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German Pages [267] Year 2019
Formen der Erinnerung
Band 70
Herausgegeben von Jürgen Reulecke und Birgit Neumann
Tilman G. Moritz
Autobiographik als ritterschaftliche Selbstverständigung Ulrich von Hutten, Götz von Berlichingen, Sigmund von Herberstein
Mit 3 Abbildungen
V& R unipress
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl.: Paderborn, Univ., Diss., 2015. 2019, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Lovis Corinth: Gçtz von Berlichingen. 1917. Photo: akg-images / Sputnik Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-6169 ISBN 978-3-7370-0975-1
Inhalt
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fragestellung und Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgehen und Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gescheiterte Biographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Material: Ein öffentliches Gespräch unter Freunden: vom Schillern humanistischer Briefkultur . . . . . . . . . . . 2.1. Materialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Medialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Formale Zuschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenstand: Selbstbegründungen eines Dilettanten . . . 4. Perspektive: Huttens Plädoyer für einen ›verritterten‹ Humanimus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Pragmatik: Die ›Epistola‹ als »ausgeklügelt Buch« . . . .
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III. Die Taten des Götz von Berlichingen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Widerständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Material: Autobiographie ohne Autor . . . . . . . . . . . . . 2.1. Materialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Medialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Formale Zuschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenstand: Ritterschaft als Schicksal . . . . . . . . . . . . . 4. Perspektive: Der Tatenbericht als Kunst der kunstlosen Rede 5. Pragmatik: Mit den Toten sprechen? . . . . . . . . . . . . .
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IV. Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein . . . . . . . 1. Gedächtnislücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
2. Material: Die ›Raittung‹ zwischen Inventar und Testament der Vorbildhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Materialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Medialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Formale Zuschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenstand: Worte statt Waffen – Herbersteins Bewährung im Kampf um Vorrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Perspektive: Funktionsbestimmungen eines »Polsterritters« . 5. Pragmatik: Die Umwidmung des Dienens als Triumph über Zwang und Vergänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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152 152 155 162
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V. Zusammenführung: Ritterschaft durch Krise? . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang: Verzeichnis des Quellenbestands . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Siglen . . . . . . . . . . . . 2. Quellen . . . . . . . . . . . 2.1. Ungedruckte Quellen . 2.2. Gedruckte Quellen . . . 3. Forschungsliteratur . . . . .
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Dank
Dieses Buch handelt von Krisen und vom Schreiben darüber. Es handelt aber auch von Gemeinschaft, die im Schreiben geschaffen oder geprüft wird. Insofern darf es selbst – trotz seiner Anlage als Dissertationsschrift, die ich im November 2015 an der Universität Paderborn verteidigt habe und die hier in leicht überarbeiteter und aktualisierter Fassung vorliegt – autobiographisch gelesen werden. Denn seine Entstehung wurde von Krisen begleitet, die zu überwinden mir ohne den Rückhalt bei Verwandten, Freunden und Förderern unmöglich gewesen wäre. Nur die Wenigsten kann ich hier erwähnen, allen Ungenannten sei das fertige Buch Zeichen ihres Beitrags zum Erfolg. Namentlich machen aber will ich den Dank zuerst an meinem Doktorvater Prof. Dr. Johannes Süßmann, der mein Forschungsprojekt angeregt, es ermutigt, gefördert und mit unermüdlicher Aufmerksamkeit betreut hat. Seine Tür stets offen und in jedem Gespräch Inspiration, Begeisterung und Anteilnahme zu finden, war ebenso unselbstverständliche wie unverzichtbare Grundlage dieser Arbeit. Ebenfalls herzlich zu danken habe ich Prof. Dr. Hermann Kamp, der sich ohne Zögern bereitfand, die Last des Zweitgutachtens zu schultern. In gleicher Weise haben sich Prof. Dr. Stefan Link und Prof. Dr. Malte Prietzel in der Prüfungskommission um das glückliche Gelingen meines Vorhabens verdient gemacht. Sowohl Beginn als auch Abschluss der Dissertation wurden durch Stipendien gefördert: Im Rahmen des Internationalen Graduiertenkollegs »Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert« erhielt ich früh die Chance zum Austausch mit deutschen, österreichischen und italienischen Forscherkollegen. Ein Gaststipendium am Heidelberger SFB 933 »Materiale Textkulturen« gewährte mir zuletzt den nötigen Freiraum, um die Ergebnisse zu verschriftlichen. Außerdem hat die Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn meine Arbeit an kritischer Stelle bezuschusst. Diesen Institutionen, mehr noch den Menschen, die sie tragen und die mein Vorhaben äußerst wohlwollend behandelt, es ernst genommen und teils mit fachfremden Blickwinkeln bereichert haben, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Er gilt
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Dank
ebenso den Herausgebern der Reihe »Formen der Erinnerung«, in die ich meine Studie einordnen durfte. Die Publikation wusste ich dabei durch den Verlag V& R unipress, vertreten durch Susanne Köhler, stets professionell betreut. Bei meinen Recherchen waren mir Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zahlreicher Archive behilflich, deren ganz wesentlicher Beitrag hiermit eigens, abseits von Anmerkungen und Anhängen gewürdigt sein soll. Im Besonderen danke ich den Leihgebern zu Zürich, Jagsthausen und Budapest, die Reproduktionen meiner drei ›Kernquellen‹ für den Abdruck zur Verfügung gestellt haben. Die Herren Professoren Dr. Gerrit Walther, Dr. Horst Carl und Dr. Franz-Josef Arlinghaus haben mir Gelegenheit gegeben, Thesen und Zwischenergebnisse in ihren Kreisen vorzustellen. Ihnen verdanke ich engagierte Debatten, wichtige Anregungen und notwendige Korrekturen. Regelmäßige Werkstattgespräche ermöglichte das Frankfurter, dann Paderborner Frühneuzeit-Kolloquium. Nicht wenige Diskussionsbeiträge haben fast wörtlichen Eingang in diese Arbeit gefunden und bezeugen so den besonderen Wert jener dort konstituierten res publica litteraria. Dass ich mit diesem Buch aber keine Ruine gebaut habe, verdanke ich letztlich einer Gemeinschaft, die nicht nur akademischer Zirkel ist. So habe ich am Paderborner Lehrstuhl für Frühneuzeitgeschichte in Dr. Carolin Pecho, Dr. Ramon Voges, Fabian Voß und Dominik Wahl nicht nur Kollegen gefunden, sondern Freunde gewonnen. An heiklen Übergängen, wie sie für ein Forscherleben üblich sind, haben mir Robert und Hanne Herchet, Dr. Tobias Viering, Doris Hartmann und Jan Groß spontan und selbstlos ausgeholfen. Für geduldigsten Zuspruch, kritischste Nachfrage und unnachgiebigsten Antrieb aber kann ich nicht genug Dank sagen an Carsten Woitas, Gwen Lenzen und, auf den langen letzten Metern, Sandra Venzke. Nirgends angekommen oder erst gar nicht losgegangen wäre ich ohne die bedingungslose Unterstützung durch meine Familie: meine Geschwister Markus und Marlis, vor allem aber meine Eltern Marianne und Wolfgang Moritz. Ihr Auftrag zum Eigensinn hat dieses Buch überhaupt erst veranlasst und ermöglicht, und deshalb ist es meinen Eltern in Dankbarkeit gewidmet. Paderborn, im Oktober 2018
I.
Einleitung Et maintenant, messieurs, dit d’Artagnan sans se donner la peine d’expliquer sa conduite / Porthos, tous pour un, un pour tous, c’est notre devise, n’est-ce pas? Alexandre Dumas, Les Trois Mousquetaires
1.
Fragestellung und Erkenntnisinteresse
»Was Adel sey vnd heisse« – darauf eine Antwort zu finden, formulierte Cyriacus Spangenberg 1591 als vordringlichstes Ziel seines ›Adels Spiegel‹. Als Weg dafür wählte er die Ausdifferenzierung. Schon der Blick auf das Inhaltsverzeichnis der Schrift verrät einen Adelsbegriff, der sich sofort in feingliedrige Definitionen aufspaltet, klassische wie klassisch gebildete Deutungen und religiöse wie politische Motive mit der Sammlung von Beispielen und Vorbildern aus der älteren wie jüngeren Vergangenheit zu einer Umschreibung zusammenschließt.1 Das Resultat dieser umfänglichen Darstellung ist höchst ambivalent und vielleicht gerade deshalb erhellend: Es besteht in einer Nicht-Festlegung. Davon geht auch die vorliegende Arbeit aus. Sie schließt damit an eine neuere Forschung zum frühneuzeitlichen Adel2 an, die den negativen Befund3 hin1 Cyriacus Spangenberg: Adels Spiegel. Historischer ausführlicher Bericht: Was Adel sey vnd heisse / Woher er komme / Wie mancherley er sey / Vnd Was denselben ziere vnd erhalte / auch hingegen verstelle vnd schwäche […]. Schmalkalden 1591 (= VD16 S 7572). Der zweite Band unter dem Titel: Ander Teil des ADELSSPIEGELS. Was Adel mache / befördere / ziere / vermehre / vnd erhalte: Vnd hinwider schwäche / verstelle / vnd verringere […]. Schmalkalden 1594 (= VD16 S 7473). 2 In diesem Sinn vgl. die Zusammenfassungen von Ronald G. Asch: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Eine Einführung. Köln, Weimar, Wien 2008, ders.: Zwischen defensiver Legitimation und kultureller Hegemonie: Strategien adliger Selbstbehauptung in der frühen Neuzeit. In: zeitenblicke 4.2 (2005). [04.03.18] und speziell für den deutschsprachigen Raum Michael Sikora: Der Adel in der Frühen Neuzeit. Darmstadt 2009 sowie jetzt auch Walter Demel und Sylvia Schrauth: Der deutsche Adel. Lebensformen und Geschichte. München 2014. Ebenso für das Mittelalter Werner Hechberger: Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter (= Enzyklopädie deutscher Geschichte. 72). München 2004, dagegen in derselben Reihe überholungsbedürftig Rudolf Endres: Adel in der Frühen Neuzeit (= Enzyklopädie deutscher Geschichte. 18). München 1993. 3 Karl-Heinz Spieß: Aufstieg in den Adel und Kriterien der Adelszugehörigkeit im Spätmittelalter. In: Kurt Andermann und Peter Johanek (Hgg.): Zwischen Nicht-Adel und Adel (= Vorträge und Forschungen. 53). Stuttgart 2001, S. 1–26, insb. S. 18f.: »Erstens gab es kein Kriterium, das allein entscheidend für die Bestimmung adliger Qualität gewesen wäre, sondern erst die Bündelung mehrerer Merkmale verschaffte entsprechende Sicherheit. Zweitens konnten alle Kriterien prinzipiell von Nichtadligen erlangt werden und drittens war der
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Einleitung
sichtlich fester, normativ geordneter Definitionen adliger Gemeinschaft positiv gewendet hat. So wird zum einen fehlende Verfasstheit, etwa im Sinne institutioneller Ordnung oder korporativer Geschlossenheit, nicht mehr als Mangel, sondern als Potential wahrgenommen, das die Gemeinschaft flexibel und mobil hält oder, anders gesagt, ihre Anpassungsfähigkeit gewährleistet. Zum anderen rücken dadurch kulturelle Zeichen und Praktiken in den Fokus, die offenbar die adlige Gemeinschaftsbildung nicht nur ergänzen, sie vielmehr nachhaltig prägen. Diese Perspektive erlaubt es also, rein funktionelle Deutungen adligen Denkens und Handelns, namentlich unter der Prämisse, hochzukommen und obenzubleiben4, kritisch zu hinterfragen: Während etwa mit »Verflechtung«5 und »Repräsentation«6, »Herrengewalt«7 und Institutionalisierung8 Taktiken
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Adelsstand keineswegs allein juristisch definiert, sondern auch soziale Aspekte spielten eine entscheidende Rolle.« Rudolf Braun: Konzeptionelle Bemerkungen zum Obenbleiben. Adel im 19. Jahrhundert. In: Hans-Ulrich Wehler : Europäischer Adel 1750–1950 (= Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft. 13). Göttingen 1990, S. 87–95. – Vgl. im Anschluss daran auch die Studie von Klaus Rupprecht: Ritterschaftliche Herrschaftswahrung in Franken. Die Geschichte der von Guttenberg im Spätmittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Reihe IX: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte. 42). Neustadt a. d. Aisch 1994 mit einer nachträglichen Korrektur der Ergebnisse durch die Rezension von Gerrit Walther in: Zeitschrift für Historische Forschung 25 (1998), S. 116–118. Wolfgang Reinhard: Freunde und Kreaturen. »Verflechtung« als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600 (= Schriften der Philosophischen Fachbereiche der Universität Augsburg. 14). München 1979. Die Repräsentation als »bildlichen Ausdruck politischer Legitimierung« benannte Otto Gerhard Oexle: Memoria und Memorialbild. In: Karl Schmid und Joachim Wollasch (Hgg.): Memoria. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter (= Münstersche Mittelalter-Schriften. 48) München 1984, S. 384–440, hier S. 392; weiter auch ders.: Memoria als Kultur. In: Otto Gerhard Oexle (Hg.): Memoria als Kultur (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte. 12). Göttingen 1995, S. 9–78 sowie ders.: Soziale Gruppen in der Ständegesellschaft. Lebensformen des Mittelalters und ihre historischen Wirkungen. In: Otto Gerhard Oexle und Andrea von Hülsen-Esch (Hgg.): Die Repräsentation der Gruppen. Texte – Bilder – Objekte (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte. 141). Göttingen 1998, S. 9–44. Gadi Algazi: Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter. Herrschaft, Gegenseitigkeit und Sprachgebrauch (= Historische Studien. 17). Frankfurt, New York 1996. Im Anschluss daran: Joseph Morsel: »Das sy sich mitt der bessten gewarsamig schicken, das sy durch die widerwertigenn Franckenn nitt nidergeworffen werdenn.« Überlegungen zum sozialen Sinn der Fehdepraxis am Beispiel des spätmittelalterlichen Franken. In: Dieter Rödel und Joachim Schneider (Hgg.): Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter. Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg. Wiesbaden 1996, S. 140–167; Hillay Zmora: State and Nobility in Early Modern Germany. The Knightly Feud in Franconia 1440–1567. Cambridge 1997. Wichtige Kritik übt Klaus Graf: Gewalt und Adel in Südwestdeutschland. Überlegungen zur spätmittelalterlichen Fehde. Online-reprint eines Beitrags zum Bielefelder Kolloquium »Gewalt« am 29. 11. 1998 [veröffentlicht 2000], [04.03.18]. Für das Beispiel der Reichsritterschaft prominent: Volker Press: Kaiser Karl V., König Fer-
Fragestellung und Erkenntnisinteresse
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herausgearbeitet wurden, wie der Adel Privilegien besetzte und seinen Anspruch darauf legitimierte, stellt die neuere, kulturalistisch orientierte Forschung dem gemeinschaftliche Handlungen und Haltungen gegenüber, die eine Teilnahme an jenem Kampf um Vorrang erst ermöglichten. Solches ›Gemeinschaftshandeln‹ wird gemeinhin zusammengefasst unter dem der Soziologie entlehnten Begriff des Habitus. Damit wird betont, dass ein wesentlicher Zusammenhang zwischen dem Handeln des Einzelnen und den vorgefundenen, kollektiv erzeugten und kulturell vermittelten Sozialstrukturen besteht. Obwohl vor allem die Studien Pierre Bourdieus hierfür Pate standen, hat diese die neuere Adelsforschung faktisch überholt.9 Denn adliger Habitus, die gegenseitige Bedingtheit von äußerer und innerer Haltung, kann offenbar gerade nicht in bloßer Reproduktion seiner selbst beschrieben werden – als auf Dauer gestellte Hervorbringung der immer gleichen Strukturen, ›Milieus‹ oder ›Klassen‹. Zwar behaupten die Zeitgenossen als Grund ihres Handelns gern und oft ein »altes Herkommen«, pochen auf Tradition oder darauf, überhaupt erst zu ihr zurückgefunden zu haben. Doch überspielt diese Selbstsicht in der Regel den dinand und die Entstehung der Reichsritterschaft (= Institut für Europäische Geschichte Mainz. Vorträge. 60). 2. Aufl. Wiesbaden 1980. Vgl. auch in der Einleitung zu ders.: Adel im Alten Reich. Gesammelte Vorträge und Aufsätze. Hg. von Franz Brendle und Anton Schindling in Verbindung mit Manfred Rudersdorf und Georg Schmidt (= Frühneuzeit-Forschungen. 4). Tübingen 1998, S. 39, wonach erst die Entscheidung, »von anarchischer Adelsfreiheit in die disziplinierende Ordnung der Korporation« überzugehen, den Druck fürstlicher Herrschaftsverdichtung und neuer Funktionseliten von den nachmaligen Reichsrittern genommen habe. – Press’ grundlegende Thesen sind jüngst erneuert und bekräftigt worden von Richard J. Ninness: Im konfessionellen Niemandsland. Neue Forschungsansätze zur Geschichte der Reichsritterschaft zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg. Das Vermächtnis von Volker Press. In: Historisches Jahrbuch 134 (2014), S. 142–164. 9 Pierre Bourdieu: Der Habitus als Vermittlung zwischen Struktur und Praxis. In: ders.: Zur Soziologie der symbolischen Formen. Übers. von Wolf H. Fietkau (= Theorie. 2). Frankfurt a. M. 1970, S. 125–158 und auf ›adlige‹ Strukturen im Bildungswesen gewendet von dems.: Der Staatsadel. Übers. von Franz Hector und Jürgen Bolder (= Pdition discours. 31). Konstanz 2004. Zur Einordnung s. Silvia Serena Tschopp und Wolfgang E. J. Weber : Grundfragen der Kulturgeschichte (= Kontroversen um die Geschichte). Darmstadt 2007, S. 48f. Hier leitend ist die kritische Auseinandersetzung mit dem Habitusbegriff bei Johannes Süßmann: Vergemeinschaftung durch Bauen. Würzburgs Aufbruch unter den Fürstbischöfen aus dem Hause Schönborn (= Historische Forschungen. 86). Berlin 2007, S. 168–181. Das ebd., S. 173 benannte Problem besteht im überdehnten Gebrauch der Habitus-Metapher als Meistererzählung, die Widersprüche durch Abstraktion integriert, statt sie eigentlich zu erklären. Zumal der Habitus immer eine nachträgliche Konstruktion darstellt, wird so die Gewichtung von unbewusster Bestimmung und bewusster Entscheidung im quellenmäßig dokumentierten Denken und Handeln einzelner Akteure zur Glaubensfrage. Zweifel klingen deshalb auch in der Studie von Andr8 R. Köller : Agonalität und Kooperation. Führungsgruppen im Nordwesten des Reiches 1250–1550 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. 279). Göttingen 2015 an, die das Begriffsrepertoire Bourdieus konsequent auf frühneuzeitliche Verhältnisse überträgt: »Langfristiges planvolles Handeln kann nicht pauschal unterstellt werden« (S. 602, Hervorh. d. Verf.).
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Einleitung
Bruch mit Erwartungen und beschwört Konsens und kollektive Haltung, wo beides zuvor gerade nicht bestand. Schon die Vielfalt der Formen, in denen bereits nach älterer Lesart Adligkeit zum Ausdruck gebracht wurde, macht deutlich, wie dynamisch adliges Selbstverständnis einerseits, adliges Handeln andererseits waren und sein mussten. Der auch hier verfolgte Forschungsansatz geht also davon ab, Symbole, Rituale, Selbstdarstellung, Sprache und Verhalten allein oder überhaupt als Werkzeuge einer »kulturellen Hegemonie« zu begreifen.10 Vielmehr wird ernstgenommen, dass es, zugespitzt formuliert, adligen Gruppen immer wieder gelang, ihre gesellschaftliche Relevanz unter Beweis zu stellen, eben weil sie es konnten.11 Zwischen dem Eintreten für geistesaristokratische Ideale und der privilegierten Stellung des Adels beziehungsweise den Freiräumen, die diese Position ihm verschafft, wird mithin eine wichtige Kongruenz erkannt. Mehr zu gelten, mehr zu leisten im Einsatz für das – freilich diffus bleibende – Gemeinwohl12, statt stillzustehen und den einmal erreichten oder gar erblich zugefallenen Status bloß zu verwalten, wird so zum Markenzeichen eines Selbstverständnisses, das mit dem vermeintlichen Gemeinplatz des »noblesse oblige« tatsächlich Ernst macht. Ein solches, allgemein formulierbares Konzept von »Adligkeit« lässt sich auf verschiedene Epochen13 und geographische Räume14 übertragen, und es hat 10 So noch Werner Rösener : Adelsherrschaft als kulturhistorisches Phänomen. Paternalismus, Herrschaftssymbolik und Adelskritik. In: Historische Zeitschrift 268 (1999), S. 1–33. 11 Vgl. Andreas Franzmann: »Vornehmheitsideal« und »Contenance«, »sturmfreie Existenz« und »ökonomische Abkömmlichkeit«. Elemente einer impliziten Theorie der Aristokratie bei Max Weber. In: Peter Scholz und Johannes Süßmann (Hgg.): Adelsbilder von der Antike bis zur Gegenwart (= Historische Zeitschrift. Beihefte. N. F. 58). München 2013, S. 343–365. 12 Zum Konzept s. Winfried Schulze: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normenwandel in der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. In: Historische Zeitschrift 243 (1986), S. 591–626; zudem Peter Blickle: Der Gemeine Nutzen. Ein kommunaler Wert und seine politische Karriere. In: Herfried Münkler und Harald Bluhm (Hgg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe (= Forschungsberichte der interdisziplinären Arbeitsgruppe »Gemeinwohl und Gemeinsinn« der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. 1). Berlin 2001, S. 85–107. 13 Gerade die Aufarbeitung des Adels in der Moderne hat zuletzt zahlreiche Impulse erfahren, vgl. z. B. die Sammlungen von Markus Raasch (Hg.): Adeligkeit, Katholizismus, Mythos. Neue Perspektiven auf die Adelsgeschichte der Moderne (= Elitenwandel in der Moderne. 15). München 2014 sowie Eckart Conze und Monika Wienfort (Hgg.): Adel und Moderne. Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert. Köln 2004. Wichtige konzeptionelle Überlegungen bieten Silke Marburg und Josef Matzerath: Vom Obenbleiben zum Zusammenbleiben. Der Wandel des Adels in der Moderne. In: Walter Schmitz (Hg.): Adel in Schlesien. Bd. 3: Adel in Schlesien und Mitteleuropa. Literatur und Kultur von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart (= Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa. 48). München 2013, S. 299–311. Darüber hinaus scheint insbesondere der Vergleich zwischen Antike und Früher Neuzeit, bedingt durch die Phänomene des Humanismus bzw. der Renaissance, naheliegend und vielversprechend:
Fragestellung und Erkenntnisinteresse
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einmal mehr die herkömmlichen Grenzziehungen infrage gestellt. Das ist allerdings nicht unproblematisch, insofern mit der Vergleichbarkeit häufig »der Adel« beziehungsweise »Adligkeit« als Eigenschaft in einer Stabilität und Kontinuität behauptet wird, die von sozialen und gesellschaftlichen Bedingtheiten und Diversitäten entkoppelt scheint.15 Abgesehen von den zahlreichen und fruchtbaren Bemühungen, gerade im deutschsprachigen Raum, Adelslandschaften flächendeckend zu erschließen,16 hat sich nicht zuletzt deshalb in Hans Beck, Peter Scholz und Uwe Walter (Hgg.): Die Macht der Wenigen. Aristokratische Herrschaftspraxis, Kommunikation und ›edler‹ Lebensstil in Antike und Früher Neuzeit (= Historische Zeitschrift. Beihefte. 47). München 2008. Wesentlich auch: Gerrit Walther : Adel und Antike. Zur politischen Bedeutung gelehrter Kultur für die Führungselite der Frühen Neuzeit. In: Historische Zeitschrift 36 (1998), S. 359–385. Bedenkenswerte Kritik übt Andreas Hartmann: Was ist Adel? Bemerkungen eines Althistorikers zu einer angeblichen historischen Konstante. In: Raasch, Adeligkeit, S. 12–34. 14 Zur globalhistorischen Dimension vgl. zuletzt Walter Demel: Adelsbilder von der Antike bis zur Gegenwart. In: Scholz/Süßmann, Adelsbilder, S. 116–128. – Den vergleichenden europäischen Blickwinkel betonen vor allem englischsprachige Studien, vgl. die Übersicht von Hamish M. Scott (Hg.): The European Nobilities of the Seventeenth and Eighteenth Centuries. 2 Bde. 2., überarb. Aufl. Basingstroke, New York 2007 sowie zuletzt ders.: ›Acts of Time and Power‹: The Consolidation of Aristocracy in Seventeenth-Century Europe, c. 1580–1720. In: Bulletin of the German Historical Institute London 30.2 (2008), S. 3–37. 15 Problematisch ist deshalb der Ansatz von Martin Wrede, ausgerechnet fürstliche oder fürstenähnliche Familien als Träger ritterlicher Denk- und Handlungstraditionen – hier gemeint sind vornehmlich Selbstdarstellungen – zu identifizieren, während zeitgenössische niederadlige und darin konkret ritterschaftliche Traditionsbildungen ausgeblendet bleiben: ders.: Ohne Furcht und Tadel – Für König und Vaterland. Frühneuzeitlicher Hochadel zwischen Familienehre, Ritterideal und Fürstendienst (= Beihefte der Francia. 75). Ostfildern 2012. Verkürzt scheint auch, »heroische Inszenierungen« mit einem vor allem kriegerisch verstandenen Rittertum in eins zu setzen: Martin Wrede: Einleitung: Die Inszenierung der mehr oder weniger heroischen Monarchie. Zu Rittern und Feldherren, Kriegsherren und Schauspielern. In: ders. (Hg.): Die Inszenierung der heroischen Monarchie. Frühneuzeitliches Königtum zwischen ritterlichem Erbe und militärischer Herausforderung (= Historische Zeitschrift. Beihefte. N. F. 62). München 2014, S. 8–39. 16 Angesichts von Umfang und Streuung dieser Forschungen sind hier nur einige wenige, deutschsprachige Beispiele zu nennen: Traditionell liegt ein Fokus auf reichsritterschaftlich geprägten Gebieten, vgl. etwa Mark Hengerer und Elmar L. Kuhn (Hgg.): Adel im Wandel. Oberschwaben von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. 2 Bde. Ostfildern 2006. Inzwischen sind aber verstärkt auch landständisch organisierte Adelsgruppen in den Blick geraten, darunter Westfalen (stellvertretend dafür Elizabeth Harding: Landtag und Adligkeit. Ständische Repräsentationspraxis der Ritterschaften von Osnabrück, Münster und Ravensberg 1650 bis 1800 (= Westfalen in der Vormoderne. 10). Münster 2011), Hessen (Eckart Conze, Alexander Jendorff und Heide Wunder (Hgg.): Adel in Hessen. Herrschaft, Selbstverständnis und Lebensführung vom 15. bis ins 20. Jahrhundert (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. 70). Marburg 2010) und Bayern (Walter Demel und Ferdinand Kramer (Hgg.): Adel und Adelskultur in Bayern (= Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte. Beiheft. 32). München 2008). Joachim Schneider : Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel. Ein landschaftlicher Vergleich (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters. 52). Stuttgart 2003 hat mit Böhmen und Brandenburg (neben Österreich und Schwaben) bislang eher randständige Adelsregionen in den Blick genommen; dieselbe
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Einleitung
jüngster Zeit ein Forschungstrend herausgebildet, der den kollektiven Identitäten und Handlungsmustern des Adels eine Perspektive des Individuellen gegenüberstellt. Vor allem unter dem Stichwort des ›Eigensinns‹ – das zuerst für die Alltagsgeschichte geprägt wurde17 – sollen Analysen individuellen Verhaltens im Verhältnis zur Kollektivität, die sich in Ansprüchen und Normen ausdrückt, operationalisiert werden.18 Für adlige Gemeinschaften, so lässt sich ableiten, besitzt jenes Verhältnis umso größere Relevanz, definieren sie sich doch eben nicht als normativ und sozial geschlossene und begrenzbare Entitäten, sondern fast ausschließlich als Verdienst- und Vertrauensgemeinschaft über gegenseitige Akzeptanz und Kooptation.19 Gesuchte Devianz spielt demStoßrichtung bei Silke Marburg und Josef Matzerath (Hgg.): Der Schritt in die Moderne. Sächsischer Adel zwischen 1763 und 1918. Köln 2001, Eva Labouvie (Hg.): Adel in SachsenAnhalt. Höfische Kultur zwischen Unternehmertum, Repräsentation und Familie. Köln 2007, dies. (Hg.): Adel an der Grenze. Höfische Kultur und Lebenswelt im SaarLorLux-Raum (1697–1815) (= Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken. 7). Saarbrücken 2009 sowie zuletzt in großer Breite Joachim Bahlcke u. a. (Hgg.): Adel in Schlesien. 3 Bde. München 2009–2013. Detailstudien zu einzelnen Regionen (vgl. Kurt Andermann: Adel im Pfälzer Raum – eine Vorbemerkung. In: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 108 (2010), S. 363–366 sowie die nachfolgend publizierten Tagungsbeiträge) oder Familien (z. B. ders. (Hg.): Neipperg. Ministerialen, Reichsritter, Hocharistokraten (= Kraichtaler Kolloquien. 9). Epfendorf 2014) ergänzen das Bild. 17 Maßgeblich hierfür war Alf Lüdtke, endgültig als »Eigen-Sinn« formulierte er den Begriff in: Die Ordnung der Fabrik. ›Sozialdisziplinierung‹ und Eigen-Sinn bei Fabrikarbeitern im späten 19. Jahrhundert. In: Rudolf Vierhaus (Hg.): Frühe Neuzeit – frühe Moderne? Forschungen zur Vielschichtigkeit von Übergangsprozessen (= Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Geschichte. 104). Göttingen 1992, S. 206–231. Zum forschungspolitischen Hintergrund der Begriffsbildung vgl. auch Jaana Eichhorn: Geschichtswissenschaft zwischen Tradition und Innovation. Diskurse, Institutionen und Machtstrukturen der bundesdeutschen Frühneuzeitforschung. Göttingen 2006, S. 230–247. 18 Gerrit Walther : Freiheit, Freundschaft, Fürstengunst. Kriterien der Zugehörigkeit zum Adel in der Frühen Neuzeit. In: Beck/Scholz/Walter, Macht, S. 301–322, spricht von »Opposition als Kunst« (S. 320), was Uwe Walter : Aristokratische Existenz in der Antike und der Frühen Neuzeit – einige unabgeschlossene Überlegungen. In: Beck/Scholz/Walter, Macht, S. 367– 394, im »Sich-selbst-das-Maß-setzen« (S. 371) zusammenfasst. – Methodisch uneinheitlich verwenden den ›Eigensinn‹-Begriff die Beiträge in Jörn Leonhard und Christian Wieland (Hgg.): What Makes the Nobility Noble? Comparative Perspectives from the Sixteenth to the Twentieth Century (= Schriftenreihe der FRIAS School of History. 2). Göttingen 2011. Vgl. deshalb darin v. a. die Zusammenführung von Ronald G. Asch: What Makes the Nobility Noble?, S. 329–339. Der Forschungsstand ist zusammengefasst durch Alexander Jendorff: Eigenmacht und Eigensinn. Zum Verhältnis von Kollektivität und Individualität im alteuropäischen Adel. In: Historische Zeitschrift 292 (2011), S. 613–644. 19 Vgl. Jörn Leonhard und Christian Wieland: Noble Identities from the Sixteenth to the Twentieth Century – European Aristocratic Culture in Law, Politics and Aesthetics. In: dies., Nobility, S. 7–32, hier S. 17: »Contrary to a still widely held image, which is itself a result of this invention [eine erfundene Tradition im 19. Jh., d. Verf.], the nobility in the early modern period was far from a static pillar, but was characterised much more by continuous cooptation, reshaping and interaction between the nobility and other elitist formations of society.« – Zum Scheitern von Integration und Selbstintegration, nicht zuletzt im Wechselspiel
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nach eine ebenso große Rolle wie ostentative Anpassung, etwa in konfessionellen Entscheidungen20, der Rechtspraxis21 oder dem Umgang mit sozialer Konkurrenz22 bzw. internem Wettbewerb oder Agonalität23. Leitfragen dieser Diskussion
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von dynastischer und fürstlicher Herrschaftspolitik, sowie zur Umdeutung in der Familientradition vgl. die eindrucksvolle Fallstudie von Alexander Jendorff: Tod eines Tyrannen. Geschichte und Rezeption der Causa Barthold von Wintzingerode (= bibliothek altes Reich. 9). München 2012. Ergänzend dazu auch Martin Wrede und Horst Carl: Zwischen Schande und Ehre. Erinnerungsbrüche und die Kontinuität des Hauses. Legitimationsmuster und Traditionsverständnis des frühneuzeitlichen Adels in Umbruch und Krise (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Mainz. Beiheft. 73). Mainz 2007. Gerrit Walther : Glaube, Freiheit und Kalkül. Zur Frage von ›Anpassung‹ und ›Mobilität‹ bei adligen Konfessionsentscheidungen im 16. Jahrhundert. In: Horst Carl und Sönke Lorenz (Hgg.): Gelungene Anpassung? Adelige Antworten auf gesellschaftliche Wandlungsvorgänge vom 14. bis zum 16. Jahrhundert (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde. 53). Ostfildern 2005, S. 185–200. Arndt Schreiber : Adeliger Habitus und konfessionelle Identität. Die protestantischen Herren und Ritter in den österreichischen Erblanden nach 1620 (= Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. 58). Wien, München 2013 schlussfolgert grundsätzlich zutreffend, aber ohne Blick für die Eigenarten des umfangreichen Quellenmaterials, »dass sich konfessionell dissentierende Edelleute in West- und Mitteleuropa generell gedrängt fühlten, eine situationsgerechte ›Adelsreligion‹ zu entwickeln« (ebd., S. 290). Ähnlich auch Andreas Flurschütz da Cruz: Zwischen Füchsen und Wölfen. Konfession, Klientel und Konflikte in der fränkischen Reichsritterschaft nach dem Westfälischen Frieden (Konflikte und Kulturen – Historische Perspektiven. 29). Konstanz, München 2014 sowie die Fallstudien von Stefan Birkle: Reichsritterschaft, Reformation und Konfessionalisierung in Oberschwaben (= Oberschwaben – Geschichte und Kultur. 19). Epfendorf 2015; Katrin Keller, Petr Mat’a und Martin Scheutz (Hgg.): Adel und Religion in der frühneuzeitlichen Habsburgermonarchie. Annäherung an ein gesamtösterreichisches Thema (= Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. 68). Wien 2017 und zuletzt: Olga Weckenbrock (Hg.): Ritterschaft und Reformation. Der niedere Adel im Mitteleuropa des 16. und 17. Jahrhunderts (= Refo500. 48). Göttingen 2018. Als Fehderecht: Julia Eulenstein, Christine Reinle und Michael Rothmann (Hgg.): Fehdeführung im spätmittelalterlichen Reich. Zwischen adliger Handlungslogik und territorialer Verdichtung (= Studien und Texte zur Geistes- und Sozialgeschichte des Mittelalters. 7). Affalterbach 2013; Hillay Zmora: Feuds for and against Princes. Politics, Violence and Aristocratic Identity in Early Modern Germany. In: Leonhard/Wieland, Nobility, S. 121– 141. – Als Prozessrecht: Christian Wieland: Selbstzivilisierung zur Statusbehauptung. Untersuchungen zum Verhältnis von adligen Lebenswelten und Rechtssystemen im 16. Jahrhundert am bayerischen Beispiel. In: Geschichte und Gesellschaft 33 (2007), S. 326–349 und zuletzt ders.: The Violence of the Nobility and the Peaceableness of the Law. The Rhetoric and Practice of German Aristocrats towards the »New« Judiciary in the Sixteenth Century. In: Leonhard/Wieland, Nobility, S. 35–51. Dazu sehr instruktiv Claudius Sittig: Kulturelle Konkurrenzen. Studien zur Semiotik und Ästhetik adeligen Wetteifers um 1600 (= Frühe Neuzeit. Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext. 151). Berlin 2010. Mittelbar mit dem Gedanken des Wettstreits verknüpft ist auch das ›Heroismus‹-Konzept, vgl. mit Blick auf die Frühe Neuzeit Ronald G. Asch: The hero in the Early Modern period and beyond: An elusive cultural construct and an indispensable focus of social identity? In: helden. heroes. h8ros. Sonderheft 1 (2014), S. 5–14. So etwa Christian Jaser : Turniere auf Reichstagen zwischen Präsenz und Performanz. Einige Vorüberlegungen zu den Politiken des Agonalen. In: Marika Bacsjka, Anna-Maria Blank
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lauten deshalb, warum und wie sich ein adliger Habitus konstituieren und Erfolg haben konnte; wie Konzepte von Tugend- und Geburtsadel miteinander verzahnt wurden; und in welchen Medien und Äußerungen er sich niederschlug, rezipiert, reproduziert und eben immer wieder remoduliert wurde? Antworten auf solche Fragen will diese Arbeit in autobiographischen Texten finden. Auch damit kann sie an jüngere Tendenzen der Adelsforschung anknüpfen: Denn mit den kulturellen Praktiken ist auch die adlige Produktion von Texten wieder in den Blick geraten. Seinen Ausgang nimmt das von der Feststellung, dass adlige Identitäts- und Gemeinschaftsbildungen wesentlich mit der Ausprägung eines »kollektiven Gedächtnisses« zusammenhängen. Auch Texte werden daher als Erinnerungsmedien gelesen, die eine gemeinadlige Funktion erfüllen. Lediglich die Vorzeichen haben sich inzwischen umgekehrt: Nicht länger wird nur der jeweilige Beitrag zur Memorialnorm abgefragt, sondern verstärkt der einzelne Text als eigenständige Reflexionsleistung wahrgenommen. Erinnerung meint somit eine Sinnstiftung, die sich gleichermaßen an Erwartungen anpasst und sie als erfüllt vorstellen kann als auch Abgrenzung von ihnen und ihren Vorbildern sucht.24 An dieser Stelle ist der Schritt zur Autobiographik nicht weit.25 Der individuelle Zugriff, die subjektiv-biographische und Thomas Woelki (Hgg.): Europa, das Reich und die Osmanen. Die Türkenreichstage von 1454/55 nach dem Fall von Konstantinopel (= Zeitsprünge. Forschungen zur Frühen Neuzeit. 18). Frankfurt a. M. 2014, S. 178–203. 24 Die Voraussetzungen bei Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. 8. Aufl. München 2018 sowie Oexle, Memoria; zur Herleitung der Begriffe und als Anwendung auf den frühneuzeitlichen Adel vgl. Beatrix Bastl: Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit. Wien, Köln, Weimar 2000, hier S. 14–22. Als neuere Lesart vgl. Claudius Sittig: Adelige aemulatio. Die soziale Grammatik der frühneuzeitlichen Adelskultur und ihre Formulierung in Georg Rüxners Turnierbuch (1530) und seiner lateinischen Übersetzung durch Franciscus Modius (1586). In: Jan-Dirk Müller u. a. (Hgg.): Aemulatio. Kulturen des Wettstreits in Text und Bild (1450–1620) (= Pluralisierung und Autorität. 27). Berlin 2011, S. 863–890. 25 Jüngst vorgeführt von Jonathan Dewald am Beispiel der Memoiren des Herzogs Henri II. de Rohan (1579–1638) im Rahmen der Tagung »Die ›Kunst des Adels‹ in der Frühen Neuzeit«. Wolfenbüttel, 30. Mai bis 1. Juni 2012; vgl. den Tagungsbericht in: H-Soz-Kult. 31. 10. 2012. [04.03.18]. Der Tagungsband, hg. von Claudius Sittig und Christian Wieland, erscheint voraussichtlich Wiesbaden 2015. – Wichtige Vorarbeiten bei Urs Martin Zahnd: Die autobiographischen Aufzeichnungen Ludwigs von Diesbach. Studien zur spätmittelalterlichen Selbstdarstellung im oberdeutschen und schweizerischen Raume (= Schriften der Berner Burgerbibliothek). Bern 1986. Konventioneller dagegen Gabriele Ehrmann: Georg von Ehingen: Reisen nach der Ritterschaft. Edition, Untersuchung, Kommentar. 2 Bde. (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik. 262). Göppingen 1979 und Dorothea A. Christ: Das Familienbuch der Herren von Eptingen. Transkription und Kommentar (= Quellen und Forschungen zur Geschichte und Landeskunde des Kantons Baselland. 41). Liestal 1992. Zuletzt Sven Rabeler : Niederadlige Lebensformen im späten Mittelalter. Wilwolt von Schaumberg (um 1450–1510) und Ludwig von Eyb d. J. (1450–1521) (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe 9: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte. 53). Würzburg 2006, ders.: Das
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Sinnstiftung dieser Texte verspricht, jene Konflikte und Ambivalenzen, die den ›Eigensinn‹ auszeichnen, sichtbar zu machen.26 Schon früher wurde so die autobiographische, von Adligen getragene Tradition der französischen m8moires nicht zuletzt in einer »Konkurrenzsituation zu der offiziösen oder offiziellen Historiographie der Krone«27 gesehen. Das heißt, diese Texte scheinen geboren aus der Wahrnehmung eines Dissenses, der zunächst ein persönlicher war, hier – im Streit um die historiographische Deutungshoheit – allerdings zugleich für eine Gemeinschaft verallgemeinert, zu deren Sprachrohr sich der Einzelne als Autor macht. Freilich ist damit nicht ausgeschlossen, dass die alternative Geschichtserzählung dann in einem weiteren Schritt jener Hofhistoriographie zur Verfügung gestellt werden und ihr als Ressource dienen konnte.28 Das Changieren zwischen Opposition und Anpassung gehört augenscheinlich zum Prinzip dieser Schriften und spiegelt damit auch die Haltung der Autoren wider. Die Selbstzeugnisforschung – soweit adlige Produktionen überhaupt in ihr Familienbuch Michels von Ehenheim (um 1462/63–1518). Ein niederadliges Selbstzeugnis des späten Mittelalters. Edition, Kommentar, Untersuchung (= Kieler Werkstücke. Reihe E: Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. 6). Frankfurt a. M. u. a. 2007. – Als wichtige Vorüberlegung zur sozialen Bedeutung von Autobiographien vgl. auch Volker Depkat: Autobiographie und die soziale Konstruktion von Wirklichkeit. In: Geschichte und Gesellschaft 29 (2003), S. 441–476. 26 Für adlige Familienchroniken hält Jendorff, Eigenmacht, S. 631f. fest, dass es sich um stets interessengeleitete Schriften handelte, die »zu einem Argument im Kampf konkurrierender Eigeninteressen« werden konnten. – Ein höchst interessantes Vergleichsbeispiel wären die Schriften der Argula von Grumbach (1492–1554), zusammenfassend ediert von Peter Matheson (Hg.): Argula von Grumbach: Schriften (= Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte. 83). Gütersloh 2010. Grumbach suchte früh Kontakt mit reformatorischen Kreisen und opponierte schließlich 1523/24 öffentlich gegen die Religionspolitik Herzog Wilhelms IV. von Bayern. Diese Protestnoten kursierten sowohl handschriftlich (vgl. etwa die Abschriften: Bayerische StB München. Clm 1386, fol. 212r–216r bzw. fol. 250r– 262v) als auch im Druck. Die einerseits ritterlich-ständischen, andererseits sozialreformerischen Komponenten dieses Einspruchs sind, gerade im Hinblick auf die aktuelle Adelsforschung, noch kaum intensiver beleuchtet worden; Ansätze bietet Johannes Merz: Argula von Grumbach und die Anfänge der Reformation in Bayern. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 69 (2009), S. 871–886. Dagegen schöpft Peter Matheson: Argula von Grumbach. Eine Biographie. Göttingen 2014 zwar aus den Quellen, bleibt analytisch aber auf herkömmliche, teilweise fachlich überholte Deutungen beschränkt. 27 Hermann Kleber : Die französischen M8moires. Geschichte einer literarischen Gattung von den Anfängen bis zum Zeitalter Ludwigs XIV. (= Studienreihe Romania. 14). Berlin 1999, S. 341. Ähnlich argumentiert Eduardo Costadura: Der Edelmann am Schreibpult. Zum Selbstverständnis aristokratischer Literaten zwischen Renaissance und Revolution (= mimesis. Untersuchungen zu den romanischen Literaturen der Neuzeit. 46). Tübingen 2006, S. 78: »Die M8moires sind mit anderen Worten Ausdruck und literarischer Niederschlag des langjährigen Konflikts zwischen dem Adel und der Krone und implizieren folglich als eines ihrer konstitutiven Elemente oft die harsche Polemik gegen die (meistens nicht adligen) ›königlichen Geschichtsschreiber‹, die ihre Darstellungen zu Gunsten des Monarchen fälschen.« 28 Kleber, M8moires, S. 77f.
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Blickfeld geraten sind29 – hat solche Beobachtungen bislang fast ausschließlich zwischen den Polen der Assimilation und der Abweichung zu deuten versucht; »self-fashioning«, im Sinne eines Rollenspiels, einer Einschreibung in diskursive, normativ geformte Verhaltens- und Darstellungsmuster,30 und »Indivi29 Von einer »Geschichtsschreibung von unten aus der Sicht der Betroffenen« als Erkenntnisinteresse sprach schon Lutz Röhrich: Grußwort und Einführung. In: ders., Rolf Wilhelm Brednich, Hannjost Lixfeld, Dietz-Rüdiger Moser (Hgg.) Lebenslauf und Lebenszusammenhang. Autobiographische Materialien in der volkskundlichen Forschung (= Vorträge der Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde in Freiburg i. Br. vom 16. bis 18. März 1981). Freiburg i. Br. 1982, S. 8–17, hier S. 11. Das ist vielfach wörtlich genommen worden, so dass vor allem ›populare‹, d. h. vermeintlich ›unverbildete‹ Texte im Fokus des Interesses stehen. Vgl. etwa Fabian Brändle: »In Suma, es war eine uber die Masen erbärmliche Zeit«. Der hessische Bauer Caspar Preis im Dreißigjährigen Krieg. In: Claudia Gunz und Thomas F. Schneider (Hgg.): Literarische Verarbeitungen des Krieges vom 17. bis zum 20. Jahrhundert (= Krieg und Literatur Jahrbuch. 16). Osnabrück 2010, S. 37–46, hier S. 37: »Ziehen wir indessen weitere populare Texte hinzu […], so entsteht doch so etwas wie ein Blick von unten auf den Dreißigjährigen Krieg […]«. Richtungsweisend war hier nicht zuletzt die Studie von Carlo Ginzburg: Der Käse und die Würmer. Die Welt eines Müllers um 1600. Übers. von Karl F. Hauber. Frankfurt a. M. 1979, die aus Verhörprotokollen die Weltsicht des Befragten zu rekonstruieren versuchte. Diese behördlichen Befragungen wurden wiederum Muster der »erzwungene[n] Selbstwahrnehmung«, die unter der Kategorie der »Ego-Dokumente« erfasst werden sollte: Winfried Schulze: Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte? Vorüberlegungen für die Tagung »EGODOKUMENTE«. In: ders. (Hg.): Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte (= Selbstzeugnisse der Neuzeit. 2). Berlin 1996, S. 11–30, hier S. 28. Schulze erweiterte damit die kanonische Begriffsbestimmung von Benigna von Krusenstjern: Was sind Selbstzeugnisse? Begriffskritische und quellenkundliche Überlegungen anhand von Beispielen aus dem 17. Jahrhundert. In: Historische Anthropologie 2 (1994), S. 462–471. Berechtigte Kritik übte Martin Scheutz: Frühneuzeitliche Gerichtsakten als »Ego-Dokumente«. Eine problematische Zuschreibung am Beispiel der Gaminger Gerichtsakten aus dem 18. Jahrhundert. In: Thomas Winkelbauer (Hg.): Vom Lebenslauf zur Biographie. Geschichte, Quellen und Probleme der historischen Biographik und Autobiographik. Referate der Tagung »Vom Lebenslauf zur Biographie« am 26. Oktober 1997 in Horn. Waidhofen, Thaya 2000, S. 99–134. – Statt vieler vgl. zur aktuellen Selbstzeugnisforschung Übersicht und Kritik bei Andreas Bähr : Furcht und Furchtlosigkeit. Göttliche Gewalt und Selbstkonstitution im 17. Jahrhundert (= Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung. 14). Göttingen 2013, S. 43–54 mit weiterer Literatur. Zum wissenschaftspolitischen Hintergrund vgl. wiederum Eichhorn, Frühneuzeitforschung, S. 213–230. 30 Prägend hierfür Stephen Greenblatt: Renaissance Self-Fashioning from More to Shakespeare. Chicago 1980. Für die Selbstzeugnisforschung folgen dem u. a. Klaus Arnold, Sabine Schmolinsky und Urs Martin Zahnd (Hgg.): Das dargestellte Ich. Studien zu Selbstzeugnissen des späteren Mittelalters und der frühen Neuzeit (= Selbstzeugnisse im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit. 1). Bochum 1999; Kaspar von Greyerz, Hans Medick und Joachim Veit (Hgg.): Von der dargestellten Person zum erinnerten Ich. Europäische Selbstzeugnisse als historische Quellen (1500–1850). Köln, Weimar, Wien 2001; Rudolf Suntrup und Jan R. Veenstra (Hgg.): Self-Fashioning. Personendarstellung (= Kultureller Wandel vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit. 3) Frankfurt a. M. 2003; zuletzt Richard Kirwan (Hg.): Scholarly Self-Fashioning and Community in the Early Modern University. Farnham, Surrey 2013.
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dualisierung«, im Sinne einer Freilegung des vermeintlich immer schon vorhandenen Individuums,31 sind die Schlagworte dieser Perspektivierung. Zwei Probleme stellen sich dabei: Zum einen bleibt die Auswertung des Quellenmaterials auf eine inhaltliche Ebene beschränkt. Gerade die jüngst erneuerte Diskussion um Materialität und die Bedeutung von Form, Gestaltung, Präsentation von Texten als Textobjekten zeigt dagegen, wie wichtig und ertragreich es ist, die Schriften in ihren Eigenheiten, ihrer Heterogenität und Konstruktivität ernstzunehmen.32 Diese Betrachtung autobiographischer Textformen und -formate stärkt einen qualifizierenden Ansatz, statt das Material zu gattungsähnlichen Quellengruppen zusammenzuschließen und so prinzipiell eher als Sammlungen allein quantifizierenden Verfahren zugänglich zu machen.33 Zum anderen 31 Für zahlreiche Studien grundlegend: Richard van Dülmen: Die Entdeckung des Individuums 1500–1800. Frankfurt a. M. 1997, unter den Sammlungen vgl. v. a. Gabriele Jancke und Claudia Ulbrich: Vom Individuum zur Person. Neue Konzepte im Spannungsfeld von Autobiographietheorie und Selbstzeugnisforschung (= Querelles. Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung. 10). Göttingen 2005. Erneut gilt die Kritik von Bähr, Furcht, insb. S. 44– 48. Grundsätzliches auch bei Volker Depkat: Nicht die Materialien sind das Problem, sondern die Fragen, die man stellt. Zum Quellenwert von Autobiographien für die historische Forschung. In: Thomas Rathmann und Nikolaus Wegmann (Hgg.): »Quelle«. Zwischen Ursprung und Konstrukt. Ein Leitbegriff in der Diskussion. Berlin 2004, S. 102–117 sowie Renate Dürr: Funktionen des Schreibens. Autobiographien und Selbstzeugnisse als Zeugnisse der Kommunikation und Selbstvergewisserung. In: Wolf-Friedrich Schäufele und Irene Dingel (Hgg.): Kommunikation und Transfer im Christentum der Frühen Neuzeit (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Beihefte. 74). Mainz 2007, S. 17–31. 32 Zu den Konzepten des sogenannten, aber noch keineswegs etablierten ›material turn‹ vgl. jüngst die Zusammenstellung von Thomas Meier, Michael R. Ott und Rebecca Sauer (Hgg.): Materiale Textkulturen. Konzepte – Materialien – Praktiken (= Materiale Textkulturen. 1). Berlin, München, Boston 2015 sowie Marian Füssel: Die Materialität der Frühen Neuzeit. Neuere Forschungen zur Geschichte der materiellen Kultur. In: Zeitschrift für Historische Forschung 42 (2015), S. 433–463. 33 Für entsprechende Definitionen prägend sind Philippe Lejeune: Der autobiographische Pakt. Übers. von Wolfram Bayer und Dieter Hornig. Frankfurt a. M. 1994 und im Anschluss daran Hans Rudolf Velten: Das selbst geschriebene Leben. Eine Studie zur deutschen Autobiographie des 16. Jahrhunderts (= Frankfurter Beiträge zur Germanistik. 29). Heidelberg 1995. Vgl. dazu die grundsätzliche Kritik von Karl A. E. Enenkel: Die Erfindung des Menschen. Die Autobiographik des frühneuzeitlichen Humanismus von Petrarca bis Lipsius. Berlin 2008, S. 15–26, der für seine Arbeit dann auch den Begriff der ›Ego-Dokumente‹ verwirft (ebd., S. 36 mit Anm. 49). – Hinzu kommt, dass die inhaltlich bestimmten Begriffe heuristisch kaum weiterhelfen, da ihnen keine formalen Kategorien entsprechen: So ist für die mediävistische Forschung der Selbstzeugnisbegriff bereits mehr oder weniger entgrenzt worden (vgl. Sabine Schmolinsky : Selbstzeugnisse im Mittelalter. In: Arnold/Schmolinsky/ Zahnd, Studien, S. 19–28), da prinzipiell jeder Text eine persönliche Kompositionsleistung darstellt, somit Rückschlüsse auf die Wirkabsichten des Urhebers erlaubt. Im Rahmen dieser Studie vergleichbar wären z. B. die »Denkwürdigkeiten« des Georg Kirchmair (1481–1554) (Edition: Karajan, Theodor von (Hg.): Johannes Tichtel’s Tagebuch, Sigmunds von Herberstein Selbstbiographie, Johannes Cuspinians Tagebuch und Georg Kirchmair’s Denkwürdigkeiten (= Fontes Rerum Austriacarum. 1.1). Wien 1855, S. 417–534): Die schlichte Amtschronik formt der Autor zwar durch geschickte Auswahl und Perspektivierung des
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nämlich verwischt eine solche Zusammenlegung die soziale Einbettung und Einbindung, den spezifischen Produktions- und Verwendungszusammenhang der Texte. Das meint die Pragmatik der Texte, die konkreten Bedingungen, unter denen sie entstanden und rezipiert wurden;34 Schreibsituation und Wirkabsichten auf Seiten der Autoren sind damit ebenso zu benennen wie die Rezeption durch ein Publikum, das sich die Texte nicht nur lesend aneignet, sondern sie auch in Gebrauch hält, sie weitergibt, sie dabei auch verändern kann. Welche Formen autobiographische Texte annehmen, in welche Kontexte die Autoren sich selbst einschreiben oder auch erst in der Rezeption eingeschrieben werden, hängt wesentlich von den Gemeinschaften ab, auf die die Texte zielen beziehungsweise vor deren sozialem, ideellem und habituellem Hintergrund sie erarbeitet werden.35 Eben diesen Bedingtheiten gilt das Interesse der Arbeit: Es ist damit keine Gattungsgeschichte angestrebt, kein Überblick über die gemeinadlige Produktion autobiographischer Texte.36 Vielmehr soll es um das Partikulare, Spezifische gehen, eben um Texte als je individuellen, persönlichen Zugriff auf Probleme und Herausforderungen von »Adligkeit«, die, so die Annahme, von den Adligen stets aufs Neue erkämpft und behauptet werden muss. Zugespitzt formuliert, wird der Anspruch als Aufgabe vorgestellt, die – freilich keineswegs exklusiv, wohl nicht einmal in größerem Umfang37, aber in besonders prägnanter, expli-
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erzählten Geschehens, sich selbst bringt er aber nicht oder nur sehr indirekt zur Sprache. Zu Kirchmairs Text vgl. Harald Tersch: Österreichische Selbstzeugnisse des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (1400–1650). Eine Darstellung in Einzelbeiträgen. Wien, Köln, Weimar 1998, S. 180–192. Ansätze dazu bei Steffen Krieb: Vergangenheitskonstruktion zwischen Überlieferungsmangel und mündlicher Tradition. Die Familienchroniken der Landschaden von Steinach. In: Carl/Lorenz, Anpassung, S. 83–101 oder in der biographisch angelegten Studie von Rabeler, Lebensformen. Zur Bedeutung des Text- bzw. Mediengebrauchs für die Analyse zeitgenössischer Perzeptionen vgl. Silvia Serena Tschopp: Das Unsichtbare begreifen. Die Rekonstruktion historischer Wahrnehmungsmodi als methodische Herausforderung der Kulturgeschichte. In: Historische Zeitschrift 280 (2005), S. 39–81. Mit diesem Ansatz jüngst noch Andrea Voß: Reisen erzählen. Erzählrhetorik, Intertextualität und Gebrauchsfunktionen des adligen Bildungsreiseberichts in der Frühen Neuzeit (= Neue Bremer Beiträge. 20). Heidelberg 2016. Die Sammlung von Horst Wenzel: Die Autobiographie des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Bd. 1: Die Selbstdeutung des Adels. München 1980 ist zu ergänzen durch Hinweise bei Tersch, Selbstzeugnisse. Übersicht bietet darüber hinaus die Datenbank »Selbstzeugnisse im deutschsprachigen Raum« (Selbstzeugnisse im deutschsprachigen Raum. Autobiographien, Tagebücher und andere autobiographische Schriften. 1400–1620. Eine Quellenkunde. Betreut von Gabriele Jancke. Unter Mitarbeit von Marc Jarzebowski, Klaus Krönert und Yvonne Aßmann, [04.03.18]). Der rein inhaltliche Fokus des Selbstzeugnisbegriffs erschwert es, die Bestände systematisch zu erschließen, da autobiographische Inhalte eben nicht auf bestimmte Formate beschränkt sind. Für diese Arbeit wurden Archive in Deutschland, Österreich und der Schweiz abgefragt sowie einzelne
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ziter Form – in der Autobiographik gelöst wird. – Zum anderen wählt die Arbeit weder die Makroperspektive einer wie auch immer gearteten europäische Adelskultur noch dehnt sie den zeitlichen Rahmen auf die gesamte Frühe Neuzeit. Stattdessen widmet sie sich deutschen Rittern. Diese Teilmenge des Adels erscheint für die Fragestellung aus mehreren Gründen besonders relevant: Einerseits verbindet sich mit ihrem Namen eines der adligen Leitmotive schlechthin, gelten Rittertum und Ritterlichkeit doch als Inbegriff kriegerischer wie höfischer Tugend, schmücken sich Fürsten wie soziale Aufsteiger mit Attributen des Krieger-Ritters, kommunizieren adlige Gesellschaften nicht nur bei Turnieren, sondern auch im politischen Alltag in der Sprache ritterlicher Ehre und Dienstbarkeit, so dass zuletzt auch in der Repräsentation der Ritter im Harnisch gesamtadlige Qualitäten verkörpern kann, dass hier tatsächlich ›einer für alle‹ stehen kann.38 Andererseits sind die Ritter als unterste Adelsgruppe – daher in der Forschung als »Niederadel« angesprochen – kaum übergreifend politisch organisiert und stetiger sozialer Fluktuation ausgesetzt.39 Wer sich Ritter nennen darf, ist noch weit weniger an Formalitäten gebunden als die Zugehörigkeit zum Adel, dafür aber umso stärker der sozialen Kontrolle, der Bestätigung durch die Standesgenossen unterworfen.40 Offenbar bildete sich Spuren ins benachbarte, vor allem osteuropäische Ausland verfolgt. Die konkreten Orte und Ergebnisse dieser Suchbewegung versammelt das Bestandsverzeichnis im Anhang dieser Arbeit. 38 Vgl. Joseph Morsel: Die Erfindung des Adels. Zur Soziogenese des Adels am Ende des Mittelalters – das Beispiel Frankens. In: Otto Gerhard Oexle und Werner Paravicini (Hgg.): Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte. 133). Göttingen 1997, S. 312–375, insb. S. 373f.; Stephan Selzer : Adelige – Gruppen – Bilder. Eine Skizze zur zeichenhaften Verankerung von adeligem Herkommen und ritterlicher Leistung. In: Scholz/Süßmann, Adelsbilder, S. 58–84. 39 Dieser Bestimmung gelten alle Beiträge des Bandes Kurt Andermann und Peter Johanek (Hgg.): Zwischen Nicht-Adel und Adel (= Vorträge und Forschungen. 53). Stuttgart 2001. Ergänzend dazu Winfried Schulze (Hg.): Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität (= Schriften des Historischen Kollegs. 12). München 1988. – In Spangenbergs ›AdelsSpiegel‹ (1591) heißt es im 11. Buch zum »Ritterliche[n] Adel« (fol. 325v–359r, hier 326r): »Nu aber ists […] dahin komen / das grosse Herrn schier jeden / dem sie sonst etwa günstig / vnd die solchen Orden aus gnaden / oder vmb eine gewiese Summa geldes begeren […] zu Ritter machen […] von welchem mißbrauchs wegen viel ehrlicher vom Adel […] schier des Ritternamens sich schemen […]«. 40 Beispiele für die Selbstregulierung ritterschaftlicher Gremien, die gerade gegen fürstliche Entscheidungen durchgesetzt wird, liefert Josef Matzerath: Die Einführung der Ahnenprobe in der kursächsischen Ritterschaft. In: Elizabeth Harding und Michael Hecht (Hgg.): Die Ahnenprobe in der Vormoderne. Selektion – Initiation – Repräsentation (= Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme. 37). Münster 2011, S. 233–245. KarlHeinz Spieß meint diese Verfügungsgewalt vornehmlich in »Kollegien, die vom Ritteradel dominiert wurden, wie Domkapitel, Turniervereinigungen, Adelsgesellschaften oder landständische Organisationen« behauptet zu sehen, vgl. ders., Aufstieg, S. 19. – Unter diesem Aspekt wären auch die Turnierordnungen des ausgehenden 15. Jahrhundert neu zu bewerten: Als Regulierungen scheinen sie v. a. den Anforderungen einer zunehmend verrecht-
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Einleitung
»der Adel« im Reich erst im 14. und 15. Jahrhundert durch Vernetzung, Verdichtung und die Aneignung der Adelsterminologie als soziale Gemeinschaft heraus.41 Der Prozess, in dem sich Ritterschaften als eigene Gruppen formieren, dabei landständisch oder reichsrechtlich abgebildet werden, reicht allerdings noch weit ins 16. Jahrhundert hinein.42 Grundlegend infrage gestellt ist deshalb auch die Vorstellung einer ›Adelskrise‹,43 die vor allem das mittelalterliche Rittertum ins Abseits gedrängt habe – das Gegenteil scheint der Fall, da es am Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zu einer regelrechten »Ritterrenaissance«44 kommt, das alte Ideal einer sich neu formierenden Adels-
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lichten Fürstenherrschaft entgegenzukommen, die Teilnehmerschaft als ›Turnieradel‹ zu definieren. Zugleich aber behält sich stets die Akzeptanzgemeinschaft jener Teilnehmer vor, die Regeln anzuwenden – und entzieht sich so eben durch Selbstregulierung dem definitorischen Zugriff von außen. – Grundlegend zu Adelsgesellschaften Andreas Ranft: Adelsgesellschaften. Gruppenbildung und Genossenschaft im spätmittelalterlichen Reich (= Kieler Historische Studien. 38). Sigmaringen 1994; zu den Domkapiteln Alexander Jendorff: Verwandte, Teilhaber und Dienstleute. Herrschaftliche Funktionsträger im Erzstift Mainz 1514–1647 (= Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte. 18). Marburg 2003 sowie Günter Christ: Selbstverständnis und Rolle der Domkapitel in den geistlichen Territorien des alten Deutschen Reiches in der Frühneuzeit. In: Zeitschrift für Historische Forschung 16 (1989), S. 257–328. Cord Ulrichs: Vom Lehnhof zur Reichsritterschaft. Strukturen des fränkischen Niederadels am Übergang vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit (= Vierteljahrsschrift für Sozialund Wirtschaftsgeschichte. Beiheft. 134). Stuttgart 1997 und erneut ders.: Die Entstehung der Fränkischen Reichsritterschaft. Entwicklungslinien von 1370 bis 1590 (= Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte. 31). Köln, Weimar, Wien 2016. Zur zeitgleichen semantischen Festlegung des Adelsbegriffs vgl. Morsel, Erfindung. Neben der klassischen Analyse von Press, Reichsritterschaft vgl. Horst Carl: Genossenschaft und Herrschaftsverdichtung. Zur politischen Kultur von Adelseinungen im Alten Reich. In: Ronald G. Asch und Dagmar Freist (Hgg.): Staatsbildung als kultureller Prozeß. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Köln 2005, S. 405–427. Die Mehrheit der neueren Adelsforschung versieht den Begriff inzwischen zumindest mit Fragezeichen. Zu den frühesten Kritikern gehört Joseph Morsel: Crise? Quelle crise? Remarques / propos de la pr8tendue crise de la noblesse allemande / la fin du Moyen Age. In: Sources. Travaux Historiques 14 (1988), S. 17–42. Ausgearbeitet sind die Thesen dann am Beispiel einer fränkischen Ritterfamilie: ders.: La noblesse contre le prince. L’espace social des Thüngen / la fin du moyen age (Franconie, vers 1250–1525) (= Beihefte der Francia. 49). Stuttgart 2000. Speziell zur wirtschaftlichen ›Krise‹, wie sie z. B. Roger Sablonier: Zur wirtschaftlichen Situation des Adels im Spätmittelalter. In: Adelige Sachkultur des Spätmittelalters. Internationaler Kongreß Krems an der Donau, 22. bis 25. September 1980 (= Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs. 5). Wien 1982, S. 9–34 konstatierte, überzeugend Joseph Morsel: Adel in Armut – Armut im Adel? Beobachtungen zur Situation des Adels im Spätmittelalter. In: Otto Gerhard Oexle (Hg.): Armut im Mittelalter (= Vorträge und Forschungen. 58). Ostfildern 2004, S.127–164. Als Forschungsüberblick und kritische Würdigung des Begriffs ist unverzichtbar Klaus Graf: Ritterromantik? Renaissance und Kontinuität des Rittertums im Spiegel des literarischen Lebens im 15. Jahrhundert. In: Wolfgang Haubrichs und Hans-Walter Hermann (Hgg.): Zwischen Deutschland und Frankreich. Elisabeth von Lothringen, Gräfin von NassauSaarbrücken (= Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung e.V. 34). St. Ingbert 2002, S. 517–532.
Fragestellung und Erkenntnisinteresse
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schicht den Namen und Auftrag gibt. Ab hier freilich bestimmen neue Problemkreise das Handeln der Ritter : Zu nennen sind nur ihre Rolle als ständischregionale Korporation, die an der zunehmend verdichteten Fürstenherrschaft partizipiert und sich gleichzeitig als ihr Gegengewicht versteht45, oder auch ihr Verhältnis zu Prozessen der Konfessionalisierung46. Das heißt, es geht um Funktionsbestimmungen. Der Wandel dahin, Ausformung, Anpassung und Verstetigung ritterlicher Gemeinschaften, vollzieht sich rein äußerlich demnach etwa vom Beginn bis ungefähr über die Mitte des 16. Jahrhunderts. Als Eckdaten sind dafür schon früher das allgemeine Verbot der Fehde (1495)47 und die An45 Stefan Brakensiek: Akzeptanzorientierte Herrschaft. Überlegungen zur politischen Kultur der Frühen Neuzeit. In: Helmut Neuhaus (Hg.): Die Frühe Neuzeit als Epoche (= Historische Zeitschrift. Beihefte. N. F. 49). München 2009, S. 395–406. Fallbeispiele liefert etwa Axel Metz: Der Stände oberster Herr. Königtum und Landstände im süddeutschen Raum zur Zeit Maximilians I. (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen. 174). Stuttgart 2009. Das prominente Beispiel der Landgrafschaft Hessen beleuchtet unter dem Aspekt ›politischer Sprache‹ Robert von Friedeburg: Widerstandsrecht und Lokalpatriotismus. Territorialstaatsbildung und Patriotenpflichten in den Auseinandersetzungen der niederhessischen Stände mit Landgräfin Amelie Elisabeth und Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel 1647–1653. In: Angela De Benedictis und Karl-Heinz Lingens (Hgg.): Wissen, Gewissen und Wissenschaft im Widerstandsrecht (16.–18. Jh.) (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte. 165). Frankfurt a. M. 2003, S. 267–326 sowie Raingard Esser : Weil ein jeder nach seinem habenden Verstande… seine Meinung nach aller Völker Rechten ungehindert außzusprechen hat. Herrschaft und Sprache auf frühneuzeitlichen Landtagen. In: Markus Meumann und Ralf Pröve (Hgg.): Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Umrisse eines dynamisch-kommunikativen Prozesses (= Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit. 2). Münster 2004, S. 79– 95 bzw. unter kulturwissenschaftlichen Vorzeichen Tim Neu: Die Erschaffung der landständischen Verfassung. Kreativität, Heuchelei und Repräsentation in Hessen (1509–1655) (= Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. 3). Köln 2013 sowie Sittig, Konkurrenzen. Darüber hinaus für eine vermeintlich ›reichsferne‹ Landschaft aufschlussreich Ellen Franke: Küstrin – Speyer – Wien. »Ein Kampf um Recht« im 16. Jahrhundert – der Konflikt zwischen Markgraf Johann von Brandenburg(-Küstrin) und den Brüdern Borcke. In: Sascha Bütow, Peter Riedel und Uwe Tresp (Hgg.): Das Mittelalter endet gestern. Beiträge zur Landes-, Kultur- und Ordensgeschichte. Heinz-Dieter Heimann zum 65. Geburtstag (= Studien zur brandenburgischen und vergleichenden Landesgeschichte. 16). Berlin 2014, S. 162–187, auch mit weiterer Literatur. 46 Mustergültig vorgeführt von Gerrit Walther: Abt Balthasars Mission. Politische Mentalitäten, Gegenreformation und eine Adelsverschwörung im Hochstift Fulda (= Schriftenreihe der historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 67). Göttingen 2002 Vgl. auch Ronald G. Asch: Religiöse Selbstinszenierung im Zeitalter der Glaubenskriege. Adel und Konfession in Westeuropa. In: Historisches Jahrbuch 125 (2005), S. 67–100. 47 Dazu zuletzt Mattias G. Fischer : Reichsreform und »Ewiger Landfrieden«. Über die Entwicklung des Fehderechts im 15. Jahrhundert bis zum absoluten Fehdeverbot von 1495 (= Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte. N. F. 34). Aalen 2007 und Dieter Mertens: Der Wormser Reichstag von 1495 und seine Auswirkungen. In: Peter Schiffer (Hg.): Aufbruch in die Neuzeit. Das nördliche Württemberg im 16. Jahrhundert (= Forschungen aus Württembergisch-Franken. 53). Ostfildern, 2012, S. 13–21.
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erkennung der reichsritterschaftlichen Korporation im Augsburger Religionsfrieden (1555)48 bezeichnet worden. Entwicklungen wie die Reformation, die Ausbildung der habsburgischen Universalmonarchie oder generell die politischen Umbrüche in Europa, die nicht zuletzt im Zusammenspiel mit geistigen Bewegungen wie dem Humanismus neue, entgrenzte Handlungsoptionen eröffnen,49 können mit der Gemeinschaftsbildung der Ritter kontextualisiert werden. Weitere Marksteine aus der Politik-, Verfassungs- und Sozialgeschichte, auch in europäischer Perspektive, ließen sich hier eintragen, führen für diese Untersuchung aber kaum weiter. Wichtiger ist die partikulare biographische Perspektive: Von der Notwendigkeit betroffen, die Rolle der Ritter in der bezeichneten Phase des Übergangs zu bestimmen, sie zu formulieren oder wenigstens sie bewusst mitzuerleben, sind hauptsächlich diejenigen, die um oder nach 1480 geboren werden und etwa in den 1560er Jahren allmählich wieder abtreten – im Wesentlichen also eine oder zwei Generationen50, deren Biographie die Entwicklungen der ersten Jahrhunderthälfte verklammert und folglich für jede auto-biographische Betrachtung die Folie abgibt. Anders gewendet, die Sozialisation unter grundsätzlich ähnlichen Problemstellungen soll als Gemeinsamkeit betont werden, um handlungsleitende Prinzipien in ihrer je eigenen, konkreten Anwendung zu erkennen.51 Zugleich ist damit vermieden, einen
48 Vgl. Volker Press: »Korporative« oder individuelle Landesherrschaft der Reichsritter? In: Erwin Riedenauer (Hg.): Landeshoheit. Beiträge zur Entstehung, Ausformung und Typologie eines Verfassungselements des römisch-deutschen Reiches (= Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte. 16). München 1994, S. 93–112, hier S. 101f.; Rolf Kießling: Reichsritterschaft und Reformation in Schwaben – auf dem Weg zu einer evangelischen Diaspora. In: Konrad Ackermann und Alois Schmid (Hgg.): Staat und Verwaltung in Bayern. Festschrift für Wilhelm Volckert zum 75. Geburtstag (= Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte. 139). München 2003, S. 147–165; Martin Schneider : Die Ritter im Kraichgau und die Reformation. In: Jahrbuch für badische Kirchen- und Religionsgeschichte 1 (2007), S. 143–146. 49 Auf den Punkt gebracht von John Russell Major : The Renaissance Monarchy. A Contribution to the Periodization of History. In: Emory University Quarterly 13 (1957), S. 112–124, hier S. 123: »Renaissance Monarchs were able to do bigger things than their predecessors.« 50 Für den Generationsbegriff gelten hier die Einschränkungen nach Stefan Brakensiek: Welche Erfahrungen begründen eine Generation? Prosopographische Befunde aus der Übergangszeit von Ancien R8gime zum 19. Jahrhundert. In: Andreas Schulz und Gundula Grebner (Hgg.): Generationswechsel und historischer Wandel (= Historische Zeitschrift. Beihefte. N. F. 36). München 2003, S. 43–55. Allerdings sieht Brakensiek in der »SelbstReflexivität« eine Voraussetzung dafür erfüllt, »daß wir von einer Generation im vollen Sinne sprechen können« (S. 44). Anders gewendet würde dann die autobiographische Arbeit, so partikular sie auch sei, wenigstens beim Autobiographen selbst das Bewusstsein bedingen, einer bestimmten Generation anzugehören. 51 Die Sozialisation als Faktor der Habitusbildung entwickelt Süßmann, Vergemeinschaftung, S. 176–180 unter Verweis auf Ulrich Oevermann: Sozialisation als Prozeß der Krisenbewältigung. In: Dieter Geulen und Hermann Veith (Hgg.): Sozialisationstheorie interdiszi-
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oder ›den‹ adligen Habitus vorauszusetzen. Stattdessen geht es um seinen Erwerb oder seine Hervorbringung in der Selbstbetrachtung. Deshalb soll auch nicht vom Selbstverständnis der Autobiographen die Rede sein, sondern von dessen Reflexion und Dynamisierung, im Sinne der Selbstverständigung52, die sich vor dem Hintergrund und mehr noch als Teilhabe an den genannten Wandlungsprozessen vollzieht. Daraus ergeben sich drei Prämissen, die hier kurz benannt werden sollen: Erstens ist Adel – und hier konkret in seiner Ausformung als ritterschaftlicher Adel – kein gegebener Status, der einer Gemeinschaft zugesprochen wird oder von ihr besetzt werden kann. Vielmehr formuliert sich darin ein Anspruch auf Herrschaftsteilhabe und die damit verbundenen Privilegien, der stets neu erfüllt und durch Leistung in seiner gesellschaftlichen Relevanz legitimiert werden muss. Adel ist somit als Auftrag zu verstehen. Ob dieser Auftrag der Ritterlichkeit, zweitens, angenommen und wie er konkret ausgeführt wird, hängt entscheidend vom einzelnen Ritter selbst ab. Der Einzelne muss dabei immer wieder neu ausloten, welche Mittel der Bewährung ihm zur Verfügung stehen und ob diese von der Gemeinschaft der Standesgenossen akzeptiert werden. Daher sind auch die Selbstsichten, die sich in der Autobiographik äußern, stets auf diese Gemeinschaft bezogen, mit der – durch einen explizit als ritterlich konnotierten Habitus oder in der direkten Ansprache anderer Ritter – Verständigung gesucht wird. Drittens aber trägt die Autobiographik somit zur Lösung eines Quellenproblems bei, das sich aus der Frage nach dem Handeln des Einen im Sinne aller ergibt. Autobiographische Texte von Rittern sind bisher als Sekundärquellen und als Tradition befragt worden, demnach zu lesen als Erfahrungsberichte, als Protokolle der Selbstwahrnehmung wie der Selbstverortung oder auch Selbstplinär – Aktuelle Perspektiven (= Der Mensch als soziales und personales Wesen. 20). Stuttgart 2004, S. 155–181. 52 Gemeint sind damit zwei konstitutive, hier beschriebene Prozesse: zum einen die Reflexion über die Prinzipien des eigenen Handelns – allerdings nicht als Individualisierung, als Herausbildung eines Selbstbewusstseins, das sich nicht zuletzt gegen die soziale Bezugsgruppe entwickelt (vgl. zu dieser wichtigen Unterscheidung und begrifflichen Schärfung Michael Borgolte: »Selbstverständnis« und »Mentalitäten«. Bewußtsein, Verhalten und Handeln mittelalterlicher Menschen im Verständnis moderner Historiker. In: Archiv für Kulturgeschichte 79 (1997), S. 189–210); denn, zum anderen, gerade auf diese Austauschbeziehung, eben eine Verständigung und die Selbsteinholung zielt die Autobiographik – und wird darin als Sprech- oder Schreibhandeln der actio gleichgestellt. In diesem Sinne auch Wolfgang Neuber: »Doch den Diskurs, die Rede über etwas, als bedingende Form des Handelns und zumal als jenen Ort, wo sich soziale Übereinkunft und die Konstruktion des gesellschaftlichen Selbst vollziehen, sollte man nicht unterschätzen […].« Vgl. ders.: Grade der Freiheit. Alteritätskonstruktionen und experientia-Argumentation in deutschen Turcica der Renaissance. In: Bodo Guthmüller und Wilhelm Kühlmann (Hgg.): Europa und die Türken in der Renaissance (= Frühe Neuzeit. Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext. 54). Tübingen 2000, S. 249–265, hier S. 250.
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positionierung. Hier dagegen werden sie als Primärquelle beziehungsweise als Überrest gedeutet:53 Denn es scheint ebenso plausibel, die Texte selbst als Medien der ritterlichen Leistung und Bewährung zu werten. Indem nämlich, so die These, in ihnen und durch sie ein ›Eigensinn‹ behauptet wird, tragen die Texte auf der Ebene der Pragmatik dazu bei, das Selbstverständnis zu dynamisieren, etablierte Maßstäbe zu hinterfragen oder neu zu bestimmen, also Ritterlichkeit auch durch Texte herzustellen.
2.
Vorgehen und Aufbau
Die Arbeit versteht sich als Beitrag zur Adelsforschung zum einen, zur Selbstzeugnis- oder Autobiographieforschung zum anderen. Darüber hinaus, und dies zum Dritten, kann sie aber auch Geltung für die Historiographiegeschichte beanspruchen: Denn indem die autobiographischen Selbstentwürfe – nicht zuletzt im Rekurs auf fiktionale, doch nicht weniger autoritative Diskurse und Darstellungsmodi – Glaubwürdigkeit beanspruchen, das heißt das persönliche Erleben im Hinblick auf eine ›historische Wahrheit‹ konstruieren, teilen sie eben den Wahrheitsanspruch der Geschichtsschreibung.54 Bezogen auf die Fragestellung ist dafür allerdings statt eines Überblicks den Fallstudien der Vorzug zu geben. Ritterliche autobiographische Texte in ihrer Gesamtheit auswerten zu wollen, wäre beim aktuellen Stand der Materialerschließung kaum sinnvoll – noch scheint dies überhaupt notwendig. Unter der Prämisse nämlich, dass ritterliche Autobiographen ihr Selbstverständnis, die Sinnstiftung ihres Denkens und Handelns als Autoren auf die Bezugsgruppe ritterschaftlicher Gemeinschaft hin orientieren oder es damit in Abgleich bringen, bearbeiten sie jeder für sich und mit je anderen Worten das gleiche Problem: was Ritterlichkeit sei und wie sie erlangt werde. Drei Texte werden deshalb herausgegriffen. Diese Texte und ihre Autoren sind der Forschung lange bekannt: Es handelt sich um einen humanistischen Brief Ulrichs von Hutten (1488–1523), den Bericht der Taten des Götz von 53 Zur klassisch gewordenen, aber immer noch wesentlichen Einteilung in ›Tradition‹ und ›Überrest‹ vgl. Ahasver von Brandt: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften. 16. Aufl. Stuttgart 2003, S. 50–64. 54 Es geht also nicht um die Faktizität autobiographischer Verhandlungen, um Zugänge zu einer wie auch immer gearteten ›historischen Wirklichkeit‹, sondern um den Zugriff der Texte selbst, die Autobiographik auch als historiographische Konstruktion. Zur Problemstellung vgl. Thomas Welskopp: Erklären, begründen, theoretisch begreifen. In: Hans-Jürgen Goertz (Hg.): Geschichte. Ein Grundkurs. 3. rev. und erw. Aufl. Reinbek 2007, S. 137– 177. Gewendet auf die Biographieforschung vgl. Bernhard Fetz: Biographisches Erzählen zwischen Wahrheit und Lüge, Inszenierung und Authentizität. In: Christian Klein (Hg.): Handbuch Biographie. Methoden, Traditionen, Theorien. Stuttgart, Weimar 2009, S. 54–60.
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Berlichingen (ca. 1480–1562) sowie eine als ›Raittung vnd anzaigen‹ betitelte Schrift Sigmunds von Herberstein (1486–1566). Als Selbstzeugnisse im bezeichneten Sinn sind sie bislang allerdings noch nicht befragt worden. Die Auswahl ist pragmatisch bedingt: (1) Alle drei Quellenbeispiele sind in zeitgenössischer Fassung überliefert. Das heißt, Spuren der Rezeption und des Gebrauchs der Texte sind den Autoren selbst bzw. ihrer unmittelbaren Umgebung zuzuordnen. An der Außenseite solcher ›Urtexte‹ also wird sichtbar, wie die sie gelesen werden sollten oder dann tatsächlich gelesen wurden. Zahlreiche andere, formal und inhaltlich verwandte Texte dagegen haben sich nur in deutlich späteren Abschriften erhalten oder sind gänzlich durch gedruckte Ausgaben ersetzt worden. Materialität und Medialität dieser Quellen sind damit verwischt; für die Fragestellung der Arbeit würde es sich um Sekundärzeugnisse handeln. (2) Entscheidend ist daher auch, dass die gewählten Beispiele verschiedene mediale Zusammenhänge abbilden. Huttens Text erscheint im Druck, die beiden anderen liegen als Handschriften vor. Dabei bleibt Herbersteins autobiographische Arbeit trotz ihres Umfangs nahzu unbekannt, während der Berlichingen-Text bereits unmittelbar nach seiner Entstehung weite Verbreitung findet. Die Wahl der Beispiele vermeidet also zum einen, eine ›adlige‹ Manuskriptkultur klar vom vermeintlich ›bürgerlichen‹ Medium des Drucks zu trennen. Zum anderen kann sie schlaglichtartig erhellen, welche Formen, von der äußeren Gestaltung bis zu Sprache und Stil, die ritterliche Autobiographik annehmen konnte – und welche Rolle das für ihre Wahrnehmung spielte. (3) Schließlich bieten alle drei Texte eine breite Erzählung. Sie liefern den Lesern eine gewissermaßen ausbuchstabierte Sinnstiftung und unterscheiden sich darin qualitativ von kürzeren, skizzenhaften oder auszugsweisen autobiographischen Berichten. Die innere Verwandtschaft zu anderen Textsorten ist dadurch nicht bestritten, doch lässt sich (4) die aufwendige methodische Erschließung an den drei Beispielquellen gleichsam paradigmatisch vorführen. Deshalb sind Quellen, die als Vergleichsfälle dienen können oder noch der näheren Prüfung bedürfen, im Anhang verzeichnet. Eine vollständige oder auch nur annähernd repräsentative Bestandserhebung war damit nicht angestrebt. Das ist sowohl dem schon äußerlich disparaten Quellenmaterial geschuldet als auch der schwierigen Überlieferungsgeschichte. Zwar wird man nicht von massiven Verlusten ausgehen können: Die meisten autobiographischen Zeugnisse waren schon als ›Leistungsberichte‹ für die adlig-familiengeschichtliche memoria von besonderem Wert und wurden spätestens im 19. Jahrhundert auch von historisch-antiquarischen Suchbewegungen erfasst. Dennoch ist die Überlieferungssituation unübersichtlich, weil Adelsarchive durch Erbteilungen zerrissen, teilweise oder komplett anderen Institutionen einverleibt oder durch
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Verkäufe zerstreut wurden – und immer noch werden.55 Den Zugang erschwert zudem, dass die Bestände oft nur lückenhaft erschlossen sind oder auf Seiten der Eigentümer – durchaus nachvollziehbare – Vorbehalte bestehen, ihren Besitz uneingeschränkt der Forschung zu öffnen. Für die ausdrücklich überregionale Perspektive dieser Arbeit wurde also ein möglichst breites Spektrum an Beständen abgefragt. Abgesehen von historisch bedingten Sammlungsschwerpunkten verteilen sich die Fundstellen auf den gesamten Einzugsbereich des Heiligen Römischen Reichs nördlich der Alpen.56 Die Übersicht bildet demnach einen Zwischenschritt ab, der mithilfe der hier erarbeiteten Modellbildung weitere, detaillierte Erschließungen folgen können. Eine Gattung ist damit ebenso wenig abgesteckt. Die Arbeit wird die drei Beispieltexte nebeneinanderstellen, allerdings bewusst nicht in chronologischer Reihenfolge, um den Eindruck einer Entwicklungs- und damit Gattungsgeschichte schon im Ansatz zu vermeiden. Da es sich um disparate Textformen handelt – ein lateinischer, zwei deutsche Texte; ein Druck, zwei Handschriften; insgesamt Texte, die, wie sich zeigen wird, für eine Vielzahl von Zuschreibungen gesorgt haben –, geht die Untersuchung jedes Fallbeispiel in fünf gleichmäßigen Schritten ab: Sie beginnt (1) bei der Rezeption und Forschungsgeschichte, stellt dann (2) das Material vor, beschreibt den Quellenzeugen als Textträger, in seiner medialen Bedeutung wie schließlich in der ›Selbstdeutung‹ des Textes. Erst hier richtet sich der Blick (3) auf die Inhalte, den Gegenstand, der im Text verhandelt wird, bevor (4) genauer beleuchtet werden soll, welche Perspektive auf das Thema der Text entwickelt und einnimmt. Der letzte Schritt führt zurück zum Ausgangspunkt in der Rezeption – wenngleich unter veränderten Vorzeichen, denn hier rückt (5) die Pragmatik, die Absichten des Textes oder, anders gesagt, der konkrete, intendierte oder tatsächliche Ertrag für Autor und Leserschaft in den Fokus. Ziel dieses Vorgehens ist es, sich jedem Text zunächst in seiner vollendeten, endgültigen Form zu nähern, dann aber, Schicht um Schicht, seine Geschichte, seinen Gebrauch freizulegen, schließlich auch den ihm vom Autor einge55 In Auktionskatalogen fand sich mehrfach für diese Arbeit, dem Augenschein nach, relevantes Quellenmaterial, über dessen Verbleib nichts zu erfahren war. Ein bekanntes, da öffentlich diskutiertes Beispiel stellt der Verkauf des sogenannten Hausbuchs von Schloss Wolfegg dar, s. Rüdiger Soldt: Hausbuch abgegeben. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6. 5. 2008 sowie das Interview von Klaus Graf mit Christoph Graf Waldburg unter [04.03.18]. 56 So lagen die besonders nachhaltig säkularisierten (reichs-)ritterschaftlichen geprägten Gebiete vor allem im Einzugsbereich süddeutscher Staats- und Landesarchive. – Ein Schlaglicht auf ein verwandtes italienisches Quellenkorpus in transalpiner Verflechtung wirft etwa Christina Antenhofer: Briefe zwischen Süd und Nord. Die Hochzeit und Ehe von Paula de Gonzaga und Leonhard von Görz im Spiegel der fürstlichen Kommunikation (1473–1500) (= SchlernSchriften. 336). Innsbruck 2007.
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schriebenen Sinn und Zweck zu ergründen. Dabei geht es freilich nicht darum, Fakten von Fiktionen zu trennen,57 die ›wahren‹ Absichten des Autobiographen festzulegen oder eine ebenso endgültige Deutung vorzulegen. Vielmehr sollen die Texte zum Sprechen gebracht werden, die so Aufschluss geben, welche Wege ritterschaftliche Gemeinschaftsbildung mit der sozialen Sprache der Autobiographik beschreiten konnte.
57 Zum Fiktionalitätsdiskurs in der literaturwissenschaftlichen Sicht auf die Autobiographik vgl. zuletzt, mit der neueren Literatur, Nadine Jessica Schmidt: Konstruktionen literarischer Authentizität in autobiographischen Erzähltexten. Exemplarische Studien zu Christa Wolf, Ruth Klüger, Binjamin Wilkomirski und Günter Grass (= Literatur- und Mediengeschichte. 3). Göttingen 2014, S. 35ff.
II.
Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten Art is always more abstract than we fancy. Form and colour tell us of form and colour – that is all. It often seems to me that art conceals the artist far more completely than it ever reveals him. Oscar Wilde, The Picture of Dorian Gray
1.
Gescheiterte Biographie
Draußen vor dem Fenster schimmert das Wasser eines Sees durch herbstlichen Nebel. Die Bergkulisse am Horizont ist nur zu erahnen. Das Schilf, die hohen Bäume am diesseitigen Ufer stehen unbewegt. Das kleine Zimmer selbst scheint ein Spiegel dieser Ruhe zu sein: Tisch und Stuhl, ein Bett, ein schlichtes Kruzifix an der geweißten Wand, daneben auf einem Bord wenige abgegriffene Bücher. Das Schwert, in der Scheide und in eine Ecke gelehnt, und die Armbrust, entspannt und an einen Haken gehängt, verweisen auf Kampf und Gewalt; beides aber ist hier bezähmt, abgelegt. Der Eindruck der Stille ist damit um den der Beruhigung, ja der Weltabgewandtheit ergänzt. Dazu passt auch das unscheinbare Blatt an der Wand. Es ist der von Tod und Teufel umdrängte ›Reuter‹ Albrecht Dürers. Auch hier Kontemplation, der nach innen gerichtete Blick des Reiters. Von tatsächlicher Belebtheit zeugen allein die auf dem Tisch verteilten Papiere, lose Blätter, Notizen, Entwürfe. Bei genauerem Hinsehen lassen sich darunter Anschreiben, Briefe entdecken; ein letztes Zeichen für den auf Notwendiges reduzierten, den aus der Abkehr notwendig distanzierten Austausch mit der Außenwelt. Und das Instrument dieses Austauschs liegt daneben, wie im Moment fallen gelassen – eine Feder. Kein Gemälde, keine Zeichnung zeigt dieses Stillleben. Es entsteht vielmehr aus einer Erzählung, mit der Conrad Ferdinand Meyer im Jahr 1871 der Insel Ufenau im Zürichsee und ihrem zweifellos berühmtesten Besucher, Ulrich von Hutten, ein literarisches Denkmal setzte. Exil und Sterben, eben »Huttens letzte Tage« gaben dem Werk Titel und Thema.58 Darin gelingt es Meyer, zu kurzen Episoden und knappen Versen verdichtet, gleichsam also mit wenigen, kräftigen Strichen ein überaus lebendiges, beinahe intimes Porträt jenes Ulrich von 58 Die Erstausgabe ist datiert auf 1872, erschien aber bereits im Vorjahr. Der Text erfuhr über insgesamt zwölf Ausgaben, alle in geringer Stückzahl von etwa 750 Exemplaren, mehrere Bearbeitungen. Die zehnte Auflage von 1896 gilt als Fassung ›letzter Hand‹ und damit für die Edition maßgeblich. Hans Zeller und Alfred Zäch (Hgg.): Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Bd. 8: Huttens letzte Tage. Text, Apparat und Kommentar. Bern 1970 (ND 1997).
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
Hutten zu zeichnen. In einer Art Kammerspiel, für das die Insel oder mehr noch die mönchische Klause die begrenzte Bühne abgibt, wird der dagegen raumgreifende biographische Rückblick inszeniert. Dieser Blick auf sich selbst stellt, hierin ähnlich dem »Reuter« Dürers, vor allem Huttens Kampf mit seinen Dämonen dar : Nach einem bewegten Leben als Streiter für politische, geistige wie geistliche Reformen – ein Kampf, den er stets öffentlich geführt hat – erscheint Meyers Hutten in der Abgeschiedenheit der Ufenau auf sich selbst zurückgeworfen. Hier kann er mit Weggefährten und Gegnern abrechnen, spart aber sich selbst eben nicht aus, sondern setzt sich durchaus kritisch mit dem eigenen Wirken auseinander. Dieser Hutten ringt freilich nur noch mit Traumbildern. Nicht das Schwert, als Zeichen der Tat, sondern die Feder, als Vermittlerin des Gedankens, bleibt in seinen Kämpfen, die weitgehend in den inneren Monolog verlagert sind, ebenso präsent wie aktiv. Der jahreszeitliche Wechsel vom Spätsommer zum frühen Winter, der die Szenen begleitet, deutet es dabei an: Die inneren Konflikte stehen schon ganz im Zeichen von zersetzender Krankheit und nahem Tod; rein äußerlich, körperlich kann keine Entscheidung mehr herbeigeführt werden, sie ist daher auf eine innere, ideelle Behauptung verlegt. Die tatsächlich entscheidende Frage ist also, ob Huttens Ideen nachwirken können, ob sie jenseits der Zeitumstände, die ihnen vielleicht nur nicht günstig waren, Bestand haben sollen. Meyer löst diese Frage zwar für die eigene Zeit, indem er immer wieder Anspielungen auf die Entstehung eines deutschen Nationalstaats durch die Reichsgründung 1871 einfügt, durch die er Huttens Mission gewissermaßen erfüllt sieht. Dennoch bleibt das Thema der Ambivalenz, auf dem schmalen Grat zwischen Scheitern und Absolution, im Fokus der Erzählung. Grundlage und Ausgangspunkt dieser Verarbeitung bildete mit großer Wahrscheinlichkeit die seinerzeit modernste und eigentlich erste wissenschaftliche Biographie Huttens, an der Meyer sich bis zur Zitatebene orientierte.59 Diese Biographie, wenige Jahre zuvor in drei Bänden vorgelegt von David Friedrich Strauß, hält sich eng an das Quellenmaterial, das hierin zugleich dem Anspruch nach umfassend zusammengeführt und mit einer bis heute unerreichten Akribie ausgewertet wird. In einer Mischung aus Referat und Zitaten, Wiedergabe im Wortlaut und Übersetzung scheint Strauß seine Erzählung vornehmlich aus den Quellen zu schöpfen – oder besser : daraus zu komponieren.60 Denn tatsächlich handelt es sich um einen so geschickt konstruierten
59 David Friedrich Strauß: Ulrich von Hutten. 2 Bde. Leipzig 1858. Der dritte, nachgetragene Band stellt Huttens lateinische Dialoge in deutscher Übersetzung vor: Ders.: Ulrich von Hutten. Dritter Theil. Gespräche von Ulrich von Hutten. Leipzig 1860. 60 Strauß konnte teilweise auf Vorarbeiten Böckings zurückgreifen, vgl. Strauß, Hutten 1, S. XII. Das Editionsprojekt erschien dann aber beinahe zeitgleich im Druck: Eduard Böcking (Hg.):
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plot, dass nicht selten verschwimmt, wo Darstellung in Deutung übergeht oder auch wo die Darstellung in den Quellen die Deutung übernimmt.61 Aus der Montage entsteht ein Bild Huttens, das vor allem durch seine unhintergehbare Geschlossenheit beeindruckt. Unhintergehbar, weil alles einbezogen scheint: Selbst- und Fremdzuschreibungen sind so vollständig erfasst und miteinander verwoben, dass Person und Charakter in ihrem Gewordensein, aus ihrer Zeitgenossenschaft wie in ihrer allgemein menschlichen Entwicklung erklärlich werden. Gerade dieser persönliche, menschliche Blick, der Brechungen zulässt, zugleich aber auch das überzeitlich Gültige und beinahe Heroische betont, ist für die Erzählung konstitutiv. Strauß führt Hutten nämlich nicht allein als Exponenten eines bestimmten Zeitgeists vor, sondern als einen, der sich in jenem Zeitgeist verfängt und letztlich daran sogar scheitert.62 In Strauß’ Darstellung ist das Unzeitgemäße, Widerständige, das ›Noch-Nicht‹ stets mitgedacht, und das wiederum nicht zuletzt im Verweis auf die eigene Zeit. Zwischen Strauß, dem selbsttitulierten Junghegelianer und verhinderten Politiker,63 und Hutten, dem Humanisten und Reformer, wird so eine Brücke geschlagen. Wie seine eigene Vlrichi Hvtteni eqvitis Germani opera qvæ reperiri potvervnt omnia. Ulrichs von Hutten Schriften. 5 Bde. Leipzig 1859–1862. 61 Ein Beispiel ist die zum Gemeinplatz gewordene Konstruktion der ›Klosterflucht‹ Huttens, das meint den eigenmächtigen Abbruch seiner geistlichen Karriere um das Jahr 1505; hier zitiert Strauß, Hutten 1, S. 21 ohne Umstand und scheinbar wörtlich aus der viel späteren ›Enndtschüldigung Vlrichs von Hutten Wyder etlicher vnwarhafftiger außgeben‹ (gedruckt in Worms, ca. 1521; Edition: Böcking, Opera 2, S. 130–149). Tatsächlich kürzt er die Passage (im Original ebd., S. 145) und überträgt sie von der 1. Pers. Sg. in die 3. Pers. Sg., um sie so leichter in den eigenen Text integrieren zu können, aber ohne das jeweils zu kennzeichnen. 62 Der Hegel-Schüler Strauß verzichtet freilich darauf, die Einflüsse seines Lehrers (z. B. in der Idee des »objektiven Geistes« einer Epoche) und auch eigene Positionen demgegenüber zu explizieren. Es handelt sich, ganz bewusst, bei der Biographie nicht um einen Beitrag zur Methodenreflexion, sondern um praktische Anwendung. Welche Entwicklungen und Auseinandersetzungen die Theorie der Biographik in dieser Zeit durchlief, ist aufgearbeitet durch Christian von Zimmermann: Biographische Anthropologie. Menschenbilder in lebensgeschichtlicher Darstellung (1830–1940). Berlin 2006, insb. S. 54–151. 63 Die Unterteilung der Hegel-Schule in ›Linke‹, ›Zentrum‹ und ›Rechte‹ geht auf Strauß selbst zurück; vgl. ders.: Streitschriften zur Verteidigung meiner Schrift über das Leben Jesu und zur Charakteristik der gegenwärtigen Theologie. H. 3: Die evangelische Kirchenzeitung, Die Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, und Die theologischen Studien und Kritiken in ihrer Stellungzu meiner Kritik des Lebens Jesu. Tübingen 1838, S. 95–126. Zugleich wurden die Linkshegelianer bald mit den progressiv eingestellten Epigonen, den Junghegelianern, zu denen auch Strauß sich rechnete, gleichgesetzt; vgl. Horst Stuke: [Art.] Junghegelianismus. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie 4 (1976), Sp. 658–660. Nachdem ihm durch seine Veröffentlichungen und den öffentlichen Streit darum eine akademische Karriere verbaut war, versuchte Strauß sich politisch zu engagieren. 1848 bewarb er sich zunächst erfolglos für ein Mandat in der Frankfurter Nationalversammlung, bevor er 1849 auch den ihm stattdessen zugefallenen Sitz im württembergischen Landtag wieder aufgab; Thomas K. Kuhn: [Art.] Strauß, David Friedrich (1808–1874). In: Theologische Realenzyklopädie 32 (2001), S. 241–246.
