen Eine nationale Regelung zur Besteuerung im Ausland erzielter Kapitalerträge muss sich damit an der Kapitalverkehrsfreiheit messen lassen. Sie stellt einen Eingriff dar, wenn durch sie eine Diskriminierung oder Beschränkung des freien Kapitalverkehrs bewirkt wird. Der Europäische Gerichtshof hat es in der Konsequenz dessen den Mitgliedstaaten in mehreren Urteilen untersagt, die Berücksichtigung einer steuerlichen Vorbelastung bei der Besteuerung des Anteilseigners davon abhängig zu machen, ob die einzubeziehende Steuer im In- oder Ausland angefallen ist.178 Die Kapitalverkehrsfreiheit wird jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Sie kann wie alle übrigen Grundfreiheiten bei Vorliegen zwingender Gründe des Gemeinwohls eingeschränkt werden. Diese zunächst für die Warenverkehrsfreiheit entwickelte Schrankensystematik179 hat der Europäische Gerichtshof auf die Freiheit des Kapitalverkehrs übertragen und klargestellt, dass weder wirtschaftspolitische noch fiskalische Erwägungen zu einer Ungleichbehandlung führen dürfen.180 175 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 07. 1974 – 8 / 74 (Dassonville), Slg. 1974, 837, Rn. 5. Zur Entwicklung der Grundfreiheiten vom Diskriminierungs- zum allgemeinen Beschränkungsverbot eingehend Cordewener, Grundfreiheiten, S. 104 ff. 176 Geiger, EGV, Art. 56 Rn. 6 m. w. N. 177 Cordewener, Grundfreiheiten, S. 225, 285 f.; Honrath, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 64; Kiemel in: von der Groeben / Schwarze, EG-Vertrag, Art. 56 Rn. 15. Der Sache nach auch EuGH, Urt. v. 01. 06. 1999 – C-302 / 97 (Konle), Slg. 1999, I-3099, Rn. 23. 178 EuGH, Urt. v. 13. 04. 2000 – C-251 / 98 (Baars), Slg. 2000, I-2805, Rn. 30 f.; EuGH, Urt. v. 06. 06. 2000 – C-35 / 98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4113, Rn. 56 ff.; EuGH, Urt. v. 08. 03. 2001 – C-397 / 98 u. a. (Metallgesellschaft Ltd.), Slg. 2001, I-1760, Rn. 52 ff. 179 Grundlegend EuGH, Urt. v. 20. 02. 1979 – 120 / 78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, Rn. 8. 180 Zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH, Urt. v. 06. 06. 2000 – C-35 / 98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4113, Rn. 43, 48, 59.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
Anerkannt ist aber, dass neben der Verhinderung von Steuerhinterziehung auch die Herstellung oder Wahrung des Systemzusammenhangs steuerlicher Normen einen derartigen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt.181 Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich, dass der deutsche Gesetzgeber nicht frei über eine Berücksichtigung der Vorbelastung des ausgeschütteten Gesellschaftsgewinns mit ausländischen Steuern entscheiden kann.182 Das Europäische Gemeinschaftsrecht enthält zwar keine Vorgabe für ein bestimmtes Körperschaftsteuersystem und verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, eine Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung vorzunehmen; entscheidet sich ein Mitgliedstaat aber dafür, muss er das von ihm gewählte System diskriminierungsfrei umsetzen. Nach Art. 58 Abs. 1 lit. a EG sind die Vorschriften der nationalen Steuerrechtsordnungen vom Geltungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ausgenommen, wenn Steuerpflichtige mit unterschiedlichen Wohn- oder Kapitalanlageorten unterschiedlich behandelt werden. Dies gilt nach Art. 58 Abs. 3 EG aber nicht, wenn dadurch eine willkürliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit bewirkt wird. Auch wenn Bedeutung und Reichweite des Art. 58 EG im Einzelnen kontrovers beurteilt werden,183 lässt sich aus der Gesamtschau beider Vorschriften jedenfalls entnehmen, dass nur wichtige Gründe des Gemeinwohls eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen können. Das Verbot der verschleierten Beschränkung entfaltet dort seine Wirkung, wo durch steuerliche Regelungen bewusst die Geldanlage im eigenen Land gefördert und damit das Ziel eines Binnenmarkts unterlaufen werden soll.
2. Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) a) Schutzbereich Die Niederlassungsfreiheit konkretisiert das in Art. 12 Abs. 1 EG niedergelegte allgemeine Diskriminierungsverbot für den Niederlassungsfall und verbietet eine unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.184 Sie umfasst das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates selbständige Erwerbstätigkeiten auf181 EuGH, Urt. v. 28. 01. 1992 – C-204 / 90 (Bachmann), Slg. 1992, I-276, Rn. 21 ff.; EuGH, Urt. v. 28. 01. 1992 – C-300 / 90 (Kommission / Belgien), Slg. 1992, I-314, Rn. 14 ff.; EuGH, Urt. v. 16. 07. 1998 – C-264 / 96 (ICI), Slg. 1998, I-4711, Rn. 29; EuGH, Urt. v. 13. 04. 2000 – C-251 / 98 (Baars), Slg. 2000, I-2805, Rn. 37. 182 Schön, FR 2001, 381, 389. 183 Vgl. dazu Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 110. Eingehend Mössner / Kellersmann, DStZ 1999, 505, 509 ff. 184 EuGH, Urt. v. 21. 06. 1974 – 2 / 74 (Reyners), Slg. 1974, 631, Rn. 16 / 20; Schwarze, EU-Kommentar, Art. 43 EG Rn. 33.
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zunehmen und auszuüben sowie Unternehmen nach den Bestimmungen des Mitgliedstaats für seine eigenen Angehörigen zu gründen und zu leiten.185 Als Komplementärfreiheit zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet die Niederlassungsfreiheit die Freizügigkeit der Unternehmer186 und enthält ebenso wie die übrigen Grundfreiheiten nicht nur ein Diskriminierungsverbot, sondern auch ein allgemeines Beschränkungsverbot.187
b) Rechtfertigung von Eingriffen Durch das nationale Recht darf die Ausübung der Niederlassungsfreiheit nicht erschwert oder weniger attraktiv gemacht werden. Die Niederlassungsfreiheit wird zunächst durch die in Art. 46 EG enthaltenen Schranken begrenzt, deren Anwendungsbereich aber in der Praxis nicht besonders groß und im Steuerrecht nicht gegeben ist. Viel bedeutsamer ist die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gegebene Rechtfertigungsmöglichkeit für diskriminierungsfreie Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, wenn damit zwingenden Gründen des Gemeinwohls Rechnung getragen wird und diese dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen.188 Auch für die Niederlassungsfreiheit hat der Gerichtshof neben der Wirksamkeit der Steueraufsicht die Kohärenz des Steuersystems als möglichen Rechtfertigungsgrund herangezogen.189 Für das Steuerrecht besteht mithin ein einheitlicher Rechtfertigungsmaßstab: Die steuerliche Regelung darf keine Ungleichbehandlung in der steuerlichen Belastung im Ausland erzielter Kapitalerträge im Vergleich zu einem im übrigen gleichartigen nationalen Sachverhalt bewirken, die nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, namentlich die Kohärenz des Steuersystems gerechtfertigt werden kann. Insbesondere negative fiskalische Auswirkungen können eine entsprechende Beschränkung nicht legitimieren.
185 EuGH, Urt. v. 28. 01. 1986 – 270 / 83 (Kommission / Frankreich – „avoir fiscal“), Slg. 1986, 285, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 29. 04. 1999 – C-311 / 97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2664, Rn. 22; EuGH, Urt. v. 13. 04. 2000 – C-251 / 98 (Baars), Slg. 2000, I-2805, Rn. 22. 186 Schwarze, EU-Kommentar, Art. 43 EG Rn. 1. 187 Ständige Rechtsprechung seit EuGH, Urt. v. 30. 11. 1995 – C-55 / 94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4186, Rn. 37; vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 09. 03. 1999 – C-212 / 97 (Centros), Slg. 1999, I-1484, Rn. 34. In der Literatur war dies schon zuvor anerkannt, vgl. Classen, EWS 1995, 97, 98; Cordewener, Grundfreiheiten, S. 272; Schwarze, EU-Kommentar, Art. 43 EG Rn. 45 m. w. N. Zur Rechtsentwicklung Everling, Gedächtnisschrift KnobbeKeuk, S. 607, 608 ff. 188 EuGH, Urt. v. 30. 11. 1995 – C-55 / 94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rn. 37; EuGH, Urt. v. 09. 03. 1999 – C-212 / 97 (Centros), Slg. 1999, I-1484, Rn. 34. Zur Dogmatik der Niederlassungsfreiheit Cordewener, Grundfreiheiten, S. 272 ff. 189 Vgl. die Nachweise in Fn. 181.
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3. Das Verhältnis von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit Das Verhältnis von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit ist durch eine Verschränkung in der Weise gekennzeichnet, dass mit der Unternehmensgründung in einem anderen Mitgliedstaat regelmäßig auch ein grenzüberschreitender Kapitaltransfer verbunden ist, während der Anteilskauf wirtschaftlich den Charakter eines Unternehmenserwerbs annehmen kann. Aufgrund der gegenseitigen Verweisungen in Art. 43 Abs. 2 und Art. 58 Abs. 2 EG wird überwiegend angenommen, dass weder Niederlassungs- noch Kapitalverkehrsfreiheit durch die jeweils andere Grundfreiheit verdrängt werden.190 Beide Grundfreiheiten können nebeneinander angewendet werden. Die Kapitalverkehrsfreiheit schützt die Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft, die den Charakter einer Kapitalanlage hat. Durch die Niederlassungsfreiheit soll hingegen die freie unternehmerische Betätigung im Gemeinschaftsgebiet ermöglicht werden. Aufgrund dieser unterschiedlichen Funktion erscheint es überzeugend, die Kapitalverkehrsfreiheit unabhängig vom Umfang der Beteiligung als einschlägig anzusehen.191 Dieser Schutz wird bei kontrollierenden Mehrheitsbeteiligungen durch die Niederlassungsfreiheit ergänzt. In diesem Fall findet neben dem grenzüberschreitenden Kapitaltransfer auch eine unternehmerische Betätigung auf dem ausländischen Markt durch die Gesellschaft statt.
§ 9 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus dem Gleichheitssatz I. Der Gewährleistungsgehalt des Gleichheitssatzes 1. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG Dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes kommt im Steuerrecht eine herausragende Bedeutung zu. Art. 3 Abs. 1 GG wird in mehrfacher Hinsicht herangezogen, um Maßstäbe für die konkrete Ausgestaltung von Steuernormen zu gewinnen. Er hat sich als wichtigstes Instrument erwiesen, um steuerrechtliche Normen auf ihre Verfassungskonformität zu prüfen und eine Systematisierung des Steuersystems zu verwirklichen. Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind „alle Menschen vor dem Gesetz gleich“. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG ist für sich genommen zu abstrakt, um diese Gewährleistung für die konkrete Rechtsanwendung nutzbar zu machen; die sehr allgemein 190 EuGH, Urt. v. 28. 01. 1992 – C-204 / 90 (Bachmann), Slg. 1992, I-276, Rn. 34; Geurts, IStR 2000, 572, 573; Mössner / Kellersmann, DStZ 1999, 505, 508; Tiedje / Troberg in: von der Groeben / Schwarze, EG-Vertrag, Art. 43 Rn. 18. 191 Alber, Schlussanträge v. 14. 10. 1999 – C-251 / 98 (Baars), Slg. 2000, I-2789, Rn. 10 ff.; Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 81 f. m. w. N.; Schön, Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, S. 743, 747 f.; ders., FR 2001, 381, 388.
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gehaltene Aussage ermöglicht und erfordert eine Konkretisierung. Bereits unmittelbar nach Inkrafttreten des Grundgesetzes ergab sich die Notwendigkeit, den materiellen Inhalt des Gleichheitssatzes zu ermitteln, um ihn in der juristischen Praxis anwenden zu können. Ungleichheit beruht auf Ungleichbehandlung. Die isolierte Feststellung einer ungleichen rechtlichen Behandlung lässt jedoch für sich genommen noch keine Aussage darüber zu, ob die Anforderungen des Gleichheitssatzes gewahrt sind. Der Gleichheitssatz verbietet nicht die Ungleichbehandlung als solche; er fordert sie in Fällen, denen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde liegen. Die Untersuchung einer Verletzung des Gleichheitssatzes vollzieht sich somit in zwei Schritten. Sie besteht zunächst aus der Feststellung einer relevanten Ungleichbehandlung und anschließend aus der Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.192 2. Vom Willkürverbot zur „neuen Formel“ Demgemäß judiziert das Bundesverfassungsgericht, der Gleichheitssatz verbiete es, „wesentlich Gleiches willkürlich ungleich“ und „wesentlich Ungleiches willkürlich gleich“ zu behandeln.193 Der Gleichheitssatz ist nach dieser „klassischen“ Formulierung erst verletzt, wenn sich eine vom Gesetz vorgenommene Differenzierung auf keinen sachlich einleuchtenden Grund zurückführen lässt und deshalb als willkürlich angesehen werden muss.194 Innerhalb der durch das Willkürverbot gezogenen Grenzen ist dem Gesetzgeber ein weitgehender Gestaltungsspielraum eingeräumt worden.195 Das Bundesverfassungsgericht hat gesetzliche Regelungen nur dann beanstandet, wenn dafür ein sachlicher Grund schlechterdings nicht gePieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 430. Seit BVerfG, Urt. v. 16. 03. 1955 – 2 BvK 1 / 54, BVerfGE 4, 144, 155 ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschl. v. 14. 02. 1968 – 2 BvR 557 / 62, BVerfGE 23, 98, 107; BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 1976 – 2 BvR 804 / 75, BVerfGE 42, 64, 72; BVerfG, Beschl. v. 09. 08. 1978 – 2 BvR 831 / 76, BVerfGE 49, 148, 165. 194 BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 1951 – 1 BvR 201 / 51, BVerfGE 1, 13, 52; BVerfG, Beschl. v. 28. 06. 1960 – 2 BvL 19 / 59, BVerfGE 11, 245, 253; BVerfG, Beschl. v. 19. 06. 1962 – 1 BvL 4 / 58, BVerfGE 14, 142, 150; BVerfG, Beschl. v. 27. 05. 1964 – 1 BvL 4 / 59, BVerfGE 18, 38, 46; BVerfG, Beschl. v. 14. 12. 1966 – 1 BvR 496 / 65, BVerfGE 21, 6, 9; BVerfG, Beschl. v. 23. 01. 1968 – 1 BvR 709 / 66, BVerfGE 23, 50, 60; BVerfG, Beschl. v. 15. 01. 1969 – 1 BvR 723 / 65, BVerfGE 25, 101, 105; BVerfG, Beschl. v. 25. 10. 1977 – 1 BvR 15 / 75, BVerfGE 46, 224, 233; BVerfG, Beschl. v. 26. 03. 1980 – 1 BvR 121 / 76 u. a., BVerfGE 54, 11, 25 f.; BVerfG, Beschl. v. 17. 05. 1983 – 2 BvL 8 / 82, BVerfGE 64, 158, 168 f. 195 BVerfG, Urt. v. 17. 12. 1953 – 1 BvR 323 / 51 u. a., BVerfGE 3, 162, 182; BVerfG, Beschl. v. 17. 03. 1959 – 1 BvL 39 / 56 u. a., BVerfGE 9, 201, 206; BVerfG, Urt. v. 10. 05. 1960 – 1 BvR 190 / 58 u. a., BVerfGE 11, 105, 123; BVerfG, Beschl. v. 01. 07. 1964 – 1 BvR 375 / 62, BVerfGE 18, 121, 124; BVerfG, Beschl. v. 11. 01. 1966 – 2 BvR 424 / 63, BVerfGE 19, 354, 367 f.; BVerfG, Beschl. v. 26. 03. 1980 – 1 BvR 121 / 76 u. a., BVerfGE 54, 11, 26. 192 193
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funden werden konnte. Ließ sich hingegen ein sachlicher Gesichtspunkt finden – und war er im Vergleich zur Schwere der Ungleichbehandlung noch so unbedeutend –, wurde ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz verneint. Vor dem Hintergrund dieser Interpretation des Gleichheitssatzes hatte die Entwicklung von Strukturprinzipien des Steuerrechts allenfalls akademische Bedeutung, weil diese durch jede Erwägung des Gesetzgebers durchbrochen und so in der Besteuerungspraxis kaum relevant werden konnten. In der Rechtsprechung zum Gleichheitssatz hat jedoch im Jahr 1980 ein Umbruch stattgefunden. Das Bundesverfassungsgericht hat sich von seiner bisher praktizierten „Willkürformel“ abgewandt und die sog. „neue Formel“ eingeführt, die als Weiterentwicklung der bisherigen Judikatur begriffen werden kann. Der Gewährleistungsgehalt des Gleichheitssatzes wird nunmehr so umschrieben, dass dieser verletzt sei, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.196 Das Bundesverfassungsgericht orientiert sich bei der Prüfung des Gleichheitssatzes seitdem an Verhältnismäßigkeitserwägungen und nimmt eine Abwägung mit den für sie sprechenden Belangen vor. Der Rechtfertigungsmaßstab ist dabei nicht für jede Ungleichbehandlung gleich streng. Er reicht von der bloßen Willkürprüfung im klassischen Sinne bis zur strengen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Bindung des Gesetzgebers ist umso strenger, je mehr an personenbezogene Merkmale, insbesondere solche des Art. 3 Abs. 3 GG angeknüpft wird, je weniger die Diskriminierungsmerkmale vom Grundrechtsträger beeinflusst werden können und je nachteiliger sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung von Freiheitsrechten auswirkt.197
196 BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1980 – 1 BvL 50 / 79 u. a., BVerfGE 55, 72, 88; BVerfG, Beschl. v. 16. 03. 1982 – 1 BvR 938 / 81, BVerfGE 60, 123, 133 f.; BVerfG, Beschl. v. 04. 10. 1983 – 1 BvL 2 / 81, BVerfGE 65, 104, 112 f.; BVerfG, Beschl. v. 07. 12. 1983 – 2 BvR 282 / 80, BVerfGE 65, 377, 384; BVerfG, Beschl. v. 20. 03. 1984 – 1 BvL 27 / 82, BVerfGE 66, 234, 242; BVerfG, Beschl. v. 17. 07. 1984 – 1 BvL 24 / 83, BVerfGE 67, 231, 236; BVerfG, Beschl. v. 28. 11. 1984 – 1 BvR 1157 / 82, BVerfGE 68, 287, 301; BVerfG, Beschl. v. 01. 07. 1986 – 1 BvL 26 / 83, BVerfGE 73, 301, 321; BVerfG, Beschl. v. 10. 02. 1987 – 1 BvL 15 / 83, BVerfGE 74, 203, 217; BVerfG, Beschl. v. 08. 04. 1987 – 1 BvR 564 / 84 u. a., BVerfGE 75, 78, 105. 197 BVerfG, Beschl. v. 02. 12. 1992 – 1 BvR 296 / 88, BVerfGE 88, 5, 12; BVerfG, Beschl. v. 26. 01. 1993 – 1 BvL 38 / 92 u. a., BVerfGE 88, 87, 96; BVerfG, Beschl. v. 14. 07. 1999 – 1 BvR 995 / 95 u. a., BVerfGE 101, 54, 101; BVerfG, Beschl. v. 04. 04. 2001 – 2 BvL 7 / 98, BVerfGE 103, 310, 318; BVerfG, Urt. v. 06. 03. 2002 – 2 BvL 17 / 99, BVerfGE 105, 73, 110 f.
§ 9 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus dem Gleichheitssatz
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II. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip des Steuerrechts Die Abstraktheit des Merkmals der Ungleichbehandlung und die Notwendigkeit einer nach der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung abgestuften Rechtfertigungsprüfung machen die Entwicklung von Maßstäben erforderlich, die im einzelnen Fall staatlicher Eingriffsverwaltung eine Grundlage für die Prüfung des Gleichheitssatzes bilden. Nähere Kriterien lassen sich jedoch nur bezogen auf den jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereich gewinnen.198 Der Gleichheitssatz ist daher bereichsspezifisch anzuwenden.199 Ihm kann je nach der Art des betroffenen Regelungsbereichs eine eigene Bedeutung und Systematik zukommen. Auf dem Gebiet des Steuerrechts wird dem Gleichheitssatz zunächst der Grundsatz der Steuergerechtigkeit entnommen.200 Ihm entspringt die Forderung nach horizontaler und vertikaler Steuergerechtigkeit. Unter horizontaler Steuergerechtigkeit wird die gleich hohe Steuerbelastung bei gleicher Leistungsfähigkeit, unter vertikaler Steuergerechtigkeit die angemessen höhere Besteuerung höherer Einkommen verstanden.201 Dabei ist die Bindung des Gesetzgebers im Bereich der horizontalen Steuergerechtigkeit enger, während ihm zur Herstellung vertikaler Steuergerechtigkeit ein weitergehender Spielraum verbleibt.202 Auch wenn sich aus dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit konkrete Rechtsfolgen noch nicht un198 BVerfG, Beschl. v. 08. 10. 1963 – 2 BvR 108 / 62, BVerfGE 17, 122, 130; BVerfG, Beschl. v. 08. 04. 1987 – 2 BvR 909 / 83 u. a., BVerfGE 75, 108, 157; BVerfG, Beschl. v. 23. 03. 1994 – 1 BvL 8 / 85, BVerfGE 90, 226, 239; BVerfG, Beschl. v. 07. 11. 1995 – 2 BvR 413 / 88 u. a., BVerfGE 93, 319, 348 f.; BVerfG, Beschl. v. 31. 01. 1996 – 2 BvL 39 / 93 u. a., BVerfGE 93, 386, 397; BVerfG, Urt. v. 07. 12. 1999 – 2 BvR 1533 / 94, BVerfGE 101, 275, 291; BVerfG, Beschl. v. 04. 04. 2001 – 2 BvL 7 / 98, BVerfGE 103, 310, 318; BVerfG, Urt. v. 06. 03. 2002 – 2 BvL 17 / 99, BVerfGE 105, 73, 111; BVerfG, Beschl. v. 04. 12. 2002 – 2 BvR 400 / 98, BVerfGE 107, 27, 46. 199 BVerfG, Beschl. v. 30. 09. 1987 – 2 BvR 933 / 82, BVerfGE 76, 256, 329; BVerfG, Beschl. v. 08. 06. 1988 – 2 BvL 9 / 85 u. a., BVerfGE 78, 249, 287; BVerfG, Urt. v. 27. 06. 1991 – 2 BvR 1493 / 89, BVerfGE 84, 239, 268; BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 121, 134. 200 BVerfG, Beschl. v. 17. 01. 1957 – 1 BvL 4 / 54, BVerfGE 6, 55, 70; BVerfG, Urt. v. 24. 01. 1962 – 1 BvR 845 / 58, BVerfGE 13, 331, 338; BVerfG, Beschl. v. 09. 07. 1969 – 2 BvL 20 / 65, BVerfGE 26, 302, 310; BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1976 – 1 BvR 150 / 75, BVerfGE 43, 108, 118 f.; BVerfG, Urt. v. 03. 11. 1982 – 1 BvR 620 / 78 u. a., BVerfGE 61, 319, 343; BVerfG, Beschl. v. 22. 02. 1984 – 1 BvL 10 / 80, BVerfGE 66, 214, 223; BVerfG, Beschl. v. 04. 10. 1984 – 1 BvR 789 / 79, BVerfGE 67, 290, 297; BVerfG, Beschl. v. 17. 10. 1984 – 1 BvR 527 / 80 u. a., BVerfGE 68, 143, 152; BVerfG, Urt. v. 10. 02. 1987 – 1 BvL 18 / 81 u. a., BVerfGE 74, 182, 199 f. 201 Dazu ausführlich Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 165 ff., 170 ff. Im Anschluss daran BVerfG, Beschl. v. 29. 05. 1990 – 1 BvL 20 / 86, BVerfGE 82, 60, 89; BVerfG, Beschl. v. 04. 12. 2002 – 2 BvR 400 / 98, BVerfGE 107, 27, 46 f. 202 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 178.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
mittelbar ableiten lassen,203 enthält er doch die Vorstellung, dass der Staat bei der Verteilung steuerlicher Lasten zur Deckung seines Finanzbedarfs nicht frei ist, sondern eine verhältnismäßige Gleichheit anstreben muss. Maßstab steuerlicher Lastengleichheit und sachgerechter Vergleichsmaßstab für die Anwendung des Gleichheitssatzes im Steuerrecht ist das Leistungsfähigkeitsprinzip, das unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung in Art. 134 WRV ausdrücklich normiert war und heute als in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte bereichsspezifische Ausprägung des Gleichheitssatzes in der Literatur praktisch allgemein anerkannt ist.204 Als allgemeiner Maßstab steuerlicher Lastenverteilung lässt sich die Vorstellung, dass jeder entsprechend seiner wirtschaftlichen Kraft zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen soll, über mehrere Jahrhunderte zurückverfolgen.205 Der Begriff des Leistungsfähigkeitsprinzips ist dabei eine verkürzte Bezeichnung für den Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit206 oder – noch etwas präziser – nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.207 Auch das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung von der Verankerung des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in Art. 3 Abs. 1 GG aus.208 Insbesondere das Einkommensteuerrecht sei in besondeOsterloh in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 134. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 155 ff.; ders. / Barth in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 456; ders., Steuerrecht, Rn. 153; ders., StuW 1983, 293, 295; ders., StuW 1989, 212, 213; Friauf, DStJG 12 (1989), 3, 27 f.; Gubelt in: von Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 51; Heun in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 66; Jakob, Steuern vom Einkommen I, S. 34 ff.; ders., Einkommensteuer, Rn. 7; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 97 ff.; ders. in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 81 ff.; ders., StuW 1981, 223, 226; ders., StuW 1983, 103, 104 f.; ders., StuW 1985, 10, 12 ff.; ders., StuW 1990, 107, 112; Loritz, Einkommensteuerrecht, Rn. 194; Osterloh in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 134; Papier in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 18 Rn. 109; Rüfner in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 199; Ruppe in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, Einf. Rn. 543; Söhn, DStJG 3 (1980), 13, 17 f.; ders., StuW 1985, 395, 400; Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 57 ff.; ders., Steuerrechtsordnung I, S. 322; ders., StuW 1988, 262, 269 ff.; ders., Festschrift f. Wacke, S. 211, 214 f.; ders., Festschrift 600 Jahre Universität Köln, S. 865, 877; Vogel, DStZ / A 1975, 409, 410; Wendt, DÖV 1988, 710, 712 f. Zur vergleichbaren Rechtslage in Österreich Beiser, ÖStZ 2000, 413, 414 ff. Kritisch hingegen Arndt, Festschrift f. Mühl, S. 17, 29 ff.; ders., NVwZ 1988, 787, 791 („Ein Grundsatz der Steuergerechtigkeit, dessen wesentliches Element das Leistungsfähigkeitsprinzip sein soll, scheint [ . . . ] aus Art. 3 Abs. 1 GG nur schwerlich ableitbar zu sein.“) und jüngst Gassner / Lang, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 63 f. und passim. 205 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 10, wonach bereits Bodin im Jahre 1577 forderte, die Steuern nach den Kräften und dem Vermögen des Einzelnen zu erheben. Nach Lang, DStJG 24 (2001), 49, 58 liegen die ideengeschichtlichen Wurzeln des Leistungsfähigkeitsprinzips in der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte aus dem Jahr 1789. 206 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 480. 207 Vogel / Waldhoff, Bonner Kommentar zum GG, Vorb. Art. 104 a-115 Rn. 516. Zutreffend weist Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 481 darauf hin, dass wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht mit der Bemessungsgrundlage für die Steuer übereinstimmt, weil sich neben dem wirtschaftlichen Ergebnis der steuerlich relevanten Betätigung weitere Umstände auf die Bemessung der Steuer auswirken. 203 204
§ 9 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus dem Gleichheitssatz
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rem Maße auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen ausgerichtet.209 Dem entspricht es, wenn der Gleichheitssatz als „Magna Charta des Steuerrechts“ bezeichnet wird.210 Daneben werden zur Begründung des Leistungsfähigkeitsprinzips ergänzend weitere Verfassungsnormen herangezogen. Der Rückgriff auf die wertsetzende Bedeutung der Freiheitsgrundrechte211 erscheint jedoch zu pauschal, um die Geltung eines Rechtsprinzips mit derart weit reichenden Folgen zu statuieren. Die Herleitung aus der Eigentumsgarantie 212 hängt eng mit einem darauf gerichteten Verständnis des Art. 14 GG zusammen, das nicht unumstritten ist.213 Der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt für jede staatliche Maßnahme auch auf dem Gebiet des Steuerrechts.214 Auch eine erdrosselnde Einkommensbesteuerung stellt einen Verstoß gegen das Übermaßverbot dar, weil einem Steuerzugriff trotz fehlender subjektiver Leistungsfähigkeit die Angemessenheit zum Eingriffszweck fehlt.215 Es wird für die materielle Steuerbelastung durch 208 BVerfG, Urt. v. 24. 06. 1958 – 2 BvF 1 / 57, BVerfGE 8, 51, 68 f.; BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1976 – 1 BvR 150 / 75, BVerfGE 43, 108, 123; BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3 / 77, BVerfGE 55, 274, 302; BVerfG, Urt. v. 03. 11. 1982 – 1 BvR 620 / 78 u. a., BVerfGE 61, 319, 343 f.; BVerfG, Beschl. v. 22. 02. 1984 – 1 BvL 10 / 80, BVerfGE 66, 214, 223; BVerfG, Beschl. v. 04. 10. 1984 – 1 BvR 789 / 79, BVerfGE 67, 290, 297; BVerfG, Beschl. v. 17. 10. 1984 – 1 BvR 527 / 80 u. a., BVerfGE 68, 143, 152; BVerfG, Beschl. v. 28. 11. 1984 – 1 BvR 1157 / 82, BVerfGE 68, 287, 310; BVerfG, Urt. v. 10. 02. 1987 – 1 BvL 18 / 81 u. a., BVerfGE 74, 182, 199 f.; BVerfG, Beschl. v. 29. 05. 1990 – 1 BvL 20 / 86 u. a., BVerfGE 82, 60, 86; BVerfG, Beschl. v. 26. 01. 1994 – 1 BvL 12 / 86, BVerfGE 89, 346, 352; BVerfG, Beschl. v. 04. 12. 2002 – 2 BvR 400 / 98 u. a., BVerfGE 107, 27, 46 f. 209 BVerfG, Beschl. v. 17. 01. 1957 – 1 BvL 4 / 54, BVerfGE 6, 55, 67; BVerfG, Beschl. v. 14. 04. 1959 – 1 BvL 23 / 57, BVerfGE 9, 237, 243; BVerfG, Urt. v. 03. 11. 1982 – 1 BvR 620 / 78 u. a., BVerfGE 61, 319, 344; BVerfG, Beschl. v. 29. 05. 1990 – 1 BvL 20 / 86 u. a., BVerfGE 82, 60, 86. 210 Herzog, VI. Steuerzahlerkongress, S. 10, 11; Tipke, StuW 1993, 8, 9; ders., Steuerrechtsordnung I, S. 302. 211 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 13. 212 von Arnim, VVDStRL 39 (1981), 286, 318 f.; Kirchhof, StuW 1985, 319, 323 f.; Lang, StuW 1989, 201, 209; Vogel, BayVBl. 1980, 523, 527. Ähnlich Reich, Doppelbelastung, S. 29 mit der Aussage, das Leistungsfähigkeitsprinzip gewähre Schutz vor übermäßiger Besteuerung und zwar bereits bevor das Maß einer konfiskatorischen Besteuerung erreicht sei. 213 Dazu im Folgenden § 10 I. 214 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 209; Wendt, DÖV 1988, 710, 713 („Eine ungleiche Last ist stets eine unverhältnismäßige Last.“). Allgemein das Rechtsstaatsprinzip wird auch von Vogel in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 87 Rn. 93 herangezogen. Dagegen aber Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 187 ff.; Badura, VVDStRL 39 (1981), 396 (Diskussionsbeitrag); Breuer, VVDStRL 39 (1981), 384 (Diskussionsbeitrag); Papier in: Maunz / Dürig, Art. 14 Rn. 170; ders., DVBl. 1980, 787, 792 f.; Seer, DStJG 23 (2000), 87, 103. 215 Söhn, FinArch n.F. 46 (1988), 154, 166 f.; ebenso Ruppe in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, Einf. Rn. 546. Ablehnend Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 189 m. w. N. unter Hinweis darauf, dass dem steuerlichen Geldentzug Eignung und Erforderlichkeit zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs nie abgesprochen werden können. Dabei bleibt aber die Angemessenheit als dritte Komponente des Verhältnismäßigkeitsprinzips unberücksichtigt.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
das in Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG verankerte Verbot der Erdrosselungssteuer konkretisiert und dient somit als Schranke für Beschränkungsmöglichkeiten grundrechtlich geschützter Freiheiten. Im materiellen Steuerrecht erlangt es für den Steuerpflichtigen damit in erster Linie im Zusammenhang mit Freiheits- oder Gleichheitsrechten des Grundgesetzes Bedeutung. Vergleichbares gilt für das mitunter216 angeführte Sozialstaatsprinzip. Weber-Grellet beruft sich auf „eine Zusammenschau des Demokratieprinzips, der Freiheitsrechte, der Gleichheitsrechte und des Sozialstaatsgedankens“.217 Ob das Postulat einer solchen „Kombinationslösung“ auch juristisch einen Erkenntnisfortschritt bringt, darf bezweifelt werden. Nicht überzeugend ist schließlich die Herleitung des Leistungsfähigkeitsprinzips aus Art. 106 GG.218 Art. 106 GG kommt eine derart weitreichende Bedeutung nicht zu, weil der Grundgesetzgeber mit Art. 106 GG neben der rein fiskalisch motivierten Verteilung des Steueraufkommens nicht auch eine Regelung über die anzuwendenden Besteuerungsprinzipien hat treffen wollen.219 Insbesondere Art. 106 Abs. 3 Nr. 2 GG hat mehr die Gestalt eines wohlklingenden Programmsatzes als eines echten Rechtsprinzips.
III. Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips für die Einkommensbesteuerung 1. Objektives Nettoprinzip Steuerliche Leistungsfähigkeit ist die Fähigkeit von Personen, Steuern aus dem gespeicherten Einkommen entsprechend der Höhe des disponiblen Einkommens zahlen zu können.220 Nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip unterliegen Einnahmen der Besteuerung nur insoweit, wie sie die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen tatsächlich erhöhen. Der Steuerpflichtige kann nur den Teil des Einkommens für die Zahlung von Steuern einsetzen, der ihm für den eigenen Verbrauch zur Verfügung steht. Nur in diesem Umfang handelt es sich um disponibles Einkommen, das die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen begründet. Macht ein Steuerpflichtiger Aufwendungen zum Erwerb der steuerpflichtigen Einnahmen, wird demnach Leistungsfähigkeit nur in Höhe der Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben erzielt. Der Grundsatz, dass Erwerbsausgaben die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern, wird als objektives Nettoprinzip bezeichnet und all216 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 10 f.; Lang, StuW 1989, 201, 209; Vogel in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 87 Rn. 93. Vgl. auch Birk, StuW 1983, 293, 295 ff. 217 Weber-Grellet, Festschrift f. Posser, S. 395, 407. Ähnlich Vogel in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 87 Rn. 92 f. („vierfache Wurzel“). 218 So insbesondere Vogel in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 87 Rn. 92; ders. / Waldhoff in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. Art. 104 a-115 Rn. 519. 219 s. o. § 7 V. 1. a). 220 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 481.
§ 9 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus dem Gleichheitssatz
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gemein als Konkretisierung des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstanden.221 Gelegentlich wird das objektive Nettoprinzip verfassungsrechtlich zusätzlich als „identitätskonstituierendes Merkmal“ im finanzverfassungsrechtlichen Typus der Einkommensteuer festgemacht.222 Ein sachlicher Unterschied ist damit im vorliegenden Zusammenhang aber nicht verbunden. Der Gesetzgeber hat das objektive Nettoprinzip einfachgesetzlich umgesetzt. Die Einkommensteuer bemisst sich nach dem zu versteuernden Einkommen (§§ 2 Abs. 5 S. 1, 32 a Abs. 1 S. 1 EStG); Grundlage des zu versteuernden Einkommens ist die Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 EStG). Die Summe der Einkünfte ermittelt sich aus dem Unterschiedsbetrag von Einnahmen und Aufwendungen, die durch deren Erzielung veranlasst worden sind. Die durch die Einkünfteerzielung veranlassten Aufwendungen werden als Betriebsvermögensminderungen (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG) bzw. Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) und Werbungskosten (§ 9 EStG) erfasst und durch § 12 Nr. 1 EStG von Aufwendungen der privaten Lebensführung abgegrenzt. Unklar ist jedoch, ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen zu einer Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips verpflichtet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher nicht eindeutig ausgesprochen, ob die Einhaltung des objektiven Nettoprinzips auch verfassungsrechtlich geboten ist. Jedenfalls dürfe der Gesetzgeber bei Vorliegen gewichtiger Gründe das objektive Nettoprinzip durchbrechen und sich generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folge nicht, dass der Gesetzgeber erwerbssichernde Aufwendungen stets und vollumfänglich mindernd berücksichtigen müsse.223 Das objektive Nettoprinzip als Grundtatbestand der Einkommensbesteuerung entfalte seine Wirkkraft in erster Linie im Zusammenhang mit den 221 BFH, Beschl. v. 30. 01. 1995 – GrS 4 / 92, BStBl. II 1995, 281, 284; BFH, Beschl. v. 22. 11. 1996 – VI R 77 / 95, BStBl. II 1997, 208, 210; Bachem in: Bordewin / Brandt, EStG, § 2 Rn. 33; Birk, Steuerrecht, Rn. 542 f.; ders. / Barth in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 471; Böckenförde, StuW 1986, 335, 336; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 11; Jakob, Einkommensteuer, Rn. 21; Kirchhof in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 127; ders., StuW 1985, 319, 328; ders., DStZ 1986, 25, 31; ders., Gutachten für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. F 40; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 183 ff.; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 44; Ruppe in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, Einf. Rn. 2; Seeger in: Schmidt, EStG, § 2 Rn. 10; Söhn in: Kirchhof / ders. / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 17; ders., StuW 1985, 395, 400; ders., StuW 1986, 324, 325; ders., FinArch n.F. 46 (1988), 154, 156; Tipke, StuW 1974, 84, 85; ders., Steuergerechtigkeit, S. 95 ff.; ders., Steuerrechtsordnung I, S. 503; ders., Steuerrechtsordnung II, S. 763; Vogel, NJW 1974, 2105 f.; Wendt, DÖV 1988, 710, 719. 222 Schön, StuW 1995, 366, 368 f.; Schulze-Osterloh, DStJG 23 (2000), 67, 69; Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 763. 223 BVerfG, Beschl. v. 02. 10. 1969 – 1 BvL 12 / 68, BVerfGE 27, 58, 67 f.; BVerfG, Beschl. v. 07. 11. 1972 – 1 BvR 338 / 68, BVerfGE 34, 103, 115; BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1976 – 1 BvR 150 / 75, BVerfGE 43, 108, 120 f.; BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1977 – 1 BvR 343 / 73 u. a., BVerfGE 47, 1, 30; BVerfG, Beschl. v. 04. 12. 2002 – 2 BvR 400 / 98 u. a., BVerfGE 107, 27, 48.
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Anforderungen an hinreichende Folgerichtigkeit bei gesetzgeberischen Grundentscheidungen.224 Das objektive Nettoprinzip nur als rechtspolitische Forderung aufzufassen, würde dessen Charakter jedoch nicht gerecht. Die Abzugsfähigkeit des erwerbssichernden Aufwands berührt unmittelbar den Gewährleistungsgehalt des Gleichheitssatzes. Dies wird durch einen Vergleich zweier Steuerpflichtiger mit gleich hohen Einkünften, aber unterschiedlichen Erwerbsaufwendungen deutlich: Das dem einen Steuerpflichtigen für die Deckung persönlicher Bedürfnisse und damit auch für die Steuerzahlung zur Verfügung stehende Einkommen ist von vornherein geringer als das des anderen. Dem Gebot der Steuergerechtigkeit widerspräche es, dies bei der steuerlichen Belastung unberücksichtigt zu lassen. Das objektive Nettoprinzip als Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips ist daher als im Gleichheitssatz verankert anzusehen. Das bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, es in jedem Einzelfall in reiner Form zu verwirklichen. Auch der Gleichheitssatz ist kein schrankenloses Grundrecht und kann aus hinreichend gewichtigen Gründen durchbrochen werden. Als Grundaussage, gewissermaßen als verfassungsrechtlicher Ausgangszustand, ist jedoch das objektive Nettoprinzip anzuerkennen. 2. Subjektives Nettoprinzip Ausgaben, die der privaten Lebensführung zuzuordnen sind, mindern die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer grundsätzlich nicht. Aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ergibt sich aber, dass der Staat steuerliche Teilhabe am privat erwirtschafteten Einkommen nur beanspruchen kann, soweit die finanzielle Ausstattung dem Steuerpflichtigen eine Teilabgabe seines Einkommens für öffentliche Zwecke erlaubt.225 Neben den Mitteln, die für die Steuerzahlung nicht zur Verfügung stehen, weil sie für die Erwerbssicherung aufgewendet werden, kann das Einkommen des Steuerpflichtigen auch durch Privatausgaben gemindert werden, die zwangsläufig anfallen, mithin für den Steuerpflichtigen indisponibel sind. In diesen Fällen hat der Steuerpflichtige keine Wahlfreiheit über den Abfluss der finanziellen Mittel, so dass es auch nicht gerechtfertigt wäre, ihn in diesem Umfang steuerlich in Anspruch zu nehmen. Dem trägt das subjektive Nettoprinzip Rechnung. Es besagt als weitere Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips, dass der für den notwendigen Lebensbedarf des Steuerpflichtigen und seiner Angehörigen aufgewendete Teil des Einkommens aus der steuerlichen Bemessungsgrundlage auszuscheiden ist.226 Als solches dient 224 BVerfG, Beschl. v. 04. 12. 2002 – 2 BvR 400 / 98 u. a., BVerfGE 107, 27, 48; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 11. 11. 1998 – 2 BvL 10 / 95, BVerfGE 99, 280, 290. 225 Wendt, DÖV 1988, 710, 720. 226 Birk, Steuerrecht, Rn. 154; ders. / Barth in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 474; Böckenförde, StuW 1986, 335, 336; Kirchhof, StuW 1985, 319, 328; ders., DStZ
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es der Verwirklichung von Steuergerechtigkeit; die Steuerbelastung zweier Steuerpflichtiger mit gleich hohen Einnahmen muss bei demjenigen niedriger sein, dessen Einnahmen zu einem größeren Teil nicht disponibel sind, ohne dass es auf die absolute Höhe des Einkommens ankommt.227 Die Existenz des subjektiven Nettoprinzips und dessen verfassungsrechtliche Verankerung im Gleichheitssatz entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.228 Einfachgesetzlich kommt das subjektive Nettoprinzip in § 2 Abs. 4, Abs. 5 EStG zum Ausdruck, indem die dort genannten Privataufwendungen nicht in die Bemessung der Steuer einfließen.
1986, 25, 31; ders. in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 126 ff.; ders., StbKongrRep 1988, 29, 43 f.; ders., Gutachten für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. F 51 ff.; Klein, Festschrift f. Zeidler I, S. 773; ders., DStR 1987, 779, 781; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 113; ders., Bemessungsgrundlage, S. 191 ff., 620 ff.; ders., StuW 1974, 293, 298; ders., StuW 1983, 103, 106; ders., StuW 1985, 10, 12; ders., StuW 1990, 331, 333; ders., DStJG 24 (2001), 49, 121; Pezzer, Festschrift f. Zeidler I, S. 757; ders., StuW 1989, 219, 223 f.; Söhn in: Kirchhof / ders. / Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 17; ders., StuW 1985, 395, 400 ff.; ders., StuW 1986, 324, 325; ders., ZRP 1988, 344, 347 f.; ders., FinArch n.F. 46 (1988), 154, 156 f.; ders., StuW 1990, 356, 358; ders., FinArch n.F. 51 (1994), 372, 373; ders., Festschrift f. Klein, S. 421, 422; Tipke, StuW 1971, 2, 16 f.; ders., StbKongrRep 1983, 39, 47; ders., StuW 1985, 78; ders., Steuerrechtsordnung II, S. 784 ff.; ders., StuW 1993, 8, 13 ff.; ders. / Lang, StuW 1984, 127; Vogel, NJW 1974, 2105 f.; ders., DStR 1977, 31, 32; ders., StuW 1984, 197, 200; Zeidler, StuW 1985, 1, 3 ff. Die Unterscheidung von objektiver und subjektiver Leistungsfähigkeit findet sich bereits bei Bredt, Leistungsfähigkeit, S. 91 ff., 117 ff., der unter der Berücksichtigung objektiver Leistungsfähigkeit aber die Berücksichtigung der unterschiedlich starken Fundierung verschiedener Einkommensarten bei absolut gleicher Einkommenshöhe versteht. 227 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 114. Anders insbesondere die ökonomische Literatur, die freilich einen – aus ihrer Sicht – anzustrebenden Idealzustand beschreibt, ohne zu berücksichtigen, ob und inwieweit sich dieser im Rahmen der Verfassungsrechtslage tatsächlich verwirklichen lässt. Verkannt wird, dass sich jedes derartige Gedankenexperiment letztlich an verfassungsrechtlichen Maßstäben messen lassen muss. Exemplarisch etwa Bareis, StuW 2000, 81 zur Ehegattenbesteuerung. 228 BVerfG, Urt. v. 03. 11. 1982 – 1 BvR 620 / 78 u. a., BVerfGE 61, 319, 344; BVerfG, Beschl. v. 22. 02. 1984 – 1 BvL 10 / 80, BVerfGE 66, 214, 223; BVerfG, Beschl. v. 04. 10. 1984 – 1 BvR 789 / 79, BVerfGE 67, 290, 297; BVerfG, Beschl. v. 17. 10. 1984 – 1 BvR 527 / 80 u. a., BVerfGE 68, 143, 152 f.; BVerfG, Beschl. v. 29. 05. 1990 – 1 BvL 20 / 86 u. a., BVerfGE 82, 60, 86 f.; BVerfG, Beschl. v. 12. 06. 1990 – 1 BvL 72 / 86, BVerfGE 82, 198, 207 f. In einer späteren Entscheidung (BVerfG, Beschl. v. 25. 09. 1992 – 2 BvL 5 / 91 u. a., BVerfGE 87, 153, 169 ff.) hat das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Pflicht zur Berücksichtigung des subjektiven Nettoprinzips aus den Freiheitsgrundrechten abgeleitet. Die mehrfache Bezugnahme auf die Entscheidung BVerfG, Beschl. v. 29. 05. 1990 – 1 BvL 20 / 86 u. a., BVerfGE 82, 60 lässt aber darauf schließen, dass damit keine Änderung der Rechtsprechung beabsichtigt war.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
3. Tarif a) Anstieg der absoluten Steuerbelastung mit steigendem disponiblen Einkommen Sollen aus dem Gleichheitssatz Erkenntnisse über die zulässige Höhe der Steuer gewonnen werden, ist zwischen der absoluten und der relativen Steuerbelastung zu unterscheiden. Die absolute Höhe der Besteuerung muss sich an den Anforderungen der vertikalen Steuergerechtigkeit messen lassen, die vom Gleichheitssatz vorgegeben ist. Aus dem Gebot vertikaler Steuergerechtigkeit ergibt sich, dass die absolute Steuerbelastung mit zunehmendem Einkommen steigen muss. Verbleibt einem Steuerpflichtigen nach Berücksichtigung der Erwerbs- und zwangsläufigen Privataufwendungen mehr Einkommen als einem anderen, ist dessen Leistungsfähigkeit höher. Würde die absolute Steuerbelastung unabhängig von der Höhe des Einkommens einen festen Betrag ausmachen, handelte es sich um eine nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip konforme Kopfsteuer.229
b) Keine Pflicht zur Progression Hinsichtlich der relativen Steuerbelastung ist die Rechtslage weniger eindeutig. Der Gleichheitssatz trifft mit dem Erfordernis vertikaler Steuergerechtigkeit nur die Aussage, dass die absolute Steuerbelastung des Besserverdienenden angemessen höher sein muss. Damit ist aber keine Vorgabe für den Verlauf der relativen Steuerbelastung verbunden. Auch bei einer degressiven Besteuerung nimmt die absolute Steuerlast zu, obwohl der Anteil des Einkommens, der für die Steuerzahlung aufgewendet werden muss, immer geringer wird, während bei einer progressiven Besteuerung der Steuersatz schneller steigt als das Einkommen. Dem Gleichheitssatz lässt sich weder eine Pflicht zur noch ein Verbot der progressiven Besteuerung entnehmen, weil im Gleichheitssatz kein Belastungsmaßstab enthalten ist.230 Dass der Grundwertung des Leistungsfähigkeitsprinzips ein proportionaler und kein progressiver Tarif entspreche,231 stellt ebenso eine Hypothese dar wie die gegenteilige Annahme, den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG lasse sich nur mit einem progressiven Steuertarif Rechnung tragen.232 Die progressive Einkommensteuer ist 229 Zu den übrigen verfassungsrechtlichen Einwänden gegen eine Kopfsteuer vgl. o. § 6 I. mit Fn. 30 bis 33. 230 Birk / Barth in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 479; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 404. 231 So Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 58; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 197, § 9 Rn. 741; Loritz, Einkommensteuerrecht, Rn. 1209. 232 So noch BVerfG, Urt. v. 24. 06. 1958 – 2 BvF 1 / 57, BVerfGE 8, 51, 68 f.; BVerfG, Beschl. v. 09. 02. 1972 – 1 BvL 16 / 69, BVerfGE 32, 333, 339; BVerfG, Beschl. v. 02. 10. 1973 – 1 BvR 345 / 73, BVerfGE 36, 66, 72; in der neueren Rechtsprechung zum Einkommensteuerrecht findet sich diese Aussage nicht mehr. Ähnlich Vogel, DStZ / A 1975, 409,
§ 9 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus dem Gleichheitssatz
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damit ein zulässiges, aber kein zwingendes Mittel zur Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips.233 Auch die ergänzende Argumentation mit dem Sozialstaatsprinzip erscheint nicht überzeugend. Das Sozialstaatsprinzip enthält nur ein durch staatliche Tätigkeit anzustrebendes Ergebnis – und dies auch nur mit objektiv-rechtlichem Charakter. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind nicht vorgegeben; für das „Wie“ werden alle Wege offengelassen.234
c) Kein Verbot der Degression Umstritten ist, ob ein degressiver Tarifverlauf gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstoßen würde. Hier steigt die Steuerbelastung zwar absolut, der relative Anteil des disponiblen Einkommens, der für die Steuerzahlung aufgewendet werden muss, nimmt jedoch ab. Die Unzulässigkeit eines degressiven Tarifverlaufs wird in der Literatur teilweise ohne nähere Begründung bejaht.235 Nach der Gegenansicht untersagt das Sozialstaatsprinzip nicht den Proportional- oder Regressionstarif. Verlauf und Höhe des Tarifs seien mehr eine politische als eine rechtliche Entscheidung.236 Die Frage nach der Zulässigkeit eines degressiven Tarifs hat sich in der Praxis bisher nicht gestellt, weil politische Außenwirkung und staatlicher Finanzbedarf keinen Raum für derartige Überlegungen geboten haben. Die Ableitung derart konkreter Folgerungen für ein bestimmtes Rechtsgebiet aus der programmatischen Aussage des Sozialstaatsprinzips ist jedoch zweifelhaft. Sozialstaatlichkeit wird nicht allein durch das Steuerrecht, sondern durch eine Zusammenschau aller Lebensbereiche vermittelt. Einzelne staatliche Maßnahmen lassen sich nur bedingt am Sozialstaatsprinzip messen. Es lässt sich folglich kaum annehmen, dass der Bundesrepublik durch einen degressiven Steuertarif die Eigenschaft, Sozialstaat zu sein, abhanden kommen würde. 411, der aber offen lässt, ob dies aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip, dem Sozialstaatsprinzip oder einer Zusammenschau beider Prinzipien zu entnehmen ist. 233 Birk / Barth in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 479; Flockermann, Festschrift f. Klein, S. 393, 396; Jachmann, StuW 1998, 293, 295; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 403. 234 BVerfG, Urt. v. 18. 07. 1967 – 2 BvF 3 / 62 u. a., BVerfGE 22, 180, 204; Stern, Staatsrecht I, S. 915 f.; Lang, StuW 1989, 3, 9. Unzweifelhaft ist deshalb, dass das Sozialstaatsprinzip einen progressiven Tarifverlauf ermöglicht, eine progressive Besteuerung – wenn man sich für sie entscheidet – gerechtfertigt werden kann. So auch Kirchhof in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 602; Starck in: von Mangoldt / Klein / ders., GG, Art. 3 Rn. 110; Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 97 f.; ders., Steuerrechtsordnung I, S. 403. 235 Birk / Barth in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 479, die diesbezüglich „weitgehende Einigkeit“ feststellen, ohne dies zu belegen. 236 Lang, StuW 1989, 3, 9. Ebenso von Arnim, VVDStRL 39 (1981), 286, 319; ders., Staatslehre, S. 154 ff., der auch eine degressive Besteuerung für mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar hält und die Aussage des Bundesverfassungsgerichts zur Pflicht einer progressiven Besteuerung als obiter dictum bezeichnet, das „offenbar nicht auf einer tieferen Durchdringung der Problematik“ beruhe. 6 Wäckerlin
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
4. Personenbezogenheit des Leistungsfähigkeitsprinzips Art. 3 Abs. 1 GG umfasst das Leistungsfähigkeitsprinzip als gleichheitsgerechten Steuermaßstab. Der Gleichheitssatz des Grundgesetzes gilt seinem Wortlaut nach für den „Menschen“ als Individuum. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausprägung des Gleichheitssatzes ist hierauf bezogen und gewährleistet die Gleichbehandlung aller natürlichen Personen vor dem Steuergesetz. Es bietet durch seine Individualbezogenheit der natürlichen Person Schutz vor ungerechtfertigter Ungleichbehandlung bei der Verteilung der steuerlichen Lasten und vermittelt ihr eine darauf gerichtete subjektive Rechtsposition. An anderer Stelle ist bereits dargelegt worden, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip ein geeigneter Maßstab zur Verteilung der Steuerlasten auf die Allgemeinheit auch für die Körperschaften darstellt, weil nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen steuerlich leistungsfähig sein können.237 Der Gleichheitssatz gilt nach Art. 19 Abs. 3 GG auch für Besteuerungsvorgänge im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaften, wenn die wesensmäßige Anwendbarkeit des Gleichheitssatzes auf die juristische Person festgestellt werden kann. Das ist nur dort nicht der Fall, wo an natürliche Eigenschaften des Menschen angeknüpft wird, die bei juristischen Personen nicht vorliegen können. Beim Gleichheitssatz handelt es sich jedoch unstreitig um eine Grundrechtsposition, die auch von nichtphysischen Personen in Anspruch genommen werden kann. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung die wesensmäßige Anwendbarkeit des Gleichheitssatzes auf juristische Personen des privaten Rechts stets bejaht.238 Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist damit auch für die Besteuerung der juristischen Person durch Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesichert, soweit diese eigene steuerliche Leistungsfähigkeit erzielt.
IV. Gebot der Folgerichtigkeit Dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber kommt bei der Auswahl der Ziele, die er verfolgen will, ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu.239 Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung ist es Aufgabe der Legislative, die zur Verwirklichung der Staatsziele erforderlichen Maßnahmen in eigener Verantwortung s. o. § 7 V. 2. c). BVerfG, Urt. v. 03. 06. 1954 – 1 BvR 183 / 54, BVerfGE 3, 383, 390; BVerfG, Urt. v. 14. 12. 1965 – 1 BvR 413 / 60 u. a., BVerfGE 19, 206, 215; BVerfG, Beschl. v. 11. 03. 1968 – 2 BvL 18 / 63, BVerfGE 23, 208, 223; BVerfG, Beschl. v. 13. 01. 1976 – 1 BvR 631 / 69 u. a., BVerfGE 41, 126, 149. 239 Dazu BVerfG, Beschl. v. 06. 12. 1983 – 2 BvR 1275 / 79, BVerfGE 65, 325, 354; BVerfG, Urt. v. 10. 02. 1987 – 1 BvL 18 / 81 u. a., BVerfGE 74, 182, 200; BVerfG, Urt. v. 27. 06. 1991 – 2 BvR 1493 / 89, BVerfGE 84, 239, 271; BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 121, 136. 237 238
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auszuwählen, eine Gewichtung vorzunehmen und dies gegenüber der Allgemeinheit zu verantworten. Das Gebot der Folgerichtigkeit misst dem Gleichheitssatz die Verpflichtung des Gesetzgebers bei, die von ihm gewählten Ordnungsprinzipien konsequent einzuhalten und entsprechend dem von ihm gewählten System durchzuführen. Die legislatorische Freiheit wird dementsprechend eingeschränkt.240 Für das Steuerrecht enthält damit der Gleichheitssatz des Grundgesetzes neben dem Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch das Gebot der Folgerichtigkeit.241 Darunter ist die Verpflichtung des Gesetzgebers zu verstehen, die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne gleichmäßiger steuerlicher Lastenverteilung umzusetzen und den steuerrechtlichen Tatbestand dementsprechend ausgestalten.242
1. Geltung des Gebots der Folgerichtigkeit für die Auswahl des Steuergegenstandes Das Gebot der Folgerichtigkeit wird darüber hinaus teilweise bereits auf die Auswahl des Steuergegenstandes bezogen. Die Verpflichtung des Gesetzgebers aus dem Gebot der Folgerichtigkeit beziehe sich nicht nur auf die Ausgestaltung, sondern bereits auf die Entscheidung über den Belastungstatbestand selbst.243 Der Inhalt des Gebots der Folgerichtigkeit ergibt sich als Subprinzip des Gleichheitssatzes aus dessen Rechtsnatur. Der Gleichheitssatz ermöglicht aber nicht auch die Beurteilung der Auswahl des Steuergegenstandes. Erst die gesetzliche Regelung des Belastungstatbestandes ergibt die Grundlage, auf der verschiedene Sachverhalte miteinander verglichen und ihre Gleichheit oder Ungleichheit beurteilt 240 Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 16; Kirchhof in: Isensee / ders., HStR V, § 124 Rn. 222 ff.; Stern, Staatsrecht I, S. 837 f. Zurückhaltend Battis, Festschrift f. H. P. Ipsen, S. 11, 26 ff., der das Postulat der Systemgerechtigkeit als Auslegungsregel und rechtspolitisches Postulat, nicht aber als verfassungsrechtliche Forderung verstanden wissen will. 241 Hüttemann, DStJG 23 (2000), 127, 130; Kirchhof, StuW 1985, 319, 321; ders. in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 168 ff.; ders. in: Isensee / ders., HStR V, § 124 Rn. 223; ders., StuW 2000, 316, 317 f.; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 77; ders., StuW 1985, 10, 13 ff.; ders.; StuW 1990, 107, 110 f.; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 327 ff.; ders., StuW 1971, 2, 5 f.; ders., Festschrift f. Wacke, S. 211, 214; Vogel, DStZ / A 1975, 409, 413. Weitergehend Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 23 f.; dies., DStJG 23 (2000), 9, 13 f., die das Gebot der Folgerichtigkeit auch schon bei der Bestimmung des Steuergegenstands heranziehen will. 242 BVerfG, Urt. v. 27. 06. 1991 – 2 BvR 1493 / 89, BVerfGE 84, 239, 271; BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 121, 136; BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvR 552 / 91, BVerfGE 93, 165, 172; BVerfG, Beschl. v. 30. 09. 1998 – 2 BvR 1818 / 91, BVerfGE 99, 88, 95; BVerfG, Beschl. v. 29. 10. 1999 – 2 BvR 1264 / 90, BVerfGE 101, 132, 138; BVerfG, Beschl. v. 10. 11. 1999 – 2 BvR 2861 / 93, BVerfGE 101, 151, 155; BVerfG, Beschl. v. 04. 12. 2002 – 2 BvR 400 / 98, BVerfGE 107, 27, 47. 243 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 23 f.; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 328 f.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
werden können. Für verschiedene Steuerarten lässt sich hingegen nicht ohne weiteres ein gemeinsamer Oberbegriff ermitteln, der eine gleichheitsrechtliche Prüfung ermöglichen würde. Das wird an dem von Tipke zitierten Beispiel der Kaffeesteuer deutlich. Er hält diese für gleichheitswidrig, weil nur der Kaffeetrinker, nicht dagegen der Konsument von Tee oder Kakao einer Belastung unterworfen werde.244 Schon bei diesem vordergründig einfachen Beispiel ergeben sich Zweifel über das verfassungsrechtlich relevante Vergleichspaar. Kaffee kann gemeinsam mit Tee als Genussmittel betrachtet werden.245 Die Nennung von Tee oder Kakao würde aber auch einen Vergleich mit anderen Heißgetränken nahelegen. Dann müssten nicht nur Kaffee, Tee und Kakao, sondern auch Glühwein und Punsch steuerlich gleich behandelt werden. Mit der gleichen Berechtigung könnte auch ein Vergleich mit anderen koffeinhaltigen Getränken oder anderen Getränken überhaupt vorgenommen werden. Dies würde es wiederum erforderlich machen, dem Gesetzgeber einen Einschätzungsspielraum einzuräumen und ihm zu gestatten, weitgehend frei zu bestimmen, welche Vergleichsbasis er heranziehen will. Ein „objektiv richtiger“ gemeinsamer Oberbegriff lässt sich jedenfalls kaum ermitteln. Es würde deshalb zu weit gehen, aus dem Grundsatz der Folgerichtigkeit ableiten zu wollen, auf welche Arten der Besteuerung sich der Gesetzgeber beschränken lassen muss.246 Dem Gleichheitssatz würde dadurch eine Bedeutung beigemessen, die den legislatorischen Entscheidungsspielraum bedeutend einschränken und die weitgehende Abschaffung besonderer Verbrauchsteuern erfordern würde. Eine solche Bedeutung kann dem Gleichheitssatz indessen nicht entnommen werden. Sie übersieht auch, dass die Finanzverfassung in Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG von der Existenz besonderer Verbrauchsteuern ausgeht und in Art. 106 Abs. 2 Nr. 5 GG die Biersteuer ausdrücklich genannt ist.
