Atypische Kausalverläufe in objektiver Zurechnung und subjektivem Tatbestand: Zugleich ein Beitrag zur Rechtsfigur des Irrtums über den Kausalverlauf [1 ed.] 9783428527267, 9783428127269

Im Zuge der Abhandlung wird die Fragestellung untersucht, wie sich Konstellationen sog. atypischer Kausalverläufe sachge

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German Pages 291 Year 2008

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Atypische Kausalverläufe in objektiver Zurechnung und subjektivem Tatbestand: Zugleich ein Beitrag zur Rechtsfigur des Irrtums über den Kausalverlauf [1 ed.]
 9783428527267, 9783428127269

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 198

Atypische Kausalverläufe in objektiver Zurechnung und subjektivem Tatbestand Zugleich ein Beitrag zur Rechtsfigur des Irrtums über den Kausalverlauf

Von

Florian Block

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

FLORIAN BLOCK

Atypische Kausalverläufe in objektiver Zurechnung und subjektivem Tatbestand

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 198

Atypische Kausalverläufe in objektiver Zurechnung und subjektivem Tatbestand Zugleich ein Beitrag zur Rechtsfigur des Irrtums über den Kausalverlauf

Von

Florian Block

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Werner Beulke, Passau Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-12726-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort der Herausgeber Die „Strafrechtlichen Abhandlungen, Neue Folge“ wurden 1968 von Eberhard Schmidhäuser aufgrund eines Beschlusses der Strafrechtslehrertagung in Heidelberg 1966 begründet. 1986 wurde der Erstunterzeichnete von den deutschen Strafrechtslehrern und -lehrerinnen zum Mitherausgeber bestellt. Diese Mitherausgeberschaft setzte mit dem 62. Band ein. Aufgrund eines Beschlusses der deutschen Strafrechtslehrer und -lehrerinnen auf der Strafrechtslehrertagung in Osnabrück 2007 wurde nunmehr der Zweitunterzeichnete als Mitherausgeber aufgenommen. Die beiden Herausgeber werden sich bemühen, das große Ansehen der Reihe im In- und Ausland zu erhalten. Regensburg und Kiel, im Juni 2007

Friedrich-Christian Schroeder Andreas Hoyer

Meinen Eltern

Vorwort Zuvorderst gilt mein ganz besonderer Dank meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Werner Beulke, der auch das Thema dieser Arbeit angeregt hat und sofort meine Begeisterung daran zu wecken vermochte. Im Vorfeld und während der Erstellung der vorliegenden Arbeit hat er mich immer mit einem offenen Ohr, zielführenden Hinweisen und insbesondere jeglicher inhaltlichen Freiheit unterstützt. Zu Dank bin ich ihm auch ob unserer Gespräche und Diskurse über diese und andere Inhalte verpflichtet – sie waren mir immer eine bereichernde Freude. Mein Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Bernhard Haffke für die sehr zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für die Aufnahme in vorliegende Reihe ihren Herausgebern, insbesondere Herrn Professor Dr. Andreas Hoyer. Für „richtungsweisende“ Gespräche im Vorfeld dieser Arbeit, seinen hochgeschätzten Rat und sein Interesse danke ich auch Herrn Professor Dr. Marc Oliver Bettzüge. Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern, denen ich die Erstellung der Arbeit und so vieles Mehr verdanke. Sie haben mich immer in jedem erdenklichen Ausmaß – nicht nur im Zuge des Verfassens dieser Arbeit – unterstützt. Zu guter Letzt möchte ich mich noch bei Freunden bedanken, die mir während des Verfassens der Arbeit häufig zugehört und die mich durch Korrekturlesen unterstützt haben, bei Benedikt von Kontz und Michael Sacher, sowie bei Jakob von Hoerner, Dirk von Padberg, York von Rittberg, Caroline Theil, Nadim Younes und Eva Maria Zeiser. Vorliegende Arbeit wurde im Juli 2007 von der juristischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen. München im Januar 2008

Florian Block

Inhaltsverzeichnis A. Einleitende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

B. Relevante Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

C. Überlegungen zum strafrechtlichen Verhaltensbegriff und zur Kausalität . . . . . . .

25

I. Der zugrundegelegte Verhaltensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

II. Bestimmung von Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

1. Äquivalenztheorie i. w. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

a) Äquivalenztheorie i. e. S. – Die conditio-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

aa) Herkunft und Grundaussage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

bb) Kritik hinsichtlich der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unklare Bedingungszusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Problematische Fallkonstellationen im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unterlassen und Abbruch rettender Kausalverläufe . . . . . . . . . (b) Hypothetische und alternative Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Hypothetische Kausalverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Alternative Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 31 33 33 35 35 37

b) Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

c) Lösungsansätze auf Grundlage der Äquivalenztheorie im Übrigen . . . . . . .

43

aa) Der konkrete Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

bb) Atypische Kausalverläufe und atypische Konstitution des Opfers . . .

46

cc) Dazwischentreten anderer Personen – Regressverbot? . . . . . . . . . . . . . . .

47

dd) Abbruch der Kausalkette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

d) Zur Notwendigkeit haftungsbeschränkender Korrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

2. Adäquanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

3. Relevanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

III. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

D. Die objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

I. Herkunft und Entwicklung der Rechtsfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

1. Die Grundformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

12

Inhaltsverzeichnis 2. Lösungsprinzipien und Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

a) Schaffung einer relevanten Gefahr – Reichweite des erlaubten Risikos . . .

59

aa) Mangelnde Gefahrschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

bb) Das erlaubte Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

cc) Beurteilungsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

dd) Abgrenzung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

b) Risikoverringerung und Risikomodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

aa) Schlichte Risikoverringerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

bb) Risikomodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

c) Schutzzweck der verletzten Sorgfaltsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

aa) Das Lösungsprinzip und seine Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

bb) Abgrenzung zum Schutzzweck des Tatbestands – Terminologie und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

d) Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit – Selbstschädigung und Fremdgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

aa) Mitwirkung an eigenverantwortlicher Selbstgefährdung . . . . . . . . . . . . . (1) Begründung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Voraussetzungen der Freiverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ausnahmen vom Zurechnungsausschluss? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 71 73 76

bb) Die sog. Retterfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

cc) Einverständliche Fremdgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

e) Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

aa) Die zugrundeliegende Konstellation und ihre Lösung . . . . . . . . . . . . . . .

80

bb) Beurteilungsbasis Risikoerhöhung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

3. Ergänzende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

a) Unvollständigkeit und Abgrenzung der bisherigen Darstellung . . . . . . . . . . .

83

b) Zur Berücksichtigung hypothetischen Geschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

1. Grundproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

2. Systematisierung der relevanten Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

a) Fälle des unbeeinflussten Erfolgseintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

b) Änderungen des Kausalverlaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

aa) Dazwischentreten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

bb) Atypisches Opferverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

3. Zurechnungs- bzw. Lösungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

a) Leistungsfähigkeit der Grundformel bei unbeeinflusstem Erfolgseintritt . .

90

aa) Ausgangspunkt: Definition der spezifischen geschaffenen Gefahr . . .

91

Inhaltsverzeichnis

13

bb) Kriterien zur Bestimmung der Gefahrverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . 93 (1) Erhöhung der Gefahr für den Eintritt des konkreten Erfolgs . . . . . 93 (2) Adäquanz im Sinne eines Wahrscheinlichkeitsurteils . . . . . . . . . . . 97 (3) Die Beherrschbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (4) Problematische Fälle im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (a) Atypische Konstitution des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (b) Kumulative Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Fälle des beeinflussten Erfolgseintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Dritte im Kausalverlauf – Die sog. Regressverbotsfälle . . . . . . . . . . . . . (1) Das Adäquanzkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Beherrschbarkeit bzw. Steuerbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der Vertrauensgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Abgrenzung von Verantwortungsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Fahrlässige Zweittat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 105 106 108 111 116

bb) Fälle per se pflichtwidrigen Vorverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zur Übertragbarkeit von Lösungsansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zentrale Kriterien zur Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Nachträgliches ärztliches Fehlverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119 119 122 124

IV. Differenzierung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Die These vom Plus-Minus Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Die These vom Aliud Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Die Problematik der Thesen und die Konsequenzen für die objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Die Unhaltbarkeit der strengen Aliud These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Die Problematik der zeitlichen Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 V. Abweichende Lösungswege – Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Die Kategorie des tatbestandsmäßigen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Die Kritik von Armin Kaufmann, Hilgendorf, Lampe, Samson und Struensee 143 a) Zusammenfassende Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Kritische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Die Kritik von Hans Joachim Hirsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Vorsätzliche Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Fahrlässige Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Die Ansicht der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

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Inhaltsverzeichnis VI. Weiterführendes Resümee – Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Zur vorgebrachten Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Terminologische Unterschiede beim fahrlässigen Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Wider der Flucht in den subjektiven Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Zur Bedeutung beim Vorsatzdelikt insbesondere beim Versuch . . . . . . . . . . . . . . 164 5. Konsequenzen für erfolgsqualifizierte Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand . . . . . 175 I. Verhältnis zum objektiven Tatbestand – verbleibende Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Der Gegenstand des Vorsatzes im Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Abgrenzung des Irrtums über den Kausalverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand – zur Möglichkeit eines Irrtums über den Kausalverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Der Kausalverlauf als Gegenstand des Vorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Der Kausalverlauf als formaler Vorsatzgegenstand – tatsächlich die objektive Zurechnung bzw. Teile davon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Der Ansatz von Jescheck / Weigend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Die Entscheidungsrolle der objektiven Zurechnung nach Krey . . . . . . . . . . . 184 c) Vorsatz bezüglich des Risikos als Essenz der Kausalität als Vorsatzgegenstand nach Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 d) Die Konzeption von Schroth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3. Der Kausalverlauf als objektiver Aspekt – Eingrenzung des Vorsatzes durch Bezug auf Elemente der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Rudolphis These von irgendeiner geschaffenen Gefahr als Vorsatzgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Das Bewusstsein der Erfolgstauglichkeit nach Schroeder . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Der Ansatz von Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 d) Der Ansatz von Wolter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 4. Das tatbestandsmäßige Verhalten als Bezugspunkt des Vorsatzes nach Frisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 5. Der Kausalverlauf als rein objektives Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 6. Mögliche Irrtümer über den Kausalverlauf als (rein) theoretische Option . . . . 206

Inhaltsverzeichnis

15

7. Kausalverlauf als objektives Problem mit der Möglichkeit eines weitergehenden Vorsatzausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Die Feststellung von Kühl als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Die Einschätzung von Cramer / Sternberg-Lieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Das Erfordernis der Vorsatzgefahr nach Puppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 d) Die Gefahr der tatbestandsmäßigen Abweichung nach Schlehofer . . . . . . . . 216 8. Das Kriterium der Planverwirklichung nach Roxin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 F. Weiterführende Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 I. Das Kongruenzerfordernis im Spannungsfeld tatsächlicher und vermeintlicher Tätervorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Die Problematik des Kausalverlaufs als Vorsatzgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Zur mangelnden Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Fehlende Berechtigung aufgrund von Sach- und Systemwidrigkeit . . . . . . . . . . 230 a) Der Kausalverlauf als lediglich ex post erfahrbare Sanktionsnorm . . . . . . . . 231 b) Präzise Tätervorstellungen und konsistente Lösungen – die Unhaltbarkeit als Vorsatzgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 III. Das Schaffen der unerlaubten Gefahr als Vorsatzgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 IV. Zur Notwendigkeit des tatbestandlichen Erfolgs als Vorsatzgegenstand . . . . . . . . . 238 V. Zur Ergänzung – Die dolus generalis Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 VI. Zur Bedeutung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Normative Tatbestandsmerkmale und objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 2. Behandlung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . 246 3. Übertragung auf Elemente der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 4. Umsetzung und Abgrenzung vom Verbotsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Die Abgrenzung im Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Übertragung auf die objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 5. Konsequenzen für Versuch und Wahndelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 G. Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 II. Konsistenz der eigenen Lösung aus Strafzweckgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere(r) Ansicht

Abs.

Absatz

a. E.

am Ende

a. F.

alte Fassung

ähnl.

ähnlich

AK

Alternativer Kommentar zum Strafgesetzbuch

Alt.

Alternative

AO

Abgabenordnung

AT

allgemeiner Teil

Aufl.

Auflage

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BayObLGSt

Entscheidungen des bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshof in Strafsachen

BT

besonderer Teil

BtMG

Betäubungsmittelgesetz

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

bzgl.

bezüglich

bzw.

beziehungsweise

ders.

derselbe

d. h.

das heißt

dies.

dieselbe

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

etc.

ecetera

evntl.

eventuell

f.

folgende(r)

ff.

fortfolgende(r)

FG

Festgabe

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GA

Goldthammer’s Archiv für Strafrecht

gem.

gemäß

Abkürzungsverzeichnis GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

ggf.

gegebenenfalls

GrS

Großer Senat in Strafsachen

GS

Gedenkschrift, Gedächtnisschrift

h. A.

herrschende Ansicht

h. L.

herrschende Lehre

h. M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

i. d. R.

in der Regel

i. e. S.

im engeren Sinn

inkl.

inklusive

insbes.

insbesondere

i. S.

im Sinne

i. S. v.

im Sinne von

i. V. m.

in Verbindung mit

i. w. S.

im weiteren Sinne

JA

Juristische Arbeitsblätter

JGG

Jugendgerichtsgesetz

JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

KG

Kammergericht

krit.

kritisch

LG

Landgericht

LK

Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch

LZ

Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

m.

mit

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m. E.

meines Erachtens

MK

Münchner Kommentar zum Strafgesetzbuch

MüKo

Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

n. F.

neue Fassung

NJW

Neue juristische Wochenschrift

NK

Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch

Nr.

Nummer

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NStZ-RR

Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report

17

18

Abkürzungsverzeichnis

NZV

Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

o.

oben

OGHSt

Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Strafsachen

OLG

Oberlandesgericht

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

RG

Reichsgericht

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

Rn.

Randnummer

Rspr.

Rechtsprechung

S.

Satz, Seite

s.

siehe

s. a.

siehe auch

SchwZStr

Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht

SK

Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch

s. o.

siehe oben

sog.

sogenannte(r)

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

StV

Strafverteidiger (Zeitschrift)

s. u.

siehe unten

u.

unten, und

u. a.

unter anderem, unter anderen

usw.

und so weiter

u. U.

unter Umständen

v.

vom, von

v. a.

vor allem

Var.

Variante

vgl.

vergleiche

VRS

Verkehrsrechts-Sammlung

wistra

Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

z. B.

zum Beispiel

zit.

zitiert

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

z. T.

zum Teil

zust.

zustimmend

zutr.

zutreffend

A. Einleitende Bemerkungen Atypizität ist ein scheinbar paradoxer Begriff. Trotz des Namens kommt das Phänomen immerhin so oft vor, dass man ihm eine Bezeichnung hat zukommen lassen. Jeder Einstufung als atypisch, d. h. ungewöhnlich oder auch selten, liegen Kenntnisse über naturwissenschaftliche Gesetze oder – wo diese nicht gesichert oder zu kompliziert sein mögen – logische Schlussfolgerungen und plausible Annahmen zugrunde. Dies gilt auch für die Herbeiführung strafrechtlich relevanter Erfolge. Die Planung des Täters orientiert sich an dem Maßstab dessen, was üblicher- bzw. konsequenterweise zu erwarten ist, genauso wie dies die externe Wahrnehmung und Beurteilung der Geschehnisse dahingehend tut, ob ein bestimmter Erfolg auf außergewöhnlichem Weg eingetreten ist. Gelegentlich jedoch treten zwischen einer Handlung und einem Erfolg völlig ungewöhnliche Ereignisse ein, die schließlich den erwarteten Erfolg zwar herbeiführen, jedoch auf ganz andere Art und Weise. Dies kann durch eine Verkettung ungewöhnlicher Umstände genauso bewirkt werden, wie durch eine seltene Konstitution des Opfers oder dessen völlig ungewöhnliches Verhalten. Auch können Außenstehende bewusst oder unbewusst in das Geschehen eingreifen und diesem, wenn auch keine Wende im Ergebnis, so doch einen ganz anderen Verlauf dahin geben. Wie ist jedoch mit solchen ungewöhnlichen Wegen zum Erfolg, d. h. dem atypischen Eintritt von Erfolgen, auch als atypische Kausalverläufe bezeichnet, umzugehen? Zuallererst stellt sich intuitiv die Frage, wie das „richtige“ Ergebnis auszusehen hat, d. h. ob sich der Täter strafbar gemacht hat. Zwar ist dies die verständlicherweise nächstliegende und im Ergebnis selbstverständlich zentrale Frage. Um jedoch nicht im Einzelfall das Gefühl über eben diesen entscheiden zu lassen, sondern größtmögliche Vorhersagbarkeit der Antwort auf die Frage nach anzuwendenden Strafvorschriften zu finden, bedarf es systematischer Kriterien. In den Mittelpunkt gerät die Frage, wonach sich die Strafbarkeit bei unerwarteten Wegen zum relevanten Erfolg richtet. Bedarf es aufgrund der Atypizität des Geschehens auch ungewöhnlicher Lösungsansätze bzw. der sprichwörtlichen ungewöhnlichen Maßnahmen wegen der

20

A. Einleitende Bemerkungen

ungewöhnlichen Situation? Oder müssen sich grundsätzliche Lösungen und ihre Kriterien nicht vielmehr gerade in ungewöhnlichen Konstellationen bewähren? Die strafrechtliche Prüfungssystematik basiert auf einer bestimmten Prüfungsreihenfolge, im Zuge derer die jeweiligen Voraussetzungen der Prüfungsstufen kumulativ vorliegen müssen, um zur Strafbarkeit eines Täters zu führen. Nimmt man dieses Vorgehen, das dem Grunde nach einer Art sich verengendem, restriktiver werdendem Filter entspricht, ernst, so muss man präzise prüfen, warum welche Voraussetzungen der Strafbarkeit vorliegen. Umgekehrt ist dementsprechend im Falle der Verneinung einer Strafbarkeit zu bestimmen, welche Voraussetzung gerade nicht vorliegt. Dies gilt umso mehr, als dass sich aus der Antwort auf die Frage, warum beispielsweise ein vollendetes, vorsätzliches Begehungsdelikt abzulehnen ist, Konsequenzen für die Strafbarkeit aus Versuch und Fahrlässigkeit ergeben (können). Ist der Erfolg einer Tat beispielsweise nicht mehr dem Täter als sein Werk zuzurechnen, sondern Folge von Unglück oder das Werk eines Dritten, so stellt sich die Frage, ob dies die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit präjudiziert. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit zu identifizieren, welche Fallgruppen im Rahmen der Problematik der atypischen Kausalverläufe relevant sind und daran anschließend die vorgefundenen Lösungen zu analysieren sowie sodann Kriterien zur sachgerechten Lösung zu entwickeln. Im Zentrum stehen dabei Verletzungsdelikte in Form der Begehungsdelikte. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Verhältnis von objektivem und subjektivem Tatbestand zueinander. Handelt es sich im Kern ausschließlich um ein Problem des objektiven Tatbestands oder kommt dem subjektiven Tatbestand die zentrale Rolle zur Lösung des Problems zu? Ist im Falle einer Exklusivität beider Prüfungspunkte zueinander die Behandlung im jeweils anderen Punkt infolgedessen nur überflüssig oder aufgrund von Systemwidrigkeit schlicht falsch? Vielleicht greifen aber auch objektive und subjektive Aspekte ineinander und ist nur auf diese Weise eine richtige Lösung zu erreichen. Daran anknüpfend ist zu analysieren, ob es bei einem solchen Vorgehen einen Schwerpunkt im objektiven oder subjektiven Tatbestand gibt und wo dieser ggf. zu setzen ist. Wesentliches Kriterium und Zielsetzung einer richtigen Lösung ist es, dogmatische Rechtfertigung, logische Konsistenz und rechtspolitische Folgen bzw. Gerechtigkeitsempfinden zu beurteilen und schließlich in Einklang zu bringen. Daher sollen im Folgenden zunächst einige Fälle dargestellt werden, die in diesem Zusammenhang immer wieder diskutiert werden. Sodann ist zu bestimmen, wann von strafrechtlich relevantem menschlichem Verhalten auszugehen ist und wann ein bestimmter Erfolg trotz der Ungewöhnlichkeit als auf diesem Verhalten beruhend, d. h. als kausal anzusehen ist.

A. Einleitende Bemerkungen

21

Ob und unter welchen Voraussetzungen auf kausalem Verhalten beruhende Erfolge dem Täter darüberhinaus zuzurechnen sind, wird im darauffolgenden Abschnitt untersucht. Im Zuge dessen stehen die sog. Lehre von der objektiven Zurechnung sowie die Kriterien der Zurechnung speziell atypischer Kausalverläufe aber auch die an der Lehre geübte Kritik und alternative Lösungskonzeptionen zur Zurechnung im Vordergrund. Daraufhin wird die Bedeutung atypischer Kausalverläufe mit Blick auf die Rolle der objektiven Zurechnung insgesamt für den Vorsatz untersucht. Im Zuge dessen wird die Existenz und Berechtigung der Rechtsfigur des sog. Irrtums über den Kausalverlauf analysiert. Auf der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der hierzu geäußerten Meinungen aufbauend werden sodann Kriterien zur sachgerechten Behandlung dieses Problemkreises im subjektiven Tatbestand abgeleitet. Dabei wird auch untersucht, ob die Verwendung des Terminus vom Irrtum über den Kausalverlauf überhaupt berechtigt und zielführend ist.

B. Relevante Fallgruppen Zur Ermöglichung einer systematischen Darstellung und zur besseren Nachvollziehbarkeit sollen an dieser Stelle einige Fälle eingeführt werden. Diese sind im Ergebnis ihrer Lösung teils umstritten teils nicht. Hinsichtlich des Lösungswegs bzw. der entscheidenden Stelle im Prüfungsaufbau herrscht jedoch vielfach lebhafter Streit. Fall 11: A vergiftet das Opfer O mit einem langsam wirkenden Gift. Es hat bereits zu wirken begonnen, da gibt B dem O gleichfalls eine tödlich wirkende Dosis. An beiden verstirbt O – Giftfall. Abwandlung: Noch bevor das Gift des A zu wirken beginnt, vergiftet B den O, der nur daran stirbt. Fall 22: Der Neffe überredet seinen Onkel zu einer Flugreise in der Hoffnung, der Onkel werde bei einem Absturz ums Leben kommen. So geschieht es dann auch – Flugreisefall. Der Neffe überredet seinen Onkel, bei einem Gewitter auf das Feld hinauszugehen, damit dieser vom Blitz erschlagen werde. So kommt es schließlich – Gewitterfall. Fall 33: Der stark kurzsichtige A will das Opfer O in einen Swimmingpool werfen und erwartet dort einen für O schmerzhaften Aufprall auf das Wasser. A stößt den O hinein, aber übersieht aufgrund seiner Kurzsichtigkeit, dass sich kein Wasser im Pool befindet. Der Sturz wird lebensgefährlich, weil O auf den bloßen Grund des Beckens aufprallt – Poolfall. Fall 44: A verletzt den O vorsätzlich leicht, so dass es zu einer Blutung kommt. Aufgrund der Tatsache, dass O Bluter ist, stirbt er – Bluterfall. Fall 55: A will den O im Fluss ertränken und stürzt ihn eine Brücke hinunter. Jedoch ertrinkt O nicht, sondern zerschellt auf einem Brückenpfeiler – Brückenpfeilerfall. Häufig bemühter Fall, vgl. z. B. Roxin AT I, § 11 Rn. 25, 30; Wessels / Beulke AT, Rn. 167. Diese Konstellation wird als „Schulfall“ bezeichnet, vgl. z. B. Kühl AT § 4 Rn. 29 m. w. N.; diese Fälle werden zusammenfassend auch als Erbonkelfälle bezeichnet. 3 Der Fall stammt von Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 175. 4 Vgl. bereits den Fall in RGSt 54, 349. 5 Sehr häufig bemühter Fall, vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 70; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 610, nennt diesen Fall „schon fast legendär“. 1 2

B. Relevante Fallgruppen

23

Abwandlung: O zerschellt nicht auf einem Brückenpfeiler, sondern auf Deck eines unter der Brücke hindurchfahrenden Schiffes. Fall 6a6: A sticht in Tötungsabsicht auf O ein, der nur durch einen glücklichen Zufall, wenn auch verletzt, überlebt. Auf dem Weg ins Krankenhaus stirbt O durch einen Verkehrsunfall mit einem LKW, den der Fahrer fahrlässig verursacht hat – Krankenwagenfall. Abwandlung I: Der Unfall wurde nicht fahrlässig, sondern durch eine nicht vorhersehbare Ursache hervorgerufen, z. B. einen Ölfilm auf der Straße. Abwandlung II: Der Unfall wurde vom LKW Fahrer vorsätzlich herbeigeführt. Fall 6b7: Das Opfer der Messerattacke stirbt bei einem Krankenhausbrand – Krankenhausbrandfall. Fall 78:

Das Opfer stirbt im Krankenhaus an einer nicht sorgfaltswidrig verursachten Wundinfektion – Wundinfektionsfall. Abwandlung: Das Opfer stirbt an einem fahrlässigen ärztlichen Kunstfehler – Kunstfehlerfall.

Fall 89:

A schlägt O ohne Tötungsvorsatz mit einem Hartgummihammer auf den Kopf und verletzt ihn tödlich. Er hält ihn für tot und macht sich mit dem Wohnungsschlüssel davon. Auf der Straße trifft er seinen Verwandten V und erzählt ihm, er habe O erschlagen. V glaubt ihm nicht, lässt sich den Schlüssel geben, geht zur Wohnung und findet O, den er gleichfalls irrtümlich für tot hält. Zur Vortäuschung eines Selbstmords hängt er O auf und dieser findet dabei den Tod – Gummihammerfall.

Fall 910:

Das durch eine Messerattacke lebensgefährlich verletzte Opfer stirbt, weil es sich einer notwendigen Operation bzw. einer Bluttransfusion verweigert – Operationsfall.

Fall 1011: A und B verfolgen in gesteigertem Ausländerhass das Opfer O, um es zu misshandeln. Zunächst verfolgen sie es per PKW und dann zu Fuß. Das Opfer flieht vor seinen Verfolgern. Um sich verstecken zu können, tritt O in Todesangst die Glastüre eines Hauses ein. Beim Hindurchklettern durch den Türrahmen schneidet sich O und verblutet an diesem Schnitt wenig später – Gubener Hetzjagdfall. Ein sog. Schulfall, vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 29 sowie Wessels / Beulke AT, En. 152 Fall 6b). Ein weiterer Schulfall, vgl. Roxin AT I, Rn. 78. 8 Fall bei Wessels / Beulke AT, Rn. 152 Fall 6:a). 9 Verkürzter Sachverhalt nach BGH NStZ, 1992, S. 333. 10 Vgl. OLG Celle StV 2002, 366 bzw. Kühl AT § 4 Rn. 31. 11 Verkürzte Darstellung des Sachverhalts des Urteils des BGH vom 9. 10. 2002 – 5 StR 42 / 02, NJW 2003, S. 150 – sog. Gubener Hetzjagd. 6 7

24

B. Relevante Fallgruppen

Fall 1112: A wollte das Opfer O ersticken und war der Ansicht, damit bereits Erfolg gehabt zu haben. Er versenkte die vermeintliche „Leiche“ in einer Jauchegrube, in der es tatsächlich den Tod fand – Jauchegrubenfall.

12

Stark verkürzter Sachverhalt nach BGHSt 14, 193; sog. Jauchegrubenfall.

C. Überlegungen zum strafrechtlichen Verhaltensbegriff und zur Kausalität Um überhaupt Aussagen zur Strafbarkeit bzw. Strafwürdigkeit von Sachverhalten treffen zu können, sind zunächst diejenigen Geschehnisse abzugrenzen, die überhaupt als für einen Erfolg kausales menschliches Verhalten aufzufassen sind. In Rechtsprechung und Literatur herrscht keine vollständige Einigkeit darüber, was als Verhalten aufzufassen und wie Kausalität zu definieren ist. Im Folgenden soll daher das in dieser Arbeit Anwendung findende Verständnis von relevantem menschlichem Verhalten, der Kausalität eben dieses Verhaltens sowie das Verhältnis beider Begriffe zueinander geklärt werden.

I. Der zugrundegelegte Verhaltensbegriff Üblicherweise definiert man ein Verbrechen bzw. eine Straftat als eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung. Diese Definition geht auf Beling1 zurück und ist heute „fast allgemein anerkannt“2. Aus der Definition folgt, dass erste Stufe jeder Prüfung der Strafbarkeit die Frage nach dem Vorliegen einer menschlichen Handlung ist. Was jedoch als Handlung in diesem Sinne zu verstehen ist, wird keineswegs einheitlich beurteilt. Der außerordentlich umfangreiche, ja „uferlose Streit“3, um den zutreffenden strafrechtlichen Handlungsbegriff kann und soll hier nicht in seiner ganzen Breite dargestellt werden.4 Für die vorliegende Untersuchung ist es nicht erforderlich eine Analyse und Einordnung der Diskussion um den Begriff vorzunehmen. Dies gilt umso mehr, wenn man der Einschätzung folgt, dass die „Würfel der strafrechtlichen Dogmatik“ nicht in der Handlungslehre fallen, sondern erst bei Tatbestandsmäßigkeit und Schuld.5 Entscheidend ist für diese Arbeit Vgl. Beling, Die Lehre vom Verbrechen, 1906, S. 7. So NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 3; vgl. auch Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 12; kritisch zu dieser Definition aber z. B. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 4 sowie zu weiteren Verbrechensbegriffen MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 7 ff. 3 So SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 32 m. w. N. 4 Darstellungen finden sich u. a. bei NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 41 ff. sowie bei Roxin AT I, § 8 Rn. 7 ff., 51 ff., jeweils m. w. N. 5 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 37; ähnlich Kühl AT, § 2 Rn. 1, der die Abnahme der Bedeutung des Streits um die Handlungslehren im Vergleich zu früheren Jahren konstatiert und Unrecht und Schuld als die bei weitem wichtigeren Deliktskategorien ansieht – entsprechend knapp ist die Darstellung der Handlungslehren ausgefallen. 1 2

26

C. Überlegungen zum strafrechtlichen Verhaltensbegriff und zur Kausalität

nicht, ob eine und bejahendenfalls welche Handlungslehre welche gewünschten Funktionen6 erfüllt bzw. erfüllen kann. Vielmehr kommt es vorliegend darauf an, welche Sachverhalte noch als menschliches Verhalten bzw. Handlung angesehen werden bzw. welche eben auf dieser Stufe bereits auszuscheiden sind, d. h. im Zentrum steht die Differenzierung zwischen Handlung und Nichthandlung. Diese Funktion wird nicht ganz einheitlich als Begrenzungsfunktion7, oder als Grenzelement bzw. Abgrenzungsfunktion8 bezeichnet. Jedenfalls soll auf diese Weise sichergestellt werden, dass ein tauglicher Gegenstand strafrechtlicher Bewertung vorhanden ist9 bzw. dass dasjenige ausgeschlossen wird, das unabhängig vom Tatbestand von vornherein nicht für eine strafrechtliche Beurteilung in Betracht kommt.10 Für diese Selektion von Sachverhalten ist es nicht entscheidend, ob man darin die einzig mögliche bzw. gegebene Funktion des Handlungsbegriffs sieht. Vielfach wird diese Frage bejaht.11 Die Reduktion des Handlungsbegriffs auf diese eine Funktion ist als zu eng kritisiert worden, weil offen bleibe, was eine Handlung an sich und damit unweigerlich auch was eine tatbestandsmäßige Handlung sei.12 Auch wenn diese Kritik sowohl logisch als auch dogmatisch Vieles für sich hat, so kommt es für die vorliegende Arbeit auf eine Streitentscheidung diesbezüglich nicht an. So herrscht im Ergebnis weitgehende Einigkeit darüber, welche Sachverhalte mangels Handlungsqualität keiner weiteren strafrechtlichen Beurteilung mehr bedürfen. Darunter fallen alle Wirkungen, die von Tieren ausgehen, Akte juristischer Personen13, durch vis absoluta, d. h. unwiderstehliche Gewalt, ausgelöste Bewegungen, reine Reflexbewegungen sowie Bewegungen in Schlaf und Bewusstlosigkeit.14 Übergreifend lässt sich sagen, dass solche Sachverhalte ausgeschieden werden, die ohne Mitwirkung der geistigen Kräfte des Menschen15 erfolgen bzw. die 6 Zu den Funktionen des Handlungsbegriffs ausführlich NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 31 ff. sowie Roxin AT I, § 8 Rn. 1 ff. 7 So NK-Puppe,Vor § 13 Rn. 34. 8 So Roxin AT I, § 8 Rn. 4; ganz ähnlich Kühl AT, § 2 Rn. 3. 9 Vgl. Kühl AT, § 2 Rn. 3. 10 Vgl. Roxin AT I, § 8 Rn. 4; ähnlich Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 37, jeweils m. w. N. 11 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 37 m. w. N. 12 So bereits Arthur Kaufmann, Mayer-FS, 1965, S. 81; ebenso Wessels / Beulke AT, Rn. 86. 13 Zwar kennt das deutsche Recht in § 30 OWiG Nebenfolgen in Form von Geldbußen gegen juristische Personen, im Strafrecht jedoch ist eine juristische Person selbst nicht geeigneter Täter mangels eigener Handlung. Vgl. Roxin AT I, § 8 Rn. 60 mit Hinweis auf andere Rechtsordnungen. 14 Vgl. die im Ergebnis übereinstimmenden Aufzählungen bei Roxin AT I, § 8 58 ff.; Kühl AT, § 2 Rn. 4 ff.; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem § 13 ff. Rn. 37; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 21; Wessels / Beulke AT, Rn. 94 ff.; Baumann / Weber / Mitsch AT, § 13 Rn. 28 ff. 15 So Kühl AT, § 2 Rn. 4, m. w. N.

II. Bestimmung von Kausalität

27

rein mechanisch bestimmt und folglich nicht zurechenbar sind16. Umstritten ist die Handlungsqualität in Grenzfällen wie etwa bei Kurzschlusshandlungen und Schreckreaktionen (im Gegensatz zu reinen Reflexen). Die Übergänge sind fließend und für die vorliegende Untersuchung unerheblich. Es sind mithin wenige Fälle, die an dieser Stelle der strafrechtlichen Prüfung ausgeschieden werden können bzw. müssen. Folglich wird diesem Prüfungsschritt nur die Funktion einer „ersten Prüfstelle zur Ausgrenzung des Zufalls“17 zugesprochen bzw. allen Handlungsbegriffen für die Strafbarkeitsfrage eine „äußerst begrenzte Selektionsleistung“ attestiert.18 In allen im Abschnitt B aufgeworfenen Fällen ist die Handlungsqualität unter Berücksichtigung der gerade erwähnten Fallgruppen unzweifelhaft, die Selektionsfunktion des Handlungsbegriffs kommt nicht zum Tragen und folglich ist eine weitere Problematisierung an dieser Stelle nicht von Nöten.

II. Bestimmung von Kausalität Bei Erfolgsdelikten ist durch die Tatsache, dass es sich bei den Geschehnissen um Verhalten bzw. Handeln des Täters handelt, für die Frage nach der Strafbarkeit dieses Verhaltens nicht viel gewonnen. Sie setzen zunächst weiterhin voraus, dass der Täter einen im gesetzlichen Tatbestand näher umschriebenen Erfolg verursacht hat, d. h. sein Verhalten kausal für den eingetretenen Erfolg ist. Nur dann kommt überhaupt eine Strafbarkeit in Betracht. Anders liegt dies bei sog. reinen Tätigkeitsdelikten, hier wird neben einem bestimmten, tatbestandlichen Verhalten kein darüberhinaus gehender Erfolg vorausgesetzt.19 Auf dessen kausale Verwirklichung kann es folglich nicht ankommen. Wie der Begriff der Kausalität zu definieren ist, stellt dem Grunde nach eine philosophische und folglich umstrittene Frage dar, die an dieser Stelle nicht erörtert werden kann. Richtigerweise wird man im Bereich des Strafrechts davon ausgehen können, dass unter Kausalität lediglich eine bestimmten Gesetzmäßigkeiten folgende Erscheinung zu verstehen ist und es sich damit in erster Linie um eine empirische Frage handelt. Kausalität betrifft damit die Voraussagbarkeit bzw. Erklärbarkeit von aufeinander folgenden Ereignissen.20 Dies ist nicht unbedingt mit dem Begriffspaar „Ursache und Wirkung“ gleichzusetzen, denn das, was tatsächlich wirkt, kann eine Vielzahl von Faktoren sein, auf die es nur in ihrer Ge16 So Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem § 13 ff. Rn. 37; ähnliche Formulierungen finden sich auch bei Roxin AT I, § 8 Rn. 44; Baumann / Weber / Mitsch AT § 13 Rn. 28 sehen den Ausschluss der Willkürlichkeit als entscheidend an. 17 Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, 1990, S. 206. 18 Schünemann, Roxin-Symposium, 1995. 19 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 153. 20 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 4 f.

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C. Überlegungen zum strafrechtlichen Verhaltensbegriff und zur Kausalität

samtheit bzw. eben in ihrem Ergebnis ankommt. Gleichwohl ist die Gleichsetzung dieser Begriffe mit der Funktion der Kausalität unschädlich, letztendlich steht die Identifikation der zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten im Vordergrund. Eine andere Ansicht fasst den Begriff der Kausalität deutlich enger, indem Kausalität als real wirkende Energiequelle, d. h. als sog. Wirkkraft verstanden wird.21 Roxin weist zu Recht darauf hin, dass die praktische Bedeutung dieser Differenzierung insbesondere im Fall eines Unterlassens Bedeutung erlangt.22 Für die vorliegenden Fallgestaltungen spielt dieser Streit keine Rolle und wird daher nicht weiter thematisiert. Von erheblicher Bedeutung jedoch ist, wie sich der oben angesprochene Gesetzmäßigkeitszusammenhang, d. h. das Vorliegen von Kausalität in obigem Sinn, bestimmen lässt. Hierzu werden verschiedene – teils konträre – Standpunkte vertreten, die im Folgenden dargestellt werden. Diese Theorien dienen allesamt dazu, den Begriff der Kausalität auszufüllen bzw. kausales Verhalten festzustellen, sie dienen nicht der Definition der Kausalität, sondern setzen diese Kausalitätsdefinition voraus. 1. Äquivalenztheorie i. w. S. Im Folgenden soll zunächst auf die sog. Äquivalenztheorie eingegangen werden. Die Terminologie in der Literatur ist nicht einheitlich. Während einige Stimmen unter dem Begriff der Äquivalenztheorie nur die sogenannte conditio-Formel [siehe dazu sogleich unten Abschnitt C.II.1.a)] verstehen, beides also gleichsetzten23, verstehen andere Autoren den Terminus Äquivalenztheorie als Oberbegriff für die conditio-Formel und die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung [siehe zu dieser unten C.II.1.b.)].24 Im Folgenden wird zur besseren Unterscheidung und Vermeidung von Irritationen von Äquivalenztheorie als Oberbegriff ausgegangen und die conditio-Formel als Äquivalenztheorie i. e. S. bezeichnet. a) Äquivalenztheorie i. e. S. – Die conditio-Formel aa) Herkunft und Grundaussage Nach der conditio-sine-qua-non-Formel ist als Ursache jede Bedingung anzusehen, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt.25 Dies 21 So Pérez-Barberá ZStW 114 (2002), S. 603; ähnlich Haas, Kausalität und Rechtsverletzung, 2002, S. 193 f. 22 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 5. 23 So beispielsweise Wessels / Beulke AT, Rn. 156, 168a; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 39, 41 f. 24 Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 12; Roxin AT I, § 11 Rn. 6, 15; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 75. 25 Vgl. dazu Kühl AT, § 4 Rn. 9.

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stellt eine Art Grundformel dar. Sie hat aufgrund der Schwierigkeiten, die bei der sachgerechten Lösung bestimmter Sachverhaltskonstellationen auftreten, Erweiterungen erfahren. Diese Erweiterungen dienen dazu, erkannte Schwächen zu kompensieren und sollen daher auch erst im Zusammenhang mit der Analyse dieser Schwächen im folgenden Abschnitt erläutert werden. Die conditio-Formel geht auf Glaser26 und v. Buri 27 zurück.28 Bei ersterem ist bereits Mitte des vorletzten Jahrhunderts der für die conditio-Formel zentrale Ansatz des Hinwegdenkens zu lesen: „Es gibt [ . . . ] für die Prüfung des Kausalzusammenhangs einen sicheren Anhaltspunkt; versucht man es, den angeblichen Urheber ganz aus der Summe der Ereignisse hinwegzudenken, und zeigt sich dann, dass nichtsdestoweniger der Erfolg eintritt, [ . . . ] so ist klar, dass die Tat und deren Erfolg nicht auf die Wirksamkeit dieses Menschen zurückgeführt werden können“.29 Die conditio-Formel hat sich früh in der Rechtsprechung durchgesetzt. Bereits RGSt, 1, 373 bedient sich der Logik dieses Ansatzes, ohne die Terminologie des „Hinwegdenkens“ zu verwenden. Sie findet sich erstmals in RGSt 44, 139 im Jahre 1910, wenn das Reichsgericht konstatiert: „Eine Körperverletzung mit tödlichem Erfolge liegt nur vor, wenn die Körperverletzung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass gleichzeitig der tödliche Erfolg beseitigt wird“. Diese Formel ist danach in vielen Entscheidungen des Reichsgerichts verwendet worden30 und in der Rechtsprechung seit der Übernahme der conditio-Formel zur Kausalitätsfeststellung seitens des Bundesgerichtshofs in BGHSt 1, 332 (im Leitsatz) unangefochten.31 Es wird deutlich, dass die conditio-Formel auf einem „hypothetische[n] Eliminationsverfahren“32 beruht, im Zuge dessen stets danach zu fragen ist, was passiert wäre, falls der Täter nicht gehandelt hätte. Das so gefundene Ergebnis ist dann mit dem eingetretenen Sachverhalt zu vergleichen. Das diesem Verfahren immanente wesentliche Charakteristikum und damit zugleich der mit ihrer Hilfe gewonnen Ergebnisse ist, dass alle Bedingungen eines Erfolges als vollkommen gleichwertig angesehen werden. Es wird keine wie auch 26 Vgl. Glaser, Abhandlungen aus dem österreichischen Strafrecht, Bd. I, 2.Abhandlung, 1858, S. 298. 27 Vgl. v. Buri, Zur Lehre von der Teilnahme an dem Verbrechen und der Begünstigung, 1860, sowie ders., Über die Causalität und deren Verantwortung, 1873. 28 Zur den ersten Ansätzen bzw. der frühen Entwicklung der conditio-Formel siehe auch Haas, Kausalität und Rechtsverletzung, 2002, S. 114 f.; zu späteren Entwicklung Spendel, Die Kausalitätsformel der Bedingungstheorie für die Handlungsdelikte, 1948, S. 14 – 26. 29 Glaser, Abhandlungen aus dem österreichischen Strafrecht, Bd. I, 2.Abhandlung, 1858, S. 298. 30 Beispielweise in: RGSt 44, 244; 56, 348; 57, 394; 58, 368; 66, 184; 69, 47. 31 Vgl. u. a. BGHSt 2, 24; 7, 112; 24, 34; 31, 98; 33, 322; 45, 294 f.; 49, 3; BHG NJW 2002, S. 1644. 32 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 73.

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immer geartete Auswahl getroffen und nicht etwa danach differenziert, inwiefern eine Bedingung näher am Erfolg ist oder weiter entfernt als andere, ob sie typisch oder untypisch ist.33 Diese Gleichwertigkeit der Erfolgsbedingungen, d. h. ihre „Äquivalenz“, hat der Theorie ihren Namen gegeben.34 Eine Handlung muss weder die alleinige noch die Hauptursache für den Erfolg gewesen sein, sie ist und bleibt auch dann kausal im Sinne der conditio-Formel, wenn der Erfolg erst durch weitere, nachfolgende Ereignisse eintritt, d. h. es ist unerheblich, wie weit eine Handlung zeitlich zurückliegt.35 Wenn der Bundesgerichtshof demgegenüber für Verkehrsdelikte die Auffassung vertrat, dass „[ . . . ] die Prüfung der Ursächlichkeiten eines verkehrswidrigen Verhaltens erst mit dem Eintritt der konkreten kritischen Verkehrslage einzusetzen [ . . . ]“36 habe, dann ist dies mit der Äquivalenztheorie nicht vereinbar bzw. vor deren Hintergrund inkonsequent. Es geht dem BGH vielmehr darum, die Verantwortlichkeit eines Handelnden bei vorhergehenden Verkehrsverstößen (beispielsweise dem zu schnellen Fahren / Überfahren einer roten Ampel im Vorfeld eines nach einer zeitlichen Zäsur an einem anderen Ort eintretenden Unfalls) zeitlich zu begrenzen. Dies hat jedoch nicht durch ein einschränkendes Kausalitätsverständnis – an der Kausalität der ersten vorangegangenen Verkehrswidrigkeit ist regelmäßig nicht zu zweifeln – zu erfolgen, insofern ist obige These des BGH unzutreffend.37 Eine grundsätzliche Abkehr des BGH von der Bedingungstheorie ist darin nicht zu sehen. Im Gegensatz zur Gleichwertigkeit der Bedingungsfaktoren steht der Ansatz der sog. individualisierenden Kausaltheorien, die versuchen, bereits auf der Ebene der Kausalitätsprüfung zwischen einzelnen Faktoren zu differenzieren.38 Sie setzen bei der Definition des Begriffs der „Ursache“ an, indem nur solche Faktoren als Ursache im rechtlichen Sinn anerkannt werden, die anhand bestimmter Kriterien ermittelt werden können. Je nach Auswahl dieser Kriterien ergeben sich unterschiedliche Ursachen im Rechtssinn. Problematisch an diesen Ansätzen ist, dass sie die Kausalitätsbestimmung mit normativen Vorentscheidungen „belasten“.39 Diese Theorien sind nach Lenckner / Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 156. Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 6. 35 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 76. 36 So BGHSt 24, 34; ähnlich BGH VRS 20, S. 131; 23, S. 370; 24, S. 126; 25, S. 262; 33, S. 61; auch OLG Stuttgart NJW 1959, S. 351. 37 Einen entsprechenden Hinweis enthält BGHSt. 33, 61; zur Zurechenbarkeit des Verhaltens in solchen Konstellationen siehe unten Abschnitt D, in diesem Zusammenhang spielen vor allen Dingen Aspekte des Schutzzwecks der Norm zur Begrenzung der Verhaltensverantwortlichkeit eine Rolle. 38 Vgl. dazu Roxin AT I, § 11 Rn. 7 m. w. N. 39 So Roxin AT I, § 11 Rn. 7. 33 34

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Eisele heute „ohne Bedeutung“40, so dass eine genauere Darstellung an dieser Stelle unterbleiben kann. Aufgrund des Grundgedankens der Äquivalenz führt die Anwendung der conditio-Formel zu einer kaum zu überblickenden und damit wenig aussagekräftigen Fülle an für einen bestimmten Erfolg kausalen Bedingungen. Jeder Erfolg lässt sich theoretisch auf eine beinahe unendliche Anzahl an Faktoren zurückführen, zwischen denen die conditio-Formel nicht differenziert. So ist beispielsweise die Zeugung des späteren Mörders kausal für die von ihm begangene Tat. Gleiches gilt für den Hersteller sowie den Verkäufer eines später zu einer Tat verwendeten Gegenstands41 – gleichgültig ob es sich um eine Waffe oder um einen im Allgemeinen völlig unverfänglichen Gegenstand wie beispielsweise eine Nagelfeile oder einen Ziegelstein handelt. Infolgedessen eignet sich die conditio-Formel lediglich zur Absteckung „eines äußersten Haftungsrahmens“42. bb) Kritik hinsichtlich der Leistungsfähigkeit Auch in den Augen einiger ihrer Kritiker führt die conditio-Formel in der überwiegenden Zahl der Fälle zu richtigen Ergebnissen.43 Jedoch ist sie trotz dieser Tatsache und der zunächst offensichtlichen Plausibilität bzw. Praktikabilität in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit kritisch zu hinterfragen. (1) Unklare Bedingungszusammenhänge Der conditio-Formel wird vorgeworfen, sie versage bei der Ermittlung der Kausalität, wenn nicht sicher sei, ob sich ein Umstand überhaupt in einem bestimmten Ergebnis niedergeschlagen habe, mit anderen Worten dann, wenn nicht sicher ist, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen besteht.44 Beispielhaft sind hier Fälle zu nennen, in denen nicht klar war, ob das Schlafmittel „Contergan“ tatsächlich Ursache der schweren Missbildungen bei Kindern ist bzw. war.45 Dieser Einwand ist ohne Zweifel berechtigt. Denn für die Frage, ob sich beim Hinwegdenken beispielsweise der Einnahme dieses Medikaments etwas an Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 89. Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 37; Roxin AT I, § 11 Rn. 11. 42 Roxin AT I, § 11 Rn. 6, 11 a. E. 43 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 9 m. w. N. 44 So bereits v.a. Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931, S. 13 ff. sowie ders., Vom Weltbild des Juristen, 1965, S. 130 ff.; siehe auch SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 40; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 74; NKPuppe, vor § 13 Rn. 87 jeweils m. w. N. 45 So Wessels / Beulke AT, Rn. 156; Roxin AT I, § 11 Rn. 12; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 74. 40 41

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den (vermuteten) Folgen ändern würde, sind sichere Erkenntnisse über den Wirkungszusammenhang notwendig. Nur in Fällen, in denen der naturwissenschaftliche Nachweis für oder gegen einen Wirkungszusammenhang geführt ist, kann die conditio-Formel Anwendung finden bzw. zu Ergebnissen führen. Folglich setzt die conditio-Formel den Nachweis eines solchen Kausalzusammenhangs voraus und kann ihn gerade nicht selbst liefern. Roxin analysiert daher, dass die Formel das bereits voraussetze, was durch sie ermittelt werden solle, sie sei infolgedessen nutzlos.46 Jakobs sieht in der conditio-Formel denn auch einen Zirkel, da der zu definierende Begriff verkappt in dem Material erscheine, mit dem er definiert werde.47 Diese Einwände sind logisch völlig zutreffend und liegen bei genauerer Betrachtung und Anwendung der Formel auf solche Fälle auf der Hand. Die conditioFormel ist eben kein – wie Mezger meint – „[ . . . ] niemals versagendes Mittel zur Feststellung des Bedingungszusammenhangs [ . . . ]“48. Dies kann diese Formel gerade nicht leisten. Ob darin jedoch in diesem Zusammenhang tatsächlich die entscheidende Schwäche der Formel gesehen werden kann, erscheint fraglich. Wie soll eine aus der Strafrechtswissenschaft stammende Formel zur Erhellung bzw. zum Nachweis von naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten beitragen können? Jeder aus der rechtswissenschaftlichen Literatur stammende Ansatz zur Ermittlung bzw. Identifikation von Kausalität muss auf naturwissenschaftliche Zusammenhänge zurückgreifen bzw. setzt einen mehr oder minder überzeugend geführten naturwissenschaftlich-empirischen Beweis voraus49. Es geht hier um die Frage der sogenannten generellen Kausalität, d. h. den Nachweis, ob ein bestimmter Faktor überhaupt jemals in der Lage sein kann, ein bestimmtes Ergebnis hervorzurufen – diese Frage ist v. a. in der strafrechtlichen Produkthaftung relevant.50 Ein Hilfsmittel zur Identifikation eines solchen Ursachenzusammenhangs – nur darum und um nicht um mehr handelt es sich bei der conditio-Formel – kann diesen Zusammenhang nicht selbst belegen bzw. den Beweis nicht selbst führen. Engisch ist folglich uneingeschränkt darin zuzustimmen, dass sich konkrete Kausalverläufe nur durch Subsumtion unter bekannte Kausalgesetze ermitteln lassen.51 Eben auf diese Kausalgesetze muss man jedoch zurückgreifen können, sie sind notwendige Vorstufe zur Ermittlung der Kausalität. Die Anwendung der conditioFormel kann diese Gesetzmäßigkeiten nicht ersetzen und kommt ohne deren NachVgl. Roxin AT I, §§ 11 Rn. 12 f. Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 9. 48 Mezger, Strafrecht, S. 114. 49 So ganz deutlich Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 95: „Für kausale Erklärungen braucht man Naturgesetze“. 50 Vgl. dazu Kühl AT, § 4 Rn. 6, 6a sowie die weiteren Nachweise dort in Fn. 4, 5a; zur generellen Kausalität ausführlich NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 83 ff. 51 Vgl. Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931, S. 26; vgl. nochmals auch Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 95. 46 47

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weis nicht aus. Kausalität als solche kann mit der Formel allein nicht begründet werden.52 Problematisch an der conditio-Formel ist auch vor allen Dingen, dass sie die Notwendigkeit bereits verfügbaren Wissens über bzw. des erfolgten Beweises von Kausalzusammenhängen nicht offen legt, sondern eine universelle Fähigkeit zur Lösung solcher Fragestellungen suggeriert. Dieses Defizit kann bei Anwendung der Formel in der Tat Verwirrung stiften und ist daher problematisch. Festzuhalten ist, dass die conditio-Formel zur Ermittlung bzw. zum Beweis der Kausalbeziehungen nichts beizutragen vermag und diese Schlussfolgerung „[ . . . ] heute als gesichert gelten [ . . . ]“53 kann. Ob die conditio-Formel tatsächlich die ihr von Jakobs zugeschriebene „[ . . . ] verwirrende, das Kausalproblem verfälschende und letztlich restlos überflüssige Rolle spielt [ . . . ]“54, kann allein aufgrund des oben beschriebenen Defizits nicht abschließend beurteilt werden. Dieses vernichtende Urteil vermögen jedenfalls nur weitere, gravierende Kritikpunkte zu tragen, die Gegenstand des folgenden Abschnitts sind. (2) Problematische Fallkonstellationen im Übrigen Es gibt Sachverhaltskonstellationen, bei deren Lösung die conditio-Formel an ihre Grenzen stößt. Mitunter genügt jedoch eine Modifikation der Formel, um zu sachgerechten Lösungen zu kommen. (a) Unterlassen und Abbruch rettender Kausalverläufe Für die Formel in der oben dargestellten Formulierung ergeben sich Schwierigkeiten bei der Feststellung der Kausalität des Unterlassens. Unproblematisch ist dabei zunächst, dass es im physikalischen Sinn eine Kausalität bei Unterlassungen begrifflich nicht geben kann.55 Ein Unterlassen als solches kann realiter in der Tat nichts bewirken.56 Ob man sich jedoch auf den Standpunkt stellt, dass dies angesichts des strafrechtlichen Kausalitätsbegriffs unschädlich sei, da dieser ohnehin nur ein normativer sei57, oder ob man es infolgedessen für angebracht hält, lediglich von einer „quasi-Kausalität“ zu sprechen58, ist unerheblich. Im Ergebnis beSo auch NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 90 a. E., m. w. N. zu abweichenden Auffassungen. So Roxin AT I, § 12 (Rn. 12) Fn. 20. 54 Jakobs AT, 7 / Rn. 8. 55 Vgl. dazu schon oben Abschnitt C.II.; Ansichten, die Kausalität als wirkende Kraft verstehen, können hier keine Kausalität im eigentlichen Sinn annehmen. Zum Problem der Kausalität beim Unterlassen vgl. Schönke / Schröder-Stree, § 13 Rn. 61; Kühl, AT § 18 Rn. 35 ff. jeweils m. w. N. 56 Vgl. Schönke / Schröder-Stree, § 13, Rn. 61; Wessels / Beulke AT, Rn. 711. 57 So Wessels / Beulke AT, Rn. 711. 52 53

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reitet die Feststellung der Kausalität beim Unterlassen keine besonderen Probleme im Vergleich zu aktivem Tun,59 so dass eine weitere Vertiefung an dieser Stelle unterbleiben kann. Zur Feststellung der Kausalität muss die conditio-Formel jedoch modifiziert werden. Bei Anwendung der ursprünglichen Grundformel könnte die Kausalität in keinem Fall bejaht werden. Im Falle eines Unterlassens lässt sich diese Handlung bzw. eben Nichthandlung hinwegdenken und der Erfolg entfiele eben nicht.60 Folglich ergäbe sich stets die Verneinung der Kausalität. Aus diesem Grund wird die Formel zur Anwendung im Bereich der Unterlassungsdelikte in der Weise modifiziert, dass danach gefragt wird, ob die erwartete Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne das der tatbestandliche Erfolg entfiele.61 Die Fälle des Unterlassens lassen sich auf diese Weise richtig erfassen. Eine ähnliche Fallkonstellation liegt in Fällen vor, in denen jemand einen rettenden, d. h. bereits im Gang befindlichen, Kausalverlauf abbricht und auf diese Weise den Verletzungserfolg auf Seiten des Opfers herbeiführt. Als Beispiel kann hier genannt werden, dass jemand ein Schlauchboot, einen Balken oder gar einen Rettenden zurückhält und eine im Wasser treibende Person, die dadurch hätte gerettet werden können, daraufhin ertrinkt.62 In diesem Fall kann sogar bei genauer Anwendung die conditio-Formel zum Erfolg führen. Denkt man das Hindern bzw. Abbrechen hinweg und damit eo ipso die Rettungsbemühungen hinzu, so entfiele der Erfolg, denn das Opfer wäre gerettet worden. Folglich ist die Kausalität sachgerecht bestimmt. Natürlich bedarf es auch in Fällen dieser Art eines Kausalgesetzes bzw. eines Erfahrungssatzes, dass die Rettung zum Erfolg geführt hätte. Dies ist keine Besonderheit der Anwendung im Bereich des Unterlassens und auch, wie im vorhergehenden Abschnitt dargelegt, keine Kritik an der conditio-Formel selbst. Die Besonderheit besteht hier darin, dass hypothetische Aspekte eine Rolle spielen. Sowohl im Falle des Unterlassens als auch im Falle des Abbruchs rettender Kausalverläufe vergleicht man das reale Geschehene mit Zuständen, die hätten eintreten können bzw. auf Grundlage von verfügbaren Kenntnissen und Kausalgesetzen eingetreten wären. Dabei sind natürlich alle hypothetischen Umstände heranzuziehen, die das Geschehen verändert hätten, um festzustellen, ob die Kausalität bejaht werden kann oder nicht. Die conditio-Formel vermag folglich beide gerade beschriebenen Fallgruppen sachgerecht zu lösen, auch wenn sie im einen Fall ohne eine Modifikation nicht auskommt. 58 So BGH JZ 2003, S. 580; MK-Freund, Vor § 13 Rn. 319, § 13 Rn. 201; Schönke / Schröder-Stree, § 13 Rn. 61. 59 Vgl. Schönke / Schröder-Stree, § 13 Rn. 61. 60 Vgl. Armin Kaufmann, Dogmatik der Unterlassungsdelikte, 1959, S. 61 f. 61 Vgl. BGHSt 6, 2; 37, 126. 62 Beispiele bei Roxin AT I, § 11 Rn. 33 und SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 43.