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Zeit für Huttens Ideen – bei Strauß vor allem in den Diskursen kompromissloser Reformation und säkularisierter Nationalpolitik – schließlich noch nicht reif gewesen war, so sollte ihre Vergegenwärtigung in der biographischen Form »alle Diejenigen herzlich ärgern, die ihr Held, wenn er heute lebte, ärgern würde«64. Auch hier also stehen scheinbar unmittelbare Nachwirkungen im Mittelpunkt. Was Meyer an den Ideen ›seines‹ Hutten in der Nationwerdung Deutschlands bereits erfüllt sieht, kann Strauß zwar – vorerst65 – nur als Mahnung und Hoffnung formulieren. Beide Darstellungen aber erheben das Vorausweisende zum Maßstab, das Weiterwirken der Idee, die eben weder mit ihrem Träger gestorben noch mit ihm gescheitert ist. Im Grunde genommen erzählen beide, Strauß und Meyer, damit ein und dieselbe Geschichte. Sie wählen unterschiedliche Ansätze: Strauß die klassische Entwicklungsgeschichte, Meyer die dramatische Rückschau; Strauß entwickelt die Persönlichkeit des Protagonisten im Wechselspiel mit der Epoche, Meyer geht für seinen Entwurf von der Persönlichkeit selbst aus, zeigt sie an einem Ort, zu einem Zeitpunkt. Trotzdem ist die Persönlichkeit Huttens Gegenstand von Deutung und Erkenntnis, Forschung und Rezeption fließen hier ineinander und vermischen sich beinahe untrennbar, werden zu einer Hutten-Figuration. Um diese Figuration dreht sich im Wesentlichen die gesamte Huttenforschung, die damit immer auch als Rezeptionsgeschichte zu verstehen ist. Das 64 Strauß, Hutten 1, S. XIII. – Zum ›Nationendiskurs‹ bei Ulrich von Hutten ist vergleichsweise intensiv geforscht worden, vgl. nur Günter Vogler: Ulrich von Hutten und sein ›Vaterland‹. Überlegungen aus Anlaß des 500. Geburtstages. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 36 (1988), S. 410–427; Hans-Peter Herrmann: Subjekt, Nation und Autorschaft. Zu Ulrich von Huttens Ein New Lied (1521). In: Cornelia Blasberg und Franz-Josef Deiters (Hgg.): Geschichtserfahrung im Spiegel der Literatur. Festschrift für Jürgen Schröder zum 65. Geburtstag. Tübingen 2000, S. 1–21; Hans P. Herrmann: Nation und Subjekt: Zur Systematik des deutschen Nationalismus anhand von Texten Ulrich von Huttens. In: Nicholas Vazsonyi (Hg.): Searching for Common Ground. Diskurse zur deutschen Identität 1750–1971. Köln, Weimar, Wien 2000, S. 23–44. Als Reflexion zur Forschung vgl. auch Hans Kloft: Die Idee einer deutschen Nation zu Beginn der frühen Neuzeit. Überlegungen zur Germania des Tacitus und zum Arminius Ulrichs von Hutten. In: Rainer Wiegels und Winfried Woesler (Hgg.): Arminius und die Varusschlacht. Geschichte – Mythos – Literatur. 3., akt. u. erw. Aufl. Paderborn, München, Wien, Zürich 2003, S. 197–210 sowie Hans-Gert Roloff: Der Arminius des Ulrich von Hutten. In: Wiegels/Woesler, Arminius, S. 211–238. Grundlegendes zum humanistischen Diskurs erarbeitet Caspar Hirschi: Wettkampf der Nationen. Konstruktionen einer deutschen Ehrgemeinschaft an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Göttingen 2005. 65 Tatsächlich erschien 1871 eine zweite, verbesserte Auflage, die die beiden ersten Teilbände zusammenfasste. Das ebenfalls erneuerte Vorwort ändert Huttens historische Rolle dahingehend ab, dass sein Beispiel die Zeitgenossen mahnen soll, die erreichte politische Einheit nicht als selbstverständlich hinzunehmen, sondern vielmehr für ihre Erhaltung zu arbeiten. Neben den zahlreichen Nachdrucken noch des 19. Jahrhunderts sprechen für die Bedeutung, die dem Strauß’schen Text beigemessen wurde, vor allem die letzten Neuauflagen an gleichsam neuralgischen Punkten, jeweils der Jahre 1914, 1927 und 1938.
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zeigt sich nicht zuletzt an der Art der Auseinandersetzung mit Strauß’ Darstellung: Eine durchaus berechtigte Kritik an methodischen Mängeln, vor allem in Sachen der Quellenkritik, trat hier eindeutig hinter der Absicht zurück, das von Strauß entworfene und eben etablierte Huttenbild zu dekonstruieren. Zum spät berufenen Antagonisten wurde dabei vor allem Paul Kalkoff (1858–1928), der den historischen Hutten vor allem als ethisch-moralisches Vorbild, als »Herold des nationalen Gedankens« verwarf.66 Es ging weniger darum, die Vereinnahmung eines historischen Gegenstands infrage zu stellen, statt vielmehr die Bedeutung, den Wert des Gegenstands selbst in Zweifel zu ziehen. Die kritische Haltung gegenüber den Quellen wurde dabei zur Kritik an der Person oder eher : an der aus den Quellen konstruierten Persönlichkeit Huttens. Die Auseinandersetzung mit der Hutten-Figuration war demnach ein Streit um Haltungen, die jener Figuration verknüpft waren, ein Streit um Deutungshoheit. Von diesem Vorrang hing schließlich ab, ob Hutten als – tragischer – Held oder als – notwendig – Gescheiterter zu gelten hätte. Die wissenschaftliche Seite hat diese Fragestellung zu entschärfen versucht, indem man einfach die Antwort darauf verweigerte. Stattdessen wurde das Für und Wider protokolliert und in einem vermeintlich neuen, aber doch nur nivellierten Verständnis Huttens synthetisiert. Die jeweiligen Einstellungen zum Gegenstand wurden in Tendenzen verwandelt und ins Subtile verlagert, die Ausgangsfrage blieb aber die gleiche. So zeigte sich Hajo Holborn (1902–1969) in seiner noch heute oft zitierten Huttenbiograhie zwar bemüht um eine ausgeglichene Darstellung, bewegte sich dabei aber weiter in den Bahnen einer Persönlichkeitsstudie, die Hutten als Vorkämpfer einer deutschen – und in der Gegenwart zu erneuernden – Kulturnation behaupten sollte.67 Im Effekt, unabhängig von den daran angeschlossenen Deutungen, hatte sich diese Prämisse kaum von Strauß’ Verfahren entfernt, nach einer inneren, dem Biographierten eingeschriebenen Wirksamkeit zu fragen. Und ebenso wenig distanzierte sich die Wissenschaft damit von der Inszenierung Huttens in Romanen, Theaterstücken und anderen populären Medien, die, wie schon das Beispiel Conrad Ferdinand Meyers gezeigt hatte, kaum als bloßer »Dilettantismus«, sondern als 66 Paul Kalkoff: Ulrich von Huttens Vagantenzeit und Untergang. Der geschichtliche Ulrich von Hutten und seine Umwelt. Weimar 1925 (Zitat S. 268). Im detaillierten Widerspruch bereits die Rezension von Paul Joachimsen in: Historische Zeitschrift 136 (1927), S. 336–346. Für die weiteren Stationen der Auseinandersetzung sei verwiesen auf die Überblicksdarstellung von Wilhelm Kreutz: Die Deutschen und Ulrich von Hutten. Rezeption von Autor und Werk seit dem 16. Jahrhundert (= Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen. 8). München 1984. 67 Hajo Holborn: Ulrich von Hutten. Göttingen 1968. Diese Fassung basiert auf einer erweiterten, amerikanischen Übertragung der 1929 in Leipzig erschienenen Originalausgabe. Ihre Popularität verdankt die Biographie sicher nicht zuletzt ihrem »politisch unbelasteten« Autor, der 1934 in die Vereinigten Staaten emigrierte und dort, wie viele Exilanten, im Nachrichtendienst arbeitete.
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historiographisches Pendant zu begreifen sind.68 Namentlich unter den Vorzeichen des Nationalsozialismus konnte sich umso deutlicher darin spiegeln, was Otto Flake (1880–1963) als Quintessenz von Huttens Wirken vorgestellt hatte: »Eine nützliche oder notwendige Sache zu Ende zu führen, auch wenn man dabei allein stehn sollte.«69 Sehr leicht ließ sich daraus eine ideologische Verwandtschaft konstruieren, die dann noch einmal verstärkt angesichts der absehbaren Auflösung des NS-Regimes in den Vordergrund trat – und die so bis heute fortwirkt, wenn in neonazistischen, rechtsextremistischen Kreisen die Widerständigkeit gegen ›mainstream‹ und ›political correctness‹ beschworen wird.70 Tatsächlich laboriert die Forschung bis heute an dieser Problematik und hat darüber den zugrunde liegenden Kategorienfehler fast ganz aus dem Blick verloren:71 Es ist nämlich mehr als fraglich, ob Scheitern und Heldentum, Wertbestimmung und Vorbildfunktion – und all das gerade in der biographischen Zuspitzung! – objektivierbar sind, ob sie damit überhaupt zulässige Kategorien einer historischen Analyse sein können. Eher schon sind die Versuche einer wissenschaftlichen Biographie, das heißt einer Hutten-Biographik als 68 Den unglücklichen »Dilettantismus«-Begriff wählt Kreutz, Rezeption, S. 14 und versucht damit eine der wesentlichen Haltungen der Hutten-Rezeption zu ihrem Gegenstand (neben der »Epigonalität«, ebd.) zu fassen. Vor allem aufgrund solcher Verkürzungen – auf Strömungen oder den ›Zeitgeist‹ – bleibt die Eigenlogik vieler Texte, die Kreutz dann unter entsprechenden Labels subsumiert, diffus. Zu diesem grundsätzlichen Problem der Historiographiegeschichte vgl. Johannes Süßmann: Geschichtsschreibung oder Roman? Zur Konstitutionslogik von Geschichtserzählung zwischen Schiller und Ranke (1780–1824) (= Frankfurter Historische Abhandlungen. 41). Stuttgart 2000. 69 Otto Flake: Ulrich von Hutten. Berlin 1929, S. 362. Flake selbst bezeichnete Strauß’ Biographie als »sachlich wie psychologisch an vielen Stellen veraltet«, ebd., S. 12. 70 Die Benennung einer erst im März 1945 aufgestellten Wehrmacht-Division »Ulrich von Hutten« dürfte dabei kaum weniger zynisch sein als die Verleihung einer Hutten-Medaille durch die »Gesellschaft für freie Publizistik«, eine bekennend rechtsextremistische Kulturorganisation. Die Beispiele für eine solche ›Hutten-Memoria‹ ließen sich beliebig vermehren; ich beschränke mich hier auf die bereits von Ernest Walker genannten: Ulrich von Hutten’s Arminius. An English Translation with Analysis and Commentary. Bern 2008, S. 9– 11 und 170–172. Walker sieht in ihnen Anschlussversuche an einen angeblich von Hutten geprägten aggressiven Vaterlandsbegriff. Diese einfache Analogie mag vordergründig vorhanden sein, unterschätzt allerdings die Subtilität (neo-)nazistischer Ideologie. 71 Eine Ausnahme bildet wiederum Kreutz, Rezeption, dessen Kritik an den ›Hypostasen‹ der Hutten-Rezeption aber eine biographische Neubewertung vielleicht eher gehemmt hat. In den Beiträgen zu den Jubiläumsbänden von 1988 (Peter Laub und Ludwig Steinfeld (Bearb.): Ulrich von Hutten. Ritter, Humanist, Publizist (1488–1523). Katalog zur Ausstellung des Landes Hessen anläßlich des 500. Geburtstages. Kassel 1988 und Ralf-Rüdiger Targiel (Hg.): Ulrich von Hutten. Mit Feder und Schwert. Katalog zur Ausstellung anläßlich seines 500. Geburtstages 1988 (= Schriftenreihe des Stadtarchivs Frankfurt (Oder). 1). Frankfurt a. d. Oder 1988) verfängt diese Kritik jedenfalls nicht. Vielmehr wird die durch Holborn, Hutten eingerichtete – und damit auf Strauß, Hutten zurückverwiesene – biographische Konstruktion konserviert.
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selbstreflektierende Auseinandersetzung mit dem historischen Gegenstand, als gescheitert anzusehen. Die eigentlich notwendige und immer wieder geforderte Neubewertung ist vor allem deshalb fragmentarisch geblieben, weil sich die wenigsten Forschungsarbeiten in ein Verhältnis zu jener Biographik gesetzt haben.72 In der Folge werden Wertungen älterer Arbeiten häufig nur durch eigene Setzungen beantwortet oder eben durch unkritische Übernahme der ›Faktenlage‹ weitergetragen.73 Was aber ist der Grund für diese eigentümliche Distanzlosigkeit, für die Schwierigkeit, sich Vorprägungen und Wertungen am Gegenstand bewusst zu machen? Eine verblüffend einfache Antwort könnte sein, die Ursache im Gegenstand selbst zu suchen. Hier nämlich, am Kern der Sache, stößt man schnell auf eine nur schwer zu durchschauende Literarisierung. Eine Literarisierung, wie sie bei Strauß angelegt ist und wie sie – an dieser Stelle kehren wir zum Ausgangspunkt zurück – bei Meyer noch einmal in verdichteter Form zum Ausdruck kommt. Aber weder Strauß noch Meyer stehen am Anfang dieser Entwicklung. Denn dass wir uns jene Szenerie, Huttens Asyl auf der Ufenau, so bildlich vor Augen führen können, dass wir meinen, uns hineinversetzen, den Ort erfahren zu können, hat zwar auch, aber – wie sich hier zeigt – wohl zuletzt mit der Kunst des Interpreten zu tun. So konnte Meyer im Wesentlichen Strauß’ Darstellung folgen, und diese wiederum ist gerade hier direkt aus den Quellen geschöpft. Unter anderem wird dabei ein Brief Huldrych Zwinglis an den Basler Pfarrer Bonifacius Wolfhart zitiert, entstanden wohl recht bald nach Huttens Tod. Zwingli, der in humanistischen Kreisen bestens vernetzt war, hatte den in Zürich nicht unumstrittenen74 Gast protegiert und ihm wohl auch den Aufent72 Die Fragmentierung verdeutlicht insbesondere der Ausstellungsband Laub/Steinfeld, Katalog. Explizit wurde damit keine grundsätzliche Neubewertung angestrebt (S. 18), und dagegen spricht auch die Zusammenstellung der Einzelbeiträge, die von konzisen Fallstudien zu assoziativen Reflexionen reichen. Ein Impuls zu weiterer Forschung hat sich daraus jedenfalls nicht ergeben, und so scheint die vorgelegte Bestandsaufnahme bis heute maßgeblich. 73 Anhand einer Stilkritik der ›Epistolae obscurorum virorum‹, deren zweiter Band (Köln 1517) ganz wesentlich von Ulrich von Hutten verantwortet wurde, hat Reinhard Hahn aufgezeigt, wie sachliche Fehlurteile in der Forschung ungeprüft tradiert oder in die jeweilige (biographische) Deutung eingepasst wurden; vgl. ders.: Huttens Anteil an den Epistolae obscurorum virorum. In: Stephan Füssel (Hg.): Ulrich von Hutten 1488–1988 (= PirckheimerJahrbuch 1988. Akten des Internationalen Ulrich-von-Hutten-Symposions. 4). München 1989, S. 79–111. Das Problem tritt noch in jüngsten Arbeiten zu Ulrich von Hutten auf, so z. B. bei Arnold Becker : Ulrichs von Hutten polemische Dialoge im Spannungsfeld von Humanismus und Politik (= Super alta perennis. Studien zur Wirkung der Klassischen Antike. 15). Bonn 2013. Ungeachtet der analytischen Schärfe, die Becker im Umgang mit seinen Quellen beweist, erschöpft sich der biographische Abriss (S. 12–20) in einer Zusammenfassung der bekannten Meistererzählung. 74 Erasmus von Rotterdam hatte den Zürcher Stadtrat eindringlich vor Hutten gewarnt, der die wohlwollende Aufnahme sehr wahrscheinlich »misbruche zu einem gailen vnd mut-
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halt auf der Ufenau ermöglicht. An Wolfhart berichtete er, Hutten habe »nichts hinterlassen, das von irgendeinem Wert wäre, er hatte keine Bücher bei sich, keinen Besitz außer einer Feder.«75 Auch hier entsteht eine Imagination. Sofort werden Bilder, Symbole aufgerufen, und sie ähneln verblüffend den Zeichen, die in Meyers Epos gesetzt und mit atmosphärischen Details – wie dem ›Reuter‹ an der Wand, direkt neben dem Kruzifix – nur mehr angereichert, damit untermalt sind. Zwar war Zwinglis Schilderung vermutlich einem sehr handfesten Grund geschuldet: Offenbar nämlich hatte er Regressansprüche abzuwehren, mit denen Huttens Gläubiger an ihn herangetreten waren, und musste daher die Mittellosigkeit des Verstorbenen deutlich herausstellen.76 Allerdings durfte er wohl hoffen, dass diese Darstellung umso glaubwürdiger schien, je eher sie den Erwartungen des Publikums entsprach. Hutten als verarmten Schriftsteller zu inszenieren, der sich für seine Berufung, ganz wörtlich, völlig verausgabt hatte, war offenbar eine plausible Konsequenz aus dem Leben oder, besser, dem Wirken dieses Mannes. Ebenso ließ sich die Vorstellung einer Art Eremitage aufs Beste mit dem humanistischen Ideal einer vita contemplativa verbinden, dem zurückgezogenen Dasein des Gelehrten, der, ganz auf sich selbst zurückgeworfen, mit der Außenwelt nur mehr über Briefe – die Feder! – kommuniziert und sich ansonsten in die bezeichnete Kontemplation versenken kann. Darüber hinaus scheint, vor allem im Motiv der asketischen Armut, die ursprünglichere monastische Tradition des Ideals in Zwinglis Darstellung durch.77 Für diese Inszenierung spielt willigen Schreiben« (Böcking, Opera 2, S. 256f., hier S. 257). Dieses Schreiben vom 10. August 1523 war Teil eines Schlagabtauschs zwischen Erasmus und Hutten (vgl. dazu ebd., S. 178f.), der mit Huttens ›Expostulatio‹ (in lateinisch-deutscher Synopse ediert: ebd., S. 180–248) einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte. Die scharfe Kritik an seiner Haltung in der Luthersache beantwortete Erasmus schließlich mit der ›Spongia‹ (Amsterdamer Ausgabe (ASD) IX-1, S. 91–210), die aber erst kurz nach Huttens Tod im Druck erschien. 75 »Ita nihil reliquit quod ullius sit pretii, libros nullos habuit, supellectilem nullam præter calamum.« (Böcking, Opera 2, S. 382, der Brief S. 382f.). Ebenso wie Huttens Beziehungen zu seinen zahlreichen Korrespondenzpartnern ist auch sein Verhältnis zu Zwingli kaum erschlossen. Die Arbeit von Hans Gustav Keller : Hutten und Zwingli (= Berner Untersuchungen zur allgemeinen Geschichte. 16). Aarau 1952 hat hier keine Impulse geben können, umgeht der Autor die problematische Quellenlage doch mit weitreichenden Hypothesen. 76 Nicht von ungefähr nimmt die Diskussion eines möglichen Schuldenausgleichs, an dem auch der Malteserkomtur Fabricius aus Küssnacht und Zwingli selbst ein Interesse haben, großen Raum im Brief ein. Betont beiläufig und daher in einem Vertröstungsgestus wird eine recht vage Nachricht referiert, wonach »vom Bankrott Huttens noch 200 Gulden übrig seien, die vielleicht unterwegs zu Eppendorf [einem Freund Huttens, d. Verf.] waren.« – »Sed ne hoc quoque obliviscar, referebat idem tabellio superesse ex Hutteni rerum naufragio ducentos aureos, quos Eppendorpius fortasse adepturus esset.« (Böcking, Opera 2, S. 382). 77 Zu diesem Zusammenhang s. Karl A. E. Enenkel: Die humanistische vita activa/vita contemplativa-Diskussion: Francesco Petrarcas De vita solitaria. In: Rhoda Schnur (Hg.): Acta Conventus Neo-Latini Hafniensis. Proceedings of the Eighth International Congress of Neo-
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dann auch die faktologische Frage, ob Hutten tatsächlich mittellos verstarb, kaum noch eine Rolle. Denn in jedem Fall kalkuliert Zwingli mit einer bestimmten und ebenso bestimmbaren Rezeption durch Leser, die mit dem »Gegenstand« Hutten, in seinen Facetten als Autor und Person, vertraut sind. Und so wird deutlich, dass schon Zwinglis Schreiben, indem es mit Rezeptionen arbeitet, selbst Teil der Rezeption ist oder, anders gesagt, der Formung einer Hutten-Figuration. Ende Juli 1523, etwa einen Monat vor seinem Tod, berichtet Ulrich von Hutten an den Weggefährten Eoban Hesse, er habe sich in seiner – nur vorläufigen – Schweizer Zuflucht vor kriegerischer Unruhe in die gelehrte Muße zurückgezogen und mich ganz dem Schreiben zugewandt. Allein deshalb mag es scheinen, Fortuna mache sich um uns so wohl verdient, da sie uns aus lautem und verhasstem Tumult in die sanfte Ruhe der Studien zurücktreibt.78
Das scheint die Situation vorwegzunehmen, die Zwingli wenige Wochen später konstruiert – und die schließlich, mittelbar, von Conrad Ferdinand Meyer szenisch ausgestaltet wird. Zentrale Motive sind auch hier der Rückzug aus der Welt, aus der vita activa, und die Selbstbeschränkung auf das Schreiben und Studieren, die jene vita contemplativa ermöglicht oder sogar erfordert. Ob nun Zwingli diesen Brief Huttens vor Augen hatte – die ›Öffentlichkeit‹ humanistischer Briefkultur ist hinlänglich bekannt79 –, ist weder zu ermitteln noch zwingende Voraussetzung. Denn abgesehen vom bloßen Zitat einer recht herkömmlichen humanistischen Sehnsucht nach »gelehrter Muße« erhellt aus der Darstellung bei Zwingli wie bei Hutten selbst die enge Verbindung von Idee und Person.80 In Hutten ist der Idee vom Rückzug ins otium gleichsam ein Körper Latin Studies. Copenhagen 12 August to 17 August 1991 (= Medieval and Renaissance Texts and Studies. 120). Tempe, Arizona 1997, S. 249–257. 78 »Recepi ad litterarum ocium me a bellico tumultu, et ad scribendum penitus contuli: in hoc uno bene de nobis merita Fortuna videri potest, quæ a magnis et odiosis turbis ad placidam studiorum quietem redigat.« (Böcking, Opera 2, S. 252f., hier S. 253). Das »litterarum ocium« ist hier als Anspielung auf Ciceros »oti[um] litterat[um]« (Tusc. 5, 105) zu verstehen. Zugleich stehen »ad litterarum« und »ad scribendum« in einer Art Chiasmus einander gegenüber, womit insbesondere auf das Schreiben von Briefen verwiesen sein könnte. 79 Vgl. nur Helen Harth: Poggio Bracciolini und die Brieftheorie des 15. Jahrhunderts. Zur Gattungsform des humanistischen Briefs. In: Franz Josef Worstbrock (Hg.): Der Brief im Zeitalter der Renaissance (= Mitteilung der Kommission für Humanismusforschung. 9). Weinheim 1983, S. 81–99. 80 Mit Blick auf das Gesamtwerk konstatiert Volker Honemann: »Hutten hat die eigene Person in erstaunlichem Maße zum Gegenstand seiner literarisch-publizistischen Tätigkeit gemacht.«; vgl. ders.: Ulrich von Hutten. In: Stephan Füssel (Hg.): Deutsche Dichter der frühen Neuzeit (1450–1600). Ihr Leben und Werk. Berlin 1993, S. 359–376, hier S. 371. Diesen Befund auf die Biographie selbst zu spiegeln – wie hier im Folgenden vorgeschlagen –, d. h. die biographischen Angaben damit gegenzulesen, ist bislang unterblieben.
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gegeben und das in einer konkreten biographischen Wendung. Hutten nämlich erscheint als Getriebener, als ein aus der tumultuarischen, geschäftigen Welt, dem negotium, Vertriebener. Die Verwandlung wirkt also in beide Richtungen: Einerseits handelt es sich um die Verkörperlichung einer Idee, anderseits werden Lebenswege nach Maßgabe ideeller Kategorien gedeutet oder stilisiert. Das Überraschende: darin ist zugleich wieder das Grundmuster einer Literarisierung zu erkennen, wie sie in der Rezeption dann voll durchschlägt. Für sich genommen wäre daher eine entsprechende (Selbst-)Stilisierung, gerade unter Intellektuellen, die über traditionsreiche Verweissysteme verfügen, nicht ungewöhnlich; auffällig dagegen ist, wie und in welchem Umfang daran angeknüpft worden ist. So zeigt sich, dass Deutungsangebote und Anknüpfungspunkte, die in der Rezeption dankbar aufgegriffen wurden, ganz offensichtlich ihren Ursprung bei Hutten selbst haben. Das wiederum ist durch die Überlieferungslage bedingt. Denn bei näherer Betrachtung gibt es kaum Zeugnisse, die unabhängig von Hutten wären; das heißt unabhängig insofern, als sie weder von Huttens eigener Hand stammen noch von ihm beziehungsweise den Positionen seiner Schriften erkennbar beeinflusst wurden. Tatsächlich dominieren die Selbstbilder und Selbstzuschreibungen, prägen in Texten vorgenommene Positionierungen, die Verschmelzung von Autor und Person offenbar die Wahrnehmung schon der Zeitgenossen.81 Und das konnte umso leichter gelingen, da Hutten zweifellos die größte Wirkung als Publizist, als Autor lateinischer, später auch deutschsprachiger Schriften mit tagespolitischer Stoßrichtung erreichte. Das heißt, Hutten verfasste unmittelbar Anlassbezogenes, sein Interesse galt dem aktuellen Geschehen, sei es in Fragen humanistischer Bildung, der Reichspolitik oder der Einstellung zu Papst und Kirche. Eine spezielle Note erhält das durch Huttens gekonnten Einsatz geistiger wie stilistischer Schärfe und Brillanz. Gerade im Bezug auf seine lateinischen Schriften – zunächst Gelegenheitsdichtungen, bald auch pamphletistische Texte und längere Abhandlungen – wurde dieses Talent bereits von Zeitgenossen wie Johannes Cochlaeus gewürdigt, aber auch mit 81 Zumindest für die Produzentenseite kann das Arnold Becker in seiner Studie zu Huttens reformatorischer Publizistik darlegen. Demnach fügte Hutten sich selbst bzw. seine aus Zuschreibungen konstruierte »persona« in den Text ein, um damit, auf der Ebene der Rezeption, »die Verhältnisse in der außertextuellen Realität, insbesondere seine eigene Positionierung« zu beeinflussen; vgl. Becker, Dialoge, hier S. 74. Den Positionierungsbegriff führt Becker dabei in die Diskussion ein, um die Austauschbeziehung zwischen Autor und Leser(-schaft) in Form von Sprechakten zu betonen, die eben kein statisches Rollenschema voraussetzen, sondern es erlauben, Positionen immer wieder neu und in verschiedenen Bezugssystemen auszuhandeln. Problematisch scheint mir, dass die Positionierung zwar als »sozial konstruiert« (S. 66) vorgestellt wird, demgegenüber der soziale Sinn wie der soziale Ort der Texte in Beckers Ansatz eigentlich schon vorgegeben sind, die ermittelten Textstrategien also keine wirkliche Konsequenz für jene »außertextuelle Realität« haben.
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Argwohn betrachtet.82 Angelegt ist hierin nämlich zum einen ein deutlich aggressiver Tonfall gegenüber Andersdenkenden; zum anderen die Tendenz, eben nicht nur persönliche Meinungen zu postulieren, sondern sich einem bestehenden Meinungskonsens anzuschließen, um dann schreibend auf ihn Einfluss zu nehmen und ihn für eigene Ziele zu instrumentalisieren. Beispielhaft beobachten lässt sich das an Huttens Verhältnis zu Luther und der Reformation: Was er zunächst als innerkirchliche Auseinandersetzung abtat,83 gewann für ihn zusehends und umso größere Relevanz je vehementer Luther die mediale Aufmerksamkeit auf sich zog. Zur ostentativen Unterstützung der Luthersache war es für Hutten dann kein großer Schritt. Die Wiederveröffentlichung einiger lateinischer Kampfschriften, nunmehr aber in deutscher Übersetzung, oder auch das aufwendig inszenierte Hilfsangebot, das die Verhandlungen vor und auf dem Wormser Reichstag von 1521 orchestrieren sollte, sind vor eben diesem Hintergrund zu sehen.84 Das allein offenbart, wie Hutten gewissermaßen einem 82 Cochlaeus hatte anscheinend den Kontakt zwischen Hutten und Willibald Pirckheimer vermittelt, äußert sich in einem Brief vom 5. Juli 1517 allerdings recht scharf über den Schützling: »[…] homo ingenii magis acuti et acris quam placidi et quieti […]. Amo equidem hominis ingenium, ferociam eius non ita; longe certe facilius absentem quam praesentem amicum servabo.« (Böcking, Opera 1, S. 142). – Deutsch: »Ein Mann, mehr von scharfem und beißendem Verstand als von sanftem und ruhigem (Gemüt) (…). Ich liebe wohl den Verstand dieses Mannes, nicht so (aber) seinen Übermut. Bei weitem sicherlich leichter den Abwesenden als den Anwesenden werde ich (mir) als Freund erhalten (können).« Zum Hintergrund s. Eckhard Bernstein: Willibald Pirckheimer und Ulrich von Hutten. Stationen einer humanistischen Freundschaft. In: Füssel, Hutten, S. 11–36. 83 Vgl. die wohl erstmalige Erwähnung in der Epistola an Hermann von Neuenahr vom 3. April 1518 (Böcking, Opera 1, S. 164–168). Hutten spricht hier davon, dass »sich im sächsischen Wittenberg eine andere Partei gegen die Autorität des Papstes erhoben hat« (ebd., S. 167: »Wittenbergae in Saxonibus altera adversus summi pontificis auctoritatem insurrexit factio«). 84 Vgl. Manfred Meyer: Hutten und Luther. In: Laub/Steinfeld, Katalog, S. 251–270. Meyer nimmt an, dass »erst ein Angriff auf die Autorität des Papstes«, wie ihn die Leipziger Disputation von 1519 dargestellt habe, »Huttens Interesse an dem Wittenberger Professor wecken konnte« (ebd., S. 253). Die in Anm. 83 zitierte Passage aus einem früheren Schreiben Huttens zeigt aber, dass er diese Stoßrichtung schon zuvor wahrgenommen hatte. Deshalb ist davon auszugehen, dass die »Initialzündung« für die Absicht, mit Luther zusammenzugehen, nicht auf rein inhaltlicher Ebene zu suchen ist. Vielmehr scheint Huttens Hinwendung in der sich seit 1519 verstärkenden medialen Präsenz Luthers begründet. Erleichtert wurde der Anschluss durch Huttens etwa zeitgleichen Wechsel vom Mainzer Hof in das Umfeld Franz von Sickingens, der sich offen für Luther aussprach. Zu Sickingen vgl. Reinhard Scholzen: Franz von Sickingen. Ein adeliges Leben im Spannungsfeld zwischen Städten und Territorien (= Beiträge zur pfälzischen Geschichte. 9). Kaiserslautern 1996 sowie zuletzt Wolfgang Breul (Hg.): Ritter! Tod! Teufel? Franz von Sickingen und die Reformation. Ausstellungskatalog des Landesmuseums Mainz. Regensburg 2015, darin zur hier beschriebenen Konstellation Johannes Schilling: Hutten, Luther und die Reformation, S. 39–46. Desiderat bleibt, die materielle wie mediale Seite von Sickingens »Kriegsunternehmertum« in den Blick zu nehmen. So belegen gedruckte Fehdebriefe (Breul, Sickingen, Kat.-Nr. 2.12) oder Formulare für Schmähbriefe (ebd., Kat.-Nr. 2.14a) professionelle Vorbereitung. Ein
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Markttrend zu folgen verstand, dessen Themen er aufgriff und sich als eigenen Standpunkt anverwandelte. Anders gesagt sind Huttens Schriften zu einem großen Teil und in einem sehr modernen Sinn ›Meinungsmache‹.85 Das bedingt, gerade in Verbindung mit einer pointiert bis scharf vorgetragenen Meinung, ihre Anschlussfähigkeit. Es bedingt aber auch, dass darin präsentierte Meinungen nicht allein als Ausdruck persönlicher Haltungen verstanden werden können, sondern auch oder vielleicht vor allem wiederum als Inszenierung – oder positiv gewendet: als reflektierte Verständigung gelten können. Die Einsicht, trotz einer Fülle an Material einen Mangel an verlässlichen Quellen der Biographie konstatieren zu müssen, ist verstörend. Wie gezeigt scheint daher die Versuchung groß, diesen Mangel durch das eben Vorhandene auszugleichen oder, methodisch gesprochen, für die Biographie sekundäre als primäre Quellen zu lesen. Ein solches Verfahren löst dann etwa Erzählungen über Huttens Studienjahre aus dem Kontext mythologischer Maskenspiele,86 findet sein persönliches Auftreten in publizistischen Angriffen gespiegelt87 oder aber blendet Nachrichten über seinen Werdegang aus, die dem zuvor gezeichneten Selbstbild widersprechen könnten.88 Die Rekonstruktion der historischen
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Stapelbecher (ebd., Kat.-Nr. 2.15), laut lateinischer (!) Aufschrift 1519 aus Beutestücken gefertigt, dokumentiert außerdem eine sehr selbstbewusste Vergemeinschaftung Sickingens mit seinen Teilhabern bzw. Anhängern. Bezeichnenderweise gerieten die meisten Schriften Huttens vor allem die deutschsprachigen, mit seinem Tod fast ganz in Vergessenheit und wurden erst im 19. Jahrhundert »wiederentdeckt«. Vgl. Kreutz, Rezeption, insb. S. 255f. Der Bericht Vadians über einen Besuch Huttens, den er gleich zu Beginn in eine OdysseusTradition stellt (»exemplar Ulyxes ille«; Böcking, Opera 1, S. 22–24, hier S. 23), ist eine Montage gängiger mythologischer Topoi mit angeblichen Irrfahrten Huttens. Die Einordnung des Texts fällt umso schwerer, da er allein als Einleitung für die von Hutten verfasste und von Vadian herausgegebene ›Exhortatio‹ (Wien 1512; Böcking, Opera 3, S. 123–160, 331–340) erscheint. Nicht zuletzt deshalb nimmt die Darstellung sicher Bezug auf die Odysseus-Anleihe des ›Nemo‹, Huttens erster eigenständiger Veröffentlichung (Erstausgabe: Erfurt 1510 = VD16 H 6379; in synoptischer Edition mit der erweiterten Ausgabe von 1518: Böcking, Opera 3, S. 107–118). Ein Streit Huttens mit dem Rektor der Wiener Universität wird aus einer Passage der ›Epistolae obscurorum virorum‹ herausgelesen: Darin tritt ein namenloser »socius« aus Mähren auf und verängstigt den (scholastischen) Lehrkörper, indem er in Waffen »herummarschierte wie ein Krieger« (»incessit sicut bellator«), als ihm wegen fehlender Qualifikation die Lehrbefugnis entzogen werden soll (Böcking, Opera Suppl. 1, S. 22f., hier S. 22). Die Inszenierung mag Hutten meinen, als biographische Referenz ist die Stelle dennoch bestenfalls unzuverlässig. Ein wenig beachtetes Empfehlungsschreiben des Mainzer Erzbischofs Albrecht von Brandenburg für Ulrich von Hutten stellt diesen als »equitem auratum et doctorem« vor. Da das Schreiben anlässlich einer diplomatischer Reise an den französischen Königshof ausgefertigt wurde, es sich also um ein offizielles Schriftstück handelt, vermutete schon der Editor, Eduard Böcking, dass »dieser Titel [eines Doktors] nicht vom Erzbischof gesetzt worden wäre, wenn sich Hutten diesen Ehrengrad nicht dem Recht nach verdient gehabt hätte« (»Sed certe in publico instrumento hic titulus non poneretur ab archiepiscopo, nisi eum honoris
Gescheiterte Biographie
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Biographie folgt damit häufig und ebenso unbewusst wie unweigerlich den biographischen – oder besser : autobiographischen? – Konstruktionen ihres Gegenstands. Die Konstruktivität von Texten stellt überhaupt, wenn auch vielleicht insbesondere im Fall Huttens ein Problem der Forschung dar. Zwischen Dekonstruktion und positivistischer Lesart scheint es nur wenig Spielraum zu geben, wie damit umzugehen ist. Denn allzu oft werden in beiden Fällen Vorannahmen an das Material heran- und in die Interpretation hineingetragen. Diese bilden dann ein Vorverständnis, das gerade die Eigenlogik des einzelnen Textes als Erkenntnisgegenstand zugunsten übergreifender Strukturen, etwa als Spiegel von Mentalitäten, aufgibt. So werden schließlich Texte, die aufgrund inhaltlicher Komponenten bestimmte Themen verhandeln, unabhängig von formaler und sprachlicher Gestalt, zu Gattungen (hier der ›Autobiographie‹, dem ›Lebensbericht‹, dem ›Selbstzeugnis‹) zusammmengefasst,89 denen sie sich unter einem qualitativen, ganzheitlicheren Blick, der in dieser Arbeit angestrebt ist, vielleicht rasch wieder entziehen. Die Textlichkeit autobiographischer Äußerungen ist daher ernst zu nehmen und nicht mit selektivem und vor allem faktologischem Leseverständnis zu umgehen. Der im Folgenden zu besprechende Text Ulrichs von Hutten aber scheint gegen die meisten jener Schwierigkeiten abgesichert, und er hat vielleicht gerade deshalb soviel Aufmerksamkeit erfahren. Die ›Vlrichi de Hvtten eqvitis ad Bilibaldum Pirckheymer patricium Norimbergensem epistola vitæ suæ rationem exponens‹90 verspricht nämlich schon laut Titel eine ratio zu liefern. Keine fictio also, keine Verstellung oder Dichtung, sondern sachliche Rechnung, Bestimmung, Festlegung soll sein, was Hutten sich hier für sein Leben, die eigene Biographie auszustellen vorgenommen hat. Die Folie dafür gibt eine Auseinandersetzung zwischen Ulrich von Hutten und Willibald Pirckheimer ab. Oder genauer gesagt: es geht um den Einspruch gegen hier referierte Kritik, die Pirckheimer an einer satirischen Schrift Huttens über das Hofleben, die sogenannte ›Aula‹,91 geübt und mit freundschaftlichen Ratschlägen an den Autor verknüpft hatte. Diese Ratschläge greift Hutten nun auf, um daraus eine grundsätzliche gradum iure suo sibi adquivisset Huttenus […]«). Böcking vermutet weiter, es könne sich eigentlich nur um den Grad eines Doktors der Rechte gehandelt haben; Böcking, Opera 5, S. 507f., die Zitate S. 507 (mit den Anm.). 89 Eine solche Definition nimmt noch zuletzt Günther Niggl vor: Zur Theorie der Autobiographie. In: Michael Reichel (Hg.): Antike Autobiographien. Werke – Epochen – Gattungen (= Europäische Geschichtsdarstellungen. 5). Köln, Weimar, Wien 2005, S. 1–13. 90 Die beiden Ausgaben 1518/19: VD16 H 6231 bzw. H 6232. Editionen: Böcking, Opera 1, S. 195–217, sowie zuletzt in: Dieter Wuttke (Hg.): Willibald Pirckheimers Briefwechsel. Bd. 3. Bearb. von Helga Scheible. München 1989, S. 400–426. 91 Vlrichi de Hutten eqvitis Germani. Avla. Dialogvs. [Augsburg] 1518 (= VD16 H 6296); Edition: Böcking, Opera 4, S. 43–74.
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
Erörterung eines für die Humanisten ebenso grundsätzlichen Positionsstreits zu entwickeln. Es handelt sich dabei um die bereits benannte Entscheidung zwischen otium und negotium: der öffentlich-geschäftsmäßigen vita activa und dem zurückgezogen-musischen Gegenentwurf der vita contemplativa. Huttens Vortrag ist bestimmt von einem nachdrücklichen Sowohl-als-auch, und er erklärt folgerichtig beide Haltungen für miteinander vereinbar. Die Argumentation ist eingebunden in eine Fülle und zuweilen verwirrende Folge von Querverweisen und Exkursen, die ein ganzes Spektrum humanistischer Diskurse auffächern. So finden Überlegungen zum Tugendadel ihren Platz neben Berichten über Korrespondenz mit anderen Humanisten. Der Clou aber liegt darin, dass Hutten sich stets selbst als Protagonisten vorstellt, dass er die verhandelten Positionen und seine Einstellung dazu autobiographisch herzuleiten scheint – wie es eben der Titel bereits ankündigt.92 Gemäß dieser Ankündigung wurde und wird die ›Epistola‹ zumeist gelesen. Vor allem die Anschaulichkeit, mit der Hutten seine Argumentation anreichert, hat Leser vom Realismus und Zeugnischarakter der Darstellung überzeugt. Kondensiert in der zweifellos bekanntesten Passage, die das Leben auf einer Burg beschreibt, wird die ›Epistola‹ daher auch oft zitiert, um die »Zeit der Ritter und Burgen« – oder eigentlich: ihren Verfall und Untergang – in Schulbüchern93 und Ausstellungskatalogen94 eindrücklich zu illustrieren. Ulrich von Hutten ist Augenzeuge und schreibt als Betroffener, oder wenigstens wird ein solcher unmittelbare Zugang unter einer allenfalls dünnen Schicht der (Selbst-)Literarisierung vermutet und vorausgesetzt. Wie problematisch eine allzu positivistische Herangehensweise an Huttens Œuvre aber sein kann, hat die Entstehungsgeschichte der Hutten-Biographie(n) verdeutlicht. Schon deshalb scheint auch oder sogar vor allem im Umgang und der Auswertung der ›Epistola‹ Vorsicht geboten. In der Tat ist bereits früher darauf hingewiesen worden, dass der Text sich etwa in ein Rollenspiel auflösen, sich soweit dekonstruieren ließe, dass er überhaupt als Konstruktion erkennbar würde. Das aber geschah vornehmlich im intertextuellen Bezug, das heißt in der Kontextualisierung der 92 So auch die Einschätzung von Dieter Mertens: Der Preis der Patronage. Humanismus und Höfe. In: Thomas Maissen und Gerrit Walther (Hgg.): Funktionen des Humanismus. Studien zum Nutzen des Neuen in der humanistischen Kultur. Göttingen 2006, S. 125–154, hier S. 141. 93 Etwa im Schwerpunkt »Mittelalter« für die Sekundarstufe I: Michael Sauer (Hg.): Geschichte und Geschehen. Bd. 3. Stuttgart, Leipzig 2009, S. 34. 94 Noch jüngst durch Werner Meyer: Die Burg als Mythos – die Burg im Mythos. In: Georg Ulrich Großmann (Hg.): Mythos Burg. Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Nürnberg, Dresden 2010, S. 16–20, hier S. 16. Meyer betont eine Unvereinbarkeit »literarische[r] Zeugnisse« mit der »reale[n] Bausubstanz«, gesteht Huttens Darstellung aber eine Korrektivfunktion im Hinblick auf Verklärungen zu, hält also am grundsätzlichen Realitätsbezug fest.
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›Epistola‹ mit vermeintlich übergreifenden Motiven. Vor allem das soziale Potential der ›Epistola‹ scheint mir damit aber nicht erschöpft, das meint die Funktionen jenseits einer bloßen Manifestation, etwa des »Individuums«, im Text. Die Frage soll lauten, ob und wie diese Funktionen am Text selbst ablesbar sind – letztlich ob sie es auch sind, die als direkter Hinweis oder Spur vor einem wörtlichen Verständnis der ›Epistola‹ warnen. Wie mit der Szene in Huttens Klause wollen wir auch hier wieder von der äußeren Anschauung ausgehen: Wenden wir uns deshalb zunächst den Äußerlichkeiten, sozusagen den ersten Begegnungen zwischen Autor und Publikum, Text und Leser zu!
2.
Material: Ein öffentliches Gespräch unter Freunden: vom Schillern humanistischer Briefkultur
2.1.
Materialität
Die ›Epistola‹ liegt als zeitgenössischer Flugschriftendruck vor.95 Zu Huttens Lebzeiten erlebte die Schrift zwei Auflagen, die eine datiert auf den 6. November 1518, die andere bereits auf den 30. April des folgenden Jahres. Damit rangiert die ›Epistola‹ im Vergleich mit den anderen Publikationen Huttens im unteren Mittelfeld: Zeitgleich im Umlauf befindliche Texte wie die ›Aula‹, der ›Nemo‹ oder eine ›Epistola‹ an Hermann Graf von Neuenahr wurden deutlich öfter aufgelegt – wobei freilich mit schwankender Auflagenstärke und Verbreitung zu rechnen ist.96 Beide Auflagen der ›Epistola‹ wurden von den Augsburger Druckern Sigmund Grimm und Marx Wirsung verlegt.97 Die Ausfertigung des Originals wird, hier dem Format eines Briefs entsprechend, im Text selbst auf den 25. Oktober 1518 datiert.98 Der Text umfasst in erster Auflage 21, in zweiter 33 Druckseiten, jeweils im Quartformat.99 95 Sämtliche Zitate sind nach den Zeilenangaben der jüngsten Ausgabe (siehe Anm. 90) referenziert. Vgl. zur Textwiedergabe aber auch unten Anm. 107. 96 Die Angaben beziehen sich auf die Zusammenstellung von Josef Benzing: Ulrich von Hutten und seine Drucker. Eine Bibliographie der Schriften Huttens im 16. Jahrhundert (= Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen. 6). Wiesbaden 1956 mit den Nr. 72–79 (Aula), Nr. 62–69 (Nemo II) und Nr. 58–61 (Neuenahr). Die Texte: Vlrichi de Hutten eqvitis Germani. Avla. Dialogvs. [Augsburg] 1518 (= VD16 H 6296; Edition: Böcking, Opera 4, S. 43–74) = drei Auflagen; Outir. Nemo. [Straßburg 1518] (= VD16 H 6387; Edition: Böcking, Opera 3, S. 107–118) = sieben Auflagen und ein Raubdruck; Epistola ad illvstrem virvm Hermannvm de Nevenar comitem Hvtteniana [Mainz 1518] (= VD16 H 6329; Edition: Böcking, Opera 1, S. 164–168) = vier Auflagen. Relativiert werden die Zahlen zudem durch die ungewöhnliche Länge der ›Epistola‹ im Vergleich mit den zeitgleich kursierenden Texten. 97 Benzing, Drucker, Nr. 83 und 84. 98 Z. 783. Die Angabe berührt bereits die Frage, ob es sich beim Original um ein tatsächlich
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
Bis zum ersten Ansatz einer modernen Ausgabe des Gesamtwerks im späten 18. Jahrhundert erschien die ›Epistola‹ nur noch zweimal: 1610 in einer antikatholisch ausgerichteten Briefsammlung, 1717 schon als Teil einer biographischen Würdigung durch den Hildburghausener Gymnasialprofessor und späteren Wolfenbütteler Bibliothekar Jakob Burckhard.100 Handschriftliche Fassungen oder Konzepte des Textes haben sich nicht erhalten. Allerdings weist ein in der Zentralbibliothek Zürich aufbewahrtes Exemplar der Erstauflage101 Annotationen auf, die sich durch Handschriftenvergleich, vor allem aber sachlich Ulrich von Hutten zuweisen lassen – darauf wird weiter unten einzugehen sein. Die ältere Überlieferungsgeschichte dieses Exemplars ist völlig unklar. In der zweiten Auflage der ›Epistola‹, die ihrerseits bereits einige Anpassungen aufweist, ist die hier gegebene Redaktionsstufe nicht berücksichtigt.102 Erst 1790 wird die alternative Textfassung vom Zürcher Geschichtsprofessor Johann Heinrich Füßli erwähnt.103 Er hatte sie als Teil eines Faszikels Hutten’scher Drucke – darunter weitere vom Autor redigierte Texte – kennengelernt, das wiederum wenige Jahre zuvor, 1777, in den Besitz des Kirchenhistorikers Johann Jakob Simmler gekommen war.104 Das Konvolut erfuhr
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versandtes Schreiben oder schon um die Druckvorlage handelt, oder zugespitzt: inwieweit die Angabe der literarischen Fiktion eines persönlichen Anschreibens dient. Das entspricht 12 bzw. 18 Blatt, siehe die Angaben von Benzing, Drucker, S. 54. Dazu unten S. 47f. Zur Zählung ist jeweils das Titelblatt hinzuzurechnen. Ein 1783 von Christian Jakob Wagenseil begonnenes Editionsprojekt scheiterte bereits nach der Veröffentlichung des ersten Bandes, nicht zuletzt aufgrund erheblicher editorischer Mängel. Vgl. Kreutz, Rezeption, S. 74f. Die weiteren Ausgaben sind: Discvrsvs epistolares politico-theologici de statv reipvblicæ Christianæ degenerantis […]. Frankfurt a. M. 1610, S. 14–38 (vgl. Böcking, Opera 1, S. 97* (Nr. 60)); Jakob Burckhard: Eqvitis et animi et ingenii viribvs praestantissimi Vlrichi de Hvtten ad B. Pirckheimer patr. Norimb. epistola […]. Wolfenbüttel 1717, S. 1–60 (vgl. Böcking, Opera 1, S. 99* (Nr. 67)). Die Burckhard’sche Ausgabe der ›Epistola‹ bildet die Einleitung zu den insgesamt dreibändigen ›Commentarii‹, einer zugleich als Quellenerschließung angelegten Biographie, die im Jubiläumsjahr der Reformation begonnen wurde und, sicher ebenso wenig zufällig, 1723, im 200. Todesjahr Huttens, ihren Abschluss fand (sämtliche Bde. = VD18 11188561). AO: Zentralbibliothek Zürich. KK 4068. Beispielsweise ist ein offensichtlicher Druckfehler verbessert, während die semantische Korrektur des Zürcher Exemplars ausbleibt. Vgl. Z. 554f.: »Aut cum illis sentire quis posset circa philosophiae studium insanientibus Cynicis?« Deutsch: »Oder wer könnte mit jenen Kynikern übereinstimmen, die beim Studium der Philosophie den Verstand verloren haben?« Hier ist der Ablativ aus einem sinnentstellenden Akkusativ – »insanientes Cynicos« – verbessert, nicht aber für »illis« das unbestimmtere »quibusda[m]« (»etlichen«) gesetzt, so dass das pauschale Urteil über die kynische Schule also, anders als von der Redaktion vorgesehen, nicht relativiert wird. Vgl. die Angabe in: Schweitzersches Museum 6 (1790), S. 2, Anm. 257. Die ursprüngliche Bindung (als Codex?) ist später gelöst, die einzelnen Schriften neu eingebunden worden. Eine Übersicht über die in Zürich erhaltenen Stücke bietet: Hans Ulrich Bächtold: Ulrich von Hutten und Zürich. Eine Nachlese zum Hutten-Jahr 1988. In:
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einige Beachtung, und die bearbeiteten Fassungen bildeten, trotz zahlreicher Fehlstellen, die durch Beschnitt verursacht worden waren, die Grundlage für alle seither erschienenen und so auch die heute gültigen Texteditionen.105 Eine Analyse der Schreibstrategien und Wirkabsichten, wie sie hier vorgenommen werden soll,106 hat dagegen beide Ebenen zu berücksichtigen. Denn zum einen blieb die zuerst verbreitete Form des Textes zu Huttens Lebzeiten unwiderrufen und damit für die Rezeption bis ins 19. Jahrhundert hinein maßgeblich. Zum anderen könnten die Eingriffe Huttens Versuche darstellen, genau diese Fremdwahrnehmung zu korrigieren, wenigstens aber Lesarten, wie subtil auch immer, zu lenken. Dies geschieht – vermutlich – aus einer zeitlich, vielleicht auch persönlich distanzierten Einstellung zum Text heraus. In jedem Fall müssen diese Veränderungen in den Blick genommen und in die Untersuchung einbezogen werden.107
2.2.
Medialität
Das Erscheinungsbild der beiden zu Huttens Lebzeiten erschienenen Ausgaben ist grundsätzlich sehr ähnlich. Der Text ist im Blockformat gesetzt, nur die Überschrift des Titelblatts, die Grußadresse sowie die Schlussbezeichnung (»tekos(!)«) und das folgende Impressum der Augsburger Druckerei sind axial platziert.108 Der Fließtext weist keinerlei Binnengliederung durch Absätze oder Zwischenüberschriften auf. Ebenso ist der Druck mit Hervorhebungen äußerst sparsam. In Majuskeln erscheint außer der ersten Zeile der Anrede im Text selbst nur, dafür umso auffälliger, der Name »ALBERTVM«109. Er verweist auf Albrecht
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Zwingliana 18.1 (1989), S. 12–19, hier S. 18f. Zu Simmler vgl. den Artikel von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie 34 (1892), S. 355. Dies gilt für jüngste Edition (Pirckheimer, Briefwechsel 3, S. 400–426) sowie mit Einschränkungen für die Wiedergabe durch Böcking, Opera 1, S. 195–217, die im Zweifel dem Druck und nicht der Handschrift folgt. Die Redaktion verarbeitete wohl erstmals, wenn auch unvollständig, die Edition von Ernst H. J. Münch (Hg.): Des teutschen Ritters Ulrich von Hutten sämmtliche Werke / Ulrichi ab Hutten equitis Germani opera quæ extant omnia. Bd. 3. Berlin 1823, S. 70–100. – Den Beschnitt konstatierte bereits Simmler auf einem eingeklebten Zettel (heute im Einband von KK 407a). Die Anmerkung zitiert Münch, Hutten 2, S. 9. Vgl. oben S. 19. Die Zitate sind daher zwar nach der jüngsten Edition ausgewiesen, folgen aber dem Textund Zeichenbestand der Erstausgabe. Der besseren Lesbarkeit halber werden stillschweigend lediglich Abkürzungen aufgelöst. Huttens Redaktion ist, wo sie nicht eigens diskutiert wird, gegebenenfalls über die Fußnoten erschlossen. Z. 784f. Die Angabe zur Drucklegung ist in der Edition ausgespart. Vgl. unten Anm. 119. Z. 171. Die Hervorhebung wird auch später nicht korrigiert, im auffälligen Gegensatz zur kaiserlichen Druckerlaubnis, die Hutten aus dem Titelblatt herausstrich. Außerdem korrigiert Hutten das zuvor gesetzte »istum« zu »hunc«, was Albrecht von einer Person, die
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
von Brandenburg, markiert also eine Reverenz an Huttens Dienstherrn zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Schrift. Sinnzusammenhänge dagegen sind durch stringenten Einsatz von Satzzeichen kenntlich gemacht. Der Druck arbeitet mit geläufigen Abbreviaturen, vor allem dem Überstrich für zu ergänzende Buchstaben und Buchstabenfolgen oder verschiedenen Endungszeichen. Diese Kürzungen sind allerdings sehr zahlreich und dabei keineswegs systematisch gesetzt. Der Text erscheint dadurch zum einen stark verdichtet, beinahe verschlüsselt, zumindest aber von geübter Hand abgefasst und geübten Lesern vorbehalten.110 Zum anderen vermittelt sich über jene Verdichtung ein gewisser Entwurfscharakter. Der Text scheint rasch, ebenso platz- wie kostensparend von einer möglicherweise ähnlich eilend zu Papier gebrachten Vorlage übernommen und in den Druck gegeben worden zu sein. Auch das gedrängte Schriftbild trägt zu diesem Eindruck bei, wobei die 36 Zeilen je Seite der Erstausgabe in der zweiten Auflage wiederum zu 28 Zeilen gelockert werden und nicht wenige Abkürzungen hier bereits aufgelöst sind. Beiden Ausgaben vorangestellt sind Titelholzschnitte, die dem so genannten Petrarca-Meister zugeschrieben werden.111 Augenscheinlich handelt es sich nicht um zusammengesetzte Schablonen, sondern um eigens angefertigte Stücke.112 Sie zeigen im abgesetzten, sonst leeren Feld den Titel der Schrift an; darunter gesetzt sind die Zeilen »Aliquid inest noui lector, iucundi aliquid. Lege ac Vale.«113 und der Verweis auf die kaiserliche Druckerlaubnis. Den Rahmen bildet jeweils ein geschlossenes Gefüge aus floralen Motiven und antikisierenden Architekturelementen. Im Rahmenwerk der Ausgabe von 1518 erscheinen Putten, die sowohl als karyatidischer Schmuck wie auch als Ganzkörperfiguren auftreten. Letztere flankieren, darauf beziehungsweise darunter sitzend, das
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dem Adressaten Pirckheimer nahesteht (was stilistisch zum Satzbau passt, da Pirckheimer angesprochen wird), zu einer mehr Hutten als Ich-Instanz zugehörigen Figur macht (was inhaltlich gemeint sein dürfte), vgl. die entsprechenden Einträge bei Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten Hilfsmittel ausgearbeitet. 2 Bde. Hannover 1913/1918 (ND Darmstadt 1998): hic [1], Bd. 1, Sp. 3047f.; iste, Bd. 2, Sp. 463f. Das Verfahren an sich ist für lateinische (Flugschriften-)Drucke nicht ungewöhnlich. Gewisse Auflösungen erschließen sich dabei eher dem versierten Leser, beispielsweise die Pronomina in ihren verschiedenen Varianten – samt etwa einem konsequenterweise pronominal gekürzten »q(ui)escere« (Z. 238)! – oder summarische Kürzungszeichen wie in »ho(m)i(n)es« (Z. 150 u. ö.). Verzeichnet bei Theodor Musper: Die Holzschnitte des Petrarkameisters. Münster 1927, L 19. Es muss an dieser Stelle freilich offen bleiben, ob die hier verwendete Rahmenschablone tatsächlich erst für Huttens Text hergestellt wurde oder aus dem Vorrat des Verlags stammte. Zu den ökonomischen Bedingungen der Titelblattgestaltung vgl. Margaret M. Smith: The Title-Page. Its Early Development 1460–1510. London 2000. Deutsch: »Etwas neues ist (hierin) enthalten, (werter) Leser, etwas angenehmes. Lies und lebe wohl.«
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eigentliche Titelblatt. Die beiden Putten, die, mit Helmen oder Mützen ausstaffiert, in die unteren Ecken des Rahmens gesetzt sind, leiten den Blick des Betrachters mit Gesten von links nach rechts, also in einer Bewegung vom Einband in den Text hinein. Besonders auffällig ist die Darstellung des anderen Puttenpaars am oberen Rand des Motivs: Eine hält das linke Auge bedeckt, während die andere mit den Händen die Ohren verschließt. Es handelt sich freilich eher um spielerische Gesten, um angedeutete Handlungen, die so auch als bloße Nachahmung – oder sogar bewusste Verstellung? – verstanden werden können.114 Die Darstellung insgesamt bewegt sich auf allegorischen, kommentierenden Ebene. Sie wird sinnfällig ergänzt durch die beiden geflügelten Pferde, die mittig direkt unterhalb des Titelblatts platziert sind und von denen jeweils nur Schwinge, Hals und Kopf zu sehen sind. Sie verweisen offensichtlich auf Pegasos, das aus der antiken Mythologie übernommene Symbolon der Dichtkunst.115 Die Verdopplung der eigentlich einzigartigen Figur ergibt sich aus der paarweisen Anordnung der Putten, ist demnach als Gegenüberstellung zu denken. Insbesondere gilt das für die – schon in der Bildachse angelegte – Korrespondenz zwischen dem emblematischen Ausdruck dichterischen Schreibens beziehungsweise Vortrags mit dem Nicht-Sehen und Nicht-Hören der Putten am oberen Rand des Rahmens. Ein identischer Holzschnitt rahmt nun auch den Titel der kurz zuvor bei Grimm und Wirsung verlegten ›Exhortatoria‹116 Huttens. Die als Werbung für einen Türkenkrieg gedachte Schrift hatte er mit antikurialen Passagen angereichert, die allerdings, laut Huttens eigenen Angaben, der (Selbst-)Zensur zum Opfer fielen.117 Sofern Kürzungen tatsächlich nötig waren, geschah das wohl vor allem aus Rücksicht auf Huttens Dienstherrn Albrecht von Brandenburg, dessen 114 In diesem Zusammenhang interessant ist die Formulierung Huttens in einem Schreiben an Jacopo Bannisio (Böcking, Opera 1, S. 192f.), unter den Fürsten sei die Rede vom Türkenkrieg nur ein »Spiel«: »[…] ludus est illis [principibus] de bello Turcico verba facere« (ebd., S. 193). 115 Hans Biedermann: [Art.] Pegasus. In: ders.: Knaurs Lexikon der Symbole. München 1989, S. 327f. 116 Vlrichi de Hvtten Eqvitis Germani ad Principes Germaniæ, vt bellum Turcis inuehant. Exhortatoria […]. Augsburg 1518 (= VD16 H 6267). Vgl. die Edition in Böcking, Opera 5, S. 99–134 sowie die Vorbemerkung dazu ebd., S. 98f. 117 Im Bezug darauf Z. 426–428 der ›Epistola‹: »Atque hoc est, quod doleo, non licere mihi, quod opus maxime fuit hoc tempore loqui, aut scribere.« Deutsch: »Und genau das bedaure ich, (nämlich) dass ich, was zu dieser Zeit am dringendsten gewesen ist, weder aussprechen noch schreiben darf.« Gleichwohl erschien eine ungekürzte Fassung bereits im Folgejahr bei Johann Schöffer in Mainz! Offen wird auf dem Titelblatt damit geworben, dass dieser Druck Stellen enthalte, die aus der früheren Ausgabe getilgt worden seien (»insvnt quæ priori editioni exempta erant«). Der Druck: Vlrichi de Hvtten Eqvitis Germani ad Principes Germaniæ vt bellum Turcis inferant[!]. Exhortatoria […]. Mainz 1519 (= VD16 H 6268). Zur Notwendigkeit einer Zensur der ›Exhortatoria‹ im höfischen Kontext vgl. Mertens, Patronage, S. 147f.
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
politische Position eine solche offen vorgetragene Spitze gegen Rom, zumindest vor dem Publikum des Augsburger Reichstags, nicht zuließ. Folglich wäre die Szenenfolge des Titelblatts durchaus als Kommentar auf die konkrete Situation der Mahnrede oder vielmehr ihrer Veröffentlichung zu verstehen: Als Dichter, als Redner und Autor schneidet Hutten Themen an, denen sich das Publikum verschließt oder zumindest ostentativ verschließen muss. Diese Haltung kann allerdings auch auf den Autor zurückwirken, indem sie ihn zur Zurückhaltung zwingt. Die Konstellationen des Titelholzschnitts versinnbildlichen und kommentieren diese Problemkreise, und eben darauf sind sie deutlich bezogen. Dasselbe Motiv nun auch für das Titelblatt der ›Epistola‹ zu nutzen, mag einerseits wirtschaftliche Gründe gehabt haben; ursprünglich spezifische Titelholzschnitte wiederzuverwenden, stellte schlicht eine Kostenersparnis dar. Andererseits allerdings könnte das Motiv gezielt aufgegriffen worden sein, um eine Analogie zwischen den ›Exhortatoria‹ und der ›Epistola‹ zu schaffen, die beiden Texte somit in Beziehung zu setzen.118 Das ist umso wahrscheinlicher, als eine zeitnahe separate Stellungnahme des Autors, eine Richtigstellung oder zumindest ein Kommentar durchaus zu erwarten gewesen wäre und Hutten diese mit der ›Epistola‹ zu liefern schien. Ungeachtet tatsächlicher Inhalte verstärkte das Titelbild diesen Eindruck und konnte demnach einer Verkaufsstrategie dienen. Dafür spricht schließlich ebenfalls, dass der Nachdruck der ›Epistola‹, der 1519 im selben Haus verlegt wurde, ein verändertes Titelblatt aufweist. Hier erscheint der Rahmen massiver, die Ornamente fülliger, während auf anthropomorphe Beigaben, von zwei zierlichen Trägerfiguren abgesehen, verzichtet wird. Es handelt sich um ein einheitlich gestaltetes, also nicht aus Einzelstücken zusammengesetztes Motiv, das aber keinerlei Anspielungen auf den Inhalt mehr enthält. Auch der Titel selbst ist durch Wechsel der Schrifttype und Zweifarbendruck von der früheren Fassung abgesetzt. Die äußerliche Bezugnahme auf die ›Exhortatoria‹ ist aufgegeben, die ›Epistola‹ wird als eigenständige Publikation präsentiert. Der Text sollte also in beiden Fällen möglichst günstig am Markt positioniert werden, das heißt zunächst im Fahrwasser aktueller, attraktiver Publikationen, dann als verselbständigte – und optisch aufgewertete – Auflage aus dem Bestand. Schon von dieser Anlage her sollte die ›Epistola‹ nicht einem Kreis von Spezialisten vorbehalten sein, sondern ganz im Gegenteil ein möglichst breites Publikum ansprechen, den Gelegenheitskäufer wie den Sammler. Das Titelblatt der ›Epistola‹ hat aber, neben der Herstellung – oder Auflö118 Frank Hieronymus hat darauf hingewiesen, dass eine unspezifische Gestaltung ein Titelblatt zwar wiederverwendbar machte, in der konkreten Bezugnahme auf das Werk aber ein Werbeeffekt lag, vgl. ders.: Die Wahl des Bildes. In: Librarium 27 (1984), S. 39–48, hier S. 45. Mit Autorenpersönlichkeiten wie Hutten als Bezugspunkt aber konnte dieser Gegensatz offenbar ausgeglichen werden.
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sung – solcher intertextueller und marktstrategisch relevanter Bezüge, noch eine ganz eigene, gleichsam nach innen wirkende Funktion. Sie scheint selbstverständlich, ist hier aber noch einmal bewusst zu machen: Es handelt sich um eine Rahmung. So findet das vorangestellte Titelblatt auf der anderen Seite des Textes seine Entsprechung. Die Einfassung wird hier geschlossen durch die Angaben zur Drucklegung.119 Der eigentliche Text ist demgegenüber deutlich abgesetzt. Seinen Beginn markiert eine Grußformel; zentriert und an den Kopf der Seite gesetzt, auf zwei Zeilen verteilt, die erste, wie bereits bezeichnet, durch Majuskeln hervorgehoben: »VLRICHVS DE HVTTEN BILIBALDO Pirckheymer. Salutem«. Der Neuansatz wird außerdem markiert durch die floral gestaltete Initiale, die den Haupttext eröffnet. Den Schluss dagegen zeigt das kurze, vom Haupttext optisch getrennte »tekos« an. Es erscheint damit zugleich zwischen einer den Text schließenden Datierung (»Augustæ viij Calendas Nouembres Anno MDXVIII«)120 und dem Kolophon, das trotz räumlicher Nähe – beide Ortsangaben lauten auf Augsburg – eine zeitliche Differenz ausweist. Zu erkennen sind hier also auf den ersten Blick, ohne die vorgeschaltete Bezeichnung als »epistola« kennen zu müssen, die grundsätzlichsten medialen Elemente einer Korrespondenz, konkret die äußeren Zeichen eines Briefs: Die erste Zeile eröffnet ein Korrespondenzverhältnis zwischen Absender und Empfänger, während die letzte die Ausstellung des Textes definiert. Dieser Brief aber wird mit großer Sorgfalt gerahmt, so dass wiederum auf den ersten Blick klar wird, dass Rahmen und Inhalt eindeutig voneinander geschieden sind. Im Zusammenspiel mit der dichten Form, den unaufgelösten Kürzungen und dem äußerlich ungegliederten Aufbau soll dadurch ein ganz bestimmter Eindruck vermittelt werden: Der Druck bildet nur die Außenseite, den Rahmen für die vollständige und unveränderte, das heißt authentische Wiedergabe oder, mehr noch, die Konservierung eines originalen Textbestands bis in das Erscheinungsbild hinein. Der kommunikative Akt, das persönliche Zwiegespräch selbst ist ja bereits durch seine Verschriftlichung im Format des Briefs gebrochen. Umso nachdrücklicher muss daher hier dessen möglichst bruchlose und verlustfreie Übertragung – und eben keine Transformation! – in ein anderes Medium behauptet werden. Und gerade die gewissermaßen intermediale Authentizitätsbehauptung beglaubigt ihrerseits das im Rahmen Beschlossene, also den Inhalt der ›Epistola‹ an sich. Freilich wird auch diese Gebundenheit schon in der zweiten Auflage gelo119 »In officina excusoria Sigismundi Grimm Medici, & Marci Vuyrsung. Augustæ Vindelicorum Anno MDXVIII die vero vi Nouembris«. Bzw. in der zweiten Auflage: »Iterum excusa in officina Sigismundi Grimm Medici & Marci Wyrsung Augustae Vindelicorum Anno MDXIX die vero xxx Aprilis«. Die Angaben in der Edition in der Vorbemerkung, S. 400. 120 Z. 783f. Orts- und Datumsangabe sind in den Haupttext integriert.
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
ckert. Der Druck steht nun in zeitlicher Distanz zu der Vorlage, auf die er sich bezieht. Die Gestaltung wird dadurch freier ; wie gezeigt sind die Bezüge in der Bildkomposition des Titelblatts ebenso aufgelöst wie der zunächst stark verdichtete Satz des Textes. Der Text wird zum Einzelstück, das zwar für sich selbst stehen, zugleich aber nicht mehr als Bestandteil einer laufenden Diskussion, eines Diskurses vorgestellt werden kann. Und auch in dieser veränderten Form könnte, neben ganz praktischen Erwägungen,121 begründet sein, dass Hutten seine Redaktion an einem Exemplar der Erstauflage vornahm. Hierin lag mit Sicherheit die von ihm autorisierte Fassung des Textes vor, und auf diese Fassung musste er sich als Autor beziehen, wollte er den Text von seinem Ursprung her überarbeiten – was die Bedeutung der Form nur unterstreichen würde. Denn diese Form ist die eines gedruckten, das heißt eines öffentlich gemachten Textes. Der Text wird dadurch eben als nicht-privat, vielmehr für die Veröffentlichung bestimmt und damit als prinzipiell allgemein zugänglich markiert. Genau auf die Wieder- oder Neuveröffentlichung scheint die Überarbeitung demnach zu zielen: Indem er den Text in dieser Gestalt redigierte, arbeitete Hutten an der Wirkungsebene, der Publikumsseite der ›Epistola‹. Rein äußerlich handelt es sich um Detailkorrekturen, um tatsächliche Marginalien. Selten werden einige Wörter in Folge gestrichen oder ergänzt, die meisten Eingriffe beschränken sich auf veränderte Satzzeichen und Buchstaben. Die Gesamtstruktur bleibt unangetastet und damit gültig. Es geht offensichtlich nicht um radikale Veränderungen, nicht darum, den Text von seiner Anlage her umzuschreiben. Dennoch wirken, hier noch ganz unabhängig von Inhalt und Sinn, die Bearbeitungen minutiös, beinahe jede Seite weist Eingriffe auf.122 Sie scheinen das redensartlichen Jota zu verrücken – dem gleichwohl damit echte Bedeutung zugeschrieben wird. Auf eben diese Details nämlich scheint es dem Redakteur anzukommen. Die Bearbeitung erweist sich daher als ebenso gründlich wie, in der Konsequenz dann doch, grundlegend. Wohl aus diesem Grund haben alle modernen Editionen, wie erwähnt, den von Hutten handschriftlich redigierten Text als die definitive Fassung anerkannt und die ältere Version, nur mehr als Fragment, in den Anmerkungsapparat verbannt. Ungeachtet einiger unklarer Lesarten123 und der Tatsache, dass der 121 Hutten hielt sich zum Zeitpunkt der Drucklegung der ›Epistola‹ noch in Augsburg auf und sorgte, nach Ausweis seines Schreibens an Willibald Pirckheimer vom 11. November 1518 (Böcking, Opera 1, S. 221f.), selbst zumindest für einen Teil der Distribution. Die Erstausgabe war ihm also möglicherweise eher bei der Hand als die erst deutlich nach seiner Abreise erfolgte zweite Auflage. 122 Einzige Ausnahme ist fol. A iijb, in der Edition S. 405f. 123 Beschnittene Marginalien werden zum Teil recht großzügig und nach Sinn ergänzt. Vgl. als Beispiel für die daraus entstehenden Verwirrungen des Textes Z. 93 der Edition. Dort wird, sicher nicht ganz richtig, entziffert: »quantæ cui [vires ul]tionis suc[cedant]«; Böcking, Opera 1, S. 197 liest hierfür »quæ cui[que studium ul]tionis sua[deat]« bzw. »quae
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ursprüngliche und bis dahin gültige Text der ›Epistola‹ überhaupt erst durch die Editionsarbeit überholt wurde, vollziehen und vollenden die Neuausgaben die schon im Erstdruck angelegte Vereinheitlichungstendenz des Textes, die faktische Brüche überdecken soll. Denn die Außenseite der ›Epistola‹ ist ganz Fassade, sie ist eine auf den ersten Blick den Inhalten, auf den zweiten aber vor allem den medialen Brechungen vorgeblendete Konstruktion. Überraschend schwer fällt es daher, allen durch das Medium selbst ausgestellten Festlegungen zum Trotz, die Medialität der ›Epistola‹ zu bestimmen. Denn was haben wir vor uns? einen handschriftlichen Text, der in den Druck kommt? dabei unmittelbar übertragen wird oder doch in das andere Medium übersetzt werden muss? oder einen von vornherein für den Druck konzipierten Text, der in den Zusammenhang anderer Schriften desselben Autors eingebettet, eben in einen Kontext gebracht werden soll? Und schließlich, was bedeutet die Überarbeitung – handschriftlich, in einem »fertigen«, da bereits gedruckten Text nachgetragen und letztlich für lange Zeit unberücksichtigt geblieben – für die mediale Bestimmung der ›Epistola‹?
2.3.
Formale Zuschreibungen
Augenscheinlich hat Hutten das Titelblatt der ›Epistola‹ in seine Redaktion einbezogen. Gestrichen sind die Wendung an den Leser sowie das kaiserliche Druckprivileg, Zusätze also, die auf die konkrete (Erst-)Veröffentlichung bezogen werden können, da sie eine Werbemaßnahme oder auch einen Teil des Impressums darstellen. Damit sind sie eher der Urheberschaft des Verlegers als der des Autors zuzurechnen, und folgerichtig sind sie gelöscht, um nicht fälschlich in einen unabhängigen Neudruck übernommen zu werden.124 Der Titel selbst dagegen blieb unverändert, und so ist offensichtlich, dass die Überschrift Huttens Zustimmung fand – sofern nicht er selbst sie entworfen hatte – und auch weiterhin Gültigkeit besitzen sollte. Deshalb kann die Frage nach den formalen Zuschreibungen hier ansetzen, an der Stelle der ersten Begegnung des Lesers mit dem Text. Es fällt zunächst auf, dass in der Sequenz die »epistola«, also die hier und nur hier explizierte mediale Bestimmung, nachgeordnet ist. Zuerst erscheint ein cui[usque ul]tionis sua[vitas sit]«, gibt aufgrund der Schwierigkeit diese Lesarten aber nur als Anmerkung wieder – was die neuere Edition wiederum zu ignorieren scheint. Das Beispiel mag außerdem verdeutlichen, dass die Textverluste insgesamt erheblicher sein könnten als von den Herausgebern eingestanden. 124 Weiter reichende Interpretationen, die dadurch etwa ein ostentatives Zerwürfnis mit dem Kaiser angezeigt sehen (zu finden bei Bächtold, Nachlese, S. 15), ergeben sich nur aus biographischen Rückschlüssen und scheinen daher schwer zu halten.
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
Name (»Ulrichi de Hutten«); er weist durch Possessivform den (geistigen) Eigentümer des Folgenden, demnach den Autor aus. Beigegeben ist ihm die nach klassischem Vorbild geformte Standesbezeichnung (»equitis«). Eine solche ständische Selbstpositionierung ist in der – wenigstens dem Anspruch nach – standeslosen humanistischen res publica litteraria ungewöhnlich.125 Zugleich hebt sie den so eingeleiteten Text auf ein offizielles Niveau, lädt ihn gleichsam mit dem Rang des Autors auf und macht diesen zum Thema. Dominant platziert und optisch durch vergrößerten Kapitalsatz hervorgehoben scheinen Name und Stand für sich zu sprechen, müssen Interesse wecken. In eine Korrespondenzbeziehung dazu gesetzt (»ad«) ist der zweite Name – »Bilibaldum Pirckheymer« –, der ebenfalls durch eine, wenngleich ortsgebundene, Statusangabe (»patricium Norimbergensem«) erläutert wird. Erst dann, nach dieser Bestimmung von Absender und Empfänger erscheint das Medium der Interaktion, eben jene »epistola«. Zugleich kann sie in der syntaktischen Nachordnung als eigentliches Produkt dieses Austauschs vorgestellt werden. Als Angelpunkt des Titels verstanden, eröffnet die Bestimmung des Mediums nun die Bestimmung des Inhalts. Ganz wörtlich wird hier die Ausstellung (»exponens«) eines persönlichen (»sua«) Lebensentwurfs oder Lebensplans (»ratio vitae«) angekündigt. Darüber hinaus bilden »epistola« und »exponens«, schon klanglich aufeinander bezogen, eine syntaktisch geschlossene Einheit. Durch die Herausnahme von Autor und Adressat ist sie ihrem Urheber dabei nur mehr attributiv (»vitae suae«) verknüpft. Das Begriffspaar verklammert Form und Inhalt nicht allein äußerlich, sondern auch, indem grammatisch die »epistola« selbst zum Agens deklariert wird. Das Medium selbst stellt den Entwurf aus und verwandelt sich dabei dessen Logik an. Die ›Epistola‹ erscheint mithin als das offenlegende Moment einer im Text beschlossenen, in ihn eingeschriebenen ratio. Auf diese Einsichten wird die Erwartung des Lesers gelenkt. Dass eine solche Dekonstruktion des Titels überhaupt möglich ist, erweist die Relevanz der gewählten Sprache, des Lateinischen. Es legt den Adressatenkreis 125 In kaum einer der eigenständigen, gedruckten Schriften Huttens fehlt die Standesbezeichnung. Dies steht im Gegensatz zu einigen im handschriftlichen Original erhaltenen Briefen, in denen Hutten auf die Titulatur verzichtet (vgl. etwa das Faksimile des Briefs an Beatus Rhenaus und die Brüder Amerbach, als Anhang zu Böcking, Opera 2 (o. S.), derselbe Brief in Edition: Böcking, Opera 1, S. 263–264). Ob dieser Differenz ein tatsächliches Prinzip der Trennung zwischen »öffentlicher« und »privater« Ansprache zugrunde liegt, ließ sich allein anhand einer Durchsicht der Edition nicht überprüfen. Zur res publica litteraria vgl. grundlegend die Begriffsgeschichte von FranÅoise Waquet: Qu’est-ce que la R8publique des Lettres? Essai de s8mantique historique. In: BibliothHque de l’8cole des chartes 147 (1989), S. 473–502. Kritik an der Vorstellung einer egalitären »Gelehrtenrepublik« übt Caspar Hirschi: Piraten der Gelehrtenrepublik. Die Norm des sachlichen Streits und ihre polemische Funktion. In: Kai Bremer und Carlos Spoerhase (Hgg.): Gelehrte Polemik. Typen und Techniken wissenschaftlicher Konfliktführung in der respublica litteraria des 17. und 18. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. 2011, S. 101–138.
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nämlich auf eine entsprechend vorgebildete Leserschaft fest, und dass diese Vorbildung über das Maß alltäglichen Gebrauchs hinausgeht, ergibt sich abermals bereits aus Format und Titel. Der Leser muss zum einen in der Lage sein, einen längeren lateinischen Text zu lesen; zum anderen darf und sollte er daran interessiert sein, jenen Text auch zu decodieren – und zwar, wie der Titel andeutet, nicht nur inhaltlich, sondern auch in seiner sprachlichen Struktur, seinen Bildern und Zeichen. Der Text schafft also über die Sprache Voraussetzungen seiner Rezeption, zugleich aber auch seiner Entstehung. So kann das Lateinische einerseits als Barriere und Abgrenzung verstanden werden, das einen abgeschlossenen Kommunikationsraum errichtet; doch andererseits verbindet sich genau darüber der Autor dem Kreis seiner Leser, behauptet und bestätigt seine Zugehörigkeit. Die Sprache ist hierfür ein Schlüssel, und das spezifiziert die titelgebende Charakterisierung des Textes als »epistola«.126 In diesem Begriff eröffnet sich eine weit zurückreichende Tradition schriftlicher Kommunikation, der klassisch-antiken Briefliteratur einerseits, vorrangig repräsentiert durch die Werke Senecas, des jüngeren Plinius, vor allem aber Ciceros, und andererseits ihrer Fort- und Festschreibung in christlich-kirchlichen Sendschreiben, von den Apostel- beziehungsweise Paulusbriefen bis zu den vielfältigen Ausformungen der päpstlichen Korrespondenz. In diese Kontinuität stellen sich vor allem humanistisch orientierte Gelehrte ganz bewusst, indem sie an die Briefpraxis des Altertums und des (frühen) Christentums anknüpfen und den Brief für sich entdecken. Nicht als unspezifischer Gattungsbegriff verstanden, ist der Brief hier nämlich kein schlichter Gebrauchstext, der ›rohe‹ Informationen an einen beschränkten Kreis von Empfängern übermittelt. Vielmehr konstituiert er als Medium wie als Ausdrucksweise erst die Austauschgemeinschaft der Humanisten, formt als Verständigung über und durch Geschriebenes eben jene res publica litteraria. Dass Briefe gleichsam das eigentliche Instrument der studia humanitatis darstellten, zeigt sich nicht allein im Umfang humanistischer Korrespondenz oder dem humanistischen Bemühen, eine am klassischen Vorbild geschulte Schreibtheorie zu entwickeln.127 Eher spiegeln die zahlreichen Versuchen, Briefe zu sammmeln und ihre Formalia, nach Anlass und Absicht 126 Die Schreibweise lehnt sich an das griechische Stammwort 1pistok^ an, das den konkreten Akt des (antwortenden) Schreibens und Sendens bezeichnet. In dieser Form erscheint der Begriff auch bei römischen und nachklassischen Autoren, allerdings ohne das lateinische Lehnwort »epistula« zu ersetzen. Vgl. den Nachweis bei Charlton T. Lewis und Charles Short: A New Latin Dictionary. New York, Oxford 1891, S. 651. 127 Wegweisend für die endgültige Formalisierung wirkte Erasmus’ ›De conscribendis epistolis‹ aus dem Jahr 1522 (Amsterdamer Ausgabe (ASD) I-2, S. 153–579). Zur weiteren Entwicklung vgl. Carmen Furger : Briefsteller. Das Medium »Brief« im 17. und 18. Jahrhundert. Köln, Weimar, Wien 2010.
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
differenziert, zu systematisieren, den Wunsch, eine gemeinsame Grundlage der Kommunikation zu finden oder zu schaffen. Wie der Schlüssel der Sprache sollten auch die Regeln des Briefeschreibens prinzipiell zugänglich, das heißt erlernbar sein – oder sie sollten zumindest in ihrer Regelhaftigkeit erkannt und anerkannt werden können. Humanistische Briefe haben, indem sie als Leistungsschau fungieren, einen explizit rhetorischen Charakter, und die Muster, an die sich anknüpfen ließ, lieferten wiederum antike Traditionen.128 Entscheidend war daher die Sichtbarkeit der Briefe, ihre grundsätzliche Offenheit für eine Rezeption jenseits des engeren Adressatenkreises, mit der die Autoren nicht zuletzt eigene Öffentlichkeiten generierten.129 Stärker als den »litterae«, kürzeren Schreiben, die meist erst in Sammlungen zu einem literarischen Korpus verdichtet wurden, haftet die Konnotation von Öffentlichkeit oder besser : Offiziosität den »epistolae« an. In Umfang und Anlage erscheinen sie eher als geschlossene rhetorische Monumente denn als Teil tatsächlicher Korrespondenz.130 Die »epistola« stellt ihren Gegenstand in Briefform vor, sie stellt ihn aber vor allem als schriftliche Rede vor einem Publikum aus. Huttens Verwendung des Begriffs, seine Wahl dieser Form ist daher keineswegs zufällig, sondern spezifisch. Das unterstreicht auch der Blick auf das Gesamtwerk. Das Korpus der Briefe umfasst darin rund 100 Stücke, doch nur sechs gibt Hutten explizit als solche Briefreden, als »epistolae« in den Druck.131 128 Anregend dazu der Beitrag von Judith Rice Henderson: On Reading the Rhetoric of Renaissance Letters. In: Heinrich F. Plett (Hg.): Renaissance-Rhetorik. Berlin, New York 1993, S. 143–162 sowie erneut dies.: Humanist Letter Writing: Private Conversation or Public Forum? In: Toon van Houdt, Jan Papy, Gilbert Tournoy, Constant Matheeussen (Hgg.): SelfPresentation and Social Identification. The Rhetoric and Pragmatics of Letter Writing in Early Modern Times (= Supplementa Humanistica Lovaniensia. 18). Leuven 2002, S. 17–38. 129 Entsprechende Ansätze benennt Rolf-Bernhard Essig: Der Offene Brief. Geschichte und Funktion einer publizistischen Form von Isokrates bis Günter Grass (= Epistemata. Reihe Literaturwissenschaft. 267). Würzburg 2000. 130 Ich gehe hier von Huttens Verwendung des »epistola«-Begriffs aus. Zwischen »litterae« und »epistolae« wird in der (geschichtswissenschaftlichen) Forschung nicht unterschieden, was durchaus in der Tradition der historischen Epistologie steht: So verwendet Erasmus in ›De conscribendis epistolis‹ einen sehr weiten »epistola«-Begriff, bezeichnet damit alle Arten von Briefen – allerdings im Rahmen eines Plädoyers für ein rhetorisches Bewusstsein beim Briefeschreiben. Mit herkömmlichen Gattungsbegriffen und Inhalten ist der Differenzierung nicht beizukommen: vgl. noch jüngst: Robert Vellusig: [Art.] Brief, Gattungsgeschichte. In: Enzyklopädie der Neuzeit. 2 (2005), Sp. 406–413 sowie Detlef Döring: [Art.] Gelehrtenkorrespondenz. In: Enzyklopädie der Neuzeit 4 (2006), Sp. 386–389. Wolfgang G. Müller : [Art.] Brief. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 2 (1994), Sp. 60–76 benennt die auf Plinius zurückgehende Unterscheidung von »epistula (familiaris)« und »historia«, also von privater und öffentlicher Schriftrede. Unerkannt bleibt aber, dass beide Formate demnach Stilvorgaben zu unterwerfen sind, was wiederum die Eignung für ein Publikum, mithin eine Öffentlichkeit, antizipiert. 131 Die Angaben beziehen sich auf lateinische wie deutsche, gedruckte oder an anderem Ort erhaltene Brieftexte, ausgewertet nach dem Stand der Edition von Böcking (vgl. die
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Aus dem Arsenal von Bezeichnungen, das ihm für seine Veröffentlichungen zur Verfügung steht, wählt er diese Bestimmung also gezielt. Der Vergleich mit einem besonders zeitnah entstandenen Text, der »Epistola ad illustrem virum Hermannum de Neuuenar comitem Hutteniana qua contra Capnionis aemulos confirmatur«, veranschaulicht, welche Variationen dabei möglich waren:132 Hier ist die Textsorte direkt an den Anfang gesetzt; sie rahmt zugleich den Namen des Adressaten, Hermann Graf von Neuenahr, über die enge Verbindung zum Namen des Autors, der hier auf ein Attribut (»Hutteniana«) reduziert ist. Umso eindrucksvoller erscheint die Korona aus antikisierender Titulatur (»vir illustris«) und Rangbezeichnung (»comes«).133 Die eigentliche Stoßrichtung der Schrift, nämlich Neuenahr – und mit ihm die Leserschaft – in der Haltung gegen die Widersacher Capnion-Reuchlins zu bestärken, wird erst über einen angehängten Relativsatz erschlossen. Völlig anders also die Inszenierung des Adressaten, völlig anders die Bedeutung, die Medium und Autor hier zugeschrieben wird. Die »epistola« ist ein ganz auf die Person des Adressaten bezogenes Monument; Hutten tritt demgegenüber zurück, sein Name ist dem Text Werkübersicht Böcking, Opera 2, 498–515), den Ergänzungen durch Siegfried Szamatjlski: Ulrichs von Hutten deutsche Schriften. Untersuchungen nebst einer Nachlese (= Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgeschichte der germanischen Völker. 67). Straßburg 1891 sowie den Aktualisierungen durch Benzing, Drucker. Eine genauere Zahl ist nicht zu ermitteln, da einige Briefe sicher verloren bzw. nur indirekt durch Antworten oder Verweise belegt sind (so eine von Benzing, Drucker, S. 17 (Nr. 7) verzeichnete »epistola in incendio Lutheriano«). Zudem ist die Zuschreibung »Brief« aus gegebenen Gründen in einigen Fällen problematisch. Neben der hier besprochenen Schrift sind (jeweils in Erstausgabe) als »epistola« bezeichnet: Epistola ad Maximilianum Caesarem Italiae ficticia. Hulderico de Hutten equ. Authore. [Straßburg] 1516 (= VD16 H 6258); Epistola Ad Illvstrem Virvm Hermannvm De Nevvenar Comitem Hutteniana Qua Contra Capnionis Aemulos Confirmatur. [Mainz] 1518 (= VD16 H 6329); Epistola Vlrichi De Hvtten Equitis. Ad D. Martinum Lutherum Theologum. [Leipzig] 1520 (= VD16 H 6325); Due ad Martinum Lutherum Epistole Vlrici ab Hutten. Nürnberg 1521 (= VD16 H 6320). Hier nicht berücksichtigt ist die ›Ad Carolvm Imperatorem, pro Luthero, & veritatis ac libertatis causa exhortatio‹, gedruckt als Teil einer 1521 in Straßburg verlegten Textsammlung (= VD16 H 6353); der summarische Titel wird im nachgestellten Inhaltsverzeichnis unter der Bezeichnung »Epistolae« nach Adressaten aufgeschlüsselt, die Bezeichnung erscheint aber nur dort. Interessanterweise verwendet eine wohl zeitgleich in Erfurt erschienene – daher von Hutten wenigstens autorisierte – deutsche Übersetzung (= VD16 H 6241) im Titel den Begriff »sendbrieue«! Vgl. die synoptische Edition der Texte: Böcking, Opera 2, 47–62 samt Anmerkungen. 132 Vgl. Anm. 96. Es handelt sich um eine Einzelpublikation, die noch eine zweite Auflage erlebte, bevor sie unverändert in die Sammlung der ›Epistolae Trivm Illvstrivm Virorum, ad Hermannum Comitem Nuenarium[!]‹ (Erstausgabe: Hagenau 1518 = VD16 R 1247) aufgenommen wurde. 133 »Illustris vir« war ein in der Spätantike hochrangigen Würdenträgern der senatorischen Schicht vorbehaltener Titel. In der gegebenen Kombination könnte auch der gebräuchliche, mittellateinische Grafentitel »comes« im Sinne des ordo dignitatum als Ausdruck höfischkaiserlicher Amtmannschaft verstanden werden. Vgl. Christian Gizewski: [Art.] Hoftitel. C. Römisches Reich und Spätantike. In: Der Neue Pauly 5 (1998), Sp. 669f.
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
beschreibend beigegeben, ihm eher bei- und untergeordnet als dessen wirkliche Instanz. Die »epistola« muss daher als rhetorische Übung gelesen und verstanden werden. Sie ist verschriftlichte Rede, eine affirmative, vielleicht auch überzeugende und lobende Ansprache, gerichtet an einen Einzelnen, gehalten aber vor vielen.134 Zum einen ist sie dabei abgesetzt von einer Art der Ansprache, die bereits eine Mehrzahl von Adressaten voraussetzt – und von Hutten folgerichtig auf den Begriff der »exhortatoria« festgelegt ist. Dagegen, und das zum anderen, richtet sich die »epistola« pars pro toto an einen Stellvertreter. Dieser soll ihr innerhalb eines weiteren – thematischen, personellen, kommunikativen – Kontextes als Bezugspunkt wie natürlich auch als Multiplikator dienen. Vom Panegyricus oder Enkomion unterscheidet sie dabei die prinzipielle Gleichrangigkeit der Kommunikationspartner und das Unzeremonielle, beinahe Spontane, das die Rede wiederum in einem echten Austausch verortet, das heißt hier konkret an ein briefliches Gespräch rückbindet.135 Bevor der Blick sich nun auf den Inhalt dieses Gesprächs, seine Gegenstände und die Art ihrer Verhandlung richtet, fassen wir noch einmal zusammen: Die ›Epistola‹ entstammt einem humanistischen Kontext; das heißt sie bedient ein entsprechendes Publikum, indem Sprache und Form an Regeln oder Gepflogenheiten humanistischer Kommunikation orientiert werden. Diese kommunikativen Regeln knüpfen an ältere, vor allem antike Vorbilder an, die zudem ganz grundsätzlich in der Rhetorik verwurzelt sind. Noch einmal besonders ausgeprägt ist dieser Zusammenhang in der »epistolaren« Tradition als Briefrede, die Hutten also bewusst aufruft. Der Korrespondent, Willibald Pirckheimer, ist deshalb auch kaum als einziger oder auch nur vorrangiger Adressat anzusehen, sondern fungiert eher als eine Art Resonanzkörper. Schließlich ist das ausgeschriebene Thema der ›Epistola‹, Huttens »ratio vitae«, kein Selbstzweck, erscheint vielmehr – auch, aber nicht ausschließlich marktstrategisch – zunächst eingebunden in einen tatsächlichen und sehr konkreten Kon-Text. Erst durch spätere Überarbeitungen, darunter Huttens eigenhändige Redaktion, wird diese Bindung gelöst – ohne dass aber die genuine Verzahnung von Medium, der »epistola«, und Inhalt, dem »rationem exponens«, aufgehoben werden kann oder soll. 134 Zum gleichen Ergebnis kommt Henderson, Conversation, vor allem anhand normativ wirkender Texte bzw. den darin enthaltenen »theories of epistolography« (S. 17). 135 Panegyrische Texte waren, nach dem Vorbild der spätantiken Sammlung der Panegyrici Latini, ganz überwiegend auf das Herrscherlob festgelegt und blieben auf bestimmte, meist festliche Anlässe bezogen. Vgl. Michael Mause: [Art.] Panegyrik. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 6 (2003), Sp. 495–502. Ergänzend: Manfred Hinz: [Art.] Panegryrik. In: Der Neue Pauly 15.2 (2002), Sp. 49–55; Joachim Dingel: [Art.] Panegyrik. II. Römisch. In: Der Neue Pauly 9 (2000), Sp. 242–244 (der gesamte Artikel ebd., Sp. 239–246).
Gegenstand: Selbstbegründungen eines Dilettanten
3.
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Gegenstand: Selbstbegründungen eines Dilettanten
Über eine »ratio vitae suae« zu schreiben, ist etwas Unerhörtes, zumindest für einen Menschen der Frühen Neuzeit. Die ratio vitae liegt für ihn bei Gott.136 Einsicht in den eigenen Lebensplan zu behaupten oder sogar darauf gestaltend Einfluss nehmen zu wollen, überschreitet die Grenze zu sündhaftem Hochmut. Als Rechenschaft, als eine Art Lebensbeichte kann die »ratio vitae suae« allenfalls am Ende eines Lebens erscheinen, aber selbst dann nicht in einer Zurschaustellung, wie sie in der ›Epistola‹ angelegt und auch explizit gemacht ist. Das Problem also, sich selbst nicht in den Mittelpunkt einer Erzählung stellen zu dürfen, sich nicht über dieses Selbst verständigen zu können, überwindet eigentlich erst der humanistische Sprachgebrauch. Denn indem humanistische Autoren, wie schon Vorgänger etwa in der mittelalterlichen Epik oder dem theologischen Diskurs, zunächst in eine überkommene, antike Traditionslinie eintreten, sich dann aber selbst in diese Kontexte einweben, sie in die eigene Gegenwart holen und sich Entwürfe und Topoi schreibend anverwandeln, ermächtigen sich diese Autoren, nun doch über sich selbst zu sprechen.137 Genau das vollzieht sich in der ›Epistola‹. Dort erscheint eine Ich-Instanz, und dieses Ich ist eindeutig – schon im Titel wie dann im Text durch die Inszenierung eines persönlichen Gesprächs oder besser : eines inneren Monologs – bezogen auf den Autor, auf Hutten. Allerdings geschieht die Einsetzung und Legitimation des Text-Ich nicht ostentativ im direkten Verweis auf jene Traditionen oder in der Explikation der Quellen, aus denen die Selbstbildung gespeist wird. Im Gegenteil sind die Referenzen stark zurückgenommen, und dort wo sie klar als solche erkennbar sind, erscheinen sie unbeholfen, beinahe deplatziert: Angaben scheinen aus dem Gedächtnis zitiert138 oder sind auch tatsächlich falsch139, einige 136 Deshalb werden kurze Zeit später auch Konfessionsentscheidungen nie als willkürlich bezeichnet, da sie mit einer Wiederherstellung bzw. Stabilisierung, einer Reformation der wahren göttlichen Ordnung einhergehen; vgl. dazu Walther, Glaube. 137 Vorgeführt von Enenkel, Erfindung, hier insb. S. 10f. 138 Z. 8–12: »Aut simile tibi quiddam videtur in me, quod olim Socrati, qui Glauconem, Platonis puto fratrem, […] ad Rempublicam accedentem, proposito inde retraxit […]?« Deutsch: »Oder scheint es Dir, dass in mir (sei), was einst (auch) dem Sokrates (schien), der Glaukon, ich glaube einen Bruder Platos, (…) der in die Politik gehen wollte, daraufhin von diesem Vorhaben abhielt?« Die Stelle stammt aus den Memorabilia Xenophons: Mem. 3,6,1f. 139 Z. 656f.: »Et Iacobus de Bannisiis vir imprimis doctus ac eloquens, quo de illud sentire consueui, quod de Nestore Agamemnon.« Deutsch: »Auch (besuchte mich) Jacobus de Bannisiis (d. i. Jacopo Bannisio, wie Anm. 114), ein besonders gebildeter und beredter Mann, für den ich zu empfinden pflegte, was Agamemnon für Nestor (empfand).« In der Edition heißt es dazu: » H[utten] denkt vermutlich an Ilias, 1,249, was aber nicht Agamemnon sagt.« (ebd., Anm. 55 auf S. 424). Gemeint ist der Respekt der achäischen Heerführer für den Ratschlag des greisen Königs Nestor.
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
Anspielungen sind überdeutlich als solche gekennzeichnet,140 andere sind bloße Gemeinplätze141 oder variieren das bereits Gesagte142, und schließlich trägt das wenigste zur Charakterisierung jener ratio vitae bei. Nur mit einigen Verrenkungen lässt sich auf der Zitatebene ein Metatext rekonstruieren: Etwa wenn man aus Verweisen auf Ciceros Dialog ›De oratore‹, in dem Voraussetzungen des guten Redners, darunter die Gewichtung natürlicher Anlagen und theoretischen Wissens, diskutiert werden, ein notwendiges Vorverständnis herauslesen will; oder aus der Ansprache Pirckheimers als selbsternannter Sokrates ableitet, Hutten stelle ihn damit in Konkurrenz zum »germanischen Sokrates« Erasmus.143 Solche Lesarten sind natürlich möglich. Aber sie sind für das Textverständnis nicht zwingend, insofern sie keine alternativen Perspektiven oder gar einen gegenläufigen Diskurs zum offen An- und Ausgesprochenen eröffnen. Tatsächlich setzen die beiden genannten Beispiele wiederum nur Akzente, sind Belege in der Diskussion um vita activa und vita contemplativa, an der eigentlich die ratio vitae, der titelgebende Gegenstand der ›Epistola‹ entwickelt zu werden scheint. Selbst wenn sich also die bekannten etwa elf Stellen noch durch weitere Einstreuungen vermehren ließen, bleibt doch der Eindruck festzuhalten, dass
140 Z. 381f. »Sic ille enim apud Ciceronem hanc sibi veniam deposcit, sine inquam inseruire temporibus.« Deutsch: »So nämlich fordert jener bei Cicero diese Nachsicht für sich ein: Lass (mich), sagt er, (mich) nach den Umständen richten.« Der Beleg ist Cicero, de orat. 1,24,112 aus dem Gespräch über die Notwendigkeit, auch wider besseres Wissen so zu handeln, wie es politische Klugheit verlangt. 141 Z. 105: »Interea palmae lignum imitabimur.« Deutsch: »Inzwischen wollen wir das Holz der Palme nachahmen.« Nach Plinius, nat. hist. 16,42 (81), 223. Neben der alttestamentlichen Herleitung (u. a. Ps 92,13) prägte wohl auch die Vorstellung vom Palmbaum, der sich immer wieder und unter Druck umso stärker aufrichtet, die christliche Symbolik. 142 Z. 548–551: »Age vero considera mi Bilibalde, quid alium aliquem, & me quid deceat. Iam illud senecae[!] quam non negligendum. Et quiescenti inquit agendum, & agenti quiescendum.« »Bedenke aber doch, mein Willibald, was dem einen und was mir gebührt. Außerdem darf schon gar nicht jenes (Wort) Senecas missachtet werden: So wie der Ruhende, sagt er, tätig sein muss, so darf auch der Tätige ruhen.« Zitiert wird hier Seneca, epist. 3,6 lediglich als weiterer Beleg. Die irrtümliche Schreibweise korrigiert Hutten handschriftlich. 143 Das Cicero-Zitat wie Anm. 140; als Sprecher (»ille«) ist hier Crassus gemeint, der im Dialog u. a. den Vorrang rednerischen Talents behauptet. Die Sokrates-Analogie wie Anm. 138; Sokrates hält den übereifrigen, aber ungeschliffenen Glaukon zurück und ermuntert stattdessen den gebildeten, aber zurückgezogen lebenden Charmides, die politische Bühne zu betreten. Der Ehrentitel für Erasmus findet sich bei Hutten selbst, im Schreiben vom 24. 10. 1515 (Opera 1, S. 102f., hier 102): »Quare enim non Germanum Socratem appellabo te, Erasme, ita de nobis quantum ad litteras meritum, ut de suis ille Graecis?« Deutsch: »Denn warum nenne ich fortan Dich, Erasmus, nicht den germanischen Sokrates, der sich in der Bildung so sehr um uns wie jener um seine Griechen verdient gemacht hat?« Hutten setzt sich hier außerdem explizit in ein Schülerverhältnis, gleich dem des Alkibiades zu Sokrates (ebd.).