2. Bedeutung für das Steuerrecht Aus dem Gebot der Folgerichtigkeit ergibt sich für das Steuerrecht, dass der Gesetzgeber nach der Auswahl des Belastungstatbestandes diesen systematisch und wertungsmäßig konsequent verwirklichen muss. Eine Durchbrechung des selbst gewählten Systems ist nicht von vornherein unzulässig, indiziert aber eine Ungleichbehandlung, die durch andere sachgerechte Erwägungen von entsprechendem Gewicht gerechtfertigt werden muss.247 Da dem Einkommensteuerrecht als Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 508. So Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 509. 246 BVerfG, Beschl. v. 17. 11. 1998 – 1 BvL 10 / 98, FR 1999, 528, 531; BVerfG, Beschl. v. 08. 01. 1999 – 1 BvL 14 / 98, BStBl. II 1999, 152, 156; zweifelnd auch Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 159 ff. 247 BVerfG, Urt. v. 24. 07. 1968 – 1 BvR 537 / 65, BVerfGE 24, 75, 100; BVerfG, Beschl. v. 07. 11. 1972 – 1 BvR 338 / 68, BVerfGE 34, 103, 115; BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1982 – 1 BvL 39 / 80, BVerfGE 61, 138, 148 f. 244 245
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systemtragender Grundsatz das Leistungsfähigkeitsprinzip zugrunde liegt und die Besteuerung des Einkommens in besonderer Weise auf die steuerliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen angelegt ist, darf der Gesetzgeber ohne sachlichen Grund nicht vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichen.248
V. Gleichbehandlung der Einkunftsarten 1. Einheitssteuer und Schedulensteuer Die Einkommensteuer lässt sich als Einheitssteuer oder als Schedulensteuer ausgestalten. Eine Einheitsbesteuerung zeichnet sich dadurch aus, dass sämtliche Einkünfte zusammengefasst und rechtlich einheitlich behandelt werden, ohne nach ihrer Herkunft zu unterscheiden. Im Rahmen einer Schedulenbesteuerung werden die unterschiedlichen Quellen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit dagegen jeweils für sich erfasst und unterschiedlichen Besteuerungsfolgen unterworfen. Es findet für steuerliche Zwecke keine Bildung des gesamten Einkommens eines Steuerpflichtigen statt.249 Das deutsche Einkommensteuerrecht enthält keinen umfassenden Einkommensbegriff. Entsprechend der steuerrechtlichen Tradition werden sieben Einkunftsarten unterschieden. Gleichwohl ist es als System der Einheitsbesteuerung konzipiert. Die im Rahmen der Einkunftsarten erzielten Einkünfte werden nicht jeweils für sich besteuert, sondern zusammengefasst und einem einheitlichen Steuertarif unterworfen. Mit der Bildung der „Summe der Einkünfte“ nach § 2 Abs. 3 EStG trifft das Einkommensteuergesetz eine grundsätzliche Entscheidung gegen eine nach Einkunftsarten differenzierende Schedulensteuer. In der Aufzählung mehrerer Einkunftsquellen und der Bildung einer Summe als Ausgangsgröße für das zu versteuernde Einkommen kommt die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, grundsätzlich alle Wertzuflüsse qualitativ und quantitativ nach gleichen Maßstäben zu belasten.250
2. Einheitssteuer als verfassungsrechtliche Anforderung Fraglich ist der rechtliche Hintergrund der Forderung nach einer synthetischen Einkommensteuer. Der Gesetzgeber geht davon es, es handle sich dabei um „keinen Wert an sich“251. Die Gleichbehandlung aller Einkunftsarten entspreche einem 248 Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 53; Lang, StuW 1985, 10, 15; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 329; ders., StuW 1971, 2, 6. 249 Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 668. 250 BFH, Beschl. v. 24. 02. 1999 – X R 171 / 96, BStBl. II 1999, 450, 459; Kirchhof in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 673.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
politischen Konzept, das ohne weiteres modifiziert werden könne. Der synthetischen Einkommensbesteuerung komme keine gesteigerte rechtliche Bedeutung zu. Demgegenüber entspricht es in der Steuerrechtswissenschaft allgemeiner Ansicht, dass eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eine gleiche Behandlung aller Einkunftsarten erfordert. Die Einkünfteerzielung müsse unabhängig von der Einkunftsart, in der diese stattgefunden hat, zu einer gleichen Belastung führen.252 Das Prinzip der Gleichwertigkeit der Einkunftsarten sei als Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips253 oder als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Gebots der Folgerichtigkeit254 zu begreifen. Grundsätzlich wird man annehmen können, dass nur mit einer Gleichbehandlung der Einkunftsarten den Anforderungen des Gleichheitssatzes genügt wird. Die steuerliche Leistungsfähigkeit entsteht unabhängig davon, in welcher Form das Steuersubjekt seine Einkünfte erwirtschaftet und ob damit besondere Beschwernis, Anstrengung oder gesundheitlicher Verschleiß verbunden ist. Auch das Maß an Sicherheit über den Fortbestand der Einkunftsquelle in der Zukunft kann die nach den gegenwärtigen Verhältnissen zu ermittelnde Leistungsfähigkeit nicht beeinflussen. So ist irrelevant, ob die Arbeitskraft des Arbeitnehmers auch künftig benötigt und ob dieser zum Einkommenserwerb überhaupt noch in der Lage sein wird. Er ist deswegen nicht weniger leistungsfähig wie der Steuerpflichtige, der aus „fundierten“ Geldanlagen oder Mietshäusern Einkünfte bezieht. Erforderlich ist die gleichmäßige Abschöpfung des wirtschaftlichen Erfolgs unabhängig davon, wie dieser erzielt worden ist.255 251 Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des StandOG, BT-Drucks. 12 / 5016, S. 79. Diese im Zuge der Einführung eines gespaltenen Einkommensteuertarifs durch § 32 c EStG a.F. geäußerte Ansicht war aber nicht unumstritten. Der Bundesrat wandte sich damals mit der Begründung dagegen, der progressive Einkommensteuertarif lasse sich nur rechtfertigen, wenn er allein an der Leistungsfähigkeit ausgerichtet und nicht mit anderen Wertungen belastet sei. Es dürfe nicht zwischen ,guten‘ und ,schlechten‘ Einkünften unterschieden werden. Durch Sondertarife für einzelne Einkunftsarten werde der die moderne Einkommensbesteuerung kennzeichnende synthetische Einkommensbegriff zugunsten einer überwunden geglaubten Schedulenbesteuerung aufgegeben. Eine Spreizung des Einkommensteuertarifs solle deshalb keinesfalls hingenommen werden (Empfehlungen des Bundesrats zum Entwurf des StandOG, BT-Drucks. 12 / 4487, S. 51 f.). Diese Bedenken wurden auch von der damaligen Opposition im Deutschen Bundestag geteilt (Entschließungsantrag der SPD-Fraktion zum Entwurf des StandOG, BT-Drucks. 12 / 5036, S. 2 f.). Die damalige Bundesregierung erachtete sie jedoch nicht für durchgreifend. 252 Birk, StuW 2000, 328, 331; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 109; Kirchhof, Gutachten für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. F 31 ff.; Lang, Bemessungsgrundlage, S. 218 ff.; ders. in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 9 Rn. 1; ders., StuW 1989, 3, 9; ders., Stbg. 1994, 10, 20; Pezzer, StuW 2000, 144, 147; ders., DStJG 25 (2002), 37, 54; Seer, StbJb. 2000 / 01, 15, 24 f.; Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 66 ff.; ders., Steuerrechtsordnung II, S. 669. 253 Birk, Referat zum 14. Österreichischen Juristentag (2000), Band III / 2, S. 53, 61; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 109; Tipke, StuW 1990, 246. 254 BFH, Beschl. v. 24. 02. 1999 – X R 171 / 96, BStBl. II 1999, 450, 458. 255 Birk / Barth in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 457.
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Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht Distanz gegenüber der pauschalen Forderung nach Gleichbehandlung aller Einkunftsarten signalisiert. So wurde der Wegfall der Arbeitnehmerfreibeträge im Rahmen einer Gesamtwürdigung der steuererheblichen Unterschiede zwischen den Lohneinkünften und den übrigen Einkunftsarten gebilligt.256 Es wäre daher übereilt, jedwede Differenzierung zwischen einzelnen Arten der Einkünfteerzielung ohne weiteres als verfassungsrechtlich unzulässig anzusehen. Weicht der Gesetzgeber bewusst vom Prinzip der synthetischen Einkommensteuer ab, wird regelmäßig ein Zusammenhang mit der Einräumung einer steuerlichen Vergünstigung bestehen. Durch die so geschaffene steuerliche Vorzugsbehandlung verliert die Steuernorm insoweit ihren fiskalischen Charakter und nimmt den einer Lenkungsnorm an. Diese Lenkungsnorm muss sich durch hinreichend gewichtige Gründe rechtfertigen lassen. Allein die systematische Unterscheidung verschiedener Einkunftsarten durch den Gesetzgeber kann für sich eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.257 Dem steht die Idee einer dualen Einkommensteuer gegenüber, wie sie für Deutschland jüngst von ökonomischer Seite propagiert wurde.258 Diese beruht auf einer Besteuerung von Kapitaleinkommen mit einer niedrigen Proportionalsteuer und der Beibehaltung der gegenwärtigen progressiven Einkommensteuer lediglich für Arbeitseinkommen, um damit der besonders ausgeprägten internationalen Mobilität des Faktors Kapital Rechnung zu tragen. Eine duale Einkommensteuer ist jedoch nicht nur mit praktischen Nachteilen behaftet,259 die ermäßigte Besteuerung jeglichen Kapitaleinkommens wirft auch schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Steuerkonzepts auf. Dass eine duale Einkommensteuer jedenfalls bei periodischer Betrachtung des erzielten Einkommens mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip kaum in Einklang zu bringen ist, wird von den Befürwortern denn auch eingeräumt.260
256 BVerfG, Beschl. v. 10. 04. 1997 – 2 BvL 77 / 92, BVerfGE 96, 1, 8. Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 14. 12. 1993 – 1 BvL 25 / 88, BVerfGE 89, 329, 338; Osterloh in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 166. 257 BVerfG, Beschl. v. 10. 04. 1997 – 2 BvL 77 / 92, BVerfGE 96, 1, 6; BVerfG, Beschl. v. 30. 09. 1998 – 2 BvR 1818 / 91, BVerfGE 99, 88, 95; BFH, Beschl. v. 24. 02. 1999 – X R 171 / 96, BStBl. II 1999, 450, 458; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 110; Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 670. 258 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2003 / 04, Tz. 584 ff. Insbesondere in skandinavischen Ländern existiert diese Überlegung bereits seit geraumer Zeit, vgl. o. Fn. 164. 259 Zur dualen Einkommensteuer in der Unternehmensbesteuerung Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, BMF-Schriftenreihe 76, S. 26 ff. 260 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2003 / 04, Tz. 599. Der Einschätzung, diese Bedenken ließen sich durch überperiodische Betrachtung und gebührende Berücksichtigung ökonomischer Denkmodelle im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG ausräumen (Tz. 620 ff.), kann nicht gefolgt werden.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
VI. Lenkungsnormen 1. Zulässigkeit lenkender Steuernormen Im Steuerrecht wird zwischen Fiskalzwecknormen und Lenkungsnormen unterschieden.261 Die Funktion steuerrechtlicher Normen liegt primär in der Deckung des staatlichen Finanzbedarfs, ihr Wesen in der Umsetzung der vom Gesetzgeber getroffenen Belastungsentscheidung in die Belastung der einzelnen Steuersubjekte. Ordnendes Prinzip ist dabei der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Er gewährleistet die gerechte Verteilung der steuerlichen Last auf die Steuersubjekte. Die Bürger sollen in dem Maße zur Finanzierung staatlicher Aufgaben herangezogen werden, wie es ihre wirtschaftliche Lage zulässt.262 Das Steuerrecht kennt daneben auch Normen, die nicht oder nicht vorwiegend auf Einnahmeerzielung, sondern auf Verhaltenssteuerung angelegt sind. Der Staat kann ein von ihm erwünschtes Verhalten zunächst durch direkte Maßnahmen in der Form eines unmittelbar an das Rechtssubjekt gerichteten Normbefehls erreichen. Nicht selten ist es geboten, ein für wünschenswert gehaltenes Verhalten durch ein Anreizsystem anstelle einer imperativen Aufforderung herbeizuführen. Lenkungsnormen zeichnen sich mithin dadurch aus, dass sie der Verfolgung anderer als fiskalischer Zwecke dienen und nicht auf eine möglichst gerechte Verteilung von Belastungswirkungen ausgerichtet sind.263 Charakteristisch für die steuerliche Lenkungsnorm ist die mittelbare Einwirkung auf das individuelle Verhalten.264 Das Steuerrecht eignet sich hierfür in besonderer Weise, weil dem Einzelnen durch gezielte Steuervergünstigungen oder Steuerbelastungen ein finanzieller Vor- oder Nachteil vermittelt werden kann. Die Schaffung eines steuerlichen Anreizes durch Verzicht auf Einnahmen kennzeichnet die Steuervergünstigung.265 Von ihr wird im deutschen Steuerrecht in weitem Umfang Gebrauch gemacht. Der Steuergesetzgeber ist bisher stets von hohen Steuertarifen ausgegangen, um die effektive Steuerbelastung anschließend durch die Gewährung von Steuervergünstigungen auf der Ebene der Bemessungsgrundlage wieder zu 261 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 69; Friauf, StuW 1985, 308, 316; Ruppe, Gutachten für den 8. Österreichischen Juristentag (1982), S. 33 ff.; Tipke, Festschrift 600 Jahre Universität Köln, S. 865, 873; Vogel, DStZ / A 1975, 409, 413; ders., StuW 1977, 97, 107. 262 Birk, Steuerrecht, Rn. 168; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 20. 263 Birk, Steuerrecht, Rn. 169; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 82; ferner Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 21, der den Begriff der Sozialzwecknorm als Oberbegriff zur Abgrenzung von Fiskalzweck- und Vereinfachungszwecknormen verwendet und anschließend nach Lenkungsnormen, die ein politisch erwünschtes Verhalten stimulieren und Umverteilungsnormen, die eine Wohlstandskorrektur bewirken und dem Sozialstaatsprinzip Rechnung tragen sollen, unterscheidet. 264 BVerfG, Urt. v. 20. 04. 2004 – 1 BvR 1748 / 99 u. a., BVerfGE 110, 274, 292; Osterloh, DStJG 24 (2001), 383, 388. 265 Trzaskalik, Gutachten für den 63. Deutschen Juristentag (2000), S. E 65.
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mildern.266 Dies hat dem Tatbestand der Steuervergünstigung besondere praktische Bedeutung verliehen. Dass der Gesetzgeber mit dem Steuerrecht auch Lenkungszwecke verfolgen darf, ist heute unumstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Notwendigkeit anerkannt, in einer modernen Industriegesellschaft das Steuerrecht auch als Lenkungsinstrument aktiver staatlicher Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik einzusetzen. Für den Begriff der Steuer ist es nicht erforderlich, dass eine hoheitliche Geldleistungspflicht allein oder überwiegend der Erzielung von Einkünften dient; mit einer Steuer können auch andere Zwecke verfolgt werden.267 Führt ein Steuergesetz zu einer Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung widerspricht, kann diese vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber dadurch das wirtschaftliche oder sonstige Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will.268 Der Gesetzgeber hat dem einfachgesetzlich durch § 3 Abs. 1 2. Halbs. AO Rechnung getragen, wonach bei einer Steuer der Fiskalzweck nicht vollständig entfallen, aber weitgehend in den Hintergrund treten darf. Nur wenn der Zweck der Einnahmeerzielung vollständig wegfällt, wird der Begriff der Steuer verlassen. Die hoheitliche Geldleistungspflicht hat dann keine Finanzierungsfunktion mehr, sondern dient allein als verwaltungsrechtliches Verbot.269 Eine Lenkungssteuer lässt sich damit als Steuer charakterisieren, deren Hauptzweck die Verhaltensbeeinflussung und deren Nebenfolge die Erzielung von Einnahmen ist.270 Die beiden Zweckrichtungen fließen ineinander und lassen sich kaum trennscharf voneinander abgrenzen. Die lupenreine Sozialzwecknorm ist ebenso selten wie die lupenreine Fiskalzwecknorm.271 In der Wirkung von Steuernormen finden sich regelmäßig beide Elemente wieder. Raupach, StbJb. 1998 / 99, 7, 16 ff. BVerfG, Gutachten v. 16. 06. 1954 – 1 PBvV 2 / 52, BVerfGE 3, 407, 435; BVerfG, Beschl. v. 17. 01. 1957 – 1 BvL 4 / 54, BVerfGE 6, 55, 80; BVerfG, Urt. v. 24. 01. 1962 – 1 BvR 845 / 58, BVerfGE 13, 331, 345 f.; BVerfG, Urt. v. 22. 05. 1963 – 1 BvR 78 / 56, BVerfGE 16, 147, 161; BVerfG, Urt. v. 13. 07. 1965 – 1 BvR 771 / 59 u. a., BVerfGE 19, 101, 114; BVerfG, Beschl. v. 24. 09. 1965 – 1 BvR 228 / 65, BVerfGE 19, 119, 125; BVerfG, Beschl. v. 09. 03. 1971 – 2 BvR 326 / 69 u. a., BVerfGE 30, 250, 264; BVerfG, Beschl. v. 02. 10. 1973 – 1 BvR 345 / 73, BVerfGE 36, 66, 70 f.; BVerfG, Urt. v. 06. 11. 1984 – 2 BvL 19 / 83 u. a., BVerfGE 67, 256, 282; BVerfG, Urt. v. 27. 06. 1991 – 2 BvR 1493 / 89, BVerfGE 84, 239, 274; BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 121, 147; BVerfG, Urt. v. 07. 05. 1998 – 2 BvR 1991 / 95 u. a., BVerfGE 98, 106, 117; BVerfG, Urt. v. 20. 04. 2004 – 1 BvR 1748 / 99 u. a., BVerfGE 110, 274, 292 f. Aus der Literatur etwa Stern, Staatsrecht II, S. 1102 f. 268 BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 121, 147. 269 BVerfG, Urt. v. 22. 05. 1963 – 1 BvR 78 / 56, BVerfGE 16, 147, 161; BVerfG, Urt. v. 07. 05. 1998 – 2 BvR 1991 / 95, BVerfGE 98, 106, 118; Trzaskalik, Gutachten für den 63. Deutschen Juristentag (2000), S. E 14 f. 270 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 3 Rn. 11. 271 Birk, Steuerrecht, Rn. 167; ders., Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 70; Jarass, Lenkende Steuern, S. 15; Osterloh, DStJG 24 (2001), 383, 386; Rodi, Rechtfertigung, S. 82; R. Schmidt, 266 267
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2. Gesetzgebungskompetenz Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, für Steuern mit Lenkungsfunktion sei die Finanzverfassung nur für die Festlegung der Steuer selbst einschlägig, während der Lenkungszweck an den Art. 70 ff. GG zu messen sei.272 Dies kann jedoch nicht überzeugen. Auch durch ihre Lenkungswirkungen verliert eine allgemeine hoheitliche Geldleistungspflicht nicht die Steuereigenschaft, sofern der Fiskalzweck nicht völlig entfällt. Das Bundesverfassungsgericht und die überwiegende Ansicht in der Literatur entnehmen deshalb richtigerweise die Gesetzgebungskompetenz auch für Steuergesetze mit lenkendem Charakter ausschließlich den Vorschriften der Finanzverfassung.273 Wird berücksichtigt, dass beinahe jede Steuer neben dem Fiskalzweck auch Lenkungswirkungen entfaltet, würde die Finanzverfassung des Grundgesetzes praktisch entwertet. Diese ist jedoch als abschließende Regelung für die Steuergesetzgebungskompetenzen konzipiert.274 Da somit die Gesetzgebungskompetenz für alle den Kernbereich der Unternehmensbesteuerung umfassenden Steuerarten dem Bund zugewiesen ist, kann er bei der Besteuerung von Gesellschaften und deren Anteilseignern auch Lenkungszwecke verfolgen, ohne gegen formelles Verfassungsrecht zu verstoßen.
3. Rechtfertigung Lenkungsnormen enthalten einen Be- oder Entlastungstatbestand, der unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten keine Anerkennung verdient, aber aus anderen Gründen geboten ist. Durch Lenkungsnormen werden Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich oder solche mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit gleich behandelt, um den Lenkungszweck zu erreichen. Die Lenkungsnorm trägt mithin die Ungleichbehandlung in sich. Steuerliche Normen mit Lenkungszweck können folglich nicht am Leistungsfähigkeitsprinzip gemessen werden und fallen aus dem grundsätzlichen Strukturmodell einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit heraus.275 Referat zum 63. Deutschen Juristentag (2000), S. N 29; Trzaskalik, Gutachten für den 63. Deutschen Juristentag (2000), S. E 67. 272 Stern, Staatsrecht II, S. 1105; Vogel in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 87 Rn. 52. 273 BVerfG, Gutachten v. 16. 06. 1954 – 1 PBvV 2 / 52, BVerfGE 3, 407, 435 f.; BVerfG, Beschl. v. 30. 10. 1961 – 1 BvR 833 / 59, BVerfGE 13, 181, 196 f.; BVerfG, Urt. v. 22. 05. 1963 – 1 BvR 78 / 56, BVerfGE 16, 147, 160 ff.; BVerfG, Beschl. v. 02. 10. 1973 – 1 BvR 345 / 73, BVerfGE 36, 66, 70 f.; BVerfG, Beschl. v. 17. 07. 1974 – 1 BvR 51 / 69 u. a., BVerfGE 38, 61, 80; BVerfG, Urt. v. 07. 05. 1998 – 2 BvR 1991 / 95 u. a., BVerfGE 98, 106, 118; Maunz in: ders. / Dürig, GG, Art. 105 Rn. 24. 274 BVerfG, Urt. v. 07. 05. 1998 – 2 BvR 1991 / 95 u. a., BVerfGE 98, 106, 118; Jarass, Lenkende Steuern, S. 15. 275 Osterloh, DStJG 24 (2001), 383, 387; Ruppe in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, Einf. Rn. 57; Vogel in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 87 Rn. 52. Widersprüchlich hingegen
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Die Schaffung von Lenkungsnormen ist dennoch nicht schrankenlos möglich. Die durch sie hervorgerufene Ungleichbehandlung erfordert eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung.276 Bereits das Willkürverbot verbietet es dem Gesetzgeber, das Leistungsfähigkeitsprinzip aus beliebigen Gründen zu durchbrechen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung zur Zulässigkeit steuerlicher Lenkungsnormen dem Gesetzgeber zunächst nicht nur bei der Bestimmung des „Ob“, sondern auch des „Wie“ einer mittelbaren Verhaltensbeeinflussung durch Steuernormen einen sehr weiten Spielraum bei der Rechtfertigung entsprechender Ungleichbehandlungen zugebilligt. Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers werde erst überschritten, wenn die Fehlerhaftigkeit seiner Erwägungen so offenkundig sei, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können.277 Diese äußerst zurückhaltende Position des Bundesverfassungsgerichts hat die verfassungsgerichtliche Kontrolle auf ganz evidente Missgriffe des Gesetzgebers beschränkt. Sie stand im Zusammenhang mit der damals vorgenommenen Auslegung des Gleichheitssatzes, die jeden sachlichen Grund zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ausreichen ließ, musste aber Bedenken hervorrufen, weil sie auf jegliche Gewichtung der kollidierenden Belange verzichtet hat. Die Erhaltung der legislatorischen Freiheit ist zweifellos von großer Bedeutung, ihr kann aber nicht automatisch der Vorrang gegenüber individuellen Belangen eingeräumt werden. Genauso wie die Schutzfunktion des Gleichheitssatzes bei Normen mit Fiskalzweck weithin entwertet wird, wenn schon jegliche willkürfreie Erwägung zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ausreicht, gilt dies auch für steuerliche Lenkungsnormen. Der Umschwung des Bundesverfassungsgerichts bei der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zu einer an Verhältnismäßigkeitserwägungen orientierten Betrachtung278 hatte zur Folge, dass auch im Bereich steuerlicher Lenkungsnormen der Freibrief für gesetzgeberische Fehleinschätzungen zugunsten einer intensiveren verfassungsgerichtlichen Kontrolle partiell zurückgenommen worden ist. Dem formellen Gesetzgeber wird zwar nach wie vor ein umfangreicher Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des Steuergegenstands zugestanden, bei der nachfolgenden tatbestandlichen Ausformung müssen jedoch Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip besonders gerechtfertigt werden. Der Grund für die steuerliche Ungleichbehandlung muss von solcher Art und solchem Gewicht Trzaskalik, Gutachten für den 63. Deutschen Juristentag (2000), der einerseits Steuervergünstigungen als eine „durch Gesichtspunkte lastenausteilender Gerechtigkeit nicht zu rechtfertigende Entlastung“ charakterisiert (S. E 66), gleichzeitig aber das Leistungsfähigkeitsprinzip durch Steuervergünstigungen nicht durchbrochen sieht (S. E 83). Hier wird übersehen, dass Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gerade in der Herstellung einer gerechten Lastenausteilung besteht. 276 Birk, Steuerrecht, Rn. 177. 277 BVerfG, Beschl. v. 18. 12. 1968 – 1 BvL 5 / 64 u. a., BVerfGE 25, 1, 17; BVerfG, Beschl. v. 16. 03. 1971 – 1 BvR 52 / 66 u. a., BVerfGE 30, 292, 317; BVerfG, Beschl. v. 17. 07. 1974 – 1 BvR 51 / 69 u. a., BVerfGE 38, 61, 87. 278 s. o. § 9 I. 2.
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sein, dass er die Durchbrechung des allgemeinen Prinzips hinreichend zu begründen vermag.279 Für die Bindungswirkung des Gleichheitssatzes ist dabei von Bedeutung, in welchem Umfang der Grundrechtsträger auf das Diskriminierungsmerkmal Einfluss nehmen kann. Der Gleichheitssatz ist umso offener, je mehr er Verhältnisse betrifft, die eigener Gestaltung unterliegen.280 Die heutige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung entspricht auch der überwiegenden Ansicht in der Literatur.281 Bei der Rechtfertigung von Lenkungsnormen ist danach zunächst die Tauglichkeit des Rechtfertigungsgrundes durch eine Abwägung der verfolgten Lenkungszwecke mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu ermitteln. Das mit der Lenkung verfolgte Gemeinwohlanliegen muss zur Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Beziehung gesetzt werden.282 Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus gefordert, der Lenkungszweck müsse auch „mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein“.283 Diese Vorgabe ist zumindest missverständlich. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass prägendes Merkmal der Lenkung durch Steuern gerade deren mittelbare Wirkung ist. Die Einflussnahme auf das Individualverhalten soll durch ihrer Natur nach mit einer gewissen Subtilität ausgestattete Verhaltensanreize bewirkt werden.284 Die Aussage sollte daher so verstanden werden, dass es der Gesetzgeber erkennbar machen muss, wenn nichtfiskalische Ziele bei der Prüfung des Gleichheitssatzes berücksichtigt werden sollen.285
279 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1989 – 1 BvR 1402 / 87, BVerfGE 81, 108, 118; BVerfG, Beschl. v. 08. 10. 1991 – 1 BvL 50 / 86, BVerfGE 84, 348, 363 f.; BVerfG, Beschl. v. 30. 09. 1998 – 2 BvR 1818 / 91, BVerfGE 99, 88, 95. Sehr viel großzügiger aber wieder BVerfG, Urt. v. 20. 04. 2004 – 1 BvR 1748 / 99 u. a., BVerfGE 110, 274, 293, wonach die Bindung an den Gleichheitssatz in diesen Fällen nur bedeute, Steuervergünstigungen mit Subventionscharakter nicht willkürlich zu gewähren. 280 BVerfG, Beschl. v. 10. 04. 1997 – 2 BvL 77 / 92, BVerfGE 96, 1, 6; BVerfG, Beschl. v. 30. 09. 1998 – 2 BvR 1818 / 91, BVerfGE 99, 88, 94. 281 Vgl. Osterloh, DStJG 24 (2001), 383, 401 Fn. 75. Anders aber Schenke / Schenke, NJW 1999, 2573, 2574, die – offenbar in Anlehnung an die überholte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – gesetzgeberische Wertungen so lange akzeptieren wollen, wie sie sich nicht ex ante als offensichtlich fehlerhaft erweisen und dabei auch eine empirisch unüberprüfbare „psychologische Signalwirkung“ in die Betrachtung mit einbeziehen. 282 Vgl. zur Rechtfertigung von Lenkungsnormen Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 124 ff. 283 BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 121, 148; BVerfG, Beschl. v. 11. 11. 1998 – 2 BvL 10 / 95, BVerfGE 99, 280, 296; BVerfG, Urt. v. 20. 04. 2004 – 1 BvR 1748 / 99 u. a., BVerfGE 110, 274, 293. 284 Trzaskalik, Gutachten für den 63. Deutschen Juristentag (2000), S. E 89 f. 285 BVerfG, Urt. v. 20. 04. 2004 – 1 BvR 1748 / 99 u. a., BVerfGE 110, 274, 293; Osterloh, DStJG 24 (2001), 383, 396.
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4. Steuervergünstigung durch Minderung der Bemessungsgrundlage Eine Steuervergünstigung kann technisch durch Abzug von der Bemessungsgrundlage oder durch Abzug von der Steuerschuld ausgestaltet werden. Die Minderung der Bemessungsgrundlage führt dazu, dass die Entlastung des Steuerpflichtigen entsprechend dem persönlichen Steuersatz und folglich mit steigendem Einkommen zunimmt. Hingegen erlaubt es der Abzug von der Steuerschuld, die Entlastung unabhängig vom Einkommen des Steuerpflichtigen zu gewähren. Die Abhängigkeit der Entlastungswirkung bei Abzug der Steuervergünstigung von der Bemssungsgrundlage wird für gleichheitsrechtlich bedenklich gehalten. Beurteilungsgrundlage für Steuernormen mit Lenkungswirkung ist der mit der Steuervergünstigung verfolgte Zweck. Weist dieser einen sozialpolitischen Hintergrund auf und ist vorwiegend auf die Förderung einkommensschwacher Steuerpflichtiger ausgerichtet, ist mit steigendem Einkommen eine abnehmende Förderungswürdigkeit verbunden. Ein Regressionseffekt wird hier regelmäßig nicht zugelassen werden können.286 Dies gilt jedoch nicht absolut. Verspricht gerade diese Form der Entlastungswirkung besondere Effizienz, kann ausnahmsweise auch eine Ausgestaltung in der Form einer Minderung der Bemessungsgrundlage in Betracht kommen.287 Maßgebend ist damit, wie die angestrebte Lenkungswirkung am effektivsten erzielt werden kann. Ob ein Regressionseffekt bei Lenkungsnormen zugelassen werden kann, ist in Bezug auf die konkret angestrebte Lenkungswirkung zu beurteilen. Bei Lenkungsnormen, die auf eine Förderung der Bezieher geringer Einkünfte abzielen, ist der Regressionseffekt verfehlt. Bei wirtschaftspolitisch motivierter Lenkung kann dies anders zu beurteilen sein, wenn sich hierdurch gerade auch Steuerpflichtige mit höherem persönlichen Einkommen ansprechen lassen. Von Bedeutung ist insbesondere, inwieweit dem Steuerpflichtigen aufgrund seiner persönlichen Situation Ausweichmöglichkeiten eröffnet sind. Allgemein gilt, dass auch Steuervergünstigungen, die durch Abzug von der Bemessungsgrundlage verwirklicht werden, nicht von vornherein als unzulässig angesehen werden können.
286 Birk / Barth in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 505; Kirchhof in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 605; ders. in: Isensee / ders., HStR IV, § 88 Rn. 118; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 128; Ruppe in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, Einf. Rn. 57; Trzaskalik, Gutachten für den 63. Deutschen Juristentag (2000), S. E 85; Wernsmann, NJW 2000, 2078, 2080; Zitzelsberger, StuW 1985, 197, 204. 287 Ruppe in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, Einf. Rn. 57; Zitzelsberger, StuW 1985, 197, 204; einschränkend Kirchhof, Gutachten für den 57. Deutschen Juristentag (1988), S. F 79.
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§ 10 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Freiheitsgrundrechten Der Gleichheitssatz ist funktionell auf einen Vergleich zweier Situationen angelegt, die sich einem gemeinsamen Oberbegriff zuordnen lassen.288 Im Steuerrecht gewährleistet der Gleichheitssatz die gerechte Verteilung der Belastung, die durch eine Steuer hervorgerufen wird. Aus dem Gleichheitssatz lassen sich folglich keine Obergrenzen für die steuerliche Belastung ableiten. Auch der vollständige Entzug des Nettoergebnisses durch Besteuerung wäre danach keine Verletzung des Gleichheitssatzes, sofern diese nur bei jedem Steuersubjekt in gleicher Weise erfolgt. Hier entfaltet der Gewährleistungsgehalt der Freiheitsgrundrechte seine Wirkung. Freiheitsgrundrechte sind auf eine isolierte Betrachtung des einzelnen Grundrechtssubjekts angelegt. Sie sind deshalb auch allein geeignet, im einzelnen Fall eine Belastungsobergrenze zu gewährleisten. Ihnen kommt neben dem Gleichheitssatz eine eigenständige Bedeutung bei der Bemessung der Steuerlast zu, um den Fortbestand einer auf privater Initiative beruhenden Gesellschaftsordnung zu gewährleisten. Durch den Steuerzugriff des Staates sind in erster Linie die Eigentumsgarantie und die Berufsfreiheit berührt, im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer Gesellschaft möglicherweise auch die Vereinigungsfreiheit.
I. Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) Die Eigentumsgarantie ist eine Fundamentalnorm im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes. Aufgabe des Eigentums ist es, dem Grundrechtsträger die Möglichkeit individueller Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich und dadurch die eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu sichern.289 Die grundsätzliche Privatnützigkeit der erworbenen Eigentumspositionen stellt die Grundlage privater Initiative dar.290 Die Eigentumsfreiheit erlangt damit auch eine wesentliche Bedeutung für das Wirtschafts- und Steuerrecht. Sie zeichnet sich durch eine besonders intensive Normprägung aus.291 Welche Vorgaben für den Steuergesetzgeber aus Art. 14 Abs. 1 GG folgen, ist allerdings nach wie vor nicht eindeutig geklärt. 1. Eröffnung des Schutzbereichs Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG deckt sich nicht mit dem zivilrechtlichen Eigentumsbegriff des § 903 BGB, sondern ist aus dem Verfassungs288 289 290 291
Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 433. BVerfG, Beschl. v. 31. 10. 1984 – 1 BvR 35 / 82, BVerfGE 68, 193, 222. BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979 – 1 BvR 532 / 77 u. a., BVerfGE 50, 290, 339. Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 894.
§ 10 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Freiheitsgrundrechten
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recht abzuleiten. Er reicht über das bürgerlich-rechtliche Eigentum und seine Teilrechte hinaus. Unter den grundrechtlichen Eigentumsbegriff fallen sämtliche vermögenswerten Rechte des Privatrechts292 sowie öffentlich-rechtliche Eigentumssurrogate.293 Gleichzeitig ist zu beachten, dass sich der Eigentumsschutz des Art. 14 GG auf den einzelnen Vermögensgegenstand bezieht. Das Eigentumsgrundrecht und seine Schranken lassen diesen Bestandsschutz nur ausnahmsweise in eine Wertgarantie umschlagen.294 Dem entspricht die Aussage, Art. 14 GG schütze grundsätzlich nicht das Vermögen als solches. Fraglich ist daher, ob durch staatlichen Steuerzugriff der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG berührt wird.
a) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Seit dem ersten Urteil zu dieser Frage aus dem Jahr 1954 vertritt das Bundesverfassungsgericht im Anschluss an Forsthoff295 die Meinung, die Auferlegung von hoheitlichen Geldleistungspflichten berühre den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts nicht.296 In der Folgezeit wurde diese Aussage dahingehend abge292 BVerfG, Urt. v. 07. 08. 1962 – 1 BvL 16 / 60, BVerfGE 14, 263, 276 (Aktien); BVerfG, Beschl. v. 15. 01. 1974 – 1 BvL 5 / 70 u. a., BVerfGE 36, 281, 290 (Patentrecht); BVerfG, Beschl. v. 08. 06. 1977 – 2 BvR 499 / 74 u. a., BVerfGE 45, 142, 179; BVerfG, Beschl. v. 22. 05. 1979 – 1 BvL 9 / 75, BVerfGE 51, 193, 217 (Warenzeichenrecht); BVerfG, Urt. v. 21. 10. 1987 – 1 BvR 1048 / 87, BVerfGE 77, 130, 136 (Bergbauberechtigung); BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1988 – 1 BvR 743 / 86 u. a., BVerfGE 79, 29, 40 (Urheberrecht); BVerfG, Beschl. v. 30. 11. 1988 – 1 BvR 1301 / 84, BVerfGE 79, 174, 191 (Erbbaurecht); BVerfG, Beschl. v. 09. 01. 1991 – 1 BvR 929 / 89, BVerfGE 83, 201, 209 (Grundpfandrechte); BVerfG, Beschl. v. 26. 05. 1993 – 1 BvR 208 / 93, BVerfGE 89, 1, 7 (Besitzrecht an Wohnraum); BVerfG, Beschl. v. 26. 04. 1995 – 1 BvL 19 / 94, BVerfGE 92, 262, 271 (privatrechtliche Forderungen). 293 BVerfG, Beschl. v. 07. 05. 1963 – 2 BvR 481 / 60, BVerfGE 16, 94, 111 f.; (Ruhegehalt von Beamten); BVerfG, Beschl. v. 20. 03. 1984 – 1 BvL 27 / 82, BVerfGE 66, 234, 247; BVerfG, Beschl. v. 08. 04. 1987 – 1 BvR 564 / 84 u. a., BVerfGE 75, 78, 96 f. (Sozialversicherungsleistungen und -anwartschaften); BVerfG, Beschl. v. 08. 10. 1985 – 1 BvL 17 / 83 u. a., BVerfGE 70, 278, 285 (Steuererstattungsanspruch); BVerfG, Beschl. v. 10. 02. 1987 – 1 BvL 15 / 83, BVerfGE 74, 203, 213; BVerfG, Beschl. v. 23. 03. 1994 – 1 BvL 8 / 85, BVerfGE 90, 226, 236. Dagegen sind reine Sozialleistungen des Staates nicht von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt, vgl. BVerfG, Urt. v. 28. 02. 1980 – 1 BvL 17 / 77 u. a., BVerfGE 53, 257, 291 f.; BVerfG, Urt. v. 16. 07. 1985 – 1 BvL 5 / 80, BVerfGE 69, 272, 301 f. Dies gilt etwa für Witwenrenten (BVerfG, Beschl. v. 18. 02. 1998 – 1 BvR 1318 / 86 u. a., BVerfGE 97, 271, 283 ff.), Sozialhilfe und Kindergeld (BSG, Urt. v. 22. 01. 1986 – 10 RKg 2 / 84, NJW 1987, 463) oder Subventionen (BVerfG, Beschl. v. 13. 05. 1986 – 1 BvR 99 / 85 u. a., BVerfGE 72, 175, 193 ff.). 294 Papier in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 42. 295 Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), 8, 32. 296 BVerfG, Urt. v. 20. 07. 1954 – 1 BvR 459 / 52 u. a., BVerfGE 4, 7, 17 („Wenngleich der Umfang der durch Art. 14 GG geschützten Objekte in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten ist, besteht doch Einigkeit darüber, dass Art. 14 GG nicht das Vermögen gegen Ein-
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
schwächt, dass dies „grundsätzlich“ gelte.297 Lediglich bei einer übermäßigen Belastung, die die Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtige, könne Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG auch im Steuerrecht von Bedeutung sein. Konkretisiert wurde dies anschließend in der Weise, dass Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG vor einer Erdrosselungsbesteuerung schütze.298 Darunter wird die steuerliche Abschöpfung von Erträgen verstanden, die so weitgehend ist, dass dadurch die geschützte Betätigung wirtschaftlich sinnlos wird.299 Den grundsätzlichen Ausschluss des durch hoheitlichen griffe durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt. Solche Geldleistungspflichten [ . . . ] berühren nicht die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes.“ – Hervorhebung durch den Verf.). Vgl. auch BVerfG, Urt. v. 29. 07. 1959 – 1 BvR 394 / 58, BVerfGE 10, 89, 116; BVerfG, Beschl. v. 25. 02. 1960 – 1 BvR 239 / 52, BVerfGE 10, 354, 371; BVerfG, Urt. v. 10. 05. 1960 – 1 BvR 190 / 58, BVerfGE 11, 105, 126; BVerfG, Beschl. v. 24. 09. 1965 – 1 BvR 228 / 65, BVerfGE 19, 119, 128 f.; BVerfG, Beschl. v. 14. 05. 1968 – 2 BvR 544 / 63, BVerfGE 23, 288, 314 f.; BVerfG, Beschl. v. 15. 07. 1969 – 1 BvR 457 / 66, BVerfGE 26, 327, 338; BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1969 – 2 BvL 3 / 66 u. a., BVerfGE 27, 111, 131; BVerfG, Beschl. v. 18. 03. 1970 – 2 BvO 1 / 65, BVerfGE 28, 119, 142; BVerfG, Beschl. v. 17. 07. 1974 – 1 BvR 51 / 69 u. a., BVerfGE 38, 61, 102; BVerfG, Beschl. v. 08. 03. 1983 – 2 BvL 27 / 81, BVerfGE 63, 312, 327; BVerfG, Beschl. v. 03. 07. 1985 – 1 BvL 55 / 81, BVerfGE 70, 219, 230. Aus der Literatur Bull, NJW 1996, 281, 283; Epping, Die Außenwirtschaftsfreiheit, S. 93 ff.; Wieland in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 48. Überblicke zum Meinungsstand bei Birk / Barth in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 580 ff.; Friauf, DStJG 12 (1989), 3, 19 ff. 297 Erstmals BVerfG, Urt. v. 29. 07. 1959 – 1 BvR 394 / 58, BVerfGE 10, 89, 116. 298 BVerfG, Urt. v. 14. 12. 1965 – 1 BvR 571 / 60, BVerfGE 19, 253, 267 f.; BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1970 – 1 BvR 559 / 70, BVerfGE 29, 402, 413; BVerfG, Beschl. v. 22. 03. 1983 – 2 BvR 475 / 78, BVerfGE 63, 343, 368; BVerfG, Beschl. v. 15. 05. 1984 – 1 BvR 464 / 81, BVerfGE 67, 70, 88; BVerfG, Beschl. v. 28. 11. 1984 – 1 BvR 1157 / 82, BVerfGE 68, 287, 310 f.; BVerfG, Beschl. v. 14. 05. 1986 – 2 BvL 2 / 83, BVerfGE 72, 200, 248; BVerfG, Beschl. v. 01. 07. 1987 – 1 BvL 21 / 82, BVerfGE 76, 130, 141; BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 1988 – 1 BvR 520 / 83, BVerfGE 78, 214, 230; BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1989 – 1 BvR 1402 / 87, BVerfGE 81, 108, 122. Im Anschluss an die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung BFH, Urt. v. 30. 07. 1965 – III 186 / 64 U, BStBl. III 1965, 574, 576; BFH, Urt. v. 09. 03. 1972 – IV R 94 / 69, BStBl. II 1972, 538, 540; BFH, Urt. v. 14. 05. 1974 – VIII R 162 / 73, BStBl. II 1974, 582; BFH, Urt. v. 17. 02. 1976 – VIII R 34 / 75, BStBl. II 1976, 387, 388; BFH, Urt. v. 13. 11. 1981 – III R 69 / 80, BStBl. II 1982, 184, 186; BFH, Beschl. v. 26. 05. 1982 – I B 98 - 99 / 81, BStBl. II 1982, 600, 602; BFH, Urt. v. 07. 05. 1987 – IV R 125 / 86, BStBl. II 1987, 530, 532; BFH, Urt. v. 11. 08. 1999 – XI R 77 / 97, BStBl. II 1999, 771, 773 f.; BVerwG, Beschl. v. 28. 12. 1957 – BVerwG VII B 9.57, BVerwGE 6, 134, 144; BVerwG, Urt. v. 07. 03. 1958 – BVerwG VII C 84.57, BVerwGE 6, 247, 266 ff.; BVerwG, Urt. v. 06. 08. 1959 – BVerwG I C 204.57; BVerwGE 10, 3, 7; BVerwG, Urt. v. 24. 03. 1961 – BVerwG VII C 29.60, BVerwGE 12, 140, 162; BVerwG, Urt. v. 26. 05. 1967 – BVerwG VII C 92.65, BVerwGE 27, 146, 152; BVerwG, Urt. v. 07. 02. 1975 – BVerwG VII C 68.72 u. a., BVerwGE 48, 1, 9. 299 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 42. Unklar ist, ob es einen sachlichen Unterschied zwischen erdrosselnder und konfiskatorischer Besteuerung gibt, wie er hier von Jachmann eingeführt wird. Das Bundesverfassungsgericht verwendet die beiden Begriffe synonym, vgl. BVerfG, Beschl. v. 22. 03. 1983 – 2 BvR 475 / 78, BVerfGE 63, 343, 368; ebenso noch Jachmann, StuW 1996, 97, 101. Das erscheint auch sinnvoll, wenn man das Verbot konfiskatorischer Besteuerung als Ausprägung des Übermaßverbots versteht und mit dem Begriff das Umschlagen einer verhältnismäßigen in eine übermäßige Besteuerung beschreiben will.
§ 10 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Freiheitsgrundrechten
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Steuerzugriff berührten Eigentums aus dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts erneut wiederholt. Werde der Grad der Erdrosselung nicht erreicht, sei der bloße Geldentzug eigentumsrechtlich ohne Belang.300
b) Lehre von der Eigentümerfreiheit Dem steht die Lehre von der Eigentümerfreiheit gegenüber, die von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht nur das Eigentum an konkreten Vermögensgegenständen sondern auch die Freiheit geschützt wissen will, über die einzelnen Eigentumsgegenstände nach eigenem Belieben zu verfügen und somit den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG bei jedem Steuerzugriff eröffnet sieht.301 Neuere Entscheidungen des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts tendieren unter dem Einfluss des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Kirchhof als exponiertem Vertreter der Lehre von der Eigentümerfreiheit ebenfalls in diese Richtung.302
c) Kein Wegfall des Grundrechtsschutzes durch Auswahl des aufzuopfernden Vermögensgegenstands Der Ansicht, Art. 14 Abs. 1 GG schütze umfassend vor hoheitlichem Steuerzugriff wird entgegengehalten, sie missachte die Wertung des Art. 14 Abs. 3 GG. Der Enteignungstatbestand lasse nur ausnahmsweise den Schutz an einzelnen Vermögensgegenständen in einen Schutz des Wertes des Vermögens umschlagen. Durch die Lehre von der Eigentümerfreiheit werde Art. 14 Abs. 1 GG mittelbar in eine Wertgarantie uminterpretiert.303 Richtig ist, dass Art. 14 Abs. 3 GG im Lichte der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts beim Entzug konkret-individueller Eigentumspositionen eine Wertgarantie nur in besonderen Fällen beinhaltet.304 Beides lässt sich aber nur beBVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1997 – 1 BvR 479 / 92 u. a., BVerfGE 96, 375, 397. Grundlegend Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213, 215 ff.; ders., StuW 1984, 297, 309 ff.; ders. in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 160 ff.; ders. in: Isensee / ders., HStR IV, § 88 Rn. 88 ff. 302 Namentlich BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 121, 137: „Die Vermögensteuer [ . . . ] greift in die in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich ein (Art. 14 GG).“ (Hervorhebungen durch den Verf.). Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 31. 03. 1998 – 2 BvR 1877 / 97 u. a., BVerfGE 97, 350, 371. 303 Birk / Barth in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 591 ff.; Erdmann, DVBl. 1986, 659, 662 f.; Papier in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 169; ders., DVBl. 1980, 787, 789 f.; ders., KritV 1987, 140, 144 f. 304 Grundlegend BVerfG, Beschl. v. 15. 07. 1981 – 1 BvL 77 / 78, BVerfGE 58, 300, 323. 300 301
7 Wäckerlin
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
dingt miteinander vergleichen. Staatliche Steuerpflichten stellen Inhalts- und Schrankenbestimmungen dar, die ihre Besonderheit darin finden, dass sie zwar auf reine Geldleistungspflichten gerichtet sind, aber nur um den Preis der Aufgabe konkret-individueller Eigentumspositionen erfüllt werden können. Der Staat enthält sich der Auswahl des einzelnen Vermögensbestandteils, der zur Steuerzahlung verwendet werden soll im sicheren Wissen darum, dass das Steuersubjekt seinen Pflichten nur durch die Aufgabe konkreter Vermögensgegenstände nachkommen kann, von denen jeder für sich unter dem Schutz der Eigentumsgarantie steht.305 Allein die Wahlfreiheit des Steuerpflichtigen, welchen seiner Vermögensgegenstände er zugunsten des Staates aufgeben will, kann nicht dazu führen, dass ihm der Schutz durch die Eigentumsgarantie abgesprochen wird.306 Alles andere führte zum kaum nachvollziehbaren Ergebnis, dass der Grundrechtsschutz des Ganzen hinter der Summe des Schutzes seiner einzelnen Teile zurückbleibt.307 Zudem ist nicht recht einzusehen, weshalb allein der staatliche Finanzbedarf eine Besteuerung an der Eigentumsgarantie vorbei ermöglichen soll. Nach Art. 1 Abs. 3 GG ist neben Verwaltung und Rechtsprechung auch der formelle Gesetzgeber an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden. Eine faktische Bereichsausnahme für steuerrechtliche Normen findet im umfassenden Schutzkonzept des Grundgesetzes308 keine hinreichende Stütze. Eigentümlich ist schließlich der vom Gericht gewählte rechtsdogmatische Ansatz. Das Bundesverfassungsgericht geht bei seiner Annahme, die Eigentumsgarantie biete keinen Schutz vor Besteuerung, davon aus, erst das Vorliegen einer erdrosselnden Besteuerung eröffne den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und stelle gleichzeitig einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht dar. Die Eröffnung des Schutzbereichs wird mithin von der Intensität des Eingriffs abhängig gemacht. Vor dem Hintergrund der allgemein anerkannten Grundrechtsdogmatik lässt sich jedoch nicht plausibel erklären, warum das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs gleichzeitig den Umfang des Schutzbereichs determinieren soll. Die Bestimmung des Umfangs des Schutzbereichs ist vielmehr vorrangig gegenüber der Frage, ob ein Eingriff vorliegt. Erst wenn Klarheit darüber besteht, ob der Grundrechtsträger in der konkreten Situation überhaupt geschützt ist, kann anschließend untersucht werden, ob diese Rechtsposition verkürzt wird. Von einem Eingriff kann erst die Rede sein, wenn zuvor die Grundrechtsrelevanz des staatlichen Ver305
Friauf, DÖV 1980, 480, 488; Seer, FR 1999, 1280, 1283; Wendt, NJW 1980, 2111,
2114. 306 Depenheuer in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 173; Seer, FR 1999, 1280, 1283. 307 Friauf, DStJG 12 (1989), 3, 22. 308 Das Bundesverfassungsgericht hat dies im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 GG immer wieder betont (statt vieler BVerfG, Urt. v. 16. 01. 1957 – 1 BvR 253 / 56, BVerfGE 6, 32, 41; BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1970 – 1 BvR 559 / 70 u. a., BVerfGE 29, 402, 408; BVerfG, Beschl. v. 06. 06. 1989 – 1 BvR 921 / 85, BVerfGE 80, 137, 152 f.) und den in der Literatur vorgeschlagenen Einschränkungen eine Absage erteilt.
§ 10 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Freiheitsgrundrechten
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haltens festgestellt ist. Ein Grundrechtsverständnis, das den Schutzumfang von der Qualität eines beeinträchtigenden Verhaltens abhängig macht, lässt diese logische Reihenfolge unberücksichtigt.
2. Eingriff Ein Grundrechtseingriff liegt nach heutigem Verständnis in jedem staatlichen Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht.309 Erfasst sind damit neben finalen auch mittelbare Eingriffe.310 Durch den staatlichen Steuerzugriff wird dem Steuerpflichtigen das Recht genommen, über diejenigen Vermögensgegenstände nach eigenem Belieben zu verfügen, die er für die Steuerzahlung aufzuwenden und infolgedessen aufzugeben hat. Da dem Grundrechtsträger auch bei der Auferlegung hoheitlicher Geldleistungspflichten der Schutz durch das Eigentumsgrundrecht nicht versagt werden kann, liegt ein Eingriff in den Schutzbereich vor.
3. Rechtfertigung Bei der Festlegung von Steuerpflichten handelt es sich nicht um den zielgerichteten staatlichen Zugriff auf eine konkret-individuelle Eigentumsposition, sondern um die abstrakt-generelle Einschränkung des Eigentumsgrundrechts und folglich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.311 Diese darf nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, die den Grundrechtsträger unverhältnismäßig stark belastet, löst eine Ausgleichspflicht aus, die erst die Verhältnismäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung herstellt.312 Nur ein verhältnismäßiger Steuerzugriff stellt Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 240. Vgl. dazu jüngst BVerfG, Beschl. v. 26. 06. 2002 – 1 BvR 558 / 91 u. a., BVerfGE 105, 252 zu hoheitlichen Warnungen. Das Bundesverfassungsgericht geht hier allerdings davon aus, nur die unsachliche Information stelle einen Eingriff (in Art. 12 Abs. 1 GG) dar, BVerfGE 105, 252, 273. Richtigerweise kommt jeder Informationstätigkeit Eingriffsqualität zu, wenn sie den Schutzbereich des Grundrechts beeinträchtigt; die angestellten Überlegungen zur Sachbezogenheit der Information stellen sich dann auf der Ebene der Rechtfertigung. Zutreffend daher BVerfG, Beschl. v. 26. 06. 2002 – 1 BvR 670 / 91, BVerfGE 105, 279, 300 f. 311 Friauf, DStJG 12 (1989), 3, 24. 312 Grundlegend BVerfG, Beschl. v. 14. 07. 1981 – 1 BvL 24 / 78, BVerfGE 58, 137. Das Übermaßverbot bildet nicht nur einen Rechtmäßigkeitsmaßstab im Normvollzug, sondern bindet auch den Gesetzgeber selbst, vgl. Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 209; Stern, Staatsrecht I, S. 864 m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Bedeutung des Übermaßverbots ist jedoch dort gering, wo nicht eine konkrete ZweckMittel-Relation überprüft wird. Aufgrund des in der Rechtsprechung vorherrschenden Verständnisses des Art. 14 Abs. 1 GG konnte es in der Steuergesetzgebung bislang keine nennenswerte Wirkung entfalten. 309 310
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
auch eine verfassungskonforme Ausgestaltung des durch die Normprägung des Art. 14 GG vorgegebenen Rahmens dar.
a) Die konfiskatorische Besteuerung In Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt ist, dass sich eine konfiskatorische Besteuerung nicht mit der Eigentumsgarantie vereinbaren lässt.313 Sieht man den Schutzbereich des Art. 14 GG auch beim staatlichen Steuerzugriff als eröffnet an, so ist die konfiskatorische Besteuerung folgerichtig als übermäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung zu begreifen. Die Unverhältnismäßigkeit führt zur Ausgleichspflicht, der durch einen Verzicht auf die übermäßige Besteuerung Rechnung getragen wird.
b) Der Vermögensteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts Umstritten ist, ob sich aus der Eigentumsgarantie weitergehende Aussagen über Umfang und Grenzen der Steuerpflicht entnehmen lassen. Der Vermögensteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts hat eine intensive Diskussion über die Existenz von Besteuerungsschranken ausgelöst, die bereits unterhalb des Verbots konfiskatorischer Besteuerung eingreifen. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ein Halbteilungsgrundsatz entnommen, demzufolge die Gesamtsteuerbelastung von Einkünften bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen eine ungefähr hälftige Teilung der üblicherweise zu erwartenden Erträge zwischen privater und öffentlicher Hand nicht übersteigen dürfe.314 Über die Annahme eines aus der Verfassung abzuleitenden Halbteilungsgrundsatzes wird seitdem lebhaft diskutiert. Der Halbteilungsgrundsatz wird vom Ersten Senat kommentarlos abgelehnt315 und war auch innerhalb des Zweiten Senats nicht unumstritten.316 Der Bundesfinanzhof hat seine Geltung auf die Vermögensteuer beschränkt und eine Bindungswirkung für andere Steuerarten augeschlossen.317 Auch in der Literatur wird er teilweise mit großer Entschiedenheit abgelehnt.318 Unter den Befürwortern des Halbteilungsgrundsatzes ist unklar, auf welche anderen Steuern als die Ver313 Vgl. Isensee, Festschrift f. H. P. Ipsen, S. 409, 434 f. („Der Steuerstaat partizipiert, er konfisziert nicht.“) und die Nachweise in Fn. 298. 314 BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 121, 138. 315 BVerfG, Urt. v. 08. 04. 1997 – 1 BvR 48 / 94, BVerfGE 95, 267, 300; BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1997 – 1 BvR 479 / 92 u. a., BVerfGE 96, 375, 397. 316 Vgl. Sondervotum Böckenförde zu BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 149. 317 BFH, Urt. v. 11. 08. 1999 – XI R 77 / 97, BStBl. II 1999, 771, 772 ff.; BFH, Urt. v. 15. 10. 1997 – I R 19 / 97, BFH / NV 1998, 746, 748. 318 Vgl. die Nachweise bei Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 223 Fn. 37.
§ 10 Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Freiheitsgrundrechten
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mögensteuer sich dieser übertragen lässt und ob eine Gesamtbelastung durch mehrere Steuern einer Überprüfung am Halbteilungsgrundsatz unterzogen werden muss. Das betrifft namentlich die Frage, ob nach dem Halbteilungsgrundsatz die Körperschaftsteuerbelastung zur Besteuerung des Anteilseigners hinzuaddiert werden muss.319
c) Zur Existenz eines „Halbteilungsgrundsatzes“ im Ertragsteuerrecht Die Entwicklung des vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Halbteilungsgrundsatzes lässt sich im Wesentlichen auf das Wirken des damaligen Bundesverfassungsrichters Kirchhof zurückführen. Der Halbteilungsgrundsatz beruht auf der Annahme, Art. 14 Abs. 1 GG schütze die Eigentümerfreiheit und damit umfassend auch vor staatlichem Steuerzugriff. Vom bisherigen Ansatz der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich dieses Ergebnis nicht begründen, weil eine Besteuerung in Höhe der Hälfte der Bemessungsgrundlage noch keine konfiskatorische Besteuerung darstellt und somit der Schutzbereich der Eigentumsgarantie nicht eröffnet ist. Auch wenn man mit der überwiegenden Literatur den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit durch den Steuerzugriff berührt sieht und diesen für rechtfertigungsbedürftig hält, folgt daraus noch nicht, dass der Halbteilungsgrundsatz befürwortet werden müsste.
aa) Der Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG Anhaltspunkt für die verfassungsrechtliche Verankerung des Halbteilungsgrundsatzes ist Art. 14 Abs. 2 S. 2, demzufolge das Eigentum neben der Privatnützigkeit zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll. Dabei wird dem Ausdruck „zugleich“ die Bedeutung „zu gleichen Teilen“ beigemessen. Dieses Auslegungsergebnis kann jedoch mit guten Gründen angegriffen werden. Schon eine grammatikalische Auslegung legt ein Verständnis des Begriffs im Sinne eines „sowohl – als auch“ nahe. Dem Ausdruck „zugleich“ kann unmittelbar nur ein Nebeneinander von Privatnützigkeit des Eigentums und Allgemeinwohl entnommen werden. Aussage des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ist, dass weder das Interesse an privatnütziger Ausübung der Eigentümerbefugnisse noch die Belange der Allgemeinheit an einer sozialen Gesellschaftsordnung gänzlich vernachlässigt werden dürfen. Genau dies kommt für den Bereich des Steuerrechts im allgemein anerkannten Verbot konfiskatorischer Besteuerung zum Ausdruck. Die Annahme, in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG sei weitergehend die Beschränkung des staatlichen Steuerzugriffs auf die Hälfte ausgesprochen, müsste folglich durch die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes unterstrichen werden können. Jedoch 319 Arndt, BB 1996, Beilage 7, S. 6; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 155; Rose, DB 1997, 494, 496.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Grundgesetzgeber durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG eine Aussage über die zulässige Obergrenze des Steuerzugriffs hat treffen wollen. Vor und nach Inkrafttreten des Grundgesetzes lag die Steuerbelastung teilweise deutlich oberhalb von 50 v.H., ohne dass daran verfassungsrechtlich Anstoß genommen worden ist.320 Auch die besonders starke Normprägung der Eigentumsgarantie spricht nicht dafür, dass sich anhand des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG eine derartige Aussage treffen lässt.321
bb) Vorrang der privaten Eigentumsnutzung In der Literatur ist ferner der Versuch unternommen worden, den Halbteilungsgrundsatz auf einen behaupteten abstrakten Vorrang der privaten Eigentumsnutzung vor der Staatsfinanzierung zu stützen. Dieser Vorrang der Privatinitiative soll sich aus den Grundrechten der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und des Eigentums (Art. 14 GG), unter Einbeziehung des Prinzips der Menschenwürde ergeben.322 Konkretisiert werde dieses Subsidiaritätsprinzip aber namentlich durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG.323 Die Verwirklichung dieses Subsidiaritätsprinzips erfordere, dass jedenfalls die Hälfte der privatwirtschaftlich erzielten bzw. typischerweise zu erzielenden Erträge nicht durch Steuern abgeschöpft werden dürfe, um es so dem Einzelnen zu ermöglichen, mit dem Ergebnis seiner erwerbswirtschaftlichen Betätigung in individueller Selbstverantwortung eigenständig Vorsorge zu betreiben.324 Dieses Postulat ist in mehrfacher Hinsicht unhaltbar. Zutreffend wird konstatiert, dass oft staatliche Maßnahmen unter Berufung auf die Menschenwürde gerügt werden, die von deren Verletzung weit entfernt sind.325 So verhält es sich auch hier, wenn eine die hälftige Teilung überschreitende Besteuerung mit der Menschenwürde in Verbindung gebracht wird. Der Steuerpflichtige, der mit seinen Einkünften eine steuerliche Belastung von mehr als 50 v.H. erreicht, ist aufgrund der Höhe seiner Einkünfte zu einem menschenwürdigen Dasein ohne weiteres in der Lage. Es erscheint geradezu absurd zu behaupten, die Gesamtsteuerbelastung dürfe bei keinem Steuerpflichtigen über 50 v.H. betragen, um dessen Selbstversorgung 320 Von 1946 bis zur Währungsreform lag der Körperschaftsteuerspitzensatz bei 65 v.H. Zu Beginn der 1950er Jahre lag der allgemeine Körperschaftsteuersatz, anschließend noch der für einbehaltene Gewinne bei 60 v.H. Vgl. Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe 17, Kap. IV Rn. 12 f. 321 Kritisch auch Eschenbach, DStZ 1997, 413, 414 f.; Tipke, MDR 1995, 1177, 1179; befürwortend hingegen Vogel, NJW 1996, 1257, 1258. 322 Jachmann, StuW 1996, 97, 99 f. 323 Seer, FR 1999, 1280, 1285 f.; ders., DStJG 23 (2000), 87, 104 ff. 324 Jachmann, StuW 1996, 97, 103 f.; Seer, FR 1999, 1280, 1284 f.; ders., DStJG 23 (2000), 87, 102 ff. 325 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 363.
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zu gewährleisten. Dazu kommt, dass sich ein derartiges Subsidiaritätsprinzip auch bei großzügiger Auslegung im Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG nicht festmachen lässt. Die Norm sieht im Gegenteil eine Einschränkung der Eigentümerbefugnisse zugusten der Allgemeinheit vor. Daneben wird die Funktion des Sozialstaatsprinzips verkannt. Das Sozialstaatsprinzip berechtigt den Staat nicht nur zur Berücksichtigung sozialer Belange, sondern verpflichtet ihn auch zu entsprechenden Bemühungen. Es geht in Abwägungsvorgänge ein, die einen Eingriff in grundrechtlich geschützte Freiheiten rechtfertigen können und entfaltet so seine Wirkung gegenüber dem Träger eines Grundrechts. Genauso wenig wie sich jedoch aus dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG eine quantifizierbare, allgemeingültige Belastungsobergrenze ergibt, kann diese aus einer Kombination von Grundrechten und Sozialstaatsprinzip gewonnen werden. Dazu kommt, dass mit dem objektiv-rechtlichen Sozialstaatsprinzip ein subjektiv-öffentliches Recht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG auf Gewährleistung des Existenzminimums korrespondiert.326 Auch auf der Seite des „Nehmers“ sind gewichtige Grundrechtspositionen zu berücksichtigen, die den Schluss auf das Vorhandensein eines Halbteilungsgrundsatzes nicht tragen.327
cc) Ergebnis Der Auslegung der Eigentumsgarantie im Sinne des Halbteilungsgrundsatzes kann deshalb nicht gefolgt werden. Die Forderung nach einer Obergrenze für den Steuerzugriff bei der Hälfte stellt ein legitimes steuerpolitisches Anliegen dar, das sich im öffentlichen Meinungskampf bewähren muss und für das sich zweifellos gute Gründe finden lassen. Aus einer Verfassungsauslegung kann es indessen nicht gewonnen werden. Art. 14 Abs. 1 GG schützt davor, zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten vom Staat zur Aufgabe des Eigentums oder dessen Teilrechten an konkreten Vermögensgegenständen gezwungen zu werden. Die Auferlegung hoheitlicher Geldleistungspflichten stellt einen Eingriff in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie dar. Diese Inhalts- und Schrankenbestimmung unterliegt dem Übermaßverbot, das überschritten ist, wenn durch eine konfiskatorische Besteuerung die Privatnützigkeit des Eigentums faktisch aufgehoben wird. Soweit eine übermäßige Besteuerung nicht vorliegt, verstößt der staatliche Steuerzugriff nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Ein Verfassungssatz, dass die Unverhältnismäßigkeit bereits bei Überschreitung einer (annähernd) hälftigen Teilung gegeben sei, besteht nicht.