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(b) Hypothetische und alternative Kausalität (aa) Hypothetische Kausalverläufe Zu Irritationen kann die wortgetreue Anwendung der conditio-Formel führen, wenn der Erfolg auch bei Hinwegdenken der auf ihre Kausalität zu untersuchenden Handlung eingetreten wäre – sei es beispielsweise, dass das Opfer durch den Angriff eines anderen Täters auf gleiche oder verschiedene Weise zur selben oder einer anderen Zeit gestorben wäre, sei es, dass das Opfer ohnehin verstorben wäre (wie dies bei der Tötung eines Sterbenskranken der Fall gegeben wäre). Bei wortgetreuer Anwendung der Grundformel müsste man die Kausalität verneinen, wenn beispielsweise der Täter das Opfer nicht vor Einsteigen in ein Flugzeug erschossen hätte, sondern das Opfer mit diesem abgestürzt wäre.63 Dass diese Lösung unbefriedigend und unsinnig ist, liegt auf der Hand. Die Kausalität ist hier nicht zweifelhaft. Häufig wird die conditio-Formel zur adäquaten Lösung dieses Problems modifiziert. Demnach ist jede Bedingung ursächlich, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.64 Auszugehen ist demnach vom Erfolg in seiner konkreten Gestalt. Auf diese Weise können hypothetische Ersatzursachen aus der Kausalitätsbetrachtung ausgeschlossen werden, die den Erfolg modifiziert hätten. Dies gilt auch für eine Beschleunigung eines konkreten Ablaufs. Eine solche (zeitliche) Veränderung des konkreten Erfolges ist als kausale Bedingung aufzufassen.65 Abzustellen ist auf den konkreten Erschießungstod des Opfers. In Fällen jedoch, in denen der Erfolg genau so eingetreten wäre, wenn der Täter nicht gehandelt hätte, führt auch diese Präzisierung nicht weiter.66 Roxin führt folgenden Beispielsfall an67: Der Täter einer im Krieg vorgenommenen Erschießung versucht sich damit zu entlasten, dass im Falle seiner Weigerung sofort ein Anderer an seine Stelle getreten wäre und die Exekution ausgeführt hätte. Gleiches gilt für den bei Kühl zu findenden Fall, dass nicht der Scharfrichter, sondern ein Anderer das Fallbeil heruntergelassen hätte.68 An der Kausalität des Handelns des tatsächlichen Täters ändert auch hier die Tatsache nichts, dass ein Anderer an seine Stelle hätte treten können, aber in Wirklichkeit nicht getreten ist. Wendet man die conditio-Formel in ihrer hinsichtlich der Konkretheit des Erfolges modifizierten Fassung wortgetreu an, so kann man das Beispielsfall bei Wessels / Beulke, AT, Rn. 161. Vgl. Wessels / Beulke, AT, Rn. 156, die allerdings so bereits die Grundformel definieren. Als Erweiterung der ursprünglichen Formel findet sich der Gedanke des konkreten Erfolgs bei Kühl, AT § 4 Rn. 9, 14 f. m. w. N. 65 Vgl. Kühl, AT § 4 Rn. 13; Wessels / Beulke, AT, Rn. 162. 66 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 40. 67 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 13. 68 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 15. 63 64

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C. Überlegungen zum strafrechtlichen Verhaltensbegriff und zur Kausalität

Handeln des Täters eben gerade hinwegdenken und der konkrete Erfolg (Tod durch Erschießung unter den gegebenen Umständen) entfällt nicht. Durch Anwendung der conditio-Formel auch in dieser Fassung käme man konsequenterweise zu dem Ergebnis, dass der Tod des Opfers ohne Täter bzw. ohne Ursache wäre, da der bereitstehende Ersatzmann eben keine reale Ursache gesetzt hat. Dieses Ergebnis ist nicht haltbar. Folglich wird versucht, dieses Ergebnis durch ein Verbot des Hinzudenkens bzw. der Berücksichtigung jeglicher Reserveursachen zu erreichen.69 Dieser Ansatz geht auf Spendel70 zurück und ist nach Kühl heute allgemein akzeptiert.71 Danach sollen nur diejenigen Umstände im Rahmen des Hinwegdenkens für die Frage nach der Kausalität Berücksichtigung finden, die tatsächlich auch verwirklicht wurden. Dieses Vorgehen ist allerdings für einen Ansatz, der gerade auf einem hypothetischen Eliminationsverfahren beruht und daher im Prinzip von der Frage des „Was wäre geschehen, wenn?“ ausgeht, problematisch. Wenn letztlich nur noch auf tatsächliche Umstände, d. h. die Realität abgestellt wird, dann ist der Grundansatz der conditio-Formel im Prinzip aufgegeben.72 Im Ergebnis führt diese Herangehensweise jedoch zur richtigen Lösung durch Ausscheiden solcher hypothetischer Kausalverläufe aus der Kausalitätsprüfung.73 Dass jedoch die Methodik der conditioFormel hier ihre Grenzen erreicht, wird durch die erforderliche systemfremde Ergänzung deutlich. Zum Problemkreis der hypothetischen (Ersatz-)Ursachen bleibt noch anzumerken, dass das richtige Ergebnis des Ausschlusses dieser Ursachen auch durch eine immer stärkere Konkretisierung des zu betrachtenden Erfolgs erfolgen kann. So kann man im Beispielsfall der Exekution im Krieg neben dem Erschießungstod auch noch die exakte Zeit des Todes und seine Herbeiführung durch eben einen ganz bestimmten Täter als maßgebliche und damit notwendige Konkretisierung anVgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 161. Vgl. Spendel, Die Kausalitätsformel der Bedingungstheorie für die Handlungsdelikte, 1948, S. 38. 71 Vgl. Kühl, AT § 4 Rn. 12. 72 So Roxin AT I, § 11 Rn. 14. 73 Insofern ist die Berücksichtigung des hypothetischen Geschehens im Rahmen des Abbruchs rettender Kausalverläufe und der Überlegungen zum Unterlassen vom Standpunkt der conditio-Formel durchaus nicht unproblematisch, wenn auch im Ergebnis sachgerecht. Jedoch besteht der Unterschied darin, dass es nicht um einen Ersatz des Handelns des Täters durch hypothetische Erwägungen geht, die gedanklich völlig an dessen Stelle treten, sondern das reale Verhalten des Täters bleibt Beurteilungsgrundlage und wird durch Erwägungen ergänzt. Vgl. dazu Roxin AT I, § 11 Rn. 34, der diesen Gedankengang allerdings nicht speziell auf die conditio-Formel abstimmt, sondern auf die Äquivalenztheorie im Allgemeinen. Der Gedankengang bleibt jedoch bei Akzeptanz des Verbots des Hinzudenkens von Reserveursachen gültig. Man kann sich andererseits auch auf den Standpunkt stellen, dass dieses Verbot des Hinzudenkens im Bereich der rettenden Verläufe zu gelten hat und nichts mehr hinzugedacht werden darf, so dass die Feststellung der Kausalität auf diesem Weg dann scheitern müsste, so Jakobs AT, 7 / Rn. 10. 69 70

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sehen. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht unproblematisch. Es besteht die Gefahr, dass durch eine zu enge Konkretisierung in Bezug auf den Erfolg letztlich als kausal nur die Handlung übrig bleiben kann, deren Kausalität man gerade feststellen will. Dies kommt in der Tat der Manipulation74 des Erfolgsbegriffs bzw. der Kausalitätsprüfung nahe, denn ihr Ergebnis kann so vorab bereits festgelegt werden. Puppe hält denn auch eine Kausalitätserklärung, die auf einer derart vorgenommenen Konkretisierung beruht, zu Recht für tautologisch.75 Diese Kritik darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine gewisse Konkretisierung dessen, was noch als Erfolg bzw. dessen Veränderung anzusehen ist, kein spezifisches Problem der conditio-Formel darstellt. Dies ist ein grundsätzliches Problem, das auftritt, wenn und weil Ausgangspunkt der Definition der Kausalität eben der Erfolg einer Tat ist. Im Rahmen der Darstellung der Schlussfolgerungen aus der Äquivalenztheorie (i. w. S.) ist darauf noch zurückzukommen. (bb) Alternative Kausalität Als Fälle der alternativen Kausalität, auch Doppel- oder Mehrfachkausalität genannt76, bezeichnet man solche, in denen mehrere, unabhängig voneinander gesetzte Bedingungen zusammenwirken, die jeweils für sich allein den Erfolg hätten herbeiführen können, wobei alle wirksam geworden sind.77 Als „Schulfall“78 dient hier der oben in Abschnitt B angeführte Giftfall (Fall 1).79 Wendet man auf diesen Sachverhalt die conditio-Formel an, so käme man zu dem Ergebnis, dass beide Giftbeimengungen jeweils einzeln hinweggedacht werden könnten und der konkrete Erfolg (Tod durch Gift nach Trinken dieses Bechers) nicht entfiele. Keiner der beiden „Täter“ wäre ein solcher, der Tod des A ohne Ursache. Da dieses Ergebnis wenig einleuchtend ist, wird in Fällen dieser Art die conditioFormel (erneut) modifiziert: Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der (konkrete) Erfolg entfiele, sei jede erfolgsursächlich.80 Der oben angeführte Schulfall wird auf diese Weise befriedigend gelöst, der kausale Erfolgsbeitrag beider Täter kommt zum Ausdruck.81 Dennoch ist diese Formel massiv kritisiert worden. So Kühl AT, § 4 Rn. 15. NK-Puppe, Vor § 1 Rn. 96. 76 Vgl. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 91; Kühl AT, § 4 Rn. 19; Wessels / Beulke AT, Rn. 157. 77 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 82. 78 Kühl AT, § 4 Rn. 19. 79 Vgl. auch Wessels / Beulke AT, Rn. 157. 80 Vgl. Baumann / Weber / Mitsch AT, § 14 Rn. 41; Gropp AT, § 5 Rn. 25; Wessels / Beulke AT, Rn. 157 m. w. N. 81 Gegen die Bejahung der Kausalität in Fällen der alternativen Kausalität hingegen Toepel JuS 1994, S. 1012 sowie Dencker, Kausalität und Gesamttat, 1996, S. 115 f. 74 75

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C. Überlegungen zum strafrechtlichen Verhaltensbegriff und zur Kausalität

Roxin gesteht zwar zu, dass der Fall, in dem beide Tatbeiträge nachweislich bereits Wirkung entfaltet hätten, im Ergebnis richtig gelöst werde.82 Er kritisiert jedoch, dass die Formel in dem Fall, dass das eine Gift noch gar nicht zur Wirkung gekommen wäre (so Abwandlung von Fall 1), ebenfalls zur Kausalität beider Tatbeiträge und damit zu Vollendungsstrafbarkeit beider Täter führe.83 In der Tat ist in diesem Fall eine Vollendungsstrafbarkeit desjenigen Täters, dessen Tatbeitrag gar keine Wirkung entfaltet hat, obwohl er tauglich gewesen wäre, abzulehnen.84 Da die conditio-Formel in ihrer Modifikation für alternative Kausalverläufe zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangt, folgert Roxin, dass eben nur ein Fehler durch den anderen ausgetauscht werde.85 Kühl bezweifelt, ob dieser Schulfall (Giftfall) tatsächlich mit Hilfe oben angeführter Erweiterung gelöst werden dürfe bzw. ob der Schulfall nicht vielmehr nach den Regeln des Verbots der Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe gelöst werden müsse.86 Schließlich dürfe der Teil des Giftes und dessen Wirkung, der vor Todeseintritt noch nicht gewirkt habe, beim Hinwegdenken keine Berücksichtigung finden, denn real habe er ja nicht gewirkt. Stellt man sich auf diesen Standpunkt, ist jede Handlung kausal, wenn und weil die jeweils einzelne Teilmenge eben für einen tödlichen Erfolg nicht ausgereicht hätte. Letztlich werden auf diese Weise aus Fällen der alternativen Kausalität Fälle der kumulativen Kausalität. Diese sind nach den Grundsätzen der conditio-Formel unproblematisch zu lösen.87 Unabhängig von der Tatsache, ob in diesem spezifischen Schulfall die Modifikation der conditio-Formel Anwendung finden kann bzw. darf, gibt es Fälle, die jedenfalls eine Modifikation der Formel voraussetzen, um überhaupt zu einem Ergebnis auf ihrer Grundlage zu kommen.88 Puppe hält das Versagen der conditio-Formel bei Mehrfachkausalität für den Beleg des eigentlichen „Kardinalfehlers“ der Formel, dass diese nämlich den ZusamVgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 26. So auch Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 74, die darüberhinaus auch in dieser Modifikation das Grundprinzip der conditio-Formel, d. h. das konsequente Hinwegdenken, für verletzt halten. 84 Falls lediglich die zweite Giftgabe wirksam wurde und die erste nicht, so wird auch von einem Abbruch des Kausalverlaufs bzw. von überholender Kausalität gesprochen, vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 33 m. w. N. Auf diese Fallgruppe wird unten in Kapitel 1.a)aa) noch näher eingegangen. 85 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 26. 86 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 20 m. w. N. 87 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 158. 88 Beispielsweise im Rahmen der Kausalität von Kollektiventscheidungen (siehe dazu Kühl AT, § 4 Rn. 20a f.) oder auch den von Puppe (NK, Vor § 13 Rn. 91) genannten Fall eines aus mehreren Mitgliedern bestehenden Exekutionskommandos, die bei einer illegalen Hinrichtung alle gleichzeitig das Opfer treffen. 82 83

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menhang zwischen Einzelursache und Folge logisch falsch beschreibe.89 Stelle man bei der Frage nach der Kausalität tatsächlich auf die Identifikation einer notwendigen Bedingung für den Erfolg ab, so müsse man in Fällen der Mehrfachkausalität die Kausalität jedes einzelnen Beitrags verneinen, da dieser Beitrag keine notwendige Bedingung sei (der Erfolg wäre unabhängig davon eingetreten). Die Frage bzw. Suche nach einer notwendigen Bedingung sei damit logisch verfehlt, wie diese Fälle zeigten. Die Modifikation für alternative Kausalverläufe wird von Puppe ebenfalls scharf kritisiert, da unklar sei welches logische Beziehungsverhältnis die Formel dann noch bestimme und da die Formel auch in ihrer Modifikation versage, wenn mehr als zwei miteinander konkurrierende Ursachen in Betracht kämen. Sie hält die Erweiterung infolgedessen für eine „Scheinlösung“.90 Falls mehr als zwei Ursachen möglich sind, kann man zwar durch Hinwegdenken aller möglichen Ursachen eine Menge von Ursachen bilden, in der mit Sicherheit die tatsächlich kausalen Ursachen mitenthalten sind. Ob man bei diesem Verfahren jedoch auch Nichtursachen in die hinwegzudenkende und damit auf ihre Kausalität zu überprüfende Menge einbezieht, kann man nicht erkennen, solange eine tatsächliche Ursache in dieser Menge verbleibt.91 Mit anderen Worten bedeutet dies, dass eine richtige Aussage über Kausalität oder Nichtkausalität bei mehr als zwei möglichen Ursachen nur durch paarweises Hinwegdenken zu erzielen ist, da für zwei betrachtete Alternativen die Formel funktioniert und bei der Betrachtung von mehr als zwei Faktoren unklar ist, welcher der maßgebliche ist. Wenn man mehrere zugleich hinwegdenkt, genügt es, dass einer maßgeblich ist, um das Ergebnis zu verändern. Ob nur einer, mehrere oder alle den Unterschied machen, kann in einem einzigen Schritt nicht beurteilt werden. Angesichts der oben beschriebenen Schwierigkeiten der Anwendung der conditio-Formel und der Notwendigkeit ihrer – je nach Standpunkt – Modifikation oder Aufgabe zur sachgerechten Lösung von bestimmten Konstellationen bestehen Zweifel, ob die Formel als universell einsetzbares Hilfsmittel zur Kausalitätsfeststellung tauglich ist. Aus der vorgebrachten und oben dargestellten Kritik ist die sog. Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung entstanden, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.92 Vgl. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 91. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 92. 91 Vgl. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 92. 92 Nicht eingegangen wird auf die sogenannte Inus-Formel zur Ermittlung der Kausalität. Sie geht auf Mackie, The Cement of the Universe. A Study of Causation, 1974, zurück. Nach Samson, Rudolphi-FS, 2004, S. 261 lautet sie verkürzt: Ursache ist der notwendige, aber nicht hinreichende Teil einer hinreichenden, aber nicht notwendigen Bedingung. Einige Autoren verweisen auf die methodische Vorzugswürdigkeit der Formel, deren Name sich aus den Anfangsbuchstaben der entscheidenden englischen Begriffe ergibt (vgl. die Nachweise bei Samson, 2004, S. 260). Samson, 2004, S. 262 – 266 versucht jedoch den konsequenten Nach89 90

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b) Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung Nach der auf Engisch93 zurückgehenden Lehre oder Formel von der gesetzmäßigen Bedingung kommt es für die Bestimmung der Kausalität „[ . . . ] allein darauf an, ob sich an eine Handlung zeitlich nachfolgende Veränderungen in der Außenwelt angeschlossen haben, die mit der Handlung nach den uns bekannten Naturgesetzen notwendig verbunden waren und sich als tatbestandsmäßiger Erfolg darstellen“.94 In einer etwas prägnanteren Formulierung lautet die Formel: „Ein Verhalten ist dann Ursache eines Erfolges, wenn dieser Erfolg mit dem Verhalten durch eine Reihe von Veränderungen gesetzmäßig verbunden ist.“95 Auch die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung geht von der Gleichwertigkeit der Bedingungen aus, da sie wie die conditio-Formel nicht zwischen einzelnen Bedingungen differenziert. Es handelt sich folglich um eine Variante der Äquivalenztheorie. Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung und die conditio-Formel konkurrieren lediglich um die Rolle des methodischen Hilfsmittels zur Feststellung des Kausalzusammenhangs.96 Die Formel von der gesetzmäßigen Bedingung ist im Schrifttum weit verbreitet.97 Gegenüber der conditio-Formel weist sie einige Vorteile bei der Lösung der im vorangegangenen Abschnitt als für die conditio-Formel problematisch dargestellten Konstellationen auf. In Fällen, in denen im Ergebnis die Kausalität nicht zweifelhaft ist, v. a. alternative Kausalität und hypothetische Kausalverläufe, führt die Formel nicht in die Irre und kommt zu richtigen Ergebnissen.98 Fragt man nach der gesetzmäßigen Verbindung zwischen Handlung und Erfolg wird deutlich, dass es darauf, ob der Erfolg auf anderem oder identischem Wege durch jemand anderes verursacht ebenfalls eingetreten wäre, nicht ankommt, wenn und weil dem realiter nicht so war. Entscheidend ist lediglich, ob es einen gesetzlichen Zusammenhang zwischen Handlung und konweis, dass sich diese Formel im Ergebnis nicht von der conditio-Formel unterscheiden könne, da sie methodisch identisch vorgehe – „[ . . . ] nichts anderes als die Aussage der conditiosine-qua-non-Formel“ (Samson, 2004, S. 265). 93 Vgl. Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931, S. 21, 25 f. 94 Fassung der Formel bei Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 283 m. w. N. zur Übernahme dieser Lehre im Schrifttum. 95 Puppe, SchwZStr 107 (1990), S. 148 Fn. 9. 96 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 8, sowie Rn. 22 wonach diese Formel wie die conditio-Formel „[ . . . ] auf dem Boden Äquivalenztheorie“ steht. 97 Nach Schlüchter, JA 1984, S. 674 Fn. 17 ist sie „ganz h. M.“, nach Roxin AT I, § 11 Rn. 15 hat sie sich in der Wissenschaft „weitgehend durchgesetzt“, nach Kühl AT, § 4 Rn. 22 hat sie „den größeren Teil der Lehrbuch- und Kommentarliteratur erobert“, jeweils m. w. N. Kritisch Koriath, Grundlagen der strafrechtlichen Zurechnung, 1994, S. 483 – 488, sowie Denker, Kausalität und Gesamttat, 1996, S. 25. 98 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 15; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 41.

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kretem Erfolg gibt.99 Es gilt auch hier wie – im Ergebnis – bei der conditio-Formel das Verbot der Berücksichtigung hypothetischer (Ersatz-)Ursachen.100 Auch die Problematik des Abbruchs rettender Kausalverläufe lässt sich mit Hilfe der Formel von der gesetzmäßigen Bedingung lösen. Denn bricht jemand einen Kausalverlauf ab, der den Erfolgseintritt verhindert hätte, so steht sein Handeln mit dem eingetreten Erfolg in einer gesetzmäßigen Beziehung.101 Der Eintritt eines jeden konkreten Erfolgs ist mit dem Nichtvorhandensein negativer, den Erfolgseintritt hindernder Bedingungen verbunden.102 Wessen Handeln dieses Nichtvorhandensein bzw. den Nichteintritt solcher Bedingungen verursacht, der bewirkt Veränderungen, die mit dem Erfolg in einer gesetzmäßigen Beziehung stehen.103 Über dieses Ergebnis, d. h. die Kausalität des Verhaltens für den Erfolg, herrscht Einigkeit. Unterschiedlich jedoch wird die Frage bewertet, ob diese Fallgruppe ein besonderes Problem für die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung darstellt.104 Keinen unmittelbaren Vorteil bietet die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung in Fällen, in denen fraglich ist, ob eine bestimmte Handlung einen bestimmten Erfolg hervorgerufen hat. Die Feststellung dieses Zusammenhangs selbst ist dieser Fromel ebenso unmöglich wie der conditio-Formel. Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung bietet jedoch den Vorteil, dass sie diese Voraussetzung offen legt, indem die Notwendigkeit eines entsprechenden Kausalgesetzes ausdrücklicher Bestandteil der Formel ist.105 In manchen Fällen steht die Frage, ob eine bestimmte Handlung oder – häufiger – eine Substanz / ein Stoff überhaupt Erfolge dieser Art hervorrufen kann, im Vordergrund. Dies wird als sog. generelle Kausalität bezeichnet.106 Über die Ermittlung derselben und damit in der Konsequenz, wann ein Richter einen Kausalzusammenhang bzw. eine gesetzmäßige Bedingung annehmen darf, herrscht Uneinigkeit.107 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 41. Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 23. 101 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 43. 102 Vgl. Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931, S. 28. 103 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 43. 104 Während Roxin (AT I, § 11 Rn. 33) darin den „heikelsten Fall“ für die Äquivalenztheorie sieht, da zumindest eine Ergänzung des realen Geschehens durch hypothetische Erwägungen zu erfolgen habe (siehe dazu auch schon oben Fn. 73), geht Rudolphi (SK, Vor § 1 Rn. 43) davon aus, dass sich diese Fälle „mühelos erfassen“ lassen. 105 Im Gegensatz dazu tendiert die conditio-Formel dazu, diese Notwendigkeit zu verschleiern und so nach Meinung einiger zu einem Zirkel zu werden. Siehe dazu oben Abschnitt C.II.1.a)bb)(1). 106 Vgl. dazu SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 42 f., sowie zum Begriff der generellen Kausalität NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 83 ff. 107 Dies ist keine Fragestellung der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung im Besonderen, sondern betrifft die Äquivalenztheorie als solche, denn auch bei der conditio-Formel ist auf ein Kausalgesetz zurückzugreifen. 99

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Wesentliche Stimmen in der Literatur sehen im Anschluss an Armin Kaufmann108 die Grenze dort erreicht, wo das Fehlen eines objektiven naturwissenschaftlichen Nachweises des Kausalgesetzes durch freie richterliche Beweiswürdigung ersetzt werde.109 Entscheidendes Argument ist, dass, falls man den Rückgriff auf streitige Ansichten oder eine herrschende Meinung zulasse, der Grundsatz in dubio pro reo ausgehöhlt werde, denn wissenschaftliche Meinungen seien Veränderungen unterworfen und kaum jemals unbestritten. Der Richter könne und dürfe aber solche Streitigkeiten mit gravierenden Konsequenzen für Einzelne nicht entscheiden, wenn sich die Wissenschaft dazu nicht in der Lage sieht. Folglich ist ein Kausalgesetz erst dann anzunehmen und anzuwenden, wenn kein wissenschaftlich ernstzunehmender Zweifel besteht.110 Dies ist jedoch aufgrund der Lückenhaftigkeit des vorhandenen Wissens über Kausalgesetze zuweilen unbefriedigend und folglich kritisiert worden.111 Puppe will eine Bindung des Richters an naturwissenschaftliche Kausalgesetze nicht mittragen. Eben weil Naturwissenschaften kaum jemals wirklich sichere und endgültige Wahrheiten liefern könnten, könne es darauf nicht ankommen.112 Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, der Richter müsse „[ . . . ] die Kompetenz haben, zwischen mehreren in der einschlägigen Naturwissenschaft streitenden Theorien zu entscheiden“113, geht zu weit. Damit wird das notwendige Übel der Unsicherheit durch die Unschärfe der Frage des erfolgten Beweises einer naturwissenschaftlichen Theorie in hohem Maße vergrößert. Jetzt ist nicht mehr nur zweifelhaft, ob die Theorie als bewiesen gilt, wenn und weil es keine ernstzunehmenden Zweifel gibt (und daher Anwendung finden kann), sondern vielmehr welche von mehreren als „akzeptabel anerkannten Theorien“ überhaupt Anwendung finden könnte. Diese Weite und Beliebigkeit des Ergebnisses ist bedenklich. Die Rechtsprechung hat sich im sog. Ledersprayfall (BGHSt 37, 111 ff.) auf den Standpunkt gestellt, dass es für die Annahme eines Kausalzusammenhangs genüge, wenn die Schädlichkeit eines Stoffes sicher festgestellt werden könne, es komme nicht darauf an, welche Substanz den Schaden ausgelöst habe bzw. was folglich nach naturwissenschaftlichen Kriterien die Ursache war.114 Dem Bundesgerichts108 Vgl. Armin Kaufmann, JZ 1971, S. 569 (gegen LG Aachen JZ 1971, 507 – ConterganEntscheidung). 109 So Roxin AT I, § 11 Rn. 16 m. w. N. 110 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 16. 111 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1, Rn. 42c. 112 Vgl. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 89; darüberhinaus fehle ein wissenschaftlich akzeptierter Maßstab, wann ein Gesetz als bewiesen angesehen werden könne. Letzteres ist ohne Zweifel ein berechtigter Einwand. Stattdessen wird aber auf das unscharfe Kriterium des „ernstzunehmenden Zweifels“ abgestellt. Dies ist und bleibt letztlich ein normativer und damit ein unsicherer Begriff. 113 NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 89.

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hof kann jedoch am ehesten noch insoweit gefolgt werden, als dass einer Kausalitätsfeststellung nichts im Wege steht, solange andere Ursachen als die in Rede stehende sicher ausgeschlossen werden können.115 Einen Schritt weiter geht der Bundesgerichtshof in seiner Holzschutzmittel-Entscheidung (BGHSt 41, 206). Dort wird von der Notwendigkeit des sicheren Ausschlusses anderer Ursachen abgerückt. Stattdessen könne eine Beurteilung der Kausalitätsfrage „[ . . . ] ohne deren vollständige Erörterung [ . . . ]“ auch „[ . . . ] nach einer Gesamtbewertung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und anderer Indiztatsachen [ . . . ]“116 erfolgen. Volk sieht darin einen Ersatz der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung – dies stellt zugleich eine Abkehr von der Äquivalenztheorie dar – durch „[ . . . ] eine Lehre vom plausiblen Zusammenhang, von statistischen Wahrscheinlichkeiten [ . . . ]“.117 Die Streifragen bedürfen an dieser Stelle keiner weiteren Erörterung. Zum einen, weil nach richtiger Ansicht zur Ermittlung der Kausalität weiterhin ein Kausalgesetz zu verlangen ist (zumindest aber alle anderen Ursachen auszuschließen sind) und folglich der Boden der Äquivalenztheorie nicht verlassen und durch Wahrscheinlichkeitsannahmen ersetzt wird. Zum anderen ist die Feststellung eines entsprechenden Kausalgesetzes dem Grunde nach in den Beispielfällen aus Abschnitt B unproblematisch. Damit ist freilich die Kausalität der zu untersuchenden Handlungen noch nicht abschließend untersucht. Dies soll im folgenden Abschnitt geschehen.

c) Lösungsansätze auf Grundlage der Äquivalenztheorie im Übrigen In diesem Abschnitt werden die Lösungen verschiedener Probleme auf Basis der Äquivalenztheorie dargestellt, soweit dies nicht bereits im vorherigen Abschnitt geschehen ist. Da die Lösungen unabhängig von der Verwendung der conditio-Formel einschließlich aller Modifikationen oder der Formel von der gesetzmäßigen Bedingung sich im Ergebnis nicht unterscheiden118, kann die Darstellung von der Äquivalenztheorie als solcher ausgehen. 114 Dies ist eine Abkehr von der strengen Forderung nach einem bewiesenen Kausalgesetz und folglich v. a. deshalb kritisiert worden (vgl. die zahlreichen Nachweise bei Roxin AT I, § 11 Rn. 17 Fn. 35), da man fremde Wirkungsfaktoren nicht sicher ausschließen könne, wenn man die tatsächlichen Wirkungsfaktoren gerade nicht kenne (so Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 42). 115 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 17 a.E. 116 BGHSt 41, 216. 117 Volk, NStZ 1996, S. 109. 118 So Kühl AT, § 4 Rn. 8; ebenso Wessels / Beulke AT, Rn. 167 a. E.; eine Streitentscheidung bzw. Festlegung auf eine der beiden Ansichten wird jeweils nicht für erforderlich gehalten.

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C. Überlegungen zum strafrechtlichen Verhaltensbegriff und zur Kausalität

Die problematischen Fallgestaltungen der alternativen und hypothetischen Kausalität sowie des Abbruchs rettender Kausalverläufe wurden im vorherigen Abschnitt ausführlich behandelt. Auf der Grundlage der Äquivalenztheorie ist Kausalität mit mehr oder weniger großem Begründungsaufwand jedenfalls zu bejahen. aa) Der konkrete Erfolg Festzuhalten ist, dass nach beiden Formeln im Rahmen der Äquivalenztheorie auf den konkreten Erfolg abgestellt wird. Im Zuge der conditio-Formel geschieht dies zur Ausscheidung von Ersatzursachen.119 Diese Funktion spielt bei Anwendung der Formel von der gesetzmäßigen Bedingung keine Rolle, da hypothetische Überlegungen außen vor bleiben.120 Vielmehr dient dort das Abstellen auf den Erfolg in seiner konkreten Gestalt dazu, Umstände, die für das tatbestandliche Unrecht bedeutungslos sind, bei Kausalitätsüberlegungen außen vor zu lassen.121 Letztlich bedeutet dies, dass es sich hier nicht um ein Kausalproblem sondern um eine Vorfrage dazu handelt.122 Nach Jakobs ist dabei zwischen einer tatbestandlichen Erfolgsverursachung und dem bloßen Bewirken von Begleitumständen zu differenzieren.123 Diese Differenzierung soll sich aus dem Zweck der jeweiligen Norm ergeben, wobei entscheidend sei, ob ein Geschehen die Welt gefährlicher mache und nicht ein Risiko gegen ein anderes austausche. Sei dies nicht der Fall, so handele es sich um eine tatbestandlich irrelevante Handlung bzw. um die „[ . . . ] Variation dieses schon bestehenden Risikos [ . . . ]“.124 Dies ist letztlich keine naturwissenschaftliche Frage, sondern eine normative.125 Auszuscheiden ist demnach beispielsweise der Fall, wenn jemand ein Möbelstück in einem brennenden Gebäude herumdreht, so dass es von der anderen Seite her verbrennt. Dies gilt auch, falls sämtliche Speisen auf einem Teller mit demselben Gift auf die gleiche Weise vergiftet wurden, und der Täter das Opfer dazubringt, mit Fisch statt mit Fleisch zu beginnen.126 Jedoch soll bereits dann, wenn das Gift in beiden Speisen unterschiedlich ist oder jedenfalls wenn es von anderen Urhebern stammt, die Entscheidung zweifelhaft werden bzw. anders ausfallen. Konsequenterweise hält Jakobs dies für ein „spitzes Beispiel“.127 Auch soll derjenige, der eine Vase, die ein Anderer später zerstöre, bemalt habe, nicht ursächVgl. oben Abschnitt C.II.1.a)bb)(2)(b)(aa). Vgl. oben Abschnitt C.II.1.b). 121 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 44. 122 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 79. 123 Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 15 f. 124 Jakobs AT, 7 / Rn. 16. 125 Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 16; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 44; Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, Vorbem § 13 ff. Rn. 79 („normatives Problem“). 126 Beispiele nach Jakobs AT, 7 / Rn. 16. 127 Jakobs AT, 7 / Rn. 16. 119 120

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lich für die Sachbeschädigung sein. Die Bemalung des Tatobjekts sei für den Erfolg i. S. von § 303 I StGB in keiner denkbaren Weise relevant.128 Dies klingt einleuchtend. Jedoch handelt es sich auch hier um Grenzfälle. Denn wie ist zu entscheiden, wenn auf der einen Seite die Bemalung die Zerbrechlichkeit der Vase erhöht hat oder auf der anderen Seite ihr Wert dadurch erheblich steigt? Stellt man mit Roxin in diesem Zusammenhang auf den von der jeweiligen Norm vorausgesetzten Erfolg ab, hier die Zerstörung, so ist jedenfalls die Erhöhung der Zerbrechlichkeit ein relevanter Aspekt. Für die Zerstörung selbst kommt es auf das wertmäßige Ausmaß demnach wohl nicht an. Auch dieses Beispiel zeigt, dass die genannten Beispiele eine hohe Differenzierung voraussetzen. Dadurch wird jedoch der Begriff der Kausalität mit normativen Überlegungen angereichert. Die unerfreuliche Konsequenz daraus ist, dass neben den – zumindest in der Theorie – eindeutig zu beantwortenden naturwissenschaftlichen Fragen, ein Wertungsaspekt vorgeschaltet wird, so dass Unsicherheit entstehen muss. Anzumerken ist noch, dass diese Funktion des Abstellens auf den konkreten Erfolg zum Ausscheiden irrelevanter Begleitumstände, d. h. die Erfassung (nur) des tatbestandlich relevanten Verhaltens, auch durch die Betrachtung des konkreten Erfolgs innerhalb der conditio-Formel geschieht. Wenn man nämlich einen ganz bestimmten Erfolg zum Ausgangspunkt der Überlegungen macht, so ist man gezwungen zu definieren, was den konkreten Erfolg noch ausmachen soll und was nicht. Soll es beispielsweise einen Unterschied machen, in welchem Stockwerk oder eben von welcher Seite ein Möbelstück verbrennt? Oder handelt es sich dabei um irrelevante Begleitumstände, auf die eben nicht mehr abzustellen ist? Bejaht man dies für die Seite, von der ein Möbelstück verbrennt, so kann man eben das Verhalten (das Umdrehen) hinwegdenken, ohne das der konkrete Erfolg entfiele. Hält man hingegen, was wenig sinnvoll ist, die Richtung des Abbrennens für relevant, so ist dies im Begriff des konkreten Erfolges enthalten, und das Umdrehen kann nicht hinweggedacht werden. Wäre es nicht erfolgt, so wäre das Möbelstück andersherum verbrannt, der Erfolg entfiele dann. Es wird deutlich, dass auch bei Anwendung der conditio-Formel die Abgrenzung dessen, was man noch als relevant ansieht und folglich dem Begriff des konkreten Erfolgs zugrundelegt, zu einem Ausschluss bestimmter Handlungen aus der Kausalitätsbetrachtung führt. Auch hier handelt es sich um eine normative (Vor-)Frage. Insofern ist die Funktion des Abstellens auf den konkreten Erfolgs jedenfalls ein Ausschlusskriterium, das sich im Falle der conditio-Formel nicht auf den Ausschluss hypothetischer Ursachen beschränkt, sondern implizit auch den Relevanzaspekt umfasst. An der Einbeziehung normativer Elemente und der darausfolgenden notwendigen Unbestimmtheit bzw. Unsicherheit hat Puppe Kritik geübt.129 Ihre Schluss128 129

Beispiel nach Roxin AT I, § 11 Rn. 21. Vgl. Puppe, ZStW 92 (1980), S. 880., dies., NK, Vor § 13 Rn. 72 ff.

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folgerung ist – eigentlich erstaunlich – eine starke Normativierung des Erfolgsbegriffs. Nur „eine nachteilige Veränderung“130 für ein Rechtsgut soll demnach als Erfolg verstanden werden, darüberhinaus darf die Ausgangssituation nicht in die Kausalitätsbetrachtung Eingang finden.131 Der Disput kann und soll hier nicht in seiner ganzen Breite dargestellt werden.132 Richtig ist jedenfalls, dass die Einbeziehung eines normativen Elements in den Kausalbegriff Unsicherheit verursacht. Jedoch führt die Ansicht von Puppe mit Sicherheit zu einer noch stärkeren Berücksichtigung normativer Fragen im Rahmen der Kausalität. Damit muss aber die gegebene Unsicherheit weiter zunehmen. Es werden die Grenzen zwischen Kausalität und Zurechnung weiter, d. h. stärker als durch das Abstellen auf den konkreten Erfolg, vermischt. Roxin ist folglich in seinem Urteil zuzustimmen, dass das Verfließen von Kausalität und normativ-objektiver Zurechnung in einem Randbereich noch nicht die von Puppe vorgenommene viel weitergehende Vermischung von Kausalität und Zurechnung rechtfertigt.133 bb) Atypische Kausalverläufe und atypische Konstitution des Opfers An der Ursächlichkeit eines Geschehens für einen bestimmten Erfolg vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass dieser auf einem ganz ungewöhnlichen Bedingungszusammenhang bzw. einem regelwidrigen, atypischen Kausalverlauf beruht.134 Dies bedeutet, dass die Ursächlichkeit nicht zu verneinen ist, wenn der Erfolg auf die Verkettung ganz ungewöhnlicher Umstände zurückzuführen ist – beispielsweise im Krankenwagen- bzw. Krankenhausbrandfall oder auch im Brückenpfeilerfall – oder auf höchst unwahrscheinliche, abenteuerliche Weise eintritt wie beispielsweise im Flugreise- oder Gewitterfall 135. Ebenso wenig wird die Kausalität davon beeinflusst, dass es gerade eine spezifische bzw. seltene Konstitution des Opfers ist, aufgrund derer der Erfolg tatsächlich eintritt. Schon das Reichsgericht (RGSt, 45, 348) bejahte die Kausalität einer NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 72. Dies ist im Ansatz mit der Rechtsprechung des BGH zu den Verkehrsdelikten vergleichbar. Diese Rechtsprechung wurde oben bereits kurz erläutert und abgelehnt, vgl. Abschnitt C.II.1.a)aa). 132 Vgl. Dazu Erb, JuS 1994, S. 451f., Puppe, GA 1994, S. 300 ff.; Hilgendorf, GA 1995, S. 515 ff.; Roxin AT I, § 11 Rn. 22. 133 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 22 Fn. 55. 134 Allgemeine Meinung, vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 27; Kühl AT, § 4 Rn. 29 f.; SK-Rudolphi Vor § 1 Rn. 47 jeweils m. w. N. 135 Für den Gewitterfall jedoch verneinen Baumann / Weber / Mitsch AT, § 14 Rn. 45 die Kausalität wegen völliger Unwahrscheinlichkeit. Sie begründen dies auch damit, dass kein messbares Risiko für eine Rechtsgüterverletzung auf die Handlung des Neffen zurückgehe (a. a. O., Rn. 72). Insbesondere Letzteres ist jedoch ein Zurechnungs- und kein Kausalitätskriterium. Gegen Bejahung der Kausalität wendet sich auch Hilgendorf, Jura 1995, S. 521. 130 131

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zugefügten leichten Verletzung, die nur aufgrund der Tatsache zum Tode führte, dass das Opfer Bluter war.136 Auf Grundlage der conditio-Formel werden diese Ergebnisse durch das Hinwegdenken erzielt, auf Grundlage der Gesetzmäßigkeitsformel dadurch, dass auch Atypizität nichts an der gesetzlichen Verbindung zwischen Handlung und Erfolg ändern kann. Hinzukommende, ungewöhnliche Umstände beseitigen diesen Zusammenhang nicht.137 cc) Dazwischentreten anderer Personen – Regressverbot? Auch Verhalten eines Dritten, der an das auf seine Kausalität zu untersuchende Handeln anknüpft, ist ursächlich. Lenckner / Eisele meinen sogar, dadurch werde der Kausalzusammenhang „[ . . . ] gerade erst vermittelt.“138 Die Kausalität wird nicht dadurch unterbrochen, dass ein Anderer vorsätzlich in das Geschehen eingreift.139 Diese Auffassung vertrat hingegen die Lehre vom „Regressverbot“, die von Frank entwickelt wurde. Danach sollte ein Rückgriff verboten sein auf Handlungen, die einem vorsätzlichen Delikt zeitlich vorangingen und daher lediglich Vorbedingungen einer freien und bewussten, d. h. vorsätzlichen und schuldhaften, Bedingung für den Erfolg waren.140 Dieser Ansatz ist mit der Äquivalenztheorie nicht vereinbar141, denn eine Differenzierung in Vorbedingung und Bedingung im Sinne einer Wertung bzw. Außerachtlassung wie von dieser Lehre vorgenommen widerspricht dem Kern der Äquivalenztheorie. Ein gesetzmäßiger Zusammenhang besteht oder besteht nicht bzw. eine Bedingung wirkt oder wirkt nicht. Ein „Unterbrechen“ ist nicht möglich. Die Lehre vom Regressverbot wird folglich auch allgemein abgelehnt.142 Die Rechtsprechung ist der Lehre vom Regressverbot von Anfang an nicht gefolgt.143

136 Auch dies ist allgemeine Meinung, siehe dazu Kühl AT, § 4 Rn. 29; Roxin AT I, § 11 Rn. 27 m. w. N. 137 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 47 sowie Kühl AT § 4 Rn. 29. 138 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem § 13 ff. Rn. 76. 139 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 164. 140 Vgl. Frank, StGB 1931, § 1 Anm. III 2a; die Grundlagen dieser Lehre gehen auf v. Bahr (Die Grundlagen des Strafrechts, 1869; Die Lehre vom Causalzusammenhang im Rechte, besonders im Strafrechte, 1871) zurück. Eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der „Unterbrechungslehre“ findet sich bei Ling, Die Unterbrechung des Kausalzusammenhangs durch willentliches Dazwischentreten eines Dritten, 1996. Ling (ebenda, S. 43) bezeichnet v. Bahr als „Vater der Lehre von der Unterbrechung des Kausalzusammenhangs.“ 141 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 77. 142 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 166; Roxin AT I, § 11 Rn. 28 sowie derS. Tröndle-FS, S. 177; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 49; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 77.

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C. Überlegungen zum strafrechtlichen Verhaltensbegriff und zur Kausalität

In Fällen, in denen es um eine solche Problematik geht, ist es für die Bejahung der Kausalität entscheidend, dass das zeitlich nachfolgende Verhalten – und sei es auch nur zufällig und / oder unbewusst – an vorangegangenes Geschehen anknüpft.144 Unrichtig ist insofern die Kausalitätsablehnung durch BGH NJW 1966, S. 1823 (sog. Bratpfannenfall), da hier an eine vorherige Einwirkung auf das Opfer angeknüpft wurde.145 Wenn schon ein vorsätzliches Ausnutzen bzw. Anknüpfen an vorheriges Verhalten die Kausalität nicht in Frage stellt, so muss dies erst Recht für fahrlässiges Handeln gelten.146 Folglich spielt es keine Rolle, auf welche Weise an die vorherige Handlung angeknüpft wird, sondern lediglich dass dem so ist. Jedoch kann nicht nur ein außenstehender Dritter den Kausalverlauf verändern, sondern auch das Opfer selbst kann vorsätzlich oder fahrlässig den Erfolg an die vorausgegangene Handlung anknüpfend herbeiführen. Doch auch hier gilt, dass selbst vorsätzliches Opferverhalten die Annahme der Kausalität nicht hindert, sofern es nur an das fragliche vorherige Verhalten (bewusst oder unbewusst) anknüpft.147 Der Kausalzusammenhang entfällt beispielsweise nicht deshalb, weil sich ein schwer verletztes Opfer einer lebensrettenden Bluttransfusion verweigert oder in eine notwendige Operation nicht einwilligt.148 dd) Abbruch der Kausalkette Wie gerade im vorherigen Abschnitt dargestellt, ist das entscheidende Kriterium für die Bejahung der Kausalität das faktische Anknüpfen der zeitlich nachfolgenden Handlungen an das vorherige Ereignis. Ein Abbruch der Kausalkette und damit die Verneinung der Kausalität der vorangegangenen Handlungen ist jedoch dann möglich, wenn das nachfolgende Ereignis die Fortwirkung des vorhergehenden ausschaltet. In diesen Fällen spricht man von „sog. abgebrochener Kausalität“149 bzw. von „überholender Kausalität“150 bzw. „überholende[r] Kausalreihe“151. Entschei143 So bereits das Reichgericht beispielsweise in RGSt 61, 318; 64, 370; 63, 316; 77, 17; in Kontinuität der Bundesgerichtshof in BGHSt 10, 291. 144 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 32; Wessels / Beulke AT, Rn. 165; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 49. 145 Zur Ablehnung der Entscheidung siehe Wessels / Beulke AT, Rn. 165; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 49; Hertel, NJW 1966, S. 2418; Otto, Maurach-FS,1972, S. 97. 146 So Roxin AT I, § 11 Rn. 29; allgemeine Meinung vgl. dazu auch Wessels / Beulke AT, Rn. 164; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 49. 147 So schon das Reichsgericht in RGSt 77, 18; vgl. auch zur Kausalität bei Dazwischentreten des Opfers SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 48; Kühl AT, § 4 Rn. 31. 148 Vgl. OLG Celle, StV 2002, S. 366. 149 Gropp AT, § 5 Rn. 23. 150 Baumann / Weber / Mitsch AT, § 14 Rn. 30. 151 SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 50.

II. Bestimmung von Kausalität

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dend ist, dass eine nachfolgende Handlung schneller den Erfolg herbeiführt, d. h. insofern die erste bereits gesetzte Bedingung überholt. Es darf sich im Ergebnis ausschließlich die zweite Ursachenreihe niedergeschlagen haben, dann findet die erste bei der Beurteilung des konkreten Erfolgs keine Berücksichtigung mehr. Es wird auch von einem „Neueröffnungseffekt“ gesprochen.152 Dies sind beispielsweise Fälle, in denen dem Opfer ein langsam, erst am nächsten Tage wirkendes Gift verabreicht wird, es aber kurz nach der Einnahme durch eine andere Person erschossen oder auch gleichfalls vergiftet wird (Abwandlung Fall 1).153 Jedenfalls darf das erste Gift noch keine Wirksamkeit erlangt haben. Es handelt sich hier letztlich um eine Konstellation der alternativen Kausalität. Für den Fall, dass das erste Gift noch gar keine Wirksamkeit erlangt hat, hat jedoch die für alternative Kausalität modifizierte conditio-Formel nach Meinung mancher Autoren Schwächen. Nach anderer Ansicht kommt sie hier zum richtigen Ergebnis, da die erste Giftgabe hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfällt – dass das Opfer am Gift gleichfalls gestorben wäre, müsse als hypothetischer Aspekt unberücksichtigt bleiben.154 Die Rechtsprechung sieht jedenfalls einen Ursachenzusammenhang nur dann als nicht gegeben an, wenn ein nachfolgendes „[ . . . ] Ereignis [ . . . ] die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat“.155 d) Zur Notwendigkeit haftungsbeschränkender Korrekturen Dass die Äquivalenztheorie lediglich einen äußersten Haftungsrahmen festlegt, wurde oben bereits erwähnt. Aufgrund der Gleichwertigkeit aller durch Kausalbeziehung mit einem in Rede stehenden Erfolg verbundenen Bedingungen kann die Kausalität unendlich weit zurückführen – auch die Eltern eines Straftäters sind kausal für dessen spätere Tat.156 Dass es sich beim Zeugen eines Kindes, das vielleicht später eine Straftat begehen wird, im Ergebnis nicht um strafbarkeitsbegründendes Verhalten handelt, ist evident. Die weitgehende Akzeptanz der Ergebnisse der Kausalitätsfeststellung durch die Äquivalenztheorie gründet ganz wesentlich auf der Erkenntnis, dass es sich zur Begründung strafrechtlicher VerEser / Burkhardt Strafrecht I, Nr. 5 A 11. Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 30; Kühl AT, § 4 Rn. 33. 154 Vgl. oben Abschnitt C.II.1.a)bb)(2)(b)(bb). 155 BGH NStZ 2001, S. 1076; im Ergebnis ebenso bereits RGSt 69, 47: „Voraussetzung für die Annahme eines Ursachenzusammenhangs ist natürlich, dass die ursprüngliche, auf einen bestimmten Erfolg gerichtete Handlung auch wirklich bis zum Eintritt des Erfolges fortgewirkt hat, also wirklich ursächlich geworden ist, dass nicht etwa das auf denselben Erfolg gerichtete spätere Ereignis diese Fortwirkung beseitigt und unabhängig von der zu beurteilenden Handlung unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat.“ 156 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 52. 152 153

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C. Überlegungen zum strafrechtlichen Verhaltensbegriff und zur Kausalität

antwortlichkeit lediglich um eine erste Stufe handelt, die der Korrektur bedarf und diese auch erfährt.157 Nach Wessels / Beulke gehört diese Erkenntnis des Bedarfs einer haftungseinschränkenden Korrektur heute zum „gesicherten Bestand der Strafrechtsdogmatik“158. Problematischer und umstritten ist die Frage der Mittel, mit Hilfe derer diese Korrektur durchzuführen ist, und ihre Stellung im strafrechtlichen Prüfungsaufbau.159 Die im folgenden Abschnitt dargestellten Ansichten versuchen dies im Rahmen des objektiven Tatbestands zu erreichen.

2. Adäquanztheorie Die Adäquanztheorie verfolgt die Einschränkung der Weite der Äquivalenztheorie dadurch, dass sie von vornherein nur ganz bestimmte Ursachen, sog. tatbestandsadäquate Bedingungen, als ursächlich ansieht. Im Zivilrecht ist sie zur Kausalitätsfeststellung bzw. Schadenszurechnung herrschende Meinung.160 Ein Verhalten ist adäquate Bedingung, wenn es erfahrungsgemäß allgemein geeignet ist, den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen161 bzw. wenn es die Möglichkeit des Erfolgseintritts generell in nicht unerheblicher Weise erhöht hat, wenn es nicht schlechthin unwahrscheinlich ist, dass das Verhalten einen derartigen Erfolg nach sich zieht.162 Bei der Feststellung der Voraussetzungen sind alle Umstände zu berücksichtigen, die bekannt oder erkennbar waren und die ein einsichtiger Mensch in der Rolle des Täters voraussehen konnte, wobei Sonderwissen des Täters zu berücksichtigen ist.163 Mit anderen Worten hat sich der Richter die Situation so zu vergegenwärtigen, wie sie vor Auslösung der fraglichen Bedingung beschaffen war, d. h. es findet eine ex-ante Beurteilung statt.164 Durchgeführt wird eine objektiv-nachträgliche Prognose, ob der konkrete Kausalverlauf vor diesem Hintergrund noch mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu erwarten war.165 Der Begriff der objektiv-nachträglichen Prognose ist allerdings Vgl. dazu Kühl AT, § 11 Rn. 36. Wessels / Beulke AT, Rn. 178. 159 Vgl. dazu SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 53 ff. 160 Vgl. BGH NJW 2006, S. 2233; Palandt / Heinrichs, Vorb v § 249, Rn. 58 – 61 m. w. N. 161 So Maurach / Zipf AT I, § 18 Rn. 30. 162 Vgl. BGHZ 3, 261 sowie Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931, S. 41 ff.; Roxin AT I, § 11 Rn. 40; Wessels / Beulke AT, Rn. 169. 163 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 170. 164 Vgl. Maurach / Zipf AT I, § 18 Rn. 32, die zugleich anmerken, dass ein Abstellen auf den jeweiligen Täter selbst und sein Erfahrungswissen nicht Grundlage eines Ursächlichkeitssondern eines Schuldurteils sei. 165 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 54. 157 158

II. Bestimmung von Kausalität

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etwas irreführend. Einerseits ist es irrelevant, wann sie tatsächlich gestellt wird, es handelt sich letztlich nur um einen zeitlichen „Blickwinkel“, andererseits ist Sonderwissen des Täters relevant, so dass die Prognose nicht im eigentlichen Sinn objektiv ist.166 Letztlich erfolgt eine Situationsbeurteilung mit dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab der allgemeinen Lebenserfahrung.167 Damit wird eine normative Komponente als Entscheidungsparameter eingeführt. Zu verneinen ist demnach die Adäquanz nur bei atypischen Kausalverläufen, die auf ungewöhnlichen Umständen bzw. einer unwahrscheinlichen Verkettung derselben beruhen. Problematisch an der Äquivalenztheorie ist zum einen ihr Abstellen auf Wahrscheinlichkeitsaspekte bzw. auf die Lebenserfahrung. Dieser Maßstab bleibt letztlich unklar und bietet keinen sicheren Erkenntnisgewinn. Schließlich muss man gerade aufgrund der Lebenserfahrung sagen, dass Erfolge zuweilen auf außerordentlich ungewöhnlichen Wegen eintreten. Damit wird aber zum anderen auch deutlich, dass es sich bei der Frage nach der Haftungsbegrenzung nicht um reine Wahrscheinlichkeitskriterien handelt, sondern um eine Wertungsfrage, wofür der Täter noch verantwortlich ist.168 In diesem Zusammenhang spielt die Ungewöhnlichkeit eine Rolle dahingehend, wie weit die Verantwortung des Täters reichen kann. Letztlich wird so nur ein Rahmen abgesteckt. Bedenklich ist infolgedessen nicht das Ergebnis, das die Adäquanztheorie (im Fall atypischer Kausalverläufe) liefert, ebenso wenig wie das Ziel der Haftungsbegrenzung per se, sondern ihr methodischer Ansatzpunkt. Wertungskriterien werden mit dem naturwissenschaftlich geprägten Begriff der Kausalität vermengt.169 Aufgrund der Tatsache, dass die Äquivalenztheorie der Frage nachgeht, wann ein Verhalten letztlich strafwürdig ist, dürfte die Theorie eher eine Zurechnungsals eine Kausaltheorie sein.170 Auch wenn Maurach / Zipf sie als eine kausalitätsbeschränkende Theorie im Abschnitt über die Kausaltheorien einordnen,171 so ist das eigentliche Ziel der Theorie nicht so sehr die Bestimmung der Kausalität selbst als vielmehr die Begrenzung der Strafbarkeit von Verhalten, d. h. die Frage der Zurechenbarkeit. Damit steht sie neben der Kausalität als Prüfungspunkt bzw. als zweiter Schritt.172 Im Rahmen der Adäquanztheorie kommt dafür nur das Wahrscheinlichkeitskriterium zur Anwendung. Folglich ist diese Theorie auch nur für Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 32 sowie Fn. 52; zustimmend Roxin AT I § 11 Rn. 40 Fn. 97. Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 55. 168 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 54. 169 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 171. 170 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 41. 171 Vgl. Maurach / Zipf AT, § 18 II C. 2. 172 So bereits Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931, S. 59: „Ich [ . . . ] würde es vorziehen, die Adäquanz als besonderes Merkmal neben die Kausalität zu stellen.“ 166 167

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C. Überlegungen zum strafrechtlichen Verhaltensbegriff und zur Kausalität

den Bereich der atypischen Kausalverläufe aussagekräftig. Es gibt jedoch noch andere Fälle, bei denen die Adäquanz zu bejahen und deren Zurechenbarkeit gleichwohl höchst fraglich ist – die Adäquanztheorie kann folglich zu deren sachgerechter Lösung nichts beitragen.173 3. Relevanztheorie Bereits Mezger war der Ansicht, dass die Adäquanztheorie den Gedanken der Adäquanz „[ . . . ] an logisch falscher Stelle eingefügt [ . . . ]“ habe und postulierte eine Trennung zwischen Kausalität einerseits und „rechtlicher Relevanz“ andererseits.174 Mezger führt aus: „Denn auch wenn feststeht, dass die Handlung für den Erfolg kausal ist, kann der Handelnde nur dann für den Erfolg gestraft werden, wenn der Zusammenhang relevant, d. h. rechtlich erheblich ist (sog. Relevanztheorie).“175 Auf diesen Überlegungen gründet die Trennung zwischen Kausalität und Zurechnung. Im Rahmen der Relevanztheorie, die auf der Äquivalenztheorie bzw. ihren Ergebnissen aufbaut, findet für die Frage nach der Erheblichkeit bzw. Zurechnung das Kriterium der Adäquanz Anwendung. Darüberhinaus ist für die Relevanz wesentlich, dass sie nur in den strafgesetzlichen Tatbeständen und ihrer sinngemäßen Auslegung festgestellt werden kann.176 Damit sind bereits Aspekte wie etwa der Schutzzweck der Norm und sonstige Besonderheiten einzelner Tatbestände angesprochen, die im Rahmen der Zurechnung von großer Bedeutung sind. Der richtungsweisende Vorzug der Relevanztheorie besteht in der Trennung zwischen Kausalität und Zurechnung sowie in der Erweiterung von Zurechnungskriterien über eine schlichte Adäquanzbetrachtung hinaus. Eine ganzheitliche Zurechnungslehre stellt sie gleichwohl nicht dar.