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die Belege insgesamt eher der Illustration dienen als einen unmittelbaren inhaltlichen Mehrwert zu liefern.144 Der Verzicht, das Selbstbild durch ein explizites Referenzsystem abzusichern, ist auffällig, und das kann zweierlei bedeuten: Zum einen liegt das Augenmerk Huttens offenbar nicht darauf, entsprechende Querverweise zu horten. Indem er mit direkten Zitaten spart und sie im Text meist kenntlich macht, bleibt Huttens an den Klassikern geschultes Latein klar und eigenständig, und der Blick des Lesers wird nicht abgelenkt, sondern bleibt dicht am Text. Dieser Umgang mit Vorbildern und Vorgaben wiederum ist durchaus virtuos und strahlt Selbstvertrauen aus. Denn, zum anderen: Hutten muss diese Leerstelle auf andere Weise füllen, die Erklärung der »ratio vitae suae« muss einem anderen Aufbauprinzip folgen. Dieses alternative Prinzip ist das Gespräch, die Auseinandersetzung mit Willibald Pirckheimer. Konfrontiert wird der Leser damit gleich in der Eröffnung der ›Epistola‹: Bis jetzt stimme ich in allem mit Dir überein, Willibald, und auch reut mich noch nicht mein Urteil, Dich für einen offenherzigen, ehrlichen und freimütigen Mann gehalten zu haben. So hast Du über meine ›Aula‹ eine Meinung geäußert, frei heraus und nichts verbergend. Aber sag doch – Du empfindest Ekel angesichts der Unreife in diesem Dialog, da ich ihn über höfische Angelegenheiten verfasst habe, obwohl ich kaum erst den Hof – wie Du sagst – von der Schwelle gegrüßt habe: Warum duldest Du genauso wenig, dass ich gerade deshalb am Hof reife, sondern reißt (mich) beim Eintreten zur Seite?145
Schon in den ersten Sätzen und in größter Verdichtung werden Thema und Anlass des Schreibens, Positionen und Konstellationen geklärt. Die Deixis dieser Eröffnung ist interessant: Durch das vertrauliche »Du« verortet sich die IchInstanz in einem persönlichen, einem Nahverhältnis zu ihrem Gegenüber, dem nur beim Vornamen genannten Willibald Pirckheimer. Diese Nähe ist aber bereits im einleitenden »bis jetzt« (»adhuc«) bedroht, auch wenn der Bruch im 144 Die Zahl der Belege orientiert sich an den Angaben der Edition(en), wobei auch Zitate in Zweitverwendung mitgerechnet sind, konkret Z. 128–130 (Paraphrase von Cicero, de orat. 2,39,162, fast im Wortlaut aber bei Erasmus, ›De ratione studii‹ = Amsterdamer Ausgabe (ASD) I-2, S. 79–151, hier S. 143) und Z. 751 (Paraphrase von Terenz, Eun. 5,5, in Erasmus’ ›Adagia‹ 1,3,39 = Amsterdamer Ausgabe (ASD) II-1, S. 353f.). Wie Zitate dagegen uneigentliches, politisches Sprechen aufbrechen und auch konterkarieren können, zeigt Elisabeth Stein: ›Carmen non placuit, sed perplacuit‹ – Höflichkeit in Humanistenbriefen? In: Gisela Engel, Brita Rang, Susanne Scholz und Johannes Süßmann (Hgg.): Konjunkturen der Höflichkeit in der Frühen Neuzeit (= Zeitsprünge. Forschungen zur Frühen Neuzeit. 13). Frankfurt a. M. 2009, S. 405–423. 145 Z. 2–8: »Adhuc omnia mihi tecum conueniunt Bilibalde, nec dum iudicij me mei piget, quo te virum statui apertum, syncerum, & liberum. Ita de Aula mea sententiam tulisti in genue, & nihil dissimulanter. Sed tu age, qui in hoc dialogo immaturitatem nauseas, vt quem ego vix dum a limine salutata (vt tu dicis) aula, de aulicis composuerim, cur non itidem sinis ob id me in aula maturescere, sed ab ipso ita ingressu transuersum rapis?«
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
Präsens (»conveniunt«) noch nicht vollzogen ist. Eine gemeinsame Basis scheint noch gegeben, wenigstens solange sich das Verhältnis zwischen Autor und Adressat durch ehrlichen, vorbehaltlosen Umgang miteinander auszeichnet, wie er hier durch eine Anzahl Adjektive (»apertum«, »syncerum«, »liberum«, »ingenue«, »nihil dissimulanter«) charakterisiert und betont wird. Die Offenheit nämlich, die der Sprecher dem Gegenüber zuvor zugestanden und von ihm sogar erwartet hat, fordert er jetzt für sich selbst, für seine Erwiderung ein. Es geht demnach um einen Konflikt, einen Schlagabtausch, entzündet an einer Kritik, die offenbar mit starken Setzungen und den entsprechenden Vokabeln – »Unreife« (immaturitas), »Ekel erregen« (nauseare), auch »nicht dulden« (non sinere) und »wegreißen« (rapere) – gearbeitet hat. Diese Setzungen werden hier, teilweise mit Zitatcharakter (»ut tu dicis«), referiert. Das verweist auf einen Korrespondenzzusammenhang, der zugleich und umgehend in den geschlossenen Rahmen der ›Epistola‹ hineingeholt wird. Wie bei den Belegstellen fokussiert Hutten damit den Blick des Lesers auf den eigenen Text; außerhalb davon liegende Referenzen sind für das Leseverständnis unerheblich oder sie sind zumindest so ausgewiesen. Natürlich werden durch eine solche Vorauswahl die Aussagen des Gegenübers, das heißt die Kritik und ihr Bezugsrahmen, perspektiviert. Aber indem er die Angriffe als solche aufführt, die Kritikpunkte schon gleich zu Beginn als Aufhänger für seine direkte Antwort darauf installiert, vermeidet Hutten eben den Eindruck, er halte etwas zurück. Schon hier zeigt sich: die Rede ist kein Monolog, sie sucht den Austausch, und der Dialogpartner kommt deshalb in diesem simulierten Gespräch immer wieder selbst zu Wort.146 Zum einen tritt hier auch noch einmal der rhetorische Charakter der ›Epistola‹ hervor, die als Rede verstanden den Adressaten – und mit ihm das gesamte Publikum – direkt anspricht, fremde Positionen und Perspektiven dabei in den eigenen Vortrag integriert. Zum anderen aber ist der Diskurs im Schriftlichen verortet, denn Ursache des Streits und damit auch Grundlage der ›Epistola‹ ist ein anderer Text, die ›Aula‹, die ebenfalls schon im zweiten Satz in 146 Deutlich markiert sind etwa die Stellen Z. 70–72: »Qua de in literis tuis mentionem facis […]« Deutsch: »Du erwähnst in Deinem Brief…«, möglich wäre natürlich auch der Plural »Briefe«; Z. 227: »[…] adhuc istam mihi cantilenam repetis. Dignus es, qui ab aulicis praeserveris erumnis.« Deutsch: »(…) Du wiederholst mir noch diese Litanei: ›Du verdienst, vor den höfischen Plackereien bewahrt zu werden.‹«; Z. 426: »Vt scripseras inquis?« Deutsch: »›So wie du sie [die ›Exhortatoria‹] geschrieben hattest?‹, fragst Du?«; Z. 450f.: »Tempus inquis perdideris.« Deutsch: »Du sagst, ›Du hast Zeit verloren.‹«; Z. 612–614: »Non falsus es opinione, quando scribis in aula[!] mea intelligi, nonnunquam valde concitatam mihi bilem […].« Deutsch: »Du bist nicht falscher Meinung, wenn Du schreibst, dass in meiner ›Aula‹ die mir zuweilen sehr erregte Galle zu erkennen sei (…)«; Z. 619–621: »Vbi risum mouisti mihi, quando te blesum fingis, in quadam dictione r literam omittens.« Deutsch: »Da hast Du mich zum Lachen gebracht, wenn Du Dich lispelnd stellst, indem Du beim Sprechen den Buchstaben R auslässt.«
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knappster Form (»de aulicis composuerim«) vorgestellt wird. Auf diesen Text, so die Angabe, zielte die Kritik Pirckheimers. Allerdings bleibt dem Leser überlassen, sich jene Kritik auch als Schriftform vorzustellen, etwa als Brief, der Huttens Antwort vorausgegangen ist. Hutten lässt das offen, denn die Ich-Instanz der ›Epistola‹ bezieht sich, wie zu Beginn, auf Gesagtes wie, im Weiteren, auch auf Geschriebenes – wobei eben keineswegs klar ist, ob die Aussagen einer einzigen Quelle entstammen oder Äußerungen zu verschiedenen Anlässen hier miteinander vermengt sind.147 Für die ›Epistola‹ ist das freilich ganz unerheblich. Sie funktioniert mit den gegebenen Informationen und besitzt daher eine Eigenlogik, die sie aus dem engen Zusammenhang tatsächlicher Briefkorrespondenz löst. Wie in Titel und Format erweist die ›Epistola‹ sich auch auf der Ebene von Sprache und Stil nicht als Brief, sondern als Werk eigenen Rechts. Dementsprechend kann auch der Rahmen weiter gesteckt sein; und von der Eröffnung an wird der Leser darauf eingestellt, dass dieser weite Rahmen auch genutzt werden soll: Es geht Hutten, so wie er im Text auftritt, nicht um eine ebenso konzise wie kleinliche Widerlegung einer einzelnen kritischen Stimme. Die Antwort rührt vielmehr an grundsätzlicheren Fragen, und auch das wird gleich an den Anfang gestellt: Es besteht nämlich ein Widerspruch zwischen Pirckheimers Vorwurf, Hutten habe über ein Thema, das Hofleben, geschrieben, für das es ihm an Expertise fehle, und dem offenbar daran geknüpften Ratschlag, jenes Hofleben lieber zu meiden. Gekleidet ist der Widerspruch in ein Sprachbild: Hutten greift die Formulierung auf, dass er an der Türschwelle (limes) stehe, wörtlich: als Außenstehender schreibe; den Schritt über jene Schwelle zu machen (ingressus), um die eingeforderte Innenansicht zu erhalten, werde ihm nun aber ebenso verwehrt, wenn man ihn im Hineingehen wegzerren wolle (transversum rapere). Das ist nicht allein anschaulich und einprägsam, sondern Hutten setzt damit einen weiteren Akzent – er knüpft an Vorgaben an und überbietet sie im selben Augenblick. Das ist, erneut, virtuos. Zugleich schließt sich hier die Exposition. Ausgangspunkt, Protagonisten, Thema und Art der folgenden Verhandlung sind in nuce vorgeführt. Daran knüpft sich die Frage, was Hutten mit dieser Exposition anfängt? wie er von hier 147 Als vermeintliche Vorlage wird dagegen regelmäßig ein Schreiben Pirckheimers zitiert, das als undatiertes Konzept erhalten geblieben ist (SB Nürnberg. PP 35, zuletzt ediert in: Pirckheimer, Briefwechsel 3, S. 396–398). Das ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: Einige Stellen zitiert Hutten zwar fast wörtlich, andere Zitate haben dagegen keine Entsprechung in der ›Epistola‹; der Entwurfscharakter lässt nicht erkennen, wann und in welcher endgültigen Form der Text Hutten tatsächlich erreichte; und schließlich ist es methodisch fragwürdig, die eigenlogisch konzipierte ›Epistola‹ auf ein eigentlich verlorenes und ihr nur nachträglich verknüpftes Schreiben zurückführen zu wollen. Siehe dazu auch Anm. 218.
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
aus weiter verfährt? Vor allem aber : wie aus dem zunächst persönlichen Konflikt die »ratio vitae suae« zu entwickeln und ›auszustellen‹ ist?
4.
Perspektive: Huttens Plädoyer für einen ›verritterten‹ Humanimus?
Der Ulrich von Hutten der ›Epistola‹ steht an einem persönlichen Wendepunkt. Das zumindest scheint das eröffnende »adhuc« zu implizieren. Es geht um ein Innehalten an kritischer Stelle, um eine Herausforderung, der er sich stellen will oder vielleicht sogar stellen muss. Die Grundlinien des Konflikts sind vorgezeichnet: einerseits ist sein literarisches Schaffen als »unreif« in Zweifel gezogen worden, andererseits soll ihm der Ort, an dem zu wachsen, wo »heranzureifen« (»maturescere«) er sich vorgenommen hat, ausgeredet werden. Damit ist argumentativ ein beinahe klassisches Dilemma geschaffen – um es lösen zu können und um diese Lösung überhaupt, jenseits der bloßen biographischen Selbstreferenz, relevant zu machen, müssen allerdings größere Themen daran angeschlossen werden. An dieser Stelle kehrt Hutten zu dem zurück, was er auf Zitatebene weitgehend ausgeschlossen hat, nämlich die Anbindung an Diskurse, die über den Text hinausreichen. Das heißt, konkret kommt hier der Positionsstreit zwischen vita activa und vita contemplativa ins Spiel. Die beiden Positionen werden freilich nicht als solche benannt,148 sondern vielmehr anhand von Beispielen erzählt, das heißt nach und nach inhaltlich angereichert. Diese Offenheit der Begriffe bedingt aber zugleich, dass die Argumentation keinen rationalen, logischen oder streng rhetorischen Mustern folgen muss, im Gegenteil fast rein assoziativ aufgefächert werden kann. Der Aufbau der ›Epistola‹ ist daher geprägt von Exkursen und Abschweifungen, die immer wieder vom Rückbezug auf Pirckheimers Kritik, in der Wendung an den Adressaten eingefangen werden müssen. Der Text entzieht sich – und das spiegelt ja bereits die Präsentation im Druck als ungegliederter Block – dem Zugriff auf seine Struktur. Jede Unterteilung, jede an ihn herangetragene Ordnung wirkt daher un148 Einer Definition der Gegenüberstellung am nächsten kommt durch die Bandbreite der Begriffe Z. 18–23: »Nam quod in umbram me tam cito, & ad sedentarium illud studium vocas, nescio an naturae ibi meæ rationem habeas, aut ætatem an respicias, quae illam non capit quietem. An ego possem hoc ætatis intra quatuor parietes latere, et priusquam expertus essem istas mundi turbas, istos olfecissem tumultus, in hos me secessus, hoc tranquillum recondere?« Deutsch: »Denn da Du mich so eilig in den Schatten und zu jenem Sesselstudium rufst, weiß ich nicht, ob Du damit meiner Natur Rechnung trägst oder auch (mein) Alter berücksichtigst, das jene Ruhe nicht erträgt. Oder sollte ich mich (schon) in diesem Alter zwischen vier Wänden verstecken und, bevor ich den Lärm der Welt erlebt hätte, die Stürme ausgekostet hätte, in diese Zuflucht, in diese Stille mich zurückziehen können?« (Hervorh. d. Verf.).
Perspektive: Huttens Plädoyer für einen ›verritterten‹ Humanimus?
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vollständig, nie scheint alles erfasst. Akzeptieren wir das als Strukturprinzip der ›Epistola‹, lässt sich aber vielleicht doch eine Ordnung, wie künstlich auch immer, etablieren oder wenigstens eine Abfolge von Themen und Argumenten. Nach der Eröffnung, die einen Einspruch angekündigt hat, wäre dieser Einspruch zunächst zu begründen. Und das geschieht hier durch eine Beweisführung: Die Ich-Instanz tritt den Beweis ihres ernsthaften, langfristigen Engagements für die studia humanitatis an. Hutten wird vorgestellt als eifrig Lernender, der nach Welterfahrung strebt. Das schließt ein, zu erfahren – oder auch zu durchleiden –, »was ich selbst anderen zu fliehen schriftlich auftrage«149. Er tut das, ohne sich dabei, wie manche glauben, von seinen Studien abbringen zu lassen.150 Diese studia sind also auch in einem ursprünglichen Sinn als Eifer zu verstehen; Eifer, der dann etwa in die Verteidigung Reuchlins oder mehr noch die Angriffe auf jene Gegner umgeleitet wird, die als »Theologisten«, »Unkräuter«, »Tintenfische« und »unzeitige Wolken« diffamiert werden.151 Das höchst aggressive Vokabular unterstreicht vor allem den unbedingten Willen, sich in diesem Kampf zu bewähren und zu profilieren, in der Sprache des Textes, 149 Im Wortlaut des Originals (Z. 17) ist das freilich schon auf den Fürstenhof bezogen: »Experior tamen eam, quam alijs ipse fugiendam scribo aulam.« In der Redaktion hebt Hutten den Anspruch aus dem nur aktuellen Bezug, indem er den Konjunktiv »Experiar« setzt. 150 Dazu insbes der Abschnitt Z. 31–66, v. a. Z. 51–53: »Qua in re multum decepti sunt, illi mei per Germaniam amici, qui postquam semel in aulicam seruitutem consensi, desiisse studiosum esse putauerunt.« Deutsch: »Darin haben sich jene meine Freunde in Germanien sehr getäuscht, die, da ich einmal mit höfischer Dienstbarkeit liebäugelte, meinten, ich hätte aufgehört, ein studiosus zu sein.« 151 Vgl. Z. 67–86: »Ac si amare studia, id vero est studiosum esse, nemini hoc per Germaniam nomine cædo[!], quandoquidem in magnis hoc difficultatibus facio. Cuius vel hoc fuerit argumentum, quod illam adhuc Capnionis causam mordicus teneo. […] Videmus quantum referat, has extirpatas esse zizanias, hanc euulsam loliginem ac eradicatam […]. Vt in quam eiectis ac exterminatis, qui se oborienti iam bonae eruditionis soli intempestiuae nubes opponunt, […] bonæ artes reuiuiscant, vtriusque linguae commercium nobis eum Graecis ac Italis conueniat.« Deutsch: »Und wenn studia zu lieben aber heißt, studiosus zu sein, stehe ich darin niemanden in Germanien im Ruf nach, zumal ich sie unter so großen Schwierigkeiten anstelle. Und dafür mag ein Argument sein, dass ich bis heute an der Sache Capnions (Reuchlins) verbissen festhalte. (…) Wir sehen, wieviel es einbringt, diese Unkräuter mit der Wurzel auszureißen, diesen Tintenfisch zu vernichten und auszurotten (…): Damit, sage ich, nachdem die hinausgeworfen und verbannt worden sind, die sich vor die bereits aufgehende Sonne guter Bildung als unzeitige Wolken schieben, (…) die schönen Künste aufleben und die Gemeinschaft beider Sprachen uns den Griechen und Italienern vereint.« Hutten ersetzt in der Redaktion das einleitende »ac« durch das bedingende »nam« und distanziert »Capnionis causam« zu »Capnionis causae defensionem«; den Irrtum »caedo« für »cado« verbessert er nicht. Zum Reuchlinstreit und Huttens Engagement vgl. zuletzt Wilhelm Kühlmann: Ulrich von Huttens ›Triumphus Capnionis‹: der Triumph Reuchlins. Bildzeichen, Gruppenbildung und Textfunktionen im Reuchlin-Streit. In: ders. (Hg.): Reuchlins Freunde und Gegner : kommunikative Konstellationen eines frühneuzeitlichen Medienereignisses (= Pforzheimer Reuchlinschriften. 12). Ostfildern 2010, S. 89–105.
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sich »in den Schild (zu) werfen«152 und die Feinde der humaniora »durch einen Frontalangriff in Unordnung zu bringen«153 und sich dadurch »weder als untauglicher noch besonders schwächlicher Verfolger einer solchen Partei«154 zu empfehlen. Das erscheint als der eigentliche Beitrag Huttens. Seine Perspektive ist hier ganz auf die Tat, auf die (kämpferische) Leistung gerichtet, und erstmals tritt damit die Referenz auf seinen sozialen Hintergrund, auf seine ritteradlige Abstammung in Erscheinung. Denn durch Bekämpfung und Vertreibung der Gegner schützt man Früchte, deren Pflege ihr Gebildeteren in unser Vaterland einführt und nicht zulasst, dass der Weinberg zu wertloser Rebe absinkt, sondern beim stetigen Umgraben des Ackers der verfeinerten Literatur keine Arbeit und erst recht keinen Überdruß scheut, so das Amt des geschickten Ackermanns ausfüllt, das Werk eines achtsamen Weinbauern verrichtet – nicht ohne Erfolg, wie wir sehen.155
Die Analogien zu Wehr- und Nährstand sind nicht zufällig, und die Rollenverteilung ist klar. Die Ich-Instanz differenziert ausdrücklich zwischen eigenem Beitrag und der Leistung der – im Vergleich zu ihr – »doctiores«; diese werden darüber hinaus als »vos« auch sprachlich gegenübergestellt und zugleich addressiert. Hutten eröffnet damit eine erste Distanz, die durchaus als Reflexionsleistung verstanden werden kann. Sein Einspruch gegen Pirckheimers Kritik besteht an dieser Stelle nicht einfach darin, einen Rückstand aufzuholen oder eine Gleichwertigkeit zu behaupten, ganz im Gegenteil! Hutten stellt seinen Beitrag oder besser : die Möglichkeiten, einen Beitrag zu leisten, gerade in der Differenz vor. Daran schließt direkt das zweite Argument der ›Epistola‹ an: Nun stellt die Ich-Instanz nämlich heraus, welche besonderen Hindernisse ihr in den Weg gelegt sind; das meint den Weg zur Bildung und, mittelbar, zur vita contemplativa. Auch hier wird der Widerspruch erneut aus dem Bewusstsein einer Differenz entwickelt. Diese wird konkret vorgeführt an den unterschiedlichen Ausgangslagen für Pirckheimer einerseits und Hutten andererseits. Jener hat das Glück, in einer Stadt, Nürnberg, aufgewachsen und beheimatet zu sein, die mit einigem Recht als Hort der Gelehrsamkeit gepriesen werden darf – das illustriert 152 Die Wendung »in clypeum assurgat« stammt aus Vergil, Aen. 11, 284. Hutten streicht den ganzen Satz, die Ersetzung am Rand ist allerdings so stark verstümmelt, dass Böcking (Böcking, Opera 1, S. 197) – anders als die Edition, Z. 93f. – von einer Rekonstruktion absah. 153 Z. 99: »in frontem impetu obturbare«. 154 Z. 114: »non ineptus, nec infirmissimus istiusmodi factionis persecutor«. 155 Z. 116–121: »[…] fructus, quorum doctiores vos cultum huic patriae inuehitis, nec in vilem labruscam hanc sinitis vineam degenerare, sed repastinando politioris literaturae agro, nullum laborem ac nullum adeo fastidium subterfugitis, in eo sollertis agricolae officio functi, diligentis vineatoris opus facientes, non sine fructu, vt videmus.«
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die Aufzählung von Persönlichkeiten, die hier wirkten und noch wirken, ebenso wie die Schilderung der Stadt als Nährboden für Kunst und Kultur.156 Dieses Lob aber ist vergiftet. Denn die bewunderten Eigenschaften dienen Hutten nur als Folie, mit umso dunkleren Farben die eigene Lebenswelt auszumalen. Erneut kommt es zu einer Gegenüberstellung, dort die städtische Kulturgemeinschaft, hier der ordo equester, wo »eine große Zahl schon über so viele Jahre beharrlich an der Meinung festhält, sich zu bilden sei unter der ritterlichen Würde«.157 Erneut wird also das »apud vos« mit einem »in nostrum« kontrastiert.158 Und erneut führt Hutten Belege ins Feld, diesmal für das bildungsfeindliche Klima unter den Rittern – so, dass einem der aus Bildung erwachsene Vorteil von den Standesgenossen nur geneidet werde,159 vor allem aber, dass die beiden Fixpunkte ritterlicher Existenz, der Fürstenhof als Dienstort wie die Burg als Heimat, denkbar schlecht geeignet seien, um dort überhaupt Studien zu betreiben. Die an Pirckheimer gerichtete Frage ist daher eher Herausforderung: Hast Du eine Vorstellung, wovon Du mich fernhalten und wo Du mich unterbringen willst? Oder vergleichst Du Deine Zustände mit den meinen? Wie ihr in den Städten, in denen, wenn es einem denn passt, nicht nur ruhig, sondern auch bequem zu leben leicht fällt, so meinst Du, dass ich einmal unter meinen Rittern zur Ruhe kommen werde?160
156 Z. 133–135: » Et facile hoc tibi ex proposito cessit, cui vel primam ego fœlicitatem adscribo, quod in ea ciuitate natus sis, quae omnium per Germaniam civitatum maxime, bonis primum ingenijs exuberat, ac perenniter scatet […]« Deutsch: »Und leicht hat man Dir in Deinem Vorhaben [Pirckheimers Werben für Latein- und Griechischkenntnisse unter seinen Mitbürgern, d. Verf.] nachgegeben, dem ich zumal als größtes Glück zuschreibe, dass Du in dieser Stadt geboren bist, die unter allen Städten Germaniens am meisten (und) zuerst vor klugen Köpfen überströmt und beständig schwärmt (…)«; die gesamte Passage Z. 133–162. 157 Z. 163–165: »In nostrum ordinem lente admodum serpit hoc bonum, multis tot iam annos pertinaciter existimantibus praeter equestrem dignitatem esse literas scire […]«. Hutten setzt »praeter… esse« in Kommata bzw. hinter »scire« einen Punkt. Möglicherweise ist »literas« markiert, die Redaktion aber verloren. 158 Z. 154f., im Bezug auf das Nürnberger Kunsthandwerk: »Tum fama est, nihil apud vos adulterari.« Deutsch: »Ferner steht (ihr) im Ruf, dass nichts bei euch gefälscht werde.« Demgegenüber wie Anm. 157. 159 Angeführt wird das Beispiel des Mainzer Hofmarschalls Eitelwolf von Stein, Freund und Förderer Huttens: » Huic, inquam, tali viro invidiam peperit, quod sciret literas. Adeo indurata sunt adhuc adversus humaniorem humanitatem nostrorum corda.« Deutsch: »Einem solchen Mann, sage ich, brachte es Neid ein, dass er gebildet war. So sehr sind bis heute die Herzen der Unseren (der Ritter) gegen humanistische Bildung verhärtet.« (Z. 178– 180). Steins Leistungen scheinen vornehmlich durch Hutten überliefert, vgl. Böcking, Opera 1, S. 34–37 sowie S. 42–45. 160 Z. 230–234: »Prouisum habes, vnde me detineas, & vbi colloces? Aut cum tuo statu meum confers? Et quemadmodum in ciuitatibus vos, quibus non placide tantum, sed & molliter, si cuius in mores hoc cadat, viuere est facile, sic me vnquam inter Equites meos quieturum putas?«
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In diesen Zusammenhang gehört auch die bereits erwähnte, häufig wiederverwendete Passage über das Burgleben, und eigentlich wäre umso vorsichtiger damit zu verfahren. Denn mit einer Art Topothesie dekonstruiert Hutten das Ideal des ländlichen locus amoenus, entlarvt das antike Tusculanum in der Gegenwart als Fiktion. Auf den Burgen, die eben »nicht zu anmutiger Lage, sondern zur Befestigung ausgebaut« sind,161 gibt es nur Lärm und Gestank, Angriffe auf alle Sinne;162 hinzu kommt eine beständige innere Beunruhigung durch »Sorge und Kummer, dauernde Bewegung, immerwährende Stürme«163 : Denn das Landleben als Zufluchtsort ist eine urbane Illusion; Politik ist dort allgegenwärtig, insofern nicht allein Streitereien zwischen Untertanen oder Verwandten geschlichtet werden müssen,164 sondern man beständig gefordert ist, zwischen Vereinnahmung und Schutz durch fürstliche Herrschaft zu lavieren.165 Das Leben der Ritter erscheint keineswegs selbstbestimmt, sondern ist von Abhängigkeiten, Ungewissheiten und vor allem ununterbrochener Geschäftigkeit geprägt – eine Existenz der totalen, weil unumgänglichen vita activa. Hutten gelingt es, das so anschaulich, so eindrücklich dem Leser vor Augen – wie vor Ohren und Nase – zu führen, dass am Realitätsgehalt dieser gleichsam multimedialen Inszenierung kaum ein Zweifel bleibt.166 Allerdings arbeitet er sich gerade hier so deutlich wie an kaum einer anderen Stelle der ›Epistola‹ an 161 Z. 265f.: »Ipsa siue in monte est specula, siue in plano, non ad amœnitatem sed ad munitionem exaedificata est […]«. Vor »sed« setzt Hutten ein Komma. 162 Z. 269–276: »Bombardici per omnia pulueris fœtor. Deinde canes, & canum excrementa, iucundum (reor) & ipsa odoramentum. […] Audiuntur ouium balatus, boum[!] mugitus, canum latratus, hominum in agro operantium vociferationes, carrorum & vehiculorum stridores ac strepitus, nostrae domi luporum etiam vlulatus, vt quae nemoribus vicina est.« Deutsch: »Überall stinkt es nach Kanonenpulver. Dann die Hunde und der Hundedreck, auch das – will ich meinen – ein angenehmer Duft. (…) Man hört das Blöken der Schafe, das Brüllen des Viehs, das Bellen der Hunde, das Geschrei der Leute bei der Feldarbeit, das Knarren und Rasseln von Karren und Wagen, von unserm Haus aus auch das Geheul der Wölfe, da es nahe dem Wald liegt.« Hutten markiert vor »nostrae« einen verlorenen Einschub am Rand. 163 Z. 277f.: »Omni die de crastino cura est, & sollicitudo est, continui motus, perpetuae tempestates […]«. Hutten setzt vor »continui« und hinter »tempestates« jeweils den Punkt. 164 Vgl. die Passage Z. 256–264, insb. Z. 262–264: »At inter quos fiunt ista? Non inter alienos amice, sed inter affines, inter cognatos, & propinquos atque adeo inter fratres fiunt.« Deutsch: »Aber unter wem brechen solche (Streitereien) aus? Nicht unter (einander) Fremden, Freund, sondern unter Nachbarn, unter Verwandten und Bekannten und sogar unter Brüdern geschieht das.« 165 Z. 243–256. 166 Wilhelm Kühlmann benennt klar die Konstruktivität der ›Epistola‹, hält zugleich aber an der Referentialität der Darstellung fest; vgl. ders.: Edelmann – Höfling – Humanist: Zur Behandlung epochaler Rollenprobleme in Ulrich von Huttens Dialog ›Aula‹ und seinem Brief an Willibald Pirckheimer. In: August Buck (Hg.): Höfischer Humanismus (= Deutsche Forschungsgemeinschaft. Kommission für Humanismusforschung, Mitteilung. 16). Weinheim 1989, S. 161–182.
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antiken Vorbildern ab. Diese werden konsequent gebrochen und ins Gegenteil verkehrt: vom Entwurf eines Cicero, das beschauliche Landleben als Gegenbild zur Geschäftigkeit des urbanen Lebens zu inszenieren,167 bleibt ebenso wenig übrig wie von den ideal konstruierten Landsitzen eines Plinius168 oder auch der sinnenfrohen Bukolik eines Vergil169. Aussage reiht sich hier an Aussage, Setzung an Setzung, und Hutten verstärkt dieses Stakkato noch, indem er die Sätze bei der Redaktion herunterkürzt. Dieses Wortfeuer kann nur vernichtend wirken, und dass damit auf humanistische Antikenphantasien gezielt wird, macht schon der zentrale Satz deutlich: »Atque hae sunt nostrae ruri delitiæ, haec ocia, hoc tranquillum.«170 Zugleich korrespondiert dieser Satz mit der Frage an Pirckheimer, die die Dekonstruktion beschließt: Und in dieses Leben, wie in eines, das den Studien geeignet sei, rufst Du mich zurück aus dem höfischen (Leben), wie aus einem, das (dafür) überhaupt ungeeignet sei; und dort, nach Rat und Plan, wie in einen ersehnten Hafen des Lebens weist Du mir einen Platz und stellst mich (dorthin) zurück.171
Das heißt, zwischen Burg und Hof gilt es eigentlich nur das kleinere von zwei Übeln zu wählen. An dieser Stelle aber ist klar, wofür die Ich-Instanz sich entscheidet, ja, entscheiden muss, soll das zuvor behauptete Engagement für die humaniora fortgesetzt werden. Tatsächlich ist das – und damit auch das dritte Glied in der Argumentationskette – kurz zuvor bereits angeklungen. Hier ist skizziert, welchen Status die humanistischen Studien an den Fürstenhöfen im Allgemeinen und am Hof des Mainzer Erzbischofs, Albrecht von Brandenburg, im Besonderen haben. Mainz ist Huttens Dienstort zu dem Zeitpunkt, da die ›Epistola‹ im Druck erscheint; allerdings geht es nicht um eine bloße Verbeugung vor dem Dienstherrn. Vielmehr soll das antworten auf die vorweggenommene Frage Pirckheimers nach der »ratio des Lebens, das ich unter dem 167 Freilich handelt es sich nur bedingt um ein Ideal, da Cicero sein Tusculanum vor allem als Ort der Verbannung begreift (deutlich etwa in De off. 3,1, 1–4). 168 Vgl. die Beschreibungen des Laurentinum (epist. 2,17) und der Tusci (epist. 5,6). Zur Einordnung siehe auch Eckard LefHvre: Vom Römertum zum Ästhetizismus. Studien zu den Briefen des jüngeren Plinius (= Beiträge zur Altertumskunde. 269). Berlin, New York 2009, S. 223–272. Hutten nimmt auch an weiteren Stellen des Abschnitts Bezug auf Plinius, etwa auf epist. 9,36: während Plinius nur mit dem Griffel bewaffnet zur Jagd gehen kann, darf man als Ritter das Haus nicht ohne Pferde, Waffen und Begleiter verlassen (Z. 252–254). 169 Beispiele sind Vergils ›Eklogen‹ oder der Schlussabschnitt des zweiten Buchs der ›Georgica‹. In der zweiten ›Epode‹ des Horaz ist die Idylle bereits ironisch gebrochen, allerdings recht subtil allein durch den Sprecher Alfius, der als Ausbeuter vorgestellt wird. 170 Z. 264f. Deutsch: »Und das ist unser Luxus auf dem Lande, das (unsere) Mußestunden, das (unsere) Ruhe.« 171 Z. 285–287: »Atque in hanc me vitam, vt studijs dignam, ab aulica vt indignissima reuocas, ibique me consulto ac proposito, tanquam in optato quodam vitae portu collocas ac reponis.« Hutten ersetzt »Atque in hanc« durch ein weniger umständliches »In quam« und trennt den Satz vor »ibique«.
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Fürsten führe«.172 Also führt Hutten vor, wie man sich mit den Anforderungen des Fürstendienstes arrangieren kann, freilich ohne zu versäumen, auf die besonderen Freiräume hinzuweisen, die Albrecht gewährt.173 Das aber ist nur die halbe Wahrheit. Denn obwohl alles gut eingerichtet scheint, ist Hutten kaum aus freien Stücken an den Hof gekommen, sondern allein weil ihn »eine Notwendigkeit zwingt« (»quae necessitas cogat«).174 Worin diese Notwendigkeit besteht, wird über drei Wege aufgelöst: Zuallererst muss die Ich-Instanz Erwartungen genügen. Diese Erwartungen ergeben sich vor allem aus einer sozialen Stellung; es sind Ansprüche, die erfüllt werden müssen, um diesen Status überhaupt erst zu erlangen, ihn zu behaupten und zu legitimieren. Der Hutten des Textes sieht sich dabei außerdem einer doppelten Belastung ausgesetzt, da er sich nicht nur in seiner Stellung als Ritter in den Augen der Familie, ja, des gesamten Standes (»intuetur me universus ordo«) zu bewähren hat, sondern zugleich, in so exponierter Lage, unter den Standesgenossen für humanistische Bildung werben will (»in hoc ordine conciliare favorem«), sich folglich auch als Humanist beweisen muss.175 Daraus also ergibt sich, zum zweiten, die Notwendigkeit, auf dem Gebiet der humaniora etwas oder doch mehr zu leisten als bisher erreicht wurde. Die dritte Notwendigkeit schließlich besteht darin, die Herausforderungen oder mehr noch ihre Ergebnisse zusammenzuführen; das heißt, die Erfahrung um der Erfahrung willen zu suchen und daran zu wachsen. In der konkreten Situation und der Sprache der ›Epistola‹ meint das Huttens Wunsch, »nur gereift vom Hof geplückt« zu werden, und stattdessen zunächst »in diesem Alter, dieser Blüte etwas leisten« zu dürfen.176 172 Das Zitat in Z. 213f.: »Si rationem exigis vitae, quam sub principe ago […]«. Der gesamte Abschnitt umfasst Z. 167–225. 173 Z. 216f.: »Nam quae est illius benignitas plenam a vulgaribus consultationibus, & plebeio rerum tractatu vacationem concessit […]«. Vor »plenam« scheint ein Komma ergänzt. 174 Z. 294f.: »[…] me nulla morum inconstantia, nullum voluptatis illicium, aut rerum nouarum studium ad aulam inuitet, sed quae necessitas cogat.« Deutsch: »(…) mich zieht keine Unbeständigkeit des Charakters an den Hof, keine Neigung zu Verlockungen der Wollust oder zu neuen Erscheinungen, sondern eine Notwendigkeit zwingt (mich).« 175 Z. 309–311: »Mihi quidem, non ita magna mea cura, literis vero, quibus omnimodo apud contribules & in hoc ordine, conciliare fauorem, excitare autoritatem studeo. Praeterea intuetur me vniuersus ordo.« Deutsch: »Um mich freilich bin ich nicht so sehr besorgt, aber um die Bildung, der ich auf jede Weise bei den Stammesgenossen und in diesem Stand Sympathien zu erwerben, (ihr) Unterstützung einzubringen versuche. Außerdem blickt der ganze Stand auf mich.« 176 Der außergewöhnlich lange Satz (Z. 542–548), der auch in der Redaktion nicht in kürzere Segmente unterteilt wird, markiert eine Zusammenfassung. Die Zitate beziehen sich auf den ersten Abschnitt, Z. 542–545: »Superest, te rogem, ab aula ne me nisi maturum, abripias ac decerpas, quandoquidem ipsam maturuisse velles Aulam, antequam mihi sic excidisset, ac de meo incepto vt melius omineris, & me agere aliquid sinas, his annis, hoc in flore […]« Deutsch: »Es bleibt, Dich zu bitten, Du mögest mich erst gereift vom Hof reißen und pflücken, da du nämlich wolltest, die Aula wäre gereift gewesen, bevor sie mir so ent-
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Zugleich führt Hutten damit die Argumentation auf ihren Ausgangspunkt zurück, zum Streben nach Erfahrung, das jede andere Leistung offenbar bedingt. Hier gelangen wir an einen neuralgischen Punkt der Positionsbestimmung. Denn woran bemisst sich Leistung überhaupt? Die Antwort, die Hutten in der ›Epistola‹ formuliert, ist so einfach wie unmittelbar einleuchtend: Damit ich nicht so sehr nach jenen Adelsbildern bewertet werde oder mit dem, was ich von meinen Vorfahren ererbt habe, mich zufrieden gebe, will ich gesehen werden als einer, der zu jenen Gaben etwas hinzugefügt hat, das von mir an die Nachfahren ausgehen soll (…). Wie ich selbst darin ungezwungen und ungefragt vor Dir ein Bekenntnis meines Strebens abgelegt habe, so beneide ich doch nicht jene, die, soweit sie aus schwächerer Stellung stammen, mein Los übertroffen haben. Und ich widerspreche den Männern meines Standes, die jene zu verachten pflegen, welche, obwohl von niedriger Abkunft, doch durch Dienst an der Tugend auf sich aufmerksam gemacht haben. Mit vollem Recht nämlich werden sie uns vorgezogen, die einen Stoff des Ruhms, den wir für vernachlässigbar gehalten haben, sich ausersehen und besetzt haben – selbst wenn sie Söhne von Gerbern oder Schustern sein mögen. Da sie ja das alles unter größeren Schwierigkeiten erreicht haben, als wir es je könnten.177
Leistung besteht hier im »Dienst an der Tugend« oder wenigstens dem Bemühen darum. Dieses Bemühen hat Vorbildcharakter, denn es wirkt über die eigene Zeit hinaus – sowohl im Vergleich mit den Vorfahren, die darin zu übertreffen sind, wie auch als Auftrag an die Nachkommen, die ihrerseits angehalten werden, sich am bereits Erreichten zu messen und darüber hinauszustreben. Allein auf Vorbildhaftigkeit also ist virtus festgelegt. Vorbildhaftigkeit wiederum manifestiert sich im Ruhm (gloria), das heißt Bekanntheit und Anerkanntheit. Wie Ruhm erlangt werden kann, wie also jene Tugend konkret zu füllen oder zu erfüllen ist, dafür liefert die ›Epistola‹ nun gewissermaßen eine Anleitung. Hutten fokussiert hier auf Leistungen in Sachen Bildung, und nicht ganz zufällig schlüpfte; und (bitten,) dass Du von meinem Vorhaben besser sprechen und mir in diesem Alter, dieser Blüte etwas zu leisten erlauben magst (…)«. agere kann meinen, »etwas voranzutreiben« oder »weiterzubringen«, und ist daher im Kontext durchaus mit »leisten« zu übersetzen; vgl. dazu auch das Folgende. 177 Z. 490–494 u. 507–515: »[…] vt non ex imaginarijs illis nobilibus tantum censear, aut eo quod a maioribus meis accepi contentus sim, verum aliquid ad istas dotes, quod a me in posteros proficiscatur, adiecisse videar. Qua in re quanquam non omnia fortunae sint aliquod illa tamen ibi momentum habet. […] In quo vt ambitionis confessionem ipse tibi non tortus, ne rogatus quidem edidi, ita illis non inuideo, quos ab infimo progressos, meam transcendisse contigit sortem. Et ab hominibus mei ordinis valde dissentio, eos qui sordida quidem origine, sed virtutis ope eluxerunt, criminari solitis. Optimo enim iure praeferuntur nobis, qui materiam gloriae, quam pro neglecto ipsi habuimus, sibi desumpserunt, & occuparunt, etiam fullonum aut cerdonum filij si sint. Quandoquidem maiori hoc difficultate, quam nos potuimus, adsequuti sunt.« imaginarii nobiles übersetze ich hier im Anschluss an die Überlegungen zu Wirkungen von Adligkeit in bildlichen Darstellungen und durch diese, zusammengetragen durch Scholz/Süßmann, Adelsbilder. Hutten klärt die Satzstruktur, indem er jeweils vor »aliquod« und »uandoquidem« ein Komma setzt.
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wird das in der zitierten Passage als wörtlich zu verstehende pra¯xis vorgestellt: Dem Ruhm wird – im Bereich der Bildung – eine Stofflichkeit (materia) zugeschrieben, die ihn prinzipiell sogar der Verarbeitung durch gemeine Handwerksleute (fullones, cerdones) zugänglich macht.178 Diese handwerkliche Qualität verleiht dem Tugenderwerb etwas Pragmatisches, unmittelbar Praktisches; etwas, das schließlich nur durch Erfahrung gewonnen werden kann.179 Und das bedingt zweierlei: Auf der einen Seite dient Praxiserfahrung selbst oder, besser gesagt, das Aufschichten solcher Erfahrungen der Vorbereitung – »dass ich alles gleichmütig ertrage und nicht bei der erstbesten gegenläufigen Bewegung ins Schleudern gerate«180, dass schließlich »Ruhe, Betäubung und Trägheit« auch dem unruhigen Geist erträglich werden.181 Auf der anderen Seite hat jene Praxis aber auch einen unmittelbareren Nutzen: Selbst niedere Schichten nämlich können den Rittern – Huttens »uns« und spätestens hier als Repräsentanten des Adels schlechthin gedacht – den gesellschaftlichen Rang ablaufen, indem sie sich virtus aneignen und gewissermaßen dieses Tugendkapital in einen sozialen Mehrwert ummünzen. So beantwortet sich die Frage der Standesgenossen, ob Bildung »also der Mühe wert (sei), dass jener (Hutten) mit solcher Arbeit, solchen Ausgaben und solchem Aufwand« sie erworben habe,182 eigentlich von selbst: Der Nutzen zeigt sich im Vorrang, den andere dadurch gewonnen haben. Bildung erscheint als Handlungsfeld, auf dem Tugendhaftigkeit bewiesen und dabei Leistung erbracht werden kann, die für das eigene Fortkommen ebenso relevant ist wie für die menschliche Gemeinschaft insgesamt.183 Und genau 178 Der Vergleich erscheint noch einmal Z. 521f. »Cur non enim didicimus […] quo minus fieret, vt nobis sutores, nobis fullones, & carpentarij illi praeirent?« Deutsch: »Warum denn haben wir nicht studiert (…), damit es nicht dahin gekommen wäre, dass Schuster, Gerber und Zimmerleute uns hierin voraus sein konnten?« 179 Nur angedeutet sei hier eine Analogie zur spätmittelalterlichen Entwicklung der Gesellenwanderung. Einen Überblick dazu auf neuerem Stand bietet Knut Schulz: Wanderungen von Handwerkern, Künstlern und Spezialisten im spätmittelalterlichen Europa (14.–16. Jahrhundert). In: Almut Bues (Hg.): Martin Gruneweg (1562–nach 1615). Ein europäischer Lebensweg. Wiesbaden 2009, S. 111–135. 180 Vgl. Z. 395–399, das Zitat Z. 396f.: »[…] æquanimiter vt feram omnia, neque ad quemlibet ex diuerso motum dissoluar.« 181 Die Ich-Instanz spricht Z. 355–364 von einer ihr noch nicht erträglichen Altersruhe; das Zitat (»quietis […] torporis ac inertiae, hic impatiens est animus«) in Z. 358f. 182 Z. 317f.: »[…] quid ergo tanti est, hunc isto labore, hac impensa, hoc dispendio, haec didicisse?« 183 Das ist zum Ausdruck gebracht Z. 321–325: »& iccirco tanquam a re nostris maioribus, hac nobilitate, his imaginibus valde indigna, liberos suos dehortabuntur ac abstrahent, putantes, hoc nisi faciant, illos sic institutos, omnem suorum, omnem humani generis curam dimissuros, ac nullum in usum victuros.« Deutsch: »Und deshalb werden sie ihren Kindern (von der Bildung) als einem Geschäft abraten, das unseren Vorfahren, dem Adel, den Ahnenbildern höchst unwürdig ist; und sie werden sie (die Kinder) davon abziehen, im Glauben, wenn sie das nicht täten, würden jene so unterrichtet fortan alle Sorge um sich selbst, alle (Sorge) um das Menschengeschlecht fahren lassen und ganz unnütz
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darauf ist ja das Streben der studia humanitatis gerichtet. Diese Studien sind kein Selbstzweck, sie haben einen Eigenwert; weshalb auch weder zwischen privatem und öffentlichem Nutzen differenziert werden muss noch die genauen Studieninhalte festzulegen sind. Ihr Mehrwert nämlich ist objektiv erkennbar, er zeigt und bemisst sich eben nach dem Nutzen, den die Studien erbringen. Der Argumentation der ›Epistola‹ wird sich daher jeder Humanist anschließen können – oder sogar müssen. Gefasst ist damit nämlich das Konzept eines Tugend- beziehungsweise Verdienstadels, wie ihn nicht nur, aber gerade humanistische Gelehrte vehement für sich in Anspruch nahmen. In gesuchter inhaltlicher Offenheit, einer Art Omnivalenz, behaupteteten sie damit eine Sonderstellung, insbesondere gegenüber dem verengten ›Spezialwissen‹ der Juristen und Theologen,184 aber auch gegenüber einem bloß erblich legitimierten und dadurch privilegierten Geburtsadel.185 Gerade an dieser Stelle ist daher mit der ›Epistola‹ der Hebel angesetzt. Hutten lenkt die Argumentation in eine Kritik an Adel und gebildetem Establishment, die zurückverweist auf jene Selbstbehauptung unter erschwerten Bedingungen – eine Selbstbehauptung wie sie allen voran von denen verkörpert wird, die »das alles unter größeren Schwierigkeiten erreicht haben, als wir«, gemeint sind erneut die homines mei ordinis, »es je könnten«. Je höher also die Hürden, die es auf dem Weg zur Tugend zu überwinden gilt, desto höher ist die Leistung einzuschätzen und umso leichter werden Bessergestellte darin überflügelt. Genau dieser Vergleich aber akzentuiert eine Grundbedingung, die schon zuvor angeklungen ist und hier noch einmal unterstrichen werden soll: Eine so verstandene Tugend ist auf Anschauung ausgelegt. Sie muss sichtbar sein, um wirken zu können, das heißt anerkannt und eben auch honoriert zu werden. Ein Studium im Stillen, so die Argumentation, das kein (äußerlich) erkennbares Ziel hat, das keinen Ausdruck oder Niederschlag findet, gleicht darin den »Standbildern der Ahnen«, auf die jemand stolz verweist, ohne selbst ein Abbild der – so nur mehr konservierten, leblosen – Tugend abgeben zu können.186 Die vita contemplativa ist damit auf leben.« (Hervorh. d. Verf.). Der Anschluss ist Z. 317f. (wie Anm. 182). Hutten trennt den Satz vor »& « und setzt am Rand »Et«. 184 Auch darauf ist in der ›Epistola‹ Bezug genommen Z. 194–196: »[…] praesertim nulla alia via emergere cum videamus, eos qui leges profitentur, & Theologi qui vocantur, quos & ipsos haec alit ambitio.« Deutsch: »(…) zumal wir auf keinem anderen Weg (als über den Fürstendienst) jene aufsteigen sehen, die die Rechte lehren oder die sich Theologen nennen und die selbst ein solcher Ehrgeiz antreibt.« 185 Formuliert in der ›Epistola‹ Z. 523–525: »Recte igitur, quod nobilitatis erat, desertum a nobis studiosissimus quisque invasit […].« Deutsch: »Zu Recht hat also irgendein hoch Gelehrter besetzt, was des Adels war (und) von uns verlassen (wurde…)«. 186 Z. 537–540: »Quare frustra pinguem aliquem & crassum ex illis patremfamilias, maiorum tibi suorum statuas ostentantem videas, cum ipse desideat interim magis trunco similis, quam vt cum illorum, qui praeluxerunt virtute conferendus veniat«. Deutsch: »Daher magst Du unter jenen einen faulen und fetten Hausherrn sehen, der Dir vergeblich die Standbilder
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jene zweite Lebensphase verwiesen, der zunächst eine vita activa vorausgegangen, ja ihr notwendig vorauszusetzen ist. In der ›Epistola‹ heißt es: Zu ein und derselben Zeit kann ich offenbar Ehren sowohl erstreben als auch verachten. (Da) hast Du die Summe, kein Rest bleibt. Sobald diese Glut, in der Du mich lodern zu sehen meinst, ausgebrannt ist und ich jener Notwendigkeit, die ich (hier) so oft behandle, weit genug nachgelaufen bin, auch irgendetwas vollbracht ist, wodurch bezeugt werden kann, dass ich gelebt habe – dann will ich auf Dein Anraten mich ins Vergessen der Menschen fügen, dann die Zurückgezogenheit, dann, so die Götter wollen, die Ruhe selbst suchen.187
Nicht von ungefähr ist hier von »Summe« und »Rest« die Rede. Präsentiert wird nämlich das Ergebnis einer »ratio« als Rechnung – rational, reflektiert, einsichtig. Der angestrebte Ruhm ist als innerweltlich und vergänglich erkannt, ihn zu erwerben kann daher bloß Mittel zum Zweck sein.188 In der konkreten Wendung der ›Epistola‹ meint das die Einsicht, dass der Fürstendienst lediglich Station ist auf einem mehr oder weniger bereits vorgezeichneten Weg zu allgemein anerkannter Tugend.189 Aus dieser Einsicht aber ergibt sich eine ratio, in der die vita activa noch einmal als unumgängliche, wenn auch zeitlich begrenzte seiner Ahnen zeigt, während er selbst müßig dasitzt, inzwischen mehr einem Holzklotz gleich, als dass er mit denen an Tugend verglichen werden dürfe, die (daran) hervorleuchteten.« In diesem Tenor die ganze Passage Z. 532–541. Die Sprache ist hier besonders bildhaft; sei es im Vergleich zwischen (skulpturierten, lebensechten) »statuae« und (unbehauenem, totem) »truncus«, sei es in altertümlichen Wendungen (»venire« statt des mit Gerundiv gebräuchlicheren »esse«) im Bezug auf den »pater familias« oder dessen Fettleibigkeit, durch die Untugend und geistige Formlosigkeit gewissermaßen veräußerlicht sind. 187 Z. 573–579: »Vno eodemque tempore & facto, honores & sequi posse videor, & contemnere. Habes summam, nihil restat. Vbi iste efferbuerit, quo me flagrare aestu intelligis, ac illam ego, quam toties retracto necessitatem prosequutus satis fuero, & iam aliquid peractum erit, quo me vixisse testatum esse possit, tunc in hominum obliuionem, te suasore decumbam, tunc quietem, tunc volentibus dijs, tranquillum ipsum appetam.« Hutten trennt »ihil restat«, um den Chiasmus zum Vorstehenden zu unterstreichen. Die markierte Korrektur für »quo« ist verloren, für das gestrichene »retracto« setzt Hutten am – beschnittenen – Rand wohl »[me]moro«. Eine konsequente sprachliche »Christianisierung«, die Bächtold, Zürich, S. 15 für Huttens Redaktion seiner Schriften insgesamt konstatieren will, ist hier (»volentibus diis«) allerdings nicht zu erkennen. 188 So erneut Z. 531–536: »Gloriae vero omnis honesta est ambitio, omne circa virtutem laudabile certamen. […] Sed quicquid horum est, proprium non habemus, nisi nostris quibusdam meritis illud nobis conciliemus.« Deutsch: »Jedes Streben nach Ruhm aber ist ehrenhaft, jeder Kampf um Tugend löblich. (…) Aber was immer es an Zeitlichem gibt, besitzen wir nicht eigentlich, sofern wir es nicht durch eigene Verdienste uns erwerben.« Hutten streicht hier das überflüssige »illud« und setzt nach »ambitio« einen Punkt. 189 Vgl. Z. 303–308: »Nec est ambitio quae me peruertit, sed honesta ratio, quæ, per debitos mihi honorum decursus, ducit. […] Vbi si cessauero, & mihi deero & literis.« Deutsch: »Und es ist kein Ehrgeiz, der mich verdirbt, sondern ehrliche Überlegung (ist es), die mich auf die (den Ansprüchen) geschuldeten Ämterlaufbahnen führt. (…) Wenn ich darin nachlasse, versage ich mir selbst wie der Bildung gegenüber.«
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Notwendigkeit – zur Vorbereitung und Legitimierung des otium wie zur Erinnerungs- und exempla-Stiftung – betont wird. In eben diese Beweisführung lassen sich schließlich auch alle übrigen Teile der ›Epistola‹ einordnen. Die Querverweise und Andeutungen, die in den Text eingewoben sind, die Diskurse, die aufgerufen oder nur angeschnitten werden, und nicht zuletzt das sprunghafte Moment der Argumentation verwischen zwar jede Redundanz. Nimmt man allerdings das Verfahren, bereits Gesagtes mit anderen Beispielen zu illustrieren, anderen Formulierungen zu variieren und anzureichern, als rhetorische Strategie ernst, tritt der persuasive Charakter der ›Epistola‹ als Brief-Rede umso deutlicher hervor. Alles Angeführte dient dazu, Beweise anzuhäufen, diese möglichst von allen Seiten zu beleuchten und, indem das Prozedere detailliert im Text nachvollzogen und ausgestellt wird (erinnert sei an die Vorgabe des »exponens« schon im Titel), den Leser damit zu überzeugen. Die eigentliche Pointe aber besteht darin, dass Hutten die Beweisführung ganz auf seine Person konzentriert, die Argumente der eigenen Person verknüpft oder sie daraus überhaupt erst entwickelt, die Diskussion um Positionen damit also bedingungslos personalisiert. In diesem Zusammenhang ist gerade der Abschnitt aufschlussreich, der nahtlos an die oben zitierte ›Abrechnung‹ anschließt.190 Auf den ersten Blick bietet Hutten hier lediglich noch vermischte Nachrichten und Tagesaktuelles; etwa ein Räsonnement über die Anfeindungen, denen sich der Autor Ulrich von Hutten vonseiten der »Pedanten« (»inepti«) ausgesetzt sieht, oder eine Reihe knapper Entgegnungen »auf die übrigen Teile Deines Schreibens«, um schließlich überzugehen »zu dem, was Du (eigentlich) wissen willst, wie ich vermute«.191 Darunter finden dann vor allem, in kurzer Folge und kaum geordnet, politische Begebenheiten, gesundheitliche Befindlichkeiten sowie Begegnungen, Gespräche oder brieflicher Austausch mit Freunden Erwähnung. Allerdings ist dieser verhältnismäßig lange Passus – er umfasst in der Erstausgabe gut fünf Seiten (Cv–Ciiij), also rund ein Viertel des Gesamttextes – offenbar kein schlichter Nachsatz oder Zugeständnis an die Konvention des Briefeschreibens. Das belegt nicht allein die auch hier ausdauernde Redaktion Huttens, sondern gerade jener Eindruck der Formlosigkeit, der bloßen Reihung und raschen Abfolge ganz verschiedener Inhalte. Auch das nämlich ist rhetorisch: Auf der einen Seite wirkt der Text unmittelbar und authentisch; wie schon bei der Schilderung des rit-
190 Die Passage ab Z. 573 (siehe Anm. 187) markiert bereits den Übergang; der Abschnitt umfasst dann den gesamten Schlussteil bis zur Abschiedsformel in Z. 781. 191 Z. 592: »Coniurarunt inepti, nullam mihi posthac operam impertituros.« Deutsch: »Die Pedanten verschwören sich, mir künftig (auf die Veröffentlichung des ›Nemo‹ hin) keinerlei Aufmerksamkeit mehr zu schenken.« – Z. 611: »[…] reliquas tuae epistolae partes […]«. – Z. 625: »Sed nunc ad ea, quae velle te scire suspicor.«
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terlichen Idylls werden sinnliche Eindrücke aufgerufen,192 dazu dynamisiert sich der Duktus der Sprache, nimmt syntaktisch die Gestalt eiliger Notizen an, wie ein Leser sie in einem tatsächlich aktuellen oder, anders gesagt, informationellen Schreiben erwarten könnte.193 Auf der anderen Seite erscheint in der Schlusspassage noch einmal gespiegelt und zugleich verdichtet, was in die vorausgehende Argumentation der ›Epistola‹ – vornehmlich an Personalisierungen – eingestreut wurde. So weist beispielsweise der Bericht über Huttens Gesundheitszustand zurück auf Entbehrungen, denen er bereits während seiner Studienzeit ausgesetzt war, die ihn aber doch nie von den Studien selbst abhalten konnten.194 Genauso schlägt die Aufzählung der Freunde, mit denen Hutten anlässlich des Reichstags in Augsburg zusammengetroffen ist, eine Brücke zur früheren Behauptung, auch im Fürstendienst die Studien »höchst fleißig« (»studiosum fuisse plurimum«) betreiben zu können.195 Herausgehoben erscheint unter diesen Bekanntschaften Sigmund von Herberstein.196 Referiert 192 So vor allem im Bericht über die Guajakkur Z. 633–653, die auch in Z. 678f. sowie 758–763 aufgegriffen wird. Die relative Ausführlichkeit und der (selbst-)beobachtende Blick weisen voraus auf Huttens Schrift ›De Gvaiaci medicina et morbo Gallico‹ (Mainz 1519 = VD16 H6348); vgl. die Edition, synoptisch mit der deutschen Übertragung von Thomas Murner: Böcking, Opera 5, S. 397–497. 193 Vgl. zum entsprechenden Erscheinungsbild des Erstdrucks der ›Epistola‹ oben S. 47f. 194 Z. 650f.: »De morbo videlicet non magnopere curandum posthac eQ tükk\ loi Áat± moOm cem^soimto.« Deutsch: »Um die Krankheit freilich brauche (ich mich) nicht groß zu kümmern, wenn die anderen (Vorhaben) mir im Geiste gelingen.« Der Bezug ist u. a. Z. 401–405: »Si conuellere enim possent animum, iam mihi omnem studiorum curam aboleuissent, cum nullam ob vitae intemperantiam, quod sciunt qui mecum versantur, sed studio & peregrinatione stomachi imbecillitatem contraxerim, & corpus infirmum reddiderim.« Deutsch: »Wenn sie (die Krankheiten) nämlich den Geist erschüttern könnten, hätten sie schon alle Sorge um die Studien in mir getilgt, denn nicht wegen einer Maßlosigkeit des Lebenswandels – das wissen (jene), die mit mir sind –, sondern durch das Studium und die Wanderschaft habe ich (mir) ein Magenleiden zugezogen und eine Körperschwäche entwickelt.« Hinter »studio« ersetzt Hutten »& « durch »ac« und fügt ein Komma vor »stomachi« ein. 195 Z. 660–662: »Solebant praeterea accedere me complures, antequam solueretur Conuentus eorum, qui in principum aulis versantur.« (Hutten verbessert zu »onuentus«.) Deutsch: »Außerdem, bevor ihre Zusammenkunft aufgelöst wurde, pflegten mich gar nicht wenige (Freunde) zu besuchen, die (ebenfalls) an den Fürstenhöfen weilen.« Das scheint sogar der vornehmliche Nutzen des Reichstags gewesen zu sein, der sonst »nämlich nichts hervorgebracht hat« (Z. 627: »Nihil enim peperit.«). Bezogen ist das etwa auf Z. 416f.: »[…] scias a nullo me hic bono, magis abfuisse hoc anno, quam ab illa studiorum quiete, & tamen studiosum fuisse plurimum.« Deutsch: »(…) Du sollst wissen, dass ich in diesem Jahr hier von keinem Gut weiter als von der Ruhe der Studien entfernt und dennoch höchst fleißig gewesen bin.« 196 Zu Sigmund von Herberstein vgl. Kap. IV. Hier ist auf eine Eigentümlichkeit der Redaktion hinzuweisen: Hutten ändert Herbersteins Namen durchgängig (die Auslassung Z. 721 scheint ein Versehen) zu »Segimundus«. Das könnte auf den von Tacitus, ann. 1,57 genannten Sohn des cheruskischen princeps Segestes verweisen; dieser ›Namensvetter‹ hatte zunächst sein römisches Priesteramt aufgegeben, um sich dem Aufstand des Arminius
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werden Unterhaltungen über die Geographie des Moskowiterreichs, das Herberstein kurz zuvor als Gesandter bereist hatte. Mag das Thema zuerst abseitig scheinen, wird es doch direkt in den Diskurs der ›Epistola‹ eingeholt, und zwar als praktische Expertise, die eine nur theoretische Erörterung zwischen Pirckheimer und Hutten auf- und zugleich ablöst: Durch Archivstudien, vor allem aber durch eigene Anschauung und Erkundigungen vor Ort habe Herberstein nämlich die aus den Klassikern geschöpften geographischen Fakten als Fiktion entlarvt: Dies hat mich, als ich es hörte, in rechte Begeisterung versetzt: Dass eine Sache, die so fest in der Meinung der Menschen verankert ist, so oft in den Schriften berühmtesteter Männer nachgeplappert wird, sich in eine Fabel, einen Witz verwandelt, und dass sie ein reines Nichts ist oder, wenn es sie denn gegeben hat, zu sein aufhört.197
Diese Freude am Erkenntnisfortschritt aber wird umgehend in eine Spitze gegen Pirckheimer als Proponenten der vita contemplativa gewendet: Da Du frei bist, nämlich befreit vom Hofleben, von Geschäften entbunden, mache Dich an jene Mengen von Büchern, sieh sie genau durch und forsche für uns nach jenen riphäischen, jenen hyperboreischen Bergen.198
Somit ist der konkrete ›Praxistest‹ vollzogen; die Bringschuld für eine Wahrheit, die den Ergebnissen der Autopsie überlegen ist, liegt nämlich bei den Stubenanzuschließen, kehrte dann aber zu seinem römerfreundlichen Vater zurück. – Dem Verfasser ist nicht bekannt, dass Herberstein selbst diese Namensvariante verwendete, es handelt sich also sehr wahrscheinlich um eine genuine Schöpfung. Ihr Hintergrund ist unklar, auch wenn es verlockend scheint, einen Bezug zu Huttens – zu Lebzeiten unveröffentlichem – Dialog ›Arminius‹ herzustellen: Tendenzen Huttens, sich mit dem Rebell gegen die Römerherrschaft zu identifizieren, sind darin durchaus erkennbar. Auf derselben Metaebene das Verhältnis zu Herberstein nachträglich (neu) zu bestimmen bzw. ihn so in das gedankliche Bezugssystem der ›Epistola‹ stärker einzubinden, ist für den Autor Hutten keineswegs auszuschließen. 197 Z. 738–741: »Quod me audientem, attonitum prope reddidit. Rem adeo hominum opinioni infixam, adeo praeclarissimorum virorum literis decantatam, in fabulas abire, in nugas, et nullam penitus esse, aut si fuerit, esse desijsse.« Die gesamte Passage umfasst Z. 698–743. Interessanterweise scheint Hutten einen daraus resultierenden Selbstwiderspruch in Z. 85f. entdeckt zu haben, wo er die – eben fiktionalisierte – Angabe »hyperboreos montes« durch »Garam[…?]« ersetzt, hinter die (»ultra«) die barbaries der Unbildung zurückgetrieben werden solle. Die Edition löst hier zu »Garam[antes]« auf, was das subsaharische Afrika meint und möglich, aber nicht zwingend ist. 198 Z. 741–743: »Tu cui vacat, vtpote ab aula libero, a negocijs soluto, aceruos librorum inuade, & excute, ac illos nobis riphaeos illos hyperboreos montes inquire.« In der überarbeiteten Fassung wird aus »inquire« ein »[e]xplica«, das lautlich dem »excute« ähnelt und sich inhaltlich von »inquire« deutlicher abhebt. Zudem werden die »iphaeos« und »yperboreos montes« durch Großschreibung als Eigennamen markiert. Zu Pirckheimers tatsächlicher Beschäftigung mit antiker Geographie, d. h. Ptolemaios vgl. Niklas Holzberg: Willibald Pirckheimer. Griechischer Humanismus in Deutschland (= Humanistische Bibliothek. Reihe I. 41). München 1981, S. 316–339.
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gelehrten. Und dabei wiegt umso schwerer, dass überhaupt erst der Fürstendienst – Herberstein ist expressis verbis als kaiserlicher Gesandter unterwegs gewesen –, gleichsam als Nebenprodukt, jene praktische Überprüfung und – im Kontext des Reichstags – den Austausch darüber ermöglicht. Der humanistische Impetus bewährt sich in der Alltagspraxis, nicht als Buchwissenschaft. Die emphatische Schlussrede fasst das als Ausblick auf die humanistische Durchdringung aller akademischen Felder zusammen, die bereits in Gang gesetzt ist.199 Der berühmte Ausruf »O Jahrhundert! O Wissenschaften, es gefällt zu leben« endet aber genau deshalb mit der wichtigen Einschränkung »wenn auch noch nicht auszuruhen«.200 Es bleibt nämlich noch etwas zu tun, etwas zu leisten, und auf dieses Engagement, das andere angestoßen haben, kann Hutten mit dem Plädoyer für die vita activa eben auch als persönliches Motiv verweisen. Halten wir also fest: Noch einmal wird die enge Verbindung deutlich, die Hutten zwischen dem Gegenstand der ›Epistola‹ und ihrem Autor herstellt. Die persönliche ratio vitae begründet sich in einer persönlichen Auslegung der vita activa. Das geschieht so selbstverständlich, dass die Identität des Autors Ulrich von Hutten mit der Ich-Instanz, dem »Huttenus« des Textes kaum zu bezweifeln scheint.201 Allerdings zeigt sich auch erneut, dass die ›Epistola‹ von ihrer ganzen Anlage her auf eine Beweisführung abhebt. Ob er seinen praktischen Beitrag zur humanistischen Bewegung hervorhebt, die praktischen Anforderungen an ein Leben als Ritter und Humanist ausmalt oder den Vorrang humanistischen Wirkens in der Praxis selbst behauptet – Hutten tritt damit in der Pose des Redners vor einem Publikum auf. Und gerade in der Selbstbezüglichkeit rückt er sich damit in die größtmögliche Nähe zum Ursprung der humanistischen Diskussion um vita activa und vita contemplativa, zum ›Vater der Redekunst‹, Cicero selbst.202 Daran scheint Huttens Positionierung ausgerichtet; auf Nach199 Vgl. Z. 765–777. Namentlich gemacht wird die Entwicklung mit Budaeus auf dem Gebiet der Rechte, Erasmus auf dem der Theologie, Jakob Faber für die Philosophie und Wilhelm Kopp (Copus) bzw. Jean Ruel (Ruellius) in der Medizin. 200 Z. 775–777: »O seculum. O literae, iuuat viuere, etsi quiescere nondum iuuat Bilibalde, vigent studia, florent ingenia.« Den Nachsatz »vigent…« trennt Hutten in der Redaktion ab, ebenso wie er nach »literae« einen Punkt setzt, wohl um den Ausruf zu verstärken. 201 Dieser Selbstbezug wird unterstrichen in Z. 378–381: »Ita dabo operam enim, Huttenus perpetuo vt sim, neue vnquam desertor mei inueniar, sed aequaliter per inaequales vitae actus vt deambulem.« Deutsch: »So werde ich mich bemühen, immer ganz Hutten zu sein und nicht ein einziges Mal als Deserteur meiner selbst gefunden zu werden, sondern gleichmäßig die ungleichen Akte des Leben zu durchwandern.« »desertor mei« ist hier wörtlich wiedergegeben, um die militärische Konnotation zu erhalten. 202 Plinius d. Ä. nennt Cicero »facundiae Latinarumque litterarum parens« (Nat. hist. 7, 30). Im Zusammenhang mit Ciceros ›De re publica‹ hat zudem Christian Mueller-Goldingen auf die »stark autobiographische Note« und deren Nutzen, um das »Modell einer rationalen Lebensplanung« plausibel zu machen, hingewiesen; ders.: Wertewandel, Werteverfall und Wertestabilität in Ciceros De re publica. In: Andreas Haltenhoff, Andreas Heil und Fritz-
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ahmung, um eine Form zu erfüllen, ließe sich seine Selbstverortung zuspitzen. Jede persönliche Perspektive ist, wie wir gesehen haben, also zugleich Argument, jede Erfahrung, alles Erleben, jede Haltung, damit auch jedes biographische Detail ist Teil der Argumentation. Bis in die Charakterzeichnung reicht das hinein: Hutten stellt seinen Willen zur Tat aus, er zeigt Widerständigkeit, ja Radikalität, aber auch Einsicht in seinen noch ungesicherten, von Zufall wie eigener Leistung abhängigen Status, beweist darüber hinaus Redegewandtheit in Kombination mit gedanklicher Schärfe. – Sicher nicht ganz zufällig erinnert dieses ›Portfolio‹ an das Arsenal der eingangs zitierten Hutten-Figurationen. Es handelt sich um wiederkehrende Motive, um eine Art biographischen Fundus, den Hutten in seinen Schriften zusammenfügte und je nach Bedarf akzentuierte, in der ›Epistola‹ aber verdichtete zu einer tatsächlichen – ja, wozu eigentlich? Da man durch das Beispiel der Figurationen gewarnt ist, Selbstbilder, das heißt Selbstliterarisierungen Huttens zu übernehmen, dürfte auch die ›Epistola‹ kaum als Autobiographie angesprochen werden: insofern Hutten nämlich keinen ›Lebensbericht‹ liefert, der etwa chronikalisch geordnet, biographisch erzählend oder retrospektiv rechtfertigend erscheinen würde, sondern er assoziativ, mal vorauseilend, mal retardierend eine Argumentation entwickelt, der die Biographie untergeordnet ist, und die ratio-Rechnung dieser Argumentation als Erklärung für zukünftiges Handeln vorführt. Die vita activa, aus der Hutten für sich eine ratio vitae suae konstruiert, wird im Umkehrschluss erst durch jene lebenspraktische Beweisführung als ratio vitae universalisiert. Stellt der Text also eher eine Art rhetorisch-humanistischer Fingerübung dar, mit der Hutten sich an Vorbildern und Vorlagen abarbeitet? Ist die ›Epistola‹ reines Rollenspiel? eine humanistische Immersion? mithin ein vollkommenes self-fashioning?203
Heiner Mutschler (Hgg.): O tempora, o mores! Römische Werte und römische Literatur in den letzten Jahrzehnten der Republik (= Beiträge zur Altertumskunde. 171). München, Leipzig 2003, S. 119–136, hier S. 122. Zur Rezeption der nur fragmentarisch erhaltenen ›De re publica‹ im Humanismus vgl. Fabio Stok: [Art.] Cicero (Marcus Tullius Cicero). C. De re publica. In: Der Neue Pauly. Supplemente 7 (2010), Sp. 229–246. 203 Die von Kühlmann, Rollenprobleme und Becker, Dialoge vorgeschlagenen Definitionen der ›Identitätsbildung‹ durch Rollenverhalten bzw. durch Konstruktion von Positionen im Diskurs weisen in diese Richtung. Die (eigentlich nur folgerichtige) totale Dekonstruktion wird von beiden aber dadurch vermieden, dass gewisse außertextuelle Phänomene – wie die ›Adelskrise‹ bei Kühlmann oder die soziale Biographie Huttens bei Becker – faktisch vorausgesetzt werden. Diese bilden eine Art Resonanzboden für die Selbstdarstellung, so dass im Umkehrschluss die Schriften dann doch wieder in ihrer Faktizität als ›Spiegel‹ einer Mentalität verstanden werden. Becker bezieht sich dabei explizit auf den self-fashioningBegriff, vgl. dazu oben S. 18 mit Anm. 30.
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Die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten
Pragmatik: Die ›Epistola‹ als »ausgeklügelt Buch«
»Adhuc«, mit einem »bis hierher« eröffnet die ›Epistola‹. An diese Eröffnung sei hier aus zwei Gründen erinnert: Zum einen markiert dieses einzige Wort, an exponierter Stelle platziert, eine Umbruchsituation, eine Wende, in der sich der Sprecher, das Ich, jener »Huttenus«, zu befinden meint. Diese Wende ist der eigentliche Anlass, auf die imaginäre Rednertribüne zu treten und sich vor dem Adressaten, Pirckheimer, tatsächlich aber einem Publikum zu erklären. Wie wir gesehen haben, schließt sich daran eine umfängliche Argumentation an, die eine eigene Position aus den Diskursen entwickelt und zugleich in ein Verhältnis zu diesen Diskursen gesetzt ist. Die Argumentation selbst setzt eine Bilanz voraus, eine Bestandsaufnahme, die ihrerseits eine Begründung aber genau in jenem einleitenden »adhuc«, dem Umbruch findet. Dafür ist es freilich unerheblich, ob die Wende bereits eingetreten oder nur erwartet wird; entscheidend ist die an dieser Stelle offenbarte und damit für alles Folgende konstitutive gedankliche Einstellung darauf. Diese Einstellung also ist reflektierend, mit ihr tritt Hutten in eine Beobachterposition, nimmt gewissermaßen eine Selbstdistanzierung vor. Zugleich – und das zum anderen – zeigt sich in dieser Art der Eröffnung eine Verständigungsabsicht. Die vor einem Publikum ausgestellte Selbsterklärung zielt ja darauf ab, einen Konsens zu finden. Schon aus rhetorischer Notwendigkeit darf das Deutungsangebot nicht als Setzung erscheinen, sondern muss ein Eingehen auf abweichende wie entgegengesetzte Positionen anzeigen, wenn möglich sogar deren Integration anstreben.204 Demnach verbinden sich in der Anlage der ›Epistola‹ Bestandsaufnahme und die Verständigung über das Erreichte sowie dessen Wert und Bedeutung zum Blick nach vorn: ratio meint Sinnstiftung. Nimmt man das aber ernst, ist die ›Epistola‹ eben keine aus argumentativen Einzelteilen, diskursiven Aspekten und Anspielungen zusammengesetzte Beweisführung, deren Zusammenhalt allein durch die ›faktische‹ – das heißt als faktisch vorgestellte – Biographie Ulrichs von Hutten gewährleistet wird. Genau darauf bliebe eine Perspektive beschränkt, die Texte, gerade humanistische, gerade autobiographische, ausschließlich als Diskurseinschreibungen, als Erzeuger ›virtueller Realitäten‹ wahrnimmt; eine Perspektive, die Innovationsleistungen allein in der stetigen Remodulation eines normierten wie normierenden Sets von Sprachbildern verortet und, als einzig ›korrekter‹ Blickwinkel, Fiktionen als solche zu entlarven vermag.205 Diese Sichtweise ist aber keineswegs die einzig mögliche: Denn in der 204 Diese Interaktion zwischen Text und Lesern entwickelt Umberto Eco mit dem Konzept des ›Modell-Lesers‹, vgl. ders.: Lector in fabula. Übers. von Heinz-Georg Held. München, Wien 1987, insb. S. 61–82. 205 Das ist Kritik am hermeneutischen Vorgehen bei Enenkel, Erfindung im Besonderen wie
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Ein- beziehungsweise Anordnung gerade jener Versatzstücke, die als Teil der Biographie präsentiert und zugleich als Glieder einer Beweiskette installiert werden, selbst könnte doch das eigentlich biographische Moment liegen, im Sinn einer übergreifenden Aussage. Hierfür ist die ›Epistola‹ nicht nur Behältnis einer Beweisführung, sondern in ihrer Gesamtheit und durch sich selbst ein Beweis. Dies vorausgesetzt: Was aber beweist Hutten also? Die Antwort soll noch einmal an der Außenseite, beim ›Wie‹ des Textes ansetzen. Die ›Epistola‹ weist keine stringente Ordnung auf, keine formalistische Umsetzung epistologischer oder oratorischer Muster – auch wenn das Wissen um jene Formen freilich erkennbar ist.206 Ebenso bleiben umfangreiche Verweissysteme außen vor, die dennoch obligatorischen Klassikerzitate werden auf deutlich markierte Belegstellen und sprachliche Anleihen reduziert.207 Dass es sich insgesamt eher um für notwendig gehaltene Referenzen handelt, damit also Erwartungen erfüllt werden, könnten die Formulierungen in altgriechischer Sprache andeuten, die eher eine Verbeugung vor den entsprechenden Studien Pirckheimers darstellen, als dass sie einen eigenen Referenzrahmen abstecken.208 Klar im Vordergrund steht der am (vermeintlich) Normativen ausgerichteten Rezeptionsästhetik im Allgemeinen, wonach Interpretationsmöglichkeiten durch Diskurse zu begrenzen und tatsächlich vom Autor deshalb auch so abgesteckt seien: »Ein Leser, der die Diskurseinschreibung nicht zu orten vermag, ist nicht imstande, den autobiographischen Text richtig zu deuten.« (ebd., S. 829). Sicherlich trifft zu, dass wissenschaftliche Interpretationen diskursanalytisch rückzubinden, also beleghaft zu machen sind. Eine restriktive Lesart, wie von Enenkel propagiert, enthebt aber die einmal – und meist nachträglich! – bestimmten Diskurse als Kategorien jeder kritischen Überprüfung und reduziert zugleich Rezeption bzw. Apperzeption auf eindimensionale und kalkulierbare Prozesse. 206 Zu oratorischen Prinzipien und ihrer kreativen Abwandlung in humanistischen Texten siehe Henderson, Rhetoric, S. 149f.: »Like the classical oration, the letter was divided into parts, usually five: salutatio, exordium, narratio, petitio, conclusio. Moreover, medieval treatises described colores rhetorici and other devices, such as the prose rhythm of the cursus, for heightening the style of the letter. The humanists reformed the grammar and rhetoric of letter-writing, but they did not fundamentally break with this tradition.« Die hier gegebene Einteilung lässt sich freilich auch in der ›Epistola‹ nachvollziehen. 207 Damit sei nochmals unterstrichen, dass natürlich mehr Wendungen als oben Anm. 143 aufgezählt antiken Vorlagen nachgebildet sind. Die wenigsten aber lassen sich zweifelsfrei zuordnen bzw. ergeben dadurch einen Nebensinn; ein Beispiel ist Z. 531f.: »Gloriae vero omnis honesta est ambitio, omne circa virtutem laudabile certamen« (vgl. Anm. 188), das dem »certamen virtutis et ambitio gloriae« bei Tacitus, ann. 15, 16 ähnelt, ebenso aber eine zufällige Übereinstimmung sein könnte. Die Bücher 11–16 der ›Annales‹ waren um 1472 erstmals im Druck erschienen; vgl. R. H. Martin: From manuscript to print. In: Anthony J. Woodman (Hg.): The Cambridge Companion to Tacitus. Cambridge u. a. 2009, S. 241–252, hier S. 248. 208 Die Belege sind Z. 15f., 34f., 49, 434f., 651, 768 für eigenständige Formulierungen, besonders dicht (drei Belege) also auf den ersten beiden Seiten. Bei Z. 585, 622 und 781f. handelt es sich um Verschlüsselungen, wie sie Hutten auch an anderer Stelle verwendet (vgl. das zeitnahe Schreiben an Julius von Pflugk vom 24. August 1518, in dem Hutten
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der Ausweis, sich im Kanon gebildeter, humanistischer Kommunikation auszukennen und darin auch bewegen zu können. Eventuelle Ungeschicklichkeiten, die Unordnung, das Ungeschliffene rücken somit in die Funktion eines Stilmittels: mit ihnen kann Hutten eine Eigenart behaupten, und gleichzeitig greift er natürlich den Vorwurf der Unreife auf, der schließlich als Anlass des Schreibens inszeniert ist. Diesen Vorwurf verwandelt er sich an, er stellt ihn aus – und macht ihn damit zu einer Stärke. Denn mit dem oft wiederholten Eingeständnis, erst noch reifen, erst noch etwas vollbringen zu müssen, verbindet sich hier auch auf formaler Ebene ein Bewusstsein für die eigenen Unvollkommenheit, an der aber mit handfestem Engagement – allein schon der ›Epistola‹ als Text – gearbeitet wird. Ehrlichkeit ist demnach ein starkes Motiv, vor allem im Umgang mit sich selbst. Diskurse werden eben nicht abstrakt verhandelt, sondern an die eigene Person angelagert. Freilich interessiert es dann nicht, ob diese Person aus biographischen Fakten oder Fiktionen zusammengefügt ist – Hutten stellt sich in die Mitte des Textes, an ihm und durch ihn vereinigen sich die Diskurse um vita activa und vita contemplativa. Die damit einhergehende Hybris ist kaum verborgen (»der ganze Stand blickt auf mich«!)209, aber vor allem ermächtigt sich Hutten als Autor damit der Zuschreibungen. Gilt er, dank seiner bis dato bekanntesten Schrift und daran anschließender Inszenierungen,210 den Lesern als Inkarnation des »Nemo«, wandelt sich die Selbstverständigung in der ›Epistola‹; angibt, seine »Freimütigkeit« (»ingenuitas«) so verbergen zu müssen: Böcking, Opera 1, S. 184–187, hier S. 185), während Z. 649 als Zitat aus Pirckheimers Schreiben ausgewiesen ist (bzw. es handelt sich ebenfalls um eine Verschlüsselung; hier ist irrtümlich !y]wes¢ai statt !p]wes¢ai gedruckt, aber nicht korrigiert). Z. 716 ist eine Fachbezeichnung (N± potal¹¬) und Z. 784 der Schlussmarker. Auf Pirckheimers Einsatz für das Studium des Altgriechischen verweist Hutten in der ›Epistola‹ selbst, Z. 121ff.; vgl. auch Holzberg, Humanismus. 209 Vgl. Anm. 175. 210 Vgl. die Verhandlung durch Vadian (wie Anm. 86) oder auch den Brief des Crotus Rubeanus (Böcking, Opera 1, S. 17–21; datiert auf den 3. Februar 1511), in dem eine ›biographische‹ Wendung im deutlichen Bezug auf Huttens ›Nemo‹ eingebaut ist (S. 18): »Pater tuus Ulisseo ingenio praeditus callidior est quam ut plene intelligatur. […] semper ridicule de te interrogavit, damnavit et te studiumque tuum voce adeo contemptibili, ut vix habereris. […] ille vero quamquam ludit sordidata tua existimatione, nihilominus tamen laude tua mirum in modum pascitur, quam nunquam satis audit.« (Hervorh. d. Verf.) Deutsch: »Dein Vater, begabt mit dem Verstand eines Odysseus, ist klüger als gemeinhin angenommen. (…) stets (Dich) verlachend hat er nach Dir gefragt, hat auch Dich und Dein Studium mit gar verächtlicher Stimme verurteilt, da Du kaum (etwas) besitzen würdest. (…) Obwohl er also sich über Dein ärmliches Ansehen lustig macht, weidet er sich Doch in wunderbarer Weise an dem Lob, das Dir zuteil wird, (und) niemals hört er davon genug.« Hutten revanchiert sich mit der Widmung der Zweitausgabe (1518) an Rubeanus, mit der die Leiden des ›Nemo‹ ebenfalls ›(auto-)biographisch‹ nachvollzogen werden (Böcking, Opera 1, S. 175–185). Auch in der ›Epistola‹ ist der ›Nemo‹ keineswegs ausgeblendet, bleibt aber auf eine kurze Passage beschränkt (Z. 585–610), mit der Hutten Kritik an dem Werk verarbeitet.
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hier tritt Hutten, vielleicht nicht zum ersten Mal, aber doch in bis dahin nicht erreichter Umfänglichkeit, sozusagen in eigener Sache auf. Das heißt, es gibt keinen unmittelbaren, intratextuellen Bezugspunkt einer literarischen Figur, Hutten behauptet sich selbst im Kontext einer groß angelegten, humanistischen Debatte. Damit versucht er sich als Autor, mehr noch: als Humanist in jenem humanistischen Feld – das er freilich selbst diskursiv absteckt – zu verorten. Vom Kernthema der studia humanitatis und ihrer Bedeutung für die virtus über die Vergegenwärtigung und zum Teil radikale Dekonstruktion humanistischer Topoi bis hin zum name-dropping als Praxisbeweis: kaleidoskopartig entfaltet sich ein Raum von Möglichkeiten, die Huttens Platz in der Mitte der Gemeinschaft der Humanisten rechtfertigen können. In dieser Hinsicht ist die ›Epistola‹ selbst als Bewährungsprobe zu verstehen. Hutten stellt nicht nur im Text, sondern mit dem Text selbst seine Souveränität als Autor unter Beweis. Sein Umgang mit Vorbildern und Formen, Sprache und Inhalten ist zweifellos virtuos. Und das heißt auch, diese Virtuosität wird performativ erreicht und umgesetzt. Hutten gelingt hier nämlich nicht weniger, als in einem Schreibakt die im Text aufgebauten Hürden zu überwinden, die im Text formulierten Forderungen bereits performativ zu erfüllen. Gedanklich ist er der Kritik schon einen Schritt voraus, lässt sie eigentlich schon hinter sich. Machen wir uns klar, wie das geschieht: Hutten macht den Wert der Bildung sehr stark, er stellt ihn im Effekt allen anderen Qualitäten und vor allem Qualifikationen voran, seien sie durch Leistung erworben oder vom Zufall, also auch sozialen Determinanten, abhängig.211 Den Vorsprung, den andere – in Sachen Bildung und der daraus resultierenden Förderung – vor seinen ritterlichen Standesgenossen, ihn eingeschlossen, erreicht haben, erkennt er deshalb offenbar neidlos an und hält ihn für berechtigt. Allerdings verknüpft er diese Feststellungen immer wieder mit zwei Argumentationssträngen: Zum einen sind dies die Härten, denen er selbst ausgesetzt war, ist und noch sein wird. Die Betroffenheit angesichts der noch geringen eigenen Verdienste, die pessimistische Perspektive auf das entzauberte Landleben, dazu die absolute Notwendigkeit, sich in den Augen von Standes- und Studiengenossen bewähren zu müssen, all das kommt einer Selbsterniedrigung gleich. Sie macht es umso 211 Vgl. Z. 474–476: »Deinde quia mea omnis dignitas ex animo est mihi, inque animo, fortunae iuris nihil esse in illam compertum habeo. Porro nobilitatem augere magnifice potest, minuere nullo opere potest.« Deutsch: »Ferner, da mir meine Würde ganz aus dem Geist zufließt und im Geist besteht, halte ich es für gewiss, dass kein Recht des Schicksals gegen diese (Würde) besteht. Weiter wunderbar mehren kann es den Adel, mindern kann es sie durch keine Arbeit.« Hutten streicht »Deinde« und ersetzt am Rand mit »Ecce au[tem]«. – Zur Metaphorik der »Fortuna« vgl. Walter Haug: O Fortuna. Eine historisch-semantische Skizze zur Einführung. In: ders. und Burghart Wachinger (Hgg.): Fortuna (= Fortuna vitrea. 15). Tübingen 1995, S. 1–22, zur Bedeutung für Hutten generell Holborn, Hutten, S. 118f.
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schwerer, dennoch etwas, nach eigener Definition der Anforderungen, zu leisten. Damit freilich manövriert sich Hutten in eine schlechtere Ausgangslage als die der ›nur‹ sozial Benachteiligten. Gemäß der zuvor aufgestellten Prämisse wäre also seine Leistung, sein Tugendstreben, sein Engagement für die humaniora umso höher zu bewerten. Zum anderen ergibt sich die Notwendigkeit, sich in eine solche Situation einzuschreiben, überhaupt erst aus Huttens Status, der in der ›Epistola‹ nicht verleugnet, sondern, ganz im Gegenteil, durchgängig betont wird. Hutten spricht mehrfach und explizit vom »Wir« der Ritter ;212 er referiert über ihre Haltungen und Ansprüche, spart eben daran aber nicht an Kritik. Im Grunde bietet er eine beinahe klassische gelehrte Adelsschelte, moniert Unbildung und Unbeweglichkeit der (Ritter-)Adligen – obwohl gerade sie sich in einer Position (als Fürstendiener) befänden und mit einer Selbstverpflichtung (zu Leistungen für das Gemeinwohl) ausgestattet wären, die beiderseitigen Nutzen für die Ritter wie auch für die humaniora – was, mittelbar, ihre nicht-adligen Vertreter einschließt – zeitigen würde.213 Hutten tritt hiermit aber nicht einfach in einen geläufigen und wohlfeilen Diskurs ein, sondern schreibt sich vielmehr selbst aufgrund seiner einmaligen Position in die Rolle eines Kommunikators: Einerseits ist er Repräsentant humanistischer Überzeugungen gegenüber den Rittern, an ihm soll deutlich werden, welchen Mehrwert die Studien, abseits einer bloß fachlichen Qualifikation, darstellen können. Andererseits fällt auf, dass Hutten die Standesgenossen wiederholt, wenn auch indirekt anspricht214 – in einem ›Brief‹ an einen ganz anderen Adressaten oder, durch das Lateinische als Verkehrssprache eben jener vom Adel geschmähten Gebildeten, an einen ganz anderen Adressatenkreis ist das zumindest erklärungsbedürftig. Die Wirkung aber entspricht der Mauerschau des Theaters. Hutten holt eine unsichtbare Menge in den Text hinein und bietet sich selbst zugleich als deren Ansprechpartner, als Vermittler an. Freilich funktioniert das in beiden Rich-
212 Der Wechsel vom »Wir« der Humanisten zum »Wir« der Ritter vollzieht sich etwa Z. 234 (»inter equites meos«). Etwa ab Z. 535 geht das nur noch gelegentliche »Wir« wieder in allgemeinere Betrachtungen bzw. in die Vergemeinschaftung mit dem »Du« des Adressaten über. 213 Ein verblüffend ähnliches Resümee zieht Eduardo Costura für die ›Essais‹ Michels de Montaigne: »Die Strategie Montaignes besteht darin, beide Glieder des Gegensatzpaares (den Adel und den Gelehrtenstand) gleichermaßen auf den Prüfstand zu stellen, und zwar das eine anhand des jeweils anderen: die litterae mit dem Richtmaß der arma, die arma mit dem Richtmaß der litterae. Der Adel kann zwar durch Bildung (Humanismus) zur Tugend des Sokrates hin geführt werden, aber dafür müssen die Bildungsträger erst reformiert werden – und zwar anhand der Werte des Adels.« Vgl. Costura, Schreibpult, S. 43. 214 Es handelt sich um rhetorische Fragen (»Cur non enim didicimus…«), bzw. Aufrufe (»nos miseri…«, »Quin desinimus…«), so im gesamten Abschnitt Z. 519–535.
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tungen, und so etabliert sich Hutten spätestens an dieser Stelle auch als Repräsentant der Ritter gegenüber den Humanisten. Hierin liegt nun eine für diese Arbeit ganz wesentliche Pointe. Die ›Epistola‹ entpuppt sich als ein Text, in dessen durch und durch ›humanistische‹, also klassisch gebildete Anlage ritterliche Positionen und Perspektiven implementiert werden.215 Natürlich geschieht das durch einen humanistischen Filter, das heißt, es werden Haltungen und Handlungen des Ritteradels ins Vokabular der Humanisten, in ihnen vertraute, ja verwandte Maßstäbe und Normen übersetzt und somit verständlich gemacht. Vorgabe ist nämlich, nicht das Trennende, sondern verbindende Aspekte von ›Adligkeit‹ unter Rittern wie Humanisten zu betonen. Oder anders gewendet: Der ritterliche Habitus wird reflektiert und für ein humanistisches Publikum aufbereitet, zugleich zum Erklärungsprinzip der von Hutten vorgeführten ratio-Pragmatik erhoben. Das ist, kaum überraschend, ein Grund, aus dem Ulrich von Hutten als Exponent jener Verbindung von Rittertum und Humanismus in Erscheinung treten kann. Ein anderer Grund ergibt sich dagegen wiederum auf virtuos-performativer Ebene; denn Hutten kann, aus der Position des Vermittlers, die vorgetragene Adelskritik selbst zurückweisen. Obwohl er nämlich einen mangelnden Leistungswillen unter ›seinen‹ Rittern konstatiert, fühlt er sich in seiner Lebensplanung ausdrücklich auf die Erwartungen von Familie und Standesgenossen verpflichtet, ja hat diese schon verinnerlicht. Es scheint demnach Adlige oder Schichten des Adels – die equites als homines novi? – zu geben, bei denen jene Kritik nicht verfängt; und, mehr noch, indem Hutten die Probleme erkennt und reflektiert, weist er ja bereits den Vorwurf der Lethargie von sich. Für einen Adel, so die – freilich in der ›Epistola‹ nicht explizit zu machende – Schlussfolgerung, der einen Hutten hervorbringen kann, ist also noch nicht alles verloren!216 Allerdings hat diese Position Huttens auch einen Preis. Noch einmal mit Verweis auf den Titel, noch einmal mit Verweis auf die Anlagerung von Diskursen handelt es sich um eine expositio als exhibitio, eine Ausstellung oder Vorführung der Person des Autors. Mit seinen Haltungen und Erklärungen, dem Versuch, sich darüber zu verständigen – oder, ganz wörtlich, mit seinem Schritt auf die Bühne der vita activa – muss Hutten sich beziehungsweise die in der 215 Eine klare Trennung zwischen ›humanistischen‹ und ›adligen‹ Texten, wie sie von Enenkel, Erfindung, am Beispiel Sigmunds von Herberstein (insb. S. 553–574) behauptet wird, scheint mir dennoch nicht haltbar, schon gar nicht auf inhaltlicher Ebene. 216 Dieses Argument ließe sich auch erweitern um eine ganze Reihe von Adligen, die in der ›Epistola‹ als Humanisten oder doch wenigstens Sympathisanten des Humanismus vorgestellt werden: darunter Eitelwolf von Stein (vgl. Anm. 159) und Sigmund von Herberstein (vgl. Anm. 196), aber auch Ulrich Graf von Helfenstein (Z. 654f.), Hermann von Neuenahr d. Ä. (Z. 619), Johannes von Wirsberg (Z. 668) oder Georg von Streitberg (Z. 672f.) – ohne die durch geistliche Würden oder im Amt Geadelten mitzurechnen.
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›Epistola‹ beschlossene ratio dieser Zurschaustellung aussetzen. Damit kalkuliert Hutten ganz offensichtlich. Die starken Setzungen, die zuweilen kompromisslose Sprache und Einstellung deuten darauf hin, dass Hutten hier den Widerspruch geradezu sucht, den Leser wenigstens zu einer Stellungnahme provozieren will. Wir könnten darin eine Analogie nicht nur zu Huttens politischpublizistischem Œuvre sehen, sondern auch zur stark ambivalenten, nicht selten emotionalisierten Rezeption seiner Texte – schließlich, darüber vermittelt, zu seiner Person. Es scheint kaum möglich, sich dem zu entziehen, sich nicht zu Text und Autor zu verhalten, dazu in Beziehung zu setzen. Warum aber diese Provokation? Eine mögliche Antwort haben wir schon zuvor entdeckt: in der Kritik Willibald Pirckheimers, die in der ›Epistola‹ als Wiedergabe von Auszügen auftaucht. Schon aus diesen wenigen Fragmenten – wie natürlich aus der Entgegnung der ›Epistola‹ – lässt sich ableiten, welcher harschen und grundsätzlichen Kritik Hutten ausgesetzt war oder, vielleicht zutreffender, sich ausgesetzt glaubte. Durchgängig ist von einer »epistola« Pirckheimers die Rede, der dadurch ein ähnlich grundsätzliches (und in Huttens Erwiderung dann auch veröffentlichtes) Anliegen zugesprochen wurde wie der ›Epistola‹.217 Der zitierte Vorwurf der Unreife in Verbindung mit dem Ratschlag, sich vom Hofleben fernzuhalten und doch lieber »den Musen und Freunden zu leben«, meint nämlich nichts anderes als die mehr oder weniger unverhohlene Aufforderung, die humaniora aufzugeben; oder wenigstens doch sie nicht als qualifiziertes und qualifizierendes Engagement verstehen zu wollen.218 Das muss die Bemühungen 217 Pirckheimers »epistola« wird genannt Z. 444, 572 und 611. In Z. 698 handelt es sich um ein zweites Schreiben, das laut Edition nicht erhalten ist. – Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Standesbezeichnungen des Titels, Ritter und Patrizier, durchaus als ebenso grundsätzlicher Antagonismus, von Land und Stadt oder, antikisierend, homo novus und patricius, gedeutet werden könnte. 218 Tatsächlich ist das bereits zitierte Schreiben Pirckheimers durchaus so zu verstehen. Unter der Oberfläche einer freundschaftlichen Kritik an Huttens ›Aula‹ verbirgt sich der Versuch einer Ab- und Ausgrenzung: »quid ageres si vt nos milies deceptus circumscriptus delusus Iniurys Calumnijs et inumeris affectus esses Contumelijs exclusus reiectus et potius eiectus Tauta pamta Áa_ lgm dima|teÂa experiry oportebat ac lustra quatuor detestande Ingrate et perfide Inservire aule tum demum veris lachrymis egisses « (buchstabengetreue Zitation nach dem Original, Abkürzungen sind aufgelöst, Korrekturen im Text markiert; in der Edition Z. 16–20). Deutsch: »Was würdest Du tun, wenn Du wie wir tausendmal geblendet, eingesperrt, verspottet, mit Ungerechtigkeiten, Ränken und unzähligen Schmähungen geschlagen, ausgeschlossen, zurückgewiesen oder vielmehr hinausgeworfen worden wärest? Dies alles und auch Greulicheres als das zu erfahren und vier Jahrfünfte dem fluchwürdigen, undankbaren und treulosen Hof zu dienen, wäre nötig gewesen. Darauf schließlich hättest Du sehr hübsch und mit wahren Tränen (D)ein Stück aufgeführt, (darin) eine eher selbst erfahrene denn von andern abgelauschte Angelegenheit zu erzählen.« Bezeichnend ist das »Wir« derjenigen, die am Hof Erfahrung gesammelt
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Huttens, mehr noch ihre Ernsthaftigkeit und damit seine humanistische Existenz in Frage stellen. An dieser Stelle wird die Situation prekär, denn Hutten hatte sicherlich nicht zuletzt, neben der Förderung durch Verwandte, durch seine literarischen Qualitäten am Mainzer Hof auf sich aufmerksam gemacht.219 Die Anstellung galt also, auch nach Ausweis der ›Epistola‹,220 wenigstens in Teilen dem humanistisch gebildeten, vernetzten, produktiven Autor Ulrich von Hutten. Und als solcher schreibt Hutten; nicht als Adliger, der durch eigenen Besitz abgesichert ist, nicht als paterfamilias, auch nicht als Verwalter oder Inhaber eines dauerhaften Hofamts. Hutten steht vielleicht an der Schwelle zu all dem, er ist beteiligt, aber kein Teilhaber.221 Aus der Art der Reaktion, wie sie oben als Beweiskette entwickelt worden ist, erhellt schließlich auch, wo Hutten den Ansatzpunkt der Kritik vermutete: eben in seiner ritterlichen Abstammung. Die ›Selbstsubversion‹222, die eigene Adelsqualität zu verleugnen, um sie sich performativ, quasi schon im Schreiben,
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haben, und von dem das »Du« des Adressaten folglich ausgeschlossen ist: »dignissimus demum tandem ut… ab omnibus Aule… is… Insidys et malis tibj amicis et musis viuens« (in der Edition Z. 31f.; für die Lesart »praeserveris« dort wird, da im Original ein »st« zu erkennen ist, hier die Alternative »praestaveris« vorgeschlagen) Deutsch: »Am meisten wert (bist Du) doch, es dann jeder höfischen Pest vorzuziehen, den Freunden und den Musen zu leben.« Darüber hinaus setzt Pirckheimer auf die einzige, großzügig beschriebene Seite rund 14 altgriechische Formulierungen – eine Herausforderung! Namentlich durch die Festschrift ›In lavdem reverendissimi Alberthi archiepiscopi Moguntini Vlrichi de Hutten Equitis Panegyricus‹ (Tübingen 1515 = VD16 H 6357; Edition: Böcking, Opera 3, S. 353–400). Als Förderer trat vor allem Frowin von Hutten, Hofmarschall zu Mainz, in Erscheinung; über ihn gibt es nur spärliche Forschung, der jüngste Überblick ist Georg-Wilhelm Hanna: Frowin von Hutten – das Leben eines Ritters. In: Georg Ulrich Großmann (Hg.): Die Burg [Ausstellungskatalog Berlin]. Dresden 2010, S. 226–235. – Außerdem zum harten Konkurrenzkampf unter Humanisten um Anstellungen bei Hof vgl. Stein, Höflichkeit. Vom Leben am Mainzer Hof berichtet die Passage Z. 213–225, hier Z. 216–221: »Nam quae est illius benignitas, plenam a vulgaribus consultationibus, & plebeio rerum tractatu vacationem concessit, quod ego tempus studijs admetior, praeter illud ocium, quod cum alijs mihi commune est. Quo circa portatilem maxime bibliothecam, optimum quenque autorem mecum circumfero. Ac vbiubi licet aliquid lego, nonnunquam scribo etiam, et saepe in turba solus sum.« Deutsch: »Denn das ist die Gnade jenes (Fürsten, Albrecht von Brandenburg): er hat mir völlige Freiheit von den gemeinen Beratungen und dem niederen Hofdienst gewährt; diese Zeit schlage ich den Studien zu, außer der Muße, die ich mit anderen verbringe. Daher trage ich eine Handbibliothek der besten Autoren mit mir herum. Und wo immer es gefällt, lese ich etwas, schreibe manchmal auch, und oft bin ich in Menge ganz für mich.« Z. 369f. deutet die Bereitschaft an, den Standort jederzeit wechseln zu können oder zu müssen: »Opus est enim mihi, vt emergam, aliunde quaesitis.« Deutsch: »Ich muss nämlich, um hochzukommen, andernorts (nach Gelegenheiten) suchen.« Der Begriff ist eingeführt bei Peter Burke: Die Geschicke des »Hofmann«. Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über angemessenes Verhalten. Übers. von Ebba D. Drolshagen. Berlin 1996, S. 51.