326 327
Vgl. BVerfG, Beschl. v. 29. 05. 1990 – 1 BvL 20 / 86 u. a., BVerfGE 82, 60, 85. Ablehnend auch Englisch, StuW 2003, 237, 246 f.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
II. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) 1. Eröffnung des Schutzbereichs Das Hauptgrundrecht jeder wirtschaftlichen Betätigung stellt die Berufsfreiheit dar.328 Geschützt wird jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage329 sowie die Freiheit zum Wettbewerb.330 Dies gilt sowohl für natürliche Personen als auch – über Art. 19 Abs. 3 GG – für juristische Personen, soweit diese eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht,331 wobei hier der verfassungsrechtliche Begriff der „juristischen Person“ zugrunde zu legen ist. Die Beziehung zwischen den Schutzbereichen von Berufs- und Eigentumsfreiheit lässt sich schlagwortartig so umschreiben, dass Art. 12 Abs. 1 GG den Erwerb, Art. 14 Abs. 1 GG das Erworbene schützt.332
2. Eingriff a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Der auf den ersten Blick umfassende Schutz durch Art. 12 Abs. 1 GG wird vom Bundesverfassungsgericht für das Steuerrecht jedoch entscheidend eingeschränkt. Die Erhebung von Steuern greife nur in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein, wenn sie in engem Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehe und eine objektiv berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lasse.333 Bei Steuergesetzen 328 Epping, Die Außenwirtschaftsfreiheit, S. 68; Seer, FR 1999, 1280, 1281; Stober, Grundrechtsschutz der Wirtschaftstätigkeit, S. 59. 329 BVerfG, Urt. v. 11. 06. 1958 – 1 BvR 596 / 56, BVerfGE 7, 377, 397; BVerfG, Beschl. v. 18. 06. 1980 – 1 BvR 697 / 77, BVerfGE 54, 301, 313. 330 BVerfG, Beschl. v. 08. 02. 1972 – 1 BvR 170 / 71, BVerfGE 32, 311, 317; BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 1977 – 1 BvR 217 / 75 u. a., BVerfGE 46, 120, 137; BVerwG, Urt. v. 18. 04. 1985 – 3 C 34.84, BVerwGE 71, 183, 191 f. m. w. N.; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 814. 331 BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979 – 1 BvR 532 / 77, BVerfGE 50, 290, 363; BVerfG, Beschl. v. 26. 06. 2002 – 1 BvR 558 / 91 u. a., BVerfGE 105, 252, 265; Badura, DÖV 1990, 353, 356 ff.; Breuer in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 147 Rn. 23. 332 Diese auf Wittig, Festschrift f. Müller, S. 575, 590 Fn. 67 zurückgehende Formulierung hat weite Verbreitung in Rechtsprechung und Literatur gefunden, vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 16. 03. 1971 – 1 BvR 52 / 66 u. a., BVerfGE 30, 292, 335; BVerfG, Urt. v. 24. 04. 1991 – 1 BvR 1341 / 90, BVerfGE 84, 133, 157; BVerfG, Beschl. v. 25. 05. 1993 – 1 BvR 345 / 83, BVerfGE 88, 366, 377; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 912. 333 BVerfG, Beschl. v. 30. 10. 1961 – 1 BvR 833 / 59, BVerfGE 13, 181, 186; BVerfG, Urt. v. 22. 05. 1963 – 1 BvR 78 / 56, BVerfGE 16, 147, 162; BVerfG, Beschl. v. 05. 03. 1974 – 1 BvL 27 / 72, BVerfGE 37, 1, 17; BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1977 – 1 BvR 343 / 73 u. a.,
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fehle es an einer solchen berufsregelnden Tendenz, wenn diese lediglich „als Normen mit einem unspezifischen Adressatenkreis ohne unmittelbare Beziehung zu einem Beruf an generelle Merkmale wie Gewinn, Ertrag, Umsatz oder Vermögen“ anknüpfen.334 Für die Schutzwirkung der grundrechtlichen Berufsfreiheit kommt es damit nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auf eine Unterscheidung von Steuernormen mit fiskalischem und mit lenkendem Charakter an. Der Fiskalzweck einer Steuernorm als solcher vermag den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG nicht auszulösen, weil zwar der Schutzbereich eröffnet ist, ein Eingriff aber nicht vorliegt. Ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG kann danach nur bei Steuernormen vorliegen, mit denen vorwiegend Lenkungszwecke verfolgt werden.335 Dies ist bei Erdrosselungssteuern gegeben, wo mit Hilfe des Steuerrechts nicht Einnahmen zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs erzielt, sondern Verbote aufgestellt werden sollen.336
b) Literatur Die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur teilt die einschränkende Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG durch das Bundesverfassungsgericht nicht und will auch im Bereich des Steuerrechts jede hoheitliche Maßnahme am Grundrecht der Berufsfreiheit messen.337 Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass bei der Besteuerung zumeist nicht gezielte Eingriffe in die Berufsfreiheit in Rede stehen. Die Regel sind Steuernormen, die sich ohne dahingehende Intention des Normgebers faktisch auf die berufliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen auswirken. Dass auch ungezielte Erschwernisse und Beeinträchtigungen eines grundrechtlich geschützten Verhaltens, die der öffentlichen Gewalt zuzurechnen sind, einen Eingriff darstellen können, ist in der Literatur heute anerkannt,338 wobei teilweise eine BVerfGE 47, 1, 21; BVerfG, Beschl. v. 19. 06. 1985 – 1 BvL 57 / 79, BVerfGE 70, 191, 214; BVerfG, Urt. v. 07. 05. 1998 – 2 BvR 1876 / 91 u. a., BVerfGE 98, 83, 97; BVerfG, Urt. v. 07. 05. 1998 – 2 BvR 1991 / 95 u. a., BVerfGE 98, 106, 117. 334 BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1977 – 1 BvR 343 / 73 u. a., BVerfGE 47, 1, 21. 335 Seer, FR 1999, 1280, 1281. 336 BVerfG, Beschl. v. 30. 10. 1961 – 1 BvR 833 / 59, BVerfGE 13, 181, 185 f.; BVerfG, Urt. v. 22. 05. 1963 – 1 BvR 78 / 56, BVerfGE 16, 147, 163; BVerfG, Beschl. v. 08. 12. 1970 – 1 BvR 95 / 68, BVerfGE 29, 327, 331; BVerfG, Beschl. v. 01. 04. 1971 – 1 BvL 22 / 67, BVerfGE 31, 8, 23; BVerfG, Beschl. v. 17. 07. 1974 – 1 BvR 51 / 69 u. a., BVerfGE 38, 61, 85 f. 337 Grundlegend Papier, Der Staat 11 (1972), 483, 493 ff.; ders. in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 169. Ebenso Breuer in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 148 Rn. 31; Friauf, DStJG 12 (1989), 3, 26; Manssen in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Rn. 71; Scholz in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 415 f.; Seer, FR 1999, 1280, 1281 f.; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 434; Vogel / Waldhoff in: Bonner Kommentar zum GG, Vorb. Art. 104 a-115 GG Rn. 561 ff. 338 Sog. „moderner Eingriffsbegriff“; vgl. allgemein Bleckmann / Eckhoff, DVBl. 1988, 373. Für das Steuerrecht besonders Friauf, DStJG 12 (1989), 3, 26; Papier, Der Staat 11
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
Einschränkung auf Eingriffe vorgenommen wird, die eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten.339 Die früher vertretene Ansicht, dass Steuern der Berufsfreiheit vorgehen und die Besteuerung keinen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt,340 wird im neueren Schrifttum nicht mehr aufgegriffen und kann als überwunden betrachtet werden. 3. Rechtfertigung Eingriffe in die Berufsfreiheit können durch oder aufgrund Gesetzes geregelt werden. Die Schranke des Art. 12 Abs. 1 S. 2 gilt einheitlich für Berufswahl- und Berufsausübungsregelungen.341 Zur Ausfüllung des Gesetzesvorbehalts hat die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung die Dreistufentheorie entwickelt. Sie stellt entsprechend dem Schweregrad des Eingriffs unterschiedliche Anforderungen an dessen Rechtfertigung, die vom Vorliegen irgendeines sachlichen Grundes – mithin lediglich der Abwesenheit von Willkür – bis hin zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut reichen. Dabei werden Berufsausübungsregelungen der niedrigsten Stufe zugeordnet, weil sie die Befugnis zur Wahl eines Berufs nicht berühren, sondern allein den bereits im Beruf stehenden Grundrechtsträger betreffen.342 Hoheitliche Maßnahmen auf dem Gebiet des Steuerrechts berühren regelmäßig das Verhalten im Wettbewerb. Das gilt für Normen mit lenkendem Charakter und erst recht für Fiskalzwecknormen, wenn man diese mit dem Schrifttum in die Berufsfreiheit einbezieht. Die Berufsfreiheit hat aufgrund der geringen Rechtfertigungsanforderungen im Steuerrecht aber nur geringe Bedeutung erlangt. Es genügt bereits das Vorhandensein eines beliebigen sachlichen Grundes ohne Rücksicht auf dessen Bedeutung. Mithin können bereits reine Zweckmäßigkeitserwägungen einen Eingriff in die Berufsausübung rechtfertigen. Nur die erdrosselnde Besteuerung löst eine Verpflichtung zur Rechtfertigung aus, an die die gleichen Anforderungen zu stellen sind, wie wenn die entsprechende Rechtsfolge unmittelbar durch ein Verbot bewirkt worden wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat aber bislang noch bei keinem Steuergesetz eine Verletzung der Berufsfreiheit festgestellt, weil die berufliche Tätigkeit zumeist nicht nennenswert, jedenfalls nicht (1972), 483, 494 f.; Scholz in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 415; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 434. 339 Allgemein Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 248; für das Steuerrecht Hohmann, DÖV 2000, 406, 409 unter Berufung auf das römische Rechtsprinzip de minimis non curat praetor. Dagegen Stern, Staatsrecht III / 2, S. 204 ff. 340 Bachof in: Bettermann, Grundrechte III / 1, S. 155, 196 f. 341 BVerfG, Urt. v. 11. 06. 1958 – 1 BvR 596 / 56, BVerfGE 7, 377, 401; BVerfG, Urt. v. 01. 07. 1980 – 1 BvR 247 / 75, BVerfGE 54, 237, 246; Jarass in: ders. / Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 19; Scholz in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 15. 342 Grundlegend BVerfG, Urt. v. 11. 06. 1958 – 1 BvR 596 / 56, BVerfGE 7, 377, 400 ff., seitdem ständige Rechtsprechung.
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in dem für die Annahme einer Erdrosselungssteuer erforderlichen Umfang behindert wird.343 Die Bedeutung des Art. 12 Abs. 1 GG im Bereich der Unternehmensbesteuerung kann damit als gering eingeschätzt werden, solange nicht die unternehmerische Betätigung insgesamt unmöglich gemacht wird.344
III. Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) Fraglich ist, ob neben Eigentumsgarantie und Berufsfreiheit auch die Vereinigungsfreiheit als Freiheitsgrundrecht für die Besteuerung des Anteilseigners herangezogen werden kann, wie dies im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform ins Gespräch gebracht worden ist.345 Die Vereinigungsfreiheit könnte es gebieten, Gewinnausschüttungen beim Anteilseigner unabhängig davon zu besteuern, ob sie von einem Personenunternehmen oder einer Kapitalgesellschaft stammen.
1. Schutzbereich Durch die Vereinigungsfreiheit geschützt ist die freie Bildung von Vereinigungen des Privatrechts.346 Dabei ist unter einer Vereinigung der Zusammenschluss einer Mehrheit von natürlichen oder juristischen Personen für längere Zeit zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks mit organisierter Willensbildung zu verstehen.347 Die Vereinigungsfreiheit schützt nicht nur das Recht auf Entstehen und Bestehen unabhängig von der Rechtsfähigkeit,348 sondern auch das Recht auf Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte sowohl für die Mitglieder der Vereinigung als auch für die Vereinigung selbst.349 Mit dem Recht auf Bildung der Vereinigung R. Schmidt, Referat zum 63. Deutschen Juristentag (2000), S. N 31. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 61. 345 So Kirchhof, StuW 2000, 221, 230 f.; ders., DStJG 25 (2002), 1, 7. Ähnlich bereits Weber, Besteuerung, S. 83 ff.; ders., JZ 1980, 545, 547, der eine stark unterschiedliche Besteuerung für einen faktischen Eingriff in die Vereinigungsfreiheit hält, sich dabei aber auf die Besteuerungsunterschiede von Einzelunternehmer und Mitunternehmerschaft bezieht. 346 BVerfG, Urt. v. 29. 07. 1959 – 1 BvR 394 / 58, BVerfGE 10, 89, 102; BVerfG, Beschl. v. 25. 02. 1960 – 1 BvR 239 / 52, BVerfGE 10, 354, 361; BVerfG, Beschl. v. 15. 06. 1989 – 2 BvL 4 / 87, BVerfGE 80, 244, 252. 347 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 720. 348 BVerfG, Beschl. v. 18. 10. 1961 – 1 BvR 730 / 57, BVerfGE 13, 174, 175; BVerfG, Beschl. v. 15. 06. 1989 – 2 BvL 4 / 87, BVerfGE 80, 244, 252. 349 BVerfG, Beschl. v. 18. 10. 1961 – 1 BvR 730 / 57, BVerfGE 13, 174, 175; BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979 – 1 BvR 532 / 77 u. a., BVerfGE 50, 290, 354; BVerfG, Beschl. v. 15. 06. 1989 – 2 BvL 4 / 87, BVerfGE 80, 244, 253. 343 344
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
korrespondiert die Freiheit, nicht dazu gezwungen zu werden, sich überhaupt in einer Vereinigung oder in einer bestimmten Form von Vereinigung zusammenzuschließen.350 Der Versuch, die Vereinigungsfreiheit für die Unternehmensbesteuerung nutzbar zu machen, stößt jedoch auf vielfältige Schwierigkeiten. Unklar ist zunächst der Typ von Vereinigung, der durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützt wird. Unumstritten ist, dass der Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit nicht auf den Zusammenschluss in der Rechtsform des bürgerlich-rechtlichen Vereins beschränkt ist.351 Das Bundesverfassungsgericht hat indessen die Anwendung der Vereinigungsfreiheit für juristische Personen mit erwerbswirtschaftlichem Zweck im Investitionshilfeurteil abgelehnt,352 im Mitbestimmungsurteil bezweifelt, letztlich aber offen gelassen.353 In der Literatur wird teilweise das personale Element der Vereinigungsfreiheit betont und ein Schutz von Kapitalgesellschaften durch Art. 9 Abs. 1 GG grundsätzlich ausgeschlossen.354 Überwiegend werden aber auch Kapitalgesellschaften in den Schutzbereich einbezogen, soweit es sich nicht lediglich um Einmann-Gesellschaften handelt.355 Art. 9 Abs. 1 GG stellt ein normgeprägtes Grundrecht dar, weil die Festlegung und Ausgestaltung der Rechtsformen, in denen die Vereinigung erfolgen kann, dem einfachen Gesetzgeber überlassen wird. Für Existenz und Wirken von Kapitalgesellschaften sind in besonderem Umfang ausgestaltende Regelungen erforderlich.356 Die Befugnis des einfachen Gesetzgebers zur rechtlichen Ausgestaltung der Gesellschaftsformen ist durch Art. 9 Abs. 1 GG vorgegeben. Seine Aufgabe ist es, das Rechtskleid der Gesellschaften zu bestimmen, die dem Bürger für die Verwirklichung der Vereinigungsfreiheit zur Verfügung gestellt werden. Diese einfachgesetzliche Ausgestaltung des Grundrechts ist kein Eingriff, weil dadurch die Ausübung des Grundrechts erst ermöglicht wird.357 Allerdings muss die Ausgestal350 BVerfG, Urt. v. 29. 07. 1959 – 1 BvR 394 / 58, BVerfGE 10, 89, 102; BVerfG, Beschl. v. 31. 03. 1971 – 1 BvR 744 / 67, BVerfGE 30, 415, 426; BVerfG, Beschl. v. 18. 12. 1974 – 1 BvR 430 / 65, BVerfGE 38, 281, 298; BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979 – 1 BvR 532 / 77 u. a., BVerfGE 50, 290, 356; Scholz in: Maunz / Dürig, GG, Art. 9 Rn. 88. 351 Die Bezeichnung des Grundrechts aus Art. 9 Abs. 1 GG als Vereinsfreiheit ist deshalb missverständlich und sollte vermieden werden. 352 BVerfG, Urt. v. 20. 07. 1954 – 1 BvR 459 / 52 u. a., BVerfGE 4, 7, 26. 353 BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979 – 1 BvR 532 / 77 u. a., BVerfGE 50, 290, 355 f. 354 Stein / Frank, Staatsrecht, S. 320. 355 Bauer in: Dreier, GG, Art. 9 Rn. 34; Höfling in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 12; Jarass in: ders. / Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 4; Kemper in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 9 Rn. 66; Löwer in: von Münch / Kunig, GG, Art. 9 Rn. 31; Merten in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 144 Rn. 41; Scholz in: Maunz / Dürig, Art. 9 Rn. 60. 356 BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979 – 1 BvR 532 / 77 u. a., BVerfGE 50, 290, 359; Jarass in: ders. / Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 14; Kemper in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 9 Rn. 47. 357 Jarass in: ders. / Pieroth, GG, Vorb. Rn. 34; Löwer in: von Münch / Kunig, GG, Art. 9 Rn. 24. Deshalb rechnet Stolterfoht, Festschrift f. Kruse, S. 485, 499 die Rechtsfolgen der Rechtsformwahl insgesamt zur Ausgestaltung der Vereinigungsfreiheit.
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tung ihrerseits dem Schutzgut der Vereinigungsfreiheit Rechnung tragen.358 Innerhalb der Möglichkeiten des einfachen Rechts steht es anschließend dem Grundrechtsträger frei, von der Vereinigungsfreiheit Gebrauch zu machen. Die Vereinigungsfreiheit gewährleistet letztlich das Recht der ungehinderten Bildung von Vereinigungen und der Betätigung in diesen nach gesetzlich vorgegebenem Muster. Werden erwerbswirtschaftliche Vereinigungen nicht ohnehin aus dem Gewährleistungsgehalt der Vereinigungsfreiheit ausgeschieden, so fällt die Besteuerung der erwirtschafteten Erträge in den Bereich der Ausgestaltung, die dem einfachen Gesetzgeber überlassen ist. Ausgesprochen zweifelhaft erscheint deshalb, ob aus der negativen Vereinigungsfreiheit das subjektive Recht abgeleitet werden kann, nicht durch die faktischen Verhältnisse im Unternehmenssteuerrecht zum Zusammenschluss in einer bestimmten Rechtsform veranlasst zu werden, um dadurch wirtschaftliche Nachteile bei der Besteuerung zu vermeiden. Der Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit soll danach nicht nur die freie Bildung einer Vereinigung umfassen, sondern auch, sich mit und in dieser Vereinigung ohne Wettbewerbsnachteile wirtschaftlich betätigen zu können. Damit wird jedoch die Funktion der Vereinigungsfreiheit verkannt. Der Schutzgehalt des Art. 9 Abs. 1 GG erstreckt sich auf den Prozess des Zusammenschlusses, das Bestehen und die innere Organisation, mithin auf Bereiche, die das Innenverhältnis der Vereinigung zu ihren Mitgliedern prägen. Die steuerliche Behandlung betrifft hingegen das Außenverhältnis, den geschäftlichen Kontakt im Rechtsverkehr mit anderen Personen und die so erworbenen Einnahmen. Diese Teilnahme am marktwirtschaftlichen Wettbewerb, die durch die Unternehmensbesteuerung berührt wird, wird nicht von der Vereinigungsfreiheit, sondern der Berufsfreiheit bzw. der Eigentumsgarantie erfasst.359
2. Ergebnis Die Vereinigungsfreiheit gewährleistet die ungehinderte Organisation Mehrerer in den vom einfachen Gesetzgeber vorgesehenen Formen. Sie enthält aber nicht die Gewährleistung, sich ohne Nachteile im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern betätigen zu können. Aus diesem Grund kann auch eine Besteuerung, die bestimmte Typen von Vereinigungen und die dahinter stehenden natürlichen Personen wirtschaftlich benachteiligt, nicht an Art. 9 Abs. 1 GG gemessen werden.
Jarass in: ders. / Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 14. Ablehnend auch Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 402; Hey, DStJG 24 (2001), 155, 172 f.; Pelka, StuW 2000, 389, 392 f.; Seer, StbJb. 2000 / 01, 15, 23 f.; Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 156; Stolterfoht, Festschrift f. Kruse, S. 485, 491. 358 359
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
§ 11 Rechtsformneutralität als Verfassungsgebot I. Der Begriff der Rechtsformneutralität Die betriebswirtschaftliche Steuerlehre befasst sich mit dem Einfluss der Besteuerung auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen. Ihr steuerpolitisches Ideal ist die Entscheidungsneutralität der Besteuerung.360 Ein Steuersystem ist entscheidungsneutral, wenn die Besteuerung keinen Einfluss auf ökonomische Entscheidungen des Steuerpflichtigen hat.361 Die ohne Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen nach originär ökonomischen Kriterien aufgestellte Rangfolge der Handlungsalternativen soll durch die Besteuerung nicht verändert werden. Ziel ist die bestmögliche Nutzung der verfügbaren Ressourcen und damit der wirtschaftlich günstigste Einsatz der Produktionsfaktoren.362 Einen Ausschnitt aus den in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen bildet die Wettbewerbsneutralität. Wettbewerbsneutralität der Besteuerung bezeichnet die Erörterung der Neutralitätsfrage im Zusammenhang mit der Entstehung von Einkommen am Markt.363 Nach dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität darf die Situation der konkurrierenden Unternehmen im Wettbewerb untereinander durch den Gesetzgeber nicht beeinflusst werden. Durch steuerliche Normen soll kein wirtschaftlicher Vorteil für einzelne Unternehmen oder Gattungen von Unternehmen hervorgerufen werden, da jeder eingeräumte Vorteil gleichzeitig konkurrierende Unternehmen benachteiligt. Ziel ist es, für eine gleiche wirtschaftliche Tätigkeit dieselben Steuerfolgen auszulösen. Die im Zusammenhang mit der Besteuerung des Anteilseigners vielfach genannte Rechtsformneutralität stellt wiederum einen Teilaspekt der Wettbewerbsneutralität dar, der auf derselben Stufe mit anderen Ausprägungen des Neutralitätspostulats steht.364 Die Steuerlast eines Unternehmens soll von dessen Organisation als Kapitalgesellschaft, Personengesellschaft oder Einzelunternehmen unabhängig sein und der Unternehmer durch die Besteuerung nicht zur Wahl einer für ihn unpraktikablen Rechtsform gedrängt werden.365 Die Rechtsformneutralität ist nicht Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 1 Rn. 46. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 88; Herzig / Watrin, StuW 2000, 378, 379; Löhr, StuW 2000, 33, 34; Neumark, Steuerpolitik, S. 261 ff.; Rose, StuW 1985, 330, 339; Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 193; Wagner, StuW 1992, 2, 3 f. 362 Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 88 m. w. N.; Haller, Die Steuern, S. 221 ff.; Wagner, StuW 2001, 354, 356. 363 Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 15; Elschen / Hüchtebrock, FinArch n.F. 41 (1983), 253, 257. 364 Hey, DStJG 24 (2001) 155, 157; Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 745 ff. 365 Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 15; van Lishaut, StuW 2000, 182, 187; Schön, Stbg. 2000, 1, 5. 360 361
§ 11 Rechtsformneutralität als Verfassungsgebot
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gewahrt, wenn wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte aufgrund der Rechtsform des Unternehmens unterschiedliche steuerliche Folgen auslösen.366 Die Forderung nach Rechtsformneutralität der Besteuerung ist zunächst ein ökonomisches Anliegen. Der Neutralitätsgrundsatz betrifft in erster Linie die Frage, wie ein Steuersystem ausgestaltet werden sollte, um bestmögliche Bedingungen für wirtschaftliche Prosperität zu schaffen. Damit konkurriert er mit anderen Zielen und Zwecken gesetzgeberischer Tätigkeit. Der Gesetzgeber der Unternehmenssteuerreform hat eine rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung als Zielvorstellung formuliert.367 Dabei wird auf die Arbeit der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Brühler Kommission) Bezug genommen, deren Auftrag die Erarbeitung eines Konzepts für eine grundlegende Reform der Unternehmensbesteuerung mit dem Ziel einer rechtsformneutralen Unternehmenssteuer war.368 Zwar entspricht es allgemeiner Ansicht in der Literatur, dass mit der Unternehmenssteuerreform auf dem Weg zu einer rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung keine Fortschritte erzielt worden sind; durch die Definitivbelastung auf der Ebene der Körperschaft und die Tarifunterschiede zwischen Körperschaft- und Einkommensteuer bestehen nach wie vor gravierende Differenzen in der Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften.369 Die Gesetzesbegründung enthält jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber von einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung ausgegangen ist. Herausgestellt wird allein die Möglichkeit einer auf der Basis des Anrechnungsverfahrens nicht erreichbaren rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung, wenn das Halbeinkünfteverfahren auch auf Personenunternehmen übertragen werde.370
II. Rechtsformneutralität und Gleichheitssatz Aus steuerjuristischer Sicht ist die Forderung nach Rechtsformneutralität von Bedeutung, wenn und soweit die durch die Anbindung des Unternehmenssteuerrechts an die Rechtsform hervorgerufenen Unterschiede in der steuerlichen Belastung einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz darstellen. Von Verfassungs wegen ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, unter mehreren mit der Verfassung vereinbaren Verhaltensalternativen die zweckmäßigste oder gerechteste auszuwählen.371 Teilweise wird das Postulat der rechtsformneutralen Besteuerung mit Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 90. Begründung zum StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 94. 368 Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF-Schriftenreihe 66, S. 11. 369 Birk, StuW 2000, 328, 333; Hey, DStJG 24 (2001), 155, 156; Pezzer, DStJG 25 (2002), 37, 47 f.; Reiß, DStR 1999, 2011, 2012. 370 Begründung zum StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 94. 366 367
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
dem Leistungsfähigkeitsprinzip gleichgesetzt.372 Betrachtet man beides als Einheit, folgt daraus auch die Verankerung des Grundsatzes der Rechtsformneutralität in Art. 3 Abs. 1 GG. Ein Teil der Literatur hält die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf die Unternehmensbesteuerung nicht für möglich, weil es „seinem Wesen nach“ nur auf natürliche Personen anwendbar und nicht nach Art. 19 Abs. 3 GG auf Unternehmen übertragbar sei. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wäre danach im Bereich des Unternehmenssteuerrechts nur insoweit Maßstab, wie natürliche Personen von Besteuerungsfolgen betroffen werden.373 Danach wäre die Besteuerung natürlicher Personen am Leistungsfähigkeitsprinzip, die Besteuerung von Unternehmen am Gebot der Rechtsformneutralität auszurichten. Dieses eng personenbezogene Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips ist jedoch verfehlt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist als universelles Prinzip der Besteuerung auch auf die Unternehmensbesteuerung anwendbar.374 Da Unternehmen keine persönliche Sphäre haben, ist nur das subjektive Nettoprinzip wesensmäßig hiervon ausgenommen. Stehen Leistungsfähigkeitsprinzip und Rechtsformneutralität demnach nicht im Verhältnis der Exklusivität, ist es erforderlich, deren Beziehung zueinander zu beurteilen. Wäre das Gebot der Rechtsformneutralität gegenüber dem Leistungsfähigkeitsprinzip als Minus zu begreifen, hätte es keine eigenständige Bedeutung, weil das Leistungsfähigkeitsprinzip ohnehin im gesamten Steuerrecht zu beachten ist. Dementsprechend muss es – soll ihm ein eigenständiger Anwendungsbereich zukommen – von den Befürwortern als Aliud aufgefasst werden.375 Das führt zwangsläufig zur Möglichkeit eines Widerspruchs zwischen beiden Prinzipien, der auftritt, wenn eine die unterschiedliche Leistungsfähigkeit berücksichtigende Besteuerung zu einer ungleichen Behandlung von Rechtsformen führt. Dieser Widerspruch wird mit dem Hinweis aufgelöst, eine rechtsformneutrale Besteuerung könne durchaus rechtsformabhängige Unterschiede aufweisen, wenn diese Ausdruck unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit seien.376 Hier liegt 371 BVerfG, Beschl. v. 16. 10. 1979 – 1 BvL 51 / 79, BVerfGE 52, 277, 280 f.; BVerfG, Beschl. v. 28. 11. 1984 – 1 BvR 1157 / 82, BVerfGE 68, 287, 301; BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1989 – 1 BvR 1402 / 87, BVerfGE 81, 108, 117 f.; BVerfG, Beschl. v. 08. 10. 1991 – 1 BvL 50 / 86, BVerfGE 84, 348, 359. 372 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 84. Vorsichtiger Hey, DStJG 24 (2001), 155, 168, wonach dies mit gleichmäßiger Besteuerung nach der objektiven Leistungsfähigkeit gleichzusetzen sei. Ähnlich auch Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 325, der einen Zusammenhang zwischen Gleichheit und Wettbewerbsneutralität herstellt. 373 Flume, StbJb. 1973 / 74, 53, 67 ff.; Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 54 f. 374 s. o. § 9 III. 4. 375 Hey, DStJG 24 (2001), 155, 167; Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 19 f. Dann kann das Postulat der Wettbewerbsneutralität aber nicht lediglich als Transformation des Leistungsfähigkeitsprinzips auf die Unternehmensebene verstanden werden, wie Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 124 dies annimmt. Unklar Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 152 ff.
§ 11 Rechtsformneutralität als Verfassungsgebot
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denn auch der Fehler bei der unreflektierten Argumentation mit einem Gebot der Rechtsformneutralität. Ist in zwei Lebenssachverhalten die Leistungsfähigkeit beider Steuerpflichtiger gleich, deren Besteuerung aber verschieden, stellt dies ohne weiteres einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip dar, wenn für die ungleiche Behandlung nicht hinreichende Rechtfertigungsgründe bestehen. Wodurch die ungleiche Besteuerung gesetzestechnisch hervorgerufen wird, spielt für das Leistungsfähigkeitsprinzip keine Rolle. Die Diskriminierung kann durch die Anknüpfung an die zivilrechtliche Rechtsform einer unternehmerischen Betätigung oder ein beliebiges anderes Merkmal erfolgen. Der Gedanke der Rechtsformneutralität leistet damit bei der Ermittlung, ob eine tatsächliche Ungleichbehandlung leistungsfähigkeitskonform ist oder nicht, keine Hilfe.377 Das gibt den Blick auf die wirklich entscheidende Frage frei, ob die Entstehung steuerlicher Leistungsfähigkeit von der Rechtsform unabhängig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat Art. 3 Abs. 1 GG bislang für den Bereich der indirekten Steuern das Verbot entnommen, die relative Wettbewerbsposition konkurrierender Unternehmer durch steuerrechtliche Regelungen zu beeinflussen.378 Erhebliche Beachtung hat in diesem Zusammenhang die sog. „Schwarzwaldklinik-Entscheidung“379 gefunden, deren Gegenstand § 4 Nr. 14 S. 3 UStG war. Diese Norm sah eine Freistellung von in Krankenhäusern erbrachten ärztlichen Leistungen von der Umsatzsteuer nur bei freiberuflich tätigen Ärzten, nicht dagegen bei gewerblich betriebenen Krankenhäusern mit angestellten Ärzten vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die Ungleichbehandlung als nicht gerechtfertigt angesehen und in der Anknüpfung der Umsatzsteuerbefreiung an die Rechtsform, in der die steuerbare Tätigkeit ausgeübt wird, einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz gesehen. Die Entscheidung wird in Teilen der Literatur so verstanden, dass das Gericht die Rechtsformneutralität als verfassungsrechtlichen Besteuerungsmaßstab auch für die direkten Steuern anerkenne.380 Diese Interpretation erweist sich indessen als voreilig. Zunächst fällt auf, dass es sich bei der Schwarzwaldklinik-Entscheidung um einen sehr kurz gefassten Beschluss handelt, der sich schon von seinem Umfang her deutlich von Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts unterscheidet. In der Entscheidung wurde zwar die Rechtsform als taugliche Rechtfertigung für eine Ungleich376 Hey, DStJG 24 (2001), 155, 168; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 8 Rn. 82; Montag, ebd., § 17 Rn. 2; Pezzer, DStJG 25 (2001) 37, 47; Schön, Stbg. 2000, 1, 5. 377 So auch Birk, StuW 2000, 328, 333; Schön, StbJb. 1998 / 99, 57, 64. 378 BVerfG, Urt. v. 20. 12. 1966 – 1 BvR 320 / 57 u. a., BVerfGE 21, 12, 27 f.; BVerfG, Urt. v. 05. 03. 1974 – 1 BvR 712 / 68, BVerfGE 36, 321, 334 f.; BVerfG, Beschl. v. 26. 10. 1976 – 1 BvR 191 / 74, BVerfGE 43, 58, 70; Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19. 04. 1978 – 2 BvL 2 / 75, BVerfGE 48, 210, 222. 379 BVerfG, Beschl. v. 10. 11. 1999 – 2 BvR 2861 / 93, BVerfGE 101, 151. 380 Hey, DStJG 24 (2001), 155, 164; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 79 f.; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 8 Rn. 82; Pezzer, DStJG 25 (2002), 37, 48 f.; Sieker, DStJG 25 (2002) 145, 153.
8 Wäckerlin
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
behandlung ausgeschieden, dieser Ausspruch aber ausdrücklich auf die Umsatzsteuer bezogen.381 Die Umsatzbesteuerung unterscheidet sich von der Ertragsbesteuerung jedoch grundlegend. Charakteristisch für die Umsatzsteuer ist die Verschiedenheit von Steuerschuldner und Steuerträger. Sie ist darauf angelegt, vom Steuerschuldner auf den Verbraucher überwälzt zu werden. Im Gegensatz dazu sind Ertragsteuern direkte Steuern, bei denen Steuerschuldner und Steuerträger identisch sind.382 Umsatzsteuer und Ertragsteuern verfolgen auch strukturell verschiedene Zwecke. Die Umsatzsteuer belastet als allgemeine Verbrauchsteuer die im Konsum von Einkommen und Vermögen des privaten Endverbrauchers zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit. Die Ertragsbesteuerung natürlicher und juristischer Personen erfasst hingegen den Vorgang der Einnahmeerzielung. Der Steuertatbestand der Ertragsteuern knüpft an den Vermögenszugang, der der Umsatzsteuer an den Vermögensabfluss an. Die Belastung des privaten Konsums kann nur unabhängig von der Unternehmensorganisation desjenigen geschehen, der die steuerbare Leistung ausführt. Für die Bemessung der im Güterverbrauch zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit ist die Person des Leistungserbringers irrelevant, weil sie nur zur leichteren Organisation der Steuererhebung in den Besteuerungsvorgang eingeschaltet ist.383 Für den privaten Endverbraucher als Steuerträger kann es nicht auf die Rechtsform des Unternehmers ankommen. Die Rechtsformunabhängigkeit ist Wesensmerkmal der Umsatzbesteuerung; für die Ertragsbesteuerung gilt dies nicht. Dazu kommt, dass sich das Bundesverfassungsgericht in der Schwarzwaldklinik-Entscheidung mit der Frage der steuerlichen Leistungsfähigkeit verschiedener Rechtsformen gar nicht beschäftigt hat. Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wird aus dem Gebot der folgerichtigen Umsetzung der Belastungsentscheidung abgeleitet. Die umsatzsteuerliche Belastungsentscheidung, die Kaufkraft des Konsumenten zu erfassen, wird durch die Verschonung nur der von einem freiberuflich tätigen Arzt erbrachten steuerbaren Leistungen verfehlt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip, das von der ebenfalls in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Pflicht zur folgerichtigen Umsetzung der getroffenen Belastungsentscheidung zu unterscheiden ist und auf das es im Zusammenhang mit dem Postulat der Rechtsformneutralität gerade ankommt, wird in der Entscheidung mit keinem Wort erwähnt.384 381 BVerfG, Beschl. v. 10. 11. 1999 – 2 BvR 2861 / 93, BVerfGE 101, 151, 156: „Die Rechtsform [ . . . ] ist kein hinreichender Differenzierungsgrund für eine Umsatzsteuerbefreiung.“ (Hervorhebung durch den Verf.) 382 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 8 Rn. 20. 383 Die Inanspruchnahme des Unternehmers ist unumgänglich, das Gegenkonzept einer allgemeinen Ausgabensteuer in der Praxis undurchführbar. Vgl. dazu Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 115 m. w. N. 384 Das erscheint auch konsequent, wenn man das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht auf indirekte Steuern anwendet, vgl. Kirchhof in: Isensee / ders., HStR IV, § 88 Rn. 122; ders., StuW 1985, 319, 324. Nach BVerfG, Beschl. v. 23. 08. 1999 – 1 BvR 2164 / 98, FR 1999,
§ 11 Rechtsformneutralität als Verfassungsgebot
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Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass sich aus der „Schwarzwaldklinik-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts, ohne die Richtigkeit für das Umsatzsteuerrecht zu bezweifeln, wegen der grundsätzlichen Verschiedenheit von Umsatz- und Ertragsbesteuerung für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen keine Schlüsse ziehen lassen. Dem Postulat der Rechtsformneutralität kommt im Bereich der indirekten Steuern eine wichtige Bedeutung zu. Insoweit kann es auch als in Art. 3 Abs. 1 GG verankert angesehen werden. Auf die direkten Steuern, insbesondere die Ertragsbesteuerung von unternehmerisch erzielten Gewinnen, lässt es sich nicht übertragen. Es vermittelt keinen weitergehenden Erkenntnisgehalt als das auf die Unternehmensbesteuerung ohnehin anwendbare Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Eine nach Rechtsformen unterscheidende Besteuerung begegnet keinen Bedenken, wenn sie durch Unterschiede in der Leistungsfähigkeit begründet ist. Eine unterschiedliche Besteuerung trotz gleicher Leistungsfähigkeit ist schon nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip rechtfertigungsbedürftig, ohne dass es auf vorhandene oder fehlende Rechtsformneutralität ankäme. Zutreffend weist Hüttemann deshalb darauf hin, dass der Gedanke der Wettbewerbsgleichheit im Bereich der direkten Steuern keine gegenüber dem Gebot der steuerlichen Belastungsgleichheit weitergehende Schutzwirkung entfalte.385
III. Rechtsformneutralität und Freiheitsgrundrechte Das Gebot der Rechtsformneutralität wird in der Literatur darüber hinaus teilweise aus Freiheitsgrundrechten abgeleitet.386 Unergiebig ist allerdings die Feststellung, rechtsformabhängige Belastungsunterschiede enthielten die Möglichkeit einer unzulässigen Beschränkung der Art. 12 und 14 GG.387 Fraglich ist vielmehr, 1134, 1136 ist das Kinderexistenzminimum nur bei der Einkommensteuer, nicht bei indirekten Steuern zu berücksichtigen. Anders zur Anwendbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips auf indirekte Steuern aber Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 85 m. w. N. 385 Hüttemann, DStJG 23 (2000), 127, 146. Gegen die Übertragung der Aussage aus der Schwarzwaldklinik-Entscheidung auch Seer, StbJb. 2000 / 2001, 15, 21 f.: Die Ausgangsentscheidung, die Unternehmensbesteuerung in eine proportionale Besteuerung juristischer Personen und eine progressive Besteuerung natürlicher Personen zu trennen, falle in den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. Die Rechtsformabhängigkeit der Steuerbelastung sei damit im Gegensatz zur Umsatzsteuer nicht systemfremd. Ebenso Birk, StuW 2000, 328, 333; Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 396 ff.; zurückhaltend auch Wieland, DStJG 24 (2001), 149 (Diskussionsbeitrag). Nach Osterloh in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 144 wird ein allgemeines Gebot der Wettbewerbsneutralität durch die Freiheit des Gesetzgebers bei der Verfolgung nichtfiskalischer Zwecke ausgeschlossen. Aus den gleichen Gründen ist es abzulehnen, mit Weber, JZ 1980, 545, 549 aus dem Gleichheitssatz eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Ungleichbehandlung verschiedener Rechtsformen abzuleiten. 386 Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 32 a.E.; dies., DStJG 24 (2001), 155, 171 f. Ähnlich Lang, StuW 1990, 107, 115, der das Gebot der Entscheidungsneutralität in die Nähe der Steuergleichheit rückt. 387 Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 155. 8*
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
ob sich aus Freiheitsgrundrechten eine Pflicht zu rechtsformneutraler Besteuerung ergibt. Das Bundesverfassungsgericht hat Freiheitsgrundrechte zur Überprüfung rechtsformabhängiger Steuernormen noch nicht herangezogen. Das gilt auch für die bereits angesprochene Schwarzwaldklinik-Entscheidung 388, die sich ausschließlich mit Art. 3 Abs. 1 GG auseinander setzt. Die in anderen als steuerrechtlichen Zusammenhängen zur aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleiteten Wettbewerbsfreiheit ergangenen Entscheidungen389 zeigen, dass diese dort eine Rolle spielt, wo der Staat durch mittelbare Einflussnahme auf das wirtschaftliche Geschehen einzelne Unternehmer benachteiligt. Stets erforderlich ist aber eine Individualbezogenheit des staatlichen Verhaltens, etwa die Subventionierung eines direkten Konkurrenten oder die Schaffung eines Monopols zugunsten eines Teilnehmers im Wirtschaftsverkehr. Nicht erfasst wird die Schaffung allgemeiner Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Betätigung von Unternehmen ohne Bezug auf eine individualisierbare Wettbewerbssituation. Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet den Eigentumsschutz des Einzelnen, bietet aber gleichfalls keinen Maßstab für einen Vergleich verschiedener Grundrechtsträger. Strukturell ist die Eigentumsgarantie auf eine zweipolige Beziehung zwischen dem Staat als Grundrechtsverpflichtetem und dem Grundrechtsträger angelegt. Aus einem Vergleich mit anderen Grundrechtsträgern können keine Schranken des staatlichen Zugriffs auf das Privateigentum durch die Eigentumsgarantie abgeleitet werden. Diese schützt vor einer übermäßigen absoluten Belastung, die eine Eigentumsposition unzulässig stark einschränkt, nicht vor einer relativen Mehrbelastung gegenüber anderen. Das Postulat der Rechtsformneutralität ist aber gerade auf eine vergleichende Betrachtung von Belastungsdifferenzen zwischen verschiedenen Unternehmen angelegt.390 Die Eigentumsfreiheit ist in diesen Fällen nicht einschlägig. Damit ist zweifelhaft, ob eine aus Art. 12, 14 und Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete umfassende „ökonomische Handlungsfreiheit“391 als freiheitsgrundrechtliche Gewährleistung im Bereich des Unternehmenssteuerrechts anzuerkennen ist. Die Summe der einzelnen Grundrechte kann hier nicht mehr ergeben als ihre einzelnen Bestandteile. Zwar stehen Berufs- und Eigentumsfreiheit gerade im Bereich der unternehmerischen Betätigung in einem engen wechselseitigen Zusammenhang, s. o. Fn. 379 . s. o. Fn. 330 . 390 Vgl. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 61: „Verfassungsrechtlicher Zwang zu einer rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung kann [ . . . ] erst aus [ . . . ] Belastungsunterschieden erwachsen.“ (Hervorhebung durch den Verf.) 391 So Hey, DStJG 24 (2001), 155, 172; Lang, StuW 1990, 107, 115. Andernorts wird dies als „Organisationsfreiheit“ bezeichnet, so Breuer in: Isensee / Kirchhof, HStR VI, § 147 Rn. 62; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 62; Manssen in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 12 Rn. 65. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 402 ff. leitet das Postulat der Rechtsformneutralität aus Art. 12 Abs. 1 GG ab. 388 389
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weil sich erwerbswirtschaftliche Betätigung und Bestand des Eigentums äußerlich häufig als Einheit darstellen. Gleichwohl decken sich die Schutzbereiche beider Grundrechte nicht. Die Annahme einer „ökonomischen Handlungsfreiheit“, aus der sich die Pflicht zu einer rechtsformneutralen Unternehmensbesteuerung ergeben soll, stellt sich als Versuch dar, aus einer Zusammenschau von Freiheitsgrundrechten Maßstäbe für die Unternehmensbesteuerung zu gewinnen, die über das in Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG enthaltene Verbot einer Erdrosselungssteuer hinausreichen. Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie bilden auch im Bereich des Steuerrechts einen verfassungsrechtlichen Maßstab und schützen vor einer Besteuerung, die die Ausübung des geschützten Verhaltens wirtschaftlich sinnlos macht. Weitergehende Belastungsgrenzen – etwa im Sinne einer hälftigen Teilung des Erworbenen – ergeben sich daraus aber ebenso wenig wie ein Gleichbehandlungsgebot. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit. Sein Schutzumfang reicht weniger weit als die spezielleren Grundrechte des Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG und hat als Auffanggrundrecht keine eigenständige Bedeutung, wenn der Schutzbereich eines spezielleren Grundrechts eröffnet ist.
IV. Zusammenfassung Das Postulat der Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung ist so zu verstehen, dass die Besteuerung von Gesellschaft und Gesellschafter in einer dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechenden Form auszugestalten ist. Das Grundgesetz enthält keine Vorgaben, welche von mehreren Möglichkeiten zur Herstellung einer leistungsfähigkeitskonformen Unternehmensbesteuerung zu wählen ist. Gefordert ist nicht ein rechtsformneutrales, sondern ein leistungsfähigkeitskonformes Unternehmenssteuerrecht.392 Soweit dieses gleichzeitig auch Rechtsformneutralität hervorbringt, handelt es sich um eine begrüßenswerte Begleiterscheinung, nicht aber um eine verfassungsrechtliche Zielvorgabe.
392 Ähnlich Frenz, StuW 1997, 116, 127: „Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt eine Anknüpfung an die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die a priori unabhängig von der Rechtsform ist.“
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
§ 12 Das Halbeinkünfteverfahren im System der Einkommensteuer I. Das Halbeinkünfteverfahren als pauschaliertes Anrechnungsverfahren Das Halbeinkünfteverfahren ist von der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung vorgeschlagen und vom Gesetzgeber aufgegriffen worden, um Mängel des Anrechnungsverfahrens zu beheben. Kernstück des Halbeinkünfteverfahrens ist nach der gesetzgeberischen Intention die Beseitigung der Doppelbelastung ausgeschütteter Körperschaftsgewinne mit Körperschaft- und Einkommensteuer in pauschaler Form durch eine Entlastung auf der Ebene der Gesellschaft und des Anteilseigners. Die körperschaftsteuerliche Vorbelastung des ausgeschütteten Kapitalgesellschaftsgewinns wird auf der Ebene des Anteilseigners dadurch berücksichtigt, dass die Dividende nur zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage einbezogen wird. Durch einen einheitlichen Körperschaftsteuersatz und die hälftige Freistellung von der Einkommensbesteuerung soll eine steuerliche Belastung der ausgeschütteten Gewinne erreicht werden, die der anderer Einkunftsarten angenähert ist.393 Die nur hälftige Einbeziehung der Gewinnausschüttungen in die Bemessungsgrundlage führt zu einer vom persönlichen Einkommensteuersatz des Anteilseigners abhängigen, unterschiedlich hohen Ersparnis. Dem Anteilseigner, dessen Einkünfte auch unter Einbeziehung der vollen Ausschüttung den Grundfreibetrag nicht übersteigen, wird keine Steuerersparnis zuteil. Die Steuerbelastung des Anteilseigners, der bereits mit der Einbeziehung der hälftigen Gewinnausschüttung die obere Proportionalzone des Steuertarifs erreicht, mindert sich im Umfang der Freistellung um den Spitzensteuersatz. Eine gleich hohe körperschaftsteuerliche Vorbelastung des Gewinns wird folglich in relativ gleicher, aber absolut unterschiedlicher Höhe berücksichtigt. Diese Pauschalierung des Umfangs der Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung stellt ein wesentliches Merkmal des nunmehr gewählten Besteuerungssystems dar. Durch das Halbeinkünfteverfahren ist die Unterscheidung zwischen einbehaltenen und ausgeschütteten Körperschaftsgewinnen aufgehoben und der Körperschaftsteuersatz einheitlich auf 25 v.H. abgesenkt worden (§ 23 Abs. 1 KStG).394 Die Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung hat diese ermäßigte Besteuerung des im Betrieb verbleibenden Gewinns mit Gemeinwohlüberlegungen gerechtfertigt.395 In der Literatur wird die Begünstigung des einbehaltenen Ge393 Begründung zum StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 94. Vgl. zur Wirkungsweise des Halbeinkünfteverfahrens auch Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 108 ff. 394 Die Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes auf 26,5 v.H. für den Veranlagungszeitraum 2003 (§ 34 Abs. 11 a KStG), mit der die Beseitigung der Schäden des Hochwassers im Sommer 2002 mitfinanziert werden sollte, bleibt hier außer Betracht. 395 Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF-Schriftenreihe 66, S. 88.
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winns gegenüber dem bisherigen Rechtszustand dagegen teilweise dadurch als gerechtfertigt angesehen, dass der Gesetzgeber damit den Einstieg in eine konsumorientierte Besteuerung verwirklicht habe.396 Die Idee der Konsumbesteuerung beruht auf der Belastung des Einkommens erst bei seiner konsumtiven Verwendung. Während die gegenwärtige Einkommensbesteuerung auf der steuerlichen Erfassung des Einkommens im Zeitpunkt seiner Entstehung beruht und die Art der Verwendung für die Besteuerung regelmäßig unerheblich ist, führen bei einer konsumorientierten Einkommensbesteuerung gesparte Einkünfte zu einer entsprechenden Minderung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage. Werden die Ersparnisse aufgelöst und für den Konsum verbraucht, unterliegen sie in diesem Zeitpunkt der Einkommensbesteuerung.397 Werde das gesparte Einkommen mit einer den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer unterschreitenden Proportionalsteuer belegt, entspreche dies einer abgeschwächten Form der Konsumbesteuerung.398 Die nur unvollkommene Verwirklichung sei als fiskalisch begründete Einschränkung der neuen einkommensteuerlichen Belastungsentscheidung zu begreifen.399 Die Annahme, mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens sei der Einstieg in eine konsumorientierte Besteuerung beabsichtigt worden, geht jedoch fehl. Aus den Materialien des Gesetzes ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Unternehmenssteuerreform die gesetzgeberische Vorstellung einer konsumorientierten Besteuerung des Unternehmensgewinns zugrunde gelegen hat. Die Kombination aus niedrigem Körperschaftsteuersatz und hälftiger Steuerbefreiung auf der Ebene des Anteilseigners dient vielmehr der Begünstigung des im Unternehmen belassenen Gewinns und der Beseitigung der Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne in pauschaler Form.400 Das entspricht auch der Konzeption durch die Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung.401 Auch wenn sich die steuerliche Belastungswirkung durch das Halbeinkünfteverfahren zufällig mit den Vorstellungen einer konsumorientierten Besteuerung deckt, beruht dies dennoch erkennbar nicht auf einer dahingehenden gesetzgeberischen Intention. Eine auf der 396 Dorenkamp, StuW 2000, 121, 129; tendenziell auch Lang, DStJG 24 (2001), 49, 63. Der von Dorenkamp verwendete Begriff der nachgelagerten Besteuerung ist irreführend, weil nachgelagerte und konsumorientierte Besteuerung nicht gleichgesetzt werden können. Dem Leistungsfähigkeitsprinzip kann eine nachgelagerte Besteuerung entsprechen, ohne damit der Vorstellung einer Konsumbesteuerung zu folgen. Dass in diesem Ergebnis auch die Anhänger der konsumorientierten Besteuerung ihre Idee wiederfinden, ist dann eher zufällig. 397 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 116. 398 Dorenkamp, StuW 2000, 121, 128. 399 Dorenkamp, StuW 2000, 121, 132. Vgl. zur Konsumorientierung in der Unternehmensbesteuerung auch Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 82 f.; Lang, StuW 1989, 3, 8 ff.; ders., StuW 1990, 107, 118 ff. 400 Begründung zum StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 93 f. 401 Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF-Schriftenreihe 66, S. 49 f.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
Konsumbesteuerung basierende Auslegung der entsprechenden Normen kommt daher nicht in Betracht.402
II. Zur sog. „wirtschaftlichen Doppelbelastung“ 1. Der Begriff der Doppelbelastung Die Diskussion um die Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne wird seit langem vom immer wiederkehrenden Schlagwort der „Doppelbelastung“ beherrscht.403 Dieser Begriff soll die Belastung des an den Anteilseigner ausgeschütteten Gewinns einer Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer beschreiben. Zumeist wird in diesem Zusammenhang gefordert, die so entstandene wirtschaftliche Doppelbelastung zu beseitigen oder zumindest abzumildern. Der Terminus der Doppelbelastung hat sich im Unternehmenssteuerrecht zu einem allgemein benutzten Begriff entwickelt, ohne dass zum Ausdruck kommt, welche steuerrechtliche Erscheinung damit genau bezeichnet wird. Über die entsprechenden Begrifflichkeiten herrscht dementsprechend große Unklarheit. Lang erachtet den Begriff der Doppelbelastung für gänzlich entbehrlich.404 Eine Doppelbesteuerung liege vor, wenn ein Besteuerungsgut den Entstehungstatbestand mehrerer Steuern oder den Entstehungstatbestand einer Steuer mehrfach verwirklicht.405 Auch die Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne mit Körperschaft- und Einkommensteuer stelle eine (ungleichartige) Doppelbesteuerung dar.406 Sei ein anderes Völkerrechtssubjekt beteiligt, spreche man von internationaler Doppelbesteuerung.407 Andernorts wird zwischen Steuerkonkurrenz und Steuerkollision unterschieden. Jeweils gehe es um die Belastung mit mehreren Steuern im gleichen Zeitraum. Steuerkonkurrenz sei die Belastung des gleichen Steuerpflichtigen, Steuerkollision hingegen die Belastung des gleichen Steuerguts bei mehreren Steuerpflichtigen.408 Innerhalb der Steuerkonkurrenzen sei dann nochmals zwischen der Belastung desIm Ergebnis ebenso Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 113 ff. Aus der neuesten Literatur exemplarisch Birk, StuW 2000, 328, 333; Hey, DStJG Sonderband (2001), 5, 8; dies., Unternehmensbesteuerung, S. 241 und passim; Pezzer in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 1; ders., Festschrift f. Tipke, S. 419; ders., DStJG 25 (2002), 5, 10 ff.; Raupach, DStJG 25 (2002), 70 (Diskussionsbeitrag); Schneeloch / Trockels-Brand, DStR 2000, 907, 909; Sieker, DStJG 25 (2002), 145, 176; Stolterfoht, Festschrift f. Kruse, S. 485, 493 f.; Voß, ZRP 2000, 253. 404 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 7 Rn. 42. 405 Lang, Systematisierung, S. 41; ders. in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 7 Rn. 41. 406 Lang, Systematisierung, S. 41 f. 407 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 7 Rn. 42. 408 Kirchhof in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 177; ders., DStR 1979, 275. 402 403
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selben Steuerguts und der Belastung verschiedener Steuergüter zu unterscheiden.409 Als Oberbegriff für Steuerkonkurrenz und Steuerkollision werden „Mehrfachbelastung“ und „Doppelbelastung“ genannt.410 Der Begriff der Doppelbesteuerung soll dagegen Fällen mit internationalem Bezug vorbehalten bleiben, in denen dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in mehreren Staaten abgeschöpft wird.411 Teilweise wird wiederum die Doppelbelastung als einheitlicher Oberbegriff für alle steuerlichen Kumulierungseffekte und die Doppelbesteuerung als Unterfall hiervon verstanden.412 Der Begriff der Doppelbesteuerung wird in der Literatur mitunter auch für nationale Sachverhalte herangezogen. So bezeichnet etwa Kruse damit gleichzeitig nationale und internationale Sachverhalte.413 Zuweilen wird der hier zu betrachtende Fall einer Belastung mit Einkommen- und Körperschaftsteuer sogar ausdrücklich als „inländische Doppelbesteuerung“ bezeichnet.414 Danach kann es grundsätzlich sowohl eine nationale als auch eine internationale Doppelbesteuerung geben. Bei diesem Befund ist zunächst vordringlich, eine Vermischung der ähnlich klingenden Begriffe „Doppelbesteuerung“ und „Doppelbelastung“ zu vermeiden. Dies geschieht am leichtesten, wenn zunächst die Besteuerung eines steuerbaren Sachverhalts durch mehrere nationale Steuerrechtsordnungen ausgeschieden und der Begriff der Doppelbesteuerung hierfür reserviert wird.415 Für die Körperschaftsbesteuerung des Unternehmensgewinns und die auf die Ausschüttung folgende Einkommensbesteuerung ist somit der Begriff der Doppelbesteuerung unangebracht. Dennoch wird die steuerrechtliche Situation bei ausgeschütteten Kapitalgesellschaftsgewinnen auch mit dem Begriff der „Doppelbelastung“ nicht zutreffend charakterisiert. Die oft unreflektierte Reproduktion des Begriffs zeigt, dass eine nähere Auseinandersetzung in der Sache zumeist nicht stattgefunden hat. Die Aussage, die Besteuerung des Gewinns bei der Aktiengesellschaft und der Dividende beim Aktionär führe zu einer Doppelbelastung, setzt nämlich voraus, dass juristische Person und Anteilseigner als Einheit betrachtet werden. Damit wird der Kirchhof in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 178. Kirchhof in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 178. 411 Birk, Steuerrecht, Rn. 198; Crezelius, Steuerrecht II, § 2 Rn. 10; Mellinghoff, DStJG 22 (1999), 127, 131; der Sache nach auch Heinicke in: Schmidt, EStG, der in § 1 Rn. 90 den Begriff der Doppelbesteuerung im Zusammenhang mit internationalen Sachverhalten und in § 20 Rn. 40 den Begriff der Doppelbelastung im Zusammenhang mit der Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne erwähnt, ohne jedoch die Begriffe gegeneinander abzugrenzen. 412 Dautzenberg / Heyeres, StuW 1992, 302, 305 Fn. 21. 413 Kruse, Steuerrecht I, S. 65. 414 Ferdinand Kirchhof, Grundriss des Abgabenrechts, 1. Aufl., Rn. 120; in Rn. 139 wird dann (wenig nachvollziehbar) die Belastung mit allgemeiner und spezieller Verkehr-, Verbrauch- oder Aufwandsteuer als „Doppelbelastung“ bezeichnet. 415 So zutreffend Crezelius, Steuerrecht II, § 2 Rn. 10. In der Sache ebenso Mellinghoff, DStJG 22 (1999), 127, 131 f. 409 410
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
Durchgriff durch die juristische Person gedanklich vorweggenommen und behauptet, was zunächst besonderer Begründung bedürfte.416 Der Durchgriff ist schon aufgrund der zivilrechtlichen Eigenständigkeit der Kapitalgesellschaft keineswegs selbstverständlich; wird er aus steuerrechtlichen Gründen vorgenommen, ist er jedenfalls erklärungsbedürftig. Wird die Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung als Grundsatz und der Fortbestand einer „Doppelbelastung“ als rechtfertigungsbedürftige Ausnahme begriffen, führt dies zu einer Umkehrung der zivilrechtlichen Ausgangslage.417 Das pauschale Schlagwort von der „Doppelbelastung“ ist deshalb irreführend und trägt dazu bei, den Blick auf die maßgeblichen Grundprinzipien zu verstellen. Die Frage muss lauten, ob sich trotz der bestehenden zivilrechtlichen Eigenständigkeit der Körperschaft eine Abweichung vom steuerrechtlichen Regelfall des Nebeneinanders verschiedener Steuerarten rechtfertigen lässt. Das erfordert die Untersuchung, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen eine teilweise oder vollständige Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung auf der Ebene des Anteilseigners erforderlich ist.
2. Die „Doppelbelastung“ im Erbfall Dass ein Durchgriff vom Anteilseigner auf die Ebene der Körperschaftsbesteuerung nicht ohne weiteres als Normalfall betrachtet werden kann, zeigt auch die steuerliche Behandlung der Übertragung von Vermögen im Erbfall, die strukturell der Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft nicht unähnlich ist. Der Erbfall zeichnet sich dadurch aus, dass das beim Erblasser vorhandene Vermögen mit dem Tod auf eine oder mehrere andere Personen übergeht (§ 1922 Abs. 1 BGB). Im Zeitpunkt des Todes des Erblassers endet dessen Vermögensinhaberschaft und wird diejenige des Erben begründet. Auch beim Erbfall fließt dem Erben gespeichertes Einkommen418 des Erblassers zu, zwischen dessen Erwerb durch den Erblasser und dem Erbanfall ein langer Zeitraum liegen kann. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer der Erwerb von Todes wegen; dabei gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen unter anderem der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB). Der Erbe hat den bei ihm erfolgten Vermögensanfall als Steuerschuldner der Erbschaftsteuer zu unterwerfen (§ 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG). Die Erbschaftsteuer wird deshalb als Einkommensteuer im weiteren Sinne bezeichnet.419 Besteuerungsgrund ist die durch den 416 Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 19; Pezzer, Festschrift f. Tipke, S. 419, 426 f.; ders., DStJG 20 (1997), 5, 11. Zur Einheitsbetrachtung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner s. u. § 14 IV. 2. 417 Paradigmatisch Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 20 a.E. 418 Das Vermögen kann als gespeichertes Einkommen betrachtet werden, vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 326. 419 Birk / Barth in: Hübschmann / Hepp / Spitaler, AO, § 4 Rn. 466; Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 2; Seer in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 103. Dass eine Abgrenzung von
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Erbfall vermittelte Bereicherung,420 die ein Quell wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit darstellt. Gleichzeitig ist das Vermögen zu Lebzeiten des Erblassers bereits mit Einkommensteuer belastet worden.421 Unbestreitbar ist, dass sowohl Einkommensbesteuerung beim Erblasser als auch Erbschaftsbesteuerung beim Erben auf dieselben finanziellen Mittel zugreifen, die in der Zwischenzeit lediglich ihren Eigentümer gewechselt haben. Die Belastung von aus versteuertem Einkommen gebildetem Vermögen mit Erbschaftsteuer beim Übergang von Todes wegen oder bei der Schenkung wird allgemein akzeptiert und zumeist stillschweigend als selbstverständlich vorausgesetzt.422 Wird hierzu überhaupt näher Stellung genommen, heißt es, Ausgangspunkt der Erbschaftsbesteuerung müsse die Erkenntnis sein, dass es im Verhältnis von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer keinesfalls schon deshalb Anlass zur Kritik sein dürfe, wenn ein und dasselbe Vermögen im Zeitablauf sowohl der Einkommensteuer als auch der Erbschaftsteuer unterliege.423 Erblasser und Hinterbliebener seien im steuerlichen Sinne verschiedene Personen, weshalb eine Belastung desselben Steuerpflichtigen durch die Erbschaftsteuer nicht gegeben ist. Dies sei „normal“, die daraus resultierende Doppelbelastung systemimmanent und lediglich durch Abschaffung einer der beiden Steuern vermeidbar.424 Auch nach ständiger Rechtsprechung schließen sich Erbschaftsteuer und Einkommensteuer nicht aus.425 Die Einkommensteuer Einkommensteuer und Erbschaftsteuer danach, ob es sich um eine entgeltliche Marktteilnahme oder einen unentgeltlichen Vermögenszuwachs handelt – so etwa Götz / Lipps, DB 2004, 675, 677 f. –, nicht richtig sein kann, wird schon dadurch deutlich, dass die diesem Verständnis zugrunde liegende Markteinkommenstheorie nicht Bestandteil des Einkommensteuerrechts geworden ist und mit guten Gründen abgelehnt wird; vgl. dazu Söhn, Festschrift f. Tipke, S. 343. 420 BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvR 552 / 91, BVerfGE 93, 165, 172 f.; BFH, Urt. v. 25. 02. 1981 – II R 114 / 78, BStBl. II 1981, 411, 412; BFH, Urt. v. 13. 07. 1983 – II R 105 / 82, BStBl. II 1984, 37, 38; Meincke, ErbStG, § 1 Rn. 4; Seer in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 13 Rn. 102. 421 Das wird auch von den Anhängern einer konsumorientierten Besteuerung nicht anders gesehen. Das Prinzip der Individualbesteuerung gebiete, das Lebensendvermögen als zu Lebzeiten nicht konsumiertes Einkommen zu belasten. Das übergegangene Vermögen wird dann erneut besteuert, wenn der Erbe es konsumtiv verwendet. Dazu Dorenkamp, StuW 2000, 121, 122 mit Fn. 12. 422 Klotz, DStZ / A 1974, 347; Meincke, ErbStG, Einführung Rn. 3; Ruppe in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, Einf. Rn. 413. Auch der Gesetzgeber hat hierin kein Problem gesehen, vgl. Bericht des Finanzausschusses zum 3. Steuerreformgesetz, BT-Drucks. 7 / 2180, S. 21: „[ . . . ] es entspricht dem Nebeneinander von Einkommensteuer und Erbschaftsteuer, dass ein aus versteuertem Einkommen gebildetes Vermögen beim Übergang von Todes wegen oder bei der Schenkung auch mit Erbschaftsteuer belastet wird.“ 423 Dautzenberg / Heyeres, StuW 1992, 302, 303. 424 Dautzenberg / Heyeres, StuW 1992, 302, 303. 425 RFH, Urt. v. 14. 05. 1930 – VI A 133 / 30, RStBl. 1930, 704, 705; RFH, Urt. v. 13. 12. 1933 – VI A 1484 / 32, RStBl. 1934, 406, 407 f.; RFH, Urt. v. 06. 02. 1941 – IV 200 / 40, RStBl. 1941, 418, 420; RFH, Urt. v. 26. 06. 1941 – III e 43 / 40, RStBl. 1941, 766; BFH, Urt. v. 15. 11. 1957 – VI 79 / 55 U, BStBl. III 1958, 103; BFH, Urt. v. 26. 07. 1963
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
und – ihr nach § 8 Abs. 1 KStG folgend – die Körperschaftsteuer beschränken sich auf die Besteuerung des im Rahmen der Einkunftsarten erzielten Einkommens, zu dem die im ErbStG geregelten Erwerbe regelmäßig nicht gehören. Für erörterungswürdig werden lediglich Fallgestaltungen gehalten, in denen ausnahmsweise Einkommensteuerpflicht und Erbschaftsteuerpflicht in derselben Person zusammentreffen.426 Entscheidendes Merkmal für die Frage, ob eine erörterungswürdige „Doppelbelastung“ vorliegt, ist demnach das Steuersubjekt. Während bei der Einkommensteuer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 EStG Steuerschuldner derjenige ist, der den Einkünfteerzielungstatbestand verwirklicht, ist dies bei der Erbschaftsteuer nach § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG derjenige, der durch den Anfall der Erbschaft einen Vermögenszufluss ohne korrespondierenden Vermögensabfluss und damit eine Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfährt. Diese Trennung der vermögensrechtlichen Sphären von Erblasser und Erbe ist zwingende Voraussetzung für die Rechtfertigung der Erbschaftsbesteuerung. Würde eine Gesamtschau aus der Belastung des Erbanfalls beim Erben mit Erbschaftsteuer und des vererbten Vermögens beim Erblasser mit Einkommensteuer vorgenommen, ergäbe sich eine „Doppelbelastung“ mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer. Allenfalls in den seltenen Fällen, in denen das ererbte Vermögen vom Erblasser außerhalb der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 S. 1 EStG erzielt worden ist,427 könnte eine Erbschaftsbesteuerung ohne vorhergehende Einkommensbesteuerung erfolgen. Die Erbschaftsteuer würde ihren Anwendungsbereich praktisch verlieren, obwohl durch ihre Nennung in Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 EStG zum Ausdruck gekommen ist, dass die Erbschaftsteuer selbständig neben der in Art. 106 Abs. 3 GG genannten Einkommensteuer erhoben werden kann.