III. Zwischenfazit Für die Feststellung der Kausalität ist auf die Äquivalenztheorie zurückzugreifen. Im Ergebnis unterscheiden sich die Lösungen innerhalb dieser Theorie kaum danach, ob man sich als Hilfsmittel der conditio-Formel oder der Formel von der gesetzmäßigen Bedingung bedient. Während erstere insbesondere bei unzweifelhafter Kausalität erheblich griffiger ist, so hat letztere Formel deutliche methodische Vorzüge, da bei ihrer Anwendung Modifikationen nicht erforderlich sind. Vgl. dazu Roxin AT I, § 11 Rn. 42. Mezger, Strafrecht, S. 122. 175 Mezger, Strafrecht, S. 122. 176 So Mezger Strafrecht, S. 123; vgl. dazu auch Blei AT, § 28 IV, V (S. 104 ff.); Bockelmann / Volk AT, S. 63 ff. sowie Maurach / Zipf AT I, § 28 Rn. 25 ff. 173 174

III. Zwischenfazit

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Überlegungen zur Adäquanz sind zur Begrenzung der Strafbarkeit aufgrund der beinahe unendlichen Weite der Äquivalenztheorie richtig. Jedoch werden sie durch die Adäquanztheorie an der methodisch falschen Stelle vorgenommen, der naturwissenschaftliche Begriff der Kausalität wird auf diese Weise durch Wertungen überlagert. Darüberhinaus sind Adäquanzgesichtspunkte nicht die einzigen Aspekte, unter denen eine Begrenzung der Haftung für Verhalten vorzunehmen ist, da sie nur einen begrenzten Teil des nicht strafwürdigen Verhaltens, die atypischen Kausalverläufe, – und diesen nicht abschließend – zu erfassen vermögen. Die Kausalität jedenfalls ist lediglich in den Fällen des Abbruchs der Kausalkette zu verneinen, in allen anderen Konstellationen bestehen hinsichtlich der Ursächlichkeit des fraglichen Verhaltens im Ergebnis keine Zweifel. Wesentliche Errungenschaft der Relevanztheorie ist die Trennung zwischen der Kausalitätsprüfung auf Grundlage der Äquivalenztheorie einerseits und der daran anknüpfenden Frage der Relevanz, d. h. im Ergebnis der Zurechnung, andererseits. Folglich kann man sagen, dass sowohl Adäquanztheorie als auch Relevanztheorie „Wegbereiter“177 für eine umfassende Zurechnungslehre darstellen. Die im folgenden Abschnitt darzustellende Lehre von der objektiven Zurechnung ist der Versuch einer solchen.

177

Maurach / Zipf AT, § 18 Rn. 35 a. E.

D. Die objektive Zurechnung I. Herkunft und Entwicklung der Rechtsfigur Ausgehend von der – wie oben dargelegt – unstreitigen Notwendigkeit einer haftungsbeschränkenden Korrektur der Ergebnisse der Äquivalenztheorie stellt sich die Frage, wie bzw. an welcher Stelle diese zu erreichen ist. Die sog. Lehre von der objektiven Zurechnung versucht bereits im Tatbestand strafunwürdiges Verhalten auszuscheiden, indem die Frage der Zurechnung des eingetretenen Erfolgs zum Täter, d. h. die Festlegung des begangenen tatbestandlichen Unrechts, in den Vordergrund gerückt wird. Die Bezeichnung „objektive“ Zurechnung folgt aus dem wesentlichen Charakteristikum dieser Lehre. Die Strafbarkeitsbegrenzung erfolgt bereits im objektiven Tatbestand.1 Dies bedeutet, dass nach dieser Lehre der objektive Tatbestand nur dann erfüllt ist, wenn neben der Kausalität2 auch die getrennt davon zu untersuchende objektive Zurechnung gegeben ist. In diesem Sinne ist es dann mit den Worten Roxins „[ . . . ] Aufgabe der Zurechnung zum objektiven Tatbestand, die Umstände anzugeben, die aus einer Verursachung [ . . . ] eine Tatbestandshandlung [ . . . ] machen“.3 Allerdings ist die Terminologie nicht ganz einheitlich. Teilweise wird auch davon gesprochen, dass die Lehre von der objektiven Zurechnung die Möglichkeit biete, tatbestandsmäßige Erfolge bereits im objektiven Tatbestand aus dem Strafbarkeitsbereich herauszunehmen.4 Dies ist insofern missverständlich, als dass im Falle der Nichtzurechnung nach den Kriterien der objektiven Zurechnung eben der objektive Tatbestand nicht gegeben ist und damit der Erfolg gerade nicht tatbestandsmäßig ist. Die Formulierung, dass bei Vorliegen tatbestandsmäßiger Erfolge Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 178. Eine differenzierte Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung verfolgen Maurach / Zipf AT, § 18 Rn. 43, 52, die eine „Beurteilung der Kausalität unter normativen Gesichtspunkten“ vornehmen. Diese normativen Gesichtspunkte ergeben sich aus der Lehre von der objektiven Zurechnung, die hier eben nicht neben die bzw. nach der Kausalität eingeordnet wird, sondern gleichsam in die Kausalität integriert wird. 3 Roxin AT I, § 11 Rn. 46; im Ergebnis ebenso Wessels / Beulke AT, Rn. 178, wonach die objektive Zurechnung die Frage betrifft, „Welche Erfolge wir zum tatbestandlichen Unrecht zählen.“ 4 So Kühl AT, § 4 Rn. 37; ganz ähnlich Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele (Vorbem §§ 13 ff. Rn. 92), wonach der objektive Tatbestand dadurch begrenzt werde, dass ein tatbestandsmäßiger Erfolg nur unter der Voraussetzung der Zurechnungsregel der objektiven Zurechnung zurechenbar sei. 1 2

I. Herkunft und Entwicklung der Rechtsfigur

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eine Begrenzung durch die objektive Zurechnung möglich sei, ist wohl dahingehend zu verstehen, dass zunächst ein dem schieren Wortlaut der gesetzlichen Umschreibung des Tatbestands entsprechender Erfolg vorliegt und weiter zu überprüfen ist. Davon zu differenzieren ist das von Frisch5 und Freund 6 vertretene Konzept des tatbestandsmäßigen Verhaltens, das eine explizite Trennung zwischen tatbestandsmäßigem Verhalten und Zurechnung des Erfolgs beinhaltet und auf das weiter unten im Abschnitt über (von der Konzeption der objektiven Zurechnung) abweichende Ansichten eingegangen werden wird. Da es sich um eine Frage des objektiven Tatbestandes handelt, erfolgt die Zurechnung dem Grunde nach auf objektiven7, d. h. vom Täter, dessen Vorstellungen und Willen unabhängigen Kriterien.8 Der teleologische Kerngedanke dieser Lehre ist, dass die den strafrechtlichen Tatbeständen zugrundeliegenden Verhaltensanweisungen keine reinen Verursachungsverbote sein können und auch nicht sind.9 Vielmehr ist auf den Sinn und Zweck der den jeweiligen Tatbeständen zugrundeliegenden Ge- bzw. Verbotsnorm abzustellen.10 Schünemann11 betont dementsprechend als entscheidenden Gedanken der objektiven Zurechnung die teleologische, d. h. an kriminalpolitischen Motiven ausgerichtete, Funktion der jeweiligen Straftatbestände und stellt folglich für die Beantwortung der Frage nach der Zurechenbarkeit darauf ab, ob die Verbotsnorm ein zweckmäßiges Instrument zur Verhinderung des eingetretenen Erfolgs ist – falls dem nicht so ist, bestünde eben kein Anreiz die kausale Erfolgsherbeiführung strafrechtlich in Ansatz zu bringen, d. h. zuzurechnen.12 5 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 9 ff., 56 ff. sowie ders., GA 2003, S. 733 ff. 6 Vgl. MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 324 ff. 7 Im Einzelnen ist hier Vieles umstritten, vgl. dazu auch Schünemann, GA 1999, S. 216, 218; bezüglich der für vorliegende Arbeit zentralen Fallgruppe der Behandlung atypischer Erfolgseintritte bzw. Kausalverläufe wird darauf im Rahmen der Darstellung der Lösung dieser Fälle noch zurückzukommen sein. 8 Eine umstrittene Ausnahme besteht in der Berücksichtigung eventuellen Sonderwissens des Täters. Auf diesen Punkt wird weiter unten bei der Darstellung der Problematik des erlaubten Risikos im Rahmend der Beurteilung der Schaffung einer Gefahr sowie im Zuge der Auseinandersetzung mit den Kritikern der Lehre von objektiven Zurechnung eingegangen werden. 9 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 57 u. 17 ff.; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 92. 10 Auch im Bereich der unechten Unterlassungsdelikte sind diese Grundsätze auf das Bestehen der Ingerenzgarantenstellung anwendbar, vgl. Roxin, Trechsel-FS, 2002, S. 554 ff. Darüberhinaus wurde auch versucht, Bezüge zu den Rechtfertigungsgründen herzustellen. Für Aspekte bzw. Übertragung auf den Defensivnotstand vgl. Köhler, Schroeder-FS, 2006, S. 257 ff., sowie bezüglich der hypothetischen Einwilligung im Arztstrafrecht siehe Mitsch, JZ 2005, S. 282 ff. 11 Vgl. Schünemann, GA 1999, S. 215, 219 sowie 221. 12 Vgl. Schünemann, GA 1999, S. 215.

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D. Die objektive Zurechnung

Auf diese Weise führt erst die Entscheidung über die objektive Zurechnung zu einer Entscheidung über die Tatbestandsmäßigkeit. Aufgrund der Tatsache, dass ihre Entwicklung erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts begann, wird diese Lehre mitunter auch als „neuere“ Lehre von der objektiven Zurechnung bezeichnet.13 Ihre Ursprünge gehen ganz wesentlich auf Roxin14 zurück, der infolgedessen als Begründer der modernen Zurechnungslehre bezeichnet wird.15 Die Entwicklung der Lehre von der objektiven Zurechnung ist noch nicht abgeschlossen, sondern vielmehr noch „in der Entwicklung begriffen“, weshalb auch nur ein „vorläufiges Ergebnis“ präsentiert werden kann.16 Nach Rudolphi17 steht die Entwicklung sogar erst am Anfang – angesichts des umfangreichen und „kaum noch überschaubaren“18 Schrifttums eine durchaus bemerkenswerte Aussage. Lackner / Kühl 19 bilanzieren, dass der gegenwärtige Diskussionsstand um diese Lehre von einer „[ . . . ] Vielzahl zum Teil divergierender, jedoch untereinander eng verwandter Vorschläge gekennzeichnet [ . . . ]“ sei. Naturgemäß ist die Lehre von der objektiven Zurechnung auf teils scharfe Kritik gestoßen. Diese Kritik wird im Anschluss an die Einführung dieser Lehre ausführlich dargestellt und analysiert. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Lehre von der objektiven Zurechnung jedoch in der Rechtswissenschaft „inhaltlich durchgesetzt“20 hat bzw. für die „überwältigend herrschende Lehre in Deutschland“21 gehalten wird, soll sie im Folgenden zunächst als solche dargestellt werden.22 13 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 91, ebenso Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 286. 14 Zuerst insbesondere in ZStW 74 (1962), S. 411 sowie ders., Honig-FS, S. 169 im Jahre 1970. 15 So Schünemann, GA 1999, S. 207, der jedoch zugleich (a. a. O., S. 208) darauf hinweist, dass sich zentrale Grundgedanken bereits auf wesentlich ältere Ansätze meist naturrechtsphilosophischer Art (Pufendorf, Hegel) zurückführen lassen. 16 Beide Zitate von Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 91. 17 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 58. 18 So die Einschätzung von Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 91. 19 Lackner / Kühl, Vor § 13 Rn. 14. 20 Wolter, Roxin-Symposium, 1995, S. 3. 21 Schünemann, GA 199, S. 212. 22 Zu Integration und Integrierbarkeit der Lehre von der objektiven Zurechnung in rechtsund gesellschaftstheoretische Zusammenhänge vgl. Müssig, Rudolphi-FS, 2004, S. 167 ff., der betont, dass die Grundprinzipien der Lehre auf Organisationsprinzipien zurückgeführt werden können. Insbesondere das Zurechnungsmuster aufgrund des Aspekts der Organisationszuständigkeit mit abgeleiteter Verantwortungszuschreibung sowie Aspekte des Autonomieprinzips finden sich als rechtsdogmatische Grundlagen in der objektiven Zurechnung (Müssig, Rudolphi-FS, 2004, S. 179 ff., 185).

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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Besondere Bedeutung erlangen hier die sog. Grundformel, aber auch bestimmten Fallgruppen, bei deren Lösung der objektiven Zurechnung eine zentrale Rolle zukommt, sowie die zu eben dieser Lösung angewandten Prinzipien.

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen 1. Die Grundformel Die Lehre von der objektiven Zurechnung lässt sich auf eine Art „Grundformel“23 zurückführen. Danach ist ein Erfolg objektiv zurechenbar, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat.24 Dabei gibt es jedoch terminologische Unterschiede, die weniger den zweiten Teil der Formel, die Gefahrrealisierung25, betreffen sondern stärker den Aspekt der Schaffung der Gefahr. Während sich in oben genannter Form die zurückhaltendste Formulierung der relevanten Gefahr findet, wird demgegenüber auch von rechtlich „missbilligter“26 Gefahr oder auch „rechtlich verbotene[r] Gefährdung“27 bzw. von einer „nicht durch ein erlaubtes Risiko gedeckte[n] Gefahr“28 gesprochen. Sachlich besteht kein Unterschied zwischen diesen Formulierungen.29 Wesentlich ist jedoch die Formulierung der rechtlich relevanten Gefahr, da sie bereits auf den zentralen Punkt der strafrechtlichen Relevanz eines bestimmten Verhaltens hinweist. Das Abstellen auf Missbilligung bzw. Verbotensein kann insoweit zu Missverständnissen führen, als dass die Frage der rechtlichen Missbilligung eines Verhaltens (im Einzelfall) die zentrale Funktion der Rechtfertigungstatbestände ist.30 Es wird insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass gerechtfertigtes Verhalten, obwohl Kühl AT, § 4 Rn. 43 sowie Wessels / Beulke AT, Rn. 179. Vgl. vorherige Fn.; von Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 92 als Zurechnungsregel bezeichnet; nach MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 322 eine „weithin akzeptierte Kernaussage“; nach LK-Jesckeck, Vor § 13 Rn. 63 die „Grundannahme“ dieser Lehre; Schünemann (GA 1999, S. 210) weist jedoch darauf hin, dass die auf die Verwirklichung einer spezifischen Gefahr abstellende Formulierung bereits bei Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931, S. 61 zu finden ist, sie danach aber wieder in Vergessenheit geraten sei (Schünemann, a. a. O., S. 212). 25 So auch SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 33; zuweilen ist auch von Verwirklichung der Gefahr die Rede, so bei Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 287 sowie Tröndle / Fischer, Vor § 13 Rn. 17. 26 So SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 57. 27 Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 287. 28 Roxin AT I, § 11 Rn. 47. 29 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 43 30 Vgl. Roxin AT I, § 14 Rn. 1, wonach gerechtfertigtes Verhalten von der Rechtsordnung aufgrund des Eingreifens von Rechtfertigungsgründen nicht missbilligt und damit akzeptiert wird. 23 24

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D. Die objektive Zurechnung

nicht rechtlich missbilligt doch zurechenbar ist.31 Das Abstellen auf die – sorgfältig von der Rechtswidrigkeit zu trennende – Frage der Missbilligung der Gefahr kann missverständlich sein. Vorzugswürdig ist das Abstellen auf die rechtlich relevante Gefahr auch gegenüber der einschränkenden Formulierung, die im Hinblick auf die Gefahrschaffung auf das Gedecktsein durch das erlaubte Risiko verweist. Erstere Wortwahl ist offener – die Verneinung der (rechtlich relevanten) Gefahr kann auch auf anderen Aspekten als der Berufung auf erlaubtes Risiko beruhen. Damit ist bereits ein weiteres Problem der Grundformel angesprochen, ihre Reichweite. Während teilweise alle im Zusammenhang mit der objektiven Zurechnung diskutierten Fallgruppen und Lösungskriterien in die Anwendung der Formel – entweder bei Gefahrschaffung oder Gefahrrealisierung – integriert werden,32 wird von Anderen die Formel durch weitere Prinzipien zur sachgerechten Lösung bestimmter Fallgruppen ergänzt, d. h. ein zweistufiges Verfahren empfohlen33, wobei die exakte Reichweite der Grundformel unterschiedlich beurteilt wird. Auch wenn ersteres Verfahren ohne Zweifel den Vorzug der besseren, insbesondere didaktischen Griffigkeit aufweist, bestehen zumindest Zweifel, ob alle relevanten Fallgruppen allein durch die Grundformel zu lösen sind. Schließlich wird die Formel mitunter auch gar nicht explizit eingeführt, sondern lediglich auf Lösungsprinzipien abgestellt.34 Im Folgenden sollen die zentralen Lösungsprinzipien zur Lösung der im Rahmen der objektiven Zurechnung diskutierten und gelösten Fallgruppen dargestellt werden. Eine umfassende Diskussion aller vorgeschlagenen Lösungswege und Akzentuierungen ist demgegenüber nicht möglich, aber zum Verständnis und zur Würdigung des Ansatzes als solchem auch nicht notwendig.35 Vielfach kann die Grundformel zur Lösung beitragen, wenn und weil die Lösungsprinzipien in der Grundformel angelegt sind. Häufig jedoch ist es nicht ein einziger Gedanke, der zur sachgerechten Lösung führt. Die Prinzipien greifen ineinander und ergänzen sich. Sie sind darüberhinaus auch nicht scharf von einander zu trennen. Im Ergebnis kommt es darauf nicht an, entscheidend ist die Lösung auf Grundlage der Lehre von der objektiven Zurechnung als solcher.36

31 So Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 92, die infolgedessen diese Terminologie für ungenau halten. 32 So Wessels / Beulke AT, Rn. 179. 33 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 47 f., 106 ff.; Kühl AT, § 4 Rn. 75 ff. 34 So bei Jakobs AT, 7 / Rn. 35 ff. 35 Darauf weist bereits Schünemann, GA 1999, S. 207 hin. 36 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 179.

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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2. Lösungsprinzipien und Fallgruppen Im Rahmen der folgenden Darstellung werden auch Fallgruppen behandelt, die nicht im eigentlichen Sinn etwas mit atypischen Kausalverläufen zu tun haben. Gleichwohl sind sie auch im Kontext dieser Arbeit von Bedeutung, zum einen da anhand ihrer Grundsätze herausgearbeitet worden sind, die für die Behandlung atypischer Erfolgseintritte fruchtbar gemacht werden (können). Zum anderen ist eine scharfe Abgrenzung von Fallgruppen nicht möglich und auch nicht sinnvoll, da es teleologisch nicht um abstrakte Definitionen sondern um sinnvolle Lösungen geht – die Zuordnung zu der einen oder anderen Fallgruppe bzw. zur Lösung mittels des einen oder anderen Prinzips wird vielfach uneinheitlich vorgenommen. Darüberhinaus ist eine umfassende Würdigung der objektiven Zurechnung unter unvollständiger Darstellung des Ansatzes und seiner Leistungsfähigkeit kaum möglich und Manches an vorgebrachter Kritik und erwidernder Rechtfertigung wäre schwer verständlich. Für die nachfolgende Darstellung sollte man sich erneut die grundsätzliche Zielrichtung der Lehre von der objektiven Zurechnung vor Augen halten, die Antworten auf die Frage sucht, wann dem Täter ein Erfolg als sein Werk zugerechnet werden kann. a) Schaffung einer relevanten Gefahr – Reichweite des erlaubten Risikos Zunächst, dies legt schon die erste Komponente der Grundformel nahe, ist auf die Problematik der Schaffung der relevanten Gefahr abzustellen. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, im Zuge derer die Schaffung verneint werden kann. Zum einen kann eine Gefahr als solche zu verneinen sein. Zum anderen kann eine Gefahr dem Grunde nach zwar gegeben sein, im Ergebnis ihre Relevanz – dies ist nach anderer Terminologie gleichbedeutend mit der Unerlaubtheit – gleichwohl zu verneinen sein, wobei die Figur des erlaubten Risikos wesentlich ist.37

37 Die Terminologie ist auch hier uneinheitlich. In der Terminologie abweichend Roxin AT I, § 11 Rn. 65, wonach im Falle eines rechtlich relevanten Risikos die Zurechnung ausgeschlossen werden könne, wenn es sich um ein erlaubtes Risiko handele. Roxin scheint dann im Ergebnis zwischen rechtlicher Relevanz und der Unerlaubtheit zu differenzieren, dafür spricht insbesondere die Einordnung der Zurechnungsausschlusses wegen erlaubten Risikos unter dem Oberpunkt (§ 11 Vor Rn. 53) „Schaffung eines unerlaubten Risikos“. Nach Kühl (AT, § 4 Rn. 48) ist in solchen Fällen solchen Fällen eine rechtlich relevante Gefahr ausgeschlossen. Nach Auffassung des Verfassers ist diese Terminologie vorzugswürdig, denn es handelt sich in Fällen des erlaubten Risikos unter wertenden Gesichtspunkten – dazu gehört die Kategorie des erlaubten Risikos – schon nicht mehr um ein rechtlich relevantes Risiko. Im Ergebnis spielt dies keine Rolle, die Zurechnung ist jedenfalls ausgeschlossen.

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D. Die objektive Zurechnung

aa) Mangelnde Gefahrschaffung Einerseits entfällt eine Gefahrschaffung bei ganz alltäglichen Verhaltensweisen, die als entfernte, rechtlich offensichtlich nicht einschlägige Verursachungen anzusehen sind, beispielsweise die Zeugung eines Mörders.38 Andererseits sind solche Verhaltensweisen auszuscheiden, die sich als rechtlich irrelevante Lebensbetätigungen darstellen, wie dies im Falle von Spaziergängen der Fall ist. Zwar kann man nicht leugnen, dass bei Spaziergängen – sei es in einer verkehrsreichen Großstadt, sei es auf einem Feld bzw. in der Natur (so im Beispiel des Gewitterfalls) – Unfälle passieren können.39 Jedoch sind die Herbeiführung und dieses Verhalten selbst ungefährlich und daher wird der Ausschluss der Zurechnung auch auf das „allgemeine Lebensrisiko“40 gestützt, für das niemand Verantwortung trägt. Für Roxin fehlt es in diesen Fällen an einer deliktstypischen (Tötungs-)Handlung, da sozial normales Verhalten nicht verboten werden könne.41 Für die Beurteilung, ob ein Verhalten aufgrund seiner Ungefährlichkeit als „normal“ angesehen werden kann, werden letztlich Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkte und damit Kriterien der Adäquanz herangezogen.42 Dies ist jedoch nicht unproblematisch, denn beispielsweise lässt sich beim Spaziergang entlang einer verkehrsreichen Straße oder bei aufziehendem Gewitter ein signifikantes Verletzungsrisiko nicht leugnen. Letztlich ist der Zurechnungsausschluss eine Wertungsfrage, die nicht ausschließlich nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten zu lösen ist. Nach Ansicht von Jakobs ist eine Adäquanzbetrachtung zur Lösung solcher Fälle ungeeignet, da die Adäquanztheorie von Wahrscheinlichkeiten und der allgemeinen Sinnfälligkeit, d. h. wohl der üblichen Erscheinungsform, ausgehe, jedoch die normative Relevanz dieser Kriterien nicht dartun könne.43 Zutreffend daran ist es, dass es letztlich um die Frage der Relevanz insgesamt geht und dass diese nicht abschließend durch Wahrscheinlichkeiten zu beantworten ist. Jedoch können Wahrscheinlichkeiten im Rahmen der Frage der Schaffung einer Gefahr44 einen ersten Aufschluss über Relevanz geben. Denn bei hoher Wahrscheinlichkeit der Gefährdung eines Rechtsguts durch ein bestimmtes Verhalten ist seine Relevanz jedenfalls insoweit gegeben, als man die Zurechnung nicht ohne weitere Anstrengungen auszuschließen vermag. Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 46; Roxin AT I, § 11 Rn. 55. Aus diesem Grund hält Kühl (AT, § 4 Rn. 47) die Begründung des auch aus seiner Sicht richtigen Ergebnisses des Zurechnungsausschlusses aufgrund der mangelnden Gefahrschaffung für „blass“. 40 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 183. 41 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 55. 42 So deutlich Roxin AT I, § 11 Rn. 56; vgl. auch Kühl AT, § 4 Rn. 47. 43 Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 34 f. 44 Die Frage der Tauglichkeit des Adäquanzkriteriums wird auch im Rahmen der Gefahrrealisierung der Gefahr diskutiert, so dass darauf noch zurückzukommen ist. 38 39

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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Zur Lösung dieser Fälle und zur Absicherung des allgemein als richtig empfundenen Ergebnisses werden konsequenterweise weitere Prinzipien ergänzend herangezogen.45 bb) Das erlaubte Risiko Bereits im gerade behandelten Fall, dass von einer Gefahrschaffung nicht ausgegangen werden kann, wurde angedeutet, dass dieses Ergebnis keineswegs eindeutig ist. Die angeführten Zweifel haben deutlich gemacht, dass die Übergänge fließend sind, ja sein müssen, da es weder eine feste Schwelle für dieses Urteil gibt, noch sich ein Schwellenwert konkret ermitteln ließe. Geht man jedoch davon aus, dass es Fälle gibt, in denen eine Risikoschaffung nicht zu negieren ist, so kann gleichwohl die rechtliche Relevanz dieser Gefahr oder nach anderer Terminologie die Unerlaubtheit der Gefahrschaffung zu verneinen sein. Den Weg dahin öffnet die Rechtsfigur des sog. erlaubten Risikos. Unter erlaubtem Risiko versteht man ein Verhalten, „[ . . . ] das ein rechtlich relevantes Risiko schafft, aber generell (unabhängig vom Einzelfall!) erlaubt ist und daher [ . . . ] schon die Zurechnung zum objektiven Tatbestand ausschließt“.46 Grundlage dieses Vorgehens ist die Erwägung, dass bestimmtes Verhalten aufgrund seines gesellschaftlichen Nutzens die damit verbundenen Nachteile überwiegt und daher allgemein als wünschenswert bzw. rechtlich tolerabel einzustufen ist. Im Zentrum dieser Überlegungen steht folglich die Abwägung zwischen Rechtsgüterschutz auf der einen und Handlungsfreiheit47 aber auch sozialem Nutzen auf der anderen Seite.48 Ausgangspunkt ist in diesem Zusammenhang immer, dass von der Existenz eines signifikanten Risikos ausgegangen wird. Ein zentrales Indiz dafür ist das Vorhandensein von (Sicherheits-)Regeln für das fragliche Verhalten, denn die Existenz von Sicherheitsvorkehrungen beweist die Existenz des Risikos.49 Beispielhaft kann hier der Straßenverkehr mit seinen umfangreichen Regeln v. a. in der StVO genannt werden, aber auch zahlreiche Bestimmungen zum Betrieb gefährlicher technischer Anlagen oder für die Ausübung von Risikosportarten gehören in diesen Zusammenhang. Damit wird zugleich deutlich, dass es auf Adäquanz im Sinne einer reinen Wahrscheinlichkeitsbetrachtung allein für die Beurteilung der Unerlaubtheit nicht an45 Vgl. die Hinweise bei Kühl AT, § 4 Rn. 47 sowie Wessels / Beulke AT Rn. 183; siehe dazu auch die unmittelbar folgenden Darstellungen. 46 Roxin AT I, § 11 Rn. 66. 47 Auf diese Abwägung begrenzen Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 93 die Figur des erlaubten Risikos. 48 Vgl. zu diesem Aspekt ausführlich Jakobs AT, 7 / Rn. 35 ff.; siehe auch Kühl AT, § 4 Rn. 48 sowie Wessels / Beulke AT, Rn. 184. 49 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 67.

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kommt, denn gerade die Schaffung von präventiv ausgerichteten Sicherheitsvorschriften dokumentiert die Voraussehbarkeit aufgrund einer signifikanten Wahrscheinlichkeit.50 Das erlaubte Risiko stellt keinen Rechtfertigungsgrund dar, sondern schließt bereits die Tatbestandsmäßigkeit aus. Zwar könnte man insbesondere aus der Formulierung, dass trotz tatbestandsmäßigem Verhalten die Zurechnung bei Einhaltung des erlaubten Risikos ausgeschlossen ist51, schließen, dass es sich letztlich um einen Erlaubnissatz handeln könnte. Eine gewisse Parallele zwischen dem Rechtfertigungsgrund des Notstands (§ 34 StGB) und der Grundlage des erlaubten Risikos kann diesen Eindruck verstärken. Ähnlich wie beim rechtfertigenden Notstand eine Interessenabwägung stattfindet,52 so basiert die Rechtsfigur des erlaubten Risikos auf der oben dargestellten Abwägung – die Begründung dieser Rechtsfigur ist nach Jakobs infolgedessen mit der Interessenabwägung beim Notstand „verwandt“.53 Auch basieren anerkannte Rechtfertigungsgründe auf den Strukturen des erlaubten Risikos.54 Gleichwohl ist das erlaubte Risiko ein Tatbestandshindernis und kein Rechtfertigungsgrund. Auf eine Abwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Interessen und anderer einzustellender Aspekte kommt es gerade nicht an. Dem erlaubten Risiko liegt eine „Globalabwägung“55 zugrunde. Denn was ohne Rücksicht auf den jeweiligen Kontext im Hinblick auf den Rechtgüterschutz (eben weil dieses Risiko erlaubt ist) nicht enttäuscht, erfüllt schon keinen Tatbestand.56 Von manchen Stimmen wird demgegenüber das erlaubte Risiko nur im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte als relevant und hier mitunter als besonderer Rechtfertigungsgrund angesehen.57 Darüberhinaus spricht systematisch gegen eine Differenzierung zwischen vorsätzlichen und fahrlässigen Taten, dass ein allgemein erlaubtes Risiko nicht dadurch verboten wird, dass der Täter sich die Erfolgschance vergegenwärtigt, und nicht dadurch unverboten, dass er nicht an sie denkt.58 50 Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 35, der das Adäquanzkriterium u. a. deshalb insgesamt ablehnt. Siehe auch Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 93. 51 So Roxin AT I, § 11 Rn. 65. 52 Vgl. dazu ausführlich MK-Erb, § 34 Rn. 103 – 166 m. w. N. 53 Jakobs AT, 7 / Rn. 35, auch Rn. 41 f. 54 Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 36 S. 401 ff. 55 Roxin AT I, § 11 Rn. 66; im Ergebnis ebenso Jakobs AT, 7 / Rn. 41. 56 Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 41. 57 Vgl. dazu Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 107b, die davon sprechen, dass das erlaubte Risiko seine eigentliche Bedeutung als Rechtfertigungsgrund bei Fahrlässigkeitsdelikten habe; siehe auch Jakobs AT, 7 / Rn. 40 m. w. N., wonach die Einordnung als Tatbestandsausschluss im Bereich des Fahrlässigkeitsdelikts heute der wohl überwiegenden Lehre entspreche.

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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cc) Beurteilungsbasis Geht man also vom erlaubten Risiko als Tatbestandsausschluss aus, so stellt sich die Frage, auf welcher Beurteilungsbasis dies zu erfolgen hat. Mit anderen Worten: Auf wessen Sichtweise kommt es an? Diese Problematik stellt sich in gleichem Umfang bei der Frage nach der Schaffung eines Risikos überhaupt. Auch im Falle gesetzlich normierter Sicherheitsvorschriften ist dies von Bedeutung, da ein Einhalten dieser Vorschriften nicht stets im Umkehrschluss bedeutet, dass das jeweilige Verhalten erlaubt ist. So kann ein bestimmtes Verhalten im Einzelfall durchaus abweichend zu beurteilen sein.59 Da es um das Ergebnis einer allgemeinen Güter- bzw. Nützlichkeitsabwägung geht, muss die Beurteilung aus ex ante Sicht erfolgen. Weil das Ergebnis ein generelles Urteil über Erlaubtheit nachsichzieht, ist die Beurteilung zugleich auf objektiver Basis durchzuführen, d. h. aus Sicht eines objektiven Beobachters.60 Die an die Fähigkeiten des Beobachters zu stellenden Anforderungen hängen von der Situation und der Bedeutung der einem Risiko ausgesetzten Rechtsgüter ab. Problematisch ist die Frage der Berücksichtigung von Sonderwissen des Täters. Dieser Aspekt wird überwiegend im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte diskutiert61, spielt jedoch auch bei vorsätzlichen Delikten eine Rolle, wie eine einfache Abwandlung des Beispiels des Flugreisefalls zeigt. Wenn der Neffe, der von einer Bombe im Flugzeug weiß, seinen Onkel zur Nutzung eben dieses Flugzeugs überredet, so ist schwer einzusehen, warum hier keine vorsätzliche Tötung vorliegen soll.62 Nach anderer Ansicht hingegen soll Sonderwissen nur insoweit Berücksichtigung finden, als es zur sozialen Rolle des Täters im Verhältnis zum Opfer gehört bzw. er Garant für die Beherrschung eines Sonderrisikos ist.63 Sei dies nicht der Fall, so dürfe vorhandenes Wissen des Täters nicht zum Wissen des kompetenten Beurteilers addiert werden, dies liefe auf eine Vermischung der objektiven und der subjektiven Tatseite hinaus.64

58 So Jakobs AT, 7 / Rn. 40; problematisch insoweit auch die Ansicht von Rudolphi (in SK, Vor § 1 Rn. 62), wonach das Ergebnis der Abwägung zur Ermittlung der erlaubten Gefahr auch davon abhänge, ob der Täter vorsätzlich gehandelt habe oder nicht. 59 Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 45, der darauf hinweist, dass die Sicherheitsvorschriften teils auch nicht vollständig sind oder aber wie in § 1 Abs. 2 StVO unter einem allgemeinen Verbotsvorbehalt stehen. 60 Vgl. zu diesem Problemkreis ausführlich Jakobs AT, 7 / Rn. 47 f. 61 Vgl. Kühl AT, § 17 Rn. 31 ff. m. w. N. 62 Vgl. dazu Wessels / Beulke AT, Rn. 184; ebenso Roxin AT I, § 11 Rn. 57; darüberhinaus stellt sich die Frage nach der Berücksichtigung des Sonderwissens in Form des sog. überlegenen Wissens auch in den weiter unten [D.II.2.d)] dargestellten Fallgruppen der freiverantwortlichen Selbstgefährdung und der einverständlichen Fremdgefährdung. 63 Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 50; ders., Armin Kaufmann-GS, S. 273. 64 Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 50 m. w. N.

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D. Die objektive Zurechnung

An diese Einbeziehung subjektiver Elemente in den objektiven Tatbestand knüpft Kritik an der Lehre von der objektiven Zurechnung an. Danach behandle die Lehre unzulässigerweise schon im objektiven Tatbestand subjektive, d. h. Vorsatzfragen, und sei deshalb verfehlt.65 Auf diese Kritik, die nicht unbeantwortet geblieben ist, wird im Rahmen der Darstellung von abweichenden Meinungen zur objektiven Zurechnung vertieft eingegangen. dd) Abgrenzung und Ausblick Schwierige Abgrenzungsfragen, wann nun gerade ein Risiko erlaubt ist und wann nicht (mehr), stellen sich in erster Linie im Rahmen von Fahrlässigkeitsdelikten und werden deshalb an dieser Stelle nicht vertieft.66 Ein besonderer Ansatzpunkt zur Ermittlung des erlaubten Risikos in dem Fall, in dem Dritte einen Beitrag für Erfolgsherbeiführung bewirken, stellt der sog. Vertrauensgrundsatz dar.67 Da sein Anwendungsbereich nur im Falle des Ein- bzw. Dazwischentretens Dritter – u. U. auch des Opfers selbst – in das Geschehen relevant wird, soll dieser Grundsatz erst im Zusammenhang mit den Fällen des atypischen Kausalverlaufs aufgrund des von außen beeinflussten Erfolgseintritts behandelt werden (Abschnitt D.III.). Anzumerken bleibt, dass die Bestimmung des erlaubten Risikos sich nicht hypothetisch bzw. allgemein für alle Lebenslagen im Sinne einer bestimmten Schwelle festlegen lässt. Vielmehr bedarf es einer situationsabhängigen Abwägung, die für die jeweiligen Straftatbestände unter Abwägung der gegenüberstehenden Interessen einzeln auf oben beschriebener Basis vorzunehmen ist.68 In diesem Vorgehen spiegelt sich das Ziel der Lehre von der objektiven Zurechnung wieder, tatbestandsspezifisch das strafwürdige Verhalten zu ermitteln. b) Risikoverringerung und Risikomodifikation Besonders anschaulich lässt sich die Funktion der Lehre von der objektiven Zurechnung in den Fällen der Risikoverringerung darstellen. aa) Schlichte Risikoverringerung In dieser Fallgruppe wird ein bestehendes Risiko, das durch einen bereits angelegten oder in Gang befindlichen Kausalverlauf vermittelt wird, abgemildert, ohne Vgl. dazu Armin Kaufmann, Jescheck-FS,1985, S. 273. Vgl. dazu MK-Duttge, § 15 Rn. 133 ff.; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 144 ff.; Roxin AT I, § 24 Rn. 14 ff., jeweils m. w. N. 67 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 49. 68 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 62. 65 66

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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dass andere neuartige Risiken für das Handlungsobjekt / Opfer geschaffen werden. Die Situation des Opfers wird also verbessert.69 Als Beispiel kann man nennen, dass ein von einem Dritten abgegebener Schlag auf den Kopf des Opfers so abgelenkt wird, dass er statt des Kopfes nur noch die Schulter trifft.70 An der Kausalität des Verhaltens des Ablenkenden ist nicht zu zweifeln. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Schlag des Dritten Voraussetzung ist (es liegt insoweit unproblematische kumulative Kausalität vor). Auch ist ein Zurechnungsausschluss mittels der Adäquanztheorie nicht zu erreichen, denn dem Ablenkenden kam es auf den Erfolg in dieser konkreten, d. h. abgelenkten Variante gerade an.71 Jedoch muss das Schaffen einer rechtlich relevanten Gefahr für das Opfer durch das Ablenken verneint werden. Aus normativen Überlegungen folgt unmittelbar, dass eine Handlung nicht verboten bzw. tatbestandsmäßig sein kann, die die Situation eines geschützten Rechtsguts ausschließlich verbessert. Auf einen möglichen Ausschluss der Strafbarkeit durch rechtfertigenden Notstand kommt es deshalb nicht an. Zum Erreichen des Ergebnisses der Straflosigkeit werden bzw. wurden eine Vielzahl an Lösungskriterien formuliert.72 Insbesondere die Kritiker der Lehre von der objektiven Zurechnung führen diesen Fall für ihren Standpunkt ins Feld, so dass darauf im Zuge der Ausführungen zu diesen noch zurückzukommen ist.73 Der Zurechnungsausschluss lässt sich aufgrund dieses Gedankengangs mit der Grundformel herleiten und stellt einen einleuchtenden Anwendungsfall der Grundformel dar – eine rechtlich relevante Gefahr liegt nicht vor. Das Ergebnis des Ausschlusses der objektiven Zurechnung bei Risikoverringerung hat sich aufgrund seiner einleuchtenden Argumentation und den dahinterstehenden – aus meiner Sicht zwingenden – Wertungsgesichtspunkten „rasch durchgesetzt“74. Davon zu unterscheiden ist der Fall, in dem man meinen könnte, es sei deshalb keine Gefahr geschaffen worden, weil der Erfolg auch auf anderem Wege eingetreten wäre, aber nicht ist. An dieser Stelle geht es um die Konstellation, dass statt dem Täter ein Dritter, d. h. ein Ersatztäter, bereitgestanden hätte, um die Tat gleichfalls zu begehen.75 Die Rechtsordnung kann allerdings ihre Verbote nicht Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 53; Wessels / Beulke AT, Rn. 194. Beispielsfall bei Kühl AT, § 4 Rn. 53 sowie Wessels / Beulke AT, Rn. 194; ähnliche Fälle auch bei Roxin AT I, § 11 Rn. 53. 71 Vgl. zu dieser Argumentation Roxin AT I, § 11 Rn. 53 sowie auch Kühl AT § 4 Rn. 54. 72 Einen Überblick gibt Schroeder, Schünemann-Symposium, 2005, S. 157 f. 73 Vgl. unten D.V, häufig wird zur Lösung auf Rechtfertigungsgesichtspunkte abgestellt. 74 Roxin AT I, § 11 Rn. 53 sowie Fn. 130 m. w. N.; sie wird im Ergebnis mit unterschiedlichen Begründungen auch von denjenigen geteilt, die der objektiven Zurechnung als solcher skeptisch gegenüberstehen, vgl. dazu die Nachweise bei Kühl AT, § 4 Rn. 54 Fn. 143. 75 Nicht gleichzusetzen ist der Fall, dass der Erfolg auch bei korrektem Verhalten des Täters ohne an seine Stelle tretende Ersatztäter eingetreten wäre. Diese Konstellation wird 69 70

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D. Die objektive Zurechnung

deshalb zurücknehmen, weil ein Dritter gleichfalls zu ihrer Missachtung bereit gewesen wäre.76 Hier gilt das schon zur Bejahung der Kausalität fruchtbar gemachte Prinzip vom Verbot der Beachtung hypothetischer Kausalverläufe. Andernfalls käme es zur Straflosigkeit, weil statt eines Tatbereitens gleich mehrere davon vorhanden waren – ein wie im Bereich der Kausalität unsinniges Ergebnis.77 Umstritten aber gleichfalls zu verneinen ist die Antwort auf die Frage, ob ein Zurechnungsausschluss in Betracht kommt, wenn der Ersatztäter rechtmäßig gehandelt hätte.78 Andernfalls hieße dies, dass Straflosigkeit deshalb eintreten könnte, weil ein Anderer, aber nicht der Täter dazu befugt wäre. Dies ist nicht haltbar. Zum einen stehen bestimmte Befugnisse bewusst nicht jedermann zu, zum anderen würden Rechte des Einzelnen wertlos, wenn jeder in sie straflos eingreifen könnte, nur weil der Rechtsinhaber dazu befügt wäre.79 bb) Risikomodifikation Eine differenzierte Betrachtungsweise ist jedoch angezeigt, wenn es um die Modifikation bzw. den Austausch von Risiken geht. Wenn nicht lediglich eine Verringerung eines bestimmten Risikos durch Eingreifen in den Kausalverlauf vorliegt, sondern eine neue, andere Gefahr begründet wird, so scheidet ein Zurechnungsausschluss nach den Grundsätzen der Risikoverringerung auch dann aus, wenn dadurch nur eine schwächere Beeinträchtigung desselben Rechtsguts erreicht wird. Wirft beispielweise jemand ein Kleinkind aus einem brennenden Haus in die Arme der Retter (wobei es nur leicht verletzt wird), weil es andernfalls den Tod in den Flammen fände, so wird hier ein Risiko durch das andere ersetzt, d. h. das Gesamtrisiko modifiziert und nicht lediglich verringert. Ein tatbestandlicher Zurechnungsausschluss kommt nicht in Betracht.80 Der konkrete Erfolg bleibt das Werk des Täters und ist ihm folglich zuzurechnen. Ein Zurechnungsausschluss käme dem Zurücknehmen des Rechtsgüterschutzes gegenüber Rechtsgutsträgern gleich, den diese auch in Notsituationen uneingeschränkt genießen. unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens weiter unten in diesem Kapitel behandelt. 76 Vgl. Samson, Hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht, 1972, S. 137 ff.; ebenso SKRudolphi, Vor § 1 Rn. 60; Roxin AT I, § 11 Rn. 59. 77 Vgl. Roxin AT I, §§ 11 Rn. 59. 78 Für Zurechnungsausschluss Samson, Hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht, 1972, S. 142 f.; dagegen Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 98; Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 289, jeweils m. w. N. 79 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 60; daher begeht der eine Sachbeschädigung, der einen Baum fällt, den der Eigentümer hätte fällen dürfen. 80 Beispiel, Lösung und Begründungsgedanken nach Wessels / Beulke, Rn. 195; aufgenommen von Kühl AT § 4 Rn. 55.

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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Natürlich kommt ein Ausschluss der Strafbarkeit aufgrund mangelnden Verletzungsvorsatzes oder nach Rechtfertigungsgrundsätzen in Betracht.81 Etwas Anderes gilt in den Fällen der Modifikation sog. Naturkausalitäten. Hier sind Fälle gemeint, in denen ein Geschehen in der Weise beeinflusst wird, dass weder Zeitpunkt noch Art der Rechtsgutsverletzung verändert werden, es wird lediglich eine im Ergebnis nicht relevante Modifikation vorgenommen. Es handelt sich um einen solchen Fall, wenn ein Zug eine zweigleisige Strecke befährt, deren beide Gleise durch einen Bergrutsch versperrt sind, so dass auf beiden Gleisen Bremsversuche zu spät kämen. Wenn nun jemand diesen Zug vom rechten auf das linke Gleis durch Weichenstellung fahren lässt und er in gleicher Weise zerschellt, so soll dadurch die Zurechnung ausgeschlossen werden. Es ist durchaus plausibel, dies zu tun, da die Gründe gegen den Zurechnungsausschluss bei Ersatztätern, insbesondere der effektive Rechtsgüterschutz hier nicht zum Tragen kommen, auch wird die Verletzung eines Rechtsguts nicht intensiviert oder ausgetauscht.82

c) Schutzzweck der verletzten Sorgfaltsnorm aa) Das Lösungsprinzip und seine Einordnung Mit dem Begriff des Schutzzwecks der verletzten Sorgfaltsnorm werden ein bestimmtes Lösungsprinzip und zugleich eine ganz bestimmte Art von Fällen bezeichnet. Dabei verletzt der Täter eine Sorgfaltsnorm und diese Verletzung schlägt sich kausal in einem anderen von der vorherigen Sorgfaltspflichtverletzung zu trennenden Erfolg nieder. Als Beispiel wird der Fall angeführt, dass ein Autofahrer an einer Kreuzung verbotener Weise die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschreitet83 (oder eine rote Ampel überfährt84) und infolgedessen später genau zu dem Zeitpunkt an einem anderen Ort ist, wenn ihm ein Kind unvermittelt vor den Wagen rennt und infolgedessen (tödlich) verletzt wird. Nach Wessels / Beulke85 ist in einem solchen Fall deshalb keine für den konkreten Fall relevante Gefahr im Sinne der Grundformel geschaffen worden, weil der Schutzzweck der Geschwindigkeitsbegrenzung nicht darin liegt, dass Fahrzeuge 81 Der Vorsatz lässt sich nach Wessels / Beulke (AT, Rn. 195) aufgrund des Rettungswillens des Herabwerfenden verneinen; dagegen lediglich für die Anwendung der Notstandshilfe gem. § 34 Jakobs AT, 13 / Rn. 30; Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 287 f.; Kühl AT, § 4 Rn. 55; Roxin AT I, § 11 Rn. 54; Otto, NJW 1980, S. 422. 82 So Roxin AT I, § 11 Rn. 61; im Ergebnis ebenso SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 59 f.; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 98; wohl ablehnend aber von einem anderen Fall ausgehend Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 289. 83 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 182; Roxin AT I, § 11 Rn. 75. 84 Vgl. Kühl AT, § 17 Rn. 69. 85 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 182.

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D. Die objektive Zurechnung

bestimmte Orte später erreichen. Vielmehr sei es Zweck dieser Regelungen, Verkehrsteilnehmer vor den Gefahren der überhöhten Geschwindigkeit zu schützen. Aus diesem Grund ergäbe sich aus dem Schutzzweck der Norm, dass die geschaffene Gefahr im konkreten Fall nicht relevant sei. Roxin stimmt mit dem Ergebnis vollständig überein, differenziert jedoch in der Begründung.86 Seiner Ansicht nach wurde in der Tat keine relevante Gefahr für den Tod des Kindes durch den Autofahrer geschaffen, der sich an der Unfallstelle verkehrsgerecht verhält. Durch die überhöhte Geschwindigkeit sei das Risiko, dass es zu dem Unfall komme nicht im Geringsten erhöht worden, so dass beide Ereignisse nur zufällig miteinander verbunden seien. Trotz der Kausalität sei eine Gefahrschaffung zu verneinen, beide Ereignisse durch Zufälligkeit verknüpft und die Zurechnung daher abzulehnen. Auf den Schutzzweckzusammenhang wird nicht abgestellt. Nach Ansicht Roxins ist er vielmehr ein Mittel, um bei tatsächlich erhöhter Gefahr die Zurechnung auszuschließen, indem mittels des Schutzzweckzusammenhangs wertend die Realisierung der geschaffenen Gefahr verneint werden kann.87 Dementsprechend wird bezüglich des Lösungswegs auch der bekannte Radleuchtenfall des Reichgerichts (RGSt 63, 392) unterschiedlich gelöst. Zwei Radfahrer fuhren schräg hintereinander ohne Beleuchtung auf dunkler Straße, der eine vorne, der andere schräg hinter ihm. Der vordere stieß mit einem ebenfalls unbeleuchteten, entgegenkommenden Radfahrer zusammen und verstirbt an den Sturzfolgen. Dadurch, dass der hintere Fahrradfahrer keine Beleuchtung hatte, verstieß er gegen § 17 StVO und erhöhte die Gefahr für den vor ihm Fahrenden. Denn der hätte unter Umständen vom Gegenverkehr gesehen werden können. Unumstritten ist, dass es nicht im Schutzbereich der individuellen Beleuchtungspflicht ist, den vor einem fahrenden Verkehr auszuleuchten, sondern vielmehr sich selbst sichtbar zu machen sowie für sich die Straße und den Verkehr. Entsprechend des vorher dargestellten Meinungsunterschieds verneint die eine Ansicht bereits das Vorliegen einer relevanten Gefahr (der Schutzzweck der Norm wird unter diesem Aspekt behandelt), da das Verhalten außerhalb des Schutzzweckzusammenhangs liege.88 Während demgegenüber von der Gegenansicht die Realisierung der geschaffenen / erhöhten Gefahr aufgrund des fehlenden Schutzzweckzusammenhangs abgelehnt wird.89 86 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 75; im Ergebnis identisch Jakobs AT, 7 / Rn. 81 wonach dieser Fall überhaupt keine Probleme biete, d. h. ein Rückgriff auf Schutzzweckerwägungen überflüssig ist. Jedoch löst Jakobs ihn über fehlende Risikoverwirklichung, an der es fehle, weil der vorangegangene Verkehrsverstoß als Risiko nicht zum späteren Opfer bestehe. Das unerlaubte Verhalten könne eben den Erfolgseintritt nicht erklären. 87 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 85 f. 88 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 182. 89 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 86.

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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Im Ergebnis macht dies keinen Unterschied, denn jedenfalls entfällt die Zurechnung,90 der erforderliche Schutzzweckzusammenhang liegt nicht vor.91 Vielmehr handelt es sich lediglich um einen Schutzreflex92 der Sorgfaltsnorm, dass der Erfolg ohne deren Missachtung nicht eingetreten wäre.93 Dies macht erneut deutlich, dass es im Rahmen der objektiven Zurechnung weniger um die Festlegung auf einen eher technischen Gesichtspunkt des Prüfungsorts innerhalb der Zurechnung geht, als vielmehr um das auf einer Wertung basierende zutreffende Ergebnis. bb) Abgrenzung zum Schutzzweck des Tatbestands – Terminologie und Funktion Von zentraler Bedeutung ist jedoch, dass mit der verletzten Sorgfaltsnorm nicht der jeweils in Rede stehende Straftatbestand gemeint ist, sondern eine vorgeschaltete, generelle Sorgfaltsnorm. Ihre Funktion besteht in der Begrenzung des erlaubten Risikos.94 Infolgedessen kommt das Prinzip des Schutzzweckzusammenhangs (der Sorgfaltsnorm) nur zum Tragen in Fällen, in denen es ein erlaubtes Risiko gibt und die dieses Risiko begrenzende Verhaltensnorm überschritten ist, d. h. ein unerlaubtes Risiko dem Grunde nach besteht.95 Gibt es keine einschlägige Sorgfaltsnorm, so kann auch ihr Schutzbereich nicht herangezogen werden. Vom Aspekt bzw. Terminus des Schutzzwecks der Sorgfaltsnorm ist der des Schutzzwecks des Tatbestandes zu unterscheiden – mit letzterem ist der jeweilige Straftatbestand gemeint.96 Insofern ist der vielfach97 verwendete Begriff vom Schutzzweck der Norm mehrdeutig und missverständlich.98 Jakobs hält diesen Begriff (hier im Kontext des Verständnisses vom Schutzzweck des Tatbestands) insgesamt für schlecht, da immer, wenn eine Voraussetzung des Unrechts fehle, das Geschehen nicht im Schutzbereich der Norm liege.99 90 Bei Kühl AT, § 17 Rn. 68 schließlich fehlt eine Festlegung auf den einen oder anderen Aspekt. 91 Kritisch zu den Schutzzwecküberlegungen insgesamt MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 337; er sieht bei „zu undifferenziertem Gebrauch“ der „Schutzzweck-Formel“ [Heraushebung im Original] die Gefahr der falschen Lösungen von bestimmten Fällen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, siehe dazu a. a. O. Rn. 338. 92 Ausführlich zum Begriff des Schutzreflexes NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 226 ff. 93 Vgl. Krüpelmann, Bockelmann-FS, S. 453; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 64. 94 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 87; auch Kühl AT, § 17 Rn. 68. 95 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 87. 96 Zur Notwendigkeit dieser Differenzierung ganz deutlich Roxin AT I, § 11 Rn. 87. 97 SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 64; Wessels / Beulke AT, Rn. 182; Jescheck / Weigend AT, § 28, S. 288 („Schutzbereich der Norm“), ebenso LK-Jescheck, Vor § 13 Rn. 67. 98 Während er von Rudolphi und Wessels / Beulke (vgl. jeweils vorherige Fn.) im ersteren Sinne verwendet wird, versteht Jescheck ihn in letzterem Sinn (vgl. Nachweise vorherige Fn.). 99 Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 79, Fn. 131e.