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wieder anzueignen, zielt ja gerade darauf ab. In gewisser Weise versucht Hutten sich hier gegen Angriffe und Einsprüche zu immunisieren. Der Beweis wird erbracht, dass Ritterlichkeit tatsächlich durch humanistische Bildung ergänzt werden kann, vielleicht sogar ergänzt werden muss, um ›zukunftsfähig‹ zu bleiben. Hutten nimmt für sich in Anspruch, diese Innovation in den eigenen Stand einzuführen beziehungsweise sie dort zu etablieren, als Vorreiter einer Entwicklung also seinen Standesgenossen ein neues Aufgabenfeld zu erschließen. Auf diesem Feld gilt es, so die Aussage, sich zu bewähren. Deshalb muss Hutten einerseits sein eigenes Auskommen sehr wohl über die studia humanitatis finden, und er muss andererseits um jeden Preis vermeiden, aus dem Kreis der Humanisten endgültig ausgeschlossen zu werden. Die ›Epistola‹ stellt den Versuch dar, dieses Verhältnis neu zu bestimmen. Sie ist, noch einmal, Überzeugungsrede, und sie zielt auf Verständigung, auf Zustimmung ab, notfalls indem sie Gegner argumentativ entwaffnet. Der Text aber entsteht aus einer Verunsicherung heraus, einer Umbruchsituation, aus einem offenbar tiefgreifenden Konflikt – oder anders gesagt: aus einer Lebenskrise. Die ›Epistola‹ ist ein Versuch, mit dieser Krise umzugehen, sie ist bereits selbst eine Überwindungsleistung. Das zeigt sich an der Vielzahl der Diskurse, den Schichtungen von Argumentationen, vor allem aber an der Handlungsseite des Textes. Mit ihm holt sich Hutten nämlich selbst ein in eine Schnittmenge zweier wesensgleicher, aber doch artfremder Gemeinschaften, der Humanisten hier und der Ritter dort. Der tatsächliche Neuansatz der ›Epistola‹ liegt daher nicht in der humanistischen Verständigungspraxis, weder den Themen noch den Formaten nach. Vielmehr gelingt die Selbsteinholung im Akt des Schreibens beziehungsweise als Schreibakt an sich. Hutten stellt mit der ›Epistola‹ unter Beweis, dass er sich tatsächlich als Humanist bewähren will, weil er sich ohnehin als Ritter bewähren muss. Er begründet diese Notwendigkeit mit Anforderungen und Haltungen ritterlicher Gemeinschaft, anders gesagt, einem Habitus, den er für das humanistische Publikum an seinem Beispiel ausbuchstabiert: Nur die Leistung im Dienst für den gemeinen Nutzen bietet die Chance, den eigenen Status zu legitimieren oder gegebenenfalls sogar zu verbessern. Damit wiederum sind andere angehalten, diesem Beispiel zu folgen. Gleichzeitig führt Hutten an seiner eigenen Person vor, dass Bildung mit ritterlicher Handlungsdynamik vereinbar ist, dass er als Repräsentant der Ritter auch dem humanistischen Anspruch gewachsen ist. Humanismus wird gewissermaßen als ritterliche Option behauptet. Huttens Angebot lautet demnach, in kurzer Zeit Nachahmer aus den Reihen lei-stungswilliger Ritter dem Feld der Bildung zuführen zu können. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Gemeinschaft der Humanisten ihn endlich in ihrer Mitte akzeptiert und ihn, da er anderen (ritterlichen) Maßgaben verpflichtet ist, gewähren lässt. Das bedeutet, Hutten versucht seine eigene Position
Pragmatik: Die ›Epistola‹ als »ausgeklügelt Buch«
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zu festigen – oder überhaupt erst zu etablieren –, indem er einerseits sein Verhalten wie das seiner Umwelt, wörtlich, rationalisiert. Tatsächlich ist sein Erklärungsmodell des ritterlichen Selbstverständnisses so luzide wie einleuchtend. Andererseits aber verknüpft Hutten sein eigenes Schicksal der Entscheidung, ob dieses Modell akzeptiert wird oder nicht. Die starken Setzungen, die er vornimmt, die Positionen, die er okkupiert, sind Mittel, Druck auszuüben und eine handfeste Auseinandersetzung anzudrohen oder vorzubereiten. Im Einzelnen mag das subtil und ohne Ordnung geschehen, allerdings ist die ›Epistola‹ insgesamt ein berechneter Text. Ihre Wirkung soll berechenbar sein. Denn Hutten stellt der Krise Berechenbarkeit gegenüber, eine ostentative ratio. Allerdings sollte man sich davor hüten, diese ratio, weder im Bezug auf das ritterliche Selbstverständnis noch für Huttens Person, für allgemeingültig zu halten. Zwar weist die minutiöse Redaktion darauf hin, dass die ›Epistola‹ über die Herausforderung, die zu ihrer Entstehung Anlass gab, Bestand haben sollte. Aber bald nach Huttens Tod war ausgerechnet dieser Text fast ganz vergessen. Seine Gültigkeit war, wie auch die Analyse gezeigt hat, in besonderer Weise an Huttens Person geknüpft. Die ›Epistola‹ war darauf ausgelegt, einen Platz unter den Humanisten zu erobern, vielleicht auch späterhin zu behaupten. Trotz der großen, kaum zu erschöpfenden Anschlussfähigkeit blieb sie – hier dann doch ein durch und durch selbstbezüglicher, autobiographischer Text – auf diese Pragmatik und Ulrich von Hutten als ihren auctor festgelegt. Der Ausspruch, den Conrad Ferdinand Meyer, ›seinem‹ Hutten in den Mund legt, trifft also etwas ganz wesentliches, nämlich: »Ich bin kein ausgeklügelt Buch. Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch«.223
223 Schlussvers von Gedicht XXVI, Meyer, Werke 8, S. 55.
III.
Die Taten des Götz von Berlichingen et admissos amicos percontatus ecquid iis uideretur mimum uitae commode transegisse Sueton, Vita Divi Augusti
1.
Widerständigkeit
Der Mann sitzt tief gebeugt über einem Tisch. Im Licht, das von schräg vorn in die Kammer fällt, schimmert das Metall seiner Rüstung, scharf zeichnen sich die Konturen seines Helms gegen die geweißte Wand im Hintergrund ab. Ein schlichter Harnisch umschließt Brust und Rücken, die gepanzerte Rechte liegt zur Faust geballt auf dem Tisch. Das aufgeschlagene Visier aber enthüllt ein zerfurchtes Gesicht, ein zerzauster grauer Bart fällt lang herunter. Unter schweren Lidern ist der Blick des Mannes ganz auf die Bewegung der linken Hand konzentriert. Auf dieser linken Seite fehlt das Armzeug. Die bloße Hand führt einen Stift über ein Blatt Papier, das oberste in einem auf dem Tisch lose aufgeschichteten Stapel. Doch bei aller in sich gekehrten Konzentration des Schreibers, bei aller ruhigen Beschaulichkeit, erzeugt die Szene Dissonanzen. Nicht nur scheint die kriegerische Aufmachung einem alten Mann kaum angemessen; auch gehört ein so Gerüsteter eigentlich nicht an einen Schreibtisch. Selbst das Papier wirkt ungeeignet, es ist zerfleddert und kaum geglättet. Der Stift des Schreibers ruht mitten auf dem Blatt, doch, auf den zweiten Blick, das Blatt ist leer. Die Dissonanz, die Spannung ist kalkuiert. Sie ist sogar wesentliche Aussage des Bildes, das Lovis Corinth 1917 malte.224 Die Strukturen von Stoff, Holz und Metall sind mit heftig bewegten Pinselstrichen herausgearbeitet, Licht und Schatten sind stark gegeneinander gesetzt. Dem gegenüber wird die Stimmung über die gedämpften Farben und mit reduzierter Palette beruhigt. Dieses Nebeneinander ist Inszenierung. Der Kontrast dient dazu, das Ungleichzeitige, eine Handlung oder schließlich: eine Haltung zum Ausdruck zu bringen. Corinth gelingt damit eine Übersetzung, deren Vorlage sich dem Betrachter nicht erst durch den Titel des Gemäldes, sondern das Motiv selbst erschließen könnte: die linke Hand schreibt, die Rechte ist aus Eisen – zitiert ist hier »Götz von Ber224 Öl auf Leinwand, 86 cm x 100 cm. AO: Dortmund. Museum für Kunst und Kulturgeschichte. LG 2009/3 (A 27/57) (Leihgabe des Museum Ostwall, Dortmund). Vgl. das Werkverzeichnis: Charlotte Berend-Corinth: Lovis Corinth. Die Gemälde. 2., neubearb. Aufl. München 1992, S. 162 (Nr. 725). Vgl. auch die Umschlagabbildung.
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Die Taten des Götz von Berlichingen
lichingen«, in der durch Goethes Drama popularisierten Gestalt des »Ritters mit der eisernen Hand«. Als expliziter Bezugspunkt lässt sich eine Szene ausmachen, die den Protagonisten bei der Schreibarbeit zeigt. »Ach! Schreiben ist geschäftiger Müßiggang, es kommt mir sauer an. Indem ich schreibe, was ich getan, ärger ich mich über den Verlust der Zeit, in der ich etwas tun könnte«, lautet Berlichingens Kommentar.225 Goethe benennt damit ein grundsätzliches Dilemma seines Helden: In der konkreten Situation ist er durch äußeren Zwang – den von seinen Feinden gegen ihn erwirkten Hausarrest – zur Untätigkeit verdammt. Der Versuch aber, die Leerstelle sinnvoll zu füllen, die fehlende Tat durch den Tatenbericht, also eine schriftstellerische Verarbeitung früherer Leistungen, zu kompensieren, misslingt. Im Drama wird der notwendige Rollenwechsel durch die Ereignisse des Bauernkriegs zunächst aufgeschoben und schließlich aufgehoben, da die Berlichingen-Figur endgültig ins Abseits gerät und keiner Sinnstiftung mehr bedarf. Und genau diese Verweigerung, sich anzupassen, bildet Corinth ab. Sein Berlichingen ist noch immer zum Krieg gerüstet und bereit, obwohl dem alten Mann diese Rüstung längst zu schwer geworden ist. Sie ist nur mehr Hülle, ein symbolisches Festhalten an einer Rolle, die mit den gewandelten Umständen eigentlich nicht mehr vereinbar ist. Für Corinth ist das biographisch gedeutet worden.226 Aber auch für Goethe lässt sich eine ›geistige Verwandtschaft‹ zu seinem Gegenstand konstruieren: Sein »Götz von Berlichingen« ist ein Symbol für den Widerstand gegen Konventionen, sowohl in der Form wie im Inhalt, von der durch und durch unklassischen Inszenierung in Sprache und Handlung bis hin zur Fundamentalkritik an zeitgenössischer Fürstenmacht und ihren Funktionseliten. Mehr noch, im Rückgriff auf das ›altdeutsche‹ 16. Jahrhundert geht Goethe auf den Beginn einer historischen Entwicklung zurück, an deren anderem Ende er die eigene Zeit begreift. Der Glaube an die heilsbringende Staatsmacht, die um 1500 durch Territorialisierung, Verrechtlichung, schließlich auch Konfessionalisierung227 sich auszubreiten be225 Zitiert nach: Johann Wolfgang von Goethe. Götz von Berlichingen. In: Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Bd. 4: Dramatische Dichtungen II. Hg. von Erich Trunz. 13., durchges. Aufl. München 1994, S. 155. Zur Editionskritik vgl. W. Daniel Wilson: Der junge Goethe – ein politischer Rebell? Opposition versus Fürstendienst in Götz von Berlichingen und kleineren Frühwerken. In: Hans-Jörg Knobloch und Helmut Koopmann (Hgg.): Goethe. Neue Ansichten – Neue Einsichten. Würzburg 2007, S. 11–35. 226 »This work [Götz von Berlichingen (1917), d. Verf.] and the painting of the old man in armor from 1915 were preceded by etchings […], and it is difficult not to interpret both as surrogate self-portraits acknowledging that Corinth, too, experienced war only from a distance.« Horst Uhr : Lovis Corinth. Berkeley, Los Angeles, Oxford 1990, hier S. 238–241. 227 Die Reformation ist im Drama als Motiv freilich völlig ausgespart. An den wenigen Stellen, da geistliche Protagonisten in Erscheinung treten, sind sie entweder mit Politik (Bischof von Bamberg, am deutlichsten in der Eröffnungsszene zu Akt II, Goethe, Götz, 104–106) oder der Moral (Bruder Martin, unverkennbar eine Hommage an den jungen Luther, ebd., 78–82) befasst, beide Sphären überschneiden sich aber nicht. Umso deutlicher ist die Religiosität
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gann, ist in der Gegenwart des späten 18. Jahrhunderts in die Krise geraten. Die Fürstenherrschaft, ursprünglich, also schon von Zeitgenossen Berlichingens als einzige Alternative zum ständischen, vornehmlich adligen Willkürregime aufgebaut,228 kann deshalb als ›absolutistisch‹, als Irrweg entlarvt werden. Das heißt auch, es geht nicht um eine rückwärtsgewandte Utopie, die frühere Zustände romantisiert und idealisiert; vielmehr ist Gegenwartserkenntnis das Ziel, namentlich die Einsicht, dass der gegenwärtige Status quo nicht endgültiges oder auch nur determiniertes Ergebnis geschichtlicher Prozesse ist.229 Das Drama übernimmt die Funktion, das zeitgenössische Geschichtsbild zu korrigieren. Im konkreten Fall tritt Goethe damit sogar in die Tradition seiner Vorlage, der Publikation der ›Lebens-Beschreibung Herrn Gözens von Berlichingen‹ aus dem Jahr 1731. Diese Edition wurde von Georg Tobias Pistorius (1666–1745) besorgt, erschien allerdings unter Pseudonym.230 Vermutlich wollte Pistorius, hohenlohischer Rat und schließlich Syndikus des Fränkischen Reichsgrafen, den Eindruck vermeiden, die Ausgabe sei als Auftragsarbeit entstanden oder diene dazu, seinen Sohn Wilhelm Friedrich (1702–1778) zu fördern, dessen juristische Dissertation das Werk ergänzte.231 In jedem Fall stellt diese Ausgabe
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damit ins Private verlagert und umso nachhaltiger wird einer obrigkeitlich gesteuerten Konfessionsbildung ein tatsächlich religiöses Motiv abgesprochen. Nicht zuletzt unterscheidet das den »Götz« von Bearbeitungen ähnlicher Stoffe, in denen gerade der Protestantismus national aufgeladen wurde (vgl. etwa die Hutten-Rezeption, oben S. 34f.). Eine starke, dabei ausgleichend wirkende Monarchie propagierte etwa Lazarus von Schwendi (1522–1584); vgl. seine Schrift ›Bedencken an die Römische Kaiserliche Majestät Maximilian den Andern‹, leider nur greifbar in der überholungsbedürftigen Edition von Eugen von Frauenholz: Des Lazarus von Schwendi Denkschrift über die politische Lage des deutschen Reiches 1574 (= Münchner historische Abhandlungen. Reihe 2: Kriegs- und Heeresgeschichte. 10). München 1939. Eine aufklärerische Sehnsucht nach der Ablösung des – als amoralisch empfundenen – politischen Systems absolutistischer Fürstenherrschaft konstatierte Reinhard Koselleck: Krise und Kritik. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt. Frankfurt am Main 1973 (zugleich Diss. 1954). Eine Opposition der Aufklärung gegen den Absolutismus ist freilich verkürzt; die Einwände gegen Kosellecks Analysen sind zusammengefasst bei Sisko Haikala: Criticism in the Enlightenment. Perspectives on Koselleck’s Kritik und Krise Study. In: Finnish Yearbook of Political Thought 1 (1997), S. 70–86. Speziell zu Goethes politischen Positionen im »Götz« vgl. Marianne Willems: Das Problem der Individualität als Herausforderung an die Semantik im Sturm und Drang (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur. 52). Tübingen 1995, S. 120–258. Veronus Franck von Steigerwald (Hg.): Lebens-Beschreibung Herrn Gözens von Berlichingen, Zugenannt mit der Eisern Hand […]. Nürnberg 1731. Zur Person vgl. Wolfgang Schimpf: [Art.] Steigerwald, Veronus Franck von, eigentl.: Georg Tobias Pistorius. In: Killy Literaturlexikon 11 (22011), S. 204. Das Pseudonym leitet sich wahrscheinlich von Pistorius’ Geburtsort Ullstadt, am Rand des Steigerwalds gelegen, ab. Der Sinn der vorangestellten Namen dagegen ist unklar, könnte allerdings auf die Verstellung anspielen und den Editor als »wahrhaft Freien« vorstellen (mittellat. »verenus« und »frank« im Sinne von Grimm, Wörterbuch 4, Sp. 56–58). Die Dissertation erscheint mit separater Paginierung direkt nach den Anhängen der Edi-
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einen radikalen Einschnitt in der Überlieferungsgeschichte dar: Der Medienwechsel von der Handschrift in den Druck beendet eine Tradition, der Text wird verfügbar gemacht und zugleich in den Status einer Quelle überführt.232 Dieser Umbruch in der Lektüre- und Aufbewahrungstradition markiert vielleicht auch einen Umschwung in der ritterschaftlichen Kultur. Sie geht nicht unbedingt auf Distanz zu den Inhalten, sondern strebt deren Objektivierung an, indem sie sie leichter zugänglich macht, dafür aber gleichzeitig den Traditionszusammenhang der Handschriftlichkeit durchbrechen muss.233 Folgerichtig sind Gegenstand von Edition und Erörterung die Fehden des Protagonisten Berlichingen als rechtshistorisches Anschauungsmaterial. Pflichtgemäß verurteilt Wilhelm Pistorius sie tion. – Georg Pistorius widmete die Gesamtausgabe allgemein dem Vorstand des Reichsritterkantons Odenwald und erwies sich damit als sehr geschickt: Um seinen Sohn zu positionieren, zielte der ältere Pistorius demnach einerseits auf die traditionell engen Beziehungen der fränkischen Reichsgrafen und insbesondere der Hohenlohe zu den Reichsrittern; vgl. Ernst Böhme: Das Fränkische Reichgrafenkollegium im 16. und 17. Jahrhundert. Untersuchungen zu den Möglichkeiten und Grenzen der korporativen Politik mindermächtiger Reichsstände (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Mainz. 132). Stuttgart 1989, zu Hohenlohe insb. S. 32–42. Andererseits waren mit der Familie von Gemmingen-Hornberg, die mit Reinhard (1677–1750) den Ritterhauptmann des Odenwälder Kantons stellte, quasi die Rechtsnachfolger Berlichingens einbezogen; vgl. Carl W. F. L. Stocker : Familien-Chronik der Freiherren von Gemmingen. Heilbronn 1895, S. 271f. Zur Karriere des jüngeren Pistorius vgl. Ulrike Leuschner : [Art.] Pistorius, Wilhelm Friedrich. In: Killy Literaturlexikon 9 (22010), S. 249f. 232 Die Publikationsgeschichte handschriftlicher autobiographischer Texte ist bislang kein Gegenstand der Forschung. Speziell in adligen Archiven lassen sich Suchbewegungen seit dem 18. Jahrhundert ausmachen, die fast den gesamten heute bekannten Bestand zusammengetragen haben, über deren Anlässe aber keine Klarheit herrscht. Anregungen könnten hier etwa die Einsichten zum ›Memoirenboom‹ im nachrevolutionären Frankreich geben, erarbeitet von Anna Karla: Revolution als Zeitgeschichte. Memoiren der Französischen Revolution in der Restaurationszeit (= Bürgertum. N. F. Studien zur Zivilgesellschaft. 11). Göttingen 2014. Als Reaktivierung und Umwidmung erscheint so z. B. die von FranÅois Pierre Fr8d8ric von Diesbach-Torny besorgte Aufbereitung, Abschrift, Übersetzung und Drucklegung der handschriftlichen »Chronik« seines Vorfahren Ludwig von Diesbach (u.d.T.: Traduction litt8rale d’une Chronique Allemande du Chevalier Louis de Diesbach, de 1452, jusqu’en 1506. Paris: Michel Nicolas, 1789); vgl. Zahnd, Aufzeichnungen, S. 11–16. Die ›Konservierung‹ im Druck könnte mittelbar auch dazu beigetragen haben, dass Originale aus dem Gebrauch genommen wurden und deshalb nicht selten verloren gingen. Ein schlagendes Beispiel sind Briefe und Berichte Philipps von Hutten, die nachweislich vernichtet wurden und so nur durch eine Edition des späten 18. Jahrhunderts erhalten geblieben sind; vgl. Eberhard Schmitt und Karl Friedrich von Hutten (Hgg.): Das Gold der Neuen Welt. Die Papiere des Welser-Konquistadors und Generalkapitäns von Venezuela Philipp von Hutten 1534–1541. 2., neubearb. Aufl. Berlin 1999, insb. S. 3–6 und dazu Tilman G. Moritz: Neue Welten, alte Helden? Die Briefe Philipps von Hutten zwischen Medium und Memoria des Heroischen. In: helden. heroes. herjs. 2.2 (2014), S. 7–16, hier S. 8, [04.03.18]. 233 Dies schließt an Beobachtungen zur adligen Archivpraxis an, die Claudius Sittig formuliert hat, vgl. Sittig, Kommunität, hier S. 250.
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als Ursache einer »fatalen Unordnung« der Reichsverfassung, ist aber dennoch bemüht die historische, prinzipielle Legalität und Regelhaftigkeit des Fehdewesens herauszustellen.234 Dem gesteht er sogar eine nivellierende Komponente zu, da Recht mit guter Planung und entsprechendem Anhang unmittelbar und mitunter gegen stärkere Gegner durchzusetzen gewesen war. Daher rührt dann auch die in der Dissertation referierte »Meynung einiger Statisten«, das heißt zeitgenössischer Staatsmänner, »es seyen dergleichen Fehden […] besser gewesen, als wann bey unsern heutigen Gerichts-Verfassungen […] mancher seines Streits bey so unsterblichen Processen kein Ende erlebe«.235 Das Recht in die eigene Hand zu nehmen, dabei Rechtswege abzukürzen, eben eigenmächtig zu handeln, übte offenbar eine gewisse Faszination aus, sei es in romantischer Verklärung oder strikter Ablehnung. Die antagonistischen Diskurse um das sogenannte »Raubrittertum«, die nicht nur die politische beziehungsweise politikgeschichtliche Diskussion bis weit ins 20. Jahrhundert prägten, sondern auch in der Geschichtskultur ihren Niederschlag fanden und dort noch heute präsent sind, haben hier ihren Ursprung.236 Goethe nutzt zwar den Begriff nicht, das Drama gehört aber in eben diesen Zusammenhang. Eigentlich kann es daher nicht überraschen, dass noch die aktuellere Forschung zum historischen Götz von Berlichingen in derselben Tradition steht. Die Deutungen oder besser Vereinnahmungen des Berlichingen-Stoffs durch die Rezeption des 18. Jahrhunders, für die Goethe letztlich einen Resonanzboden geschaffen hat, sind in allen Studien präsent. Hinzu kommt die kaum zu überschätzende Wirkung des Dramas selbst. Bis in die Gegenwart dominiert dieser Einfluss und ist oft eigentlicher Anlass, sich mit der historischen Figur zu beschäftigen, um entweder Goethe und mit ihm seine Vorlage zu bestätigen oder sie zu widerlegen – obwohl das selten genug explizit und in Auseinandersetzung 234 So deutlich in der »Vorrede« Steigerwald-Pistorius’: »Das Absehen mit der Publicirung dieser Geschichts-Erzehlung ist dahin gerichtet, […] denjenigen aber ihren falschen Wahn zu benehmen, welche die ehemalige im Schwang gegangene Befehdungen nicht recht ansehen, und nicht wissen, daß sie in dem Reich erlaubte und legalisirt, auch von dem Kampff-Recht, unverwarnten Uberfall und Mordbrennen gantz unterschieden gewesen […]« (7v; Hervorh. d. Verf.). Das Zitat oben: Steigerwald, Lebens-Beschreibung, S. 25 der Dissertation. 235 Ebd., S. 8 der Dissertation. Goethe mag die ›Lebens-Beschreibung‹ während seiner anscheinend staatsrechtlich orientierten Studien eben als Fachliteratur in die Hände geraten sein; vgl. Wilson, Rebell, S. 14f. 236 Das Konzept des »Raubritters« ist aufgearbeitet durch Kurt Andermann: Raubritter – Raubfürsten – Raubbürger? Zur Kritik eines untauglichen Begriffs. In: ders. (Hg.): »Raubritter« oder »Rechtschaffene vom Adel«? Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter (= Oberrheinische Studien. 14). Sigmaringen 1997, S. 9–29. Vgl. auch die Aktualisierung: ders.: [Art.] Raubritter. In: Historisches Lexikon Bayerns, [04.03.18]. – Zum geistesgeschichtlichen Hintergrund der Ritter-Begeisterung in der Spätaufklärung vgl. Süßmann, Konstitutionslogik, S. 145–152, insb. S. 146–149 mit weiterer Literatur.
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mit jenen Vorprägungen geschieht. Oft beschränkte sich die Forschung auch nur darauf, mit Fakten, die aus anderen Überlieferungen geschöpft wurden, Goethes Darstellung abzugleichen oder aber sie demonstrativ zu ignorieren.237 Wie im Fall Ulrichs von Hutten bestimmt auch hier also die literarische Figuration wenigstens unterschwellig den geschichtswissenschaftlichen Diskurs.238 Allerdings ist dieser Diskurs ohnehin nicht sonderlich umfangreich – wie die Familie von Berlichingen sich ihren »Spitzenahn« nach dessen ungeahntem Bühnenerfolg vor allem über die Anhäufung von Devotionalien rekonstruieren musste, so waren verstreute Quellen erst wieder zusammenzutragen oder überhaupt sichtbar zu machen.239 Angesichts dieser Widerstände überwogen deshalb zunächst Materialsammlungen und Einzelstudien. Die Initiative für ein erstes ›Fazit‹, das offenbar die losen Enden einer inzwischen ausdifferenzierten Memoria zusammenbinden und möglicherweise auch einen Kontrapunkt zu einer literarisch dominierten Erinnerung setzen sollte, ging schließlich von der Familie Berlichingen selbst aus: 1861 legte Graf Friedrich Wolfgang Götz von Berlichingen-Rossach ein rund 800-seitiges Kompendium vor.240 Es vereint die 237 Vgl. dazu den Forschungsüberblick bei Helgard Ulmschneider: Götz von Berlichingen. Ein adeliges Leben der deutschen Renaissance. Sigmaringen 1974, S. 11–23. Das unbehagliche Verhältnis der neueren Geschichtswissenschaft zur literarischen Verarbeitung benennt noch am deutlichsten Hermann Wiesflecker : »Daß unser größter Dichter diesen Götz aus der Reihe der Straßenräuber in die Höhe eines Helden emporhob, bedeutet doch ein Äußerstes an dichterischer Freiheit, dem der kritische Historiker nachdenklich gegenübersteht.« Diese Kritik erschöpft sich freilich darin, ausgerechnet jene etatistische Perspektive, gegen die das Drama abgesetzt war, zu rehabilitieren, da festgestellt wird, »daß die meisten Ritter hingegen rechtschaffen auf ihren Schlössern saßen, ihren Fürsten, Ländern und auch dem Kaiser als Hauptleute, Landrichter und Pfleger redlich dienten, als braver Durchschnitt aber kaum Aufsehen erregten, wie denn stets die Mißstände mehr ins Auge fallen.« Vgl. ders.: Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit. Bd. 5: Der Kaiser und seine Umwelt: Hof, Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Wien/München 1986, hier S. 94. 238 Siehe oben Kap. II, S. 36–43. 239 Der Aufbau einer Familienmemoria bliebe noch eigens zu untersuchen. So lässt sich die Provenienz vieler Artefakte kaum weiter zurückverfolgen als bis zu ihrem Erwerb durch die Berlichingen in Reaktion auf Goethes »Götz«, offenbar um den Bedarf an Vorführobjekten zu decken. Dazu gehören auch die beiden Handprothesen, von denen zwar wenigstens eine, die mechanisch aufwendigere Konstruktion, recht sicher ins 16. Jahrhundert datiert werden kann. Keines dieser Stücke aber lässt sich eindeutig dem Besitz des historischen Götz von Berlichingen zuordnen. Vgl. die vor allem technikgeschichtlich orientierten Untersuchungen von Günter Quasigroch: Die Handprothesen des fränkischen Reichsritters Götz von Berlichingen. In: Waffen- und Kostümkunde 22 (1980), S. 108–112; 24 (1982), S. 17–33; 25 (1983), S. 103–120. Auch Quasigroch muss eingestehen, dass die Indizienbeweise für eine entsprechende Zuschreibung zwar schlüssig scheinen, »letzten Endes aber nicht befriedigen« können (ebd. (1982), S. 20). 240 Friedrich Wolfgang Götz von Berlichingen-Rossach: Geschichte des Ritters Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand und seiner Familie. Leipzig 1861. – Eine ähnliche, nachträgliche ›Gedächtnisstiftung‹ zeichnet Jendorff, Tyrannen, 206ff. am Beispiel einer
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Edition von Quellentexten mit akademischen wie literarischen Bearbeitungen der Götz-Thematik, enthält aber auch Erörterungen zur Geschichte der Berlichingen im Allgemeinen. Im Vordergrund steht hierbei also die Memorialfunktion, das heißt die Einbettung des nun auch historiographisch erfassten Vorfahren in das Familiengedächtnis. Die wissenschaftliche Erörterung wird diesem Zweck einverleibt, sie wird der dynastischen Erinnerung als unterstützende Funktion beigeordnet. Deshalb stellte Helgard Ulmschneider noch 1974 fest, dass »keine auch nur annähernd befriedigende wissenschaftliche Biographie« vorlag.241 Mit ihrer eigenen Arbeit versuchte sie, hier Abhilfe zu schaffen, und tatsächlich hat die Studie, die sie 1981 mit einer vorbildlichen Edition der »Lebensbeschreibung« ergänzte,242 gleichsam definitiven Status erreicht. Die heuristische und philologische Gründlichkeit dieser Arbeiten ist beachtlich, und so sind auch Ulmschneiders Deutungen weitgehend unangetastet geblieben. Interessant ist, dass auch ihre Perspektive sich kaum von der Goethes unterscheidet: Der Ritteradel muss sich dem übermächtigen ›Fürstenstaat‹ andienen oder untergehen. Aber während Goethe die Anpassungswilligen in der Figur des unglücklichen Weislingen zusammenfasst, der im höfischen Ränkespiel zerrieben wird, besetzt Ulmschneider die neue, »vordergründig bereits bürgerlich geprägte Welt«243, in die sich die Ritter einzufügen haben, durchweg positiv, eben als Fortschritt. Berlichingen kann diesen Prozess nur hinauszögern, indem es ihm gelingt, ›bürgerliche‹ Rationalität für seine Fehdeführung zu adaptieren und sich als »Raubunternehmer« zu etablieren.244 Bei aller Differenzierung beugt sich die Analyse aber dem Erkenntnisziel, den Sieg einer von Fürsten und (Stadt-)Bürgern getragenen Modernisierung als zwangsläufig vorzustellen und zugleich die widerständige Biographie Berlichingens darin zu verorten. Die Ähnlichkeit der Perspektiven, durch die Goethe und Ulmschneider – und letztlich die meisten Untersuchungen und Bearbeitungen – miteinander verbunden sind, verweisen aber noch auf etwas anderes. Im Kern nämlich basieren sie alle auf derselben Vorlage: jener bereits wiederholt genannten »Lebensbeschreibung« selbst. Dieser Text dient als Leitlinie der biographischen Rekonstruktion, als Muster, nach dem sich die anderen Fäden der Überlieferung – von
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familiengeschichtlichen Um- oder Neudeutung des eichsfeldischen Ritters Barthold von Wintzigerode (1505–1575) nach. Ulmschneider, Renaissance, S. 9. Helgard Ulmschneider (Hg.): Götz von Berlichingen. Mein Fehd und Handlungen (= Forschungen aus Württembergisch Franken. 17). Sigmaringen 1981. Ulmschneider, Renaissance, S. 245. Ebd., S. 200f. Unter dem Eindruck der neueren Fehdeforschung hat dieser Einschätzung Kurt Andermann widersprochen, vgl. etwa ders.: Götz von Berlichingen (um 1480–1562). Adliger Grundherr und Reichsritter. In: Erich Schneider (Hg.): Fränkische Lebensbilder 20. Neustadt a. d. Aisch 2004, S. 17–37.
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der Prozessakte bis zum Testament – beziehungsweise der Prozesse und Haltungen, die anhand der Berlichingen-Figur illustriert, veranschaulicht oder personalisiert werden sollen – von der Heroisierung bis zur Adelskrise –, verweben lassen. Indem man also auf eine bereits bestehende, kohärente Erzählung zurückgreifen kann, wirken auch die daran geknüpften oder darin eingebetteten Argumentationen in sich geschlossen. Die zum Teil widersprüchliche Tradition kann nach dieser Maßgabe geglättet werden; doch die Gefahr besteht, sich auch im Urteil von der Vorlage leiten zu lassen. Variationen ergeben sich bei diesem Verfahren nämlich allein daraus, dass je nach Lesart und Absicht eigene Akzente zu setzen sind, das heißt bestimmte Aspekte der ›Selbstbeschreibung‹ Berlichingens betont, andere als ›Selbstdarstellung‹ verworfen oder sogar offen angegriffen werden.245 Gerade die vermeintliche Geschlossenheit der Überlieferung lädt zu einer eklektizistischen Auswertung ein, und nicht selten wird die »Lebensbeschreibung« als Fundus genutzt, um die verschiedensten Lebensbereiche des frühneuzeitlichen Adels zu illustrieren.246 »Goethes ›Götz‹ war allgegenwärtig; kritischere Gemüter konnten in des Ritters eigenen Worten nachschlagen. Das schien genug«, lautete Ulmschneiders Zusammenfassung der älteren Forschungslage;247 sie ließe sich aber leicht auf die aktuelle Situation übertragen. Denn durch die zweifellos überaus gründliche Edition scheint auch hier jede weitere kritische Auseinandersetzung mit dem Material obsolet geworden oder zumindest auf Nuancierungen beschränkt zu sein. Tatsächlich gibt es kaum Untersuchungen, die jenseits des Inhalts auch Form und Gestaltung der »Lebensbeschreibung« einbeziehen.248 In der Regel bleibt also die Eigenlogik des Textes analytisch auf der Strecke. 245 Ein jüngeres Beispiel ist der (im Band nicht namentlich gekennzeichnete) Beitrag von Sonja Kerth: Die letzten taflrunder? Krieg in adligen Autobiographien des 15. und 16. Jahrhunderts. In: Horst Brunner u. a. (Hgg.): Dulce bellum inexpertis. Bilder des Krieges in der deutschen Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts (= Imagines medii aevi. Interdisziplinäre Beiträge zur Mittelalterforschung. 11). Wiesbaden 2002, S. 175–245, zu Berlichingen insb. S. 213–229. Die Quellentexte werden hier unter der Prämisse einer »ritterlichen Adelsideologie […], die an veralteten, teilweise auch völlig unhistorischen, fiktionalen Bildern hing« (S. 179) durchleuchtet. Der eigentlich richtige Ansatz, die Faktizität autobiographischer Angaben zu hinterfragen, muss, gerade in der Beschränkung auf eine rein inhaltliche Lesart, scheitern. 246 Besonderer Beliebtheit erfreuen sich neben den Schilderungen der Fehde vor allem Berlichingens Einlassungen zu seinem Mangel an Schulbildung und seiner höfischen Erziehung: als dennoch kluges Beispiel vgl. Mark Mersiowsky : Adlige Sozialisation im spätmittelalterlichen Süddeutschland. In: Carl/Lorenz, Anpassung, S. 103–138. 247 Ulmschneider, Renaissance, S. 14. 248 Soweit ich sehe, verfolgen nur zwei aktuellere Arbeiten zum Berlichingen-Text einen entsprechend literaturwissenschaftlichen Ansatz: Lorna Susan Bloom: German Secular Autobiography. A Study of Vernacular Texts from circa 1450 to 1650. Ottawa 1984, hier S. 180– 212, sowie Stephan Pastenaci: Erzählform und Persönlichkeitsdarstellung in deutschsprachigen Autobiographien des 16. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Historischen Psycho-
Widerständigkeit
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Die Problematik einer solchen Herangehensweise ist bereits benannt worden. Häufig operiert die Forschung mit Gattungsbegriffen, die die Individualität der Quelle nicht ernst nehmen, sondern im Sinne einer vermeintlich bewährten Kategorisierung einebnen. Gerade im Fall der Autobiographik aber ist das unbefriedigend, stellen doch die Texte eine je individuelle Bezugnahme auf soziale Regulative dar, über die sie kommunizieren, mit denen sie interagieren. Tritt schließlich, wie auch im vorliegenden Fall, eine handschriftliche Überlieferung hinzu, kann sich die Zahl spezifischer Zugriffe und Variationen leicht mit jedem weiteren Textzeugen multiplizieren. Es hat sich also immer im Einzelfall zu erweisen, ob, wie und mit welcher Absicht ein Text eine bestimmte Eigenart, eine bestimmte Gestalt erhält, welche Diskurse formal wie inhaltlich in ihn eingearbeitet beziehungsweise aussortiert sind. Nur so kann ein Zugang gefunden werden, der den individuellen Verständigungsprozess – so in der vorliegenden Untersuchung eben mit dem Schwerpunkt ritterlicher Selbstverständigung – zu konturieren hilft, statt ihn Vorannahmen – etwa als Äußerung eines angenommenen ›gemeinadligen‹ Selbstverständnisses – unterzuordnen. Wiederum ist nämlich keineswegs hinreichend geklärt, um was für eine Art Text es sich bei der Berlichingen-Quelle eigentlich handelt. Gängig sind die Bezeichnungen als »selbstverfaßte Lebensbeschreibung« oder »Autobiographie«.249 Dafür scheinen aber in erster Linie nicht eigene formale Beobachtungen, sondern der Anschluss an die ältere Rezeption des Textes ausschlaggebend: Die Druckfassung von 1731 gibt den Rahmen mit der Benennung als »LebensBeschreibung« beziehungsweise »von einem so vornehmen Reichs Freyen von Adel selbsten aufgesetzte Erzehlung seines Lebens« vor.250 Allerdings herrscht hier bereits Verwirrung, denn es ist darüber hinaus von »Memoire oder LebensLauff« die Rede, oder der Text wird dem Lesepublikum ganz allgemein als »Geschichts-Erzehlung« vorgestellt.251 Diese Schwierigkeiten, die terminologische Streuung sollten stutzig machen! Denn sind diese Bestimmungsversuche ausschließlich zu verstehen oder ist dadurch ein ganzer Deutungsrahmen aufgespannt? Legen sie den Text überhaupt thematisch, inhaltlich, formal fest?
logie. Trier 1993, hier S. 49–77. Kerth, taflrunder, nimmt zwar auf beide Arbeiten Bezug, kann methodisch aber auf diesem Forschungsstand nicht aufbauen; so wird etwa Pastenacis Analyse narrativer Strukturen angezweifelt, ohne sie ersetzen oder – was immerhin möglich wäre – sie schlüssig modifizieren zu können (S. 214, Anm. 115). 249 Vgl. Ulmschneider, Renaissance, S. 11 sowie dies., Fehd, S. 6. 250 Vgl. den Titel der ›Lebens-Beschreibung‹ bzw. darin die »Zuschrifft«, 3v. Freilich orientieren sich diese Bezeichnungen ihrerseits bereits an den Handschriften, dazu unten S. 104f. 251 So jeweils in der »Zuschrifft« (3r–v) und der »Vorrede« (5r) der ›Lebens-Beschreibung‹. Die Begriffe der Selbst- oder Autobiographie tauchen hier erwartungsgemäß noch nicht auf, da sie sich erst im späteren 18. Jahrhundert etablierten, vgl. Niggl, Autobiographie, S. 1.
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Oder zeichnen sich hier – erneut – Widerstände ab, die erst aufgefangen werden müssen? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir eben die Formen selbst, die der Text angenommen hat, in Augenschein nehmen. Gehen wir dafür wieder auf Distanz und versuchen, das Material zunächst von außen, von seiner ausgestalteten Oberfläche her in den Blick zu bekommen!
2.
Material: Autobiographie ohne Autor
2.1.
Materialität
Ingesamt 17 Handschriften des Berlichingen-Textes sind bis heute bekannt geworden. Zwölf davon stammen aus adligem Besitz, zehn lassen sich im familiären Umfeld der Berlichingen selbst verorten. Kaum ein anderer autobiographischer Text eines deutschsprachigen Adligen ist so reichhaltig überliefert.252 Allein sieben Textzeugen sind darüber hinaus mit einiger Sicherheit noch ins 16. Jahrhundert zu datieren, sind also im vergleichsweise schmalen Zeitfenster der 1560er bis 1590er Jahre entstanden. Der sehr wahrscheinlich älteste Textzeuge ist die sogenannte Rossacher Handschrift.253 Diese Handschrift umfasst 182 Blatt, wovon 120, beidseitig beschrieben, der Berlichingen-Text einnimmt. Das Manuskript wurde erst nachträglich gebunden und wohl erst dabei um weitere Schriftstücke sowie einige Leerseiten ergänzt.254 Äußere Gründe, namentlich zwei Eintragungen, die sich mit einiger Sicherheit einem Sohn Berlichingens zuweisen lassen, deuten auf eine Entstehung vor oder spätestens im Jahr 1567 – dem Todesjahr jenes Hans Jacob von Berlichingen.255 Das rückt die 252 Die Angaben hier und im Weiteren folgen Ulmschneider, Fehd, S. 32–44 sowie den Ergänzungen, u. a. durch einen Neufund, bei Volker Honemann: Eine neue Handschrift der Lebensbeschreibung des Götz von Berlichingen. In: Württembergisch Franken 71 (1987), S. 269–272. 253 AO: Jagsthausen. Freiherrlich von Berlichingensches Archiv (ausgestellt im Schlossmuseum Jagsthausen), o. Sig. Vgl. die Beschreibungen durch Ulmschneider, Fehd, S. 32f., sowie ergänzend Berlichingen-Rossach, Geschichte, S. 3–5, auf die hier Bezug genommen wird. 254 Mit dem Berlichingen-Text (nach heutiger Zählung fol. 9r–128v) zusammengebunden sind ein undatiertes »Register der hellt vnnd furt vmb Bambergk vnd Nürnberg der Landtsardt wie hernach geschriben« sowie das Konzept eines Widmungsbriefs, der dann einem Dedikationsexemplar des Berlichingen-Textes für Herzog Ludwig von Württemberg vorangestellt wurde (Ulmschneider, Fehd, S. 34). Dieses Konzept ist datiert auf den 6. August 1577, frühestens kurz danach kann also die Bindung in der heute erhaltenen Form erfolgt sein. Den bis auf das Datum unveränderten Text der Widmung an Herzog Ludwig gibt Berlichingen-Rossach, Geschichte, S. 4, Anm. 1. 255 Es handelt sich um eigenhändige Korrekturen, vgl. Ulmschneider, Fehd, S. 115, Z. 22, und S. 122, Z. 20f.; die Zuschreibung ebd., S. 33.
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Rossacher Handschrift sehr nahe an den Erzählzeitpunkt des Textes heran, der sich relativ konkret ermitteln lässt: Einen expliziten Hinweis liefert der Bezug auf Ferdinand, »der itzundt keiser ist«, sowie »Maximilian jetziger kay. mt. sonn«, demnach auf die Regierungszeit Ferdinands I. als Kaiser von 1558 bis 1564.256 Einen weiteren, wenn auch indirekten Marker setzt die Widmung des Textes u. a. an »Hansen Hoffman« als Bürgermeister von Heilbronn, der dieses Amt ab 1561 innehatte.257 Und schließlich, da eben der historische Götz von Berlichingen im Text wiederholt mit der Ich-Instanz identifiziert wird, geht die Perspektive von einem Zeitpunkt vor dessen Tod im Jahr 1562 aus. Freilich ist mit diesem spezifischen Erzählzeitpunkt zwischen 1561 und 1562, wie er für die Textfassung der Rossacher Handschrift ermittelt werden kann, noch nichts über die Entstehung des Textes selbst ausgesagt, das heißt über die Umstände, unter denen jene Fassung zustande kam, über eventuelle Vorstufen oder Urversionen. Denn, das ist entscheidend, die Rossacher Handschrift ist eben kein Autograph, sondern ihrerseits bereits Kopie. Das belegen etwa Korrekturen von Fehlern, die offensichtlich beim Abschreiben einer Vorlage entstanden sind.258 Selbst wenn es sich, so eine Vermutung, um die Reinschrift eines Konzepts handelt, die Handschrift also die eigentliche ›Erstfassung‹ bietet, ist doch unter den zahlreichen Bearbeitungsspuren kein Eingriff durch Götz von Berlichingen selbst auszumachen.259 Eine biographische Begründung, wonach dem zum Erzählzeitpunkt etwa Achtzigjährigen die Möglichkeit abzusprechen sei, eigenhändig am Text gearbeitet zu haben, bleibt dagegen nur Konstruktion.260 Folglich ist zunächst festzuhalten, dass der Text, trotz der außergewöhn-
256 Ebd., S. 138, Z. 37 bis S. 139, Z. 3. Beide Angaben erscheinen im selben Satz, in der letzten Episode des Berichts, dem Frankreichfeldzug 1544. Als »itzundter keiser« wird Ferdinand auch ebd., S. 129, Z. 12 benannt. Ferdinand war bereits vivente imperatore zum römischdeutschen König gewählt worden und rückte nach der offiziell vollzogenen Abdankung seines Bruders Karl V. ohne größere Umstände in die Position des Kaisers auf. Vgl. dazu zuletzt Alfred Kohler : Ferdinand I. 1503–1564. Fürst, König und Kaiser. München 2003, S. 264–271. Da der nachmalige Maximilian II. noch ohne eigene Titulatur erscheint, könnte man außerdem eine Zeitstellung vor seiner Wahl zum böhmischen bzw. römisch-deutschen König Ende 1562 annehmen (vgl. Volker Press: [Art.] Maximilian II. In: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 471–475). Das aber ist keinesfalls zwingend, denn auch im sonstigen Text sind Titulaturen auf ein notwendiges Minimum reduziert, und Maximilian wäre als Sohn (und designierter Nachfolger) des noch lebenden Kaisers hinreichend verortet. 257 Ulmschneider, Fehd, S. 52, Z. 4. Die Angabe nach Ulmschneider, Renaissance, S. 243, Anm. 257, dort auch die Literatur. 258 Deutlich etwa die vom Schreiber gestrichenen Dopplungen: Ulmschneider, Fehd, S. 98, Z. 1 (der Satzanfang »vnnd sagt, ich«) und S. 104, Z. 12 (»da warenn ettliche des radts bey mir inn einer stubenn vff dem rathauß«). 259 Dem Problem ausführlicher widmet sich Ulmschneider, Renaissance, S. 268f., und äußert sich ebd. zur möglichen Versionsgeschichte. 260 Vgl. ebd., S. 243 die Paraphrase eines Vertragstexts aus dem Jahr 1559, wonach der
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lich guten Überlieferungslage, sich nicht in letzter Konsequenz auf Götz von Berlichingen als Urheber zurückführen lässt, wir den Text streng genommen also nicht als autobiographisch ansprechen können. Darauf wird am Schluss dieses Kapitels zurückzukommen sein. Dennoch, und auch das muss festgestellt werden, diente gerade die Rossacher Handschrift direkt oder mittelbar als Vorlage aller anderen erhaltenen Abschriften. Wie Ulmschneider durch detaillierten Vergleich zeigen konnte, lassen sich nämlich alle Überlieferungsstränge, wenn auch zum Teil über nur erschlossene Zwischenstufen, auf diesen Textzeugen zurückführen. Wichtiger Anhaltspunkt dafür sind, neben den deutlichen Gebrauchsspuren, nicht zuletzt die Überarbeitungen am Text der Rossacher Handschrift, die dann offenbar in zeitlichen Abstufungen auch in die Abschriften eingeflossen sind. Daran abzulesen sind wenigstens zwei Redaktionsstufen: Die erste schlägt sich in den Abschriften aus der Zeit um 1577 nieder, eine zweite ist in Kopien verarbeitet, die noch vor 1600 entstanden sein müssen.261 Die Handschrift blieb wohl durchgehend in Familienbesitz und dabei auch im Gebrauch als Abschreibvorlage – möglicherweise noch im späten 17. Jahrhundert, als eine Kopie angelegt wurde, auf der dann ganz wesentlich die Druckausgabe von 1731 basierte.262 Auch was dies bedeutet, wird noch näher auszulegen sein. Mit guten Gründen kann die Untersuchung also an diesem frühesten greifbaren Punkt ansetzen, ohne dass sie die ungewöhnlich dichte Rezeption auszublenden braucht. Auch die textkritische Edition von Ulmschneider geht auf die Rossacher Handschrift zurück und verarbeitet sie nach dem Prinzip der letzten Hand als Leithandschrift. Bei aller diplomatischen Treue bedingt das aber zugleich eine Glättung, zuweilen sogar Hybridisierung des Materials, um einen möglichst geschlossenen – und schließlich auch besser lesbaren – Text bieten zu können.263 Der Eindruck des Originals ist dadurch nur bedingt erhalten. Die Edition ist um den ›besten‹ Text bemüht, dabei wird aber notwendig eine Auswahl getroffen und der Text durch Zwischenüberschriften und Randglossen fortlaufend geordnet. Ein nur scheinbar unbedenklicher Eingriff dieser Zimmerner Pfarrer dem Götz von Berlichingen »als alten blinden Mann, der auf der Grube ginge«, dienen solle. 261 Vgl. dazu die Übersicht bei Ulmschneider, Fehd, S. 32–44, und die Stemmata ebd., S. 50f., zudem unten S. 139f. 262 Berlichingen-Rossach nahm an, dass die Rossacher Handschrift unmittelbar für den Druck genutzt wurde (ders., Geschichte, S. 5); Ulmschneider konnte allerdings die besagte Handschrift aus Bamberg (B) als Vorlage identifizieren (dies., Fehd, S. 42 und 44f.). 263 Ergänzungen, die z. B. durch Schäden am Original notwendig wurden, sind in der Wiedergabe angezeigt. Korrekturen und Marginalien im Original dagegen sind über einen Anmerkungsapparat erschlossen, ohne Vollständigkeit anzustreben. Etwa die »Marginalglossen« einer späteren Hand sind ausgespart (Ulmschneider, Fehd, S. 33, Anm. 8), und im Einzelnen ist auch nicht immer nachgehalten, welche Eingriffe welchem Schreiber zuzuordnen sind (Hinweise ebd., Anm. 7).
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Art ist schließlich der Titel »Mein Gottfriden von Berlichingen zw Hornberg vhedt vnd handlungen«. Er wird darüber hinaus, nochmals abgewandelt, auch für die Edition selbst übernommen. Dieser Titel aber ist eben nicht Bestandteil der Rossacher Handschrift, sondern nach einer späteren Abschrift ergänzt. Tatsächlich weisen nur zwei der sieben Textzeugen des 16. Jahrhunderst überhaupt eine Überschrift auf, sondern eröffnen direkt mit der Widmung beziehungsweise Vorrede.264 Eine solche Weichenstellung ist ganz entscheidend für die erste Begegnung des Lesers mit dem Text, ebenso wie der Eindruck, den der Text als Ganzes auf den Leser macht. Wir wollen uns im Folgenden näher damit beschäftigen.
2.2.
Medialität
Die Rossacher Handschrift tritt uns als sorgfältig gearbeitetes Manuskript entgegen. Das Schriftbild verrät einen professionellen Schreiber, der Text ist in regelmäßigen Zügen aufs Papier gesetzt. Die im Schnitt 23 bis 25 Zeilen pro Seite sind locker in ein vorgezeichnetes Blockformat eingetragen. Der Schriftspiegel ist zum jeweils rechten und oberen Seitenrand versetzt, wobei nicht ersichtlich ist, ob das Material später beschnitten wurde oder aber ursprünglich gar nicht vorgesehen war, die losen Blätter zu binden.265 Abkürzungen scheinen äußerst selten und beschränken sich auf gängige Formeln wie »key(serliche) m(ajestä)t«. Schon von diesem Erscheinungsbild her verschließt sich der Text dem Leser nicht, im Gegenteil wird auf Offenheit, Übersichtlichkeit geachtet. Zur Binnengliederung nämlich sind Absätze und Sperrungen eingefügt. Mitunter wird auch mit Überschriften gearbeitet, die durch eine veränderte Kursive, eine Art Bastarda, und teilweise mit ausladenden Initialen vom Fließtext abgesetzt sind: so bei der Widmung (»An herrn […] vnd freundt«), den Abschnitten zum Bauernkrieg (»Volgett der baurr krieg«) beziehungsweise zu Kriegstaten jenseits der früheren Fehden (»Volgen nhun weitter ettlich reutter stuck außer halb denn
264 Vgl. die Überschrift ebd., S. 52, Z. 2f. sowie den textkritischen Apparat S. 142. Vorlage der Ergänzung ist das bereits oben, Anm. 254, genannte Dedikationsexemplar (Hs. L). Die Stuttgarter Handschrift (Hs. S1) eröffnet mit »Volget das Register vber ein yede Handtlung vnd Vhed«, möglicherweise fehlt eine weitere, noch vorangestellte Überschrift (ebd., S. 35f.). 265 Diese Beobachtungen folgen der Beschreibung Ulmschneiders sowie der ebd. (Abb. 30) beigegebenen Photographie der Handschrift. Zwei Abschriften (D und Sch 1) sind bis heute nicht gebunden worden, ob auch andere Textzeugen (z. B. die älteren Handschriften I und N) erst später – dann wahrscheinlich zu Archivierungszwecken – eine Bindung erhielten, wäre noch zu untersuchen.
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vhedenn«) und schließlich dem Epilog (»Vnd zum beschlus«).266 Von diesen Verzierungen abgesehen, wirkt das Manuskript nüchtern, ihm sind weder Abbildungen noch farbige Ausmalungen beigegeben.267 Der Umfang der ›Kapitel‹ variiert stark: 179 Seiten, knapp drei Viertel des Gesamttextes nimmt der erste Teil ein, während die anderen genannten Abschnitte mit rund 36, 21 beziehungsweise 4 Seiten deutlich knapper ausfallen und sich beinahe wie ein Nachtrag ausnehmen. Dennoch erscheint der Text in sich geschlossen und homogen. Auslassungen oder spätere Hinzufügungen sind nicht erkennbar – anders gesagt, es handelt sich um ein fertiges Produkt. Unberührt davon bleiben die Korrekturen und Ergänzungen, die wahrscheinlich schon den Schreibprozess begleiteten. Die Redaktionen betreffen vor allem Schreibweisen und Namen, und sie beschränken sich darauf, Sachverhalte zu klären oder auch Informationen zu aktualisieren.268 Größere stilistische Eingriffe finden sich erst in späteren Abschriften.269 In keinem Fall aber erweckt die Rossacher Handschrift in ihrer Gestaltung den Anschein, nur vorläufiges Resultat oder ein Zwischenschritt zu sein. Dagegen würde gerade auch sprechen, dass die vorliegende und gewissermaßen definitive Fassung in Abschriften übernommen wurde. Vielmehr beginnt umgehend nach – oder eben schon im Zuge – der Produktion die weitere Arbeit am und mit dem Text. Hier zeigt sich eine Besonderheit in der Rezeption handschriftlicher Texte.270 Sie können bei266 Ebd., S. 52, Z. 4–6; S. 122, Z. 1; S. 134, Z. 15f.; S. 141, Z. 1. Die Edition gibt allerdings die Hervorhebungen nicht eindeutig wieder, deshalb bleibt der Befund am Original zu prüfen. 267 Das unterscheidet die Rossacher Handschrift bereits von einer der ersten Abschriften, der Handschrift L (siehe Anm. 254), die wohl entsprechend ihrem Zweck als ›Geschenkausgabe‹ ungleich repräsentativer ausfällt. 268 Sichtbar schon in der Korrektur Hans Jacobs von Berlichingen, die einen Namen betrifft (»Mychell« statt »Wilhelm von Wertheim«, Ulmschneider, Fehd, S. 115, Z. 22) und die familiäre Situation detailliert: »Darzu˚ besorgtt ich au˚ch meines weibs vnnd khindts [von Hans Jacob verbessert zu: kynndern] die lag [von der Hand des Textes ergänzt: au˚ch] eines khindts [von der Hand des Textes ergänzt: d(er) zeit] innen.« (ebd., S. 122, Z. 20f., hier nach dem Original zitiert, siehe Abb. 2 in diesem Band). In dieser Art, obwohl nicht immer klar einer Hand zuzuweisen, z. B. S. 53, Z. 19 (»Bernh Conraden von Berlichingen«, wohl Abschreibfehler) oder S. 54, Z. 17 (»vettern [ergänzt und gestrichen: Conraden von Newenstein; dann verbessert: her Conraden von Berlichingen etc. ritternn]«). 269 Die größten Abweichungen zeigen die Handschriften S 1 und Sch 1, ihre Beschreibung bei Ulmschneider, Fehd, S. 35–37. Nur zu vermuten sind Anpassungen, die schon der Schreiber der Rossacher Handschrift beim Abschreiben seiner Vorlage vornahm. Einen möglichen Hinweis liefert ebd., S. 88, Z. 1f.: »Vnnd hett ich meine reutter vff ein zeit fundenn, wie ich sie beschaidenn hett, so hett herr Frowin von Huttenn mein gefangenner sein mussenn […]«. Hier wurde ein ursprüngliches »wehr« vor »hett« gestrichen und danach »herr« eingefügt. Eine Verwechslung (»wehr hett« für eigentlich »hett herr«) ist genauso wahrscheinlich wie ein Eingriff des Kopisten in den möglichen Anschluss »wehr herr… [gewesen]«, also in das stilistische Bemühen, eine Dopplung mit den direkt vorstehenden, gleichlautenden Bildungen des Konjunktiv Plusquamperfekt zu vermeiden. 270 Vgl. dazu auch unten S. 159 das Beispiel Herbersteins.
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nahe beliebig verändert werden, offensichtlich ohne dass dies ihre Geschlossenheit oder ihren (oft nicht unerheblichen) materiellen Wert negativ beeinflussen würde. Im Gegenteil ist dem Text jede Veränderung, jeder Arbeitsschritt – anders als gedruckten Schriften – direkt inkorporiert, bleibt nachvollziehbar und im Zweifel sogar revidierbar. Sogar Beschädigungen, die modernen Betrachtern als Mangel erscheinen mögen, könnten einen echten Mehrwert darstellen, da ihnen nämlich Zeugnischarakter zugeschrieben wird. Denn gegenüber einer bloß materiellen Qualität gewinnt das Manuskript durch seine tatsächliche Verwendung, das heißt eben als Gebrauchstext, an Individualität, auch: Authentizität und vor allem Exklusivität.271 Das Material kann hierin also grundsätzlich anders funktionieren als ein Drucktext. Jeder, der Zugriff darauf hat, ist zugleich autorisiert, sich den Text anzueignen – und zwar durch Eingriffe, die potentiell unmittelbar weiterwirken, indem sie nicht nur als Teil des Textes gelesen, sondern auch in Abschriften tradiert werden. Den Text dabei zu aktualisieren, dient schließlich dazu, ihn zugänglich und damit im Gebrauch zu halten – nicht zuletzt etwa durch die in Handschriften nicht seltenen mundartlichen Färbungen, die Kopisten auch in den Berlichingen-Text getragen haben.272 Der philologisch nachvollziehbare Wunsch nach Reinheit der Tradition spielt dabei zunächst kaum eine Rolle. Ganz im Gegenteil manifestieren und etablieren sich so mitunter Textfassungen, die auf den modernen Betrachter sinnentstellt wirken. Unter den BerlichingenHandschriften finden sich dafür einige Beispiele. Besonders auffällig ist ein Exemplar, das vermutlich im Umfeld des Württembergischen Hofs entstand. Die äußere Gestaltung als »[k]alligraphisches Meisterwerk« und die »gravierenden Mängel« der Textwiedergabe fallen hier scheinbar auseinander.273 Tatsächlich aber muss es sich nicht um einen Widerspruch handeln. Denn einerseits weist die besonders repräsentative Aufmachung die Handschrift eben als Objekt der Repräsentation aus, als Preziose – vielleicht auch als Kuriosität –, die vor allem der äußerlichen Anschauung dient. Deshalb ist die Handschrift auch aus dem 271 Zu diesem Modus der Kommunikation über und mittels Handschriften vgl. die Skizze von Sittig, Kommunität. 272 Handschrift Sch 1 bietet zahlreiche Wortvarianten. Nach Ulmschneider, Fehd, S. 36f. geht sie zusammen mit S 1 vermutlich auf dieselbe, bereits sprachlich angepasste Vorlage zurück. 273 Vgl. die Beschreibung der Stuttgarter Handschrift (S1): Ulmschneider, Fehd, S. 35f., die Zitate S. 36. Siehe dazu auch dies., Renaissance, Abb. 18 (Photo der ersten Seite der Handschrift). Ediert wurde S 1 von Ottmar F. H. Schönhuth: Leben, Fehden und Handlungen des Ritters Götz von Berlichingen, zubenannt mit der eisernen Hand, durch ihn selbst beschrieben. Nach der alten Handschrift nebst einigen noch ungedruckten Briefen des Ritters. Heilbronn 1858. Allerdings handelt es sich eher um eine Leseausgabe, die noch dazu nach anderen Abschriften stillschweigend ergänzt und korrigiert wurde (vgl. das Vorwort ebd., S. IV).
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zuvor beschriebenen Rezeptions- und Redaktionsprozess herausgenommen; das heißt, die ostentative Kostbarkeit verhinderte offenbar, dass sie von Lesern oder Schreibern überarbeitet wurde.274 Genau das verweist andererseits auf einen Gebrauch, der den Text nicht informationell behandelt, sondern ihn in seiner Gesamtheit als Träger von Bedeutung wahrnimmt. Nicht der äußerliche Realitätsbezug der Erzählung, vorgeführt in Details, die überprüfbar sind und schon deshalb für wahr gelten können, ist Referenzrahmen oder sogar Erkenntnisziel einer solchen Lesehaltung. Vielmehr wirkt der Text in seiner Gesamtheit, wird ihm Bedeutung zugeschrieben und beglaubigt so die repräsentative Form schon den inhaltlichen Wert. Der Text wird als bewahrenswert ausgestellt, und das zunächst einmal ganz unabhängig davon, ob hier Argumentation und Aussage in ihrer überzeitlichen Gültigkeit bestätigt werden soll oder eher dokumentarisch oder auch antiquarisch festgehalten wird. Das Bemühen um den ›besten Text‹ ist in den Handschriften also stets bezogen auf Anlass und weitere Verwendung. So wird deutlich, dass die Tradition sich vom konkreten, ursprünglichen Textinhalt auch lösen und die Bedeutung des Textes an sich gewandelt werden kann. Darauf soll weiter unten nochmals eingegangen werden;275 hier genügt es festzuhalten, dass in der Manuskripttradition Anpassungsfähigkeit angelegt ist – und damit die prinzipielle Möglichkeit, einen universal gültigen und ebenso verwendbaren Text zu kreieren. Gerade das macht es so schwierig, den Text festzulegen, ihn in seiner Bedeutung zu fassen. Denn die Frage lautet zunächst noch einmal: Was für eine Art Text haben wir hier vor uns? Warum wurde dieser Aufwand getrieben, den Text zu erarbeiten, um ihn dann umgehend zu überarbeiten? War eine solche ›Aufladung‹ durch entsprechenden Umgang vielleicht gerade hier nötig? Und schließlich auch: wozu wurde der Text eigentlich ›gebraucht‹?
2.3.
Formale Zuschreibungen
Der Text selbst gibt an seiner Oberfläche überraschend wenige Antworten. So wird der Leser statt einer vorgeschalteten Überschrift unvermittelt mit einer Ansprache konfrontiert: »An herrn Hansen Hoffma[n] burgermeister zu Hailbron, vnd Steffan Feyerabent der rechten litentiaten vnd sindicum daselbst. Insonders lieben hern gutte gonner vnd freundt!« Zumindest in ihrem ersten Teil ist diese Anrede persönlich, zielgerichtet. Der Sprecher wendet sich an zwei Empfänger, nennt sie beim Namen, bei ihrer Funktion oder auch Position und 274 Nach der Übersicht bei Ulmschneider, Fehd, S. 32–44 gehört S1 zu den wenigen Handschriften, die keine Bearbeitungsspuren zeigen. 275 Vgl. unten S. 137–140.
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bezeichnet deren Ort. Den nachgestellten Satz kann man als Erläuterung dazu lesen, sozusagen als vertraute Ansprache, wie sie auch ein persönliches Anschreiben, einen Brief einleiten könnte. Oder aber der Adressatenkreis wird hier erheblich erweitert, nach der Art von Vorreden, die sich an ein nicht näher bestimmbares Publikum, also »den Leser«, richten.276 Allerdings folgt hier keine namentliche Vorstellung des Sprechers, weder auf dieser Seite, der ersten des Textes, noch auf den folgenden. Stattdessen wird der Leser medias in res getrieben: Es haben vor euch viell andere meine guten hern vnd freundt, vor etlichenn viel jarn an mich begert, das ich meinen erbenn, khinden vnd nachkomen zu ehrnn vnd guttem, solte was ich mein tag, alls ein junnger ritterman vom adell, vnd ein armer reuterßman inn krieg, vheden vnd hendelnn, bey der rhom. key. mt., auch churfurstenn, furstenn vnd andern, von mein selbs vnnd anderer gutenn herrn vnnd freundenn wegen, in irenn vnd meinen aignen sachenn, kriegen vnd vheden (die ich lang zeit gegenn hohenn vnd nidern stenden gefurt), beschreibenn, vnnd in die feder khommen lassen sollt, wie ir bede dann nunmehr auch gleichfalls an mich begert.277
Anlass, Perspektive, Synopse und Medium des Textes, der nun folgen soll, scheinen in einem einzigen Satz erklärt. Als eine Art Überbietung wird das aneinander gereiht oder, besser gesagt, aufeinander geschichtet: Nicht nur die beiden Adressaten haben um den Text, so wie er jetzt vorliegt, gebeten, sondern noch viele andere mehr, und dies bereits seit Längerem; nicht nur die Erben, sondern die gesamte Nachkommenschaft sollen also Nutznießer der Schrift sein; ihnen zum Vorbild hat der Sprecher sich als edler Ritter und handfester Streiter in allen Arten von Konflikten bewährt und dabei jedem, vom Kaiser bis hinunter zu den »nidern stenden«, gedient. Und das alles ist allein verbunden durch die Ich-Instanz, die sich hier ebenso selbstverständlich wie vehement ins Zentrum rückt – ganze zehn Mal tauchen die entsprechenden Personalpronomina in dem kurzen Abschnitt auf. Zugleich, darauf sei nochmals verwiesen, wird an dieser Stelle nicht aufgelöst, wer sich hinter dem starken Ich verbirgt. Es wird nur deutlich, dass dieses Ich anscheinend für sich selbst zu stehen hat und auch stehen kann. Die Inszenierung schon dieser Prämisse überwältigt. Doch genau damit wird kalkuliert. Es handelt sich im Wortsinn um einen Paratext, der den Leser orientiert und zugleich den Ton der Erzählung vorgibt. Die Probleme von Kopisten 276 Vgl. nur die Funktion von Titelblättern im Druck, oben S. 47–53. – Beide Sätze erscheinen in derselben Hervorhebung. Allerdings ist die Adresse an Hoffman und Feyerabent vom zweiten Satz durch einen Absatz separiert. Für ihre Zusammengehörigkeit spricht, dass aus der Vorrede zur Hs. L (siehe Anm. 254), die die spezifische Widmung komplett tilgt, beide Sätze herausgenommen sind. 277 Ulmschneider, Fehd, S. 52, Z. 6–14. Die Edition ergänzt »erlebt« vor »beschreibenn«, hier ist es bewusst ausgelassen. Zur Begründung vgl. unten S. 113f.
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und vor allem der Editoren, genau das mit einem ebenso griffigen wie werktreuen Titel auf einen Nenner zu bringen, verwundert daher kaum. Das begriffliche Schillern im Titel der Ausgabe von 1731 etwa ist vielmehr Eingeständnis, diese Spannung deskriptiv nicht auflösen zu können, ohne den Wortlaut zu wiederholen.278 Es erweist sich aber ebenso, dass auch der Titel der immerhin zeitnahen Handschrift L, den Ulmschneider für ihre Edition adaptiert,279 nur eine Hilfskonstruktion ist. Zwar sind »vheden vnd hendelnn« in der Tat als eines der Kernthemen der Schrift benannt; doch schon die konstitutive Funktion der Ich-Instanz bedarf eben der Übersetzung, weil sie im Text nicht verschlagwortet ist. Nur deshalb nimmt dieser Titel vorweg, was erst am anderen Ende der Schrift – im Epilog, erneut, einem Paratext! – sichtbar gemacht wird: die Identifikation des Ichs mit jenem »Gottfrid von Berlichingen zu Hornnberg«.280 Dieses Ich kann hier aber zunächst gar kein Name sein, denn die Selbstdefinition erfolgt über Rollen, Funktionen, Diskurse. Schon die Gegenüberstellung ritter-man und reuterß-man macht deutlich, dass die damit benannten Sphären – Ritterlichkeit und kriegerische Funktion, Idee und Handlung – sehr wohl in ihren Unterschieden wahrgenommen werden, dabei aber doch in einer Person – dem »man« – vereint sind. Anders gewendet heißt das, dass im Text, anhand von »aignen sachen, kriegen vnd vheden«, also exemplarisch, Universalien verhandelt werden sollen. Es geht um eine persönliche Haltung, die vor einen allgemeinen, ideellen wie sozialen Hintergrund gestellt und so damit in Abgleich gebracht werden soll. Nicht zuletzt unterstreicht diesen stetigen Rückbezug des Individuellen auf das Allgemeingültige die Art, in der die Widmungsempfänger angeredet werden. Sie sind gegenüber den universalen Zuschreibungen der Ich-Instanz viel eindeutiger festgelegt; namentlich und mit nur einer, noch dazu ortsgebundenen Funktion (»burgermeister zu Hailbron«, »sindicum daselbst«) werden sie vorgestellt.281 Bereits von dieser Anlage her, das heißt seinem Anspruch nach, ist der Text einem großen Publikum prinzipiell geöffnet. Im direkten Anschluss an die einleitende Anrede der Widmungsempfänger – als Auslösern des Schreibens 278 Siehe Anm. 230. Die Ausgabe schließt daher, nur konsequent, eine Zusammenfassung an den Titel an, die im Wesentlichen die hier zitierte Eröffnungspassage paraphrasiert. 279 Die Handschrift L entstand vor dem 6. August 1577 (Datum des Widmungsbriefs). Siehe Anm. 254. 280 Diese ›Unterschrift‹ ist auf die letzte Seite, unter den Text gesetzt, vgl. Ulmschneider, Fehd, S. 141, Z. 26. Hinweise auf den Namen Berlichingens sind freilich schon früher eingestreut, etwa in der Anrede durch Dritte S. 60, Z. 30 und S. 66, Z. 11 (jeweils »Berlichinger«) oder als Selbstaussage am deutlichsten S. 115, Z. 15 (»ich Gotfrid von Berlichingenn«). 281 Erinnert sei hier an den Titel der ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten, in dem Universalität (Hutten als »eques«) und Gebundenheit (Pirckheimer als »patricius Norimbergensis«) des sozialen Rangs ebenfalls einander gegenübergestellt sind. Vgl. oben S. 53f.
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und somit unmittelbaren Adressaten – wird dann noch einmal ausdrücklich vorgeführt, wie sich der Kreis potentieller Leser sukzessive erweitern lässt:282 Zum »euch« der beiden Heilbronner Bürger stellt sich zunächst auch die IchInstanz als Empfänger (»mir«);283 sie bestätigt hier schon beiläufig die in beide Richtungen wirksame kommunikative Funktion des Textes, bezeichnet eine Selbstverständigung. Hinzu treten wiederum die »erben vnd nachkomen«, ergänzt um die Zahl der »andernn meinen gutten hern vnnd freundenn«;284 gemeint sind demnach die engere oder zumindest leibliche Verwandtschaft sowie eine umfassender gedachte familia, also ein Netz von Beziehungen und Bezügen, die eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten konstituieren. Allerdings ist sehr wohl reflektiert, dass die möglichst breite Rezeption des Textes auch den Zugriff derjenigen bedingt, die, gleich mit welchem Motiv, Anspruch und Einstellung des Textes missverstehen, anders wenden oder sogar angreifen könnten. Deshalb sind jene »mißgonner […], dennen ich dann hier innenn zubegegnenn […] furgenommen«285, explizit erwähnt und zugleich in die Leserschaft einbezogen. Nur so kann es schließlich gelingen, den Text wirklich zu universalisieren, ihn »eim jedenn« zu öffnen.286 Wie ernst das zu nehmen ist, verdeutlicht die detaillierte Auflistung von Adressaten in der Schlussrede. Sie übergibt den Text allenn frumen liebenn vnnd gottseligenn redlichen menschenn, sie sein kryegs leutt oder sonnst hohenn vnd nidern standts, kaisern, konigen, churfursten vnd fursten, grauen, freyenn herrnn, rittern vnnd knechtenn, stettenn vnd andern, sie sein inn welchem standt sie wollenn, gaistlichenn vnnd welltlichen, die inn vhedenn vnnd kriegs leuffen begriffen […].287 282 Die syntaktische Einheit umfasst bei Ulmschneider, Fehd, S. 52, Z. 15–26. 283 Beide Wörter folgen direkt aufeinander, ebd., Z. 16, und scheint als Sinneinheit auch dadurch markiert, dass, anders als in der übrigen Aufzählung, kein Komma zwischen sie gesetzt ist. 284 Ebd., S. 52, Z. 16–17. 285 Ebd., Z. 23–26. 286 Ebd., Z. 28–31, am Schluss der Widmung, in der Überleitung zur eigentlichen Erzählung: »[…] es soll niemandt khein mißfallenn daran haben, sonder mein vorhabenn, gemut vnnd meinung im bestenn verstehnn vnnd vffnemmen. Das will ich hingegen widerumb gegen eim jedenn freundtlichs vleiß beschuldenn vnnd verdiennen.« 287 Ebd., S. 141, Z. 15–19. Die Bildung »begriffen (sein)« meint hier die Erfahrungen der Leser mit Fehde und Krieg, ist also unter den »friedlosen« Bedingungen des 16. Jahrhunderts kaum als Beschränkung zu lesen. Zur strukturell bedingten Präsenz kriegerischer Gewalt in der Frühen Neuzeit vgl. Johannes Burkhardt: Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit. Grundlegung einer Theorie der Bellizität Europas. In: Zeitschrift für Historische Forschung 24 (1997), S. 509–574. Entsprechende Alltagserfahrungen werden für den deutschsprachigen Raum ganz überwiegend an Beispielen aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs beleuchtet; übergreifend angelegt bei Ronald G. Asch: ›Wo der soldat hinkömbt, da ist alles sein‹. Military Violence and Atrocities in the Thirty Years War Re-examined. In: German History 18 (2000), S. 291–309.
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Gerade in dieser Differenzierung wird noch einmal der umfassende Geltungsanspruch vorgeführt. Zwar liegt der Fokus erkennbar auf Personenkreisen, die über militärisches Wissen oder entsprechende Interessen verfügen, und werden so weibliche Leser nicht explizit angesprochen. Dennoch bleibt prinzipiell niemand von der Möglichkeit der Rezeption ausgeschlossen. Ein spezifisches Vehikel dieser Allgemeingültigkeit, darauf ist besonders hinzuweisen, ist die Allgemeinverständlichkeit der Sprache. Unter den Textfassungen finden sich, wie wir gesehen haben, auch sprachliche Varianten; Übersetzungn existieren dagegen nicht.288 Das Volkssprachliche, also das Deutsche ist dem Text aufs Engste verbunden. Das heißt zum einen, dass Vorbildung im Sinne von Sprachkenntnissen nicht vorausgesetzt wird und der Erzähler unmittelbar zu seinem Publikum sprechen kann. Zum anderen aber wird der Text dadurch einer Verbreitung jenseits der so eingezogenen Sprachgrenzen vorenthalten, der Geltungsbereich dann doch gewissermaßen kulturell begrenzt. Das betrifft nicht allein den Sprachraum an sich, sondern mehr noch die Sphäre, dem der Text somit implizit zugeordnet wird: Statt den Fokus zu weiten und etwa auf das Lateinische als lingua franca der akademischen Welt, der Welt des Geistes – eben auch: der Abstraktion – abzuheben, bleibt der Text ganz im Alltag verankert und dem konkreten Gebrauch und Nutzen, also dem Handeln verpflichtet. Anders als etwa bei Herberstein zeigt sich im Berlichingen-Text außerdem kein Versuch, durch Verweise, Zitate oder Imitation klassische oder höfische Bildung zu demonstrieren, sie zur Bedingung für das Textverständnis oder auch nur für eine mögliche spezifische Lesart, eine Art Allegorese zu machen.289 Deshalb aber ist die so zur Schau gestellte Schlichtheit nicht als Zeichen eines tatsächlichen Bildungsdefizits oder mangelnder Literaturkenntnisse auf Autorenseite zu werten, sondern als bewusster Verzicht, als überlegte narrative Strategie.290 Ziel scheint somit eher, den Text gegen geläufige literarische Muster wie den höfischen Roman oder die humanistische Fazetie abzusetzen und seine Eigenständigkeit zu behaupten.291 Das klingt schon darin an, dass der Text eben 288 Einzige Ausnahme ist bis heute, auf Basis der ersten Druckausgabe: Edouard Dupont (Hg./ Übers.): Les exploits chevaleresques de messire Goetz de Berlichingen / la main-de-fer 8crits par lui-mÞme (= Lumen animi. 4). Paris 1930. H. S. M. Stuart (Hg./Übers.): The Autobiography of Götz von Berlichingen. London 1956 bietet lediglich ein englisches Glossar zur Edition nach der Leithandschrift S 1. 289 S. Kap. IV, insb. zum Medienverbund S. 174–177. 290 Gegen eine Forschungstradition, die aus der angeblichen sprachlich-stilistischen Schmucklosigkeit der Erzählung auf ein literarisches Unvermögen des Autors schloss, wendet sich bereits Pastenaci, Erzählform, S. 69–76. Er selbst erkennt keine Orientierung des Textes an literarischen Vorlagen (ebd., S. 68f.) – was freilich nicht ausschließt, dass eine solche Ausrichtung bewusst vermieden wurde. Zumindest ist auffällig, dass jeglicher intertextuelle Bezug zu fehlen scheint. 291 Ganz anders etwa die »Biographie« Wiltwolts von Schaumberg oder auch die Zimmern-
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keine eindeutige Überschrift erhält, sondern der Leser allein durch die Widmung über die Inhalte der Schrift orientiert wird. Dieser Einstellung nach handelt es sich um einen gleichsam aliterarischen, einen rein sachbezogenen Bericht. Die Formulierungen entsprechen der Absicht: »beschreibenn, vnnd inn die feder khommen lassenn«, »vff das kurtzest zusammen ziehen, vnnd in schriffte[n] verfassenn«, schließlich »schreibenn oder anntzaigen« zu wollen, lautet der Vorsatz.292 Zugleich offenbart sich darin dann doch eine Anleihe. Der Duktus nämlich, eine Tendenz zu afiniten, dabei redundanten Formen und der häufige Gebrauch partizipialer Konstruktionen erinnert nicht nur hier an die Formelhaftigkeit der Urkunden- beziehungsweise Kanzleisprache.293 Dieser Stil durchzieht den gesamten Text. Die Analogien häufen sich aber, wo die Erzählung rechtliche Gegenstände berührt. Zu ihnen scheint auch der Akt der Übergabe an das zuvor bezeichnete Publikum gerechnet zu sein, nimmt man die formelhaften Zuschreibungen der Paratexte ernst. Nicht zuletzt spricht für diesen Zusammenhang die Gestaltung der abschließenden Textpassage. Sie vereint Fürbitte und ›Unterschrift‹ des Götz von Berlichingen und erinnert damit an apprecatio und subscriptio eines Eschatokolls.294 Obwohl also nicht auszuschließen ist, dass der Autor sich an einigen Stellen direkt auf Urkundenmaterial stützte und deshalb entsprechende Formulierungen in den Text übernahm, darf zumindest an diesen ein- und ausleitenden Stellen ein selbständiger Umgang mit dem Stilvorbild vorausgesetzt werden.295
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Chronik, die beide erkennbar durch die detaillierte Kenntnis höfisch-humanistischer Literaturtraditionen geformt sind. Vgl. Rabeler, Lebensformen; Rüdiger Schnell: Zur Geselligkeitskultur des männlichen Adels in Deutschland: Das Fallbeispiel Zimmerische Chronik (ca. 1552–66). In: ders. (Hg.): Konversationskultur in der Vormoderne. Geschlechter im geselligen Gespräch. Köln, Weimar, Wien 2008, S. 441–471. Ein Bezug der Berlichingen-Tradition gerade zur wenig früher entstandenen Zimmern-Chronik lässt sich nicht positiv belegen. Ulmschneider, Fehd, S. 52, Z. 12f., 18f und 27. Das ist bereits von Pastenaci, Erzählform, S. 50, Anm. 10, erkannt, für die Analyse aber nicht fruchtbar gemacht worden und so bislang unbeachtet geblieben. – Beispiele für die Zwillingsformeln sind etwa Ulmschneider, Fehd, S. 106, Z. 27 (»khur vnnd abtrag«), S. 111, Z. 20 (»verwanndt vnnd zugethann«), S. 133, Z. 3 (»bleibt vnnd steet«). Ulmschneider, Fehd, S. 141, Z. 22–26 (hier ohne Umbrüche wiedergegeben): »Vnd helff vnns daruff gott das ewig wortt, dem armen leib hie, vnd der seell dortt, vnd behutt vnns der allmechtig gott vor dem ewigenn todt. Amen. Gottfrid von Berlichingen zu Hornnburg[!].« Ein direktes Vorbild des gereimten Gebets, das einer Litanei entlehnt sein dürfte, ließ sich nicht ermitteln. Das betrifft vornehmlich formelhafte Wendungen in der Widmung (»beschuldenn vnnd verdiennen«, wie Anm. 286), aber auch an anderen Stellen (vgl. nur »khur vnnd abtrag«, Ulmschneider, Fehd, S. 106, Z. 27; »abnemmen vnnd erachtenn«, ebd., S. 133, Z. 28). Markierte Zitate aus Akten o. ä. fehlen im Text völlig (vgl. dagegen etwa Herbersteins Vorgehen, sichtbar insb. Anm. 452, oder auch die Verortung der ›Epistola‹ Huttens in einem Briefgespräch, S. 66f.). Allenfalls wird intertextuell auf Belege verwiesen, wie z. B. bei der
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In jedem Fall handelt sich also um eine Sprache, die diese Assoziationen aufruft. Anders gewendet, handelt es sich um eine spezifische Rhetorik, und wir können feststellen, dass der Text, indem er sich auf formale Vorbilder einerseits beruft, sie andererseits zu meiden scheint, sich hierin als sorgfältig abgewogene, eben rhetorische Konstruktion begreifen lässt. Mehr noch, wir müssen uns fragen, ob neben der sprachlichen Analogie beziehungsweise Distanzierung das starke Ich wie dessen Ausstellung vor einem möglichst umfassenden Publikum auch Teil dieser Konstruktion sind. Angestoßen ist hier nämlich mehr als nur eine Erzählung, den Lesern »zu ehrn vnnd gefallen«296. Vielmehr geht es, daran sei erinnert, um Überzeugungen und Haltungen, die sich im konkreten Handeln niedergeschlagen haben und hier exemplarisch vorgeführt werden sollen. Es soll schließlich aufgezeigt werden, »wie sich inn warheit alle sachen vnnd handlungenn von khindtheit auff mit mir verloffenn«297. Es geht um Rechenschaft, um Rechtfertigung des persönlichen Handelns, vor anderen wie vor sich selbst und angesichts eigener wie allgemeiner oder prinzipiell verallgemeinerbarer Ansprüche. Die rhetorische Aufladung mit betonter Sachlichkeit und Rechtsverbindlichkeit, aber auch in der Behauptung eines eigenen Standpunkts, der hier vertreten und für den öffentlich, vor Publikum plädiert wird, ist genau diesem Anliegen geschuldet. Damit ist eine wichtige Bestimmung gewonnen. Allein durch die Rahmung des Textes wird ein Rechenschaftsbericht298 angekündigt, der die Taten Berlichingens, geschildert aus seiner Perspektive, zum Thema hat. Weder eine Sammlung von Anekdoten und Schwänken noch ein allsehendes historiographisches Werk, ein intimes Bekenntnis ebenso wenig wie eine distanzierte Lebens-Beschreibung des Protagonisten will der Text bieten, sondern vielmehr eine gerichtete, absichtsvolle Erzählung jener »krieg, vheden vnd hendelnn«, eben einen Tatenbericht.
Behauptung, Berlichingen könne die Rechtmäßigkeit eines Überfalls (1516) auf Graf Philipp II. von Waldeck »mit brieff vnd sigell vnd des graffen vonn Waldeckhs hanndtschrifft selbs, vnd mit andernn vertregs brieffenn vnd sigeln darthonn vnd genugsam beweisenn« (Ulmschneider, Fehd, S. 114, Z. 16–18). 296 Ebd., S. 52, Z. 17 (Hervorh. d. Verf.). 297 Ebd., Z. 27f. (Hervorh. d. Verf.). »sachen« sind wiederum tautologisch den »handlungenn« verbunden, der Begriff meint deshalb hier in einer ursprünglicheren Bedeutung Streit oder dessen Ursache, eben den Rechtshandel (parallel ebd., Z. 17f.: »sachenn vnnd henndel«). Zur Begriffsgeschichte vgl. Grimm, Wörterbuch 14, Sp. 1592–1601. 298 Auf den Begriff gebracht wird das noch einmal ganz am Schluss des Textes, der als »außschreibenn« (Ulmschneider, Fehd, S. 140, Z. 40) bezeichnet wird. Das meint u. a. Verantwortungsschreiben und Ursachenbericht, nicht zuletzt im Kontext der Fehde; vgl. Graf, Gewalt, insb. Anm. 26–28.
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Kunstlos, knapp und konzise – das sind drei Schlagwörter, die sich mit dem ›Genre‹ des Tatenberichts verbinden lassen. Vorbild dafür sind, wie so oft im Zeitalter der Renaissance, antike Texte. Ein bekanntes Beispiel etwa sind die ›Res Gestae divi Augusti‹, die, inschriftlich erhalten, allerdings erst 1555, kurz bevor der Berlichingen-Text entsteht, im türkischen Ankara entdeckt worden sind.299 Der Bericht des Augustus selbst steht aber bereits in der älteren Tradition der commentarii, von Geschäftsberichten also, in denen römische Magistrate gegenüber dem Senat, der Familie oder sich selbst Rechenschaft über ihre Amtsführung ablegten. Eine völlig neue Verwendung dafür fand Caesar, der seine Berichte klar erkennbar als Ruhmeswerk, als öffentliche Texte anlegte – und so letztlich stilbildend wirkte. Gerade in der Frühen Neuzeit orientierte man sich verstärkt an dieser Vorlage, nicht zuletzt, um überhaupt eine Möglichkeit zu erschließen, über eigene Taten zu sprechen und zu schreiben.300 Die größte Schwierigkeit für Nachahmer stellte nämlich dar, unter das Verdikt sündhafter Eitelkeit zu fallen, das heißt Konventionen insofern zu verletzen, als allenfalls fremdes Lob eigene Leistungen akzentuieren durfte. Die Widmung des Berlichingenschen Tatenberichts offenbart die Schwierigkeit auf zweierlei Weise: Zum einen beteuert die Ich-Instanz, mit dem Schreiben keineswegs »ainigen rhum oder grossen namen damit zusuchenn oder zuerlangenn«, sondern nur auf Anregung und darüber hinaus zur Abwehr ehrenrühriger Deutungen ihres Handelns schreibend tätig zu werden.301 Zum anderen soll der Inhalt des Textes ganz auf die Taten reduziert sein, also die Person Götz von Berlichingen allein in Rolle und Funktion vorgeführt werden, statt sie als Individuum im Text zu behaupten und damit überhaupt erst zu konstruieren. Dafür nämlich hat der Text nicht einmal einen Begriff: Erst die Edition ergänzt das Prädikat der Aufforderung, die Ich-Instanz »solte was ich
299 Entdecker des sogenannten Monumentum Ancyranum war der kaiserliche Gesandte Ogier Ghiselin de Busbecq (1522–1592), der zur selben diplomatischen Entourage Ferdinands I. gehörte wie Sigmund von Herberstein. Vgl. Hans Volkmann (Hg.): Res Gestae divi Augusti. Das Monumentum Ancyranum (= Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen. 29/30). 3., durchges. Aufl. Berlin 1969. Zu Busbecq immer noch grundlegend: Charles T. Foster und Francis H. Blackburne Daniell (Hgg.): The Life and Letters of Ogier Ghiselin de Busbecq, Seigneur of Bousbecque, Knight, Imperial Ambassador. 2 Bde. London 1881. 300 Zu derselben Problemlage oben S. 59 und unten S. 165f. und vgl. vor allem Enenkel, Erfindung, S. 10f. Die Entwicklung der französischen m8moires in Abgrenzung zu den klassisch geformten commentaires beleuchtet zusammenfassend Kleber, M8moires, S. 333– 336. 301 Ulmschneider, Fehd, S. 52, Z. 21f. Hierher passt erneut die textimmanente Zuschreibung als »außschreiben«, vgl. Anm. 298.
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mein tag [… erlebt] beschreibenn«.302 Was als persistenter Abschreibfehler erscheinen mag, kann an dieser neuralgischen Stelle ebenso als Auslassung verstanden werden; denn den Satz zu vervollständigen war offensichtlich entweder unnötig oder konnte die Aussage an sich beeinflussen. Um ein Erleben, das mit passiver Zeugenschaft konnotiert ist, darf es gerade nicht gehen, sofern der zentrale Gegenstand des Handelns, der Tat, die aktiv ins Geschehen eingreift, ernst genommen wird. Darauf aber ist schon der Anfang der Erzählung ausgerichtet. Der Bericht beginnt zwar chronologisch korrekt mit der Kindheit, aber eben nicht mit der Geburt Berlichingens. Stattdessen wird er eröffnet mit einer Art Vorsehung, wonach ich ein wunderbarlicher junger knab gewest, vnd mich dermassenn inn meiner khindtheit ertzaigt vnd gehalltenn, das meniglichen darauß gespurt vnnd abgenommen, das ich zu einem kriegsman oder reutterßman gerathen wurde, auß villenn vrsachenn, die allhie zuerzellen zulang vnnd vnuonnotten, welchs ich dann fur mein personn nit gewust hett, wann es mir nit erzellter massenn seithero gesagt vnd angezaigt wer wordenn.303
Die nachträgliche Einschränkung ist entscheidend. Denn zum einen zeigt sie an, dass es sich um nur durch Dritte berichtete und zu belegende Erzählungen handelt, also um keine bewusste Erfahrung und folglich auch nicht um ein Geschehen, das Berlichingen selbst hätte beeinflussen können. Zum anderen dienen die Prodigien aber dazu, die eigentlich erste eigenständige Handlung des jungen Berlichingen vorzubereiten und sie gleichzeitig zu legitimieren. Indem nämlich Berlichingen sowohl »mein mutter sellig viellmaln gebetenn, man sollt mich hinweg vnnder die frembden thonn« als auch »nit vill lust zur schulenn, sonnder villmehr zu pferden vnd reutterey« zeigt, bringt er sein Leben in Übereinstimmung mit einem schicksalhaften Plan.304 Die Entscheidung, Ritter zu werden, ist die einzig richtige. Und so besteht sie auch noch weitgehend unverändert am Ende der Erzählung, überspannt scheinbar mühelos ein ganzes Leben. Die Haltung ist zeitlos – und in gewisser Weise auch: geschichtslos. Es gibt keine Herleitung, keine klar 302 Das Zitat wie Anm. 277 (Hervorh. d. Verf.). Der textkritische Apparat (Ulmschneider, Fehd, S. 142) weist die Fehlstelle in allen Handschriften aus. Eine syntaktische Auflösung bietet nur der vorangehende, allerdings durch Klammern klar abgetrennte Relativsatz »die ich lang zeit gegenn hohenn vnd nidern stenden gefurt«, dessen Prädikat für den Finalsatz ›mitgedacht‹ sein könnte. Das würde der Betonung des aktiven Handelns eher entsprechen. 303 Ebd., S. 53, Z. 5–10. Das Attribut »wunderbarlich« verzeichnet Grimm, Wörterbuch 30, Sp. 1853–1862, vornehmlich als Index göttlichen bzw. übernatürlichen Wirkens. 304 Ebd., Z. 11f. und 17f. Eine mögliche Anlehnung an die lutherische Berufsethik sei hier nur angedeutet; Berlichingens Hinwendung zum Protestantismus behandelt Ulmschneider, Renaissance, S. 221–226 und resümiert: »In der Lebensbeschreibung hat er sich zu diesem brennenden Problem seiner Zeit [der Reformation, d. Verf.] nicht geäußert.« (ebd., S. 224).
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benennbaren Vorbilder, keine Geneaologie der Handlungsmotive und -logik; so wie das Ich, das jene Haltung trägt, ohne sie sich bewusst anverwandelt zu haben, für sich selbst kein Herkommen ausstellt. Erwartungen oder Verpflichtungen, die sich aus einem familiären und nicht zuletzt ritteradligen Kontext ergeben, scheinen nicht zu existieren. Überhaupt bleibt der ›private‹ Bereich der engeren Familie bis auf kürzeste Erwähnungen völlig ausgespart.305 Ebenso wird das Gefühlsleben nur thematisiert, wenn es eine Handlung – in der Regel dramatisch – zu akzentuieren vermag, etwa da eine besondere Verzweiflung »auß lautter zornn vnd vnmuth mit weinenden augen«306 Ausdruck findet. Auch hierin ist die Prämisse des klassischen Tatenberichts durchgehalten, sich ganz auf den cursus honorum, die sichtbare oder ›öffentliche‹ Außenseite des Lebens zu konzentrieren. Erzählt wird dieses ›öffentliche‹ Leben allem Anschein nach anhand einer recht streng eingehaltenen chronologischen Ordnung. Als Orientierungspunkte dienen Ereignisse, deren Datierung in der Regel als bekannt vorausgesetzt wird und bei denen es sich fast ausnahmslos um kriegerische Auseinandersetzungen, also Feldzüge oder Schlachten, handelt. Demgegenüber deutlich seltener wird auf gesellschaftliche oder politische Ereignisse verwiesen.307 Voraussetzung bleibt freilich stets, dass Berlichingen am Geschehen beteiligt oder von dessen Auswirkungen betroffen ist. So werden etwa die Schlachten des Schweizerkriegs 1499 nur summarisch berichtet und kommentiert, da »mein herr der marggraff ist bey derselbigen hauffenn kheinem gewest«308, während an anderer Stelle die Eroberung Reutlingens durch Herzog Ulrich von Württemberg im Januar 1519 als Ursache erscheint, »darumb sich dann irer fn. gn. vnd mein vnngluck annhebenn thett«309. Sparsam arbeitet der Text schließlich auch mit Jahreszahlen. Sie 305 Weder die Eltern noch die Ehefrauen noch die Kinder werden namentlich, sondern nur in ihren jeweiligen ›Rollen‹ genannt (z. B. Ulmschneider, Fehd, S. 104, Z. 1: »mein haußfraw«, S. 122, Z. 20f. »meines weibs vnnd khindts« (vgl. auch Anm. 268). Dagegen erscheinen einige Brüder (Philipp etwa ebd., S. 63, Z. 29, Hans S. 114, Z. 5, und Hans Wolf S. 123, Z. 14) und andere männliche Verwandte (z. B. die »vettern« Conrad, S. 53, Z. 19, und Bernhard, S. 69, Z. 13) mit Namen. 306 Ebd., S. 132, Z. 11. Anlass ist eine nicht näher datierte Unterredung mit Vertretern des Schwäbischen Bundes in Augsburg, wo Berlichingen in den Jahren 1528–30 gefangen gehalten wurde. 307 Das sind die Hochzeit des Landgrafen Wilhelm II. von Hessen im Jahr 1496 (Ulmschneider, Fehd, S. 59, Z. 27ff.) sowie die des Pfalzgrafen Ludwig V. 1511 (ebd., S. 90, Z. 30ff.), daneben die Reichstage zu Worms 1495 (ebd., S. 54, Z. 1) und Lindau 1498 (ebd., S. 55, Z. 16, 19). 308 Ebd., S. 63, Z. 17. In diesem Abschnitt (Z. 15–26) wird ein Augenzeugenbericht über die Schlacht bei Dornach (22. Juli) referiert, wonach die Niederlage der Reichstruppen durch »varlessigkeitt, verachtung vnd liederlicheit« verschuldet worden sei. Die Passage erscheint ganz am Ende der Schweizerkrieg-Episode und somit an Stelle eines Fazits durch den Erzähler. 309 Ebd., S. 100, Z. 35.