3. Maßgeblichkeit der verfassungsrechtlichen Maßstäbe Die nähere Auseinandersetzung mit der steuerlichen Rechtslage im Erbfall zeigt die Schwierigkeit, durch den Verweis auf eine „Doppelbelastung“ Erkenntnisse über die zutreffende steuerliche Behandlung ausgeschütteter Körperschaftsgewinne erzielen zu wollen. Eine selbständige Besteuerung der Körperschaften ist – VI 353 U u. a., BStBl. III 1963, 481; BFH, Urt. v. 20. 07. 1971 – VIII 24 / 65, BStBl. II 1972, 170, 171; BFH, Urt. v. 22. 12. 1976 – II R 58 / 67, BStBl. II 1977, 420, 421; BFH, Urt. v. 26. 11. 1986 – II R 190 / 81, BStBl. II 1987, 175, 177. 426 Meincke, Festschrift f. Tipke, S. 391, 394 f. Auch Tipke, Festschrift f. Friauf, S. 741, 749 scheint dies so zu sehen, wenn er ausführt, dass „ein und derselbe Zuwachs nicht zugleich der Einkommensteuer und der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterworfen werden“ darf (Hervorhebung durch den Verf.). 427 Zu denken ist hier etwa an einen Lottogewinn, der sich keiner der sieben Einkunftsarten zuordnen lässt und deshalb keiner Einkommensbesteuerung unterliegt; dazu Bachem in: Bordewin / Brandt, EStG, § 2 Rn. 48 und die Zusammenstellung bei Zugmaier in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 2 Rn. 80.
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nicht gleichbedeutend mit einer Doppelbelastung.428 Wenn die zeitlich aufeinander folgende steuerliche Belastung einmal als selbstverständlich und einmal als problematisch eingeschätzt wird, deutet dies darauf hin, dass es für die Beurteilung der Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne nicht zielführend ist, diesen Topos zu bemühen. Die Grundlage einer systematischen Betrachtung müssen vielmehr die verfassungsrechtlichen Maßstäbe selbst bilden. Das ist in erster Linie das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab steuerlicher Lastenverteilung für Körperschaftsteuer und Einkommensteuer. Für eine Kombination beider Steuerarten im Zeitablauf muss das umso eher gelten. Der Einwand, im Bereich der Ertragsbesteuerung gehe es um die Belastung der Einkünfteerzielung, bei der Erbschaftsbesteuerung hingegen um die Abschöpfung von Vermögenssubstanz429 vermag hieran nichts zu ändern. Denn anerkanntermaßen bildet Vermögen neben dem Einkommen einen Indikator für das Vorhandensein steuerlicher Leistungsfähigkeit und kann dem Steuerzugriff unterstellt werden, ohne gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip zu verstoßen.430 Unerheblich ist ferner der Umstand, dass im Rahmen der Ertragsbesteuerung steuerliche Leistungsfähigkeit aus der Ausübung der wirtschaftlichen Freiheiten der Art. 12, 14 GG geschöpft wird, während beim Erben das Vorhandensein steuerlicher Leistungsfähigkeit aus einem Vermögenstransfer herrührt.431 Der Einwand einer angeblich unterschiedlichen freiheitsgrundrechtlichen Fundierung lässt unberücksichtigt, dass auch das Erbrecht Bestandteil der Eigentumsgarantie ist. Darüber hinaus wird übersehen, dass auch bei der Einkünfteerzielung am Markt ein Vermögenstransfer stattfindet. Der Unterschied in der Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zwischen Einkommen- und Erbschaftsteuer besteht nicht im Vorhandensein eines Vermögenstransfers, sondern darin, dass dieser ohne unmittelbare Gegenleistung erfolgt. Für die Besteuerung ist aber nicht erheblich, wie die Steigerung der Leistungsfähigkeit erzielt worden ist. Die Vorstellung, das im Rahmen von Austauschgeschäften am Markt erzielte Einkommen und die unentgeltlich erworbene Erbschaft seien grundsätzlich verschieden, stellt sich als Reminiszenz an die überwundene Fundustheorie dar.432 Die Belastung des ausgeschütteten Gewinns mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer beruht auf der Besteuerung zweier unterschiedlicher Steuersubjekte. Steuersystematischer Ausgangszustand ist daher das Nebeneinander beider Steuerarten. Erklärungsbedürftig ist die Berücksichtigung der körperschaftsteuerliRuppe, Doppelbelastung, S. 23. So Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 15. 430 Statt vieler Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 95; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 326; Weber-Grellet, Festschrift f. Posser, S. 395, 405. 431 Darauf stellt Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 15 ab. 432 Zur Fundustheorie BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 121, 139 und Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 93, 149, 157; Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 922 ff. m. w. N. Gegen die Fundustheorie Arndt, DStJG 22 (1999), 25, 28 f.; Birk, DStJG 22 (1999), 7, 11 f.; dezidiert auch Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 106. 428 429
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chen Vorbelastung des ausgeschütteten Gewinns, die sich als verfassungsrechtlich geboten erweisen kann. Wenn und soweit dies der Fall ist, kommt der Vorbelastung der Gewinne mit Körperschaftsteuer Bedeutung zu.
III. Zur Existenz eines „Grundsatzes der Einmalbesteuerung“ Die Eigenart der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und deren Anteilseigner wird teilweise als „Grundsatz der Einmalbesteuerung“ charakterisiert. Dieser Begriff ist im Zusammenhang mit dem körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren geprägt worden,433 allerdings mit stark variierendem Bedeutungsgehalt. Einerseits soll er aussagen, dass ausgeschüttete Gewinne von Kapitalgesellschaften jedenfalls einmal einer deutschen Steuer vom Einkommen unterworfen werden müssen,434 weil das Anrechnungsverfahren nicht zur Steuerfreiheit des ausgeschütteten Gewinns führen dürfe.435 Dementsprechend diente der so verstandene Grundsatz der Einmalbesteuerung in der Vergangenheit dazu, eine Rechtfertigung für gesetzgeberische Maßnahmen zu schaffen, durch die Ursachen für den gänzlichen Ausfall der Besteuerung behoben werden sollten. Andererseits wird ihm aber die Bedeutung beigemessen, dass Unternehmensgewinne insgesamt nicht mehr als einmal besteuert werden dürfen.436 Ein so verstandener Grundsatz der Einmalbesteuerung würde die Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne, insbesondere das Verhältnis von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer maßgeblich beeinflussen. Er würde eine Gesamtbetrachtung beider Steuerarten erfordern und bei unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern eine Besteuerung des Unternehmensgewinns allein bei diesen vorgeben. Die Grundlagen eines derartigen Grundsatzes der Einmalbesteuerung sind jedoch in höchstem Maße unklar. Vor allem ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, woraus dieser seine rechtliche Legitimation beziehen soll.437 Das kann auch nicht weiter verwundern, wird er doch von der Finanzverwaltung propagiert, um tatsächliche oder vermeintliche „Steuerschlupflöcher“ zu schließen, während das ökonomische Schrifttum darin eine Handhabe zur Begrenzung der Steuerlast bei Unternehmensgewinnen und zur Verwirklichung eigener Zielvorstellungen sieht. Bezeichnenderweise war auch der Bundesfinanzhof nicht der Lage, dessen Herleitung über die pauschale Aussage von „Sinn und Zweck des Anrechnungsverfahrens“ 433 Vgl. Goerdeler-Kommission, BMF-Schriftenreihe 46, Rn. 438; Herzig, DB 1997, 1688, 1689; Sarrazin, DStJG 20 (1997), 57, 59. 434 Begründung zum KStG 1977, BT-Drucks. 7 / 1470, S. 380 f.; Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des EStG, des KStG und anderer Gesetze, BT-Drucks. 8 / 3648, S. 26. 435 BFH, Urt. v. 12. 12. 1990 – I R 43 / 89, BStBl. II 1991, 428, 429. 436 BFH, Beschl. v. 24. 02. 1999 – X R 171 / 96, BStBl. II 1999, 450, 461; Goerdeler-Kommission, BMF-Schriftenreihe 46, Rn. 438. 437 Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 34.
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hinaus juristisch plausibel zu machen.438 Ein solcher Grundsatz der Einmalbesteuerung von Gewinnen einer Kapitalgesellschaft bzw. ein Gebot der Einmalbelastung ausgeschütteter Gewinne ist verfassungsrechtlich nicht begründbar und lässt sich auch einfachgesetzlich nicht bereits aus der Einführung des Anrechnungsverfahrens herleiten. Dieses diente dazu, der für unerwünscht gehaltenen Kumulation von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer entgegenzuwirken. Das Anrechnungsverfahren hat die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft unberührt gelassen; auch der Übergang zum Halbeinkünfteverfahren hat hieran nichts geändert, so dass eine Verknüpfung beider Besteuerungsebenen im Sinne einer „Mindestbesteuerung“ nicht anerkannt werden kann.439 Nichts anderes kann dann aber für die Herleitung einer „Höchstbesteuerung“ gelten.
IV. Die zivilrechtliche Vorprägung des Steuersachverhalts Steuerliche Belastungsfolgen knüpfen an Ereignisse in der Vergangenheit an. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen nach § 38 AO, wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die steuerliche Behandlung eines Sachverhalts kann daher erst mit Gewissheit beurteilt werden, wenn dieser abgeschlossen worden ist. Die Vergangenheitsbezogenheit lässt die steuerliche Bewertung eines Lebensvorgangs nur zu, nachdem dieser anlässlich seiner Verwirklichung bereits Gegenstand anderer Teilrechtsordnungen, insbesondere des Zivilrechts war.
1. Einheit der Rechtsordnung Das Steuerrecht stellt wie das Zivilrecht einen Bestandteil der Gesamtrechtsordnung dar. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich verpflichtet, innerhalb der Gesamtrechtsordnung die Widerspruchsfreiheit der grundlegenden Wertungen zu wahren. Diese wertungsmäßige Widerspruchsfreiheit wird allgemein mit dem Ausdruck „Einheit der Rechtsordnung“ bezeichnet.440 Im Steuerrecht wird an Sachverhalte angeknüpft, die durch Normen des Zivilrechts vorgeprägt sind. Steuergesetze sind darauf angelegt, Sachverhalte zu erfassen, die auf eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schließen lassen. Diese wird regelmäßig auf einer Teilnahme am Rechtsverkehr in den Formen des Zivilrechts gründen.441 Das Zivilrecht liefert damit Institutionen für den Rechtsverkehr, an die auch das Steuerrecht anknüpft.442 Vgl. BFH, Urt. v. 12. 12. 1990 – I R 43 / 89, BStBl. II 1991, 427, 429. So auch Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 34; Knobbe-Keuk, StuW 1982, 201, 202 f.; Leisner, StuW 1984, 244, 247 f.; Prinz, FR 1998, 1105, 1108. 440 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 1 Rn. 29. 441 Tipke, JuS 1970, 149, 150. 438 439
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Der Teilung des Systems der Besteuerung von Körperschaftsgewinnen in zwei verschiedene Besteuerungsebenen liegt die zivilrechtliche Rechtslage zugrunde, die von einer strikten Trennung der juristischen Person von den hinter ihr stehenden natürlichen Personen geprägt und bei der der Durchgriff von der juristischen Person auf deren Anteilseigner regelmäßig ausgeschlossen ist. Angesprochen ist damit das Verhältnis, in dem zivilrechtliches Vorverständnis und autonome steuerrechtliche Wertungen stehen.
2. Rechtsprechung Die Position der Rechtsprechung bei der Beurteilung des Verhältnisses von Zivilrecht und Steuerrecht war Strömungen unterworfen, die sich im Wesentlichen auf drei Zeiträume aufteilen lassen. Der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs vor dem Zweiten Weltkrieg ist eine Neuorientierung in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in den ersten Jahren der Bundesrepublik gefolgt, die schließlich zu einer vermittelnden Position geführt hat.443
a) Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs Der Reichsfinanzhof hat in seiner Rechtsprechung der Einheit der Rechtsordnung keinen großen Stellenwert eingeräumt und stets die Eigenständigkeit der Steuerrechtsordnung gegenüber dem Zivilrecht hervorgehoben. Dementsprechend tendierte er schon früh dazu, das Steuerrecht durch ein spezifisch steuerrechtliches Verständnis zivilrechtlich vorgeprägter Sachverhalte und Rechtsbegriffe von der übrigen Rechtsordnung abzugrenzen.444 Durch die Separierung des Steuerrechts hat dieses eine weitgehend autonome rechtliche Entwicklung genommen. Gleichzeitig hat dies jedoch einer Entwicklung Vorschub geleistet, die identische wirtschaftliche Sachverhalte in verschiedenen Teilrechtsordnungen ganz verschiedenen Rechtsfolgen unterwirft. Klassisches Beispiel ist der rechtliche Begriff des Arbeitnehmers, der im Arbeitsrecht, im Sozialversicherungsrecht und im Steuerrecht jeweils unterschiedlich verstanden wird.445 442 Crezelius, Steuerrecht II, § 1 Rn. 10; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 111; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 1 Rn. 17. 443 Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 113. Vgl. zu den verschiedenen Meinungsphasen auch Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1285 ff. 444 RFH, Urt. v. 11. 10. 1921 – V A 34 / 21, RFHE 7, 85, 88; RFH, Urt. v. 15. 12. 1922 – I A 20 / 22 u. a., RFHE 11, 157, 171; RFH, Urt. v. 01. 10. 1924 – VI v A 23 / 24, RFHE 14, 217, 219. 445 Vgl. Drenseck in: Schmidt, EStG, § 19 Rn. 4. So kann etwa der sozialversicherungsrechtlich nur „Scheinselbständige“ im Steuerrecht durchaus Gewinneinkünfte erzielen, während der Beamte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, ohne zivilrechtlich Arbeitnehmer zu sein.
§ 12 Das Halbeinkünfteverfahren im System der Einkommensteuer
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b) Die anfängliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Nach dem Zweiten Weltkrieg hat eine gegenläufige Entwicklung eingesetzt. Der Bundesfinanzhof ist von der völligen Unabhängigkeit steuerrechtlicher Begriffe abgerückt und hat sich vom bislang vorherrschenden Verständnis abgewandt. Dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung wurde eine ungleich wichtigere Rolle als in der Vergangenheit zuerkannt. Dementsprechend wurde die besondere Bedeutung des Zivilrechts und seiner Rechtsinstitute betont und eine Abweichung nur zugelassen, wenn ein entsprechender Wille des Steuergesetzgebers klar erkennbar war.446 In seiner Haltung wurde der Bundesfinanzhof vom Bundesverfassungsgericht bestärkt, das im Verhältnis von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner ebenfalls von einer Vorrangigkeit des Zivilrechts ausging.447 Durch die Anforderung, eine Abweichung von zivilrechtlichen Vorgaben stets zu rechtfertigen, war eine Vorherrschaft des Zivilrechts für das Steuerrecht begründet worden, die darauf beruhte, dass ein Lebenssachverhalt zunächst mit dem Zivilrecht in Berührung kam, bevor er zum Gegenstand des Steuerrechts werden konnte.448
c) Die „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ Die unbedingte Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Steuerrecht ließ jedoch die grundlegende Verschiedenheit von Zivilrecht und Steuerrecht unberücksichtigt. Das gilt namentlich für die unterschiedliche Funktion beider Rechtsordnungen. Das Zivilrecht ist der Privatautonomie der Rechtssubjekte verpflichtet. Es dient dazu, dem Einzelnen zu ermöglichen, seine Ziele und Bestrebungen rechtlich ins Werk zu setzen und diesen im Verhältnis zu anderen Rechtssubjekten Geltung zu verschaffen. Das Steuerrecht verfolgt gänzlich andere Zwecke. Steuern ermöglichen zunächst die Erzielung von Einnahmen und die Deckung des staatlichen 446 BFH, Urt. v. 23. 07. 1957 – I 50 / 55 U, BStBl. III 1957, 306; BFH, Urt. v. 12. 07. 1960 – I 96 / 59 S, BStBl. III 1960, 387, 389; BFH, Urt. v. 24. 02. 1961 – VI 84 / 60 U, BStBl. III 1961, 188, 190; BFH, Urt. v. 09. 08. 1963 – VI 72 / 60 U, BStBl. III 1963, 454, 456; BFH, Urt. v. 03. 07. 1964 – VI 355 / 62 U, BStBl. III 1964, 511, 512; BFH, Urt. v. 18. 03. 1966 – IV 218 / 65, BStBl. III 1966, 197. 447 BVerfG, Urt. v. 24. 01. 1962 – 1 BvR 845 / 58, BVerfGE 13, 331, 340: „Privat- und Steuerrecht sind dort tiefgreifend verbunden, wo das Steuerrecht [ . . . ] den Steuergegenstand prinzipiell nach Rechtsformen des bürgerlichen Rechts bestimmt. Gewiss schließt auch solche qualifizierte Verbindung nicht schlechthin steuerrechtliche Abweichungen von der zivilrechtlichen Gestaltung im Einzelnen aus; ,sachlich hinreichend gerechtfertigt‘ im Sinne der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts ist eine Abweichung jedoch [ . . . ] nur dann, wenn sie von überzeugenden Gründen getragen ist. [ . . . ] Es gehört zum Wesen juristischer Personen wie der GmbH und der AG, dass diese Kapitalgesellschaften mit ihrer Verselbständigung gegen ,Durchgriffe‘ auf Tatbestände im Kreis oder in der Person ihrer Gesellschafter grundsätzlich abgeschirmt sind.“ 448 Überdeutlich etwa BFH, Urt. v. 12. 07. 1967 – I 204 / 64, BStBl. III 1967, 781, 782: „Primat des bürgerlichen Rechts vor dem Steuerrecht“.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
Finanzbedarfs.449 Daneben werden Steuern in zunehmendem Umfang auch zur Verhaltenssteuerung eingesetzt, um Lenkungseffekte zu erzielen.450 All dies entspricht dem gesetzlichen Bild der Steuer und macht das Steuerrecht zu staatlichem Eingriffsrecht. Im Gegensatz zum Zivilrecht kommt dem Steuerrecht nicht die Aufgabe zu, einen rechtlichen Rahmen für individuelle Freiheitsausübung zu schaffen. Schon deshalb ergibt eine unreflektierte und undifferenzierte Umsetzung zivilrechtlicher Wertungen ins Steuerrecht wenig Sinn. Dies hat in der Folge auch die Rechtsprechung erkannt. Das Bundesverfassungsgericht hat die zunächst zum Verhältnis von Zivil- und Steuerrecht getroffene Aussage451 zwar aufrecht erhalten, aber durch die Verneinung der Voraussetzungen im jeweiligen Einzelfall immer weiter relativiert.452 Es begreift Zivilund Steuerrecht nunmehr als nebengeordnete, gleichrangige Rechtsgebiete, die einen identischen Sachverhalt anhand unterschiedlicher Wertungsgesichtspunkte zu beurteilen haben. Zwar sei das Zivilrecht – rein faktisch – vor dem Steuerrecht anzuwenden, daraus ergebe sich jedoch kein Vorrang.453 Auch der Bundesfinanzhof ist immer wieder von zivilrechtlichen Vorgaben abgewichen, um im einzelnen Fall die Ziele des Steuerrechts zu verwirklichen und Steuergerechtigkeit zu gewährleisten.454 Dies führte die finanzgerichtliche Rechtsprechung an eine „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ heran, die zum Ziel hat, Sachverhalte des Wirtschaftslebens mit steuerjuristischen Mitteln zu erfassen und wirtschaftlich gleichartige Vorgänge auch steuerrechtlich gleich zu behandeln.455 Mit der Anerkennung der rechtlichen Unterschiede zwischen Zivil- und Steuerrecht hat der Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 1 Rn. 6. Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 1 Rn. 8. 451 s. o. Fn. 447 . 452 BVerfG, Beschl. v. 11. 11. 1964 – 1 BvR 488 / 62 u. a., BVerfGE 18, 224, 232; BVerfG, Beschl. v. 14. 12. 1966 – 1 BvR 496 / 65, BVerfGE 21, 6, 11; BVerfG, Beschl. v. 11. 07. 1967 – 1 BvR 495 / 63 u. a., BVerfGE 22, 156, 160 f.; BVerfG, Beschl. v. 25. 07. 1968 – 1 BvR 58 / 67, BVerfGE 24, 112, 118; BVerfG, Beschl. v. 14. 01. 1969 – 1 BvR 136 / 62, BVerfGE 25, 28, 36; BVerfG, Beschl. v. 15. 07. 1969 – 1 BvR 457 / 66, BVerfGE 26, 327, 334 f.; BVerfG, Beschl. v. 22. 07. 1970 – 1 BvR 285 / 66 u. a., BVerfGE 29, 104, 117; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 5 Rn. 67 Fn. 39 a.E. Näher dazu u. § 14 III. 1. 453 BVerfG, Beschl. v. 27. 12. 1991 – 2 BvR 72 / 90, BStBl. II 1992, 212, 213: Es „gilt keine Vermutung, das dem Zivilrecht entlehnte Tatbestandsmerkmal einer Steuerrechtsnorm sei im Sinne des zivilrechtlichen Verständnisses zu interpretieren. Ein Vorrang oder eine Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Würdigung [ . . . ] für die Auslegung der betreffenden steuerrechtlichen Vorschrift besteht schon deshalb nicht, weil Zivilrecht und Steuerrecht nebengeordnete, gleichrangige Rechtsgebiete sind, die denselben Sachverhalt aus einer anderen Perspektive und unter anderen Wertungsgesichtspunkten beurteilen.“ 454 BFH, Urt. v. 24. 02. 1967 – VI 169 / 65, BStBl. III 1967, 387, 388; BFH, Urt. v. 26. 07. 1967 – I 138 / 65, BStBl. III 1967, 733; BFH, Urt. v. 05. 10. 1973 – VIII R 78 / 70, BStBl. II 1974, 130; BFH, Urt. v. 12. 07. 1979 – II R 26 / 78, BStBl. II 1979, 631. Näher dazu u. § 14 III. 2. 455 BFH, Urt. v. 26. 01. 1970 – IV R 144 / 66, BStBl. II 1970, 264, 268; Seeger in: Schmidt, EStG, § 2 Rn. 40. 449 450
§ 12 Das Halbeinkünfteverfahren im System der Einkommensteuer
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Bundesfinanzhof eine Synthese aus den bisherigen Positionen der Rechtsprechung hergestellt.
3. Literatur Im Schrifttum wurde in der Anfangsphase des deutschen Steuerrechts teilweise eine Berücksichtigung der besonderen Abhängigkeit des Steuerrechts von zivilrechtlichen Vorgaben, teilweise eine völlige Eigenständigkeit des Steuerrechts gefordert.456 Nach dem Zweiten Weltkrieg ist auch das wissenschaftliche Schrifttum zunächst der Ansicht gefolgt, dass eine enge Verknüpfung von Zivilrecht und Steuerrecht erforderlich sei. Im Hinblick auf die Wahrung der Einheit der Rechtsordnung sei eine Übertragung zivilrechtlicher Begriffe auf das Steuerrecht möglichst ohne Veränderung des Sinngehalts anzustreben.457 Die Literatur hat sich jedoch schon recht bald von dieser engen Bindung des Steuerrechts an zivilrechtliche Vorgaben gelöst und differenzierende Lösungen entwickelt. Dies ging mit der Erkenntnis einher, dass das Steuerrecht als eigenständiges Rechtsgebiet keinen allgemeinen Vorrang des Zivilrechts anerkennen kann. Sowohl Zivilrecht als auch Steuerrecht sind als Teile der Gesamtrechtsordnung einander neben- und der Verfassung untergeordnet, zwischen Zivil- und Steuerrecht besteht eine Präzedenz, aber keine Prävalenz.458 Der im Vergleich zum Zivilrecht spezifisch wirtschaftlichen Zielrichtung des Steuerrechts sei durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise Rechnung zu tragen. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung als Ausfluss des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes erfordere die Anknüpfung an gleiche wirtschaftliche Ergebnisse, auch wenn diese in unterschiedlicher zivilrechtlicher Form erzielt wurden.459 Demgegenüber ist in der neueren Literatur von Crezelius die Auffassung vertreten worden, das Steuerrecht erfasse nicht wirtschaftliche Sachverhalte, sondern zivilrechtliche Gestaltungen. Der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten zivilrechtlichen Privatautonomie sei ein höherer Stellenwert beizumessen als der Gleichmäßigkeit der Besteuerung,460 so dass sich aus dem Gebot der Wahrung der Privatautonomie die Verpflichtung ergebe, steuerrechtliche Sachverhalte nach Maßgabe des Zivilrechts auszulegen.461 456 Vgl. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 119; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 5 Rn. 66, jeweils m. w. N. 457 Eckhardt, StbJb. 1961 / 62, 77, 130 ff.; weitere Nachweise bei Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 119 f. Fn. 740. 458 Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 49 f. 459 So auch die heute herrschende Meinung, etwa Kirchhof, StuW 1983, 173, 181; Kruse / Drüen in: Tipke / Kruse, AO, § 4 Rn. 324; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 1 Rn. 19; Osterloh in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 146; Ruppe in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, Einf. Rn. 455; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 154; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 52. 460 Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 178 ff.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
Diese Auffassung von Crezelius berücksichtigt jedoch nicht genügend die unterschiedlichen Regelungsgegenstände beider Rechtsordnungen. Während das Zivilrecht die selbstbestimmte Regelung von rechtlichen Beziehungen zwischen Privatrechtssubjekten zum Gegenstand hat, ist das Steuerrecht hoheitliche Eingriffsverwaltung zur Erzielung von Staatseinnahmen.462 Aus der Eigenständigkeit der jeweils verfolgten Zwecke ergibt sich auch eine Eigenständigkeit der beiden Rechtsordnungen unter dem gemeinsamen Dach des Grundgesetzes. Der Topos der Einheit der Rechtsordnung entfaltet in diesem Zusammenhang nur insoweit eine Wirkung, als es darum geht, vermeidbare Wertungswidersprüche zwischen einzelnen Teilrechtsordnungen nicht eintreten zu lassen oder abzubauen. Hingegen kann dem Gebot der Einheit der Rechtsordnung nicht die Bedeutung entnommen werden, dem Steuerrecht eine Anknüpfung an den tatsächlich verwirklichten wirtschaftlichen Sachverhalt zu versagen. Dies wird missachtet, wenn aus der zeitlichen Vorherigkeit des Zivilrechts dessen Vorrang vor dem Steuerrecht abgeleitet wird.
§ 13 Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht Das deutsche Unternehmenssteuerrecht ist am Maßstab der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit zu messen. Es darf nicht dazu führen, dass einer Kapitalgesellschaft die Niederlassung im Ausland oder einem Anleger der Erwerb ausländischer Kapitalgesellschaftsanteile durch steuerliche Maßnahmen erschwert wird. Die grenzüberschreitende Ausschüttung von Kapitalgesellschaftsgewinnen stellt eine Kapitalbewegung dar, die in den Schutzbereich der beiden Grundfreiheiten fallen kann. Diese enthalten nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur ein Diskriminierungsverbot, sondern auch ein allgemeines Beschränkungsverbot, so dass sich steuerliche Regelungen, die den freien Kapitalverkehr beeinträchtigen, durch zwingende Gründe des Gemeinwohls rechtfertigen lassen müssen. Da fiskalische Erwägungen zur Rechtfertigung eines Verstoßes gegen die Grundfreiheiten nicht geeignet sind, kommt als Rechtfertigungsgrund nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs insbesondere die Wahrung des steuerlichen Systemzusammenhangs in Betracht.463 Das europäische Gemeinschaftsrecht hat bei der Aufgabe des Anrechnungsverfahrens eine entscheidende Rolle gespielt. Das Anrechnungsverfahren ließ eine Anrechnung der Körperschaftsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG nur zu, wenn die ausschüttende Kapitalgesellschaft im Inland unbeschränkt steuerpflichtig war. 461 462 463
Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung, S. 330 ff. Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, S. 104. s. o. § 8.
§ 13 Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht
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Gleiches galt – von den Ausnahmen der §§ 1 Abs. 3, 1 a, 50 Abs. 5 S. 3 EStG abgesehen – für den in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner. Für den in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner einer ausländischen Kapitalgesellschaft war eine Anrechnung im Ausland entrichteter Körperschaftsteuer damit ebensowenig möglich, wie für den im Ausland ansässigen Gesellschafter einer deutschen Kapitalgesellschaft. Beide Fälle stellten eine Schlechterstellung gegenüber inländischen Sachverhalten und somit einen Eingriff in die Kapitalverkehrs- bzw. Niederlassungsfreiheit dar. Aus dieser Beschränkung der Anrechnung auf Inlandssachverhalte ergaben sich Zweifel im Hinblick auf die Europarechtskonformität. Die Rechtfertigung dieses Eingriffs mit fiskalischen Erwägungen war nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausgeschlossen, so dass die Bundesrepublik nicht mit Erfolg hätte geltend machen können, eine Einbeziehung auch ausländischer Körperschaften und beschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner sei mit zu großen Steuerausfällen verbunden. Allenfalls die Herstellung der Kohärenz hätte einen Rechtfertigungsgrund bilden können. Der deutsche Gesetzgeber musste jedoch berücksichtigen, dass der Europäische Gerichtshof den Anwendungsbereich dieses Rechtfertigungsgrundes immer stärker eingegrenzt und insbesondere nur in Fällen zugelassen hat, die die Besteuerung desselben Rechtssubjekts zum Gegenstand hatten.464 Bei der Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne nach dem Anrechnungsverfahren war dies nicht der Fall, weil hier unabhängig von der systematischen Funktion der Körperschaftsteuer zwei Rechtspersonen als Steuersubjekte in Erscheinung getreten sind. Im Gesetzgebungsverfahren wurde folglich die mangelnde Vereinbarkeit des Anrechnungsverfahrens mit den europarechtlichen Anforderungen als einer der zentralen Gründe für die Aufgabe des Anrechnungsverfahrens genannt.465 Der deutsche Gesetzgeber hat dieses in seiner bisherigen Form zunächst beibehalten wollen, schließlich aber realisiert, dass dessen Verteidigung in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof nur geringe Erfolgsaussichten geboten hätte. Dass die europarechtlichen Bedenken gegen das Anrechnungsverfahren in seiner bisherigen Form berechtigt waren, wird auch von den Kritikern des Halbeinkünfteverfahrens im juristischen Schrifttum nicht ernsthaft bestritten.466 Die Europäische Kommission hat das deutsche Anrechnungsverfahren als gemeinschaftsrechtswidrig beanstandet und der Bundesregierung ein Vertragsverletzungsverfahren in Aussicht gestellt.467 Unter diesen Voraussetzungen bestanden zumindest 464 EuGH, Urt. v. 28. 01. 1992 – C-204 / 90 (Bachmann), Slg. 1992, I-276, Rn. 21 ff.; EuGH, Urt. v. 28. 01. 1992 – C-300 / 90 (Kommission / Belgien), Slg. 1992, I-314, Rn. 14 ff. 465 Begründung zum StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 95. 466 Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 81 ff.; Hey, DStJG Sonderband (2001), 5, 9; Lang, GmbHR 2000, 453, 457; Pezzer, StuW 2000, 144, 145 f.; ders. in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 4; Schneeloch / Trockels-Brand, DStR 2000, 907, 909 f. Zum früheren Rechtszustand ausführlich Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 174. 467 Vgl. Sarrazin, DStJG 20 (1997), 57, 68.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
ernsthafte Zweifel, ob das Anrechnungsverfahren vom Europäischen Gerichtshof unbeanstandet bleiben würde. Es bestand deshalb zuletzt weitgehend Einigkeit darüber, dass das Anrechnungsverfahren nicht unverändert fortgeführt werden konnte.468 Die am Anrechnungsverfahren gehegten europarechtlichen Zweifel haben nunmehr in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs durch das ManninenUrteil469 eindrucksvoll Bestätigung gefunden. Dessen Gegenstand war das finnische Anrechnungsverfahren, das eine der Körperschaftsteuer entsprechende Steuergutschrift nur gewährte, wenn die Gesellschaft in Finnland ansässig und der Anteilseigner dort unbeschränkt steuerpflichtig war. In der grundsätzlichen Funktionsweise und in der Beschränkung der Steuergutschrift auf inländische Kapitalerträge entspricht dies dem früheren deutschen Anrechnungsverfahren. Der Gerichtshof hat hierin eine Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit gesehen, die auch nicht zur Herstellung eines kohärenten Steuersystems erforderlich sei. Zwar sei ein enger Zusammenhang nicht in Abrede zu stellen, die Kohärenz könne jedoch auch gewährleistet werden, wenn eine Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer stattfinde. Die daraus resultierenden fiskalischen Nachteile seien für die Rechtfertigung der Beschränkung unbeachtlich.470 Die Aufgabe des Anrechnungsverfahrens mit der Begründung mangelnder Europarechtskonformität hat dem Gesetzgeber dennoch Kritik eingebracht. Diese bezog sich darauf, sich mit der Möglichkeit einer Reform des Anrechnungsverfahrens nicht gründlich genug auseinander gesetzt zu haben. Durch eine Änderung der Anrechnungstatbestände habe die Möglichkeit einer einfacheren und steuersystematisch unbedenklichen Anpassung an das Europarecht bestanden. Eine Reform des Anrechnungsverfahrens, die dessen Vereinbarkeit mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht hergestellt hätte, wäre einem vollständigen Systemwechsel vorzuziehen gewesen.471 468 Aufgrund welcher Umstände van Lishaut, FR 1999, 938, 942 Fn. 26 zur Annahme gelangt, das Anrechnungsverfahren sei europarechtlich nicht zu beanstanden gewesen, bleibt rätselhaft. 469 EuGH, Urt. v. 07. 09. 2004 – C-319 / 02 (Manninen), DB 2004, 2023. 470 EuGH, Urt. v. 07. 09. 2004 – C-319 / 02 (Manninen), DB 2004, 2023, Rn. 42 ff. 471 Grotherr, BB 2000, 849, 850; Hey, DStJG 24 (2001), 155, 197 f.; dies., DStJG Sonderband (2001), 5, 17 f.; Reiß, DStR 1999, 2011, 2014 f.; Spengel / Jaeger / Müller, IStR 2000, 257, 259. Dass dem Gesetzgeber angesichts der entschiedenen Haltung der Europäischen Kommission nicht, wie Grotherr meint, angesonnen werden kann, die Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof in einem Vertragsverletzungsverfahren abzuwarten, liegt auf der Hand. Wenn geltend gemacht wird, den europarechtlichen Vorgaben könne durch eine grenzüberschreitende Anrechnung im Wege bilateraler Vereinbarungen oder mittels eines Clearingsystems Rechnung getragen werden (so Sigloch, StuW 2000, 160, 163), erhellt nicht, weshalb dies mehr Erfolg versprechen sollte als die bislang gescheiterten Bemühungen der Kommission zur Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung. Selbst wenn man dies für den „Königsweg“ hält, wäre dieser überdies keinesfalls innerhalb des bestehenden Zeithorizonts realisierbar gewesen.
§ 13 Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht
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Unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit Europarecht bietet das Halbeinkünfteverfahren gegenüber dem Anrechnungsverfahren in seiner bisherigen Form entscheidende Vorteile, weil es zu einer Gleichbehandlung in- und ausländischer Kapitalerträge führt. Die hälftige Steuerfreistellung der Einkünfte des Anteilseigners durch das Halbeinkünfteverfahren findet unabhängig davon statt, ob die Erträge im In- oder Ausland erzielt worden sind.472 Charakteristisch für das Halbeinkünfteverfahren ist die strikte Trennung beider Besteuerungsebenen. Die Definitivbelastung der Körperschaft und die progressive Besteuerung des Anteilseigners beeinflussen sich gegenseitig nicht. Die Besteuerung des Anteilseigners knüpft nunmehr allein an dessen Wohnsitz an und ist unabhängig von der Herkunft der Zahlung. Ob die Beteiligung an einem in- oder ausländischen Unternehmen gehalten wird, ist für die hälftige Freistellung der Beteiligungserträge ohne Bedeutung. Entsprechendes gilt für die Besteuerung der Kapitalgesellschaft: Sie stellt auf die Erzielung des Ertrags im Inland ab und belastet diesen mit der definitiven Körperschaftsteuer unabhängig davon, ob der Gewinn anschließend an Anteilseigner im In- oder Ausland ausgeschüttet wird. Diese Entkopplung von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung bildet die Voraussetzung dafür, dass die europarechtlichen Bedenken ausgeräumt werden konnten.473 Ob die Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht auch innerhalb des Anrechnungsverfahrens hätte hergestellt werden können, ist in europarechtlicher Hinsicht bedeutungslos. Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags geben kein bestimmtes System der Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne vor. Das Europäische Gemeinschaftsrecht ist bezüglich der Beibehaltung oder Abschaffung des Anrechnungsverfahrens indifferent, wenn nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen wird. Die Prüfungskompetenzen der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs umfassen nur die Vereinbarkeit mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht, nicht auch, ob die zweckmäßigste Möglichkeit gewählt wurde. Es bleibt dem nationalen Gesetzgeber überlassen, innerhalb der durch die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit gesetzten Grenzen die für richtig gehaltene Besteuerung zu verwirklichen.
472 Auf die Kapitalertragsteuer mit ihrer Abgeltungswirkung (§§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 50 Abs. 5 S. 1 EStG) soll nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Dautzenberg, BB 2001, 2137; Fock, RIW 2001, 108, 111 ff. Unterschiedlich beurteilt wird, ob bei ausländischen Anteilseignern die volle Kapitalertragsteuer einbehalten werden kann, obgleich die Ausschüttungen an inländische Anteilseigner zur Hälfte freigestellt werden, vgl. Hey, DStJG Sonderband (2001), 5, 9; Rödder / Schumacher in: Schaumburg / Rödder, Unternehmenssteuerreform, S. 159 f. 473 Das übersieht Crezelius, DB 2000, 1631, wenn er die gegen das Anrechnungsverfahren erhobenen europarechtlichen Einwände auf das Halbeinkünfteverfahren überträgt, weil man sich „auf derselben Argumentationsebene“ befinde.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
§ 14 Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft Neben dem Europäischen Gemeinschaftsrecht sind bei der Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft die Anforderungen des Grundgesetzes zu wahren. Zentraler Besteuerungsmaßstab ist das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Nachfolgend soll geklärt werden, wie eine leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung des Anteilseigners auszugestalten ist. In Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur auffindbare Wertungskriterien lassen den Schluss auf eine unterschiedlich ausgeprägte steuerliche Leistungsfähigkeit des Anteilseigners in einer Kapitalgesellschaft zu, die für das Verständnis der Gesellschafterbesteuerung auch de lege lata von Bedeutung ist.
I. Die Rechtsform als Ausdruck der wirtschaftlichen Stellung des Anteilseigners 1. Die wirtschaftlichen Tatbestände des Unternehmers und des Kapitalgebers Der historische Gesetzgeber hat im Einkommensteuergesetz 1925 den Steuertatbestand durch eine Aufzählung der von ihm für besteuerungswürdig gehaltenen Einkunftsarten normiert, ohne sich für Reinvermögenszugangstheorie oder Quellentheorie zu entscheiden.474 Das Einkommensteuerrecht ordnet Gesellschaftsbeteiligungen dabei grundsätzlich zwei Einkunftsarten zu. Ist der Inhaber einer Gesellschaftsbeteiligung unternehmerisch tätig, erzielt er Einkünfte aus Gewerbebetrieb, ist er dagegen als Kapitalgeber anzusehen, wird das Ergebnis seiner Tätigkeit den Einkünften aus Kapitalvermögen zugeordnet. Die gesetzlichen Einkunftsarten dienen dazu, reale Vorgänge im Steuerrecht abzubilden. Mit der Zuordnung zur jeweiligen Einkunftsart ist damit auch eine bestimmte Vorstellung von der wirtschaftlichen Stellung des Steuerpflichtigen verbunden. Mit den Begriffen des Unternehmers bzw. Mitunternehmers in § 15 Abs. 1 EStG und der Aufzählung in § 20 EStG hat der Gesetzgeber diese wirtschaftlichen Unterschiede in der Einkünfteerzielung nachgezeichnet, die sich auf die Leistungsfähigkeit des Anteilseigners auswirken können.
a) Einkünfte aus Gewerbebetrieb Obwohl dem Begriff des Unternehmers erhebliche Bedeutung zukommt, ist dieser nicht allgemein gültig festgelegt. Er wird in verschiedenen Rechtsbereichen 474
Zur Rechtsentwicklung Kirchhof in: ders. / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 240 ff.
§ 14 Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Besteuerung
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und Gesetzen mit unterschiedlichem Inhalt verwendet. In seinen Einzelheiten muss er für jedes Rechtsgebiet näher bestimmt werden. Allgemein kann als Unternehmer die Person bezeichnet werden, nach deren Willen und auf deren Rechnung und Gefahr das Unternehmen in der Weise geführt wird, dass sich Erfolg oder Misserfolg in ihrem Vermögen unmittelbar niederschlägt.475 Eine unternehmerisch tätige Person verpflichtet typischerweise andere Personen – etwa Arbeitnehmer, Lieferanten, Darlehensgeber oder Verpächter – zu Leistungen, die sie zu marktfähigen Güter- oder Dienstleistungsangeboten bündelt und auf eigenes Risiko am Markt absetzt.476 Dadurch nimmt sie eine aktive Rolle bei der Verfolgung der geschäftlichen Ziele ein. Der Unternehmer ist persönlich mit dem Unternehmen verbunden, indem er unternehmerische Initiative ausübt und wirtschaftliche Verantwortung übernimmt. Der einkommensteuerliche Unternehmerbegriff ist deshalb vom Großen Senat des Bundesfinanzhofs durch die Merkmale der Unternehmerinitiative und des Unternehmerrisikos konkretisiert worden.477 Der in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG verwendete Begriff des Mitunternehmers dient dabei der Umschreibung der Merkmale, deren Vorliegen bei einem Zusammenschluss Mehrerer eine Gleichbehandlung mit dem Einzelunternehmer zulässt.478 Mit dem Begriff der Unternehmerinitiative wird dabei die Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen umschrieben. Diese muss nicht zwingend in eigener Person erfolgen, weil der Kommanditist Mitunternehmer, dagegen nach § 164 Abs. 1 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die Möglichkeit, Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte in einem Umfang auszuüben, der zumindest der Stellung eines Kommanditisten entspricht.479 Das erforderliche Unternehmer475 BFH, Urt. v. 24. 09. 1991 – VIII R 349 / 83, BStBl. II 1992, 330, 332; Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, § 15 Rn. 136. 476 Jakob, Einkommensteuer, Rn. 75. 477 BFH, Beschl. v. 03. 05. 1993 – GrS 3 / 92, BStBl. II 1993, 616, 621; Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, § 15 Rn. 136. 478 BFH, Beschl. v. 19. 10. 1970 – GrS 1 / 70, BStBl. II 1971, 177, 178; BFH, Urt. v. 06. 07. 1978 – IV R 164 / 74, BStBl. II 1978, 647, 648; BFH, Urt. v. 30. 11. 1978 – IV R 15 / 73, BStBl. II 1979, 236, 237 f.; BFH, Urt. v. 25. 01. 1980 – IV R 159 / 78, BStBl. II 1980, 275, 276; BFH, Urt. v. 28. 04. 1983 – IV R 131 / 79, BStBl. II 1983, 668, 670; BFH, Beschl. v. 25. 02. 1991 – GrS 7 / 89, BStBl. II 1991, 691, 698; BFH, Urt. v. 28. 10. 1999 – VIII R 41 / 98, BStBl. II 2000, 339, 341; BFH, Urt. v. 24. 08. 2000 – IV R 51 / 98, FR 2000, 1210, 1213; BFH, Urt. v. 12. 04. 2000 – XI R 35 / 99, BStBl. II 2001, 26, 27; BFH, Urt. v. 06. 12. 2000 – VIII R 21 / 00, FR 2001, 295, 296. Diese „Gleichstellungsthese“ wird in der Literatur überwiegend befürwortet, vgl. Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, S. 122 f.; Raupach, DStZ 1992, 692, 696; Richter / Markl in: Lademann, EStG, § 15 Rn. 161; Schmidt, EStG, § 15 Rn. 161. Die unmittelbare Zuordnung des Gewinnanteils wird als Ausdruck dieser Gleichbehandlung von Einzel- und Mitunternehmer verstanden, weil auch der Einzelunternehmer seinen Gewinn im Veranlagungszeitraum versteuern muss, in dem er angefallen ist, vgl. KnobbeKeuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, S. 361; Uelner, DStJG 14 (1991), 139, 144. Früher vorherrschende Ansicht war, die Personengesellschaft sei „für die Einkommensteuer [ . . . ] überhaupt nicht da“ (so Becker, Einkommensteuer, S. 94). 479 BFH, Beschl. v. 25. 06. 1984 – GrS 4 / 82, BStBl. II 1984, 751, 769.
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risiko wird durch die Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens vermittelt. Das schließt eine Beteiligung an Gewinn, Verlust, stillen Reserven und Firmenwert ein.480 Beide Merkmale müssen kumulativ vorliegen, können in ihrer Intensität aber variieren. Erforderlich ist eine wertende Betrachtung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung bestimmenden Umstände.481 b) Einkünfte aus Kapitalvermögen Im Unterschied dazu besteht die Tätigkeit des Kapitalgebers darin, natürlichen oder juristischen Personen finanzielle Mittel gegen Entgelt zur Nutzung zur Verfügung zu stellen.482 Der Besteuerung unterworfen sind die Leistungen, die der Kapitalgeber für die Hingabe des Kapitals erhält, wobei die Form der Kapitalüberlassung ebensowenig von Bedeutung ist wie deren Bezeichnung im Rechtsverkehr oder zwischen den Parteien. Dass es dem Gesetzgeber allein auf den wirtschaftlichen Vorteil der Kapitalüberlassung ankommt, kommt durch § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zum Ausdruck, der als Auffangtatbestand alle in der übrigen Aufstellung nicht genannten Tatbestände entgeltlicher Kapitalüberlassung erfasst. Die Art der Gegenleistung kann sehr verschiedene Formen annehmen und ist maßgeblich von der individuellen Ausgestaltung des der Kapitalüberlassung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses abhängig. Die entgeltliche Kapitalüberlassung in der Form einer Unternehmensbeteiligung ist in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG geregelt. Wird Unternehmenskapital bereitgestellt, kann dieses als Eigen- oder Fremdkapital zugeführt werden. Bei einer Beteiligung am Eigenkapital einer Gesellschaft nimmt der Kapitalgeber als Gegenleistung über die Gewinnausschüttung und die Wertsteigerung seiner Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens teil. An der Führung der unternehmerischen Geschäfte ist er dagegen nicht beteiligt, ihm stehen lediglich die aus seiner Mitgliedschaft resultierenden Kontrollrechte zu. Er agiert mithin nicht selbst im Unternehmen, sondern ist als außenstehender Beobachter tätig.
2. Abgrenzung der Einkunftsarten durch die Rechtsform Der vom Gesellschafter einer gewerblich tätigen Gesellschaft verwirklichte Tatbestand der Einkünfteerzielung ist somit von der Stellung abhängig, die der GesellBFH, Beschl. v. 25. 06. 1984 – GrS 4 / 82, BStBl. II 1984, 751, 769. BFH, Beschl. v. 25. 06. 1984 – GrS 4 / 82, BStBl. II 1984, 751, 769. 482 BFH, Urt. v. 31. 10. 1989 – VIII R 210 / 83, BStBl. II 1990, 532, 533 m. w. N.; BFH, Urt. v. 08. 10. 1991 – VIII R 48 / 88, BStBl. II 1992, 174, 175. Aus der Literatur etwa Geurts in: Bordewin / Brandt, EStG, § 20 Rn. 1; Heinicke in: Schmidt, EStG, § 20 Rn. 2; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 9 Rn. 559; Stuhrmann in: Blümich, EStG, § 20 Rn. 14; Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1285. 480 481
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schafter in der Gesellschaft einnimmt. Die Unterscheidung beider Einkunftsarten hat der Gesetzgeber mit Hilfe der zivilrechtlich vorgegebenen Gesellschaftsformen vorgenommen. Mit der Einordnung in die Kategorien „Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ oder „Einkünfte aus Kapitalvermögen“ wird mittelbar der wirtschaftliche Gehalt der einkünfteerzielenden Tätigkeit definiert. Die Trennlinie verläuft dabei zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften. Der Inhaber eines Personenunternehmens erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft Einkünfte aus Kapitalvermögen, ohne dass die tatsächliche Ausgestaltung der Beteiligung von Bedeutung ist. Die Vorstellung, dass der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft steuerlich als deren Gläubiger anzusehen ist, findet sich bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert483 und hat das Einkommensteuerrecht bis heute geprägt. Die Besteuerungsunterschiede zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften beruhen auf dem Anliegen des Gesetzgebers, die Besteuerung der Personengesellschaft als Objekt mitunternehmerischer Einkünfteerzielung möglichst weitgehend der Besteuerung des Einzelunternehmers anzugleichen,484 während parallel dazu ein einheitliches System für die Besteuerung von Kapitalgesellschaften geschaffen wurde.
a) Personenunternehmen Die Personengesellschaft ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine Erweiterung des einzelkaufmännischen Unternehmens. Durch die Organisation des Unternehmens in einer Personengesellschaft wird zivilrechtlich keine vollständige Rechtsfähigkeit begründet, sondern die Führung des Unternehmens nur in gewissen Beziehungen von der natürlichen Person gelöst und organschaftlich strukturiert. Der Steuergesetzgeber ist dem gefolgt. Grundgedanke der Besteuerung von Personenunternehmen ist die steuerliche Einheit von Gesellschaft und Gesellschafter bei der Einkünfteermittlung. Steuersubjekt ist allein der Unternehmer; der Unternehmensgewinn oder -verlust wird diesem unmittelbar zugeordnet (Transparenzprinzip).485 Die zivilrechtliche Rechtszuständigkeit der Personengesellschaft hat es für den Vollzug des Transparenzprinzips erforderlich gemacht, auch die gewerbliche Personengesellschaft partiell als Steuerrechtssubjekt anzuerkennen.486 483 So schreibt Schanz, FinArch 2 (1885), 1. Halbbd., 235, 318: „Die Aktionäre erscheinen [ . . . ] wirtschaftlich als Gläubiger der Aktiengesellschaft. [ . . . ] Die meisten kümmern sich um die Aktiengesellschaften sogar weniger als sonst der Gläubiger um die Verhältnisse seines Schuldners.“ 484 Vgl. die Nachweise in Fn. 478. 485 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 8 Rn. 83. 486 BFH, Beschl. v. 25. 06. 1984 – GrS 4 / 82, BStBl. II 1984, 751, 761 f.; BFH, Beschl. v. 03. 07. 1995 – GrS 1 / 93, BStBl. II 1995, 617, 621; Schmidt, EStG, § 15 Rn. 164. Ob die Annahme einer partiellen Steuerrechtsfähigkeit mehr ist als nur eine Kurzmetapher – so
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Das Transparenzprinzip ist dadurch lediglich für die Praxis handhabbar gemacht worden. Einkommensteuerlich sind allein die Gesellschafter, nicht die Gesellschaft als solche Trägerin des Unternehmens.487 Ob der Gewinn entnommen werden kann, insbesondere ob die Gesellschaft eine Ausschüttung beschließt und wann diese dem einzelnen Mitunternehmer zufließt, ist für die Gewinnzurechnung ohne Bedeutung.488
b) Kapitalgesellschaften Demgegenüber hat der Gesetzgeber die Besteuerung von Gewinnen einer Kapitalgesellschaft von der dahinter stehenden natürlichen Person abgelöst. Kapitalgesellschaft und Anteilseigner werden als eigene Steuersubjekte behandelt. Auf dieser Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft basiert das Trennungsprinzip. Die Gewinne werden steuerlich allein als Einkommen der Gesellschaft, nicht des Anteilseigners behandelt.489 Erst wenn diese ausgeschüttet werden, bilden sie nach dem Zufluss beim Anteilseigner Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne beruht damit auf einer Unterscheidung von zwei Zeitabschnitten, die durch die Gewinnausschüttung getrennt werden. Diese Einkünfte werden bei der Gesellschaft und dem Anteilseigner jeweils einer Ertragsbesteuerung unterworfen. Der Trennung der steuerlichen Sphäre von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Anteilseigner nicht selbst unternehmerisch tätig ist, sondern ihm die Rolle eines Kapitalgebers zukommt. Damit betrifft die Besteuerung des Anteilseigners mit seinen Gewinnausschüttungen nicht mehr die Unternehmensbesteuerung.490
c) Übertragung auf die Gesellschafterbesteuerung Die Übernahme der zivilrechtlichen Rechtsformen für die Besteuerung der Gesellschaft hat zur Rechtsformabhängigkeit des Unternehmenssteuerrechts geführt. Indem die zivilrechtliche Organisationsform des Unternehmens als Maßstab für die steuerliche Beurteilung herangezogen wird, ob der an einer Kapitalgesellschaft beteiligte Steuerpflichtige die Stellung eines Unternehmers oder eines Kapitalgebers einnimmt, überträgt sich die Rechtsformabhängigkeit der GesellschaftsReiß, DStJG 17 (1994), 3, 10 – ist im Einzelnen sehr umstritten. Vgl. dazu Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 9 Rn. 500 ff. m. w. N. 487 BFH, Beschl. v. 03. 07. 1995 – GrS 1 / 93, BStBl. II 1995, 617, 621; Schmidt, EStG, § 15 Rn. 165. 488 BFH, Urt. v. 23. 05. 1979 – I R 163 / 77, BStBl. II 1979, 757, 759; BFH, Beschl. v. 10. 11. 1980 – GrS 1 / 79, BStBl. II 1981, 164, 167; BFH, Urt. v. 24. 02. 1988 – I R 95 / 84, BStBl. II 1988, 663, 666; Schmidt, EStG, § 15 Rn. 441. 489 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 9 Rn. 500. 490 Reiß, DStJG 17 (1994), 3, 21.
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besteuerung auf die Gesellschafterbesteuerung.491 Die Besteuerung des Gesellschafters wird von der Rechtsform des Unternehmens, an dem er beteiligt ist, abhängig gemacht. Prototyp des einkommensteuerlichen Unternehmers ist der Inhaber eines Einzelunternehmens, der nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Für die Personengesellschaft nimmt der Gesetzgeber durch das Institut der Mitunternehmerschaft eine Erweiterung dieses Tatbestandes vor. Auch wenn der Steuerpflichtige als Mitunternehmer das Unternehmen nicht allein beherrscht, ist er mit diesem gleichwohl so eng verbunden, dass das wirtschaftliche Ergebnis ihm unmittelbar zuzurechnen ist. Handelt es sich beim Steuerpflichtigen dagegen um den Gesellschafter einer GmbH oder den Aktionär einer AG, wird er als Kapitalgeber betrachtet. Die ihm aus diesem Rechtsverhältnis zufließenden Vorteile stellen Einkünfte aus Kapitalvermögen dar. Der Steuergesetzgeber hat den Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft unabhängig von seiner tatsächlichen Stellung in der Gesellschaft den gleichen steuerlichen Regelungen unterworfen. Die selbständige Besteuerung der Kapitalgesellschaft geht dabei von der Prämisse aus, dass der rechtlichen Selbständigkeit eine wirtschaftliche Verselbständigung des Unternehmens entspricht.492 Gesetzgeberisches Leitbild war die große Publikumskapitalgesellschaft, deren Anteile sich weitgehend in Streubesitz befinden. Sie stellt die höchste Form der Verselbständigung gesellschaftlichen Vermögens dar. Durch die Abwesenheit eines Mehrheitsgesellschafters bestehen für den einzelnen Anteilseigner nur begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführung, die ihrerseits mit umfassenden Befugnissen ausgestattet ist. Aufgrund seines geringen Einflusses ist hier der Anteilseigner steuerrechtlich nicht unternehmerisch tätig. Er kann weder Gewinn und Verlust noch die geschäftliche Tätigkeit der Gesellschaft in einem Umfang mitbestimmen, der eine steuerliche Zuordnung des wirtschaftlichen Ergebnisses zu ihm erlaubt.493 Die Doppelerfassung des ausgeschütteten Körperschaftsgewinns findet dann ihre Rechtfertigung in der Vorstellung, dass die juristische Person und ihre Mitglieder nicht identisch sind.494 Der Grundgedanke der Körperschaftsbesteuerung, dass keiner der Gesellschafter die Voraussetzungen der Mitunternehmerschaft in seiner Person erfüllt,495 entspricht der Indizwirkung, die von der rechtlichen Selbständigkeit für die Frage der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft ausgeht. Durch die rechtliche und wirtschaftliche Trennung von natürlicher und juristischer Person wird die Kapitalgesellschaft auch im Steuerrecht als abstrahiertes 491 Vgl. Reiß, DStJG 17 (1994), 3, 38: „Die Rechtsformabhängigkeit der Unternehmensbesteuerung ist in Wahrheit eine Rechtsformabhängigkeit der Unternehmerbesteuerung.“ 492 Schwochert, GmbHR 1987, 311, 314. 493 Schwochert, GmbHR 1987, 311, 313. 494 Breidenbach, DB 1965, 1454; Raupach, Durchgriff, S. 75. 495 Schwochert, GmbHR 1987, 311, 316.
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Rechtsgebilde wahrgenommen, das nicht mit der Person des Anteilseigners gleichzusetzen ist. Der Schluss von der Rechtsform eines Unternehmens auf den Charakter der einkünfteerzielenden Betätigung des Gesellschafters beruht auf der Annahme, dass die rechtliche Organisationsform des Unternehmens den wirtschaftlichen Sachverhalt nachzeichnet. Als Folge dieser Übertragung der Zivilrechtsformen in das Steuerrecht entscheidet die Rechtsform des Unternehmens, an dem der Gesellschafter beteiligt ist, darüber, ob dieser steuerlich als Kapitalgeber oder Unternehmer behandelt wird. Die Rechtslage bei der Besteuerung des Anteilseigners ist gekennzeichnet von einer Einkünftequalifikation in Anlehnung an die zivilrechtliche Rechtsform des Unternehmens, durch die typisierend die wirtschaftliche Stellung des Anteilseigners definiert wird.
II. Abweichungen von der Rechtsformabhängigkeit durch den Gesetzgeber Trotz Erhebung der Rechtsform zum Ordnungsprinzip hat der Gesetzgeber wirtschaftliche Verschiedenheiten innerhalb der gleichen Rechtsform nicht immer unberücksichtigt gelassen. Gelegentlich ist er von der starren Bindung der steuerlichen Folgen an die Rechtsform eines Unternehmens abgewichen, um tatsächlichen Unterschieden auch steuerlich Rechnung zu tragen. Die Schaffung eines ermäßigten Körperschaftsteuertarifs für personenbezogene Kapitalgesellschaften und die Besteuerung von Wertveränderungen des Stammvermögens bei wesentlichen Beteiligungen sind Ausprägungen einer in diesen Fällen gewählten „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“, deren steuerliche Kriterien und Begriffe sich nicht mit dem Gesellschaftsrecht decken und die die ursprünglich im Gesetz angelegte Unterscheidung nach der Rechtsform überlagern.496
1. Ermäßigter Körperschaftsteuertarif für „personenbezogene Kapitalgesellschaften“ Die Körperschaftsteuer ist als Proportionalsteuer ausgestaltet, so dass der anzuwendende Steuersatz von der Höhe des erzielten Gewinns unabhängig ist. Dies unterscheidet die Körperschaftsbesteuerung von der Einkommensteuer, deren Tarifverlauf progressiv ausgestaltet ist. Der proportionale Körperschaftsteuertarif ist Ausdruck der grundsätzlichen Verschiedenheit der Ertragsbesteuerung natürlicher und juristischer Personen. Er kennzeichnet die Möglichkeit, ein großes Unternehmen in viele kleine aufzuteilen, um so eine etwaige Progression zu umgehen. 496 Walz, Gutachten für den 53. Deutschen Juristentag (1980), S. F 13 f., F 24; Weber, JZ 1980, 545, 551.
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Nachdem sich die hohen Körperschaftsteuersätze in den Anfangsjahren der Bundesrepublik zunehmend als Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung erwiesen haben, hat der Gesetzgeber ab 1958 die Besteuerung personenbezogener Kapitalgesellschaften von den übrigen Körperschaftsteuersubjekten abgekoppelt. Für diese personenbezogenen Kapitalgesellschaften wurde ein gestaffelter Tarif eingeführt (§ 19 Abs. 1 KStG 1958497), um so eine Annäherung an die Besteuerung des Einzel- oder Mitunternehmers herbeizuführen, dessen Einkünfte allein der Einkommensteuer unterworfen sind.498 Anliegen des Gesetzgebers war es, das zu dieser Zeit bestehende klassische Körperschaftsteuersystem mit einem Nebeneinander von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer für solche Gesellschaften und mittelbar deren Gesellschafter abzumildern, die zwar rechtlich als Kapitalgesellschaft organisiert waren, sich aber wirtschaftlich nicht wesentlich von entsprechenden Personenunternehmen unterschieden. Die Einführung des gestaffelten Körperschaftsteuertarifs für personenbezogene Kapitalgesellschaften trotz der grundsätzlichen Entscheidung für die Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Rechtsform im Unternehmenssteuerrecht deutet darauf hin, dass der Charakter der einkünfteerzielenden Betätigung bei gleicher Rechtsform unterschiedlich sein und dies auch eine unterschiedliche steuerliche Behandlung rechtfertigen kann. Die mit dem ermäßigten Körperschaftsteuertarif für personenbezogene Kapitalgesellschaften vorgenommene Trennung innerhalb der Kapitalgesellschaften hat aus wirtschaftlichen Erwägungen die verstärkte Abhängigkeit dieser Gesellschaften von den hinter ihr stehenden natürlichen Personen berücksichtigt. Zu Recht weist Flume darauf hin, dass diese Regelung verfassungswidrig wäre, wenn für das Steuerrecht tatsächlich allein die äußere Rechtsform maßgeblich sein könnte.499 Das Zivilrecht unterscheidet nicht zwischen der personenbezogenen und der kapitalistischen Gesellschaft; die die Begünstigung der personenbezogenen Kapitalgesellschaft tragenden Unterschiede können allein in der tatsächlichen Ausgestaltung gefunden werden. Erst die Einführung des Anrechnungsverfahrens hat die Sonderbehandlung der personenbezogenen Kapitalgesellschaft entbehrlich gemacht, weil der ausgeschüttete Kapitalgesellschaftsgewinn nunmehr allgemein dem persönlichen Einkommensteuersatz des Anteilseigners unterworfen war. Anlass für den Wegfall der Privilegierung der personenbezogenen Kapitalgesellschaft war mithin nicht, dass der Regelungsgedanke für unzutreffend gehalten wurde, sondern dass der Gesetzgeber davon ausging, mit dem Anrechnungsverfahren eine den rechtlichen und politischen Anforderungen noch besser gerecht werdende Unternehmensbesteuerung verwirklichen zu können.