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D. Die objektive Zurechnung

Wie gesehen ist die Terminologie des Begriffs vom Schutzzweck des Tatbestands bzw. (in diesem Sinne) der Norm nicht einheitlich. Statt vom Schutzzweck des Tatbestands wird darüberhinaus auch vom „Schutzbereich der verletzten Verhaltensnorm“100 gesprochen. Überwiegend wird damit ein Zurechnungsausschluss begründet, wenn es eben an diesem Schutzzweckoder auch Risikozusammenhang bzw. einer Risikoverwirklichung fehlt.101 Letztere Formulierungen zeigen deutlich, was sich hinter diesem Verständnis verbirgt. Es geht um die Frage der Verwirklichung des durch den Täter geschaffenen Risikos im Allgemeinen und ist damit eine Frage der Zurechnung atypischer Kausalverwirklichungen, die erst weiter unten innerhalb dieses Abschnitts D dargestellt werden soll, und scharf von den Fragen des Schutzzweckzusammenhangs im hier verstandenen Sinn als Schutzzweck(-zusammenhang) der Sorgfaltsnorm zu trennen ist.

d) Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit – Selbstschädigung und Fremdgefährdung Einschränkungen der Zurechnung können sich darüberhinaus auch aus der Abschichtung von Verantwortungsbereichen ergeben. aa) Mitwirkung an eigenverantwortlicher Selbstgefährdung Ausgangspunkt ist die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Strafbarkeit wegen des Veranlassens, Ermöglichens oder Förderns einer fremden Selbstgefährdung oder -verletzung zu verneinen ist. In diesen Fällen handelt es sich um Konstellationen, in denen das Opfer die Güterschädigung selbst vermittelt102 bzw. das Verhalten des Rechtsgutsträgers „tatherrschaftlich gegen sich“103 selbst gerichtet wird. Zu nennen sind beispielsweise Fälle wie die Aufforderung zu einem privaten Motorradrennen, das für den Aufgeforderten tödlich endet,104 oder die Überlassung von Heroin zum Konsum, die für den Konsumenten tödliche Folgen hat.105 Es handelt sich um eine Zwei-Personen Konstellation. Diese Fälle sind folglich eng verwandt mit Fällen, in denen das Opfer einen in Gang gesetzten Verlauf der Dinge zum eigenen Nachteil abändert, indem es sich beispielsweise unvernünftig Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 95 / 95. Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 95 / 96 m. w. N.; ebenso LK-Jescheck, Vor § 13 Rn. 67. 102 Vgl. MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 382. 103 MK-Duttge, § 15 Rn. 149 [Hervorhebung im Original]. 104 Vgl. BGHSt 7, 112. 105 Vgl. BGHSt 32, 262. 100 101

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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verhält oder eine rettende Operation ablehnt. Da jedoch für dieses atypische Opferverhalten zugleich das ungewöhnliche Eingreifen des Opfers in das im Gang befindliche Geschehen charakteristisch ist, sollen diese Fälle im Rahmen der atypischen Kausalverläufe (D.III.) dargestellt werden, da es strukturell (für die Lösung ist damit noch nichts präjudiziert) unerheblich ist, ob ein Dritter oder das Opfer in den zu erwartenden Gang der Dinge eingreift. Im Ergebnis hat sich für Fälle der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung die Erkenntnis durchgesetzt, dass derjenige, der eine eigenverantwortlich gewollte, erstrebte, als sicher vorausgesehene oder in Kauf genommene und schließlich verwirklichte Selbstgefährdung nur veranlasst, ermöglicht oder fördert, sich nicht wegen einer Körperverletzung oder Tötung strafbar macht.106 Meinungsverschiedenheiten bestehen jedoch im Wesentlichen in drei Aspekten: Der dogmatischen Begründung dieses Ergebnisses und der systematischen Einordnung in die Lehre von der objektiven Zurechnung [unten. (1)], den Voraussetzungen, unter denen von einer Freiverantwortlichkeit ausgegangen werden kann [unten (2)], sowie schließlich bei der Frage, ob bezüglich bestimmter Delikte bzw. Konstellationen Ausnahmen zu machen sind [unten (3)]. (1) Begründung und Einordnung Die Begründung des Ausschlusses der Zurechnung in diesen Fällen wird nicht einheitlich vorgenommen. Die Rechtsprechung107 und ein Teil der Literatur108 wählen eine am positiven Recht bzw. dessen Wertungen orientierte Begründung. Da die Selbsttötung und Selbstverletzung nach gesetzgeberischer Wertung straflos sei, seien dies mangels vorsätzlicher rechtswidriger Haupttat auch Anstiftung und Beihilfe (§§ 26, 27 StGB) dazu. Daher müsse erst Recht auch die Mitwirkung an einer Selbstgefährdung als Weniger im Verhältnis zum Mehr der Verletzung straflos sein. Dies gilt sowohl für das fahrlässige Ermöglichen bzw. Fördern als auch für das vorsätzliche. Da schon der objektive Tatbestand des Tötungs- / Verletzungsdelikts nicht erfüllt ist, kann ein eventuell vorhandener Vorsatz daran nichts ändern, er ist auf etwas 106 Vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 150; MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 383 ff.; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 79; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101 / 101a („i. E. weitgehend anerkannt“); Roxin AT I, § 11 Rn. 107 ff.; Kühl AT, § 4 Rn. 86 ff. jeweils m. w. N. 107 Vgl. BGHSt 32, 264 – in dieser Entscheidung vollzog der BGH „eine Aufsehen erregende Wendung“ (Roxin AT I, § 11 Rn. 110, vgl. dort Fn. 240 auch die Nachweise zu den zahlreichen Besprechungen des Urteils) und rückte von seiner Rechtsprechung ab, wonach derjenige, der durch Abgabe von Rauschgift den Tod eine Heroinabhängigen verursache, sich fahrlässiger Tötung schuldig mache, wenn er mit dem Injizieren und der Gefährlichkeit habe rechnen müssen oder ihm beides bekannt sei (BHG NStZ 1981, S. 350). 108 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 79; Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 211 ff. Rn. 35; LK-Schroeder, § 16 Rn. 183; Roxin AT I, § 11 Rn. 107; jeweils m. w. N.

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D. Die objektive Zurechnung

Strafloses gerichtet.109 Folglich könnte sich der Täter bei voller Kenntnis der tatsächlichen Sachlage, d. h. richtiger Erfassung der für den Strafbarkeitsausschluss notwendigen Voraussetzungen (siehe dazu auch unten (2)), durch seine Teilnahme an der Selbstgefährdung bei entsprechendem Vorsatz keines untauglichen Versuchs strafbar machen110, wenn und weil sein Vorsatz nicht auf Strafbares gerichtet ist. Nähme er dies an, läge ein strafloses Wahndelikt vor. Es handelt sich um einen Schluss a maiore ad minus nicht nur im Verhältnis zwischen Verletzung und Gefährdung, sondern unter Wertungsgesichtspunkten auch zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit. Würde man letzteren Aspekt unberücksichtigt lassen, bestünde die Gefahr eines Wertungswiderspruchs, da die Wirkkraft der Selbstbestimmung im Falle der vorsätzlichen Beteiligung des Dritten weiter reichen würde als bei fahrlässiger – dies wäre mit dem Stufenverhältnis zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unvereinbar.111 Aus letzterem Gesichtspunkt wird bereits deutlich, dass aber nicht nur systematische Erwägungen Argumente für den Zurechnungs- und Strafbarkeitsausschluss liefern, sondern gerade auch Wertungsgesichtspunkte. Jakobs spricht als Ausgangspunkt vom „Synallagma von Handlungsfreiheit und Folgenverantwortung“ als wichtigster Institution der Gesellschaft112 und weist damit den Weg zu einer stärker auf Wertungen basierenden Lösung. Diese werden aus dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit113 abgeleitet. Danach ist eine Trennung nach dem Prinzip vorzunehmen, dass der Schutzbereich einer Norm, die den Rechtsgutsinhaber vor Beeinträchtigungen schützt, dort endet, wo der Verantwortungsbereich des Rechtsgutsträgers beginnt114 – grundlegend ist folglich eine „Abgrenzung von Verantwortungsbereichen“115. Jedoch findet sich auch eine Kombination aus beiden Argumentationssträngen. Während Kühl 116 konzediert, dass die Sicherheit des Ergebnisses aufgrund des Verantwortungsprinzips durch die gesetzgeberischen Wertentscheidungen zu Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 108. Ein Versuch käme aber dann in Betracht, wenn der Täter einen Suizidenten irrtümlich nicht für verantwortlich hält; vgl. dazu Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 37. 111 Vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 151; Schünemann, NStZ 1982, S. 62; Duttge lehnt (a. a. O.) freilich den Schluss der herrschenden Meinung für den Strafbarkeitsausschluss bei fahrlässigem Fördern ab. 112 Jakobs, Hirsch-FS, 1999, S. 48. 113 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 83, 86; Wessels / Beulke AT, Rn. 185 f.; auch Schönke / SchröderLenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101 / 101a, 101b; MK-Freund, Vor §§ 13 ff. ist der Ansicht, dass der Schluss a maiore ad minus zu formal gedacht sei, vielmehr sich in diesen Fällen eine Einschränkung der Handlungsfreiheit des Dritten sowie des Opfers nicht legitimieren ließen. 114 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 186. 115 Kühl AT, § 4 Rn. 83. 116 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 87. 109 110

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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Selbsttötung und Selbstverletzung mitbedingt sei, will Duttge117 die formale, am positiven Recht orientierte Betrachtungsweise nur auf vorsätzliche Beteiligung anwenden, da nur hier die §§ 26, 27 StGB anwendbar seien. Im Falle fahrlässiger Beteiligung solle jedoch aus Wertungsgesichtspunkten im Hinblick auf das „Autonomieprinzip“ das gleiche Ergebnis folgen. Letztlich dürfte es sinnvoll und konsequent sein, das Ergebnis sowohl auf formale Begründungen zu stützen als auch Wertungsgesichtspunkte ins Feld zu führen – Ergebnis der gesetzgeberischen Entscheidungen dürften diese Wertungsgesichtspunkte sein. Entsprechend ist auch die Frage, ob durch die Beteiligung an einer freiverantwortlichen Selbstgefährdung schon keine rechtlich relevante Gefahr geschaffen wird oder die Zurechnung trotz der Schaffung und Realisierung einer solchen aufgrund eines übergeordneten Prinzips auszuschließen ist, anzugehen. Wessels / Beulke nehmen an, dass keine rechtlich relevante Gefahr geschaffen werde, weil eben der Schutzbereich der fraglichen Norm durch den Verantwortungsbereich des Einzelnen begrenzt werde.118 Dies ist insofern konsequent, als dass es auf die rechtliche Relevanz der geschaffenen Gefahr ankommt, und gerade die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche dazu führt, dass für ein Verletzungsdelikt keine relevante Gefahr geschaffen wurde. Demgegenüber wird hingegen überwiegend ein Zurechnungsausschluss trotz Vorliegens einer rechtlich relevanten Gefahr bejaht und solche Verhaltensweisen aus dem Schutzbereich des Tatbestands herausgenommen.119 Für diese Ansicht wiederum spricht, dass durch das Ermöglichen bzw. Fördern einer Selbstgefährdung die Gefahr von Beeinträchtigungen des gefährdeten Rechtsguts tatsächlich erhöht wird und daher von einer relevanten Gefahr gesprochen werden kann. Gleichwohl ist eine Zurechnung aus den oben genannten Gründen abzulehnen. (2) Voraussetzungen der Freiverantwortlichkeit Von zentraler Bedeutung ist, unter welchen Voraussetzungen von einer Freiverantwortlichkeit der Selbstgefährdung auszugehen ist. Kaum zweifelhaft ist insoweit, dass eine Freiverantwortlichkeit dann auszuscheiden hat, wenn der Teilnehmer an der fremden Selbstgefährdung über überlegenes Wissen verfügt, d. h. wenn der sich selbst Gefährdende das Risiko in relevant geringerem Maße übersieht wie der Mitwirkende.120 Wenn der Mitwirkende „[ . . . ] erkennt, dass das Opfer die Tragweite seines Beschlusses nicht überblickt MK-Duttge, § 15 Rn. 151. Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 186. 119 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 75, 83 („notwendige Ergänzung“ der Grundformel durch das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit); Roxin AT I, § 11 Rn. 106 f.; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101 / 101a. 120 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 113; Wessels / Beulke AT, Rn. 187. 117 118

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D. Die objektive Zurechnung

[ . . . ]“121, so ist auch die Rechtsprechung der Ansicht, dass ein Risiko geschaffen wird, das vom freien Willen des Opfers gerade nicht mehr gedeckt ist und dessen Verwirklichung daher dem Mitwirkenden zuzurechnen ist.122 In diesem Fall kann schon begrifflich, jedenfalls im Verhältnis zwischen Mitwirkendem und der sich gefährdenden Person, nicht mehr von Freiverantwortlichkeit gesprochen werden. Dieses Problem ist ähnlich gelagert, wie die Berücksichtigung des Sonderwissens des Täters bei der Bestimmung des erlaubten Risikos. Wüsste im Flugreisefall der Neffe beispielsweise von einer Bombe im Flugzeug und überredete er den Onkel gleichwohl zu dem Flug, dann könnte das Zureden richtiger Ansicht nach nicht mehr als im Bereich des erlaubten Risikos liegend angesehen werden und infolgedessen wäre das Hervorrufen des Entschlusses zur Reise unzweifelhaft nicht mehr als Teilnahme an einer freiverantwortlichen Selbstgefährdung zu sehen. Denn im Verhältnis beider Personen zueinander kann von einer Freiverantwortlichkeit hinsichtlich der konkreten Gefährdung, um die einer von beiden weiß, keine Rede sein. Die Tat ist folglich nicht mehr Ausfluss der Autonomie des Selbstschädigers – nur diese Autonomie könnte dem Mitwirkenden die strafrechtliche Verantwortung abnehmen.123 Folglich ist auch die Berücksichtigung des Sonderwissens des Täters im Rahmen der objektiven Zurechnung sinnvoll, um zu einheitlichen Ergebnissen zu kommen – besonderes und überlegenes Wissen muss in diesen Fällen gleichlaufend zur Zurechnungsbejahung führen. Auch ein weiterer Grund spricht dafür, in Fällen wie diesem von Zurechnung auszugehen. Konstellationen der freiverantwortlichen Selbstschädigung werden auch als Situationen beschrieben, in denen der Rechtsgutsträger tatherrschaftlich gegen sich selbst vorgeht.124 In einem Fall jedoch, in dem der Mitwirkende, oder anders gesagt der Hintermann, über überlegene Informationen verfügt, tritt eine Situation ein, in der der Hintermann Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens erlangt.125 Der Handelnde wird gleichsam Werkzeug gegen sich selbst und der Hintermann ist als mittelbarer Täter anzusehen.126 Daher ist die sich schädigende Person mangels Tatherrschaft gerade kein Täter gegen sich selbst. Ein Zurechnungsausschluss ist konsequenterweise abzulehnen. Jedoch wird man trotz dieser Überlegungen nicht bei jeder Wissensdifferenz zum Nachteil der sich schädigenden Person stets zum Ausschluss der Freiverantwortlichkeit kommen können. Jakobs macht deutlich, dass die Selbstverantwortung nicht zwingend mit dem Ende des aktuellen Wissens aufhöre, sondern mit dem BGH NStZ 1986, S. 266. Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 113. 123 Vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 150. 124 Vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 149. 125 Vgl. zur mittelbaren Täterschaft Wessels / Beulke AT, Rn. 535 ff. 126 Vgl. auch Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 211 ff. Rn. 37; zu dieser Konstellation vgl. Jescheck / Weigend AT, § 26 S. 665 f. m. w. N. 121 122

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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Ende der Freiheit des Entscheidenden.127 So könne jemand, der einen anderen bei Kälte zu einer Liftfahrt überrede und die Gefahr einer Nierenentzündung sehe, wohingegen der andere sich dessen nicht bewusst sei, nicht Täter einer Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft sein. Die Freiheit des Einzelnen, seine Interessen selbst zu wahren, sei eben nicht eingeschränkt. Die Verkehrsgerechtheit des Verhaltens des Animierenden müsse davon abhängen, welches Maß an Sorgfalt der sich Gefährdende von diesem erwarten dürfe.128 Hier könne er von einem beliebigen Bekannten gerade keine Sorgfalt im Hinblick auf mögliche Erkrankungen erwarten. Diese Hinweise bezüglich der Wissensverteilung und möglicher Folgen für einen Zurechnungsausschluss sind außerordentlich bedenkenswert und im Ergebnis in den genannten Beispielen jedenfalls sinnvoll. Sie stießen jedoch an ihre Grenzen, wenn in den Fällen das Leben des sich Gefährdenden unmittelbar bedroht gewesen wäre und diese Tatsache (nur) von diesem nicht erkannt worden wäre. Das grundsätzliche Kriterium des überlegenen Wissens legt es nahe, als zentrales Kriterium für die Beurteilung der Eigenverantwortlichkeit insgesamt die Einwilligungslehre heranzuziehen. Denn gerade für eine wirksame Einwilligung ist es notwendig, dass der Einwilligende sich die Tragweite seiner Entscheidung bewusst macht, d. h. notwendig ist ein bewusstes und freiwilliges Handeln.129 Ob tatsächlich die Regeln der Einwilligungslehre oder vielmehr doch die Exkulpationsregeln (§§ 20, 35 StGB, § 3 JGG) heranzuziehen sind, ist allerdings umstritten. Keinen Unterschied macht es, falls auch die in weniger Fällen zur Verneinung des Zurechnungsausschlusses kommenden Exkulpationsgrundsätze erfüllt sind, d. h. bei Schuldunfähigkeit.130 Neben dem oben angeführten Aspekt des überlegenen Wissens spricht jedoch zumindest hinsichtlich der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens die Tatsache für die Anwendung der Einwilligungslehre, dass bei der Mitwirkung an einer Selbstgefährdung, die zu einer Rechtsgutbeeinträchtigung führen kann, keine geringeren Anforderungen an das Verhalten des Rechtsgutsträgers zu stellen sind, als bei Einwilligungen in eine Körperverletzung von Dritter Seite bzw. als bei der Ernstlichkeit des Verlangens im Sinne von § 216 StGB.131 Aus Sicht des durch die Vgl. Jakobs, Hirsch-FS, 1999, S. 48. So bereits Hirsch, ZStW 74 (1962), S. 97, ihm ausdrücklich folgend Jakobs, Hirsch-FS, S. 1999, S. 49; in diesem Sinne auch Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101c. 129 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 45. 130 Für die Anwendung der Exkulpationsregeln z. B. MK-Schneider, Vor § 211 Rn. 54 ff. m. w. N. 131 Vgl. zu dieser Argumentation Wessels / Beulke AT, Rn. 189; i.E. ebenso MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 385; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 52a m. w. N. auch zur Gegenansicht. 127 128

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D. Die objektive Zurechnung

jeweiligen Tatbestände geschützten Rechtsguts, d. h. vom Rechtsgüterschutz aus, ist eine solche Einschränkung naheliegend. (3) Ausnahmen vom Zurechnungsausschluss? Vor dem Hintergrund der hinter der Entscheidung für einen Zurechnungsausschluss stehenden systematischen und normativen Erwägungen erscheint es zweifelhaft, inwiefern davon Ausnahmen zu rechtfertigen sind. Umstrittene Konstellationen sollen im Folgenden kurz erwähnt werden, ohne dass sie in erschöpfender Breite behandelt werden können. Für bestimmte Strafvorschriften des BtMG (§ 29 III Nr. 2 – Gesundheitsgefährdung; § 30 I Nr. 3 – leichtfertige Tötung) sieht der Bundesgerichtshof aufgrund des anderen Schutzzwecks eine Bestrafung aus diesen Vorschriften als möglich an, auch wenn sich das Opfer vorsätzlich und voll verantwortlich geschädigt hat. Dies ist im Ergebnis wenig überzeugend, denn es macht keinen Sinn § 222 StGB abzulehnen und zugleich nach dem BtMG wegen einer Tötung zu bestrafen.132 Der Bundesgerichtshof hatte in der oben bereits angesprochenen Entscheidung BGHSt 32, 264 die Frage offen gelassen, was zu gelten habe, wenn den Mitwirkenden Garantenpflichten für Leib oder Leben des Selbstschädigenden träfen.133 Entscheidend kann jedoch nicht das Vorliegen einer Garantenstellung sein, denn Aufgabe des Garanten kann es nicht sein, die zu schützende Person vor der Betätigung ihres freien Willens durch eine freiverantwortliche Selbstgefährdung zu bewahren.134 Es gelten die oben entwickelten Grundsätze auch für Garanten. Umstritten ist, ob und unter welchen Voraussetzungen bei der Ermöglichung eines Suizids der Mitwirkende und / oder der Heroin Überlassende als Garant für die Abwendung bzw. zur Rettungsmaßnahmen verpflichtet ist. BGH NStZ 1984, S. 452 vertritt die These, dass derjenige, der Drogen überlasse, dann zu Rettungsmaßnahmen verpflichtet sei, wenn der Konsument das Bewusstsein verliere. Diese Rechtsprechung wird unter dem Aspekt der Freiverantwortlichkeit des Drogenkonsumenten abgelehnt.135 Umstritten und unübersichtlich ist die Frage der Behandlung der Mitwirkung an einem Suizid. Während auf der einen Seite ein Teil der Lehre136 und mitunter auch Ablehnend insofern MK-Duttge, § 15 Rn. 152 m. w. N. In BGH JR 1979, S. 429 hatte das Gericht einen Arzt wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, der einem drogenabhängigen Patienten ein Suchtmittel verschrieben hatte, der sich mit einer Überdosis dieses Mittels tötete. Roxin (AT I, § 11 Rn. 111) weist darauf hin, dass das Urteil im Ergebnis richtig sein dürfte, weil an der eigenverantwortlichen Entscheidung eines Drogenabhängigen erhebliche Zweifel bestehen. 134 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 79a; im Ansatz ebenso aber differenziert LK-Schroeder, § 16 Rn. 183. 135 SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 79a, der jedoch eine Bestrafung aus § 323c StGB als möglich ansieht. 136 Etwa SK-Horn, § 212 Rn. 12 ff. m. w. N. 132 133

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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die Rechtsprechung137 aus Gründen der Selbstmordprophylaxe eine Strafbarkeit befürworten, lehnt die herrschende Lehre eine Bestrafung sowohl aus Garantenstellung als auch aus § 323c StGB ab.138 Die Diskussion kann und soll nicht in ganzer Bereite dargestellt werden, da sie für die vorliegende Untersuchung nicht von weiterer Bedeutung ist. Zentral ist es jedoch, sich die Bedeutung des Prinzips der Eigenverantwortlichkeit zu verdeutlichen und es als wesentliches Lösungskriterium der Lehre von der objektiven Zurechnung anzusehen. bb) Die sog. Retterfälle Darüberhinaus ist die Frage des Zurechnungsausschlusses im Falle der sog. freiwilligen Retter umstritten. Gemeint sind damit Fälle, in denen Retter bzw. Hilfswillige, die einer gefährdeten Person zu Hilfe kommen, zu Schaden kommen. Entscheidend ist, dass der Täter die nahe Möglichkeit einer bewussten Selbstgefährdung durch das Schaffen einer Gefahr für ein Rechtsgut schafft und so Dritten ein Motiv für ihr Handeln vorgibt.139 Wie diese Fälle hinsichtlich der Strafbarkeit des die Rettung Auslösenden zu beurteilen sind, wird uneinheitlich beurteilt. Sieht man das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit als zentral an, dann muss man in Fällen, in denen der Retter aus eigenem Antrieb und ohne Verpflichtung dazu handelt, zum Zurechnungsausschluss kommen.140 Angesprochen ist damit die Konstellation der freiwilligen Retter, die nicht etwa aus Garantenpflicht oder sonst von Berufswegen zum Eingreifen verpflichtet sind. Ihr Entschluss ist als freiverantwortliche Handlungsentscheidung anzusehen. Andere hingegen betonen stärker den Aspekt, dass der sich pflichtwidrig Verhaltende die Ursache dafür setze, dass sich der Retter zum Einschreiten gedrängt fühle und wollen einen Zurechnungsausschluss nur für den Fall annehmen, dass die Rettungshandlungen in erheblicher Weise leichtsinnig waren.141 Demgegenüber betont Roxin, dass man dem Verursacher nicht die Folgen freiwilligen Eingreifens aufbürden dürfe und sich der freiwillige Retter von seinen Rettungsbemühungen eher abbringen lassen könnte, wenn er dadurch einen anderen möglicherweise der Strafverfolgung aussetzt.142 137 Vgl. die umfangreiche Darstellung bei Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 211 ff. Rn. 42 f. 138 Vgl. Schönke / Schröder-Eser, Vorbem §§ 211 ff. Rn. 41; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 38 jeweils m. w. N.; demgegenüber bejaht ein Teil der Literatur die Möglichkeit einer Bestrafung aus § 323c, so Wessels / Hettinger, Rn. 57 ff. 139 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 80. 140 So beispielsweise Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, 1974, S. 115; auch Roxin AT I, § 11 Rn. 115. 141 Vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 153; MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 389; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 481 ff., jeweils m. w. N. 142 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 115.

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D. Die objektive Zurechnung

Frisch betont hingegen das Schutzbedürfnis (ex ante) zugunsten desjenigen, der das ex ante Erwünschte tue.143 Für die vorliegende Untersuchung ist eine Entscheidung für oder gegen einen dieser Ansätze nicht notwendig und die Lösung des Problems kann dahinstehen. Schwieriger ist jedoch ein Zurechnungssausschluss in den Fällen zu begründen, in denen der Retter gerade nicht aufgrund seines eigenen freien Entschlusses handelt, sondern weil er dazu verpflichtet ist – beispielsweise als Feuerwehrmann, Bergretter oder Polizist. In diesen Fällen ist der Retter gerade nicht frei, denn er wird u.U. durch die Strafdrohung aus § 323c StGB oder einem unechten Unterlassungsdelikt zum Eingreifen veranlasst.144 Gleichwohl will eine Meinung einen Zurechnungsausschluss auch in diesen Fällen bejahen, weil zum einen diese Fälle von den freiwilligen, überobligationsmäßigen Rettungsbemühungen kaum abgrenzbar seien, zum anderen sei aber v.a. ein Ausschluss aus kriminalpolitischen Gründen geboten.145 Denn müsse der Veranlasser mit Sanktionen rechnen, könne ihn dies von der Herbeirufung von Hilfe abhalten. Im Übrigen sei die Übernahme dieser Risiken durch bestimmte Berufsgruppen in dem Sinne freiwillig, dass sie den Beruf freiwillig wählten (eine Ausnahme gilt dann konsequenterweise für Wehrpflichtige). All dies spreche dafür, die mit Rettung verbundenen Risiken den Verantwortungsbereich des Berufsträgers und nicht dem Außenstehenden zuzuweisen.146 Auch wenn insbesondere die kriminalpolitischen Argumente unter dem Aspekt des Rechtsgüterschutzes Gewicht haben, so bleibt diese Ansicht gleichwohl umstritten. Insbesondere lässt sich der auf die Retter ausgeübte Zwang der Rechtsordnung in der konkreten Situation nicht negieren. Darüberhinaus weist Rudolphi darauf hin, dass der Einsatz, zu dem der Retter durch die Rechtsordnung wegen des Vorverhaltens gezwungen werde, im Falle seines Gelingens den Veranlasser von seiner Verantwortung für eine fahrlässige Rechtsgutsverletzung entlaste, wenn und weil gefährdete Rechtsgüter gerettet würden.147 Insofern lässt sich durchaus begründen, dass der Veranlasser auch das Risiko der Retter tragen müsse. Infolgedessen wird ein Zurechnungsausschluss im Falle rechtlich verpflichteter Retter ganz überwiegend abgelehnt.148

143 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 485; dieses Schutzbedürfnis wird von Roxin (a. a. O.) gerade bezweifelt, der fragt, welcher Schutz dem Retter aus der Bestrafung des Verunglückten erwachse. 144 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 80. 145 Vgl. dazu Roxin AT I, § 11 Rn. 139. 146 Roxin AT I, § 11 Rn. 140; i. E. ebenso Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, 1974, S. 112 ff. 147 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 80. 148 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 80; MK-Duttge, § 15 Rn. 153; MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 389, jeweils m. w. N.

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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cc) Einverständliche Fremdgefährdung Von der freiverantwortlichen Selbstgefährdung ist die Fallgruppe der einverständlichen Fremdgefährdung zu unterscheiden. Der Unterschied liegt darin, dass in diesen Fällen nicht das „Opfer“, sondern der „Täter“ die Herrschaft über das die Rechtsgutsverletzung bewirkende Geschehen ausübt, also der Täter – eben nicht das Opfer – letztlich die verletzende Handlung ausführt.149 Der strukturelle Unterschied zur Selbstgefährdung ist folglich die Herrschaft über das Geschehen, die Gemeinsamkeit jedoch, dass das Opfer über die Rechtsgutsbeeinträchtigung entschieden hat. Die Lösung dieses Problems wird überwiegend durch das Instrument der Einwilligung des später Verletzten gesucht.150 Dabei werden von der Rechtsprechung im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte jedoch noch andere Möglichkeiten zum Strafbarkeitsausschluss verwendet.151 Andere jedoch wollen wegen der gegebenen strukturellen Vergleichbarkeit der Situation mit der freiverantwortlichen Selbstgefährdung und aufgrund der schwierigen und unsicheren Abgrenzung der Frage der Herrschaft über das Geschehen die einverständliche Fremdgefährdung dann wie eine freiverantwortliche Selbstgefährdung behandeln, wenn sie dieser unter allen relevanten Aspekten gleichsteht.152 Unter diesen Umständen sei die Fremdgefährdung vom Schutzzweck des Tatbestands nicht erfasst und ein Zurechnungsausschluss daher geboten.153 Für letztere Ansicht spricht insbesondere die Tatsache, dass die Rechtsgutsverletzung in diesen Fällen vom Opfer ausgeht, so beispielweise im Memel-Fall des Reichgerichts (siehe Fn. 340), und dass eine Abgrenzung der Herrschaft in Zweifelsfällen sehr schwierig sein kann bzw. zu formalistisch ist. Entscheidend müssen auch hier Wertungsgesichtspunkte sein. Jedoch ist es an dieser Stelle nicht geboten, die schwierige Problematik der einverständlichen Fremdgefährdung weiter auszuführen, da damit für Verständnis, Anwendung und Prinzipien der Lehre von der objektiven Zurechnung im Allgemeinen und für die Behandlung atypischer Kausalverläufe im Besonderen kein Erkenntnisgewinn verbunden wäre.

Vgl. zur Abgrenzung SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 81. Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 180 m. w. N.; anders explizit MK-Duttge, § 15 Rn. 195. 151 Dabei wird die Sorgfaltspflichtverletzung verneint, wenn jemand eine gewisse Gefahr in deren klarer Erkenntnis in Kauf genommen habe, und der Täter seiner allgemeinen Sorgfaltspflicht genügt habe, so BGHSt 4, 93. Ähnlich argumentierte bereits das Reichsgericht im Memel-Fall (RGSt 57, 172), in dem ein Fahrgast darauf bestand bei stürmischem Wetter trotz Abratens seitens des schließlich nachgebenden Fährmanns über die Memel gesetzt zu werden und dabei zu Tode kam. 152 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 191. 153 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 123 ff.; dagegen im Ergebnis BGH NStZ 2003, S. 537. 149 150

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D. Die objektive Zurechnung

e) Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang aa) Die zugrundeliegende Konstellation und ihre Lösung Eine vielbeachtete Fragestellung hinsichtlich des Zurechnungsausschlusses besteht darin, ob ein solcher anzunehmen ist, wenn der Erfolg auch bei rechtmäßigem Handeln des Täters eingetreten wäre. Dem Grunde nach sind diese Überlegungen, die auch unter dem Begriff des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs diskutiert werden154, auch bei Vorsatzdelikten relevant.155 Jedoch ist ihre Bedeutung im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte unvergleichlich höher, die praktische Bedeutung außerhalb dieser Delikte wird teils sogar gänzlich bestritten.156 Für den Fall, dass der Erfolg auch im Falle eines rechtmäßigen Alternativverhaltens gleichfalls eingetreten wäre, ist der Ausschluss der Zurechnung im Ergebnis allgemein anerkannt.157 Wesentlich ist die Unterscheidung zu den Fällen, in denen der Erfolg auch bei normgemäßen Verhalten eingetreten wäre, nicht aber weil ein solches dieselben Folgen gehabt hätte, sondern wegen des Vorliegens nicht im Zuständigkeitsbereich des Täters liegender Reserveursachen. Bei letzteren Konstellationen handelt es sich um eine andere Fallgruppe, bei der eine Zurechnung nicht entfällt.158 Überwiegend wird in den hier gemeinten Fällen ein nicht gegebener Pflichtwidrigkeitszusammenhang angenommen.159 An welcher Stelle jedoch der Zurechnungsausschluss systematisch in die Lehre von der objektiven Zurechnung einzugliedern ist, d. h. ob in der Grundformel oder auf anderem Wege, ist unklar. Während eine Ansicht davon ausgeht, dass in solchen Fällen keine Gefahrsteigerung über das erlaubte Maß hinaus – damit schon keine rechtlich relevante Gefahr Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 197; MK-Duttge, § 15 Rn. 165 ff. Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 99; Beispielsfall bei Roxin AT I, § 11 Rn. 74; Mitsch, JuS 2001, S. 108 vertritt eine differenzierende Auffassung und meint, dass der Pflichtwidrigkeitszusammenhang beim Vorsatzdelikt dem Gefahrverwirklichungszusammenhang entspreche. 156 So Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 99. 157 Vgl. statt aller Roxin AT I, Rn. 74; anders noch Spendel, JuS 1964, S. 14 ff. 158 Vgl. zu Bedeutung und Konsequenz dieser Differenzierung Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 99; Jakobs (AT, 7 / Rn. 75) lehnt die Formulierung denn auch scharf ab, dass ein unerlaubtes Risiko sich nicht verwirklicht habe (mit anderen Worten der Pflichtwidrigkeitszusammenhang nicht besteht), wenn der Erfolg bei erlaubtem Verhaltens des Täters auch eingetreten wäre. Seiner Ansicht nach ist auf die Frage, ob sich ein vom Täter geschaffenes unerlaubtes Risiko tatsächlich verwirklich hat, darauf abzustellen, was sich mit ihm verwirklicht hat, nicht was sich ohne dieses Risiko ereignet hätte. Im Ergebnis hält er die Ergebnisse, die unter dem Stichwort des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs gefunden werden, für richtig, a. a. O. Rn. 78 ff., 85 ff. 159 Anders Roxin AT I, § 11 Rn. 74 sowie Fn. 170. 154 155

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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– vorliege160, stehen Andere auf dem Standpunkt, dass sich das unerlaubte Risiko im Erfolg nicht ausgewirkt habe,161 d. h. sie gehen von fehlender Verwirklichung des unerlaubten Risikos aus. Die Rechtsprechung geht gleichsam noch darüberhinaus und verneint bereits die Ursächlichkeit der Pflichtwidrigkeit162– letztere Einordnung ist jedoch aus den oben genannten Gründen abzulehnen.163 Schließlich wird auch die Ansicht vertreten, dass sich sehr wohl eine bzw. die vom Täter geschaffene relevante Gefahr im Erfolg niedergeschlagen habe, alles andere liefe auf das Ersetzen tatsächlichen Geschehens durch hypothetisches heraus.164 Der Zurechnungsausschluss basiere vielmehr auf der Überlegung, dass gerechterweise ein pflichtwidriges Handeln, dass die auch durch pflichtgemäßes Verhalten bestehende Gefährdung des Rechtsguts nicht wesentlich erhöht habe, wie erlaubtes Verhalten zu behandeln sei. Letztlich rücken solche Gedanken diese Ansicht wieder in die Nähe der zuvor dargestellten Standpunkte, denn zum einen wird auch hier auf das (hypothetische, weil gerade nicht gegebene) pflichtgemäße Verhalten abgestellt . Zum anderen wird eine bestrafungswürdige Gefahrschaffung bzw. -erhöhung durch zumindest wertungsmäßige Gleichstellung mit erlaubtem Verhalten abgelehnt, was sich von der Verneinung der rechtlich relevanten Gefahrschaffung kaum unterscheidet. Diese Meinungsverschiedenheiten sind aufgrund der weitgehenden Einigkeit im Ergebnis an dieser Stelle nicht weiter darzustellen, zu analysieren oder zu entscheiden. bb) Beurteilungsbasis Risikoerhöhung? Im Ergebnis herrscht demgegenüber keine Einigkeit in Fällen, in denen nicht sicher ist, ob pflichtgemäßes Alternativverhalten den Erfolg nicht vermieden hätte, sondern dies nur wahrscheinlich oder möglich ist.165 Nach Ansicht der Rechtsprechung166 und eines Teils der Literatur167 findet der Grundsatz in dubio pro reo jedenfalls dem Grunde nach auf die Frage Anwendung, ob der Erfolg bei pflichtgemäßem Alternativverhalten gleichfalls eingetreten wäre. Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 58. Roxin AT I, § 11 Rn. 73 f.; wohl auch Wessels / Beulke AT, Rn. 179, 197, die den Pflichtwidrigkeitszusammenhang bei der Frage der Realisierung der Gefahr behandeln. 162 BGHSt, 11, 3 f.; 24, 34; 33, 63. 163 Vgl. dazu ausführlicher bereits die Ausführungen zu Äquivalenztheorie in Abschnitt C.II.1.a). 164 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem § 13 ff. Rn. 99a; SK-Hoyer, Anh § 16 Rn. 67. 165 Nach Roxin (AT I, § 11 Rn. 88) handelt es sich um das „[ . . . ] im Zusammenhang mit dem Risikogedanken meist diskutierte Problem der Nachkriegszeit [ . . . ]“. 166 Vgl. BGHSt 11, 1. 167 Vgl. MK-Duttge, § 15 177 ff.; MK-Freund, Vor § 13 ff. Rn. 284 ff.; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 179 / 179a; Jakobs AT, 7 / Rn. 98 ff. jeweils m. w. N. 160 161

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D. Die objektive Zurechnung

Die Gegenmeinung lehnt diesen Standpunkt entschieden ab – ihrer Ansicht nach genügt bereits die Erhöhung des Risikos des Erfolgseintritts durch das Verhalten des Täters (sog. Risikoerhöhungstheorie).168 Nach Auffassung der Risikoerhöhungstheorie ist der Grundsatz in dubio pro reo gerade nicht anwendbar, da man ein vom Täter geschaffenes unerlaubtes Risiko nicht in einen erlaubten und einen unerlaubten Teil trennen und die Zurechnung nicht verneinen könne, wenn unklar sei, ob sich im Erfolg gerade der unerlaubte Teil realisiert habe.169 Bestritten wird nicht die Möglichkeit eines Zweifels, sondern die daraus folgende Anwendbarkeit des Zweifelsgrundsatzes, entscheidend sei die rechtliche Missbilligung des Täterverhaltens insgesamt, aus der die Zurechnung folgen müsse.170 Von der Gegenmeinung wird darin eine unzulässige Verkürzung dieses rechtsstaatlichen Prinzips gesehen, wobei zugleich kritisiert wird, dass auf diese Weise contra legem Erfolgsdelikte in konkrete Gefährdungsdelikte umgedeutet würden.171 Jedoch werden von einigen Gegnern der Risikoerhöhungslehre v.a. im Arztstrafrecht Einschränkungen gemacht.172 Ob nun die gegen die Risikoerhöhungslehre formulierten Einwände ausgeräumt werden können oder nicht,173 ist zwar grundsätzlich von zentraler Bedeutung für die Frage nach dem Zurechnungsausschluss. Für die Beurteilung der Lehre von der objektiven Zurechnung als solcher und weniger noch für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist eine abschließende Lösung dieses Problems nicht entscheidend. In allen im Abschnitt B eingeführten Beispielfällen besteht kein Zweifel, dass der Erfolg bei pflichtgemäßen Alternativverhalten nicht eingetreten wäre. Ein Zurechnungsausschluss kommt unter diesem Aspekt der Lehre von der objektiven Zurechnung nach keiner Ansicht in Betracht.

168 Dieser Ansatz geht auf Roxin ZStW 74 (1962), S. 411 ff. zurück, vgl. auch die Nachweise bei Roxin AT I, § 11 Rn. 90, Fn. 188; ausführlich begründend auch Puppe, Roxin-FS, 2001, S. 287 ff. 169 Vgl. dazu SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 68. 170 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 69. 171 Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 190; siehe dazu schon die Nachweise in Fn. 167 Kapitel D. 172 Vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 176, der überwiegende Wahrscheinlichkeit fordert; anders dagegen die Rechtsprechung seit BGHSt 11, 1; weitere Nachweise dazu bei Roxin AT I, § 11 Rn. 91 f.; Jakobs (AT, 7 / Rn. 102) sieht in bestimmten Fällen im Bereich des Verkehrs und der Medizin die Notwendigkeit von Sondertatbeständen, um nicht überzeugende Anwendungen des in dubio Grundsatzes zu vermeiden, hält diesen jedoch für anwendbar und lehnt die Risikoerhöhungslehre trotz der Problematik bei bestimmten Fallkonstellationen ab. 173 Nach Wessels / Beulke AT, Rn. 199 a. E. lassen sich diese Bedenken nur schwer ausräumen.

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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3. Ergänzende Bemerkungen a) Unvollständigkeit und Abgrenzung der bisherigen Darstellung Die bisherige Darstellung der Lehre von der objektiven Zurechnung bzw. der im Zusammenhang mit ihr diskutierten Fallgruppen ist nicht vollständig und beansprucht dies auch nicht. Bislang nicht Gegenstand der Betrachtung waren die Konstellationen des gewünschten Erfolgseintritts auf atypische Weise, kurz atypische Kausalverläufe genannt. Diese sollen erst im folgenden Abschnitt genauer behandelt werden. Schon jetzt ist jedoch anzumerken, dass einige der bereits eingeführten Lösungsprinzipien sich auch auf diese Fallgruppen anwenden lassen, während sich umgekehrt die verschiedenen Lösungsansätze für die Fälle der atypischen Kausalverläufe auch (ergänzend) zur Lösung der oben bereits dargestellten Konstellationen eignen. Letzteres ist vor allen Dingen deshalb der Fall, weil allen oben behandelten Fallkonstellationen etwas Ungewöhnliches innewohnt, so dass die Anwendung von Lösungsgrundsätzen für atypische Kausalverläufe auf den ersten Blick nicht allzu fernliegend erscheint. Die gerade erwähnten Überschneidungen unterstreichen die Heterogenität von Fallgruppen, deren sachgerechte Lösung insgesamt das Anliegen der Lehre von der objektiven Zurechnung ist. Auf eine exklusive Festlegung für ganz bestimmte Kriterien in ganz bestimmten Fällen kommt es nicht an, zumal bereits die Definition der Fallgruppen nicht exakt möglich ist.174 Insbesondere ist anzumerken, dass der Diskussion um die Schaffung einer Gefahr bzw. um die Figur des erlaubten Risikos Sachverhalte zugrunde lagen, die man auch als sozialadäquat bezeichnen könnte. Da es auch eine sog. Lehre von der sozialen Adäquanz gibt, soll hier kurz eine Einordnung unternommen werden. Kernaussage der Lehre von der sozialen Adäquanz175 ist, dass mit pflichtgemäßer Sorgfalt vorgenommene Handlungen, die vollständig im Rahmen der geschichtlich gewordenen Ordnung des Gemeinschaftslebens liegen, keinem Deliktstatbestand unterfallen, auch wenn mit ihnen Gefahren für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter verbunden sind.176 Es handele sich um „eine teleologische Reduktion des Tatbestands“177. 174 Vgl. u. a. bereits die in Abschnitt D.II.2.d) ausgeführten Schwierigkeiten der Einordnung der Fälle des atypischen Opferverhaltens, die durchaus auch bereits im Zusammenhang mit der eigenverantwortlichen Fremdgefährdung diskutabel sind; siehe dazu auch Roxin AT I, § 11 Rn. 118 ff. 175 Zur Entwicklung dieser Lehre Cancio Melía, GA 1995 S. 179 ff., der in der Lehre zutreffend den Beginn der Normativierung des objektiven Tatbestands sieht. 176 So Jescheck / Weigend AT, § 25, S. 251 zurückgehend auf Welzel, Strafrecht, S. 55 f. 177 Jescheck / Weigend AT, § 25, S. 252 [Hervorhebung im Original]; zu abweichenden dogmatischen Einordnungen (in den Prüfungsaufbau) vgl. Roxin AT I, § 10 Rn. 34.

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D. Die objektive Zurechnung

Die Ähnlichkeit mit den Überlegungen zum erlaubten Risiko, dem die Akzeptanz bestimmter grundsätzlich mit erhöhter Gefahr verbundener Handlungen zugrunde liegt, ist greifbar. Insbesondere wenn man sich die von Jescheck / Weigend178 angeführten Beispiele wie die Teilnahme am Straßenverkehr oder den Betrieb nuklearer Anlagen vor Augen hält und die Begründung Schaffsteins179 für diese Lehre heranzieht, dass der Gesetzgeber sozialadäquates Verhalten nicht verbieten könne und deshalb auch nicht verbieten wolle. Der Hinweis auf die geschichtlich gewordene Ordnung des Gemeinschaftslebens als Grundlage der Sozialadäquanz deckt sich darüberhinaus mit der von Jakobs als wesentliche Rechtfertigung für erlaubtes Risiko angesehen Akzeptanz bestimmter Verhaltensweisen als sog. „erlaubtes Risiko per ,historischer Legitimation‘“180. Die Lehre von der Sozialadäquanz ist jedoch sehr unbestimmt und verwendet keine einheitlichen Kriterien.181 Roxin182 kritisiert diese Unbestimmtheit als zentrale Schwäche und meint, es bedürfe nicht der Sozialadäquanz, um in diesen Fällen eine Tatbestandsverwirklichung in bestimmten Fällen auszuschließen, vielmehr werde dies durch generelle Zurechnungskriterien erreicht. Ohne Zweifel richtig und gerade auch Grundlage der Überlegungen zur Gefahrschaffung im Zuge der objektiven Zurechnung ist die Einschätzung zur Lehre von der Sozialadäquanz, dass „[ . . . ] der Rechtsgedanke der sozialen Adäquanz als Begrenzung des Tatbestandes unentbehrlich [ . . . ]“ ist.183 Auch wenn im Ergebnis keine Welten zwischen diesen Lehren liegen, ist die objektive Zurechnung als umfassenderes und zugleich an klareren Kriterien – eben hier der Frage der Gefahrschaffung – orientiertes Instrument vorzugswürdig, die Lehre von der Sozialadäquanz kann jedoch als „Vorläufer der Lehre von der objektiven Zurechnung“184 angesehen werden, so dass ein unauflöslicher Gegensatz nicht besteht.

178 Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 25, S. 251, siehe auch die Rechtsprechungsnachweise auf S. 252. 179 Vgl. Schaffstein, ZStW 72 (1960), S. 378 ff. 180 Jakobs AT, 7 / Rn. 36; in Fn. 63 verweist Jakobs differenzierend und nicht unplausibel darauf, dass bei bestimmten Verhaltensweisen die eigentlich für die Feststellung des erlaubten Risikos typische Abwägung nicht stattfinde, es sich letztlich um eine ersparte Legitimation handele. 181 Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 25, S. 252 f., die der Lehre eine „Unbestimmtheit“ attestieren und sie aufgrund der Tatsache, dass es sich immer um ein relativ unsicheres Prinzip handele, erst in letzter Linie heranziehen wollen. 182 Vgl. Roxin AT I, § 10 Rn. 37. 183 Jescheck / Weigend AT, § 25, S. 252 Fn. 29. 184 Roxin AT I, § 11 Rn. 38.

II. Grundformel, Lösungsprinzipien und Fallgruppen

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b) Zur Berücksichtigung hypothetischen Geschehens Bereits in der Kausalität aber auch im Rahmen der objektiven Zurechnung wurden immer wieder Überlegungen angestellt, was geschehen wäre, wenn der Täter nicht gehandelt hätte. Grundsätzlich ist bei der Kausalität eine Berücksichtigung hypothetischer Erwägungen im Rahmen der Äquivalenztheorie unzulässig.185 Dies beruht auf dem Grundsatz, dass das Geschehen so zu würdigen ist, wie es abgelaufen ist. Dieser gilt auch im Rahmen der objektiven Zurechnung, jedoch nicht uneingeschränkt.186 Einige Ausnahmen sind in diesem Kapitel bereits angeklungen und sollen noch mal zusammengefasst werden, um falsche Schlussfolgerungen beim Bereitstehen von Ersatzursachen, d. h. hypothetischen Einflüssen, zu vermeiden.187 Präzise gesagt geht es nicht um die Problematik der Berücksichtigung von hypothetischen Geschehen im Allgemeinen, sondern nur in der Weise, dass gerade und ausschließlich darauf ein Zurechnungsausschluss gestützt wird. Zum einen wird unter dem Gesichtspunkt der Risikoverringerung [siehe in diesem Abschnitt Ziffer 2.b)aa)] zur Feststellung der Verringerung des Schadens die Überlegung angestellt, zu welcher (Intensivierung der) Verletzung es ohne Handlung des „Täters“ gekommen wäre. Der Vergleich ist Grundlage des normativen Zurechnungsausschlusses hinsichtlich des spezifischen Verhaltens des „Täters“, der eben keiner ist. Zum anderen finden hypothetische Erwägungen im Rahmen der Gefahrmodifikation als Begründung für den Ausschluss der Zurechnung im Falle der sog. Modifikation von Naturkausalitäten Anwendung [oben Ziffer 2.b)bb)]. Nur in dieser engen und kaum bedeutenden Fallgruppe führt der Vergleich mit hypothetischen Verhalten zum Zurechnungsausschluss, in anderen Fällen der Modifikation gerade nicht. Schließlich ist hypothetisches Geschehen auch noch bei der Beurteilung der Frage, ob die Zurechnung aufgrund des fehlenden Pflichtwidrigkeitszusammenhangs auszuschließen ist, von Bedeutung. Hier wird offen danach gefragt, ob der Erfolg im Falle des (hypothetischen, weil gerade nicht vorliegenden) pflichtgemäßen (Alternativ-)Verhaltens gleichfalls eingetreten wäre – bejahendenfalls entfällt die Zurechnung. Auch hier führen hypothetische Erwägungen ausnahmsweise zum Zurechnungsausschluss, wobei auf Reserveursachen außerhalb des Einfluss- bzw. Handlungsbereichs des Täters nicht zurückgegriffen werden darf. Darüberhinaus hat hypothetisches Geschehen im Ergebnis keine Bedeutung für die Zurechnung und darf auch – um falsche Ergebnisse zu vermeiden – nicht berücksichtigt werden. Vgl. dazu v. a. die Ausführungen in Abschnitt C.II.1.a)bb)(2)(b). Siehe die obigen Ausführungen zur objektiven Zurechnung; vgl. das Fazit von Roxin AT I, § 11 Rn. 63. 187 Vgl. zu diesem Problemkreis und der Fehlergefahr ausführlich erneut Jakobs AT, 7 / Rn. 74 ff. 185 186

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D. Die objektive Zurechnung

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe 1. Grundproblematik In diesem Zusammenhang stehen Fallkonstellationen im Vordergrund, bei denen man bilanzieren muss, dass etwas schief gegangen ist. Der Erfolg im Sinne des jeweiligen Tatbestands ist auf mehr oder weniger ungewöhnliche Art und Weise eingetreten. Allen in Abschnitt B eingeführten Beispielsfällen ist eine solche Ungewöhnlichkeit eigen, der Erfolg tritt jeweils auf anderem Wege ein, als „man“ dies erwarten würde. Im Folgenden wird bezüglich dieser Konstellationen von atypischen Kausalverläufen bzw. atypischem Eintritt des Erfolgs gesprochen, ohne dass mit dieser Bezeichnung eo ipso bereits die Lösung des entscheidenden Problems der Zurechnung im Sinne einer Verneinung derselben vorgegeben wird.188

2. Systematisierung der relevanten Fallgruppen Aufgrund der Vielfalt der im Zusammenhang mit der Lehre von der objektiven Zurechnung diskutierten Fallgruppen und Lösungsprinzipien ist eine präzise Festlegung dessen, was als Fall des atypischen Kausalverlaufs zu verstehen ist, notwendig. Denn auch im Falle der Risikoverringerung, bei den Fällen des Schutzzwecks der verletzten Sorgfaltsnorm oder auch im Falle des nicht gegebenen Pflichtwidrigkeitszusammenhangs haftet den Konstellationen etwas Ungewöhnliches in dem Sinn an, dass sie besonderer Behandlung bedürfen. In ihrem Zusammenhang kann eben nicht ohne weiteres von der Kausalität auf das Vorliegen der Voraussetzungen des objektiven Tatbestands geschlossen werden, wie dies sonst in der überwiegenden Zahl der Fälle möglich ist.189 Auch wenn sie selten und somit atypisch sein mögen, handelt es sich nicht um Fälle des atypischen Kausalverlaufs im hier verstandenen Sinn. Darunter sind vielmehr die beiden im Folgenden darzustellenden Grundkonstellationen zu verstehen. Ziel dieses einordnenden Abschnitts ist es nicht, diese Fälle bereits zu lösen oder auch nur die zu ihrer Lösung wesentlichen Kriterien abzuleiten. Vielmehr sollen die zu lösenden Fallkonstellationen so systematisiert werden, dass sich daran an188 In der Literatur wird hingegen vielfach die Bezeichnung atypischer Kausalverlauf für die Fälle gewählt, in denen eine Zurechnung gerade ausscheidet, d. h. eher im Sinne eines Lösungskriteriums verwendet. Vgl. dazu Wessels / Beulke AT, Rn. 196; Roxin AT I, § 11 Rn. 78, 81 spricht von abenteuerlichen, unvorhersehbaren Kausalverläufen (Rn. 78) oder auch von absurder Kausalverknüpfung (Rn. 81). 189 Vgl. dazu auch den Hinweis bei Wessels / Beulke AT, Rn. 199a.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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schließend zu entwickelnde bzw. wiederaufzugreifende Lösungskriterien leichter zuordnen lassen. So kann deutlich gemacht werden, dass auch in den Fällen des atypischen Kausalverlaufs mitunter mehrere Lösungskriterien ein Ergebnis zu stützen vermögen und es sich nicht um unzusammenhängende Kasuistik bzw. Einzelfallentscheidungen handelt. Infolgedessen werden die Fälle aus Abschnitt B entsprechend eingeordnet.

a) Fälle des unbeeinflussten Erfolgseintritts Hierunter sind Situationen zu verstehen, in denen die Ungewöhnlichkeit des Weges zum Erfolgseintritt nicht durch anderes menschliches Verhalten als das des Handelnden verursacht wird.190 Dies kann einerseits ganz auf der Verkettung ungewöhnlicher Umstände beruhen, aber auch an einer ungewöhnlichen Konstitution des Opfers liegen. Im Beispielsfall 3, dem Poolfall, ist das fehlende Wasser Grund für die Art und Weise des Erfolgseintritts, im Brückenpfeilerfall befindet sich am Ende der Flugbahn des Opfers eben gerade kein Wasser, sondern der Pfeiler. Im Bluterfall beruht der Erfolgseintritt einzig auf der atypischen Konstitution des Opfers. Wenn nicht im Gewitterfall die Verursachung einer Gefahr überhaupt und im Flugreisefall die Schaffung einer unerlaubten Gefahr verneint worden wäre,191 so könnte bzw. müsste man diese Fälle hier einordnen. Auch gehören die Fälle hierhin, bei denen ein Vorsatzdelikt zunächst im Versuch stecken bleibt und ein ungewöhnlicher Kausalverlauf schließlich doch noch den Erfolg herbeiführt.192 Beispielsweise wäre dies der Fall, dass das Opfer einer Messerattacke infolge eines Krankenhausbrandes stirbt (Krankenhausbrandfall). Möglich ist auch, dass der Täter den von ihm in Gang gesetzten Kausalverlauf selbst aus welchen Gründen auch immer wieder ändert, wie dies beispielsweise im Jauchegrubenfall gegeben ist. Damit diese Fälle jedoch unter die hier eingeführte Fallgruppe gefasst werden können, ist Voraussetzung, dass die schlussendliche Erfolgsherbeiführung nicht durch weiteres menschliches Handeln eines Anderen vermittelt wird. Im Fall des Krankenhauses wäre dies beispielsweise der Fall, wenn der Brand allein durch 190 Von einem Täter zu sprechen, wäre insofern nicht ganz korrekt, als dass es im Falle des Zurechnungsausschlusses bezüglich der in Rede stehenden vollendeten Delikte eben keinen Täter im Sinne des Tatbestandes gibt. Allerdings kommt bei entsprechendem Vorsatz durchaus eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht, so dass der Handelnde doch Täter (aber eben nicht des vollendeten Delikts) ist. Auch kann der Handelnde nicht wirklich als Ersthandelnder bezeichnet werden, da es das wesentliche Charakteristikum dieser Fallgruppe ist, dass es gerade keine weitere, das Kausalgeschehen beeinflussende Person gibt. 191 Vgl. oben D.II.2.a). 192 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 69.