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kommen nur dort zum Einsatz, wo Ereignisse berührt werden, die einem breiteren Publikum nicht unbedingt vertraut sein dürften – wie das Gefecht bei Affalterbach (1502) oder Berlichingens Fehde gegen Mainz (1515/16) – oder, mehr noch, die eigens betont werden sollen – wie der Bayerische Erbfolgekrieg (1504/05), der für Berlichingen mit dem Verlust der Schwerthand endete.310 Insgesamt wird so der Eindruck erweckt, die Erzählung schreite relativ gleichmäßig in der Zeit voran und sei damit an einem eben logisch nachzuvollziehenden Strukturprinzip entwickelt. Darüber hinaus wird ein internes Bezugssystem geschaffen, auf das verwiesen werden kann (»ist diser zug ein jar vor dem Schweitzer krieg gewest«) oder das nach Exkursen zur Haupthandlung zurückzukehren erlaubt (»[n]ach aller oberzellter hanndlung«).311 Zugleich befreit diese abgesicherte Organisation des Textes von der Notwendigkeit, allzu streng dem chronologischen Raster zu folgen, schafft Räume, um zu erzählen, zu extemporieren, zu fabulieren. Genau diese Freiräume und wie sie gefüllt werden, haben den Reiz des Textes für die Forschung – und nicht zuletzt für die literarischen Bearbeitungen des Stoffs – ausgemacht. Denn hier scheinen Szenen ritteradligen Alltags zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit in den Blick zu geraten, die, in großer Anschaulichkeit geschildert, dem Leser gleichsam bildlich vor Augen geführt werden. Dabei wird die Handlung mit der Autorität nicht nur des Augenzeugen, sondern, wie der Tatenbericht es bedingt, des aktiv Beteiligten in eine Nahperspektive geholt. Die Tat bleibt daher das bestimmende und verbindende Moment. Die Episoden, Reihe um Reihe in das chronologische Grundmuster eingewoben, zeigen Götz von Berlichingen in ständiger Auseinandersetzung. Verengt ist das freilich auf bewaffnete Konflikte, auf den Kampf. Zivilere Formen des Streits, etwa im Gerichtsprozess, sind fast völlig ausgeblendet und erscheinen in der Regel nur als Konsequenz einer Waffentat.312 Berlichingens Ausbildung, ob als Page am 310 Besonders dicht sind die Datierungen der Mainzer Fehde, allein vier auf den ersten drei Seiten der Erzählung (fol. 67v–68v, in der Edition S. 105, Z. 13, 16 und 24, S. 106, Z. 4). Die anderen Daten sind: »do man 1502 geschribenn hatt« (ebd., S. 68, Z. 11) und »do man 1504 hatt geschriebenn, fing sich der Beyerrisch krieg ann« (ebd., S. 73, Z. 5f.). Pastenaci, Erzählform, S. 60 vermutet, dass der Vorgriff auf die Zeit der Gefangenschaft nach 1519, den die Mainzer Fehde rahmt, undatiert bliebe, um sie »im zeitlosen Raum« zu belassen. 311 Die Zitate ebd., S. 57, Z. 12f. (im Bezug auf den Feldzug Maximilians I. in Burgund 1498) und S. 115, Z. 4 (nach dem Resümee zur langjährigen Fehdetätigkeit, das in die Erzählung der Auseinandersetzung mit Mainz eingebettet ist). Am weitesten zurück greift der Verweis »kurtz nach der Rottenburgischen hanndlung« (ebd., S. 134, Z. 17), der die Handlung an dieser Stelle um rund 15 Jahre zurücksetzt (Bezug: ebd., S. 82). 312 Namentlich die Heilbronner Gefangenschaft 1519–1522 (im Text: Ulmschneider, Fehd, S. 103f.) und der Prozess zu Augsburg 1528–30 (ebd., S. 129–134). Auch die bereits erwähnten Reichstage und Hochzeiten (Anm. 307) bilden stets nur Auftakt oder Nachspiel bewaffneter Auseinandersetzungen, die politische, gesellschaftliche oder auch kulturelle Bedeutung dieser Ereignisse spielt keine Rolle; vgl. etwa die lapidare Erklärung: »da reitten
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Ansbacher Hof oder als Gehilfe erfahrener Standesgenossen, besteht vor allem aus der Bewährung in Kriegen, Fehden und gelegentlichen Messerstechereien. Sie geht nahtlos über in die militärischen Unternehmungen, die er in Eigenregie, teilweise aber auch als ›Auftragsarbeit‹ durchführt und die hier mehr oder weniger exklusiv, das heißt konzentriert auf seine Person und ungeachtet äußerer Entwicklungen, geschildert werden. Berlichingen erscheint so aber auch immer wieder als Knotenpunkt in einem Netz von Beziehungen, das augenscheinlich früh geknüpft wurde und schließlich ein Panoptikum des deutschen Niederadels zu bieten scheint: Schon während der ersten ritterlichen Ausbildung bei einem Verwandten werden dessen »vnnd seiner guttenn freundt, auch der ritterschafft inn Frannckhen geschefftenn vnnd sachenn« aufgerufen, »[d]arbey ich dann allenthalbenn alls ein bueb vnd junger muste mit reittenn vnnd gebraucht werdenn«;313 wenig später wird die Ich-Instanz vor einer Versammlung der »bestenn vnnd geschickstenn ritter vnnd knecht […], die im lanndts Frannckhenn wahrn«314, belobigt – soziales Kapital, das nur vordergründig bescheiden als »mir vnd meinem bruder, die liebste besoldung« verbucht wird, »darann wir vnns auch, alls arme gesellen von adel woll haben benugen lassen«315 ; deshalb strömen in Berlichingens Gefängnis, angeführt von Berühmtheiten wie Franz von Sickingen und Georg von Frundsberg, »ir viel, das sie nit all sitzenn khondten, sonder musstenn das mehrer theill stehnn«316 ; wiederholt begleiten und fördern »andere mehr vom adell vnnd anndere gutte gesellenn«317 die im Text vorgeführten Unternehmungen, und immer wieder werden freundschaftliche oder verwandtschaftliche Bande, auch zu zeitweiligen Gegnern, erklärt;318 nie, auch nicht in der größten Not, steht die Ich-Instanz wirklich
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vnnser vil junger gesellenn vom adel, wie man dann thut, auch dohin vff die hochzeitt« (Ulmschneider, Fehd, S. 90, Z. 32f.). Ebd., S. 53, Z. 23–27. Ebd., S. 68, Z. 39f. Ebd., S. 69, Z. 32–34. Ebd., S. 79, Z. 29f. Ulmschneider, Fehd, S. 82, Z. 13f. Das dichte Netz aus Fürsten, Grafen und Rittern ist etwa illustriert ebd., S. 115, Z. 15–19: »Da bin ich Gotfrid vonn Berlichingen durch graue Micheln vonn Werttheim, meim gnedigen herrn […], schennck Veltin, vnnd schennck Eberhartenn von Erppach gebruder […] angesprochen wordenn, die that so ann Jorgen von Bodigkheim begangenn zu rechnenn. Vnnd beschiedt mein gnedigster churfurst vnd herr pfaltzgraff Ludwig hochloblicher gedechtnus Wilhelm vonn Habernn, vnnd mich gehen Haidelberg zu khommen, vnnd hettenn ire churfn. gn. graff Mychell von Wertheim, vnnd der zeit schennck Veltin vnnd Eberharten gebrudernn vonn Erpach auch dahin beschriben sammet irer churfn. gn. geheimstenn rethenn, die auch bey irer churfn. gn. wahren.« Namentlich als Freunde und Förderer genannt sind etwa Hans von Massenheim gen. Thalacker (zuerst S. 64, Z. 4f.), Hans von Selbitz (z. B. ebd., S. 80, Z. 7) sowie Mitglieder der Familien Sturmfeder (ebd., S. 79, Z. 19), Gebsattel (ebd., S. 89, Z. 32f.), Littwach (ebd., S. 92, Z. 31–S. 93, Z. 1) und Seckendorff (ebd., S. 93, Z. 10). Eine wichtige verwandtschaftliche Bezugsgruppe ist die Familie von Thüngen, der Götz von Berlichingen mehrfach
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allein.319 Hier tritt die Ich-Instanz tatsächlich mit »hohenn vnd nidern stenden«, vom Kaiser bis zum einfachen Knecht, in persönlichen Kontakt.320 Das Geben und Nehmen, die gegenseitige Unterstützung in diesem Netzwerk ist wiederholt Thema. Sogar den Bruch, den der bereits bezeichnete Verlust der rechten Hand (1504) für Berlichingens Dasein als Praktiker der Gewalt eigentlich bedeuten müsste, scheint er nicht zuletzt dank des Zuspruchs der Freunde überwinden zu können. Bevor noch die Umstände der Verwundung dargelegt werden, richtet sich der Blick auf fürstliche Gönner und adlige Gefährten, auf eine Gemeinschaft also, die sich um Berlichingens Krankenlager sammelt und, auch jenseits aktueller Konfliktlagen, sich hier konstituiert: Vnd khamen sunst vill anndere mehr gesellenn zu mir, also das ich inn zweyenn oder dreyenn tagen nit vill ruhe hett, es wahr gleich ein walfart zu mir. Vnd khamen viell gutter leutt, die mich kanthen vnnd besahenn, wie mirs gieng, vnd kham auch sunderlichenn zu mir her Jorg vonn Rosennberg, vnnd her Jorg Truchsas vonn Awe, vnnd vill groser hansenn mehr, die mich besahenn, vnd marckhtt von inen als viel, das mein gnediger herr hertzog Rupprechtt selbs ein mitleidenn mit myr hett, wiewol ich wider inn gewest wahr.321
Dieser im Text vorgeschaltete Gemeinschaftssinn bildet die Grundlage für das Gottvertrauen, auf das die Ich-Instanz sich erst wieder besinnen muss. So erst gelangt sie zu der Einsicht, dass »wann ich schon zwolff henndt hett, vnd sein gottliche gnadt vnnd hilff mir nit woll woltt, so wehr es doch alls vmb sonnst«322. Die erhebliche physische Einschränkung lähmt den Tatendrang im Rückblick
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und v. a. durch die Mutter verwandt ist (vgl. den Einfluss des Neidhart von Thüngen, »meiner mutter selligen bruder«, ebd., S. 64, Z. 22–25 und öfter). Andere Verwandte sind z. B. »mein schwager Sigmundt Thruchssaß […], der hett mein schwester« (ebd., S. 120, Z. 40–S. 121, Z. 1) oder »Martin von Sickingenn mein schwager« (ebd., S. 91, Z. 38). Zu ›vertrauten Feinden‹ gehört bspw. Frowin von Hutten, Vorstand der Gesamtfamilie von Hutten und zugleich Hofmarschall des mit Berlichingen verfeindeten Mainzer Erzbischofs Albrecht von Brandenburg: »Zu dem so war mir ermelter vonn Hutten ein lieber vnnd naher freundt, gegen dem ich auch, weil er ein waidtlicher ritter wahr, nit wollt ernnstlich gemeindt habenn […]« (ebd., S. 88, Z. 15–17). Zu Frowin von Hutten siehe Anm. 219. Im Nachgang zum Bauernkrieg heißt es: »Nun khan vnnd will ich meiner großenn notturfft nach, auch eim jedenn nit verhalten, das ich vff etlicher leutt annsuchenn, die meinethalben mit herr Jorg Thruchssaßen geredt, zu ime ghenn Stuckgarten gerittenn« (Ulmschneider, Fehd, S. 129, Z. 6f.). Dieselben Beziehungen bewirken schließlich, dass Berlichingen »vff furbitt churfurstenn vnd furstenn vnnd annderer meiner herrn vnnd freunndt auß meiner verhafft in meinem hauß« entlassen wird (ebd., S. 137, Z. 25–28, die Passage bis Z. 36); mehr noch, dass umgekehrt dieses Netzwerk über Berlichingen aktiviert werden kann, da er direkt anschließend in kaiserliche Dienste berufen wird und zahlreiche Freunde »gleich im fueßstapffenn mir zugefallenn mitrittenn« (ebd., S. 138, Z. 1f.). Die Begegnung mit Maximilian I. zu Beginn des Schweizerkriegs 1499: ebd., S. 61. Ebd., S. 75, Z. 30–S. 76, Z. 2. Ebd., S. 77, Z. 14f.
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der Erzählung jedenfalls nur kurzfristig, und das kann letztlich als eigene Leistung ausgestellt werden. Rechnet man die nachgestellte Erzählung der Kämpfe »außer halb denn vhedenn« sowie der Teilnahme an den Feldzügen in Ungarn (1542) und in Frankreich (1544) hinzu, so nimmt die Schilderung der Kämpfe und handgreiflichen Konflikte rund 80 Prozent des Textes ein.323 Selbst das ›Intermezzo‹ der Haft in Heilbronn, Ergebnis der Parteinahme für den 1519 gestürzten Herzog Ulrich von Württemberg, wird als Ringen um »die ritterliche gefenngnus« dargestellt, in dem sich Berlichingen einerseits persönlich »mit dem wehr herrauß«, andererseits mit einem – prompt beantworteten – Appell an die Gemeinschaft ritterlicher Kampfgenossen durchsetzen kann.324 Die verbleibenden 20 Prozent des Textes entfallen dann zum größten Teil auf die »große beurische vffrhur« von 1525 und ihr juristisches Nachspiel bis 1530. Zwar spielt auch hier der Konflikt weiterhin eine tragende Rolle, allerdings betrifft das nicht primär die militärischen Aktionen der Bauern und Berlichingens Rolle darin. Das wäre auch kaum denkbar, können doch die Taten von ihrem Resultat her gesehen, also der vernichtenden Niederlage der Aufständischen und dem Ehrverlust Berlichingens im maßgeblich vom Schwäbischen Bund betriebenen Prozess, kaum im Sinne der Leistungsschau verbucht werden. Vielmehr geht es darum, den Druck spürbar zu machen, unter den der Ritter von Standesgenossen, Bauern, politischen Gegnern gesetzt wird – und unter den ihn schließlich auch die an sich selbst gestellten Ansprüche setzen. Der hier bezeichnete Konflikt ist ins Innere verlagert, rührt aber gerade dadurch an Grundsätzlichem: Es stellt sich nämlich die existentielle Frage, wie sich die zuvor aufgebaute Haltung bewahren lässt, wie das Ich sich angesichts der massiven Herausforderung seiner selbst behaupten kann. Dafür eine Lösung zu finden, ist die eigentliche Tat. Die unmittelbare und eben untätige Folgezeit findet dagegen nur sehr flüchtige Erwähnung.325 Der Bericht schließt mit einer doppelten Rückkehr : zunächst als 323 Zur Verteilung der Seiten auf die einzelnen Abschnitte vgl. oben S. 104. 324 Die Zitate: Ulmschneider, Fehd, S. 104, Z. 5f. und S. 103, Z. 32. Das Beistandsgesuch richtete sich an Franz von Sickingen und Georg von Frundsberg, beide hielten noch die Truppen unter Waffen, die sie gegen den Württemberger Herzog geführt hatten. Das Prozessgeschehen zeichnet Ulmschneider, Renaissance, S. 107–124, aus den ebd. verzeichneten Akten nach. Wiederum wird deutlich, dass der Tatenbericht sich über offenbar wohl bekannte Fakten und Hintergründe des Umsturzes in Württemberg ausschweigt und nur das unmittelbar auslösende Moment benennt (siehe Anm. 309). Zu den Entwicklungen in Württemberg maßgeblich Franz Brendle: Dynastie, Reich und Reformation. Die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich (= Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen. 141). Stuttgart 1998, sowie ergänzend jüngst die Beiträge in Götz Adriani und Andreas Schmauder (Hgg.): 1514. Macht, Gewalt, Freiheit. Der Vertrag zu Tübingen in Zeiten des Umbruchs. Ostfildern 2014. 325 Vgl. Ulmschneider, Fehd, S. 131, Z. 5–12. Die Ich-Instanz beschreibt, wie sie »einmall vff
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Reminiszenz an frühere Waffentaten, von der aus dann der Bogen gespannt wird zur Zusammenfassung der beiden letzten Kriegszüge, an denen Berlichingen teilnahm, bevor er sich – diesmal endgültig – als »allt kriegsman«326 in die Häuslichkeit zurückzieht. Wir halten noch einmal fest: Der Text präsentiert die Figur des Götz von Berlichingen fast ausschließlich als Kämpfer. Das setzt zum einen voraus, Vorlauf, Unterbrechungen und Abbrüche dieser Tätigkeit nur insoweit in den Text zu integrieren, als sie für das Verständnis der Handlung, konkret des Handelns der Ich-Instanz notwendig sind. Zum anderen muss der Berichtszeitraum ganz auf das waffenfähige Alter des Protagonisten zugeschnitten und beschränkt werden. Im Text ist diese Lebensphase sicher nicht zufällig mit der ersten und der letzten Jahresangabe genau definiert, deckt also zwischen dem »ersten riedt« 1495 und der definitiven Heimkehr 1544 eine Zeitspanne von exakt 50 Jahren ab.327 Der Anspruch des Tatenberichts ist damit vollends erfüllt: Die Lebensgeschichte ist auf eine reine Leistungsschau verdichtet.328 Leistung bedeutet im dem waidt werck gewest« und dabei in Sorge geraten sei, »der marckhung, so mir inn der verschreibung [der Urfehde von 1530, d. Verf.] bestimbt geweßenn nit inn achtt genommen« zu haben, was sich aber als unbegründet erwies. Die Stelle dient als Beleg für die peinliche Einhaltung der Auflagen durch den Schwäbischen Bund, ist also lediglich Ergänzung der Bauernkriegsepisode. 326 Ebd., S. 139, Z. 30. 327 Zitat ebd., S. 53, Z. 22. Die Erzählung gewinnt fast ein volles Jahr, indem S. 54, Z. 3f. erklärt wird: »Vnd sein wir freylich inn der ersten fastwochenn ghenn Wormbs khommen […].« Der Reichstag sollte ursprünglich schon am 2. Februar 1495 eröffnet worden, vgl. RTA MR 5, I/1, S. 124–129, Nr. 27. Über den Frankreichfeldzug 1544 heißt es (Ulmschneider, Fehd, S. 138, Z. 28): »Da fing der wintter ann, vnd gieng daher […].« Tatsächlich endete das Unternehmen im September desselben Jahres mit dem Frieden von Cr8py, vgl. Alfred Kohler : Karl V. 1500–1558. Eine Biographie. 3., durchges. Aufl. München 2001 (ND 2005), S. 286–296. Nur am Rande sei bemerkt, dass die beiden Daten auch inhaltlich aufeinander bezogen werden: Der Reichstag von 1495 markiert, wohl auch im Gedächtnis des Adels, den ersten ernsthaften Versuch, die Fehde als Rechtspraxis zu eliminieren. Die Vorteile der Fehde allerdings, vor allem das schnelle, harte Zuschlagen, um den Gegner an den Verhandlungstisch zu zwingen, behauptet die Ich-Instanz noch 1544 und vergleicht mit ihr die ergebnislose Kriegstaktik des Kaisers. Diese Rede kommt, so die Andeutung im Text, dem Kaiser selbst zu Ohren und wird prompt aufgegriffen: »Wie ich nun gesagt hett, also gienng es auch, dann wie wir annzogenn, fing man ann zu brennen […], vnnd wahr sellten ein nacht oder zwo die franntzosischenn bottschafft kham zum keiser in das leger, vnd fiellenn irer kay. mt. zu fuß vnd battenn vmb friden […]« (die Erzählung Ulmschneider, Fehd, S. 138, Z.18–S. 139, Z. 31, hier S. 139, Z. 17–21). Obsolenz und Ächtung der Fehdepraxis werden demnach durch das Wirken des Götz von Berlichingen konterkariert und korrigiert. Dass Zeitangaben selbstverständlich der autobiographischen Erzählung angepasst wurden, betont Stefan Hanß: »Bin auff diße Welt gebohren worden«. Geburtsdatierungen in frühneuzeitlichen Selbstzeugnissen. In: Achim Landwehr (Hg.): Frühe Neue Zeiten. Zeitwissen zwischen Reformation und Revolution (= Mainzer historische Kulturwissenschaften. 11). Bielefeld 2012, S. 105–153. 328 Pastenaci, Erzählform, S. 67, Anm. 76, spricht, wohl im Anschluss an Ulmschneider, Renaissance, 246f., von einer »Leistungsbilanz« im kaufmännischen Sinn.
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konkreten Fall, sich Konflikten auszusetzen und darin Haltung zu bewahren. Diese Haltung wiederum setzt sich zusammen aus den recht weit gefassten Komponenten der Kampftüchtigkeit – der Bereitschaft, für jedermann sichtbar für andere »in irenn vnnd meinen aignen sachenn« einzutreten – wie auch der persönlichen Ehre – also »alls wie einem frumen ehrlichen vom adell geburtt« zu handeln und auch behandelt zu werden.329 Das Thema der Erzählung, zu der die vita activa des Götz von Berlichingen hier verdichtet wird, ist demnach, eine solche Haltung in der exemplarischen Umsetzung durch das Ich des Textes vorzuführen. Das allerdings geschieht nicht einfach jedem Widerstand, jedem noch so gravierenden Einschnitt zum Trotz, sondern als Versuch, jene Brüche, die persönlichen Krisen in das Selbstbild zu integrieren, sie herauszustellen, um sie als überwunden markieren zu können. Schon von dieser Anlage her muss der Text eine geschlossene Argumentation bieten. Freilich wirkt die Erzählung dadurch stark geglättet, und in der Ich-Perspektive des Textes erscheint das vorgeführte Selbstbild eigentümlich statisch, ja eindimensional. Das hat zu der Annahme geführt, Berlichingen beziehungsweise der Text repräsentiere eine allgemeine Verweigerungshaltung gegenüber einer sich verändernden Umwelt oder, anders gewendet, zeige das geistige Verharren in einer »anachronistischen Adelswelt«330. In dieser Lesart offenbart der Bericht mit seiner Beschränkung – und Beschränktheit – auf Waffentaten scheinbar die ganze Misere des Rittertums, formt einen geradezu altertümlichen, topischen Heldentypus. Erst im Abgleich mit Parallellieferungen gelingt es, eine gewisse Wirtschaftlichkeit dieses Daseins herauszustellen und, als Korrektiv verwendet, Götz von Berlichingen außertextlich etwa unternehmerisches Geschick in seiner Fehdepraxis zu bescheinigen.331 Und in derselben biographischen Rückbindung scheinen sich Brüche deutlicher abzuzeichnen, scheint klar zu werden, wo Auslassungen bestehen, Vorgänge perspektivisch verzerrt sind. Zurückgespiegelt auf den Text wird der Tatenbericht dadurch zur nachträglichen Rechtfertigung, zur bloßen Bemäntelung einer Existenz, die sich ihrer eigenen Überholtheit und Reformbedürftigkeit eigentlich längst bewusst 329 Zitate: Ulmschneider, Fehd, S. 52, Z. 11 und S. 140, Z. 20. 330 So Kerth, taflrunder, S. 218. Insbesondere mit seiner Würdigung der Fehdepraxis schreibe Berlichingen »diametral gegen den herrschenden kriegsrechtlichen Diskurs seiner Zeit an« (ebd.). 331 Ulmschneider, Renaissance, S. 92–94 und zusammenfassend S. 246f. bezeichnet Berlichingen deshalb als »Raubunternehmer«; allerdings auch, um ihn vom Typus der »Kriegsunternehmer« abzusetzen, die sich als Befehlshaber größerer Kontingente zu bewähren hatten und aus dieser Machtposition mitunter Herrschaftsansprüche ableiteten, wie etwa Franz von Sickingen. – Sowohl Pastenaci, Erzählform, hier S. 61–65, als auch Kerth, taflrunder, hier S. 218f., folgen dem von Ulmschneider eingeführten – und für ihren biographischen Ansatz noch nachvollziehbaren – Beispiel, andere Quellen heranzuziehen, um den Tatenbericht einzuordnen.
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ist, da sie ein überkommenes – besser gesagt, überholtes und durchschaubar gewordenes – ritteradliges Selbstverständnis bemüht.332 Die Frage muss aber sein, ob diese Durchschaubarkeit tatsächlich im Text angelegt ist? Vor allem aber, welchen Sinn eine solche (Selbst-)Darstellung dann eigentlich hätte?
4.
Perspektive: Der Tatenbericht als Kunst der kunstlosen Rede
Die klassische Vorlage und der im Text selbst formulierte Anspruch lassen einen sachlichen Bericht erwarten. Eingelöst wird das, insofern der Blick, wie wir gesehen haben, nicht allein nur auf den aktiven, den handelnden Götz von Berlichingen gerichtet ist, sondern sogar lediglich bestimmte Handlungslinien, konkret die Konflikte verfolgt werden. Die Persönlichkeit Berlichingens müsste deshalb ebenso blass bleiben wie die Menschen, mit denen die Ich-Instanz zum Teil enge Kontakte pflegt, die aber im Text nicht als Individuen, das heißt abseits eines Freund-Feind-Schemas, erkennbar werden. Von einer Begegnung mit Kaiser Maximilian I. etwa weiß der Text nicht mehr als beinahe schon topische Äußerlichkeiten zu berichten;333 am Ansbacher Hof hat die Ich-Instanz sogar Zugang zum »heimlich gema[ch]« der Söhne des Markgrafen, schildert aber nur eine an ihr selbst entzündete und ebenso rasch beruhigte häusliche Missstimmung;334 Georg von Frundsberg oder Franz von Sickingen werden als väterliche
332 Vgl. Pastenaci, Erzählform, S. 67: »In dieser Autobiographie wird nicht gezeigt, wie ein Charakter sich in Auseinandersetzung mit einer gleichbleibenden Umwelt herausbildet, sondern hier wird gezeigt, wie die Umwelt sich verändert und der Autor an dieser Veränderung, der er sich nicht anpassen will, zerbricht.« 333 Ulmschneider, Fehd, S. 61, Z. 7–9: »[…] der [Kaiser] hett ein kleins alts groß rocklin ann, vnnd ein groeß stutz kepplin, vnd ein grohenn hutt daruber […]. Ich aber alls ein junger kandt inn bey der nassen […]«. 334 Die Episode behandelt den Konflikt mit einem polnischen Gefolgsmann der Markgräfin Sophia. Trotz der Parteinahme der Söhne Markgraf Friedrichs des Älteren, Kasimir und Georg, muss die Ich-Instanz sich einer mehr symbolischen Strafe stellen, denn »wollt der allt marggraff ein guett weib, vnnd sie die jungen hern ein gnedige mutter habenn, so musst der marggraff zusagenn, das er mich woltt im thurnn straffenn« (Ulmschneider, Fehd, S. 58, Z. 17–19). Die eigentlichen Konfliktlinien, die schließlich zur skandalösen Absetzung Friedrichs durch seine Söhne im Jahr 1515 führten, dürften sich schon früher abgezeichnet haben, wurden aber spätestens mit der – obwohl freilich einseitigen – öffentlichen Begründung des Machtwechsels allgemein bekannt. Die persönlichen und politischen Ursachen des dynastischen Streits sind überzeugend aufgearbeitet worden von Reinhard Seyboth: Die Markgraftümer Ansbach und Kulmbach unter der Regierung Markgraf Friedrichs des Älteren (1486–1515) (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 24). Göttingen 1985, insb. S. 405–434.
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Freunde und »schwager« gewürdigt, über ihr weiteres Schicksal aber schweigt der Text sich aus.335 Die Erzählung verzichtet auf jeden Kommentar. Dennoch gelingt dem Text dabei etwas Unselbstverständliches: Zwar wird der Leser sozusagen mit der Außenseite Berlichingens konfrontiert; dennoch entsteht nicht der Eindruck, eine sterile Oberfläche zu betrachten, unter der die Persönlichkeit, das ›wahre Ich‹ des Textes unsichtbar verborgen ist. Anders ist nicht zu erklären, dass in der Rezeption der Bericht lange Zeit eine Biographie ersetzen und bis heute Kernelement jeder Auseinandersetzung mit Götz von Berlichingen bleiben konnte.336 Und das hat zwei Gründe: Zum einen besticht der Text eben durch seine sachliche Aufbereitung. Die chronologische Grundordnung, die durch Datumsangaben, teilweise fast minutiös (»am Montag nach vnnsers herrnn vffarts tag des morgens frue […] vnngeuerlich vmb 8 oder 9 vhr«)337, angezeigt wird; die kunstlos scheinende Reihung der Episoden darin, eher nach Punkten, argumentativ, verzeichnend, beinahe rechnerisch streng geordnet (»Erstlich«, »Nun weitter vnnd zum ailfftenn«, »Inn summa«)338 denn als Entwicklungsgeschichte aufbereitet; darüber hinaus die immer wieder aufgerufenen juristischen Sprachregelungen, die Verbindlichkeit suggerieren – all das unterstreicht die Seriosität des Textes. Zum anderen aber werden diese Inhalte in überaus lebendiger Erzählweise vermittelt. Statt ausschließlich sachliche Distanz zu wahren, erzeugt die Erzählung häufig eine große Nähe zum Geschehen. Das drückt sich etwa darin aus, dass Zeit beliebig gerafft (»da lagenn wir ein monat oder schir zwenn, weiß es doch nit aigenntlich«) oder gedehnt werden kann.339 Gerade dort, wo der Blick fokussiert wird, wartet der Text mit 335 Sowohl Frundsberg als auch Sickingen werden im Zusammenhang mit der Heilbronner Haft eingeführt (vgl. Ulmschneider, Fehd, S. 78–80 und S. 100–105). Sickingens Sturz 1522/23 gerät wohl auch deshalb aus dem Blick, da er sich während Berlichingens Gefangenschaft und Hausarrest vollzieht. 336 Vgl. Ulmschneider, Renaissance, S. 19: »Ausgangspunkt einer intensiveren Beschäftigung mit dem Ritter wird immer seine Autobiographie bleiben, deren Qualität heute nicht mehr bestritten wird. […] Sie erzählt von Kinder-, Jugend- und Bildungsjahren eines Reichsritters – Abschnitte, die gemeinhin archivalisch nicht zu fassen sind und im Leben bedeutender Zeitgenossen, Sickingens und Huttens etwa, völlig im dunkeln liegen. Darüberhinaus gibt sie Einblick in das farbensatte Leben der Zeit, in die geistige Welt ihres Verfassers und sein adeliges Selbstverständnis.« 337 Ulmschneider, Fehd, S. 91, Z. 22f. Gemeint ist der 18. Mai 1512. 338 Die Zitate sind dem ersten Abschnitt entnommen und markieren dessen Anfang und Ende; vgl. ebd., S. 53, Z. 3, S. 106 Z. 6 sowie S. 109, Z. 8. Der Bericht des Bauernkriegs ist in diese Zählung nicht einbezogen, während für die beiden nachfolgenden Episoden (S. 134–137) neu eingesetzt wird. Die Edition setzt diese zweite Zählung fort, indem sie auch für die abschließenden Szenen 1542–1544 (S. 137–140) Ordnungszahlen als Zwischenüberschriften ergänzt, was allerdings keine Entsprechung im Text hat. 339 Das Zitat ebd., S. 138, Z. 8; Bezug ist der Türkenfeldzug 1542, der hier mit wenigen Sätzen abgehandelt ist. Im Vergleich dazu werden etwa Episoden des Burgundfeldzugs 1498 breit auserzählt, vgl. ebd., S. 55–57.
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erstaunlicher Detailfülle auf. Nicht selten übernehmen diese Details die Funktion, ein Geschehen auf einzelne Szenen oder sogar Sinneseindrücke herunterzubrechen. So wird ein Kriegszug von Unwettern überschattet »vnd fiellenn stain so groß alls wie die huner ayer« oder ein eher spielerisches Handgemenge, »[d]a gings klinckh klannckh«, wird hörbar gemacht.340 Darüber hinaus überspielen die wechselnden Perspektiven einerseits Auslassungen geschickt, während andererseits einzelne Szenen bis in die wörtliche Rede nachgezeichnet sind und die Erzählung dadurch zwanglos Schwerpunkte ausbildet. Überhaupt ist die direkte Kommunikation ein wichtiger Bestandteil des Textes. Gespräche werden entweder wörtlich zitiert oder auch sinngemäß referiert werden, oder die IchInstanz tritt aus der Rolle des Referierenden heraus, um einen persönlichen Kommentar einzufügen.341 Schließlich wird dabei häufig mit Sprachbildern gearbeitet. Das Repertoire reicht von Redensarten (»das in die katz denn rucken hinauff lieff«) über Sinnsprüche (»Du wollst zeitlich zu einner nessel werdenn«) bis hin zu Flüchen (»das euch botz rhein schenndt«) und jovialer Deutlichkeit (»so schoß Kitz jehnn durch ein arß backhenn«).342 Feinsinniger Humor, Fachsprachliches, verdichtete, andeutungsreiche Kommunikation oder jede andere zur Schau gestellte Subtilität haben dagegen keinen Platz im Text.343 Wirksam gemacht ist eine unmittelbare oder auch unvermittelte, kaum durch das Medium des Textes gebrochene Sprache. Diese Sprache erlaubt es, Aussagen zuzuspitzen oder durch Redundanzen einzuprägen, ohne dass der Text zur
340 Die Zitate ebd., S. 55, Z. 29 und S. 59, Z. 16f. Hintergrund ist die Zeit am Ansbacher Hof, d. h. der mehr oder minder ergebnislose Zug nach Burgund sowie eine Art spontaner Turnierkampf, in den Berlichingen sich einmischt. 341 Vgl. etwa den Einschub nach dem Friedensschluss mit Mainz 1516 (ebd., S. 114, Z. 25–31): »Vnd hab ich mich inn meiner jugenndt inn große krieg, phedt vnnd veindtschafft eingelassen, deren wol funfzehenn sein, die mich selbs ann troffenn, die ich auch hin[auß] gefurt, onne was ich bey kayser vnnd konig, churfursten, fursten vnd hernn gethonn habe, vnnd waß ich auch andernn meinen herrn, freunden vnd guttenn gesellenn inn irenn selbs aignen sachen gedient, derenn auch woll souill sein, die ich hier innen nit anngezaigt habe. Nun weiß ich khein phedte, gott lob, die ich gehabt, die vber zwey jar gewerdt hatt […]«. Auffällig hier – und öfter im Text – auch die den Paratexten ähnelnde Formulierung, siehe oben S. 111. 342 Belege: Ebd., S. 127, Z. 22f.; S. 80, Z. 2f.; S. 118, Z. 1; S. 137, Z. 5. Die Beispiele ließen sich zahlreich vermehren. 343 Den Gegensatz von (adligem) ›Schabernack‹ und (gebildeter) ›Witzfertigkeit‹ stellt Schnell, Geselligkeitskultur, S. 445–447, einleuchtend am Beispiel der Zimmern-Chronik vor. Sarkastisch wird der Tatenbericht, als »der arm getrew hertzig Gotz vonn Berlichingenn« 1512 in die Reichsacht erklärt wird, vgl. Ulmschneider, Fehd, S. 94, Z. 5 und ff. Begriffe aus dem ritterlich-militärischen Milieu kommen vor, bleiben aber selten und dürften zeitgenössisch ohne weiteres zu verstehen gewesen sein; Beispiele sind »krebs« (Brustharnisch, ebd., S. 71, Z. 10), »kuriß bengel« (Streitkolben, ebd., S. 95, Z. 9) oder auch »vf irnn troß fueß […] tringen« (das Ende des Trosszugs angreifen, ebd., S. 117, Z. 13f.).
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akademischen Abhandlung geraten würde; ganz im Gegenteil wird der Text durch die Sprache verlebendigt.344 Ein solches Sprechen schafft Glaubwürdigkeit, und das aus drei Gründen: Erstens sind wir, die Leser, geneigt, dem Text eine Nähe zum gesprochenen Wort abzunehmen. Entsprechende Szenarien, in denen die Schrift als – mehr oder weniger stark überarbeitetes Protokoll mündlicher Berichte Berlichingens entsteht, die den Text also in einer oral tradition verorten, sind inzwischen Lehrmeinung.345 Man meint, durch den Text jemanden sprechen zu hören, der das Herz auf der Zunge trägt, dabei unwillkürlich das Erzähltempo wechselt und zwischen präziser Analyse und mitunter ermüdender Schwadronage changiert. Selbst Lücken im Text sind glaubhaft entschuldigt, indem die Erzählung als Gedächtnisleistung erscheint. Es kann folglich nur berichtet werden, »souill mir derenn noch bewist«, während anderes ausfallen muss, »dann es ist mir vergessen«.346 Zweitens ist dann umso erstaunlicher, mit welcher Präzision eine enorme Zeitspanne nicht nur überblickt, sondern eben auch im Detail ausgeleuchtet werden kann. Im Text ist die zum Teil erhebliche Distanz zwischen Erzählzeitpunkt und erzählter Zeit (»schir sechzig jar«)347 eingestanden; stärker noch 344 Freilich gilt die Aussage keinem verallgemeinerbaren Stilempfinden, wie das Vorwort zur erstmals 1793 erschienenen Bearbeitung der Biographie durch Karl Lang beweist: »So schätzbar aber auch dieselbe [Selbstbiographie] ist, so ist doch die Schreibart von solcher Härte, der Stoff so wenig geordnet, und die Erzählung vieler sehr unerheblicher Ereignisse so ermüdend, daß wir unserem Verfasser Dank wissen müßen, das Wichtigere herausgehoben, nach der Zeitfolge geordnet und mit der ihm eigenen angenehmen Darstellungsweise bearbeitet zu haben.« (Karl Lang: Ritter Göz von Berlichingen mit der eisernen Hand; für Freunde der altdeutschen Geschichte. 2. Aufl. Heilbronn, Rothenburg o. d. T. 1825, S. V). 345 Spätestens seit der Biographie Ulmschneiders ist die Vorstellung etabliert, der greise Berlichingen habe den Text diktiert. Die früheste Darstellung – allerdings ohne Entsprechung im Text – dürfte die Illustration bei Lang, Berlichingen, zwischen S. 188 und 189 sein. Belege aber fehlen, zumal der Text, wie gezeigt, eher durch literate Wendungen und rhetorische Schulung auffällt. Wie problematisch der Schluss auf »historische Mündlichkeit« in der Schriftsprache ist, zeigen die Studien von Anja Voeste: Im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Populare Techniken der Redewiedergabe in der Frühen Neuzeit. In: Arne Ziegler (Hg.): Historische Textgrammatik und Historische Syntax des Deutschen. Traditionen, Innovationen, Perspektiven. Berlin, New York 2009, S. 965–980, sowie dies. und Folke Müller: Gesellschaftlicher Abstieg als Schreibanlass. Zur Problematik der Untersuchung von konzeptioneller Mündlichkeit und Schriftlichkeit in Texten der Frühen Neuzeit. In: Gisela Brandt und Rainer Hünecke (Hgg.): Historische Soziolinguistik des Deutschen IX. Neue Forschungsansätze – Fallstudien – Reflexe konzeptueller Mündigkeit in Schriftzeugnissen verschiedener soziofunktionaler Gruppen. Stuttgart 2009, S. 37–49. 346 Die Zitate Ulmschneider, Fehd, S. 52, Z. 18 und S. 138, Z. 36. 347 Ebd., S. 77, Z. 20f., als Nachsatz zum Verlust der Hand 1504: »Vnnd nachdem ich nun schir sechzig jar mit einer faust krieg, vhedt vnd henndel gehabt […]«.
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müssen daher die aufgeschichteten Details als nachwirkende, bedeutsame Erlebnisse gelten. Vor allem aber erscheinen sie damit als genuine, authentische Kenntnis, sind Beweise der Faktizität des Berichteten. Drittens und in der Zusammenschau wird die Erzählung eben durch ihre Umgangssprachlichkeit einerseits, das Wechselspiel von verdunkelter und überdeutlicher Erinnerung andererseits besonders glaubhaft. Das knüpft an die Feststellung eines literarischen Musters für den Tatenbericht an, das vor allem auf Sachlichkeit ausgerichtet ist.348 Dieselbe Sachlichkeit – oder besser : Sachgerechtigkeit drückt sich hier aus in einer zwar farbigen, aber eben ›unverbildeten‹ Sprache wie im augenscheinlich absichtslosen, dabei schlaglichtartigen Erinnern. Der Text vermittelt Ehrlichkeit – nicht nur im Handeln des Protagonisten, sondern beinahe mehr noch in der ehrlichen Rede darüber. Dieser Befund reicht darüber hinaus, die stark reduzierte Literarizität des Textes und die ganz auf die Ich-Instanz verengte Darstellung dem Medium des Tatenberichts zuzuschreiben. Es wird nämlich sichtbar, wie die an der Textoberfläche exerzierte Haltung der Aufrichigkeit, ja aggressiven Direktheit den Text bis zur Ebene der Sprache durchdringt. Die Haltung ist somit im Text beschlossen und unlöslich mit ihm verbunden. Zugleich fügt sich hier aber, was auf den ersten Blick unwillkürlich scheint, ein Zufall oder mehr noch authentischer Ausdruck der Persönlichkeit des Autors, mit der narrativen Ordnung des Textes zu einer Argumentation. Diese Ordnung besteht neben dem chronologischen Grundmuster, sie ergänzt es aber wesentlich. Denn während die zeitliche Abfolge der Ereignisse grundsätzliche Verlässlichkeit suggeriert, hat eben auch das kurzzeitige Abirren der Erzählung von jenem Muster System. Zwar sind Prolepsen (wie die Verwicklung Berlichingens in den Sturz des Württemberger Herzogs) beziehungsweise Analepsen (wie die Episoden am Ansbacher Hof) durchaus als spontane Assoziationen der Ich-Instanz eingeführt, um, erneut, den Eindruck des unmittelbaren, unwillkürlichen, aufrichtigen Erzählens zu verstärken. Im Kontext allerdings offenbart die Abfolge der eingefügten Episoden einen narrativen Sinn: Sie gewährleisten hier nicht allein den beständigen Wechsel von positiven und negativen Erlebnissen, sondern erscheinen auch jeweils als Prämisse und Konsequenz.349 Das heißt, ein Ergebnis wird direkt mit der Entstehungsgeschichte beziehungsweise einer Vorausdeutung gekoppelt oder aber nachträglich neu perspektiviert. So führen die drei ›Abenteuer‹, die die Ich-Instanz am Ansbacher Hof zu bestehen hat, gleichsam in nuce vor, welche verschiedenen Anlässe eines Kon348 Siehe oben S. 113. 349 Grundsätzlich folge ich damit den Beobachtungen von Pastenaci, Erzählform, hier S. 55–66, der schlüssig darlegt, dass Fehlschläge in der Regel durch Erfolgsgeschichten gerahmt und damit narrativ aufgefangen werden. Den psychologisierenden Schlussfolgerungen daraus, die dem Ansatz der Studie geschuldet sind, kann ich mich allerdings nicht anschließen.
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flikts denkbar sind – etwa Missverständnisse, Rache oder das Eintreten für einen Freund – und wie diese Konflikte zu lösen sind – kurz entschlossen, rücksichtslos, dabei aber nie unprovoziert und immer mit Blick darauf, das eigene Handeln vor sich und anderen rechtfertigen zu können.350 Das gibt gewissermaßen den Ton vor für die weitere Art der Berichterstattung. Noch konkreter aufeinander bezogen sind die Szenen der großen Fehden gegen Nürnberg oder Mainz und ihr Nachspiel in den Prozessen zu Heilbronn und Augsburg. Chronologisch bilden die Gerichtsverhandlungen gegen Berlichingen eine Einheit, der Augsburger Prozess ist eigentlich nur Nachverhandlung der Heilbronner Urfehde, die nach Berlichingens Beteiligung am Bauernkrieg noch einmal verschärft wurde. Im Tatenbericht aber erscheint die Heilbronner Episode vor der Erzählung des Konflikts mit Mainz. Dieser Konflikt wiederum wird erst durch beziehungsweise nach dem Bauernkrieg abgeschlossen. Nach dem ausführlichen Bericht über die Haft in Augsburg heißt es dann hellsichtig: Vnnd ich vmb derselbigenn willenn, allenn tag mein kopff, leib vnd lebenn, dann hieuor in meiner veranttworttung offt gemelt, so wehr schir zuuermuttenn, das ich dieser meiner vhedt vnnd krieg, so ich gegenn ettlichen stendenn im [Schwäbischen] bundt gehabt, die dann all gericht vnd vertragenn gewest, mehr mussen entgeltenn, dan der baurn halbenn.351
Auf diese Stelle wird noch zurückzukommen sein. Hier gilt es festzuhalten, dass der Ich-Instanz durch solche Ein- und Anpassungen des Erzählschemas Raum gegeben wird, ein Geschehen zu kommentieren, Zusammenhänge aufzuzeigen, so auch eine übergreifende Sinnstiftung zu vollziehen – und das gegen das Gebot der nüchternen Leistungsschau. Die Erzählung erleidet dadurch keinen Bruch, eben weil die Querverbindungen und Exkurse nur schwach markiert und so in das Narrativ eingebettet sind.352 Wir gewinnen hier eine wichtige Einsicht: Die verschiedenen Fäden – das Medium, das Thema, seine Ordnung und Perspektivierung – laufen in einer stringenten Argumentation zusammen. Sie entsteht eben nicht unwillkürlich. 350 Zu den drei in rascher Folge berichteten Episoden (Ulmschneider, Fehd, S. 57–60) vgl. oben S. 124 mit Anm. 340. Es ließen sich freilich weitere Beobachtungen anschließen, etwa zur ›ritterlichen‹ Behandlung der Ich-Instanz durch den Fürsten und ihre anschließende Entschuldung vor der adligen peer group. Ähnlich funktioniert z. B. auch die oben S. 118 referierte dreifache Erzählung des Unfalls vor Landshut 1504, wobei der eigentliche Hergang flankiert wird von den Berichten über die adligen Besucher und die erfolgreiche Integration der Behinderung in das Selbstbild. 351 Ulmschneider, Fehd, S. 134, Z. 7–11. 352 Die Verteilung klarer Datierungen ist hier ebenso entscheidend, siehe Anm. 310. Eine Ausnahme zur Regel bildet der kurze Bericht zur »Rottennburgischen hanndlung«, der chronologisch korrekt platziert wird (ebd., S. 82, Z. 13–24), dort aber mehr als Anker fungiert für eine nachgestellte, ungleich längere und anders perspektivierte Erzählung derselben Episode (ebd., S. 134, Z. 17–136, Z. 8).
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Sie setzt vielmehr eine grundlegende Selbstformung, einen Balanceakt zwischen Vorbildern und zu vermeidenden Positionen, also eine umfassende rhetorische Strategie, und schließlich eine erhebliche Arbeit am und mit dem Text voraus. Gerade diese Arbeit aber muss überraschen, da der Text selbst sie zum Verschwinden bringt. Texte, Schriftlichkeit, Schrifthandeln spielen im Tatenbericht selbst keine Rolle. All das wird nicht als Leistung thematisiert oder auch nur anerkannt. Bezeichnend dafür die Szene, in der der Ich-Instanz von einem fürstlichen Auftraggeber ein »zettel« ausgehändigt wird mit Anweisungen, »wie ich reuttenn vnnd mich hallten sollt«. In gewohnt direkter Manier wird die Annahme verweigert mit dem Hinweis, man wisse eben nicht, »was mir begegnenn mag, das stett inn dem zettell nit, ich muß die augenn selbs vff thun, vnnd sehen was ich zu schaffenn hab«.353 Hier scheint sich eine vehemente Bejahung der Praxis Luft zu machen, die im Gegenzug der Schriftlichkeit als Ausdruck der Theorie oder, anders gewendet: der Bildung ihren Wert abspricht. Diese Einstellung bestimmt den Text von Beginn an; schon in der selbständigen Entscheidung des jungen Berlichingen gegen die Schule und für die »reutterey« ist sie vorgezeichnet.354 Allerdings entsteht sie nicht im luftleeren Raum. Hier gerät vielmehr ein Diskurs ans Licht, der die Texte Ulrichs von Hutten oder, bis zu einem gewissen Grad, auch Sigmunds von Herberstein prägt, der im Tatenbericht aber eine neue Dimension erreicht: die anticurialitas, die Wendung gegen alles Höfische. Was bei Hutten noch als Gefahr sittlicher Verrohung problematisiert wurde, ist hier bereits umgeschlagen in eine Bedrohung, die von der verfeinerten höfischen Existenz ausgeht. Motor dieser Entwicklung ist eben die Bildung, das Eindringen gelehrten Wissens in die Sphäre des Fürstendiensts, damit auch der ritterlichen Bewährung. Wie damit umzugehen sei, das hatte ein Baldassare Castiglione formvollendet und deshalb stilprägend dargelegt. Der adlige, mehr noch ritterliche cortegiano war zum neuen Modell eines zwar immer noch selbstbewussten, aber vor allem selbstkontrollierten Dienstadels geworden. Umstritten blieb freilich, wie stark der Selbstzwang sich ausprägen sollte oder durfte, um nicht die Grenze zur Verstellung zu überschreiten – oder ebenso, welche Ziele zu erreichen die Verstellung rechtfertigte.355 353 Ebd., S. 117, Z. 1–4. 354 Ebd., S. 53, Z. 15–21: »Vnd zwar so bin ich anfenglichs zu Nidernn Hall am Kochenn ein iarlanng inn die schull gangenn […]. Alls ich aber nit vill lust zur schulenn, sonnder villmehr zu pferden vnd reutterey trug, vnnd mich darbey finden ließ, bin ich volgenndts alßbaldt nach demselbigenn zu herr Conraden von Berlichingen ritter, meinem vetter seligen khommen […].« 355 Vgl. Burke, Geschicke mit Belegen zur Weiterentwicklung des cortegiano-Konzepts insb. S. 131–143. Ausfluss dieser Entwicklung scheint aber, anders als von Burke ebd., S. 128 vermutet, nicht notwendig ein protestantisch konnotierter »Kult der Aufrichtigkeit« gewesen zu sein, sondern das an der Wende zum 17. Jahrhundert entworfene Ideal der
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Genau darauf scheint nun der Tatenbericht zu antworten. Er setzt ein klares Zeichen durch ostentative Aufrichtigkeit und Unmittelbarkeit auf allen Ebenen. Hintersinn hat darin ebenso wenig Platz wie die dafür notwendige Bildung. Allerdings, und hier erkennen wir einen wesentlichen, vielleicht den eigentlichen Bruch, wendet sich der Text damit gegen sich selbst. Bildung soll für ihn überflüssig sein, beim ›Sprechen‹ wie beim ›Hören‹, also auf Autoren- wie Rezipientenseite. Allerdings bleibt diese Rhetorik der Schlichtheit eben doch Rhetorik. Nur mit rhetorischen Mitteln lässt sich nämlich der Anschein rhetorischen Sprechens verbergen. Und so macht die fein austarierte und gewissenhaft in Format und Inhalt des Textes durchgesetzte Argumentation gegen die Bildung und gegen den Selbstzwang gerade jene Bildung, jene Selbstverstellung zur Vorbedingung der Beweisführung. Der Text gerät an dieser Stelle zum performativen Selbstwiderspruch. Jede Irritation, die der Text ausgelöst hat, lässt sich im Kern auf diesen Widerspruch zurückführen. Die Perspektive, die der Text gegenüber seinem Gegenstand einnimmt, erzeugt Reibung allein dadurch, dass die Argumentation allzu schlüssig wirkt, dass die Erzählung jede Ambivalenz, jede Brechung entweder übergeht oder in das Selbstbild integriert. Die empfindlichen Einschränkungen, die die Berlichingen-Figur durch Verwundung, Haft, Entehrung oder den letztendlichen Funktionsverlust erleidet, sind aufgelöst in den Deutungen, die der Tatenbericht für sie konstruiert. Gerade die starke und im Text immer wieder betonte Subjektivität dieser Deutungen, die aber dennoch den Anspruch vertreten, objektivierbar, ja universalisierbar zu sein, macht die Konstruktion sichtbar. Erst in jüngerer Zeit hat man den Abgleich gesucht, um diesen inhärenten Selbstwiderspruch des Textes aufzulösen. So wurde etwa auf die vielfach erprobte juristische (Schrift-)Praxis des historischen Götz von Berlichingen verwiesen, um die vermeintlichen Fehlstellen des Tatenberichts zu füllen beziehungsweise mit ›neutralerem‹ Material zu korrigieren.356 Es steht fest, dass der Bericht jener Praxis verwandt ist und darauf mit narrativen Gesten Bezug nimmt, das heißt mit seiner legitimatorischen, adressatenorientierten Rhetorik und seiner ebenso umfassenden wie publikumswirksamen Sprachregelung. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass der Text eine geschlossene Entität bildet, ›argutia‹, des auf Anspielungen verdichteten, uneigentlichen Sprechens, das sich besonders angesichts konfessionell gespaltener Gesellschaften bewährte. Vgl. dazu zuletzt Johannes Süßmann: Leben schreiben als Fürstbischof: die Autobiographie Ferdinands von Fürstenberg. In: Mareike Menne und Michael Ströhmer (Hgg.): Total regional. Studien zur frühneuzeitlichen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Festschrift für Frank Göttmann zum 65. Geburtstag. Regensburg 2011, S. 169–187. 356 So der Tenor bei Ulmschneider, Renaissance, insb. S. 103–132 (zum Heilbronner Prozess), S. 171–196 (zum juristischen Nachspiel des Bauernkriegs) und S. 205–231 (zu Prozessen um Besitz- und Herrschaftsrechte).
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dass er für sich stehen muss und kann und deshalb beim Leser eben nicht voraussetzt, das Berichtete außertextuell zu ergänzen, Bedeutungen außerhalb dieses einen Textes zu suchen.357 Lassen sich dann die so benannten Aporien überhaupt umgehen? Schon die Dichte der Rezeption spricht dagegen, den Text als virtuos gescheitert anzusehen. Ganz im Gegenteil: Der Tatenbericht wird gelesen und wieder gelesen, er verbreitet sich so stark wie kaum ein anderer vergleichbarer Text – er hat also Erfolg, obwohl einerseits dem Schrifthandeln selbst jeder Wert abgesprochen scheint, andererseits aber kunstloses Handeln durch die Künstlichkeit der Schriftrede behauptet werden muss, obwohl also die Dialektik einer Rhetorik der Tat im Text offenbar wird. Oder ließe sich die negative Bestimmung auch positiv wenden? Hat der Tatenbericht vielleicht Erfolg, gerade weil er diese Widersprüche aufweist? Die Frage zielt auf den konkreten Gebrauch oder Gebrauchswert des Textes, wiederum für Autor und Leserschaft gleichermaßen, und auf diese Pragmatik wollen wir den Blick richten.
5.
Pragmatik: Mit den Toten sprechen?
Im April 1525 wird Götz von Berlichingen von den aufständischen Bauern zu Gundelsheim einbestellt. Der Tatenbericht schildert in diesem Zusammenhang eine Begegnung zwischen der Ich-Instanz und Marx Stumpf von Schweinsberg, einem Mainzer Amtmann und früheren Gegner Berlichingens,358 unmittelbar vor der entscheidenden Unterredung mit den Bauernführern. Hier erfährt die Ich-Instanz vom Plan, einen Adligen als Hauptmann ins Bauernheer zu berufen. Da sagt er [Schweinsberg]: »Sie habenn mirs zugemut, ich hab mich aber vonn inn geredt, vnnd wann ich es meines dinsts halbenn thun konndt, so wollt ichs thonn.« Da sagtt ich wie vohr: »So will ichs nit thun, will ehe selbs zu denn haubtleuttenn gehnn, versihe mich sie werden mich nit darzu zwingen oder nottigen.« Da sagt er : »Nims ann,
357 Ebd., S. 9 wurde auf das Problem »des ungemein zerstreuten und mangelhaft aufbereiteten Materials« hingewiesen, das erst durch Berlichingen-Rossach, Geschichte, wieder ansatzweise zusammengetragen worden war. Noch Pastenaci, Erzählform, konnte den Neufund eines gedruckten »Verantwortungsschreibens« vermelden (S. 54). Diese Schriften begleiteten den Prozess beim Schwäbischen Bund. Wie verbreitet und wie lange sie bei der Hand waren, bleibt offen, zumal einige Texte nur sekundär erschlossen werden können: vgl. die Übersicht bei Ulmschneider, Renaissance, S. 172f. 358 Schweinsberg ist vor allem als Adressat des ›Götz-Zitats‹ bekannt (S. 110, Z. 15f.); entscheidender ist aber seine Einführung zuvor, da er verdächtigt wird, einen Mainzer Abgeordneten beim Schwäbischen Bund aus Berlichingens Hand befreit zu haben, »vnnd wollt man sagenn Marx Stumpff hett sein ambt mit verdiennt zu Krautheim, wie dann auch ime solch ambt daruff wordenn ist« (ebd., S. 109, Z. 33–35).
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meinem gnedigenn herrnn vnnd andern fursten, vnd vns allenn dem gemeinen adell zu gutt!« Da sagt ich: »Ich will es nit thun!«359
Der Ausgang der Szene ist hinlänglich bekannt: Berlichingen lässt sich schließlich doch auf den Handel ein, den Bauernhaufen für eine genau verabredete Zeit zu begleiten – eben mit der von Schweinsberg vorformulierten Begründung, so an entscheidender Stelle dem Gewaltpotential der Bauern steuern zu können und Schaden von Standesgenossen und Obrigkeiten abzuwenden. Diese Entscheidung aber entpuppt sich als katastrophaler Fehler, denn, so erklärt der Tatenbericht, damit manövriert sich Berlichingen selbst in eine Falle, die ihm seine Gegner, namentlich der alte Fehdegegner Mainz, gestellt haben.360 Mit der Aufforderung oder Verpflichtung, sich für die Unterstützung, die Berlichingen durch sein weit gespanntes Netzwerk erfahren hat, revanchieren zu können, wird er aus eben diesem Netzwerk herausgelöst und isoliert. Nicht der Druck, den die Bauern auf ihn ausüben, wird Berlichingen also zum Verhängnis; vielmehr spielen seine politischen Gegner die auch im Tatenbericht propagierte Selbstverpflichtung, stets nach Maßgabe der Ehre zu handeln, gegen ihn aus. Mangelnde Anpassungsfähigkeit führt die Haltung Berlichingens ad absurdum in einer Situation, da Verstellung die bessere Handlungsoption gewesen wäre.361 Politisches Verhalten im eigentlichen Sinn ist ihr an diesem Punkt demnach fremd oder sogar unmöglich. Der Fehlleistung aber zeigt sich die Ich-Instanz sehr wohl bewusst, indem sie als Fazit des Tatenberichts formuliert: Vnnd kombt mir mein vnngluck, darin ich lannge zait gewest, allein daherr, wan ich mit meinenn feinden vnnd widerwerttigen gehanndelt, das ich inenn vertraut hab vnnd vermeint, ja soll ja sein, vnnd nein soll nein sein, vnnd waß man ainnander zugesagt, das man solches wie billich halltenn soll. […] Wann ich aber alls ein feindt meinen feindenn nit vertrautt, wie dann nach gelegennheitt woll beschehenn mag, ist es mir mit gottes gnadt vnd hilff glucklich vnd woll gangenn.362
359 Ebd., S. 123, Z. 35–S. 124, Z. 4. 360 Ebd., S. 134, Z. 1–7: »Dieweill dan nhun wissenntlich wahr, das ich der beurischenn vfrhur vnnschuldig gewest bin, auch die meintzischenn redt vnd ambtleutt die mir solches spill zugericht, wie dann ich selbst vonn inn verstandenn, mich gehaißenn, vnd vonn ihres herrnn wegenn gebetten, so hab ich auch mich inn denselbigenn dermaßen gehalltenn, das churfurstenn vnnd furstenn, vnd allen dennen vom adel, mein handlung zu allem guttem gereicht, darumb ich billicher lob, ehr vnnd dannck sollt verdiennt habenn, dan die straff.« Die Schlussfolgerung siehe Anm. 351. 361 Das kommt noch einmal explizit zum Ausdruck, da die Ich-Instanz, um sich weder den Aufständischen durch Flucht entziehen noch ihren Zielen anschließen zu müssen, sich zu passivem Widerstand entschließt, »[…] wie ich dann niehe khein heuchler gewest bin, vnnd noch vff disenn tag nit, vnnd redt nichts das inn gefallenn thett, gab inenn auch nit recht wo sie vnnrecht hettenn« (Ulmschneider, Fehd, S. 126, Z. 23–25). 362 Im »beschlus«, ebd., S. 141, Z. 4–13.
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Zwar bleibt die Leitlinie der Eindeutigkeit im Handeln hier erhalten, erfährt aber die entscheidende Einschränkung, sie bei anderen eben nicht voraussetzen zu dürfen. Nichts weniger scheint damit eingestanden als der Sieg der Politik – genau jener Verstellung, jener Berechnung also, gegen die der Text durch seine bildungsfeindliche Ausrichtung Position bezieht. Standessolidarität, das grundsätzliche Vertrauensverhältnis zwischen Fürsten und Adel, ja der gesamtgesellschaftliche Zusammenhalt scheinen dadurch grundlegend erschüttert oder sogar in Auflösung begriffen. Und umso nachdrücklicher beschwört der Text gerade diese Zusammengehörigkeit: Nicht zuletzt deshalb nämlich liest sich die Schrift über weite Strecken wie ein Adelskatalog, zitiert ausführlich Namen und Querverbindungen, wendet sich insgesamt an ein umfassendes, dabei genau ausdifferenziertes Publikum.363 Seine Stoßrichtung entwickelt der Tatenbericht folglich aus der Wahrnehmung eines tiefgreifenden Wandels, dem Normen und Ordnungen unterworfen sind. Diesem Wandel wird eine Kontinuität entgegengesetzt – oder richtiger : eine Wiederherstellung. Denn der Text rekonstruiert seine Bühne, das heißt die Welt, in die er gestellt wird und die er abzubilden versucht, wie auch die Haltung, die vorgeführt werden soll, gerade aus dem erfahrenen Wandel, den Ab- und Umbrüchen. Wir haben gesehen: die eigentliche Leistung im Sinne des Tatenberichts besteht darin, insbesondere in Herausforderungen Haltung zu wahren und Widerstände durch Aneignung zu überwinden. Freilich ermöglicht diese Perspektive erst der Abstand, der zeitliche Überblick, die tatsächliche Retrospektive. Die Distanz, die im Tatenbericht zwischen Erzählzeitpunkt und berichteter Zeit eingerichtet wird, also zwischen der Statuspassage von 1544 und der eindeutig späteren Abfassung des Textes, erfüllt die Funktion, ein ganzes Leben in den Blick zu bekommen, es narrativ erfassen zu können. Die umfassende Reflexion, die Ordnung und Sinnstiftung, überhaupt einen Wandel festzustellen und anhand von Wendepunkten zu markieren, ist demnach Ergebnis einer Historisierung. Anders gesagt darf die Ich-Instanz, um den Wandel zu begreifen, nicht mehr selbst im Wandel begriffen sein. Historisierung ist hier daher als Selbstdistanzierung zu verstehen. Den Ursprung in einer ebenso subjektiv empfundenen wie dann auch objektivierten Umbruchsituation teilt der Tatenbericht nun mit den Schriften nicht nur eines Castiglione, sondern auch eines Philippe de Commynes oder Niccolk Machiavelli. Zugleich entsteht er bereits auf dem Horizont der Rezeption solcher Autoren, die im Spiegel konkreter Herrschaftsausübung und deren Erfolg oder Misserfolg nach den innerweltlichen Mechanismen der Macht gefahndet 363 Dazu oben S. 117f. Zur Aufzählung der Mitglieder dieser Gemeinschaft siehe Anm. 287. Die Formel wird in Variation oft wiederholt, vgl. nur Ulmschneider, Fehd, S. 95, Z. 24–25, S. 114, Z. 27–29 oder S. 134, Z. 5.
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haben.364 Ihre gelehrten Dekonstruktionen haben offengelegt, wie Herrschaft funktioniert und wie sie, frei von Beschränkungen, funktionieren könnte oder sogar sollte. Der durch Bildung geschärfte analytische Blick aber führt auch dazu, dass den eigentlichen Handlungsträgern die Deutungshoheit über ihre Taten abhanden kommt. Das Zusammenwirken von Chronist und Akteur ist daher nicht allein erwünscht, sondern absolut notwendig.365 Damit ist eine Spur gefunden, die zur Pragmatik des Tatenberichts führen kann: Der Text folgt gerade nicht den Ergebnissen jener sozial- beziehungsweise staatstheoretischen oder historiographischen Erörterungen, hält vielmehr an der Transzendenz, der Wirkmächtigkeit von Moral und Glauben fest.366 Dennoch dienen ihm jene Schriften als Negativfolie; gegen sie wendet sich der Bericht in Form einer engagierten wie umfassenden Gegenrede. Den direkten Bezug beweist schließlich die Wahl der Mittel: Um überhaupt wirken zu können, muss der Kampf ins Feld des Gegners getragen werden, muss der Gegner mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden. Konkret bedeutet das, das Schwert mit der 364 Statt vieler vgl. die Zusammenführung bei Gerrit Walther : Orte der Repräsentation und Macht bei Philippe de Commynes. In: Susanne Rau und Birgit Studt (Hgg.): Geschichte schreiben. Ein Quellen- und Studienbuch zur Historiographie (ca. 1350–1750). Berlin 2010, S. 47–54. Die hier besonders interessanten Verbindungen zwischen den ›M8moires‹ Michels de Montaigne und dem »französischen Machiavelli« Commynes beleuchtet Marcel Tetel: Montaigne’s Glances at Philippe de Commynes. In: BibliothHque d’Humanisme et Renaissance 60.1 (1998), S. 25–39. Speziell zur zeitgenössischen Rezeptionsgeschichte Machiavellis im deutschsprachigen Raum vgl. Cornel Zwierlein: Machiavellismus und italienisch-deutscher Kulturtransfer. In: ders. und Annette Meyer (Hgg.): Machiavellismus in Deutschland. Chiffre von Kontingenz, Herrschaft und Empirismus in der Neuzeit (= Historische Zeitschrift. Beihefte. 51). München 2010, S. 23–60. Der »Generation von 1494«, die aus dem Kollaps der italienischen ›balance of power‹ hervorgeht und in der Burke, Geschicke, S. 47 Castiglione verortet, dürfte neben Machiavelli aufgrund einer vergleichbaren politischen Ausgangslage für Burgund bzw. Frankreich im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts sicher auch Commynes zuzurechnen sein. 365 Dies ergänzend zu Walther, Macht, S. 54: »Im perfekten Coup wirken der König [Ludwig XI.] und sein Chronist [Commynes] einträchtig und hochgradig effizient zusammen« (Ergänzungen d. Verf.). Ein Beispiel für die ›Negativpresse‹, in die eine Herrschaftsanalyse umschlagen kann, bietet Commynes für Herzog Karl von Burgund selbst. Ein Fall, der dann mittelbar auch Berlichingen betrifft, ist die publizistische Kampagne Ulrichs von Hutten gegen Herzog Ulrich von Württemberg. 366 Das göttliche Wirken stellt der Text vor allem in den Zusammenfassungen der Erzählung heraus, vgl. als Beispiel Ulmschneider, Fehd, S. 141, Z. 1–4: »Vnd zum beschlus, kan vnnd will ich auch nitt verhalltenn, das mir der allmechtig gott siegs vnd gluckhs gegenn allen meinen feindenn, von jugendt auff alls einem armen menschenn durch sein gottliche gnadt vnnd hilff vilueltig gebenn vnd verliehenn hatt.« Eine spezifisch protestantische Ausrichtung thematisiert der Text nur in Zusammenhang mit geistlichen Richtern beim Schwäbischen Bund, die »mir verdechtig gnug gewesenn, auß vrsachenn, das die gaistlichenn nit meins glaubens wahrenn«. Der Argwohn erweist sich aber als unbegründet, denn auch sie halten sich »alls wie frummen herrnn vnnd richter billich thon sollenn« (ebd., S. 133, Z. 9f. und 24f.).
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Feder zu vertauschen, die Tat selbst in Text zu verwandeln. Eine Gegenposition festzuschreiben gelingt hier, indem der Sieg des Gegners oder auch das eigene, doch freilich nur vorläufige Scheitern eingestanden, in das Selbstbild integriert und auf diese Weise fruchtbar gemacht wird. Noch einmal sei auf paralleles Verhalten hingewiesen, das sich im Text inhaltlich niederschlägt: Der Verlust der Hand bedeutet für die Ich-Instanz ebenso wenig das Ende ihrer Karriere als Ritter wie die Entehrung durch Haft und Isolation sie von ihrer ritterlichen Haltung abzubringen vermag. In der Konsequenz muss das Schwinden der Ehrlichkeit aus dem sozialen Umgang und damit die Disharmonisierung der Gesellschaft Auftrag sein, nachdrücklich für Aufrichtigkeit und Solidarität im Gewand ritterlicher Tugenden einzutreten. Genau dieser Aufgabe stellt sich der Tatenbericht, diesmal aber als Form, als Medium, als Gesamtaussage. Darin gleicht er wiederum den Heilmitteln früherer Krisen, namentlich der mechanischen Prothese, die es erlaubt, den Kampf fortzusetzen,367 und den Netzwerken, die Berlichingens Sturz verhindern.368 Der Text muss eine Annäherung bleiben, ein Vehikel, das die Tat eben weder ersetzen kann noch sie ersetzen soll, sie sehr wohl aber in den gültigen Diskurs einschreibt. Die Widersprüchlichkeit, die dieses Verfahren hervorbringt, ist dagegen dem Format geschuldet, nicht dem Inhalt; das heißt, hier wird zugleich vorgeführt, dass die gängige Kommunikationsform der Gelehrten, der Analytiker und Theoretiker eigentlich unzulänglich ist. Sie ist anfällig für Missverständnisse, Kritik und Umdeutungen, und der Tatenbericht ist nur ein Versuch, diese Mängel zu minimieren, den Text durch Sprachregelungen und, ganz allgemein, die ›Präsenz des Autors‹ im Text abzusichern. Gerade die explizit persönliche und auf die Person Berlichingens fokussierte Perspektive unterscheidet 367 Ebd., S. 77, Z. 15–18: »Vnnd vermeint dernnhalbenn, wann ich doch nit mehr dann ein wenig ein behelff hett, es wehr gleich ein eisenne hanndt oder wie es wehr , so wollt ich demnach mit gottes gnadt vnnd hilff im feldt noch irgenndt alls gutt sein, alls sonnst ein heiloss mensch.« 368 Zur ›Freundschaftshilfe‹ siehe Anm. 324; ergänzend hier für die Augsburger Haft Ulmschneider, Fehd, S. 132, Z. 18–22: »Inn derselbigenn rechtuertigung schrieb mir ein gutter freundt, Wolff vonn Freyburg der vonn Augspurg haubtman, der mein sach warrlich threulich vnnd gut gemeint, ist auch offtmals bey mir inn meiner gefenngnus ob dem thurn gewest, vnnd sich auß mitleidenn alls ein frummer vom adell alles guts gegenn mir erzaigtt […]«. Tatsächlich blieb Berlichingen durch seine Haft insbesondere von den Strafaktionen gegen Unterstützer und Mitläufer Sickingens und des Hans Thomas von Absberg im Jahr 1523 verschont, die ihn sonst möglicherweise auch betroffen hätten. Zu Absberg und dem Feldzug gegen ihn, der medial durch eine Serie von Holzschnitten Hans Wandereisens aufbereitet wurde, gibt es kaum neuere Forschungsarbeiten; als Überblick vgl. Horst Carl: Fränkische Unruhestifter und schwäbische Ordnungshüter? Schwäbisches und fränkisches Regionalbewusstsein im Kontext frühneuzeitlicher Politik. In: Thomas Kühne und Cornelia Rauh-Kühne (Hgg.): Raum und Geschichte. Regionale Traditionen und föderative Ordnungen von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde. 40). Leinfelden-Echterdingen 2001, S. 24–37.
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die Darstellung wesentlich von den bekannten Erörterungen, die in der Regel nur distanzierte Beobachtung oder analytische Abstraktion, dafür selten praktische Anschauung bieten. Hier kann das konkrete, eigene biographische Beispiel »zu einer warnung, vnnd exempell« erklärt werden.369 Und umso beschämender muss es darum für die gebildeten Autoren sein, dass eine solcher Text expressis verbis auch ohne Bildung auszukommen behauptet; dass der Umgang mit Schriftlichkeit, virtuoser Einsatz von Sprache und Stil wie stichhaltige Beweisführung eben kein Privileg sind, das mühsam erworben werden muss, sondern selbst aus ablehnender Haltung heraus zu meistern, wenn nicht zu überflügeln ist – zumal jede Kritik ohnehin nur auf die Kritiker zurückfallen soll.370 Somit können wir als Verwendungszweck festhalten, dass der Tatenbericht auf Herausforderungen antwortet, vor die sich die Ich-Instanz des Textes von gelehrten Geschichtsschreibern und Politikern gestellt sieht. Diese Gegner etablieren Deutungen und Leistungen, denen sich die Ich-Instanz nicht allein verweigert, sondern die sie mit den – vorgeblich ungewohnten – Mitteln der Schriftlichkeit, eben dem Tatenbericht, aktiv bekämpft. In diesem Kampf behauptet der Text die Deutungshoheit über Handeln und Haltung jenes Götz von Berlichingen. Der Bericht ist demnach keine Ergänzung zu alternativen Deutungsangeboten, etwa einer fürstlichen Historiographie,371 sondern eine eigenständige Lesart, die zwar auf Berlichingen konzentriert ist und auch nur für ihn gilt, in dieser Hinsicht aber exklusiv und absolut ist. Narrativ ist das durchaus überzeugend – nicht zuletzt, da der Zeitpunkt der Abfassung in unmittelbare Nähe zum Tod des Protagonisten gerückt ist. Von hier aus nämlich, im letzten Lebensjahr Berlichingens, bietet sich der maximale Überblick; etabliert ist damit tatsächlich »mein letzster will vnnd annzai-
369 Ebd., S. 141, Z. 20. Ohne die Kenntnis im Tatenbericht behaupten zu wollen, verdient hier der Wortlaut eine Notiz, mit dem Commynes seine ›M8moires‹ dem Erzbischof von Vienne, Angelo Cato, widmet, »um der Bitte zu genügen, die mir zu unterbreiten Ihnen gefallen hat, für Sie aufzuschreiben und nach der Erinnerung darzulegen, was ich gesehen und erfahren habe von den Taten König Ludwigs XI.«. – »[…] pour satisfaire a la requeste qu’il vous a pleu me faire de vous escripre et mectre par memoire ce que j’ay sceu et congneu des faictz du roy Loys unzeiesme […]«; Jo[l Blanchard (Hg.): Philippe de Commynes: M8moires. Bd. 1: Introduction, 8dition des livres I / VIII. (= Textes Litt8raires FranÅais). Genf 2007, S. 1, Z. 1–4. Auch Commynes erklärt, auf Anregung, nach dem Gedächtnis und über erlebte Taten, wenn auch nicht die eigenen, berichten zu wollen; vgl. oben S. 107. 370 Ulmschneider, Fehd, S. 140, Z. 5–8: »Nach denn andern meinenn mißgunstigenn frag ich nit, die sich also vnnbillicher weiß vnd meinethalbenn vnuerschuldt, gegenn mir haimlich oder offenntlich auß neidt vnnd haß wider mich legenn, vnnd mich hin vnnd wider bey ehrlichenn leuttenn zuuervnnglimpffenn vnderstehnn vnnd suchenn, welchs ich doch nit vmb sie verdiennt hab.« 371 Siehe oben S. 17.
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gung«372, und die Ich-Instanz hätte das definitiv letzte Wort in eigener Sache. Allerdings, machen wir uns klar : für sie selbst wäre der Text in dieser Situation faktisch wertlos. Überhaupt beginnt der Tatenbericht in der engen Bindung an die Person des Götz von Berlichingen zu schillern. Welche Krise war damit noch zu lösen? Wem sollte noch etwas bewiesen werden? Das erstaunlich lange Leben Berlichingens musste bedeuten, dass er die meisten seiner Freunde und Feinde, namentlich die im Bericht genannten, und somit auch seine alten Beziehungsnetze überlebt hatte.373 Ein wirklicher Makel kann dem von Kaiser Karl V., also an höchster Stelle rehabilitierten Ritter, dessen politische Bedeutung ohnehin nicht überschätzt werden darf, daher kaum noch angehaftet sein.374 Auch von der Haushaltsführung, also dem eigentlichen Kerngeschäft der rund 40 Jahre seit dem ersten Hausarrest und bis zur Niederschrift des Tatenberichts, ist im Text keine Rede. Abgesehen vom formalen Zuschnitt, in dem dieser ›private‹ Bereich ausgeblendet bleiben muss, scheint dafür auch keine Rechtfertigung, vornehmlich etwa gegenüber den Nachkommen, notwendig gewesen zu sein.375 Der Sinn der Erzählung lässt sich biographisch nicht hinreichend erklären. Jede Sinnstiftung muss hierbei Bezug nehmen auf lang zurückliegende und – gegen den Text behauptete! – lang nachwirkende Krisen, die erst im Schreiben gewissermaßen autotherapeutisch verarbeitet und endgültig überwunden wer372 Ulmschneider, Fehd, S. 140, Z. 10. 373 Als Kommentar auf die eigene Unverwüstlichkeit ist wohl die Stelle zu lesen, da der Heimkehrer aus Frankreich 1544 so von Krankheit gezeichnet ist, »das manicher gutter junger gesell sagtt, der allt kriegsman, mich meinende, wurt kham außreissenn, noch rieß ich auß, vnd bliebenn dieselbigen zum theill dahindenn« (ebd., S. 139, Z. 29–31). 374 Die jüngere Rezeptionsgeschichte hat hier die Perspektive mit umfänglichen Quellensammlungen bereichert und zugleich verzerrt. Ulmschneider, Renaissance, S. 152 schätzt die zeitgenössische Bedeutung Berlichingens sicher richtig ein, wenn sie ihm selbst als Bauernführer eher »moralische[ ] Wirkung nach außen« zuspricht. Der Ritter fungierte hier wie sonst wohl als Kommunikator in einem größeren Netzwerk südwestdeutscher Fürstenhöfe und Adelsfamilien. Diese Position zu schwächen, war schon Ziel der Urfehde von 1522 gewesen, und es wurde 1530, wenn auch in verschärfter Form, lediglich erneuert. Nach Ausweis des Tatenberichts misslang die Isolation Berlichingens aber dennoch: Die (eigentlich vertragswidrige) Lösung aus der Urfehde und Berufung ins kaiserliche Heer 1542 wurde »vff furbitt churfurstenn vnd furstenn vnnd annderer meiner herrn vnnd freundt« erreicht bzw. durch Freunde, »die gleich im fueßstapffenn mir zugefallenn mitrittenn« tatkräftig unterstützt (Zitate wie Anm. 319). Seine Verbindungen und seine zugleich eher aufsehenerregende denn wirklich einflussreiche Rolle im Bauernkrieg schützten Berlichingen sehr wahrscheinlich vor härterer Bestrafung. Vgl. auch den Text der Urfehden, abgedruckt bei Steigerwald, Lebens-Beschreibung, S. 255–260 (1522), 261–274 (1530, mit Ergänzung), sowie bei Berlichingen-Rossach, Geschichte, S. 210–213 (1522, nach einer Abschrift), S. 286–292 (1530, mit Ergänzung). 375 Zur wirtschaftlichen Lage Berlichingens, die vor allem durch Besitzarrondierung und Kreditgeschäfte abgesichert wurde, vgl. die Zusammenstellung von Ulmschneider, Renaissance, S. 198–231, aufschlussreich etwa S. 203: »Mag auch ein Teil dieses Geldes noch aus den Zeiten seiner ›Raubunternehmen‹ herrühren, so wird doch in des Ritters zweiter Lebenshälfte seine gesunde finanzielle Basis immer greifbarer.«
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den. Das eigentliche Ziel, der Zweck aber besteht, darauf sei nochmals hingewiesen, in der Erinnerung und Deutung der Taten Berlichingens, das heißt in ihrer Nachwirkung, die eben die Nachwelt oder konkret: die Nachkommen betrifft.376 Trotz der ausgeprägten Retrospektive ist die Bedeutung des Textes demnach vor allem prospektiv. Anders gesagt, der Text erschafft einen Erinnerungsort. Im Tatenbericht gewinnt die Ich-Instanz die Sprache über sich selbst, indem sie von diesem Selbst zurücktritt, es historisiert. Sie markiert eine Vergangenheit, der sie selbst angehört, die sie selbst mitgeprägt hat, um an sich selbst einen Wandel nachzuvollziehen und greifbar zu machen. In diesem Wandel wird die Berlichingen-Figur zum »Ausnahmeritter«377 – allerdings nicht im Triumph über die Veränderung, sondern in der Integration von Brüchen. Sie bildet einerseits die Ausnahme vom Ideal des tatkräftigen, kämpferischen, aufrichtigen, unverbildeten Ritters, das andererseits nur so, eben in der Ausnahme, wiederhergestellt werden kann. Dennoch entsteht hier, gerade durch die Textlichkeit dieser Projektionen, eine Kunstfigur.378 Für einen tatsächlich autobiographischen Text ist das ganz außergewöhnlich. Selbstformung und Maskenspiel gehören zwar zum Repertoire, allerdings dienen sie in allen – nicht zuletzt den in dieser Arbeit vorgeführten – Fällen einem persönlichen Zweck, einer Kommunikation zwischen Leser und Autor, durchaus auch im Aushalten oder sogar der Aneignung von Widersprüchen. Der Tatenbericht sucht diese Aussprache vor Publikum explizit und offensiv. Gerade die (Rück-)Wirkungen aber fallen für ihn schließlich weg. Wir kommen deshalb hier auf einen der Ausgangspunkte der Analyse zurück: Der erste und zugleich prägendste Textzeuge entsteht vor 1567, frühestens aber im Jahr vor Berlichingens Tod im Juli 1562. Dieses Exemplar wird vom Sohn des alten Berlichingen, Hans Jacob, bearbeitet oder sogar in Auftrag gegeben und mithilfe eines der Widmungsempfänger, Stefan Feyerabend, erstellt.379 Auch wenn ihr eine 376 Wiederholt weist der Text darauf hin, dass »gott lob alles vertragenn, geschlicht vnnd gericht« sei (hier: Ulmschneider, Fehd, S. 140, Z. 27f.). Offen scheinen dagegen Konflikte um den Ruf, etwa anlässlich einer (un-)rechtmäßigen Fehde (siehe Anm. 295) oder eines angeblichen Raubes (Ulmschneider, Fehd, S. 128, Z. 16–S. 129, Z. 5); vgl. auch das Zitat in Anm. 370. Unbewältigte Lebenskrisen als Schreibanlass benennt Pastenaci, Erzählform, S. 77, dem sich Kerth, taflrunder, S. 215 anschließt. Dagegen konstatiert Ulmschneider, Renaissance, S. 243 schlicht »Zufriedenheit« im Ton der Retrospektive. 377 Der Begriff (ohne Anführungszeichen) bei Kerth, taflrunder, S. 228, dort allerdings für das positive Ergebnis der Identitätskrise Berlichingens nach dem Verlust der Hand. 378 Hierin liegt sicher auch einer der Gründe für die Adaptivität des Stoffs für die Bühne: Der Text spitzt die Lebensgeschichte Berlichingens bereits dramatisch zu. Zugleich muss Goethes ›Götz‹ im Gefängnis sterben, um mit seiner Haltung tatsächlich zu scheitern und seine Ehrlichkeit eben nicht an eine textuelle Sinnstiftung zu verlieren. 379 Nach Ulmschneider, Fehd, S. 32 identifiziert ein Handschriftenvergleich einen Sekretär Feyerabends als Schreiber des Textes. Vgl. auch die Handschriftenprobe ebd., Abb. 31. – Eine Reverenz Feyerabends an die Familie Berlichingen findet sich in seiner Schrift ›De
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andere Fassung oder eine bloße Konzeptsammlung als Vorlage gedient haben mag, rückt diese Handschrift für die Rezeption unmittelbar in den Status des Urtextes. Unterstützt wird das auf erstaunliche Weise durch den Text selbst: Das starke, ständig im Text präsente Ich, die Aufschichtung von Authentizitätsbeweisen, freilich ohne pedantische Belegpflicht, die Rhetorik der Unmittelbarkeit – all das ersetzt die Notwendigkeit, ein wirkliches Zeugnis des Autors zu liefern.380 Es begründet vielmehr die Lektüretradition des Textes als Referenz für das Erzählte. Feierabetho omnium rerum socio ac fine carmen temporarium‹, die 1590 posthum in der Frankfurter Offizin des verwandten Sigmund Feyerabend gedruckt wurde (= VD16 F 907; hier zitiert nach der Ausgabe Helmstedt 1699, S. 232f.): »Berlichius fecit feirabent maximus heros, Horrida Gottfridus natus ad arma senex. Principibus bellum qui sæpius intulit unis Præcipuis, leges pacis & inde dedit. Fecit Jacobus Jani prænomine, natus Unicus, & similis vix fuit ille patri. Pacis enim studio potius qu/m floruit armis, A patre quæsitas sedulus auxit opes.« Deutsch: »Berlichingen machte Feierabend als größter Held, Gottfried, zu schrecklichen Waffen geboren, der Greis. Den Fürsten, die er sehr oft mit Krieg überzog, einzelnen im Besonderen, gab er auch deshalb Gesetze des Friedens. Es machte (Feierabend) Jacob, mit Vornamen Hans, geboren als einziger (Sohn), und kaum ähnlich dem Vater war er. Im Streben nach Frieden mehr als zu den Waffen glänzte er, die vom Vater gewonnene Macht mehrte er emsig.« Wenigstens für einen weiteren Sohn des Götz von Berlichingen scheint ein Studium nachweisbar, vgl. Ulmschneider, Renaissance, S. 232f. Sicher belegt sind ausgeprägte Bildungsinteressen für einen Sohn des Hans Jacob, Hans Pleickhard von Berlichingen; vgl. Volker Honemann und Helgard Ulmschneider: Eine ritterschaftliche Bibliothek des 16. Jahrhunderts. Das Verzeichnis der Bücher des Hans Pleickhard von Berlichingen. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 10.4 (1979), Sp. 833–849. – Tatsächlich außergewöhnlich war die Bibliophilie unter den Rittern des 16. Jahrhunderts wohl kaum, vgl. nur Werner Arnold: Adelsbildung in Mitteldeutschland. Joachim von Alvensleben und seine Bibliothek. In: ders. (Hg.): Bibliotheken und Bücher im Zeitalter der Renaissance (= Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung. 16). Wiesbaden 1997 oder Karl-Ferdinand Besselmann: Die Mindelburger Bibliothek der Familie von Frundsberg. Untersuchungen zum Bestand und zur Funktion einer schwäbischen Adelsbibliothek des 16. Jahrhunderts. In: Bibliothek und Wissenschaft 22 (1988), S. 157–226; vgl. auch den Überblick von Eva Pleticha: Adel und Buch. Studien zur Geisteswelt des frühneuzeitlichen Adels am Beispiel seiner Bibliotheken (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte. Reihe 9: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte. 33). Neustadt a. d. Aisch 1983. 380 Die von Enenkel, Erfindung, S. 553–574 behauptete Trennung ›humanistischer‹ von ›adligen‹ Texten wird hier auf andere Weise eingelöst: In der Absetzbewegung vom gelehrten Diskurs tritt im Tatenbericht das Ich umso deutlicher hervor, das für den Aufrichtigkeitsgestus einstehen muss, da es sich nicht auf die Einschreibung in klassisch-literarische Muster zurückziehen kann. Das widerspricht zugleich der Voraussetzung einer zeitgenössisch gegebenen Rezeptionshaltung, die eine Identität von Autor und Protagonist gar nicht erwartet. – Zu überdenken wäre dann etwa auch die Argumentation, mit der Ehrmann, Reisen, Bd. 2, S. 40–43 aufgrund textueller Realitätseffekte Georg von Ehingen als Autor der »Reisen nach der Ritterschaft« bestätigt. Die Rolle des ›Bearbeiters‹ und Nachkommen Sigmund von Hornstein (1513–1577) für die Textgenese ist demgegenüber nicht geklärt; Ansätze bietet Steffen Krieb: Erinnerungskultur und adeliges Selbstverständnis im Spätmittelalter. In: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 60 (2001), S. 59–76, hier S. 63f.
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Vergleichsweise rasch können dann auch Kopien entstehen, zunächst für mindestens zwei, vielleicht sogar alle fünf Kinder Hans Jacobs von Berlichingen. Diese fungieren ihrerseits als Multiplikatoren des Textes, der nun auch schon – in Prachthandschriften – den Fürstenhof erreicht.381 So verbreitet sich der Text in einem Sozialverband, der von der Familie über den lokalen Adel bis ins fürstliche Umfeld ausgedehnt ist. Rechnet man noch die Widmungsempfänger aus den Funktionseliten der Stadt Heilbronn wie der Kraichgauer Ritterschaft hinzu, konstituiert und bewirbt der Text eine regional ausgeprägte, im weitesten Sinn südwestdeutsche elitäre Lesergemeinschaft. Und genau hier knüpft der Text mit seiner Gedächtnisfunktion an. Die gemeinschaftliche Erinnerung füllt gewissermaßen eine Lücke, die etwa der Bauernkrieg oder der Schwäbische Bund als (letztlich gescheitertes) politisches Bündnis in die Solidarität unter den beschworenen Lesern gerissen haben.382 Der Tatenbericht wird demnach genau so eingesetzt, wie man es von Anlage und Inhalt her erwarten darf: Zum einen verständigt sich eine Gruppe über den Text, indem sie ihn kontinuierlich gebraucht, ihn liest und wieder liest, ihn abschreibt, ihn dabei zuweilen auch in andere Formate und Rezeptionszusammenhänge überträgt, ja, ihn spätestens an dieser Stelle selbst hervorbringt. Wer den Text so gebraucht, hat folglich Anteil an der Selbstverständigung der Gruppe oder dann bereits einer Gemeinschaft jener Rezipienten. Zum anderen, doch im Anschluss daran erscheint der Text 381 Unter den Kindern Hans Jacobs von Berlichingen besitzen dessen ältester Sohn, Philipp Ernst (L), und die Tochter Dorothea (D) Abschriften, weitere sind hier für die nachgeborenen Söhne Hans Pleickhard (I oder Vorläufer der Hss. I und R), Hans Reinhard (Vorläufer der Hss. J1 und J2 sowie Re) und Hans Gottfried (N) angenommen. Die Handschrift L ist die für den Württember Hof vorgesehene, möglicherweise aber zurückgehaltene oder auch zurückgegebene Fassung. Hans Pleickhard wird von Ulmschneider, Fehd, S. 37, Anm. 13 als Vorbesitzer der Handschrift I ausgeschlossen, da sie im erhaltenen Verzeichnis seiner Bibliothek nicht aufgeführt ist; vgl. Honemann/ Ulmschneider, Bibliothek. Allerdings gilt dasselbe für das Inventar des Erben Carl Sigmund, das weder I noch die nachweislich auf ihn übergegangene Handschrift N verzeichnet. 382 Zu den politischen Erschütterungen, die der Abfassung des Textes zeitlich näher stehen gehört auch der Kriegszug des Markgrafen Albrecht II. Alcibiades von BrandenburgKulmbach in Franken (vgl. Rudolf Endres: Der Zweite Markgräflerkrieg. In: Andreas Kraus (Hg.): Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts (= Handbuch der bayerischen Geschichte. 3.1). 3., neu bearb. Aufl. München 1997, S. 469–472) bzw. der damit in Zusammenhang stehende »Fürstenaufstand« von 1552 (die Ereignisgeschichte von Kerstin Schäfer : Der Fürstenaufstand gegen Karl V. im Jahr 1552. Entstehung, Verlauf und Ergebnis – vom Schmalkaldischen Krieg bis zum Passauer Vertrag. Taunusstein 2009 ist zu ergänzen durch Martina Fuchs und Robert Rebitsch (Hgg.): Kaiser und Kurfürst. Aspekte des Fürstenaufstandes 1552 (= Geschichte in der Epoche Karls V. 11). Münster 2010). – Schließlich zu einer reichsweiten ›Adelskrise‹ vgl. Volker Press: Wilhelm von Grumbach und die deutsche Adelskrise der 1560er-Jahre. In: ders., Adel, S. 383–421. Einen Teilaspekt behandelt ausführlicher Christian Wieland: Die bayerische Adelsverschwörung von 1563. Ereignis und Selbstdeutungen. In: zeitenblicke 4.2 (2005), [04.03.18].
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auch als Medium politischer Positionierung. Denn Erinnern und Vergessen sind in ihm tatsächlich zur politischen Option geronnen.383 Sie erlaubt es den Adressaten, namentlich den Nachkommen, Anschluss und Konsens unter neuen Bedingungen zu finden, ohne ihre gemeinsame Herkunft zu verleugnen, die im oder durch den Text eben von der Gestalt des Götz von Berlichingen als Repräsentanten einer ritterlichen Kultur der Aufrichtigkeit verkörpert wird. Es ergibt sich demnach eine spezifisch frühneuzeitliche Problemstellung: Eine Elite muss lernen, sich politisch zu verhalten, dieses Verhalten aber mit dem Selbstbild, nämlich dem Ethos der Eindeutigkeit, in Einklang zu bringen. Gewendet auf die Ritter ist das so zu deuten, dass sie ihre exklusive Haltung in einem schreibenden Umfeld zu behaupten haben. Dabei waren freilich Widerstände zu überwinden. Der alte Mann, der in seiner Rüstung gealtert ist, passt, so wie Lovis Corinth ihn zeigt, kaum besser an den Schreibtisch als das aufgeworfene Papier ihm das Schreiben erlaubt. Die Form widersetzt sich dem Gegenstand, und so müsste das Blatt tatsächlich leer bleiben. Einfacher mochte es daher sein, einem toten Ritter das Wort zu erteilen, so wie er »in seiner Lage etwa sprechen musste«.384
383 So wird Heilbronn schon durch die Widmung eigens gewürdigt, obwohl sich damit für Berlichingen die Erinnerung an seine Haft verbinden musste. Das getrübte Verhältnis zu Ulrich von Württemberg dagegen, der seinem gefangenen Gefolgsmann keine Unterstützung bieten wollte, wird taktvoll verschwiegen. Letzteres, ausführlich beleuchtet von Ulmschneider, Renaissance, S. 116–128, identifiziert Pastenaci, Erzählform, S. 61–65 als verborgene, für den Text aber wesentliche Krise (wohl im Anschluss daran ähnlich Kerth, taflrunder, S. 222). Die Idee des »Vergessens als politischer Option« ist der althistorischen Forschung entlehnt, vgl. Frank Bernstein (2008): Vergessen als politische Option. Vortrag. Universität Augsburg. 20. 08. 2008; möglicherweise auch im Anschluss an Vorüberlegungen zu Christian Meier : Das Gebot zu Vergessen und die Unabweisbarkeit des Erinnerns. Vom öffentlichen Umgang mit schlimmer Vergangenheit. München 2010. Die Theoriefindung wird v. a. von soziologischer Seite betrieben, vgl. als Zusammenfassung Oliver Dimbath und Michael Heinlein (Hgg.): Die Sozialität des Erinnerns. Beiträge zur Arbeit an einer Theorie des sozialen Gedächtnisses (= Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen – Memory Studies). Wiesbaden 2014, sowie zur Theoriebildung Oliver Dimbath und Peter Wehling (Hgg.): Soziologie des Vergessens. Theoretische Zugänge und empirische Forschungsfelder. Konstanz 2011. 384 Thukydides, 1,22,1: »[…] ¢r d’ #m 1d|joum 1lo· 6jastoi peq· t_m aQe· paq|mtym t± d]omta l\kist’ eQpe?m, 1wol]m\ fti 1cc}tata t/r nulp\sgr cm~lgr t_m !kgh_r kewh]mtym, ovtyr eUqgtai.« Deutsch: »[…] nur wie meiner Meinung nach ein jeder in seiner Lage etwa sprechen mußte, so stehn die Reden da, in möglichst engem Anschluß an den Gesamtsinn des in Wirklichkeit Gesagten« (zitiert nach: Georg P. Landmann (Hg./Übers.): Thukydides: Geschichte des Peloponnesischen Krieges. Bd. 1. München 1993, S. 31f.).
IV.
Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein Wenn ich etwas sage, verliert es sofort und endgültig die Wichtigkeit, wenn ich es aufschreibe, verliert es sie auch immer, gewinnt aber manchmal eine neue. Franz Kafka, Tagebuch 3. 7. 1913
1.