497 Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts v. 18. 07. 1958 (BGBl. I S. 473). 498 Raupach, Durchgriff, S. 101. 499 Flume, DB 1962, 381, 382.
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2. Die nach § 17 EStG steuerbare Anteilsveräußerung Der Dualismus der Einkunftsarten und die Zuordnung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zu den Einkünften aus Kapitalvermögen hat zur Folge, dass das wirtschaftliche Ergebnis aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen, die im Privatvermögen gehalten werden, einkommensteuerlich grundsätzlich irrelevant ist.500 Mit § 17 EStG hat der Gesetzgeber jedoch einen Tatbestand geschaffen, durch den bei einer wesentlichen Beteiligung auch die Veräußerung von Anteilen im Privatvermögen in die Einkünfteermittlung einbezogen wird. Ein Anteilseigner wurde zunächst ab einer Beteiligungsquote von über 25 v.H., anschließend von wenigstens 10 v.H. als wesentlich an einer Kapitalgesellschaft beteiligt angesehen. Im Zuge der Unternehmenssteuerreform ist die erforderliche Beteiligungsquote auf 1 v.H. abgesenkt worden und die Bezeichnung als wesentliche Beteiligung entfallen.
a) Der Regelungszweck vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens Als Regelungszweck des § 17 EStG wurde bisher die wirtschaftliche Ähnlichkeit des wesentlich an einer Kapitalgesellschaft beteiligten Anteilseigners zum Mitunternehmer hervorgehoben. Schon im Rahmen der Einführung der Vorschrift wurde als Beweggrund für die Besteuerung der wesentlichen Beteiligung die Existenz zahlreicher Erwerbsgesellschaften angegeben, deren Anteile sich in einer oder wenigen Händen befinden und die dadurch wirtschaftlich Einzelbetrieben und Personengesellschaften sehr nahe stehen.501 Tragender Rechtsgrund des § 17 EStG sei die Gleichbehandlung des wesentlich Beteiligten mit dem Mitunternehmer, dessen Beteiligungsveräußerung nach § 16 EStG ebenfalls steuerbar ist.502 Aufgrund des Umfangs seiner Beteiligung übe er einem Mitunternehmer vergleichbar Einfluss auf die Gesellschaft aus. Die wesentliche Beteiligung sei ein besonders starkes, mit der Beteiligung an einer Personengesellschaft vergleichbares Engagement. 500 Für Einkünfte aus der Veräußerung der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die in einem Betriebsvermögen gehalten wird, gilt dies nicht. Bei den Gewinneinkunftsarten (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) sind auch Wertveränderungen am Vermögensstamm steuerbar. 501 Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, S. 338. 502 So bereits die Begründung zu § 30 EStG 1925, RT-Drucks. III / 795, S. 56. Rechtsprechung und Schrifttum sind dem Gleichbehandlungsgedanken des Gesetzgebers gefolgt, vgl. BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1969 – 2 BvL 3 / 66 u. a., BVerfGE 27, 111, 128 f.; BFH, Urt. v. 27. 08. 1964 – IV 204 / 62 U, BStBl. III 1964, 624, 625; BFH, Urt. v. 10. 12. 1969 – I R 43 / 67, BStBl. II 1970, 310, 311; BFH, Beschl. v. 10. 02. 1982 – I B 39 / 81, BStBl. II 1982, 392, 393; BFH, Urt. v. 08. 10. 1985 – VIII R 234 / 84, BStBl. II 1986, 596, 598; BFH, Urt. v. 19. 05. 1992 – VIII R 16 / 88, BStBl. II 1992, 902, 904; BFH, Urt. v. 04. 11. 1992 – X R 33 / 90, BStBl. II 1993, 292, 294; Crezelius, DB 1997, 195, 197 ff.; ders., DB 2003, 230, 231; Friauf, DB 1995, Beilage 8 S. 3 ff.; Schneider in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 17 Rn. A 190; Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, § 17 Rn. 3; Wolff-Diepenbrock, Festschrift f. Klein, S. 875, 887.
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Es sei daher gerechtfertigt, Erlöse aus der Veräußerung seiner Anteile der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen.503 Die Annäherung des wesentlich Beteiligten an den Mitunternehmer hat die rechtsformabhängigen Unterschiede bei der Besteuerung von Unternehmensbeteiligungen gelockert. Durch eine wesentliche Beteiligung ist der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft enger mit der Gesellschaft verbunden, als nur durch die Bereitstellung von Unternehmenskapital. Er kann zwar in der Gesellschaft aufgrund der unterschiedlichen Unternehmensverfassung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaft keine dem Mitunternehmer identische Funktion einnehmen, seine Stellung im Verhältnis zur Gesellschaft hebt sich jedoch deutlich von der des nur geringfügig beteiligten Anteilseigners ab.
b) Die Veränderung des Regelungszwecks durch das Halbeinkünfteverfahren In der Literatur wird seit der Absenkung der für § 17 EStG relevanten Beteiligungsquote auf 1 v.H. überwiegend angenommen, die Vorschrift habe dadurch ihren Charakter verändert und diene nunmehr der Gleichbehandlung von Veräußerungsgewinnen und laufenden Einkünften aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.504 Richtig ist, dass die Absenkung des Umfangs der erforderlichen Beteiligung auf eine Bagatellgrenze zunächst der praktischen Umsetzung des Halbeinkünfteverfahrens dient. Der Gesetzgeber wollte damit Gestaltungsmöglichkeiten vorbeugen, die auf eine Verminderung der nach dem Halbeinkünfteverfahren steuerbaren Gewinnausschüttungen und anschließende steuerfreie Veräußerung der nunmehr wertvoller gewordenen Unternehmensanteile angelegt waren.505 Der Gesetzgeber hat jedoch weder den Wortlaut noch die systematische Stellung der Vorschrift abgeändert. Nach wie vor werden Veräußerungsgewinne eines solchermaßen Beteiligten durch § 17 Abs. 1 S. 1 EStG den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet und auch die räumliche Nähe der Norm zu § 15 EStG spricht für die Annahme, dass der Zusammenhang mit der Besteuerung des Mitunternehmers nicht vollständig aufgehoben worden ist.506 Auch wenn der ursprüngliche Regelungszweck des § 17 EStG durch die Absenkung der Beteiligungsobergrenze auf 1 v.H. als verdrängt angesehen wird, entspricht es unter Berücksichtigung der Vgl. Uelner, DStZ / A 1965, 136, 137. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 150 ff.; Ebling in: Blümich, EStG, § 17 Rn. 6; Eilers / R. Schmidt in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 17 Rn. 8; Schüppen / Sanna, BB 2001, 2397; Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, § 17 Rn. 3. 505 Vgl. Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des StSenkG, BT-Drucks. 14 / 3366, S. 118. Kritisch gleichwohl Hey, DStJG 24 (2001), 155, 201, die auch die gegenwärtige „Bagatellgrenze“ für zu hoch hält. 506 So auch Crezelius, DB 2003, 230, 232. Anders aber Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 9 Rn. 593 („Fehlplatzierung“); Wacker, StbJb. 2001 / 2002, 119, 135 f. 503 504
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Entstehungsgeschichte der Norm allgemeiner Ansicht, dass die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft der Veräußerung des Anteils an einer Personengesellschaft steuerlich vergleichbar gehandhabt werden muss, wenn die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft einen Umfang erreicht, der dem Anteilseigner eine bestimmende Einflussnahme auf unternehmerische Entscheidungen ermöglicht.507 Der Gleichbehandlungsgedanke ist durch die Absenkung der Beteiligungsquote bei der Auslegung der Vorschrift in den Hintergrund getreten, seine steuersystematische Berechtigung wird dadurch indessen nicht geschmälert. Die Zuordnung von Gewinnen aus der Beteiligungsveräußerung zur einkommensteuerlichen Privatsphäre im Rahmen des Einkünftedualismus erfasst zutreffend die wirtschaftliche Stellung des nur unwesentlich Beteiligten, der keine unternehmerische Lenkungsfunktion ausübt. Beim wesentlich beteiligten Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft entspricht eine Gleichbehandlung mit dem Teilhaber eines Personenunternehmens den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten jedoch eher als eine Gleichbehandlung mit dem einflusslosen Kleinaktionär einer PublikumsAG. Der Gesetzgeber hat damit die von ihm verfolgte Anknüpfung der Unternehmensbesteuerung an die Rechtsformen des Zivilrechts zugunsten einer Berücksichtigung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse teilweise zurückgestellt. Dem wesentlich beteiligten Gesellschafter kommen rechtlich keine anderen Beteiligungsrechte als dem nur geringfügig an der Gesellschaft Beteiligten zu. Dass dieser in der Lage ist, in weitaus stärkerem Maße auf das geschäftliche Wirken der Gesellschaft Einfluss zu nehmen, liegt in der wirtschaftlichen Machtstellung begründet, die der Gesellschafter aufgrund des Umfangs seiner Beteiligung in der Gesellschaft einnimmt. Diese wirtschaftliche Lage hat im Regelungszweck des § 17 EStG ihren Niederschlag gefunden.508
III. Die Stellung des Anteilseigners in der Rechtsprechung 1. Verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Unternehmenssteuerrecht Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Rechtsprechung bereits wiederholt mit Fragen des Unternehmenssteuerrechts befasst und dabei zur Besteuerung unternehmerisch erzielter Einkünfte Stellung genommen. Bereits angedeutet wurde, dass sich das Verständnis von der Bedeutung des Zivilrechts bei der Beurteilung des Steuersachverhalts auch in der Rechtsprechung des BundesverfassungsCrezelius, DB 2003, 230, 231 f.; Wolff-Diepenbrock, Festschrift f. Klein, S. 875, 879. Verfassungsrechtliche Bedenken äußert deshalb Raupach, Durchgriff, S. 107. Dies erscheint aufgrund der anfänglichen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Unternehmenssteuerrecht nachvollziehbar, die zwischenzeitlich aber einen grundlegenden Wandel erfahren hat, dazu sogleich. 507 508
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gerichts im Laufe der Zeit gewandelt hat.509 Darauf soll nunmehr näher eingegangen werden.
a) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. 01. 1962 Von Bedeutung ist hier zunächst das grundlegende Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1962.510 Gegenstand war eine Regelung aus dem Gewerbesteuerrecht, die eine teilweise Angleichung der personenbezogenen Kapitalgesellschaft an das Personenunternehmen bewirken sollte.511 Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem ersten Urteil zum Unternehmenssteuerrecht die ordnende Funktion des Zivilrechts für das Steuerrecht hervorgehoben und damit den Grundstein für die anschließende Ausrichtung des Unternehmenssteuerrechts an den zivilrechtlichen Rechtsformen gelegt. Indem sich der Steuergesetzgeber dafür entschieden habe, Personengesellschaften der Einkommensteuer und Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuer zu unterwerfen, seien für die Besteuerung gewerblicher Einkünfte Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften grundsätzlich ungleich. Alle Kapitalgesellschaften seien unabhängig von der Intensität persönlicher Bindungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern unter sich grundsätzlich gleich. Eine verfassungsrechtliche Prüfung des Gleichheitssatzes könne daher nur zwischen zwei Kapitalgesellschaften stattfinden; Personenunternehmen und Kapitalgesellschaft bildeten hingegen regelmäßig kein verfassungsrechtlich relevantes Vergleichspaar.512 Der Steuergesetzgeber sei daher durch den Gleichheitssatz grundsätzlich daran gehindert, dieselbe Rechtsform in einzelnen Beziehungen unterschiedlich zu behandeln. Nur wenn die Durchbrechung auf einer hinreichenden sachlichen Rechtfertigung beruhe, dürfe die Bindung an die zivilrechtliche Rechtsform gelockert werden. Das Wesen juristischer Personen liege jedoch darin, sich durch ihre Verselbständigung gegen die Einbeziehung von Merkmalen in der Person der Gesellschafter abzusichern. Die Rechtfertigungsgründe für eine Durchbrechung müssten in ihrem Gewicht der großen Bedeutung dieses Ordnungsprinzips entsprechen.513
s. o. § 12 IV. 2. BVerfG, Urt. v. 24. 01. 1962 – 1 BvR 845 / 58, BVerfGE 13, 331. 511 § 8 Nr. 6 GewStG 1936 sah die Hinzurechnung von Gehältern und Vergütungen zum Gewinn aus Gewerbebetrieb vor, die von juristischen Personen des Privatrechts und nichtrechtsfähigen Vereinen mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb an wesentlich Beteiligte oder deren Ehegatten für eine Beschäftigung im Betrieb gewährt worden sind. Wesentlich beteiligt war nach § 20 Abs. 2 GewStDV 1950, wer allein oder zusammen mit Angehörigen zu mehr als 25 v.H. am Unternehmen beteiligt war. 512 BVerfG, Urt. v. 24. 01. 1962 – 1 BvR 845 / 58, BVerfGE 13, 331, 339. 513 BVerfG, Urt. v. 24. 01. 1962 – 1 BvR 845 / 58, BVerfGE 13, 331, 340 f. 509 510
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b) Die nachfolgende Rechtsprechung zum Unternehmenssteuerrecht Bereits kurze Zeit nach dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zum Aktienrecht ausdrücklich die wirtschaftliche Verschiedenheit von Unternehmen trotz identischer Rechtsform hervorgehoben. Diese reiche von der breiten Streuung des Aktienbesitzes bis zur Einmann-Gesellschaft, vom Investor, der seine Beteiligung als Spekulation betrachte bis zum Anteilseigner, der intensiv am Schicksal der Gesellschaft Anteil nehme und sich ihr innerlich verbunden fühle. Ebenso könne die Gesellschaft wirtschaftlich vollkommen selbständig agieren oder aber – etwa in einem Konzern – anderweitig getroffenen unternehmerischen Entscheidungen unterworfen sein. Eine Unterscheidung der wirtschaftlich sehr verschiedenen Gebilde anhand klarer Merkmale sei kaum möglich.514 Obwohl die Entscheidung vordergründig nur das Gesellschaftsrecht betrifft, ist sie auch im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung. Das Gericht gelangt zur Erkenntnis, dass der Begriff der juristischen Person aufgrund seiner tatbestandlichen Weite kaum konkret genug ist, um einen wirtschaftlichen Sachverhalt eindeutig zu kennzeichnen. Diese Feststellung war bereits geeignet, die ursprüngliche Prämisse der Vorrangstellung des Gesellschaftsrechts unausgesprochen in Frage zu stellen, erscheint es doch handgreiflich, dass sich mit der Übernahme der zivilrechtlichen Ordnungsstruktur „eins zu eins“ in das Steuerrecht kaum eine an der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtete Unternehmensbesteuerung würde verwirklichen lassen. 1964 hatte sich das Bundesverfassungsgericht erneut mit der Behandlung von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht zu befassen.515 Zu beurteilen war die steuerliche Berücksichtigung von Pensionsrückstellungen für den alleinigen oder mehrheitlichen Gesellschafter einer GmbH, der zugleich deren Geschäftsführer ist, die der Bundesfinanzhof nur unter einschränkenden Voraussetzungen zulässt und in den entschiedenen Fällen versagt hat. Die Kläger haben geltend gemacht, in der unterschiedlichen Behandlung der Pensionsrückstellungen für Geschäftsführer personenbezogener und „anonymer“ Kapitalgesellschaften trotz ihres zivilrechtlich gleichen Rechtskleides liege eine unzulässige Ungleichbehandlung. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedoch keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz erkannt. Bei Anwendung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise könnten gleichartige Typen juristischer Personen tatsächlich so verschieden sein, dass die gemeinsame Eigenschaft als juristische Person in den Hintergrund trete und sich einzelne Typen eher mit den mitunternehmerischen Unternehmensformen vergleichen ließen. Die unterschiedliche Behandlung sei damit lediglich Folge einer verschiedenartigen Gesellschaftsstruktur.516
514 515 516
BVerfG, Urt. v. 07. 08. 1962 – 1 BvL 16 / 60, BVerfGE 14, 264, 273 f. BVerfG, Beschl. v. 11. 11. 1964 – 1 BvR 488 / 62 u. a., BVerfGE 18, 224. BVerfG, Beschl. v. 11. 11. 1964 – 1 BvR 488 / 62 u. a., BVerfGE 18, 224, 234 f.
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Der Beschluss des Ersten Senats vom 11. 07. 1967517 betraf ebenfalls die Nichtberücksichtigung von Vergütungen an GmbH-Geschäftsführer, die aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse in der Lage waren, auf die Gesellschaft wesentlichen Einfluss auszuüben. Die Beschwerdeführer hatten wiederum die Ungleichbehandlung gegenüber der „anonymen“ Kapitalgesellschaft ins Feld geführt. Auch hier hat das Bundesverfassungsgericht die Ungleichbehandlung der personenbezogenen Kapitalgesellschaft als durch die verschiedenen rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beider Arten von Kapitalgesellschaften begründet angesehen. Die Rechtsprechung in Steuersachen sei nicht daran gehindert, die besondere Struktur personenbezogener Kapitalgesellschaften zu berücksichtigen, die Differenzierung zwischen personenbezogener und „anonymer“ Kapitalgesellschaft durch die unterschiedlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft gerechtfertigt.518 Auch in einer weiteren Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht in der Haftungsvorschrift des § 115 Abs. 1 RAO (nunmehr § 74 AO 1977) keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz gesehen. Unterliegen Gesellschaften, Vereine oder Genossenschaften als solche der Besteuerung, gelten für die persönliche Haftung der einzelnen Gesellschafter sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts.519 § 115 Abs. 1 RAO sah eine Erweiterung der Haftung für Steuerschulden der Gesellschaft auf Gegenstände vor, die dem Unternehmen von wesentlich beteiligten Gesellschaftern zur Verfügung gestellt worden waren. Darin hat das Bundesverfassungsgericht keinen Verfassungsverstoß gesehen. Der zu mehr als einem Viertel an einer Kapitalgesellschaft Beteiligte besitze eine Sperrminorität, so dass besonders schwerwiegende Entscheidungen gegen seine Stimme nicht getroffen werden könnten und er dadurch in wesentlichem Umfang Einfluss auf die Geschäftspolitik und steuerrechtlich relevante Umstände nehmen könne.520 Diese Erwägung wurde schließlich wieder aufgegriffen, als über die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen durch wesentlich beteiligte Gesellschafter (§ 17 EStG) zu entscheiden war. Die Unterscheidung von wesentlichen und unwesentlichen Beteiligungen bei der Besteuerung entsprechender Veräußerungsgewinne stelle zwar BVerfG, Beschl. v. 11. 07. 1967 – 1 BvR 495 / 63 u. a., BVerfGE 22, 156. BVerfG, Beschl. v. 11. 07. 1967 – 1 BvR 495 / 63 u. a., BVerfGE 22, 156, 160 f. 519 Dies ergab sich aus dem inzwischen aufgehobenen § 113 RAO. Der Gesetzgeber hat in die AO 1977 bewusst keine Vorschrift mehr aufgenommen, die entsprechend § 113 RAO nichtsteuerlichen Haftungsvorschriften auch einen steuerlichen Inhalt verleiht. Die Transformation der nichtsteuerlichen Haftungs- und Duldungsvorschriften geschieht jetzt unmittelbar durch Zulassung des Haftungs- bzw. Duldungsbescheids auch für die nichtsteuerlichen Haftungsvorschriften materiellrechtlicher Art. Danach können alle zivilrechtlichen Haftungsvorschriften auch für steuerliche Ansprüche herangezogen werden, sofern sie für diese passen, vgl. BFH, Urt. v. 23. 10. 1985 – VII R 187 / 82, BStBl. II 1986, 156 m. w. N.; Schwarz, AO, Vorb. §§ 69 – 77 Rn. 6, 41. 520 BVerfG, Beschl. v. 14. 12. 1966 – 1 BvR 496 / 65, BVerfGE 21, 6, 11. 517 518
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eine Ungleichbehandlung dar, die aber durch den besonderen Einfluss wesentlich beteiligter Anteilseigner auf die Geschäftsführung der Gesellschaft gerechtfertigt werden könne.521
c) Analyse der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Durch den zunächst angenommenen strikten Gleichlauf von zivilrechtlicher Rechtsform und steuerlicher Behandlung hat das Bundesverfassungsgericht die Grundlage dafür gelegt, im Steuerrecht der Rechtsform einer Gesellschaft besonderes Gewicht einzuräumen und nur in Ausnahmefällen innerhalb einzelner Rechtsformen Unterscheidungen vorzunehmen. Dabei hat das Gericht stillschweigend die Vorstellung zugrunde gelegt, durch eine bestimmte Rechtsform werde auch die Steuerwürdigkeit einer einkünfteerzielenden Betätigung einheitlich festgelegt. Es handelte sich jedoch um einen unglücklichen Start in die Rechtsprechung zur Unternehmensbesteuerung.522 In der Folgezeit ist immer deutlicher erkannt worden, dass sich allgemeingültige Aussagen zur juristischen Person nicht treffen lassen, weil die Arten der einkünfteerzielenden Betätigung in Kapitalgesellschaften von großen Unterschieden gekennzeichnet sind, die in Teilbereichen auch eine Angleichung der steuerlichen Behandlung des beherrschenden Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft an die Mitunternehmerschaft mit sich gebracht haben.523 Die ursprüngliche Vorstellung, die Betätigung in einer bestimmten Rechtsform stelle stets einen gleichartigen wirtschaftlichen Sachverhalt dar, ließ sich zunehmend weniger aufrechterhalten. Die große Variationsbreite zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten hat die strikte Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht ihrer Plausibilität und Überzeugungskraft beraubt. Das Bundesverfassungsgericht sah sich gezwungen, seine zunächst geäußerte Ansicht der Sache nach praktisch vollständig aufzugeben. Es hat sich einer differenzierenden Betrachtung entsprechend der unterschiedlichen Gestaltung innerhalb der Gesellschaftstypen zugewandt und damit Annäherungen der personenbezogenen Kapitalgesellschaft an die Mitunternehmerschaft gerechtfertigt, die zur Ungleichbehandlung gegenüber dem Typus der „anonymen“ Publikumskapitalgesellschaft geführt haben. Diese Entwicklung ist für das Verständnis des Verhältnisses von Personengesellschaften und Körperschaften von wesentlicher Bedeutung. Die entschiedenen Fälle offenbaren, dass eine schematische Anknüpfung an die zivilrechtlichen Verhältnisse im Steuerrecht selten zu interessengerechten Ergebnissen führt. Das Bundesverfassungsgericht hat in zunehmendem Maße originär steuerrechtliche Wertungen in die Entscheidungsfindung einfließen lassen, ohne seine missglückte erste Ent521 522 523
BVerfG, Beschl. v. 07. 10. 1969 – 2 BvL 3 / 66 u. a., BVerfGE 27, 111, 128 f. Weber, Besteuerung, S. 15. Vgl. auch Walz, Gutachten für den 53. Deutschen Juristentag (1980), S. F 79.
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scheidung aus dem Jahr 1962 ausdrücklich aufzugeben. Die unterschiedslose Gleichbehandlung aller Kapitalgesellschaften im Steuerrecht genügt den Anforderungen an Steuergerechtigkeit umso weniger, je weiter die wirtschaftlichen Verhältnisse zu einer Auseinanderentwicklung unternehmerischer Betätigungsformen führen. Die Entscheidungen betrafen überwiegend Fälle, in denen der Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft eine Ungleichbehandlung seiner Person oder der von ihm beherrschten Gesellschaft gegenüber einer „anonymen“ Publikumskapitalgesellschaft mit einem großen, unüberschaubaren Kreis von Anteilseignern geltend gemacht hat. In der Tat ist hier die Divergenz zwischen der zivilrechtlichen Rechtslage und den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen besonders groß. Es verwundert daher kaum, dass gerade diese Fälle immer wieder zum Gegenstand verfassungsgerichtlicher Entscheidungen gemacht worden sind. Der Gesetzgeber des Handels- und Gesellschaftsrechts hatte indes auch wenig Anlass, sich über das mögliche Spektrum bei der Ausgestaltung der von ihm geschaffenen Gesellschaftsformen Gedanken zu machen. Das Zivilrecht ist vom Grundgedanken der Privatautonomie geprägt, so dass es der Gesetzgeber als ausreichend ansehen konnte, den äußeren Rahmen vorzugeben und dessen weitere Anpassung an die eigenen Verhältnisse den einzelnen Wirtschaftssubjekten zu überlassen. Die zivilrechtliche Privatautonomie ermöglicht es, durch den Gesellschaftsvertrag die Gesellschaft in weitgehendem Umfang der Struktur einer anderen Gesellschaftsform anzunähern, ohne deren Rechtsform anzunehmen.524 Dies hat letztlich zur Änderung der Verfassungsrechtsprechung geführt. Trotz der grundsätzlichen Ordnung des Unternehmenssteuerrechts durch die Rechtsformen des Zivilrechts hat das Bundesverfassungsgericht zunehmend auf die unterschiedliche unternehmerische Gestaltung innerhalb des gleichen Gesellschaftstyps abgestellt und damit in einzelnen Beziehungen Angleichungen des beherrschenden Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft an den Gesellschafter eines Personenunternehmens gerechtfertigt. Es hat erkannt, dass der wirtschaftliche Gehalt der einkünfteerzielenden Betätigung trotz gleicher Rechtsform tatsächlich sehr verschieden sein kann. 2. Anknüpfung an das Zivilrecht durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs a) Vorrangigkeit des Zivilrechts Der Bundesfinanzhof ist schon früh mit der Frage befasst worden, ob der Finanzverwaltung die Möglichkeit eingeräumt werden soll, bei der Besteuerung körperschaftsteuerpflichtiger Rechtsgebilde den wirtschaftlichen Charakter der einkünfteerzielenden Betätigung zu berücksichtigen und die Besteuerung hieran 524 Weber, Besteuerung, S. 34. Deshalb spricht Schulte, Festschrift f. Westermann, S. 525 zu Recht von einem „numerus clausus der Namen“.
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auszurichten. Dies ist schon damals abgelehnt worden. Der Bundesfinanzhof hat sich am ursprünglichen Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts orientiert und die äußere Rechtsform zum allein maßgeblichen Kriterium erklärt.525 Die Finanzbehörden hätten die Rechtsformen ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit so hinzunehmen, wie sie geschaffen worden seien.526 Zwar könne gerade bei der Einmann-GmbH wegen der vollständigen Beherrschung durch eine Person einiges dafür sprechen, die Rechtsform zu übergehen und diese wie ein Einzelunternehmen zu behandeln, die Rechtssicherheit und der Gleichklang mit dem bürgerlichen Recht sprächen jedoch entscheidend dagegen.527 Die starke Betonung der zivilrechtlichen Rechtsform entspricht der Vorrangstellung, die der Bundesfinanzhof dem Zivilrecht im Verhältnis zum Steuerrecht zuerkannt hat.528 Unter dieser Prämisse erscheint es konsequent, dem „Primat des bürgerlichen Rechts“ auch im Unternehmenssteuerrecht Geltung zu verschaffen. Ein Meilenstein in der Rechtsprechung zur Unternehmensbesteuerung stellt der Beschluss des Großen Senats vom 25. 06. 1984529 dar, in dem der Bundesfinanzhof grundlegend zur Besteuerung der GmbH & Co. KG Stellung genommen hat. Die Rechtsform der GmbH & Co. KG zeichnet sich dadurch aus, dass sie am Rechtsverkehr als Personenunternehmen teilnimmt, ohne den Gläubigern eine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter zur Verfügung zu stellen. Weil sie rechtlich ein Personenunternehmen darstellt, wirtschaftlich aber wie eine Kapitalgesellschaft tätig werden kann, fallen bei der GmbH & Co. KG die rechtliche und wirtschaftliche Situation in besonderem Maße auseinander. Gegenstand des Beschlusses war die Frage, ob eine GmbH & Co. KG – obgleich zivilrechtlich Personengesellschaft – infolge ihrer körperschaftlichen Organisation als Kapitalgesellschaft zu besteuern sei. Die Finanzverwaltung war der Ansicht, zumindest eine Publikums-GmbH & Co. KG sei als nichtrechtsfähige, körperschaftlich verfasste Personenvereinigung zu werten und als solche nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.530 Dem ist der Große Senat nicht gefolgt. Er hat die GmbH & Co. KG weder als Kapitalgesellschaft noch als nichtrechtsfähigen Verein oder nichtrechtsfähige Personenvereinigung anerkannt. In seinem Beschluss hat er ausdrücklich an der alleinigen Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Rechtsform für die Einordnung einer unternehmerischen Betätigung im Ertragsteuerrecht festgehalten und es in dieser Konsequenz abgelehnt, eine in ihrem Erscheinungsbild einer Kapitalgesellschaft ange525 BFH, Urt. v. 06. 12. 1955 – I 155 / 54 U, BStBl. III 1956, 95, 96; BFH, Urt. v. 04. 11. 1958 – I 141 / 57 U, BStBl. III 1959, 50; BFH, Urt. v. 13. 01. 1959 – I 44 / 57 U, BStBl. III 1959, 197, 198; BFH, Urt. v. 17. 07. 1968 – I 121 / 64, BStBl. II 1968, 695, 696; BFH, Urt. v. 02. 12. 1970 – I R 122 / 68, BStBl. II 1971, 187, 188. 526 BFH, Urt. v. 07. 11. 1950 – I 20 / 50 U, BStBl. III 1951, 12, 14. 527 BFH, Urt. v. 05. 05. 1959 – I 11 / 58 S, BStBl. III 1959, 369, 371. 528 s. o. § 12 IV. 2. b) und die Rechtsprechungsnachweise in Fn. 446, 448. 529 BFH, Beschl. v. 25. 06. 1984 – GrS 4 / 82, BStBl. II 1984, 751, 757 ff. 530 BFH, Beschl. v. 25. 06. 1984 – GrS 4 / 82, BStBl. II 1984, 751, 758.
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näherte Kommanditgesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt zu behandeln. Der Große Senat begründet dies mit der Entscheidung des Gesetzgebers, im Körperschaftsteuerrecht allein an die zivilrechtliche Rechtsform anzuknüpfen. Dies schließe es aus, „durch die Rechtsform hindurch auf den wirtschaftlichen Gehalt des Rechtsgebildes“ abzustellen und die GmbH & Co. KG steuerlich als Kapitalgesellschaft oder nichtrechtsfähigen Verein zu behandeln.531 Die Verfassung gebiete die Auslegung der Vorschriften über die Körperschaftsteuerpflicht dahingehend, dass die Ordnungsstruktur des Zivilrechts durchgehend zu wahren sei.532 Der Auffangtatbestand des § 3 Abs. 1 KStG ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs ebenfalls nicht einschlägig, weil die Publikums-GmbH & Co. KG trotz ihrer wirtschaftlichen Andersartigkeit nach der zivilrechtlichen Rechtslage ihre Eigenschaft als Kommanditgesellschaft auch durch die Beteiligung der Kapitalgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter nicht einbüße und deshalb auch steuerrechtlich als Mitunternehmerschaft zu behandeln sei.533 Dies gilt erst recht für die typische GmbH & Co. KG mit einem überschaubaren Gesellschafterkreis, die dem klassischen Personenunternehmen strukturell näher steht und in Bezug auf die wirtschaftliche Verselbständigung gegenüber der Publikums-GmbH & Co. KG ein Minus darstellt. Von der handelsrechtlichen Kommanditgesellschaft unterscheidet sie sich lediglich dadurch, dass mit der Einschaltung einer GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin eine Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen herbeigeführt wurde. Der Bundesfinanzhof hat damit seine bisherige Ansicht untermauert, dass das Ertragsteuerrecht die an einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise orientierte originär steuerrechtliche Interpretation in Bezug auf die Gesellschaftsformen nicht zulasse. Trotz dieser eindeutigen Position bietet auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Anlass zu Zweifeln an der Überzeugungskraft dieses Standpunktes.
b) Der atypische stille Gesellschafter in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aa) Der „typische atypische“ stille Gesellschafter Das Gesellschaftsrecht bietet die Möglichkeit, sich am Handelsgewerbe eines anderen als stiller Gesellschafter mit einer Vermögenseinlage zu beteiligen, ohne 531 BFH, Beschl. v. 25. 06. 1984 – GrS 4 / 82, BStBl. II 1984, 751, 758. Die vom Bundesfinanzhof für § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG angestellten Erwägungen werden für § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG übernommen. 532 BFH, Beschl. v. 25. 06. 1984 – GrS 4 / 82, BStBl. II 1984, 751, 758 unter Berufung auf BFH, Urt. v. 20. 10. 1976 – I R 139 – 140 / 74, BStBl. II 1977, 96, 97. 533 BFH, Urt. v. 17. 01. 1973 – I R 253 / 71, BStBl. II 1973, 269, 270; BFH, Urt. v. 10. 11. 1983 – IV R 56 / 80, BStBl. II 1984, 150, 151; BFH, Beschl. v. 25. 06. 1984 – GrS 4 / 82, BStBl. II 1984, 751, 759 f.; BFH, Urt. v. 25. 07. 1995 – VIII R 54 / 93, BStBl. II 1995, 794, 795.
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dadurch zum Teilhaber des Unternehmens zu werden (§ 230 HGB). Als Gegenleistung erhält der stille Gesellschafter einen Anteil am Unternehmensgewinn. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG erzielt der stille Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn er nicht als Mitunternehmer i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusehen ist. Ist dies der Fall, wandeln sich die von der Gesellschaft empfangenen Zahlungen in Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG folgt, dass es stille Gesellschafter geben muss, die nicht Kapitalgeber, sondern wirtschaftlich Unternehmer sind und auch steuerlich als solche behandelt werden sollen, indem sie als Bezieher von Gewinneinkünften betrachtet werden. Maßgebend für diese Zuordnung ist damit, ob der stille Gesellschafter dem handelsrechtlichen Typus entspricht oder aufgrund individueller Vereinbarung einen weitergehenden Einfluss auf die Geschäftsführung, insbesondere kommanditistengleiche Mitwirkungs- und Kontrollrechte ausüben kann. Eine solche „atypische stille Gesellschaft“ lässt den stillen Gesellschafter steuerlich aus seiner Stellung als Kapitalgeber hinaustreten und zu einer unternehmerisch tätigen Person werden.534 Der Bundesfinanzhof behandelt deshalb den stillen Gesellschafter einer Personengesellschaft bei entsprechend ausgestalteten Leitungsbefugnissen wie einen Mitunternehmer und stellt ihn steuerlich einem Kommanditisten gleich. Bei diesem „typischen“ Fall einer atypischen stillen Gesellschaft liegen tatsächlich wirtschaftliche Verhältnisse vor, die eine Abweichung vom Regelfall der stillen Gesellschaft nahelegen.
bb) Die atypische stille Gesellschaft an einer Kapitalgesellschaft Die Beteiligung als stiller Gesellschafter ist auch am Handelsgewerbe einer Kapitalgesellschaft möglich.535 Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs können sich neben unternehmensfremden Dritten auch Anteilseigner der Gesellschaft als atypische stille Gesellschafter beteiligen.536 So kann der GesellschafterGeschäftsführer einer GmbH, der zugleich atypischer stiller Gesellschafter des Unternehmens ist, Mitunternehmer sein, obwohl es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt.537 Er erzielt dann mitunternehmerische Einkünfte, obwohl weder unmit534 BFH, Beschl. v. 22. 01. 1981 – IV B 41 / 80, BStBl. II 1981, 424, 426; BFH, Urt. v. 12. 11. 1985 – VIII R 364 / 83, BStBl. II 1986, 311, 313; Schmidt, EStG, § 15 Rn. 341 und die Nachweise in Fn. 535 . 535 BFH, Urt. v. 20. 08. 1954 – I 130 / 53 U, BStBl. III 1954, 336, 338; BFH, Urt. v. 11. 10. 1955 – I 117 / 54 U, BStBl. III 1956, 11, 12; BFH, Urt. v. 18. 03. 1966 – IV 218 / 65, BStBl. III 1966, 197; BFH, Urt. v. 09. 07. 1969 – I R 188 / 67, BStBl. II 1969, 690, 692; BFH, Urt. v. 09. 12. 1976 – IV R 47 / 72, BStBl. II 1977, 155, 157; BFH, Urt. v. 15. 12. 1992 – VIII R 42 / 90, BStBl. II 1994, 702, 704; BFH, Urt. v. 25. 07. 1995 – VIII R 54 / 93, BStBl. II 1995, 794, 796 f.; Montag in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 18 Rn. 22; Schmidt, EStG, § 15 Rn. 355. 536 BFH, Urt. v. 15. 12. 1992 – VIII R 42 / 90, BStBl. II 1994, 702, 704.
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telbar noch mittelbar eine Beteiligung an einem Personenunternehmen vorliegt. Hier wird die ansonsten im Unternehmenssteuerrecht vorherrschende Rechtsformabhängigkeit verlassen und eine Einordnung allein aufgrund der persönlichen Verhältnisse der hinter der Gesellschaft stehenden natürlichen Person vorgenommen. In der Sache folgt daraus, dass eine natürliche Person, die als Gesellschafter, Geschäftsführer und atypischer stiller Gesellschafter die einkünfteerzielende Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft in ganz umfassender Weise beherrscht, ihre Stellung als Kapitalgeber verlassen und als Unternehmer angesehen werden kann. Dass der Bundesfinanzhof die atypische stille Gesellschaft auch bei einer Kapitalgesellschaft zugelassen hat, muss denjenigen verwundern, der – ganz im Sinne der bisherigen Rechtsprechung – davon ausgegangen ist, die zivilrechtliche Rechtsform einer Beteiligung entscheide über die ertragsteuerliche Zuordnung der Einkunftserzielung. Denn der stille Gesellschafter ist nach der gesetzlichen Ausgestaltung grundsätzlich Kapitalgeber, nicht Unternehmer. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG legt es nicht nahe, auch bei einer atypischen stillen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft den Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen. Der Wortlaut der Norm spricht vielmehr dafür, diese als Tatbestand zur Missbrauchsabwehr für Fälle zu verstehen, in denen der Steuerpflichtige mitunternehmerisch, insbesondere in einer dem Kommanditisten entsprechenden Stellung, in einer Personengesellschaft tätig wird, ohne die daraus resultierenden steuerlichen Konsequenzen tragen zu wollen. Trotzdem hat der Bundesfinanzhof auch in Fällen einer atypischen stillen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft die Annahme einer mitunternehmerischen Stellung des Gesellschafters als Ausnahmetatbestand zu § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zugelassen. Der Bundesfinanzhof begibt sich damit in ein Spannungsverhältnis zu seiner ständigen Rechtsprechung zur Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Rechtsform im Unternehmenssteuerrecht. Hervorgehoben wurde stets das Erfordernis der Rechtssicherheit, das eine von der zivilrechtlichen Ausgangssituation abweichende, wirtschaftliche Gesichtspunkte einbeziehende Zuordnung verbiete. Jedoch kann auch die Abgrenzung zwischen typischer und atypischer stiller Gesellschaft große Probleme aufwerfen. Diese lässt sich nur mit Hilfe der getroffenen Vereinbarungen vornehmen, die aber innerhalb eines breiten Spektrums möglicher Beteiligungsrechte liegen können. Dass dies nicht der Schaffung von Rechtssicherheit dient, liegt auf der Hand. c) Der Vorlagebeschluss zu § 32 c EStG a.F. Eine überraschende Aussage zur Besteuerung des ausgeschütteten Gewinns einer Kapitalgesellschaft enthält vor dem Hintergrund der bisherigen ständigen Rechtspre537 BFH, Urt. v. 15. 12. 1992 – VIII R 42 / 90, BStBl. II 1994, 702, 704; BFH, Urt. v. 25. 07. 1995 – VIII R 54 / 93, BStBl. II 1995, 794, 795; BFH, Beschl. v. 18. 06. 2001 – IV B 88 / 00, BFH / NV 2001, 1550 m. w. N.
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chung der Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs zu § 32 c EStG a.F. Die inzwischen außer Kraft getretene Vorschrift diente dazu, die Vorbelastung von gewerblichen Einkünften i. S. d. § 15 EStG mit Gewerbesteuer zu berücksichtigen.538 Das Gericht geht von einer gleichheitswidrigen Benachteiligung des Anteilseigners einer Körperschaft aus, weil ohne hinreichenden Grund unberücksichtigt bleibe, dass dessen Gewinne bei der ausschüttenden Körperschaft ebenfalls bereits der Gewerbesteuer unterlegen haben.539 In diesem Zusammenhang bemerkt der Bundesfinanzhof, der Gesetzgeber hätte statt des Anrechnungsverfahrens auch eine Teilhaberbesteuerung einführen können.540 Grundgedanke der Teilhaberbesteuerung ist es, die Unterschiede in der Besteuerung des ausgeschütteten Gewinns zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften vollständig aufzuheben und den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft durch eine unmittelbare Zurechnung des Gewinns im Zeitpunkt der Entstehung wie einen Personenunternehmer zu behandeln. Die Teilhaberbesteuerung ist der Prototyp einer Besteuerung unternehmerisch erzielter Gewinne, bei der die zivilrechtliche Rechtsform der Gesellschaft unberücksichtigt gelassen wird und keinen Einfluss auf die Besteuerung hat. Die Teilhabersteuer ist jedoch mit gravierenden verfassungsrechtlichen Einwänden behaftet,541 so dass sich schwerlich annehmen lässt, der Bundesfinanzhof habe die gegen die Teilhabersteuer geltend gemachten rechtlichen Bedenken übersehen. Auch wenn die Formulierung nur ungeschickt gewählt ist, lässt die Aussage den Schluss zu, dass aus Sicht der Rechtsprechung eine über die zivilrechtlichen Rechtsformen hinweg greifende, stärker an steuerlichen Merkmalen orientierte Betrachtung zumindest de lege ferenda für durchaus sachgerecht gehalten wird. 538 Gegenstand des § 32 c EStG a.F. war eine Tarifbegrenzung auf 44 v.H. für Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die auch der Gewerbesteuer unterlagen. Der Gesetzgeber hat zur Stärkung des Standorts Deutschland eine Tarifsenkung bei der Körperschaftsteuer für erforderlich gehalten. Der Spitzensteuersatz für gewerbliche Einkünfte sollte dem der Körperschaftsteuer angenähert werden, um die Zusatzbelastung der Einkünfte mit Gewerbesteuer abzumildern und steuerlich bedingte Wettbewerbsverzerrungen zwischen Körperschaften und Personenunternehmen zu vermeiden. Vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des StandOG, BT-Drucks. 12 / 4158, S. 23 f.; Begründung der Fraktionen der CDU / CSU und FDP zum Entwurf des StandOG, BT-Drucks. 12 / 4487, S. 25; Bericht des Finanzausschusses zum StandOG, BT-Drucks. 12 / 5016, S. 78; BFH, Beschl. v. 24. 02. 1999 – X R 171 / 96, BStBl. II 1999, 450, 452 ff. 539 BFH, Beschl. v. 24. 02. 1999 – X R 171 / 96, BStBl. II 1999, 450, 457. 540 BFH, Beschl. v. 24. 02. 1999 – X R 171 / 96, BStBl. II 1999, 450, 462 f.: „Die Körperschaftsteuer belastet im Ergebnis nur den nicht ausgeschütteten (thesaurierten) Gewinn. Diese Belastung und der Ausgleich einer doppelten Erfassung der von der Körperschaft erzielten Gewinne durch das Anrechnungsverfahren ist letztlich ein rechtstechnisch anders gestaltetes Äquivalent für eine durch die zivilrechtliche Rechtssubjektivität durchgreifende Teilhabersteuer; gegen diese hat sich der Gesetzgeber nicht aus Gründen der rechtssystematischen Notwendigkeit, sondern der Praktikablität und Zweckmäßigkeit entschieden. Es wäre eine vertretbare Alternative gewesen, die Körperschaft im Ergebnis wie eine Personengesellschaft zu behandeln und (auch) nicht ausgeschüttete Gewinne unmittelbar den Anteilseignern zuzurechnen.“ (Hervorhebungen teilweise im Original) 541 Vgl. die Nachweise in Fn. 83.
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d) Zwischenergebnis Der Bundesfinanzhof hält in seiner Rechtsprechung grundsätzlich am Dualismus von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaft fest. Ob ein Steuerpflichtiger die Stellung eines Kapitalgebers oder eines Unternehmers einnimmt, sei allein von der zivilrechtlichen Rechtsform der Gesellschaft abhängig. Dennoch wirft die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Frage auf, ob es sich dabei zu Recht um den allein ausschlaggebenden Anhaltspunkt handeln sollte.
IV. Die Bedeutung der Rechtsform in der Literatur 1. Keine wirtschaftliche Gleichheit aller Kapitalgesellschaften Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur ist anerkannt, dass die gleiche Rechtsform wirtschaftlich sehr verschiedene Gestaltungen umfassen kann. Die Beachtung des Gleichheitssatzes erfordert die Orientierung am Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Eine leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung des Teilhabers an einem Unternehmen kann die konkrete Ausgestaltung des Beteiligungsverhältnisses nicht unberücksichtigt lassen. Hinter dem Begriff des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft kann sich sowohl der Inhaber einer einzelnen Aktie einer großen Aktiengesellschaft wie auch der Gesellschafter einer Einmann-GmbH verbergen. Beide erzielen mit den an sie ausgeschütteten Gesellschaftsgewinnen Einkünfte aus Kapitalvermögen, obwohl sie wirtschaftlich in ganz unterschiedlicher Form tätig sind. Die strikte Anknüpfung an die zivilrechtliche Rechtsform verdeckt hier, dass im Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschafter Sachverhalte vorliegen können, die wirtschaftlich nicht ohne weiteres vergleichbar sind.542 Auch die durch die Ausübung der jeweiligen Erwerbsgrundlage erzielte steuerliche Leistungsfähigkeit muss daher nicht notwendig gleich sein.543 Dementsprechend ist auch die steuerrechtliche Qualifikation der GmbH & Co. KG durch den Großen Senat in der Literatur neben Zustimmung auch auf Kritik gestoßen. Walz bemängelt, dass die Argumentation gegen die Einbeziehung kapitalistischer Personengesellschaften in die Körperschaftsteuerpflicht auf einem Zirkelschluss beruhe. Die Anwendung des § 3 Abs. 1 KStG werde mit der Begründung abgelehnt, die gewerblich tätige GmbH & Co. KG stelle eine Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG dar, dies sei aber gerade die zu beurteilende Frage.544 Schulze-Osterloh hält die Entscheidung nur deshalb für richtig, weil die Einordnung der kapitalistischen Personengesellschaft in das Körperschaftsteuer542 543 544
Pezzer, DStJG 25 (2002), 37, 38. Lang, DStJG 24 (2001), 49, 98 ff.; Pezzer, DStJG 25 (2002), 37, 38 ff. Walz, JZ 1985, 192.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
recht umgekehrt die Besteuerung der personenbezogenen Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerschaft erfordere, dies aber vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt sei.545 In der Literatur sind wiederholt Versuche unternommen worden, eine mehr an den individuellen Verhältnissen orientierte Betrachtung an die Stelle einer alleinigen Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Rechtsform treten zu lassen, um so auch eine von der Rechtsform abweichende Zuordnung der Gesellschaftsformen zum Einkommen- oder Körperschaftsteuerrecht vornehmen zu können.546 Überwiegend wird aber die Anknüpfung der Besteuerungstatbestände an die zivilrechtliche Rechtsform bei der steuerlichen Einordnung der Gesellschaftsformen im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht als bewusste gesetzgeberische Entscheidung betrachtet, deren Durchbrechung einen nicht zu rechtfertigenden Systembruch darstellen würde.547 Die Erkenntnis, dass die Rechtsform für sich allein wenig über die steuerliche Leistungsfähigkeit des Gesellschafters aussagt, hat sich bislang nicht in einem einheitlich befürworteten Besteuerungskonzept niedergeschlagen. Über die hieraus abzuleitenden Folgerungen besteht nach wie vor Uneinigkeit. In der Literatur stehen sich zwei gegensätzliche Positionen gegenüber, die entweder auf eine Zusammenfassung der Besteuerungsebenen von Gesellschaft und Gesellschafter oder auf deren Trennung angelegt sind.
2. „Einheitsbetrachtung“ von Gesellschaft und Anteilseigner Teilweise wird die Leistungsfähigkeit des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft nur dann als zutreffend erfasst angesehen, wenn auf der Ebene des Anteilseigners auch die auf dem ausgeschütteten Gewinn lastenden anderen, den Anteilseigner mittelbar treffenden Steuern in die Betrachtung mit einbezogen werden. Die Besteuerung der natürlichen Person erfordere es, auch die Steuerbelastung auf Unternehmensebene zu erfassen.548 Die Körperschaftsteuer sei Bestandteil eines einheitlichen Systems der Einkommensbesteuerung, so dass es sich bei Körperschaftsteuer und Einkommensteuer nicht um voneinander unabhängige Systeme, Schulze-Osterloh, JbFSt. 1985 / 86, 231, 233. Kappe, Abschreibungsgesellschaften, S. 140 ff.; Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, S. 379 ff.; ders., Gutachten für den 53. Deutschen Juristentag (1980), S. F 95 ff. 547 Evers, Kommentar zum KStG 1925, Einl. S. 27 f.; Pezzer in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 11 Rn. 8. 548 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 22; Lang, DStJG 24 (2001), 49, 60; ders. in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 91. Für die „Gesamtbetrachtung“ bei der Anwendung des sog. „Halbteilungsgrundsatzes“ Seer, DStJG 23 (2000), 87, 108 f. Ein Halbteilungsgrundsatz bildet jedoch keinen Bestandteil der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ertragsbesteuerung [s. o. § 10 I. 3. c)], so dass sich dieser im vorliegenden Zusammenhang nicht auswirken kann. 545 546
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sondern um zwei Steuern auf dasselbe Einkommen handle.549 Die auf dieser Grundlage vorgenommene Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Unternehmenssteuerrecht führt zu einer Einheitsbetrachtung, die den Gesamtprozess der Einkünfteerzielung von der unternehmerischen Betätigung bis zur Gewinnausschüttung an den Anteilseigner als einheitlichen steuerbaren Vorgang umfasst. Wer die jeweils eigene steuerliche Erfassung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner für ungerechtfertigt hält, geht von der Vorstellung einer wirtschaftlichen Einheit der juristischen Person und ihrer Mitglieder aus. Dem entspricht die Forderung, die Besteuerung der Kapitalgesellschaft aus der Sicht des Anteilseigners zu betrachten.550 Stellt man eine „Einheitsbetrachtung“ an, geht es bei der Herstellung einer mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbaren Besteuerung des Anteilseigners darum, eine Doppelerfassung des ausgeschütteten Gewinns mit Körperschaftsteuer und mit Einkommensteuer zu vermeiden.551 Eine solche, vom Anteilseigner durch die Kapitalgesellschaft hindurchführende Betrachtung entsprach wirtschaftlich dem vom Anrechnungsverfahren herbeigeführten Ergebnis. Indem der ausgeschüttete Gewinn mit dem persönlichen Einkommensteuersatz des Anteilseigners belastet wurde, entsprach es genau dieser Einheitsvorstellung. Die Vorstellung einer Einheit von Gesellschaft und Gesellschafter ist mit einer Abweichung von den zivilrechtlichen Verhältnissen verbunden. Die zivilrechtliche Trennung der juristischen Person von den hinter ihr stehenden natürlichen Personen wird zugunsten einer beide Rechtssubjekte zusammenfassenden Betrachtung zurückgestellt. Grundlegend für die Rechtfertigung dieser Abweichung von der zivilrechtlichen Vorgabe ist die Prämisse, dass das von der Gesellschaft durch ihre gewerbliche Tätigkeit und das vom Gesellschafter als Beteiligungsertrag erwirtschaftete Einkommen identisch sind. Aus Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich dann die Forderung ableiten, dieses Einkommen beim Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Ergebnis nicht anders zu besteuern, als das aus der Beteiligung an einem Personenunternehmen erzielte Einkommen. Zur Prüfung des Gleichheitssatzes werden demnach allgemein die Gesellschafter wirtschaftlich tätiger nichtphysischer Personen miteinander verglichen. Einer gleichheitskonformen Betrachtung entspricht dies jedoch nicht. Ein Vergleich zweier beliebiger, an einem Unternehmen beteiligten Einkommensteuersubjekte wäre nur dann richtig, wenn jeder eine wirtschaftlich gleiche Stellung einnehmen würde. Diese kann sich jedoch durch die konkrete Ausgestaltung der Beteiligungsrechte stark unterscheiden. Vergleichsmaßstab für eine Prüfung des Gleichheitssatzes bei der Besteuerung des Gesellschafters können mithin nur Gesellschafter sein, deren wirtschaftliche Stellung in der Gesellschaft vergleichbar ist. Hey, DStJG Sonderband (2001), 5, 13 f. Hey in: Herrmann / Heuer / Raupach, KStG, Einf. Rn. 20 a.E.; Lang, DStJG 20 (1997), 70 (Diskussionsbeitrag); Pezzer, DStJG 25 (2002), 37, 46. 551 Lang, DStJG 20 (1997), 70 (Diskussionsbeitrag); Stolterfoht, Festschrift f. Kruse, S. 485, 493 f. 549 550
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3. Trennung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner a) Wahlfreiheit des Gesetzgebers zwischen Einheitsbetrachtung und Trennung Diese „Einheitsbetrachtung“ ist deshalb auch in der Literatur nicht unbestritten. Ihr wird entgegengehalten, die erheblichen zivilrechtlichen Unterschiede von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaft rechtfertigten auch eine getrennte Besteuerung. In der jeweiligen Rechtsform würden unterschiedliche wirtschaftliche Sachverhalte bei der Teilnahme am Marktgeschehen verwirklicht, die für eine voneinander abweichende steuerliche Behandlung sprächen. Aufgrund des für die Körperschaftsbesteuerung geltenden Trennungsprinzips sei der Gesetzgeber berechtigt, die Leistungsfähigkeit der Körperschaft unabhängig von der des Anteilseigners zu erfassen und mit der gewerblichen Tätigkeit der Kapitalgesellschaft sowie der Kapitalbeteiligung des Anteilseigners zwei verschiedene Einkünfteerzielungstatbestände anzunehmen. Nehme der Steuerpflichtige die Rechtsform der Kapitalgesellschaft mit allen Vorteilen der Abschirmung in Anspruch, könne er nicht zugleich eine Gleichbehandlung mit dem Personenunternehmen verlangen.552 Eine ungemilderte Doppelerfassung des ausgeschütteten Körperschaftsgewinns stellt danach keine Verletzung des Gleichheitssatzes dar.553 Der Gesetzgeber sei berechtigt, sich sowohl für die unabhängige Besteuerung von Körperschaft und Anteilseigner als auch für die Berücksichtigung der Vorbelastung mit Körperschaftsteuer bei der Einkommensteuer zu entscheiden; beide Lösungen seien ohne Konflikt mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip möglich.554 Das überzeugt jedoch nur teilweise. Wird dem in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft tätigen Steuerpflichtigen eine leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung mit der Begründung verweigert, er habe die Ursache für die Ungleichbehandlung selbst gesetzt, führt dies im Ergebnis dazu, dass der Steuerpflichtige mit der Möglichkeit der Rechtsformwahl den Schutz des Gleichheitssatzes einbüßt, da er zur Vermeidung nachteiliger steuerlicher Folgen auf eine andere Form der Unternehmensorganisation verwiesen wird. Das ist mit Art. 3 Abs. 1 GG in seinem heutigen Verständnis nicht in Einklang zu bringen. Die Anforderungen an die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen und damit die Intensität des Schutzes sind zwar davon abhängig, ob der Einzelne zur Einflussnahme auf das Diskriminie552 Birk, StuW 2000, 328, 333. Zugrunde liegt dem offenbar der Einwand des „venire contra factum proprium“, der bewirkt, dass die Rechtsausübung als treuwidrig anzusehen ist. Der auf § 242 BGB beruhende Rechtsgedanke ist im Steuerrecht anwendbar, weil auch der Steuerpflichtige im Verhältnis zu den Finanzbehörden den Grundsatz von Treu und Glauben beachten muss. Vgl. dazu auch BFH, Urt. v. 11. 02. 1965 – V 37 / 63 U, BStBl. III 1965, 270, 272; Salditt, StuW 1971, 191, 200. 553 Tipke, Steuerrechtsordnung II, 1. Auflage, S. 1036 f., der eine steuerrechtliche Unterscheidung von Unternehmen und Unternehmer für möglich hält. Ebenfalls der Trennungstheorie folgend Birk, StuW 2000, 328, 333 f.; Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 359. 554 Birk, 14. Österreichischer Juristentag (2000), Band III / 2, S. 126 (Diskussionsbeitrag).
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rungsmerkmal in der Lage ist; aber auch wenn dies der Fall ist, geht der Grundrechtsschutz nicht gänzlich verloren. Durch die Schaffung eines entsprechenden rechtlichen Rahmens hat der Gesetzgeber die Wahl einer bestimmten Rechtsform mitveranlasst. Wird dem Steuerpflichtigen bewusst die Wahl zwischen mehreren Rechtsformen eröffnet, muss sich der Gesetzgeber konsequenterweise auch bei deren Besteuerung am Leistungsfähigkeitsprinzip festhalten lassen und kann nicht einwenden, der Steuerpflichtige habe mit der Wahl einer dieser Rechtsformen auch eine möglicherweise nicht gleichheitskonforme Besteuerung hinzunehmen. Richtig ist dennoch die Erkenntnis, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip bei verschiedenen wirtschaftlichen Sachverhalten, die auch durch unterschiedliche Rechtsformen zum Ausdruck kommen können, eine unterschiedliche Behandlung erfordert. Die Rechtsform ist nicht allein entscheidend, prägt aber den wirtschaftlichen Sachverhalt und wirkt sich so auf die vom Steuerpflichtigen erzielte Leistungsfähigkeit aus. Die Annahme, das Leistungsfähigkeitsprinzip verlange eine unterschiedslose Gleichbehandlung aller Gesellschaften, erweist sich folglich als unzutreffend. b) Pflicht zur Trennung Weber geht noch einen Schritt weiter und hält eine Differenzierung danach, ob eine Beteiligung an einem Personenunternehmen oder einer Kapitalgesellschaft vorliegt, für zwingend. Im Vergleich zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaft lägen so unterschiedliche Sachverhalte vor, dass der Gesetzgeber zu einer Ungleichbehandlung der Beteiligungsformen verpflichtet sei. Eine steuerliche Gleichbehandlung aller Unternehmensformen berücksichtige nicht die durch das Gesellschaftsrecht hervorgerufene strukturelle Verschiedenheit.555 Wesentliches Merkmal der Kapitalgesellschaft sei die Unabhängigkeit des Unternehmens von der Person des Unternehmers. Die erweiterte Möglichkeit, Dritte zur Geschäftsführung und Vertretung heranzuziehen, verändere die Struktur des Unternehmens und führe zu dessen Verstärkung gegenüber den eigenen Gesellschaftern.556 Folglich müsse bei der Kapitalgesellschaft, anders als beim Personenunternehmen, eine selbständige Besteuerung der Gesellschaft und des Gesellschafters Platz greifen. Aus dieser Sicht lässt sich die Körperschaftsteuer nur als eigenständige Besteuerung der Gesellschaft verstehen, die von der Besteuerung des Anteilseigners abgelöst ist. Sie ist eine Steuer, die wirtschaftlich vom Unternehmen, nicht vom Gesellschafter aufzubringen ist. Eine Berücksichtigung der Vorbelastung des ausgeschütteten Gewinns mit Körperschaftsteuer würde dieses „Gebot zur Ungleichbehandlung“ negieren. Auch Weber verankert seine Argumentation in Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Pflicht zur Ungleichbehandlung beruht jedoch ebenfalls auf der Differenzierung nach ein555 556
Weber, JZ 1980, 545, 549. Weber, Besteuerung, S. 178 f.
11 Wäckerlin
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zelnen Rechtsformen und sieht sich damit in gleicher Weise wie eine Einheitsbetrachtung dem Einwand ausgesetzt, dass der Charakter der Einkünfteerzielung auch bei gleicher Rechtsform sehr verschieden und bei unterschiedlicher Rechtsform sehr ähnlich sein kann. Das gilt insbesondere für die Annahme, die rechtliche Verselbständigung führe bei der Kapitalgesellschaft zu einer so weitgehenden Verstärkung gegenüber den Gesellschaftern, dass dem Leistungsfähigkeitsprinzip nur durch eine separate Ertragsbesteuerung Rechnung getragen werden könne.
V. Ausrichtung der Gesellschafterbesteuerung an der typologischen Stellung des Gesellschafters in der Gesellschaft Die Besteuerung des Anteilseigners einer Gesellschaft ist gegenwärtig vom Nebeneinander von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften geprägt. Die Anknüpfung der Ertragsbesteuerung bei Unternehmen an die zivilrechtliche Rechtsform entspricht dem vorherrschenden Verständnis in Rechtsprechung und Schrifttum. Die Behandlung von Beteiligungseinkünften entsprechend der Rechtsform des Unternehmens begegnet keinen Bedenken, wenn sich die rechtliche Einordnung mit dem wirtschaftlichen Sachverhalt deckt. Ist dies der Fall, kann der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft als bloßer Geldgeber betrachtet und das Entgelt für die Überlassung des Unternehmenskapitals den Einkünften aus Kapitalvermögen zugeordnet werden. Durch die weitgehende Gestaltungsfreiheit des Gesellschaftsrechts kann einer Rechtsform jedoch ein Inhalt verliehen werden, der vom normativen Idealtypus der entsprechenden Gesellschaftsform stark abweicht. Auch im Zivilrecht, das der Gesetzgeber zur Grundlage seines Besteuerungskonzepts gemacht hat, wird aus Gesellschaftersicht zwischen der Beteiligung als Mitunternehmer und der Beteiligung als Kapitalgeber unterschieden.557 UnternehmerGesellschafter ist, wer auf die Geschäftspolitik durch Ausübung von Beteiligungsrechten oder als Geschäftsführer Einfluss nehmen will und kann; Anlagegesellschafter, wer als Mitglied einer Gesellschaft lediglich eine Kapitalanlage bezweckt.558 Kirchhof stellt in Bezug auf die gegenwärtige Besteuerung des Gesellschafters fest, dass die Zuordnung der hinter einer juristischen Person stehenden natürlichen Personen steuerjuristisch bisher nicht gelungen ist. Die wechselvolle Geschichte der Besteuerung ausgeschütteter Gewinne offenbart die gesetzliche Unsicherheit, ob die Vorbelastung dieser Gewinne mit Körperschaftsteuer wirtschaftlich eine Vorauszahlung auf die eigene Steuerschuld des Anteilseigners darstellt oder als eigenständige Besteuerung eines fremden Steuersubjekts verstanden werden muss.559 557 558 559
Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 103 ff., 114 ff. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 103. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 60 f.