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D. Die objektive Zurechnung

technisches Versagen hervorgerufen worden wäre, ebenso wenn der Patient an einer nicht sorgfaltswidrig verursachten Wundinfektion stirbt (Wundinfektionsfall). Bereits die Abwandlung zum Brückenpfeilerfall zeigt jedoch, dass diese Abgrenzung für die Betrachtung der atypischen Kausalverläufe insgesamt nicht abschließend sein darf. Denn bereits wenn das Opfer eben nicht auf dem Brückenpfeiler auftrifft, sondern auf einem von Menschenhand gesteuerten Schiff, so ist die Einordnung als unbeeinflusst schon fraglich. Gleiches gilt für einen von einem Mechanikerfehler ausgehenden Brand im Krankenhaus oder eine Wundinfektion durch Behandlungsfehler. Angesichts der Ähnlichkeit der Fälle und der Beliebigkeit der Zwischenursachen kann dies jedoch keinen entscheidenden Unterschied machen. Die Fälle sind strukturell zumindest vergleichbar, wenn nicht gleich. b) Änderungen des Kausalverlaufs Infolgedessen sind auch Fallkonstellationen zu berücksichtigen, in denen die Ungewöhnlichkeit des Kausalverlaufs durch das Handeln anderer Personen bewirkt wird. Ob dieses Handeln willentlich war oder nicht, spielt für die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes als solche keine Rolle, ist jedoch bei der sachgerechten Lösung – dies kann hier vorweggenommen werden – von Bedeutung. Ob unter diese Fallgruppe schon das Auftreffen auf dem Schiff in der Abwandlung des Brückenpfeilerfalls oder auch die Variante des Krankenwagenfalls, in der keinerlei Verschulden eines anderen vorliegt (Fall 6a, Abwandlung I), zu fassen sind oder ob diese noch in die Gruppe des unbeeinflussten Erfolgseintritts gehören, ist fraglich – es handelt sich sicherlich um Grenzfälle, die tendenziell eher als unbeeinflusster Erfolgseintritt aufzufassen sind, da von einem Beeinflussen im eigentlichen Sinn des Wortes schwerlich zu sprechen ist. Eine Entscheidung für die exakte Einordnung ist meines Erachtens weder präzise möglich noch erforderlich.193 Gerade die Fälle des Krankenwagens werden per se als Schulfälle für atypische Kausalverläufe diskutiert.194 Sinn der Differenzierung ist es in erster Linie, strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Fälle aufzuzeigen, die ihren Niederschlag in den entsprechend heranzuziehenden Lösungsprinzipien finden. Insbesondere liegen nicht völlig verschiedene Konstellationen vor, aber die Unterschiede ermöglichen sehr wohl das Heranziehen ergänzender Lösungsgedanken. In der Fallgruppe der Änderungen des Kausalverlaufs lassen sich vor allen Dingen zwei Konstellationen unterscheiden: Änderungen durch das Eingreifen bzw. 193 In der Literatur werden diese Fälle nicht scharf getrennt; siehe bei Wessels / Beulke AT, Beispielsfall 1 bei Rn. 196 sowie die Beispielsfälle 6a, b bei Rn. 152, 200; auch bei Roxin AT I, § 11 Rn. 70 sowie Kühl AT, § 4 Rn. 61 ff. 194 Vgl. die Nachweise in der vorherigen Fn. sowie Fn. 6 Kapitel B.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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Anknüpfen Dritter sowie solche aufgrund ungewöhnlichen oder unvernünftigen Verhaltens des Opfers selbst.195 aa) Dazwischentreten Dritter Die oben schon erwähnte Konstellation, dass ein Vorsatzdelikt im Versuch stecken bleibt und dann durch ungewöhnliche Umstände vollendet wird, ist bei Fällen des Dazwischentretens Dritter häufiger als bei denen des unbeeinflussten Erfolgseintritts. In die Gruppe der Fälle des durch Dritte beeinflussten bzw. herbeigeführten Erfolgseintritts gehören allgemein die Krankenwagenfälle, auch durch Menschen verursachte Fälle des Krankenhausbrandes, ebenso wie der Gummihammerfall. Nicht mehr erörterungswürdig sind im Rahmen der objektiven Zurechnung die Fälle des Abbruchs der Kausalkette, in denen durch das Eingreifen Dritter eine völlig neue Ursachenreihe eröffnet wird und es daher bereits an der Kausalität der Ersthandlung für den Erfolg fehlt.196 Dies sind jedoch Ausnahmefälle. Für die Problematik des Dazwischentretens Dritter sind zwei weitere gedankliche Differenzierungen bereits jetzt sinnvoll, ohne dass sie an der grundsätzlichen Einordnung etwas ändern oder die Lösung der Probleme zwingend vorgeben. Zum einen sollte man sich vor Augen halten, dass das Dazwischentreten Dritter nicht nur fahrlässig erfolgen kann sondern auch vorsätzlich. An der Charakterisierung als beeinflusster Erfolgseintritt ändert dies zwar ebenso wenig etwas wie an dem Erfolgsbeitrag des Ersthandelnden. Möglicherweise besteht hier jedoch ein Ansatzpunkt bzw. eine Notwendigkeit zur Differenzierung im Bereich der Zurechnung. Weiterhin kann es sinnvoll sein, hinsichtlich der Analyse der Rolle des Dritten danach zu unterscheiden, aus welchem Grund er gehandelt hat. Bereits im Zusammenhang mit der Problematik der sog. Retterfälle war danach differenziert worden, ob es sich um zum Eingreifen verpflichtete Personen handelte oder nicht.197 Zwar ging es dort darum, inwiefern Verletzungen der Retter zurechenbar sind. Jedoch stellt sich grundsätzlich die Frage, ob es nicht Sinn machen kann, danach zu differenzieren, warum ein Dritter gehandelt hat und so das Opfer verletzt hat, d. h. ob er beispielsweise als Arzt verpflichtet war.198

195 196 197 198

Zu dieser Trennung siehe Kühl AT, § 4 Rn. 66; auch Roxin AT I, § 11 Rn. 118 f. Vgl. dazu oben C.II.1.c)dd). Siehe Abschnitt D.II.2.d)bb). Vgl. zu dieser Differenzierung Roxin AT I, § 11 Rn. 141 ff.

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D. Die objektive Zurechnung

bb) Atypisches Opferverhalten Auch das Opfer selbst kann dem Geschehen eine unerwartete Wendung geben und letztlich den Erfolg erst (mit-)herbeiführen, wenn es sich unerwartet oder unvernünftig verhält. So liegt es beispielsweise in den Fällen 9 (Operationsfall) und 10 (Gubener Hetzjagdfall). Dass die psychische Verfassung und die Steuerbarkeit des Opfers sich unterscheiden, ist für die abstrakte Zuordnung zu dieser Gruppe nicht von Bedeutung, sondern ggf. für die richtige Lösung des Zurechnungsproblems relevant. Wichtig jedoch ist die Unterscheidung von den Fällen der atypischen Konstitution des Opfers, die sich als Fälle des unbeeinflussten Erfolgseintritts darstellen. In Fällen des atypischen Opferverhaltens handelt jemand – eben das Opfer. 3. Zurechnungs- bzw. Lösungskriterien Im Folgenden werden die wesentlichen Gesichtspunkte, Wertungen und Lösungsprinzipien zur sachgerechten Behandlung der beiden grundsätzlichen Fallgruppen des atypischen Erfolgseintritts behandelt. Bereits an dieser Stelle sei angemerkt, dass einige für andere Fälle in der obigen Darstellung der Lehre von der objektiven Zurechnung bereits fruchtbar gemachte Prinzipien auch hier sinnvoll angewendet werden können. Zugleich werden im Folgenden Gesichtspunkte erläutert, die mitunter auch ergänzend zur Lösung bereits dargestellter Fälle verwendet werden können. Erneut ist zu betonen, dass weniger das Abstellen auf ein einziges richtiges Lösungskriterium entscheidend ist, als vielmehr die Lösung mittels des grundlegenden Ansatzes der objektiven Zurechnung selbst, d. h. die Überlegung, wann einem Handelnden ein von ihm verursachter Erfolg zuzurechnen ist. a) Leistungsfähigkeit der Grundformel bei unbeeinflusstem Erfolgseintritt Das zweite Element der Grundformel der objektiven Zurechnung bezieht sich auf die Realisierung der vom Täter geschaffenen Gefahr.199 Die zentrale Frage lautet: Hat sich im konkreten Erfolg die vom Täter geschaffene Gefahr realisiert? Gerade bei atypischen Kausalverläufen ist die Realisierung jedoch fraglich, so dass dort der Ansatzpunkt zur Lösung solcher Fälle liegt.200 Diese Problematik wird nicht nur als „Risikozusammenhang“201, sondern auch als „Gefahrrealisierung“202 bzw. „Gefahrverwirklichung“203 oder „RisikoverwirkVgl. dazu auch Wessels / Beulke AT, Rn. 179. Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 61; auch Wessels / Beulke AT, Rn. 196. 201 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 95 / 96 m. w. N., die auf die Problematik der uneinheitlichen Terminologie hinweisen. 199 200

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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lichung“204 bezeichnet, ohne dass damit inhaltliche Unterschiede verbunden wären. Missverständlich, aber semantisch identisch ist die v. a. bei Jescheck und Jescheck / Weigend zu findende Formulierung vom „Schutzbereich der Norm“205. Bei Wessels / Beulke wird die Problematik der Realisierung insgesamt mit dem Begriff der „Atypische[n] Kausalverläufe“ überschrieben, was vom oben erläuterten Verständnis der darunter zu fassenden Fallgruppen jedenfalls hinsichtlich der Gruppe des unbeeinflussten Erfolgseintritts konsequent ist, weil sich die Problematik damit vollständig bezeichnen lässt. Die auf die Realisierungsproblematik abstellenden Bezeichnungen weisen zugleich den Weg zu einer Lösung des Problems durch Anwendung der Grundformel. Freilich ist die Grundformel nicht aus sich selbst heraus in der Lage, die Fälle zu lösen, sie hält per se keine Lösungskriterien bereit. Jedoch weist sie darauf hin, worauf es ankommt, nämlich auf die Frage der Realisierung der Gefahr.206 aa) Ausgangspunkt: Definition der spezifischen geschaffenen Gefahr Wesentlich für die Beurteilung der Realisierung der Gefahr ist, was man als solche definiert. Denn wenn nach der Realisierung einer Gefahr gefragt wird, so ist sachlogisch zunächst zu klären, um welche es sich handelt. Andernfalls ist der Vergleich zwischen der geschaffenen Gefahr und dem eingetretenen konkreten Erfolg, d. h. die Bestimmung der Gefahrverwirklichung nicht durchzuführen. Das erste Element der Grundformel spricht lediglich von der Schaffung einer Gefahr, d. h. nur vom „Ob“ der Gefahrschaffung, ohne die Gefahr näher einzugrenzen. Folglich wurde oben [II.2.a)] auch nur analysiert, ob der Täter eine Gefahr geschaffen hat. Kühl AT, § 4 vor Rn. 60. Roxin AT I, § 11 vor Rn. 69. 204 Jakobs AT, 7 / vor Rn. 78, der jedoch einen mit der Lehre von der objektiven Zurechnung nicht deckungsgleichen Ansatz verfolgt und durch eine Reihe von Lösungsprinzipien, die vielfach ähnlich oder gleich denen der objektiven Zurechnung sind, die „relevante Kausalität“ (a. a. O., Rn. 78 a. E.) zu ermitteln versucht. Es handelt sich dabei um ein normativ angereichertes Kausalmodell, das mit dem hier zugrundegelegten nicht übereinstimmt. Sehr kritisch zum Ansatz von Jakobs Schünemann, GA 1999, S. 219: „[ . . . ] frappierender Rückfall in die Zeiten des strafrechtlichen Naturalismus und seines Glaubens, alle Strafrechtsprobleme mit dem Kausalbegriff lösen zu können [ . . . ]“. 205 LK-Jescheck, Vor § 13 Rn. 67 bzw. Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 288 – danach entfällt die Zurechnung, falls der Erfolg außerhalb des Schutzbereichs der Norm liegt. Zur Problematik des Begriffs und zur Abgrenzung vom Begriff bzw. der Fallgruppe des Schutzbereichs der Sorgfaltsnorm siehe schon D.II.2.c)bb) sowie Jakobs AT, 7 / Rn. 79. 206 Schünemann, GA 1999, S. 227 sieht eben die Tatsache, dass durch die Lehre von der objektiven Zurechnung die für die Tatbestandserfüllung relevante Fragestellung identifiziert werde, für den bedeutenden dogmatischen Fortschritt, den die Lehre von der objektiven Zurechnung beschert habe. 202 203

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D. Die objektive Zurechnung

Die genaue Eingrenzung der geschaffenen Gefahr präjudiziert jedoch unter Umständen das Ergebnis der Frage der Gefahrrealisierung. Dies lässt sich leicht an einigen der Beispielsfälle verdeutlichen: Sieht man es im Brückenpfeilerfall als die relevante geschaffene Gefahr an, dass das Opfer beim Sturz von der Brücke allgemein zu Tode kommt, so ergeben sich keine Probleme mit der Frage der Realisierung. Der Weg dazu wäre jedoch verschlossen, wenn man annähme, dass die geschaffene Gefahr im Ertrinken im Wasser besteht. In diesem Fall wären keine weiteren Überlegungen zur Zurechnung anzustellen, ihr Ausschluss geradezu offensichtlich – die Gefahr des Ertrinkens hat sich nicht realisiert, wenn jemand durch Aufprall erschlagen wird. Gleiches ist im Krankenwagenfall und im Krankenhausbrandfall anzunehmen, wenn man davon ausginge, dass (nur) die Gefahr des Todes durch einen Messerstich geschaffen worden wäre – die Gefahr des Versterbens an der Stichverletzung ist ersichtlich nicht eingetreten. Das Problem der Definition der Gefahr stellt sich immer dann, wenn es um ein zweiaktiges Geschehen geht, wobei das Eingreifen eines Dritten nicht entscheidend ist, wie der Brückenpfeilerfall zeigt. Je enger bzw. spezifischer mit der Ersthandlung verbunden man die Gefahr definiert, desto eher kommt man zum Zurechnungsausschluss, weil für weitere Erwägungen schlicht kein Raum bleibt. Umso erstaunlicher ist es, dass sich in der Literatur explizit zu dieser Problematik im Zusammenhang mit der Realisierung fast nichts finden lässt. Kühl greift diese Aspekte kurz auf, indem er auf die gerade erwähnte Problematik im Krankenwagen- und Krankenhausbrandfall hinweist und bemerkt, dass man zwischen Todesgefahr im Allgemeinen und Gefahr für Unfall- oder Verbrennungstod im Besonderen durchaus – mit entsprechender Auswirkung auf das Ergebnis – differenzieren könne.207 Dies ist weniger eine Frage der Erfolgskonkretisierung208, sondern eine Frage der Spezifizität bzw. Fokussierung der Gefahr, die dann mit dem konkreten Erfolg in Bezug gesetzt wird, wie es die Grundformel nahe legt. Kühl selbst modifiziert ja gedanklich auch nicht den Erfolg selbst, sondern die Gefahr für einen bestimmten, konkreten Erfolg (Art des Todes). Die Problematik des Abstellens auf die Gefahr für einen konkreten Erfolg ist strukturell identisch mit der schon im Bereich der conditio-sine-qua-non-Formel209 und der Äquivalenztheorie im Allgemeinen210 diskutierten Problematik des Abstellens auf den konkreten Erfolg bei der Kausalitätsfeststellung. Dort ging es um Aussagen zur Ursächlichkeit eines Verhaltens für einen Erfolg, hier geht es um das Niederschlagen einer bestimmten Gefahr in einem konkreten Erfolg. So wie man durch eine immer engere Festlegung des konkreten Erfolges immer weniger Ver207 208 209 210

Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 62. So gleichwohl Kühl, a. a. O. Siehe oben C.II.1.a)bb)(2)(b)(aa). Siehe oben C.II.1.c)aa).

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halten als ursächlich definieren kann und damit, worauf Kritiker zu Recht hinweisen, zu einem Zirkelschluss bzw. einer Tautologie kommt, weil nur das eine bereits in der Definition vorweggenommene Ergebnis herauskommen kann211, so ist dies auch durch eine immer genauere Eingrenzung der geschaffenen Gefahr möglich. Schließlich würde bei jeder minimalen Abweichung vom ursprünglich mit dem Täterhandeln bezweckten Weg zum Erfolg die Realisierung zu verneinen sein, so dass für andere, wertende Kriterien kein Raum bliebe. Puppe macht auch für die Problematik der Definition des Risikos deutlich, dass sich durch eine bestimmte Definition die Möglichkeit biete, das Ergebnis in Form der Bejahung oder Verneinung der Realisierung mehr oder weniger beliebig zu steuern und damit zu manipulieren.212 Diese Form der differenzierten, vom Einzelfall bzw. der genauen Handlung des „Täters“ abhängigen Gefahrdefinition birgt – wie gesehen – erhebliche Manipulationsgefahren, da sie das Ergebnis der dann folgenden Prüfung der Realisierung präjudiziert. Sie ist folglich abzulehnen. Aufgrund des Ausgangspunkts der Lehre von der objektiven Zurechnung, die die Verwirklichung des jeweiligen Tatbestands in den Vordergrund rückt, muss man jeweils von der durch die jeweilige Handlung für das tatbestandlich geschützte Rechtsgut geschaffenen Gefahr ausgehen. Damit ist jedoch gerade noch nichts darüber ausgesagt, ob es dann wirklich die vom Täter geschaffene Gefahr war, die unter normativen Gesichtspunkten den Erfolg bewirkt hat – ursächlich war sie allemal, andernfalls käme man gar nicht zur Erörterung der Zurechnungsproblematik. bb) Kriterien zur Bestimmung der Gefahrverwirklichung Welche normativen Gesichtspunkte zur Bestimmung der Verwirklichung der Gefahr herangezogen werden können bzw. sollten, ist Gegenstand der folgenden Überlegungen. (1) Erhöhung der Gefahr für den Eintritt des konkreten Erfolgs Zur Ermittlung, ob die vom Täter geschaffene Gefahr sich im konkreten Erfolg realisiert hat, kann man fragen, ob das Handeln des Täters die Gefahr des Eintritts des (bereits vorliegenden) konkreten Erfolgs „[ . . . ] in rechtlich messbarer Weise erhöht [ . . . ]“213 hat. Bejahendenfalls ist eine Zurechnung gegeben. Vgl. die Kritik von Puppe, dargestellt in Abschnitt C.II.1.a)bb)(2)(b)(aa). Ganz eindeutig Puppe AT, § 19 Rn. 14: „Je nachdem, wie man dieses Risiko beschreibt, führt das angegebene Verfahren [der Prüfung der Realisierung einer geschaffenen Gefahr] bald zur Annahme, bald zur Ablehnung des Erfordernisses, dass sich die gesehene Gefahr im Erfolg realisiert haben muss.“ Vgl. auch dies., GA 1994, S. 309. 211 212

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D. Die objektive Zurechnung

Es geht hier um die Abgrenzung des dem Täter zurechenbaren Unglücks auf der einen und dem „Werk des Zufalls“214 auf der anderen Seite. Wenn und weil obige Bedingung nicht erfüllt ist, ist trotz der Schaffung einer Gefahr durch den Täter „[ . . . ] der Erfolg [ . . . ] nicht als Auswirkung dieser Gefahr, sondern nur in zufälligem Zusammenhang mit ihr [ . . . ]“215 eingetreten. Systematisch muss man bedenken, dass hier bezüglich des Ablaufs der Prüfung nicht mehr von der geschaffenen Gefahr auf den Erfolg geblickt wird und dann ein normativer Vergleich zur Bestimmung der Realisierung gezogen wird, wie dies die Formel eigentlich impliziert. Vielmehr wird der konkrete Erfolg betrachtet und danach gefragt, ob der Täter durch sein Handeln die Gefahr des Eintritts eben dieses konkreten Erfolges vergrößert hat oder nicht. Auf die vom Täter geschaffene Gefahr, deren Vorliegen erst die Prüfung der Realisierung im Sinne der Formel ermöglicht216, wird allenfalls noch in der Weise mittelbar Bezug genommen, als dass es das Handeln des Täters ist, das die Gefahr verursacht. Im Übrigen spielt die geschaffene Gefahr bei dieser Herangehensweise per se keine Rolle mehr. Inwieweit dies einen Bruch mit der Grundformel darstellt und deren Geeignetheit folglich insgesamt in Zweifel zieht217, muss an dieser Stelle nicht erörtert werden. Die Grundformel stellt jedenfalls sicher, dass die beiden in ihr enthaltenen Hauptelemente (Gefahrschaffung und Realisierung) ins Zentrum der Analyse geraten. Die ins Blickfeld geratene Problematik der Erhöhung der Gefahr des Eintritts des konkreten Erfolgs ist nicht gleichbedeutend mit der durch den Täter geschaffenen Gefahr für das Rechtsgut im Sinne des ersten Elements der Grundformel. Es handelt sich um eine andere, spezifischere Gefahr, deren genaue Gestalt sich ex post deshalb präzise und manipulationsfrei bestimmen lässt, weil der konkrete Erfolg eben schon eingetreten ist. Die Frage der Erhöhung der Eintrittsgefahr für diesen Erfolg ist unabhängig von der Frage der Schaffung einer Gefahr überhaupt. Wären beide identisch bzw. voneinander abhängig, dann könnte das Ergebnis nicht differenziert ausfallen, und die Frage des Realisierungszusammenhangs wäre mit der Feststellung der Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr im Allgemeinen positiv beantwortet. 213 Übereinstimmend Wessels / Beulke AT, Rn. 196 und Roxin AT I, § 11 Rn. 69 f., der in Rn. 70 von „[ . . . ] in rechtlich relevanter Weise erhöht [ . . . ]“ spricht. 214 Wessels / Beulke AT, Rn. 196. 215 Roxin AT I, § 11 Rn. 69. 216 Läge schon keine rechtlich relevante Gefahr vor, so käme es auf die Frage der Realisierung für die Zurechnung erkennbar nicht mehr an. 217 Strenggenommen stellt sich methodisch die Frage, wofür man die Formel braucht, wenn man sich bei der Lösung mit Hilfe eines ihrer beiden Hauptelemente von ihr abwendet. Jedoch bleibt es im Rahmen der Prüfung der Zurechnung bei der durch die Grundformel vorgegebenen Reihenfolge der Prüfung von Schaffung und Realisierung der Gefahr. Lediglich Letzteres findet insoweit modifiziert statt, als dass technisch gesehen weniger die Gefahrrealisierung geprüft wird, sondern die Gefahrerhöhung durch eine Handlung und von dieser Prüfung auf die Gefahrrealisierung geschlossen wird.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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Es handelt sich infolgedessen nach Roxin218 um ein „zweite[s] Gefahrenurteil“, an dem der tatsächliche Verlauf zu messen ist und das ex post nach Abschluss der Täterhandlung zu fällen ist.219 Dieses Vorgehen kommt in vielen Fällen zu sachgerechten und präzise begründeten Ergebnissen. Im Krankenwagenfall und Krankenhausbrandfall ist festzustellen, dass sich durch den Messerstich die Gefahr, Opfer eines Verkehrsunfalls oder eines Brandes zu werden, nicht in rechtlich messbarerer Weise erhöht hat, so dass die Vollendung dem Täter nicht zuzurechnen ist, weil sich eben nicht die vom Täter geschaffene Gefahr, sondern eine andere realisiert hat.220 Diese wird mitunter als allgemeines Lebensrisiko bezeichnet221, die Erfolge werden daher auch als Unglücksfälle bzw. Zufall angesehen. Dieses Ergebnis scheint auf den ersten Blick bei genauer Anwendung des Erhöhungskriteriums merkwürdig, hat doch gerade das Handeln des Täters den Verletzten in die Situation gebracht, in der der Erfolg erst eintreten konnte. Wessels / Beulke machen jedoch präzisierend deutlich, dass gerade nicht berücksichtigt werden darf, dass der Täter das Opfer in eine Situation bringt, in der der Erfolg tatsächlich eintreten kann – eben dies ist allein keine normativ relevante Gefahrsteigerung.222 Dies ist richtig und konsequent, weil der Täter das Opfer in eine Situation bringt, in der es allgemeinen Lebensrisiken ausgesetzt wird, derer sich jedermann gegenüber sieht. Solche Erfolge durch das allgemeine Lebensrisiko zu verhindern, war gerade nicht Sinn und Zweck der vom Täter übertretenen Norm.223 Konsequenterweise ist bei Lösung der Krankenwagenfälle dann auch eine Differenzierung je nach Sachverhalt vorzunehmen. Liegt die Ursache des Unfalls in der durch die Rettungsfahrt notwendig gewordenen Fahrweise, dann ist der Erfolg dem Täter zuzurechnen.224 Dies ist in Anwendung obiger Kriterien folgerichtig, denn Opfer eines durch riskante aber für das Gelingen von Rettungsbemühungen notwendige Fahrweise verursachten Unfalls werden gerade nicht in die Situation gebracht, Opfer eines allgemeinen Lebensrisikos zu werden.225 Vielmehr werden sie Roxin AT I, § 11 Rn. 69. Nach Roxin (a. a. O.) ist auf dieses zweite Urteil derselbe Maßstab anzulegen wie auf das erste Gefahrurteil. 220 Im Ergebnis allgemeine Meinung in diesen Fällen – vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 63; LK-Jescheck, Vor § 13 Rn. 67; Wessels / Beulke AT, Rn. 196, 200; Roxin AT I, § 11 Rn. 69, 78 jeweils m. w. N. 221 Kühl AT, § 4 Rn. 61; nach SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 63 handelt es sich um „[ . . . ] das mit einer jeden Autofahrt verbundene Risiko eines tödlichen Unfalls“. 222 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 196. 223 Vgl. dazu SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 63. 224 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 95 / 96 u. 102 m. w. N.; Jescheck / Weigend AT, § 28, S. 288 Fn. 42. 218 219

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D. Die objektive Zurechnung

Opfer eines spezifischen Risikos, das an die vom Täter geschaffene Gefahr anknüpft. Die Gefahr eines solchen konkreten Erfolges wurde durch die Verletzung erhöht. Die Zurechnung ist ganz allgemein dann zu bejahen, wenn das Opfer nicht Opfer des Zufalls bzw. allgemeiner Lebensrisiken wird. Dies dürfte beispielsweise für den Wundinfektionsfall gelten. Die Gefahr nach einem Messerstich an einer solchen Infektion zu sterben, war von vornherein in der Verletzung angelegt, der Stich hat die Gefahr des Eintritts des konkreten Erfolgs in rechtlich messbarer Weise erhöht. Die Einschränkung, dass nicht berücksichtigt werden darf, dass der Täter das Opfer in die Situation bringt, in der der Erfolg eintreten kann, greift hier nicht. Der Täter bringt hier das Opfer nicht in eine Situation, in der allgemeine Lebensrisiken greifen können – darauf basiert aber gerade dieses Berücksichtigungsverbot –, sondern verändert dessen Konstitution in der Weise, dass sich der konkrete Erfolg genau daraus entwickelt bzw. durch den Zustand des Opfers erst ermöglicht wird. Damit ist bereits angedeutet, dass für die Frage, ob sich das Risiko für den Eintritt des konkreten Erfolgs erhöht hat und damit sich die geschaffene Gefahr realisiert hat, ggf. sehr präzise Unterscheidungen notwendig sind. Verschluckt sich beispielsweise das Opfer an Essen im Krankenhaus und verstirbt daran226 oder verstirbt es an einer vom Krankenhaus nicht zu verantwortenden Grippeinfektion227 so kommt es entscheidend darauf an, ob dies Folge beispielsweise einer Schwächung der Konstitution des Opfers ist.228 Ist dem so, dann hat sich die vom Täter geschaffene Gefahr realisiert. Nach oben genannten Grundsätzen ist auch der Brückenpfeilerfall zu lösen. Die Gefahr auf dem Pfeiler aufzuschlagen, war im Sturz von der Brücke angelegt. Der Erfolg ist dem Täter zuzurechnen.229 Diese Ergebnisse lassen sich gut in Einklang bringen mit der Antwort auf die von Schünemann als Grundfrage und Ausgangspunkt der objektiven Zurechnung eingeordneten Frage, ob die verletzte Sorgfaltsnorm noch als kriminalpolitisch vernünftige Maßnahme zur Verhinderung des konkreten Erfolges qualifiziert werden kann bzw. das strafrechtliche Verbot auch nur ein einigermaßen zweckmäßiges Instrument zur Vermeidung der konkreten Rechtsgüterverletzung darstellt.230 225 Diese Regel für Zurechnung gilt nach Jakobs, AT, 7 / Rn. 79 Fn. 131g, so lange wie die Rettungsfahrt gerechtfertigt oder entschuldigt ist, da „die Folgen einer per Notstand gerechtfertigten oder entschuldigten Rettungsfahrt [ . . . ] demjenigen zuzurechnen [sind], der die Rettung nötig gemacht hat.“ [Hervorhebung im Original] 226 Vgl. OLG Stuttgart, NJW 1982, S. 295. 227 Vgl. OLG Köln, NJW 1956, S. 1848. 228 Vgl. statt vieler Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 95 / 96 m. w. N. 229 Allgemeine Meinung, vgl. Roxin AT I, Rn. 70. 230 Vgl. Schünemann, GA 1999, S. 218 bzw. 228.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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Wenn es um den Eintritt allgemeiner Lebensrisiken geht, die nicht an einen vom Täter bewirkten Zwischenerfolg (beispielsweise Wunde oder Konstitutionsschwächung) anknüpfen, und daher das Handeln des Täters die Eintrittswahrscheinlichkeit auch nicht gefördert hat, sind die in Rede stehenden Verbote des Strafrechts bezogen auf den Ersttäter eben nicht geeignet zur Vermeidung der Rechtsgüterverletzung. In Fällen der Wundinfektion oder des Brückenpfeilers sind die strafrechtlichen Verbote hingegen unmittelbar geeignet, dieser Rechtsgutsbeeinträchtigung entgegen zu wirken. (2) Adäquanz im Sinne eines Wahrscheinlichkeitsurteils Mitunter wird in Fällen des atypischen Kausalverlaufs auch das Kriterium der Adäquanz zur Lösung verwendet.231 Im Falle eines ungewöhnlichen, inadäquaten Weges zum Erfolg, der nicht vorhersehbar war, weil mit ihm nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht zu rechnen war, entfällt demnach die Realisierung der Gefahr. Solche Folgen sind atypisch und nur so lose mit dem Grundgeschehen verknüpft, dass sie nicht strafbares Unrecht sondern Unglücksfälle darstellen.232 Jedoch ist das Adäquanzkriterium insgesamt problematisch. Für die Lösung anderer Fallgruppen der objektiven Zurechnung ist es untauglich, weil nichtssagend, denn dort ist der Erfolg objektiv vorhersehbar (beispielsweise in Fällen der Risikoverringerung oder der Selbstgefährdungen), gleichwohl ist eine Zurechnung abzulehnen.233 In der Konsequenz wird das Kriterium mitunter insgesamt für untauglich im Rahmen von Zurechnungsüberlegungen gehalten.234 Im Fall der atypischen Kausalverläufe scheint es dagegen durchaus plausibel auf Adäquanzüberlegungen zurückzugreifen, weil der Gang der Dinge mitunter geradezu „abenteuerlich“235 werden kann. Betrachtet man das Adäquanzkriterium als eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Zurechnung236, so ist man einerseits nicht gezwungen, das Adäquanzkriterium zum alleinigen Maßstab zu machen, da weitere Bedingungen, die hinreichenden, zu prüfen sind. Andererseits kann man dieses Kriterium im so verstandenen Sinn anwenden, ohne dass es bei seiner Anwendung zu falschen Ergebnissen bei anderen Fällen der objektiven Zurechnung käme – in Fällen der Vorhersehbarkeit sagt das Kriterium über die Zurechnung im Ergebnis nichts aus, verfälscht die Ergebnisse aber auch nicht.237 231 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 62 f.; Wessels / Beulke AT, Rn. 196 a. E.; auch bei Roxin AT I, § 11 Rn. 78. 232 So Wessels / Beulke AT, Rn. 196. 233 Vgl. dazu schon die entsprechenden Ausführungen in den jeweiligen Abschnitten oben [D.II.2.b)aa)sowie D.II.2.d)aa)]. 234 So besonders Jakobs AT, 7 / Rn. 34 f., 85; auch Ebert, JR 1982, S. 422. 235 Roxin AT I, § 11 Rn. 78: „abenteuerlicher, unvorhersehbarer Kausalverlauf“. 236 So Schünemann, GA 1999, S. 214; auch Wessels / Beulke AT, Rn. 196.

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D. Die objektive Zurechnung

Die Stärke des Adäquanzkriteriums liegt in seiner Anschaulichkeit. Für die Prüfung der Adäquanzbedingung im Sinne der Vorhersehbarkeit des konkreten Erfolges spricht darüberhinaus die Tatsache, dass eine Zurechnung dann zweifelhaft erscheint, wenn das konkrete erfolgsverursachende Geschehen noch nicht einmal als mögliche, noch so unwahrscheinliche Folge vorhersehbar war.238 Daher wird den Grundsätzen der Adäquanzbetrachtung mitunter eine entscheidende Bedeutung für die objektive Erfolgszurechnung zugesprochen.239 In diesem Fall dürfte es sich dann um Unglücksfälle bzw. Zufall handeln. Auch aus kriminalpolitischen Erwägungen spricht nichts gegen die Berücksichtigung von Adäquanzgesichtspunkten. Denn das, was nicht voraussehbar ist, kann auch unter dem Druck der Strafdrohung nicht ins Kalkül gezogen werden, so dass insofern ein Zurechnungsausschluss gerechtfertigt werden kann.240 Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es letztlich nicht um Wahrscheinlichkeitsüberlegungen geht, sondern um Zurechnungsfragen bzw. die Erklärbarkeit von Erfolgseintritten.241 Ein vorschnelles Abstellen auf angeblich fehlende Adäquanz kann gefährlich sein und den Blick auf die wesentlichen Kriterien und Wertungen verstellen.242 Häufig wird man gerade in komplizierten Fällen, in denen es auf möglichst klare Kriterien ankommt, mit dem Adäquanzkriterium, da es sehr unbestimmt ist, nicht zum Erfolg kommen und stattdessen auf andere Wertungen und Lösungskriterien zurückgreifen.243 Man könnte jedoch meinen, dass die Anwendung des in Abschnitt (1) beschriebenen Kriteriums letztlich auch auf eine Adäquanzbetrachtung herauslaufe, da für die Prüfung der Gefahrerhöhung dort ein „Wahrscheinlichkeitsvergleich“244 eingesetzt wird – gerade das Abstellen auf Wahrscheinlichkeiten ist eben für die Adäquanz zentral. 237 Hingegen argumentiert Jakobs AT, 7 / Rn. 85, dass auch bei inadäquaten Verläufen sich ein Risiko verwirklichen lasse, wenn beispielsweise ein Gift bei einer vereinzelt resistenten Person statt im Magen erst im Darm wirke. Falls man hier tatsächlich einen Zurechnungsausschluss annähme, wäre dies verfehlt, denn die Gefahr an einer Wirkung des Gifts zu sterben, wurde durch die Gabe erhöht, ja erst begründet. Meines Erachtens besteht der Fehler von Jakobs’ Beispiel darin, dass der Erfolg zu konkret definiert wurde. Denn auch bei der Anwendung der Adäquanz als Lösungskriterium darf man die geschaffene Gefahr nicht so eng definieren, dass jede Veränderung des erstrebten bzw. üblichen Verlaufs per se zum Ausschluss der Realisierung führt. Dazu lädt aber in der Tat das Adäquanzkriterium ein, weil es an der Grundformel orientiert ist – im Gegensatz zur Lösung mittels der Frage, ob das Handeln des Täters die Gefahr des Eintritts des konkreten Erfolgs erhöht hat. 238 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 57. 239 So Maurach / Zipf AT, § 18 Rn. 66. 240 Vgl. Schünemann, GA 1999, S. 214 f. 241 So die Kritik von Jakobs AT, 7 / Rn. 85. 242 Vgl. insoweit die in dieem Kapitel in Fn. 237 gemachten Ausführungen zur Kritik von Jakobs. 243 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 66. 244 Wessels / Beulke AT I, Rn. 196.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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Richtig ist in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass die Frage nach der Erhöhung der Eintrittswahrscheinlichkeit des konkreten Erfolges Wahrscheinlichkeitsüberlegungen verwendet. Es handelt sich aber um solche anderer Art: Zum einen wird nicht vorab gefragt, wie wahrscheinlich der Eintritt des Erfolges im Allgemeinen war und ob er dementsprechend voraussehbar war (so die Überlegungen bei Anwendung des Adäquanzkriteriums), sondern es wird aus einer analytischen Perspektive nach Ablauf des Geschehens, d. h. ex post unter Einbeziehung aller Umstände des eingetretenen Einzelfalls245, – wie wahrscheinlich der Eintritt von vornherein war, ist unbedeutend – die Eintrittswahrscheinlichkeit betrachtet. Zum anderen wird vor allen Dingen nicht die absolute Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts hinterfragt, diese ist vollkommen unerheblich. Abzustellen ist ausschließlich auf die qualitative Veränderung der Eintrittswahrscheinlichkeit in Form der messbaren Erhöhung, d. h. im Sinne eines grundsätzlichen Deltas.246 Dies ist der zentrale Unterschied zur Adäquanz, über die gerade die absolute Höhe der Wahrscheinlichkeit entscheidet. (3) Die Beherrschbarkeit Als Zurechnungskriterium wird für die Lehre von der objektiven Zurechnung wiederholt auch auf die „Beherrschbarkeit“247 bzw. „Steuerbarkeit“248 des Geschehens durch den Täter abgestellt.249 Im Zusammenhang mit atypischen Kausalverläufen scheint dies insofern ein plausibles Kriterium, als das Geschehen, so wie es eintrat, in der Tat vielfach vom Täter wohl nicht beherrscht wurde bzw. werden konnte. Versteht man das Kriterium dahingehend, dass eine Beherrschbarkeit dann ausscheiden soll, wenn und weil sich der Täter nicht darauf einstellen und es daher nicht beherrschen konnte, so führt es zu keinem Erkenntnisgewinn, denn letztlich ist Voraussetzung für das Einstellen auf Ereignisse deren Voraussehbarkeit.250 Das Kriterium entspricht dann dem Adäquanzgedanken und ist damit eigentlich unnötig.251 245 Siehe dazu Stratenwerth, Gallas-FS, 1973, S. 238 f. sowie Stratenwerth / Kuhlen AT, § 8 Rn. 36. 246 Die exakte Höhe dieses Deltas ist weder entscheidungserheblich in diesem Zusammenhang, noch wäre sie bestimmbar. 247 Vgl. Jakobs, AT, 7 / Rn. 79; Maurach / Zipf AT, § 18 Rn. 57; Hassemer, Bemmann-FS, 1997, S. 175, 178; auch Tröndle / Fischer, Vor § 13 Rn. 17a; siehe auch Wessels / Beulke AT, Rn. 183, wo von „menschlich unbeherrschbaren Naturkräften“ die Rede ist. 248 Vgl. Otto, Maurach-FS, 1972, S. 92 f., ders., Spendel-FS, 1992, S. 277, ders., Jura 1992, S. 91. 249 Ein Abstellen auf die Beherrschbarkeit des menschlichen Handelns (des Täters) ist demgegenüber an dieser Stelle von vornherein unzweckmäßig und ist lediglich für die Frage des Vorliegens menschlichen Verhaltens relevant. Siehe dazu Abschnitt C.I. 250 Zu diesem Gedanken Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 92. 251 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 78a.

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D. Die objektive Zurechnung

Andererseits ist anzumerken, dass der Geschehensverlauf durch einen Täter niemals vollständig beherrscht wird und nicht werden kann. Irgendwann gibt der Täter immer das Geschehen aus der Hand und sei es im Falle eines Schusses aus nächster Nähe nur in dem infinitesimalen kleinen Zeitraum zwischen Abfeuern des Schusses und dem Einschlagen der Kugel. In diesem Zeitraum ist die geschaffene Gefahr stets „verselbständigt“252 und damit unbeherrschbar. Infolgedessen stellt die Lehre von der objektiven Zurechnung auch nicht auf die schlichte Erfolgsherbeiführung ab – diese ist als Geschehen eben nie völlig beherrschbar – sondern auf die Schaffung und Verwirklichung einer Gefahr. Das Kriterium der Beherrschbarkeit ist daher (nur) ergänzend heranzuziehen, weil es sonst den Rückgriff auf die bei der Prüfung von Schaffung und Realisierung der Gefahr heranzuziehenden normativen Wertungen verhindert – beispielsweise könnte man meinen, im Wundinfektionsfall sei eine Zurechnung auszuschließen, weil diese Infektion nicht beherrschbar sei. Letzteres ist zwar richtig, ersteres jedoch zu kurz gesprungen, weshalb das Abstellen auf die Beherrschbarkeit leicht zu falschen Ergebnissen führen kann. (4) Problematische Fälle im Übrigen (a) Atypische Konstitution des Opfers Problematisch ist die Frage, ob ein Erfolg dem Täter zuzurechnen ist, der nur aufgrund einer atypischen Konstitution des Opfers eintreten konnte, beispiels-weise der tödliche Ausgang einer leichten Verletzung eines Bluters253 oder der tödliche Ausgang eines Unfalls eines Radfahrers wegen seiner Rückratversteifung254. Geht man schlicht vom Adäquanzkriterium aus, so könnte man einen Ausschluss der Zurechnung erwägen, weil mit der tödlichen Wirkung wegen der Seltenheit und Unsichtbarkeit des Leidens nicht zu rechnen war255, die Wirkung mit anderen Worten nicht voraussehbar war. Andererseits kann man jedoch auch der Auffassung sein, dass es Bluter gibt und man auch dies bedenken müsse, so dass es aufgrund der statistisch signifikanten Wahrscheinlichkeit der Existenz dieser seltenen Konstitution zu einer Zurechnung kommt. Eindeutig ist das Kriterium der Adäquanz hier meiner Ansicht nach nicht. Stellt man direkt auf den Realisierungs- bzw. Verwirklichungszusammenhang ab, so „[ . . . ] lässt sich schwer bestreiten, dass sich die [ . . . ] geschaffene Gefahr Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 92. Vgl. RGSt 54, 349. 254 Vgl. OLG Stuttgart, NJW 1956, S. 1451 f. 255 So Maurach / Zipf AT, § 18 Rn. 66; in Ergebnis und Begründung identisch Baumann / Weber / Mitsch AT, § 14 Rn. 25, die nicht der Lehre von der objektiven Zurechnung folgen und die Voraussehbarkeit im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung ablehnen. 252 253

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im Tod des Opfers realisiert hat“256. Atypische Gefährdungen dieser Art lassen sich nach einer Ansicht auch nicht ohne weiteres aus dem Schutzbereich der Norm ausklammern, so dass man auf diesem Weg die Zurechnung bejahen kann und dies vielfach auch gemacht wird.257 Nach anderer Ansicht liegt hingegen der Verblutungstod gerade nicht mehr im Schutzbereich der (Fahrlässigkeits-)Norm, so dass eine Zurechnung ausscheiden muss.258 Man kann jedoch auch hinterfragen, ob es tatsächlich die im Handeln des Täters angelegte Gefahr war, die sich realisiert hat, oder sich nicht viel mehr die von der Atypizität der Konstitution des Opfers – freilich nur für seine eigenen Rechtsgüter – ausgehende bzw. dieser immanente Gefahr schlussendlich realisiert hat.259 Dieses Argument ist zwar von gewichtiger Plausibilität, vermag aber letzte Zweifel deswegen nicht zu beseitigen, weil sich vielleicht auch die in der Konstitution des Opfer liegende Gefahr realisiert haben mag, über das Ob der Realisierung der vom Täter geschaffenen Gefahr ist damit aber nicht zwingend im Sinne eines Exklusivitätsverhältnisses entschieden. Man kann durchaus annehmen, dass sich die vom Täter geschaffene Gefahr ebenfalls verwirklicht hat. Letztlich wird man jedoch sagen müssen, dass es in der Tat außerordentlich unwahrscheinlich ist, einen Bluter anzutreffen, diesen so zu verletzen, dass es zu nicht aufhaltbaren Blutungen kommt und dieser daran verstirbt. In Kombination mit dem Wertungsgesichtspunkt, dass der Erfolg ganz wesentlich die Realisierung des konstitutionell immanenten Risikos darstellt, ist daher eine Zurechnung zu verneinen. Darüberhinaus erfordert auch aus kriminalpolitischer Sicht das Tötungsverbot nicht zwingend die Ahndung dieser Fälle als Tötungsunrecht – die generalpräventive Wirkung des Tötungsverbots wird durch diese Auffassung nicht untergraben bzw. geschwächt. In jedem Fall handelt es sich um einen Grenzfall, der im Ergebnis sehr umstritten ist, aber keine weiteren grundsätzlichen Probleme aufwirft.260 (b) Kumulative Kausalität Wenn zwei nur gemeinsam aber nicht je einzeln tödlich wirkende Dosen eines Gifts unabhängig voneinander – es liegt keine Mittäterschaft, sondern Nebentäterschaft vor261 – verabreicht werden, so stellt sich die Frage nach der Zurechnung. Kühl AT, § 4 Rn. 65. Für Zurechnung aus diesem Gesichtspunkt heraus auch Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 289; i. E. ebenso Haft AT, S. 56; Schmidhäuser AT, § 5 Rn. 56. 258 Vgl. SK-Hoyer, Anh. zu § 16 Rn. 85. 259 Vgl. zu diesem Gedankengang Kühl AT, § 4 Rn. 65; die Zurechnung ablehnend daher Ebert / Kühl, Jura 1979, S. 569. 260 Einer Festlegung im Ergebnis enthalten sich trotz Thematisierung Kühl AT, § 4 Rn. 65 sowie Wessels / Beulke AT, Rn. 196. 261 Zur Notwendigkeit dieser Differenzierung und der entsprechenden Lösung im umgekehrten Fall siehe Maurach / Zipf AT, § 18 Rn. 56. 256 257

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D. Die objektive Zurechnung

Der Fall hat insofern eine gewisse Nähe zu den Fällen der atypischen Konstitution des Opfers, als zumindest aus Sicht des zweiten Täters die Konstitution durch die erste Giftgabe so verändert wurde, dass die zweite zum Tod führen konnte, sie wurde letztlich atypisch in obigem Sinn. Jedoch war der Tod für niemanden in der sozialen Rolle des Täters ex ante voraussehbar, denn dass eine zweite Person zeitnah eine weitere Dosis Gift verabreichen würde, ist ein derart ungewöhnlicher Umstand, dass damit nicht zu rechnen war – es ist das Werk des Zufalls.262 Es ist jedoch auf die Konstellation im Einzelfall abzustellen.263 Bei einer Anwendung des Adäquanzkriteriums als notwendige Bedingung ergeben sich keine großen Probleme. Schwieriger ist es jedoch, diesen Fall mit Hilfe des Kriteriums der Erhöhung der Erfolgsgefahr durch das Täterhandeln zu lösen. Auf den ersten Blick hat sich durch die erste Giftgabe die Gefahr erhöht, an Gift zu sterben, weil nun nur noch eine weitere, kleinere Gabe zum tödlichen Ausgang nötig ist. Die zweite Giftgabe hat – vielleicht noch offensichtlicher – die Gefahr des konkreten Erfolges erhöht, durch sie ist er eingetreten. Im Ergebnis jedoch, daran kann kein Zweifel bestehen, muss das Zurechnungsergebnis für beide unabhängig voneinander Handelnden identisch ausfallen, da keine gewichtigen Gründe für eine Differenzierung ersichtlich sind. Man kann einerseits das Argument anführen, es dürfe nicht berücksichtigt werden, dass der Täter das Opfer in die Situation gebracht habe, in der der Erfolg eintreten könne, weil das allgemeine Opferrisiko jeder selbst zu tragen habe.264 Jedoch hat hier der Täter eben kein allgemeines Risiko geschaffen, sondern die Gefahr des Todes durch Vergiftung erhöht, indem er auf die Konstitution des Opfers eingewirkt hat – dies ist strukturell mit dem Wundinfektionsfall und nicht mit dem Krankenwagenfall vergleichbar.265 Jedoch war bereits für die Bejahung der Zurechnung aufgrund der Erhöhung der Gefahr des konkreten Erfolgseintritts (siehe oben Ziffer 1) als Voraussetzung auch dargestellt worden, dass die Erhöhung rechtlich messbar sein muss. Es geht folglich nicht nur um die Festlegung einer Erhöhung der Gefahr, sondern diese darf nicht zu gering sein, um den Erfolg zurechenbar erscheinen zu lassen.266 Im hier vorliegenden Fall gewinnt dieser Aspekt eigenständige, weil zurechnungsausschließende Bedeutung. Der Verlauf war so atypisch, die Wahrscheinlichkeit nur einer Giftgabe ist schon außerordentlich gering, die einer Kombination mit einer zweiten zeitnahen bzw. tötungsgeeigneten danach weit geringer. Diese Erhöhung (der Wahrscheinlichkeit des Todes) ist selbst, d. h. betragsmäßig so gering, dass sie für 262 263 264 265 266

Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 196. Vgl. Triffterer AT, S. 134 ff. Vgl. dazu schon ausführlich oben Ziffer (1). Zu deren Lösung siehe oben Ziffern (1) und (2). Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 77.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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eine Zurechnung nicht ausreicht. Es bleibt aus diesem normativen Blickwinkel heraus jeweils bei einer zufälligen Verknüpfung der einzelnen Handlungen. Die Besonderheit dieses Falls ist es, dass aus Sicht der jeweils Handelnden letztlich der Beitrag einer anderen Person, hier eines Dritten267, den Erfolg herbeigeführt hat. Dies ist das zentrale Charakteristikum der Fälle, die üblicherweise mit dem Stichwort des Dazwischentretens Dritter bzw. der Zweitschädigung bezeichnet werden und Gegenstand der Ausführungen im nächsten Kapitel sind. Einige der dort vorzustellenden Lösungsprinzipien sind folglich für das gerade Dargestellte gewinnbringend und werden noch dazu in Verbindung gesetzt. Aber auch die soeben im Zuge der Lösung der Konstellationen des unbeeinflussten Erfolgseintritts entwickelten bzw. analysierten Lösungsansätze können und werden zur Lösung der Fälle mit Drittbeteiligung Verwendung finden.

b) Fälle des beeinflussten Erfolgseintritts Im Folgenden soll die Lösung von Fällen betrachtet werden, bei denen der Kausalverlauf durch auf menschliche Handlungen zurückgehende Ereignisse verändert wird. Der Übergang zu den Fällen des unbeeinflussten Erfolgseintritts ist, wie der Brückenpfeilerfall und seine Abwandlung zeigen, fließend. Konsequenterweise decken sich Lösungsansätze und Lösungsprinzipien teilweise, jedoch muss die Präsenz eines (erst-)täterfremden Beitrags auf dem Weg zum Erfolg bereits intuitiv zu ergänzenden Gedanken führen. aa) Dritte im Kausalverlauf – Die sog. Regressverbotsfälle Eine vieldiskutierte Fallkonstellation betrifft die sog. Regressverbotsfälle. Gemeint ist damit die Konstellation bzw. Behandlung der fahrlässigen Mitwirkung an einer vorsätzlichen und voll verantwortlichen Vorsatztat268, die auch als mittelbare Verursachung einer solchen Tat bezeichnet wird.269 Sehr umstritten ist die Frage der Strafbarkeit des (fahrlässigen) Ersttäters, wobei die Formulierung insofern bedenklich ist, als dass sie strenggenommen das Ergebnis der Untersuchung vorwegnimmt. Es gibt nur dann einen Ersttäter, wenn man die Zurechnung des Erfolges hinsichtlich seiner Handlung bejaht. Andernfalls ist er ja gerade strafrechtlich nicht verantwortlich und damit kein Täter.270 267 Dies muss nicht zwingend ein Dritter sein, vorstellbar ist auch ein den Erfolg erst herbeiführendes Verhalten des Opfers. Siehe zu dieser Systematisierung bereits Abschnitt D.III.2.b)bb). 268 Vgl. statt aller Roxin, Tröndle-FS, 1989, S. 177. 269 So Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101e. 270 Vgl. dazu Kühl AT, § 4 Rn. 85, wonach der Erstverursacher „eigentlich auch erst hinterher“ so zu nennen sei.