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In der Stube herrscht Gedränge. Männer, etwa zwanzig oder mehr, alle in Schwarz gekleidet, stehen oder sitzen beisammen. Einige wärmen sich bereits am Ofen, andere haben die schweren Mäntel noch gar nicht abgelegt. Doch keine Spur von Entspannung oder gelöster Unterhaltung. Jedes Gespräch scheint im Moment erstorben, die Blicke der Anwesenden, nicht wenige zornig erregt, fliegen durch den Raum, schon tasten Hände nach Degen und Dolchen. Manche weichen zurück, suchen nach einem Ausgang, falls es zum Äußersten kommt, manche rücken näher heran, versammeln sich um die beiden Herren, die plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Die beiden starren sich stumm an, doch keiner wagt die Eskalation. Was ist geschehen? Am 12. Januar 1519 stirbt Kaiser Maximilian I. im oberösterreichischen Wels. Ein Ausdruck der unbeantworteten Fragen, die seine zahlreichen politischen Projekte zwar aufgeworfen, aber selten zu Lösungen geführt haben, ist der Streit schon an Maximilians Totenbahre. Er entzündet sich an der Frage, welchen Ständevertretern das Privileg zufallen soll, die Reichskleinodien beim Leichenzug vom Schloss zur Welser Stadtpfarrkirche mitzuführen. Kurzerhand einigt man sich auf den Kompromiss, Krone, Apfel und Szepter auf die Bahre zu legen, die ihrerseits von ständischen Repräsentanten getragen wird.385 Allerdings ist der Konflikt damit keineswegs ausgeräumt, sondern tritt nur umso heftiger zutage, als man nach der Trauerfeier in der Herberge des Bischofs von Triest, Pietro Bonomo, zusammenkommt. Der Zorn richtet sich vor allem gegen den, der schließlich jene Szene ausmalen soll: Sigmund von Herberstein.386 Seine
385 Zum Ablauf des Zugs vom 16. Januar 1519 vgl. Peter Schmid: Sterben – Tod – Leichenbegängnis Kaiser Maximilians I. In: Lothar Kolmer (Hg.): Der Tod des Mächtigen. Kult und Kultur des Todes spätmittelalterlicher Herrscher. Paderborn, München, Wien, Zürich 1997, S. 185–215, hier S. 205f. Das Schwert trug der anwesende Hofmarschall Lienhard Rauber von Plankenstein. 386 Den ausführlichsten Bericht liefert eine »Dokumentensammlung« (Steiermärkisches LA Graz. EP 104a/1), die in Auszügen ediert wurde durch Arnold Luschin von Ebengreuth:
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Einmischung, offiziell als Interessenvertreter der Steiermark, hat den Streit um die Kleinodien überhaupt erst entfacht oder wenigstens doch befeuert und so die eigentlich Verantwortlichen in Misskredit gebracht. Nur verständlich, dass einer jener Entscheidungsträger seinem Ärger Luft macht, indem er Herberstein als einen »Gleichrecht«, Schwätzer und Maulhelden, eben als einen aus den Reihen bloßer Schreibtischtäter, als »Polster Ritter« verspottet. Diese Beleidigungen müssen Herberstein empfindlich treffen, denn kein Geringerer spricht sie aus als Georg von Frundsberg. Jener Frundsberg, der bereits vielfach in Kriegen und Schlachten sich bewährt und seine unverbrüchliche Treue zu Kaiser und Reich unter Beweis gestellt hat und der nicht zuletzt zum für alle sichtbaren Beleg »sein khrumpn Fueß« vorführen kann.387 Gegen diese Art der Argumentation ist Herberstein, der Jüngere und damit in jedem Fall Unerfahrenere, eigentlich chancenlos.388 Seine trotzige Erwiderung, er sei zwar »auch mit und bey gewest, da man die Leyt geschossen und erschossen hat, ob mich dan Got behuet«, wirkt daher kaum überzeugend. Völlige argumentative Hilflosigkeit markiert schließlich seine Drohung, man werde ihn im Zweifel »als ainen erlichen Ritter und khainen Zag finden«. In dieser Lage steht also tatsächlich zu befürchten, dass es zu Handgreiflichkeiten kommt. Doch in Herbersteins Bericht endet die Szene hier ebenso abrupt wie antiklimatisch, da man ohne weitere Begründung die Sache auf sich beruhen lässt.389 Die Episode irritiert aber noch aus einem ganz anderen Grund. Die Person oder mehr noch der Autor Sigmund von Herberstein ist nämlich in der Forschung eng mit dem Stichwort des Humanismus verbunden. Den Ruf, zu den Herbersteiniana. In: Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 24 (1892), S. 67–122, die Episode S. 83f. 387 Ebd., S. 84: »[…] wie ich der letzten ainer darzue kham und in die Stube gieng, was Herr Georg von Freundsperg in Rede, spricht zu stund an: da khumbt der Gleichrecht und volfierte sein Rede mit antzaigen sein und seines verordenten Vleis und Handlung, ich aber hette dawider geredt, so sy doch das treulich gemaint und fürgenomen hetten. Sagt auch under andern, er wäre khain Polster Ritter, darumen het er seine Zaichen sein khrumpn Fueß darauf er mit seiner Handt zaigte.« 388 Zu den differierenden Geburtsdaten Frundsbergs vgl. Erich Richter : Frundsberg. Vater der Landsknechte, Feldherr des Reiches. München 1968, S. 14. Demnach trennten Frundsberg und Herberstein etwa zehn Jahre. 389 Ebd.: »Ich bin nit beim Rockhn ertzogen sondern bin auch mit und bey gewest, da man die Leyt geschossen und erschossen hat, ob mich dan Gott behuet, bin nichts dest geringer neben den Geschoßnen oder Erschoßnen zu achten darumen ich dan auch mit ritterlicher Wierd und Ehren, begabt bin worden. Herr Simon Sigmund rette vil neben meiner Rede, darumen sagt ich khünte neben ainem oder zwayen wol singen, aber nit reden. So spricht Herr Georg, wan wir allain in ainem Wald warn, woltu denecht mit einander reden, dargegen sprach ich, wan wir dan in ainem Wald dermaßen warn, solt man mich als ainen erlichen Ritter und khainen Zag finden. Der Bischoue [Pietro Bonomo], so mich auch von der von Crain wegen vermügt, die Sachen oder Verordnung zu bereden, hueb sich aus dem Rath, gieng in sein Camer vielleich geacht, die Sachen wurden sich ferrer einreißen, sy ließen mich denocht pleibn.«
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wenigen wirklich Gebildeten unter den Adligen des früheren 16. Jahrhunderts zu gehören, verdankt Herberstein in erster Linie seinem – zunächst lateinischen – Bericht über das Großfürstentum Moskau, das er zweimal als kaiserlich-habsburgischer Gesandter durchreiste.390 In diesen ›Rerum Moscoviticarum Commentarii‹ führte Herberstein seine Fahrten als Erkundungen nach Art des Herodot vor, brachte seine Anschauung von Land und Leuten in Abgleich mit Klassikern wie Ptolemaios oder Plinius dem Älteren, produzierte wie einst Caesar oder Tacitus Abrisse über Geschichte, Politik und Religion der fernen, fremden Völker.391 Unter den Zeitgenossen fand das Werk reißenden Absatz,392 galt für lange Zeit als einer der Wissensspeicher über Russland: Herbersteins Bericht aktualisierte nicht nur die fragmentarischen Kenntnisse, die aus den antiken Klassikern zu gewinnen waren, sondern schien das Bild soweit zu vervollständigen, dass etwa Jean Bodin es als Folie in seine politik- und gesellschaftstheoretischen Überlegungen aufnehmen konnte.393 Allein bis zum Ende des 16. Jahrhunderts erschienen über 20 Ausgaben, wobei den lateinischen Fassungen bald auch Übersetzungen in deutscher, italienischer, englischer und auch tschechischer Sprache folgten – die meisten freilich ohne persönliche Beteiligung Herbersteins.394 Vor allem diese Übertragungen spiegeln den geogra390 Die Erstausgabe (= VD16 H 2202) erscheint ohne Impressum und ohne Angabe des Autors im Titel, dafür mit Herbersteins Wappen (fol. 1v). Wien als Druckort und die Datierung auf das Jahr 1549 können nur indirekt erschlossen werden. Siehe dazu Christine Harrauer : Die zeitgenössischen lateinischen Drucke der ›Moscovia‹ Herbersteins und ihre Entstehungsgeschichte. In: Humanistica Lovaniensia 31 (1982), S. 141–163, hier S. 153. Zu den weiteren Ausgaben im Folgenden. 391 Die Parallelen benennt auch Reinhard Frötschner : [Art.] Herberstein, Sigismund (Sieg-, Sig-) von. In: Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon 3 (2014), Sp. 278–291, hier Sp. 285. 392 Herberstein selbst wurde offenbar vom Erfolg überrollt: »Es saind vill die mich taglichn besprechn, wo sy mochtn mein moscoviam zu khauffn finden«, heißt es beispielsweise in einem Schreiben an Caspar von Nidbruck vom 12. Juli 1556 (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Cod. 9737i, fol. 313r, zitiert nach Harrauer, Entstehungsgeschichte, S. 159). 393 Zum Einfluss auf Bodin vgl. Marshall T. Poe: A People Born to Slavery : Russia in Early Modern European Ethnography, 1476–1748. Ithaca 2000, insb. S. 173f., sowie zur grundsätzlichen Bedeutung ders.: Herberstein and the Origin of the European Image of Muscovite Government. In: Frank Kämpfer und Reinhard Frötschner (Hgg.): 450 Jahre Sigismund von Herbersteins Rerum Moscoviticarum Commentarii 1549–1999 (= Schriften zur Geistesgeschichte des östlichen Europa. 24). Wiesbaden 2002, S. 131–171. Erinnert sei hier auch an die Würdigung, die Herberstein als ›Empiriker‹ bei Ulrich von Hutten erfährt, vgl. oben S. 76f. 394 Sicher Herberstein zuzuweisen sind nur die lateinischen Ausgaben von 1549 und 1556 sowie die Übertragung ins Deutsche von 1557. Alle anderen Drucke erschienen unabhängig, teilweise auch als Raubdruck oder in Unkenntnis autorisierter Ausgaben – so etwa die dann weit verbreitete eigenständige deutsche Übersetzung durch Heinrich Pantaleon (erstmals Basel 1563 = VD16 H 2207). Vgl. Harrauer, Entstehungsgeschichte, S. 157–163. Die verlässlichste Übersicht zu den Ausgaben der ›Commentarii‹ bietet Werner Paravicini (Hg.): Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters. Eine analytische Bibliographie. Teil 1:
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phischen Raum, in dem die ›Commentarii‹ vorrangig rezipiert wurden; dass sie auch in Russland selbst gelesen wurden und die autochthone Ethnographie und Geschichtsschreibung maßgeblich ergänzten, muss ohne einschlägige Rezeptionszeugnisse fraglich bleiben. Eine von Zarin Katharina II. im Jahr 1795 angeregte Reinszenierung des deutschen (!) Textes in historisierender Ausgabe spricht eher dafür, dass die ›Commentarii‹ zu diesem Zeitpunkt als Pretiose oder Kuriosum behandelt wurden – und schließlich um 1800 erst wieder zu entdecken waren.395 Allerdings scheint diese Wiederentdeckung gerade durch die ›Commentarii‹ erschwert worden zu sein, und das aus zwei Gründen: Zum einen fehlt dem Bericht über Russland der nationale Ort. Herberstein bereiste den Osten zuallererst im Auftrag der Habsburger, einer Dynastie mit europäischer Ambition, aber gleichzeitig gebunden in partikularen, teils konkurrierenden und letztlich auseinanderstrebenden Herrschaftssystemen, die in der Konsequenz keine einheitliche, unumstrittene Erinnerung hervorbrachten. Herberstein aber zeigt sich jener habsburgischen Perspektive verpflichtet, indem er sich auf Latein an die unumschränkte humanistische res publica litteraria wendet und auf Deutsch, in der Sprache des Reichs und der Erblande im Besonderen, den Nukleus habsburgischer Macht und Tradition und seine eigene Teilhabe daran betont.396 Deutsche Reiseberichte (= Kieler Werkstücke. Reihe D: Beiträge zur europäischen Geschichte des späten Mittelalters. 5). Frankfurt a. M. u. a. 1994, S. 311–316. Nur ergänzend dazu vgl. das tabellarische Verzeichnis von Marshall T. Poe (Hg.): Early exploration of Russia. Bd. 2.1: Moscovia der Hauptstadt. London, New York 2003, S. 3, das allerdings Irrtümer enthält – die beiden Prager Ausgaben von 1590 und 1602 etwa sind tschechische, nicht polnische Übersetzungen – und eben auch nicht vollständig ist – z. B. fehlen die deutschen (Wieder-)Veröffentlichungen zu Basel und Frankfurt a. M. aus dem Jahr 1576. 395 Zu jener Ausgabe vgl. Friedrich Adelung: Siegmund Freiherr von Herberstein. Mit besonderer Rücksicht auf seine Reisen in Russland. St. Petersburg 1818, S. 364–367. Zum Abdruck gebracht wurde wiederum die deutsche Textfassung Pantaleons (vgl. Anm. 394). Der offenbar aufwendigen Ausstattung steht eine sehr geringe Auflagenstärke gegenüber, die Produktion richtete sich also kaum an ein breiteres Publikum, sondern scheint vielmehr in der höfisch-adligen Tradition ebenso exklusiver wie regulierter Textdistribution zu stehen. Ein spezifisches Interesse an den ›Commentarii‹ und allgemein an einer europäischen Kontextualisierung, das von deutschen Reisenden und Auswanderern nach Russland getragen wurde, bliebe noch abzusichern: Mangelnde Vernetzung zwischen russischer und westeuropäischer Geschichtswissenschaft beklagt zur gleichen Zeit August Ludwig Schlözer : þVbc_ak. Russische Annalen in ihrer Slavonischen GrundSprache. Erster Teil. Göttingen 1802, S. 82, und würdigt in diesem Zusammenhang Herberstein als den »WiederEntdecker Rußlands« (S. 79). 396 Allerdings ist festzuhalten, dass anscheinend weder die lateinische Erstausgabe (1549) noch Herbersteins eigenhändige Übersetzung (1557) für einen Markt produziert wurden. Die Editio princeps verfügt über kein Impressum, weist nicht einmal den Autor im Titel aus, während die deutsche Fassung so wenig verbreitet gewesen zu sein scheint, dass die Übersetzung von 1563 als Neuheit beworben werden konnte: »Erstlich durch den wolgebornen herren Sigmunden Freyherren zu˚ Herberstein […] fleyßig zu˚ latein beschriben: Jetz zu˚ malen aber […] durch Heinrich Pantaleon […] auff das treuwlichest verteutschet
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Zugleich ist diese Perspektive eine der Fremdheit. Das Objekt der Betrachtung ist ein randständiges Großreich, und Herberstein entdeckt es wie eine Neue Welt, verschleiert die Außenansicht nicht, so dass sein Bericht, bei aller diplomatischen Annäherung, eine Fremdwahrnehmung, eine Xenologie bleibt.397 Somit taugt der Text nicht für nationale Selbstbespiegelungen, weder zum russischen Gründungsmythos noch zur Souveränitätslegende eines Habsburger Teilreichs.398 Zum anderen behindern die ›Commentarii‹ den Zugriff, weil sie bei näherer Betrachtung keine einheitlich geschlossene Texttradition anbieten. Eine Differenzierung wurde bereits benannt: Der Sprachwechsel bedient eine je eigenständige lateinische und deutsche Rezeption. Und selbst diese Rezeptionsstränge sind keineswegs gleichförmig, sind vielmehr aufgespalten nach Textversionen, die mit und ohne Herber-steins Zutun entstehen, oft in verwirrender Folge und einander überlagernd. Wir stoßen hier auf eine Vervielfältigungspraxis, durch die der Text nicht einfach neue Auflagen erlebt, sondern durch ständig emendierte, in Teilen ergänzte oder gekürzte Ausgaben neu ausgerichtet wird. Freilich schlagen sich diese Anpassungen und Verwandlungen fast ausschließlich in Details nieder, während der Text an seiner Oberfläche, das heißt im Hinblick auf sein Thema und dessen Ausgestaltung im Format des Reiseberichts beziehungsweise der Chorographie, kaum verändert scheint. Die tatsächlichen Unterschiede sind daher allein im akribischen Abgleich der Versionen, ja der verschiedenen Exemplare zu erkennen.399 An dem Umstand, dies auch sichtbar zu machen, sind bisherige Editionsvorhaben gescheitert oder konnten zumindest nur in stark reduzierter Form verwirklicht werden.400 Ohne eine solche
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vnd in truck verfertiget […]«. Tatsächlich galten alle Neuauflagen diesem und nicht Herbersteins deutschem Text. Vgl. auch im Unterschied dazu die marktorientierte Inszenierung der ›Epistola‹, oben S. 49f. Wie diese Fremdheit in Herbersteins Bericht expliziert wird, ohne sie sich dadurch anzuverwandeln, zeigt am Beispiel der Beobachtungen zur Religion Sergei Bogatyrev : Diplomats and Believers. Herberstein and Cross-Confessional Contacts in the Sixteenth Century. In: Kämpfer/Frötschner, Commentarii, S. 215–234, hier S. 221: »Herberstein employed a Catholic vocabulary to describe the Orthodox Church, following the standard method of early modern travel literature […]«. Gleichwohl ist die frühe wissenschaftliche Auseinandersetzung wohl auch (national-)politisch geprägt, dazu unten S. 150f. Harrauer, Entstehungsgeschichte, S. 154 weist etwa darauf hin, dass von sieben bekannten Exemplaren der Editio princeps (1549) sechs handschriftlich – sehr wahrscheinlich vom Autor selbst! –, das siebte durch gedruckte Errata korrigiert sind. Eine Vorarbeit zu dem ambitionierten, von Walter Leitsch geleiteten Editionsprojekt stellte bereits die Studie von Harrauer, Entstehungsgeschichte, dar : s. ebd., S. 141, Anm. 1. Als Versuch einer philologisch akkuraten Gesamtschau verirrte sich das Unternehmen allerdings in Einzelstudien: Vgl. Walter Leitsch: Berichte über den Moskauer Staat in italienischer Sprache aus dem 16. Jahrhundert. Eine quellenkritische Studie mit besonderer Berücksichtigung der italienischen Übersetzung der Moscovia Herbersteins (= Wiener Ar-
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Zusammenschau aber fehlt einer ausgewogenen Analyse von Herbersteins ›Hauptwerk‹, in der auch material- und rezeptionsgeschichtliche Fragestellung Platz finden, die Grundlage: Das heißt, indem die Entwicklung des Textes ausgeblendet bleibt, die Fassungen »letzter Hand« als Textganzes, als definitive Aussagen wahrgenommen und interpretiert werden, entsteht ein Ungleichgewicht, oft zuungunsten vermeintlicher Vorstufen, Zwischenschritte und Irrwege in der Textgeschichte. Das Interesse der Forschung an Sigmund von Herberstein hat sich nicht nur an den ›Commentarii‹ entzündet, sondern sich ganz überwiegend auf Herberstein als Autor dieses Textes konzentriert. Das heißt, die biographische Deutung ist in der Regel von der Perspektive der ›Commentarii‹ geprägt, lediglich ergänzt durch Parallelüberlieferungen, die im weitesten Sinne als Selbstzeugnisse anzusprechen sind. So schöpft schon Anfang des 19. Jahrhunderts Friedrich Adelung seine Biographie Herbersteins zwar aus den verschiedensten »eigenen Bekenntnissen« des Protagonisten, das »Andenken« aber gilt wiederum in erster Linie dem gelehrten Staatsmann, der das scheinbar isolierte Zarenreich dem Westen – wie der verspäteten Selbstbetrachtung – öffnete.401 Tatsächlich konnte Adelung bereits auf einen nicht eben kleinen Fundus solcher Schriften zurückgreifen, und bis heute sind noch zahlreiche weitere Texte oder Textkorpora bekannt geworden, die autobiographische Nachrichten Herbersteins überliefern. Einen Versuch, dieses Material systematisch zu erschließen und zu ordnen, unternahm dagegen erst in jüngerer Zeit Harald Tersch: Seine Übersicht beschränkt sich freilich auf einzelne, äußerlich geschlossene Texte und Textchiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas. 15). Wien, Köln, Weimar 1993; ders.: Zu einer frühen Übersetzung ins Englische von Teilen der »Moscovia« Herbersteins. In: Kämpfer/Frötschner, Commentarii, S. 327–349. Daher bereits früh gedämpft ders.: Probleme bei der Edition von Herbersteins Moscovia. In: Gerhard Pferschy (Hg.): Siegmund von Herberstein. Kaiserlicher Gesandter und Begründer der Rußlandkunde und die europäische Diplomatie (= Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchives. 17). Graz 1989, S. 165–177. Aus dem Projekt ging immerhin die Initiative zu einer Teiledition hervor: Frank Kämpfer (Hg.): Sigismund von Herberstein: Rerum Moscoviticarum Commentarii. Synoptische Edition der lateinischen und der deutschen Fassung letzter Hand Basel 1556 und Wien 1557. Regensburg 2007, [04.03.18]. Zwar geht durch die parallelisierte Wiedergabe die ursprüngliche Textgestaltung verloren – Seitenumbrüche und Absätze, die Abbildungen sowie einige Paratexte der lateinischen Ausgabe entfallen –, doch treten so die Abweichungen beider Versionen deutlich zutage. 401 Adelung, Herberstein, S. IV begründet die Biographie in jenen »eigenen Bekenntnissen […], an deren Aechtheit und Aufrichtigkeit wir nicht zweifeln dürfen« und die somit die Notwendigkeit, sich an Herberstein zu erinnern, objektivieren: »Wenn er [Herberstein] als ausgezeichneter Schriftsteller und Staatsmann, seines merkwürdigen Zeitalters und seiner seltenen persönlichen Verdienste wegen schon allgemeine Hochachtung verdient, wie viel wichtiger muss sein Andenken nicht für Russland seyn, das er zweimal in einem höchst interessanten Zeitpunkte durchreiste, und über welches er zuerst genaue Berichte gab […]« (ebd., S. IVf.).
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sammlungen, die in gedruckter oder edierter Form vorliegen; demgemäß wird die handschriftliche Überlieferung nur teilweise, die briefliche Korrespondenz gar nicht erfasst.402 Zudem tendiert Tersch dazu, die einzelnen Texte nicht allein zu Überlieferungsgruppen zusammenzuschließen, sondern eine generelle Interdependenz geltend zu machen, aus der sich die Arbeit Herbersteins an einer einzigen, inhaltlich immer gleichen und nur formal ausdifferenzierten Erzählung ergibt.403 Im Umkehrschluss müsste sich demnach, so facettenreich die Darstellung auch sein mag, ihr gemeinsamer Gegenstand, nämlich die Biographie Sigmunds von Herberstein, in einer Art dichten Beschreibung nur umso eindeutiger bestimmen lassen. Dieser Ansatz aber stößt auf Probleme: Selbst wenn die biographische Sinnstiftung durch Selbstzuschreibungen – anders als etwa im bereits geschilderten Fall Ulrichs von Hutten404 – in ihrer Konstruktivität wahrgenommen wird, beraubt der Versuch, die Texte auf eine gleich gerichtete Bedeutung festzulegen, sie ihrer jeweiligen Eigenlogik. Mehr noch, indem die Überlieferung auf diese Weise geglättet wird, sind nicht nur Widersprüche und Fehlstellen der autobiographischen Erinnerung durch Textalternativen allzu leicht auszugleichen, sondern es entstehen vielleicht gerade angesichts einer besonders dichten Memoria neue Gedächtnislücken.405 Konkret auf die eingangs nachgezeichnete Szene gewendet wäre also zu fragen, ob sie nur im Abgleich mit anderen Selbstaussagen richtig zu verstehen ist, ob sie überhaupt damit harmonisiert werden sollte. Sigmund von Herberstein erscheint hier nämlich eben nicht als Humanist, erst recht nicht als Diplomat und Staatsmann. Doch weder wird das Verhalten der adligen Standesgenossen und damit sein eigenes für defizitär erklärt – oder zumindest mehr oder weniger subtil, aus der sicheren Rückschau, infrage gestellt – noch formt Herberstein die Episode erkennbar zu seinen Gunsten, sofern eine gelehrt-ausgeglichene Haltung dafür der Maßstab sein sollte.406 Dieser in anderen Schriften dominanten 402 Tersch, Selbstzeugnisse, S. 193–213. Harrauer, Entstehungsgeschichte, S. 142, Anm. 7 benennt Sammlungen und einzelne Briefe bzw. Briefkonzepte Herbersteins in Wien (»Commercium litterarum«: Österreichische NB. Wien. Cod. 13497 und 13598; sowie Cod. 97371 und 9737k) und Budapest (Ungarische Sz8ch8nyi-NB Budapest. Cod. 258 Fol. lat und Fol. Germ. 448). 403 Vgl. Tersch, Selbstzeugnisse, S. 210f.: »Einer der interessantesten Aspekte an Herbersteins Autobiographien ist die Verschiedenartigkeit der Überlieferung. Selbst in kleineren Abweichungen der einzelnen Fassungen läßt sich ein Experimentieren feststellen, das die jeweils adäquate Form und Sprache der Niederschrift zum Ziel hat. An der Konstruktion seines schriftlichen Selbstbildes hat Herberstein offensichtlich über Jahre hindurch gearbeitet, dabei je nach Publikationsforum und Erkenntnisstand seine Perspektive neu akzentuiert.« 404 Dazu oben S. 37–39. 405 Zur Bedeutung der rhetorischen praeteritio und des faktischen Übergehens und Vergessens im Rahmen autobiographischer Erinnerung oben S. 140 mit Anm. 383. 406 Tersch, Selbstzeugnisse, S. 202 ist überzeugt, dass die Szene ein Plädoyer für die klassische
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Perspektive jedenfalls wird hier kein Vorrang eingeräumt. Wir kommen darauf zurück; aber vielleicht darf die Episode zunächst irritieren, um eine Differenz zu markieren. Auf Brüche innerhalb der vermeintlich geschlossenen autobiographischen Überlieferung hat jüngst bereits Karl A. E. Enenkel hingewiesen. Für drei Schriften, zwei davon im Druck und jeweils in zwei Auflagen erschienen, gelingt es ihm aufzuzeigen, dass sie keineswegs auf derselben Basis stehen, vielmehr zum Teil erheblich in Perspektive und Darstellungsziel voneinander abweichen.407 In diesem »Diskurskaleidoskop« erkennt Enenkel, sicherlich zurecht, eine wechselnde Orientierung Herbersteins an seinem jeweiligen Publikum, die schließlich soweit geht, dass schon jede Neuauflage eines gedruckten Textes diesen in Bestand und Format dramatisch verändert. Schwierigkeiten bereitet allerdings auch hier der Zuschnitt der Studie: Im Fokus steht wiederum vor allem der Humanist Sigmund von Herberstein, der in seiner Entwicklung als Autor ›öffentlicher‹ Druckschriften vorgeführt wird.408 Abgesehen von methodischen Problemen könnte eine solche Entwicklungsgeschichte aber eigentlich nur auf Basis eines gesicherten Überblicks über das Gesamtwerk gelingen – doch, nicht anders als für den Ausschnitt der ›Commentarii‹, fehlt diese Grundlage bislang.409 Noch immer gibt es kein vollständiges Verzeichnis der Verbindung von arma und litterae darstellt, verwirklicht und (freilich erst) vor dem Leser ausgestellt in der Person Herbersteins – obwohl ausgerechnet hier der »Bildungseifer des Verfassers mit keinem Wort« erwähnt wird (ebd.). 407 Vgl. Enenkel, Erfindung, S. 547–574. Die ausgewerteten Schriften sind eine Wiener Handschrift (HHStA Wien. Hs. Bohm I63 = R II.; ediert von Karajan, Selbstbiographie, S. 67–396) sowie Ausgaben von ›Den Gegenwurtign vnd nachkomendn Freyherrn zu Herberstein‹ (= VD16 ZV 7719; Wien 1558(?) und ebd. 1560) und ›Gratae Posteritati […]‹ (Wien 1558 und ebd. 1560). 408 Im Fazit hebt Enenkel, Erfindung, S. 826 zwar hervor, dass die Verschiedenartigkeit der Texte Herbersteins sich nicht auf eine fortschreitende Entwicklung zurückführen lasse, der Autor also nicht ein und denselben Text in wechselnder Form reproduziere. Allerdings suggeriert Enenkel einen evolutionären Zusammenhang, indem er die Texte in eine chronologische, nummerierbare Ordnung stellt und ihre Eigenständigkeit vornehmlich anhand von Unterschieden bzw. dem Verweis auf ein »nicht mehr« (z. B. S. 555) herausarbeitet. Den humanistisch geprägten Textsorten wird – freilich gemäß dem Erkenntnisinteresse der Studie – mehr Raum gegeben als der »adligen« Tradition. So fehlt dann auch eine differenziertere Auseinandersetzung mit der handschriftlichen Überlieferung wie mit der Pragmatik der deutschen Texte generell, die zwischen »Rechenschaft« bzw. »Anleitung« und »Repräsentation« verortet oder, besser gesagt, darauf verkürzt wird. 409 Schwierig ist deshalb auch die von Enenkel vorgestellte Chronologie: Es existiert eine Ausgabe von ›Gratae Posteritati‹ (Bayerische SB München. L.impr.c.n.mss. 1038, Beibd. 9), die nur bis ins Jahr 1549 reicht und sich auch textlich klar von den augenscheinlich späteren Auflagen unterscheidet. Die Schrift steht damit zeitlich noch vor der Wiener Handschrift, deren Bericht mit dem Jahr 1553 abbricht, und auch vor dem Erstdruck der ›Den Gegenwurtign‹, den Enenkel nur ungefähr auf 1556–1558 und auf jeden Fall vor ›Gratae Posteritati‹ datiert sehen will (ebd., S. 551). – Die ältere Ausgabe der ›Gratae Posteritati‹ ist auch aufgrund ihrer gut belegten Provenienz interessant: Laut dem handschriftlichen Fachre-
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Schriften Herbersteins, geschweige denn der umfangreichen Archivbestände. Freilich darf dieses Desiderat nicht überraschen angesichts der Menge an Material, das stark verstreut ist und nicht zuletzt aufgrund seiner inzwischen bekannten Binnendifferenzierung einzeln zu sichten und inhaltlich zu erschließen wäre. Allein aus der Literatur und der kursorischen Durchsicht von Bibliothekskatalogen lassen sich über 30 Titel schöpfen, die sicher belegt und der Autorschaft Herbersteins zuzuordnen sind.410 Fast alle diese Texte wurden in einem Zeitraum von knapp 20 Jahren, zwischen 1545 und 1564, fertiggestellt.411 Die zeitgenössischen Drucke, das heißt die zu Lebzeiten des Autors verlegten Schriften, umfassen dabei gut 25 Titel, einschließlich mehrerer Auflagen der – vermeintlich oder tatsächlich – gleichen Texte. Sie verteilen sich zu etwa gleichen Teilen auf Ausgaben in deutscher und lateinischer Sprache. Den deutlich kleineren Teil im Œuvre Herbersteins machen dagegen mit nur sechs bekannten Titeln die Handschriften aus. Zwar sind die bereits benannten Korrespondenzen hierbei nicht mitgerechnet, und es wäre auch durchaus noch mit Neufunden zu pertorium (dank freundlicher Auskunft der Mitarbeiter der Bayerischen StB München) stammt die Schrift aus dem Nachlass des Caspar Bruschius. Sie ist hier zusammengebunden mit anderen Druckwerken, darunter eine Ausgabe der von Johannes Dantiscus für Herberstein veranstalteten ›Soteria‹ (Beibd. 8). Bruschius hielt sich 1552 in Wien auf und erwähnt Herberstein lobend in der Vorrede zu Cuspinians ›Austria‹ (Basel 1553); vgl. Adalbert Horawitz: Caspar Bruschius. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus und der Reformation. Prag, Wien 1874, hier S. 136. Hieran lässt sich eine Distributionspraxis der gedruckten Texte Herbersteins bzw. aus seinem Umfeld nachvollziehen, die sehr exklusiv, d. h. weitgehend auf eine ›Kommunikation unter Anwesenden‹ beschränkt scheint. Diese Rezeptionsregulierung widerspricht klar der herkömmlichen Veröffentlichungslogik. 410 Ausgewertet wurden die Übersichten von Michael Denis: Wiens Buchdruckergeschicht bis M.D.LX. Wien 1782, passim; Adelung, Herberstein, S. 309–436; Franz Krones: Sigmund von Herberstein. Ein Lebensbild, mit besonderer Rücksicht auf die Beziehungen Herberstein’s zur Steiermark und seine Schriften In: Mitteilungen des historischen Vereins für Steiermark 19 (1871), S. 3–76, hier S. 63–76; Harrauer, Entstehungsgeschichte; Tersch, Selbstzeugnisse, S. 193–213. Ausgangspunkt für die Suche in deutschen Bibliotheken war VD16, wobei die Recherche natürlich auf Bestände in Österreich (HHStA und Österreichische NB Wien), Ungarn (Ungarische Sz8ch8nyi-NB Budapest) und Russland (Russische SB Moskau) auszudehnen war. Die größten Schwierigkeiten bestehen darin, ältere Bezeichnungen zu Aufbewah-rungsorten zu aktualisieren, Irrtümer wie gedoppelte Einträge oder Fehldatierungen zu erkennen und Angaben zu Texten, die nicht selten auf Vermutungen basieren, zu bestätigen oder zu falsifizieren – was im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten war. 411 Die Ausnahme könnte ein eigentümliches Werk bilden, das Adelung, Herberstein, S. 407f. nach dem Katalog der Uffenbachischen Bibliothek (Frankfurt am Main 1730) beschreibt. Der mehrfach gefaltete Pergamentstreifen stellt demnach eine Art Tagebuch der zugleich titelgebenden »Dienst und Reysen« Herbersteins zwischen 1506 und 1527 dar. Der Zusatz »mit dem kürtzesten vergriffen« würde auf eine redaktionelle Bearbeitung schließen lassen. Über den Verbleib dieser Schrift war sich schon Adelung im Unklaren. Davon abgesehen datiert Harrauer, Entstehungsgeschichte, S. 145 auch den Beginn der Arbeiten an den ›Commentarii‹ in die frühen 1530er Jahre.
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rechnen; doch manifestiert sich Herbersteins literarisches Schaffen zweifellos vorrangig im Medium des Drucks. Gerade das macht die handschriftliche Tradition aber vielleicht umso wertvoller und beachtenswerter. Zum einen sind Handschriften Unikate; das heißt, ihre prinzipielle Eigenart liegt darin, dass sie nicht unmittelbar und beliebig reproduzierbar sind und deshalb jeder Eingriff, jeder Versuch einer Änderung oder Fortschreibung sichtbar wird.412 Die Textgenese wäre dann nicht erst im Abgleich mit anderen Schriften zum Vorschein zu bringen, der Text nicht aus Abhängigkeiten, Unterschieden, aus Vorstufen und Nachfolgern zu definieren und zu erklären, sondern könnte für sich stehen. – Zum anderen, sofern es zutrifft, dass die Sphäre der Publizistik, des Drucks eine Domäne humanistisch geprägter Autoren ist, stellt die Handschrift ein Gegenmedium dar. Gerade weil Herberstein die Möglichkeiten des Drucks intensiv nutzte, dürfen wir die Handschriften als Gegenentwurf verstehen. Keinesfalls sind sie Vorstudien, denn sie entstehen parallel zu den im Druck verbreiteten Texten. Ebenso wenig werden die Handschriften einfach in den Druck übernommen noch bilden sie die eindeutige Vorlage einer Druckfassung. Aber welchen Sinn erfüllt dieses Changieren zwischen den Medien dann? Unter den Handschriften ist insbesondere ein Text wenig beachtet worden, die sogenannte Budapester Handschrift, entstanden kurz nach 1545.413 Für diese Missachtung gibt es zwei verblüffende Gründe: Die Handschrift wurde überhaupt als erster Text Herbersteins jenseits der ›Commentarii‹ ediert, und sie gehört zu den frühesten bekannten Produkten seiner literarischen Schaffensphase. Den Zusammenhang stellt die Editionsgeschichte her. Schon im Vorwort schränkt der Herausgeber, der ungarische Jurist und Historiker Martin Georg Kovachich,414 ein, dass er die Editionsarbeit in den »wenigen Nebenstunden, die ich meinen litterarischen Bemühungen allein widmen kann«, geleistet habe; so hoffe er noch, dass »andere wahre Gelehrte« oder solche, »die sich einst aus der kritischen bibliographie [sic] und gelehrten Geschichte unsers Vaterlandes ein 412 Zur Bedeutung dieser Sichtbarkeit für die Pragmatik der Handschrift oben S. 104–106 das Beispiel der Berlichingen-Texte. 413 AO: Ungarische Sz8ch8nyi-NB Budapest. Ms. Quart. germ. 200. Edition: Martin Georg Kovachich (Hg.): Sammlung kleiner, noch ungedruckter Stücke in welchen gleichzeitige Schriftsteller einzelne Abschnitte der ungarischen Geschichte aufgezeichnet haben. Bd. 1. Ofen 1805, S. XLIV–XLVII, 111–276. Zur Datierung vgl. unten S. 153. Sämtliche Zitate im Folgenden geben den Wortlaut der Handschrift wieder, die Verweise auf die Edition dienen lediglich der Orientierung. Buchstabenbestand, Großschreibung und Zeichensetzung folgen, soweit erkennbar, dem Original. Abkürzungen werden, wo es dem Verständnis dient, stillschweigend aufgelöst. In Fällen, da es auf die Wiedergabe der Textgestaltung ankommt, sind Absätze bzw. Umbrüche durch Längsstrich j markiert. Moderne Ergänzungen oder Auslassungen stehen in eckigen Klammern [ ]. 414 Zur Person: Constant von Wurzbach: [Art.] Kovachich, Martin Georg. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich 13 (1865), S. 64–66.
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Hauptgeschäft machen werden« der Sache der ungarischen Altertümer annehmen würden.415 Der demonstrative Dilettantismus scheint hier also durch einen gewissen nationalen Impetus beflügelt – und möglicherweise hat diese Stoßrichtung mit dazu beigetragen, dass Kovachichs Arbeit keinen größeren Nachhall fand, ja sogar in späterer Zeit ›überschrieben‹ wurde. Friedrich Adelung stützte sich noch in wesentlichen Teilen seiner Herberstein-Biographie auf diese Ausgabe. Einen sehr viel kritischeren Ton schlug dann aber Theodor von Karajan an. Für ihn vermochte Kovachichs Versuch wegen etlicher editorischer und textkritischer Mängel »den Ansprüchen der heutigen Wissenschaft nicht mehr zu genügen«.416 Statt nur jene Fehler in der eigenen Editionspraxis zu vermeiden, lieferte Karajan gleich den augenscheinlich besseren Text dazu: Seine Edition stellt eine Handschrift aus dem Bestand des Wiener Hof-, Haus- und Staatsarchivs417 vor, die nicht einfach eine Kopie des Budapester Exemplars ist, sondern demgegenüber als eine Art verbesserter und vermehrter Neuauflage erscheint. So eröffnet den Text hier eine Präambel, der Bericht ist umfangreicher, schon allein indem er zeitlich über den Stand der Budapester Handschrift hinausgeht. Deutlich wird Karajans Anspruch, die Edition von Kovachich überflüssig zu machen, vor allem durch den Abdruck der Schlusspassage aus dem Budapester Exemplar : Der Wiener Fassung fehlt ein solches Resümee, doch indem er es hier nachträgt, erweckt Karajan den Eindruck, die Textgrundlage im Sinne Herbersteins zu vervollständigen, letztlich also den eigentlichen, endgültigen Text bieten zu können.418 Nicht zuletzt war damit freilich auch der Versuch abgewendet, Herberstein für eine ungarische (National-)Geschichtsschreibung, auf Basis einer mehr oder weniger zufällig nach Budapest gelangten Handschrift, zu vereinnahmen, und das auf Dauer.419 Bereits Harald Tersch hat darauf hingewiesen, dass die Wiener Handschrift »keineswegs in allen Belangen dem älteren Werk vorzuziehen« sei;420 allerdings sieht er den Mehrwert eher darin, die Texte ergänzend zu lesen, die Überlieferung also wiederum nachträglich zu verdichten. Hier wird ein anderer Ansatz 415 Kovachich, Sammlung, S. XIIIf. 416 Karajan, Selbstbiographie, S. X. In der Tat ist Kovachichs Textwiedergabe problematisch, in Teilen sogar willkürlich, was Lesarten, Kürzungen und die Integration der im Original zahlreichen Marginalien anbelangt. 417 Siehe Anm. 407. 418 Die vorgeschaltete Ergänzung: Karajan, Selbstbiographie, S. X–XIV. 419 Die nationale Konnotation von Karajans Editionsunternehmens ist sicherlich nicht unmittelbar evident. Allerdings legen der zeithistorische Hintergrund – die (gescheiterte) ungarische Unabhängigkeitsbewegung von 1848 – und die Einhegung von Edition und Thema im Prestigeprojekt der ›Fontes Rerum Austriacarum‹ eine entsprechende Stoßrichtung nahe. – Ähnliches könnte gelten für die – nur auf Karajan Bezug nehmende – Arbeit von Joseph Zahn: Das Familienbuch Sigmunds von Herberstein. In: Archiv für österreichische Geschichte 39 (1868), S. 293–415. 420 Tersch, Selbstzeugnisse, S. 194.
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Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein
vorgeschlagen. Die Budapester Handschrift soll als eigenständiger Text ernst genommen werden. An einem Text, der als eines der frühesten literarischen Werke Herbersteins gelten kann, muss jede Überarbeitung, Umwidmung, jede Aneignung Spuren hinterlassen haben. In Herbersteins Werk, das so vielschichtig, so differenziert ist und das durch Experimente mit Formaten und Inhalten ausgeprägt scheint, könnte die Handschrift dadurch einerseits auf den Ursprung dieser Diversität verweisen – oder andererseits völlig unberührt geblieben sein, könnte damit eine andere Deutungstradition eröffnen oder auch eine Sackgasse darstellen.
2.
Material: Die ›Raittung‹ zwischen Inventar und Testament der Vorbildhaftigkeit
2.1.
Materialität
Die Budapester Handschrift umfasst 251 Blatt Papier in kleinem Quartformat.421 Sie liegt in vermutlich historischer Codexbindung vor. Der gut erhaltene lederne Ganzeinband, der Spuren zweier verlorener Schließen aufweist, ist aufwendig geprägt. Zentrales Motiv der Front ist eine Agnus-Dei-Darstellung,422 darüber erscheint in abgesetztem Feld die Überschrift »Mein Sig[mund] Freyh[e]rn Zw Herberstain Neyp[er]g vnd guttenhag raittung vnd anzaigen meines lebens vnd wesens wie hernach uolgt«. Die Rückseite dagegen zeigt eine sitzende Figur, die einen Bogen spannt und von einem Spruchband umflossen wird.423 Bildliche Ornamente, florale Muster und schlichte Trennlinien rahmen Abbildungen und Text. Der konkrete Bezug der Darstellungen zum Inhalt der Handschrift ist unklar ; zu vermuten steht daher, dass die Prägung aus bereits vorhandenen Schablonen zusammengesetzt wurde. Allein die zitierte Überschrift gibt, wie wir sehen werden, in leichter Variation den Eröffnungssatz, also den Titel der Handschrift wieder. Für die heutige oder schon eine frühere Bindung im selben Format wurden die Blätter beschnitten. Der Schriftspiegel ist dadurch an den jeweils rechten 421 Format: 16 x 21,5 cm (Einband) bzw. 15 x 20,5 cm (Seiten). 422 Ein lateinisches Spruchband erläutert die Darstellung: »AGNVS DEI j QVI TOLLIS PEC-jCATA MVNjDI MISERE NOBIS« (»Lamm Gottes, das du trägst die Sünden der Welt, erbarme dich unser«). Die christliche Symbolik setzt sich fort: In die vier Ecken des Bildes sind die Buchstaben »INRI« gesetzt, unter dem »N« erscheint zudem als Ligatur das Jesusmonogramms, »IHS«. 423 Das Jagdmotiv wird von einigen Ornamenten aufgegriffen, die Hunde bei der Hirschhatz zeigen. Das Spruchband lautet vollständig »15 j S j D j V j S j 23«. Die Abkürzung ließ sich ohne weiteren Kontext nicht auflösen, denkbar wäre eine Datumsangabe.
Material: Die ›Raittung‹ zwischen Inventar und Testament der Vorbildhaftigkeit
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oberen Seitenrand gerückt. Zu Textverlusten aber kam es offenbar nicht, auch weil vom Beschnitt stärker betroffene Stellen entweder nachgetragen oder sogar von der Rasur sorgfältig ausgespart wurden.424 Custodes, die an den unteren rechten Seitenrand gesetzt sind, geben die geplante Abfolge der Blätter an, und diese scheint durchgängig eingehalten worden zu sein. 478 der im Codex enthaltenen 500 Seiten nimmt die Reinschrift von der Hand eines einzigen, professionellen Schreibers ein, drei weitere Seiten sind von anderer, allerdings zeitgenössischer Hand beschrieben, während die übrigen Leerseiten sind.425 Die Handschrift umfasst damit formal einen einzigen, geschlossenen Text. Dieser ist, soweit erkennbar, zwar aufgrund der (Neu-)Bindung nicht im tatsächlich ursprünglichen Zustand erhalten, aber in einer dem Original recht nahestehenden Bearbeitungsstufe. Die Entstehung der Handschrift lässt sich zeitlich durch eine Kombination inhaltlicher und äußerer Gründe recht genau eingrenzen. Der Bericht endet im Jahr 1545.426 Die Wiener Handschrift dagegen, die zweifellos auf dem Budapester Exemplar basiert, bricht recht unvermittelt im Jahr 1553 ab und dürfte deshalb nicht viel später erarbeitet worden sein. Ihre Vorlage ist zu diesem Zeitpunkt allerdings eine bereits redigierte Textfassung, die durch umfangreiche Überarbeitungen der Budapester Handschrift entstanden war. Die Redaktion und möglicherweise auch bereits der ursprüngliche Text enthalten darüber hinaus Verweise auf Schriften, die um oder nach 1549 in Umlauf kamen.427 Denkbar, wenn auch vorerst nicht zu belegen, wäre demnach, dass die Budapester Handschrift zwischen 1549 und 1553 ihre heutige Form fand. Spätere Bearbeitungen sind dadurch freilich nicht ausgeschlossen. Zumindest muss der Beschnitt noch vor 1566, dem Todesjahr Sigmunds von Herberstein, vorgenommen worden sein, denn dabei abgetrennte Wörter sind von seiner Hand ergänzt.428 Die Provenienz der Handschrift dagegen lässt sich nur schlaglichtartig erhellen. Spuren aber finden sich im Band selbst: Besitzvermerk und Bestandsangaben verorten die Handschrift als erstes in der Bibliothek des Augustinerklosters Lockenhaus.429 Der Konvent wurde Mitte des 17. Jahrhunderts ge424 Der Beschnitt ist etwa an den rasierten Buchstaben der Überschrift fol. 5r erkennbar. Die Aussparung ist fol. 150r. 425 Die drei separat beschriebenen Seiten sind fol. 1r, 4v und 248r. Vgl. dazu das Folgende. – Die Leerseiten erscheinen fol. 1v–4r vor Beginn der Reinschrift, fol. 235v–237v zwischen Haupttext und Schlusswort, fol. 242v–243v zwischen Schlusswort und lateinischen Epigrammen sowie fol. 248v–250v am Ende der Handschrift. 426 Vgl. fol. 232r bzw. die Abschrift einer Urkunde König Ferdinands aus demselben Jahr, fol. 232r–235r. 427 Zu diesen Anleihen siehe Anm. 454 und 458. 428 Vgl. etwa fol. 126. 429 Der handschriftliche Vermerk (fol. 5v) lautet: »Conventus Leucensis O(rdinis) E(remita-
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Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein
gründet, wahrscheinlich im Rahmen von Rekatholisierungsmaßnahmen, die Ferenc III. N#dasdy (1625?–1671) in seinem Herrschaftsbereich, zu dem auch Lockenhaus gehörte, veranlasste.430 Vermutlich leitete Martin Georg Kovachich daraus ab, der Codex habe sich ursprünglich im Besitz der N#dasdy befunden, namentlich in der Bibliothek des Tam#s III. N#dasdy (1498–1562), mit dem Sigmund von Herberstein in Kontakt stand.431 Dieser Analogieschluss lässt sich aber nicht einwandfrei belegen. Kovachich selbst entlieh die Handschrift bereits der Sz8ch8nyi-Bibliothek, mit deren Einrichtung im Jahr 1802 der Grundstein zur heutigen Nationalbibliothek in Budapest gelegt worden war. Nicht viel früher oder später kann die Handschrift nach Budapest gekommen sein. Weitere Materialien blieben dagegen vorerst in Lockenhaus: Noch 1818 bemühte sich Ferenc Graf Sz8ch8nyi (1754–1820) dort um »zwey starke Foliobände« mit Gesandtschaftsakten Herbersteins.432 Erst im Zuge der Archivierung in Budapest wurde die Handschrift komplett foliiert, ein späterer Bearbeiter fügte noch handschriftlich eine Seitenzählung ein.433 Eine neue Signatur und die Aufschrift auf dem Buchrücken ordnen die Handschrift in einen Bestand ein.434 Eigentlich erst diese Maßnahmen aber, die teilweise wenig Rücksicht auf den ideellen oder auch nur mate-
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rum) S(ancti) P(atris) A(ugustini)«. Von derselben Hand am Rand wahrscheinlich die Signatur : »Lit. D j Se: 2. j No. i3.«. Vgl. August Ernst: Geschichte des Burgenlandes (= Geschichte der österreichischen Bundesländer). 2. Aufl. Wien 1991, hier S. 135. Kovachich, Sammlung, S. XLV. Zur Bekanntschaft zwischen Herberstein und den N#dasdy vgl. nur Adelung, Herberstein, S. 288. Tatsächlich unterhielt Ferenc III. N#dasdy im benachbarten Pottendorf eine Bibliothek, die »als wertvollste Adelsbibliothek der Zeit« bezeichnet worden ist: Bernhard Fabian (Hg.): Handbuch der historischen Buchbestände. Ungarn 1998, S. 29. Die beiden Bände erwähnt erstmals Kovachich, Sammlung, S. XLV, während Adelung, Herber-stein, S. 434f. von einer (erneuten?) Initiative berichtet, sie anzukaufen. – Zur Entstehungsgeschichte der Sz8ch8nyi-Bibliothek vgl. Fabian, Buchbestände, S. 47ff. Der Bibliothekskatalog von 1799 listet zwar Ausgaben der ›Commentarii‹ (1557) bzw. der Übersetzung Pantaleons (1563) auf, doch die Handschrift findet sich dort nicht: Catalogus bibliothecae Hungaricae Francisci Com. Sz8ch8nyi. Tomus I. Scriptores Hungaros et rerum Hungaricarum. Pars I. A–L. Ödenburg/Sopron 1799, S. 474f. Die Folioangaben werden jeweils rechts oben aufgestempelt, fol. 120 aber wird irrtümlich ausgelassen, so dass die weiteren Bezeichnungen im Original verschoben sind, hier aber korrigiert angegeben werden. Der gleichen Zeitstellung könnte auch der Stempel »Ex Bibl. Com. F. Sz8ch8nyi«, fol. 1, entsprechen. Die Paginierung mit rotem Buntstift überschreibt teilweise die Folioangaben. Derselbe Bearbeiter brachte auch Markierungen im Text an (z. B. fol. 124v, neben der Zeile »N«). Ein eindeutiges Muster aber – etwa eine Entsprechung in der Edition von Kovachich – lässt sich dabei nicht erkennen. Das Rückenschild ist später aufgesetzt, es zeigt in Goldprägung den Titel »HERBERSTAIN TAGBUCH«. Handschriftlich wurde mit schwarzer Tinte darauf ergänzt »Raitung u. Anzeige«. Dazu unten S. 162. Außerdem haben mehrere Bestandsrevisionen ihre Spuren bzw. Signaturen und Vermerke auf der Innenseite des vorderen Deckels hinterlassen.
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riellen Wert der Handschrift nehmen, erschließen das Werk der Nutzung durch Archivare, Historiker und verwandte Leserkreise, machen sie verfügbar. Hieraus ergibt sich ein wichtiger erster Befund: Die ältere Überlieferungsgeschichte bleibt vielleicht auch deshalb dunkel, weil die Handschrift bis ins 19. Jahrhundert hinein eben nicht in einem herkömmlichen Sinn genutzt wurde. Dafür spricht außerdem, dass bis in jene jüngere Vergangenheit kein einziger Leser Anmerkungen, Korrekturen, Markierungen, ja auch nur Beschädigungen im Text beziehungsweise dem Bestand der Handschrift hinterlassen hat. Davon ausgenommen ist ganz allein, wie bereits angedeutet wurde, der Autor selbst. Die Handschrift ist übersät mit Annotationen, offensichtlich alle von derselben Hand. Sie lässt sich durch Abgleich, im Kontext der Schrift aber auch schon durch Art und Umfang der Bearbeitung eindeutig Sigmund von Herberstein zuweisen.435 Darauf wird noch einmal der Blick zu lenken sein – vorerst aber genügt es festzuhalten, dass Herberstein im Text sowohl als Autor wie auch als kritischer Leser oder, besser gesagt, als vorrangiger, vielleicht sogar einziger Leser in Erscheinung tritt. Vor Eingriffen Dritter blieb die Handschrift lange Zeit geschützt, oder sie war ihnen bewusst entzogen. Handelt es sich aber nicht gerade deshalb um einen toten Text? Oder ist der Text lediglich ein autoreferentielles Spiel? Möglicherweise sind dem Text mediale Mechanismen oder subtile Anweisungen eingeschrieben, die seine Handhabung regulieren und somit den spezifischen Gebrauch – oder Nichtgebrauch? – erklären können.
2.2.
Medialität
Auf den ersten Blick ist die Budapester Handschrift ein fertiger Text. Die Reinschrift ist sehr sorgfältig gearbeitet und wurde sehr wahrscheinlich aus einer schriftlichen Vorlage übernommen. Dafür sprechen einige, wenngleich äußerst seltene Abschreibfehler.436 Der Text ist in gefälliger, gut lesbarer Kursive in ein Raster eingetragen. Dieses lässt urspünglich einigen Raum auf der Seite, der wiederum durch den späteren Beschnitt gestutzt ist. Die Anzahl der Zeilen 435 Kovachich, Sammlung, XLV identifiziert die Handschrift auf Basis der Gesandtschaftsakten (siehe Anm. 432). Leicht zugänglich als Vergleichsmaterial sind eigenhändige Briefe Herbersteins an Johannes Dantiscus über die Seite des an der Universität Warschau angesiedelten Publikationsprojekts »Corpus of Joannes Dantiscus’ Texts & Correspondence«, [04.03.18]. 436 Es handelt sich um echte Marginalien, etwa fol. 30v : »Von dann gen der Neu˚stat ist ain Marckht ist Osterreichisch«, oder fol. 35v : »Aber zwo meil gen der Plaß ain Sloß vnd Stätl, wirt am [über der Zeile: ein] Fu˚rstenthu˚mb genant«.
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Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein
pro Seite variiert von anfänglich 20 bis 21 zu bald 17 bis 19.437 An keiner Stelle erscheint der Text gedrängt, im Gegenteil lockern breite Absätze und auch Sperrungen, oft verbunden mit schwungvoll abgesetzten Initialen, das Format auf. Auf Abkürzungen wird fast völlig verzichtet, nur die gängigsten Siglen (wie »ec«, »kay¨. mjt.«) finden Verwendung. Syntaktische Struktur signalisieren Satzzeichen, das heißt vor allem der häufige, durchaus stringente Einsatz von Kommata. Zusätzlich ist der Text durch Überschriften klar gegliedert; vom Fließtext heben sie sich durch ein verändertes Schriftbild ab, das an Drucktypen wie die Fraktur erinnert, dabei aber organischer und häufig ausladender gestaltet ist. Diese mitunter recht kleinteilige Binnengliederung des Textes folgt im Wesentlichen drei Strukturelementen: dem Ort, der Zeit und, seltener, dem Ereignis.438 Die so geschaffenen Abschnitte schwanken erheblich im Umfang – zumal die Überschriften untereinander weder hierarchisiert sind noch stets konsequent, das heißt nach Maßgabe einer Vereinheitlichung, gesetzt scheinen.439 Dennoch bleibt festzuhalten, dass bei der Textgestaltung ein besonderes, vielleicht sogar das größte Augenmerk auf Ordnung und Übersicht liegt. Herberstein versucht offenbar, diesen Effekt der Übersichtlichkeit durch seine Redaktion zunächst zu verstärken, indem er etwa Jahreszahlen am oberen Seitenrand wiederholt und somit die Chronologie als Ordnungsprinzip hervorhebt.440 Auch die fortlaufende Ergänzung von Orten und Daten im Text selbst, die den weitaus größten Teil der Bearbeitung ausmacht, entspringt sicher der Absicht, das Moment der Ordnung auszureizen, den Bericht durch objektivierbare Details zu erschließen. Jedoch verkehrt ausgerechnet diese Art des Eingriffs die Übersicht und Tiefenschärfe ins Gegenteil: Die stellenweise wild wuchernden Annotationen verwirren das Textgefüge. Zwar zeigt sich Herberstein durchaus bemüht, die korrekte Positionierung der Nachträge im Text an437 Der Übergang erfolgt nach fol. 49, allerdings ohne dass sich das Schriftbild erkennbar verändern würde, man also einen Neuansatz vermuten dürfte. 438 Ein dicht gedrängtes Beispiel ist bereits fol. 8r–9r, die Überschriften lauten hier : »Zu˚ diener vnd Rat an hoff aufgenomen«, »1515 j Zu˚samen khu˚nfft Kay¨ser vnd khu˚nig zu˚ Wienn ec«, »Zu˚ dem von Saltzbu˚rg«, »Zu˚ dem kay¨ser gen Vlm«; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 116f. (die Jahreszahl fehlt dort). 439 Z. B. hebt der Bericht über Herbersteins Gesandtschaftsreise nach Dänemark im Jahr 1516 mit der Überschrift »Janu˚ary¨« an (fol. 10r), doch obwohl der weitere Bericht mehrere Monate umfasst (vgl. die Datumsangabe »xv. Marty¨«, fol. 14r), bleiben entsprechende Überschriften aus. Der gesamte Bericht: Kovachich, Sammlung, S. 118–132. 440 Die Datierung erscheint ab dem Jahr 1514 (fol. 6v = Kovachich, Sammlung, S. 115), vermutlich aus pragmatischen Gründen ab fol. 7r mehrheitlich auf den Recto-Seiten. Abweichungen kommen vor, gänzlich ausgenommen scheinen lediglich die eingefügten Dokumente (z. B. fol. 156v–160v als Teil einer Urkunde König Ferdinands I., fol. 156r–161r ; sie fehlt an entsprechender Stelle bei Kovachich, Sammlung, S. 230, vgl. daher den Wortlaut bei Karajan, Selbstbiographie, S. 295–298).
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zuzeigen; doch die Zuordnung gelingt bei weitem nicht überall.441 Zusätzlich erschwert den Zugriff, dass die Redaktion augenscheinlich in mehreren Durchgängen erfolgte, dadurch Einträge einander überlagern und Herbersteins Handschrift, um den stetig schwindenden Platz zu sparen, sich häufig mikroskopisch verkleinert.442 Der Text gerät an dieser Stelle zur Arbeitsversion, wird mit einer Fülle an Informationen angereichert, die nur noch durch eine bereinigte Neufassung aufzulösen sind. Ein Beispiel hierfür sind die ersten vier Seiten der Reinschrift (fol. 5r–6v): Die hier besonders dicht gedrängten Marginalien sind offenbar in mehreren Arbeitsschritten eingetragen. Sie halten vor allem Ereignisse nach (»1509 Bin ich zu Venedig gewest vmb Marnfels gehandlt der zeyt am 14 Martij ist der Arsenal daselbsten verprunen«)443, ergänzen vorhandene Informationen (zum Krieg in Ungarn 1506: »Der khrieg ward mit khunig Ludwigs gepurdt recht«; oder zur adligen ›peer group‹ zu Gurk die Namensliste: »Die Edln khnaben so Neben mir bey dem Thumbrobst zw gurkh gewest sein […]«)444 und schärfen vor allem die Chronologie (»Eodem anno [1511] am Montag nach Egidy gewanen wir Tu˚lmein, 3 Septembris«)445. Allerdings sind diese Änderungen dann nicht einfach in die Wiener Handschrift übernommen, sondern der gesamte Abschnitt wird dort neu formuliert – wobei auffällt, dass Herberstein Angaben, die im Budapester Exemplar erscheinen, in der vermeintlichen Zweitfassung ebenfalls nachtragen muss.446 Die Annotationspraxis in der Budapester Handschrift, die im Kern darauf zielt, ergänzend, korrigierend und klärend auf den Inhalt einzuwirken, erzeugt so vielmehr einen eigenständigen Nebensinn. Die äußerliche Integrität der 441 Kompliziert ist etwa die Auflösung von fol. 204v : »So hab ich doch aus mein treuen gegen meinem Herrn und meines Vaterlannds mich bewilligt die Raiß zu˚thu˚n [Verweis auf den Nachtrag am Rand: die khn. mt. nent mir zwen welhn ich wollt zw ainem mit Cass[…] Komissarien stelt mirs jn mein wille also bin ich] Mit vnnd neben Graf Niclaß von Salm vnd zu˚ Neu˚nbu˚rg am Inn. [im Absatz ergänzt: Zw dem au˚ff die rais khomen]«. Die Anordnung bei Kovachich, Sammlung, S. 259 dagegen ist irrig. Vgl. auch die Variante bei Karajan, Selbstbiographie, S. 331. 442 Die Edition von Kovachich hat hier echte Pionierarbeit geleistet, auch wenn allzu schwierige Passagen oder Begriffe häufig sinnentstellt wiedergegeben oder stillschweigend ausgelassen werden und zuweilen die Nachträge falsch platziert sind. Besonders deutlich wird das an den hier folgenden Beispielen, die Kovachich, Sammlung, S. 111–114 verarbeitet. 443 Am unteren Blattrand fol. 6r. Nachträglich ergänzt Herberstein über der Zeile noch zu Marnfels »des die Venedischen meinem vater gen[…]«; Kovachich, Sammlung, S. 112 liest »genutz«. 444 Die erste Ergänzung fol. 5v direkt unter der Zeile »au˚ßgeru˚st mit fu˚nf Pfärden«, die zweite darunter und durch Trennstrich abgesetzt, dann markiert und quer am linken Blattrand vervollständigt. Vgl. Kovachich, Sammlung, S. 112. 445 Quer am linken Blattrand fol. 6r. Die Jahreszahl ist, vermutlich nachträglich, darüber gesetzt. Tulmein ist Tolmezzo im Friaul, vgl. Karajan, Selbstbiographie, S. 73, Anm. 4. 446 Etwa die Informationen zum Feldzug von 1509 (»Am 3. Sept. gewanen wir Tulmein«), vgl. Karajan, Selbstbiographie, S. 73; der gesamte umgeschriebene Abschnitt ebd., S. 69–79.
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Reinschrift wird aufgebrochen, der Text differenziert und neu bestimmt. Ähnliche Verfahren haben wir bereits in den Überarbeitungen sowohl der gedruckten ›Epistola‹ als auch der handschriftlichen Berlichingen-Tradition erkannt.447 Den Text zu justieren, ihn sich dabei, möglicherweise aus einer vorgängigen Distanzierung heraus, wieder anzueignen und gefügig zu machen, könnte also auch für die Redaktion Herbersteins eine Rolle spielen. Und doch bestehen zwei wesentliche Unterschiede: Zum einen bearbeitet Herberstein den Text tatsächlich eigenhändig und beschränkt sich keineswegs auf sprachliche Detailkorrekturen und stilistische Anpassungen. Vielmehr unterzieht er den Text einer umfassenden Revision und macht sich in einer Doppelfunktion, als Autor und ›Leser seiner selbst‹, im Text sichtbar und präsent. Zum anderen wird diese Präsenz gerade dadurch betont, dass sie im Text einzigartig ist. Bis zur professionalisierten Nutzung der Handschrift als Archivgut hat kein anderer Leser darin Spuren hinterlassen. Deshalb konserviert die Budapester Handschrift Bedeutungen und Lesarten, die der Autor ihr eingeschrieben hat – allerdings nicht in einem einzigen und abgeschlossenen Produktionsvorgang, sondern indem er sich den Text wiederholt vornahm und ihn sich neu anverwandelte. Dieser Wandlungsprozess hat sicher in letzter Instanz einen anderen Text zum Ziel. Faktischen Ausdruck findet das unter den Anmerkungen in konkreten Schreibanweisungen und intertextuellen Verweisen. Auch werden Schreibweisen von Orts- und Personennamen mit dem Blick eines Kopisten durchgesehen und, wo nötig, korrigiert oder verdeutlicht.448 Und wirklich haben zahlreiche dieser Verbesserungen zuletzt Eingang in die bereits benannte ›Zweitfassung‹, die Wiener Handschrift, gefunden.449 Jedoch, und das ist entscheidend, verwandelt die Bearbeitung die Budapester Handschrift eben nicht in eine Sammlung von Kopiervorlagen. Sie wird nicht obsolet oder irrelevant, obwohl sie ja, auf den ersten Blick, nicht viel mehr bietet als eine vom Autor – und allein vom Autor! – redigierte Konzeptfassung. Im Gegenteil bleibt die Handschrift als eigenständiges Werk erhalten, wird nach oder schon im Verlauf
447 Siehe oben S. 52 (Hutten) und S. 104f. (Berlichingen). 448 Überdeutlich etwa die Korrektur »Wippach« aus »Conspach« (fol. 5r) oder auch die Klärung gerade osteuropäischer Transliterationen, z. B. »Smerkalnkj« statt »Schmerkalmki« (fol. 127v). 449 Vgl. etwa fol. 98v : »die khon. m. verordent mich ainem LandRatt in Steyr[?]Land des bestelbrieffs« – diese Anweisung ist gestrichen, wahrscheinlich weil sie weiter unten am Rand wiederholt ist: »hierein den bestelbrieff ain zw leiben« (dieses Dokument: Karajan, Selbstbiographie, S. 247f.). Einen Hinweis auf die Archivordnung Herbersteins gibt beispielsweise fol. 168r unter der Überschrift »An hof vnnd genn Saltzbu˚rg«: »Laut des beuelhs mit B vnd BB« (dieses Dokument: Karajan, Selbstbiographie, S. 302f.). Ähnlich lautende Anweisungen finden sich auch fol. 170r, 172v, 173v und 184r.
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der Redaktion neu gerahmt,450 sorgfältig gebunden und in dieser Gestalt offenbar für lange Zeit sicher verwahrt. Ihr wurde demnach als Medium ein Eigenwert zugestanden. Worin aber besteht dieser Eigenwert? Wir dürfen annehmen, dass er gerade im Schillern des Textes liegt, in der Prozesshaftigkeit, dem Übergangsstatus. Herberstein verbirgt seine Eingriffe nicht, sondern stellt sie als Teil der Aussage vor: Der Text ist fertig und ist es zugleich nicht, er ist geschlossen und wieder geöffnet, gefestigt und infrage gestellt.451 Schon an der Außenseite des Textes werden durch die Bearbeitung diese Verunsicherungen als mögliche Lesarten aufgeschichtet. Sie sind dem eigentlichen Textinhalt deshalb vorgeschaltet, oder, anders gesagt, sie sind wesentlicher Bestandteil des Paratextes. Gleichzeitig ergänzt die Redaktion den Medienverbund, den die Handschrift schon von ihren Anfängen her darstellt: Zunächst fallen hier die Dokumente oder Urkunden ins Auge, die als Abschriften in den Text eingefügt sind.452 Sie bewahren ihre grundsätzliche Gestalt, von der Intitulatio bis zur Datierung beziehungsweise der Rekognitionszeile, und sind vom Fließtext durch Absätze, seltener durch Umbrüche oder auch Leerseiten abgesetzt. Im Schriftbild aber entsprechen sie dem Haupttext, fügen sich daher einigermaßen nahtlos in das Erscheinungsbild der Handschrift – zumal in der Regel kein Regest gegeben wird, sondern der Urkundentext selbst Teil der Erzählung ist. Anders verhält es sich dagegen mit einer Sequenz ganz am Ende der Handschrift: Der Leser wird nämlich nicht mit dem Schlusswort verabschiedet, sondern stößt hier auf eine 450 Darauf weisen die bereits genannten Nachträge hin, durch die Herberstein beim Beschnitt der Seiten verlorene Bemerkungen wieder einträgt, siehe Anm. 424 und 428. 451 Die Reinschrift weist, soweit ersichtlich, nur an einer Stelle (fol. 36v) eine Lücke auf, die erst später gefüllt werden sollte. Ursache könnten hier freilich auch Probleme des Schreibers mit seiner Vorlage gewesen sein: Die Leerstelle nach »Die annder straß von Au˚schwitz au˚f Satu˚r, da rint die« ergänzt Herberstein über der Zeile mit »Skau˚a«; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 141. Ob die eingeschalteten Leerseiten (siehe Anm. 425) noch beschrieben werden sollten oder ob sie schlicht Trennblätter darstellen, lässt sich ebenfalls kaum sicher bestimmen. 452 Die Urkunden erscheinen fol. 101v–110r (Besserung des Wappens durch Kaiser Karl V., 4. Januar 1522); 139v–140v (Neuregelung der Anrede durch Ehzg. Ferdinand als König von Ungarn und Böhmen, 4. Dezember 1528) ; 152r–153r (Zusage, die Erhebung in den Freiherrnstand zu unterstützen, durch Ehzg. Ferdinand als Römischer König, 18. Februar 1531); 156r–161r (Verleihung des Freiherrntitels durch Ehzg. Ferdinand als Römischer König, 18. November 1531); 186v–190v (Erhebung in den Freiherrenstand durch Ehzg. Ferdinand als Römischer König, 24. Januar 1537); 216r–220r (Freistellung vom Kriegs- und Gesandtschaftsdienst durch Ehzg. Ferdinand als Römischer König, 16. Juni 1542); 222v–226v (Besserung des Wappens durch Ehzg. Ferdinand als Römischer König, 15. Dezember 1542); 232r–235r (Solderhöhung durch Ehzg. Ferdinand als Römischer König, 26. August 1545). Kovachich, Sammlung, gibt diese Dokumente mehrheitlich nicht wieder, Belegstellen sind daher für die identischen Abschriften in der Wiener Handschrift bei Karajan, Selbstbiographie, S. 251–255, 284f., 293f., 295–298, 319–321, 338–340, 342–344 und 366–368.
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Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein
Abteilung lateinischer Texte: Drei Epigramme feiern im Stil altrömischer Graboder Monumentalinschriften die Leistungen und Erfolge Sigmunds von Herberstein, dazwischen und danach erscheinen kurze Sinnsprüche.453 In der Hand des Schreibers, der für das Lateinische eine Antiqua oder Capitalis nachahmt, bleibt die des Haupttextes zu erkennen, die Texte gehören also hierher. Alle drei Gedichte sind datiert auf das Jahr 1543, das dritte sogar taggenau auf den symbolträchtigen 15. März (Idibus Martiis). Einige der Texte liegen auch in einem undatierten Druck vor, und die an typografische Vorbilder angelehnte Schriftgestaltung legt den Schluss nahe, dass die Drucklegung der Handschrift vorausging.454 In jedem Fall aber erfolgt hier eine mediale Transformation: vom antiken Vorbild über die humanistische Aneignung führt der Weg zur Übertragung der Texte in ein handschriftliches Medium, das gleichwohl das Erscheinungsbild klassischer oder mehr noch gedruckter Texte imitiert.455 Äußerlich ist dieser Abschnitt damit klar vom Haupttext abgesetzt. Die Differenz bleibt sichtbar, die unterschiedlichen Ausgangsformate – Handschrift und Epigraphik beziehungsweise Druck; Deutsch und Latein – werden nicht zu einem einzigen Text verschmolzen. Die Spannung wird vielmehr in die Handschrift hineingeholt und fruchtbar gemacht: Denn da der Zusammenhang eben durch die Handschriftlichkeit hergestellt wird, sind beide Formate durch ihre An- und Einordnung zu einer Sinneinheit zusammengeschlossen. In dieser Einheit erscheinen die lateinischen Elemente zwar keineswegs gleichberechtigt, geben dem deutschen Haupttext aber eine Wendung, allein schon durch ihre Positionierung als Abschluss der Handschrift. Freilich behaupten die lateinischen Texte diese Position wiederum nur bis zur (End-)Redaktion Herbersteins. Auf einer der letzten Seiten der Handschrift notiert Herberstein in Listenform die Namen der »Pabst Kayser vnd khunig mit 453 Fol. 244r–247v. Diese nachgestellten Texte haben bislang keine Beachtung gefunden. Sie fehlen bei Kovachich, Sammlung, und wohl deshalb geht Tersch, Selbstzeugnisse, S. 194 davon aus, dass die Budapester Handschrift »durch familiengeschichtliche Hinweise abgeschlossen« werde. 454 Die Gedichte stehen unter den Titeln: »D[is] M[anbibus] S[acrum] Sigismvndo libero baroni in Herberstain, Neiperg et Gvttenhag virtvtis ac meritorvm ergo immvnitate donato p[atria] p[osuit]« (Johannes Rosinus zugeschrieben, fol. 244r–244v), »D[is] M[anbibus] S[acrum] Sigismvndvs liber baro in Herberstain Neiperg et Gvttenhag« (ohne Autorenangabe, fol. 245r–245v), »Monvmentvm domini Sigismvndi liberi baronis in Herberstain Neiperg Gvttenhag etc. consiliary¨ regii« (Johannes Ludovicus Brassicanus zugeschrieben, fol. 246r–248r). Einen undatierten Sammeldruck der drei Texte nennt Denis, Buchdruckergeschicht, S. 649f. Dadurch lässt sich das anonyme Epigramm ebenfalls Rosinus zuweisen. Die beiden anderen Gedichte erscheinen bereits in der Erstausgabe der ›Commentarii‹ (Wien 1549, fol. IIIr–IIIIr). 455 Erinnert sei an eine ganz ähnliche, allerdings umgekehrt wirkende Übertragungsleistung in der ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten, die ›handschriftliche‹ Korrespondenz im Medium der gedruckten Flugschrift inszeniert; siehe oben S. 51.
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denen ich gehandlt vnd geredt hab«.456 Diese nüchterne Übersicht, wieder in deutscher Sprache, bildet nun den Abschluss oder vielleicht wörtlich: die Bilanz des Textes. Interessant ist aber, dass Herberstein sich nicht auf diese eine Neuausrichtung beschränkt, sondern mehr oder weniger gleichzeitig den ursprünglichen lateinischen Nachsatz zum tatsächlichen Rahmen ergänzt. Genauer gesagt zieht er den zunächst letzten Satz der Handschrift, eine Sentenz aus den ›Epistulae‹ des Horaz, ganz an deren Anfang.457 Dort, auf der ersten Seite, erscheint sie, gleichsam als Überschrift, an der Spitze einer Reihe von Zitaten lateinischer Klassiker und der daran anschließenden humanistischen Tradition.458 Damit wird dem Haupttext eine lateinische, klassisch gebildete Schicht vorgeschaltet, allerdings ohne dass er insgesamt in diesen Bezugsrahmen gestellt 456 Fol. 248r. Die Liste ist wiedergegeben bei Kovachich, Sammlung, S. XLVI–XLVII. 457 Fol. 248r bzw. 1r (Wiedergabe nach der Handschrift): »Aut virtus nomen Inane est j Aut decus et precium recte feret experiens vir.« Deutsch: »Entweder Tugend ist ein bloßer Name oder Auszeichnung und Lohn werden zurecht dem erfahrenen Mann zuteil werden.« Der Bezug ist Hor. epist. 1,17,14–15. Das Zitat kalkuliert freilich mit der Vielschichtigkeit der Begriffe, allen voran der hier stark auf »vir« bezogenen »virtus«. – Auch Herberstein passt sich dem lateinischen Text an, indem er zu einer humanistischen Kursive wechselt. Dennoch bleibt sein Schriftzug an Details erkennbar, zumal Kovachich, Sammlung, S. XLVII spätere Einträge derselben Hand (im Original: fol. 4v) ebenfalls Herberstein zuweist. 458 Die weiteren Zitate – hier nach der Handschrift wiedergegeben, in der freilich nur die Zitate Ciceros und Sallusts namentlich ausgewiesen sind – stammen aus Cicero, Arch. 28 (»Nullam virtus aliam mercedem laborum periculorumque desiderat, preter hanc Laudis et Glorie: qua quidem detracta: qfflid est? quod in hoc tam exiguo vite curriculo, tam breffli tantis nos in laboribus exerceamffls«); Seneca, epist. 79,13 (»Virtutis Gloria Comes«, vermutlich abgleitet aus dem originalen »Gloria umbra virtutis«); Plinius, epist. 3,12,2 (»Postquam desijmus facere laudanda Laudari quoque ineptum putamus«); Tacitus, ann. 4,38 (»Contemptu fame Contemnfflntfflr Virtutes«, eine ältere Fassung); Conrad Celtis, Epigrammata 4,58,1 (»Magna venit nffllli sine magno fama labore«, ein auch andernorts belegtes Sprichwort); Sallust, Cat. 1,1 (»omnis homines qui sese prestare student ceteris animalibus; summa ope niti decet ne vitam silentio transeant, velfflti pecora«); Paolo Giovio: Illvstrivm virorvm vitae. Florenz 1549, S. 279 (Bb iii) (»Hoc clarissimis ducibus fatale videtur, vt in vltimo vite actu circumuenti infflidia imminutaque dignitate, in ipso contumelie dolore moriantur«). Das letzte Zitat könnte die Redaktion Herbersteins auf die Zeit nach 1549 datieren; nicht ausgeschlossen ist aber, dass Giovios Text bereits früher verbreitet wurde, so wie auch die ›Commentarii‹ vermutlich bereits vor ihrer Drucklegung in Teilen und in handschriftlicher Fassung kursierten (vgl. Harrauer, Entstehungsgeschichte, S. 147). Das Netzwerk aus Personen und Texten, das Giovio und Herberstein wahrscheinlich verband, erhellt aus Xenja von Ertzdorff: Dmitrij Gerasimov und Paolo Giovio: Bericht über Russland, Rom 1525. In: Ulrike Jekutsch und Ulrich Steltner (Hgg.): Slavica litteraria. Festschrift für Gerhard Giesemann zum 65. Geburtstag (= Opera Slavica. Neue Folge. 43). Wiesbaden 2002, S. 239–255. Zu Giovio selbst zuletzt Elisabeth Stein: Humanistische Schlachtenszenen? Zur Transzendierung antiker Modelle in der Zeitgeschichtsschreibung des Paolo Giovio. In: Johannes Helmrath, Albert Schirrmeister und Stefan Schlelein (Hgg.): Historiographie des Humanismus. Literarische Verfahren, soziale Praxis, geschichtliche Räume (= Transformationen der Antike. 12). Berlin, Boston 2013, S. 151–167.
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wäre – gerade weil am anderen Ende des Textes die Erfolgsmeldungen, jeder sprachlichen Gloriole entkleidet, zusammengefasst und verzeichnet werden. Welchen Teil Herberstein auch immer zuerst einfügte, festzuhalten bleibt: Die Umstellung verändert vielleicht den bestehenden Text nicht in seinem Wesen, sie bedeutet aber eine erneute Kurskorrektur bei der Orientierung des Lesers. Hier kann der Hebel angesetzt werden, um die Deutung des Textes zu verändern. Die Arbeit an einem geschlossenen Text ist nämlich eigentlich nur möglich, wenn man ihn rahmt, ihn mit Zusätzen auflädt, ihn überarbeitet. Wie wir gesehen haben, enthält der Text schon in seinen Anfängen den Kern einer Hybridisierung. Das Ergebnis der Bearbeitung ist dann endgültig ein angereicherter Text.459 Wie aber ist dieser Text eigentlich zu benennen? Selbst wenn wir sehen, was der Text ist, muss die Frage lauten: Was soll er sein? Dazu wollen wir uns ansehen, welche Selbstdeutungen der Text anbietet.
2.3.
Formale Zuschreibungen
Es ist kein Zufall, dass die Handschrift unter den Archivaren des 19. Jahrhunderts offenbar Verwirrung auslöste. Die stark betonte chronologische Ordnung innerhalb des Textes gab zunächst Anlass, die Handschrift als »Tagbuch« zu klassifizieren und so in einen Bestand einordnen zu können.460 Damit überging man nicht nur die Paratexte, insbesondere die Zitatensammlung, sondern vor allem die Zuschreibung, mit der der Haupttext eröffnet wird. Sie ist, in gekürzter Form, sogar auf dem Einband wiederholt, im Text aber klar als Überschrift markiert und lautet: Mein Sigmu˚nden Frey¨herrn zu˚ Herberstain Ney¨perg vnnd Guttenhag Raittu˚ng vnd antzaigen meines lebens vnd wesens wie hernach u˚olgt ec.461
Ein späterer Bearbeiter konkretisierte die Bezeichnung »Tagbuch« mit der Angabe »Raitung u. Anzeige«, freilich ohne die frühere Zuordnung zu ersetzen. Ein solcher Titel aber schien der Forschung nicht griffig genug und vielleicht sogar unzutreffend, weshalb er zumeist in allgemeinen Bildungen wie »Lebensbeschreibung« oder »Selbst-« beziehungsweise »Autobiographie« aufgelöst wurde. Diese Terminologie mag in der Tat auf die »antzaigen meines lebens vnd wesens« 459 Die Wiener Handschrift geht noch einen Schritt weiter : Sie enthält – gedruckte! – Abbildungen, namentlich Herrscherporträts (vgl. Karajan, Selbstbiographie, S. 81, 92, 225, 250 und 345), die auch in den späteren Ausgaben von ›Gratae Posteritati‹ (ab 1558) bzw. ›Den Gegenwurtigen‹ greifbar werden. 460 Kovachich, Sammlung, XLIV bezeichnet die Handschrift ebenfalls als »Tagebuch«; möglicherweise war der Band also schon in dieser Weise gekennzeichnet. 461 Fol. 5r.
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zutreffen, sie ignoriert aber den vorangestellten und auch durch Großschreibung hervorgehobenen Begriff der »Raittung«. Gemeint ist damit nämlich, ganz wörtlich, eine Rechnung, eine Bilanz. Diese Bilanz wird vorgelegt im Rahmen eines Berichts (antzaigen), der einer biographischen Einheit (leben) ebenso gilt wie dem äußerst vielschichtigen Aspekt des »wesens«, unter dem Taten und Haltungen zur persönlichen Beschaffenheit, mehr noch zum wirklichen, innerweltlichen oder transzendenten, Sein zusammengefasst sind.462 Angekündigt wird hier also nichts weniger als ein Rechenschaftsbericht in der biographischen Totale, eine rechtfertigende Bestandsaufnahme über das Wirken der hier mit Sigmund von Herberstein identifizierten Ich-Instanz. Diese Identifikation ist überdeutlich: Gleich dreimal, mittels Name und Titulatur, auf die die Possessivpronomina bezogen sind, wird auf die enge, ja persönliche Verbindung von Autor und Text hingewiesen. Die Dringlichkeit, mit der dieser Bezug hergestellt wird, und die Unmittelbarkeit, mit der Herberstein im Ornat seiner Rechtstitel und in direkter Rede sich allem anderen voranstellt, müssen der Wichtigkeit der Sache entsprechen. Eine Übersetzung der Überschrift wäre daher : Hier spricht einer über sich selbst, um eine Rechnung aufzumachen – deren Ergebnis nicht nur für ihren Urheber, sondern auch für den Leser größte Relevanz besitzt.463 Die deutsche Sprache, die im Kerntext eindeutig überwiegt, unterstreicht diese Pragmatik. Sie verbirgt nichts, wirkt klar und direkt; sie ist technisches Hilfsmittel der Erklärung, steht für Schlichtheit, ja Kunstlosigkeit, und eine geschäftliche Sachlichkeit. Und das korrespondiert wiederum mit der Möglichkeit, eine »raittung« zunächst rein technisch als Entlastungsschrift zu verstehen. Im engeren Sinn stellt der Text also den Abschlussbericht eines Funktionsträgers dar, der sein Amt niederlegt und final über seine Amtsführung Rechenschaft ablegt. Allein, der Anspruch des Textes reicht augenscheinlich viel weiter. Das zeigt zum einen die mediale Aufbereitung, das heißt die wohl durchdachte und strukturierte Gestaltung der Handschrift. Die intensive Nachbearbeitung durchbricht diese Ordnung, doch im Kontext frühneuzeitlicher Handschriftlichkeit muss das die Wertigkeit und Geltung des Textes nicht negativ beeinflussen, sogar ganz im Gegenteil.464 – Zum anderen offenbart bereits der Titel eine Entgrenzung. Hier wird angekündigt, die Berechnung auf leben und wesen 462 Vgl. die Reichweite der Bedeutungen für das »Wesen«, gerade im frühneuzeitlichen Kontext, bei Grimm, Wörterbuch 29, Sp. 510–587. 463 In fast identischer Syntax wird auch der nachträgliche Titel einer Handschrift der Berlichingen-Tradition konstruiert: »Mein Gottfriden von Berlichingen zw Hornberg vhedt vnd handlungen«. Siehe dazu oben S. 102f. mit Anm. 264. Auffällig ist dann aber auch, dass »vhedt vnd handlungen« von vornherein einen Teilaspekt der Biographie abbilden und sich dadurch vom ganzheitlichen leben vnd wesen klar abheben. 464 Siehe oben S. 105f.
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auszudehnen, so dass die Perspektive kaum durch Amts- und Aufgabenbereiche zu beschränken ist. Folglich muss das gesamte Dasein Herbersteins, seine Persönlichkeit wie sein daraus erwachsenes Handeln, von Bedeutung sein. Wahrscheinlich ist es deshalb umso wichtiger, den Text zu personalisieren und ihn gleichzeitig zu authentifizieren. Noch bevor Sigmund von Herberstein seine Redaktion beginnt, ist das Moment der Präsenzerzeugung im Text spürbar.465 Von seiner Persönlichkeit hängt die Wirkung des Textes ab – und doch ist der Text selbst zugleich Beleg für die Erheblichkeit einer so umfassenden Bilanz jenes »lebens vnd wesens«, das hier vorgeführt werden soll. Mit dieser Art der Selbstbetrachtung tritt Herberstein in einen Diskurs ein, der nicht selbstverständlich ist, der vielmehr legitimiert werden muss. Denn – wir erinnern uns an die ratio vitae eines Ulrich von Hutten – die Schwelle zur Sündhaftigkeit ist schnell übertreten, wo die Rede darauf kommt, das eigene Leben jenseits der Maßstäbe des Glaubens zu berechnen.466 Genau diese Maßstäbe aber scheinen für die ›Raittung‹ keine Rolle zu spielen: Der Text dient keiner partikularen, alltäglichen Selbstüberprüfung, wie sie etwa der Autor eines Tagebuchs sich immer wieder neu abringen muss.467 Die Erzählinstanz überblickt vielmehr das eigene Leben zur Gänze und teilweise aus großer Distanz: Zwischen dem Endpunkt des Berichts (1545) und dem ersten im Text benannten Datum (1495) liegt immerhin ziemlich exakt ein halbes Jahrhundert.468 Dieser Zeitraum wird durch das Wirken Herbersteins oder vielmehr seine persona im Text zusammengehalten; diesem Gesamtereignis gilt die Berechnung, für eine Lebenssumme also soll Rechenschaft abgelegt werden. Doch, anders als vielleicht zu erwarten wäre, nicht Gott ist der Adressat der persönlichen Lebensbilanz. Der Text ist kein Glaubensbekenntnis. Er ist dem 465 Enenkel, Erfindung, S. 552 lässt nicht gelten, dass Herberstein die Handschriften durch eigenhändige Anmerkungen autorisiert habe (so nämlich Tersch, Selbstzeugnisse, S. 194). Auch wenn die Redaktion sicher nicht vorrangig darauf abzielte, die Gültigkeit der Handschriften zu signalisieren, kann ich Enenkels Einwand nicht folgen. 466 Siehe oben S. 59. 467 Zum Tagebuch als Ersatz der Beichte vgl. Alois Hahn: Zur Soziologie der Beichte und anderer Formen institutionalisierter Bekenntnisse: Selbstthematisierung und Zivilisationsprozeß. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 34 (1982), S. 407–434. U. a. darauf aufbauend Kaspar von Greyerz: Vorsehungsglaube und Kosmologie. Studien zu englischen Selbstzeugnissen des 17. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London. 25). Göttingen, Zürich 1987. 468 Fol. 5v : »das was vngefärlich in dem j495«; Bezug ist der Unterrichtsbeginn an der Domschule zu Gurk unter der Ägide von Wilhelm Welzer von Eberstein (gest. 1518). Zu ihm vgl. Friedrich Wilhelm Leitner : Der Gurker Dompropst Wilhelm Welzer von Eberstein (1487–1518). In: Rudolfinum. Jahrbuch des Landesmuseums Kärnten 2003 (2004), S. 241–246. – Ein früheres Datum, nämlich das der Geburt im Jahr 1486, fügt Herberstein erst in der Redaktion ein. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass mit den Rahmendaten 1495 und 1545 der fast identische Berichtszeitraum markiert wird wie im Berlichingen-Text, siehe oben S. 120 mit Anm. 327.
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nicht einmal verbunden, denn keine Anrufung um Beistand eröffnet oder beschließt das Schreibvorhaben, keine precatio entlässt den Text in seine Wirkungsgeschichte.469 Göttliche Barmherzigkeit wird vielmehr für diejenigen erfleht, denen die Wirkung des Textes eigentlich zu gelten scheint: Die anndern wil Jch nochmals au˚f die Hieu˚or geschribnen Exempln vermandt haben deren aller fu˚esstapfen nach zu˚ tretten, Vnnd dann Got pitten das Er Jnnen sein gnad vnnd Barmhertzickait mit taillen welle.470
Diese »anndern«, das sind die ebenfalls erst am Schluss eingeführten »Nachkhu˚men meines Namens vnnd geschlechts«471. Die ›Raittung‹ wäre demnach als Belehrung einer Nachkommenschaft, einer Herbersteiner Dynastie zu verstehen. Rechtfertigung oder Anerkennung durch jene Nachkommen aber sind für diese eher testamentarische Absicht offenbar unerheblich, die »Exempln« bereits gesetzt, auf die sie zur Nachfolge verwiesen sind. Daraus ist abgeleitet worden, der Text sei nicht als Rechenschaftsbericht zu verstehen, er stelle vielmehr eine Anleitung dar.472 Wie das zu bewerten ist, soll weiter unten erörtert werden473 – in jedem Fall würde es die ›Raittung‹ umwidmen. Als Betrachtung eines exemplarischen Selbst könnte der Text auch in einem humanistischen Diskurs funktionieren. Doch gerade den von Humanisten geebneten Umweg, im inszenierten Wettstreit mit den Klassikern sich selbst zur Sprache zu bringen, die exempla der Alten im eigenen Leben abzubilden und darin zu einer neuen Aussage zu kombinieren – diesen Weg wählt Herberstein mit der dominant deutschsprachigen ›Raittung‹ nicht.474 Nicht einmal beschränkt er sich auf einen kurzen biographischen Abriss, sondern lässt den um seine Person kreisenden Bericht auf beinahe 500 Seiten ausufern. Ja, mehr noch, er verweigert Anknüpfungen, stellt den Text als geschlossene Einheit vor, die ganz auf seine Person konzentriert ist; die also auch nicht im Sinne eines Hausoder Geschlechterbuchs einfach fortgeschrieben werden kann, um eine Schreibtradition zu begründen und darüber Gemeinschaft zu stiften.475 In 469 Anders dagegen etwa die Formeln innerhalb und am Schluss des Berlichingen-Textes, vgl. Anm. 294. 470 Fol. 242r. 471 Fol. 238v. 472 Enenkel, Erfindung, S. 548 erkennt »keinen Anlass« für eine Rechtfertigung vor der eigenen Familie und verbucht die Wiener Handschrift – und damit die Budapester Vorlage – daher als »praxisorientierte Berichtgebung«. Ähnlich, wenngleich allgemeiner formuliert Tersch, Selbstzeugnisse, S. 197 den Zweck der Handschrift(en) als »Wegweiser, die den Jüngeren Richtlinien und ethische Werte wie Treue, Ehre, Fleiß, Arbeitsamkeit usw. vermitteln sollen«. 473 Vgl. unten S. 187–192. 474 Zu dieser Funktion der humanistischen Antikenrezeption oben S. 59. 475 Zur Textsorte der Haus-, Familien- oder Geschlechterbücher s. Birgit Studt (Hg.): Hausund Familienbücher in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen
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Kombination müssen diese Grenzüberschreitungen und Unzulänglichkeiten geradezu skandalös wirken! Die ›Raittung‹ scheint wiederum in der Selbstreferenz gefangen. Dabei verfügte Sigmund von Herberstein, wie bereits der flüchtige Blick auf das Gesamtwerk zeigt, über ein differenziertes Repertoire an Formaten für seine schriftlichen beziehungsweise literarischen Äußerungen: Obwohl die Texte fast sämtlich autobiographisch geprägt sind, entwickeln sie ihren Gegenstand doch auf je eigene Weise und unter je eigenen Vorzeichen. So steht die klassisch-gelehrte Schreibtradition neben volkssprachlichen Bearbeitungen, ohne dass diese und andere Formen direkt voneinander abhängig wären.476 Handelt es sich also bei der ›Raittung‹ – der Titel wird auch nicht in die Wiener Handschrift übernommen, steht im Werk Herbersteins einzigartig dar – um eine Fehlleistung? Tatsächlich scheint dann auch die Redaktion Herbersteins einem gewissen Unbehagen gegenüber dem Text geschuldet. Die Überarbeitung zeigt nämlich zweierlei: Einerseits werden dem Text Zitate und Hinweise vorgeblendet, die sehr deutlich auf Herbersteins Bildung verweisen und das Anliegen der ›Raittung‹ aus einem starken humanistischen Impuls heraus erklären. Deshalb führt schon der nun faktisch erste und nicht mehr letzte Satz der Handschrift die Verpflichtung aus, Tugend (virtus), wenn sie nicht »bloßer Name« (nomen inane) bleiben solle, mit öffentlichem Lob (decus) und gesellschaftlicher Anerkennung (precium) zu belohnen.477 Deshalb wird diese Pflicht durch die nachfolgenden Zitate nurmehr moduliert und verstärkt, schließlich sogar zur Selbstermächtigung geformt: denn wer viel leiste, müsse auch »mit höchster Anstrengung danach streben, nicht in Stille durchs Leben zu gehen wie das Vieh«.478 Und deshalb schließt Herberstein hier noch, gleichsam zum Beleg seiner Qualifikation, sich jener Pflicht notfalls selbst anzunehmen, Referenzen für seine schulische und akademische Ausbildung an.479 Erst nach dieser Prä-
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Neuzeit (= Städteforschung. A/69). Wien 2007. Den außerstädtischen Kontext im Blick hat Hartmut Bock: Die Chronik Eisenberger. Edition und Kommentar. Bebilderte Geschichte einer Beamtenfamilie der deutschen Renaissance – Aufstieg in den Wetterauer Niederadel und das Frankfurter Patriziat (= Schriften des Historischen Museums Frankfurt am Main. 22). Frankfurt am Main 2001. Auf die hier gewonnenen Ergebnisse noch stärker zu beziehen bleiben bislang eher diffus bestimmte Beispiele einer – vermutlich parallelen – (land-)adligen Traditionsbildung. So scheint mir etwa das Angebot oder eher die Aufforderung Ludwigs von Diesbach (vgl. Zahnd, Aufzeichnungen) an seine Nachkommen evident, seine zunächst sehr persönlich gehaltenen »Aufzeichnungen« fortzusetzen und so den gefährdeten Zusammenhalt der Familie durch die Arbeit am Text zu stabilisieren. Vgl. Enenkel, Erfindung, S. 552 gegen die Vorstellung »eines homogenen und zusammengehörigen, sich selbst ›ergänzenden‹ autobiographischen Riesenwerkes im Sinne einer historischen Dokumentation«. Das Zitat siehe Anm. 457. Ebd. Fol. 4v ; vgl. die Wiedergabe bei Kovachich, Sammlung, S. XLVI. Auf Deutsch erscheint das
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ambel erscheint nun der ursprüngliche Titel der Handschrift. – Andererseits greift die Überarbeitung, wie wir gesehen haben, in einen fertigen Text ein. Der Status als abgeschlossenes Werk wird damit aufgehoben, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Redaktion die ›Raittung‹ nicht eigentlich vollendet, sondern sie wieder als unfertig und prinzipiell veränderbar markiert. Zugespitzt formuliert müsste nun auch das Ergebnis neu berechnet werden, da die Gleichung umgestellt und durch Variablen ergänzt wurde. Diese Gleichung aber lässt sich an der Außenseite des Textes nicht auflösen. Das heißt, um die Fragen nach der Bedeutung des Textes zu beantworten, wollen wir uns dem Inhalt zuwenden und am Kern, dem Gegenstand, ansetzen.
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Der dreigeteilten Bestimmung des Textes am Anfang – Klassikerzitate, Bildungszertifikate, Überschrift – steht ein ebenfalls dreigeteiltes Resümee am Ende gegenüber : Zuerst das eigentliche Schlusswort, eine kurze erzählende Passage, die durch Leerseiten vom Haupttext abgesetzt ist; dann die lateinischen Texte; schließlich die tabellarische Übersicht der Herrscherpersönlichkeiten, mit denen Herberstein Kontakt hatte. Direkt auf das Voranstehende Bezug nimmt allerdings nur das deutsche Fazit: »Nach aller Weisen antzaigen« hebt es an und führt die Inhalte hier explizit im Hinblick auf eine Schlussfolgerung, ein Ergebnis zusammen, »[d]erhalbn hab Ich solche meine Raisen, dienste vnd belonu˚ngen zu˚m taill hieu˚or beschriben«.480 Und gerade diese Herleitung scheint so simpel wie präzise treffend. Denn tatsächlich ließe sich der Text zwischen den Koordinaten »Reise«, »Fürstendienst« und »Auszeichnungen« aufspannen. Als Gerüst dienen die Binnenüberschriften. Zum einen erschließen sie mit Ortsangaben einen geographischen Raum, zum anderen, wenn auch Lob der Lehrer, die mehrheitlich weder aus Pflicht noch aus Gefälligkeit (»denen ich nit beuolh noch bekenndt gewest«) die Ausbildung Herbersteins übernommen hatten. Davon abgesetzt ist ein lateinischer Passus, im Aufbau einer Matrikel ähnlich. Verzeichnet werden die 1499 eingelegte Gebühr von vier Schillingen und die 1502 erfolgte Promotion Herbersteins zum Baccalaureus artium, mit Nennung des jeweils amtierenden Rektors (Oswald Ludovici, Dr. Johann Kaltenmarktner) bzw. der Fach- und Prüfungsvorsitzenden (Dekan Christoph Külber, Präzeptor Paul Rockner, Georg Ratzenberger). Auffällig auch, dass Herberstein sein anschließendes, dann allerdings abgrebrochenes juristisches Studium nicht erwähnt; vgl. dazu Beat Immenhauser : Iudex id est rex. Formen der Selbstwahrnehmung gelehrter Juristen im späten Mittelalter. In: Stefan Kwiatkowski und Janusz Mallek (Hg.): Ständische und religiöse Identitäten in Mittelalter und früher Neuzeit. Torffln 1998, S. 43–61. 480 Die Zitate fol. 238r und 238v ; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 273.
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deutlich sparsamer, umreißen Bezeichnungen von Personen, allesamt von fürstlicher, einflussreicher oder doch wenigstens berühmter Abstammung,481 das Handlungsfeld. Dies alles ist in eine streng chronologische Ordnung gebracht, so dass durch das stetige zeitliche Voranschreiten die einzelnen Wegpunkte dynamisiert werden.482 Dadurch entsteht der Eindruck von Bewegung, die zugleich die Stationen logisch aufeinander bezieht oder sie, in der Art von Ereignisketten, auseinander entwickelt. Eingebettet in diesen Ablauf sind Urkunden, die immer eine Verbesserung, einen Aufstieg – eben die besagten »belonu˚ngen« – dokumentieren. Das Prinzip legt schon die Einleitung fest: Zu˚ Wippach bin Ich geborn daselbst Erstlichen in die Schu˚ol gelassen, zu˚ mainer kindhait mit meinem bru˚eder herrn Hansen zu˚ Laran aufgesessen, Nach Ankhona, Rakhanat vnd Laretha ec kirchfarten gefarn.483
Die Geburt, in der unbearbeiteten Fassung noch ohne nähere Angabe, wird direkt neben die Schulzeit gesetzt; oder anders gesagt: der Genese des Körpers wird die Genese des Geistes gleichberechtigt gegenüber gestellt, ja beides vollzieht sich sogar am selben Ort. Die erste Tat, die erste Leistung – die sich durch die Reihung der auf »bin Ich« bezogenen Partizipien schon syntaktisch daraus ergibt – ist die Wallfahrt mit den drei Stationen Ancona, Loreto und Recanati. Der Anlass dafür bleibt hier freilich im Dunkeln. Ebenso fehlen Angaben zur Abstammung, zur familiären Herleitung der Ich-Instanz.484 Einen Ansatz zu einer solchen sozialen Einbettung gibt es in geschlossener Form erst ganz am Schluss: Dort bleibt sie beschränkt auf die dankbare Erinnerung an den – na-
481 Z. B. fol. 202r (die Passage bei Kovachich, Sammlung, S. 258): »1541 Mit Graf Niclasen von Salm zu˚ dem Tu˚rso«. Gemeint sind Niklas (II.) von Salm (1503–1550), dessen gleichnamiger Vater durch die Verteidigung Wiens 1529 Berühmtheit erlangte, und Alexius Thurzj (1490– 1543), ungarischer Statthalter und Mitglied einer Familie von zwischenzeitlich europäischem Rang. Vgl. dazu Karen Lambrecht: Aufstiegschancen und Handlungsräume in ostmitteleuropäischen Zentren um 1500. In: Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung 47 (1998), S. 317–346, zu Alexius Thurzj S. 343. 482 Vgl. auch unten S. 185. 483 Fol. 5r. Herberstein markiert hinter »geborn« die Einfügung über der Zeile: »wie mich die Eltern berichtn Im 1486. nahent von Bartholomej«; ergänzt hinter »Laran« und über der Zeile: »In Isterreich«. 484 Allerdings erscheint am unteren Seitenrand eine redigierte Fassung: »Bin mit meinem brueder herrn hansen zw Laran In Isterreich auff gesessen vnd ueber Moer gen Ancona In die Romisch march gefarn, dan am Land gen Racanad vnd Loreta Walfartn gereist den selben weg herwider«. Dieser Passus ist allerdings durchgestrichen. – In der Wiener Handschrift ist die Eröffnungspassage komplett neu gestaltet. Dort heißt es dann: »Wie ich auch in meiner khindthait vast khranckh bin gewest, hat mein Mueter Iren trost zw dem Höchsten geseczt, vnd mich Khirchferten oder Walfarten geen Larat oder Racanat versprochen.« Ebenso wird ein kurzer genealogischer Abriss eingefügt. Vgl. Karajan, Selbstbiographie, S. 69f.
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menlos bleibenden! – Vater und eine Leistungsschau der Brüder und Neffen.485 In der Eröffnungspassage findet nur der Bruder Hans Erwähnung, von dem allerdings an dieser Stelle nicht klar ist, ob er für die Reise verantwortlich zeichnet oder bereits nurmehr als Begleiter des jungen Herberstein fungiert. Sofern die kirchfart schon verbunden mit dem Moment der belonu˚ng gedacht werden darf, sie also im Wortsinn eine Geschäftsreise darstellt, ist Herberstein ihr Nutznießer. Diese Einstellung ist durchaus eigenmächtig, ja eigensinnig, und folgerichtig fährt die Ich-Instanz fort: hab also daselbst zu Conspach baidt sprachen Teu˚tsch vnd windisch gelernt. wiewol Ich derhalben ain windischer kodroltz vnd Sclaf spotlich genant, hab dennocht die sprach erhalten mich der nit geschambt, ist mir in vill weeg nu˚tz gewest.486
Die windische Sprache zu erlernen und offenbar auch zu pflegen, ist dabei nicht unbedingt Ausdruck eines besonderen Bildungsinteresses. Im Gegenteil darf man bezweifeln, ob Kenntnisse einer Volkssprache und gerade des Windischen beziehungsweise Slowenischen, das überhaupt erst Mitte des 16. Jahrhunderts zur Literatursprache wurde, als gültige Bildung, nicht nur im Sinne der studia humanitatis, anzusehen waren.487 Vielmehr geht es um den konkreten Praxisbezug. Dem räumt der Text schon hier einen Vorrang ein, und das nicht nur in Hinblick auf den Nutzwert der Sprache an sich – die Herberstein letztlich den slawischen Raum als Aktionsfeld eröffnet –, sondern auch als Metapher für eine Haltung. Diese Haltung erlaubt es offenbar, Widersprüche auszuhalten, sich mit Interessen und Überzeugungen auch gegen eine Mehrheit durchzusetzen und daraus schließlich eben doch Nutzen, unter dem Stichwort der belonu˚ng zuallererst persönlichen, ziehen zu können. Nochmals, hier wird kein Ideal formuliert, keine Transzendenz angestrebt, die Rede ist nicht vom »Reisen nach der Ritterschaft«.488 Im Fokus steht eine ganz diesseitige, pragmatische, handelnde Einstellung. 485 Fol. 240r–242r; Kovachich, Sammlung, S. 275f. 486 Fol. 5r. Unterstrichen ist »Conspach« und am Rand verbessert zu »Wippach«. »kodroltz« ist wahrscheinlich verwandt mit dem slowenischen »kodrast« für »lockig«, würde hier also, im physiognomischen wie geistigen Vorurteil, einen Lockenkopf meinen. 487 Das Verhältnis der Humanisten zu den Volkssprachen war bestenfalls ambivalent, auch wenn es immer wieder Bemühungen gab, diese Volkssprachen dem Lateinischen literarisch anzugleichen; vgl. etwa jüngst Anna Kathrin Bleuler : Humanismus und Volkssprache. Renaissancedichtung am Heidelberger Hof zur Zeit Friedrichs II. (1544–1556). In: Manfred Eikelmann und Friedrich Udo (Hgg.): Praktiken europäischer Traditionsbildung im Mittelalter. Wissen, Literatur, Mythos. Berlin 2013, S. 141–160. Das Windische bzw. Slowenische etablierte der Krainer Theologe Primus Truber u. a. mit Übersetzungen aus dem Neuen Testament; zu ihm: Sönke Lorenz, Anton Schindling und Wilfried Setzler (Hgg.): Primus Truber 1508–1586. Der slowenische Reformator und Württemberg. Stuttgart 2011. 488 Der heute geläufige Titel für den autobiographischen Reisebericht des Georg von Ehingen erscheint im (späteren) Vorwort aller erhaltenen Handschriften und wird bei der Druck-
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Das ist durchaus programmatisch zu verstehen. Denn was schon für die Kindheit, wenn auch in starker Verdichtung, formuliert wird, gilt der Herberstein-Persona als Leitlinie über den gesamten erzählten, besser : verzeichneten Zeitraum von rund 50 Jahren. Diesen Zeitraum beschließt die Verrentung Herbersteins, das heißt die Zusage einer Pension, die ihm unabhängig von Amtsgeschäften einen ruhigen Lebensabend sichern soll.489 Rückbezogen auf den Beginn der Darstellung deckt der Bericht also die tätige Lebensphase, die vita activa des Sigmund von Herberstein ab. Alles, was jenseits davon liegt, ist dem Blick des Lesers entzogen oder auf das Notwendigste beschränkt – schon die Geburt kann nicht erzählt werden, ohne dem im gleichen Atemzug Ausbildung und erste Ausfahrt zu verknüpfen. Und so bleibt auf der anderen Seite des Textes die Schreibsituation, die Distanz, aus der der Autor auf sich selbst zurückblickt, im Ungefähren, Zeitlosen. Ja, sie steht schon auf der Schwelle des Todes, da die Gedächtnisstiftung mit lateinischen Denkmälern und Grabschriften, »den Totengöttern heilig«, bereits vollzogen scheint.490 Dadurch gelangen wir aber zu einer wichtigen Konkretisierung: Die ›Raittung‹ gilt den zwar den gleichsam universalen Aspekten des »lebens vnd wesens«, die aber mit der vita activa, das heißt dem öffentlichen, tätigen Leben in eins gesetzt sind. Anders gewendet, erfasst die universale, allsehende Perspektive, die biographische Totale nur den Gegenstand der ›öffentlichen Person‹ Herbersteins, weil jenseits davon nichts oder zumindest nichts Berichtenswertes, keine Wirkung und Bedeutung existiert. Das wesen Herbersteins ist demnach ganz ins Diesseits gerückt, indem es nach den Ergebnissen befragt wird, die es gezeitigt hat. Es ist ein Ver-Wesen, ein Verwalten von Ämtern, die Übernahme von Funktionen – bezogen auf »die Emsigen diennst, vleiß vnnd Arbait«491, auf die Herberstein seine Taten festgelegt sehen will. Worin aber bestehen diese Taten, diese Dienste und Arbeiten? Die ›Raittung‹ stellt Sigmund von Herberstein vor als einen, der ständig unterwegs ist, ständig rege und niemals wirklich stillstehend. Schon seine ersten Stationen führen ihn, über eine akademische Ausbildung und die ritterliche Bewährung, die er ebenso legung aufgegriffen: Itinerarium, Das ist: Historische Beschreibung, weylund Herrn Georgen von Ehingen raisens nach der Ritterschaft […] in Kupffer gestochen vnd in Truck verfertiget. Augsburg 1600 (= VD16 E 624). Vgl. Gabriele Ehrmann: Georg von Ehingen: Reisen nach der Ritterschaft. Edition, Untersuchung, Kommentar. 2 Bde. (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik. 262). Göppingen 1979. 489 Im Wortlaut der Urkunde Ferdinands, fol. 233r–v : »[…] damit Er seinen stanndt in nümererlangtem Alter vmb sou˚il statlicher erhalten vnnd hinbringen müge, […] Nu˚n hinfu˚ron von einganng ditz gegenwärtigen Jars anzu˚raitten, Jarlich vnnd Jedes Jars besonnder sein lebennlanng sampt vnd vber sein Ordinary¨ besoldu˚ng, So Er sonnst von vnns hat, zwaihu˚ndert gülden Reinischen Mu˚ntz […]«. 490 Siehe Anm. 453. 491 Fol. 238r.