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1. Die Unterscheidung von Publikumsgesellschaft und personenbezogener Gesellschaft Grundpfeiler des Gesellschaftsrechts ist die Unterscheidung von Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft. Beide Gesellschaftstypen sind strukturell verschieden: Während bei der Personengesellschaft typischerweise die Tätigkeit der natürlichen Personen im Vordergrund steht, die sich zur Verwirklichung eines gemeinsamen Zwecks in der Gesellschaft zusammengeschlossen haben, wird die Kapitalgesellschaft als ein eigenständiges, von der natürlichen Person abstrahiertes Rechtsgebilde begriffen. Das deutsche Gesellschaftsrecht ist von der Vorstellung geprägt, dass die Gesamthandsgesellschaft eine personalistische Struktur aufweist, während die juristische Person körperschaftlich organisiert ist.560
a) Die Publikumsaktiengesellschaft als normativer Idealtypus Der Gesetzgeber knüpft bei der Abgrenzung nach der Rechtsform an steuerlich relevante Merkmale an, die in der jeweiligen Rechtsform typischerweise verkörpert sind. Mit der Verwendung zivilrechtlicher Rechtsbegriffe soll grundsätzlich der in diese Form gekleidete wirtschaftliche Inhalt erfasst werden.561 Werden juristische Personen getrennt von ihren Anteilseignern einer Steuerpflicht unterworfen, ist Gegenstand der Besteuerung das wirtschaftliche Substrat in Form des Unternehmens, das die juristische Person betreibt. Die Rechtsform ist ein der steuerlichen Einordnung dienender Anknüpfungspunkt.562 Die Bezeichnung der Rechtsform im Steuertatbestand enthält in Anlehnung an die tradierten gesellschaftrechtlichen Vorstellungen eine indirekte Umschreibung der tatsächlichen Umstände, die die normierte steuerliche Folge auslösen sollen. In der historischen Entwicklung hat sich der Gesetzgeber bei der Besteuerung der Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften stets an der Publikumsaktiengesellschaft mit einer großen Zahl von Anteilseignern orientiert, die jeweils nur eine geringe Beteiligungsquote aufweisen und erst in ihrer Summe das für den Betrieb eines großen Unternehmens erforderliche Kapital aufbringen.563 Charakteristisch für die Publikumsgesellschaft ist deren Zuschnitt auf einen beliebigen Mitgliederkreis, der sich durch eine freie und institutionalisierte Übertragung ständig verändern kann.564 So wird breiten Bevölkerungsschichten die Wahrnehmung des Angebots an Beteiligungsrechten ermöglicht. Unternehmensinhaberschaft und Unternehmensführung sind personell getrennt; die Gesellschaft verfügt über eine ei560 561 562 563 564
11*
Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 89 ff. Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1292. Raupach, Durchgriff, S. 73; s. dazu o. § 14 I. Stolterfoht, Festschrift f. Schmidt, S. 497, 508. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 121.
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gene, gegenüber dem Kreis der Anteilseigner mit weitgehender Autonomie ausgestattete Geschäftsführung.565 Auf die Geschäftspolitik und die Ausgestaltung der unternehmerischen Betätigung kann der Anteilseigner nur im Rahmen seiner Mitgliedschaftsrechte Einfluss nehmen. Diese sind in der großen Kapitalgesellschaft infolge der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zusätzlich geschmälert und ihre tatsächliche Ausübung durch die unüberschaubare Vielzahl anderer Anteilseigner erschwert. Dies hat sich im Verständnis der Unternehmensbesteuerung niedergeschlagen. Als gemeinsames Merkmal der Kapitalgesellschaften wurde schon 1920 der Bezug von Einkünften angesehen, die nicht unmittelbar der Steuerpflicht in der Hand einer natürlichen Person unterliegen; die Besteuerung beruhe auf der „Wirtschaftsemanzipation von den Zwecken der Einzelpersonen“.566 Die juristische Person sei rechtlich und wirtschaftlich Eigentümerin ihres Vermögens und schließe ihre Mitglieder von der Erzielung des Einkommens aus, so dass das Ergebnis ihrer unternehmerischen Tätigkeit als ihr eigenes, nicht als das anderer Bezieher erscheine.567 Das gilt aufgrund des inneren Zusammenhangs von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung auch für die Besteuerung des Gesellschafters.568 Zum Ausdruck kommt dies in der Behandlung der Gesellschaftereinkünfte als solche aus Kapitalvermögen.
b) Die personenbezogene Kapitalgesellschaft Das Gegenstück zur Publikumskapitalgesellschaft bildet die personenbezogene Kapitalgesellschaft, deren intensivste Ausprägung die Einmann-GmbH ist. Sie ist aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse stark der Handelsgesellschaft angenähert, die sich durch eine kleine Zahl von Gesellschaftern, das zwischen diesen bestehende Vertrauensverhältnis und die Übernahme von Verantwortung in der Geschäftsführung auszeichnet. Ein solchermaßen personalisierter Zusammenschluss kann auch in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft erfolgen.569 Dadurch wird eine Stellung des Gesellschafters begünstigt, die über die reine Bereitstellung von Unternehmenskapital hinausreicht und diesen auch bei Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht als bloßen Kapitalgeber erscheinen lässt. Dem Anteilseigner kommt hier eine andere Stellung zu als innerhalb einer Publikumsgesellschaft. Er vereinigt Geschäftsführung und Unternehmensinhaber565 566
Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 124. Begründung zum KStG 1920, Verhandlungen der Nationalversammlung, Band 341,
S. 15. 567 Begründung zum KStG 1920, Verhandlungen der Nationalversammlung, Band 341, S. 19 f. 568 s. o. § 14 I. 2. c) mit Fn. 491. 569 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 115.
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schaft in seiner Person und kann so in sehr weitgehendem Umfang Art und Weise der geschäftlichen Betätigung bestimmen. Die Gesellschaft stellt zwar eine eigene Rechtsperson dar, ist wirtschaftlich jedoch weitgehend uneigenständig. Durch die personelle Vereinigung von Unternehmensführung und Unternehmensinhaberschaft wird die für die Kapitalgesellschaft typische Fremdorganschaft nicht mehr verwirklicht und vom gesetzlichen Leitbild der Publikumsgesellschaft abgewichen. Der Gesetzgeber hat aus dieser Abweichung jedoch keine Kosequenzen gezogen; die steuerliche Behandlung ist vom Grad der Verbundenheit des Gesellschafters mit der Gesellschaft unabhängig.
2. Die Leistungsfähigkeit des Anteilseigners in der Kapitalgesellschaft Durch die Anknüpfung an die zivilrechtlichen Rechtsformen kann der Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch heterogene Beteiligungsformen verwirklicht werden und die Stellung des Gesellschafters in derselben Rechtsform ganz unterschiedlich ausgeprägt sein.570 Die Tatsache, dass Einkünfte aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erzielt werden, lässt daher keinen sicheren Schluss auf den wirtschaftlichen Charakter der Einkünfteerzielung zu. Die unterschiedlichen Standpunkte in Bezug auf die Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft – Betrachtung von Anteilseigner und Kapitalgesellschaft als Einheit oder Trennung beider Besteuerungsebenen – legen nahe, dass es keine für alle Arten der Beteiligung an Kapitalgesellschaften gleichermaßen passende Einheitslösung gibt. Beide Anschauungen erfassen nur bestimmte äußere Erscheinungsformen. Ob eine bestimmte Gesellschaft personalistisch oder körperschaftlich strukturiert ist, kann durch die Rechtsform der Gesellschaft aber nicht zuverlässig beurteilt werden.571 Die Frage nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Anteilseigners in einer Kapitalgesellschaft lässt sich somit nicht mit einer starren schematischen Betrachtung beantworten. Die tatsächlichen Unterschiede trotz äußerlich gleicher Rechtsform zeigen, dass sich kein zwingender Zusammenhang zwischen der äußeren Gesellschaftsform und dem Innenverhältnis der Gesellschaft herstellen lässt572 und aus der Rechtsform, in die ein wirtschaftlicher Vorrang oder Zustand gekleidet ist, noch kein zuverlässiger Schluss auf die beim Steuerpflichtigen vorhandene Leistungsfähigkeit gezogen werden kann.573 Grundlage der Leistungsfähigkeit des Anteilseigners ist der wirtschaftliche Vorgang der Einkünfteerzielung.574 Aufgrund 570 571 572 573 574
s. o. § 14 IV. 1. Kappe, Abschreibungsgesellschaften, S. 116. Kappe, Abschreibungsgesellschaften, S. 119. Kruse, Festschrift f. Paulick, S. 403, 408 f. Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 496.
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der tatsächlichen Verschiedenheit rechtlich identischer Beteiligungsformen ist die Leistungsfähigkeit des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft nicht notwendig gleich. Die in der Steuernorm beschriebene Form kann dem wirtschaftlichen Inhalt entsprechen,575 in diesem Fall spricht nichts dagegen, für die Rechtsanwendung die äußere Form als maßgeblich anzusehen. Die zivilrechtliche Rechtsform ist dann von Bedeutung, weil sie die tatsächliche Einkünfteerzielung des Steuersubjekts abbildet. Ist dies jedoch nicht der Fall, kann die Steuernorm eine leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung nur gewährleisten, wenn Unterschiede in der Leistungsfähigkeit auch durch eine entsprechende Differenzierung berücksichtigt werden. Auch das Postulat der Rechtsformneutralität ändert hieran nichts, weil eine Gleichbehandlung von Rechtsformen nur bei gleicher steuerlicher Leistungsfähigkeit verlangt werden kann.576 a) Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Stellung Die Leistungsfähigkeit des Anteilseigners hängt somit nicht in erster Linie von der Rechtsform ab, in der er sich betätigt, sondern davon, welche wirtschaftliche Stellung er im Unternehmen einnimmt. Der Zusammenhang von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer verliert an Gewicht, je geringer die Beteiligung des einzelnen Gesellschafters ist.577 So ist etwa der Kleinaktionär primär Kapitalanleger; er steht der Gesellschaft als fremder Geldgeber gegenüber. Als Teilhaber mit einer wesentlichen oder beherrschenden Beteiligung und entsprechenden Einflussmöglichkeiten kann der Anteilseigner in eine unternehmerähnliche Stellung wechseln, die auch in rechtlicher Hinsicht berücksichtigt werden muss.578 Die Situation ist der Mitgliedschaft in einer Genossenschaft oder einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ähnlich, bei der der Teilhaber mit zunehmender Größe der Organisation und sinkender Beteiligung von einer mitgliedschaftlichen Position in diejenige des Partners eines Austauschvertrages gerät.579 Die systematische Trennung dieser beiden Arten der Einkünfteerzielung geschieht nicht willkürlich; sie beruht darauf, dass die steuerliche Leistungsfähigkeit in unterschiedlicher Weise erzielt wird. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit entscheidend ist, ob durch die Ausschüttung des Körperschaftsgewinns beim Anteilseigner ein neues Einkommen vorliegt oder ob es sich um einen einheitlichen, Gesellschaft und Anteilseigner umfassenden Vorgang der Einkünfteerzielung handelt. Ist Letzteres der Fall, entspricht dem Leistungsfähigkeitsprinzip nur eine einmalige Besteuerung. Erzielt der Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1292. s. o. § 11. 577 Stolterfoht, Festschrift f. Schmidt, S. 497, 502. 578 Stolterfoht, Festschrift f. Kruse, S. 485, 495 f. Dagegen ist Hey, DStJG 24 (2001), 155, 196 der Auffassung, Belastungsunterschiede könnten nicht damit gerechtfertigt werden, ob der Anteilseigner im Unternehmen mitarbeite oder dem Unternehmen lediglich Kapital zur Verfügung stelle, allerdings ohne dies näher zu begründen. 579 Stolterfoht, Festschrift f. Schmidt, S. 497, 502 f. 575 576
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Anteilseigner dagegen eigene Leistungsfähigkeit, ist diese auch gesondert steuerlich zu erfassen. Die maßgebliche Frage lautet, ob die Gewinne der Kapitalgesellschaft für den Anteilseigner eigenes oder fremdes Einkommen darstellen. Verwirklicht der Anteilseigner den wirtschaftlichen Typus des Kapitalgebers, beruht seine Leistungsfähigkeit allein auf der Kapitalbeteiligung. Sein Einfluss bleibt auf die Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte beschränkt, die ihm keine aktive Teilnahme am Prozess der unternehmerischen Ertragserzielung ermöglichen. Das Einkommen der Kapitalgesellschaft ist für den Gesellschafter tatsächlich fremdes Einkommen, so dass die steuerliche Sphäre des Anteilseigners durch die Besteuerung der Gesellschaft nicht berührt wird. Dieser normative Idealtypus der Kapitalgesellschaft ist nicht gegeben, wenn der Gesellschafter mit der Gesellschaft enger als nur durch eine Kapitalbeziehung verbunden ist. Je stärker unternehmerische Elemente auf der Ebene des Anteilseigners vorherrschen, umso mehr ist das Verständnis von Anteilseigner und Kapitalgesellschafter als Einheit gerechtfertigt. Die einkünfteerzielende Betätigung wird dann zwar rechtlich von der vollrechtsfähigen Gesellschaft ausgeübt, der Anteilseigner dominiert aber den tatsächlichen Vorgang der Einkünfteerzielung durch umfassende Steuerung und Beeinflussung der geschäftlichen Tätigkeit. Eine eigenständige Willensbildung auf der Ebene der Gesellschaft findet praktisch nicht statt. Während dies deren rechtliche Eigenständigkeit unberührt lässt,580 verblasst ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit. Nimmt die Gesellschaft gegenüber den Anteilseignern nur eine derart unbedeutende Stellung ein, ist es gerechtfertigt, die steuerliche Belastung aus der Sicht des Anteilseigners zu bestimmen. Wenn der Steuerpflichtige Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, wirtschaftlich aber unternehmerähnlich tätig ist, unterscheidet sich seine steuerliche Leistungsfähigkeit nur geringfügig von der einer originär (mit-)unternehmerischen Betätigung. Erscheint er dagegen als Kapitalgeber, prägt dies ebenfalls seine steuerliche Leistungsfähigkeit, die dann nicht grundsätzlich von derjenigen anderer Kapitalanleger abweicht. b) Widerstreit zwischen Rechtssicherheit und Leistungsfähigkeitsprinzip Eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist darauf angelegt, den verwirklichten Lebenssachverhalt nach seinem tatsächlichen Inhalt in die rechtlichen Kategorien des Steuerrechts einzuordnen. Wird aus Gründen der Rechtssicherheit bei der steuerlichen Behandlung auf individuelle Verhältnisse keine Rücksicht genommen, hat dies zur Folge, dass bei der steuerlichen Behandlung von Lebenssachverhalten, die von dem als typisch betrachteten Fall abweichen, das Leistungsfähigkeitsprinzip nur suboptimal verwirklicht wird. 580 Deshalb fällt dadurch nicht etwa die Berechtigung, den von der Kapitalgesellschaft erzielten Gewinn mit Körperschaftsteuer zu belasten, weg. Die Frage der Rechtfertigung der Körperschaftsteuerpflicht bleibt vielmehr hiervon unberührt.
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Ziel der Anknüpfung an die Rechtsform ist die weitestgehende Verwirklichung von Rechtssicherheit, weil dadurch dem Steuerpflichtigen eine eindeutige und prognostizierbare Aussage über die Art der steuerlichen Belastung ermöglicht werden soll.581 Indem die Anerkennung als steuerliche Rechtspersönlichkeit allein durch die Rechtsform der juristischen Person bestimmt ist, wird das Prinzip gleichmäßiger Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zugunsten der Rechtssicherheit zurückgedrängt.582 Bei der Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft gerät man daher in einen Widerstreit zwischen dem Gebot der gleichmäßigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und den Anforderungen der Rechtssicherheit.583 Der Gesetzgeber hat jedoch in der Vergangenheit immer wieder das von ihm selbst zum Grundsatz erhobene Prinzip durchbrochen, um wirtschaftlich personalistisch beteiligte Anteilseigner auch steuerlich in gewissen Beziehungen einem Mitunternehmer anzunähern.584 Ebenso hat die Rechtsprechung die bei der Besteuerung der juristischen Person vorgegebene Trennung von Gesellschaft und Gesellschafter in Einzelfragen vernachlässigt, um billige Ergebnisse zu erzielen.585 Die neuere Entwicklung im Gesellschaftsrecht deutet darauf hin, dass dem Argument, durch die ausschließliche Anknüpfung an die äußere Rechtsform Rechtssicherheit schaffen zu wollen, nicht mehr der gleiche Stellenwert zukommt, wie dies bislang der Fall gewesen ist. Das Recht der Gesamthandsgesellschaften war in den letzten Jahren von einem Umbruch gekennzeichnet. Gesellschaften zur gesamten Hand und Kapitalgesellschaften werden zunehmend nicht mehr als Gegensatz, sondern als fließender Übergang wahrgenommen. Die jüngere gesellschaftsrechtliche Lehre geht dahin, beide Typen von Gesellschaften einander entsprechend deren innerer Struktur anzunähern. Besonders augenfällig wird dies am spektakulären Wandel in der dogmatischen Einordnung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die der Bundesgerichtshof im Jahre 2001 vollzogen hat.586 Danach ist die im geschäftlichen Verkehr aktive (Außen-)GbR nunmehr ebenfalls rechts- und parteifähig. Auch Handelsgesellschaften sind heute vielfach mit einer eigenen Identität ausgestattet und erscheinen in der allgemeinen Wahrnehmung nicht mehr zwangsläufig als Zusammenschluss natürlicher Personen. Indem sich juristische Person und teilrechtsfähige Gesamthandsgesellschaft in ihren Grenzbereichen überlagern können, verliert auch die durch eine Abgrenzung nach der äußeren 581 BFH, Urt. v. 05. 05. 1959 – I 11 / 58 S, BStBl. III 1959, 369, 371; BFH, Urt. v. 02. 12. 1970 – I R 122 / 68, BStBl. II 1971, 187, 188; BFH, Beschl. v. 25. 06. 1984 – GrS 4 / 82, BStBl. II 1984, 751, 760; Kirchhof, Die Eigenständigkeit der Genossenschaft als Rechtssubjekt, S. 23 f.; Stolterfoht, Festschrift f. Schmidt, S. 497, 509. 582 Raupach, Durchgriff, S. 75. 583 Zum Zielkonflikt von Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit Jachmann, StuW 1998, 193, 203 f. Allgemein Herzog, NJW 1999, 25. 584 s. o. § 14 II. 585 s. o. § 14 III. 586 BGH, Urt. v. 29. 01. 2001 – II ZR 331 / 00, BGHZ 146, 341.
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Rechtsform bezweckte Rechtssicherheit immer mehr von ihrer ursprünglichen Überzeugungskraft.587 Wenn der Bundesfinanzhof demgegenüber von einem verfassungsrechtlichen Zwang zur Anknüpfung der Körperschaftsbesteuerung an die Ordnungsstruktur des Zivilrechts ausgeht,588 beruht dies auf einer unvollständigen Wahrnehmung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, die sich von der zunächst unter Vernachlässigung steuerrechtlicher Unterschiede verfolgten strengen Anknüpfung an das Zivilrecht in der Folgezeit mehr und mehr abgewandt hat. In anderem Zusammenhang hat der Bundesfinanzhof selbst ausgeführt, dass die Ungleichbehandlung personenbezogener und nicht personenbezogener Kapitalgesellschaften nicht gegen den Gleichheitssatz verstoße.589 Dies alles deutet darauf hin, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip dem Erfordernis der Rechtssicherheit nicht untergeordnet werden kann und ihm auch bei der Besteuerung der Körperschaftsgewinne maßgebende Bedeutung zukommt.
3. Identität von Gesellschaft und Anteilseigner Der Zusammenhang zwischen der Besteuerung des Anteilseigners und dessen Stellung in der Gesellschaft ist in der Literatur mitunter als Frage der Identität von Gesellschaft und Anteilseigner wahrgenommen worden. Das Maß an Identität zwischen Gesellschaft und Anteilseigner dient dabei als Anhaltspunkt für die Beurteilung, ob das Einkommen der Gesellschaft wirtschaftlich auch als solches des Anteilseigners betrachtet werden kann. Habe ein Gesellschafter alle oder nahezu alle Kapitalanteile der Gesellschaft in der Hand, beherrsche er die Gesellschaft restlos. Hier verhindere allein die Ausstattung der Kapitalgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, dass die Gesellschaft zusammenfällt und Träger des Gesellschaftsvermögens die dahinter stehende natürliche Person wird.590 Um die Identität der Steuersubjekte geht es auch, wenn die Anteilseigner als die „eigentlichen“ oder mittelbaren Eigentümer des Unternehmens bezeichnet und daraus steuerliche Konsequenzen abgeleitet werden.591 Die Doppelbelastung der ausgeschütteten Körperschaftsgewinne sei systematisch ein Problem der Identität von Körperschaften und ihren Anteilseignern bzw. von Gewinn der Körperschaft und Einkommen der Anteilseigner.592 Dies hat Enno Becker bereits 1924 erkannt, In diesem Sinne auch Kappe, Abschreibungsgesellschaften, S. 138. Der BFH, Urt. v. 20. 10. 1976 – I R 139 - 140 / 74, BStBl. II 1977, 96, 97 beruft sich dabei auf BVerfG, Urt. v. 24. 01. 1962 – 1 BvR 845 / 58, BVerfGE 13, 331. 589 BFH, Urt. v. 21. 02. 1961 – I 316 / 60 U, BStBl. III 1961, 166; BFH, Urt. v. 25. 07. 1961 – I 121 / 61, HFR 1961, 252; BFH, Urt. v. 26. 05. 1965 – I 36 / 63, HFR 1965, 512. 590 Schlutius, Mantelkauf, S. 46. 591 Ruppe, Doppelbelastung, S. 85. 592 Ruppe, Doppelbelastung, S. 136. 587 588
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wenn er für die Frage des Subjekts der Gleichbehandlung auf den wirtschaftlichen Träger des Einkommens abstellt. Dies sei beim Einzelgewerbetreibenden ohne weiteres der Unternehmer, bei der Publikums-Aktiengesellschaft mit unzähligen Aktionären ebenso sicher die Gesellschaft selbst, während sich dies für die dazwischen liegenden Stufen möglicherweise gar nicht, jedenfalls nicht eindeutig beantworten lasse.593 Eine selbständige Besteuerung des Unternehmens lasse sich nur bejahen, wenn das Unternehmen von der Persönlichkeit des jeweiligen Inhabers losgelöst sei und diesem gegenüber eine gewisse Eigenständigkeit aufweise. Das sei etwa der Fall, wenn der Einzelne in der Menge der Beteiligten untergehe und sich damit das, was ihm an Gewinn zufließe, nicht mehr als gewerbliches Einkommen, sondern als Kapitaleinkommen darstelle.594 Grundlage ist die Überlegung, dass das unternehmerisch erzielte Einkommen wirtschaftlich nicht mehr ausschließlich als solches der Gesellschaft betrachtet und auf der Ebene des Gesellschafters ein neuer Einkünfteerzielungstatbestand angenommen werden kann. Mit der Identität von Gesellschaft und Gesellschafter geht eine Vereinheitlichung der Einkünfteerzielung einher, die zu einem kongruenten Steuertatbestand führt. Findet im Verhältnis von Gesellschaft und Anteilseigner eine einheitliche Einkünfteerzielung statt, ist es durch das Leistungsfähigkeitsprinzip geboten, dieses Einkommen durch Ertragsteuern nur einfach zu belasten. Sind die von Gesellschaft und Anteilseigner erwirtschafteten Einkommen hingegen als zwei verschiedene zu betrachten, entspricht dem Leistungsfähigkeitsprinzip die eigene Besteuerung der jeweiligen Leistungsfähigkeitssteigerung. Die Grundfrage der Abgrenzung von personalistisch und kapitalistisch geprägter Einkünfteerzielung ist danach eine Frage der Identität von Unternehmen und Unternehmer.
a) Keine zivilrechtliche Identität von Gesellschaft und Gesellschafter Diese Identitätsbetrachtung hat durch die Unternehmenssteuerreform wieder an Aktualität gewonnen. Im Zusammenhang mit der Besteuerung des Anteilseigners wurde sie bisher jedoch nur am Rande wahrgenommen. Das liegt vielleicht an den Zweifeln, ob die Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft überhaupt einer Identitätsbetrachtung zugänglich ist. Im zivilrechtlichen Sinne können eine Körperschaft und ihre Anteilseigner unabhängig vom tatsächlichen Grad der Verselbständigung keine Einheit bilden. Der Steuergesetzgeber folgt dieser Auffassung grundsätzlich und betrachtet deshalb den Anteilseigner gegenüber der Körperschaft als unbeteiligten Dritten.595 Dass sich der historische Gesetzgeber gleichwohl mit der Frage der Identität von Körperschaft und Anteilseigner beschäftigt hat, kommt in der Entwurfsbegründung zum KStG 1920 zum Ausdruck, wo auf 593 594 595
Becker, Vortrag auf dem 33. Deutschen Juristentag (1924), S. 446. Becker, Vortrag auf dem 33. Deutschen Juristentag (1924), S. 459. Ruppe, Doppelbelastung, S. 86.
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die Emanzipation der Gesellschaft von den Zwecken der Einzelperson abgestellt wird.596 Er hat dabei allerdings die zivilrechtliche Ablösung von der Einzelperson als Beweis dafür herangezogen, dass das Fehlen von Identität zwischen Gesellschaft und Anteilseigner Merkmal sämtlicher Kapitalgesellschaften ist.
b) Wirtschaftliche Identität von Gesellschaft und Gesellschafter Auch wenn es sich bei Gesellschaft und Gesellschafter um verschiedene Rechtssubjekte handelt, können diese gleichwohl wirtschaftlich identisch sein. Die durch Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erzielte steuerliche Leistungsfähigkeit ist davon abhängig, ob Unternehmen und Unternehmer als Einheit betrachtet werden können. Beim Personenunternehmen ist dies der Fall, weil es einen besonders engen Bezug zu den handelnden Personen aufweist; Gesellschafterstellung und Geschäftsführungsbefugnis, Herrschaft und Haftung sind stets miteinander verbunden. Auch wenn beim Personenunternehmen zwei Rechtssubjekte vorhanden sind, besteht ein wirtschaftlicher Gleichlauf von Gesellschaft und Gesellschafter. Der Einzelunternehmer kann über den erzielten Gewinn jederzeit verfügen, auch der Gesellschafter einer Personengesellschaft besitzt hinsichtlich des auf ihn entfallenden Gewinns ein Entnahmerecht oder einen Auszahlungsanspruch (§ 721 BGB, §§ 122, 169 HGB). Macht der Gesellschafter hiervon keinen Gebrauch, wird dies vom Steuergesetzgeber als Einkommensverwendung betrachtet.597 Dies beruht auf der personellen Verknüpfung von Gesellschaft und Gesellschafter, die dem Gesellschafter den Zugriff auf den Gewinn eröffnet. Dementsprechend besteht auch in der personalistischen GmbH eine erhöhte Verfügbarkeit des Gewinns gegenüber einer Publikumsaktiengesellschaft. 598 Das wird auch durch die Wahrnehmung des Unterschieds von personenbezogener und „anonymer“ Kapitalgesellschaft verdeut596 Begründung zum KStG 1920, Verhandlungen der Nationalversammlung, Band 341, S. 15: „Außerdem ist [ . . . ] darauf hinzuweisen, dass die Erwerbsgesellschaften, wie gerade das Beispiel großer Gesellschaften in neuerer Zeit immer klarer dartut, immer mehr darüber hinauswachsen, eine bloße Hilfsform in der Wirtschaftstätigkeit der natürlichen Personen zu sein, dass sie [ . . . ] zum Teil sich im Gegensatze zu den an ihnen beteiligten natürlichen Personen stellen. Diese Wirtschaftsemanzipation von den Zwecken der Einzelpersonen ist eine weitere Grundlage für eine selbständige Besteuerung.“ 597 Demgegenüber sieht Hüttemann, DStJG 23 (2000), 127, 142, die einkommensteuerliche Zurechnung des nicht entnommenen Gewinns der Personengesellschaft zu ihren Gesellschaftern nicht in der Verfügbarkeit des Gewinns, sondern allein im Gedanken einer wettbewerbsneutralen Besteuerung der Personengesellschaft im Vergleich zur Körperschaft und zum Einzelunternehmen begründet. Zivilrechtlich sei der nicht ausgeschüttete Gewinn einer Gesamthandsgesellschaft ebensowenig der Gewinn der Gesellschafter wie auch der Gewinn einer Aktiengesellschaft nicht der Gewinn der Aktionäre ist. Das ist schon deshalb nicht haltbar, weil sich juristische Person und Gesamthand ungeachtet der sich vollziehenden Annäherung rechtsdogmatisch grundlegend unterscheiden, vgl. nur Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 89 ff. 598 Seer, StbJb. 2000 / 2001, 15, 22.
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licht: Die einkünfteerzielende Betätigung durch Einsatz des Betriebsvermögens lässt sich bei der personenbezogenen Kapitalgesellschaft nicht von der Person des Unternehmers trennen. Im Gegensatz dazu wird die wirtschaftliche Tätigkeit einer großen Aktiengesellschaft als etwas schon im Ansatz von den Aktionären Verschiedenes wahrgenommen.
c) Schlussfolgerung Die steuerliche Leistungsfähigkeit des Anteilseigners in einer Kapitalgesellschaft ist davon abhängig, wie stark bei der einkünfteerzielenden Tätigkeit unternehmerische Merkmale in den Vordergrund treten. Während der Typus des Kapitalanlegers durch eine Verschiedenheit von Gesellschaft und Gesellschafter gekennzeichnet ist, ist die wirtschaftliche Identität prägend für die Stellung als Unternehmer. Personenunternehmen zeichnen sich durch starke wirtschaftliche Identität zwischen Gesellschaft und Gesellschafter aus, an die durch entsprechende Ausgestaltung auch bei Kapitalgesellschaften eine weitgehende Annäherung möglich ist. Dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht in diesen Fällen eine einheitliche Erfassung der steuerlichen Leistungsfähigkeit. Je stärker in einer Kapitalgesellschaft die Identität zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern ist, umso weniger entspricht die Stellung der Gesellschafter dem Typus des Kapitalanlegers, der für das Nebeneinander von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung konstituierend ist. Dementsprechend kann der kapitalistisch beteiligte Anteilseigner mit nur peripherem Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen wirtschaftlich als Steuerpflichtiger mit eigenem Einkommen betrachtet werden. Dessen steuerliche Leistungsfähigkeit wird neben den Gewinnausschüttungen durch Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften über die Anteile bestimmt, die nur unter bestimmten Voraussetzungen die einkommensteuerliche Sphäre des Anteilseigners berühren. Die Lage des Unternehmens wirkt dabei mittelbar durch Beeinflussung des Aktienkurses auf die wirtschaftliche Stellung des Anteilseigners ein. Der Wert der Anteile verändert sich aber nicht selten auch durch außerhalb des Unternehmens liegende Einflüsse.599 Auch durch bloße Spekulationen über die zukünftige Geschäftsentwicklung oder ähnlich unsichere und teilweise irrationale Kriterien wird der Aktienkurs beeinflusst, gelegentlich auch – für den Kleinanleger nicht steuerbar – gezielt manipuliert. Für den personalistischen Gesellschafter gilt dies nicht in gleicher Weise. Er wird aufgrund seiner Machtstellung mit der Gesellschaft assoziiert. Der bei ihm aus der Beteiligung resultierende Vorteil besteht im Gewinn und beruht ganz entscheidend auf seiner Tätigkeit in der Gesellschaft. Spekulative Veräußerungsgeschäfte über die Anteile sind dagegen unwesentlich. Aufgrund der wirtschaftli599
Lang, DStJG 24 (2001), 49, 98.
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chen Identität ist das Schicksal der Gesellschaft maßgeblich von Personen im Kreis der Anteilseigner abhängig. Diese enge Verbundenheit spricht dafür, die einkünfteerzielende Tätigkeit von Gesellschaft und Anteilseigner als Einheit zu betrachten.
4. Die Besteuerung von Körperschaftsgewinnen als Zurechnungsfrage Weil die Tätigkeit als Unternehmer wirtschaftlich nicht identisch mit der Kapitalanlage ist, werden die Einkünfte des Einzel- oder Mitunternehmers einer anderen Einkunftsart zugeordnet als die Einkünfte des Kapitalanlegers. Im Personenunternehmen lassen sich die unternehmerisch erzielten Gewinne dem Unternehmer persönlich zurechnen, während der Kapitalanleger Vorteile von einer verselbständigten Unternehmenskorporation bezieht.600 Die Zurechnung unternehmerischer Gewinne ist mit der Identität von Gesellschaft und Anteilseigner eng verbunden. Bei der Zurechnung geht es um die Frage, wer für die Zwecke des Steuerrechts als Inhaber einer Einkunftsquelle anzusehen ist. Grundannahme des klassischen Systems der Besteuerung von Körperschaftsgewinnen ist die Existenz zweier verschiedener Einkommen. Das von der Gesellschaft durch ihre gewerbliche Tätigkeit erworbene Einkommen ist Besteuerungsgegenstand der Körperschaftsteuer; die vom Gesellschafter vereinnahmten Dividenden unterliegen als Gegenleistung für die Kapitalüberlassung der Einkommensbesteuerung.601 Das setzt voraus, dass der Tatbestand der unternehmerischen Einkünfteerzielung allein der Kapitalgesellschaft zugerechnet wird. Das Phänomen der Zurechnung ist im Bereich des Unternehmenssteuerrechts charakteristisch für die steuerliche Behandlung der Personengesellschaft.602 Durch den Begriff des Mitunternehmers wird bei Gesamthandsgesellschaften eine unmittelbare Zuordnung von Gewinn oder Verlust zur Person des Gesellschafters vorgenommen. Dies liegt in der ambivalenten Stellung begründet, die die Personengesellschaft einnimmt. Die Zuordnung des Gesellschaftsvermögens bewegt sich im Spannungsfeld zwischen eigener Rechtszuständigkeit der Gesellschaft und anteiligem Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Die Fortschritte bei der Überwindung der dialektischen Betrachtung von Einheit der Gesellschaft und Vielheit der Gesellschafter haben dazu beigetragen, die Gesellschafter einer Personengesellschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Träger des Gesellschaftsvermögens anzusehen, ohne dass aber dem einzelnen Gesellschafter Gegenstände des Gesellschaftsvermögens anteilig zugeordnet werden können.603 Die so entstandene 600 601 602 603
Walz, Gutachten für den 53. Deutschen Juristentag (1980), S. F 87. Birk, 14. Österreichischer Juristentag (2000), Band III / 2, S. 126 (Diskussionsbeitrag). Schön, StuW 1988, 253. Dazu Flume, Die Personengesellschaft, S. 68 ff.
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Vermehrung der Rechtszuständigkeit für das Gesellschaftsvermögen hat auch die Frage nach der steuerlichen Behandlung des Gesellschaftsgewinns aufgeworfen. Demgegenüber entsteht bei der Körperschaft mit deren rechtlicher Existenz eine von den Gesellschaftern getrennte Organisation. Der für den Einzel- oder Mitunternehmer im Steuerrecht entwickelte Zurechnungsmaßstab passt damit nicht für den Anteilseigner großer, körperschaftlicher Unternehmen.604 Trotz der formalrechtlichen Trennung können aber auch bei Vorhandensein einer äußerlich körperschaftlichen Struktur Gesellschaft und Gesellschafter so eng miteinander verbunden sein, dass die wirtschaftliche Wirkung der eines Personenunternehmens sehr nahe kommt.
a) Der Begriff der Zurechnung aa) Funktion der Zurechnung im Steuerrecht Das Merkmal der Zurechnung ist in allen Rechtsgebieten anzutreffen. Es dient im Recht der Verknüpfung von Handlung und Erfolg. Regelmäßig ist die Feststellung, dass eine Person eine Ursache für das Bestehen eines Zustandes gesetzt hat, nicht ausreichend. Nur wer durch sein Handeln auch in rechtserheblicher Weise zur Schaffung der tatbestandsmäßigen Sachlage beigetragen hat, muss sich den Rechtsfolgen, die an deren Eintritt geknüpft sind, unterwerfen. Durch Zurechnungskriterien werden aus der unendlichen Vielzahl möglicher Ursachen diejenigen Kausalverläufe herausgefiltert, die es erlauben, einen tatbestandlichen Erfolg als „das Werk“ der handelnden Person zu betrachten.605 Die Zurechnungslehre ist im Strafrecht am weitesten entwickelt; ihre Grundgedanken können trotz im einzelnen bestehender Unterschiede auch auf andere Rechtsgebiete übertragen werden, in denen ein Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg zu beurteilen ist. Im Steuerrecht dient die Zurechnung der Verknüpfung von Steuerobjekt und Steuersubjekt. Mit den Zurechnungsmerkmalen wird die Person bestimmt, die durch Tatbestandsverwirklichung steuerpflichtig geworden ist (vgl. § 38 AO). Dieses Steuerschuldverhältnis bildet die Grundlage des staatlichen Steueranspruchs. Dabei lässt sich der Vorgang der Einkünfteerzielung entsprechend § 24 Nr. 2 EStG in Erwerbstatbestand und Erwerbserfolg aufgliedern.606 Erst die Zurechnung macht es möglich, den im Steuergesetz beschriebenen wirtschaftlichen Sachverhalt einer identifizierbaren Person zuzuordnen. Walz, Gutachten für den 53. Deutschen Juristentag (1980), S. F 68. Wessels / Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 176 ff. Vergleichend zur Zurechnungslehre in den einzelnen Rechtsgebieten Rönnau / Faust / Fehling, JuS 2004, 113. 606 Mössner, Festschrift f. Kruse, S. 161, 174 f.; Kirchhof in: ders., EStG-Kompaktkommentar, § 2 Rn. 2 ff.; ders., DStJG 24 (2001), 9, 24 unterscheidet in einem dreistufigen Modell die tatsächliche und rechtliche Grundlage der Einkünfteerzielung (Zustandstatbestand), den Einsatz der Erwerbsgrundlage zur Vermögensmehrung (Handlungstatbestand) und die 604 605
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bb) Die Zurechnungslehre nach Ruppe Ausdrücklich erwähnt wird das Merkmal der Zurechnung nur eher versteckt innerhalb der Vorschriften über die körperschaftsteuerliche Organschaft. § 14 Abs. 1 S. 1 KStG enthält die Voraussetzungen, unter denen eine Zurechnung des Ergebnisses an einen Organträger erfolgen kann. Das Einkommensteuergesetz verwendet den Begriff der Zurechnung nicht ausdrücklich. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 EStG sind die Einkünfte der Person zuzurechnen, die sie „erzielt“. Das ist die Person, die den Tatbestand verwirklicht, an den das Steuerrecht die Entstehung der Steuer knüpft.607 Auch in § 3 Abs. 1 KStG ist der Begriff der Zurechnung sinngemäß enthalten. Danach wird das Einkommen nichtrechtsfähiger Personenvereinigungen und Zweckvermögen der Körperschaftsteuer nur unterworfen, wenn es nicht anderen Personen steuerlich zugerechnet werden kann. Die Verwirklichung eines nach § 2 Abs. 1 EStG steuerbaren Tatbestands erfordert die steuernde Einflussnahme einer natürlichen Person. Primärer Anlass für eine verstärkte Beschäftigung mit der Zurechnung im Einkommensteuerrecht war die Verlagerung von Einkünften zwischen Eltern und Kindern. Schon hier wurde – wenngleich noch sehr zurückhaltend – vorgetragen, entscheidend sei „wohl“ wer die geschuldete Leistung erbringe.608 Das Verdienst von Ruppe ist es, den abstrakten Rechtsbegriff der Zurechnung für das Steuerrecht mit Leben gefüllt zu haben. Nach Ruppe sind Einkünfte demjenigen zuzurechnen, der die Möglichkeit hat, Marktchancen zu nutzen und Leistungen zu variieren oder zu verweigern, indem er seine Tätigkeit einstellt, Kapital zurückzieht oder Mietverhältnisse kündigt.609 Als Ansatzpunkt für die persönliche Zurechnung von Einkünften kann damit die tatsächliche Beherrschung des Vorgangs der Leistungserstellung begriffen werden.610 Auch die Rechtsprechung erkennt an, dass es für die Verwirklichung einer Einkunftsart entscheidend ist, wer den Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt.611 Die Zurechnung ist neben den Tatbestandsmerkmalen der Steuernorm Teil des objektiven Steuertatbestandes, der durch subjektive Merkmale, namentlich die Einkünfteerzielungsabsicht vervollständigt wird. Die Zurechnung spielt dort keine Rolle, wo sich die Verwirklichung des Tatbestands der Einkünfteerzielung ohne weiteres einer Person zuordnen lässt. Wenn Verwirklichung des Erfolgs (Erfolgstatbestand). Ein Unterschied in der Sache ist damit nicht verbunden. 607 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 9 Rn. 150; Seeger in: Schmidt, EStG, § 2 Rn. 18; Tipke, StuW 1977, 293, 298. 608 Schmidt, StbJb. 1975 / 76, 149, 164. 609 Ruppe, DStJG 1 (1978), 7, 18. 610 Raupach / Schencking in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 2 Rn. 101. Zustimmend Biergans / Stockinger, FR 1982, 25, 31; Jakob, Steuern vom Einkommen I, S. 103 ff. 611 BFH, Beschl. v. 29. 11. 1982 – GrS 1 / 81, BStBl. II 1983, 272, 274, der damit die frühere Senatsrechtsprechung sanktioniert hat. Vgl. die Nachweise zu den Senatsurteilen bei Raupach / Schencking in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 2 Rn. 101.
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die Art der Einkünfteerzielung personenbezogen und deshalb nicht austauschbar ist, kann kein Zweifel über die Person desjenigen aufkommen, dem die Einkünfte rechtlich zuzuordnen sind. So ist Zurechnungssubjekt der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wer seine Arbeitskraft im Rahmen einer abhängigen Stellung zur Verfügung stellt. Der Tatbestand der Einkünfteerzielung wird durch die Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestimmt.612 Die Höchstpersönlichkeit der Dienstleistung ist prägendes Merkmal eines Arbeitsverhältnisses (vgl. § 613 BGB); die Beschäftigung eigener Arbeitskräfte spricht regelmäßig für die Selbständigkeit.613 Auch für Einkünfte aus selbständiger Arbeit ist die persönliche Arbeitsleistung des Berufsträgers charakteristisch und erforderlich.614 Dies kommt für die freiberufliche Tätigkeit in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG zum Ausdruck; für sonstige selbständige Arbeit soll die von der Rechtsprechung entwickelte „Vervielfältigungstheorie“ die Personenbezogenheit der Dienstleistung sicherstellen.615 Die Erzielung von gewerblichen Einkünften (§ 15 Abs. 1 EStG) erfordert nicht im gleichen Maße wie der unselbständige oder freiberufliche Einkommenserwerb eine persönliche Arbeitsleistung; der Gewerbetreibende darf sich auch in größerem Umfang von anderen helfen lassen. Gleichwohl sind auch beim Gewerbebetrieb stets eine oder mehrere das unternehmerische Geschehen beherrschende Zentralpersonen vorhanden. Bei Einkünften, die durch Überlassung von Vermögenswerten zur Nutzung erzielt werden, tritt demgegenüber der personale Bezug der Einkünfteerzielung zurück. Der Beitrag der eigenen Arbeitsleistung zu den Einkünften ist in diesen Fällen nur in ganz geringem Umfang oder überhaupt nicht vorhanden. Hier ermöglichen Zurechnungskriterien eine Zuordnung der Einkünfte zu einer individualisierbaren Person.616 Das Merkmal der Zurechnung berührt damit zugleich den Grenzbereich zwischen Einkünfteerzielung durch persönliche Arbeitsleistung und durch Einsatz eigenen Vermögens, der sich auch in der Unterscheidung von Unternehmer und Kapitalgeber widerspiegelt. b) Die Bedeutung der Zurechnungslehre für die Besteuerung des Anteilseigners Bei der Zurechnung handelt es sich zunächst um einen Rechtsbegriff. Einkünfte i. S. d. § 20 EStG werden demjenigen zugerechnet, der im eigenen Namen und für Drenseck in: Schmidt, EStG, § 19 Rn. 2. BAG, Urt. v. 15. 12. 1999 – 5 AZR 770 / 98, AP Nr. 6 zu § 92 HGB; Drenseck in: Schmidt, EStG, § 19 Rn. 8. 614 BFH, Urt. v. 21. 03. 1995 – XI R 85 / 93, BStBl. II 1995, 732, 734 m. w. N.; Wacker in: Schmidt, EStG, § 18 Rn. 5. 615 BFH, Urt. v. 07. 11. 1957 – IV 668 / 55 U, BStBl. III 1958, 34, 38; BFH, Urt. v. 25. 11. 1970 – I R 123 / 69, BStBl. II 1971, 239, 240; BFH, Urt. v. 11. 08. 1994 – IV R 126 / 91, BStBl. II 1994, 936, 937; BFH, Urt. v. 12. 12. 2001 – XI R 56 / 00, BStBl. II 2002, 202, 205. 616 Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 9 Rn. 152 f. 612 613
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eigene Rechnung Kapital zur Nutzung überlässt;617 Besteuerungsgegenstand der Kapitaleinkünfte ist dabei das der Kapitalüberlassung zugrunde liegende Rechtsverhältnis.618 Die Frage, wer die einkünfterelevante Erwerbsbetätigung ausübt, indem er Vermögen zur Nutzung überlässt, ist untrennbar mit der zivilrechtlichen Dispositionsbefugnis verknüpft.619 Der Vorgang der Zurechnung enthält jedoch stets auch ein faktisches Element. Zugerechnet werden nicht das Ergebnis der Anwendung eines Rechtssatzes, sondern tatsächliche Vorgänge und Umstände, die Tatbestandsmerkmal einer Norm sind und so eine bestimmte Rechtsfolge auslösen. Dadurch gewinnt die Zurechnung auch Bedeutung für wirtschaftliche Vorgänge, die die Grundlage einer Rechtsnorm bilden. Schwochert gelangt zum Ergebnis, dass sich das Institut der Mitunternehmerschaft auf personenbezogene Kapitalgesellschaften übertragen lasse, ohne die steuerliche Existenz der Kapitalgesellschaft zu bestreiten. Weil die Hauptmerkmale der Mitunternehmerschaft – Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko – bei entsprechender Personenbezogenheit einer Kapitalgesellschaft auch von deren Gesellschafter verwirklicht werden können, sei eine Zurechnung thesaurierter Gewinne und Verluste nach den Grundsätzen der Mitunternehmerschaft de lege lata denkbar.620 Im Ergebnis soll damit erreicht werden, dass die personenbezogene Kapitalgesellschaft ertragsteuerlich nicht anders behandelt wird als die Mitunternehmerschaft. Diese These lässt sich unter Hinweis darauf angreifen, dass es die juristische Person selbst sei, die durch ihre Organe das Unternehmen betreibe und die gewerblichen Einkünfte unmittelbar erwirtschafte.621 Sie führt im Ergebnis dazu, dass Gewinne einer Kapitalgesellschaft bei einem Anteilseigner der Besteuerung unterworfen werden können, auch wenn noch keine Ausschüttung erfolgt ist. Die bloße Möglichkeit, eine Ausschüttung und damit einen Zufluss herbeizuführen, kann diesen jedoch nicht ersetzen. Im Rahmen der Überschusseinkunftsarten werden nur tatsächlich erfolgte Vermögensbewegungen in die Besteuerung einbezogen. 617 BFH, Beschl. v. 29. 11. 1982 – GrS 1 / 81, BStBl. II 1983, 272, 274; BFH, Urt. v. 09. 02. 1982 – VIII R 160 / 81, BStBl. II 1982, 540, 541; BFH, Urt. v. 18. 12. 1986 – I R 52 / 83, BStBl. II 1988, 521, 524; BFH, Urt. v. 31. 10. 1989 – VIII R 71 / 99, BStBl. II 1990, 532, 533; BFH, Urt. v. 24. 04. 1990 – VIII R 170 / 83, BStBl. II 1990, 539, 541 jeweils m. w. N.; Crezelius in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 8 Rn. A 12; Stuhrmann in: Blümich, EStG, § 20 Rn. 27. 618 BFH, Urt. v. 16. 12. 1992 – I R 32 / 92, BStBl. II 1993, 399, 400; BFH, Urt. v. 29. 03. 2001 – IV R 71 / 99, BFH / NV 2001, 1251, 1252; Heinicke in: Schmidt, EStG, § 20 Rn. 13; Wassermeyer in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 20 Rn. B 31 ff. 619 BFH, Beschl. v. 29. 11. 1982 – GrS 1 / 81, BStBl. II 1983, 272, 274; BFH, Urt. v. 09. 03. 1982 – VIII R 160 / 81, BStBl. II 1982, 540, 541; BFH, Urt. v. 18. 12. 1986 – I R 52 / 83, BStBl. II 1988, 521, 524; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 9 Rn. 153. 620 Schwochert, GmbHR 1987, 311, 317. 621 Wendt, Festschrift f. Friauf, S. 859, 869. Kritisch auch Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 249 Fn. 45 mit dem Argument, auch bei einer Einmann-GmbH läge bei wirtschaftlicher Betrachtung eigenes Vermögen der Gesellschaft vor, über das der Alleingesellschafter nicht ohne weiteres verfügen könne.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
Eine unmittelbare Zurechnung thesaurierter Kapitalgesellschaftsgewinne an die Anteilseigner würde darüber hinaus faktisch die Einführung der Teilhaberbesteuerung für einen bestimmten Kreis von Kapitalgesellschaften bedeuten. Das Modell der Teilhabersteuer ist jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen für die Besteuerung von Kapitalgesellschaftsgewinnen ungeeignet.622 Die Kapitalgesellschaft ist Steuerrechtssubjekt, weil sie vom wirtschaftlichen Vorgang der Gewinnerzielung immer mit eingeschlossen wird. Das gilt auch dort, wo ein Gesellschafter kraft seiner beherrschenden Stellung die einkünfteerzielende Betätigung der Kapitalgesellschaft beeinflusst. Auch in diesem Fall verliert die Kapitalgesellschaft nicht ihre Eigenschaft, rechtlich eigenständig verfasste Körperschaft und Steuerrechtssubjekt zu sein. Eine Zurechnung zum Anteilseigner im Sinne einer andere Steuerrechtssubjekte ausschließenden Zuordnung einer Einkunftsquelle kann im Verhältnis zur Kapitalgesellschaft damit nicht erfolgen. Dennoch sind steuerliche Zurechnungskriterien im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung und die Überlegungen von Schwochert zielführend. Die Zurechnung ist Ausdruck des Näheverhältnisses eines Steuersubjekts zu einer Einkunftsquelle. Die Fälle, in denen die Zurechnung von Einkunftsquellen Schwierigkeiten aufwirft, zeichnen sich dadurch aus, dass mehrere als Steuerpflichtige in Betracht kommende Personen ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Näheverhältnis zur Einkunftsquelle aufweisen. Werden im Rahmen der Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne Zurechnungskriterien herangezogen, ist darin die richtige Erkenntnis enthalten, dass eine Gleichbehandlung aller Inhaber von Kapitalgesellschaftsanteilen entsprechend dem gesetzgeberischen Idealbild der Publikumsgesellschaft den wirtschaftlichen Gehalt der einkünfteerzielenden Betätigung dort nicht zutreffend wiedergibt, wo das Näheverhältnis des Anteilseigners zur Gesellschaft von dieser Idealvorstellung abweicht. Mit den zur Zurechnung von Steuerquellen entwickelten Kriterien lässt sich jenseits der rechtlichen Verselbständigung der juristischen Person der Grad des Näheverhältnisses zwischen Gesellschaft und Gesellschafter beurteilen. Dessen Intensität gibt Auskunft über die wirtschaftliche Stellung, die der Gesellschafter in der Gesellschaft einnimmt und die die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters beeinflusst. So unterscheidet auch Pezzer zwischen der formalrechtlichen und der wirtschaftlichen Zurechnung. Gegenstand des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts sei es, den Erfolg aus der Nutzung einer Erwerbsgrundlage zu erfassen, der sich in einem Zuwachs an individueller Leistungsfähigkeit niederschlage. In einer vom Anteilseigner umfassend beherrschten Einmann-GmbH resultiere dieser Erfolg aus der Erwerbstätigkeit des Alleingesellschafters. Auch wenn sich der Vermögenszuwachs rechtlich in der Sphäre der juristischen Person niederschlage, sei dieser aufgrund der umfassenden Einflussmöglichkeiten wirtschaftlich dem Gesellschafter zuzurechnen, so dass es gerechtfertigt sei, den Alleingesellschafter der GmbH einem Einzelunternehmer gleichzustellen. 623 622
s. o. § 7 II. 3. a).
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c) Der Zurechnungsbegriff als Zäsur zwischen Einkommenserzielung und Einkommensverwendung Der Begriff der Zurechnung ist in erster Linie im Zusammenhang mit der Verlagerung von Einkunftsquellen entwickelt worden. Die Zurechnung einer Einkunftsquelle stößt oft auf Schwierigkeiten, wenn – wie in Dreipersonenverhältnissen – die Person, die den Steuertatbestand erfüllt, nicht mit der Person identisch ist, der die Einnahme letztlich zufließt. Hier ist einkommensteuersystematisch eine Abgrenzung von Einkommenserzielung und Einkommensverwendung vorzunehmen.624 Liegt im Verhältnis zwischen demjenigen, der einen Einkünfteerzielungstatbestand erfüllt und dem Empfänger der Einnahme eine Einkommensverwendung vor, so ist die Einnahme nur dem Leistenden, nicht dem Empfänger zuzurechnen.625 Der Grenzbereich zwischen Einkommenserzielung und Einkommensverwendung wird auch bei der Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft berührt. Ist der Gesellschafter wirtschaftlich Kapitalgeber, so wird die unternehmerische Tätigkeit nur von der Gesellschaft ausgeübt. Der Vorgang der Gewinnausschüttung kann dementsprechend bei der Gesellschaft nicht mehr dem Bereich der Einkommenserzielung zugeordnet werden. Die Einkommensverwendung durch die Gesellschaft und die Einkommenserzielung durch den Gesellschafter stellen dann zwei verschiedene Einkünfteerzielungstatbestände dar. Wird die Sphäre der Einkommenserzielung auf Gesellschaftsebene verlassen, ist bei der anschließenden Besteuerung des Anteilseigners die steuerliche Historie des ausgeschütteten Gewinns nicht mehr relevant. Insofern besteht kein Unterschied zur Besteuerung anderer Kapitalerträge, insbesondere von Zinsen: Auch hier ist es für den Kapitalanleger ohne Bedeutung, ob die Mittel, mit denen die Zinszahlungen bestritten werden, zuvor bereits anderweitig einer Ertragsbesteuerung unterlegen haben. Ist der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft hingegen nach seiner wirtschaftlichen Stellung ähnlich einem Mitunternehmer tätig und die Gesellschaft sein „Werkzeug“, liegt ein einheitlicher Vorgang der Einkünfteerzielung vor, so dass der Einkommenserwerb auf der Ebene der Gesellschafter insgesamt noch dem Vorgang der Einkünfteerzielung angehört. Die Orientierung der steuerlichen Belastungsentscheidung an Zurechnungskriterien spricht daher dafür, in der personenbezogenen Kapitalgesellschaft die zivilrechtliche Trennung zwischen Gesellschaft und Anteilseigner aus steuerlicher Sicht als gelockert anzusehen. Die erheblichen Unterschiede zum Kapitalanleger Pezzer, DStJG 25 (2002), 37, 40 f. Crezelius in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 8 Rn. A 13. 625 Das entspricht allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, vgl. BFH, Urt. v. 03. 08. 1973 – VI R 82 / 70, BStBl. II 1973, 831, 832; BFH, Urt. v. 24. 06. 1976 – IV R 173 / 74, BStBl. II 1976, 643, 644; BFH, Urt. v. 23. 02. 1979 – VI R 74 / 76, BStBl. II 1979, 390, 392; Crezelius in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 8 Rn. A 13; Drenseck in: Schmidt, EStG, § 8 Rn. 7. 623 624
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
in einem Großunternehmen legen es nahe, den Anteilseigner trotz gleichartiger Rechtsform des Unternehmens, an dem er beteiligt ist, steuerlich nicht gleichzustellen.
5. Ergebnis Gesetzliche Ausgangsentscheidung bei der Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft ist die Trennung von Gesellschafts- und Gesellschafterebene. Der Anteilseigner wird als Kapitalgeber der Gesellschaft ohne unternehmerische Funktion betrachtet. Dieses Trennungsprinzip entspricht der zivilrechtlichen Selbständigkeit der juristischen Person und ist unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten dort zutreffend, wo – entsprechend dem gesetzgeberischen Idealtypus der Publikumsgesellschaft – durch Gesellschaft und Anteilseigner jeweils eigene Einkünfteerzielungstatbestände verwirklicht werden. Dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht dann eine Besteuerung, die die durch die Kapitalüberlassung vermittelte Leistungsfähigkeit beim Anteilseigner gesondert erfasst. Besteht bei der Kapitalgesellschaft dagegen eine besonders enge Verbindung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter im Sinne einer wirtschaftlichen Identität, verlässt der Gesellschafter seine Stellung als Kapitalgeber und nähert sich derjenigen eines Unternehmers an. Der Unternehmensgewinn kann dann wirtschaftlich nicht mehr allein als solcher der Gesellschaft betrachtet werden. In diesen Fällen einer unternehmerisch geprägten Einkünfteerzielung liegt eine einheitliche einkünfteerzielende Betätigung vor, so dass die rechtliche Trennung von Gesellschaft und Gesellschafter im Tatbestand der Einkünfteerzielung nicht mehr zutreffend abgebildet wird. Das Leistungsfähigkeitsprinzip erfordert dann eine einheitliche Betrachtung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner. Der Gesetzgeber hat zwar grundsätzlich die Maßgeblichkeit der Rechtsform vorgesehen, gleichzeitig aber immer wieder die Rechtsformabhängigkeit zugunsten einer Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände zurückgestellt. Die ursprüngliche Forderung nach vollumfänglicher Übernahme des Zivilrechts in das Steuerrecht ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung weitgehend relativiert worden. Die insbesondere vom Bundesfinanzhof betonte Rechtssicherheit hat an Bedeutung eingebüßt und kann nicht über die Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips gestellt werden. Auch in der Literatur wird erkannt, dass das gegenwärtige Verständnis der Unternehmensbesteuerung das Leistungsfähigkeitsprinzip nur suboptimal verwirklicht. Eine allein an der Rechtsform ausgerichtete Besteuerung kann in Fällen, die vom normativen Idealtypus abweichen, keine leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung gewährleisten. De lege ferenda hat der Gesetzgeber die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften bei einer Neukonzeption der Unternehmensbesteuerung zu berücksichtigen. Geht es wie hier um die Beurteilung des gegenwärtigen, auch durch die hälftige Abzugsbeschränkung geprägten Rechtszustandes, sind die ge-
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wonnenen Erkenntnisse der Auslegung und dem Verständnis der Norm zugrunde zu legen.
§ 15 Maßstäbe für die Besteuerung des Anteilseigners aus Freiheitsgrundrechten Neben dem Leistungsfähigkeitsprinzip sind auch die Freiheitsgrundrechte bei der Ausgestaltung der Besteuerung zu berücksichtigen. Für die Unternehmensbesteuerung betrifft dies die Eigentumsgarantie und die Berufsfreiheit, die den freiheitsgrundrechtlichen Maßstab für die Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft bilden.
I. Anrechnungspflicht durch Eigentumsgarantie? 1. Schutzbereich Art. 14 Abs. 1 GG schützt auch den Steuerpflichtigen. Vom Schutzbereich der Eigentumsgarantie lässt sich der staatliche Steuerzugriff nicht ausnehmen, weil er mit der Pflicht verbunden ist, konkrete Vermögensgegenstände zugunsten des Staates aufzugeben.626 Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Diese beinhaltet zwar keine Eigentümerbefugnisse an körperlichen Gegenständen, ist aber vom verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff ebenfalls umfasst. Der eigentumsrechtliche Schutz wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anteilseigner eines großen Unternehmens typischerweise kaum als „Unternehmer im Unternehmen“ tätig und so der personale Bezug dieser Eigentumsposition gemindert wird.627 Auch in der Publikumsaktiengesellschaft, wo Eigentum und Verfügungsmacht personell auseinanderfallen, verlieren die durch die Mitgliedschaft vermittelten Rechte des Anteilseigners nicht den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG.628 Von der Eigentumsfreiheit umfasst ist nicht nur das Innehaben eines Eigentumsobjekts, sondern auch dessen wirtschaftliche Verwertung. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG schützt neben der Herrschaftsbefugnis auch die Nutzung eines konkreten Vermögensgegenstandes. Dieses Recht des „Gebrauchmachens“ ist grundrechtsdogs. o. § 10 I. 1. Bryde in: von Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 22. 628 BVerfG, Urt. v. 07. 08. 1962 – 1 BvL 16 / 60, BVerfGE 14, 263, 276 f.; BVerfG, Urt. v. 07. 05. 1969 – 2 BvL 15 / 67, BVerfGE 25, 371, 407; BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979 – 1 BvR 532 / 77 u. a., BVerfGE 50, 290, 342 f.; Bryde in: von Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 22; Kimminich in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 14 Rn. 38; Papier in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 195; ders., VVDStRL 35 (1977), 55, 87 f. 626 627
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
matisch nicht anders zu beurteilen wie die Substanzerhaltung des Eigentumsobjekts.629 Hat sich die berufliche Tätigkeit in einem Gewerbebetrieb verselbständigt, stellt der Einsatz des Betriebs zur Ertragserzielung eine Eigentumsnutzung dar, so dass die Ertragsbesteuerung an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen ist.630 Dabei ist die Ertragserzielung durch den Anteilseigner mit Hilfe der Körperschaft von der Ertragserzielung durch die Körperschaft selbst zu unterscheiden.631 2. Eingriff a) Besteuerung des Anteilseigners Eigentumsrechtlich relevant ist zunächst die Besteuerung des Anteilseigners. Die vom Anteilseigner vereinnahmten Gewinnausschüttungen stehen als privatrechtliche Forderungsrechte unter dem Schutz der Eigentumsgarantie. Beschränkt oder entzieht der Staat diese Eigentumsposition durch die Besteuerung beim Anteilseigner, stellt dies einen unmittelbaren Eingriff in die Eigentumsfreiheit dar. Fraglich ist aber, ob sich auch die Besteuerung auf der Ebene der Körperschaft auf die eigentumsrechtliche Position des Anteilseigners auswirkt. Ob es sich um unmittelbare oder mittelbare Beschränkungen handelt, ist dabei ohne Bedeutung. Mit der Abkehr vom „klassischen“ Eingriffsbegriff in der grundrechtlichen Dogmatik war auch eine Abkehr von der Vorstellung verbunden, nur bei einer zielgerichtet gegen den Grundrechtsträger gerichteten hoheitlichen Maßnahme könne ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen vorliegen. Inzwischen ist allgemein anerkannt, dass jede staatliche Maßnahme mittelbar mit einem Grundrechtseingriff verbunden sein kann.
b) Beeinträchtigung der Nutzungsbefugnis durch Besteuerung der Gesellschaft? In der jüngeren steuerrechtswissenschaftlichen Literatur wird deshalb zuweilen gefordert, kraft Verfassungsrechts beim Anteilseigner die Gesamtbelastung aus Einkommensteuer und Körperschaftsteuer in den Blick zu nehmen, weil die endgültige Belastung unternehmerisch erzielter Gewinne mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer aufgrund der freiheitsgrundrechtlichen Fundierung der Ertrags629 Ossenbühl, Festschrift f. Leisner, S. 689, 690 f.; Papier in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 8; ders., AöR 98 (1973), 528, 533. 630 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 38 f. Eine Beeinträchtigung der Freiheit zur Eigentumsnutzung kommt regelmäßig nur dort in Betracht, wo geldwerte Aspekte dominieren und nicht lediglich die Freiheit privatautonomer Lebensgestaltung betroffen ist, vgl. Jarass in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 5, 30. Bei der Auferlegung hoheitlicher Geldleistungspflichten ist dies unzweifelhaft gegeben. 631 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 67.