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D. Die objektive Zurechnung

Dadurch unterscheidet sich diese Fallgruppe von den Fällen, die im Abschnitt B eingeführt wurden. Für vorliegende Untersuchung wird in erster Linie auf Fälle abgestellt, in denen der Ersthandelnde nicht nur vorsätzlich handelte, sondern dadurch im Regelfall271 auch unmittelbar eine Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut geschaffen hat. Charakteristisch für die Regressverbotsfälle hingegen ist es, dass der Ersthandelnde (nur) eine „Bedingung“, einen „Anlass“272 für das Zweithandeln setzt, d. h. „[ . . . ] die Gefahr nur mittelbar über das Medium des freien Willens geschaffen wird [ . . . ]“273.274 Gleichwohl ist eine Darstellung der Lösung dieser Fälle aus drei Gründen an dieser Stelle geboten. Zum einen handelt es sich um eine im Zusammenhang mit der Lehre von der objektiven Zurechnung häufig diskutierte Fallgruppe ohne deren Erläuterung eine Darstellung der objektiven Zurechnung lückenhaft wäre – bereits begrifflich liegt die Frage nahe, welcher Person der Erfolg zuzurechnen ist. Zum anderen ist die Ähnlichkeit mit den hier untersuchten Fällen vorsätzlichen (Erst-)Handelns so groß, dass viele Lösungskriterien übertragen werden können, weil der Beitrag des Zweithandelnden für das endgültige Ergebnis ganz entscheidend ist. Anlässlich der Regressverbotsfälle können daher allgemeine Prinzipien für Konstellationen mit mehr als einem Handelnden abgeleitet werden. Der dritte Grund liegt darin, dass darüberhinaus mitunter nicht bezüglich des Ersthandelns in fahrlässig oder vorsätzlich differenziert wird, sondern auf den Charakter der Zweithandlung als entscheidungserheblich abgestellt wird.275 Es 271 Lediglich in Fall 1 und der Abwandlung zu Fall 2 war die Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr zu verneinen. Jedoch trat in diesen Fällen nur eine handelnde Person in Erscheinung. 272 So Kühl AT, § 4 Rn. 84 u. 85 in Reihenfolge der Zitate. 273 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101 / 101a. 274 Dies ist die Parallele zu Fällen, die man unter dem Begriff der Beihilfe durch neutrales Verhalten zusammenfassen kann und die nach Schünemann, GA 1999, S. 224, zu den „am meisten diskutierten Zurechnungsproblemen überhaupt“ gehören. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass der „Täter“ in den Beihilfefällen vorsätzlich, in der Regel mit dolus eventualis, handelt. Es scheint vertretbar, auf die besondere Konstellation der Beihilfe durch neutrales Verhalten nicht als solche einzugehen. Auf die generelle Problematik des vorsätzlich Ersthandelnden bei der Lösung der dieser Untersuchung vorangestellten Fälle wird hingegen dem Grunde nach ausführlich eingegangen. Darüberhinaus wird im Rahmen der Darstellung des Vertrauensgrundsatzes zur Lösung der Regressverbotsfälle auf die Problematik von Alltagshandlungen zurückzukommen sein. Die beiden Besonderheiten, dass es sich um neutrales, wenn auch vorsätzliches Verhalten handelt und durch die Teilnahme nur mittelbar ein Verletzungserfolg herbeigeführt wird, macht die Lösung zwar kompliziert und umstritten, ermöglicht jedoch für die Problematik des atypischen Kausalverlaufs keinen über die hier untersuchten Aspekte hinausgehenden Erkenntnisgewinn. Viele der im Folgenden dargestellten Lösungsansätze passen auch auf Fälle zur Lösung dieser Beihilfeproblematik. Ausführlich zur Beihilfe durch neutrales Verhalten Kudlich, Die Unterstützung fremder Vorsatztaten durch berufbedingtes Verhalten, 2004; auch Jakobs, GA 1996, S. 257 ff. sowie Hillenkamp, AT Probleme, 28. Problem, S. 158 ff.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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wird noch zu zeigen sein, dass es auf eine Differenzierung bezüglich des Charakters der Ersthandlung nicht entscheidend ankommt. Es wurde schon gesagt, dass durch ein Dazwischentreten eines Dritten in den Kausalverlauf der Kausalverlauf in aller Regel nicht unterbrochen wird276 – unabhängig davon, ob Erst- und Zweithandlung vorsätzlich oder fahrlässig waren. Im Rahmen der Regressverbotsfälle steht in der Regel das erste Element der Grundformel im Mittelpunkt – die Frage der Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr bzw. des unerlaubten Risikos.277 Angesichts des fahrlässigen Ermöglichens einer vorsätzlichen Tat als der der Regressverbotsproblematik zugrundeliegenden Konstellation ist diese Einordnung in die Grundformel ohne Zweifel sinnvoll, denn es geht tatsächlich in erster Linie um die Frage, ob in diesem fahrlässigen Handeln eine Gefährdung für das verletzte Rechtsgut zu sehen ist.278 Jedoch kommt es weniger auf die Einordnung in die Grundformel an als auf sachgerechte Lösungsprinzipien, die sich teils nicht immer mühelos in die Grundformel einfügen lassen.279 (1) Das Adäquanzkriterium Auch zur Lösung der Regressverbotsfälle wird auf den Adäquanzzusammenhang bzw. die Voraussehbarkeit des konkreten Geschehens abgestellt. Wenn weder der Täter unter Einschluss seines Sonderwissens noch ein aufmerksamer Beobachter die Tat des Dritten voraussehen konnte, so wird eine Strafbarkeit abgelehnt.280 Vielfach ist die Anwendung des Kriteriums der Adäquanz durchaus plausibel und man muss bedenken, dass die Prüfung der Voraussehbarkeit bei einem Fahrlässigkeitsdelikt allgemein üblich ist. Jedoch begegnet das Abstellen auf Wahrscheinlichkeiten auch hier Bedenken. Es gibt bei Konstellationen des Regressverbots Fälle, in denen eine Zurechnung auszuschließen ist, auch wenn die Art des 275 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 192, die darauf abstellen, ob das Dazwischentreten eines Dritten eigenverantwortlich bzw. dieser vollverantwortlich war. 276 Siehe oben Abschnitt C.II.1.c)cc). 277 Vgl. Roxin, Tröndle-FS, S. 187; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101 / 101a, 101e; Wessels / Beulke AT, Rn. 192; auch NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 167, die jedoch statt von Schaffung eines unerlaubten Risikos von Sorgfaltspflichtverletzung spricht und das Regressverbot im Zusammenhang mit der Bestimmung eben dieser diskutiert. 278 Man könnte sich demgegenüber auch auf den Standpunkt stellen, dass zwar jedenfalls durch die Ermöglichung des Zweithandelns eine Gefahr geschaffen worden ist und es in der Folge um die Frage geht, ob sie sich (zumindest auch) realisiert hat, oder ob sich ausschließlich die vom Zweithandelnden ausgehende Gefahr realisiert hat. 279 Siehe dazu bereits die obige Darstellung (D.II.2) der zentralen Fallgruppen und Lösungsprinzipien der Lehre von der objektiven Zurechnung, insbesondere beim auch hier relevanten Prinzip der Eigenverantwortlichkeit [oben D.II.2.d)]. 280 So Jescheck / Weigend AT, § 54 S. 574; LK-Jescheck, Vor § 13 Rn. 53; siehe auch Hillenkamp, AT Probleme, 32. Problem, S. 188 m. w. N.

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D. Die objektive Zurechnung

Erfolgseintritts grundsätzlich voraussehbar war – beispielsweise gilt dies bei vorsätzlicher Selbstgefährdung des Opfers ebenso wie in den Fällen, in denen eine dritte Person die Verantwortung für das Geschehen übernimmt.281 Die Voraussehbarkeit ist in diesem Fall unerheblich. Das Prinzip der Adäquanz wird durch ergänzende Prinzipien überlagert und ist auch in diesem Zusammenhang nur als notwendige Bedingung anzuwenden.282 (2) Die Beherrschbarkeit bzw. Steuerbarkeit Im Falle der vollverantwortlichen und vorsätzlichen Zweittat scheint die mangelnde Beherrschbarkeit bzw. Steuerbarkeit des Verhaltens auf den ersten Blick für einen Zurechnungsausschluss einleuchtend. Die Tat des Zweithandelnden ist für den Ersthandelnden, der diese Tat lediglich ermöglicht hat, nicht steuer- bzw. beherrschbar. Jedoch ist auch an dieser Stelle erneut auf die Hinterfragung der Begrifflichkeiten zurückzukommen.283 Versteht man die Steuerbarkeit bzw. auch die Beherrschbarkeit letztlich als Bezweckbarkeit (dies kommt der Frage gleich, ob man sich auf den Eintritt des Verlaufs einstellen kann), dann würden letztlich unvorhersehbare Kausalverläufe aus der Zurechnung genommen. Das Ergebnis entspräche dem des Adäquanzkriteriums.284 Sieht man Steuerbarkeit als Beherrschbarkeit im eigentlichen Sinn des Wortes an, d. h. als Verlust von Eingriffs- bzw. Veränderungsmöglichkeiten, dann begegnet dies ebenfalls dem oben285 bereits dargelegten Einwand, dass ein Kausalgeschehen niemals völlig beherrschbar ist. In diesem Kontext wiegt der Einwand gegen die Beherrschbarkeit als wesentliches Zurechnungskriterium allerdings deutlich schwerer. Die Tat eines Dritten bzw. das Verhalten des Opfers ist für den Ersthandelnden selten völlig beherrschbar – eine freie und vollverantwortliche Tat ist per definitionem nicht durch einen Dritten beherrscht bzw. beherrschbar.286 Ein alleiniges Abstellen auf die Beherrschbarkeit muss folglich bei Handeln Dritter stets zum Ausschluss der Zurechnung führen, d. h. zu einem uneinge281 Vgl. dazu Roxin AT I, § 11 Rn. 118, 120, 137 ff.; siehe dazu ausführlich die Ausführungen zum Prinzip der Eigenverantwortlichkeit unten (4). 282 Zur Begründung des Verständnisses als notwendige Bedingung siehe oben D.III.3.a) bb)(2). 283 Siehe dazu schon oben D.III.3.a)bb)(3). 284 Vgl. auch Roxin, Tröndle-FS, 1989, S. 182. 285 Abschnitt D.III.3.a)bb)(3). 286 Vgl. zu diesem Einwand auch Roxin AT I, § 11 Rn. 182; andererseits sind auch Konstellationen denkbar, in denen bei wertender Betrachtung der Hintermann die Vorsatztat beherrscht und beiden der Unrechtserfolg zuzurechnen ist, vgl. dazu SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 72. Das Kriterium der Beherrschbarkeit lässt folglich keine zweckmäßige Zuordnung der Verantwortung zu.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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schränkten Regressverbot.287 Dies ist jedoch zu weitgehend, weil das Kriterium der Beherrschbarkeit keinen Raum für weitere Überlegungen lässt und zu einem völligen Zurechnungsausschluss kommt, den es nicht zu tragen vermag.288 Infolgedessen ist Ottos Abstellen auf die Steuerbarkeit als entscheidendes Kriterium gleichfalls nicht zuzustimmen, zumal er sich selbst genötigt sieht, im Falle einer Garantenstellung des Ersthandelnden anders, d. h. im Sinne von Zurechnung, zu entscheiden.289 Dieser Ansatz ist insofern problematisch, als dass eine (Fahrlässigkeits-)Zurechnung immer nur in Betracht kommt, wenn der Ersthandelnde eine Gefahr für das betroffene Rechtsgut geschaffen hat. Deswegen wäre stets an eine Ingerenzgarantenstellung zu denken, die dann immer zu einer Zurechnung führen müsste – das Regressverbot wäre völlig aufgehoben.290 Wehrle291 will diese Konsequenz vermeiden, indem er der Ingerenzkonstruktion im Regressverbotsfall die garantenpflichtbegründende Bedeutung abspricht.292 Die Kriterien der Beherrschbarkeit bzw. Steuerbarkeit sind insgesamt als zu einschneidend abzulehnen, sie lassen bei konsequenter Anwendung keinerlei weitere Überlegungen zu. Es käme auch bei nur leicht fahrlässiger Zweittat in jedem Fall ohne weiteres zu einem Zurechnungsausschluss – ein sehr problematisches und im Ergebnis zu weit führendes Ergebnis.293 287 So konsequenterweise auch Diel, Das Regressverbot als allgemeine Tatbestandgrenze im Strafrecht, 1997, S. 179 ff., 279 ff., 339, 379; ebenfalls auf die Beherrschbarkeit abstellend auch Naucke ZStW 76 (1964), S. 428. 288 Vgl. die Einwände von Roxin, Tröndle-FS, 1989, S. 182; kritisch auch Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 100. 289 Vgl. Otto, JuS 1974, S. 706; ebenso Wehrle, Fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt – Regressverbot?, 1986, S. 107 f. 290 Vgl. Roxin, Tröndle-FS, 1989, S. 184; jedoch gilt dies nicht ohne weiteres, wenn man mit Hilfe des Prinzips der Steuerbarkeit oder ähnlichen Ansätzen zu definieren versucht, wann überhaupt eine rechtlich relevante Gefahr vorliegt. Kommt man zu dem Schluss, dass aufgrund mangelnder Steuerbarkeit keine relevante Gefahr geschaffen wurde, so kann dieses Ergebnis selbstverständlich auch keine Ingerenzgarantenstellung begründen. Wehrle (a. a. O., S. 83) selbst leitet seinen Zurechnungsausschluss jedoch nicht unter Abstellen auf die Grundformel der Lehre von der objektiven Zurechnung her (die Schaffung einer Gefahr steht für ihn nicht im Blickpunkt), sondern aus Unwertgefälle zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit. Insofern ist die Kritik Roxins (Tröndle-FS, 1989, S. 184) durchaus berechtigt. 291 Vgl. Wehrle (Fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt – Regressverbot?, 1986, S. 83), leitet die Straflosigkeit einer fahrlässigen Ermöglichung aus einem Unwertgefälle zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit einerseits und zwischen Täterschaft und Teilnahme anderseits ab. Er gründet dies im Prinzip auf die Überlegungen, dass, wenn die vorsätzliche Veranlassung von Vorsatztaten nur Teilnahme sei, die fahrlässige Veranlassung nicht Täterschaft sein könne. Wegen der geringeren Strafwürdigkeit fahrlässiger Taten hätten diese straflos zu bleiben. Diese Auffassung ist jedoch mit dem im Fahrlässigkeitsbereich herrschenden Einheitstäterbegriff nicht zu vereinbaren. Zur Kritik siehe Roxin, Tröndle-FS, 1989, S. 183. 292 Wehrle, Fahrlässige Beteiligung am Vorsatzdelikt – Regressverbot?, 1986, S. 113. 293 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 100, die jedoch selbst einen sehr weitgehenden Zurechnungsausschluss befürworten (Rn. 101e). Siehe dazu auch noch den folgenden Abschnitt unten (5).

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D. Die objektive Zurechnung

Für die Frage nach der richtigen Lösung ist durch die Beschränkung des Adäquanzgedankens und die Ablehnung der Beherrschbarkeit aus strukturellen Überlegungen heraus jedoch noch nicht sehr viel gewonnen. Der Blick richtet sich im Folgenden auf andere Lösungskriterien und deren Grenzen. (3) Der Vertrauensgrundsatz Zur Ermittlung des erlaubten Risikos und damit der Beurteilung der Schaffung einer missbilligten Gefahr wird vielfach auf den Vertrauensgrundsatz zurückgegriffen.294 Kernaussage dieses Grundsatzes ist es, dass jedermann im Regelfall darauf vertrauen darf, dass Andere keine vorsätzlichen Straftaten begehen.295 Seinen Ursprung hat der Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr und ist dort von der Rechtsprechung seit einer Entscheidung des vereinigten großen Senats des Bundesgerichtshofs im Jahre 1954296 anerkannt. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des Vertrauensgrundsatzes auf diesen Bereich und weitere297 Bereiche ist nicht sachgerecht, der Grundsatz kann vielmehr dem Grunde nach – dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass er auch stets tatsächlich anwendbar ist – auf alle Bereiche menschlichen Lebens Anwendung finden.298 Grundlage des Vertrauensgrundsatzes ist die Erkenntnis, dass menschliches Verhalten selbst bei Einhaltung aller Regeln ein gewisses Maß an Gefährlichkeit mit 294 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 72, 73 f.; Kühl AT, § 4 Rn. 49; Kudlich, Die Unterstützung fremder Vorsatztaten durch berufsbedingtes Verhalten, 2004, S. 376 ff.; Roxin, Tröndle-FS, 1989, S. 186, 190 ff., der den Vertrauensgrundsatz als einen Unterfall des erlaubten Risikos sieht; Schünemann, GA 1999, S. 224; siehe auch NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 169 jeweils m. w. N. 295 So die Formulierung von Roxin, Tröndle-FS, 1989, S. 186 f. 296 BGH v. 12. 7. 1954, VGrS 1 / 54, dort heißt es im Hinblick auf Vorfahrtsregeln, es sei gerade „[ . . . ] Sinn der Vorfahrtsregelung, dass der Vorfahrtsberechtigte auf der Vorfahrtsstraße bei Einmündungen und Kreuzungen Vertrauen haben und grundsätzlich durchfahren soll“; siehe auch BGHSt 7, 124. 297 Allgemein wird in den Anwendungsbereich des Vertrauensgrundsatzes auch das arbeitsteilige Arbeiten einbezogen, insbesondere der Bereich der ärztlichen Zusammenarbeit – vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 140 f.; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 151, 219i; Wessels / Beulke AT, Rn. 671a; ausführlich zum Bereich der ärztlichen Arbeitsteilung Kamps, Ärztliche Arbeitsteilung und strafrechtliches Fahrlässigkeitsdelikt, 1981; Peter, Arbeitsteilung im Krankenhaus aus strafrechtlicher Sicht. Voraussetzungen und Grenzen des Vertrauensgrundsatzes, 1992; Wilhelm, Verantwortung und Vertrauen bei der Arbeitsteilung in der Medizin, 1984; dies., Jura 1985, S. 1983 ff. Der Vertrauensgrundsatz betrifft nach verbreiteter Ansicht auch das Verhältnis zwischen Ausbildern und Auszubildenden. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 151; auch OLG Hamm, NJW 1979, S. 993. 298 Ablehnend Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 151.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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sich bringt. Risiken sind menschlichem Handeln als solchem immanent und dieses Charakteristikum ist sachlogisch nicht auf den Straßenverkehr begrenzt, so dass sich eine Begrenzung des Anwendungsbereichs so nicht rechtfertigen lässt.299 Wenn der Vertrauensgrundsatz gilt „[ . . . ] insoweit, als Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten [ . . . ] ausgeübt werden können“300, so muss er gerade auch dann gelten, wenn diese Möglichkeiten nicht bestehen, d. h. in allen Sozialbeziehungen301, jedenfalls aber insoweit, als dass man nicht mit vorsätzlichen Straftaten Anderer rechnen muss.302 Der Vertrauensgrundsatz selbst jedoch beantwortet die Frage noch nicht, wann man tatsächlich berechtigt vertrauen darf. Es kommt folglich entscheidend darauf an, wie die Einschränkung der oben genannten Definition zu verstehen ist, die (nur) davon ausgeht, man dürfe im Regelfall vertrauen. Die Rechtsprechung hat im Bereich der Verkehrsdelikte die Einschränkung gemacht, dass der Grundsatz dann nicht gilt, wenn die Situation zu einer anderen Fahrweise Anlass gibt.303 Die Antwort auf die Frage, wann ein Anlass vorliegt, bleibt der Vertrauensgrundsatz selbst schuldig. Sie muss aus der Funktion des Grundsatzes heraus gefunden werden. Sinn des Vertrauensgrundsatzes ist es zu bestimmen, wann man von einer relevanten Gefahrschaffung bzw. nach anderer Terminologie von einer Sorgfaltspflichtverletzung304 ausgehen kann. Kann man aber von einer geschaffenen Gefahr sprechen, so ist ihr Urheber auch verantwortlich, wenn und weil sie sich verwirklicht hat. Es geht folglich um die Bestimmung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit einer Person für ihr Handeln, d. h. um die Definition von Verantwortungsbereichen. Der Vertrauensgrundsatz gibt insoweit einen Aspekt – nämlich die Sicht der Dinge aus Perspektive des Ersthandelnden – an, der für die Lösung dieses Problems relevant ist, löst jedoch dieses Problem nicht abschließend. Insofern ist Frisch zuzustimmen, wenn er den Vertrauensgrundsatz lediglich für psychologisierend umschriebene Konsequenzen tiefer liegender normativer Erwägungen hält.305 Vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 151. So ausdrücklich Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 151; gerade bei arbeitsteiligem Wirken, wo der Grundsatz weithin anerkannt ist, ist dies der Fall. 301 So MK-Duttge, § 15 Rn. 151 m. w. N. 302 Vgl. Roxin AT I, § 24 Rn. 26 ff.; ders., Tröndle-FS, 1989, S. 186 f.; dieses Ergebnis wird von denjenigen geteilt, die zur Lösung der Regressverbotskonstellationen auf den Grundsatz ohne weitere Erörterung des Anwendungsbereichs zurückgreifen, beispielsweise SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 73. 303 Hier bezogen auf den Straßenverkehr. Siehe den Nachweis oben in diesem Kapitel bei Fn. 296. 304 Vgl. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 154; Schünemann, GA 1999, S. 217; MK-Duttge, § 15 Rn. 143. 305 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 191, 237 f. 299 300

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D. Die objektive Zurechnung

Rudolphi hält den Vertrauensgrundsatz für einen Ausgangspunkt der Bestimmung der Verantwortungsbereiche der verschiedenen an einem Kausalgeschehen beteiligten Personen.306 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Als alleiniges Kriterium zur Bestimmung der Zurechnung reicht der Vertrauensgrundsatz nicht aus. Er berücksichtigt nicht hinreichend die Tatsache, dass es um die Abschichtung von Verantwortungsbereichen geht und dafür nicht nur dem Vertrauen des Ersthandelnden sondern auch der Eigenverantwortlichkeit des Zweithandelnden eine wesentliche Bedeutung zukommt. Darüberhinaus ist der Vertrauensgrundsatz aus anderen Gründen problematisch. In vielen Bereichen der modernen Gesellschaft besteht angesichts der Vielfalt und des Ausmaßes möglicher Gefahren für Rechtsgüter eine Sicherung dahingehend, dass es Sicherheitsvorschriften gibt, die gerade vor Sorgfaltspflichtverletzungen bzw. Straftaten anderer schützen sollen.307 Puppe308 macht deutlich, dass viele Vorschriften den Straßenverkehr – den unumstrittensten Anwendungsbereich des Grundsatzes – betreffen und namentlich die Regelungen über Geschwindigkeitsbegrenzungen gerade zur besseren Kompensation der Pflichtverletzungen Anderer gedacht sind. Sie bezeichnet dies als „Mehrfachsicherungen“. Daher kann derjenige, der Gefahren schafft, nicht darauf vertrauen, Andere würden sich an diese Vorschriften halten und so seine Pflichtverletzung kompensieren. Wendete man den Vertrauensgrundsatz gleichwohl uneingeschränkt an, so liefe das auf einen generellen Ausschluss dieser Mehrfachsicherungen und auf ein Prinzip des „nur den letzten beißen die Hunde“309 hinaus. Es kommt folglich entscheidend darauf an, wann der Vertrauensgrundsatz nicht greift. Greift er, so ist ein Verhalten als sozialadäquat310 im eigentlichen Sinn des Wortes, d. h. als dem gesellschaftlichen Miteinander angemessen, anzusehen. Da ein Verhalten niemals aus sich heraus aufgrund seines äußeren Erscheinungsbilds als in diesem Sinne sozialadäquat einzustufen ist311, kommt es maßgeblich auf die Umstände aus der Sicht des Täters, d. h. sein Vorstellungsbild bzw. Sonderwissen an.312 Der Vertrauensgrundsatz ist unanwendbar, wenn „triftige VeranlasVgl. SK-Rudolphi, Vor § 13 Rn. 72. Vgl. Schünemann, GA 1999, S. 224; NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 163. 308 NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 163, ebenso das folgende Zitat. 309 NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 163. 310 Auch für den Begriff der Sozialadäquanz gilt das oben in diesem Kapitel (Fn. 305) Gesagte entsprechend. Entscheidend sind die zugrundeliegenden normativen Erwägungen. Zum Begriff der Sozialadäquanz und der Abgrenzung zur Lehre von der sozialen Adäquanz siehe auch schon ausführlich oben Abschnitt D.II.3.b). 311 Vgl. Otto, Lenckner-FS, 1998, S. 202; ebenso NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 157, 170. 312 Die Bedeutung und Problematik der Berücksichtigung des Sonderwissens im Rahmen der Ermittlung des erlaubten Risikos wurde bereits oben dargestellt. Es ist nur konsequent, dass es auch an dieser Stelle relevant wird, denn im Rahmen der Regressverbotsfälle wurde bereits deutlich gemacht, dass es vornehmlich um die Ermittlung bzw. Abgrenzung des erlaubten Risikos geht. 306 307

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sung“313 besteht bzw. wenn Indizien dafür vorliegen, dass eine Handlung kausal für eine Straftat werden wird.314 Dann ist der Verantwortungsbereich des Handelnden dem Grunde nach eröffnet.315 Die Bestimmung der Verantwortungsbereiche ist als Rechtsfindungsinstrument ein Vehikel zur Ermittlung der Grenzen zwischen missbilligtem und nicht missbilligtem Verhalten. Handelt es sich um missbilligtes Verhalten, so gehört auch die Weiterführung dieses Verhaltens durch einen Zweithandelnden zu dem Bereich, für dessen Folgen man verantwortlich ist.316 Das Abstellen auf Verantwortungsbereiche schärft den Blick für die zu lösende Aufgabe. Wann nun aber der Verantwortungsbereich eröffnet ist, ist sehr umstritten und Gegenstand des folgenden Abschnitts. (4) Die Abgrenzung von Verantwortungsbereichen Versteht man den Vertrauensgrundsatz nicht als alleinige Lösungsregel für die Regressverbotsfälle, sondern als ein Mittel zur Bestimmung des erlaubten Risikos bzw. zur Beurteilung der Eröffnung von Verantwortungsbereichen, so muss man sich eine grundsätzliche Errungenschaft gleichwohl vor Augen halten. Für die Beurteilung des strittigen Aspekts, wann bzw. welche Indizien die Anwendung des Grundsatzes ausschließen und damit strafrechtliche Verantwortung eröffnen, gilt, dass je stärker man den Vertrauensgrundsatz einschränkt, desto stärker wendet man sich seinem logischen Gegenteil und Vorgänger317, dem „Misstrauensgrundsatz“, zu.318 Je deutlicher dieser in den Vordergrund rückt, desto schwieriger wird seine Handhabung in einer modernen Industriegesellschaft aufgrund der damit verbundenen Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit, die aus gesellschaftlicher Sicht unverzichtbar ist. Jede Einschränkung hat jedoch für einen effektiven Rechtsgüterschutz geeignet, erforderlich und angemessen zu sein.319 Davon ist nur auszugehen, wenn sich die Anwendung der entsprechenden Sanktionsnorm als eine im Einzelfall kriminalpolitisch sinnvolle Maßnahme zur Verhinderung des Erfolges darstellt, d. h. ein hinreichender generalpräventiver Nutzen gegeben ist.320 BGHSt 13, 173. Vgl. Amelung, Grünwald-FS, 1999, S. 22 ff. 315 Wie bereits angemerkt kann aufgrund ergänzender Prinzipien, namentlich dem der Eigenverantwortlichkeit, die Zurechnung gleichwohl ausgeschlossen sein. 316 Vgl. dazu Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 239. 317 Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts hatte sich jeder Verkehrsteilnehmer auf die Möglichkeit eines unerwarteten Zufalls stets einzurichten, RGSt 61, 121; in diese Richtung auch noch BGHSt 2, 189. 318 MK-Duttge, § 15 Rn. 139. 319 Vgl. MK-Freund, Vor § 13 ff. Rn. 380. 320 Dieser allgemeine Gedanke zur Zurechnung von Schünemann (GA 1999, S. 215, 218, 221, 228) gilt uneingeschränkt auch im vorliegenden Zusammenhang. 313 314

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D. Die objektive Zurechnung

Ausdrücklich auf die Bildung von Verantwortungsbereichen zur Lösung der Fälle der durch Dritt- oder Opferverhalten321 vermittelten Güterschädigung stellen unter anderem Rudolphi 322, Freund 323, Lenckner / Eisele324, Kühl 325, Wessels / Beulke326 sowie differenzierend Roxin327 ab. Kernaussage des damit verbundenen Verantwortungsprinzips ist es, dass „[ . . . ] jeder sein Verhalten grundsätzlich nur darauf einzurichten hat, dass er selbst Rechtsgüter nicht gefährdet, nicht aber – weil dies nämlich nicht in seine ,Zuständigkeit‘ fällt – auch darauf, dass andere dies nicht tun.“328 Die Ähnlichkeit mit den Aussagen zum Vertrauensgrundsatz ist unverkennbar. Dies ist nach dem hier vertretenen Verständnis auch konsequent, denn ein Mittel der Bestimmung von strafrechtlicher Verantwortung ist eben der Vertrauensgrundsatz. Folglich sind die Aussagen, die die Abgrenzung der Verantwortlichkeit bzw. die Frage der Missbilligung des Täterverhaltens anhand von für den Täter erkennbarer Umstände des Einzelfalls vornehmen, miteinander vergleichbar – einerlei, ob sie nun (ausschließlich) im Zusammenhang mit dem Vertrauensgrundsatz, der Bestimmung von Verantwortungsbereichen oder ganz unter Verzicht auf diese Termini329 gemacht wurden. Freilich kann eine stärkere Betonung der Eigenverantwortlichkeit des einzelnen Individuums zu einem höheren Maß an Zurechnungsausschluss führen und Kriterien wie die Erkennbarkeit bestimmter Umstände zurückdrängen. Gleichwohl steht teleologisch die Bestimmung des missbilligten Verhaltens und damit des unerlaubten Risikos im Vordergrund, die den Verantwortungsbereich des Einzelnen definieren. 321 Sehr kritisch zur Anwendung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips auf Sachverhalte des atypischen Opferverhaltens Walther, StV2002, S. 368 f., die den entscheidenden Unterschied zur eigenverantwortlichen Selbstgefährdung und als Argument gegen das daraus abgeleitete Prinzip der Eigenverantwortlichkeit in der Tatsache sieht, dass es dort um aktives Verhalten und hier um reaktives Verhalten als Folge der Ersthandlung gehe. 322 Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 13 Rn. 72. 323 Vgl. MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 373 m. w. N., der dazu jedoch nicht das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit bemüht, sondern nach spezifischen Vermeidepflichten fragt (Rn. 375 f., 380, 383). 324 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 100 m. w. N. 325 Vgl. Kühl AT, § 4 Rn. 83, 85, m. w. N., der die Bildung von Verantwortungsbereichen aufgrund des Prinzips der Eigenverantwortlichkeit neben („Ergänzungen“, Rn. 75) den in der Grundformel anzuwendenden Vertrauensgrundsatz stellt. 326 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 192. 327 Eine „Zuordnung zum fremden Verantwortungsbereich“ (Roxin AT I, § 11 vor Rn. 137) kommt für Roxin nur im Falle des Zweithandelns bestimmter Berufsträger ( Rn. 138) in Betracht, sein Verständnis ist erheblich enger, worauf noch ausführlich eingegangen wird. 328 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101 / 101a; kritisch v. a. hinsichtlich von einzelnen Autoren sehr weitgehend aus diesem Prinzip gefolgerten Zurechnungsausschlüssen NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 178 ff. 329 So bei Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 240 ff.; NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 167 ff.

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Das Verständnis, wann jedoch besondere Umstände bzw. Indizien zur Missbilligung führen und die Zurechnung bei einer vorsätzlichen Tat des Dritten ermöglichen, ist unterschiedlich. Zu einem weitgehenden Zurechnungsausschluss kommen insbesondere diejenigen Stimmen der Literatur, die in erster Linie eine rechtliche Missbilligung im Zusammenhang mit Verhalten Dritter deshalb ablehnen, weil es eben fremdes Verhalten ist, d. h. die den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit für dominant erachten.330 Bei konsequenter Anwendung des Grundsatzes, dass jeder „[ . . . ] nur für sein eigenes Verhalten verantwortlich ist“331, resultiert in den Regressverbotsfällen auf den ersten Blick ein Zurechnungsausschluss, denn alles andere (die Verantwortung des Ermöglichenden für die fremde Vorsatztat) wäre „eine Durchbrechung des Verantwortungsprinzips“332. Einer so restriktiven Anwendung ist jedoch entgegenzutreten, weil es eine Mitverantwortung dann kaum gäbe. Darüberhinaus geht es gerade um die Frage, ob der Ersthandelnde einen Beitrag geleistet hat, aufgrund dessen er für sein Handeln Verantwortung trägt. Allein die Tatsache, dass der Dritte für sein Tun (u. U. eben ebenfalls) verantwortlich ist, kann diese Frage nicht richtig beantworten. Richtigerweise wird das Eigenverantwortlichkeitsprinzip von anderen Autoren eingeschränkt. Jedoch werden auch von Vertretern eines prinzipiell weitgehenden Zurechnungsausschlusses Einschränkungen gemacht, wenn diese im Verantwortungsprinzip selbst begründet sind. Beispielsweise gilt dies dann, wenn der Zweithandelnde aufgrund von Defektszuständen, Unreife etc. von verantwortlichem Handeln ausgeschlossen ist, wenn der Zweithandelnde rechtlich zur Handlung verpflichtet ist333, oder der Ersthandelnde ein besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt.334 Diese Ausnahmen sind im Grunde konsequent, da sie den Begriff der Verantwortung bzw. Verantwortlichkeit gleichsam wörtlich nehmen. Wessels / Beulke folgen dem Prinzip zwar und sehen ein Ende der Verantwortung bei vollverantwortlicher Gefahrschaffung durch den Dritten, schränken dies jedoch durch den Zusatz ein, die durch den Dritten geschaffene Gefahr müsse „[ . . . ] eine neue, selbständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr [begründen], die sich dann allein im Erfolg realisiert“335. Die gemachten Einschränkungen eröffnen den Weg Vgl. Kühl, AT § 83 Rn. 84 f.; Otto, AT § 6 Rn. 49. Kühl, a. a. O. 332 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101e. 333 Die Konsequenz dieser Tatsache ist sehr umstritten und spielt für die Lösung der sog. Retterfälle die entscheidende Rolle, vgl. dazu schon oben D.II.2.d)bb) sowie die Nachweise bei Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101 c. 334 Vgl. zu diesen Fallgruppen Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101c; Kühl AT, § 4 Rn. 85. 335 Wessels / Beulke AT, Rn. 192; zugleich wird von ihnen eine Zurechnung bejaht, falls Sicherheitsvorschriften verletzt werden, die dem Schutz vor Taten Dritter dienen, oder falls das Verhalten des Dritten typischerweise in der Ausgangsgefahr – diese ist freilich Vorausset330 331

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zu deutlichen Einschränkungen des Verantwortlichkeitsprinzips im Interesse einer sachgerechten Lösung, bleiben die Kriterien ihrer Anwendung jedoch schuldig. Nach Frisch führen Verhaltensweisen mit „eindeutig deliktischem Sinnbezug“, das sind solche, „[ . . . ] die geradezu einen funktionalen Bezug auf die Ermöglichung oder Erleichterung fremden deliktischen Verhaltens besitzen, von hierher ihre Sinnhaftigkeit erfahren“336, zur Missbilligung. Jedoch dürfte in den hier zu untersuchenden Fällen nichtvorsätzlichen Ersthandelns der Anwendungsbereich des Kriteriums sehr schmal sein337, denn im Falle eindeutigen deliktischen Sinnbezugs liegt dieser ja auf der Hand, so dass bei gleichwohligem Handeln die Annahme von dolus eventualis nahe liegt. Vergleichbar ist der Standpunkt, dass eine Haftung ausscheidet, wenn die Ersthandlung auch ohne die anknüpfende Zweithandlung sinnvoll ist338, d. h. also aus sich heraus im sozialen Kontext ohne Missbilligung besteht bzw. bestehen kann. Auch soll nach dieser Ansicht eine Zurechnung ausscheiden, wenn sich der soziale Kontakt in einer Leistung oder einem Informationsaustausch erschöpfe, wenn also das deliktische Handeln nicht gemeinsamer Handlungssinn werde.339 Bedenken bestehen dagegen, weil ein Verhalten sich schwerlich hinsichtlich seiner Missbilligung aus sich heraus ohne Kontext und Sonderwissen beurteilen lässt.340 Weniger weitgehend aber in dieselbe Richtung weisend ist die Formulierung der mangelnden „deliktstypischen Verwendung“341, die eine Zurechnung ausschließe. Vielfach wird nicht auf den gesamten Kontext der Handlungen abgestellt, wie dies allen obigen Ansichten gemeinsam war, sondern der Blick auf die Figur des Zweithandelnden gerichtet. Nach Strathenwerth ist die Förderung oder Ermöglichung der Tatausführung nur im Falle eines erkennbar zum Delikt Entschlossenen zur Begründung einer Fahrlässigkeitshaftung geeignet.342 Weniger weitgehend aber strukturell ähnlich ist das Abstellen auf die „Förderung erkennbarer Tatgeneigtheit“ 343. Der Vorzug dieses Kriteriums liegt darin, dass zung der Ausnahme und in den Regressverbotsfällen gerade fraglich – begründet erscheint. Letzteres stellt eine Konkretisierung der bereits erwähnten Einschränkung dar, wonach sich die neue Gefahr allein realisiert haben müsse. Ist das Verhalten des Dritten typischerweise in der Ausgangsgefahr begründet, dann handelt es sich nicht um eine neue, sich allein realisierende Gefahr. 336 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 280. 337 Dies räumt Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 303, 305, 339 ff. auch selbst ein: „[ . . . ] diese Fälle dürften einigermaßen selten sein – so selten, dass sie forensisch keine Rolle spielen [ . . . ]“ (a. a. O. S. 305). 338 Vgl. Jakobs AT, 24 / Rn. 15. 339 Vgl. Jakobs AT, 24 / Rn. 17. 340 Vgl. dazu NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 170 f. 341 Schünemann, GA 1999, S. 224. 342 Vgl. Strathenwerth AT, Rn. 1162.

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es zur Einordnung von Verhalten die näheren Umstände und insbesondere – falls vorhanden – auch das Sonderwissen des Täters berücksichtigt und damit der schon mehrfach erwähnten Überzeugung entspricht, dass Verhalten nicht aus sich selbst heraus gleichsam abstrakt zu erklären ist. Darüberhinaus spricht für das Kriterium der Tatgeneigtheit die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten, die beim Abstellen auf eine feste Tatentschlossenheit auftreten.344 Problematisch ist jedoch, dass es darauf ankommen soll, was nach „seinem objektiven Sinn“ als Förderung fremder Tatgeneigtheit zu verstehen ist.345 Dies ist ein unklares Kriterium, das letztlich den Weg zur Einzelfallentscheidung eröffnet. Jedenfalls aber soll eine willkürliche Bedingungsverknüpfung mit dem Ersthandeln durch den Vorsatztäter, beispielsweise bei Erpressungen, bei denen eine Tat in Aussicht gestellt wird, falls man nicht etwas Bestimmtes tut, ausscheiden. Einige Autoren – insbesondere diejenigen, die einen weitgehenden Zurechnungsausschluss befürworten – kommen zu differenzierenden Lösungen, falls der Ersthandelnde eine Garantenstellung innehatte, und bejahen die Zurechnung.346 Weitere Differenzierungen werden für den Bereich des nachträglichen ärztlichen Fehlverhaltens vorgenommen, worauf in Abschnitt 3.2.2 näher eingegangen wird. An dieser Stelle muss eine Entscheidung für und wider bestimmte Kriterien nicht erfolgen, da die in dieser Abhandlung zu untersuchenden Fälle sich von den Konstellationen der Regressverbotsfälle unterscheiden. Man sollte sich jedoch beim Abstecken von Verantwortungsbereichen drei Aspekte vor Augen halten. Erstens ist mit einer stärkeren Bejahung der Zurechnung eine Beschneidung der allgemeinen Handlungsfreiheit verbunden, deren Rechtfertigungsbedürftigkeit durch den Gedanken des Opferschutzes oben bereits angesprochen wurde, jedoch hier in Erinnerung zu rufen ist.347 Zweitens besteht, je mehr man auf das bloße Vorliegen objektiv erkennbarer Absichten oder Neigungen ohne weitere Anhaltspunkte abstellt348, die Tendenz zu 343 So Roxin, Tröndle-FS, S. 189 ff., derS. AT I, § 24 ff. Rn. 28 ff.; LK-Schroeder, § 16 Rn. 184; MK-Duttge, § 15 Rn. 147; Schmoller, Triffterer-FS, 1996, S. 246; Kühl AT, § 4 Rn. 49, wobei das Verhältnis zum Eigenverantwortlichkeitsprinzip unklar bleibt; folgend wohl auch SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 72. 344 Vgl. zu den Vorzügen ausführlich Roxin, Tröndle-FS, 1989, S. 190 f.; kritisch jedoch Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101e. 345 Vgl. Roxin, Tröndle-FS, 1989, S. 191. 346 Ausführlich Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 352 ff.; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 72 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101 d; Jakobs AT, 24 / Rn. 19; siehe auch die Nachweise in Fn. 289 in diesem Kapitel; zur Kritik daran siehe schon die Ausführungen oben D.III.3.b)aa)(2). 347 Frisch (Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 347) spricht bei Zurechnung im Falle mangelnden deliktischen Sinnbezugs denn auch von einem „Sonderopfer“ für den Betroffenen und verweist auf „Rückwirkungen“ für den Betroffenen durch ein schwerlich zu rechtfertigendes Handlungsverbot (S. 349). 348 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101e.

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einer „Misstrauensgesellschaft“349, die meines Erachtens dem berechtigten Anliegen der Entwicklung des Vertrauensgrundsatzes, der Förderung und Ermöglichung des Soziallebens, zuwiderläuft. Drittens jedoch muss man sich gerade im Interesse der Funktionsfähigkeit des gesellschaftlichen Miteinanders ebenso vor Augen führen, dass es „kein Recht auf Ignoranz“350 unbeschränkt gibt bzw. geben darf. In diesem Spannungsfeld ist die Antwort auf die rechtliche Missbilligung menschlichen Verhaltens zu suchen und zu finden. (5) Fahrlässige Zweittat Charakteristisch für die Konstellationen der Regressverbotsfälle war, dass es sich um eine vollverantwortliche und vorsätzliche Zweithandlung handelt. Hat sich jedoch die Bewertung zu ändern, wenn diese stattdessen (nur) fahrlässig begangen wurde? Nach einer Ansicht scheidet ein Zurechnungsausschluss dem Grunde nach bei nur fahrlässiger Zweittat aus.351 Rechtfertigen lässt sich dieses Ergebnis auf den ersten Blick, wenn man auf den Vertrauensgrundsatz bzw. Adäquanzgedanken abstellt. Das Vertrauen auf das Ausbleiben einer anschließenden fahrlässigen Tat scheint weniger gut begründet, da ein fahrlässiges Fehlverhalten weit weniger unwahrscheinlich ist.352 Leicht fahrlässiges Verhalten ist nach Auffassung Rengiers eine so verbreitete Erscheinung, „[ . . . ] dass man mit ihr immer zu rechnen hat“.353 Aufgrund dieser Überlegungen soll es eher zu einer „Kumulation zweier Fahrlässigkeiten“354 und nicht zu deren Alternativität kommen. Bei genauerem Hinsehen jedoch ist der Hinweis auf die geringere Plausibilität des Rückgriffs auf den Vertrauensgrundsatz nicht mehr so zwingend. Der Vertrauensgrundsatz soll gerade das Zusammenleben in einer modernen Gesellschaft, die auf das Eingehen bestimmter Risiken – so eben im Straßenverkehr als der eigentlichen Heimat des Grundsatzes – nicht verzichten kann, erleichtern. Wenn und weil jedoch fahrlässige Taten häufig sind, so ist es nicht unsinnig, dass man gerade auch mit fahrlässigem Fehlverhalten nicht permanent zu rechnen braucht und auch für diesen Bereich kein Misstrauensgrundsatz gilt.355 Sinnvoller dürfte es dementsprechend sein, im Grundsatz auch bei fahrlässiger Tat eines Dritten einen Zurechnungsausschluss für möglich zu erachten und auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 269. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 171. 351 Vgl. Roxin, Tröndle-FS, 1989, S. 182; NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 178 ff. 352 Vgl. Kühl AT § 4 Rn. 50. 353 Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte und verwandte Erscheinungsformen, 1986, S. 164. 354 Maiwald, JuS 1984, S. 441. 355 Für den Verkehrsbereich geht auch Roxin (Tröndle-FS, 1989, S. 186) von der Erstreckung auf fahrlässige Taten Dritter aus. 349 350

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in diesen Fällen im Ansatz nach der rechtlichen Missbilligung des Ersthandelns im Hinblick auf die Verwirklichung des konkreten Erfolges zu blicken, d. h. die Frage nach der Verantwortung für den Erfolg zu stellen. Im Ergebnis läuft dies auf eine methodische Gleichbehandlung von vorsätzlichem und fahrlässigem Zweithandeln hinaus.356 Mit den Worten Freunds ist also stets nach der Begründung der „spezifischen Vermeidepflicht“ zu fragen.357 Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei identischem Vorverhalten das Ergebnis stets identisch ausfallen müsste. So kann die Zurechnung bei vorsätzlicher Zweittat durchaus entfallen, während man eine Verantwortung bei einer fahrlässigen Zweithandlung bejahen kann. Es handelt sich eben um eine spezifische Vermeidepflicht. Die Frage, was zu missbilligen ist, und das erlaubte Risiko sind „tatbestandsbezogen“358 und können von vornherein weder für jeden Einzelfall noch für jeden Tatbestand einzeln angegeben werden.359 Wenig sinnvoll ist es meines Erachtens deswegen die Konsequenz zu ziehen, dass eine Haftung des Ersttäters im Falle der fahrlässigen Zweittat stets gegeben sein soll. Einem Automatismus für oder wider Zurechnung im Falle fahrlässiger Zweittat fehlt sowohl die systematische als auch die teleologische Berechtigung.360 Daher gilt der von Rudolphi formulierte Grundsatz, wonach „[ . . . ] die Frage nach der generellen Verantwortung des Ersttäters einer generellen Beantwortung unzugänglich ist und daher die Alternative generelles Regressverbot oder grundsätzliche Haftung des Ersttäters einer differenzierenden Betrachtung weichen muss.“361 Bezüglich dieses Problems ist denjenigen Ansätzen im Grundsatz zu folgen, die im Falle fahrlässiger und vorsätzlicher Zweittat dem Ansatz nach gleich vorgehen, aber differenzierten Lösungsmöglichkeiten Raum geben und im Einzelfall (wie bei vorsätzlicher Zweittat) durchaus unterschiedliche Ergebnisse erzielen.362 Es gelten auch hier die bereits zur Lösung der Regressverbotsfälle entwickelten Grundsätze. Die rechtliche Missbilligung des Verhaltens aufgrund unerlaubter Gefahrschaffung steht im Mittelpunkt. Während einerseits nicht jede Ermöglichung der fremden Fahrlässigkeitstat strafbar sein kann, so ist andererseits der ErsthanVgl. auch Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 171. MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 380. 358 Roxin, Tröndle-FS, 1989, S. 194. 359 Vgl. dazu auch SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 72. 360 Problematisch ist deswegen der von Roxin (Tröndle-FS, 1989, S. 182) aufgestellte Grundsatz ebenso wie der völlige Ausschluss der Zurechnung beispielsweise durch Diehl, Das Regressverbots als allgemeine Tatbestandsgrenze im Strafrecht, 1997, S. 268 ff. 361 SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 72. 362 Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101 / 101a; Wessels / Beulke AT, Rn. 192; MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 380; Jakobs AT, 24 / Rn. 21; Kühl AT, § 4 Rn. 85; Hillenkamp, AT Probleme, 32. Problem, S. 193; wohl auch Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 288. 356 357

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delnde nicht stets von der Haftung durch Handeln des Dritten befreit, schließlich ist der Ersthandelnde nicht in gleicher Weise durch eine fahrlässige wie durch eine vorsätzliche Tat von der Herrschaft ausgeschlossen, sondern in geringerem Umfang.363 Tendenziell liegt eine Haftung bei fahrlässiger Zweittat näher, weil eben seltener durch den Dritten eine „[ . . . ] neue, selbständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr begründet [wird], die sich dann allein im Erfolg realisiert.“364 Gleichwohl ist dies im Einzelfall zu prüfen. Die Zweckmäßigkeit des Vorgehens, auf die rechtliche Missbilligung des Verhaltens aufgrund der Schaffung einer unerlaubten Gefahr und der Gefahrrealisierung abzustellen, zeigt sich auch angesichts von Abgrenzungsproblemen im Einzelfall. Im Krankenwagenfall sowie Krankenhausbrandfall wird in der Literatur nicht danach differenziert, ob der Unfall vorsätzlich, fahrlässig oder durch ein Unglück herbeigeführt wurde. Im Einzelfall ist diese Differenzierung auch schwierig und kann nicht zwingend den Ausschlag geben. So ist auch im Falle eines nachgelagerten Unglücksfalls, dem noch nicht einmal Fahrlässigkeit zugrunde liegt, ein Zurechnungsausschluss möglich, wenn man den allgemeinen, in diesem Kapitel über den beeinflussten Erfolgseintritt sowie vorher in dem über den unbeeinflussten Eintritt dargestellten, Prinzipien folgt.365 Die Grundfrage – der rechtlichen Missbilligung von Verhalten aufgrund Gefahrschaffung und -realisierung – und der grundsätzliche Lösungsansatz bleiben trotz Ergänzung der Lösungsmittel und u. U. Anpassung des Ergebnisses gleich. Weitgehende Einigkeit herrscht jedoch für den Fall, dass nicht ein Dritter die Zweithandlung begeht, sondern das Opfer selbst. Zwar ist dieser Fall strukturell mit den oben behandelten Fällen vergleichbar – hier wird gerade der Handlungsbeitrag einer anderen Person als der des Ersthandelnden wirksam –, so dass die Lösung entsprechend ohne Differenzierung ausfallen könnte.366 Vielfach wird jedoch differenzierend auf die Besonderheiten abgestellt.367 Im Ergebnis herrscht im Wesentlichen Einigkeit darüber, dass diese Fälle nach den Grundsätzen der eigenverantwortlichen, vorsätzlichen Selbstgefährdung zu lösen sind und gelöst werden. 363 Vgl. Hillenkamp, AT Probleme, 32. Problem, S. 193, der daher auch zur „Vorsicht“ bei der Übertragung der Lösungen bei vorsätzlicher Zweittat auf die bei fahrlässiger rät; ihm folgend auch Kühl AT § 4 Rn. 85, insbesondere Fn. 220. 364 So die treffenden Kriterien von Wessels / Beulke AT, Rn. 192. 365 Dies tut denn auch Roxin (AT I, § 11 Rn. 71), wenn er im Falle des Todes eines verletzten Opfers im Krankenhaus aufgrund einer nicht vom Krankenhaus zu verantwortenden Vitaminvergiftung eben nicht eine Zurechnung generell bejaht. Da hier die Zweithandlung noch nicht mal fahrlässig war und die Ersthandlung sogar bereits allein zu einer Opferschädigung geführt hat, läge dies näher als bei mittelbarer Verursachung eines Erfolges durch eine fahrlässige Zweittat (wo ein Zurechnungsausschluss von Roxin dem Grunde nach abgelehnt wird). Gleichwohl ist das konkrete Vorgehen hier sinnvoll. 366 So Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101 / 101a; auch SKRudolphi, Vor § 1 Rn. 72a f. jeweils m. w. N. 367 Differenzierend Roxin, Tröndle-FS. 1989, S. 182 einerseits und AT I, § 11 Rn. 108 ff., 118 f. andererseits; MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 382; MK-Duttge, § 15 Rn. 149 jeweils m. w. N.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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Aus diesem Grunde bezeichnet Hillenkamp368 die Schwierigkeiten, die sich im Falle von Handeln einer dritten, vom Opfer verschiedenen Person stellen, als hier „obsolet“. Entscheidend ist, ob die Voraussetzungen des Zurechnungsausschlusses aufgrund eigenverantwortlicher Selbstgefährdung des Opfers vorliegen.369 Ob das Verhalten des Opfers vorsätzlich oder fahrlässig ist, spielt dann keine Rolle mehr.370 Insofern machen die Vertreter eines generellen Zurechnungsausschlusses im Falle fahrlässiger Zweittat hier ebenso eine wesentliche Ausnahme wie die strikten Gegner. bb) Fälle per se pflichtwidrigen Vorverhaltens In den Regressverbotsfällen war die Frage, ob der Ersthandelnde als Ersttäter anzusehen ist, das eigentliche Thema probandum. Verneint man die Zurechnung, gibt es keinen „Ersttäter“, da es sich eben um Fälle der mittelbaren über das Medium des freien Willens vermittelten Risikoherbeiführungen handelt.371 In den Fällen jedoch, deren Lösung im Vordergrund dieser Untersuchung steht, hat der Ersthandelnde vielfach dem Opfer bereits Schaden an seinen Rechtsgütern zugefügt und ist damit ohne weiteres als Ersttäter zu qualifizieren. Entscheidend ist jedoch die Zurechnung weiterer, auf der Erstschädigung aufbauender Erfolge. Es handelt sich folglich um Konstellationen „unmittelbarer Risikoschaffung“, im Verlauf derer das Ersthandeln für sich allein schon eine unmittelbare Gefahr für das Rechtsgut bewirkt.372 (1) Zur Übertragbarkeit von Lösungsansätzen Bei der Frage, ob und inwieweit der grundsätzliche Ansatz und einzelne Lösungsprinzipien der bisher dargestellten Fallgruppen übertragen werden können, muss man sich diesen Unterschied des per se pflichtwidrigen Ersthandelns zu den Regressverbotsfällen einerseits vor Augen halten und anderseits jedoch bedenken, dass sich hier gleichwohl andere Personen als der Ersttäter einschalten und den konkreten Erfolg erst herbeiführen bzw. beeinflussen. Keine besondere Problematik besteht unter Berücksichtigung dieser Prämissen in der Fallgruppe der Selbstgefährdung des Opfers, wenn sich das Opfer bereitstehender Hilfe in vollem Bewusstsein des Risikos verweigert. Hierbei handelt es Hillenkamp, AT Probleme, 32. Problem, S. 192. Vgl. dazu ausführlich oben Abschnitt D.II.2.d)aa). 370 Überlässt jemand seinem Freund einen Gleitschirm, obwohl dieser damit nicht fliegen kann, der Freund diese Tatsache und das Risiko jedoch überblickt, ist es unerheblich, ob der Freund sich töten will, seinen Tod billigend in Kauf nimmt oder auf den guten Ausgang vertraut. 371 Vgl. dazu nochmals Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 101 / 101a. 372 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 102. 368 369

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D. Die objektive Zurechnung

sich zumeist um Fälle, denen ein per se pflichtwidriges Vorverhalten zugrunde liegt – andernfalls bedürfte es der Notwendigkeit beispielsweise ärztlicher Maßnahmen nicht. Die Bedeutung der Grundsätze der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung sind hier anerkannt, d. h. es besteht kein grundsätzlicher Unterschied zu den Konstellationen der Mitwirkung an einer fremden Selbstgefährdung im Allgemeinen373 sowie der Lösung im Rahmen der Regressverbotsfälle374 Wenn und weil die Voraussetzungen der freiverantwortlichen Selbstgefährdung vorliegen, dürfte ein Ausschluss der Zurechnung sachgerecht sein.375 Dies setzt allerdings voraus, dass das Opfer das Risiko bewusst eingeht und keine Gründe vorliegen, die beispielsweise die Verweigerung einer Operation als nachvollziehbar erscheinen lassen.376 Zu eng ist die Ansicht, die eine Zurechnung nur dann verneint, wenn das Verhalten des Opfers, d. h. in der Regel seine Verweigerung hinsichtlich ärztlicher Maßnahmen, „entgegen aller Vernunft“377 geschah. Der Bundesgerichtshof stellt einerseits darauf ab, ob die Weigerung „offenkundig unvernünftig“378 war, andererseits ob sie „außerhalb jeder Erfahrung“379 lag. Erstere Ansicht entspricht der gerade dargestellten Literaturansicht und geht zu weit, da es weniger auf das Maß der Unvernünftigkeit ankommt, als vielmehr auf die Frage der freiverantwortlichen Selbstgefährdung. Sind jedoch gewichtige Gründe vorhanden, die die Entscheidung als nicht unvernünftig erscheinen lassen, so ist die Entscheidung gerade nicht mehr frei für eine Gefährdung und gegen sichere Heilung gefällt worden, da die signifikanten Risiken der Behandlung gesehen und einkalkuliert wurden. Letzterer Ansatzpunkt des Bundesgerichtshofs stellt auf die Vorhersehbarkeit und damit auf die Adäquanz ab. Für die Frage der Abschichtung des (Eigen-)Verantwortungsbereichs des Opfers kommt es darauf nicht an. Eigenverantwortliches Handeln ist und bleibt eigenverantwortlich, einerlei ob es vorhersehbar war oder nicht. Bei Vorliegen der Eigenverantwortlichkeit in solchen Fällen ist der Schutzzweck der Norm nicht gegeben, die Handlung bezüglich des konkreten Erfolgs nicht zu missbilligen und der Erfolg nicht dem Täter bzw. dessen Verantwortungsbereich zuzurechnen. Durchaus problematisch ist die Übertragung einzelner Lösungsansätze der Regressverbotskonstellationen im Übrigen. Insbesondere ist umstritten, ob der Vertrauensgrundsatz zur Anwendung gebracht werden kann, schließlich hat sich der Ersthandelnde ja selbst pflichtwidrig verhalten. Vgl. Dazu ausführlich schon oben D.II.2.d)aa). Siehe dazu oben den vorherigen Abschnitt D.III.3.b)aa)(5). 375 Vgl. Burgstaller, Jescheck-FS, 1985, S. 363 f.; Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 288; Otto, Maurach-FS, 1972, S. 99; Roxin AT I, § 11 Rn. 118. 376 Vgl. Roxin AT I, § 11 Fn. 255 sowie Rn. 119; im Ergebnis ebenso differenzierend Kühl AT, § 4 Rn. 84. 377 So SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 72a. 378 BGH NJW 2001, S. 2816. 379 BGH NStZ 1994, S. 394. 373 374

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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Nach verbreiteter Ansicht und insbesondere der Rechtsprechung soll sich derjenige, der sich sorgfaltswidrig verhalten hat, nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen können, d. h. der Anwendungsbereich wird auf verkehrsgerechtes Verhalten begrenzt.380 Es ist allerdings eine differenzierende Betrachtung geboten, die überwiegend Zustimmung findet. Zutreffend ist, dass niemand sich pflichtwidrig verhalten und zugleich darauf vertrauen darf, Andere würden die von ihm heraufbeschworenen Gefahren schon meistern.381 Weiterhin kann der Vertrauensgrundsatz dann nicht greifen, wenn man durch sein eigenes Verhalten andere Verkehrsteilnehmer verunsichert bzw. zu Fehlreaktionen veranlasst.382 Diese Einschränkungen ergeben sich jedoch bei konsequenter Anwendung des Vertrauensgrundsatzes aus diesem selbst383, denn er gilt ja gerade nicht, wenn Anhaltspunkte für eine besondere, anormale Situation gegeben sind – diese kann auch aus einem Verhalten des Täters resultieren. Abzulehnen ist jedoch eine Überdehnung der Nichtanwendbarkeit vor allen Dingen durch die oben genannte Rechtsprechung dahingehend, dass pflichtwidriges Verhalten damit sanktioniert würde, dass der Täter sich in keiner Beziehung mehr auf den Vertrauensgrundsatz berufen dürfe, er die Berufungsmöglichkeit folglich verwirkt habe. Dies geschähe „[ . . . ] gewissermaßen zur Strafe für die vorangegangene Sorgfaltspflichtverletzung“384 und wird richtigerweise als verfehltes versari in re illicita abgelehnt.385 Andernfalls käme es zu einem „Überspielen“386 sonst gültiger Zurechnungsvoraussetzungen. Der einmal fahrlässig Handelnde müsste haften, der Hinweis auf die alleinige Verantwortlichkeit des Zweithandelnden wäre ihm abgeschnitten, es würde ihm die Realisierung der erlaubten allgemeinen Verkehrsgefahr angelastet.387 Folglich bleibt Raum für die Anwendung weiterer Zurechnungskriterien, die Verantwortlichkeit lässt sich entgegen der Rechtsprechung gerade nicht mit dem Hinweis allein begründen, der Täter könne sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen. 380 Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 55 S. 581; Tröndle / Fischer, § 222 Rn. 14; BGHSt 9, 93; 13, 172; VRS 33, S. 370; BayObLG VRS 58, S. 221; differenzierend NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 165 f. m. w. N. 381 Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 215; folgend Wessels / Beulke AT, Rn. 671a; ebenso MK-Duttge, § 15 Rn. 142. 382 Vgl. Roxin AT I, § 24 Rn. 24; Wessels / Beulke AT, Rn. 671a; MK-Duttge, § 15 Rn. 142; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 215. 383 So MK-Duttge, § 15 Rn. 142; Roxin AT I, § 24 Rn. 24. 384 So die Formulierung von NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 166. 385 So ausdrücklich Roxin AT I, § 24 Rn. 24; ders., Gallas-FS, 1973, S. 256; MK-Duttge, § 15 Rn. 673; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 73; im Ergebnis ebenso NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 166, jeweils m. w. N. 386 Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 215. 387 Vgl. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 166.