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zügig wie vorbildlich absolviert, in die Nähe der Habsburger und an den Hof Kaiser Maximilians I.492 Diese Frühphase der Entwicklung Herbersteins ist mit am stärksten überarbeitet: Ergänzt sind zahlreiche Details, die Herberstein enger in ein zeithistorisches Geschehen einbinden, dabei seine Taten im Krieg und als Verhandlungsführer im Auftrag der Familie akzentuieren.493 Das dehnt den Vorlauf, der in originaler Fassung auf gerade einmal sieben Seiten die ersten knapp 30 Lebensjahre Herbersteins zusammenfasst – freilich ohne dass die zeitliche Raffung damit zurückgenommen wäre. Aus dieser Ungleichmäßigkeit der Erzählung nämlich ergibt sich, was hervorgehoben, was übergangen werden soll: Allein der unmittelbar anschließende Bericht der nächsten fünf Jahre nimmt mit 177 Seiten mehr als ein Drittel der gesamten Reinschrift ein.494 Hier berichtet die Ich-Instanz am ausführlichsten über drei Gesandtschaften, »Die Raiß in Denmarckht vnnd anndern Fu˚rsten« (1516), »Die Raiß zu˚ Ku˚nig Sigmu˚nd zu˚ Polln Grosfu˚rsten in Litten, vnd zu˚ dem Grosfu˚rsten in die Mosqu˚a« (1516–18) sowie die »Pottschafft in Hispanien« (1519–20).495 Diese Reisen werden keineswegs breit auserzählt, sie werden nicht zu einem Narrativ eigener Ordnung ausgewalzt. Doch die Fülle der Details, der Seitenblicke und der Beobachtungen am Wegesrand nimmt drastisch zu. Hier emanzipiert sich die Herberstein-Persona sichtlich von der Rolle des fremdbestimmt Handelnden und findet zu einer selbständigen und entscheidungsfähigen Position.496 Dieser
492 Die Wende vom Studium zum Kriegsdienst erfolgt abrupt: »da in der Schu˚ol bliben, hintzt der krieg in hu˚ngern angieng des j506. da ward Ich du˚rch mein Bru˚eder herrn Georgen au˚ßgeru˚st mit fu˚nf Pfärden« (fol. 5v). Nachdem Herberstein im Jahr 1510 bei der Verteidigung von Mitterburg gegen die Venezianer maßgeblich mitgewirkt hat, wird er vom kaiserlichen Feldhauptmann, Erich von Braunschweig (1470–1540), ausdrücklich belobigt: »da setzt Er mich an sein seiten, Neben vil erlichen alten Ritern, legt mir fu˚r und spricht, du˚ hast es wol verdiennt« (fol. 7r). Das Jahr 1514 beschließt fol. 8r : »Als ich anhaimb kam schickte der Kay¨ser zwen beu˚elh, vnd eru˚ordert mich, schlu˚eg mich […] zu˚ Ritter am xxvj September, vnd nam mich zu˚ diener an, am andern Octobris, setzt mich in hofRat am drey¨zehennden Decembris«. Diese Phase umfasst also knapp acht Jahre, während die Ausbildung an Schule und Universität rund zehn Jahre (vor 1495–1502/06) in Anspruch nimmt. 493 Siehe oben S. 157 mit Anm. 443–446. Die Selbstverortung Herbersteins reicht ins Kuriose, wenn er etwa berichtet: »Am 26 octobris als Michel markhes de zrahmis vber die Butzkha getzogn hab ich da geschlaffen« (fol. 6r). Allein 13 solcher Nachträge (ohne Detailkorrekturen) lassen sich auf fol. 5r–7v ausmachen, in der Handschrift findet sich keine vergleichbar dichte Redaktion. Die Positionierung gerade der undatierten Nachträge bei Kovachich, Sammlung, S. 115 ist nicht stimmig, die Wiedergabe teilweise sinnentstellt, insbesondere bei Namen. Die Auflösung bliebe einer textkritischen Neuedition vorbehalten. 494 Fol. 8v–96v. 495 Fol. 10r–26r, 29r–69r und 75r–95r. 496 Hier fällt auf, dass die Auseinandersetzungen nach dem Leichenbegängnis für Kaiser Maximilian in der Budapester Handschrift nur im Vorübergehen erwähnt werden: »Als man
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Wandel vollzieht sich nicht spontan, sondern wird über den Zeitabschnitt, der von den drei Gesandtschaften geprägt ist, hinweg entwickelt. Diese Positionierung ist aber auch deshalb wichtig, weil sie im Ergebnis Sigmund von Herberstein endgültig an die Habsburger bindet: Schon nach der Reise nach Moskau wird ihm zugesichert, er »wäre in grossen genaden« beim Kaiser. Doch ausgerechnet durch seine Beteiligung an der »Pottschafft in Hispanien«, einem Versuch der österreichischen Stände, vom neuen Erzherzog und designierten Kaiser Karl V. Selbstbestimmungsrechte zu erpressen, empfiehlt sich Herberstein den Habsburgern als loyaler Anhänger, indem er zu den Forderungen oder mehr noch zu deren Proponenten auf Distanz geht.497 Diese Anpassung freilich macht ihm nicht überall Freunde,498 der Erfolg aber gibt ihm wiederum Recht. Herberstein rückt allmählich in eine Vertrauensposition, insbesondere gegenüber dem jüngeren, vor Ort regierenden Erzherzog Ferdinand. Er übernimmt weitere Gesandtschaften, darunter 1526 eine erneute Reise nach Russland,499 und entwickelt sich an der Seite des inzwischen zum König von Böhmen und Ungarn aufgerückten Ferdinand geradezu zum Experten der habsburgischen Ostdiplomatie. Herberstein verkehrt zu diesem Zeitpunkt mit den führenden Köpfen Mittel- und Osteuropas, häuft Auszeichnungen auf sich und seine Familie. Vielleicht ist daher hier, in der Mitte der Handschrift, ein Zenit oder doch ein zumindest vorläufiger Höhepunkt der Karriere Herbersteins erreicht und markiert. Routiniert geht der Bericht über Zeit, Orte und Ereignisse hinweg, wird in dieser Phase häufig kleinteilig und teilweise so stark verdichtet, dass Anlass und Ergebnis der Reisen, vor allem aber die Zusammenhänge verschwimmen.500 Das Geschehen wirkt daher oft disparat, zusammengehalten nur
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sich nit ku˚ndt vergleichen die klainater zu˚ tragen, So legt man die Cron, Apfel vnnd Zepter au˚f die paar« (fol. 74r). Vom Streit in der Herberge ist hier keine Rede, siehe Anm. 386. Zum Kontext der ›Ständerevolte‹ vgl. Kohler, Fürst, S. 60–84, zur Gesandtschaft S. 60–70. Kohler beurteilt Rolle und Darstellung Herbersteins – nach der Wiener Handschrift – kritisch. Den besonderen Antagonismus zwischen Herberstein und Martin Siebenbürger erklärt aber kaum adliger Standesdünkel gegenüber dem »bürgerlichen Juristen« (ebd., S. 69). Erst recht nicht, da die Budapester Handschrift zwar bereits Spitzen enthält und weitere in der Redaktion hinzukommen (etwa fol. 77r); besondere Schärfe aber erhält der Bericht erst im weitgehend neu gestalteten Text der Wiener Handschrift, vgl. Karajan, Selbstbiographie, S. 171–223 gegenüber Kovachich, Sammlung, S. 171–187. Den Landtag zu Klosterneuburg 1520 (fol. 95r–v) besucht Herberstein als habsburgischer Kommissar, »da wolten etliche wey¨se herrn mich nit zu˚lassen ain Commissary¨ sein, der sachen halben in Hispanien verloffen, des Sy¨ mit spot mu˚esten absteen«, denn Karl lässt seinen Mann schließlich durchdrücken. Der Vorgang ist mit den zugehörigen Akten und Korrespondenzen nachgehalten in der Wiener Handschrift, vgl. Karajan, Selbstbiographie, S. 226–250. Fol. 114v–134v. Dazu auch unten S. 176–179. Ein Beispiel hierfür ist die »Raiß gen Schinta« (fol. 182r–v): In nur vier Tagen – vom Eingang des Befehls, »Abennts wol spat«, sich von Wien nach »Schinta« (Seredˇ) zum ungarischen Statthalter zu verfügen, bis zum Rapport bei Ferdinand – erledigt Herberstein
Gegenstand: Worte statt Waffen – Herbersteins Bewährung im Kampf um Vorrang
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von der Person im Fokus der Betrachtung. Deren Erleben steht im Mittelpunkt, ausführlicher wird der Bericht also nur noch dort, wo eine Neuheit erfahren wird – ganz wörtlich: wo die Ich-Instanz Neuland betritt.501 Schwerpunkte der Aktivitäten Herbersteins bilden neben Polen ab 1526 vor allem das ungarische Gegenkönigtum Johann Z#polyas – und damit schließlich auch das Osmanische Reich. Die Berührung mit der aggressiv expandierenden türkischen Großmacht erfolgt wiederum schrittweise: Die Katastrophe von Moh#cs 1526 zitiert die Ich-Instanz noch aus der Distanz und eher mit Blick auf die Konsequenzen für das Haus Habsburg.502 Auch die Belagerung Wiens 1529 ist ein Ereignis, das nur mittelbar, als Ansicht der zurückgelassenen Schäden, mitgeteilt werden kann.503 Erst mit den Teilnahme Herbersteins am Kriegszug von 1532 rücken die Türken selbst ins Sichtfeld des Berichts – wenngleich ihnen die Ich-Instanz hier noch nicht selbst handelnd gegenübertreten muss, sondern Beobachter bleibt.504 Auf die tatsächliche Begegnung aber spitzt sich nicht nur der Bericht, sondern auch die Laufbahn Herbersteins zu: Nach der vernichtenden Niederlage der habsburgischen Belagerungsarmee vor Buda gegen das anrückende osmanische Heer im Sommer 1541 gibt es bei Hof »kain annder gedannckhen, dan der Tu˚rckh wu˚rd seinem Sy¨g nach, fu˚r au˚s verru˚ckn«.505 In der bis dato größten Gefahr für Ungarn, für die Erblande, ja für das gesamte Reich sieht sich die Ich-Instanz in die Pflicht genommen, einen schon verlorenen Kampf mit Worten zu gewinnen und den Vormarsch der Osmanen zu stoppen.
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Hin- und Rückreise sowie seine Amtspflichten, über deren Inhalt der Leser freilich nichts erfährt. Die Passage bei Kovachich, Sammlung, S. 246. Überraschend ist der verschobene Fokus in ›Gratae Posteritati‹ (1558), fol. Ciij r–v : Statt der Schnellreise nach Ungarn wird hier eine tour de force mit insgesamt vier Stationen an einem Tag berichtet, die im Umfeld des Ausgleichs mit dem zurückgekehrten Herzog Ulrich von Württemberg 1534 in Kaaden unternommen wurde; in der ›Raittung‹ wird der Gang der Verhandlungen zwar ebenfalls nachgezeichnet (fol. 178v–182r), die besagte Tagestour aber nicht erwähnt. Sie fehlt im Übrigen auch in der früheren Ausgabe der ›Gratae Posteritati‹ von 1549. Zur Episode siehe Enenkel, Erfindung, S. 561. So zu deuten sind auch die Berichte über die seltenen Reisen ins Reich, etwa zum Kurfürstentag zu Gelnhausen 1534, fol. 174r–178v ; Kovachich, Sammlung, S. 240–243. Nach der Ankunft in Vilnius am 14. Dezember 1526 heißt es (fol. 128v): »da sein wir Erindert das khu˚nig Lu˚dwig in Hu˚ngern am xxix Au˚gu˚sti in der handlu˚ng gegen dem Tu˚rckhen zu˚ Mohätzsch Todt beliben was, vnnd mein herr zu˚ khu˚nig in Beham Erwelt«; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 208. Fol. 147v–148r : »Am Ersten Decembris gen Wien khu˚men , das mir gegen der vorigen gestalt frembt anzu˚sehen was, alle vorstedt […] warn alle geschlaipht vnnd au˚sgeprenndt […], dartzu˚e das Lanndt derselben Ennden alles du˚rch denn veindt verprenndt […], Es was erparmcklich zu˚ sehen«; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 224. Fol. 163r–167v ; Kovachich, Sammlung. S. 232–235. Fol. 204r ; Kovachich, Sammlung, S. 259.
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Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein
Wiewol es mir beschwärlich in solcher flu˚cht vnnd sorgen, weib, haab, vnnd gu˚et zu˚u˚erlassen, vnnd meines leibs halben gantz gefarlich, So hab Ich doch au˚s mein treu˚en gegen meinem Herrn vnnd meines Vaterlannds mich bewilligt die Raiß zu˚thu˚n.506
Kein anderer scheint diese Aufgabe übernehmen zu wollen oder auch nur zu können. Gerade deshalb ist die Gesandtschaft ins Feldlager Süleymans I. eine Sternstunde Herbersteins, des für seine Bildung, seinen Diensteifer, seine Leistungen so nachdrücklich Geschmähten: Die zuvor angehäufte Erfahrung muss sich in eigentlich aussichtsloser Situation bewähren, die Diplomatie muss den militärischen Erfolg ersetzen. Grundbedingung dafür ist auch hier, den Widerspruch, das Befremden auf beiden Seiten auszuhalten – nicht zuletzt deshalb fällt, wie zuvor etwa anlässlich der ersten Russlandreise, die Darstellung des Hofzeremoniells und anderer Eigenarten der osmanischen Verhandlungspartner besonders ausführlich aus. Und tatsächlich gelingt der Ich-Instanz, freilich wiederum ohne dass der Leser in die Verhandlungsgegenstände eingeweiht wird, der Coup: Herberstein kann so nicht nur mit dem Sultan selbst, also »mit dem Teufel reden«507, sondern er erreicht damit, »das der Tu˚rckh da zu˚mal kain weittern schaden gethan« – »des man sich je nit versehn het«, wie die Redaktion hervorhebt.508 Nach dieser Überwindungsleistung, nach diesem unwahrscheinlichen Erfolg kann eigentlich nichts mehr folgen. Und tatsächlich wird Herberstein im nächsten Jahr durch König Ferdinand vom aktiven Kriegsdienst sowie »ainigem weitten vnnd schwären raisen« freigestellt.509 Dem schließt sich, nach einem kurzen Intermezzo an alter Wirkungsstätte in Polen, für das Herberstein noch einmal geehrt wird, die endgültige Verabschiedung aus dem Gesandtschaftsdienst an.510 Zugleich schließt sich damit der Kreis der 506 Fol. 204r–v. Herberstein markiert hinter »gefarlich« die Ergänzung am Rand »zw dem das allenthalben hefftig gestorbn«. Siehe auch Anm. 441. 507 So Enenkel, Erfindung, S. 549, der darin die wesentliche Didaxe des Textes erkennt. 508 Fol. 214v. Die Ergänzung erscheint direkt unter dem Absatz. Vgl. Kovachich, Sammlung, S. 267. 509 Fol. 218r–219r : »Vnnd derhalben in betrachtu˚ng solher lanngwierigen stätten vnnd getrewen diennste, So gemelter von Herberstain […] gethon hat, vnd […] zu˚ seinen verlebten tagen khu˚men, vnnd dermassen darinen Eraltet, das Er […] dermassen mu˚edt worden, das Er sich seiner gedechtnu˚s, gesichts vnd gehorß zu˚ mermaln vor vnnser beclagt, Haben wir bemelten Sigmu˚nden von Herberstain Frey¨herrn […] gnediglichen bewilligt zu˚gesagt vnnd versprochen, das wir Inne nu˚n Hinfu˚ro zu˚ kainem Veldzu˚g noch ainigem weitten vnnd schwären raisen gebrau˚chen sollen noch wellen […].« Die Urkunde fehlt bei Kovachich, Sammlung, vgl. daher Karajan, Selbstbiographie, S. 338–340. 510 Die fol. 220v–235r geschilderten Reisen der Jahre 1542–45 bereiten die Hochzeit zwischen König Ferdinands Tochter Elisabeth und dem polnischen König Sigismund II. vor bzw. stehen im Zeichen von Auseinandersetzungen um das Heiratsgut der Braut. Die fol. 222v– 226v eingeschaltete Besserung des Wappens der Herbersteiner wird damit begründet, dass in Polen »au˚f vil Tittl vnnd Ambter groß geachtet wirdet, hab Ich nachu˚olgu˚nde gnad abermals erlanngt wie hernnach u˚olgt« (fol. 222r). Die Edition lässt Urkunde und Erklärung aus, vgl. daher Karajan, Selbstbiographie, S. 342–344.
Gegenstand: Worte statt Waffen – Herbersteins Bewährung im Kampf um Vorrang
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Dienste, die Herberstein zwischen 1521 und 1545 für Ferdinand und, mittelbar, für dessen Bruder Karl übernahm und denen, einschließlich der Urkundentexte, rund die Hälfte der ›Raittung‹ gewidmet sind.511 Rechnet man noch den Auftakt mit den Gesandtschaften nach Dänemark, Russland und Spanien hinzu, machen die habsburgischen Geschäfte sogar gut 80 % des Textes aus. Und schließlich, da schon Kindheit und Jugend durch Reisen und vorbereitendes Lernen gekennzeichnet sind oder überhaupt nur darüber erschlossen und erzählt werden können, werden Bewegung und Beweglichkeit zum entscheidenden Moment der ›Raittung‹ erklärt. Bezogen auf den Titel also, der ankündigt, ein leben vnd wesen in den Blick zu nehmen, sind diese Reise- und Amtstaten ein totales Ereignis. Das heißt, gerade weil der Bericht auf eine explizit persönlich-subjektive Perspektive (»Mein Sigmu˚nden […] Raittu˚ng vnd antzaigen«), ein Er-Leben also, wie auf das tätige Handeln, die Funktion des Ver-Wesens, zugespitzt wird, ergibt sich daraus keine ausschnitthafte, sondern die eigentlich umfassendste Darstellung, besser : Berechnung der Person Sigmund von Herberstein. Behandelt wird nämlich kein Teilaspekt, sondern Reisen und Geschäfte werden als einziger Lebensinhalt vorgestellt. Allgemeiner formuliert, kreist alles um das aktive Wirken in einem äußeren und für sich gesehen unzusammenhängenden Geschehen – und nicht um die umgekehrte, passive Wirkung des Äußeren auf das Innere der Person.512 So ergibt sich, dass der Text die Biographie Herbersteins nicht als Gewordensein entwirft. Vielmehr zeigt er eine Persönlichkeit, die keiner grundlegenden Veränderung unterworfen scheint, deren Statuswandel sich rein äußerlich vollzieht und darin lediglich Bestätigung eines schon mit der Geburt festgelegten ›Arbeitsprogramms‹, einer Haltung findet. Diese Haltung hat sich in wechselnden Herausforderungen stets aufs Neue zu bewähren. In der ›Raittung‹ sind die Belege dafür, dass diese Bewährung gelungen ist, gesammelt und summiert. Wie sie aber gelingt, wird gerade nicht expliziert. Der Modus Operandi ist in allgemeinen Begriffen und Formeln aufgelöst, wie eben der »erliche[n] Arbait« oder der Orientierung, stets »meinem Namen vnnd geschlecht zu˚ Eer vnd nu˚tz« zu handeln.513 Die Empfehlungen, an dieser Einstellung, notfalls auch im Widerspruch zu anderen, festzuhalten,514 verraten ebenfalls nichts darüber, wie das 511 In diesen Zeitraum gehören auch sämtliche Urkundenabschriften im Gesamtumfang von etwa 70 Seiten, vgl. Anm. 452. Besonders knapp fällt die Beschreibung der Jahre 1543/44 aus, die auf insgesamt nur drei Seiten (fol. 227r–228v) zusammengefasst sind. 512 Deshalb spielt auch die Ereignisgeschichte in der ersten Reinschrift keine größere Rolle. Erst die Redaktion fügt entsprechende Orientierungsmarken ein, etwa fol. 113v–114r zum Jahr 1525 die türkische Eroberung von Rhodos, die Gefangennahme des französischen Königs vor Pavia oder den deutschen Bauernkrieg. Vgl. Kovachich, Sammlung, S. 196f. und übertragen in die Wiener Handschrift: Karajan, Selbstbiographie, S. 264f. 513 Fol. 238r–v. 514 Vgl. oben S. 169.
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Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein
durchzusetzen ist. Die Selbstergründung bleibt in dieser Hinsicht an der Oberfläche, sie erfasst keine Innensicht; kein Plan wird offengelegt, und es schließt sich keine Argumentation oder Erörterung an, wie sie etwa die ›Epistola‹ Ulrichs von Hutten auszeichnet. Wir müssen deshalb davon ausgehen, dass solche Aussagen in den Text hineinverlagert sind, auf eine hermeneutische Ebene. Entscheidend dafür ist die Perspektive, die der Text zu seinem Gegenstand einnimmt. Es ist nämlich bereits sichtbar geworden, dass auch die Redaktion Herbersteins dieser Perspektive gilt: Sie ordnet den fertigen Text nicht grundsätzlich neu, sondern reichert ihn mit Details an, verschiebt oder nivelliert Schwerpunkte, fügt auch neue Rahmungen ein. Alle diese Eingriffe berühren das Format, zielen auf die ›Leserichtung‹, auf ein besseres oder zumindest doch anderes Verständnis des Textes.
4.
Perspektive: Funktionsbestimmungen eines »Polsterritters«
Die ›Raittung‹ ist ein stark formalisierter Text. Sinnstiftung erfolgt hier nicht über eine Erzählung, die Inhalte miteinander in Beziehung setzt, sie etwa zu persönlichen Ereignissen verdichtet. Vielmehr zeichnet sich der Text durch eine stringente Ordnung aus, die kaum Variation zulässt, stattdessen einem Grundmuster folgt, in dem allenfalls Schwerpunkte gesetzt werden können. Wir wollen diese Ordnung daher zunächst an einem Beispiel, der zweiten Gesandtschaftsreise Herbersteins nach Russland, nachvollziehen. Der Bericht beginnt mit der Verkettung »Raiß gen Hu˚ngern Polln vnnd Mosqu˚a«.515 Das zeichnet bereits den zu durchmessenden Raum vor. Die fortlaufenden Jahresangaben, 1525 bis 1527, dagegen erscheinen losgelöst vom Referat der Reise, das heißt vor, hinter und neben anderen Überschriften. Sie geben den Rahmen ab, in den der Bericht eingepasst wird – nicht umgekehrt.516 Die Chronologie ist der Sinneinheit der »Raiß« also nicht bei-, sondern übergeordnet. Seine Entsprechung findet das etwa in der klassischen Form des Tatenberichts, der bereits für die Berlichingen-Tradition als Vorbild benannten res gestae.517 Eine kurze Einleitung, die noch einmal die Vorgeschichte des diplomatischen Austauschs zwischen den Erzherzögen und dem Großfürst sowie die Anbahnung der zweiten Gesandtschaft Herbersteins rekapituliert, ist dem eigentlichen Reisebericht vorangestellt.518 Dieser Bericht schreitet in rascher Folge die Stationen 515 Fol. 114v. Der Bericht insgesamt erscheint bei Kovachich, Sammlung, S. 198–213. 516 Die Daten fol. 114r und 129r. 517 Freilich können die erst 1555 bekannt gewordenen Tatenberichte des Augustus hier noch keine Orientierung geboten haben. Siehe dazu Anm. 299. 518 Laut Herbersteins Darstellung bildet den Hintergrund das alte, gegen Polen gerichtete Bündnis Maximilians I. mit Russland, das Anlass für die erste Gesandtschaft 1517–19
Perspektive: Funktionsbestimmungen eines »Polsterritters«
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der Reise von Wien nach Moskau ab, wobei Zwischenüberschriften hier erst den Rückweg räumlich präziser erschließen.519 Alles Dazwischenliegende scheint zu reiner Information verdichtet, der Text wird zum Itinerar (»Niclspu˚rg ligt in Mäherrn drey¨ meil gen wisternitz an der Tey¨a ain meill…«). Datumsangaben (»Am zwelfften Janu˚ary¨«, »Am Viertzehenden Febru˚ary¨«), die als Orientierungspunkte eingestreut sind, machen dabei die zurückgelegten Distanzen auch als Zeitaufwand greifbar.520 Aufgelockert wird dieser streng sachliche Stil durch kurze Erläuterungen zu Land und Leuten,521 Denkwürdigkeiten am Wegesrand522 oder besonderen Herausforderungen, körperlichen wie diplomatischen,523 die zu bestehen sind. Abseits des Zeremoniells – oder der Feststellung eines Mangels daran524 – schweigt sich Herberstein über die konkreten Verhandlungsgegenstände und die Art der Gesprächsführung aus. Über die Persönlichkeiten, die der Bericht als Gesprächspartner Herbersteins benennt, darüber, wie er ihnen gegenüber getreten ist, wie er sie wahrgenommen hat, erfährt der Leser so gut wie nichts.525 Der Bericht konzentriert sich fast völlig auf die actio und ihre Ergebnisse:
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gegeben hatte. Nach der erfolgreichen Wahl Karls habe der Großfürst um eine Erneuerung dieses Freundschaftsvertrages anfragen lassen. Zwar beschieden die beiden Erzherzöge Karl (als römischer König) und Ferdinand (als König von Böhmen) das Ansinnen positiv, doch wollten sie sich vorbehalten, gleichzeitig einen Ausgleich mit Polen anzustreben. – Dagegen erkennt Kohler, Ferdinand, S. 104f. in der Gesandtschaft eine vor allem von Ferdinand betriebene Initiative gegen Polen, die nur dadurch ihre Spitze verlor, dass Polen und Russland ihre Konflikte vorzeitig beilegten. Fol. 130r (»Polln«), 131r (»Schlesien«), 131v (»Beham«), 132v (»Märherrn«) und 132v (»Osterreich«). Herberstein ergänzt 127v am Rand »In Litten«, so auch übernommen in die Wiener Handschrift, vgl. Karajan, Selbstbiographie, S. 275. Die Zitate fol. 115v und 118r. Etwa fol. 116v : »gen tzestochaw da ist ein Closter darin ain Maria pilt dahin ain grosser zu˚lau˚ff vnd sonnderlichen von den Reu˚sse[n]«. Fol. 120r: »dazwischen Rindt ain pachel genant Copriwna, Als die schlacht Im i5i4. Jar daselbst vnd nahent bey¨ der Orssa, zwischen des khu˚nigs zu˚ Polln vnd des Moscou˚itter beschehen, Ist der pach mit leichen erfu˚lt, das der lanng nit Rinnen hat mügen, wie man sagt«. Fol. 122v : »vnd am andern tag kamen wir an ain klain pachle, das was aber groß angeloffen, vnd wiewol man die Pru˚ckhen hat lassen pessern, so hat das wasser stäts gewachsen vnd die pru˚cken gehebt, die mit müe erhalten, das Sy nit hin geschwümmen, damit wir vnnser sachen hinu˚ber pringen mügen«. – Fol. 117r–v : »Als wir fu˚r den khu˚nig [von Polen] kamen vnd wie vns Antwu˚rt au˚ff vnnsere werbu˚ng gegeben wardt, giengen scharffe wort mit […] Als aber der khu˚nig die Recht mainnung vernam, was Er linder«. Den Beschwerden über die ungastliche und nicht dem Protokoll entsprechende Aufnahme durch das russische Geleit gilt der Abschnitt fol. 120v–121v ; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 202f. Gleichwohl finden lobenswerte Eigenschaften an anderen Stellen durchaus Erwähnung. So heißt es etwa über den schillernden Hieronymus Laski (1496–1541) als Gesandten Johann Z#polyas anerkennend: »was ain Arbeitsam man nit allain mit dem Leib, sonnder au˚ch mit seinem kopf« (fol. 154v); oder im Nachtrag über einen türkischen Dolmetscher, einen Konvertiten, gebürtig aus Wien: »ertzaigt sich guett, got w[i]ste sein hertz« (fol. 205v); vgl. Kovachich, Sammlung, S. 229 und 260. Kritik ad personam dagegen wird nirgends laut, eher
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Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein
Mit grossen Pracht vnnd ansehen sein wir ain halbe meill von der Stat vber das wasser emphangen, au˚ch mit Pfärden vererdt, vnd in vnsere herbergen beglaidt worden, Am Sechsvnndzwaintzigisten Aprilis, Am Ersten May¨ sein wir gehort, vnd bey¨ dem Grossfu˚rsten zu˚ gast gehalten worden, am drey¨hennden[!] haben wir vnnsere Potten au˚s zu˚ dem khu˚nig in Polln gefertigt, mit glaidtbriefen, seine potten zu˚ schickhen frieds halben zu˚ hanndlen, der Graff schickt Gu˚ntherrn von Herberstain, Ich Hannsen Wu˚echerer, die mu˚esten gen Dantzka ziehen, dan der khu˚nig daselbst hin kam, etlicher au˚fru˚er halben.526
Die Tendenz zur Verknappung, vielleicht sogar dem Ideal der breviloquentia, die eben antike Tatenberichte auszeichnet, tritt hier deutlich hervor.527 So können dann auch Nachrichten, die zwischenzeitlich eintreffen, als Bonmot erscheinen: [Der polnische König] Nam die Stat gleich mit gewalt ein, vnd schlu˚eg da Ir vil vnnd die zwen [Gunther von Herberstein und Hans Wucherer] au˚ch zu˚ Ritter, Aber etlichen Bürgern die kepf ab.528
Damit ist zugleich das Maximum des persönlichen Kommentars erreicht. Ganz überwiegend bemüht sich die Erzählung um äußerste Sachlichkeit. Im konkreten Fall wird die Gewichtung noch einmal deutlich, da den Bericht eine Übersicht über die anderen Teilnehmer der Gesandtschaft sowie detaillierte Angaben zum Münzwesen beziehungsweise zu Wechselkursen in Polen, Litauen und Russland abrunden.529 Dieser Nachsatz bindet zugleich die kurzen Abschnitte, die nach dem geschäftsmäßigen Abschluss der Gesandtschaft durch Vortrag beim Auftraggeber, König Ferdinand, zu Prag erscheinen, an das Thema der »Raiß« nach Moskau. Die Passage ist stark verdichtet und gilt vordergründig Herbersteins Heimreise von Prag nach Wien, doch beschließt die Liste der Stationen die Notiz:
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richtet sie sich gegen die Art der Amtsführung, vgl. z. B. den nachgetragenen Ausblick auf die Absetzung König Christians II. von Dänemark (fol. 17r : »das ist der Segn«); dieser Abschnitt bei Kovachich, Sammlung, S. 125. Fol. 126r–v. Herberstein verbessert über dem Wort die ausgefallene Silbe in »drey¨[tze]hennden«. In Äußerungen dieser Art sieht Xenja von Ertzdorff den »recht derben Geschmack einer gewiß vornehmen, aber in ihren Sitten recht groben Herrengesellschaft« gespiegelt; vgl. dies.: Sigmund von Herberstein: Der Botschafter als Erzähler der Rerum Moscouiticarum Commentarii (1549ff.) und seiner deutschen deutschen Ausgabe der Moscovia (Wien 1557). In: Xenja von Ertzdorff und Gerhard Giesemann (Hgg.): Erkundung und Beschreibung der Welt. Zur Poetik der Reise- und Länderberichte. Vorträge eines interdisziplinären Symposiums vom 19. bis 24. Juni 2000 an der Justus-Liebig-Universität Gießen (= Chloe. Beihefte zur Daphnis. 34). Amsterdam, New York 2003, S. 335–364, hier S. 344. Vgl. Craig Kallendorf: [Art.] Brevitas. In: Gert Ueding (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 2. Tübingen 1994, Sp. 53–60. Im direkten Anschluss fol. 126v. Fol. 133r–134v. Die Liste der Reisebegleiter fällt in der Wiener Handschrift aus (s. Karajan, Selbstbiographie, S. 280), ohne dass dies im Budapester Exemplar angezeigt wäre.
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Da bin Ich mer dann ain Monat krannckh im holtz gelegen, j In dem Iar bin Ich in die Niderosterreichisch Camer verornndt.530
Diese lapidare Erklärung verweist auf zweierlei: Erstens spielt Herberstein auf eine syphilitische Erkrankung an, die er durch eine spezielle Kur zu heilen sucht; da er das Verfahren bereits früher bespricht, ist die Andeutung hier leicht aufzulösen.531 Zweitens markiert die Aufnahme in die Niederösterreichische Kammer eine weitere und bedeutsame Stufe auf der Karriereleiter.532 Die unmittelbare Nähe beider Einträge zueinander ist ebenso auffällig wie ihre Position im Narrativ der Gesandtschaftsreise. Sie erscheinen als persönliches Fazit des Unternehmens – oder, gewendet auf das Motiv der ›Raittung‹, als Zwischensumme. Zudem sind sie hinterlegt mit zwei weiteren, ebenfalls rechnerisch gestalteten Appendizes. Nur in diesem Zusammenhang sind die Äußerungen zur eigenen Person überhaupt möglich: Alles bestimmend ist der Selbstzwang, den die Ich-Instanz hier durchblicken lässt. Erst in Wien, nachdem alle Geschäfte ordnungsgemäß und ungeachtet aller Strapazen erledigt sind, erlaubt sie sich einen Moment der Schwäche. Krankheit und Kur werden aufgeschoben, sie haben zu warten. Das ist keineswegs selbstverständlich, erst recht nicht angesichts einer schwerwiegenden, möglicherweise fatalen Erkrankung! Immerhin wird gelten gelassen, dass der schwerkranke Herberstein nicht am Feldzug seines Dienstherrn nach Ungarn teilnehmen kann – auch wenn »das verlanngen mir mein krankhait nit wenig beschwärt hat«.533 So kann nicht überraschen, dass die Beförderung, die schon durch die Reihung auf jenen Selbstzwang als Lohn der Mühen bezogen ist, hier mit einer kurzen Bemerkung bedacht oder eher übergangen wird. Weder von Furcht noch Freude zeigt sich die Ich-Instanz berührt. Diese Beobachtung ist insofern wichtig, als sie sich an zahlreichen anderen Stellen wiederholt. Der Tod des Bruders etwa wird zwar »mit grossem laidt 530 Fol. 132v–133r. 531 Anlässlich des Augsburger Reichstags 1518 erwähnt Herberstein, fol. 73r: »Ich wardt kranckh vnd lag im holtz Guaiacano vast der Ersten ainer vnder Ier vier oder fu˚nffen, die Ertznei ward erst in prau˚ch khu˚men«. Ein Brückenschlag zu Ulrich von Hutten erfolgt hier aber nicht, obwohl dieser zur selben Zeit am selben Ort kurte und darüber hinaus mit der Schrift ›De Gvaiaci medicina et morbo gallico‹ (Mainz 1519) eine Abhandlung über das Verfahren vorgelegen sollte. Diese Schrift ist ediert in: Hutten, Opera 5, S. 397–497; vgl. dazu auch Michael Peschke: Ulrich von Hutten und die Syphilis. In: Laub/Steinfeld, Katalog, S. 309–320. 532 Zur Bedeutung dieses Gremiums vgl. Mark Sven Hengerer : Wer regiert im Finanzstaat? Zur Entstehung landesfürstlicher Entscheidungen unter Mitwirkung der Niederösterreichischen Kammer im 16. Jahrhundert. In: Reinhardt Butz und Jan Hirschbiegel (Hgg.): Hof und Macht. Dresdener Gespräche II zur Theorie des Hofes. Ergebnisse des gleichnamigen Kolloquiums auf Schloß Scharfenberg bei Dresden, 19. bis 21. November 2004 (= Vita curialis. 1). Berlin 2007, S. 87–140. 533 Fol. 136v im Anschluss an einen kurzen Feldzugsbericht, somit sicher aus zweiter Hand; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 215.
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vernomen«, leitet aber nur dazu über, dass Herberstein selbst an »derselben Hu˚ngerischen krannckhait au˚ch erlegen, vnnd in grosser gefär meines lebenns gestanden«, unterstreicht also eher eine allgemeine Bedrohlichkeit der Situation.534 Derselben Logik folgt die knappe Nachricht vom Tod zweier Verwandter bei den Rückzugsgefechten gegen die Osmanen vor Ofen/Buda:535 Ebenso wie die bereits zitierte Sorge, »weib, haab, vnnd gu˚et zu˚u˚erlassen« und das eigene Leben zu riskieren, um Verhandlungen mit den Osmanen aufzunehmen, sind diese Seitenblicke in den Kontext einer persönlichen Überwindungsleistung gestellt, die dadurch in ihrer ganzen Dramatik und Bedeutung dem Leser vor Augen treten soll.536 Demgegenüber verzeichnet die ›Raittung‹ Momente, in denen Herberstein in immer einflussreichere Positionen aufrückt, ausschließlich in den Worten anderer, als Dokumentation, aber ohne eigenen Kommentar.537 Der Aufstieg wird zur Kenntnis genommen, Begründung und Rechtfertigung erfolgen durch das Urkundenmaterial und ergeben sich vor allem aus den zuvor geleisteten Diensten – das genügt. Überhaupt keinen Platz hat dabei schließlich der häusliche Bereich. Die Ehe mit Helena von Saurau – die im Text freilich namenlos bleibt – geht Herberstein sozusagen im Vorübergehen ein.538 Andere familiäre Bindungen werden nur im Schlusswort zusammenfassend dargestellt oder kommen allein im Vorlauf bis 1514 zur Sprache, da die IchInstanz erst noch zur unabhängigen Leistung finden muss.539 Überhaupt spielen Sozialbeziehungen, die nicht auf Dienstverhältnissen beruhen, also Freundschaften oder auch Patronageverhältnisse, keine Rolle. Andeutungen bieten al534 Fol. 138v–139r : »Wie Ich zu˚ Wien ankhu˚men, hab Ich meines lieben vnnd Trewen Bru˚eders Herrn Iorgens Ableiben mit grossem laidt vernomen, Der zu˚ Gran kranckh worden, vnnd zu˚ Pru˚ckh an der Ley¨ ta gestorben vnd begraben ligt, Am Pfingst Abennt bin Ich an derselben Hu˚ngerischen krannckhait au˚ch erlegen, vnnd in grosser gefär meines lebenns gestanden«. Das Datum »am xj Marty¨« ergänzt hinter »Wien« erst die Redaktion. 535 Fol. 204v : »Daselbsten sein zwen meines namens bliben herr Cristof meines Bru˚der herrn Hansen Su˚n vnnd herr Franntz meines vetter herrn Wernhardins Su˚n«. 536 Siehe Anm. 506. 537 Ähnlich gelagert wie die zuvor zitierte Stelle ist etwa die Nachricht vom Aufstieg in eine Spitzenposition 1539 (fol. 193r): »Den Ersten tag Septembris hat die ku˚ : Mjt: mich in meinem abwesen in der Niderosterreichischen Camer den Obristen Rat verordent«; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 250. Vgl. auch wiederum die Sammlung der Urkunden (Anm. 452) sowie zum dokumentarischen Schreiben S. 209f. 538 Die Hochzeit ist erwähnt im Bericht einer Reise von Linz auf den Bundestag nach Nördlingen 1522, da die Ich-Instanz den Ort »Grueb« (nach Karajan, Selbstbiographie, S. 263 mglw. Grub bei Weiz) passiert; wobei nicht klar ist, ob die Ehe in diesem Moment geschlossen wird oder hier nur ein Erinnerungsort benannt ist. Vgl. fol. 112v–113r und Kovachich, Sammlung, S. 195 sowie zur Ehefrau Adelung, Herberstein, S. 145. – Tersch, Selbstzeugnisse, S. 206 vermutet, dass die Ehe nicht weiter gewürdigt wurde, weil sie kinderlos blieb und damit keine dynastische Bedeutung erlangte. 539 Zu nennen ist hier etwa die Ausstattung des jungen Herberstein durch seinen älteren Bruder Georg für den Kriegsdienst: fol. 5v. Dazu auch Anm. 492.
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lenfalls die gelegentlich eingestreuten Namen und Namenslisten, die die IchInstanz in einem bestimmten Personen- und Wirkungskreis verorten, allerdings die Art der Beziehung selten kommentieren.540 Das selbständige Handeln der Ich-Instanz (»Mu˚e vnnd Arbait«) und dessen Wirkungen (»Eern vnnd belonu˚ngen«) stehen im Mittelpunkt, und deshalb ist auch schon der Verdacht der Förderung, die nicht auf Verdiensten, sondern auf Gefälligkeiten beruht, unbedingt zu vermeiden.541 Die richtigen Freunde zu besitzen, zeichnet niemanden aus. Denn wahre Ehre, wahrer Ruhm ist, so der Tenor, eben nur durch Anstrengung zu erreichen. Zwei Prinzipien erteilt Herberstein damit eine klare Absage: Erstens betrifft das den Geburtsadel. Die Netzwerke, die dem Einzelnen durch Verwandtschaft und Versippung gleichsam qua Geburt zuwachsen, über die sich der Adel als Solidargemeinschaft organisiert – und wie sie etwa in Berlichingens Tatenbericht beschworen werden –, sind für die Persona Herbersteins weder konstitutiv noch erwünscht. Vorrang darf hier nicht angeboren sein, er muss von jedem Einzelnen und für sich erworben werden. Die Verpflichtung darauf ist also ebenfalls erlernbar : Der Ich-Instanz wird sie durch Ausbildung in der Gurker Domschule zuteil, da man »den Adl liebt vnd pflantzte«.542 Adligkeit wird so zu einer Haltung; sie ist kein Privileg, sondern Auftrag. Prinzipiell steht das Merkmal der Adligkeit, verstanden als Selbstveredelung, damit jedem offen. Denn der zugrundeliegende Mechanismus ist allein die Dienstbarkeit: Als der wellt vnnd der höfe lau˚ff, vnnd brau˚ch ist, nit allain vmb gey¨ ttes willen des gu˚ets, Sonnder au˚ch der Eern vnnd erhöhu˚ng willen des Namens vnd stannds, Wie das gemainiglichen alle herrn Grafen vnnd fu˚rsten du˚rch Eerliche diennst den khu˚nigen vnnd kay¨sern au˚s nidern stannden zu˚ solcher Eere vnnd Wirde erhocht, hab Ich demselben weeg au˚ch nach ganngen vnd also vmb meiner schwarn sorglichen diennst willen vnnd nit umb geldt Nachu˚olgu˚nde gnad mir vnnd meinen namen erworben.543
540 Eine tatsächliche Ausnahme bildet die fol. 68r referierte Unterstützung Herbersteins durch Matthäus Lang von Wellenberg: »wollt mein gu˚etter freu˚nndt sein, mir ward au˚ch die Pfleg Clam dasmals gegeben«. Allerdings ist auch hier Anlass Herbersteins vorgängige Leistung als Gesandter am Zarenhof. Grundlegend zu Wellenberg ist Johann Sallaberger : Kardinal Matthäus Lang von Wellenburg (1468–1540). Staatsmann und Kirchenfu¨rst im Zeitalter von Renaissance, Reformation und Bauernkriegen. Salzburg, Mu¨ nchen 1997. – Einige andere Netzwerke bindet erst die Redaktion in den Text ein, z. B. ein Verzeichnis der Schulkameraden Herbersteins zu Gurk, fol. 5v ; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 112. 541 Fol. 238r. 542 Fol. 5v : »Als Ich vngefarlichen Acht oder Neu˚n Iar Allt worden hat mich mein Vater zu˚ dem Thu˚omprobst gen Gu˚rckh gelassen der dan her wilhalbn weltzer ain Rechter Edlman was vnd den Adl liebt vnd pflantzte, Ertzoch vil Edler khinder mit Lernu˚ng vnd andern zu˚chten«; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 111. 543 Damit leitet der Text die Urkunde über die Erhebung der Herbersteiner in den Freiherrenstand ein, fol. 186r ; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 248f. sowie oben Anm. 452.
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Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein
Das ist einigermaßen radikal! Getrennt wird nämlich nur zwischen Oben und Unten, zwischen den offenbar ewigen Instanzen der Kaiser und Könige auf der einen Seite und den aufstrebenden, dynamischen Kräften, die von den Herren hinauf zu den Fürsten zur Ehrgemeinschaft, zu dem Adel zusammengeschlossen sind, auf der anderen. Dienste sind Medium und Motor dieser Gemeinschaft wie der Aufstiegsprozesse an sich, und sie scheinen jene Hierarchisierung notwendig vorauszusetzen.544 Eine Herleitung des Adels allein aus der Leistung könnte durchaus dem humanistischen Tugendadel entsprechen. Allerdings, und dies zweitens, distanziert sich Herberstein auch von dieser Engführung. Zwar erkennt er den Wert guter Bildung, das heißt der Kenntnis der bonae litterae, fraglos an;545 doch kann die eigentliche Qualifikation höchstens durch jene Studien ergänzt werden, nicht aber sich darauf begründen. Die ›Raittung‹ führt nämlich weder Nachweis darüber, welchen konkreten Nutzen die Ich-Instanz aus den studia humanitatis ziehen kann, noch ordnet sie die Tätigkeit Herbersteins nach Maßgabe humanistischer (Bildungs-)Ideale. Vielmehr sind die entsprechenden Interessen und Neigungen Teil eines tatsächlich umfassenden Leistungsprogramms. Im humanistischen Diskurs mitreden, ja sogar selbst als Mäzen auftreten zu können,546 erfüllt die Ansprüche, die hier aufgestellt werden, mehr als hinreichend. Die ›Raittung‹ ist ein humanistisch informierter Text, aber kein humanistischer Text – und dasselbe soll auf ihren Urheber zutreffen.547 544 Hier ist nur anzudeuten, dass in der ›Raittung‹ für die Sphäre der Reichsritter der Begriff der »Reitterey¨« verwendet wird, der eindeutig negativ besetzt scheint: Der Weg durch Franken 1516 wird beschleunigt, »daru˚mb Sou˚er die tagraiß genomen, damit Ich au˚s den sorglichen Reittern ku˚men« (fol. 11r; Kovachich, Sammlung, S. 119), und Ähnliches klingt bei der erneuten Durchreise 1534 an: »Die Raiß ist sorglich du˚rch die gegennden, Aber dazu˚mal was alle Reitterey¨ in Wirtenberg, dasselb zu˚erobern« (fol. 178v ; Kovachich, Sammlung, S. 243). Deutlicher wird Herberstein noch in ›Den Gegenwurtigen‹ (1560), da er die deutsche (Reichs-)Ritterschaft insgesamt ins Resümee der großen Gefahren seiner Reisen einordnet: »Solche raisen hab ich zum thail in grosser hitz in Wälischen Landen/ Mit grosser geferlichkhait am Moer/ Auch beschwärliche kelten durchlittn/ vnd Mosqua/ Im grossen Sterb zu vnnd vom Türckhischen Khayser verricht/ geschweigen durch das Teutsche Lannd der Reytterey halben / doch in allen Nationen alle freündtschafft vnnd gueten willen befunden/ Die vbrige tag in meinem dienst trewlichen vnnd vleissig verricht/ Gott dem Herren sey Lob vnd danckh.« (fol. F r ; Hervorh. d. Verf.). 545 Anlässlich seiner Promotion zum »halb Maister«, d. h. des Bakkalaureats, bemerkt Herberstein, dass »au˚s dem mir beij der gemain geselschafft vilmals spotlich zu˚geredt mich ain Stu˚denten schreiber vnd Doctor genant, hab mich der Latein vnd ku˚nst derhalben nit entslagen sonder die geliebt, der angehangen, ist mir zu˚ gu˚etten ku˚men« (fol. 5v); Kovachich, Sammlung, S. 112. Die Qualifikation sattelt auf dem Schema auf, das für den Erwerb der windischen Sprache festgehalten wurde, vgl. oben S. 169 mit Anm. 487. 546 Eindeutig in diesen Kontext gehören die drei Epigramme am Schluss, die Herberstein nachträglich mit den Autorennamen versieht, sehr wahrscheinlich um sie eindeutig als Fremdleistung zu markieren, die ihm zugeeignet worden waren. Siehe Anm. 454. 547 Die Frage, inwieweit Sigmund von Herberstein sich aktiv am humanistischen Austausch
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Wir halten fest: Die spezifische Anstrengung des Textes besteht im Verschweigen und Vermeiden. Positionen, wie die des Tugendadels, werden vereinnahmt, ohne sie für exklusiv gültig zu erklären; private Ansichten verschwinden hinter der Fassade des Diplomaten, das Privatleben tritt ganz hinter die vita activa zurück; alle Lebensbereiche sind auf eine Verpflichtung zur Funktion hin orientiert. Und dieser Funktion kann deshalb umso mehr Raum gegeben werden: Die Tendenz, sich auf Andeutungen zu beschränken, steht im krassen Gegensatz zur großen Akribie, ja Pedanterie der Reisebeschreibungen. Angaben zu Orten und Entfernungen werden penibel verzeichnet, die Chronologie wird von Jahren und Monaten über Tage teilweise bis auf Stunden heruntergebrochen.548 Die Redaktion legt hier noch nach, ergänzt, korrigiert, verfeinert.549 Dieses verzeichnende Schreiben bewirkt zweierlei: Zum einen gewinnt der Text an Glaubwürdigkeit, indem Privates und Persönliches allein mengenmäßig zur Nebensächlichkeit schrumpft, während das feingliedrige – und in der Redaktion stringent ergänzte und verbesserte – Netz der Reiserouten Sachlichkeit und Nachprüfbarkeit suggeriert.550 Diese Überprüfbarkeit scheint, zum anderen, dem Leser die Chance zu eröffnen, die Reisen selbst nachzuvollziehen. Hierin nämlich ist die ›Raittung‹ einer anderen Textsorte eng verwandt: dem Pilgerbericht.551 Wie dieser kann der Text als Wegweiser gelesen werden; wobei nicht entscheidend ist, ob der Leser sich selbst auf den Weg macht oder die Route geistig, sozusagen mit dem Finger auf der Landkarte nachverfolgt, solange er sich in die Situation des Vorgängers hineinversetzen kann.552 Und genau wie der
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beteiligte bzw. ob er vornehmlich aufgrund seiner einflussreichen Stellung am Wiener bzw. Prager Hof als Ansprechpartner humanistischer Netzwerker fungierte, ist keineswegs abschließend geklärt. Die verschiedenen Meinungen dazu fasst Frötschner, Herberstein, hier Sp. 281–283 zusammen. Eine Antwort würde aber nicht zuletzt voraussetzen, den bislang dürftigen Forschungsstand zum ›Wiener Humanismus‹ des 16. Jahrhunderts zu verbessern. Namentlich wären dazu Netzwerke in den Blick zu nehmen, die nicht nur die Universität, sondern sicher auch den Hof Ferdinands I. und Maximilians II. zum Zentrum hatten. Fol. 165r : »Den xiy¨ kamen wir vmb fünf vr morgens früe gen Grätz«; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 233. So prüft Herberstein konsequent die Orthographie der Ortsnamen und bemüht sich um Vereinheitlichung. Die Detailgenauigkeit der Redaktion zeigt sich etwa auf fol. 175v–176v, wo in der Ortsangabe »Meintz« durchgehend das irrtümliche »i« ausgestrichen ist. Besonders dicht stehen bspw. die fortlaufend neben und im Text ergänzten Datumsangaben fol. 33r–42v ; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 138–146. Unter der Überschrift »Der Weg von Wien gen Inspruckh« sind Stationen und Wegstrecken der Reise am Seitenrand in Listenform nachgetragen, fol. 67v, wiedergegeben bei Kovachich, Sammlung, S. 165. Einen aktuellen Forschungsüberblick bietet Stefan Schröder : Zwischen Christentum und Islam. Kulturelle Grenzen in den spätmittelalterlichen Pilgerberichten des Felix Fabri (= Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalter. 11). Berlin 2009, insb. S. 26–45. Mit den »Pilgerführern« wie mit der »Geistlichen Pilgerfahrt« für Daheimgebliebene befasst sich Ursula Ganz-Blättler : Andacht und Abenteuer. Berichte europäischer Jerusalem- und Santiago-Pilger (1320–1520) (= Jakobus-Studien. 4). 3. Aufl. Tübingen 2000,
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Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein
Pilgericht kann auch die ›Raittung‹ im Nachvollzug der Reisen die Strapazen veranschaulichen und beglaubigen, Anstrengungen und Fremdheiten dokumentieren, festhalten und damit in die Gegenwart des Textes beziehungsweise des Lesers holen. Eine verbindende Erzählung – abseits der biographischen Kontextualisierung – ist nicht notwendig, vielleicht sogar der unmittelbaren, vergegenwärtigenden Wirkung hinderlich, die im Text gerade durch jene Formelhaftigkeit der Reisepassagen erreicht wird. Deshalb auch bleibt der Text perspektivisch eng am Geschehen und an der fortschreitenden Chronologie;553 hier S. 250–263. – Nicht wenige Pilgerberichte verarbeiten auch einen autobiographischen Impuls: Hier sei nur auf das Beispiel des Arnold von Harff (ca. 1471–1505) verwiesen, dessen Bericht eine – teilweise fantastische – Pilgerfahrt ins Heilige Land und durch Westeuropa in den Jahren 1496–1498 nachzeichnet. Der Ritter verwahrt sich und seine ›Reisetaten‹ nachdrücklich gegen »vil moytwilliger vnuersoichter kleffer ind eren roubber, die gentzlich vermeynen dat geyn ander lant vnder der sonnen en sij dan dae sy waenafftich synt, vermeynen darvmb wat der wendeler sage ydt sij geloegen« (zitiert nach der Edition von Everhard von Groote (Hg.): Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff […]. Köln 1860, S. 2, Z. 3–7). Ihnen entgegnet er in Text und Bild(!) mit der eigenen Person, verteidigt sein Bildungswissen – das eben auch fiktionale Elemente enthält – mit der eigenen, unhintergehbaren Erfahrung. Untersuchungen hierzu sind ein Desiderat der Forschung, die sich auf kulturgeschichtliche Analysen konzentriert hat : vgl. etwa den jüngeren, allzu positivistisch geratenen Beitrag von Britta Kölling: Das Islambild Arnolds von Harff. In : Jürgen Sarnowsky (Hg.): Vorstellungswelten der mittelalterlichen Überlieferung. Zeitgenössische Wahrnehmungen und ihre moderne Interpretation (= Nova Mediaevalia. 11). Göttingen 2012, S. 207–236, dort auch die einschlägige Literatur. Mit wichtigen Ansätzen, v. a. zur Fiktionalität: Helmut Brall-Tuchel: Der Reisende als Integrationsfigur ? Arnold von Harff: Ein Pilger zwischen Regionalität und Expansion. In: Ina Karg (Hg.): Europäisches Erbe des Mittelalters. Kulturelle Integration und Sinnvermittlung einst und jetzt. Ausgewählte Beiträge der Sektion II »Europäisches Erbe« des Deutschen Germanistentages 2010 in Freiburg i. Br. Göttingen 2011, S. 67–93. Zusammenfassend und eventuell neu zu bewerten wäre auch die Rezeptionsgeschichte, die sich in zahlreichen Abschriften des 16. und 17. Jahrhunderts manifestiert hat : vgl. dazu Volker Honemann: Zur Überlieferung der Reisebeschreibung Arnolds von Harff. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 107 (1978), S. 165–178, Hartmut Beckers: Zur Reisebeschreibung Arnolds von Harff. Bericht über zwei bisher unbekannte Handschriften und Hinweise zur Geschichte dreier verschollener Codices. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 182 (1979), S. 89–98 sowie ders.: Neues zur Reisebeschreibung Arnolds von Harff. Die Handschrift Dietrichs V. von Millendonk-Drachenfels vom Jahre 1554 und ihre Bedeutung für die Rezeptions- und Überlieferungsgeschichte. In: Rheinische Vierteljahrsblätter 48 (1984), S. 102–111. Ergänzende Angaben, auch zur Literatur, bietet der »Handschriftencensus«: [04.03.18]. 553 Vorausweisungen oder Rückbezüge sind selten, Beispiele finden sich dennoch fol. 12v (Beobachtung zu den Heiltümern zu Wittenberg, »wie paldt aber hat es sich verenndert vnd daselbstn angefanngen«), fol. 17r–v (zum Werdegang des dänischen Hofmanns Severin Nordwed, »der all sein thu˚en in Teu˚ffels namen thette, vnd hernach vill wu˚nders gestifft«) oder fol. 96v (im Bezug auf Herbersteins Konflikt mit den ständischen Oppositionsführern von 1519/20: »vnd war hernach das Erschrocklich gericht [das ›Wiener Blutgericht‹ 1522, d. Verf.] nit vber Sy¨ ergangen, So hette Ich mir doch fu˚rgenomen, wider dieselben
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deshalb sind Abhandlungen, wie sie etwa die ›Commentarii‹ bestimmen, auf kurze Exkurse beschränkt und in den Handlungsverlauf integriert;554 deshalb wird Fremdheit nicht expliziert und durch Aneignung aufgelöst, sondern lediglich toleriert und in der Überwindung vorgeführt.555 Der Leser soll Sigmund von Herberstein begleiten, seine Erfahrungen und Beobachtungen als eine Art Mitgesandter teilen können. Noch einmal aber : Der Text schildert dabei keine Entwicklung. Die ›dichte Beschreibung‹ mag aus Ad-hoc-Aufzeichnungen hervorgegangen sein,556 die berichtete Zeit mag stetig voranschreiten – die Perspektive aber ist eine Retrospektive, sie überblickt den gesamten Zeitraum von einem Punkt aus, an dem Autor und Leser nebeneinander stehen. Die biographische Reise selbst ist hier längst abgeschlossen, im Text wird sie aber nochmals vollzogen. Diese Einsicht ist wesentlich: Angaben präzise zu verzeichnen, Dokumente und Aussagen als Belege zu sammeln, dient hier nicht allein der Dokumentation, dem Festhalten – und damit der Archivierung – einer biographischen Bewegung, sondern macht die Dynamik selbst nachvollziehbar oder, besser gesagt, beim Lesen wiederholbar. Der Text erreicht an dieser Stelle eine performative Bedeutung. Wir kommen damit vielleicht einem spezifischen Umgang mit dem Text auf die Spur, und damit: dem tatsächlichen Zweck der ›Raittung‹. zu˚hanndeln«). Die Passagen bei Kovachich, Sammlung, S. 120, 125 und 188. Siehe auch Anm. 525. 554 Vgl. etwa die Beschreibung der russischen Pferdepost, da Herberstein selbst auf sie zurückgreift, fol. 46r–v ; Kovachich, Sammlung, S. 148f. 555 Das heißt, es geht nicht um Verständnis, sondern um notwendige Anpassung. Das Fremde bleibt damit Teil einer anderen Sphäre, in der sich die Ich-Instanz ihrerseits als Fremde bewegt. Fremdes wird daher eigentlich nur insoweit erklärt, als es eine epistemische Überlegenheit der Herberstein-Persona profilieren kann. So sind fremdsprachliche Begrifflichkeiten in der Regel knapp erläutert, z. B. fol. 51v (»hu˚etl die Sy¨ kolpackh nennen«), 81v (»die schrienn vela vela, das ist Segl, Segl«) oder, ergänzt, 205v (»kumbt der teutsch Thulmatsch Turkhisch haist Tülmatsch, dragamen«); vgl. Kovachich, Sammlung, S. 153, 177 und 260. Die Lesart von Herbersteins Kürzung für »tsch« verleitet nicht erst Kovachich zu einer irrigen Transkription, sondern schon den Schreiber der Wiener Handschrift, der nach der redigierten Budapester Vorlage daher zu »Thulmatz« auflöst; vgl. Karajan, Selbstbiographie, S. 332. – Im Übrigen wären gerade Herbersteins ›Commentarii‹ deshalb noch einmal in Abgleich zu bringen mit Berichten zeitgenössischer Autoren über die ›Neue Welt‹ Amerikas und deren Beweggründen, ›besseres Wissen‹ zu produzieren; instruktiv dazu die Fallstudie von Birgit Scharlau: Tiger-Semantik. Gonzalo Fern#ndez de Oviedo und die Sprachprobleme in Las Indias. Iberoamericana 18 (1983), S. 51–68 bzw. Kathleen Ann Myers: Fern#ndez de Oviedo’s chronicle of America: a new history for a New World. Austin 2007 und dazu, breiter angelegt, Jennifer R. Goodman: Chivalry and Exploration, 1298– 1630. Woodbridge 1998. 556 Tersch, Selbstzeugnisse, S. 197 vermutet »itinerarische oder tagebuchartige Aufzeichnungen« als Grundlage der Reiseberichte in den Budapester bzw. Wiener Handschriften. Dafür spricht die spätere, offenbar planmäßige Ergänzung und Korrektur von Angaben, siehe Anm. 550.
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Die ›Raittung vnd antzaigen‹ Sigmunds von Herberstein
Pragmatik: Die Umwidmung des Dienens als Triumph über Zwang und Vergänglichkeit
Mit der Frage nach der Pragmatik des Textes müssen wir darauf zurückkommen, an wen sich der Text eigentlich richtet. Versteht man ihn tatsächlich als ›Pilgerführer‹, als Reisebegleiter, diplomatisches Lehrbuch, eben als praktische Anleitung, und setzt man daneben, dass die Ich-Instanz »meine Nachkhu˚men meines Namens vnnd geschlechts« ins Gespräch bringt, wäre die Selbstbetrachtung als Didaxe letztlich gerechtfertigt.557 Allein, der didaktische Impuls ist im Text wenig ausgeprägt. Zwar werden die Taten Herbersteins, wie wir gesehen haben, in ihrer Exemplarität vorgeführt. Doch der Leser ist kaum darauf vorbereitet, diese Aufrechnung persönlicher Leistungen als Belehrung aufzufassen. Die schließlich noch vorgeschalteten lateinischen Motti bringen eher Selbstbezügliches zum Ausdruck, indem sie ein Reservoir an Rechtfertigungen für das Eigenlob Herbersteins bereitstellen – wer Gutes tut, soll darüber reden dürfen.558 Ausdrücklich ins Erzieherische gewendet wird der Text eigentlich erst im Schlusswort, da die zuvor gebotenen individuellen Exempla in einen familiären Kontext eingerückt werden, daran rückgebunden scheinen. Die Rede kommt dabei auf Brüder und Neffen Sigmunds von Herberstein, auf deren Vorbild »Die anndern«, das heißt jene hier nicht aufgeführten Familienmitglieder, eingeschworen werden, um »denen allen fu˚esstapfen nach zu˚ tretten«.559 Erst hier also wird eine Verpflichtung für andere formuliert, sich im Wettstreit mit Vorbildern auszuzeichnen. Und erst hier wird erklärt, wie das zu bewerkstelligen sei: nämlich indem man »erliche Arbait« dem »Mu˚esgang« vorziehe, sich vor »vnnutzen freuden vnnd übrigem trinckhen« hüte, dazu jeden Luxus meide, stattdessen Geld und Besitz zusammenhalte – und ähnliche Gemeinplätze der zeitgenössischen Moral- und Ökonomielehre mehr.560 Im vorstehenden Text 557 Siehe Anm. 465. 558 Vgl. vor allem das Sallust-Zitat, wie Anm. 458. 559 Vgl. fol. 240r: »Zu˚ dem allen Haben mich mein lieber Vater vnnd noch mer mein trewer lieber eltister bru˚eder Herr Jorg gewisen vnnd wegweiß geben Nicht minder sein das au˚ch gros Vrsacher meine zwen gebru˚eder Herr Hanns vnnd Herr Wilhalm die mir so trew vnnd bru˚ederlich geweset […] das Sy¨ des Jrigen wo Ich das mir begerdt, hetten willig vnnd gern mitgetaillt«; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 275. Dem schließt sich die bezeichnete Bestandsaufnahme an, und diese wird mit dem Zitat fol. 242r abgerundet. 560 Vgl. fol. 238r–240v. – Die wichtigsten Ausprägungen dieser didaktischen Literatur verzeichnet Dietmar Till: [Art.] Anstandsliteratur. In: Enzyklopädie der Neuzeit 1 (2005), Sp. 413–420. Grundlegendes zur frühneuzeitlichen Ökonomik noch immer bei Julius Hoffmann: Die ›Hausväterliteratur‹ und die ›Predigten über den christlichen Hausstand‹. Lehre vom Hause und Bildung für das häusliche Leben im 16., 17. und 18. Jahrhundert (= Göttinger Studien zur Pädagogik. 37). Weinheim, Berlin 1959; vgl. auch Volker Bauer : Hofökonomie. Der Diskurs über den Fürstenhof in Zeremonialwissenschaft, Hausväterliteratur und Kameralismus (= Frühneuzeit-Studien. N. F. 1). Wien, Köln, Weimar 1997.
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aber ist von diesen Mechanismen, vom guten Wirtschaften oder auch nur vom Maßhalten keine Rede. Schließlich erhält auch der brüderliche Zusammenhalt, die nachdrücklich beschworene »Ainickait«561 der Familie von Herberstein, eine Bedeutung, die im Rechenschaftschaftsbericht des Sigmund von Herberstein schlichtweg nicht erkennbar ist. Diese Bedeutung kann auch gar nicht sichtbar werden, weil sie jenseits des Fokus liegt, den die Darstellung auf das ›öffentliche‹, geschäftliche Handeln Herbersteins legt. Allerdings füllt die scharfe didaktische Wende, die dem Text am Schluss zugeschrieben wird, die Leerstelle des Privaten nicht einfach. Dafür bleiben die Ergänzungen zu knapp, und es fehlt ihnen der Spiegel im Haupttext. Eher handelt es sich um eine formale Rückbindung, und sie bewirkt vor allem zweierlei: Zum einen ergänzt sie die Legitimationsstrategien des Textes. Das heißt, indem der Bericht der ›Raittung‹ als lehrhaftes Anschauungsmaterial konnotiert wird, ist die Selbstbetrachtung oder das verzeichnende und berechnende Schreiben an sich zumindest dem Ansatz nach zu rechtfertigen. Zum anderen erfüllt der Bericht eine wichtige Funktion, insofern Herberstein durch ihn nicht nur einer impliziten Pflicht entspricht, Rechenschaft abzulegen, sondern auch ein Vorbild konstitutiert für zukünftige Generationen. Damit tritt der Text in Wechselwirkung mit einer – freilich überhaupt erst hier behaupteten – Familientradition. Dies nämlich hat besonderes Gewicht: Die Leistungen der Gesamtfamilie werden in das Beispiel der Karriere Herbersteins eingeholt, damit diese nur umso deutlicher als Meilenstein, Sigmund von Herberstein als bis dato herausragendster Vertreter der Familie hervortreten kann. Wie in seiner Funktion als Gesandter tritt Herberstein auch hier als Stellvertreter und Sprachrohr auf, in ihm vereinigen sich die vorzüglichsten Eigenschaften derer, für die er das Wort ergreift und führt. Sein Handeln ist also wiederum tatsächlich beispielgebend, und so soll es auch bewahrt und, mehr noch, erinnernswert bleiben. An dieser Stelle erhält die zunächst ausdrücklich persönliche Rechenschaft, da sie die Exemplarität und, zu einem gewissen Grad, Einzigartigkeit Herbersteins vorführt, doch den Charakter eines Familienbuchs. Der Bericht soll den Nachkommen Orientierung für ihr eigenes Handeln bieten – wenn auch,
561 Fol. 240r. Erinnert sei hier an die 1563 in Wien erschienene Schrift ›Typus concordiæ fraternæ ab illustri et generoso viro D. Sigismundo libero barone in Herberstain […] Posteris suis pro certissima amplificandæ & conservandæ familiæ omnisque dignitatis tuendæ formula, testamento relictus‹ (= VD16 H 2212). Neben zwei Kupferstichen, die in allegorischer Verdichtung die titelgebende »brüderliche Eintracht« veranschaulichen, vereinigt der Druck lateinische Gedichte (zwei des Paulus Fabritius, eines von Johannes Seccervitius) und Prosa (eine »Exegesis« der bildlichen Darstellungen durch Georg Eder) unter einem von Herberstein gestifteten Vorwort.
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und das ganz im Sinne der aemulatio, nicht in der bloßen Nachahmung, sondern der eigenständigen Anverwandlung und Überbietung.562 Herberstein entlässt seinen Text dabei in eine unbestimmte Zukunft. Über weite Strecken fehlen der Ich-Instanz die »Ansprechpartner«, jenseits des Schlussworts wendet sie sich nirgends direkt an die Leser. Sie führt einen Monolog, ohne die Interaktion zu suchen. Und so spricht sie auch zwar wortreich über die beabsichtigte Wirkung der ›Raittung‹ auf jene »Nachkhu˚men«, fasst das aber in nur einer einzigen direkt adressierten Empfehlung zusammen.563 Das könnte freilich erneut dem Anspruch geschuldet sein, Distanz zu sich selbst und zu jeder Form der Privatheit zu wahren: Die Ich-Instanz lässt sich zu nichts hinreißen, sie handelt kontrolliert, und nur indirekt kann sie deshalb Wünsche und Hoffnungen, hier : eine Rezeptionswirkung, benennen. Der Selbstzwang würde es also unmöglich machen, einen intimeren Ton anzuschlagen. Doch es besteht noch eine andere Möglichkeit, diesen scheinbaren Mangel zu erklären: Der Text hat auch eine ganz andere Leserschaft im Blick. Zwar ist offenbar den Nachkommen aufgetragen, sich an der Herberstein-Persona ein Beispiel zu nehmen, der Text aber zeigt diesen Auftrag nurmehr an. Die Distanz dehnt die Perspektive also auf die Frage aus, ob jene Translation gelungen ist; der Leser soll beurteilen können, ob »Die anndern« ihrer hier mitgeteilten Verpflichtung gerecht geworden sind. Das Publikum wird zur Instanz, die nicht allein die Leistungen Sigmunds von Herberstein nachvollziehen und bewerten, sondern darüber hinaus deren langfristige Wirkung überprüfen soll. Das ist freilich kein bloßes literarisches Rollenspiel. Vielmehr dient der Text der Überwachung, er gibt der eigentlich internalisierten Selbstverpflichtung, die in der Aufrechnung zum maßgeblichen Faktor der virtus, das heißt eines wahren Tugendadels, erklärt wird, Körper und Stimme. Die Sorge, die sich hier äußert, gilt nämlich einem grundsätzlichen und in mehrfacher Hinsicht verheerenden Defizit. Dieser entscheidende Mangel ist die Vergänglichkeit. Sie betrifft, erstens, die Erinnerung selbst. Das pedantische Verzeichnis, die fast manische Dokumentation und Ergänzung, die geradezu penetrante Selbstübertrumpfung der Ich-Instanz sind zuallererst gegen das Vergessen gerichtet. Der ›Raittung‹ wird Erheblichkeit zugeschrieben, um den in ihr beschlossenen Gegenstand, die Taten des Sigmund von Herberstein, zu bewahren und weiterzugeben. Daran sei erinnert, der Tod ist von den Motti an präsent, die Schrift entsteht mit dem Blick auf den Tod – und sie unterscheidet sich damit deutlich von einer mittelalterlichen Memoria. Während dort das »gute Sterben«, der Tod als Erfüllung eines christlichen Lebens, im Mittelpunkt steht, wird hier 562 Vgl. oben S. 14–16, der Begriff wiederum nach Sittig, Grammatik. 563 Fol. 239v–240r : »daru˚mben haltenndt das Eu˚r zu˚ samen, su˚echt vnnd Erdiennt mit Eern, vleiß, Arbait vnnd Mu˚e merers das Rat Jch eu˚ch treu˚lichen«.
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das Gedächtnis säkularisiert.564 Es formuliert sich in der antiken beziehungsweise antikisierenden, im Kern demnach paganen Referenz der Grabinschriften ebenso wie in der Anlage als Buch, das ein Nach- und Weiterleben der Taten und des Ruhms und damit der Person in der Familie oder auch in der Erinnerung eines erweiterten Publikums garantieren soll. Im Grunde arbeitet der Autor an der eigenen Unsterblichkeit. Von Vergänglichkeit bedroht ist aber, zweitens, auch das Erreichte selbst. Die persönliche Leistung Herbersteins mag in Titeln und Ämtern ihren Niederschlag gefunden haben. Doch wenn schon im Text die Mahnung formuliert wird, dass die Nachkommen »Au˚ff den Herrnstanndt annders nicht Passiern dan das Sy¨ vmb ain tridt fu˚rpaß geschritten sein«, dass der erreichte Status verfällt, sofern er nicht durch ständige Leistung bestätigt wird, dann kommt darin mehr als nur Sorge zum Ausdruck, die Taten selbst würden bedeutungslos.565 Das eigene Lebenswerk erscheint damit unabgeschlossen, es bedarf der Fortsetzung durch die Nachkommen – und, wie die Überarbeitungen zeigen, notfalls auch durch den Autor selbst. Genau diese dynamische Perspektive spiegelt die ›Raittung‹ wider. Der Dynamisierungsprozess, den Herberstein als Gesandter, als Reisender, als ständig Bewegter erlebt, verlängert sich in den Text hinein und verlagert sich als Nachvollzug in die Rezeption. Mit ihrer Verschriftlichung gelingt es, wenigstens vorläufig, die flüchtigen Bedingungen und Ergebnisse der Tätigkeit, die hier als maßgeblich vorgestellt wird, festzuhalten. Mehr noch, eben diese Tätigkeit, die Herberstein an zahlreichen, disparaten Stellen und fast ausschließlich im Auftrag und zum Ruhm anderer ausgeübt hat, seine Funktion also, zusammenzufassen und ihr in dieser, einer biographischen Kontextualisierung Bedeutung zuzuschreiben. Der Text verbirgt nicht, dass Sigmund von Herberstein ein Rädchen im Getriebe ist, doch es wird zugleich herausgestellt, dass er dadurch Anteil hat an der ›Geschichte großer Männer‹ – und so letztlich selbst, als Bindeglied dieser Geschichte, unter sie einrückt. In knappster Form veranschaulicht das noch einmal jene Liste der »Pabst Kayser vnd khunig mit denen ich gehandlt vnd geredt hab«.566 Ohne Herbersteins eigene Geschichte, ohne seine Funktionalität könnte diese Zusammenführung nicht gelingen. 564 Vgl. Peter Dinzelbacher: [Art.] Tod, Sterben. IV. Sozial- und Mentalitätsgeschichte. In: Lexikon des Mittelalters 8 (1997), Sp. 829–831: Der Tod wurde demnach bis ins Spätmittelalter »nicht als das Ende des Lebens, sondern als ein Schritt innerhalb des Lebens angesehen« (Sp. 829, Hervorh. i. O.). Den Wandel, insbesondere unter den Vorzeichen des Reformation, behandelt Austra Reinis: Reforming the art of dying. The ars moriendi in the German Reformation (1519–1528). Aldershot 2007. 565 Das Zitat fol. 239v sowie zuvor fol. 238v : »vnd das sy¨ sich des Tittel vnnd Stannds nit benu˚gen lassen dann die geben nichts gen ku˚chel noch kelder«; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 274. – »passieren« meint »für etwas gelten«, hier also »darauf halten«, vgl. Grimm, Wörterbuch 13, Sp. 1487–1490. 566 Siehe oben Anm. 456.
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Warum aber muss Herberstein dann seine Geschichte selbst erzählen? Ein Grund mag sein, dass er sich faktisch nicht auf eine direkte Nachkommenschaft verlassen kann. Ihm fehlen leibliche Erben, die er mit väterlicher Autorität auf die Gedächtnisstiftung hätte verpflichten können und die ein Eigeninteresse hätten entwickeln müssen, die Leistungen ihres verdienten Vorfahren und damit sich selbst ins rechte Licht zu rücken oder in eine bestimmte Tradition einzutreten – ein Vorgang, wie er etwa für Götz von Berlichingen zu belegen ist.567 Zwar verfügte Herberstein, auch nach Ausweis der ›Raittung‹, über Einfluss auf die Söhne seiner verstorbenen Brüder Georg und Hans.568 Doch eine eigene genealogische Verknüpfung ließ sich damit kaum begründen. Sicher nicht zuletzt deshalb dehnt die ›Raittung‹ den Kreis der Adressaten auf eine allgemeinere Nachkommenschaft, wenigstens auf das gesamte Geschlecht aus, implizit sogar auf eine außerhalb stehende, umfassende Leserschaft.569 Und aus demselben Grund konzentriert sich die Darstellung gerade auf die individuellen, nichterblichen Aspekte der Biographie Herbersteins: auf die persönlichen Leistungen im Amt, nicht die Verwaltung und Ausübung von Herrschaft oder die Übernahme beziehungsweise Bildung und Pflege familiärer wie freundschaftlicher Netzwerke. Nochmals sei bemerkt, dass dadurch der Eindruck entstehen kann, Herberstein schreibe seine Biographie in eine humanistische Auffassung ein, die Adligkeit, also auch die soziale Exzellenz, ganz auf die Tugend (virtus) und das heißt: auf die persönliche Auszeichnung und Bewährung vor allem im Feld der ›guten Bildung‹, zurückführen möchte.570 Die Rahmung der ›Raittung‹ durch lateinische Zitate und panegyrische Gedichte, aber auch der wiederholte urkundliche Nachweis, dass der Aufstieg sich erbrachten Leistungen verdankt, scheinen diese Einordnung zu stützen. Allerdings machen diese Begründungen 567 Zur Pragmatik der ganz auf die geistigen wie leiblichen Nachfahren gerichteten Berlichingen-Tradition vgl. oben S. 137–140. 568 Explizit im Schlusswort, hier fol. 241v–242r : »Herr Jorg Sigmu˚ndt [Sohn Georgs], ist nu˚mals im thu˚en verhoff Er hab die vermanu˚ng zu˚u˚or emphangen dan Er sich vast darnach richt […] herrn Sigmu˚nden [Sohn Hans’] hab Jch dahin bracht das der wol gelert gewest […] gleich wol au˚ch gestorben«; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 276. Die Namensgebung der (nachgeborenen) Söhne weist zudem darauf hin, dass Sigmund von Herberstein auch als Pate eng in die dynastische Identitätsstiftung einbezogen war. Vgl. dazu Karl-Heinz Spieß: Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts (= Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte. 111). Stuttgart 1993, insbesondere S. 514–517 sowie Gerd Althoff: Namengebung und adliges Selbstverständnis. In: Dieter Geuenich, Wolfgang Haubrichs und Jörg Jarnut (Hgg.): Nomen et gens. Zur historischen Aussagekraft frühmittelalterlicher Personennamen (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. 16). Berlin, New York, S. 127–139. 569 Vgl. auch die Überlegungen zur Rolle eines »lateinischen Ewigkeitsdiskurses«, den Herberstein mit seiner Schrift ›Gratae Posteritati‹, d. h. der Ansprache einer unbestimmbaren Nachwelt, eben der »posteritas«, aufruft, bei Enenkel, Erfindung, S. 555f. 570 Zu Huttens Definition des Tugendadels siehe oben S. 71–75.
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insgesamt nur einen geringen Teil der ›Raittung‹ aus, sind dem ungleich ausführlicheren Bericht der Reisen und Taten klar bei-, nicht übergeordnet. Sie ergänzen das Portfolio Herbersteins, statt es darauf festzulegen. Das nämlich wäre auch kaum wünschenswert, erscheinen doch die Wirkungen Herbersteins einerseits in den Urkunden zumeist eingebettet in den Kontext einer familiären Gesamtleistung,571 während andererseits die Panegyrici die Leistungen in einen antikischen und mehr schon transzendenten Zusammenhang stellen. Beides sind wichtige Teilbereiche der Selbstdarstellung Herbersteins, doch keine exklusiven Bestimmungen.572 Im Gegenteil basiert das vorgeführte Selbstverständnis ja gerade auf einer Vielzahl von Facetten, Wechselfällen, auch Hindernissen, die zu integrieren, zu durchstehen oder zu überwinden sind. Und genau das bilden Gestaltung, innere Struktur und Inhalte der ›Raittung‹ ab. Die Mischung ist eigentümlich, für die Aussage aber notwendig. Denn der Text verabsolutiert eine Selbstverpflichtung zur Leistung, die über bloße Normerfüllung weit hinausgeht. Hier wird nicht einfach ein Programm abgehandelt, kein cursus honorum durchlaufen, dessen Stationen und Ergebnisse von Beginn an bekannt wären. Vielmehr lautet der Anspruch, mehr zu leisten, ohne es zu müssen. Das aber unterscheidet Herbersteins Ansatz, sein internalisiertes Pflichtbewusstsein zugleich deutlich von den Optimierungsstrategien der Humanisten und anderer Funktionseliten, deren Ziele, die Selbstermächtigung wie das Obenbleiben, aus purer Notwendigkeit mit dem Dienst am Gemeinwohl zusammenfallen – oder zumindest so glaubhaft zu begründen sind.573 Die Gewissheit dagegen, gleichsam prädestiniert zu sein, Taten zu vollbringen, ohne dabei etwas anderes als den gemeinen Nutzen im Auge zu haben – obwohl dieser sich freilich auch im eigenen Vorteil manifestiert und beweist –, diese Gewissheit kann und muss nur ein Geburtsadliger an den Tag legen. Im Grunde scheint Herberstein, indem er sich also auf vielen Gebieten bewegt 571 Es ist leicht einzusehen, dass die Besserungen für die Familie Herberstein immer aus einer solchen Gesamtleistung begründet werden müssen. Daher benennen lediglich die an Sigmund von Herberstein persönlich gerichteten bzw. auf ihn direkt bezogenen Schreiben, namentlich die Privilegien fol. 216r–220r und 232r–235, seine Verdienste exklusiv. Vgl. Anm. 452. 572 Belegt wird das auch dadurch, dass Herberstein es für nötig hält, sich von zumindest zwei der drei in Ich-Form verfassten Epigrammen zu distanzieren, sie bei der Redaktion bestimmten Autoren zuzuweisen und sie damit als Fremdzuschreibungen zu markieren. Vgl. Anm. 454. 573 Die Wechselwirkungen prägnant zusammengefasst hat Gerrit Walther etwa für den Prozess der Gegenreformation – »der erneuerte Katholizismus kam […] voran, weil er neuen Schichten half, sich als Elite zu formieren« (Walther, Abt, S. 24) – wie für die humanistische Gemeinschaft – »die Funktion des Humanismus war es, Humanisten an die Macht zu bringen« (ders.: Funktionen des Humanismus. Fragen und Thesen. In: Thomas Maissen und Gerrit Walther (Hgg.): Funktionen des Humanismus. Studien zum Nutzen des Neuen in der humanistischen Kultur. Göttingen 2006, S. 9–17, hier S. 15).
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und bewährt, sich dazu zwingt, ohne den Zwang nach außen dringen zu lassen, ganz dem hofmännischen Ideal der sprezzatura zu entsprechen.574 Dies zumindest wird als die Außenseite, die äußerliche Wirkung der inneren Haltung Herbersteins vorgeführt. Auf die Art der Erzählung dagegen passt der Begriff nicht: Denn die ›Raittung‹ expliziert den Zwang, sie leitet das Ideal nicht aus normativer Abstraktion, sondern aus der Praxis und deren Nachvollzug ab. Der Zwang zum Selbstzwang ist dabei klar benannt, der Erfolg ist »Erdiennt mit Eern, vleiß, Arbait vnnd Mu˚e«575. Die Leistung wird also offen mit Mühe verbunden – und das nicht zuletzt am Text selbst, der sowohl in der akribischen Zusammenstellung bereits die dafür aufgewandte Mühe sichtbar macht als auch im Redaktionsprozess noch weitere, ja ständige Investitionen an Arbeit einzufordern scheint.576 Festzuhalten ist dann aber : Spätestens hier enthüllt sich eine Doppelfunktion der ›Raittung‹. Der didaktische Diskurs, der Auftrag an die Nachkommen, stellt nur eine Ebene dar. Die andere dagegen ist auto-bio-graphisch. Das heißt, das Schreiben selbst ist biographisch auf den Autor zu beziehen. Wir dürfen davon ausgehen, dass das Ende des Berichts und die Reinschrift zeitlich nah beieinander stehen.577 Der Rechenschaftsbericht entsteht demnach vor dem Hintergrund stetig sich verringernder Amtsgeschäfte und der Vorbereitung des Ruhestands. Für den Funktionsträger, als der sich Herberstein im Text präsentiert – der an europäischen Machtzentren verkehrte, als Diplomat und Sachwalter der Habsburgerherrschaft reüssierte, vertrauten Umgang mit Kaisern und Königen pflegte, darüber hinaus als Akteur und Patron in humanistische wie politische Netzwerke eingebunden war –, muss diese Perspektive einen schwerwiegenden Verlust bedeuten: eben den seiner Funktion. Über diese biographische Krise 574 Vgl. die pointierte Darstellung durch Jan Dietrich Müller : Decorum. Konzepte von Angemessenheit in der Theorie der Rhetorik von den Sophisten bis zur Renaissance (= Rhetorik-Forschungen. 19). Berlin, Boston 2011, S. 127–163, hier insb. S. 155: »Das besondere Wesen der sprezzatura liegt, so wie ihre Funktionsweise hier beschrieben wird, zweifelsohne darin, dass nicht – jedenfalls nicht prima facie – der Schein das Sein überwiegen soll. Ganz im Gegenteil: Das mit Mühe und Arbeit verbundene Sein wird verkleinert, ja gänzlich in Abrede gestellt zugunsten des Anscheins der Mühelosigkeit. Keine Frage: Die sprezzatura ist eine Strategie der Dissimulation.« (Hervorhebungen i. O.). 575 Fol. 239v. 576 Eben diese Vorführung hebt sich deutlich vom Ideal des ›Cortegiano‹ ab. antithetisch zur Zusammenfassung bei Jan Dietrich Müller : Decorum. Konzepte von Angemessenheit in der Theorie der Rhetorik von den Sophisten bis zur Renaissance (= Rhetorik-Forschungen. 19). Berlin, Boston 2011, hier S. 155:. »Das besondere Wesen der sprezzatura liegt, so wie ihre Funktionsweise hier beschrieben wird, zweifelsohne darin, dass nicht – jedenfalls nicht prima facie – der Schein das Sein überwiegen soll. Ganz im Gegenteil: Das mit Mühe und Arbeit verbundene Sein wird verkleinert, ja gänzlich in Abrede gestellt zugunsten des Anscheins der Mühelosigkeit. Keine Frage: Die sprezzatura ist eine Strategie der Dissimulation.« 577 Siehe oben S. 153.
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schweigt der Text. Präsent ist sie dennoch, und zwar in zwei Strategien zu ihrer Bewältigung. Erstens versammelt der Text Begründungen für den Austritt aus dem öffentlichen Leben. Dazu gehören die immer wieder eingestreuten Verweise auf die großen Mühen, die mit dem Dienst verbunden sind, das Zurückstellen eigener Befindlichkeiten, schließlich auch die Einsicht, dass »mein Arbait sich taglichen nu˚r gemerdt, Erstlichen vmb das Ich alters halben beschwärdt«578. Doch ebenso legitimieren den Rückzug die Urkunden, die den Lebensweg der Ich-Instanz als kontinuierlichen Aufstieg auszeichnen, und vor allem der Bericht selbst, der eine Lebensaufgabe in ihrer tätigen Erfüllung zeigt. Darüber Rechenschaft abzulegen, bezieht diese Erfolge logisch auf das Karriereende. Der Text lässt sich demnach als Selbstvergewisserung lesen. Sie ist Sinnstiftung für eine vita activa, die nun zuende gehen muss und darf, weil sie ihren Zweck erfüllt, Herberstein seinen Platz gefunden und behauptet hat. Zweitens manifestiert sich im Schreibprozess unausgesetzte Aktivität.579 Die dokumentarische Darstellung der ›Raittung‹ erlaubt es, das Feld, das zwischen diesen biographischen Wegpunkten aufgespannt ist, noch einmal abzuschreiten und zu vermessen. Herberstein widersetzt sich damit seiner »Zwangsvergreisung« im Abschied vom aktiven Dienst. Er setzt einen Kontrapunkt, indem er durch sein Schreiben wiederum Grenzen überschreitet und mehr und Besseres leistet als von jedem anderen zu erwarten wäre. Nicht allein die Bewegtheit verlängert sich somit in den Text, sondern auch der eng daran gebundene Kampf um Vorrang. In diesem Kampf, auf zahllosen Feldern, mit den jeweils angemessenen Mitteln, in den jeweils gültigen Diskursen, scheint Herberstein gefangen: Weder kann die Tat ohne den Bericht, die Dokumentation, das WiederVerfügbarmachen Bestand haben; noch darf der Bericht die Dynamik, die Vielseitigkeit und Wandelbarkeit ausbremsen. Gerade dieses Wechselspiel von Gewissheit und Verunsicherung aber könnte kalkuliert sein. Darin nämlich vollzieht sich ein Akt der Selbstbestimmung. Diese Selbstbestimmung erschreibt sich Herberstein als Autor in der Herberstein-Persona, das heißt in der Um578 Fol. 231v ; vgl. Kovachich, Sammlung, S. 273. 579 Das im Folgenden vorgestellte Ergebnis wäre freilich auch auf das Gesamtwerk zu beziehen. Die Textproduktion explodiert nämlich geradezu nach 1545, und es bliebe zu erkunden, inwieweit die ›Raittung‹ einer Differenzierung, ja Fragmentierung der Selbstdarstellung, die sich in verschiedenen Medien und Textsorten verbreitet, Impulse gegeben hat. Zwar schreibt Herberstein gewiss nicht einen einzigen Text – wie Tersch, Selbstzeugnisse, S. 196 vermutet hat. Allerdings wird auch nicht prinzipiell ausgeschlossen – wie Enenkel, Erfindung, S. 552 zu argumentieren scheint –, dass sich die Leserschaften überschneiden. Hier sei daher für die Möglichkeit plädiert, dass mit jedem Text, jeder Überarbeitung eine neue Perspektive auf den Gegenstand zu gewinnen ist, den fast alle Schriften gemein haben: die Biographie Sigmunds von Herberstein – und dass dies für das Gesambild der HerbersteinPersona konstitutiv sein könnte.
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widmung der Dienste und Reisen zu eigenen Taten, von der Funktion zur Leistung. Er befreit sich aus den Verpflichtungen, aus den Mühen, den Zwängen gerade dadurch, dass er sie im Text wiederholt, vergegenwärtigt und als Schreibakt fortsetzt. Mit anderen Worten, die ›Raittung‹ ermächtigt Herberstein zur Deutung seiner selbst. Die Bewältigung der biographischen Krise ist höchst individuell, eben weil sie darauf verzichtet, vorhandene gemeinschaftliche Sinnstiftungen einfach aufzurufen und sich ihnen vorbehaltlos anzuschließen oder, besser gesagt, sich ihnen auszuliefern. Diese Individuierung entsteht demnach überhaupt erst aus der Verunsicherung: Kein leiblicher Erbe knüpft an Herbersteins Vermächtnis an und trägt so die Erinnerung weiter, keine Funktion erhält ihm Einfluss und Bedeutung. Und obwohl er sich durchaus zwischen tugend- wie geburtsadligen Positionen zu bewegen weiß, ist Herbersteins ambivalente Haltung, nach seinem eigenen Zeugnis, hier wie dort wohl kaum mehrheitsfähig: Weder kann er als Geburtsadliger unter die Bildungsaufsteiger einrücken noch bleibt seine Betonung von Bildung und Dienstbarkeit als qualifizierenden Leistungen unter den ritterlichen Standesgenossen unwidersprochen.580 Diesen Problemen aber begegnet die ›Raittung‹ offensiv. In ihr formt Herberstein sein Patrimonium oder, ganz wörtlich, sein Erbgut, das als Text in mehrfacher Hinsicht einer vagen erblich-aristokratischen Veranlagung oder einem auf die Person beschränkten Körpergedächtnis überlegen sein muss.581 Das Medium der Schriftlichkeit bestätigt und bewahrt Herbersteins Eigenschaften ungleich besser, bleibt zugleich form- und erweiterbar. Anders gesagt, Herberstein überlebt seinen Tod, solange er schreibt, und seine Selbstdeutung funktioniert, solange er selbst daran arbeiten kann. Das dokumentiert die ›Raittung‹, und zwar im Wortsinn: Noch im überarbeiteten, das heißt vielleicht sogar im längst überholten Zustand, einer Art Textruine, schreibt Herberstein dem Text Bedeutung zu, lässt ihn herrichten, neu binden und archiviert ihn. Hier wird ein Entstehungsprozess, ein text in the making festgehalten – und schon deshalb wird die ›Raittung‹ als evident per580 Die Problemstellung, den humanistischen Impetus auch als Geburtsadliger glaubhaft behaupten zu können, offenbart schon das Beispiel Ulrichs von Hutten, siehe oben S. 80–89. – Hierher gehört auch die eingangs zitierte Konfrontation zwischen Herberstein und Georg von Frundsberg, der sicher als exemplarischer Vertreter einer auf die Tat beschränkten ritterlichen Leistungsbereitschaft vorgeführt wird. Warum die Szene, die den zugrundeliegenden und wiederholt angedeuteten Konflikt besonders eindrücklich zusammenfasst, erst in einem sehr späten Text eingeführt wird – die zugehörige Sammlung wird frühestens 1562 angelegt, Luschin von Ebengreuth, Herbersteiniana, S. 70f. erwägt eine Datierung auf das Jahr 1564 –, wäre eigens zu klären. 581 Auf den Aspekt eines Körpergedächtnisses verweist die eingangs zitierte Szene, da Frundsberg »sein khrumpn Fueß« als Zeugnis seiner Kriegstaten ausstellt, Herberstein dieses äußerliche Zeichen aber nicht gelten lässt, siehe Anm. 387.
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sönlicher Text ausgestellt. Zugleich könnte gerade diese Praxis bedingen, dass der Text schon zu Lebzeiten Herbersteins Archivgut, ein Monument wurde und dauerhaft blieb. Darauf deutet das Fehlen jeder älteren Rezeptionsspur hin. Erst Leser viel jüngerer Zeit haben die ›Raittung‹ wieder zur Hand genommen, allerdings mit einem explizit antiquarisch-anekdotischen Interesse. Von Zeitgenossen und Nachkommen scheint der Text dagegen als Denkmal hingenommen worden zu sein. Damit bleibt fraglich, ob Herbersteins Sinnstiftung als Normsetzung oder als verlebendigte Erinnerung bei den Nachfahren verfing, ob die Budapester Handschrift die Pflicht zur Überbietung wirklich tradieren, weitergeben konnte oder sie lediglich konservierte – ob der Text also über den Tod seines Autors tatsächlich triumphierte.
V.
Zusammenführung: Ritterschaft durch Krise?
Ginge man rein nach den Inhalten, bestätigte beinahe jeder Text aus der Hand deutscher Ritter des 16. Jahrhunderts die Diagnose einer ›Adelskrise‹. In Briefen, in Hausbüchern und Chroniken, in Klage- und Rechtfertigungsschriften, sogar in Urkunden ist vom verzweifelten Kampf um Ehre, Recht und Besitz die Rede, von ständiger Konkurrenz und fortwährendem Verlust. Die eigene Position, ob gesellschaftlich, unter Standesgenossen oder selbst in der Familie, erscheint ungesichert oder grundsätzlich infrage gestellt. Angesichts drohender Fremdbestimmung, so der Eindruck, bleibt im Ergebnis oft nur der Appell an die Solidarität der Gemeinschaft. Wer sich dagegen eine weniger prekäre Stellung verschafft hat – bei Hofe, im Kriegsdienst, durch Erbschaft oder günstige Eheschließung –, wird nicht müde, Verwandte und Freunde zu den gleichen Anstrengungen anzuhalten, um nicht hinter das Erreichte zurückzufallen. Das Ritter-Sein an sich scheint im Licht der Quellen strukturell krisenhaft gewesen zu sein. Diese Lesart hat die Forschung lange geprägt. Vor allem an autobiographischen Erzählungen, denen man eine tatsächliche Innenperspektive unterstellte, ist sie ausbuchstabiert worden. Trotz der Revisionen, die die Adelsgeschichte in jüngerer Zeit erfahren hat und die mit Kategorien wie ›Eigensinn‹ oder ›Agonalität‹ adlige Handlungslogiken betonen, ist die Autobiographik der Ritter davon bislang unberührt geblieben. Insofern hat diese Arbeit mit der Untersuchung dreier Fallbeispiele nur einen ersten Vorstoß gewagt. Zunächst scheint sich dabei der Befund der Krisenhaftigkeit zu bestätigen: In allen drei Fällen entsteht ritterliche Autobiographik aus einer Krise. Allerdings nicht aus einer allgemeinen, den Ritteradel betreffenden Verunsicherung, sondern aus einem je persönlichen Problem, aus der je persönlichen Erfahrung eines Um- oder Abbruchs. Die Bewältigungsstrategien, die die Texte verarbeiten oder selbst darstellen, sind durchweg individuell. Gleichzeitig zielen sie darauf, den Autobiographen nicht zu isolieren, sondern ihn einzuholen in eine Gemeinschaft – was umso leichter gelingt, indem die persönliche Krise zur allgemeinen Problemstellung erklärt wird. So schreibt Ulrich von Hutten im kon-
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kreten Bewusstsein, als Ritter und Geburtsadliger unter Humanisten und Geistesaristokraten zu den Überprivilegierten zu gehören, zu einem Kreis von Dilettanten, deren Bildungsleistungen kaum ernst zu nehmen sind. Deshalb erarbeitet, erschreibt er sich eine Position als, ganz wörtlich, Vorkämpfer der res publica litteraria. Hutten erklärt sich also zum Streiter für die humanistische Sache aus dem Geist ritterlicher Heldentaten. Im Fall Sigmunds von Herberstein liegt die persönliche Krise im Verlust von Amt, Würden und Funktion, in der notwendigen Umwidmung der Geschäftigkeit, die das bisherige Leben bestimmt hat – seine Antwort ist die Selbstübertrumpfung, die ritterliche Idealbildung am eigenen Muster, mit der er den ›Tod‹ seiner Leistung zu bezwingen versucht. Und für Götz von Berlichingen wird eine Vertrauenskrise konstruiert, die im Beispiel seiner Erfahrung mit neuen politischen Haltungen kulminiert, tatsächlich aber die ritterlich-adlige Standessolidarität an sich bedroht. Diese Krise scheint dann aber bereits überwunden, da das politische Spiel der Verstellung längst beherrscht wird und die Ritter-Vita Berlichingens zum gemeinadligen, ja fürstlichen Erinnerungsort gerinnen kann. Der ›Eigensinn‹ wird hier kontextualisiert, begründet und schließlich zum ›Gemeinsinn‹ erklärt. Wie die drei Beispiele gezeigt haben, wird nur derjenige autobiographisch tätig, der keine andere oder keine bessere Möglichkeit sieht, sich mit der Umwelt über seine Selbstsicht zu verständigen. Schon deshalb aber ist autobiographisches Schreiben in der Ritterschaft unselbstverständlich. Sich schreibend zu verständigen, darin auch Konflikte auszutragen und zu lösen, gehört zwar sicher zur Praxis der Ritter des 16. Jahrhunderts. Als Herrschaftsträger wie als Funktionäre fürstlicher Verwaltungen haben sie entsprechende Fähigkeiten durch akademische wie praktische Ausbildung längst erworben. Dieses Schreiben aber muss an die Tat rückgebunden bleiben. An einen reinen Schreibakt, die ›Texttat‹ ist nicht zu denken. In allen drei vorgestellten Zeugnissen ist das spürbar : Deshalb entwirft Herberstein einen gleichsam performativen Text, der den minutiösen Nachvollzug der Taten gestattet; deshalb betont Hutten die außertextuelle Notwendigkeit zur Bewährung als besondere Qualifikation; deshalb schließlich bringt die Berlichingen-Tradition den bereits vollzogenen Wechsel ›vom Schwert zur Feder‹ zum Verschwinden. Die Gemeinschaft der Ritter basiert – im Unterschied etwa zum humanistischen Netzwerk – nicht auf literarischem Austausch, auf der Verständigung in Texten und durch Texte. Vielmehr widersetzen sich die schreibenden Ritter gerade diesem Selbstbild. Darin, im unbedingten Widerwillen, sich allein oder überhaupt auf literarische Leistungen festlegen zu lassen, zeichnet sich die Überzeugung ab, dass ein ›papierner Ritter‹ nicht überlebensfähig wäre. Ein solches aus Schriften zusammengesetztes ritterliches Selbst müsste, so wird impliziert, notwendig an der Praxis scheitern. Im Grunde ist dies, avant la lettre, die Stoßrichtung eines »Don Quixote« – während dort aber das Scheitern genüsslich vorgeführt werden kann, wird in den hier
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behandelten autobiographischen Texten darum gerungen, sich der Selbstliterarisierung nicht auszuliefern. Nicht zuletzt deshalb fehlen hier Anleihen an literarische Inszenierungen des Rittertums. Das entsprechende Maskenspiel, das bei Turnieren und Hoffesten gang und gäbe ist und auch als Fremdzuschreibung zulässig, verbietet sich in Selbstdeutungen, die von Taten geleitet sind. Aus demselben Grund erscheinen Hutten, Berlichingen und Herberstein viel mehr als Dilettanten denn als Meister der Gelehrsamkeit: Hutten verweist auf die Notwendigkeit, seine Bildungsleistungen vor den Verwandten durch greifbare Ergebnisse rechtfertigen zu müssen. Der sture Pragmatismus der Ritter wird zwar verlacht, doch Huttens Pointe besteht darin, dass aus derselben schlichten Haltung sich die Pflicht ableitet, einem allzu verkopften, unpolitischen Humanismus wieder echte Bedeutung zu verleihen. Eine umgekehrte Argumentation zeichnet die Berlichingen-Vita, in der Schulbildung auf das Notwendigste beschränkt und ein Primat der Praxis behauptet wird. Das führt zu Aporien, politische Einsicht und angemessenes Handeln treten katastrophal auseinander. Implizit wird Berlichingens Scheitern also auch damit begründet, dass er Winkelzüge seiner politisch-gelehrten Gegner erkennt, ihnen aber nicht auf derselben Diskursebene begegnet. Herberstein schließlich lässt andere sein Lob als Gelehrter aussprechen, in ihm gewidmeten Gedichten oder der Wiedergabe von Gesprächen. Das so gewürdigte Bildungsinteresse erfüllt aber hier wie in der verzeichneten Praxis lediglich eine unterstützende Funktion: Hier sorgt es für Nachruhm, dort für Vorteile im diplomatischen Diskurs. Die Praxis begründet Bildung in keinem Fall. Und deshalb wird die vorgestellte Autobiographik stets an Taten, an Erlebnisse und Erfahrungen, an die Persönlichkeit des Autors zurückgebunden. Literate Ritter, zumal solche, die über sich selbst schreiben, wandeln auf schmalem Grat. Ritterliche Autobiographik entspringt demnach nicht aus der Mitte der Ritterschaft, sondern entsteht an ihren Rändern. Keine innere Notwendigkeit zwingt etablierte Mitglieder der Gemeinschaft dazu, sich über sich selbst zu verständigen. Wer sich sicher ist, dazu zu gehören, wer sich in der Gemeinschaft aufgehoben fühlt, hat keinen Anlass, die Bedingungen dafür auszubuchstabieren. Die Pflicht, sich zu erklären, liegt ganz bei den Außenseitern, denen, die an den Rand gedrängt sind. Und selbst unter ihnen ist es nur eine relativ kleine Gruppe, die den Weg der schriftlichen Selbstreflexion wählt: Es sind diejenigen, die von Bildungsinteressen berührt sind und entsprechende Ideen und Diskurse verarbeiten. Schon allein dadurch beginnt das Beispiel des vorgeblich ungebildeten, das heißt ostentativ ›unverbildeten‹ Götz von Berlichingen als Autobiograph umso stärker zu schillern. Die rhetorische Strategie der Ehrlichkeit ist ein performativer Selbstwiderspruch. Denn sie verrät intime Kenntnis gelehrter Kritik am Adel, wonach dessen Unbildung sich in apolitischem, irrationalem
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oder, juristisch gewendet, rechtsbrüchigem Handeln niederschlage. Im Gegenzug unterläuft der Text diese Argumentation mit gezielter Widerrede, die, tatsächlich paradox, scheinbar unverstellt vorgetragen wird. Gerade dieser Text scheint also bereits im Bewusstsein um die Chancen der autobiographischen Form konzipiert, ein spezifisches (Selbst?-)Bild zu kreieren. Daher stellt sich die Frage, ob die ritterlichen Autobiographen überhaupt als ›typische‹ Stellvertreter ihres Standes anzusehen sind. In der Tat wären sie eher Vordenker habitueller Entwicklungen, die eben noch nicht common sense geworden sind, vielleicht auch nie dazu werden. Zumal, wie wir gesehen haben, autobiographische Sinnstiftungen wie die Huttens oder Herbersteins in erster Linie für die Autobiographen selbst, kaum aber in der zeitgenössischen Rezeption ihre Wirkung entfalten. Huttens Lebens-ratio liefert Gründe für die Einmischung eines Ritters ins humanistische Tagesgeschäft. Ausdrückliches Ziel dieses Öffentlich-Machens ist es, Standesgenossen und Humanistenfreunde gleichermaßen unter Druck zu setzen, sich zur Antiromanitas, zum Kampf gegen Rom zu bekennen. Dieser Kampf aber wird alsbald durch die Reformation auf neue Füße gestellt. Huttens Versuch, die Wende mitzuvollziehen, fällt dann ausgerechnet in eine prekäre Phase der Reformbewegung – von Luthers Verschwinden 1521 bis zur Konsolidierung im Augsburger Bekenntnis 1530 – und bleibt durch seinen vorzeitigen Tod unabgeschlossen. Letztlich kann die ›Epistola‹ somit allenfalls den gescheiterten Konsens unter Humanisten wie Rittern dokumentieren, sich der Kirchenreform anzuschließen – oder ihr Gleichwertiges entgegenzusetzen. Trotz aller Entschiedenheit des Verfassers: weder für Protestanten noch Romtreu-Gebliebene taugte das zum Leitbild. Dass Hutten selbst den Text als biographischen Werkstattbericht begriff, der behutsam in einen neu ausgerichteten Selbstentwurf eingepasst werden musste, zeigt die kleinteilige Nachbearbeitung. Auch wenn sie auf eine Wiederveröffentlichung zielte, ist diese Redaktion – wie die ›Epistola‹ an sich – im raschen Wandel der Verhältnisse selbstbezüglich geblieben. Deutlicher noch trifft das auf Herbersteins ›Raittung‹ zu. In letzter Instanz ebenso unvollendet wie Huttens ›Epistola‹ stellt sie eben keine finale Abrechnung dar. Vielmehr ist sie Bestandteil eines ganzen Netzwerks autobiographischer Schriften, die einander ergänzen, überlagern oder sogar widersprechen. Herberstein mag so einem Anspruch nachkommen, seine Handlungsfelder – Familie, Fürstenhof, Gelehrtenzirkel – in der je eigenen Sprache zu bedienen. Allerdings vermischen sich die Formen dann doch: Schon die ›Raittung‹, die direkt an die Verwandten adressiert ist, wird durch Urkunden, Namenslisten, Gedichte und eigenhändige Nachträge erweitert. Offenbar wird für Herberstein mit fortschreitendem Alter der Schreibakt immer mehr zum Verwaltungsakt. Außenstehende muss diese Selbstvergewisserung in ihrer Gestaltung und Detailiertheit verwirren, als Leistungsschau und Aufstiegserzählung ermüden. So
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überschreibt Herberstein im Voraus jede Alternativmemoria. Seine Texte bleiben Unikate, statuenhaft, wie die Erinnerung an ihn selbst. Vielleicht weil er sich solchen Zuspitzungen entzieht, weil er sich keinem Tagesgeschäft ausliefert und nicht in ein Netz von autobiographischen Kontexten eingesponnen ist, weil er weder eine progressive Selbstumdeutung fordert – wie Hutten als humanistischer Ritter – noch einen verbindlichen persönlichen Vorrang propagiert – wie Herberstein als neuer Spitzenahn seiner Familie –, ist Berlichingens Tatenbericht umso erfolgreicher und langlebiger. Kein anderer autobiographischer Text aus der Ritterschaft erlebt eine nur annähernd ähnliche Verbreitung. Schon in der Kinder- und Enkelgeneration kursieren zahlreiche Abschriften, die ihren Weg auch an Fürstenhöfe finden. Nicht nur im Vergleich mit den Texten Huttens und Herbersteins ist das eine ungewöhnlich starke und breite Rezeption. Gerade sein Gebrauch macht den Bericht zu einer Ausnahmeerscheinung. Sind autobiographische Texte also Teil einer üblichen sozialen Praxis der Ritter? Die Antwort liegt wiederum in der Pragmatik der Texte selbst. Insbesondere an den Beispielen Berlichingens und Herbersteins ist die Einsicht abzulesen, dass die Tat den Bericht benötigt, dass sie erst dadurch bestätigt und verstetigt wird. Den beiden Texten liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Praxis allein eben nicht oder nicht mehr ausreicht, um die eigene gesellschaftliche Position zu behaupten beziehungsweise sie auszubauen. Verlangt sind sowohl verstärkte Selbstorganisation als auch Integration in die Prozesse fürstlicher Herrschaftsverdichtung. So verdankt Herberstein seinen sozialen Aufstieg und den seiner Familie der engen Anlehnung an das Haus Habsburg. Als Negativfolie zeigt dagegen das Schicksal Berlichingens, dass weder falsche Loyalität gegenüber Fürsten – wie dem Herzog Ulrich von Württemberg – noch blindes Vertrauen in Standessolidarität – wie im Bauernkrieg –, sondern politisches Geschick und Urteilsvermögen gefragt sind. Erhöhte Bildungsansprüche gelten für diejenigen, die in hervorragender und das heißt: gestaltender Funktion an jenen Herrschaftsentwicklungen teilhaben, von ihnen profitieren wollen. Das Dilemma, das sich daraus ergibt, veranschaulicht die Ambivalenz in Huttens Argumentation für einen ritterlichen Beitrag zum Humanismus: Die Ritter müssen nämlich zugleich vermeiden, sich ganz auf Bildung als Möglichkeit zu persönlicher Auszeichnung zu beschränken oder, besser gesagt, beschränken zu lassen. Denn sie müssen nicht nur ihre Unabhängigkeit von fürstlicher Legitimation und Kontrolle, etwa in Gestalt akademischer Qualifikation und der daran geknüpften Titel, wahren, sondern sich auch von jenen Funktionseliten absetzen, die ihren Vorrang ausschließlich oder zumindest vornehmlich auf fachliche Befähigung begründen können. Hutten sieht den Adel hier bereits überrundet; einen Vorrang können die Standesgenossen aber nicht behaupten, indem sie
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umso nachdrücklicher auf ihre Abstammung verweisen. Wie bei Berlichingen und Herberstein beweist sich wahrer Adel in der Praxis. Die persönliche wie gemeinschaftliche Integrität der Ritter ist in dieser Perspektive wesentlich auf Distanzierung angewiesen. Ausdruck findet das zum einen in kritischer Reflexion. Diese wird allerdings erst durch (Selbst-)Distanzierung, einen Dissens, die Erfahrung eines Bruchs gegenüber der ständischen Bezugsgruppe herausgefordert und zugleich ermöglicht. Zum anderen zeigt sich Distanz im demonstrativen Festhalten an einem keineswegs durch Bildung und Individuierung behaupteten Vorrang – freilich nicht zuletzt unter Aufbietung aller eben genau dadurch erworbenen Mittel: Nicht zuletzt schreibt Hutten die ›Epistola‹ als Humanist, arbeitet Berlichingens Tatenbericht mit Rhetorik und sind in Herbersteins ›Raittung‹ gelehrte Diskurse eingeschaltet. Wir dürfen davon ausgehen, dass es sich dabei um eine spezifisch ritterliche Einstellung handelt, die einerseits aus der Sozialisation des Einzelnen und andererseits aus den Problemstellungen erwachsen ist, mit denen die Ritterschaft in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts konfrontiert ist und wie sie in der hier vorgestellten Autobiographik immer wieder thematisiert werden. Aus diesem Grund ließen sich die Ritter auch als gesellschaftliche Produktivkraft charakterisieren, als Agenten der Innovation, Dynamisierer und Neuerer. Die ständige Notwendigkeit zur Selbstreflexion, das damit jedem Einzelnen eingeschriebene Bewusstsein für die fortwährende Bewährungssituation, vor sich selbst wie vor der Gemeinschaft – wie es Sigmund von Herberstein impliziert und Ulrich von Hutten ausdrücklich formuliert –, macht sie zu Experten der Krisenbewältigung. Oben zu bleiben ist per se krisenhaft, denn es verlangt Anpassung, Erschließung neuer Leistungsbereiche, neuer Methoden der Bewährung. Es verlangt letztlich unkonventionelles Denken.582 Und in letzter Konsequenz genau diese Produktivkraft macht die Ritter zu Bündnispartnern der im Entstehen begriffenen Staatlichkeit. Diese ist gewissermaßen auf die Ritter angewiesen, allgemeiner formuliert: auf den Adel als Profession. Hier finden die Ritter ihren Platz, durch die Unwägbarkeiten der Selbstbestimmung, die immer wieder aufs Neue angepasst, ergänzt und damit behauptet wird. Bildungskritische Bildung, antiindividualistische Individuation und ähnlich geregelte Regelverstöße sind daher habituelle Merkmale von Ritterlichkeit, die normative Setzungen wie etwa Castigliones sprezzatura-Begriff bestätigen, sich aber dennoch induktiv aus den Quellen erschließen lassen. Im Besonderen gilt das für jene Quellen, die von einem autobiographischen Moment ausgehen. Sie 582 Der Gedanke ist inspiriert durch Ulrich Oevermann: »Krise und Routine« als analytisches Paradigma in den Sozialwissenschaften. Abschiedsvorlesung. Johann Wolfgang GoetheUniversität Frankfurt am Main. 28. 4. 2008, [04.03.18].