§ 15 Maßstäbe für die Besteuerung des Anteilseigners
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erzielung eine gleichheitswidrige steuerliche Belastung darstelle. Eine Anrechnung gezahlter Körperschaftsteuer auf die Steuerschuld des Anteilseigners sei verfassungsrechtlich vorgegeben.632 Nur durch eine Anrechnung sei die doppelte Belastung der Einkünfteerzielung durch Nutzung der Unternehmensbeteiligung zu vermeiden.633 In der Konsequenz wäre der Gesetzgeber verfassungsrechtlich an das Anrechnungsverfahren gebunden und ihm die (Wieder-)Einführung eines klassischen Körperschaftsteuersystems untersagt. Abgestellt wird auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, der jedoch auf das freiheitsgrundrechtliche Fundament der Ertragserzielung durch die Gesellschaft zurückgeführt wird. Grundrechtsdogmatisch erfolge die Beteiligung des Anteilseigners an der Erzielung der körperschaftlichen Leistungsfähigkeit durch Nutzung des Anteilseigentums. Der durch diese Nutzung erwirtschaftete Gewinn sei durch die steuerliche Ertragsabschöpfung bei der Körperschaft vorbelastet.634 In die Freiheit des Anteilseigners zur Ertragserzielung werde sowohl durch die Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne bei der Körperschaft als auch durch die Besteuerung dieser Gewinne beim Anteilseigner eingegriffen,635 da beide Belastungen des ausgeschütteten Gewinns im Rahmen eines Belastungsvergleichs mit anderen Einkünften zu addieren seien.636
aa) Unmittelbarer Eingriff Grundlage dieser Argumentation ist eine aus der Eigentumsgarantie abgeleitete Zusammenschau von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer. Eine hieraus folgende Pflicht zur Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung beim Anteilseigner setzt jedoch voraus, dass die Besteuerung der Körperschaft mit ihren Erträgen tatsächlich einen unmittelbaren oder mittelbaren Eingriff in Grundrechtspositionen des Anteilseigners darstellt. Merkmal des unmittelbaren Grundrechtseingriffs ist die Beeinträchtigung des grundrechtlichen Gewährleistungsbereichs durch eine Regelung, die eine gezielte Belastung des Adressaten darstellt.637 Dies ist jedoch bei der Besteuerung der Kapitalgesellschaft in Bezug auf 632 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 67 und passim; dies., DStJG 23 (2000), 9, 21 ff.; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 91. Dass die Körperschaftsteuer unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens materiell den Charakter einer Quellensteuer auf die Kapitaleinkünfte des Anteilseigners hatte – so BFH, Urt. v. 02. 10. 1981 – III R 27 / 77, BStBl. II 1982, 8, 10; vgl. auch BFH, Beschl. v. 24. 02. 1999 – X R 171 / 96, BStBl. II 1999, 450, 462; Pezzer, DStJG 20 (1997), 5, 16 – ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Mit der Körperschaftsteuer wird eine eigene Steuerschuld der Gesellschaft, nicht eine fremde Steuerschuld des Anteilseigners beglichen. 633 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 71. 634 Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 22. 635 Jachmann, DStJG 23 (2000), 9, 21. 636 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 106; dies., DStJG 23 (2000), 9, 22; Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs, Rn. 490; ders. in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 91.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
deren Anteilseigner nicht der Fall. Die Kapitalgesellschaft stellt ein eigenes Steuerrechtssubjekt dar, das von den Anteilseignern zu unterscheiden ist. Gesellschaft und Gesellschafter sind durch das gesellschaftsrechtliche Band miteinander verbunden, agieren aber rechtlich voneinander getrennt. Mit der Steuerpflicht der Kapitalgesellschaft soll die von dieser selbst erwirtschaftete Leistungsfähigkeit zur Steuerzahlung herangezogen werden. Die Besteuerung des Gewinns bei der Kapitalgesellschaft stellt keinen unmittelbaren Eingriff in eine Eigentumsposition des Anteilseigners dar.
bb) Mittelbarer Eingriff Der Begriff des mittelbaren Eingriffs umfasst Wirkungen von Regelungen, die eine Grundrechtsbeeinträchtigung hervorrufen, weil der Adressat einer hoheitlichen Maßnahme infolgedessen einen Dritten belastet.638 Das die Grundrechtsausübung beeinträchtigende Verhalten beruht auf dessen Willensentschluss, der seinerseits durch ein staatliches Verhalten veranlasst worden ist. Die Erfassung des Kapitalgesellschaftsgewinns bei der Gesellschaft könnte daher ein mittelbarer Eingriff in die Eigentumsfreiheit des Anteilseigners sein. Einwirkungen mittelbarer Art stellen nicht in jedem Fall, sondern nur dann einen Grundrechtseingriff dar, wenn sie eine gewisse Eingriffsschwelle überschreiten. Maßgebend hierfür sind Finalität und Intensität der staatlichen Einwirkung auf den Dritten.639 Das Bundesverfassungsgericht hat im Mitbestimmungsurteil die Frage nach der grundrechtlichen Stellung des Anteilseigners bei staatlichen Maßnahmen aufgeworfen, die die Gesellschaft belasten. Die tatsächliche Situation war insofern vergleichbar, als Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft geltend gemacht haben, durch Inpflichtnahme der Gesellschaft in ihrem Eigentumsgrundrecht unzulässig beeinträchtigt zu werden. Dem ist vom Gericht der schwach ausgeprägte personale Bezug des Anteilsrechts entgegengehalten worden. Durch den Beteiligungserwerb sei der Eigentümer auf die Nutzung des Eigentums beschränkt, während ihm andere Verfügungsbefugnisse als Veräußerung und Belastung nur mittelbar über die Organe der Gesellschaft zustünden.640 Auf das Recht der Unternehmensbesteuerung übertragen folgt daraus, dass der Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft nicht geltend machen kann, durch die Belastung der Gesellschaft in seinem Eigentumsgrundrecht beeinträchtigt zu werden. Nur auf den ersten Blick nahe liegend erscheint demgegenüber ein Vergleich mit der indirekten Besteuerung, bei der Steuerschuldner und Steuerträger auseinanderfallen. Im Zusammenhang mit dem Grundsatz gleichmäßiger Lasten637 638 639 640
Jarass in: ders. / Pieroth, GG, Vorb. Rn. 25; Sachs, GG, Vorb. Art. 1 Rn. 80. Jarass in: ders. / Pieroth, GG, Vorb. Rn. 26. Jarass in: ders. / Pieroth, GG, Vorb. Rn. 27. BVerfG, Urt. v. 01. 03. 1979 – 1 BvR 532 / 77 u. a., BVerfGE 50, 290, 342.
§ 15 Maßstäbe für die Besteuerung des Anteilseigners
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zuteilung verlangt das Bundesverfassungsgericht, bei indirekten Steuern nicht nur den Steuerschuldner möglichst gleichmäßig zu belasten, sondern auch den Endverbraucher, der die indirekte Steuerlast tragen soll, in den Blick zu nehmen.641 Dies könnte bei vordergründiger Betrachtung dazu verleiten, die Besteuerung der Gesellschaft als mittelbaren Eingriff in die Eigentumsposition des Anteilseigners aufzufassen und eigentumsrechtlich eine Zusammenschau beider Steuerzugriffe vorzunehmen. Bei der Ertragsbesteuerung der Kapitalgesellschaft und ihrer Anteilseigner handelt es sich jedoch um eine direkte Besteuerung, bei der Steuerschuldner und Steuerträger identisch sind. Der Eingriff findet hier allein bei der Person statt, der die Steuer auferlegt worden ist. Konstituierendes Merkmal einer indirekten Besteuerung ist, dass die Steuerbelastung nicht bei demjenigen verbleiben soll, der gegenüber dem Staat für die Steuer aufzukommen hat. Die vollständige Überwälzung der Steuerbelastung auf den in der Anonymität des Marktes verbleibenden Steuerträger ist beabsichtigt und erwünscht. Die verfassungsrechtliche Forderung, bei einer indirekten Besteuerung auch die Grundrechtspositionen desjenigen zu berücksichtigen, der die Steuerlast letztendlich tragen soll, ist auf der Grundlage des modernen Eingriffsbegriffs zutreffend, auf die direkte Besteuerung indessen nicht übertragbar. Die Besteuerung der Gesellschaft lässt sich nicht als mittelbarer Eingriff in die Eigentumsposition des Anteilseigners auffassen. Ebensowenig wie die Eigentumsgarantie dem Anteilseigner einen Schutz vor Fremdbestimmung in den Organen gewährt, kann daraus die Unzulässigkeit einer Belastung der Gesellschaft mit hoheitlichen Geldleistungspflichten abgeleitet werden. cc) Zwischenergebnis Ein Eingriff in geschützte Eigentumspositionen des Anteilseigners liegt nur bei dessen eigener Besteuerung, nicht dagegen bei der Besteuerung der Gesellschaft vor. Eine Einbeziehung der Körperschaftsbesteuerung über den Umweg des Art. 14 Abs. 1 GG ist unzulässig, weil weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Anteilseigners vorliegt. Dementsprechend kann hieraus auch nicht die verfassungsrechtliche Pflicht zu einer Anrechnung der von der Körperschaft gezahlten Steuer auf die Steuerschuld des Anteilseigners abgeleitet werden. 3. Rechtfertigung Die Rechtfertigung eines Eingriffs in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit ist davon abhängig, ob es sich um den finalen Entzug einer konkreten Eigentumsposition oder die abstrakt-generelle Festlegung von Eigentumsschranken handelt. 641
BVerfG, Urt. v. 20. 04. 2004 – 1 BvR 1748 / 99 u. a., BVerfGE 110, 274, 292.
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3. Teil: Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne
Durch Steuern ist jede individuelle Eigentumsposition mit der Möglichkeit behaftet, dass sie zur Erfüllung hoheitlicher Geldleistungspflichten von ihrem Eigentümer aufgegeben wird. Steuergesetze stellen sich damit als Inhalts- und Schrankenbestimmungen dar, durch die jedes Eigentumsobjekt latent betroffen ist. Belastet eine Inhalts- und Schrankenbestimmung den Anteilseigner übermäßig, begründet dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Entschädigungspflicht, durch die die Inhalts- und Schrankenbestimmung auch in diesen Fällen gerechtfertigt wird.642 Ein solches Übermaß wird erst erreicht, wenn durch die Besteuerung des Anteilseigners die Privatnützigkeit des Eigentums aufgehoben wird.
II. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) 1. Schutzbereich Die Tätigkeit des personalistisch beteiligten Anteilseigners besteht nicht in der Eigentumsnutzung, sondern in der unternehmerischen Einkünfteerzielung. In diesem Fall rückt die Berufsfreiheit gegenüber der Eigentumsgarantie in den Vordergrund, so dass Eingriffe vorrangig an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sind. Der Schutzbereich der Berufsfreiheit umfasst sämtliche legalen bzw. sozialadäquaten643 Formen erwerbswirtschaftlicher Betätigung. Hierunter fällt neben der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis der selbständige gewerbliche oder freiberufliche Einkommenserwerb. Damit wird auch die unternehmerische Betätigung vom Schutzbereich der Berufsfreiheit umfasst.644 Die Berufsfreiheit schützt spezifisch den Vorgang des Einkommenserwerbs und unterscheidet sich dadurch von der Eigentumsgarantie. Die unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten vorzunehmende Unterscheidung zwischen der Stellung als Kapitalgeber oder Unternehmer bietet damit auch einen Anhaltspunkt für die Abgrenzung von Eigentumsgarantie und Berufsfreiheit. Die Bereitstellung von Unternehmenskapital gegen Entgelt stellt sich regelmäßig als Nutzung des Eigentums dar, mag der Anteilseigner aus seiner Sicht auch den Beruf des „Beteiligungsspekulanten“ ergriffen haben, während die unternehmerische Betätigung einen untrennbaren Bezug zur Berufsfreiheit s. o. § 10 I. 3. mit Fn. 311, 312. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass der Schutzbereich der Berufsfreiheit bei nicht verbotenen Betätigungen eröffnet ist, vgl. BVerfG, Urt. v. 11. 06. 1958 – 1 BvR 596 / 56, BVerfGE 7, 377, 397; BVerfG, Beschl. v. 14. 11. 1989 – 1 BvL 14 / 85 u. a., BVerfGE 81, 70, 85. Das Bundesverwaltungsgericht und wichtige Stimmen in der Literatur stellen auf die Sozialschädlichkeit der beruflichen Handlung ab, um damit die Ausgestaltung des Schutzbereichs nicht dem einfachen Gesetzgeber zu überlassen, vgl. BVerwG, Urt. v. 04. 11. 1965 – BVerwG I C 6.63, BVerwGE 22, 286, 289; Bachof in: Bettermann, Grundrechte III / 1, S. 155, 189 f.; Gubelt in: von Münch / Kunig, GG, Art. 12 Rn. 9; Scholz in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rn. 24. 644 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 39 f. 642 643
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aufweist. Der kapitalistisch beteiligte Anteilseigner nutzt daher vorrangig sein Eigentum, der personalistisch Beteiligte macht seine Tätigkeit im Unternehmen zum Beruf. Diese Zuordnung erleichtert die Ermittlung des vorwiegend relevanten Grundrechts, schließt aufgrund des engen Zusammenhangs von Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie aber nicht aus, dass im einzelnen Fall auch das jeweils andere Grundrecht Bedeutung erlangen kann.
2. Eingriff Ein Eingriff in die Berufsfreiheit liegt in jedem staatlichen Verhalten, durch das die Ausübung eines Berufs erschwert oder unmöglich gemacht wird und das objektiv und subjektiv eine berufsregelnde Tendenz aufweist. Auch die Auferlegung hoheitlicher Geldleistungspflichten stellt einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG dar und ist am Grundrecht der Berufsfreiheit zu messen.645 Durch die Pflicht zur Steuerzahlung wird die Berufsausübung erschwert, die Freiheit der Berufswahl jedoch regelmäßig nicht berührt. Etwas anderes gilt nur dort, wo im Gewand einer Steuernorm ein Berufsverbot durchgesetzt werden soll, die Steuernorm mithin erdrosselnde Wirkung hat. Dass der Gesetzgeber mit der Unternehmensbesteuerung die private Beteiligung an Kapitalgesellschaften verhindern will, ist jedoch derart fern liegend, dass die Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne beim Gesellschafter ohne weiteres als Berufsausübungsregelung qualifiziert werden kann.
3. Rechtfertigung Die Berufsfreiheit unterliegt nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG einem Gesetzesvorbehalt. Das Bundesverfassungsgericht hat je nach der Intensität des Eingriffs unterschiedliche Rechtfertigungsanforderungen aufgestellt und verschiedenen Stufen zugeordnet. Die Einteilung in verschiedene Stufen dient dazu, die der Rechtfertigung zugrunde liegende Verhältnismäßigkeitsprüfung leichter nachvollziehbar zu machen. Bei Regelungen, die lediglich die Berufsausübung betreffen, liegt die Intensität des Eingriffs besonders niedrig; dementsprechend können sie durch jede sachliche Erwägung gerechtfertigt werden. Eine solche sachliche Erwägung stellt die Notwendigkeit dar, dem Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben und zur Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips Einnahmen zur Verfügung zu stellen. Die steuerliche Belastung des Anteilseigners durch das Halbeinkünfteverfahren stellt deshalb keinen Verstoß gegen die Berufsfreiheit dar, solange nicht die unternehmerische Betätigung in der Form einer Kapitalgesellschaft wirtschaftlich sinnlos gemacht wird.
645
s. o. § 10 II. 2.
4. Teil
§ 3 c Abs. 2 EStG im System der Gesellschafterbesteuerung Nachdem die relevanten verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Besteuerung ermittelt und ihre Bedeutung für die Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne untersucht wurde, lässt sich nunmehr die Verfassungsmäßigkeit des Halbabzugsverfahrens beurteilen. Dabei ist nach einem Blick auf die Entstehungsgeschichte des § 3 c Abs. 2 EStG die Frage zu beantworten, ob die Norm den Anforderungen des Gleichheitssatzes, insbesondere des Leistungsfähigkeitsprinzips gerecht wird. Anschließend ist darauf einzugehen, ob sich die Besteuerungswirkungen der Abzugsbeschränkung auch mit den Schutzwirkungen der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie vereinbaren lassen.
§ 16 Die Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG I. Die noch junge Geschichte des § 3 c Abs. 2 EStG 1. Ursprüngliche Fassung des § 3 c Abs. 2 EStG Die Vorschrift des § 3 c Abs. 2 wurde im Zuge der Unternehmenssteuerreform durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. 10. 2000646 in das EStG aufgenommen. Durch das Halbeinkünfteverfahren ist eine hälftige Steuerbefreiung für Beteiligungserträge eingeführt worden; § 3 c Abs. 2 EStG regelt als Gegenstück zu § 3 Nr. 40 EStG ein hälftiges Abzugsverbot für Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben und Werbungskosten, die mit diesen steuerbegünstigten Einkünften zusammenhängen. Weil die Einnahmen aus Dividenden und der steuerpflichtigen Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen nur zur Hälfte zur Einkommensteuer herangezogen werden, sollen die entsprechenden Ausgaben auch nur zur Hälfte zum Abzug zugelassen werden. Dieser Regelungsgedanke kommt in Satz 1 der Vorschrift zum Ausdruck, der bislang unverändert geblieben ist. 646 Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG) v. 23. 10. 2000, BGBl. I 2000, 1433.
§ 16 Die Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG
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Die Bestimmung des Satzes 2, die sich heute als § 3 c Abs. 2 S. 3 EStG im Gesetz findet, steht im Zusammenhang mit der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf einbringungsgeborene Anteile. Die Missbrauchsvorschrift des § 3 Nr. 40 S. 3 und 4 EStG soll verhindern, dass für den Gewinn aus einer nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Beteiligungsveräußerung innerhalb von sieben Jahren nach der Umwandlung über den Umweg der steuerneutralen Einbringung und anschließenden Anteilsveräußerung doch eine hälftige Steuerbefreiung herbeigeführt wird. Die Abzugsbeschränkung gilt auch für den Anwendungsbereich dieser Missbrauchsvorschrift, um sicherzustellen, dass durch deren Anwendung keinesfalls ein Steuervorteil gegenüber ihrer Nichtanwendung entsteht.647 Satz 3 der Norm erstreckte das hälftige Abzugsverbot auch auf Betriebsvermögensminderungen innerhalb der ursprünglich vorgesehenen einjährigen Behaltefrist. Nach § 3 Nr. 40 S. 5 EStG in der Fassung des StSenkG galt die hälftige Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne von in einem Betriebsvermögen vorhandenen Anteilen nur, wenn diese zuvor mindestens ein Jahr gehalten worden waren. Mit dieser Behaltefrist sollte erreicht werden, dass das eigene Wertpapiergeschäft der Banken nicht hälftig steuerbefreit ist.648 Die Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG sollte aber auch bei Veräußerungen innerhalb dieser Frist gelten.
2. Wegfall der einjährigen Behaltefrist Die ursprüngliche Fassung der Norm währte indes nur kurz. Bereits vor Inkrafttreten des § 3 c Abs. 2 EStG wurde dessen Satz 3 durch das Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1999 vom 20. 12. 2000649 wieder aufgehoben. Diese Änderung wurde durch den Wegfall der ursprünglich vorgesehenen einjährigen Behaltefrist veranlasst. Da eine Behaltefrist – außer für einbringungsgeborene Anteile, für die aber bereits § 3 c Abs. 2 S. 2 EStG galt – nicht mehr existierte, bestand auch keine Notwendigkeit für eine entsprechende Regelung in § 3 c Abs. 2 EStG mehr. Die bisherige Fassung des § 3 c Abs. 2 EStG hätte dazu geführt, dass innerhalb der Behaltefrist die Einnahmen voll besteuert worden wären, während korrespondierende Ausgaben nur zur Hälfte hätten geltend gemacht werden können. Mit der Korrektur dieses Ergebnisses ist den insoweit in der Literatur geäußerten Bedenken Rechnung getragen worden.650 647 Desens, FR 2002, 247, 249. Vgl. auch Begründung zur Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, zitiert bei Schaumburg / Rödder, Unternehmenssteuerreform, S. 244. 648 von Beckerath in: Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, 1. Aufl., § 3 Rn. 140; Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 213 f. 649 BGBl. I 2000, 1850. 650 Vgl. von Beckerath in: Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, 1. Aufl., § 3 c Rn. 61; Hötzel in: Schaumburg / Rödder, Unternehmenssteuerreform, S. 251 f.; Rödder / Schumacher, ebd., S. 182.
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4. Teil: § 3 c Abs. 2 EStG im System der Gesellschafterbesteuerung
3. Erstreckung auf Organschaftsverhältnisse Die nächste Änderung erfuhr die Vorschrift genau ein Jahr später durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. 12. 2001.651 Durch das UntStFG wurde die bisher in Satz 2 enthaltene Bestimmung für die Abzugsbeschränkung bei einbringungsgeborenen Anteilen aufgehoben und an deren Stelle eine Regelung für Organschaftsverhältnisse eingefügt. Danach ist die Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG in einer Organschaft auch auf Wertminderungen anzuwenden, die nicht auf eine Gewinnausschüttung zurückzuführen sind. Anlass für die Einführung dieser Bestimmung waren Gestaltungsüberlegungen in der Literatur, durch die Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft den vollen Ausgabenabzug zu erhalten und stille Reserven ganz oder teilweise der Besteuerung zu entziehen.652
4. Neuregelung für einbringungsgeborene Anteile Nachdem das „Organschaftsmodell“ abgewendet worden war, stellte der Gesetzgeber fest, dass durch die Ersetzung des bisherigen Satzes 2 die ursprüngliche Regelung für die Abzugsbeschränkung bei einbringungsgeborenen Anteilen abhanden gekommen ist. Befürchtet wurde Unsicherheit darüber, ob damit eine Änderung des bisherigen Rechtszustandes für einbringungsgeborene Anteile beabsichtigt war. Nur gut ein halbes Jahr später wurde deshalb die nächste und bislang letzte Änderung des § 3 c Abs. 2 EStG vorgenommen653 und der Norm zwei Sätze angefügt, von denen einer ein „alter Bekannter“ ist: Der vom UntStFG aufgehobene Satz 2 hat nunmehr wieder in identischer Form als Satz 3 Eingang in das Gesetz gefunden. Ergänzend dazu trifft Satz 4 eine weitere Regelung für einbringungsgeborene Anteile. Die Neuregelung führt dazu, dass die Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG bei einbringungsgeborenen Anteilen, die nicht unter das Halbeinkünfteverfahren fallen, nur Ausgaben erfasst, die die Einnahmen übersteigen. Ist der Veräußerungserlös in voller Höhe zu versteuern, können die korrespondierenden Aufwendungen bis zur Höhe der Einnahmen in voller Höhe abgezogen werden. Soweit sie den Veräußerungserlös übersteigen, verbleibt es bei der hälftigen Ab651 Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz – UntStFG) v. 20. 12. 2001, BGBl I 2001, 3858. 652 Vgl. Bericht des Finanzausschusses zum UntStFG, BT-Drucks. 14 / 7344, S. 7; ferner von Beckerath in: Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, § 3 c Rn. 57; Nacke / Intemann, DB 2002, 756, 762; Trossen in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. J 01 - 2. Zur Funktionsweise des propagierten „Organschaftsmodells“ Trossen in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. J 01 - 3. 653 Fünftes Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen v. 23. 07. 2002, BGBl. I 2002, 2715.
§ 16 Die Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG
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zugsbeschränkung.654 Im Ergebnis führt diese Regelung zu einer Halbierung von Verlusten unabhängig davon, ob die korrespondierenden Einnahmen dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, und wird deshalb in der Literatur vereinzelt für verfassungswidrig gehalten.655 Obgleich dies in der Regelung nicht zum Ausdruck gekommen ist, erscheint es durchaus nahe liegend, dass es dem Gesetzgeber auch bei der Neufassung darum ging, mögliche Vorteile durch die Anwendung der Missbrauchsregelung gegenüber deren Nichtanwendung zu verhindern,656 und deshalb die ursprünglich gehegte Absicht, den Ausgabenabzug vollumfänglich zuzulassen, aufgegeben worden ist.
II. Anwendungsbereich des § 3 c Abs. 2 EStG 1. Natürliche Personen und Personengesellschaften Der Anwendungsbereich der hälftigen Abzugsbeschränkung lehnt sich an die Reichweite des Halbeinkünfteverfahrens an. Die Anwendung des § 3 c Abs. 2 EStG als Ausgabenabzugsbeschränkung ist eng mit der Regelung des korrespondierenden Einnahmetatbestands in § 3 Nr. 40 EStG verknüpft. Systematischer Grundtatbestand der hälftigen Steuerbefreiung ist § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. d EStG.657 Dieser stellt Bezüge zur Hälfte von der Einkommensteuer frei, die beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen. Auch für die Anwendung des § 3 c Abs. 2 EStG kommt es damit auf die Unterscheidung von Einkünften aus Kapitalvermögen und Einkünften aus Gewerbebetrieb an. Der Anwendungsbereich der hälftigen Abzugsbeschränkung umfasst nur Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und ist damit nur einschlägig, wenn es sich bei der Gewinnausschüttung originär um Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt. Eine Umqualifikation nach § 20 Abs. 3 EStG erst auf der Ebene des Anteilseigners ist nach § 3 Nr. 40 S. 2 EStG unschädlich, so dass es keine Rolle spielt, ob sich die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft im Privat- oder Betriebsvermögen des Anteilseigners befindet. Der Empfänger der Gewinnausschüttung muss aber Subjekt der Einkommensteuer sein. Im Körperschaftsteuerrecht ist in § 8 b KStG eine eigenständige, nicht mit dem Halbeinkünfteverfahren verbundene Regelung getrof654 Vgl. Loschelder in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. J 02 - 6 f.; Strahl, KÖSDI 2002, 13382, 13383. 655 So Loschelder in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. J 02 - 3; differenzierend Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 297 ff. Dagegen macht von Beckerath in: Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, § 3 c Rn. 59 f. keine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend, sondern verweist auf die allgemeine Problematik, wie Aufwendungen für einbringungsgeborene Anteile zu behandeln sind, bevor feststeht, ob diese innerhalb der Siebenjahresfrist veräußert werden. 656 Vgl. o. Fn. 647. Ebenso von Beckerath in: Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, § 3 c Rn. 59; Strahl, KÖSDI 2002, 13382, 13384. 657 Korn / Strahl, KÖSDI 2000, 12582, 12594.
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4. Teil: § 3 c Abs. 2 EStG im System der Gesellschafterbesteuerung
fen worden, so dass § 3 c Abs. 2 EStG für die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft keine Bedeutung erlangt.
2. Laufender Aufwand und Wertminderungen der Anteile Systematisch lassen sich beim Halbeinkünfteverfahren die hälftige Freistellung der laufenden Beteiligungserträge als Grundtatbestand und die hälftige Freistellung von Veräußerungsgewinnen als Erweiterungstatbestand unterscheiden. Die Veräußerungsgewinne unterliegen ebenfalls der hälftigen Besteuerung, weil sie wirtschaftlich einer Totalausschüttung gleichkommen.658 Die Abzugsbeschränkung umfasst Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten und Werbungskosten, die mit Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG in Zusammenhang stehen. Der Begriff der Betriebsvermögensminderung knüpft an die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG an, Betriebsausgaben und Werbungskosten sind im gleichen Sinne wie in §§ 4 Abs. 4, 9 Abs. 1 S. 1 EStG zu verstehen. Der in § 3 c Abs. 2 EStG umschriebene Ausgabenbegriff unterscheidet sich damit sachlich nicht von § 3 c Abs. 1 EStG. Ausgaben in diesem Sinne sind Aufwendungen, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar wären, wenn ihren nicht das Abzugsverbot entgegenstünde. Dies umfasst jeglichen Einkünfte mindernden Aufwand einschließlich vorweggenommener Betriebsausgaben oder Werbungskosten.659 Dementsprechend enthält § 3 c Abs. 2 S. 1 EStG in seinem ersten Halbsatz eine Regelung für Aufwendungen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit laufenden Beteiligungserträgen oder der Veräußerung stehen. Mit dem zweiten Halbsatz sollen erweiternd Tatbestände erfasst werden, in denen Wertminderungen der Anteile als Aufwendungen geltend gemacht werden. Letzteres ist etwa bei Teilwertabschreibungen der Fall, die auf die zuvor erworbenen Anteile vorgenommen werden, weil dadurch ein Teil des Anschaffungspreises aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden wird. Der erste Halbsatz des § 3 c Abs. 2 S. 1 EStG erfasst damit neben den Anteilen stehende Ausgaben, der zweite Halbsatz Aufwand, mit dem der Wert der Beteiligung als solcher mindernd angesetzt werden soll. Diese Unterscheidung spiegelt die Tatsache wider, dass Wertveränderungen am Vermögensstamm bei Kapitalgesellschaftsbeteiligungen, die in einem Betriebsvermögen gehalten werden, stets steuerverhaftet sind, während diese bei Anteilen im Privatvermögen grundsätzlich außer Betracht bleiben. Die Erweiterungsnorm des zweiten Halbsatzes betrifft neben Teilwertabschreibungen die Fälle des § 16 Abs. 2 EStG, soweit in dem veräußerten Betriebsvermögen Kapitalgesellschaftsanteile enthalten sind, sowie der §§ 17 Abs. 2, 17 Abs. 4 und 23 Abs. 3 EStG, in Korn / Strahl, KÖSDI 2000, 12582, 12594. BFH, Urt. v. 28. 04. 1983 – IV R 122 / 79, BStBl. II 1983, 566, 569; Herrmann in: Frotscher, EStG, § 3 c Rn. 14. 658 659
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denen auch bei privaten Veräußerungen das Stammvermögen ausnahmsweise steuerverhaftet ist.
3. Einbringungsgeborene Anteile Eine Sonderstellung nehmen einbringungsgeborene Kapitalgesellschaftsanteile ein. Einbringungsgeborene Anteile entstehen durch die Umwandlung eines Personenunternehmens in eine Kapitalgesellschaft. § 21 UmwStG bietet in diesem Fall die Möglichkeit, das bisherige Unternehmen im Tausch gegen Anteile in die neue Gesellschaft einzubringen, ohne die im Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven aufzudecken. Sie bilden neben §§ 17, 23 EStG den dritten Tatbestand, bei dem auch bei Überschusseinkünften Wertveränderungen am Vermögensstamm steuerlich erfasst werden. Würde ein Gewinn aus der anschließenden Veräußerung dieser Anteile dem Halbeinkünfteverfahren unterworfen, führte dies zur endgültigen steuerlichen Entstrickung von stillen Reserven, die im Betriebsvermögen des eingebrachten Unternehmens vorhanden waren. Mit dem Ausschluss einbringungsgeborener Anteile sollte verhindert werden, dass auch Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmerschaften zum halben Steuersatz veräußert werden können, indem diese zuvor steuerneutral in eine Kapitalgesellschaft eingebracht und anschließend die Kapitalgesellschaftsanteile steuerbegünstigt veräußert werden. Um dies zu erreichen hat der Gesetzgeber einbringungsgeborene Anteile grundsätzlich vom Halbeinkünfteverfahren ausgenommen (§ 3 Nr. 40 S. 3 EStG).660 Unklarheit bestand nach der ursprünglichen Fassung darüber, ob dies auch für die Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG galt. In § 3 c Abs. 2 S. 1 EStG wurde auf die Vorschrift des § 3 Nr. 40 EStG insgesamt Bezug genommen, ohne eine gesonderte Regelung für einbringungsgeborene Kapitalgesellschaftsanteile zu treffen. Dementsprechend war umstritten, ob § 3 c Abs. 2 S. 1 EStG teleologisch auf Fälle zu reduzieren ist, für die auch die hälftige Steuerbefreiung gilt.661 Mit dem UntStFG hat der Gesetzgeber nunmehr klargestellt, dass grundsätzlich auch einbringungsgeborene Anteile der hälftigen Abzugsbeschränkung unterworfen sind (§ 3 c Abs. 2 S. 3 EStG). Nur soweit ein Ausgabenüberschuss zu einem Verlust geführt hat, werden einbringungsgeborene Anteile nach § 3 c Abs. 2 S. 4 EStG aus dem Anwendungsbereich des Halbabzugsverfahrens ausgeschieden.
660 Vgl. Begründung des Vermittlungsausschusses, zitiert bei Schaumburg / Rödder, Unternehmenssteuerreform, S. 206 ff. 661 So Schmitt in: ders. / Hörtnagl / Stratz, UmwStG, § 23 Rn. 123. Zum früheren Streitstand Desens, FR 2002, 247, 248 Fn. 13; Nacke in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. R 27.
13 Wäckerlin
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4. Teil: § 3 c Abs. 2 EStG im System der Gesellschafterbesteuerung
4. Wirtschaftlicher Zusammenhang a) Geltung des Veranlassungsprinzips Genauere Aufmerksamkeit erfordert schließlich das Merkmal des wirtschaftlichen Zusammenhangs. Durch die Konzeption der Abzugsbeschränkung als korrespondierende Regelung zum Tatbestand des § 3 Nr. 40 EStG662 erfordert § 3 c Abs. 2 EStG eine Verbindung zwischen Einnahme- und Ausgabetatbestand. Dem dient in § 3 c EStG das Erfordernis des wirtschaftlichen Zusammenhangs. Eine Parallele zum Grundtatbestand des § 3 c Abs. 1 EStG lässt sich jedoch nicht ohne weiteres ziehen, weil § 3 c Abs. 2 EStG auf das dort enthaltene Merkmal der Unmittelbarkeit verzichtet.663 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll hier ein nur mittelbarer Zusammenhang ausreichen, um die Ausgabenabzugsbeschränkung auszulösen, so dass der Anwendungsbereich der Vorschrift gegenüber § 3 c Abs. 1 EStG erweitert ist. Die Auslegung des Merkmals des wirtschaftlichen Zusammenhangs wird somit einerseits vom Normverständnis des § 3 c Abs. 1 EStG und andererseits von anderen Normen des Einkommensteuerrechts auszugehen haben, die den Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs ebenfalls enthalten.664 Im EStG ist der Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 1 a und § 50 Abs. 1 enthalten, ohne dass eine Legaldefinition existiert. Den genauen Begriffsinhalt zu ermitteln, war damit Wissenschaft und Praxis überlassen. Mit der Umschreibung des wirtschaftlichen Zusammenhangs als „Beziehung [ . . . ] die nach der im Wirtschaftsverkehr geltenden Auffassung dem Bereich der Wirtschaft zugehört und den in diesem Bereich geltenden Üblichkeiten oder Notwendigkeiten entspricht“665 ist allerdings kaum etwas gewonnen. Das durch diesen Definitionsversuch erzielte Ergebnis ist mindestens ebenso unklar wie der auszulegende Begriff. In der neueren Literatur finden sich ähnlich unpraktikable Wendungen, etwa die Aussage, der Zusammenhang dürfe „nicht lose und final sein“666 oder die Ausgaben müssten „ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückgehen, die die Erzielung von Einnahmen betreffen“.667 662 Thiel, StbJb. 2000 / 2001, 47, 50 bezeichnet das Halbeinkünfteverfahren in seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung deshalb als Halbeinnahmenverfahren. 663 Deshalb ist die Ansicht überholt, die Unmittelbarkeitsbeziehung sei Begriffsbestandteil des wirtschaftlichen Zusammenhangs; so noch RFH, Urt. v. 27. 10. 1928 – I A 490 / 28, RStBl. 1929, 160; RFH, Urt. v. 18. 09. 1930 – III A 817 / 30, RStBl. 1931, 97, 98; RFH, Urt. v. 14. 11. 1935 – III A 134 / 34, RStBl. 1935, 1465; Strutz, Komm. z. EStG 1925, § 15 Anm. 19. Beeinflusst davon auch Freudling, StuW 1968, Sp. 101, 113 f., der eine Unterscheidung von unmittelbarem und mittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang ablehnt. Dadurch würde jedoch die Unterscheidung in § 3 c Abs. 1 und Abs. 2 EStG sinnlos und der eindeutige Gesetzeswortlaut missachtet. 664 So auch Freshfields Bruckhaus Deringer, NJW 2000, Beilage zu Heft 51, 30 Fn. 140. 665 Freudling, StuW 1968, Sp. 101, 108. 666 Erhard in: Blümich, EStG, § 3 c Rn. 42. 667 Nacke in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. R 20.
§ 16 Die Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG
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Der Sache nahe kommt Heinicke, der den Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs als Antithese zu einem rechtlichen Zusammenhang versteht. Es genüge jede objektive kausale oder finale Verknüpfung zwischen Einnahmen und Ausgaben.668 Richtigerweise ist der Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs auch im Rahmen des § 3 c Abs. 2 EStG als Veranlassungszusammenhang zu verstehen.669 Damit eröffnet sich die Möglichkeit, auf den im Steuerrecht seit langem dogmatisch erschlossenen Veranlassungsbegriff670 abzustellen.
b) Der wirtschaftliche Zusammenhang bei gemischt veranlassten Ausgaben Ausreichend, um einen wirtschaftlichen Zusammenhang i. S. d. § 3 c Abs. 2 EStG zu begründen, ist demnach jeder wirtschaftliche Veranlassungszusammenhang.671 Der Begriff des Veranlassungszusammenhangs umfasst unmittelbare und mittelbare Aufwendungen.672 Das bedeutet insbesondere, dass es im Unterschied zu § 3 c Abs. 1 EStG auf einen zeitlichen Zusammenhang der Ausgaben mit den Einnahmen nicht ankommen kann.673 Die Ausgabenabzugsbeschränkung gilt auch, wenn Einnahme- und Ausgabetatbestand in unterschiedliche Veranlagungszeiträume fallen. Schwierigkeiten können allerdings auftreten, wenn sich für ein und dieselbe Aufwendung sowohl ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit (hälftig) steuerbefreiten als auch mit steuerpflichtigen Erträgen herstellen lässt.674 Wird eine Ausgabe, für die eine Abzugsbeschränkung besteht, durch mehrere Gründe gleichzeitig veranlasst, so ist zunächst festzustellen, ob die Möglichkeit einer Aufteilung besteht. Ist dies der Fall, so ist der auf die steuerbefreiten Einnahmen entfallende Teil der Ausgaben der Abzugsbeschränkung zu unterwerfen. Besteht eine mehrfache und untrennbare Veranlassung, kann der Abzug nicht gänzlich versagt werden. Das von der Rechtsprechung aus § 12 Nr. 1 S. 2 EStG Heinicke in: Schmidt, EStG, § 3 c Rn. 37. So auch von Beckerath in: Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, § 3 c Rn. 35; Korn / Strahl in: Korn, EStG, Aktuelles, StSenkG Rn. 48.4; Herrmann in: Frotscher, EStG, § 3 c Rn. 4; Hötzel in: Schaumburg / Rödder, Unternehmenssteuerreform, S. 250 f. und zu § 50 EStG Heinicke in: Schmidt, EStG, § 50 Rn. 21; Herkenroth in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 50 Rn. 40. Das meint Heinicke, ebd., § 3 c Rn. 37 wohl auch für § 3 c Abs. 2 EStG, wenn er dort auf die Kommentierung des Betriebsausgaben- und Werbungskostenbegriffs Bezug nimmt. 670 Vgl. dazu statt vieler Drenseck in: Schmidt, EStG, § 9 Rn. 7 ff.; Heinicke, ebd., § 4 Rn. 27 ff.; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 9 Rn. 227 ff.; Söhn, DStJG 3 (1980), 13, 65 ff.; Tipke, StuW 1979, 193. 671 So zu § 50 Abs. 1 S. 1 EStG BFH, Urt. v. 20. 07. 1988 – I R 49 / 84, BStBl. II 1989, 140, 143; Herkenroth in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 50 Rn. 42. 672 Birk / Jahndorf in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. 62. 673 Heinicke in: Schmidt, EStG, § 3 c Rn. 37; Herkenroth in: Herrmann / Heuer / Raupach, § 50 Rn. 41; Nacke, ebd., § 3 c Rn. R 25. 674 Nacke in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. R 25. 668 669
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4. Teil: § 3 c Abs. 2 EStG im System der Gesellschafterbesteuerung
entwickelte Aufteilungs- und Abzugsverbot gilt nur dort, wo sich berufliche und private Sphäre berühren. Ist hingegen innerhalb des Bereichs der Einkünfteerzielung die Zuordnung zum Abzugstatbestand unklar, findet das Aufteilungs- und Abzugsverbot keine Anwendung, selbst wenn es sich – wie bei Sonderausgaben – dem Grunde nach um privaten Aufwand handelt.675 Nichts anderes kann gelten, wenn die Zuordnung einer Aufwendung zu voll steuerbaren Einnahmen einerseits und zu ganz oder teilweise steuerbefreiten Einnahmen andererseits unklar ist. Ist in diesen Fällen eine Aufteilung nach objektiven Kriterien nicht möglich, so muss der Anteil der Ausgaben, der auf die der Steuerbefreiung unterliegenden Einnahmen entfällt, geschätzt und der Ausgabenabzug in diesem Umfang versagt werden.
5. Abzugsbeschränkung trotz fehlender Einnahmen In der Literatur wird ferner die Frage erörtert, wie mit der Abzugsbeschränkung zu verfahren ist, wenn zu keiner Zeit Einnahmen, sondern lediglich Ausgaben angefallen sind. Ein Teil der Literatur vertritt die Ansicht, § 3 c Abs. 2 EStG greife nur ein, wenn überhaupt Einnahmen erzielt worden seien. Seien hingegen nie Einnahmen entstanden, komme auch ein Abzugsverbot nicht in Betracht, so dass die Ausgaben in voller Höhe zu berücksichtigen seien.676 Aufgegriffen wurde dieser Ansatz von Crezelius. Aus dem Wortlaut der §§ 3 Nr. 40, 3 c Abs. 2 EStG ergebe sich, dass das Nettoergebnis aus dem Saldo von Einnahmen und Erwerbsaufwendungen zur Hälfte eliminiert werden solle. Übersteigen die hälftigen Ausgaben die hälftigen Einnahmen, sei das hälftige Verlustausgleichungsgebot vom Grundgedanken des Halbeinkünfteverfahrens nicht mehr getragen. Richtigerweise müsse in diesem Fall – wie bei § 3 c Abs. 1 EStG – der die Einnahmen übersteigende Teil der Ausgaben vollständig abgezogen werden können.677 Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 3 c Abs. 2 EStG auf Fälle, in denen Einnahmen erzielt worden sind, überzeugt jedoch aus mehreren Gründen nicht. Eine derartige Auslegung ist dem Wortlaut des § 3 c Abs. 2 EStG nicht zu entnehmen. Es müssten daher andere bedeutende Anhaltspunkte für ein solches Verständnis der Norm bestehen. Sinn und Zweck der Abzugsbeschränkung sprechen aber gegen eine Deckelung auf die Höhe der Einnahmen. Würden Ausgaben, die eine bestimmte Höhe überschreiten, vollumfänglich zum Abzug zugelassen, 675 So zur Abgrenzung von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten und Sonderausgaben BFH, Urt. v. 10. 06. 1986 – IX R 11 / 86, BStBl. II 1986, 894, 896; BFH, Urt. v. 12. 07. 1989 – X R 35 / 86, BStBl. II 1989, 967, 969; BFH, Urt. v. 22. 06. 1990 – VI R 2 / 87, BStBl. II 1990, 901, 902; Drenseck in: Schmidt, EStG, § 12 Rn. 5; Nolde in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 10 Rn. 8 a; Stephan in: Littmann / Bitz / Pust, EStG, § 10 Rn. 11. 676 Clausen in: Oppenhoff & Rädler, Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 58; Riotte in: Erle / Sauter, Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 66; Strunk in: Korn, EStG, § 3 c Rn. 25. 677 Crezelius, DB 2001, 221, 227.
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entstünde eine Zweiteilung des Beteiligungsaufwands in einen vollständig und einen nur hälftig abziehbaren Teil. Damit würde „guter“ und „schlechter“ Beteiligungsaufwand geschaffen; die Einteilung wäre überdies nicht von Art oder Umfang der Ausgaben, sondern von der Höhe der korrespondierenden Einnahmen abhängig. Noch fernliegender erscheint die Annahme, bei fehlenden Einnahmen seien die Ausgaben insgesamt vollumfänglich abziehbar. Dadurch würde der wirtschaftlich erfolglose Anteilseigner gegenüber anderen Anteilseignern steuerlich privilegiert – ein offensichtlich sinnwidriges Ergebnis. Werden nie Einnahmen erzielt, die im erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Ausgaben stehen, mangelt es oft bereits an der Einkünfteerzielungsabsicht. Fehlt diese, können anfallende Aufwendungen überhaupt nicht abgezogen werden. Ein Verständnis der Norm, die zum Ergebnis führen würde, dass hier sogar ein voller Abzug der Beteiligungsaufwendungen zulässig ist, wäre mit Sinn und Zweck der Abzugsbeschränkung unvereinbar. Für die Anwendung der Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG kann es damit nicht auf Existenz und Höhe korrespondierender Einnahmen ankommen. Dass auch zu erst viel später erzielten Einnahmen ein Bezug hergestellt wird, beruht gerade auf der Unabhängigkeit des § 3 c Abs. 2 EStG von einem zeitlichen Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben.678
§ 17 Verfassungsmäßigkeit der Abzugsbeschränkung I. Der Grundgedanke des § 3 c EStG Das deutsche Einkommensteuerrecht enthält in § 3 EStG eine unsystematische Aufzählung von sachlichen Steuerbefreiungstatbeständen aus Gründen der Sozialpolitik, Steuervereinfachung, internationaler Gepflogenheit oder als Förderungsanreiz.679 Die im Katalog dieser Vorschrift genannten Einkünfte sind der Einkommensbesteuerung nicht unterworfen, weil sie keinen Bestandteil der steuerbaren Nettoeinkünfte bilden. § 3 c EStG schließt Aufwendungen vom Steuerabzug aus, die aus Anlass der Erzielung dieser Einkünfte angefallen sind. Die Vorschrift setzt den allgemeinen Grundsatz um, dass bei steuerfreien Einnahmen nicht durch den zusätzlichen Abzug von Aufwendungen ein doppelter steuerlicher Vorteil erzielt werden soll.680 Würde der Abzug der Aufwendungen zugelassen, so entstünde eine 678 FG Düsseldorf, Urt. v. 10. 03. 2003 – 13 K 5410 / 02 E, EFG 2003, 1070, 1071. Gegen diese Ansicht auch Nacke / Intemann, DB 2002, 756, 761. 679 von Beckerath in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 3 Rn. A 1; Bergkemper in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 Allg. Rn. 2; Scholtz in: Bordewin / Brandt, EStG, § 3 Rn. 2. 680 BFH, Urt. v. 04. 03. 1977 – VI R 213 / 75, BStBl. II 1977, 507, 508; BFH, Urt. v. 14. 11. 1986 – VI R 209 / 82, BStBl. II 1989, 351, 353; BFH, Urt. v. 26. 03. 2002 – VI R 26 / 00, BStBl. II 2002, 823, 826; von Beckerath in: Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, § 3 c Rn. 1; Birk / Jahndorf in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. 21; Heinicke in:
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4. Teil: § 3 c Abs. 2 EStG im System der Gesellschafterbesteuerung
doppelte Begünstigung des Steuerpflichtigen, weil dieser nicht nur durch die Steuerfreiheit der Einnahmen, sondern zusätzlich durch die Minderung seiner Bemessungsgrundlage entlastet würde. Dieses unbillige Ergebnis wird durch die Abzugsbeschränkung vermieden. Der Ausschluss von Aufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen korrespondieren, dient damit der Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips. Dieses fordert die Berücksichtigung des Erwerbsaufwands für steuerbare Einkünfte, weil das Einkommen nur im Umfang des Nettoergebnisses für die Steuerzahlung zur Verfügung steht.681 Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass Aufwand, der für die Erzielung steuerfreier Einkünfte entsteht, das steuerbare Einkommen nicht mindern darf. Der § 3 c EStG zugrunde liegende Regelungsgedanke ist die notwendige Konsequenz einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
II. Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 3 c Abs. 2 EStG im Schrifttum Gleichwohl wird die Beschränkung des Abzugs für Beteiligungsaufwand auf die Hälfte in der Literatur für verfassungswidrig gehalten, weil sie gegen das objektive Nettoprinzip verstoße. Dieses Ergebnis muss zunächst verwundern. Zwei Vorschriften, die in demselben systematischen Zusammenhang stehen, werden einmal als verfassungsrechtlich unbedenklich, einmal als verfassungswidrig beurteilt. Dies beruht auf der Vorbelastungswirkung der Körperschaftsteuer, durch die an den Anteilseigner ausgeschüttete Kapitalgesellschaftsgewinne bereits mit der von der Gesellschaft entrichteten Körperschaftsteuer belastet sind. Die hälftige Freistellung der Einnahmen von der Einkommensteuer stelle eine Berücksichtigung dieser körperschaftsteuerlichen Vorbelastung dar, um so das Ziel einer einmaligen Belastung der ausgeschütteten Gesellschaftsgewinne zu erreichen. Es handle sich mithin nicht um eine „echte“ Steuerbefreiung, sondern um ein steuertechnisches Instrument, durch das eine Doppelerfassung vermieden werden solle. Eine Abzugsbeschränkung für die mit der Einkunftserzielung verbundenen Aufwendungen stelle einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip dar, weil sie dem vom Gesetzgeber mit dem Halbeinkünfteverfahren verfolgten Grundansatz, aus der Kombination von definitiver Körperschaftsteuer und hälftiger Einkommensteuer insgesamt eine anderen Einkünften typischerweise vergleichbare Steuerbelastung herzustellen, zuwiderlaufe.682 Schmidt, EStG, § 3 c Rn. 1; Herrmann in: Frotscher, EStG, § 3 c Rn. 2; Schön, FR 2001, 381, 385. 681 s. o. § 9 III. 1. 682 von Beckerath in: Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, § 3 c Rn. 29; Crezelius, DB 2002, 1124, 1125; Freshfields Bruckhaus Deringer, NJW 2000, Beilage zu Heft 51, 30; Harenberg, FR 2002, 768, 770; Herrmann in: Frotscher, EStG, § 3 c Rn. 7; Hey, DStJG 24
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Aus dem gleichen Grund wird in der Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG auch eine Verletzung des Gebots der Folgerichtigkeit gesehen.683 Schön geht davon aus, dass der Gesetzgeber die mit dem Halbeinkünfteverfahren korrespondierenden Aufwendungen zum Abzug zulassen müsse, wenn er den Vorbelastungscharakter der Körperschaftsteuer anerkenne. Wolle er die Dividendeneinnahmen natürlicher Personen in typisierender Weise einer Normalbelastung unterwerfen, bedürfe es einer besonderen Rechtfertigung, wenn korrespondierende Ausgaben zur Hälfte vom Abzug ausgeschlossen werden.684 Auch Pezzer beklagt die Inkonsequenz des Gesetzgebers, wenn er für die Besteuerung der Einnahmen Körperschaft und Anteilseigner wirtschaftlich als Einheit betrachte und eine Mehrfachbelastung durch die hälftige Steuerfreistellung verhindern wolle, sich beim Abzug der entsprechenden Ausgaben aber auf die Trennung der Steuersubjekte kapriziere. Schließlich verstoße der Ausschluss oder die Einschränkung der Abzugsfähigkeit von Erwerbsaufwendungen bei einer einzelnen Einkunftsart gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Einkunftsarten. Diskriminiere der Gesetzgeber einzelne Einkunftsarten durch nachteilige Regelungen, bedürfe es dafür einer besonderen Rechtfertigung. Wenn bei den übrigen Einkunftsarten Finanzierungs- und Verwaltungsaufwand vollständig abgezogen werden könne, dürfe dies bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ohne sachlichen Grund nicht anders sein.685 Nach alledem erscheint es nicht unbedeutend, die Beweggründe des Gesetzgebers zu erforschen. Wer sich von der Gesetzesbegründung zu § 3 c Abs. 2 EStG (2001), 155, 196 f.; dies., DStJG Sonderband (2001), 5, 21; Hötzel in: Schaumburg / Rödder, Unternehmenssteuerreform, S. 249; Pezzer, StuW 2000, 144, 149 f.; Riotte in: Erle / Sauter, Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 65; Schön, FR 2001, 381, 386 ff.; ders., StuW 2000, 151, 154 f. Ähnlich Frotscher, DStR 2001, 2045, 2048 (Ungleichbehandlung gegenüber anderen Einkünften). Die hälftige Abzugsbeschränkung aus wirtschaftlicher Sicht ablehnend Bareis, StuW 2000, 133, 140 f.; Jakobs / Wittmann, GmbHR 2000, 1015, 1019; Hundsdoerfer, BB 2001, 2242, 2245; Kessler, StbJb. 2000 / 01, 339, 360 f.; Rödder, JbFSt 2000 / 01, 103, 105 f.; ders. / Schumacher, DStR 2000, 353, 357; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2003 / 04, Tz. 541; Sigloch, StuW 2000, 160, 166. Differenzierend Desens, der ausführt, dass die Abzugsbeschränkung nicht als Gegenstück zu einer „echten“ Steuerbefreiung verstanden werden könne, sondern Fiskalzwecknorm sei, aber dennoch davon ausgeht, das objektive Nettoprinzip erfordere keinen vollen Abzug (ders., Halbeinkünfteverfahren, S. 360). Die dafür angebotene Begründung, die Steuerfreistellung sei aufgrund des gesetzgeberischen Grundgedankens des Halbeinkünfteverfahrens nicht durch das Leistungsfähigkeitsprinzip geboten, überzeugt allerdings nicht. Desens übersieht, dass Fiskalzwecknormen im Einkommensteuerrecht stets das Leistungsfähigkeitsprinzip zugrunde liegt, weil dieses das steuertheoretische Grundprinzip der Lastenverteilung darstellt (s. o. § 7); ist dies nicht der Fall, handelt es sich um Lenkungsnormen. Eine weitere Kategorie materieller Steuernormen, die das Leistungsfähigkeitsprinzip durchbrechen, ohne einen legitimen Lenkungszweck zu verfolgen, ist nicht anzuerkennen. 683 Haep / Nacke in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. R 3; Schön, FR 2001, 381, 386 f. 684 Schön, FR 2001, 381, 387. 685 Schön, FR 2001, 381, 387.
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Aufschluss erhofft, wird jedoch enttäuscht. In der Erläuterung zu § 3 c Abs. 2 EStG findet sich nur eine Umschreibung des Gesetzestextes mit anderen Worten.686 Zu einem besseren Verständnis trägt dies nicht bei. Bedenkt man, dass der Inhalt des § 3 c Abs. 2 EStG nicht unproblematisch ist, lässt dies kaum einen anderen Schluss zu, als dass der Gesetzgeber die mit der Vorschrift verbundenen Schwierigkeiten nicht vollumfänglich erkannt hat. Mit der Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG setzt sich der Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts des Bundesministeriums der Finanzen687 auseinander und gibt zumindest einen Anhaltspunkt für die im Gesetzgebungsverfahren ausschlaggebenden Beweggründe und Erwägungen. Die Finanzverwaltung ist der Ansicht, die beiden Besteuerungsebenen der Körperschaft und des Anteilseigners seien zu unterscheiden und voneinander zu trennen. Ein Zusammenhang zwischen der Vorbelastung des Gewinns mit Körperschaftsteuer und der Einkommensbesteuerung des Anteilseigners dürfe nicht hergestellt werden, weil es sich beim Halbeinkünfteverfahren nicht um ein pauschaliertes Anrechnungsverfahren handle.688 Der Gesetzgeber hätte statt des hälftigen Gewinns zum vollen Einkommensteuersatz auch den vollen Gewinn mit dem halben Steuersatz besteuern können. In diesem Fall würden sich die Beteiligungsaufwendungen ebenfalls nur in Höhe des halben Einkommensteuersatzes auswirken. Diese Interpretation des Gesetzes deckt sich mit dem Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung allerdings nicht. Der Gesetzgeber des Steuersenkungsgesetzes hat der hälftigen Steuerbefreiung eine Zusammenschau von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer zugrunde gelegt.689 Die Vorstellung, durch beide Besteuerungsebenen werde insgesamt etwa eine Belastung erreicht, die der anderer Einkünfte entspreche, beruht notwendigerweise auf einer beide Steuerarten einbeziehenden Gesamtbetrachtung. Damit lässt sich die von der Finanzverwaltung behauptete Trennung beider Besteuerungsebenen nicht in Einklang bringen. Der Hinweis auf die Alternative, den vollen Gewinn dem halben Steuersatz zu unterwerfen, ist überdies nicht geeignet, verfassungsrechtliche Zweifel auszuräumen. In diesem Fall kann zwar der Beteiligungsaufwand in voller Höhe von der Steuer abgesetzt werden, er wirkt sich durch den niedrigeren Steuertarif ebenfalls nur in einer geringeren Höhe aus. Ob eine steuerliche Begünstigung aber durch einen in den Katalog des § 3 EStG eingereihten Tatbestand oder durch eine wirkungsgleiVgl. Begründung zum Entwurf des StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 113. Abgedruckt in FR 2001, Beilage zu Heft 11. 688 Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, FR 2001, Beilage zu Heft 11, S. 22. 689 Begründung zum StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 94: „Auf der Ebene des Anteilseigners wird die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der ausgeschütteten Gewinne dadurch berücksichtigt, dass die Dividende nur zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage für die persönliche Einkommensteuer der Anteilseigner einbezogen wird. Insgesamt ergibt sich daraus eine Belastung der ausgeschütteten Gewinne, die der steuerlichen Belastung bei anderen Einkunftsarten angenähert ist.“ 686 687
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che Tarifermäßigung herbeigeführt wird, ist eine Frage der gesetzestechnischen Umsetzung und kann für die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht von Bedeutung sein.
III. Die Doppelnatur des Halbeinkünfteverfahrens als Auslegungsgrundlage Im klassischen System der Besteuerung von Kapitalgesellschaftsgewinnen wird der an den Anteilseigner ausgeschüttete Gewinn der Kapitalgesellschaft ohne Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung in vollem Umfang zur Einkommensteuer herangezogen. Nach dem objektiven Nettoprinzip ist dann auch ein Abzug der hierdurch veranlassten Erwerbsaufwendungen in voller Höhe geboten. Eine vollständige oder teilweise Beschränkung des Ausgabenabzugs wäre in diesem Fall eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und damit ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip.690 Werden die Beteiligungserträge beim Anteilseigner dagegen aus Erwägungen ganz oder teilweise von der Besteuerung freigestellt, die nicht der Berücksichtigung einer geminderten Leistungsfähigkeit dienen, wäre eine korrespondierende Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Erwerbsaufwendungen systemkonform.691 Die hälftige Steuerbefreiung durch das Halbeinkünfteverfahren stellt sich dann als Steuervergünstigung dar; die Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips würde ein entsprechendes teilweises Abzugsverbot erforderlich machen. Für die Beurteilung der Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG ist damit das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner von wesentlicher Bedeutung.692 Erzielen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner getrennt voneinander Leistungsfähigkeit, folgt daraus auch die Erforderlichkeit einer jeweils eigenen steuerlichen Behandlung. Geboten und gerechtfertigt wäre dann eine Besteuerung des Anteilseigner ohne Rückkopplung an die Kapitalgesellschaft. In diesem Fall ist die Steuerbefreiung für Beteiligungserträge „echte“ steuerliche Verschonung, nicht technisches Instrument. Konsequenterweise muss dann die Frage beantwortet werden, ob sich der Gesetzgeber mit der halben Besteuerung begnügen darf.693 Sind Kapitalgesellschaft und Anteilseigner hingegen so eng miteinander verbunden, dass sich das Einkommen des Anteilseigners wirtschaftlich nicht von dem der Gesellschaft unterscheidet, kann die körperschaftsteuerliche Vorbelastung bei der Besteuerung des Anteilseigners nicht unberücksichtigt bleiben. Bei § 3 Nr. 40 EStG handelt es sich dann nicht um eine gewährende Steuervergünstigung, 690 691 692
Zum Inhalt des objektiven Nettoprinzips s. o. § 9 III. 1. Crezelius, DB 2001, 221, 227; Pezzer, StuW 2000, 144, 150. Crezelius, DB 2001, 221, 227; ders., DB 2002, 1124, 1125; Sigloch, StuW 2000, 160,
166. 693
Sigloch, StuW 2000, 160, 166.
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4. Teil: § 3 c Abs. 2 EStG im System der Gesellschafterbesteuerung
sondern um eine sich aus dem objektiven Nettoprinzip ergebende Anforderung an die Ausgestaltung des Steuertatbestands. Die Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG muss sich in diesem Fall an den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips messen lassen. Es hat sich gezeigt, dass keine der beiden Ausgangspositionen die Leistungsfähigkeit des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft stets zutreffend kennzeichnet, da die Besteuerung des Anteilseigners von seiner Stellung in der Gesellschaft abhängig ist. Betätigt er sich infolge seiner persönlichen Verbundenheit mit der Gesellschaft ähnlich einem Unternehmer, ist die Berücksichtigung der Vorbelastung des ausgeschütteten Kapitalgesellschaftsgewinns mit Körperschaftsteuer geboten. Ist er dagegen Kapitalgeber, rechtfertigt das Leistungsfähigkeitsprinzip keine Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung.694 Wenn der Anteilseigner der Gesellschaft als Kapitalgeber gegenübersteht und sich deshalb die unternehmerische Einkünfteerzielung durch die Gesellschaft und die Einkünfteerzielung durch Bereitstellung von Kapital voneinander unterscheiden, kann die steuerliche Verschonung durch das Halbeinkünfteverfahren allein als Anreiz zur wirtschaftlichen Stärkung des Unternehmens durch die Bereitstellung von Eigenkapital dienen. Die hälftige Steuerbefreiung für Beteiligungserträge weist demzufolge eine Doppelnatur auf. Ihre Funktion kann – abhängig von der Stellung des Anteilseigners in der Kapitalgesellschaft – sowohl in der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips als auch in nichtfiskalischen Zwecken liegen. Diese Janusköpfigkeit überträgt sich auf die Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG, deren steuerrechtliche Bedeutung je nach den vorhandenen Verhältnissen unterschiedlich ist.
1. Der personalistisch beteiligte Anteilseigner Die personalistisch strukturierten Kapitalgesellschaft unterscheidet sich hinsichtlich der zivilrechtlichen Trennung des Vermögen von Gesellschaft und Gesellschafter nicht von anderen Kapitalgesellschaften. Die Erzielung steuerlicher Leistungsfähigkeit wird jedoch vom Anteilseigner umfassend beherrscht und durch sein Handeln die Tätigkeit der Gesellschaft bestimmt. Eine eigenständige Willensbildung der Gesellschaft ist hier wesentlich erschwert oder ausgeschlossen, weil auf der Ebene der Gesellschaft keine geschäftliche Willensbildung durch Personen stattfindet, die sich vom Kreis der Anteilseigner unterscheiden. Der Gesellschafter kann ohne Schwierigkeiten auf das Vermögen der Gesellschaft zugreifen und darüber verfügen,695 gleichzeitig ist er regelmäßig finanziell vom Wohlergehen der Gesellschaft abhängig. Das Einkommen des Anteilseigners unterscheidet sich wirt694 695
s. o. § 14 V. Pezzer, DStJG 25 (2002), 37, 40 f.
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schaftlich nicht von dem der Gesellschaft, so dass durch die Weiterleitung des Unternehmensgewinns an den Gesellschafter keine neue steuerliche Leistungsfähigkeit begründet wird.696 Eine Erfassung des Gewinns auf der Ebene des Anteilseigners unabhängig von der vorangehenden Ertragsbesteuerung der Körperschaft wäre ein Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die hälftige Steuerfreistellung der Beteiligungserträge durch das Halbeinkünfteverfahren dient beim personalistisch beteiligten Anteilseigner der Herstellung einer Besteuerung, die mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar ist. Die steuerliche Entlastung des Anteilseigners bewirkt einen Ausgleich für die körperschaftsteuerliche Vorbelastung des Gewinns. Dadurch wird ein Belastungsergebnis erzielt, das annähernd einer Anrechnung der von der Gesellschaft gezahlten Körperschaftsteuer entspricht und die Doppelerfassung des Gewinns in pauschaler Form vermeidet.697 Die hälftige Steuerfreistellung der Beteiligungserträge weist somit im Fall des personalistisch beteiligten Anteilseigners eine fiskalische Natur auf. Dem Halbeinkünfteverfahren kommt hier die Funktion zu, die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit gegenüber dem kapitalistisch beteiligten Anteilseigner zu berücksichtigen.
2. Der kapitalistisch beteiligte Anteilseigner a) Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Der kapitalistisch beteiligte Anteilseigner ist vom Gesetzgeber seinem Konzept der Besteuerung von Beteiligungserträgen bei Kapitalgesellschaften als Regelfall zugrunde gelegt worden. Er stellt der Gesellschaft als fremder Dritter Unternehmenskapital gegen Entgelt zur Verfügung. Sein Risiko beschränkt sich auf die Wertminderung des Gesellschaftsanteils, der regelmäßig nur einen geringen Bestandteil seines Vermögens ausmacht. Prototypisch dafür ist die Beteiligung mit einzelnen Aktien an einer großen Aktiengesellschaft.698 Die für das Leistungsfähigkeitsprinzip maßgebende Erwerbsgrundlage liegt in der Überlassung des Kapitals im Austausch gegen einen Anspruch auf Teilhabe am Unternehmensgewinn,699 dazu kommt die sich außerhalb der steuerbaren Sphäre abspielende Aussicht auf eine Wertsteigerung der Anteile. Dieser Vorgang der Kapitalüberlassung gegen Entgelt wird durch die Einkunftsart des § 20 EStG wirtschaftlich zutreffend erfasst. Neben die unternehmerische Ertragserzielung der Gesellschaft tritt die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen durch den Anteilseigner. Dem 696 697 698 699
s. o. § 14 V. Begründung zum Entwurf des StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 94. s. o. § 14 I. Pezzer, DStJG 25 (2002), 37, 40.