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D. Die objektive Zurechnung

Selbstverständlich kann jedoch die Entlastung des Täters auch nicht allein mit dem Hinweis darauf geführt werden, dass sich auch ein Anderer falsch verhalten habe und man damit nicht habe rechnen müssen.388 Zwischen diesen Positionen ist die Lösung zu suchen. (2) Zentrale Kriterien zur Lösung Damit ist aber noch nicht entschieden, nach welchen Kriterien sich die Zurechnung des Erfolges richtet. Da es darum geht zu bestimmen, wer aufgrund seiner Gefahrschaffung die Verantwortung für den Erfolg trägt, rückt richtigerweise in diesem Zusammenhang die Frage nach der Realisierung einer geschaffenen Gefahr wieder in den Vordergrund. Da gerade mehr als eine Gefahr geschaffen wurde, kann es nicht um die Frage der Gefahrschaffung als solche gehen, sondern darum, wer die relevante, letztlich sich im Erfolg realisierende Gefahr geschaffen hat. Dazu ist es entscheidend, ob sich die fragliche Gefahr im Erfolg realisiert hat – ist dem so, dann wird der Erfolg dem Verantwortungsbereich des Täters zugerechnet und sein Verhalten unter diesem konkreten Erfolgsgesichtspunkt missbilligt. Hinsichtlich des grundsätzlichen Vorgehens unterscheidet sich dieser Ansatz nicht von dem bei Prüfung des unbeeinflussten Erfolgseintritts oder der Regressverbotsfälle. Auf den Realisierungszusammenhang389 im Falle des durch Dritte beeinflussten Erfolgseintritts bzw. der unmittelbaren Gefahrschaffung stellen eine Vielzahl an Stimmen ab.390 Damit ist jedoch noch nicht klar definiert, auf welcher Grundlage dies zu geschehen hat.391 Davon abgesehen ist nach Roxin392 darauf abzustellen, ob der Dritte an die Handlung des Ersttäters, d. h. die von ihm geschaffene Gefahr, anknüpft. Bejahendenfalls ist eine Zurechnung gegeben. Damit gleichbedeutend ist die Formulie388 So der richtige Hinweis von Kühl AT, § 4 Rn. 85; ebenso Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 102, jeweils m. w. N. 389 Gleichbedeutend damit ist die Formulierung, dass die Haftung für Gefahren entfalle, die nicht mehr im Rahmen der gesetzten Ausgangsgefahr liegen; so Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 169. 390 So explizit Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. ; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 74 a. E.; Kühl AT, § 4 Rn. 66 ff.; Otto AT, § 6 Rn. 53 ff.; Roxin AT I, § 11 Rn. 70. 391 Auch bei diesen Fällen kommt trotz seiner Schwächen mitunter das Adäquanzkriterium zur Anwendung. Insbesondere ist auch hier wieder auf seine Anschaulichkeit zu verweisen, so dass es als notwendige Bedingung beispielsweise bei derart absurden und unwahrscheinlichen Verkettungen wie im Gummihammerfall zur Anwendung gebracht wird. So als ergänzender Gesichtspunkt durch Roxin AT I, § 11 Rn. 81; der BGH, NStZ 1992, S. 333 vertritt demgegenüber im Ergebnis die Auffassung, der Kausalverlauf sei vorhersehbar gewesen. 392 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 70.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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rung, der Ersthandelnde müsse den Dritten veranlasst haben.393 Hat er aber den Dritten durch die Erstgefahr veranlasst, so hat dieser daran angeknüpft. Beide Formulierungen beschreiben die beiden Seiten einer Medaille. Im Falle der Veranlassung des Zweithandelnden durch die Ersthandlung bzw. des Anknüpfens seitens des Zweithandelnden an eben diese ist folgerichtig davon auszugehen, dass sich (zumindest auch) die Erstgefahr verwirklicht hat. Insofern ist dem Bundesgerichtshof im sog. Gnadenschussfall 394 uneingeschränkt zu folgen, denn derjenige, der dem „röchelnden“ Opfer des ersten Angriffs den Gnadenschuss gibt, knüpft an die Ersthandlung an bzw. wird offensichtlich durch diese veranlasst. Dies gilt eben gerade trotz des u. U. sogar vorsätzlichen Fehlverhaltens eines Dritten, darauf kommt es im Regelfall nicht entscheidend an. Zum einen weil – wie bereits ausgeführt – man nicht schon deswegen von Verantwortung frei wird, weil sich auch ein Anderer falsch verhält. Zum anderen weil eben auf den Realisierungszusammenhang und ganz konkret auf die Auswirkungen der jeweiligen Handlungen abzustellen ist. Einheitliche Wertungen, je nachdem wie das Drittverhalten zu qualifizieren ist (Unglück, Fahrlässigkeit oder Vorsatz), haben allenfalls ergänzenden Charakter. Darüberhinaus steht dem nicht ein etwaiges Prinzip der eindeutigen Zuordnung der Verantwortung entgegen. Es geht bei solchen Fällen mindestens zweier geschaffener Gefahren nicht um die Bestimmung ausschließlicher Verantwortung. Ein Exklusivitätsverhältnis ist nicht anzuerkennen. Die Möglichkeit einer Nebentäterschaft, die gerade nicht von dieser Exklusivität im Sinne eines „ganz oder gar nicht“ ausgeht, ist auch hier anzuerkennen und sachgerecht. Auch dies zeigt der Gnadenschussfall ganz deutlich. Darüberhinaus kann beispielsweise bei einem Infektionstod im Krankenhaus, der aufgrund der konstitutionellen Schwächung durch die Erstgefahr eintritt, der Ersthandelnde für den Erfolg verantwortlich sein und daneben noch eine Haftung von Krankenhauspersonal aus Fahrlässigkeit oder Vorsatz treten. Im Kapitel über den unbeeinflussten Erfolgseintritt war als entscheidendes, wesentlich von Roxin und Wessels / Beulke vertretenes (Zurechnungs-)Kriterium zur Bestimmung der Gefahrrealisierung herausgearbeitet worden, ob die Gefahr des Eintritts des konkreten Erfolges in rechtlich messbarer Weise erhöht worden ist. Es stellt sich die Frage, ob es sich dabei um einen anderen Ansatz handelt, als den für die Drittbeteiligungsfälle gerade dargestellten. Bei genauerem Hinsehen ist dies nicht der Fall. Wenn der Zweithandelnde anknüpft bzw. man ihn veranlasst hat, wurde dadurch gerade die Gefahr für den Eintritt des konkreten Erfolges messbar erhöht. Man hat den Zweithandelnden gerade erst in die Lage versetzt und ihm Gelegenheit geboten, diesen Erfolg herbeizuführen. Deutlicher kann sich die Gefahrerhöhung 393 394

Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 70. BHGSt 7, 235.

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D. Die objektive Zurechnung

kaum zeigen als im anknüpfenden Zweithandeln. Das Verbot, dass man nicht berücksichtigen darf, dass das Opfer in die Lage gebracht wurde, Opfer der Zweithandlung zu werden, greift hier nicht – hinter dieser Ausnahme stand, wie gezeigt, die Annahme, dass man niemand dafür verantwortlich machen darf, jemand allgemeinen Lebensrisiken auszusetzen. Darum handelt es sich hier offensichtlich nicht. Folglich ist in den Mehrpersonenkonstellationen das Kriterium des Anknüpfens bzw. Veranlassens ein Mittel zur Feststellung der Gefahrerhöhung hinsichtlich des konkreten Erfolgs. Auch das von Wessels / Beulke395 eingeführte und bei der Darstellung der Regressverbotsfälle bereits dargestellte Lösungskriterium für Fälle des eigenverantwortlichen Dazwischentretens eines Dritten passt systematisch konsistent (auch) in diesen Gesamtzusammenhang. Wenn der Zweithandelnde angeknüpft hat bzw. veranlasst wurde, dann kann man eben gerade nicht mehr von einer neuen, wirklich selbständig396 auf den Erfolg hinwirkenden Gefahr sprechen. Folglich realisiert diese sich auch nicht allein und ein Zurechnungsausschluss hinsichtlich der Ersthandlung kommt nicht in Betracht. Letztlich ist hier eine sprachliche Änderung und auf die besondere Konstellation bezogene Anpassung des allgemeinen Lösungskriteriums, das für die Fälle des unbeeinflussten Erfolgs eingeführt wurde, erfolgt. Denn wurde durch die Ersthandlung nicht die Gefahr für den Eintritt des Erfolges durch das folgende Dritthandeln erhöht, so kann man sich kaum vorstellen, unter welchen Voraussetzungen die Realisierung gleichwohl bejaht werden könnte, d. h. es sich nicht um die neue, selbständige, allein realisierende Gefahr handeln kann, die der Dritte geschaffen hat. Dadurch bestätigt sich ebenfalls die hier vertretene Auffassung, dass es nicht entscheidend auf die Einstufung von Erst- und Zweithandlung jeweils als vorsätzlich oder fahrlässig ankommt. Aus alledem wird die Konsistenz und Sachgerechtheit der hier dargestellten und befürworteten Lösungsansätze deutlich. Die verwendeten Grundprinzipien sind inhaltlich identisch, erfahren jedoch je nach konkreter Fallgestaltung Ergänzungen bzw. Modifikationen. Ein einheitliches Vorgehen ist schon deswegen sinnvoll, weil vielfach die Abgrenzung und Einteilung in starre Fallgruppen kaum möglich ist, und die Anwendung fest zugeordneter, aber unterschiedlichen Lösungskriterien je Fallgruppe dann zu Unstimmigkeiten führen müsste. (3) Nachträgliches ärztliches Fehlverhalten Eine in diesen Zusammenhang gehörende und in ihrer Lösung uneinheitlich behandelte Fallgruppe ist die des Erfolgseintritts aufgrund ärztlichen Fehlverhaltens. 395 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 192, wonach – zum Ausschluss der Zurechnung – die durch den Dritten geschaffene Gefahr „[ . . . ] eine neue, selbständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr [ . . . ], die sich dann allein im Erfolg realisiert“, sein müsse. 396 Dies ist schon sprachlich unvereinbar mit dem Inhalt des Begriffs des Anknüpfens.

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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Es handelt sich hier also um eine ganz besondere Art in den Kausalverlauf eingreifender Zweithandlung. Entscheidend kommt es darauf an, ob aufgrund der besonderen Stellung der Handelnden als Ärzte eine differenzierte Betrachtung geboten ist, oder die gerade dargestellten Ansätze allgemeine Gültigkeit haben. Eine Ansicht will die Zurechnungsfrage schlicht vom Grad des ärztlichen Kunstfehlers abhängig machen. Demnach soll bei leichten ärztlichen Kunstfehlern eine Zurechnung zu bejahen sein, während sie bei groben auszuschließen sei.397 Dies steht jedoch nicht im Einklang mit den oben herausgearbeiteten Prinzipien, dass es auf den Grad des Verschuldens bei Zweithandlungen nicht entscheidend, jedenfalls nicht ausschließlich ankommt. Dem Grunde nach kann auch für ärztliche Maßnahmen nichts anderes gelten. Ebenso greift ein ausschließliches Abstellen auf die Adäquanztheorie zu kurz.398 Eine andere Ansicht, die mit unterschiedlichen Akzentuierungen vertreten wird, stellt demgegenüber darauf ab, ob der Fehler des Arztes bei der Behandlung des durch den Ersttäter geschaffenen Defekts, d. h. bei Abwendung der durch den Ersttäter geschaffenen Gefahr, unterläuft.399 Dabei rechnet Frisch neben dem unvermeidlichen Restrisiko ärztlicher Eingriffe grundsätzlich alle Behandlungsfehler zur Abwendung der Gefahr zu, da sie nicht weniger als Teil der vom Täter geschaffenen Gefahr zu verstehen seien.400 Dies ist grundsätzlich unter Normzweckgesichtspunkten auch konsequent, da Rechtsgüter auch deshalb geschützt werden, weil beim Versuch ihrer Wiederherstellung bzw. Bewahrung Fehler möglich sind.401 Eine Grenze wird jedoch dort gezogen, wo das vom Täter geschaffene Risiko durch die ärztliche Fehlleistung eine „Variation und Verdrängung“ oder eine „Ausschaltung“ erfährt.402 In einem solchen Fall werde das vom Täter geschaffene Risiko überholt und es realisiere sich nicht mehr dieses, sondern allein das mit der fehlerhaften ärztlichen Maßnahme verbundene Risiko.403 Diese Abgrenzung entspricht der im vorherigen Kapitel als grundlegende Lösungssystematik dargestellten und befürworteten Vorgehensweise. Hat sich allein ein anderes Risiko verwirk397 So Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, 1974, S. 117 ff.; Otto, JuS 1974, S. 709; ders., NJW 1980, S. 422; Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte und verwandte Erscheinungsformen, 1986, S. 162 f. 398 Gerade für die Fälle ärztlichen Fehlverhaltens vertreten von Maurach, GA 1960, S. 97 f., 104, der sich richtigerweise gegen eine Lösung über die Wertungsstufe der Schuld wendet. 399 So Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 433 f., 436, 441 f. 445. 400 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 441. 401 Vgl. zu diesem Gedanken Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 102. 402 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 436. 403 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 437.

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D. Die objektive Zurechnung

licht, das das erste verdrängt, so ist der Ausschluss der Zurechnung geboten, das Ersthandeln ist nur als „Anlass und Gelegenheit“404 anzusehen. Als Beispiele nennt Frisch Tod durch Verbluten wegen eines falschen Schnitts bei einer Operation, contraindizierte und daher tödliche Medikamente oder tödliche Narkosefehler.405 Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird noch dadurch unterstrichen, dass diese Fehler bzw. Risiken im Wesentlichen von der geschaffenen Ausgangsgefahr unabhängig sind, sie können sogar bei völlig harmlosen Ausgangsverletzungen, Schönheitsoperationen und sogar Rehabilitationsmaßnahmen nach eigentlich gebannter Gefahr auftreten.406 Dann aber kann auch nach hier vertretener Systematik kaum von einen Anknüpfen und daher der Verwirklichung einer spezifischen Gefahr gesprochen werden, vielmehr handelt sich nur um einen Anlass. Dies genügt richtigerweise zur Zurechnung nicht. Ähnlich argumentieren Schünemann, wenn er von der „typische[n] Konsequenz“ einer Erstgefahr bzw. in Abgrenzung davon von Folgeschäden nur „gelegentlich des Erstunfalls“407 spricht, sowie Jakobs, wenn er auf die „Modellgefahr“, die von der Erstgefährdung ausgeht, abstellt.408 Jedoch geht Schünemann einen Schritt weiter und unterscheidet im Ergebnis nicht danach, was bei einer tödlich endenden Operation misslingt, sondern stellt nur darauf ab, ob die Operation als solche zur Lebensrettung erforderlich war.409 Dies dürfte zu weit gehen und man sollte es bei einer Zurechnung in Fällen der Verwirklichung gerade des vom Täter geschaffenen Risikos belassen.410 Darüberhinaus will Roxin, der dem Grunde nach die differenzierende Ansicht Frischs mit dem präzisen Abstellen auf den Anknüpfungspunkt der ärztlichen Fehlleistung unterstützt, im Ergebnis die Zurechnung aber immer dann ausschließen, wenn der Arzt grob fahrlässig war – dann soll der Tod allein im Verantwortungsbereich des Arztes liegen.411 Eine wesentliche Differenzierung nehmen schließlich Frisch und Rudolphi noch dahingehend vor, dass sie eine Zurechnung immer bejahen, wenn das ärztliche Fehlverhalten in einem Unterlassen gebotener Behandlungsmaßnahmen besteht.412 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 437. Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 437. 406 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 437; zu letzterem Gesichtspunkt siehe auch S. 439 ff. 407 Schünemann, JA 1975, S. 719. 408 Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, 1972, S. 92 ff. und AT, 7 / Fn. 131. 409 Vgl. Schünemann, JA 1975, S. 719. 410 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 443. 411 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 143 mit partiellem Rückgriff auf die von Burgstaller u. a. vertretene Ansicht, siehe dazu Fn. 397 dieses Kapitels. 412 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 431 f.; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 74, der dieses Prinzip wohl allgemein anwenden will („z. B. der Arzt“, a. a. O.) 404 405

III. Insbesondere: Die Behandlung atypischer Kausalverläufe

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Es sei mangels eines irgendwie gearteten Eingriffs in den Ablauf dann eben die Gefahr, die der Täter geschaffen habe, die sich im Erfolg realisiere.413 Eine solche Zurechnung ist nach dieser Ansicht deshalb geboten, weil die Gefahr besteht, dass nach einer Gefährdung des Opfers ärztliche Maßnahmen unterlassen würden und daher eben das Verhalten mit Blick auf den konkreten Erfolg zu missbilligen sei.414 Richtig an der Begründung ist insoweit, dass es kein berechtigtes Interesse an Handlungen gibt, die nur durch ärztliche Maßnahmen entschärft werden können. Auch ist es richtig, dass hier die Argumentation mit der Handlungsfreiheit des Ersthandelnden, die zur Bestimmung bzw. Abgrenzung erlaubter Risiken fruchtbar gemacht wird, selbstverständlich nicht passt, weil in casu durch die Ersthandlung eindeutig unerlaubte Risiken geschaffen werden.415 Jedoch gilt beides gleichermaßen für den Fall, dass ärztliche Maßnahmen gar keinen Erfolg versprechen bzw. fehlerhaft aktiv durchgeführt werden können, und vermag damit diese besondere Differenzierung als solche nicht zu rechtfertigen. Weiterhin beruht die Schlussfolgerung, dass bei Unterlassen einer Behandlung sich die ursprüngliche Gefahr stets realisiert habe, weil sie mangels Handlung nicht verändert bzw. keine neue geschaffen worden sei, auf der Annahme, dass Gefahren nicht durch ein Unterlassen geschaffen werden können. Verlangt man stets aktiven Einsatz, ist das richtig. Jedoch ist bei Zurechnungsüberlegungen eine wertende Betrachtung angezeigt. Bei einer solchen ergibt sich, dass der unterlassende Arzt gravierende Gefahren für das geschützte Rechtsgut hervorruft und daher ja auch strafrechtlich dafür zur Rechenschaft gezogen werden kann. Normativ gesehen kann ein Unterlassen durchaus Gefahren schaffen bzw. verändern, so dass das Festhalten am äußerlich erkennbaren aktiven Handeln zu eng ist. Für den Fall des vorsätzlichen Unterlassens durch den Arzt als Garant kommt eine Bestrafung aus einem unechten Unterlassungsdelikt in Betracht, wenn das Unterlassen dem aktiven Handeln gem. § 13 StGB entspricht. Auch wenn diese Entsprechung nicht unmittelbar für die Zurechnung hinsichtlich der Erstgefahr wirkt, so zeigt sich doch, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Unterlassungen und Handlungen sich normativ entsprechen können. Insbesondere im Fall vorsätzlichen Unterlassens416 führt der Rückzug auf die Bejahung der Zurechnung nur wegen des Unterlassens zu Wertungsungereimthei413 So ausdrücklich Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 432; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 74. 414 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 431 f. 415 So zwei zentrale Begründungen von Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 432 f. 416 Dieser Fall ist für Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 432 denn auch ein „wegweisender Fall“. Er scheint zu sehen, dass seine Lösung nach Wertungsgesichtspunkten schwer haltbar ist.

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D. Die objektive Zurechnung

ten. Der vorsätzlich unterlassende Garant, der aus dem unechten Unterlassungsdelikt und damit in Verbindung mit § 13 StGB aus dem Tatbestand des vorsätzlichen Delikts zu bestrafen sein wird, soll eine Zurechnung nicht ausschließen, der nur leicht fahrlässig einen tödlichen Narkosefehler begehende jedoch schon? Letzteres ist richtig, Ersteres erscheint zu weit zu gehen. Im Falle vorsätzlichen Unterlassens ist im Ergebnis von einem Zurechnungsausschluss auszugehen – jedenfalls wenn der Erfolg durch den Arzt hätte verhindert werden können. Es kann eben nicht davon ausgegangen werden, dass sich hier normativ betrachtet die Ausgangsgefahr als solche realisiert. Die eigenverantwortliche Entscheidung des Arztes zur vorsätzlichen Unterlassung muss dazu führen, dass das Eigenverantwortlichkeitsprinzip in Hinblick auf dessen Beitrag für das Geschehen nur den Schluss zulässt, dass er für den Erfolg die maßgebliche Verantwortung übernimmt. Die allgemeinen Grundsätze der Beurteilung der Bestimmung von Verantwortung und damit der Risikoverwirklichung werden nicht außer Kraft gesetzt, sondern aufgrund zwingender Wertungsgesichtspunkte durch die Berücksichtigung der Eigenverantwortlichkeit ergänzt. Dies ist ein allgemeiner Grundsatz und keine Besonderheit im Falle ärztlichen Fehlverhaltens.

IV. Differenzierung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt Bei der Lösung der verschiedenen Fallkonstellationen mit Hilfe der Lehre von der objektiven Zurechnung standen die dieser Untersuchung vorangestellten Fälle und damit vorsätzliche Delikte im Vordergrund. Vielfach wurden bei der Darstellung der Lehre von der objektiven Zurechnung als solcher, aber auch bei Fällen atypischer Kausalverläufe auch fahrlässige Delikte betrachtet. Auch wurde bereits deutlich gemacht, dass es auf eine Differenzierung in vorsätzliches und fahrlässiges (Erst-)Handeln weder für anzuwendende Prinzipien noch für die Lösungen dem Grunde nach ankommt. Diese These wurde mit an Wertungen bzw. Ergebnisses ausgerichteten Argumenten begründet und gestützt. Ganz formal gesehen wäre eine gleichartige Anwendung auf beide Deliktsformen ohne weiteres möglich und geboten, falls beide Deliktsformen sich im Bezugspunkt der objektiven Zurechnung entsprächen. Mit anderen Worten ist dies dann der Fall, wenn zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt ein Stufenverhältnis der Art bestünde, dass jedes vorsätzliche Delikt ein fahrlässiges enthält. Dann bedürfte es keiner näheren Begründung, warum die objektive Zurechnung zur Lösung beider Deliktsformen herangezogen werden kann. Sollten jedoch Unterschiede bestehen, so bedarf eine Heranziehung in gleicher Weise näherer Begründung.

IV. Differenzierung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt

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1. Die These vom Plus-Minus Verhältnis In jeder vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung wäre zunächst dann eine fahrlässige enthalten, wenn man von einer „Identität“ 417des objektiven Tatbestandsunrechts ausgehen könnte. Eben dies ist die Kernaussage der Lehre, die davon ausgeht, dass zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit ein sog. Plus-Minus Verhältnis besteht, d. h. im Vorsatz ein Plus – im Gegensatz zum Aliud – gegenüber der Fahrlässigkeit erblickt.418 Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass das Ziel aller strafrechtlichen Verbote die „Vermeidung der Rechtsgutsverletzung“419 bzw. die Missbilligung einer „Sorgfaltspflichtverletzung“ sei, die inhaltlich mit der Schaffung eines unerlaubten Risikos im Bereich der Vorsatzdelikte gleichgesetzt wird.420 Damit enthält das Vorsatzdelikt sämtliche Voraussetzungen des entsprechenden Fahrlässigkeitsdelikts.421 Letztlich ist dann der Tatbestand des vorsätzlichen Delikts eine Addition aus Fahrlässigkeit plus Vorsatz, das Unrecht des vorsätzlichen Delikts umfasst „ein spezifisches Mehr“422 und folglich „[ . . . ] erweist sich der Vorsatz als ein Spezialfall der Fahrlässigkeit.“423 Sieht man die Vermeidung von Schäden an Rechtsgütern als zentrales Ziel der Strafrechtsordnung an, woran im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte der Vorwurf der Sorgfaltspflichtverletzung anknüpft, so wird klar, dass in jedem vorsätzlichen Delikt eine solche zielbezogene Sorgfaltspflichtverletzung zu erblicken ist.424 Als Beispiel führt Herzberg an, dass beim Hantieren mit einer geladenen Pistole es die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verbiete, so zu handeln, dass andere in die Gefahr gebracht werden, von einer Kugel getroffen zu werden. Diese Sorgfalt aber missachte „[ . . . ] ohne Zweifel und ganz besonders, wer seinen Feind absichtlich totschießt.“425 Zu diesem Begriff siehe Hirsch, Lampe-FS, 2003, S. 516 ff. So NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 154 u. § 15 Rn. 5; LK-Schroeder, § 15 Rn. 10; MKFreund, Vor §§ 13 ff. Rn. 269 ff.; MK-Hardtung, § 222 Rn. 1 f.; SK-Rudolphi, Anh. zu § 55 Rn. 20; Herzberg, JuS 1996, S. 379 ff.; ders., BGH-FG, 2000, S. 59 ff.; derS. NStZ 2004, S. 595 ff.; Jakobs AT, 9 / Rn. 6; jeweils m. w. N. 419 Herzberg, BGH-FG, 2000, S. 60 f. 420 So NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 154; ganz deutlich auch Jakobs, Hirsch-FS, 1999, S. 54: „Die Mißbilligung beim Fahrlässigkeitsdelikt – nach hiesiger Ansicht also keine andere als beim Vorsatzdelikt [ . . . ]“; zur Kompatibiltät der Begrifflichkeiten bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt siehe auch Mitsch, Jus 2001, S. 108. 421 Vgl. MK-Hardtung, § 222 Rn. 1 f., der dann im Tatbestand des § 222 konsequenterweise das „Grunddelikt aller Tötungstatbestände“ erblickt. 422 MK-Freund, Vor § 13 ff. Rn. 270. 423 NK-Puppe, § 15 Rn. 5. 424 Vgl. Herzberg, BGH-FG, 2000, S. 61. 425 Herzberg, NStZ 2004, S. 597; für den Fall des Hantierens mit einem Messer ebenso in BHG-FG, 2000, S. 61; für den Umgang mit tödlichen Giften in JuS 1996, S. 380. 417 418

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D. Die objektive Zurechnung

Eine schwerere Form des Sorgfaltspflichtverstoßes als der vorsätzliche Einsatz einer Schusswaffe zur Tötung eines Menschen ist kaum vorstellbar, auch wenn es nach dem allgemeinen Sprachgebrauch schwer fallen mag, eben dies als Mangel an erforderlicher Sorgfalt bzw. als Sorgfaltspflichtverletzung zu bezeichnen. Gleichwohl handelt es sich logisch jedoch um einen solchen.426

2. Die These vom Aliud Verhältnis Demgegenüber versteht eine andere Ansicht das Verhältnis von Fahrlässigkeit und Vorsatz als das eines Aliuds.427 Dazu kann man die erwähnte alltagssprachliche Begrifflichkeit heranziehen, derzufolge Fahrlässigkeit als Sorgfaltspflichtverletzung ohne Vorsatz zu verstehen ist. Dies wird besonders deutlich bei Roxin, wenn er als Begründung dafür, dass es sich beim Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht um ein logisches Stufenverhältnis im Sinne eines Plus-Minus handele, anführt, dass „[ . . . ] nach dem allgemeinen Sprachgebrauch [ . . . ] Fahrlässigkeit doch wohl außerdem das Fehlen des Vorsatzes [ . . . ]“428 voraussetzt. Ganz ähnlich argumentieren Vertreter, die sich vordergründig nicht auf den allgemeinen Sprachgebrauch berufen, sondern von „logischer Exklusivität“ ausgehen, als Begründung führen Baumann / Weber / Mitsch an, „Vorsatz und Fahrlässigkeit unterscheiden sich durch die Einstellung des Täters zum Erfolg und schließen sich logisch gegenseitig aus“429. Diese Logik lässt sich jedoch nur halten, wenn man Fahrlässigkeit als Sorgfaltspflichtverletzung ohne Vorsatz definiert. In diese Definition ist jedoch die Gegensätzlichkeit der beiden Begriffe bereits eingefügt430, so dass ihre Anwendung zum logischen Begründen des Ergebnisses der Gegensätzlichkeit nichts beitragen kann. Alles Andere ist ein Zirkelschluss. Die Rechtsprechung vertritt heute den Standpunkt der Aluid These. Während noch das Reichsgericht annahm, die Fahrlässigkeit sei „[ . . . ] nur ein Weniger gegenüber dem Vorsatz und nichts grundsätzlich Anderes“431, sieht sich der BGH hingegen ausdrücklich nicht in der Lage, sich dieser Ansicht anzuschließen.432 426 Vgl. zu den Schwierigkeiten mit dem alltagssprachlichen Verständnis NK-Puppe, § 15 Rn. 4. 427 Vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 100 ff.; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 3; Tröndle / Fischer, § 15 Rn. 13 u. 19; Roxin AT I, § 24 Rn. 79 f.; Baumann / Weber / Mitsch AT, S. 172; Jescheck / Weigend AT, § 54 S. 563.; jeweils m. w. N. 428 Roxin AT I, § 24 Fn. 114. 429 Baumann / Weber / Mitsch AT, S. 172; ganz ähnlich Jescheck / Weigend AT, § 54 S. 563: „Die Fahrlässigkeit ist [ . . . ] nicht eine mildere Form des Vorsatzes, sondern etwas anderes als der Vorsatz. [ . . . ] Deswegen schließen sich Vorsatz und Fahrlässigkeit hinsichtlich desselben Umstands gegenseitig aus“. Im Ergebnis ebenso Kretschmer (JURA 2000, S. 267): „Vielmehr schließen sich Vorsatz und Fahrlässigkeit aus.“ 430 Vgl. Herzberg, BGH-FG, 2000, S. 61 f. 431 RGSt 41, 391. 432 So BGHSt 4, 341.

IV. Differenzierung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt

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3. Die Problematik der Thesen und die Konsequenzen für die objektive Zurechnung a) Die Unhaltbarkeit der strengen Aliud These Besonders auffällig ist, dass die Vertreter der Aliud These keinen Beispielsfall dafür bilden, dass ein Täter vorsätzlich gehandelt hat und zugleich die im Hinblick auf den konkreten Erfolg bestehende Sorgfaltspflicht eingehalten hat. Herzberg sieht darin letztlich ein zentrales Argument gegen die Aliud These, denn seiner Ansicht nach gibt es keinen Fall, bei dem jemand die objektive Sorgfaltspflicht erfüllt und dabei ein Vorsatzdelikt begeht.433 In der Tat wird man sagen müssen, dass der vorsätzlich Handelnde die Sorgfalt zur Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen besonders deutlich missachtet – alles andere hieße dem Vorsatztäter die Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zuzugestehen. Nach Ansicht von Duttge spricht für die Aliud These, dass es einen Unterschied mache, ob der Täter nun auf den guten Ausgang vertraue oder in rechtsfeindlicher Einstellung handele. Dies seien eben zwei unterschiedliche Dinge, etwas Anderes, so dass es sich um ein Aliud handele.434 Er untermauert dies damit, es sei auch etwas Anderes und kein Mehr, wenn in einem Kaufhaus jemand ein Fernsehgerät und eine Flasche Wein gekauft habe, nur weil dies in einem Kaufhaus geschehen sei.435 Das Prinzip der Ähnlichkeit mache deutlich, dass es sich um verschiedene Dinge handele. Dem ist nicht zu folgen. Richtig ist zwar, dass eine konkrete Tat mit oder ohne Vorsatz etwas Anderes ist, einmal beispielsweise Totschlag, das andere Mal eben fahrlässige Tötung. Dies kann niemand bestreiten. Aus der Unterschiedlichkeit realen Geschehens kann man jedoch nicht auf die grundsätzliche Verschiedenartigkeit zweier Institute schließen. Über die Frage, ob Vorsatz Fahrlässigkeit grundsätzlich einschließt, lässt sich daraus nichts ableiten und schon gar nicht aus der Unterschiedlichkeit zwischen Wein und Fernseher. Auch das von Duttge bemühte Prinzip der Ähnlichkeit erscheint mir ein schlechtes Mittel zur Bestimmung eines logischen Verhältnisses, denn Logik lässt sich mit Ähnlichkeit nicht belegen. Insbesondere lehnt Duttge die Gleichstellung wohl aus einem anderen Grund ab. Er meint, die Überschreitung des erlaubten Risikos könne per se nicht den Vorwurf der Fahrlässigkeit begründen. Gerade täterbezogene Gegebenheiten könnten dann nicht mehr berücksichtigt werden und das „zentrale Erfordernis der konkreten Vermeidbarkeit“ werde durch eine „Ineinssetzung“ der Fahrlässigkeit mit den Grundsätzen der objektiven Zurechnung vernachlässigt.436 Anzumerken ist, dass für die Beurteilung des erlaubten Risikos individuelle Kenntnisse (nur) im Rahmen des 433 434 435 436

Vgl. Herzberg, BGH-FG, 2000, S. 60. Vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 101. Vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 101. So MK-Duttge, § 15 Rn. 102 (beide Zitate).

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D. Die objektive Zurechnung

sog. Sonderwissens Berücksichtigung finden. Richtig an Duttges Feststellung ist zunächst, dass in der Tat die Überschreitung des erlaubten Risikos per se nicht den Vorwurf der Fahrlässigkeit begründen kann. Dies gilt aber nicht etwa deswegen, weil der Tatbestand nicht erfüllt wäre, sondern weil der Vorwurf sich auf die individuelle Erkennbar- bzw. Vermeidbarkeit, d. h. die Fahrlässigkeitsschuld, gründet. Der entscheidende Punkt, warum Duttge diese Konsequenz der Tatbestandsidentität geradezu ablehnen muss, ist, dass er einer Ansicht folgt, die die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung aufgrund individueller Vermeidbarkeit in den Tatbestand des fahrlässigen Delikts einordnet437 und nicht wie die herrschende Ansicht in die Schuld.438 Im Übrigen lehnt Duttge offensichtlich die objektive Zurechnung als solche ab439 und kann so immerhin die Anwendung für das Fahrlässigkeitsdelikt ablehnen. Als schwer haltbar erweist sich die Ablehnung der These vom Stufenverhältnis durch die Anhänger eines Aliud Verhältnisses im Fall der Unklarheit, ob Vorsatz tatsächlich gegeben ist. Wenn sich Vorsatz und Fahrlässigkeit begrifflich bzw. logisch ausschließen, dann ist es eindeutig, dass entweder wegen Vorsatzes oder Fahrlässigkeit bestraft werden kann bzw. muss. Die Anhänger der Aliud These halten es jedoch gleichwohl für möglich, falls eine vorsätzliche Tat nicht nachgewiesen werden kann, zumindest wegen fahrlässiger Tat zu bestrafen.440 Hält man jedoch am „Dogma der Andersartigkeit“441 fest, so ist dies logisch falsch. Denn schließen sich Vorsatz und Fahrlässigkeit aus, dann kann man gerade dann nicht aus Fahrlässigkeit betrafen, wenn Vorsatz zweifelhaft ist bzw. (nur) nicht nachgewiesen werden kann. Es ist eben nicht klar, was vorliegt, und schließen sich beide im Sinne eines „Entweder-Oder“ logisch aus, so kann eines nicht unklar, das andere aber bewiesen sein. Um das – richtige – Ergebnis der Bestrafung aus Fahrlässigkeit zu rechtfertigen, sehen sich die Anhänger der Gegensatzthese dazu genötigt, auf ein „normatives Stufenverhältnis“442 zurückzugreifen, das bei Zweifeln bzw. Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des Vorsatzes ohne weiteres den Rückgriff auf die Fahrlässigkeit zulasse. Dieser Begriff wird zu Recht aufgrund seiner dogmatischen und logischen Unschärfe als „nebulöse Figur“443 kritisiert, die eigentlich nur sagt, dass der VorVgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 95. Vgl. statt vieler Wessels / Beulke AT, Rn. 692. 439 Jedenfalls zitiert er ohne anschließende Distanzierung fast alle Kritiker, die sich plastischer Formulierungen zur (negativen) Beschreibung der Lehre von der objektiven Zurechnung bedienen, MK-Duttge, § 15 Rn. 102. 440 Vgl. BGHSt 17, 210; ebenso Baumann / Weber / Mitsch AT, § 10 Rn. 15; Roxin AT I, § 24 Rn. Rn. 80; MK-Duttge, § 15 Rn. 103 jeweils m. w. N. 441 Herzberg, BGH-FG, 2000, S. 59, der dieses Dogma jedoch entschieden ablehnt. 442 Roxin AT I, § 24 Rn. 79; MK-Duttge, § 15 Rn. 103; Schönke / Schröder-Eser, § 1 Rn. 91; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 3; SK-Rudolphi, nach § 55 Rn. 20; jeweils m. w. N. 443 So NK-Puppe, § 15 Rn. 5. 437 438

IV. Differenzierung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt

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satzvorwurf schwerer wiegt als der Fahrlässigkeitsvorwurf.444 Nach anderer Ansicht steckt in der Anerkennung des normativen Stufenverhältnisses das halbbewusste Eingeständnis, dass die Unvorsätzlichkeit keine wirkliche Voraussetzung der Fahrlässigkeit sei, beide Tatbestände eben nicht konträr seien, sondern der eine den anderen in sich enthalte.445 Unterstützend lassen sich für diese Schlussfolgung die verschiedenen Argumente Roxins anführen. Während er einerseits ein logisches Stufenverhältnis ablehnt, der Aliud These folgt und auf das normative Stufenverhältnis zurückgreift446, so stellt er gleichwohl fest, dass der Tatbestand der fahrlässigen Delikte allein durch die Lehre von der objektiven Zurechnung ausgefüllt werde447 – wie soll dann aber noch ein Aliud Verhältnis zu verteidigen sein? An anderer Stelle macht er ohne weitere Begründungsbemühungen deutlich, dass in der Erfüllung des objektiven Tatbestands sich stets schon eine fahrlässige Erfolgsherbeiführung realisiere, weil in jedem vorsätzlichen Delikt ein fahrlässiges darinstecke.448 Offensichtlich sind diese verschiedenen Aussagen nicht völlig konsistent, insbesondere letztere These vom Darinstecken passt nicht mit der These vom Aliud Verhältnis zusammen, wäre ihr folgend sogar ausgeschlossen. Richtigerweise wird man daher von einem logischen Stufen-Verhältnis ausgehen müssen. In der Konsequenz ist die objektive Zurechnung auf den (objektiven) Tatbestand vorsätzlicher und fahrlässiger Delikte gleichermaßen anzuwenden. Dieser Ansicht sind allerdings auch Stimmen, die vom Aliud Verhältnis ausgehen.449 Die identische Anwendung auf zwei gegensätzliche Figuren bedürfte dann eigentlich näherer Begründung. Roxin folgert es jedoch aus dem Argument des Darinsteckens, d. h. letztlich aus dem logischen Stufenverhältnis. Folglich ist nicht von einem Unterschied bei der Anwendbarkeit der Lehre von der objektiven Zurechnung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt auszugehen450, da man zumindest von Identität des relevanten Teils des objektiven Tatbestands451 zwischen fahrlässigem und vorsätzlichem Delikt ausgehen kann. Die Fahrlässigkeit ist demzufolge notwendige Bedingung des Vorsatzdelikts. Vgl. NK-Puppe, § 15 Rn. 5. So Herzberg, BGH-FG, 2000, S. 63. 446 So Roxin AT I, § 24 Rn. 79. 447 Vgl. Roxin AT I, § 24 Rn. 10. 448 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 49. 449 So Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 4; Roxin AT I, § 11 Rn. 49; im Ergebnis auch Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 93, 95 / 95. 450 So ausdrücklich auch Mitsch, Jus 2001, S. 108. 451 Der Begriff des objektiven Tatbestands ist hier nur dann korrekt, wenn man bezüglich der Lehre von der objektiven Zurechnung von einer Zurechnung zum Tatbestand ausgeht. Hält man die objektive Zurechnung für einen Bestandteil des Tatbestands, gewinnt die Einschränkung auf die Identität des relevanten Teils des objektiven Tatbestands an zusätzlicher Bedeutung. 444 445

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D. Die objektive Zurechnung

Jedenfalls aber ist vor diesem Hintergrund die Nichtanwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung auf Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsdelikte jeweils näher zu begründen und kann nicht mit sich ausschließender Begrifflichkeit begründet werden. Kritisch steht Hirsch452 der These von der Identität der Tatbestände zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt und damit der identischen Anwendung der objektiven Zurechnung gegenüber. Der eine Aspekt seiner Kritik soll sogleich, der andere im Rahmen der Darstellung seiner Kritik an der Lehre von der objektiven Zurechnung insgesamt dargestellt werden.453

b) Die Problematik der zeitlichen Dimension Hirsch kritisiert die Lehre von der objektiven Zurechnung und spricht ihr die Eignung als allgemeine Zurechnungslehre ab, da die objektiven Unrechtstatbestände von fahrlässigem und vorsätzlichem Delikt eben nicht gleich seien, wie dies zur Rechtfertigung der Funktion einer allgemeinen Zurechnungslehre nötig wäre.454 Während das Unrecht des vorsätzlichen Delikts stets erst mit dem Versuchsbeginn einsetze, könne das Unrecht des fahrlässigen Delikts zeitlich schon erheblich früher liegen. Als Beispiel führt Hirsch455 einen Architekten an, der ein Haus fahrlässig baut, in dem Jahre später aufgrund dessen Menschen bei einem Brand zu Schaden kommen. Auch wenn der Architekt sich beim Bau bereits gewünscht haben sollte, dass irgendwann Menschen dabei zu Schaden kämen, begründe dies keine Strafbarkeit wegen Versuchs, da kein unmittelbares Ansetzen gegeben sei. Eine Fahrlässigkeitshaftung ist demgegenüber möglich. Aus diesem strukturellen Unterschied folgert der Autor, dass sich die These von der Identität des objektiven Unrechtstatbestands nicht halten lässt, und daher die Lehre von der objektiven Zurechnung nicht gleichermaßen als allgemeine Zurechnungslehre Anwendung finden kann – Hirsch billigt ihr nur für die Fahrlässigkeitsdelikte „einen berechtigten Anwendungsbereich“456 zu. Zutreffend an der Ansicht von Hirsch ist, dass im Falle der Richtigkeit seiner Ansicht, die These von der Identität unhaltbar ist. Auch Herzberg sieht die Problematik des Versuchsbeginns. Wenn ein Versuch aufgrund nicht gegebener Unmittelbarkeit im Sinne von § 22 StGB nicht strafbar sei, könne auch die Vollendung nicht strafbar sein, wenn es nur durch unglücklichen Zufall dazu komme.457 Seine Schlussfolgerung ist jedoch eine andere. Sei452 453 454 455 456 457

Vgl. Hirsch, Lampe-FS, 2003, S. 516 ff. Siehe unten D.V.3. Vgl. Hirsch, Lampe-FS, 2003, S. 518. Vgl. Hirsch, Lampe-FS, 2003, S. 518 f. Hirsch, Lampe-FS, 2003, S. 523. Vgl. Herzberg, NStZ 2004, S. 598.

IV. Differenzierung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt

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ner Ansicht nach führt dies dazu, dass das Fahrlässigkeitsdelikt die Schaffung einer unerlaubten, das Vorsatzdelikt einer unerlaubten unmittelbaren Gefahr voraussetzt.458 Nach anderer Ansicht spielt die Frage des zeitlichen Abstands im Rahmen des vollendeten Delikts hingegen keine Rolle.459 Angesprochen ist damit der Aspekt der zeitlichen Dimension der objektiven Zurechnung, d. h. die Zurechnung von Spätfolgen. Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand ist dies jedoch nur insofern relevant, als sich hinsichtlich der grundsätzlichen Anwendbarkeit der objektiven Zurechnung daraus Schlussfolgerungen ziehen lassen.460 Bei den Argumenten von Hirsch und Herzberg geht es dem Grunde nach für den Aspekt des Verhältnisses von Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt und damit für die Anwendbarkeit der objektiven Zurechnung um zwei Fragen: Erstens darum, ob jede Vollendungsstrafbarkeit einen strafbaren Versuch voraussetzt, was Grundlage für die Anwendung des § 22 StGB wäre und eo ipso die Identitätsthese unhaltbar machen müsste, weil es keinen Versuch der Fahrlässigkeit gibt. Entscheidend ist also, ob die Vollendung den Versuch ausschließt bzw. ein Versuch Nichtvollendung zwingend voraussetzt oder im Gegensatz dazu notwendig enthält, d. h. ob es sich bei der Problemlösung um eine Tatbestands- oder Konkurrenzlösung handelt. Diese Frage ist sehr umstritten und kann hier nicht in aller Breite dargestellt werden. Überwiegend wird das Exklusivitätsverhältnis betont, wenn und weil gerade als Voraussetzung der Versuchsprüfung die Nichtvollendung betont wird.461 Die zweite Frage ist, ob sich durch die Antwort auf die erste Unterschiede für die grundsätzliche Anwendbarkeit der Lehre von der objektiven Zurechnung auf Vorsatz- wie auf Fahrlässigkeitsdelikte ergeben. Dies ist nicht der Fall. Denn selbst wenn nun das Vorsatzdelikt eine weitere objektive Voraussetzung, die Unmittelbarkeit, enthalten sollte, so ist zwar die Identitätsthese hinfällig. Jedoch ist diese bei genauerem Hinsehen nicht Voraussetzung der Gleichbehandlung. Es genügt insoweit, dass das Vorsatzdelikt eine Fahrlässigkeit enthält, d. h. das Fahrlässigkeit notwendige Bedingung bzw. ein Minus ist – alle diese Formulierungen sind logisch gleichbedeutend. Worin das Plus des Vorsatzdelikts besteht, ob nur aus dem Vorsatz oder noch anderen objektiven Elementen ist insoweit unerheblich. Aus alledem zeigt sich, dass auch die Problematik der zeitlichen Dimension mit der These von der notwendigen Bedingung bzw. vom Stufenverhältnis dem Grunde nach vereinbar ist. Es handelt sich gleichsam um ein weiteres, zur Fahrlässigkeit hinzutretendes „Plus“ beim Vorsatzdelikt. Folgt man Frisch und Herzberg, so ist die Identitätsthese als solche nicht haltbar. Einer Entscheidung bedarf es vor dem Vgl. Herzberg, NStZ 2004, S. 598 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Jakobs AT, 7 / Rn. 81; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 92 jeweils m. w. N. 460 Zum Problemkreis der zeitlichen Dimension der objektiven Zurechnung siehe Gómez Rivero, GA 2001, S. 283 ff. mit einem Überblick über den Meinungsstand. 461 Vgl. statt vieler Wessels / Beulke AT, Rn. 596; einen Überblick gibt Herzberg, JuS 1996, S. 378 f. 458 459

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D. Die objektive Zurechnung

Hintergrund der hier zu untersuchenden Fragestellung der Anwendbarkeit der Lehre von der objektiven Zurechnung jedoch nicht.462

V. Abweichende Lösungswege – Kritik Die Lehre von der objektiven Zurechnung ist Gegenstand heftiger Kontroversen, insbesondere bezüglich ihrer Anwendbarkeit beim vorsätzlichen Delikt, während sie beim fahrlässigen Delikt jedenfalls im Grundsatz „unbestritten“463 ist. Die kritischen Stimmen sollen im Folgenden unter Berücksichtigung obiger Darstellung der Lehre und den Aussagen zum Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit dargestellt und auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden.

1. Die Kategorie des tatbestandsmäßigen Verhaltens Nach Auffassung der Vertreter der Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten setzt die Lehre von der objektiven Zurechnung hinsichtlich vieler verwendeter Kriterien „zu spät“464 an. Ihr Ausgangspunkt ist die Bestimmung des tatbestandsmäßigen Verhaltens, d. h. des „missbilligten Verhaltens“465 bzw. des verbotenen „[ . . . ] i. S. des ,vertypt unrechtmäßigen Verhaltens’“466. Zentraler Inhalt des tatbestandsmäßigen Verhaltens ist demnach die Frage der missbilligten Gefahrschaffung.467 Die Ähnlichkeit zu den von der Lehre von der objektiven Zurechnung verwendeten Termini und Kategorien ist unverkennbar. Frisch lehnt diese Lehre nicht schlechterdings ab. Vielmehr habe sie als neue Kategorie Strafrechtsdoktrin und Problemlösungen sachlich begünstigt, Verkrampfungen in der Diskussion um den richtigen Kausalbegriff aufgrund ihres betont normativen Charakters gelöst und Einsicht in bisher nicht so gesehene Zusammenhänge geliefert.468 Für sehr problematisch hält er jedoch die Entwicklung, dass sich die Lehre von der Erfolgszurechnung durch die Erschließung immer neuer Zusammenhänge zu einer „Superkategorie“ entwickelt habe, die Inhalte umfasse, die mit der Zurechnung der Er462 Für den Spezialfall der Spätfolgen werden gleichwohl differenzierende Lösungen zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeit vertreten, beispielsweise von Schlehofer, NJW 1989, S. 2025; für einen Überblick siehe Gómez Rivero, GA 2001, S. 284 ff. 463 Kühl AT, § 4 Rn. 38. 464 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 43; Freund AT, § 2 Rn. 73. 465 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 26, 33 ff. 466 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 33. 467 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 33 ff. 468 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 22; siehe auch schon S. 19.

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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folge nichts zu tun hätten, sondern nur mit der Kategorie des tatbestandsmäßigen Verhaltens richtig erfasst seien.469 Frisch trennt in die Bestimmung des tatbestandsmäßigen Verhaltens einerseits und die darauf folgende Betrachtung der Beziehung zwischen missbilligtem Verhalten und eingetretenem Erfolg andererseits – Zurechnung ist als zweite Stufe für ihn die Frage, ob diese ganz bestimmte Beziehung auch vorliegt.470 Gegenstand der ersten Stufe hingegen ist die Erarbeitung und Beschreibung von qualifizierten und erhöhten Risiken, die zur Missbilligung von Verhalten führen.471 In der zweiten Stufe werden bei Vorliegen tatbestandsmäßigen Verhaltens Kausalzusammenhang und Realisierungszusammenhang thematisiert. Inhalt der ersten Stufe sollen nach herkömmlicher Terminologie die Aspekte der Risikoverringerung einschließlich des Hinauszögerns von Erfolgen sein, weiterhin die Problemkreise des Schaffens eines Anlasses für Rettungshandlungen und für rechtsgutsschädigende Handlungen Dritter einschließlich der Fallgruppen des Regressverbots, der ärztlichen Kunstfehler und der Selbstschädigung bzw. -gefährdung.472 In allen diesen Fällen fehle es jedenfalls schon an einer durch die Verhaltensnorm des jeweiligen Tatbestands verbotenen Handlung. Gleiches gelte darüberhinaus für Fälle, in denen die missbilligte Risikoschaffung eindeutig gegeben sei, aber sich ersichtlich nicht realisiert habe. So sei klar, dass sich in Fällen wie dem Krankenwagenfall das spezifische Verletzungsrisiko nicht realisiert habe. Gleichwohl soll es sich um eben hinsichtlich dieses Erfolges nicht verbotenes Verhalten handeln und daher die Stufe des tatbestandsmäßigen Verhaltens betreffen.473 Gegenstand des Realisierungszusammenhangs soll demgegenüber sein, dass sich im Erfolg gerade jenes Risiko niedergeschlagen hat, dessentwegen das Verhalten verboten ist, der Erfolgseintritt muss sich demnach als Realisierung des missbilligten Risikos darstellen. Hierunter sollen die Fälle fallen, in den sich das missbilligte Risiko ersichtlich nicht ausgewirkt hat, sowie die Fälle rechtmäßigen Alternativverhaltens bzw. anderer Kausalketten.474 Frisch versucht eine exakte Trennung zwischen Verhaltensunrecht – konkretisiert durch das tatbestandsmäßige Verhalten – und Erfolgsunrecht – bestimmt durch Kausal- und v. a. Realisierungszusammenhang. Es wird deutlich, dass hier inhaltlich die Kriterien der objektiven Zurechnung insbesondere der Grundformel zur Anwendung gelangen. Die Frage nach dem tatbestandlichen Verhalten korrespondiert mit der Schaffung einer Gefahr bzw. eines Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 22, 31. Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 50 f. 471 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 29. 472 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 60 f. 473 Zu dieser Fallgruppe vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 62 f. 474 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 55 ff. 469 470

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D. Die objektive Zurechnung

unerlaubten Risikos, die zur Missbilligung des Verhaltens führen – insoweit besteht inhaltlich kein grundsätzlicher Unterschied zur Lehre von der objektiven Zurechnung. Das Grundanliegen des Realisierungszusammenhangs nach dem Verständnis von Frisch entspricht wiederum dem zweiten Element der Grundformel der Lehre von der objektiven Zurechnung, der Realisierung der missbilligten Gefahr. Auch hier ist keine grundsätzliche Differenz festzustellen. Frisch kritisiert die Lehre von der objektiven Zurechnung, weil sie diese aufgrund der Differenzierung zwischen Verhaltens- und Erfolgsunrecht gebotene scharfe Trennung als Superkategorie nicht vornehme.475 Jedoch ist bereits im Rahmen der Darstellung und Analyse der Lehre von der objektiven Zurechnung deutlich gemacht worden, dass sich die einzelnen Elemente der Grundformel schwer voneinander abgrenzen lassen und dies häufig eine Frage der Perspektive ist. So kann, wie schon dargelegt, im Krankenwagenfall durchaus mit guten Argumenten einerseits vertreten werden, die sich konkret verwirklichende Gefahr des Unfalls habe der Täter nicht, jedenfalls nicht missbilligt geschaffen. Anderseits kann man auch sagen, dass sich die Ausgangsgefahr eben nicht realisiert hat. Beides ist richtig und bei zwei oder mehr vorhandenen Gefahren untrennbar verbunden. An dieser Stelle seien nochmals Wessels / Beulke bemüht, die klar konstatieren: „Beide Aspekte dieser Grundformel sind eng miteinander verzahnt, kaum voneinander abgrenzbar und überschneiden sich häufig. Nur vor diesem Hintergrund ist die [ . . . ] für das Ergebnis nicht relevante Zuordnung der Fallgruppen zu verstehen.“476 Darüberhinaus wurde gezeigt, dass sich manche Prinzipien und Gedanken schwer in die Grundformel einfügen lassen und gleichsam ergänzend bzw. überlagernd herangezogen werden. Für die Lehre von der objektiven Zurechnung ist dies unproblematisch, denn im Vordergrund steht das sachgerechte Ergebnis unter Anwendung der richtigen Prinzipien, auf eine starre Zuordnung kommt es nicht an. Anderes muss für die Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten mit ihrer strikten Trennung zwischen beiden Aspekten gelten. Wenig überraschend kann Frisch seine Trennung denn auch nicht durchhalten. Bereits die oben erwähnte Aufzählung ist insoweit inkonsistent. Einerseits sollen Fälle, in denen sich das missbilligte Risiko ersichtlich nicht ausgewirkt hat – dies ist schließlich auch nach Frisch der Grundansatz der Frage des Realisierungszusammenhangs –, im Realisierungszusammenhang ausgeschieden 475 Eben weil der Blick der Wissenschaft sich zunehmend von der einseitigen Betrachtung des Erfolgsunrechts gelöst und verstärkt das Verhaltensunrecht thematisiert habe, müsse sich dies auf der gleichsam nachgelagerten Ebene der Überlegungen zu Tatbestandsmäßigkeit und Zurechnung wiederspiegeln. Die Lehre von der objektiven Zurechnung sei jedoch diesbezüglich stehen geblieben. Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 23 ff. 476 Wessels / Beulke AT, Rn. 179.