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konservieren nicht einfach ein Selbstverständnis, das vorgegeben, unbewusst erworben und damit an sich objektivierbar wäre. Vielmehr behandeln sie die selbst erschriebene biographische Sinnstiftung als Deutungsangebot, das an vorhandene Gemeinschaftsdiskurse anknüpft, diese aber durch eigene Setzungen ergänzt, abwandelt – oder überhaupt erst sichtbar macht. Diese Dynamik wird daher hier als Selbstverständigung gefasst. Dass sie aber, unabhängig von Erfolg oder Scheitern im Einzelfall, überhaupt versucht wurde, offenbart eine wichtige Grundannahme der ritterlichen Autobiographen: Sie setzen voraus, dass sie die gleiche soziale Sprache wie ihre Leser sprechen. Das heißt, dass die eigenen Haltungen, die eigenen Strategien der Problemlösung, der Krisenbewältigung und Innovation von den Standesgenossen verstanden und akzeptiert werden. Die Selbstverständigung zielt auf einen – im Detail durchaus wandelbaren – Konsens über Gemeinsamkeiten. Somit ist sie auf nicht auf die bloße Einordnung des Einzelnen in eine plurale und disparate Gesellschaft gerichtet, sondern auf tatsächliche Gemeinschaft – oder konkret: auf Ritterschaft. Die Texte, die dabei entstehen, dokumentieren, dass die Ritter sich im Modus fortwährender Krisenbewältigung miteinander verständigten. Die Stellung schreibender »Polsterritter« blieb heikel, doch sie war notwendig, um die ständige Innovation nicht nur zu behaupten, sondern auch von der Gemeinschaft einzufordern. So stellen die hier untersuchten Texte die je persönliche Auseinandersetzung mit jenem stets unsichtbaren und eigentlich undefinierbaren Regulativ der ritterlichen Gemeinschaft dar. Genau deshalb aber, weil die ritterlichen Autobiographen das eigene Denken und Handeln ins Verhältnis zu ihrer ritterschaftlichen Bezugsgruppe setzen, dieses Verhältnis klären und letztlich immer wieder neu bestimmen, generiert die Krise des Einzelnen Quellen über Status und Statuswandel der Ritter insgesamt.
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Abb. 1: Die Epistola Ulrichs von Hutten (1518) mit Spuren der handschriftlichen Redaktion (Zentralbibliothek Zürich. KK 4068, fol. B1v ; Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Zentralbibliothek Zürich).
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Abb. 2: Der Tatenbericht des Götz von Berlichingen in der sogenannten Rossacher Handschrift (vor 1567) mit Korrektur Hans Jacobs von Berlichingen (Archiv der Freiherren von Berlichingen Jagsthausen, fol. 91r ; Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Konrad Baron von Berlichingen).
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Abb. 3: Die Raittung vnd anzaigen Sigmunds von Herberstein (um 1545) mit Ergänzungen des Autors (Orsz#gos Sz8ch8nyi Könyvt#r [Ungarische Sz8ch8nyi-Nationalbibliothek] Budapest, Ms. Quart. Germ. 200, fol. 5v–6r ; Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Ungarischen Sz8ch8nyi-Nationalbibliothek Budapest).
Anhang: Verzeichnis des Quellenbestands
Aufgeführt sind hier die für diese Arbeit erfassten autobiographischen Texte aus niederadlig-ritterschaftlichem Kontext, die vom ausgehenden 15. bis Ende des 16. Jahrhunderts entstanden. Das Verzeichnis unterscheidet dabei nach (hier und durch Vorarbeiten) gesichertem [*] sowie dem noch näher zu prüfenden Bestand [**]. Die Texte sind entweder nach dem bisherigen Forschungsstand oder durch Titel im Original bezeichnet; Änderungen sind hier wie dort durch nähere Untersuchung möglich. Da nicht alle Quellen vom Verfasser eingesehen werden konnten, bleiben die Angaben gegebenenfalls noch zu vervollständigen. Genauso vorläufig, aber für die Einordnung des erfassten Bestands relevant sind die negativen Befunde in folgenden Archiven, die ebenfalls für diese Arbeit abgefragt wurden: HStA Dresden, HStA Stuttgart, LA NRW Düsseldorf, LA NRW Detmold, LA Saarbrücken, LHA Potsdam, LHA Speyer, Russische SB Moskau, Stadtbibliothek Nürnberg, StA Augsburg, StA Amberg, StA Bamberg, Sächsisches StA Chemnitz, StA Landshut, SA Meissen, StA Osnabrück, StA Würzburg. [1]** Attems, Andreas von (*1527, †nach 1598) Vertzaichnis Familienarchiv Attems-Petzenstein Lucinico/Görz. »Das Geschlecht der Attems«, Bd. 2, Nr. 82, S. 286–289. Handschrift (dt.); Autograph? Datierung: vor 1598 Anm.: Vgl. die Beschreibung Tersch, Selbstzeugnisse, S. 280–284. Edition: Maria Viktoria Pallavicino: Aus der Selbstbiographie des Andreas von Attems. In: Adler. Zeitschrift für Genealogie und Heraldik 8 (1968–70), S. 83f. [2]** Beck (von Leopoldsdorf), Markus (*1491, †1553) Familienchronik Bibliothek des Augustiner-Chorherrenstifts Klosterneuburg. Cod. 747. Handschrift (dt.) Datierung: nach 1467–1571
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Anhang: Verzeichnis des Quellenbestands
Anm.: Der Autor setzt eine Chronik fort, die sein Vater, Konrad (1437–1512), nach 1467 angelegt hatte. Der Sohn, Hieronymus (1525–1596), führt sie wiederum bis 1571 weiter. Den größten Raum nehmen die Eintragungen des Markus Beck ein, weshalb die Chronik hier unter seinem Namen verzeichnet ist. Er erwirbt in habsburgischen Diensten unter anderem die Ritterwürde (1530); durch seinen Sohn rückt die Familie schließlich in den Freiherrenstand. Die Positionierung der Chronik in dieser Aufstiegsbewegung ist angedeutet bei Tersch, Selbstzeugnisse, S. 226–234. Gegenstand und soziales Umfeld sind vor allem Herberstein [21ff.] ähnlich. Edition: Hartmann Joseph Zeibig: Die Familien-Chronik der Beck von Leopoldsdorf. In: Archiv für Kunde österreichischer Geschichts-Quellen 8 (1852), S. 209–229. [3]* Berlichingen, Götz von (*um 1480, †1562) [zugeschrieben] Tatenbericht [Mein Gottfriden von Berlichingen zw Hornberg vehdt vnd handlungen] Freiherrlich von Berlichingensches Archiv Jagsthausen. Ohne Signatur (im Schlossmuseum Jagsthausen). Handschrift (dt.); Schreiberarbeit, hs. bearbeitet (als Hs. R bezeichnet) Datierung: zwischen 1562 und 1567 Anm.: Ein Autograph (falls jemals vorhanden?) ist nicht überliefert. Die sogenannte Rossacher Handschrift gilt als älteste Reinschrift, da sie als Vorlage weiterer Abschriften identifiziert ist. Die darin enthaltenen hs. Korrekturen des Hans Jacob von Berlichingen, Sohn des »Autobiographen«, ergeben dessen Todesjahr 1567 als terminus ante quem. Mindestens sechs Abschriften entstehen noch im 16. Jahrhundert (in der Edition Hss. L, D, S 1, Sch 1, I, und N), drei weitere Anfang bzw. im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts (Hss. F, S 2 und S 3). Einige recht eigenständige Textfassungen (wie S 1) deuten auf Vorlagen hin, die verloren sind, aber in jedem Fall zeitlich nach und wahrscheinlich in Abhängigkeit von der Rossacher Handschrift entstanden. Der Erstdruck von 1731 verwendet vornehmlich Abschriften des 17. Jahrhunderts (gesichert scheinen die Hss. B und F, s. Edition, S. 44f.). Laut Titel erscheint diese Ausgabe 1775 in »[z]weyte[r] verbesserte[r] Auflage« (= VD18 11096810), allerdings fehlen darin Hinweis auf den ursprünglichen Herausgeber Steigerwald/Pistorius und die Beigabe der juristischen Dissertation seines Sohnes. Edition: Ulmschneider, Fehd. [4]** Bernstein, Hans Christoph von (*1522, †1580) Geschlechterbuch Handschrift (dt., lat.); Abschriften (16. Jh.): Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar. Fol 219; Forschungsbibliothek Gotha. Chart. A 677. Datierung: um 1580? Anm.: Die beiden überlieferten Handschriften ähneln einander in der Anlage so stark, dass an eine gleichzeitige oder direkt voneinander abhängige Entstehung zu denken ist. Sie versammeln Genealogien der durch Hans Christophs Person verwandtschaftlich verbundenen Familien Hirschfeld und Bernstein. Diese sind im Wesentlichen, gleichsam professionell, erarbeitet durch Georg Spalatin und Reiner Reineck. Darüber hinaus bieten die Handschriften autobiographische Berichte zweier ›Spitzenahnen‹, nämlich den Pilgerbericht des Bernhard von Hirschfeld [23] und Kriegserlebnisse des Hans Christoph von Bernstein der Jahre 1541–1553 (diese drei durch Überschriften separierten Berichte gibt die Edition).
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Bernstein wird dabei als bereits verstorben vorgestellt (in der Weimarer Fassung, S. 1047: »Welche krieges geschicht Hans Christoff von Bernstein seliger selbst beschrieben vnd auffgezeichnet hat«); zugleich könnte die Initative, die Abschriften aus unterschiedlicher Quelle in einem oder mehreren Kodizes zusammenzuführen, auf ihn oder sein nächstes Umfeld zurückgehen: In der Weimarer Fassung erscheinen er und seine Ehefrau, Elisabeth von Bernstein, mit Namen und Wappen auf Vorder- bzw. Rückendeckel. Sie sind also zumindest Gewährsleute der bis ins 17. Jahrhundert weiter bearbeiteten Sammlung. Edition: Friedrich August von Minckwitz: Denkwürdigkeiten Hans Christoph’s von Bernstein. In: Friedrich Bülau (Hg.): Geheime Geschichten und räthselhafte Menschen. Sammlung verborgener oder vergessener Merkwürdigkeiten. Bd. 7. Leipzig 1856, S. 1–39. [5]* Boymont (Boimont), Jakob von (*1527, †1581) [M]ein, Jacoben Freiherrn zu Boymundt Pairsberg und Schwamburg geschichten Südtiroler LA Bozen. Archiv des Schlosses Wolkenstein-Trostburg. Fonds Castel Toblino, Nr. 232. Datierung: um 1580 Handschrift (dt.); Autograph, hs. (vom Autor) bearbeitet Anm.: Vgl. Tersch, Selbstzeugnisse, S. 256–267. Der Lebenslauf ist mit einem Ausgabenverzeichnis zusammengebunden; er reicht von der Geburt bis 1580, ab 1548 (Beginn des Diensts für den Bischof von Trient) ist er tagesgenau geführt. Insgesamt bilden die knappen, kaum erzählerisch gestalteten Einträge vor allem Boymonts Teilhabe an adligen Netzwerken ab. Edition: Max Straganz: Beiträge zur Geschichte Tirols II: Die Autobiographie des Freiherrn Jakob von Boimont zu Pairsberg (1527–1581). In: Programm des k.k. Ober-Gymnasiums der Franciscaner zu Hall 1895–96. Innsbruck 1896, S. 3–105. [6]** Brtnicky´ von Waldstein, Zdeneˇk (*1582, †1623) Tagebuch Handschrift (lat., gr.); Autograph? Datierung: 1597–1603 Edition (Auszüge): Ondrˇej Podavka: Zdeneˇk Brtnicky´ z Valdsˇtejna a jeho den&k z let 1597– 1603. Diss. masch. Prag 2016, S. 320–504. [7]** Dageförde, Heinrich von (um 1500) Hausbuch HStA Hannover. Dep. 141 Acc. 2010/027 Nr. 1. Handschrift (dt.); Schreiberarbeit? Datierung: zwischen 1480 und 1500 Anm.: Das Besitzverzeichnis scheint keine erzählenden Passagen zu enthalten (freundliche Auskunft von Claudia Kauertz, HStA Hannnover).
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[8]* Diesbach, Ludwig von (*1452, †1527) Haus- oder Familienbuch Burgerbibliothek Bern. Ms. h.h. LII.14. Handschrift (dt.); Autograph Datierung: um 1488/bis 1520 Anm.: Die Schrift ist in zwei Zügen angelegt: zuerst ausgelöst durch den Tod der ersten Ehefrau des Verfassers (1488), dann durch das Zerwürfnis mit den Kindern erster Ehe. Auf den gestörten familiären Zusammenhalt zielen Inhalt und Form gleichermaßen. Während das Buch offensichtlich fortgesetzt werden kann und soll, teilt der Verfasser ungewohnt persönliche Ansichten mit. Beides ist daher als Verpflichtung der Leser zu verstehen, den drohenden Bruch zu überwinden – eine auffallende Ähnlichkeit zum Berlichingen-Text [3], allerdings hier verbunden mit der strikten Mahnung, die Schrift geheim zu halten. Die Drucklegung durch FranÅois Fr8d8ric von Diesbach-Torny im Jahr 1789 verdiente vor diesem Hintergrund weitere historische Kontextualisierung. Edition: Zahnd, Diesbach. [9]** Dohna, Fabian von (*1550, †1621) ›Selbstbiographie‹ Original verschollen Handschrift (dt.); Schreiberarbeit?, hs. (vom Autor und anderen) bearbeitet Datierung: um 1606 Anm.: Die einzige Handschrift befand sich im Familienarchiv Schloss Schlobitten (Słobity). Die Bestände wurden 1945 zerstreut, teilweise zerstört. Im alten Findbuch dieses Archivs ist die Handschrift als »A 2)« aufgeführt, allerdings ohne Eingangsvermerk ins Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, in das Teile der Sammlung übernommen wurden (das Findbuch ebd. unter der Signatur VI, HA Fürstliches Hausarchiv DohnaSchlobitten (Dep.), Nr. 2334; freundliche Auskunft von Sylvia Rose). Nicht geprüft wurde, ob die Handschrift in die »Sammlung Dohna« (im Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 2019–2029 als Leihgabe im Museum Schloss Doberlug) einging, da diese vor allem Alltags- und Kunstobjekte umfasst. Eher steht zu vermuten, dass das Original vernichtet oder unter sowjetischer Besatzung verschleppt wurde. – Der Bericht deckt den Zeitraum von der Geburt Dohnas (1550) bis zum Ausscheiden aus kurpfälzischen Diensten (1606) ab. Aufzeichnungen, die wohl einen Kriegszug nach Frankreich zur Unterstützung Heinrichs von Navarra im Jahr 1587 betrafen, sind nachträglich entfernt worden. Dass der Text in einem Zug verfasst wurde, aber von anderen fortgesetzt werden sollte, ist in der Schlussrede angedeutet: »Ich habe diese schlechte geringe Verzeichnüs gemacht, meinen freundlichen lieben Vettern sembtlichen zur Gedächtnüs, das übrige werden sie nunmehr wol selbst merken und annotieren.« (Edition, S. 103). Edition: Christian Krollmann (Hg.): Die Selbstbiographie des Burggrafen Fabian von Dohna (*1550–†1621) nebst Aktenstücken zur Geschichte der Sukzession der Kurfürsten von Brandenburg in Preußen aus dem fürstlich dohnaischen Hausarchive zu Schlobitten. Leipzig 1905.
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[9a]** Schreibkalender Handschrift (dt., lat.); Autograph Datierung: 1589 Anm.: Die Edition macht keine näheren Angaben zu dieser Quelle. Edition: wie [9], S. 117–126. [10]** Dorgelo zu Brettberg, Otto von (*1525, †1584) Hausbuch LA NRW Abt. Westfalen Münster. Sammlung von Elmendorff Akten 19. Handschrift (dt.) Datierung: nach 1567 [11]** Drolshagen, Arndt von (†nach 1470) Familienchronik LA NRWAbt. Westfalen Münster. Depositum Familie von Wendt, Gut Crassenstein / Akten U 220, Nr. 2049. Handschrift (dt.); Autograph?, hs. bearbeitet (16. Jh.) Datierung: 1470 Anm.: Die Handschrift, exakt datiert »in der vasten anno Dm MCCCCLXX Jaer« (Edition, S. 311), stellt ein genealogisches Gerüst vor, das mit knappen, anekdotenhaften Nachrichten über einzelne (männliche) Vorfahren angereichert ist. Eckpunkte dieser ›Erzählung‹ sind stets Ehe, kriegerische Konflikte und, daraus resultierend, Vermögensbildung oder -verlust. Die Rechenschaftsleistung ist dabei der eigentliche autobiographische Gehalt: Die Ich–Instanz rettet die Familie im Text finanziell vor dem Ruin und durch den Text sozial vor Zerfall und Vergessen. Ungeachtet des weit geringeren Umfangs ergeben sich damit Parallelen zur Erzählung Ludwigs von Diesbach [8]. Edition: Rudolf von Wendt zu Crassenstein (Hg.): Nachricht über die Familien von Drolshagen von dem Ritter Arndt von Drolshagen 1470. In: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde [= Westfälische Zeitschrift] 17 (1856), S. 307–314. [12]** Echter von Mespelbrunn, Adolf (*1543, †1600) Tagebuch verschollen Handschrift (dt.); Autograph Datierung: 1579–1597 Anm.: Bis 1905 im Kreisarchiv Würzburg aufbewahrt. Edition: Franz Hüttner : Aus dem Tagebuche eines Echter von Mespelbrunn. In: Archiv für Kulturgeschichte 3 (1905), S. 440–468. [13]* Ehenheim, Michel von (*um 1462, †1518) Familienbuch Handschrift (dt.); Abschrift (2. Drittel 16. Jh.): StA Nürnberg. Fürstentum BrandenburgAnsbach, Historika Nr. 198. Datierung: 1515/16
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Anm.: Zur erhaltenen Abschrift vgl. die Edition, S. 16–18. Edition: Rabeler, Familienbuch. [14]* Ehingen, Georg von (*1428, †1508) ›Autobiographie‹/Reisebericht [›Reisen nach der Ritterschaft‹] Handschrift (dt.); Abschriften: LB Stuttgart. Hist. Quart. 141 [illustriert; nach 1540]; ebd. HB V 37 [Teil eines Wappenbuchs; 1591]; Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck. Dip. 583 [illustriert; um 1570]. Datierung: nach 1481?/nach 1540 Anm.: Eine ausführliche Dokumentation bietet die Edition. Der Text ist zudem Vorlage für eine Chronik in der Fürstlich Hohenzollerschen Hofbibliothek Sigmaringen (H 67; datiert 1579). Sämtliche Abschriften enthalten eine familiengeschichtliche Einleitung, die dem Enkel Sigmund von Hornstein (1513–1577) zugeschrieben wird. Der Text erschien im Druck als Itinerarium, Das ist: Historische Beschreibung weylund Herrn Georgen von Ehingen raisens nach der Ritterschafft vor 150 Jaren… Augsburg 1600 (= VD16 E 624). Das Problem der Autorschaft erörtert die Edition, Bd. 2, S. 40–43; an der rein textimmanenten Argumentation, Ehingen als Autor zu bestätigen, scheinen mit Blick auf den BerlichingenText [3] allerdings Zweifel angebracht. Edition: Ehrmann, Reisen. [15]* Eyb der Ältere, Ludwig von (*1417, †1502) Gültbuch Handschrift (dt.); Abschrift (19. Jh., Fragment): Diözesanarchiv Eichstätt. Nachlass Thomas David Popp. Datierung: um 1496 Anm.: Es handelt sich um eine Sammlung von Dokumenten, die Eyb, laut seiner kurzen Vorrede, zur Orientierung seiner Nachkommen über die eigene – als vorbildlich verstandene – Haushaltsführung anlegte. Zugleich zeigt sich daran eine besondere Wertschätzung für die Verschriftlichung und Archivierung von (Herrschafts-)Wissen, wie sie auch in anderen Schriften Eybs zum Ausdruck kommt: Mein Buch (StA Nürnberg. Herrschaftliches Buch Nr. 17, datiert 1492; in der Edition S. 247–480) und ›Denkwürdigkeiten‹ (Königliches Hausarchiv Berlin-Charlottenburg. Ms. 16 (verschollen); datiert um 1500; in der Edition S. 59–114). Vgl. dazu auch Steffen Krieb: Schriftlichkeit, Erinnerung und ritterschaftliche Identität: Die Herren von Eyb im 15. Jahrhundert. In: Werner Rösener (Hg.): Adelige und bürgerliche Erinnerungskulturen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (= Formen der Erinnerung. 8). Göttingen 2000, S. 79–96. Edition: Matthias Thumser (Hg.): Ludwig von Eyb: Schriften (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe 1: Fränkische Chroniken. 6). Neustadt a. d. Aisch 2002, S. 117–152. [16]** Eyb der Jüngere, Ludwig von (*1450, †1521) Pilgerbericht Kirchenbibliothek Neustadt a. d. Aisch. Ms. 28. Handschrift (dt.)
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Datierung: nach 1476 Anm.: Der Bericht schildert in der Art eines Itinerars die Stationen der Jerusalemreise Ludwigs von Eyb, die er im Gefolge Herzog Albrechts von Sachsen, allerdings mit getrennter Gruppe unternahm. Er schließt mit einer Teilnehmerliste. Obwohl längere erzählende Passagen fehlen, dokumentiert der Text die Absicht, eine eigenständige Perspektive innerhalb der übergeordneten fürstlichen Pilgerfahrt zu entwickeln. Dies verbindet den Text etwa mit dem Bericht Arnolds von Harff [20]. – Als Verfasser tritt Ludwig von Eyb der Jüngere namentlich in zwei anderen Schriften auf: einem ›Kriegsbuch‹ (UB Nürnberg-Erlangen. H26/MS. B 26, datiert 1485/1500 [s. fol. 299r]) und dem sogenannten Turnierbuch (Bayerische StB München. germ 961, datiert auf 1519; Edition: Heide Stamm: Das Turnierbuch des Ludwig von Eyb (cgm 961). Stuttgart 1986; vgl. dazu Krieb, Schriftlichkeit, S. 94–96. Die bekannteste Schrift dagegen, Die Geschichtenn vnd Tatten des teurn vnd lobwerden edln Rytters Hern Wilwoltn von Schaunburg (StA Nürnberg, Handschriften (Rep. 52a), Nr. 423, datiert auf 1507; Edition (auf Basis der Abschrift der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 55. 2 Aug.): Adelbert von Keller (Hg.): Geschichten und Taten Wilwolts von Schaumberg (= Bibliothek des lierarischen Vereins in Stuttgart 50). Stuttgart 1859), kann Eyb nur zugeschrieben werden. Der »Setzer[] dieser Historien« und »geschichtsschreiber« bleibt im Text anonym, weder für Eyb noch Wilwolt von Schaumberg kann die Schrift daher als autobiographisch gelten. Edition: Christian Geyer: Die Pilgerfahrt Ludwigs des Jüngeren von Eyb nach dem heiligen Lande (1476). In: Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken 21 (1901), S. 1–54. [17]* Fürstenberg, Kaspar von (*1545, †1618) Tagebuch Archiv des Freiherrn von Fürstenberg-Herdringen Schloss Herdringen. Ohne Signatur. Handschrift (dt., lat., gr.); Autograph als Eintragungen in einen gedruckten Kalender Datierung: 1572–1610 Anm.: Die Tagesnotizen sind überwiegend nachträglich, wahrscheinlich wöchentlich eingetragen; teilweise sind Bemerkungen ergänzt. Von den ursprünglich 39 Schreibkalendern sind 32 (der Jahre 1572, 1575, 1579–82, 1584–85 und 1587–1610) erhalten. Sie sind eingehender untersucht durch Thomas Poggels: Schreibkalender und Festkultur in der Frühen Neuzeit. Kultivierung und Wahrnehmung von Zeit am Beispiel des Kaspar von Fürstenberg (1545–1618) (= Acta Calendariographica. Forschungsberichte. 6). Jena 2013. Edition: Alfred Bruns (Hg.): Die Tagebücher Kaspars von Fürstenberg. 2 Bde. (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen. 19. Westfälische Briefwechsel und Denkwürdigkeiten. 8). Münster 1985 (ND 1987). [18]* Gebsattel gen. Rack, Siegmund von (belegt 1484–1492) Turnierberichte Bayerische StB München. Cgm 300. Handschrift; Schreiberarbeit, hs. (vom Autor) ergänzt Datierung: 1492 Anm.: Dem eigenhändigen Zusatz Gebsattels zufolge soll der Bericht über seine Teilnahme an Turnieren der Vier Lande zwischen 1484 und 1487 den Nachkommen als Nachweis
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Anhang: Verzeichnis des Quellenbestands
ihrer Turnierfähigkeit dienen. Gebsattel selbst hatte seine Zulassung erst durch Beibringung von Zeugen erreichen müssen; der Text ist daher anderen schriftlichen Testaten verwandt, weist mit der ergänzenden Erzählung aber voraus auf Schriften wie die ›Biographie‹ Wilwolts von Schaumberg (vgl. [16]). – Verfasserlexikon 5, 1049. Edition: [Anon.]: Die Aufzeichnungen des Siegmund von Gebsattel über die Turniere von 1484–1487. In: Anzeiger für die Kunde der deutschen Vorzeit. N. F. 1 (1853), S. 67–69. [19]** Grumbach, Argula von (*um 1492, †1554) An den Edlen vnd gestrengen herren Adam von Thering… Ain sandtbrieff Druck (dt.) (= VD16 G 3656) Datierung: 1523 Anm.: Autographen dieser und anderer gedruckter Schriften derselben Verfasserin haben sich nicht erhalten. Auf den adligen Hintergrund ihres öffentlichen Auftretens hingewiesen hat etwa Merz, Anfänge. Die autobiographischen Einsprengsel in allen insgesamt acht Flugschriften der Jahre 1523/24 fügen sich dabei zu einem Selbstverständnis (vergleichbar [25]), das im hier bezeichneten ›Sendbrief‹ auf die adlige Familie gespiegelt wird. Zugleich fungiert der namentlich angesprochene Familienvorstand, Adam von Thering (Törring), als Vertreter und Resonanzkörper eines ritterschaftlichen Publikums, das sich in den Vierlandeturnieren (1479–87) und der Opposition gegen die bayrischen Herzöge (1488) formiert hatte. Dass die Texte vor oder parallel zur Drucklegung als Manuskripte kursierten, könnte etwa die vom Druck abweichende Abschrift des ersten Schreibens an die Universität Ingolstadt in HStA München. Kodex CLM 1386, fol. 250r–262v belegen. Edition: Matheson, Schriften, S. 115–124. [20]* Harff, Arnold von (*1471, †1505) Pilgerbericht Original verschollen Handschrift (dt. [Haupttext]); zahlreiche Abschriften (16. und 17. Jh.), illustriert Datierung: um 1499 Anm.: Soweit bekannt, haben sich Text und Illustrationen allein in Abschriften erhalten. Eine frühe, vielleicht die originale Fassung aus dem Harff-Dreibornschen Archiv liegt der Edition zugrunde. Laut Vorbericht (ebd., S. VII) wurde die dort in der Vorrede gegebene Datierung 1497 nachträglich auf 1498 bzw. 1499 korrigiert. Dieser verschollenen Fassung am nächsten steht eine Abschrift des früheren 16. Jahrhunderts (Historisches Archiv der Stadt Köln. Best. 7020 (W*), 382). Die meisten der heute bekannten Kopien scheinen ab der Jahrhundertmitte entstanden zu sein, vgl. die Übersicht: [10.03.18]. Neben den Federzeichnungen und umfangreichen Vokabellisten hebt sich der Text von anderen Pilgerberichten vor allem durch die Kombination sehr konkreter Beobachtung (z. B. im Arsenal von Venedig) mit fantastischen Erzählungen (etwa über die Cynocephali) ab. Gerade damit stellt Harff in der Vorrede den Vorrang praktischer Erfahrung vor gelehrter Bildung heraus; eine Argumentation, wie sie sich insbesondere im Berlichingen-Text [3], aber auch bei Ulrich von Hutten [26], Herberstein [21] und anderen findet. Edition: Groote, Pilgerfahrt.
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[21]* Herberstein, Sigmund von (*1486, †1566) Raittung vnd antzaigen Ungarische Sz8ch8nyi-NB Budapest. Ms. Quart. germ. 200. Handschrift (dt., lat.); Schreiberarbeit, hs. (vom Autor) bearbeitet Datierung: nach 1545 Anm.: Die Reinschrift ist von Herbersteins Hand überarbeitet. Einige, aber nicht alle Korrekturen und Ergänzungen finden Eingang in eine spätere Fassung [21d]. Auffällig sind die z. T. lateinischen Paratexte, die an anderen Stellen auch im Druck erscheinen. Edition: Kovachich, Sammlung, S. XLIV–XLVII, S. 111–276. [21a]** Mein Sigismunds Freyherrens zu Herberstein… Dienst vnd Reysen verschollen Handschrift (dt.) Datierung: nach 1527 Anm.: Adelung, Herberstein, S. 407f. zitiert den Catalogus Bibl. Uffenbachianae, Tom III, MSS, p. 366, wonach es sich um eine etwa acht Fuß lange und einen Fuß breite Schriftrolle (membrana) gehandelt haben soll, die aus mehreren Blättern zusammengeklebt und dann auf Buchformat gefaltet worden war. Der Bericht umfasste die Jahre 1506 bis 1527, am Ende der Schrift erschienen die Familienwappen. In den Verzeichnissen der Universitätsbibliotheken zu Göttingen und Hannover, in die der Uffenbach-Nachlass einging, ließ sich kein Nachweis der Quelle finden. [21b]* Rerum Moscoviticarum commentarii Druck (lat.) (= VD16 H 2202); mit Holzschnitten illustriert (Karten, Tiere, Kuriositäten) Datierung: um 1549 Anm.: Für die eigentliche Landesbeschreibung wesentlich ist die Augenzeugenschaft Herbersteins, der als Sprecherinstanz auftritt und dessen Russlandreisen in knappem Bericht ans Ende des Textes gesetzt sind. Die Informationen, die aus den im engeren Sinn autobiographischen Texten geschöpft sind, werden dabei wiederum leicht variiert. – Der undatierten Wiener Erstausgabe folgen zu Herbersteins Lebzeiten noch ein Nachdruck (Basel 1551 = VD16 H 2203) und eine verbesserte Auflage (Basel 1556 = VD16 H 2204). Diese zweite Auflage erlebt 1557 in Antwerpen einen – möglicherweise nicht authorisierten – Nachdruck. Eine italienische Übersetzung (Comentari della Moscovia et parimente della Russia) erscheint in Venedig schon 1550, somit noch vor Herbersteins eigener deutschsprachiger Fassung [21e]. Die der Ausgabe von 1556 beigegebenen Stammbäume erscheinen (vorab?) unter dem dt. Titel Die Wurtzen daraus Carl und Ferdinand… erwachsen (Wien, nach 1552) bzw. in lat. Fassung Radices quae Carolum et Ferdinandum caesaris cum liberis germinarunt… (o. O. 1553.). Die Holzschnitte (Fürstenporträts, Reisebilder) sind wiederverwendet in oder Vorlage für Den Vierdtn Khayser erlebt, Den Dreyen… gedient (o. O. 1559, mehrere Nachdrucke, teilweise als Einzelblatt), vgl. [21 g].
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Anhang: Verzeichnis des Quellenbestands
[21c]* Gratae Posteritati Bayerische StB München. L.impr.c.n.mss. 1038, Beibd. 9. Druck (lat.), mit Holzschnitten illustriert Datierung: um 1549 Anm.: Das bislang einzige bekannte Exemplar der frühesten Ausgabe stammt aus dem Nachlass des Caspar Bruschius. Bis auf Herbersteins Wappen, das den Text beschließt, ist dieser Druck nicht illustriert, anders als die nachfolgende, ergänzte Auflage Wien 1558 (= VD16 ZV 7721). Diese wird unverändert gedruckt ebd. 1560 (= VD16 H 2201 = ZV 7719). Die Holzschnitte sind außerdem wiederverwendet in Picturae variae quae generosum ac Magnificum Domini…, Wien 1560 (VD16 ZV 23276) und Sigismund Freyherr zu Herberstain etc. von Moscou(ischen) geklaidtz, o. O. o. J. – Eine Spätform der hierin angelegten humanistischen Gedächtnisstiftung stellt die Schrift Typus concordiae fraternae… (Wien 1563 = VD16 H 2212) dar, in der Herberstein fast nur mehr als Herausgeber auftritt, sich allerdings explizit an die posteris suis wendet, die zur »brüderlichen Eintracht« als seinem »Vermächtnis« (testamento) aufgerufen sind. Unklar ist der eventuelle Zusammenhang mit der Schrift Ich Sigmund Freyherr zu Herberstain… den jetzo Jungen und khünfftig gebornen, allain darumben damit sie Irer Eltern fuesstapffen tretten gedacht wöllen sein, und mit Irn thuen und wesen Irer Eltern Namen und Lob nit vermayligeno (o. O. 1564). [21d]* Alle menschen sollen billichen… HHStA Wien. Hs. Bohm I62 = R II. Handschrift (dt.); Schreiberarbeit, hs. (vom Autor) bearbeitet Datierung: nach 1553 Anm.: Zweite Fassung auf Basis von [21], ohne alle dort vorgenommenen Änderungen zu übernehmen. Auch diese Hs. wird von Herberstein redigiert. Edition: Karajan, Selbstbiographie, S. 67–396. [21e]* Moscouia der Hauptstat in Reissen… beschreibung vnd anzaigung Druck (dt.) (= VD16 H 2206) Datierung: 1557 Anm.: Die einzige von Herberstein autorisierte deutsche Übersetzung erscheint in Wien. Eine davon unabhängige Baseler Fassung (Moscoviter wunderbare Historien, 1563 = VD16 H 2207) wird von Heinrich Panthaleon erarbeitet. Nur diese erlebt mehrere Auflagen bzw. Nachdrucke und ist möglicherweise Vorlage der englischen Übersetzung London 1577. [21f]* Den Gegenwurtign vnd nachkomendn Freyherrn zu Herberstain Druck (dt.) Datierung: 1558(?) Anm.: Der Wiener Erstaugabe folgen Auflagen ebd. 1560 und 1561 (diese ist VD16 ZV 22611). Zur Analyse vgl. Enenkel, Erfindung, S. 553–555.
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[21 g]** Sigmund Freyherr zu Herberstain… dreyen Ro. Kaysern in Kriegen Rathn vnnd Potschafften … gedienet Druck (dt., später lat.) (= VD16 ZV 29317); mit Holzschnitten (Fürstenpoträts, Reisebilder) illustriert Datierung: 1558 Anm.: Die Schrift besteht aus illustriertem Titelblatt (vgl. [21b]) und einer Sammlung kürzerer Urkunden und Briefe, die die Dienste Herbersteins dokumentieren. Diese Schrift scheint in mehreren, jeweils aktualisierten und vielleicht auch variierten Auflagen erschienen zu sein. Aufgrund ihrer Seltenheit – einige Schriften sind überhaupt nur sekundär, etwa über Adelung, Herberstein, zu greifen – bleibt ein konkreter Zusammenhang noch zu prüfen: Den vierdten Kayer erlebt Den Dreyen… fünffvndviertzig Jar gedient (Wien 1559); Sigmund Freyherr zu Herberstain etc. Dreyen Römischen Kaysern in Kriegen, an Höfen, in Räthn und hie verzaichenden Bottschafften gedient, angefangen 1506 (Wien 1562); Sigismundi Lib. Baro in Herberstain etc. Tribus Imperatoribus Seruitia bello consilio et legationibus… (Wien 1562); Mein Sigmunds Freyhern zu Herberstain… in Pottschaften und Ambtern Diensten, Wien nach 1564; Verzeichent die Personen, mit denen Ich und die so mit mir oder ich allain in Pottschaften geschickt unnd verordent sein worden (o. O., o. J.); Khayser Ferdinands etliche Beuelh, anzaigend mein Sigmunds Freyherrns zu Herberstain etc. Dienst (o. O. o. J.). [21 h]** Familienbuch Steiermärkisches LA Graz. Familienarchiv Herberstein. Signatur unbekannt. Handschrift (dt.); Schreiberarbeit, hs. (vom Autor) bearbeitet Datierung: um 1560 Edition: Zahn, Familienbuch. [21i]** ›Dokumentensammlung‹ Steiermärkisches LA Graz. Familienarchiv Herberstein. EP 104a/1 (1508–62) und EP 104a/ 2 (1509–52). Handschrift (dt.); Schreiberarbeit, hs. (vom Autor) bearbeitet Datierung: bis 1562 Anm.: Die Sammlung von Dokumentenabschriften ist durch erzählende Passagen verbunden, die sich teilweise in keinem anderen autobiographischen Zusammenhang finden. Einige Dokumente erscheinen in früheren Texten als Abschriften (so in [21] und [21d]), und aus demselben Fundus scheinen auch einige Verteidigungsschriften zu schöpfen: Sigismundi Liberi Baronis in Herberstain Defensio Iniuste Delatorum (Wien 1560 = VD16 H 2200); Herren Sigmundts Freyhern zu Herberstein Beschutzung der unrecht beschuldigten und sein selbs fursehung (Wien 1560); Auf vorige Herrn Sigmunds Freiherrn zu Herberstain etc. Yetzo weittere unnd beständige Beschützung der unrecht beschuldigten (Wien 1564). Edition (in Auszügen): Luschin von Ebengreuth, Herbersteiniana.
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[22]* Hiesserle von Chodaw, Heinrich Michael (*1575, †1665) Raiß Buch vnd Leben Bibliothek des Nationalmuseums Prag. Ms. VI A 12. Handschrift (dt.); Schreiberarbeit, illustriert Datierung: 1612 Anm.: Die sehr aufwendig gestaltete, an Drucken orientierte Handschrift entstand 1612 als Reinschrift zum Teil älterer Aufzeichnungen zu den Reisen des Autors ab 1586 und wurde bis mindestens in die 1630er Jahre ergänzt. Zur Einordnung vgl. Carolin Pecho: Fürstbischof, Putschist, Landesherr. Erzherzog Leopold und sein alternativer Habsburger Herrschaftsentwurf im Zeitalter des Dreißigjährigen Kriegs. Berlin 2017, S. 125–128. Edition: Veˇra Petr#cˇkov# und Jan Vogeltanz (Hgg.): Prˇ&beˇhy Jindrˇicha Hy´zrla z Chodu˚. Prag 1979. [23]** Hirschfeld, Bernhard von (*1490, †1551) Pilgerbericht Handschrift (dt.); Abschriften (16. Jh.): Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar. Fol 219, S. 196–514; Forschungsbibliothek Gotha. Chart A 677, fol. 156r–398v. Datierung: nach 1517 Anm.: Der Bericht gilt einer vor allem ritterschaftlich besetzten Pilgerreise ins Heilige Land im Jahr 1517. In beiden Abschriften erscheint er als Teil eines Geschlechterbuchs des Hans Christoph von Bernstein [4] und wird von weiteren Dokumenten der Reise begleitet, darunter Teilnehmerlisten, einem Gnadenschreiben Papst Julius II. von 1511 sowie zwei Abhandlungen: einem Bericht Hirschfelds über Zypern sowie der Abschrift des Drucks Ein hubscher Tractat wie von Herzog Gotfrydt aus Pullenn in der Ausgabe von 1515 (= VD16 H 5691). Edition: Friedrich August von Minckwitz (Hg.): Des Ritters Bernhard von Hirschfeld im Jahre 1517 unternommene und von ihm selbst beschriebene Wallfahrt zum Heiligen Grabe. In: Mitteilungen der deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig 1 (1856), S. 31–106. [24]** Hundt (zu Lautterbach), Wiguleus (*1514, †1588) Geschlechterbuch Bayerische StB München. Cgm 2298. Handschrift (dt.); Schreiberarbeit, hs. (vom Autor) bearbeitet Datierung: nach 1580 Anm.: Es handelt sich um den dritten Teil des 1585–86 zu Ingolstadt in zwei Bänden im Druck erschienen Stammenbuchs (= VD16 H 5927). Er kursierte in zahlreichen Abschriften, von denen laut Manfred Mayer: Leben, kleinere Werke und Briefwechsel des Dr. Wiguleus Hundt. Ein Beitrag zur Geschichte Bayerns im XVI. Jahrhundert. Innsbruck 1892, S. 104 allein 29 des 16. bis 18. Jahrhunderts in München vorlagen (ebd. näher bezeichnet sind Cgm 2299–2305, 2309, 2311f., 2314f., 2321, 3904, 3140 und 3145). Vgl. auch Karl Dachs: Die schriftlichen Nachlässe in der Bayerischen Staatsbibliothek München. Wiesbaden 1970, S. 76. Der Text der hier bezeichneten, von Hundt selbst bearbeiteten Handschrift wurde – samt Ergänzungen des frühen 18. Jahrhunderts aus Cgm 2321 – 1830 gedruckt (vgl. die Edition). Einen skizzenhaften autobiographischen Bericht bietet fol. 244–247 der Handschrift, im Druck S. 182–185.
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Edition: Dr. Wiguleus Hundt’s bayrischen Stammenbuchs Dritter Theil. Mit den Zusätzen des Archivars Libius. In: Maximilian von Freyberg (Hg.): Sammlung historischer Schriften und Urkunden. Bd. 3. Stuttgart, Tübingen 1830, S. 159–797. [25]* Hutten, Philipp von (*1505, †1547) Briefe SA Bamberg. D 1072, 1ff. Handschrift (dt.); Autograph Datierung: 1535–1540 Anm.: Die Briefe des Konquistadors Philipp von Hutten aus Venezuela an seine Freunde und Verwandten in Europa sind in mehrfacher Hinsicht einzigartig. Gegenüber dem unübersehbaren Korpus adliger Korrespondenzen zeichnen sich diese Schreiben dadurch aus, dass in ihnen die zu überwindende räumliche und zeitliche Distanz zwischen Absender und Empfänger stets mitgedacht ist. Sie sind daher großteils als Rückblicke und ausführlichere Berichte angelegt (vergleichbar [40]). Insbesondere angesichts der Forderungen der Familie, in die Heimat zurückzukehren, ergänzen sie sich zu einer übergreifenden Argumentation im Sinne eines autobiographischen Entwurfs (darin ähnlich [19]), siehe dazu Moritz, Helden. Neben den im Original erhaltenen Briefen sind einige nur noch in einer Ausgabe des 18. Jahrhunderts greifbar: Johann Georg Meusel (Hg.): Zeitung aus Jndia Junckher Philipps von Hutten. Aus seiner, zum Theil unleserlich gewordenen Handschrift. In: Historisch-litterarisches Magazin 1 (1785), S. 51–117. Huttens Briefen entlehnt wurden darüber hinaus Berichte, die einer deutschen Übersetzung von Schreiben des Hern#n Cort8s beigegeben sind: Ferdinandi Cortesii Von dem Newen Hispanien […]. Augsburg 1550 (= VD16 ZV 3908). Edition (der Originale und Drucke): Schmitt/Hutten, Gold, S. 47–144. [26]* Hutten, Ulrich von (*1488, †1523) Epistola… rationem vitae suae exponens Zentralbibliothek Zürich. KK 4068. Druck (lat.) (= VD16 H 6231); hs. (vom Autor) bearbeitet Datierung: 1518/um 1523 Anm.: Ein Autograph (z. B. als Entwurf) ist nicht überliefert. Das redaktionell überarbeitete Druckexemplar ist an den Rändern für die nachträgliche Einfügung in einen Sammelkodex stark beschnitten; die hs. Anmerkungen sind dadurch korrumpiert oder auch teilweise ganz verloren. Keine Neuauflage berücksichtigt diese Redaktionsstufe, auch nicht der 1519, also zu Lebzeiten des Autors, erschienene verbesserte Nachdruck (VD16 H 6232; Korrekturen sind in den Editionen nachgewiesen). – Da zum einen der autobiographische Zuschnitt des Gesamtwerks in dieser Arbeit thematisiert wird, zum anderen das Korpus durch die Edition Böckings – bis auf wenige spätere Zufallsfunde (Szamatjlski, Schriften) – vollständig erschlossen ist, kann hier auf Einzelnachweise verzichtet werden. Vergleichsfälle bieten insbesondere die gedruckten ›offenen Briefe‹ Argulas von Grumbach [19], der Nachrichten Philipps von Hutten [25] sowie der autobiographische Konstruktion Herbersteins [21ff.]. Edition: Böcking, Opera 1, S. 195–217; Pirckheimer, Briefwechsel 3, S. 400–426.
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[27]** Jörger, Christoph (*1502, †1578) Verzaichnuß der herren Jörger geburdten vnd absterben (zeitgenössischer Titel?) Handschrift (dt.); Abschrift (17. Jh.?): Bayerisches HStA München. Personenselekt Carton 443a Tengler. Datierung: nach 1546 Anm.: Das »Verzaichnuß« ist Teil einer Ahnenprobe Ferdinand Tenglers von Romelsberg auf Ried und stellt eine Abschrift (oder Epitome?) von Geburtenverzeichnissen dar, die zunächst von Christoph Jörger und seinen Brüdern, dann von dessen Sohn Helmhard angelegt wurden. Die Datierung ergibt sich aus einer erzählenden Passage zum protestantischen Bekenntnis Christophs, in der Luther als »gottselig« (in der Edition: S. 267) bezeichnet wird, vgl. Tersch, Selbstzeugnisse, S 235–240, hier S. 238. Edition: Franz von Thurn und Taxis: Eine Chronik der Jörger 1497–1599. In: Monatsblatt ›Adler‹ 7 (1916), S. 258–260, 267–269, 273–275, 282–284, 292–297. [28]** Kett(e)ler, Dietrich von (belegt 1495–1524) Pilgerbericht verschollen? Handschrift (dt.) Datierung: nach 1519 Anm.: Die Handschrift befand sich im Archiv der Grafen von Nesselrode-Harten, vgl. die Edition (1889), S. 170. Laut Vorsatzblatt des Kodex hat 1588 Joist van der Reck »dis buch widder auffruisten undt innbynnden laissen« (ebd.), es dürfte sich demnach um eine ältere Abschrift bzw. die Reinschrift des Textes handeln. Der Bericht beschreibt eine Pilgerreise nach Jerusalem des Jahres 1519, parallel zu Tschudi [56]. Edition: Hermann Hoogeweg: Eine westfälische Pilgerfahrt nach dem h. Lande vom Jahre 1519. In: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde [= Westfälische Zeitschrift] 47 (1889), S. 165–208 und 48 (1890), S. 55–84. [29]** Kirchmair (von Ragen), Georg (*1481, †1554) ›Denkwürdigkeiten‹ Stiftsarchiv Neustift bei Brixen. Cod. 35. Handschrift (dt.); Autograph? Datierung: 1519–1553 Anm.: Das autobiographische Moment scheint überwiegend auf Auswahl und Zuschnitt der chronikalischen Einträge beschränkt. Nur an sehr wenigen Stellen tritt Kirchmair tatsächlich als Akteur in Erscheinung und vermeidet fast durchgängig die Ich-Perspektive. Allein aus den Schwerpunkten der Darstellung ergibt sich dann auch ein ›ritterlicher‹ Blickwinkel. Zum langfristigen ›sozialen Sinn‹ des Textes vgl. auch [30]. Eine Beschreibung bietet Tersch, Selbstzeugnisse, S. 180–192. Edition (einer Abschrift): Karajan, Selbstbiographie, S. 419–534.
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[30]* Kirchmair (von Ragen), Christian (*1535, †1608) Lebensbeschreibung Handschrift (dt.); Abschrift (17. Jh.): Schloss Lichtenwert (Brixlegg). Kasten III, B (Kirchmair), Stelle 3, Nr. 40. Datierung: nach 1564 Anm.: Ausgehend von der Beschreibung durch Tersch, Selbstzeugnisse, S. 308–316 ist der Bericht als Dokumentation einer Aufstiegsbewegung und somit als Argument in innerfamiliären Rangstreitigkeiten beschrieben worden: Harald Tersch: Ein Beamtenleben aus der Zeit des Trienter Konzils. Die Autobiographie Christian Kirchmairs im Kontext der frühneuzeitlichen Bürokratisierung. In: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 84 (2004), S. 137–160. Demnach beweist sich der Vorrang hier allein durch Abstammung und die Bestätigung im Einsatz für die fürstliche Herrschaftsverwaltung; wesentlicher Unterschied zu Herberstein [21ff.] und Eyb dem Älteren [15] ist, dass damit eine Spezialisierung einhergeht, die den Verfasser einer reinen Funktionselite einschreibt. [31]* Khevenhüller, Hans (*1538, †1606) Commentario meines Hanssen Kheuenhullers Freyherrn Lebens lauff HHStA Wien. Habsburgisch-Lothringisches Familienarchiv. Sammelband 324, Kt. 85. Handschrift (dt.) Datierung: ab 1573 Anm.: Die tagebuchartigen Aufzeichnungen werden durch familiengeschichtliche Notizen eingeleitet, die teilweise einer (verlorenen) Vorlage des Vaters, Christoph Khevenhüllers, entnommen sind. Die Zusammenhänge mit lateinischen und spanischen ›Übersetzungen‹ bleiben noch zu klären. Vgl. Tersch, Selbstzeugnisse, S. 327–344. Edition: Georg Khevenhüller-Metsch (Hg.): Hans Khevenhüller, kaiserlicher Botschafter bei Philipp II. Geheimes Tagebuch 1548–1605. Graz 1971. [32]* Khevenhüller, Bartholomäus (*1539, †1613) Reisebuch Archiv Schloss Thurnau. »Tagebücher I«, Nr. 1. Handschrift (dt., lat.); Autograph und Schreiberarbeit Datierung: um 1570 Anm.: Zu diesem und weiteren Schriften Khevenhüllers (jüngerer Bruder von [31]) vgl. Tersch, Selbstzeugnisse, S. 345–360. [33]* Korka von Korkyneˇ, Pavel (*1522, †1598) Memoiren Bibliothek der Raudnitzer Lobkowitz Mühlhausen/Nelahozeves. Sign. VI Fg 54. Handschrift (tschech.); hs. (von anderen) bearbeitet Datierung: um 1593 Anm.: Der Bericht umfasst neben biographischen Aufzeichnungen, die von der Geburt bis ins Jahr 1593 reichen, auch chronikalische Elemente wie meteorologische und astronomische Beobachtungen Zu den Ergänzungen, die wahrscheinlich der Nachbesitzer Ladislav Zˇejdlic von Sˇenfeld (Ladislaus Zedlitz von Schönfeld, 1563–1628) vornahm, gehört
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eine Schlusspassage, die den Text bis 1602 fortführt. Vgl. auch V#clav Bu˚zˇek: Ferdinand von Tirol zwischen Prag und Innsbruck. Der Adel aus den böhmischen Ländern auf dem Weg zu den Höfen der ersten Habsburger. Wien, Köln, Weimar 2009. Edition: Zdeneˇk Vyb&ral (Hg.): Pameˇti Pavla Korky z Korkyneˇ. Z#pisky kreˇsstˇansk8ho ryt&rˇe z pocˇ#tku novoveˇku (= Prameny k cˇesky´ m deˇjin#m 16.–18. stolet&. Rada B. 4). Budweis 2014. [34]* Lamberg, Joseph von (*1489, †1554) Gereimtes Familienbuch Original verschollen Handschrift (dt.) Datierung: nach 1551 Anm.: Vgl. Tersch, Selbstzeugnisse, S. 214–225. Erhalten sind lediglich Auszüge in gedruckter Wiedergabe des 17. Jahrhunderts: Johann Weichard von Valvasor : Die Ehre des Herzogthums Krain. Bd. 3. Laibach, Nürnberg 1689, S. 43–64. [35]** Lamberg, Kaspar (III.) von (*1450, †1544) Hern Caspern zvm Stain Ritter Istorien MDXXXIV Kunsthistorisches Museum Wien. Inv.-Nr. HJRK_A_2290. Handschrift (dt.); Schreiberarbeit, illustriert Datierung: ca. 1504–1507 Anm.: Das Turnierbuch fällt vor allem durch seine zahlreichen, farbigen Illustrationen auf. Ein innerer Zusammenhang mit der Arbeit Ludwigs von Eyb (vgl. [16]) ist gegeben, obwohl die Lamberger Handschrift ungleich prachtvoller gestaltet ist und die Eigenleistung des Verfassers stärker in den Fokus rückt. Bedeutung und ›Ort‹ des Buchs in Lambergs Biographie – die nicht ganz zweifelsfrei belegt scheint – bleiben noch näher zu bestimmen. [36]* Landschad von Steinach, Blicker XIV. (*um 1435, †nach 1499) Chronik Handschrift (dt.); Abschrift (um 1600): StA Ludwigsburg. B 583 BÜ820, fol. 27–37. Datierung: 1493–1496 Anm.: Die Darstellung bietet eine Familiengeschichte, konzentriert sich aber auf das Erleben des Verfassers. Einzelne Episoden sind z. B. in [63] aufgenommen. Urheber der Abschrift ist wahrscheinlich Hans Ulrich I. Landschad von Steinach (1543–1619), vgl. Friedhelm Langendörfer : Die Landschaden von Steinach. Zur Geschichte einer Familie des niederen Adels im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Diss. masch. Heidelberg 1971, S. 177. Zur Einschätzung, auch im Vergleich mit Eyb dem Jüngeren [16], s. Krieb, Vergangenheitskonstruktion. [37]** Lappitz (Lapiz), Andreas von (*um 1435, †1506) Familienchronik Original verschollen Handschrift (dt.)
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Datierung: um 1500? Anm.: Eine Beschreibung gibt Tersch, Selbstzeugnisse, S. 91–98. Danach (S. 91) befand sich die Handschrift zuletzt im Archiv der Familie Schallenberg, liegt heute aber nur noch als gedruckte Wiedergabe eines Fragments vor (s. Edition). Im 17. Jahrhundert wurde eine lateinische Übersetzung angefertigt (Tersch, Selbstzeugnisse, S. 97). Auffällig ist die dominierende Wir-Perspektive des Textes. Edition (Fragment): Johann Wilhelm Graf Wurmbrandt-Stuppach: Collectanea genealogico-historica ex archivo inclytorum Austriae inferioris statuum ut ex aliis privatis scriniis documentisque originalibus excerpta. Wien 1705, S. 63–68. [38]** Lassota von Steblau, Erich (*um 1550, †1616) Tagebuch Original verschollen Handschrift (dt., lat.); Schreiberarbeit, hs. (vom Autor?) bearbeitet Datierung: 1573–1594 Anm.: Der Text umfasst detaillierte Reiseberichte und zahlreiche Dokumente, darin Herberstein [21ff.] ähnlich. Edition: Reinhold Schottin (Hg.): Tagebuch des Erich Lassota von Steblau. Nach einer Handschrift der von Gersdorff-Weicha’schen Bibliothek zu Bautzen. Halle 1866. [39]* Leyen, Michael von der (*um 1515, †1576) Michaell von der Leyen describirt seine zugebrachte paryßer und engellandische reyß […] LHA Koblenz. Bestand 47, Nr. 634. Handschrift (dt.); Autograph Datierung: 1536 Anm.: Ausführlich dazu Voß, Reisen, S. 82–102 und S. 285 (Nr. 1). Edition: Voß, Reisen, S. 325–328. [40]** Merode, Philipp von (*1568, †1628) Reisetagebuch Generalstaatsarchiv Brüssel. Fonds de Merode Westerloo, Nr. 625. Handschrift (dt.); Autograph eines Begleiters Datierung: um 1588 Anm.: Vgl. Voß, Reisen, S. 286 (Nr. 3) Edition: Hans Joachim Domsta (Hg.): Die Reise des Philipp von Merode nach Italien und Malta 1586–1588. Das Tagebuch (= Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit. 12. Beiträge zur Geschichte des Dürener Landes 28). Münster, New York, München 2007. [41]** Mijnden, Herberen van (*um 1500, †nach 1552) Chronik/Memoiren LA NRW Abt. Westfalen Münster. Msc. II Nr. 127. Handschrift (dt.) Datierung: nach 1552
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Anm.: Herberen van Mijnden ist Mitglied der Ritterschaft des Bistums Utrecht. Sein Text bietet eine Familienchronik von 1296 bis 1552 sowie persönliche Erinnerungen. Edition: Samuel Muller : Gedenkschriften van Jhr. Herberen van Mijnden. In: Bijdragen en Mededeelingen van het Historisch Genootschap gevestigd te Utrecht 11 (1888), S. 1–69 (Transkription ab S. 9). [42]** Münchhausen, Otto von (*1561, †1601) Reisebericht Niedersächsisches LA Bückeburg. Dep.6 GH A 526 (Kopie); Hs. in Privatbesitz. Handschrift (dt.); Autograph Datierung: 1581 Anm.: Vgl. Voß, Reisen, S. 285f. (Nr. 2) [43]** Neumair von Ramsla, Johann Wilhelm (*1572, †1641) Reisetagebuch StB Berlin. Ms. germ. fol. 1621. Handschrift (dt.); Autograph, hs. (vom Autor) bearbeitet Datierung: 1594–1597 Anm.: Vgl. Voß, Reisen, S. 295 (Nr. 45). [44]** Osse, Melchior von (*1506, †1557) Rechenschaftsbuch/Spiegel Sächsische LB Dresden. Mscr. Dresd. R. 1. Handschrift (dt., lat.); Autograph? Datierung: 1542–1555 Edition: Handelbuch. In: Oswald Arthur Hecker (Hg.): Schriften Dr. Melchiors von Osse. Mit einem Lebensabriß und einem Anhang von Briefen und Akten (= Schriften der Sächsischen Kommission für Geschichte. 26). Leipzig, Berlin 1922, S. 1–267. [45]* Popplau (Poppel), Niclas von (*um 1435/40, †1490/94) Reisebericht Original verschollen Handschrift (dt.); Abschriften: UB Breslau. Hs. Rehdiger 319 (datiert 1712); StA Breslau. Hs. Klose 157 (datiert 1784/85). Datierung: nach 1486 Anm.: Popplau entstammte einer Breslauer Kaufmannsfamilie und stieg späterhin durch Hof- und Gesandtschaftsdienste für die Habsburger in den Adelsrang auf. Der hier bezeichnete Bericht beschreibt eine Reise an europäische Fürstenhöfe und Pilgerstätten der Jahre 1483–1486. Als ›Ego-Dokument‹ vorgestellt wird der er durch Adam Krawiec: Fremde Männer, fremde Frauen. Selbst- und Fremdwahrnehmung in dem Reisebericht von Niklaus von Popplau. In: Bulletin der Polnischen Historischen Mission 8 (2013), S. 255–280. Edition: Piotr Radzikowski (Hg.): Reyße-Beschreibung Niclas von Popplau, Ritters, bürtig von Breßlau. Krakau 1998.
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[46]** Puchheim, Erasmus von (*1518, †1578) Schreibkalender Österreichische NB Wien. Cod. S.n. 13.078. Handschrift (dt.); Autograph, als Eintragungen in einen gedruckten Kalender Datierung: 1557 Anm.: Vgl. Tersch, Selbstzeugnisse, S. 241–255. Die stichwortartigen Tagesnotizen wurden »in Blöcken ungefähr fünfmal im Monat« (ebd., S. 242) eingetragen. Ein Narrativ scheint daraus nicht entwickelt worden zu sein. Edition (Auszüge): Moritz Alois Becker : Aus dem Tagebuch eines österreichischen Edlen. In: Blätter des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich. N. F. 12 (1878), S. 18–37. [47]** Rost, Dionys (I.) von (*1529, †1586/87) Schreibkalender Handschrift (dt.); Autograph Datierung: 1570 Edition: Karl Braitenberg: Das Tagebuch des Ritters Dionys von Rost vom Jahre 1570. In: Der Schlern 29 (1955), S. 411–424. [48]** Rost, Dionys (II.) von (*um 1570, †1636) Tagebuch Bibliothek des Museums Ferdinandeum Innsbruck. Dip. 463, Nr. II. Handschrift (dt.); Autograph Datierung: 1599 Anm.: Die tagebuchartigen Aufzeichnungen sind Teil einer Sammelhandschrift. Ursprünglich erschienen sie wahrscheinlich in einer Reihe ähnlicher Aufzeichnungen. Vgl. Tersch, Selbstzeugnisse, S. 531–536. [49]* Schele, Sweder (von) (*1569, †1639) Stambuch Niedersächsisches LA/StA Osnabrück. Dep. 38b, Nr. 1000. Handschrift (dt., nl., lat., gr.); Autograph Datierung: 1591–1623 Anm.: Die Handschrift wurde später (vielleicht durch Georg von Schele, der laut eigenhändigem Eintrag 1811 das Werk paginierte) mit [49a] zusammengebunden. Das autobiographische Korpus beschrieben und eingeordnet hat zuletzt Gunnar Teske: Das Hausbuch des Sweder Schele zu Weleveld und Welbergen, Erbkastellan zu Vennebrügge (1569–1639) – ein Selbstzeugnis zur westfälischen Landesgeschichte. In: Westfälische Zeitschrift 162 (2012), S. 81–104 (mit weiterer Literatur). Edition: Im Rahmen des webbasierten Projekts »Die Chronik des Sweder von Schele/De Kroniek van Sweder Schele« werden die digitalisierten Handschriften derzeit mit Transkription und Kommentar ergänzt: ›https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/In ternet/finde/langDatensatz.php?urlID=866& url_tabelle=tab_websegmente‹ [10.03.18].
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Anhang: Verzeichnis des Quellenbestands
[49a]* Hauschronik (I) Datierung: 1591–1623 Anm./Edition: wie [49]. [49b]* Hauschronik (II) Historisch Centrum Overjissel Zwolle. Dep. Huisarchiv Almelo, Sig. 3680. Datierung: 1629–1637 Anm./Edition: wie [49]. [49c]* Genealogia correcta in atrio impluvio lapidi renovato incidenda Niedersächsisches LA/StA Osnabrück. Dep. 38b, Nr. 1005. Datierung: 1636/39 Anm.: Entstanden als Nachtrag zu [49b], allerdings auch in redigierter Form separat in Abschrift erhalten, vgl. Teske, Hausbuch, S. 82. Edition: wie [49]. [50]* Schertlin von Burtenbach, Sebastian (*1496, †1577) Tatenbericht [zeitgenössisch: Buch oder Res Gestae inclyti herois Sebastiani Schertlin] Württembergische LB Stuttgart. Cod. Hist. 2o 10. Handschrift (dt.); Autograph mit Nachträgen anderer Hand Datierung: nach 1534–1577 Anm.: Das Manuskript setzt 1534 ein (Erhebung in den Ritterstand) und schließt mit Nachträgen für 1577, für die der Sohn Hans Sebastian zeichnet; die Edition ergänzt den Anfang offenbar nach Abschriften. Darüber hinaus finden sich Korrekturen, Notizen und Ergänzungen von mindestens drei Händen. Vgl. die Angaben von Christof Paulus: Sebastian Schertlin von Burtenbach im Schmalkaldischen Krieg. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 67 (2004), S. 47–84. Edition: Ottmar F. H. Schönhuth (Hg.): Leben und Thaten des weiland wohledlen und gestrengen Herrn Sebastian Schertlin von Burtenbach, durch ihn selbst deutsch beschrieben. Nach der eigenen Handschrift des Ritters urkundlichtreu herausgegeben. Münster 1858. [51]** Schweinichen, Hans von (*1552, †1616) Memorial Original verschollen Handschrift (dt.); Autograph und spätere Abschriften Datierung: 1568?–1602 Anm.: Die ›Autobiographie‹ hatte sich zunächst teils im Original, teils in Abschriften erhalten; der Edition liegen ein originaler erster Band und zwei Abschriften zugrunde. Zur unübersichtlichen Überlieferungsgeschichte vgl. Stephan Pastenaci: Probleme der Edition und Kommentierung deutschsprachiger Autobiographien und Tagebücher der Frühen Neuzeit, dargestellt anhand dreier Beispiele. In: Jochen Golz (Hg.): Edition von autobiographischen Schriften und Zeugnissen zur Biographie (= Beihefte zur Editio). Tübingen 1995, S. 10–26, hier S. 16–19.
Anhang: Verzeichnis des Quellenbestands
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Edition: Hermann Oesterley (Hg.): Die Denkwürdigkeiten des Hans von Schweinichen. Breslau 1878. [52]* Sternberg, Hans von (†1532/35) Pilgerbericht Forschungsbibliothek Gotha. Chart. B 1693. Handschrift (dt.); Autograph, hs. (vom Autor) bearbeitet Datierung: um 1515 Anm.: Der Bericht betrifft eine 1514 unternommene Pilgerreise, der sich unter anderem Sebastian von Rotenhan (um 1478–1534) anschloss und die ungewöhnlicherweise via Santiago de Compostela nach Jerusalem führte. Aufgrund von Korrekturen, die vor allem (nachgetragene) Daten betreffen, wurde vermutet, dass es sich »keinesfalls um eine Reinschrift« handelt (Edition, S. 221). Edition: Falk Eisermann und Folker Reichert: Der wiederentdeckte Reisebericht des Hans von Sternberg. In: Klaus Herbers und Enno Bünz (Hgg.): Der Jakobuskult in Sachsen (= Jakobus-Studien. 17). Tübingen 2007, S. 219–248, Wiedergabe S. 237–246. [53]* Tann, Eberhard von der (*1495, †1574) Lebenslauf [Cursus vitae] StA Marburg. Bestand 340 von der Tann – Samtbau BV1 Vol. VII. Handschrift (dt.); Autograph mit Nachträgen anderer Hand Datierung: um 1567 Anm.: In das streng annalistische, skizzenhafte Darstellungsgerüst sind erzählende Passagen (etwa zum Schmalkaldischen Krieg) eingehängt. Nachträge einer (einzigen?) anderen Hand finden sich fol. 188r (»1574. des 9. Iu[ni (Rest unleserlich)] Eberhart von der Tann daselbst gestorben«) und 189r (»Cursus vitæ deß alten Ebertß von der Tann so 1495. gebohren in Haselstein vnd 1574. in der Tann gestorben, also 79. Jar gelebet:«); zur Auswertung vgl. Altmann, Reichsritter. [54]** Thein, Christoph von (*1453, †um 1520/30) Rechenschaftsbuch Original verschollen Handschrift (dt.); Autograph? Datierung: vor 1516 Anm.: Der autobiographische Bericht ist einem Urbar angehängt. Die Handschrift aus Privatbesitz (vormals Archiv Burg Kinsberg/Cheb-Hroznˇatov) liegt der Edition zugrunde, ist seitdem aber verschollen. Vgl. Helgard Ulmschneider : [Art.] Christoph von Thein. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 11: Korrekturen und Nachträge. Hg. von Burghart Wachinger. 2. Aufl. Berlin, New York 2010, Sp. 323–326. Edition: Adam Wolf (Hg.): Die Selbstbiographie Christophs von Thein 1453–1516. In: Archiv für österreichische Geschichte 53 (1875), S. 103–123.
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Anhang: Verzeichnis des Quellenbestands
[55]** Trapp, Jakob (*1529, †1563) Historia und Annalpuech Handschrift (dt.); Autograph? Datierung: 1561–1563 Anm.: Vgl. Oswald Trapp: Ritter Jakob Trapp auf Churburg (1529–1563). Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Tirols (= Schlern-Schriften. 127). Innsbruck 1954. Die Handschrift war demnach als »Codex 10« Teil des Churburger Archivs, das 2016 an das Südtiroler Landesarchiv Bozen übergegangen ist; der Verbleib ließ sich allerdings nicht bestätigen. [56]** Tschudi (von Glarus), Ludwig (*1495, †1530) Pilgerbericht Handschrift (dt.); Abschrift (16. Jh.): Stiftsbibliothek St. Gallen. Cod. 660. Anm.: Der Bericht einer Jerusalemfahrt des Jahres 1519, diese parallel zu Ketteler [28], wurde durch Melchior Tschudi im Druck herausgegeben als Reyß und Bilgerfahrt zum Heyligen Grab […]. Rorschach 1606 (= VD17 39:131424P). Die Handschrift ist eine Kopie aus der Hand des Bruders des Verfassers, Aegidius Tschudi (1505–1572). [57]** Viermund (Virmont), Johanna von (*um 1555, †1627) Tagebuch(?) LA NRW Abt. Westfalen Münster. Romberg, Akten Nr. 6776. Handschrift (dt.); Autograph Datierung: 1591–1592 Anm.: Die Schrift gehört wahrscheinlich in den Kontext anhaltender gerichtlicher Auseinandersetzungen um Vormundschaftsrechte bzw. mit den Söhnen nach dem Tod des Ehemanns 1584; verschiedene (nach 1600 datierte) Rechenschaftsberichte haben sich teils als Autographen, teils als Abschriften erhalten (Akten Nr. 6268, 6445, 6680, 7062); vgl. Axel Koppetsch (Hg.): »Bin kein Schriftsteller, sondern nur ein einfacher Sohn des Waldes.« Inventar der Selbstzeugnisse in den Beständen des Landesarchivs NRW Abteilung Westfalen (= Veröffentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen. 40). Düsseldorf 2011, S. 20–23 (Nr. 3 und 4). [58]** Viermund (Virmont), [Anon.] von Tagebuch(?) LA NRW Abt. Westfalen Münster. Romberg 5870. Handschrift (dt.); Autograph? Datierung: 1583–1584 [59]* Waldenburg, Roland von (*1542, †1591) Reisebericht UB Gießen. Hs. 163. Handschrift (dt., ital.); Autograph, illustriert Datierung: um 1567 Anm.: Dem Bericht über eine Reise nach Frankreich, in die Niederlande, die Schweiz und nach Italien (1561–1567) ist als erster Teil eine Abschrift (samt Illustrationen) des Pil-
Anhang: Verzeichnis des Quellenbestands
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gerberichts Arnolds von Harff [20] vorangestellt. Vgl. Voß, Reisen, S. 294 (Nr. 41) sowie Ulrich Seelbach: Humanistische Bildungsreise in die antike Welt. Roland von Waldenburg in Italien (1566–1567). In: Xenja von Ertzdorff und Gerhard Giesemann (Hgg.): Erkundung und Beschreibung der Welt. Zur Poetik der Reise- und Länderberichte (= Chloe. Beihefte zum Daphnis. 34). Amsterdam, New York 2003, S. 135–162. [60]** Wedel, Lupold von (*1544, †1615?) Reiseberichte Original verschollen Handschrift (dt.); Schreiberarbeit, hs. (vom Autor und anderen) bearbeitet Datierung: nach 1593 Anm.: Die Edition entstand auf Grundlage eines Originals in der Ostenschen Bibliothek zu Plathe/Płoty (Wedels Mutter ist eine geborene von der Osten zu Plathe), deren Bestände seit 1945 verschollen sind. Nach einer knappen familiengeschichtlich-biographischen Einordnung bilden die Reisen zwischen 1561 und 1593 den inhaltlichen Schwerpunkt. Laut der Edition (S. 567, Anm. 4) fehlten die Seiten für den Berichtszeitraum Ende 1593; der Kodex wird mit eigenhändigen Einträgen Wedels zur Familie und von dritter Hand für die Reisen ab 1606 fortgesetzt (vgl. ebd., S. 3f.). Edition: Max Bär (Hg.): Lupold von Wedels Beschreibung seiner Reisen und Kriegserlebnisse 1561–1606. Nach der Urhandschrift herausgegeben und bearbeitet. Stettin 1895. [61]** Zaj&c von Hasenburg, Jan (*um 1496, †1553) Sarmacia Österreichische NB Wien. Handschriftliche Abteilung. Cod. Vindob. 8091. Handschrift (tschech.); Schreiberarbeit, illustriert Datierung: um 1552 Anm.: Die Schrift hält in Wort und Bild eine vom Autor finanzierte Aufführung fest, die den ritterlichen Kampf des böhmischen Adels gegen die Türken als Turnier und Schauspiel inszenierte. Zur Einordnung s. V#clav Bu˚zˇek: Türkische Motive in der Selbstdarstellung von Adeligen in den böhmischen Ländern zu Beginn der Neuzeit. In: Gabriele Haug-Moritz und Ludolf Pelizaeus (Hgg.): Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit. Münster 2010, S. 95–126. Als ›Ego-Dokument‹ angesprochen wird die Schrift von Jaroslav P#nek: Divadeln& prˇedstaven& jako vy´raz sebeprezentace prˇedbeˇlohorsk8ho aristokrata: vizualizace slova v Sarmacii Jana Zaj&ce z H#zmburka). In: Marie Koldinsk# und Alice Velkov# (Hgg.): Historik zapomenuty´ch deˇjin. Sborn&k prˇ&speˇvku˚ veˇnovany´ch prof. dr. Eduardu Maurovi. Prag 2003, S. 181–188. Als Zeit- und Dienstgenosse Herbersteins [21ff.] wären Verbindungen zu dessen Œuvre noch zu prüfen. Edition: Jaroslav P#nek (Hg.): Jan Zaj&c z H#zmburka: Sarmacia aneb Zpoveˇdˇ cˇesk8ho aristokrata. Prag 2007. [62]** Zierotin (Zˇerot&n/Zerotein) der Ältere, Kar(e)l von (*1564, †1636) Tagebücher Handschrift (tschech., lat.); Autograph Datierung: 1588–1591
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Anhang: Verzeichnis des Quellenbestands
Anm.: Zu diesen und weiteren Quellen s. Petr von Chlumecky´ : Die öffentliche und PrivatCorrespondenz, die Tagebücher und Urkundensammlungen Carl des älteren Herren von Zierotin. In: Schriften der historisch-statistischen Sektion der k. k. mährisch-schlesischen Gesellschaft des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde 7 (1854), S. 55–94. Bei den Tagebüchern handelt es sich um vier Jahresbände, deren vierter sich in der Korrespondenz des Johannes Rimai fand (vgl. Franz von Krones: [Art.] Zierotin, Karl Herr von. In: Allgemeine Deutsche Biographie 45 (1900), S. 208–212). Edition: Beda Dud&k (Hg.): Mährens Geschichts-Quellen. Bd. 1: J. P. Ceroni’s Handschriften-Sammlung. Brünn 1850, S. 358–368 (= Auszüge der Tagebücher 1588–1590); Ipoly Arnold (Hg.): Zierotin K#roly napljja 8s Rimay J#nos leveleskönyve. Budapest 1887, S. 1–42 (= Tagebuch 1591). [63]* Zimmern, Froben Christoph (Graf) von (*1519, †1566) Chronik Württembergische LB Stuttgart. Cod. Donaueschingen 581. Handschrift (dt.); Schreiberarbeit, hs. (vom Autor) bearbeitet, illustriert Datierung: nach 1554(?) Anm.: Die Handschrift wurde von Froben Christoph von Zimmern redigiert, dann aber, um 1564, durch eine neue Reinschrift (Cod. Donaueschingen 580) ersetzt. Diese Zweitschrift umfasst zwei Bände (B1 und B2) und reicht inhaltlich bis 1567 (Angaben nach Gerhard Wolf: Von der Chronik zum Weltbuch. Sinn und Anspruch südwestdeutscher Hauschroniken am Ausgang des Mittelalters. Berlin, New York 2002). Die Herren von Zimmern erhalten den Grafentitel 1538; hier aufgenommen ist die Chronik aber vor allem, da sie zahlreiche Anknüpfungspunkte zur niederadlig-ritterschaftlichen Gemeinschaftsbildung in Texten bietet und in der Anlage etwa dem Berlichingen-Text [3] verwandt ist. Edition (unvollendet): Hansmartin Decker-Hauff (Hg.): Die Chronik der Grafen von Zimmern. Handschriften 580 und 581 der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek Donaueschingen. 3 Bde. Konstanz 1964–1972.
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. FA HHStA HStA LA LB LHA NB NRW SA SB StA StB UB
Siglen Familienarchiv Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien) Hauptstaatsarchiv Landesarchiv Landesbibliothek Landeshauptarchiv Nationalbibliothek Nordrhein-Westfalen Stadtarchiv Stadt-/Städtische Bibliothek Staatsarchiv Staatsbibliothek Universitätsbibliothek
2.
Quellen
2.1.
Ungedruckte Quellen
[Berlichingen?, Götz von:] An herrn Hansen Hoffma[n] burgermeister zu Hailbron, vnd Steffan Feyerabent der rechten litentiaten vnd sindicum daselbst. Insonders lieben hern gutte gonner vnd freundt [Hs., um 1562 = Rossacher Handschrift]. (Freiherrlich von Berlichingensches Archiv Jagsthausen. Ohne Signatur). Catalogus bibliothecae Hungaricae Francisci Com. Sz8ch8nyi. Tomus I. Scriptores Hungaros et rerum Hungaricarum. Pars I. A–L. Ödenburg/Sopron 1799. Celtis, Conrad: Epigrammata [Hss., vgl. Hartfelder, Epigramme] (SB Nürnberg. Cod. Cent. V App. 3). Cuspinian, Johannes: Avstria Ioannis Cvspiniani cvm omnibvs eivsdem marchionibvs, dvcibvs, archiducibus, ac rebus præclare ad hæc vsque tempora ab ijsdem gestis. In: Ioannis Cvspiniani, uiri clarissimi, Diui quondam Maximiliani Imperatoris a consilijs,
234
Quellen- und Literaturverzeichnis
& Oratoris, de Consulibus Romanorum Commentarij, ex optimis uetustissimisque authoribus collecti […]. Basel 1553, p. 583–667 (= VD16 C 6476). Giovio, Paolo: Pavli Iovii Novocomensis episcopi Nvcerini illvstrivm virorvm vitae. Florenz 1549. Corinth, Lovis: Götz von Berlichingen. 1917. Öl auf Leinwand, 86 cm x 100 cm. (Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund. LG 2009/3 (A 27/57)). Dantiscus, Johannes: Ad magnificum Dominum Sigismundum de Herberstain, Equitem auratum, Consiliarium et Oratorem invictissimi Maximiliani Caesaris semper Augusti ad Serenissimum Sigismundum Poloniae regem et Magnum Moschorum Ducem. Joannis Dantisci soteria. Cracoviae III. Februarii anno MDXVIII. o. O. [1518]. Discvrsvs epistolares politico-theologici de statv reipvblicæ Christianæ degenerantis Tum de reformandis moribvs & Abusius Ecclesiæ, Cum Christianissmi Galliarum Regis Francisci I. & Cardinalis Sadoleti Epistolis. Frankfurt a. M. 1610. Feierabend, Stefan: De Feierabetho omnium rerum socio ac fine carmen temporarium. Frankfurt a. M. 1590 (ND Helmstedt 1699). Grumbach, Argula von: Gnad vnnd frid von got sambt bey¨wonung seins gotlichen geists wu˚nsch ich hertzlich E. F. G. yetzt vnnd allzey¨ t beyzuwonen. [Hs., Abschrift eines Schreibens vom 20. September 1523; gedruckt als ›Ein Christennliche schrifft einer erbarn frawe vom Adel […]‹ (Bamberg 1523)]. (Bayerische StB München. Clm 1386, fol. 212r–226r). Grumbach, Argula von: Der herr sagt Johannis 12 […]. [Hs., Abschrift eines Schreibens vom 20. September 1523; gedruckt als ›Wie eyn Christliche fraw des adels in Beiern durch jren jn Gotlicher schrifft wolgegründeten Sendtbrieffe die hohenschul zu Jngolstat […] straffet‹ (Nürnberg 1523)]. (Bayerische StB München. Clm 1386, fol. 250r–262v). Herberstein, Sigmund von: [Briefsammlungen]. [Hss.]. (Österreichische NB Wien. Cod. 97371, 9737k, 13497, 13598). Herberstein, Sigmund von: [Briefsammlungen]. [Hss.]. (Ungarische Sz8ch8nyi-NB Budapest. Cod. 258 Fol. lat. und Fol. Germ. 448). Herberstein, Sigmund von: Mein Sigmu˚nden Frey¨herrn zu˚ Herberstain Ney¨perg vnnd Guttenhag Raittu˚ng vnd antzaigen meines lebens vnd wesens wie hernach u˚olgt ec. [Hs., nach 1545 = Budapester Handschrift]. (Ungarische Sz8ch8nyi-NB Budapest. Ms. Quart. germ. 200). Herberstein, Sigmund von: Gratae Posteritati Sigismvndvs Liber Baro in Herberstain Neyperg & Guttenhag & c. immunitate meritorum ergi, donatus. o. O. o. J. [Wien?, nach 1549]. (Bayerische StB München. L.impr.c.n.mss. 1038, Beibd. 9). [Herberstein, Sigmund von]: Rervm Moscoviticarvm Comentarii. o. O. o. J. [Wien 1549] (= VD16 H 2202). Herberstein, Sigmund von: Rervm Moscouiticarum Commentarij Sigismundi Liberi Baronis in Herberstain, Neyperg & Guettenhag. Basel 1551 (= VD16 H 2203). Herberstein, Sigmund von: Alle menschen sollen billichen dermassen auf erden leben, damit sy mügen vnnd sollen Raittung geben Ihres thuns vnnd wesens, damit man müg sprechen, das ainer gelebt habe. [Hs., nach 1553 = Wiener Handschrift]. (HHStA Wien. Hs. Bohm I63 = R II).
Quellen
235
Herberstein, Sigmund von: Rervm Moscoviticarum Commentarij Sigismundi Liberi Baronis in Herberstain, Neyperg, & Guettenhag: Rvssiae, & quæ nunc eius metropolis est, Moscouiæ, breuissima descriptio. Basel [1556] (= VD16 H 2204). Herberstein, Sigmund von: Moscou˚ia der Hau˚ptstat in Reissen / durch Herrn Sigmunden Freyherrn zu Herberstain / Neyperg vnd Guetenhag Obristen Erbcamrer / und öbristen Erbtruckhsessen in Kärntn Römischer zu Hungern vnd Behaim Khü. May. ec. Rat / Camrer vnd Presidenten der Niderösterreichischen Camer zusamen getragen. Wien 1557 (= VD16 H 2206). Herberstein, Sigmund von: Rervm Moscoviticarvm Commentarij, Sigismundo Libero [!] authore. Rvssiæ breuissima descriptio, & de religione eorum varia inserta sunt. Chorographia totius imperij Moscici, & vicinorum quorundam mentio. Antwerpen 1557. Herberstein, Sigmund von: Gratae Posteritati Sigismvndvs liber baro in Herberstein, Neiperg et Guetanhag, primarius ducatus Carinthiæ haereditariusque & Camerarius & Dapifer & c. imunitate [!] meritorum ergo donatus, actiones suas / puero ad annum vsque ætatis suæ septuagesimum tertium breui commentariolo notatas reliquit. Wien 1558 (= VD16 ZV 7721). Herberstein, Sigmund von: Sigmund Freyherr zu Herberstain Neyperg / und Guttenhag / oberster Erbcamrer und oberster Druchsas in Karn(t)tn. Den Gegenwurtign vnd nachkomendn Freyherrn zu Herberstein. Wien o. J. [nach 1558]. Herberstein, Sigmund von: Gratae posteritati Sigismundvs liber baro in Herberstain Neyperg & Guettenhag, Primarius Ducatus Carinthiæ Hæreditariusque & Camerarius & Dapifer & c. Immunitate meritorum ergo donatus, actiones suas / puero ad annum vsque ætatis suæ septuagesimum quartum, breui commentariolo notatas reliquit. Wien 1560 (= VD16 H 2201). Herberstein, Sigmund von: Sigmund Freyherr zu˚ Herberstain, Neyperg / vnd Guttenhag / oberster Erbcamrer vnd oberster Drucksas in Kärnttn. Den Gegenwurtign vnd nachkomendn Freyherrn zu Herberstain. Seines thuns dienstn vnnd Raisens mit trewer vermanung sich zu Tugenden vnd guetem weesn schicken. Wien o. J. [1560] (= VD16 ZV 7719). Herberstein, Sigmund von: Sigmund Freyherr zu Herberstain etc. Denen gegenwurdigen und Nachkomenden Freyherrn zu Herberstain. Seines Thuens, Diensten und Raysens mit trewer vermanung, sich zu Tugenden unnd guetem wesen zeschicken. Wien 1561 (= VD16 ZV 22611). Herberstein, Sigmund von: [Dokumentensammlung]. [Hs., nach 1562]. (Steiermärkische LA Graz. FA Herberstein. EP 104a/1). Herberstein, Sigmund von: Typus concordiæ fraternæ ab illustri et generoso viro D. Sigismvndo libero barone in Herberstain Neyperg & Guetenhag, primario Ducatus Charintiæ hæreditanoque [!] & Camerario, & Dapifer, Cæsar. Consiliario, & fisci prouinciarum inferioris Austriæ preside & c. Posteris suis pro certisima [!] amplificandæ & conservandæ familiæ omnisque dignitatis tuendæ formula, testamento relictus. Wien 1563 (=VD16 H 2212). Hutten, Ulrich von: Vlrici Hvtteni Nemo. Erfurt 1510 (= VD16 H 6379). Hutten, Ulrich von: In lavdem reverendissimi Alberthi archiepiscopi Moguntini Vlrichi de Hutten Equitis Panegyricus. Tübingen 1515 (= VD16 H 6357).
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Hutten, Ulrich von: Epistola ad Maximilianum Caesarem Italiae ficticia. Hulderico de Hutten equ. Authore. [Straßburg] 1516 (= VD16 H 6258). Hutten, Ulrich von: Epistolae Trivm Illvstrivm Virorum, ad Hermannum Comitem Nuenarium. Hagenau 1518 (= VD16 R 1247). Hutten, Ulrich von: Epistola ad illvstrem virvm Hermannvm de Nevenar comitem Hvtteniana, qva contra Capnionis æmulos confirmatvr. o. O. o. J. [datiert Mainz 1518] (= VD16 H 6329). Hutten, Ulrich von: Outir. Nemo. [Straßburg 1518] (= VD16 H 6387). Hutten, Ulrich von: Vlrichi de Hutten eqvitis Germani. Avla. Dialogvs. [Augsburg] 1518 (= VD16 H 6296). Hutten, Ulrich von: Vlrichi de Hvtten eqvitis ad Bilibaldum Pirckheymer Patricium Norimbergensem Epistola vitæ suæ rationem exponens. Augsburg 1518 (= VD16 H 6231). (Zürcher Exemplar : Zentralbibliothek Zürich. KK 4068). Hutten, Ulrich von: Vlrichi de Hvtten Eqvitis Germani ad Principes Germaniæ, vt bellum Turcis inuehant. Exhortatoria […]. Augsburg 1518 (= VD16 H 6267). Hutten, Ulrich von: De Gvaiaci medicina et morbo Gallico liber vnvs. Mainz 1519 (= VD16 H 6348). Hutten, Ulrich von: Vlrichi de Hvtten Eqvitis Germani ad Principes Germaniæ vt bellum Turcis inferant. Exhortatoria […]. Mainz 1519 (= VD16 H 6268). Hutten, Ulrich von: Vlrichi de Hvtten eqvitis ad Bilibaldum Pirckheymer Patricium Norimbergensem Epistola vitæ suæ rationem exponens. Augsburg 1519 (= VD16 H 6232). Hutten, Ulrich von: Epistola Vlrichi De Hvtten Equitis. Ad D. Martinum Lutherum Theologum. [Leipzig] 1520 (= VD16 H 6325). Hutten, Ulrich von: Due ad Martinum Lutherum Epistole Vlrici ab Hutten. Nürnberg 1521 (= VD16 H 6320). Hutten, Ulrich von: Ein send brieue so vlrich von huten an Kaiserliche Maiestat gethan […]. Erfurt 1521 (= VD16 H 6241). Hutten, Ulrich von: Enndtschüldigung Vlrichs von Hutten Wyder etlicher vnwarhafftiger außgeben, von ym, als solt er wider alle geystlicheit vnd priesterschafft sein, mit erklärung etlicher seiner geschrifften. [Worms 1521?] (= VD16 H 6323). Hutten, Ulrich von: Hvlderichi ab Hvtten eq. Germ. […] Ad Carolvm Imperatorem, pro Luthero, & veritatis ac libertatis causa exhortatio. [Straßburg 1521] (= VD16 H 6353). Itinerarium, Das ist: Historische Beschreibung, weylund Herrn Georgen von Ehingen raisens nach der Ritterschaft / vor 150. Jaren / in X. vnderschidliche Königreich verbracht. Auch eines Kampfs von jme bey der Statt Sept in Aphrica gehalten. Neben beygefügten Contrafacturn / deren Potentaten vnd Könige / an welcher Höfe obgedachter Ritter sich begeben / dero Königliche personen bedient vnd besucht / auch nach jrer Tracht vnd Gestalt aigentlich abmalen lassen. Auß des Wolgebornen Herrn / Herrn Reimund Fuggern / Herrn zu Kirchperg vnd Weissenhorn / ec Museo Collicirt, vnd von Dominico Custode Burgern zu Augspurg in Kupffer gestochen / vnd in Truck verfertiget. Augsburg 1600 (= VD16 E 624). Panthaleon, Heinrich (Hg./Übers.): Moscouiter wunderbare Historien: In welcher deß treffenlichen Grossen land Reüßen / sampt der hauptstatt Moscauw / und anderer nammhafftigen umligenden Fürstenthumb und stetten gelegenheit / Religion und seltzame gebreüch: Auch deß erschrockenlichen Großfürsten zu Moscauw härkom-
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Quellen
men, mannliche tathen, gewalt, un[d] lands ordnung, auff das fleyßigest ordenlichen begriffen: so alles biß här bey vns in Teütscher nation vnbekandt gewesen. Erstlich durch den wolgebornen herren Sigmunden Freyherren zu˚ Herberstein / Neyperg / vnd Gu˚tenhag ec. […] zu˚ latein beschriben […]. Basel 1563 (= VD16 H 2207). Pirckheimer, Willibald: [Schreiben an Ulrich von Hutten]. [Hs., undatiert = September 1518?]. (SB Nürnberg. PP 35). Spangenberg, Cyriacus: Adels Spiegel. Historischer ausführlicher Bericht: Was Adel sey vnd heisse / Woher er komme / Wie mancherley er sey / Vnd Was denselben ziere vnd erhalte / auch hingegen verstelle vnd schwäche. Desgleichen von allen Göttlichen / Geistlichen vnd weltlichen Ständen auff Erden / ec. wie solches alles der Innhalt nach der Vorrede namhafftig vnd in der ordnung zeiget. Dem gantzen Deutschen Adel zu besondern Ehren / aus etlich hundert Authorn mit grosser mühe vnd auffs fleissigste beschrieben / Durch M. Cyriacum Spangenberg. Schmalkalden 1591 (= VD16 S 7572). Spangenberg, Cyriacus: Ander Teil des ADELSSPIEGELS. Was Adel mache / befördere / ziere / vermehre / vnd erhalte: Vnd hinwider schwäche / verstelle / vnd verringere. Darinnen auch am Adler / vnd sonst / durch vielfeltige vnd mancherley Vermanung vnd Warnung / in Sprüchen vnd Exempeln / ein schöner REGENTENSPIEGEL Allen in der Obrigkeit / in allen löblichen Tugenden / aus Gottes Wort furgestellet wird / Durch M. Cyriacum Spangenberg. Schmalkalden 1594 (= VD16 S 7473). Valvasor, Johann Weichard von: Die Ehre des Herzogthums Krain. Bd. 3. Laibach, Nürnberg 1689. Wernher, Georg: De admirandis Hvngariae aquis hypomnemation ad generosvm et vere magnificivm d. Sigismundum in Herberstain […]. Wien 1551 (= VD16 W 2017). Wurmbrandt-Stuppach, Johann Wilhelm Graf: Collectanea genealogico-historica ex archivo inclytorum Austriae inferioris statuum ut ex aliis privatis scriniis documentisque originalibus excerpta. Wien 1705.
2.2.
Gedruckte Quellen
Amsterdamer Ausgabe (ASD) = Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami recognita et adnotatione critica instructa notisque illustrata. Amsterdam 1969ff. Angermeier, Heinz (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten. Mittlere Reihe. 5 (1495) (= RTA MR 5). Hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Göttingen 1981. [Anon.]: Die Aufzeichnungen des Siegmund von Gebsattel über die Turniere von 1484– 1487. In: Anzeiger für die Kunde der deutschen Vorzeit. N. F. 1 (1853), S. 67–69. Arnold, Ipoly (Hg.): Zierotin K#roly napljja 8s Rimay J#nos leveleskönyve. Budapest 1887. Bär, Max (Hg.): Lupold von Wedels Beschreibung seiner Reisen und Kriegserlebnisse 1561–1606. Nach der Urhandschrift herausgegeben und bearbeitet. Stettin 1895. Barberis, Walter (Hg.): Baldesar Castiglione: Il libro del Cortegiano. Turin 1998. Becker, Moritz Alois: Aus dem Tagebuch eines österreichischen Edlen. In: Blätter des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich. N. F. 12 (1878), S. 18–37. Blanchard, Jo[l (Hg.): Philippe de Commynes: M8moires. Bd. 1: Introduction, 8dition des livres I / VIII. (= Textes Litt8raires FranÅais). Genf 2007.
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