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Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht eine Trennung der Besteuerungsebenen von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner. Die wirtschaftlich voneinander getrennten Vorgänge der Einkünfteerzielung determinieren eine getrennte Besteuerung der so erzielten wirtschaftlichen Vorteile.700 Die hälftige Freistellung der Beteiligungserträge dient hier nicht der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Die Privilegierung der Kapitalgesellschaftsbeteiligung gegenüber anderen Formen der Kapitalanlage muss daher anderweitig gerechtfertigt werden. Zunächst ist zu untersuchen, ob die dem Gesetzgeber zustehende Typisierungsbefugnis die Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip trägt. Ist dies nicht der Fall, kann es sich hierbei schließlich um einen Subventionstatbestand handeln. Erweist sich dieser als verfassungsgemäß, entfaltet der § 3 c EStG zugrunde liegende Rechtsgedanke seine innere Rechtfertigung und dient als Grundlage für das Verständnis der Abzugsbeschränkung.
b) Rechtfertigung als Typisierung aa) Die gesetzgeberische Typisierungsbefugnis und deren Grenzen Durch die Typisierung wird ein durchschnittlicher, der „Norm“ entsprechender Lebenssachverhalt gebildet und diesem eine Rechtsfolge zugeordnet, wobei bewusst in Kauf genommen wird, dass von diesem typischen Fall abweichende, überoder unterdurchschnittliche Lebenssachverhalte trotz ihrer Verschiedenheit nicht anders behandelt werden. Die Typisierung führt in diesen atypischen Fällen zu einer Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte, die dem Gleichheitssatz widersprechen kann. Sie bewegt sich im Spannungsfeld von Steuervereinfachung und Einzelfallgerechtigkeit. Je allgemeiner ein rechtlicher Tatbestand gefasst ist, umso eher bleiben abweichende tatsächliche Verhältnisse unberücksichtigt. Umgekehrt führt die Vorstellung, dass Steuergerechtigkeit insgesamt nur erzielt werden kann, wenn diese auch in jedem Einzelfall gegeben ist, zu einer untragbaren Komplizierung des Rechts. Soll nicht durch ungleichmäßigen Vollzug das Gemeinwohl ebenfalls beeinträchtigt werden, ist es unerlässlich, in vertretbarem Umfang Besonderheiten des Einzelfalls zurückzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hat daher eine die Abwicklung von Massenverfahren vereinfachende Typisierung grundsätzlich zugelassen. Dem Gesetzgeber sei es gestattet, zur Herstellung materieller Gleichheit das Typische in einem Lebensvorgang zu erfassen und individuell gestaltbare Besonderheiten unberücksichtigt zu lassen.701 In dieser gesetzgeberischen Befugnis zur Typisierung liegt eine Auss. o. § 14 V. BVerfG, Urt. v. 24. 01. 1962 – 1 BvR 845 / 58, BVerfGE 13, 331, 341; BVerfG, Urt. v. 20. 12. 1966 – 1 BvR 320 / 57 u. a., BVerfGE 21, 12, 27; BVerfG, Beschl. v. 08. 02. 1983 – 1 BvL 28 / 79, BVerfGE 63, 119, 128; BVerfG, Beschl. v. 06. 12. 1983 – 2 BvR 1275 / 79, BVerfGE 65, 325, 354 f.; BVerfG, Beschl. v. 08. 04. 1987 – 2 BvR 909 / 82 u. a., BVerfGE 75, 700 701
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nahme zum steuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip in den Fällen, die von der zugrunde gelegten Idealvorstellung abweichen und infolgedessen eine nicht leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung zur Folge haben. Die individuelle Durchbrechung des Gleichheitssatzes dient der Schaffung allgemeiner Steuergerechtigkeit und ist deshalb gerechtfertigt. Der Gesetzgeber darf jedoch auch im Steuerrecht Typisierungen nicht grenzenlos vornehmen. Weil mit jeder Typisierung eine Einschränkung des Gleichheitssatzes verbunden ist, muss diese dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Eine Typisierung, die zur dadurch hervorgerufenen Ungleichbehandlung außer Verhältnis steht, kann nicht gerechtfertigt werden und führt zu einer Grundrechtsverletzung. Die gesetzgeberische Typisierungsbefugnis wird überschritten, wenn die Zahl der offensichtlichen Ungleichbehandlungen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Fälle, die von der Typisierungsvorschrift erfasst werden, erheblich ist und nicht mehr nur eine vergleichsweise geringe Zahl von Fällen zugunsten der Typisierung einer Ungleichbehandlung unterworfen wird.702 Insbesondere ist der Typisierungsspielraum dort überschritten, wo infolge der Typisierung die Ausnahme zur Regel erhoben wird. bb) Gleichbehandlung aller Anteilseigner als Typisierungstatbestand Durch die hälftige Steuerbefreiung kommt jeder einkommensteuerpflichtige Anteilseigner in den Genuss der hälftigen Steuerbefreiung für Beteiligungserträge, die nur für den personalistisch beteiligten Gesellschafter durch das Leistungsfähigkeitsprinzip vorgegeben ist. Dem kapitalistisch beteiligten Anteilseigner wird so eine mit dem Leistungsfähigkeitskeitsprinzip nicht begründbare Steuervergünstigung zuerkannt. Diese erlaubt die einheitliche Ausgestaltung der Besteuerung des ausgeschütteten Gesellschaftsgewinns, so dass die Notwendigkeit entfällt, die wirtschaftliche Stellung des Anteilseigners im Steuertatbestand zu berücksichtigen. Die einheitliche Erfassung der Beteiligungserträge könnte somit Gegenstand einer Typiserungsentscheidung sein. Die nicht leistungsfähigkeitskonforme Steuervergünstigung im Fall des kapitalistisch beteiligten Anteilseigners wäre dann durch die typisierende Gleichbehandlung mit dem personalistisch beteiligten Gesellschafter gerechtfertigt. Fraglich ist aber, ob die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers eine Gleichbehandlung aller Anteilseigner unabhängig von deren typologischer Stellung zulässt. 108, 162; BVerfG, Beschl. v. 30. 05. 1990 – 1 BvL 2 / 83 u. a., BVerfGE 82, 126, 151 f.; BVerfG, Beschl. v. 08. 10. 1991 – 1 BvL 50 / 86, BVerfGE 84, 348, 359; BVerfG, Urt. v. 09. 04. 1992 – 2 BvE 2 / 89, BVerfGE 85, 264, 317; BVerfG, Beschl. v. 25. 09. 1992 – 2 BvL 5 / 91 u. a., BVerfGE 87, 153, 172; BVerfG, Beschl. v. 10. 04. 1997 – 2 BvL 77 / 92, BVerfGE 96, 1, 6 f.; BVerfG, Urt. v. 20. 04. 2004 – 1 BvR 1748 / 99 u. a., BVerfGE 110, 274, 292. 702 BVerfG, Urt. v. 20. 12. 1966 – 1 BvR 320 / 57 u. a., BVerfGE 21, 12, 27 f.; BVerfG, Beschl. v. 08. 10. 1991 – 1 BvL 50 / 86, BVerfGE 84, 348, 360.
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Der die steuerliche Leistungsfähigkeit eines Gesellschafters an einer Kapitalgesellschaft begründende Tatbestand ist nach der gesetzgeberischen Vorstellung die Überlassung von Unternehmenskapital gegen Beteiligung am Unternehmenserfolg. Gerade hier dient die Begünstigung der Beteiligungserträge jedoch nicht einer leistungsfähigkeitskonformen Besteuerung. Sieht man die vorrangige Funktion der steuerlichen Begünstigung für Beteiligungserträge in der Herstellung einer leistungsfähigkeitskonformen Besteuerung, müsste die personalistische Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Regelfall, die kapitalistische Beteiligung als vernachlässigenswerte Ausnahme aufgefasst werden, um die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine steuerliche Typisierung zu wahren. Als Regelfall bei der Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft wurde vom Gesetzgeber aber bislang stets die Publikumsaktiengesellschaft angesehen.703 Die zwischenzeitlich vorhandene Sonderregelung für personenbezogene Kapitalgesellschaften und die Stellungnahmen in Rechtsprechung und Schrifttum zeigen ein zunehmendes Bewusstsein für die insoweit bestehenden Unterschiede, die aber gleichwohl auch anlässlich der Unternehmenssteuerreform unberücksichtigt geblieben sind. Das schließt es aber aus, den vom Gesetzgeber gerade nicht als „Durchschnittsnormalität“704 erachteten Fall des personalistisch beteiligten Gesellschafters als Grundlage einer Typisierungsentscheidung anzusehen.
c) Rechtfertigung als Wirtschaftslenkung Weil der Gesetzgeber mit dem Steuerrecht auch Lenkungszwecke verfolgen darf, dient nicht jede Steuernorm der Verwirklichung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.705 Lenkungsziele lassen sich regelmäßig nur um den Preis einer Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip erreichen. Dies ist nicht unzulässig, erfordert aber eine Abwägung der angestrebten Vorteile gegen die durch eine Durchbrechung hervorgerufenen steuersystematischen Nachteile.706 Der Gesetzgeber verspricht sich von der Neuregelung der Unternehmensbesteuerung eine Stärkung der Innenfinanzierung von Unternehmen, durch die Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen erleichtert werden sollen.707 Das legt es nahe, die nicht leistungsfähigkeitskonformen Wirkungen der hälftigen Freistellung der Beteiligungserträge beim kapitalistisch beteiligten Anteilseigner als Maßnahme zur Wirtschaftslenkung zu begreifen. Die Bedeutung des mit der Norm verfolgten Lenkungsziels muss dann gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip s. o. § 14 V. 1. a). So der Begriff von Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 132. 705 s. o. § 9 VI. 706 Birk, Referat zum 14. Österreichischen Juristentag (2000), Band III / 2, S. 53, 58. 707 Begründung zum Entwurf des StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 95, basierend auf den Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF-Schriftenreihe 66, S. 36 f. 703 704
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abgewogen werden. Das schließt die Beurteilung ein, ob das gewählte Lenkungsmittel nicht so offensichtlich fehlsam ist, dass es als zur Erreichung des Ziels ungeeignet angesehen werden muss.
aa) Die Zielsetzung der Vermeidung der Doppelerfassung Die wirtschaftliche Betätigung als Kapitalanleger ist in einer Vielzahl verschiedener Formen möglich. Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft steht im Wettbewerb mit anderen renditestärkeren oder risikoärmeren Anlageformen. Gleichzeitig sind Unternehmen auf die Zuführung von Eigenkapital angewiesen, um als Produktionsfaktoren und Garanten von wirtschaftlicher Prosperität zu dienen. Wird dem kapitalistisch beteiligten Anteilseigner das steuerliche Privileg einer Vermeidung der Doppelerfassung des ausgeschütteten Kapitalgesellschaftsgewinns eingeräumt, dient dies der Attraktivitätssteigerung dieser Form der Geldanlage im Vergleich zu anderen Anlagemöglichkeiten. Der Gleichheitssatz verbietet nicht nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, unterschiedliche Sachverhalte den zwischen ihnen bestehenden Unterschieden entsprechend verschieden zu behandeln.708 Damit ist zu beurteilen, ob die Vorteile für das Gemeinwohl durch eine steuerliche Begünstigung der kapitalistischen Beteiligung eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips rechtfertigen können. Der Rechtfertigungsmaßstab ist nicht für jede Ungleichbehandlung identisch. Wird an Merkmale angeknüpft, die in der Person des Einzelnen begründet liegen, und kann deshalb der zur Ungleichbehandlung führende Zustand vom Grundrechtsträger nicht beeinflusst werden, ist der Gesetzgeber zu einer besonders konsequenten Verwirklichung des Gleichheitssatzes verpflichtet. Umgekehrt sind die Anforderungen an die Rechtfertigung geringer, wenn die Ungleichbehandlung aufgrund einer Lage eintritt, die das Grundrechtssubjekt zuvor selbst geschaffen hat.709 Die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips durch die steuerliche Begünstigung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne beim Kapitalgeber weist in zweifacher Hinsicht eine Verbindung zum Gleichheitssatz auf. Zunächst werden dessen Einkünfte anders behandelt als andere Anlageformen, die ebenfalls zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen, zum anderen wird er gleich behandelt wie der in einer Kapitalgesellschaft organisierte Unternehmer, der sich von der Art seiner wirtschaftlichen Betätigung deutlich von einem Kapitalanleger unterscheidet. Vgl. die Nachw. in Fn. 193. BVerfG, Beschl. v. 08. 06. 1993 – 1 BvL 20 / 85, BVerfGE 89, 15, 22; Birk, StuW 2000, 328, 335. 708 709
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(1) Ungleichbehandlung gegenüber anderen Formen der entgeltlichen Kapitalüberlassung Unterscheidet sich das Einkommen des kapitalistisch beteiligten Anteilseigners von dem der Gesellschaft, stellt der Verzicht des Steuergesetzgebers auf die vollständige Erfassung des Beteiligungsertrags beim Anteilseigner eine rechtfertigungsbedürftige Begünstigung gegenüber anderen Formen kapitalistischer Einkünfteerzielung dar. Durch die Möglichkeit der Auswahl unter einer Vielzahl von Anlageformen handelt es sich bei den Einkünften aus Kapitalvermögen um einen Besteuerungstatbestand, der in hohem Maße einer Gestaltung durch den Steuerpflichtigen offen steht. Der Steuerpflichtige ist leicht in der Lage, bei einer von ihm für ungünstig erachteten steuerlichen Folge auf andere Anlagemöglichkeiten auszuweichen. Das erlaubt es dem Gesetzgeber, bei der konkreten Ausgestaltung der Besteuerung in erhöhtem Maße Lenkungszwecke zu verwirklichen. Die steuerliche Begünstigung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften dient nicht nur der Förderung der Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten am unternehmerischen Produktivvermögen, sondern auch der Stärkung der Eigenkapitalbasis der Unternehmen. Die damit verbundene Unabhängigkeit von Krisen und Perioden wirtschaftlicher Stagnation ist ein Ziel, das für das Gemeinwohl in hohem Maße von Bedeutung ist und vom Steuergesetzgeber verfolgt werden darf. Dazu kommt, dass aufgrund der größeren Sozialfunktion von Unternehmenskapital gegenüber Finanzanlagen unternehmerisches Vermögen einer starken Sozialbindung unterliegt. Dies schlägt sich in den Bindungen des Arbeits- und Sozialrechts nieder.710 Besonders deutlich kommt die Sozialbindung bei der mitbestimmten Kapitalgesellschaft zum Ausdruck. Der Einfluss der Anteilseigner auf die Bestimmung der organschaftlichen Vertreter wird aus sozialstaatlichen Gründen stark eingeschränkt. Dem Gesetzgeber kann es nicht verwehrt werden, die aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) folgende, besonders umfassende Sozialbindung auf der steuerlichen Ebene zugunsten desjenigen zu berücksichtigen, der von ihr im Gegensatz zu anderen Steuerpflichtigen betroffen wird. Die umfassende rechtliche Bindung unternehmerischen Vermögens und die besondere soziale Wertigkeit derartiger Investitionen erlauben es, eine steuerliche Vergünstigung zu gewähren, und rechtfertigen die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Formen der Kapitalanlage.711
710 Knobbe-Keuk, DB 1989, 1303, 1306; Lang, StuW 1989, 3, 12. Das BVerfG hat im Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvR 552 / 91, BVerfGE 93, 165, 175 f. im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer die besondere Sozialfunktion unternehmerisch gebundenen Vermögens betont. 711 Auch Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 85 ff. hält eine Sondertarifierung als Sozialzwecknorm für (vorübergehend) gerechtfertigt.
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(2) Ungleichbehandlung gegenüber personalistisch beteiligten Gesellschaftern Eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechende Steuervergünstigung für den kapitalistisch beteiligten Gesellschafter wirft daneben die Frage nach einem Gleichheitsverstoß im Verhältnis zum Unternehmer auf, der sich in einer Kapitalgesellschaft organisiert hat. Der Gleichheitssatz könnte dadurch berührt werden, dass beiden eine hälftige Steuerfreistellung der Beteiligungserträge gewährt wird, obwohl die bestehenden Unterschiede eine Ungleichbehandlung erfordern würden. Die vermeintliche Ungleichbehandlung löst sich jedoch auf, wenn man sich die verschiedenen Gründe verdeutlicht, auf denen die steuerliche Behandlung jeweils basiert. Während die hälftige Steuerbefreiung beim Anteilseigner, der wirtschaftlich eine unternehmerähnliche Stellung in der Gesellschaft einnimmt, der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips dient, wird dieses im Fall des Kapitalgebers bewusst verlassen, um Lenkungszwecke zu verfolgen. Lenkungs- und Fiskalzwecke sind sich gegenseitig ausschließende Zweckbestimmungen einer Steuernorm; als solche sind sie einander nebengeordnet und dem Gleichheitssatz untergeordnet. Steuernormen mit Fiskalzweck und Lenkungsnormen gehören unterschiedlichen Normgruppen an, weil nur Fiskalzwecknormen eine Steuerwürdigkeitsentscheidung treffen. Lenkungsnormen nehmen einen an sich steuerwürdigen Sachverhalt von der Steuerpflicht aus oder unterwerfen einen steuerunwürdigen Sachverhalt dennoch der Besteuerung. Sie stellen eine bewusste Ungleichbehandlung dar, über deren Rechtfertigung auf der Grundlage einer Abwägung der betroffenen Belange zu entscheiden ist. Beide Normgruppen können deshalb nur je für sich an Art. 3 Abs. 1 GG, nicht aber untereinander gemessen werden.
bb) Wahl des Lenkungsmittels Verfolgt der Gesetzgeber mit einer Norm Lenkungszwecke, die zu einer Grundrechtsbeeinträchtigung führen, ist neben dem verfolgten Lenkungsziel auch das angewandte Lenkungsmittel einer Prüfung auf die Vereinbarkeit mit grundrechtlichen Schutzpositionen zu unterziehen. Erst aus dem Zusammenhang von Lenkungszweck und Lenkungsmittel kann die für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit essenzielle Zweck-Mittel-Relation gewonnen werden. Der Gesetzgeber hat sich mit der Unternehmenssteuerreform dazu entschlossen, die von ihm auch bereits zuvor verfolgte Vermeidung der steuerlichen Doppelerfassung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne in einer neuen Form zu verwirklichen. Er ist vom bisherigen Anrechnungsverfahren abgegangen und hat durch ermäßigte Körperschaftsbesteuerung und hälftige Freistellung der Gewinne von der persönlichen Einkommensbesteuerung des Anteilseigners die Steuervergünstigung auf Gesellschaft und Anteilseigner aufgeteilt. Der Anteilseigner, der 14 Wäckerlin
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4. Teil: § 3 c Abs. 2 EStG im System der Gesellschafterbesteuerung
selbst nur mit der Einkommensteuer belastet ist, profitiert mittelbar von der ermäßigten Körperschaftsbesteuerung durch die Zunahme des verfügbaren Ausschüttungsvolumens. (1) Bewertungsmaßstab Ob sich ein Mittel zur Erreichung eines definierten Zwecks voraussichtlich eignen wird, erfordert eine prognostische Einschätzung. Prognosen sind ihrer Natur nach mit Unsicherheiten über die Entwicklung der zukünftigen Verhältnisse behaftet, die sich auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vollumfänglich ausräumen lassen. Die Normsetzungskompetenz des Gesetzgebers umfasst die Übernahme des Prognoserisikos. Ihn trifft das Recht und die Verantwortung, abstraktgenerelle Rechtssätze aufzustellen, die auch sich erst in Zukunft verwirklichende tatsächliche Verhältnisse betreffen. Innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens besteht weitgehende Gestaltungsfreiheit, nicht jedoch das Recht zur Willkür. Basiert die Prognose auf unzutreffenden Annahmen oder sind die aus der Tatsachenbasis gezogenen Schlüsse offensichtlich fehlerhaft, kann diese keinen Bestand haben.712 (2) Gründe für das Halbeinkünfteverfahren Anlass für den Systemwechsel zum Halbeinkünfteverfahren waren Kompliziertheit und Missbrauchsanfälligkeit des Anrechnungsverfahrens. Durch die Aufhebung des Zusammenhangs zwischen Körperschaftsteuer und Einkommensteuer wurde die beim Anrechnungsverfahren erforderliche Gliederungsrechnung und das Bescheinigungsverfahren vermieden. Die definitive Belastung des augeschütteten Kapitalgesellschaftsgewinns mit Körperschaftsteuer schließt daneben die Anrechnung nicht gezahlter Steuern aus und vermeidet dadurch hervorgerufenes Missbrauchspotential. Schließlich stellt die Gleichbehandlung grenzüberschreitender und inländischer Kapitalverkehrsvorgänge die Wahrung der Grundfreiheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts sicher, die zuvor mangels zwischenstaatlicher Anrechnung nicht gewährleistet werden konnte.713 Der Gesetzgeber nimmt für sich den Gestaltungsspielraum in Anspruch, diese Unzulänglichkeiten durch einen Systemwechsel zu beseitigen.714 (3) Beurteilung Ob sich der Gesetzgeber in den Grenzen seines Gestaltungsspielraums hält, kann nicht aus einem Vergleich von altem und neuem System, von Anrechnungs- und 712 Strenger Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 373 f., der daher eine Rechtfertigung des Halbeinkünfteverfahrens als Lenkungsnorm ablehnt. 713 s. o. § 12 I., § 13. 714 Begründung zum StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 95.
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Halbeinkünfteverfahren folgen. Die Verfassung hindert den Gesetzgeber nicht daran, überhaupt einen Systemwechsel vorzunehmen. Die Freiheit, ein Regelungskonzept durch ein anderes zu ersetzen wird lediglich durch das Willkürverbot begrenzt.715 Ob das gesetzgeberische Anliegen auch durch eine Umgestaltung des Anrechnungsverfahrens hätte erreicht werden können und ob dessen Beibehaltung vorzugswürdig gewesen wäre, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht von Bedeutung. Zu beurteilen ist allein, ob die vom Gesetzgeber gewählte Lösung die Annahme rechtfertigt, das angestrebte Ziel erreichen zu können. Dies ist zu bejahen. Insbesondere die europarechtlichen Bedenken haben eine unveränderte Beibehaltung des Anrechnungsverfahrens ausgeschlossen.716 Durch den hälftigen Ausschluss der Einkünfte von der Bemessungsgrundlage nimmt der wirtschaftliche Vorteil durch die Steuervergünstigung mit dem Anstieg des persönlichen Einkommensteuersatzes zu. Steuerpflichtige, deren Einkünfte auch ohne die hälftige Freistellung der ausgeschütteten Kapitalgesellschaftsgewinne den Grundfreibetrag nicht übersteigen würden, können durch diese keinen steuerlichen Vorteil erzielen. Werden durch die Steuervergünstigung dagegen Einkünfte freigestellt, die ansonsten dem Grenzsteuersatz unterlägen, ergibt sich bezogen auf die gesamte Gewinnausschüttung eine steuerliche Verschonung von über 20 v.H. Durch die Minderung der Bemessungsgrundlage anstelle eines pauschalen Abzugs von der Steuerschuld wird die Progressionswirkung für die betroffenen Einkünfte abgemildert; dies bedarf einer Rechtfertigung.717 Die Begünstigung der Geldanlage in risikobehafteten Kapitalgesellschaftsanteilen gegenüber anderen Anlageformen verfolgt durch die Stärkung der Eigenkapitalausstattung vorwiegend wirtschaftspolitische Zielsetzungen, so dass dem Gesetzgeber ein weitergehender Spielraum zukommt als bei sozialpolitischen Zwecken. Die beabsichtigte Stärkung der Innenfinanzierung lässt sich nur verwirklichen, wenn auch Steuerpflichtige angesprochen werden, die über ausreichend hohe disponible Einkünfte für eine entsprechende Investition verfügen. Gerade besser verdienende Arbeitnehmer und Selbständige ziehen dem Erwerb von Kapitalgesellschaftsanteilen oft andere Formen der Kapitalanlage vor. Diese Kapitalströme sind wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung, weil sie im internationalen Vergleich entscheidend zur unterdurchschnittlichen Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen beitragen.718 Deshalb erscheint die durch die hälftige Steuerfreistellung bewirkte Minderung der Bemessungsgrundlage nicht unvertretbar, um gerade diese Kreise potentieller Investoren anzusprechen.
715 Birk, StuW 2000, 328, 334. Nicht anders Hey, DStJG Sonderband (2001), 5, 6; Maurer in: Isensee / Kirchhof, HStR III, § 60 Rn. 63. 716 Vgl. dazu o. § 13. 717 s. o. § 9 VI. 4. 718 Knobbe-Keuk, DB 1989, 1303, 1305 f.
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cc) Zwischenergebnis Die hälftige Steuerfreistellung der Beteiligungserträge stellt beim kapitalistisch beteiligten Anteilseigner eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips dar. Die wirtschaftliche Stärkung unternehmerischer Betätigung durch Bereitstellung von Eigenkapital und die Förderung der Teilhabe großer Kreise der Bevölkerung am unternehmerischen Produktivvermögen dienen wichtigen Gemeinwohlanliegen und sind als Lenkungsziel geeignet. Die hälftige Steuerfreistellung des ausgeschütteten Körperschaftsgewinns stellt folglich ein zulässiges Lenkungsmittel zur Verfolgung dieses Zwecks dar.
IV. Vereinbarkeit der Abzugsbeschränkung mit dem Gleichheitssatz 1. Objektives Nettoprinzip Die Verfassungsmäßigkeit der Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG ist vom soeben dargelegten systematischen Verständnis der hälftigen Steuerbefreiung abhängig, mit der die Norm korrespondiert. § 3 c Abs. 2 EStG folgt als Spezialnorm der Grundregel des § 3 c Abs. 1 EStG und teilt deren Geltungsgrund in Bezug auf das Leistungsfähigkeitsprinzip. Als Ausdruck dieser Spezialität wird insbesondere der Verzicht auf das Merkmal der Unmittelbarkeit bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Zusammenhangs verstanden.719 Auch der Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG liegt damit als Regelungszweck die Vermeidung einer doppelten Begünstigung durch Steuerfreiheit der Einnahmen und vollständiger Berücksichtigung des hierfür anfallenden Erwerbsaufwands zugrunde.720 Dementsprechend erfährt die Abzugsbeschränkung ihre innere Rechtfertigung nur, wenn es sich bei der hälftigen Steuerfreistellung durch § 3 Nr. 40 EStG um eine Steuervergünstigung mit Subventionscharakter handelt. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Unterschied zwischen „echter“ und „technischer“ Steuerbefreiung. Mit „echter“ Steuerbefreiung wird der Fall einer lenkungspolitischen Steuerbefreiung umschrieben, bei der entsprechend dem Normzweck des § 3 c Abs. 1 EStG eine zweifache Begünstigung vermieden werden muss. Um eine „technische“ Steuerbefreiung handelt es sich dagegen, wenn das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Freistellung von der Besteuerung gebietet und mit der Steuerbefreiung diesem Erfordernis Rechnung getragen wird. Diese „technische“ Steuerbefreiung weist demnach keinen Bezug zum Normzweck des § 3 c Abs. 1 EStG auf und ist ohne Rücksicht auf den systematischen Hintergrund in FG Düsseldorf, Urt. v. 10. 03. 2003 – 13 K 5410 / 02 E, EFG 2003, 1070 f. Crezelius, DB 2002, 1124; Korn / Strahl in: Korn, EStG, Aktuelles, StSenkG Rn. 48.1; Strunk, ebd., § 3 c Rn. 24. 719 720
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§§ 3, 3 c EStG nur eingereiht worden, weil sich hier auch andere Befreiungstatbestände befinden. Die hälftige Steuerbefreiung durch das Halbeinkünfteverfahren weist – wie zuvor gezeigt – eine Doppelnatur auf. Sie dient beim personalistisch beteiligten Anteilseigner durch Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Nimmt der Anteilseigner in der Gesellschaft die Stellung eines Kapitalgebers ein, stellt sie eine zulässige Steuervergünstigung mit Lenkungscharakter dar. Diese Janusköpfigkeit überträgt sich auf die Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG, die mit dem Einnahmetatbestand korrespondiert und dessen steuersystematischen Charakter teilt. Ist der Anteilseigner wirtschaftlich Kapitalgeber, entspricht einer leistungsfähigkeitskonformen Besteuerung die Erfassung der Beteiligungserträge beim Anteilseigner; der hälftigen Steuerfreistellung kommt der Charakter einer Steuervergünstigung zu. Diese Steuervergünstigung wird durch die Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG ergänzt und vervollständigt. Der Ausschluss korrespondierender Aufwendungen trägt dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 3 c EStG Rechnung, dass der Steuerpflichtige nicht durch die Kombination aus Steuervergünstigung und vollem Ausgabenabzug zweifach begünstigt werden soll. Die der Abzugsbeschränkung zugrunde liegende Regelungsidee entfaltet somit die ihr zugedachte Wirkung. Weil es sich bei der hälftigen Freistellung der Beteiligungserträge um eine „echte“ steuerliche Verschonung handelt, entspricht dem objektiven Nettoprinzip in diesem Fall eine Beschränkung der korrespondierenden Aufwendungen. Wird die Steuerbefreiung nur für einen Teil der Einkünfte gewährt, ist die Abzugsbeschränkung ebenfalls nur anteilig anzusetzen. Nach alledem verstößt die hälftige Freistellung der Beteiligungserträge von der Einkommensteuer beim kapitalistisch beteiligten Anteilseigner nicht gegen den Gleichheitssatz. Für den personalistisch beteiligten Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft gilt dies dagegen nicht. Die Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung durch die hälftige Steuerbefreiung trägt den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips Rechnung. Dieser Funktionszusammenhang überträgt sich auf die Rechtsnatur der Abzugsbeschränkung für korrespondierende Aufwendungen. Ist die Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung auf der Ebene des Anteilseigners durch das Leistungsfähigkeitsprinzip vorgegeben, stellt die hälftige Steuerbefreiung keine Steuervergünstigung mit Subventionscharakter dar. Es handelt sich mithin um eine „technische“ Steuerbefreiung, die an die Stelle des bislang praktizierten Anrechnungsverfahrens getreten ist und deren systematische Platzierung im Katalog des § 3 EStG der technischen Umsetzung des Befreiungstatbestandes in das Besteuerungsverfahren dient. Die Abzugsbeschränkung für korrespondierenden Beteiligungsaufwand verfehlt hier die ihr zugrunde liegende Regelungsidee, eine zweifache Begünstigung durch hälftige Steuerfreistellung und vollen Ausgabenabzug zu vermeiden, weil nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip keine Rechtfertigung für die Abzugsbeschränkung besteht. Eine Beschränkung des
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Abzugs korrespondierender Ausgaben stellt daher einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip dar. 2. Gebot der Folgerichtigkeit In der Tatsache dass die Herstellung einer ertragsteuerlichen Einmalbelastung des Gewinns durch das Zusammenwirken von hälftiger Steuerbefreiung und korrespondierender Abzugsbeschränkung nicht erreicht wird, sieht Schön einen Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit, der zur Verfassungswidrigkeit des § 3 c Abs. 2 EStG führe.721 In die gleiche Richtung geht die Argumentation von Haep und Nacke, die in der hälftigen Abzugsbeschränkung ebenfalls eine Verletzung des Gebots der Folgerichtigkeit erblicken.722 Das verfassungsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit verpflichtet den Gesetzgeber, die von ihm getroffene Belastungsentscheidung konsequent umzusetzen. Er darf von dem gewählten Ordnungsprinzip nicht ohne besonderen Grund abweichen.723 Aus dem Gebot der Folgerichtigkeit ergibt sich die Pflicht, auch die Besteuerung ausgeschütteter Kapitalgesellschaftsgewinne beim Anteilseigner entsprechend den zugrunde gelegten Wertungen auszugestalten. Mit dem Halbeinkünfteverfahren will der Gesetzgeber die Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne in pauschaler Form beseitigen.724 Diese Zielsetzung wird durch eine Trennung des Einnahmetatbestands vom Ausgabentatbestand verfolgt. Von der ebenfalls erwogenen Möglichkeit, stattdessen den Nettobetrag mit dem halben persönlichen Einkommensteuersatz zu besteuern, wurde keinen Gebrauch gemacht.725 Dementsprechend finden sich hälftige Steuerbefreiung der Einkünfte und hälftige Abzugsbeschränkung in unterschiedlichen Normen. Mit der Platzierung der Abzugsbeschränkung in § 3 c Abs. 2 EStG hat der Gesetzgeber seine Belastungsentscheidung dahin konkretisiert, dass diese systematisch den Charakter des § 3 c Abs. 1 EStG teilen und eine Spezialnorm zu diesem Grundtatbestand darstellen soll. Dies bedeutet für die Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG die Berücksichtigung des Regelungsgedankens, der allgemein Abzugsbeschränkungen nach § 3 c EStG kennzeichnet.726 Der Gesetzgeber ist dabei davon ausgegangen, über Art und Umfang einer Abmilderung der Vorbelastung des ausgeschütteten Gewinns mit Körperschaftsteuer Schön, FR 2001, 381, 387. Haep / Nacke in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. R 3. Die dort zitierten Literaturnachweise beziehen sich allerdings überwiegend auf den Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip. 723 s. o. § 9 IV. 724 Begründung zum StSenkG, BT-Drucks. 14 / 2683, S. 94. 725 Vgl. Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, FR 2001, Beilage zu Heft 11, S. 22. 726 Zur Rechtsnatur des § 3 c Abs. 1 EStG s. o. § 17 I. 721 722
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nach eigenem Ermessen entscheiden zu können, ohne an verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden zu sein.727 Demnach entspricht es der mit § 3 c EStG getroffenen gesetzgeberischen Belastungsentscheidung, die mit dieser – vermeintlich – freigiebigen Steuervergünstigung korrespondierenden Aufwendungen im Umfang der Begünstigung nicht zum Abzug zuzulassen. Diese Umsetzung der Abzugsbeschränkung wird man daher – ausgehend vom Standpunkt des Gesetzgebers – nicht als Verstoß gegen das Gebot der Folgerichtigkeit ansehen können. Dass die Annahme des Gesetzgebers, von rechtlichen Bindungen frei zu sein, irrig ist und die Vernachlässigung des personalistisch beteiligten Gesellschafters gegen das objektive Nettoprinzip verstößt, berührt die Folgerichtigkeit der gesetzlichen Regelung nicht. Nur was vom Gesetzgeber bei der Normsetzung tatsächlich bedacht worden ist, kann eine Grundlage der Belastungsentscheidung bilden und bei inkonsequenter Umsetzung zu einem Verstoß gegen das Gebot der Folgerichtigkeit führen.
V. Vereinbarkeit der Abzugsbeschränkung mit Freiheitsgrundrechten 1. Verfassungsrechtlicher Maßstab Da steuerliche Normen nicht nur dem Gleichheitssatz entsprechen müssen, sondern auch die sich aus den Freiheitsgrundrechten ergebenden Anforderungen zu beachten sind, ist noch auf die Vereinbarkeit der Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG mit der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie einzugehen. Das zuweilen zweifelhafte Verhältnis von Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie kann für den Bereich der Gesellschafterbesteuerung dahin konkretisiert werden, dass die Berufsfreiheit das unternehmerische, die Eigentumsfreiheit das kapitalistische Element abbildet. Dementsprechend kommt Art. 12 Abs. 1 GG dort zum Tragen, wo die personenbezogene Tätigkeit als Unternehmer im Vordergrund steht, während Art. 14 Abs. 1 GG eingreift, wenn der Steuerpflichtige an einer Gesellschaft als Kapitalgeber beteiligt ist. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG decken sich bei der Besteuerung des Anteilseigners, soweit sie jeweils auch vor Eingriffen durch das Steuerrecht schützen, die zu einer erdrosselnden Besteuerung führen. Dies ist dort der Fall, wo durch die Steuernorm eine Eigentumsposition faktisch entwertet bzw. eine erwerbswirtschaftliche Betätigung mittelbar verboten wird.728
727 728
Begründung zum KStG 1977, BT-Drucks. 7 / 1470, S. 326. Siehe zum Ganzen o. § 15.
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2. Beurteilung des § 3 c Abs. 2 EStG Betrifft der Regelungsgehalt des § 3 c Abs. 2 EStG den Einsatz der Gesellschaftsbeteiligung zum Zwecke der Kapitalnutzung, begegnet er unter freiheitsgrundrechtlichen Aspekten keinen Bedenken. Unternehmerische Ertragserzielung und Kapitalnutzung sind hier als zwei selbständige Einkünfteerzielungstatbestände zu begreifen. Für die Besteuerung des Anteilseigners relevant ist allein die einkommensteuerliche Belastung des ausgeschütteten Gesellschaftsgewinns. Die hälftige Steuerfreistellung stellt im Vergleich zu sonstigen Kapitaleinkünften und Einkünften aus anderen Einkunftsarten eine Steuervergünstigung dar; die Ausgabenabzugsbeschränkung ist entsprechend dem Rechtsgedanken des § 3 c EStG gerechtfertigt. Eine erdrosselnde Besteuerung kann daher schon ansatzweise nicht vorliegen. Anders kann dies beim personalistisch beteiligten Anteilseigner zu beurteilen sein. Die Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG bewirkt hier, dass kein voller Ausgabenabzug möglich ist und sich dadurch die effektive Steuerbelastung erhöht. Eine erdrosselnde Besteuerung liegt jedoch erst vor, wenn dadurch die Ausübung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung faktisch unmöglich gemacht wird und die Besteuerung in eine Norm mit Verbotscharakter umschlägt. Dies lässt sich für § 3 c Abs. 2 EStG nicht annehmen.729 Die unternehmerische Betätigung in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft wird dadurch nicht unmöglich gemacht, von einem faktischen Verbot der Gründung personenbezogener Kapitalgesellschaften kann keine Rede sein. Schon die nicht unerhebliche Zahl personalistisch strukturierter Kapitalgesellschaften und die in § 1 GmbHG, § 2 AktG ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit, Einmanngesellschaften zu gründen, sprechen entscheidend dagegen, dass mit der gegenwärtigen Unternehmensbesteuerung in der Sache ein verwaltungsrechtliches Verbot aufgestellt werden soll. In ihrer gegenwärtigen Form verstößt die Besteuerung des personalistisch beteiligten Anteilseigners nicht gegen die Berufsfreiheit. Die Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG stellt somit keinen Verstoß gegen Freiheitsgrundrechte des Anteilseigners dar.
§ 18 Rechtsfolge der teilweisen Verfassungswidrigkeit I. Vermischung von Fiskal- und Lenkungszweck Die Ausgabenabzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG bewegt sich zwischen „echter“ und „technischer“ Steuerbefreiung, zwischen Fiskalzweck- und Lenkungsnorm. Mit der hälftigen Steuerbefreiung für Beteiligungserträge von kapita729 Anders Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 407 ff., der durch § 3 c Abs. 2 EStG die Berufsfreiheit verletzt sieht. Dem liegt aber die Prämisse zugrunde, Art. 12 Abs. 1 GG beinhalte ein Gebot der Rechtsformneutralität. Dass dies nicht der Fall ist, wurde bereits dargelegt (s. o. § 11 III.).
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listisch beteiligten Anteilseignern verbindet der Gesetzgeber zulässigerweise Lenkungsziele. Der Lenkungszweck steht neben der Bedeutung der Steuerbegünstigung als eine durch das Leistungsfähigkeitsprinzip bedingte Fiskalzwecknorm für personalistisch beteiligte Anteilseigner, die im Abzugstatbestand des § 3 c Abs. 2 EStG hätte Berücksichtigung finden müssen. Die Abzugsbeschränkung weist damit strukturelle Ähnlichkeit mit anderen steuerlichen Tatbeständen auf, die Fiskal- und Lenkungszweck in sich vereinen. Das ist beim Kindergeld der Fall, welches je nach den persönlichen Verhältnissen des Empfängers der Berücksichtigung geminderter Leistungsfähigkeit durch zwangsläufig anfallenden Kindesunterhalt und der Familienförderung dient. Soweit das Kindergeld als Sozialleistung fungiert, trägt es nicht der gleichmäßigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Rechnung.730 Deutlich wird dies in § 31 S. 2 EStG, der den Charakter des Kindergeldes bestimmt. Danach dient das Kindergeld gleichzeitig der Berücksichtigung einer kindbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit und der sozialpolitisch wünschenswerten Förderung der Familie. Nach dem subjektiven Nettoprinzip731 stellt der existenznotwendige Bedarf des Kindes kein disponibles Einkommen dar, so dass dieser aus der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Einkommens auszuscheiden ist. Dieser Anforderung des Gleichheitssatzes wird durch den Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) Rechnung getragen. Wenn das laufend gezahlte Kindergeld den Kinderfreibetrag erreicht, tritt es an dessen Stelle. Soweit es diesen übersteigt, dient das Kindergeld nicht mehr der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips, sondern ändert seine Rechtsnatur in eine staatliche Sozialleistung. So kommt dem Kindergeld jedenfalls im mittleren Einkommenssegment eine Doppelnatur zu.732 In welchem Maße jeder der beiden gegenläufigen Zwecke letztlich verwirklicht wird, lässt sich der Norm weder entnehmen noch durch Auslegung ermitteln. In seiner gegenwärtigen Konzeption dient das Kindergeld in jeweils unterschiedlichem Umfang fiskalischen und nichtfiskalischen Zwecken, deren Anteil am gesamten Kindergeld nur einzelfallbezogen bestimmt werden kann. Diese Kombination von Fiskal- und Sozialzweck in einer steuerlichen Norm wird vom Bundesverfassungsgericht gebilligt.733 Im Schrifttum wird diese Regelungstechnik aber abgelehnt. Eine steuerliche Begünstigung in einer SubventionsJachmann in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 31 Rn. A 8 a. Zum subjektiven Nettoprinzip als Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips s. o. § 9 III. 2. 732 Heuermann, FR 2000, 248, 250; Jachmann in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 31 Rn. A 8. 733 BVerfG, Beschl. v. 29. 05. 1990 – 1 BvL 20 / 86 u. a., BVerfGE 82, 60, 84: „Dem Gesetzgeber steht es frei, die kindbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit entweder im Steuerrecht zu berücksichtigen oder ihr statt dessen im Sozialrecht durch die Gewährung eines dafür ausreichenden Kindergeldes Rechnung zu tragen oder auch eine Entlastung im Steuerrecht und eine solche durch das Kindergeld miteinander zu kombinieren.“. Ebenso Kanzler in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 31 Rn. 10. 730 731
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norm müsse mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich bestimmt sein, der Sozialzweck mithin in der Norm zum Ausdruck kommen. Der Grundsatz der Normbestimmtheit verbiete es, Vorschriften mit lenkendem Charakter in Fiskalzwecknormen zu „verstecken“.734 Aus Gründen des rechtsstaatlichen Erfordernisses der Normbestimmtheit sei der Gesetzgeber gehalten, Art und Umfang der Lenkungswirkung erkennbar zu machen, wenn er diese nicht durch einen direkten Normbefehl verwirklichen wolle.735 Für das Steuergesetz ist zu fordern, dass der Gesetzgeber nicht nur zum Ausdruck bringt, dass Lenkungszwecke beim Erlass der Steuernorm mitursächlich gewesen sind, sondern auch inwieweit der Norm ein fiskalischer bzw. lenkender Charakter zukommt. Die gegenwärtige Regelung des Kindergeldes wird deshalb in der Literatur für steuersystematisch bedenklich gehalten.736 Für die Ausgabenabzugsbeschränkung gelten diese steuersystematischen Bedenken gegen die Vermischung von Fiskal- und Lenkungszweck in gleicher Weise. Auch die Regelung des § 3 c Abs. 2 EStG leidet daran, dass sie sowohl den personalistisch als auch den kapitalistisch beteiligten Anteilseigner unterschiedslos umfasst, obwohl der Normzweck in diesen Fällen jeweils verschieden ist. Gleichwohl vermag die Tatsache einer Verwirklichung von Fiskal- und Lenkungszweck in demselben steuerlichen Tatbestand – und sei es auch in unüberschaubarer Form – für sich genommen das Verdikt der Verfassungswidrigkeit noch nicht zu begründen.737 Bei § 3 c Abs. 2 EStG besteht zusätzlich die Besonderheit, dass mit der Abzugsbeschränkung nicht nur Fiskal- und Lenkungszweck kombiniert werden, sondern mit der Einordnung in die eine oder die andere Kategorie zusätzlich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit oder Unzulässigkeit determiniert wird. Der Übergang von der Fiskal- zur Lenkungsnorm im Rahmen des § 3 c Abs. 2 EStG vollzieht sich entsprechend der Stellung des Anteilseigners in der Gesellschaft, die der gesellschaftsrechtlichen Disposition und der tatsächlichen Durchführung der Beteiligten unterliegt. Auch innerhalb einer Gesellschaft können mehrere Anteilseigner in unterschiedlicher Weise Merkmale kapitalistischer oder unternehmerischer Einkünfteerzielung verwirklichen.
734 Glanegger in: Schmidt, EStG, § 31 Rn. 17; Hey, DStJG 24 (2001), 155, 179; Lang in: Tipke / ders., Steuerrecht, § 4 Rn. 21 f., § 9 Rn. 95; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 266 ff.; Lieber, DStZ 1997, 207, 210 f.; Seer / Wendt, NJW 2000, 1904, 1905, teilweise unter Berufung auf BVerfG, Beschl. v. 22. 06. 1995 – 2 BvL 37 / 91, BVerfGE 93, 121, 148. 735 Zur Normenklarheit bei Lenkungsnormen s. o. § 9 VI. 3. 736 Jachmann in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG, § 31 Rn. A 9; dies. in: Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, § 31 Rn. 1 und die Nachw. in Fn. 734. 737 Ebenso Jachmann in: Kirchhof, EStG-Kompaktkommentar, § 31 Rn. 1, die die Grundstruktur des Familienleistungsausgleichs trotz der systematischen Bedenken verfassungsrechtlich nicht beanstandet.
§ 18 Rechtsfolge der teilweisen Verfassungswidrigkeit
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Damit stellt sich die Frage, welche Wirkung eine Norm entfaltet, die mit dem Gleichheitssatz nicht vollumfänglich, aber teilweise unvereinbar ist. Der Grundsatz der Gewaltenteilung gebietet es, den gesetzgeberischen Willen in dem Umfang aufrechtzuerhalten, wie er sich mit der Verfassung vereinbaren lässt. Eine Gesamtnichtigkeit kommt allein dort in Betracht, wo eine Teilnichtigerklärung zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes nicht ausreicht.738 Aus dem verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken des § 139 BGB ergibt sich, dass dies der Fall ist, wenn durch die Teilnichtigerklärung ein inoperabler Gesetzestorso zurückgelassen würde.739 Auch das Bundesverfassungsgericht hat in diesen Fällen ein verfassungswidriges Gesetz in vollem Umfang für nichtig erklärt.740 Kann dagegen der verfassungswidrige Teil des Gesetzestextes aufgrund des Wortlauts oder des Sinngehalts ausgeschieden werden (quantitative Teilnichtigkeit) oder lassen sich, ohne dass der Normtext berührt wird, durch Auslegung der Norm die verfassungswidrigen Anwendungsfälle identifizieren und umschreiben (qualitative Teilnichtigkeit) ist eine Teilnichtigerklärung möglich und erforderlich.741 Aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit der Abzugsbeschränkung ergibt sich somit die Frage, in welchem Umfang der Norm des § 3 c Abs. 2 EStG Geltung zugesprochen werden kann. Die Abzugsbeschränkung kann in dem mit dem Gleichheitssatz vereinbaren Umfang aufrechterhalten werden, wenn eine quantitative oder qualitative Teilnichtigkeit vorliegt.
II. Quantitative Teilnichtigkeit Bei einer quantitativen Teilnichtigkeit lassen sich aufgrund des Wortlauts oder des Sinngehalts der Norm die verfassungswidrigen von den übrigen Anwendungsfällen der Norm trennen. Eine quantitative Teilnichtigkeit ist demnach möglich, wenn mehrere Tatbestände, die jeweils für sich einen eigenständigen Sinnzusammenhang aufweisen, im Normtext zusammengefasst sind. Um danach § 3 c Abs. 2 EStG insoweit aufrechterhalten zu können, wie das Leistungsfähigkeitsprinzip dies zulässt, müssten sich der Norm Anhaltspunkte zur Ermittlung der Reichweite des Lenkungscharakters und zur erforderlichen Unterscheidung von kapitalistisch und personalistisch beteiligtem Anteilseigner entnehmen lassen. Klein in: Benda / ders., Verfassungsprozessrecht, Rn. 1263. Klein in: Benda / ders., Verfassungsprozessrecht, Rn. 1262; Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 74 ff. 740 BVerfG, Beschl. v. 12. 11. 1958 – 2 BvL 4 / 56 u. a., BVerfGE 8, 274, 301; BVerfG, Beschl. v. 16. 06. 1959 – 2 BvF 5 / 56, BVerfGE 9, 305, 333; BVerfG, Urt. v. 30. 10. 1962 – 2 BvF 2 / 60 u. a., BVerfGE 15, 1, 24 f.; BVerfG, Urt. v. 16. 06. 1981 – 1 BvL 89 / 78, BVerfGE 57, 295, 334 f.; BVerfG, Beschl. v. 31. 05. 1990 – 2 BvL 12 / 88 u. a., BVerfGE 82, 159, 189. 741 Klein in: Benda / ders., Verfassungsprozessrecht, Rn. 1264. Zu den Begriffen Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 90 ff. 738 739
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4. Teil: § 3 c Abs. 2 EStG im System der Gesellschafterbesteuerung
Die für die Besteuerung des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft systematisch bedeutsame Regelung der Abzugsbeschränkung findet sich in Satz 1 der Norm. Der Beschränkungstatbestand des § 3 c Abs. 2 S. 1 EStG betrifft Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben und Werbungskosten, die mit hälftig steuerbefreiten Beteiligungseinkünften korrespondieren. Durch die Bezugnahme auf die in § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 3 und § 9 Abs. 1 EStG enthaltenen gesetzlichen Begriffe werden verschiedene Formen von Aufwendungen innerhalb der steuerbaren Sphäre umschrieben, ohne nach der Person des Anteilseigners zu differenzieren. Art und Umfang der Beteiligung sind für den Tatbestand der Abzugsbeschränkung bedeutungslos, wenn die Einkünfte der hälftigen Steuerbefreiung unterliegen. Auch Sinn und Zweck lassen keine Begrenzung des Normtextes zu. Konzipiert ist die Regelung als Gegenstück zur hälftigen Freistellung der Beteiligungserträge durch § 3 Nr. 40 EStG, der einen Katalog einzelner Anwendungsfälle des Halbeinkünfteverfahrens enthält. Die Ordnung innerhalb der aufgezählten Tatbestände orientiert sich an den verwirklichten Einkunftsarten, die ihrerseits an die zivilrechtliche Rechtsform der Gesellschaft anknüpfen. Die Sätze 2 bis 4 des § 3 c Abs. 2 EStG enthalten gegenüber Satz 1 weitere Anwendungsfälle und Regelungen für besondere Arten von Unternehmensbeteiligungen, die als Anknüpfungspunkt für eine Begrenzung der normierten Rechtsfolge ausscheiden. Dementsprechend ist es nicht möglich, aufgrund des Wortlauts oder des Sinnzusammenhangs des § 3 c Abs. 2 EStG diejenigen Anwendungsfälle der Abzugsbeschränkung auszuscheiden, in denen diese zu einem nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbaren Ergebnis führt.
III. Qualitative Teilnichtigkeit Auch ohne Berücksichtigung des Gesetzeswortlauts kann eine Teilnichtigerklärung erfolgen, wenn sich die verfassungswidrigen Anwendungsfälle durch eine Auslegung ermitteln lassen. In diesem Falle können Normteile vom Bundesverfassungsgericht „nach Maßgabe der Gründe“ für nichtig erklärt werden.742 Fraglich ist damit, ob sich der Normtext des § 3 c Abs. 2 EStG durch die anerkannten Auslegungsmethoden so eingrenzen lässt, dass er nur die Fälle erfasst, in denen die Abzugsbeschränkung gegen das objektive Nettoprinzip verstößt. Der qualitativen Teilnichtigkeit entspricht damit der Sache nach eine verfassungskonforme Auslegung. Eine historische Auslegung ist unergiebig, weil die Abzugsbeschränkung des § 3 c Abs. 2 EStG durch die Unternehmenssteuerreform erstmals in das deutsche 742 Dies wird vom Bundesverfassungsgericht praktiziert, obwohl dadurch die nach § 31 Abs. 2 S. 3 BVerfGG vorgesehene Publikation der Entscheidungsformel nicht mehr ausreicht, um den Norminhalt zu erfassen. Vgl. exemplarisch BVerfG, Urt. v. 03. 03. 2004 – 1 BvR 2378 / 98 u. a., BGBl. I 2004, S. 470 zur strafprozessualen Telefonüberwachung.
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Einkommensteuerrecht eingeführt wurde, mithin ohne historisches Vorbild ist. Der Inhalt des § 3 c Abs. 2 S. 1 EStG bestand von Anfang an und ist von den zwischenzeitlichen Gesetzesänderungen unberührt geblieben, so dass im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens keine Regelung existiert, die als Ausgangspunkt einer Auslegung dienen könnte. Das zuvor geltende Anrechnungsverfahren ist vom Halbeinkünfteverfahren konzeptionell so verschieden, dass sich keine Parallelen zwischen dem Rechtszustand vor und nach der Unternehmenssteuerreform herstellen lassen. Die systematische Stellung der Norm im Gefüge der §§ 3 ff. EStG spricht für einen Zusammenhang der Abzugsbeschränkung mit einer „echten“ Steuervergünstigung. Zwar sind die Tatbestände der §§ 3, 3 b EStG unsystematisch zusammengestellt und enthalten Gesichtspunkte der Sozialpolitik oder Steuervereinfachung, internationale Gepflogenheiten oder Förderungsanreize,743 erkennbare Gemeinsamkeit ist aber, dass sie überwiegend sachliche Begünstigungstatbestände enthalten. § 3 c Abs. 2 EStG sichert systematisch den Gleichklang von hälftiger Steuerbefreiung und hälftiger Abzugsbeschränkung.744 Die Norm ist damit auf alle Fälle bezogen, in denen die Einnahmen nach dem Halbeinkünfteverfahren steuerbegünstigt sind. Diese hälftige Ausgabenabzugsbeschränkung ist aber nicht in allen Fällen gerechtfertigt, in denen die korrespondierenden Einnahmen hälftig steuerbefreit sind. Eine systematische Trennung derjenigen Anwendungsfälle des § 3 c Abs. 2 EStG, in denen die Abzugsbeschränkung dem Leistungsfähigkeitsprinzip widerspricht, lässt sich der Norm indessen nicht entnehmen. Einzig eine teleologische Reduktion der Vorschrift mit dem Ziel, deren Anwendungsbereich auf Fälle zu begrenzen, in denen mit der hälftigen Steuerfreistellung außerhalb des Leistungsfähigkeitsprinzips liegende Subventionszwecke verwirklicht werden, könnte daher Grundlage einer qualitativen Teilnichtigkeit sein. Eine dem Telos des § 3 c EStG entsprechende doppelte Begünstigung liegt nicht vor, wenn die Steuerfreistellung der Berücksichtigung einer geminderten Leistungsfähigkeit dient. § 3 c Abs. 2 EStG vereinigt „echte“ und „technische“ Steuervergünstigung, eine Trennung dieser beiden Tatbestände aufgrund einer teleologischen Betrachtung müsste durch den der Norm zugrunde liegenden Sinngehalt ermöglicht werden. Das der Abzugsbeschränkung immanente Regelungskonzept besteht jedoch gerade darin, den Abzug der Aufwendungen in allen Fällen auszuschließen, in denen die korrespondierenden Einnahmen hälftig steuerbefreit sind, ohne die typologische Stellung des Anteilseigners in der Kapitalgesellschaft zu berücksichtigen. Diesem Regelungsgedanken entsprechend sind die beiden relevanten Tatbestände – kapitalistisch und personalistisch beteiligter Anteilseigner – in der Abzugsbeschränkung ununterscheidbar miteinander kombiniert. Eine teleologische Reduktion auf diejenigen Anwendungsfälle, in denen § 3 c Abs. 2 EStG Vgl. die Nachw. in Fn. 679. Haep / Nacke in: Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, § 3 c Rn. R 3; Trossen, ebd., § 3 c Rn. J 01 - 2. 743 744
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der Charakter einer „echten“ Steuervergünstigung zukommt, scheidet somit ebenfalls aus.
IV. Ergebnis Durch die Vermischung von Fiskal- und Lenkungszweck im Tatbestand der Ausgabenabzugsbeschränkung und den fließenden Übergang beider Zwecke ineinander lassen sich die leistungsfähigkeitskonformen Anwendungsfälle der Abzugsbeschränkung nicht aus dem Gesamtumfang der Norm extrahieren, so dass § 3 c Abs. 2 EStG nicht nur als steuersystematisch verfehlt, sondern auch insgesamt als verfassungswidrig anzusehen ist. Die in der Literatur bestehende Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 3 c Abs. 2 EStG wegen Verstoßes gegen das objektive Nettoprinzip erweist sich damit allerdings nur im Ergebnis als zutreffend, weil in der Begründung von einem gänzlich verschiedenen Strukturmodell der Unternehmensbesteuerung auszugehen ist.
Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Äquivalenzgesichtspunkte sind zur Rechtfertigung einer Ertragsbesteuerung ungeeignet. Das gilt auch, wenn die Körperschaftsteuer als partielle Unternehmenssteuer aufgefasst wird. Der für die Ertragsbesteuerung allein sachgerechte steuertheoretische Grundsatz ist das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. 2. Die Körperschaftsteuer ist eine eigenständige Steuer auf den Ertrag von Körperschaften. Die Leistungsfähigkeit der Körperschaft ist unabhängig von Thesaurierung oder Ausschüttung vorhanden, so dass die Annahme einer nur vorläufigen bzw. vorübergehenden Leistungsfähigkeit nicht in Betracht kommt. 3. Die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Besteuerung des Anteilseigners einer Gesellschaft ergeben sich aus Kapitalverkehrsfreiheit und Niederlassungsfreiheit. Beide Freiheiten sind infolge ihres unterschiedlichen Gewährleistungsgehalts nebeneinander anwendbar. 4. Grundlegende verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Unternehmensbesteuerung sind Gleichheitssatz, Eigentumsgarantie und Berufsfreiheit. Der steuertheoretische Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist im Gleichheitssatz verfassungsrechtlich verankert. Aus ihm folgt auch die Pflicht, Erwerbsaufwendungen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage mindernd zu berücksichtigen. 5. Aus Eigentumsgarantie und Berufsfreiheit ergibt sich das Verbot einer erdrosselnden Besteuerung, durch die die einkünfteerzielende Betätigung in der Form einer Kapitalgesellschaft wirtschaftlich sinnlos wird. Ein Halbteilungsgrundsatz lässt sich aus Art. 14 GG hingegen ebensowenig ableiten, wie sich Maßstäbe für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen aus der Vereinigungsfreiheit gewinnen lassen. 6. Die notwendige Gleichbehandlung der Rechtsformen ist innerhalb des Leistungsfähigkeitsprinzips zu gewährleisten. Für einen zuweilen besonders betonten „Grundsatz der Rechtsformneutralität“ besteht daneben keine dogmatische Veranlassung. 7. Der steuerliche Sachverhalt wird durch das Zivilrecht vorgeprägt, weil das Steuerrecht an zivilrechtliche Rechtsformen und Rechtsgestaltungen anknüpft. Aus dieser Vorherigkeit folgt jedoch kein Vorrang des Zivilrechts gegenüber dem Steuerrecht, da beide Rechtsgebiete unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und gleichgeordnet nebeneinander stehen. Steuerliche Normen sind daher grundsätz-
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Zusammenfassung der Ergebnisse
lich unter Berücksichtigung der Anforderungen höherrangigen Rechts entsprechend der anerkannten Auslegungsgrundsätze autonom auszulegen. 8. Das Halbeinkünfteverfahren und mit ihm die Abzugsbeschränkung sind mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar. Durch die gegenwärtige Rechtslage ist der Konflikt mit den Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts beseitigt worden. 9. Die Leistungsfähigkeit des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft hängt davon ab, ob im Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschafter ein einheitliches oder zwei getrennte Einkommen erzielt werden. Dafür ist eine Betrachtung des wirtschaftlichen Gehalts der Einkünfteerzielung erforderlich. Dieser ist davon abhängig, ob der Anteilseigner in der Gesellschaft eine kapitalistische oder eine personalistische Stellung einnimmt. Das gesetzgeberische Leitbild stellt die rechtlich und wirtschaftlich eigenständige Kapitalgesellschaft dar, bei der die Einkünfteerzielung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner voneinander unabhängig sind. Der vom Anteilseigner selbständig erzielten Leistungsfähigkeit entspricht eine Besteuerung der empfangenen Gewinne als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Ist der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nach seinem tatsächlichen Erscheinungsbild einem Einzel- oder Mitunternehmer stark angenähert, erfordert eine leistungsfähigkeitskonforme Besteuerung die Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung. Eine dem Unternehmer angenäherte Stellung des Anteilseigners in einer Kapitalgesellschaft wird insbesondere durch eine Personenidentität der organschaftlichen Vertreter der Gesellschaft und der Anteilseigner begünstigt. Die so geschaffenen Einflussmöglichkeiten ermöglichen dem Anteilseigner eine umfassende Beherrschung der Einkünfteerzielung der Gesellschaft, so dass die von der Gesellschaft erzielten Gewinne wirtschaftlich auch als Einkommen des Gesellschafters erscheinen. 10. Die Schutzbereiche von Eigentumsgarantie und Berufsfreiheit ergänzen sich in Bezug auf die typologische Stellung des Anteilseigners. Bei der Besteuerung ausgeschütteter Unternehmensgewinne schützt die Eigentumsgarantie vorwiegend den kapitalistisch beteiligten Anteilseigner, die Berufsfreiheit vorwiegend den personalistisch beteiligten Anteilseigner vor einer Besteuerung, die die Beteiligung wirtschaftlich sinnlos macht. 11. Grundgedanke des § 3 c EStG ist, dass durch den Abzug von Ausgaben, die mit Steuerbefreiungen korrespondieren, kein weiterer Steuervorteil entstehen soll. Die Regelung des § 3 c Abs. 2 EStG ist daher systematisch richtig, wenn es sich bei der korrespondierenden hälftigen Steuerbefreiung für den Anteilseigner um eine „echte“ Steuerbefreiung handelt, die nicht der Berücksichtigung einer geminderten Leistungsfähigkeit dient. 12. Die Abzugsbeschränkung erfasst den einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft unabhängig von dessen Stellung in der Gesell-
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schaft. Die Auslegung der Norm ist unter Berücksichtigung der typologischen Stellung des Anteilseigners vorzunehmen. Die hälftige Steuerbefreiung für Beteiligungserträge kann sowohl der Berücksichtigung einer geminderten Leistungsfähigkeit als auch der Verhaltensbeeinflussung dienen. Die Abzugsbeschränkung für Beteiligungsaufwand weist somit eine Doppelnatur auf, je nachdem, ob sie mit einer Fiskalzweck- oder einer Lenkungsnorm korrespondiert. 13. Beim kapitalistisch beteiligten Anteilseigner kommt der hälftigen Steuerbefreiung Bedeutung als Lenkungsmittel zu, so dass es sich hierbei um eine „echte“ Steuerbefreiung handelt. Dementsprechend begegnet die korrespondierende Abzugsbeschränkung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. 14. Beim personalistisch beteiligten Anteilseigner dient die hälftige Steuerbefreiung der Beteiligungserträge der Berücksichtigung einer geminderten Leistungsfähigkeit. Die Steuerbefreiung ist lediglich aus gesetzestechnischen Gründen in den Zusammenhang der §§ 3, 3 c EStG eingeordnet. 15. Soweit mit der steuerlichen Begünstigung für Beteiligungserträge den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips Rechnung getragen wird, lässt sich die korrespondierende Abzugsbeschränkung nicht mit dem objektiven Nettoprinzip vereinbaren. Der Regelungsgedanke des § 3 c EStG wird in diesen Fällen verfehlt. 16. Eine teilweise Aufrechterhaltung der Abzugsbeschränkung kommt nicht in Betracht, weil sich die Verfassungswidrigkeit nicht auf einen abgrenzbaren Teil des Normtextes bezieht und sich die verfassungswidrigen Anwendungsfälle auch nicht durch eine Auslegung ausscheiden lassen. § 3 c Abs. 2 EStG ist somit insgesamt als verfassungswidrig anzusehen.
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Literaturverzeichnis I. Kommentare Blümich: EStG