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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werden.477 Andererseits jedoch sollen Fälle des „Risikozusammenhangs“ wie etwa der Krankenwagenfall im Bereich des tatbestandsmäßigen Verhaltens gelöst werden, wenn und weil sich das Risiko jeder Autofahrt realisiert habe und dafür das Verhalten des Täters nicht tatbestandsmäßig sei.478 Hier liegt jedoch offensichtlich ein Widerspruch vor. Denn anhand welcher Fälle lässt sich besser zeigen, dass sich ein allgemeines Lebensrisiko realisiert hat und nicht das vom Täter geschaffene, d. h., um mit Frischs Worten zu sprechen, sich die Gefahr ersichtlich nicht ausgewirkt hat? Nach Frisch kann dies aber nur entweder eine Frage des tatbestandsmäßigen Verhaltens oder des Realisierungszusammenhangs sein. Ein gewisser logischer Bruch ist unverkennbar, eine strikte Trennung kaum möglich. Roxin verweist konsequenterweise darauf, dass die hinter Frischs Einordnung liegende strikte Trennung zwischen Handlungs- und Erfolgsunrecht nicht durchführbar sei, weil beide im Falle ihres Vorliegens untrennbar miteinander verbunden seien.479 Das zweite zentrale Problem bei Frischs Lehre steht sowohl mit der Identifikation des konkreten missbilligten Verhaltens als auch mit dessen Realisierung im konkreten Erfolg in engen Zusammenhang. Gerade wenn man abschichten will, welche Gefahr sich realisiert hat bzw. ob der Täter eine missbilligte Gefahr geschaffen hat, so geht man implizit immer vom jeweils vorliegenden Erfolg aus. Ohne dessen Identifikation ist die Beantwortung der Frage sowohl nach Schaffung als auch nach Realisierung eines Risikos unmöglich. Es ist bereits im Zuge der Darstellung der Lehre von der objektiven Zurechnung betont worden, dass die Frage nach der Missbilligung von Verhalten tatbestandsspezifisch ist. Auch Frisch geht eindeutig so vor, denn gerade die Kategorie des tatbestandsmäßigen Verhaltens stellt unmittelbar auf den jeweiligen Tatbestand ab. Wie jedoch kann man hinsichtlich eines konkreten Erfolges auf einen bestimmten Tatbestand abstellen, wenn man vorher noch nicht einmal zur Kausalität des Verhaltens Stellung bezogen hat? Frisch selbst will gleichwohl die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Verhalten und Erfolg erst nach der Bejahung tatbestandsmäßigen Verhaltens stellen.480 Implizit ist er gezwungen, die Kausalitätsfrage vorher zu stellen und zu beantworten, um überhaupt im Hinblick auf die Tatbestandmäßigkeit des Verhaltens, d. h. die Frage der Schaffung einer missbilligten Gefahr für das beeinträchtigte Rechtsgut, Aussagen vornehmen zu können. Ein solches Vorgehen macht nur Sinn, wenn das Rechtsgut tatsächlich vom Täter beeinträchtigt wurde. Dies wiederum ist eine Frage der Kausalität, die vorher zu klären wäre. Diese grundlegende Schwäche seiner Lehre sieht Frisch – im Gegensatz zu Freund 481– indem er schreibt, „[ . . . ] unübersehbar ist doch auch, dass sich die 477 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 56; wohl auch S. 65, Fn. 263. 478 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 62 f. 479 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 51. 480 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 50 ff. 481 Vgl. nochmals Freund AT, § 2 Rn. 46 ff., 52 ff.

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D. Die objektive Zurechnung

Frage, ob bestimmte Verhaltensweisen um bestimmter den Unrechtserfolg verursachender Geschehensabläufe willen verboten sind, fallbezogen nur sinnvoll diskutieren lässt, wenn man die fallentscheidenden Kausalzusammenhänge kennt“.482 Er fährt absolut konsequent fort, dass die Antwort auf die Frage, ob missbilligtes Verhalten als Grundlage der Erfolgszurechnung tauge, die Antwort auf die Frage der Kausalität voraussetze. Der Autor erwägt dann, ob es nicht sinnvoll sei, die Frage der Verbotenheit eines bestimmten Verhaltens um des bestimmten Kausalverlaufs willen als Zurechnungsproblem zu diskutieren, ebenso wie andere sich an die Kausalität anschließende Fragen auch. Frisch verwirft diese Gedanken, die er als „prüfungsökonomische Gesichtspunkte“ bezeichnet, jedoch sogleich wieder, da diese Gesichtspunkte nichts an Sachzusammenhängen zu ändern vermöchten, und der Stellenwert bestimmter Straferfordernisse keine Funktion zweckmäßiger Fallprüfungsschemata sei, sondern eine wissenschaftliche Sachfrage.483 Bis auf einen einzigen Aspekt sind alle diese Aussagen vollkommen zutreffend. Es handelt sich bei der Vorgreiflichkeit der Kausalitätsfrage nicht so sehr um prüfungsökonomische Aspekte als vielmehr schlicht um logische – sie sind nur insofern prüfungsökonomisch, als eine Prüfung richtig und logisch sein sollte. Den zweiten Schritt mehr oder weniger implizit dem ersten zu Grunde zu legen, ist unter systematischen bzw. logischen Aspekten jedenfalls bedenklich. Man sollte allerdings die Bedeutung dieser Differenzen nicht überschätzen. Die Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten bringt dieselben Grundprinzipien zur Lösung derselben als mehr oder weniger problematisch erachteten Fälle zur Anwendung. Aufgrund dessen geht Roxin484 davon aus, dass die Unterschiede „[ . . . ] für die Problemlösung im Ergebnis ohne Bedeutung“ sind, Schünemann spricht gar von einem „Scheinproblem“, da zur Tatbestanderfüllung eines Erfolgsdelikts eben tatbestandsmäßiges Verhalten und Erfolgszurechnung notwendig seien und es ein müßiger Streit sei, wo man den Schwerpunkt setze.485 Gleichwohl argumentiert Frisch, die korrekte Einordnung, vom ihm als „Rubrizierung“ bezeichnet, sei auch deswegen wichtig, weil Erkenntniswert und didaktische Bedeutung davon abhingen.486 Dem Grunde nach ist dies selbstverständlich zutreffend, jedoch sollte man bedenken, dass die Lösung in der richtigen Wertungsstufe, dem objektiven Tatbestand, nach sachgerechten Kriterien entscheidend ist. Im Übrigen spricht auch der von Frisch als Vorteil seiner Lehre postulierte Gewinn an Rechtskonkretisierung nicht für oder gegen diese Lehre. Denn trennt man in der objektiven Zurechnung dem Grunde nach zwischen missbilliger Gefahrschaffung Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 64. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 65 [Hervorhebung im Original]. 484 Roxin AT I, § 11 Rn. 51. 485 Schünemann, GA 1999, S. 216. 486 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 44 f. 482 483

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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bzw. unerlaubtem Risiko und dessen Realisierung, so wird auch dort klar, welches Verhalten grundsätzlich verboten weil tatbestandsmäßig ist.487 Eine Gefahr aus einer schadensstiftenden Vermengung von Tatbestands- und Zurechnungsfragen kann ich im Übrigen nicht erkennen.488 Insgesamt sind die Ausführungen von Frisch inhaltlich eine Bestätigung der Lehre von der objektiven Zurechnung hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Berechtigung, der differenzierenden Lösungen, zu denen sie den Weg weist, und auch hinsichtlich der relevanten Lösungsprinzipien. Er bezeichnet die beiden Sacherfordernisse der Lehre – die Schaffung der Gefahr und ihre Realisierung – als „unverzichtbar“489. Insbesondere wird auch hier die Notwendigkeit einer Lösung im objektiven Tatbestand klar gefordert und die Frage von missbilligtem Verhalten und Zurechnung des Erfolges als Wertungsproblem formuliert – letzteres ist nach den Worten von Frisch „ein durch und durch normatives Problem“490. Gleichwohl verteidigt Frisch seine Konzeption gegen Einwände und betont die Notwendigkeit seiner Differenzierung.491 Das zentrale Rechtfertigungsargument sieht er darin, dass es für den Bürger von Interesse sei zu wissen, ob man sich einwandfrei, d. h. nach seiner Terminologie nicht tatbestandsmäßig, verhalten habe. Jedoch ist dies ebenso mit der Lehre von der objektiven Zurechnung zu erreichen, wenn und weil man in die beiden Komponenten der Grundformel gedanklich scharf trennt. Tut man dies, so folgt aus der Prüfung der Schaffung einer missbilligten Gefahr automatisch die Antwort auf die Frage nach der grundsätzlichen Einwandfreiheit des jeweiligen Verhaltens. Das zweite wesentliche Argument von Frisch besteht darin, dass die Frage des tatbestandsmäßigen Verhaltens keine Zurechnungsfrage betreffe, sondern die Frage nach der Reichweite und den Grenzen der rechtlich anerkannten Freiheit.492 Daran ist völlig richtig, dass die Grundlage 487 488

In diesem Sinn ganz klar Roxin AT I, § 11 Rn. 51. So jedoch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988,

S. 50. Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 225. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 51; sehr missverständlich ist hingegen die Formulierung von Frisch (a. a. O., S. 43), dass im Rahmen der Erfolgszurechnung „[ . . . ] nicht mehr die normativen Probleme der missbilligten Gefahr, sondern allein noch deren ,Wirklichkeit‘“ interessiere. Diese Vermengung von normativen mit tatsächlichen Problemen sei verantwortlich für die Fehlrubrizierung der normativen Probleme der missbilligten Gefahr in der Lehre von der Erfolgszurechnung. Wenn dies bedeuten soll, dass der Zurechnungszusammenhang nicht normativ, sondern tatsächlich bestimmt werden soll, so ist dies verfehlt. 491 Vgl. Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 232 ff. sowie ders., GA 2003, S. 733 ff. 492 Vgl. Frisch, GA 2003, S. 734 ebenso ders., FS-Roxin, 2001, S. 222, 225, wonach ein Verbot und die Freiheitsbegrenzung geeignet, erforderlich und im Blick auf vorhandene Rechtsprinzipien angemessen sein müssten, um bestimmte Gutsbeeinträchtigungen zu verhindern. 489 490

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D. Die objektive Zurechnung

der Überlegungen zur Strafbarkeit Reichweite und Grenzen der Freiheit sind. Genau darum geht es jedoch auch im ersten Teil der Grundformel: Ein Risiko kann nicht missbilligt sein, wenn und weil es die anerkannten Grenzen der Freiheit nicht überschreitet. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich bei der Kritik von Frisch letztlich vor allen Dingen um eine terminologische. Er sieht als Frage der Zurechnung nur den Aspekt des Realisierungszusammenhangs und hält die Bestimmung des rechtlich missbilligten Verhaltens für eine Vorfrage.493 Die Lehre von der objektiven Zurechnung umfasst, geradezu paradigmatisch ausgedrückt durch die Grundformel, jedoch beide Aspekte. Man mag die Terminologie494 kritisieren, die Beides unter dem Begriff der Zurechnung zusammenfasst, der Sache nach findet auch in dieser Lehre eine Trennung statt. Eine ähnliche Konzeption, jedoch mit weniger scharfer Trennung, verfolgt Puppe. Für sie ist zunächst die Sorgfaltspflichtverletzung die entscheidende Kategorie, an die sich dann die Frage der Zurechnung, genauer des Zusammenhangs zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und Erfolg, anschließt.495 Der Bestimmung der Sorgfaltspflicht und damit der Zurechnung vorgelagert ist nach Puppes Ansicht die Bestimmung der Kausalität.496 Dies ist die nach hier vertretener Ansicht die vorzugwürdige, logisch konsequente Reihenfolge und ein wesentlicher Unterschied zu Frisch. Puppe verfolgt auch keine solche Exklusivität der entscheidenden Prüfungsstufen wie die Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten, vielmehr sind bestimmte Lösungsprinzipien auf verschiedenen Stufen anwendbar.497 Ein Kritikpunkt von Frisch an der Lehre von der objektiven Zurechnung wurde jedoch an dieser Stelle unterschlagen. Es handelt sich um die Problematik der Versuchsstrafbarkeit und damit um den erforderlichen Gegenstand des Vorsatzes. Frisch meint, dass sich der Vorsatz auf das tatbestandsmäßige Verhalten beziehe, sich jedoch nicht auf die Erfolgszurechnung beziehen könne, da es sich dabei um einen Teil des Sanktionstatbestands der Rechtsanwenders handele.498 Damit müsse die Lehre von der objektiven Zurechnung zur Versuchsstrafbarkeit kommen, wenn Vgl. Frisch, GA 2003, S. 734 f., 741. Ganz deutlich, dass es sich wohl eher um terminologische Differenzen zwischen Frisch auf der einen und Roxin auf der anderen Seite handelt, macht Frisch, FS-Roxin, 2001, S. 234 f., selbst, indem er sich gegen Roxin wendet und die Auseinandersetzung mit Hilfe des Analyse des richtigen Inhalts und der Reichweite des Begriffs des tatbestandsmäßigen Verhaltens sucht. Offensichtlich stehen hier (lediglich) die Begrifflichkeiten im Vordergrund. 495 Vgl. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 153 ff. Rn. 200 ff. 496 Vgl. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 80 ff. 497 So ist nach ihrer Ansicht „sedes materiae“ des sog. genannten Regressverbots nicht in erster Linie die Lehre von der objektiven Zurechnung, sondern die Bestimmung der Sorgfaltspflicht. Jedoch billigt sie dem Regressverbot auch „Auswirkungen auf die objektive Zurechnung“ zu (NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 167). Die Trennung der Lösung bzw. des Lösungsorts der Regressverbotsfälle ist demnach stärker Einzelfall getrieben und nicht so starr wie bei Frisch. 498 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 46 f.; ausführlich dazu derS. Vorsatz und Risiko, 1983, S. 56 ff. 493 494

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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der Täter den Erfolg nur gewollt habe, d. h. auch in Fällen, in denen die Zurechnung bei Eintritt des Erfolgs ausgeschlossen sei, da die objektive Zurechnung – weil eben nicht Gegenstand des Vorsatzes – diesen beim Versuch nicht ausschließen könne.499 Auf dieses Argument ist an dieser Stelle nicht weiter einzugehen. Es soll jedoch schon jetzt die These formuliert werden, dass die Schlussfolgerung von Frisch zutrifft, dass Verhalten, das im Falle der Vollendung nicht strafbar wäre, auch im Falle des Versuchs allein keine Strafbarkeit begründen kann. Unzutreffend ist jedoch die Ansicht von Frisch, dass die Lehre von der objektiven Zurechnung zur Versuchsstrafbarkeit kommen müsse. Dieses Problem betrifft nicht die Lehre von der objektiven Zurechnung als solche sondern ihre Bedeutung im subjektiven Tatbestand und damit einen wesentlichen Aspekt dieser Arbeit. Es wird zu zeigen sein, dass die konsistente und sachgerechte Behandlung im subjektiven Tatbestand von entscheidender Bedeutung ist und in diesem Zusammenhang häufig zumindest Missverständnisse vorzufinden sind. Dies betrifft jedoch nicht die Ebene der Lehre von der objektiven Zurechnung per se sondern ein nachgelagertes Problem. Auf Fragen des Vorsatzes ist sogleich weiter einzugehen, da wesentliche Kritiker der Lehre die entsprechenden Probleme im Vorsatzbereich lösen wollen.

2. Die Kritik von Armin Kaufmann, Hilgendorf, Lampe, Samson und Struensee a) Zusammenfassende Darstellung Von einer ganzen Reihe an kritischen Stellungnahmen zur objektiven Zurechnung sollen hier die der prominentesten Kritiker kurz dargestellt werden. Bereits dabei wird deutlich, dass sich die Kritik im Wesentlichen darauf gründet, dass die Lehre von der objektiven Zurechnung fälschlicherweise Problemen des Vorsatzes und der Rechtfertigung vorgreife und verbleibende Problemkreise durch Auslegung zu lösen seien. Zunächst steht die von Armin Kaufmann formulierte Kritik an der Lehre von der objektiven Zurechnung im Vordergrund dieses Abschnitts. Kaufmann hält die Lehre deswegen für verkehrt, weil sie sachwidrig Fragen der Auslegung von Tatbeständen, der Rechtswidrigkeit und vor allen Dingen des Vorsatzes auf einer Wertungs- bzw. Prüfungsstufe behandele. Hinsichtlich der Fälle von Handlungen, die Leben retten bzw. verlängern (sollen) und gleichwohl zum Tode führen, vertritt er die Ansicht, dass dies schlichte Fälle der Auslegung der Tatbestände seien.500 Töten sei in diesem Sinne als Ver499 500

Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 47. Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 254 f.

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D. Die objektive Zurechnung

kürzung des Lebens zu definieren, es gehe hier um eine Frage des tatbestandsmäßigen Erfolgs und damit um eine „schlichte Auslegungsfrage“501. Ebenso will er die Fälle des unverbotenen aber riskanten Handelns, nach anderer Terminologie also das erlaubte Risiko, als Frage der Tatbestandsmäßigkeit durch Auslegung behandeln.502 Die Fälle der sog. Risikoverringerung, beispielsweise das Ablenken eines auf den Kopf zufliegenden Steins auf die Schulter, sind nach Kaufmanns Ansicht mittels Rechfertigungsgrundsätzen zu lösen, wobei auch hier die Frage nach dem tatbestandsmäßigen Erfolg gestellt werden soll.503 In diesem Zusammenhang ist seine Kritik zu sehen, dass die Frage der rechtlichen Missbilligung eines Verhaltens nichts im Tatbestand zu suchen habe, sondern sich erst nach Feststellung der Verwirklichung des Tatbestands insgesamt ergebe, d. h. dann indiziert bzw. durch den Tatbestand beantwortet sei.504 Die Grundformel der objektiven Zurechnung kritisiert Kaufmann darüberhinaus deswegen, weil sie normative Elemente beinhalte und damit zu einer „Gefahr für die Tatbestandsbestimmtheit“ werde.505 Entscheidende Bedeutung kommt in seinen Augen anstelle der objektiven Zurechnung dem Tatvorsatz zu. Läge nämlich der Tatvorsatz hinsichtlich der Verursachung eines bestimmten (tatbestandlichen) Erfolges vor, dann habe sich die ganze Problematik von selbst erledigt, da eine Handlung deswegen gefährlich sei, „[ . . . ] weil [sie] wissentlich (und erfolgreich) eingesetztes Mittel zur Verwirklichung [ . . . ]“ gewesen sei. Fehle hingegen der Vorsatz, sei „[ . . . ] jede vorherige Spekulation innerhalb des objektiven Tatbestands [ . . . ] in einer qualvollen Weise überflüssig.“506 Dies soll wohl bedeuten, dass es genügt, wenn jedenfalls der Vorsatz vorliegt. Der schlichte Wille des Täters unabhängig von allen weiteren objektiven Faktoren genügt demnach zur Vollendungsstrafbarkeit, wenn nur der Erfolg eintritt.507 Insbesondere bei Fällen der Abweichungen vom vorgestellten Kausalverlauf betont Kaufmann die Entscheidungsrolle des Vorsatzes. Die Beurteilung müsse am Tatplan des Täters ansetzten, d. h. an den vom Täter vorsätzlich geschaffenen Fakten. Es sei daher eine Verkomplizierung, wenn zunächst die objektive und dann die subjektive Zurechnung geprüft werden müsse.508 Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 254. Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 267 f. 503 Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 255 f. 504 Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 258, 261, 266. 505 Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 260. 506 Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 261. 507 Vgl. dazu auch Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 263, 266; ebenso ganz deutlich S. 255. 508 Vgl. zu diesen Erwägungen Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 262. 501 502

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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Kaufmann sieht für die Lehre von der objektiven Zurechnung erhebliche Probleme in den Fällen, in denen der Täter sich keine Gedanken über den konkreten Weg zum Eintritt des Erfolges gemacht habe – beispielsweise der Täter in den Krankenhausbrandfällen nicht einmal an das Krankenhaus gedacht habe – und man dann nach § 16 Abs. 1 StGB eigentlich konsequenterweise zur Verneinung des Vorsatzes kommen müsse. Tue man dies nicht, komme das letztlich einer Ausdehnung des Bereichs des vollendeten Delikts gleich.509 Kaufmann stellt dann die aus seiner Sicht entscheidende Frage, gleichsam die „Kernfrage“ an die Lehre von der objektiven Zurechnung: „Wieso verlange ich nun nicht, dass der Vorsatz sich auf die (tatsächlichen) Grundlagen der objektiven Zurechnung bezieht?“510 Kaufmann zieht für sich die – soviel sei an dieser Stelle schon erwähnt – aus Sicht des Tatstrafrechts im Gegensatz zum Gesinnungsstrafrecht unhaltbare Folgerung, dass eine Bestrafung wegen des vollendeten Delikt eben deshalb möglich sei, weil wegen des jedenfalls vorliegenden beendeten Versuchs der volle Tatvorsatz und die volle Schuld gegeben seien.511 Auch wirft der Autor der Lehre von der objektiven Zurechnung Inkonsequenz vor, da sie zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse das besondere Wissen des Täters einbeziehe.512 Letztlich müsse man dann die gesamte Wissensseite des Vorsatzes und daher wegen Untrennbarkeit den gesamten Vorsatz verschieben. Gegen ein solches Vorgehen gebe es „keine stringenten Einwände“513, es handele sich dann aber nicht mehr um objektive Zurechnung. Gegen diesen eher technischen Einwand ist zu sagen, dass es sehr wohl möglich ist, Sonderwissen zur Ermittlung der Unerlaubtheit einer Gefahr bzw. eines Risikos vom Wissen des Täters um die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale, d. h. von der Wissensseite des Vorsatzes im Allgemeinen, zu trennen. Kritisiert wird üblicherweise nämlich auch nicht die (technische) Möglichkeit und Unmöglichkeit des Einbeziehens des Sonderwissens, sondern die Systemwidrigkeit eben dieses Vorgehens.514 Auf den Aspekt der Einbeziehung des Sonderwissens ist oben515 bereits eingegangen worden. Man muss diesem kritischen Argument jedoch entgegenhalten, dass das Sonderwissen des Täters ein konstitutives Element der von einer Handlung ausgehenden Gefahr ist und über deren objektives Vorliegen letztlich entVgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 262 f. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 263 beide Zitate. 511 Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 263. 512 Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 265, 260, 268. 513 Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 265. 514 Siehe dazu die sogleich darzustellenden weiteren kritischen Stimmen zur objektiven Zurechnung, die sich in weiten Teilen den Grundaussagen Kaufmanns anschließen. 515 Vgl. Abschnitt D.II.2.a)cc). 509 510

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D. Die objektive Zurechnung

scheidet. Die Bezeichnung objektive Zurechnung impliziert nicht, dass ausschließlich äußere und in diesem Sinne objektive Faktoren bei ihrer Anwendung heranzuziehen sind. Sie ist deswegen objektiv, weil ihr Ergebnis, die Missbilligung einer Gefahr, etwas Objektives und damit vom Willen des Täters Unabhängiges ist.516 Die Umstände die der Beurteilung der Gefahr zu Grunde liegen sind, um es mit den Worten von Frisch zu sagen, eben „wirklich und objektiv“517. Weiß nämlich der Täter von Umständen, die aus eigentlich alltäglichem Handeln eine unerlaubte Gefahr machen (beispielsweise im Flugreisefall von einer Bombe), so kann man schon objektiv nicht mehr von einem erlaubten Verhalten sprechen. Auf objektiver Grundlage, die durch die gegebenen Tatsachen – eben auch innere Tatsachen – konstituiert wird, wird das Urteil der Missbilligung des Risikos gefällt. Aus einem grundsätzlich erlaubten Verhalten wird im Einzelfall eine missbilligte Risikoschaffung. Frisch wendet sich gegen die Kritik der Vermengung von Objektivem und Subjektivem darüberhinaus mit dem Argument, dass diese deshalb nicht überzeugen könne, weil eine naturalistisch hermetische Trennung zwischen objektiven und subjektiven Aspekten im Rahmen der Prüfung des Unrechtstatbestandes weder durchführbar noch sachgerecht sei.518 Letztlich vermag Kaufmann auch einen „Vorzug an Genauigkeit“519 durch die objektive Zurechnung nicht zu erkennen. Zusammenfassend und zuspitzend lehnt er den Versuch der objektiven Zurechnung als Ermittlung von im Gesetz nicht vorhandener Tatbestandsmerkmale ab, denn „[ . . . ] im Orkus der so verstandenen modernen Zurechnungslehre verschwinden nicht nur die ,Auslegungsprinzipien‘ der Tatbestandlichkeit, sondern die Tatbestände selbst.“520 Jedenfalls sei ein besonderer Nexus, eine besondere Verbindung, zwischen dem tatbestandsmäßigen Erfolg und dem Täter in Gestalt der objektiven Zurechnung nicht beweisbar, es handele sich lediglich um ein „Ensemble von Topoi“521. Hilgendorf kritisiert die Lehre von der objektiven Zurechnung am Beispiel von Produkthaftungsfragen. Er wirft der Lehre vor, dass sie nichts zu den entscheidenden Fragen der Kausalzusammenhänge in solchen Konstellationen beitragen könne.522 Die Funktion der objektiven Zurechnung sollten daher ein „anspruchvolleres Kausalmodell“523 sowie neue Rechtfertigungsgründe524 für FallVgl. dazu Roxin, Kaufmann-GS, 1989, S. 250. Frisch, FS-Roxin, 2001, S. 230; ganz ähnlich auch S. 219 sowie ders., GA 2003, S. 732. 518 Vgl. Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 231. 519 Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 269. 520 Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 270. 521 Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 271; den Begriff der Topoi verwendet, wenn auch weit weniger kritisch und eher deskriptiv, Rönnau, JuS 2004, S. 115. 522 Vgl. Hilgendorf, Weber-FS, 2004, S. 38 ff. 523 Hilgendorf, Weber-FS, 2004, S. 48. 516 517

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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gruppen der eigenverantwortliche Selbstgefährdung und des nicht beherrschbaren Eingreifens Dritter übernehmen. Seine Grundposition besteht in der Auffassung, dass die Lehre von der objektiven Zurechnung „[ . . . ] wie ein Krake den gesamten Tatbestands- und Rechtfertigungsbereich zu erfassen [ . . . ]“525 drohe und „eine Art Rumpelkammer für ungelöste Tatbestands- und Rechtfertigungsprobleme“526 sei. Lampe stimmt Kaufmann in seiner Grundsatzkritik voll zu.527 Er meint jedoch, dass die von der objektiven Zurechnung erforschte Frage, ob ein Kausalverlauf für die Rechtsordnung von Bedeutung sei, dort zu stellen sei, wo sie wirklich von Bedeutung sei, nämlich in der Rechtswidrigkeit.528 Darüberhinaus übt er eher terminologisch fundierte Kritik an der „objektiven“ Zurechnung. Dabei steht auch in seinen Überlegungen die Einbeziehung des konkreten Täterwissens im Mittelpunkt seiner Kritik, dieses Vorgehen sei eben „subjektiv“529. Es gilt dazu das eben bereits zu Kaufmann ausgeführte. Auch Lampe macht sich darüberhinaus die von Kaufmann gestellte Frage, wie man die Elemente der objektiven Zurechnung zum Vorsatz zurechnen könne, zu eigen und formuliert die Einschätzung, dass darüber wohl erst in Ansätzen nachgedacht worden sei.530 Seiner Ansicht nach könnte man „[ . . . ] die Lehre von der objektiven Zurechnung wegen ihrer dogmatischen Unzulänglichkeit zu den Akten legen [ . . . ] “531, wenn nicht doch Zurechnungsprobleme aufgrund des herrschenden Kausaldogmas offen blieben. Samson will bei Tötungsdelikten ebenso wie Kaufmann die Probleme dieser Tatbestände weitgehend durch die Definition des Begriffs Töten als Lebensverkürzung und damit durch die Ermittlung des tatbestandsmäßigen Verhaltens lösen.532 Darüberhinaus hält auch er die Fälle der Risikoerhöhung bzw. Risikomodifikation für Sachverhalte, die im Rahmen der Rechtfertigung zu behandeln sind und nicht in der objektiven Zurechnung.533 Letztlich sieht er ebenfalls im Anschluss an Kaufmann den richtigen Ort der Behandlung der (verbleibenden) Probleme der objektiven Zurechnung im subjektiven Tatbestand.534 Vgl. Hilgendorf, Weber-FS, 2004, S. 45 ff., 48. Hilgendorf, Weber-FS, 2004, S. 48. 526 Hilgendorf, Weber-FS, 2004, S. 44. 527 Vgl. Lampe, Kaufmann-GS, 1989, S. 195. 528 Vgl. Lampe, Kaufmann-GS, 1989, S. 195 f. 529 Lampe, Kaufmann-GS, 1989, S. 197. 530 Vgl. Lampe, Kaufmann-GS, 1989, S. 197. 531 Lampe, Kaufmann-GS, 1989, S. 197. 532 Vgl. Samson, Lüderssen-FS, 2002, S. 589. 533 Vgl. ausführlich Samson, Lüderssen-FS, 2002, S. 589 ff., ganz deutlich S. 597: „Immer aber geht es um Rechtfertigung und nicht um objektive Zurechnung.“ 534 Vgl. Samson, ZStW 99 (1987), S. 633. 524 525

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D. Die objektive Zurechnung

Struensee schließt sich Kaufmann hinsichtlich dessen Ansicht von der Entscheidungsrolle des Vorsatzes im Gegensatz zur objektiven Zurechnung beim Vorsatzdelikt an.535 Er versucht diese auf das Fahrlässigkeitsdelikt zu übertragen und sieht in der Sorgfaltspflichtverletzung den subjektiven Tatbestand des fahrlässigen Delikts.536 Da für die Sorgfaltspflichtverletzung das Wissen des Täters relevant sei – eben deswegen ein Teil des subjektiven Tatbestands – müsse fehlendes Wissen den Täter entlasten, er nennt dies einen „Fahrlässigkeitstatbestandsirrtum“537. Letztlich ist dies der Versuch, die Dogmatik des fahrlässigen Delikts mit der finalistischen Handlungslehre zu vereinen.538 Denn die finalistische Lehre kann kaum erklären, inwiefern fahrlässige Taten als finale Handlungen anzusehen sind.539 Nicht zurechenbare Sachverhalte resultieren danach stets aus der Unkenntnis der relevanten Gefahren für diesen Erfolg, d. h. fehlende Fahrlässigkeit folgt aus der Unkenntnis von Risikofaktoren.540 Denn hätte der Täter die besondere Gefährlichkeit gekannt, dann wäre der Erfolg unproblematisch zuzurechnen.541 Zu dieser Besonderheit der Lehre Struensees ist jedoch zu bemerken, dass die Zurechnung wegen einer nicht missbilligten bzw. nicht geschaffenen Gefahr entfällt und nicht weil sich der Täter subjektiv über irgendetwas geirrt hat. Hier werden die wesentlichen Beurteilungsgrundlagen verwischt. Darüberhinaus kann man fahrlässig handeln, auch wenn man sich gerade keinerlei risikorelevanter Umstände bewusst ist, so dass eigentlich diesbezüglich ein Irrtum gegeben sein müsste, wenn man der Ansicht von Struensee folgt.542 Bezeichnenderweise sieht Struensee ganz im Gegensatz zu Kaufmann543, der von der Tatbestandsverschiedenheit ausgeht, denn auch eine homogene Struktur zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsunrecht.544 Aber auch in einem weiteren Punkt besteht keine Einigkeit. Die Funktion des subjektiven Tatbestands sieht Struensee in der normativen Auswahl eines Mindestumfangs des Bewusstseins des Täters an erfolgsverursachenden Kausalfaktoren.545 Er bekennt sich folglich ausdrücklich zur Normativität dieses Vorgangs, die Kaufmann entschieden abgelehnt hat. 535 536 537 538 539 540 541 542 543 544 545

Vgl. Struensee, GA 1987, S. 99. Vgl. Struensee, GA 1987, S 99 f. Struensee, GA 1987, S. 100. Vgl. dazu Roxin, Kaufmann-GS, 1989, S. 247 f. Vgl. dazu auch Roxin, Kaufmann-GS, 1989, S. 247. Vgl. Struensee, JZ 1987, S, 59 f. Vgl. Struensee, GA 1987, S. 101. Vgl. dazu Roxin, Kaufmann-GS, 1989, S. 249. Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 253. Vgl. Struensee, JZ 1987, S. 62. Vgl. Struensee, GA 1987, S. 105.

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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Jedoch billigt Struensee der Lehre von der objektiven Zurechnung zu, dass sie für die Begriffe des erlaubten Risikos „[ . . . ] Wertvolles geleistet [ . . . ]“546 bzw. „[ . . . ] unter diversen Titeln wie Adäquanz, unerlaubtes Risiko, Vertrauensgrundsatz, Rechtswidrigkeitszusammenhang, Normzweckwidrigkeit, Gefahrverwirklichung etc. [ . . . ]“ wesentliche Aspekte herausgearbeitet habe – er sieht die Lehre deutlich differenzierter als Kaufmann oder Lampe. Zugleich hat jedoch Struensee die außerordentlich anschauliche Beschreibung der Lehre von der objektiven Zurechnung als „[ . . . ] eines den gesamten objektiven Tatbestand an sich reißenden und in sich ertränkenden Strudels“547 geprägt.

b) Kritische Einordnung Neben den gerade dargestellten Einwänden gegen die Kritik an der Berücksichtigung des Sonderwissens des Täters bestehen weitere gewichtige Bedenken gegen die geübte Kritik an der objektiven Zurechnung. Der Versuch, Probleme durch Auslegung des Tatbestands bzw. Ermittlung des tatbestandsmäßigen Verhaltens zu lösen, ist kein fundamentaler Gegensatz zur Lehre von der objektiven Zurechnung. Dies wurde schon bei der Behandlung der Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten gezeigt. Vielmehr ist hierin das Eingeständnis zu sehen, dass bestimmte Aspekte zwingend einer Lösung im objektiven Tatbestand bedürfen, da sie mit Vorsatz- und Rechtfertigungserwägungen nicht in den Griff zu bekommen sind. Kaufmann hatte die Lehre von der objektiven Zurechnung gerade wegen ihrer normativen Elemente und der damit verbundenen Unbestimmtheit der Tatbestände scharf angegriffen. Nicht nachvollziehbar ist es, inwieweit die Ermittlung der Tatbestandsgrenzen durch Auslegung und durch die Kategorie des tatbestandsmäßigen Verhaltens dem Grunde nach weniger normativ und unbestimmt sein soll. Bereits der Definition des Tötens als Verkürzung des Lebens liegt eine wesentliche normative Wertung zugrunde. Auch ist der Vorwurf des Vorgriffs auf Rechfertigungsfragen in Fällen der Risikoverringerung unzutreffend. Die Frage der Rechtfertigung kann sich erst bei Vorliegen eines verwirklichten Unrechtstatbestands stellen, der die generelle Unvereinbarkeit mit der Rechtsordnung indiziert. Bei einem Verhalten, dass Schaden eindeutig und ausschließlich mindert, ist es offensichtlich, dass nicht nach Gründen zu Fragen ist, weshalb dieses Verhalten im Einzelfall doch im Sinne unserer Rechtsordnung ist – dies ist gerade der Ansatzpunkt der Rechtfertigungsgründe.548 Vielmehr ist dies ein objektiv und in jeder Situation begrüßenswertes Handeln, das generell erwünscht ist und kein Unrecht darstellt. Alles Andere stellte die Realitäten auf den Kopf.549 546 547 548

Struensee, JZ 1987, S. 58. Struensee, GA 1987, S. 97. Vgl. statt aller dazu Kühl AT, § 6 Rn. 1 f.

150

D. Die objektive Zurechnung

Auch die in jedem Falle bestehende Einscheidungsrolle des Vorsatzes ist zu hinterfragen. Man kann nicht damit argumentieren, dass im Falle fehlenden Vorsatzes jedenfalls dieser fehle und die Strafbarkeit daran scheitern müsse. Ebenso wenig kann man sich für die Prüfung der Vollendungsstrafbarkeit darauf zurückziehen, dass ja zumindest der Vorsatz gegeben sei.550 Im ersteren Fall käme dem objektiven Tatbestand nur noch eine eingeschränkte Bedeutung zu, und man könnte stets die Prüfung der Strafbarkeit aus Vollendung und Versuch mit der Feststellung beenden, es habe jedenfalls der Vorsatz gefehlt. Der eigenständigen Bedeutung des objektiven Tatbestands wird dies nicht gerecht. Insofern führt die Lehre von der objektiven Zurechnung eben nicht, wie Kaufmann meint, zu einer Verkomplizierung, vielmehr macht er es sich zu einfach. Im letzteren Fall, bei dem zumindest der Vorsatz gegeben ist, kann dem Vorsatz ebenfalls für die Vollendungsstrafbarkeit nicht die entscheidende Rolle zukommen. Dies würde nur dann gelten, wenn man das Vollendungsunrecht darin erschöpft sieht, dass der Täter vorsätzlich die kausale Erfolgsherbeiführung vorgenommen hat, d. h. sich auf Prüfung von Kausalität und Vorsatz beschränkt.551 Dies ist jedoch problematisch, weil Konstellationen, die objektiv aufgrund mangelnder Zurechnung nicht als Unrecht einzustufen sind, nur dadurch zu Unrecht würden, weil der Täter den Erfolg gewollt hätte. Noch weiter geht Kaufmann dann, wenn er für Vollendungsunrecht den beendeten Versuch ausreichen lässt. Dann kommt in der Tat dem Vorsatz die entscheidende Rolle zu. Diese Konstruktion ist jedoch insgesamt entschieden abzulehnen. Der ausschließliche Rückgriff auf subjektive Intentionen führt weg vom Grundprinzip des Tatstrafrechts und weist den Weg ins reine Gesinnungsstrafrecht.552 Damit eng verbunden ist eine weitere Gefahr durch das (vorschnelle) Abstellen auf den Vorsatz. Es wird dadurch der Blick dafür verstellt, welches Verhalten bzw. welches Geschehen objektiv als Unrecht einzustufen ist und welches nicht. Darüberhinaus muss ein Abstellen auf den Vorsatz zwangsläufig in Fällen versagen, in denen am Vorsatz keine Zweifel bestehen, gleichwohl eine Zurechnung jedoch ausscheiden muss. Wessels / Beulke führen hier die Fallgruppen des Schutzzwecks der Norm, der Bildung von Verantwortungsbereichen sowie den Problemkreis der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung an.553 Hier kommt es nicht da549 Darüber kann auch nicht der Hinweis von Bustos Ramírez, Armin Kaufmann-GS, 1989, S. 236, hinwegtäuschen, der den systematischen Ort der objektiven Zurechnung deshalb in der Rechtswidrigkeit sieht, weil auf dieser Ebene alle Wertungen vorgenommen würden. Bestimmte Wertungen werden in der Tat gerade in der Rechtswidrigkeit vorgenommen, jedoch ist dies per se kein Argument für eine völlige Wertungsfreiheit des Tatbestands. 550 So jedoch ganz deutlich Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 261. 551 So Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 261. 552 So ausdrücklich und völlig zu Recht Jakobs, Diskussionsbeitrag in ZStW 99 (1987), S. 659 sowie Hirsch, Lampe-FS, 2003, S. 521: Daher „vollends verfehlt“. 553 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 178; ihnen ausdrücklich folgend Kühl AT, § 4 Rn. 38 Fn. 86.

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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rauf an, ob der Vorsatz vorliegt oder nicht (vielfach wird er vorliegen). Bei Fahrlässigkeitstaten ist dieser Ansatzpunkt mangels Vorsatzprüfung ohnehin zum Scheitern verurteilt. Es handelt sich eindeutig um objektive, wenn auch normative, d. h. ausfüllungsbedürftige, Lösungskriterien, die zwingend im objektiven Tatbestand angesiedelt sind. Sie haben mit der inneren Einstellung des Täters nichts zu tun, eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung bleibt eine solche, auch wenn ein Anderer dies anders sehen mag. Gleiches gilt für Verantwortungsbereiche. Die Fälle der Risikoverringerung wurden schon behandelt, diesbezüglich scheint Kaufmann die Schwäche seiner Position zu erkennen, will er sie doch nicht im Vorsatz sondern auf der Ebene der Rechtswidrigkeit lösen. Auch dies ist jedoch entschieden abzulehnen. Die Gesamtproblematik der Rolle des Vorsatzes zeigt die Richtigkeit der Anwendung der objektiven Zurechnung gleichermaßen auf Vorsatz- wie auf Fahrlässigkeitsdelikte, denn unverbotenes Handeln verliert diese Eigenschaft nicht dadurch, dass der Täter den Erfolg will.554 Insofern ist Kaufmanns Kritik an der Grundformel der objektiven Zurechnung, ihr stehe die „[ . . . ] Herkunft aus dem fahrlässigen Delikt auf die Stirn geschrieben [ . . . ]“555 nicht (mehr) haltbar, denn seine eigene Grundannahme der Tatbestandverschiedenheit von vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt lässt sich, wie oben (D.IV.) gezeigt, nicht halten und seine Feststellung, dass über eine „angebliche Übereinstimmung“556 in einem objektiven Tatbestandsteil häufig noch Fehlvorstellungen bestünden, ist überholt. Der Hinweis Kaufmanns auf die Probleme der Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung (insbesondere bei Abweichungsfällen) hinsichtlich ihrer Behandlung im Vorsatz ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. In der Tat stellt sich die von ihm formulierte, von Lampe557 übernommene und oben bereits wiedergegebene Kernfrage, wieso sich der Vorsatz nicht auf die tatsächlichen Grundlagen der objektiven Zurechnung beziehe und warum man nicht dann zu einem Vorsatzausschluss komme, wenn und weil sich der Täter keinerlei Gedanken über die Abweichung vom Kausalverlauf gemacht habe. Bejahe man die Strafbarkeit gleichwohl, so sei dies eigentlich eine Ausdehnung des Bereichs des vollendeten Delikts und nicht, wie die objektive Zurechnung eigentlich bezwecke, eine Einschränkung.558 In eine ähnliche Richtung gehen die von Frisch vorgebrachten und oben ausführlich dargestellten Bedenken, dass sich der Vorsatz aus systematischen Gründen nicht auf den Realisierungszusammenhang beziehen könne, dies aber bei konsequenter Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung eigentlich müsse. 554 555 556 557 558

Vgl. Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 93. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 258. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 253. Vgl. Lampe, Kaufmann-GS, 1989, S. 197. Zu dieser Argumentation vgl. erneut Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 262 f.

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D. Die objektive Zurechnung

Letztlich ist hier die Frage nach Existenz und Umfang der Rechtsfigur des Irrtums über den Kausalverlauf, wenn auch nicht als solche bezeichnet, klar formuliert. Auf den ersten Blick ist der Einwand von Kaufmann durchaus nicht unplausibel, denn wenn die objektive Zurechnung zum objektiven Tatbestand gehört, welche Rolle müssen sie und ihre tatsächlichen Grundlagen dann im Vorsatz spielen? Fraglich ist vor allen Dingen, ob § 16 StGB ohne weiteres und in jedem Fall Anwendung finden kann. Kaufmann ist jedenfalls darin zuzustimmen, dass dies eine „Kernfrage“ ist, wenn nicht für die Lehre von der objektiven Zurechnung als solche, so jedenfalls für die vorliegende Untersuchung. Er weist völlig zu Recht darauf hin, dass diesbezüglich Einiges ungeklärt und auf den ersten Blick unschlüssig ist. Damit ist zugleich der Weg der weiteren Untersuchung vorgezeichnet. Die Stichhaltigkeit der von Kaufmann und Lampe vorgebrachten Argumente hinsichtlich der Behandlung im Vorsatz als Kritik und Ablehnungsrund für die Lehre von der objektiven Zurechnung als Ganzes hängt wesentlich davon ab, ob es einen sachgerechten Weg der Behandlung im Vorsatz gibt. Dem Grunde nach sind die von Frisch, Kaufmann und Lampe vorgebrachten Probleme der objektiven Zurechnung – insbesondere bei den Abweichungsfällen – im Vorsatz keine Kritik an der Lehre selbst, soweit und solange man diese Bedenken bzw. Probleme hinsichtlich des subjektiven Tatbestands auszuräumen vermag. Zwar dürfte die Ansicht Kaufmanns, dass man darüber, wie man „[ . . . ] das objektiv zugerechnete seinerseits dem Vorsatz zuzurechnen [ . . . ]“ habe, „[ . . . ] wohl erst ansatzweise nachgedacht [ . . . ]“ habe559, jedenfalls aus heutiger Sicht etwas übertrieben sein. Gleichwohl liegt hier Manches im Argen, und die vorgebrachten Lösungen sind höchst unterschiedlich. Gerade das Ausräumen der Bedenken hinsichtlich des subjektiven Tatbestands, die Unschlüssigkeit bzw. Unrichtigkeit einiger Lösungsansätze für diesen Problemkreis sowie die Entwicklung und Benennung richtiger Lösungsansätze ist Gegenstand dieser Untersuchung und steht im Zentrum der kommenden Abschnitte E und F. 3. Die Kritik von Hans Joachim Hirsch a) Vorsätzliche Delikte Hirsch setzt sich im Wesentlichen in drei Beiträgen mit der Lehre von der objektiven Zurechnung auseinander.560 Seine Kritik an der Lehre von der objektiven Zurechnung verändert sich hinsichtlich des Ausmaßes seiner Ablehnung und insArmin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 258. Zuerst Hirsch, Uni Köln-FS, 1988, S. 399 ff., später ders., Lenckner-FS, 1998, S. 119 ff. sowie ders., Lampe-FS, 2003, S. 515 ff. 559 560

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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besondere hinsichtlich der Begründungen. Zunächst wirft auch Hirsch der Lehre von der objektiven Zurechnung vor, dass sie bei der Ermittlung der Gefährlichkeit von Handlungen vom Informationsstand des Täters ausgehe. Dies sei ein Aspekt der subjektiven Seite und daher lasse sich über die Missbilligung des Verhaltens erst als Ergebnis von objektiver und subjektiver Tatbestandsseite entscheiden.561 Gerade im Rahmen der Fälle der mangelnden Beeinflussbarkeit wie etwa den Erbonkelfällen sei für die Beurteilung der Gefährlichkeit das Wissen des Täters um eventuelle Defekte des Flugzeugs und damit die subjektive Seite entscheidend. Habe der Täter kein solches Wissen, fehle schlicht der Tatvorsatz, denn den Erfolg könne man nur wünschen bzw. hoffen und nicht wollen.562 Zu diesen Argumenten gilt das im Vorkapitel bereits ausgeführte, sie sind nicht stichhaltig. Nach Hirsch geht es jedoch bei den Problemen der objektiven Zurechnung insgesamt um Fragen des subjektiven Tatbestands. Dies zeige sich gerade an den Abweichungsfällen. Im Brückenpfeilerfall komme es darauf an, ob die Abweichung noch als vom Vorsatz umfasst angesehen werden könne, denn es gehe um eine Abweichung von dem Verlauf, den sich der Täter „vorgestellt“563 habe. Letztlich gehe es immer um die Eingrenzung der Tatbestände eben nicht aus den Gesichtspunkten der objektiven Zurechnung, sondern „[ . . . ] durch den Vorsatz als Steuerungsfaktor der Handlung.“564 Die für die objektive Zurechnung verwendete Frage nach der Schaffung und Realisierung einer Gefahr sei zur Problemlösung nicht einschlägig. Denn auch in den Fällen der wesentlichen Abweichung vom Kausalverlauf habe der Täter eine Gefahr objektiv herbeigeführt und sein Verhalten sei daher missbilligt.565 Diese Feststellung ist richtig, aber damit wird die Lehre von der objektiven Zurechnung nicht richtig interpretiert. Denn die Zurechnung kann entweder aufgrund mangelnder Gefahrschaffung oder mangelnder Realisierung derselben entfallen. Gefahrschaffung alleine reicht eben nicht aus. Hirschs Schlussfolgerung ist daher, dass es bei Vorsatzdelikten keinen Raum für die Lehre von der objektiven Zurechnung gebe.566 Insoweit deckt sich zu diesem Zeitpunkt seine Ansicht im Ergebnis mit der von Kaufmann. An diesem Fazit hält Hirsch inhaltlich auch später fest, indem er feststellt, dass die Lehre bei Vorsatzdelikten nicht nur entbehrlich, sondern auch nicht sachgemäß sei.567 Die Begründung verändert sich jedoch fundamental. 561 562 563 564 565 566 567

Vgl. Hirsch, Uni Köln-FS, 1988, S. 405. Vgl. Hirsch, Uni Köln-FS, 1988, S. 405 f. Hirsch, Uni Köln-FS, 1988, S. 404 [Hervorhebung im Original]. Hirsch, Uni Köln-FS, 1988, S. 407. Vgl. Hirsch, Uni Köln-FS, 1988, S. 404 f. Vgl. Hirsch, Uni Köln-FS, 1988, S. 406. Vgl. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 138.

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D. Die objektive Zurechnung

Hirsch gesteht zunächst zu, dass es in Fällen wie den Erbonkelfällen „wenig lebensnah“ sei, erst den Vorsatz zu verneinen, denn die – früher von im selbst568 vertretene – Begründung für die Richtigkeit der Lösung im Vorsatz, dass es sich nur um Hoffen nicht um Wollen handele, deute darauf hin, dass es sich um „Defizite in objektiver Hinsicht“569 handele. In Abkehr von seiner noch 1988 vertretenen Ansicht fährt er fort, dass „[ . . . ] die seitens der Lehre von der objektiven Zurechnung geäußerte Kritik [ . . . ] daher bei dieser Fallkonstellation berechtigt [ . . . ]“570 sei, denn es mangele schon an jeglichem deliktischem Unrecht.571 Darüberhinaus räumt Hirsch auch in den Abweichungsfällen, namentlich dem Krankenhausbrandfall ein, dass sich in solchen Fällen schwerlich sagen lasse, dass der objektive Tatbestand des Mordes oder Totschlags erfüllt sei.572 Er untermauert seine Schlussfolgerung durch den Hinweis auf den Fall, dass der Täter dem Verletzten vorsätzlich nur eine leichte Verletzung zugefügt habe verbunden mit der Hoffnung, er werde bei einem Krankenhausbrand ums Leben kommen.573 Auch hier handele es sich um Defizite im Objektiven. Damit grenzt er sich ganz deutlich von der von Kaufmann vertretenen und als Gesinnungsstrafrecht abzulehnenden Ansicht ab, die hier eine (Vollendungs-)Strafbarkeit bejahen könnte bzw. müsste. Geschieht diese Abgrenzung hier noch mittelbar, so ist sie acht Jahre später ganz deutlich, indem er Kaufmanns Lehre als „vollends verfehlt“ einstuft.574 Auch für Fälle der Risikoverringerung räumt Hirsch schließlich ein, dass es Fälle gebe, bei denen die Bejahung des objektiven Tatbestandes problematisch sei.575 Inhaltlich sind dies Argumente der Lehre von der objektiven Zurechnung. Gleichwohl lehnt Hirsch, wie bereits erwähnt, die Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung ab. Vielmehr will er die Lösung ähnlich wie Frisch bereits vor der Frage nach der Zurechnung suchen.576 Anstelle der objektiven Zurechnung setzt Hirsch das Kriterium des Beginns einer „Erfolgsverwirklichungshandlung“577 ein. Man müsse an der Handlung selbst ansetzen und nach dem Beginn der objektiven Handlung fragen578, Vgl. nochmals Hirsch, Uni Köln-FS, 1988, S. 405. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 123. 570 Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 123 f. 571 Vgl. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 133. 572 Vgl. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 125. 573 Vgl. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 125. 574 Hirsch, Lampe-FS, 2003, S. 521; ausführlich zu dieser Problematik auch ders., MeurerGS, 2002, S. 7 ff. 575 Vgl. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 126. 576 Die von Hirsch gestellte Frage als Ausgangspunkt seiner Lösungsüberlegungen lautet: „Verbergen sich hinter den Defiziten, welche die herkömmliche Dogmatik bei den Voraussetzungen des objektiven Tatbestands erkennen lässt, nicht bereits Defizite der bisherigen Handlungslehre?“ So Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 131. 577 Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 136 f. 578 Vgl. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 133. 568 569

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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entscheidend dafür sei wiederum das Vorliegen des Versuchsbeginns nach § 22 StGB – beispielsweise begehe der Hersteller von Sprengstoff allenfalls eine Vorbereitungshandlung für ein späteres Attentat und daher keine Tat- bzw. Tötungshandlung.579 So plausibel dies auf den ersten Blick klingt, so problematisch ist dies im Falle einer vom Täter gewollten Unterstützung des Attentats eines Haupttäters. Im Falle der Beihilfe muss der Täter selbst noch nicht die Versuchsschwelle überschritten haben, er begeht jedoch strafbares Unrecht, vorausgesetzt es kommt zu einer Haupttat. Es müssten dann je nach Konstellation unterschiedliche, weil (tatbestands-)spezifische Handlungsbegriffe gelten – eine höchst problematische Konsequenz für einen praktikablen Handlungsbegriff. Auch in den Erbonkelfällen soll es an einer „Tötungshandlung“ fehlen.580 Dabei bleibt die Terminologie uneinheitlich, ob es an einem Ansetzen zur Tötungshandlung fehlt oder an dieser selbst, vermutlich ist gemeint, dass eine Tötungshandlung im Sinne einer Erfolgsverwirklichungshandlung ein unmittelbares Ansetzen voraussetzt.581 Jedenfalls setze das Ansetzen zu einer Tötungshandlung eine Beherrschung des von ihr umfassten Kausalgeschehens voraus. Für die Erbonkelfälle scheint dies eine durchaus plausible Argumentation zur Ablehnung der Strafbarkeit. Trotzdem darf man nicht verkennen, dass es bei Eintritt des Erfolges an der Zurechnung nicht deshalb fehlt, weil es nicht zu einem unmittelbaren Ansetzen gekommen ist oder weil die Kriterien für eine Handlung nicht erfüllt sind, sondern weil schlicht keine missbilligte Gefahr geschaffen wurde.582 Hirsch wendet sich ausdrücklich gegen das „normative Merkmal“ der Verbotenheit der Handlung bzw. Gefahrschaffung.583 Wenn Hirsch argumentiert, es handele sich deshalb nicht um eine Erfolgsverwirklichungshandlung, da sorgfaltskonforme und im Rahmen sozialer Neutralität liegende Verhaltensweisen vorlägen, weil man damit nicht zu einer Tötungshandlung ansetzen könne, dann ist das allerdings nicht minder normativ. Er muss sich letztlich mit einem Rückgriff auf die Lehre von der Sozialadäquanz helfen, indem er davon ausgeht, dass sich eine sozialkonforme Handlung nicht als Ansetzen zu einer Tötungshandlung begreifen lasse.584 Gleiches gilt für die Fälle der Risikoverringerung, die sich aus Hirschs Perspektive nur durch das Argument lösen lassen, dass es an einer Erfolgsverwirklichungshandlung fehle, da der Energieeinsatz des Täters die Gefährdung „lediglich reduziert“585 habe. Auch dies ist bei genauerem Hinsehen ein Argument auf einer normativen Grundannahme, dass nämlich Energie der Ersthandlung absorbierende Zweithandlungen nicht als Erfolgsverwirklichungshandlung anzusehen sind. 579 580 581 582 583 584 585

Vgl. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 133 f. Vgl. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 135. Vgl. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 135 f. So ganz deutlich Frisch, FS-Roxin, 2001, S. 227. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 136 f. Vgl. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 137. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 138.

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D. Die objektive Zurechnung

Es ist hier erneut drauf hinzuweisen, dass der entscheidende Ausgangspunkt für die Frage des Unrechts der Sache nach die Schaffung einer missbilligten Gefahr ist – unabhängig davon wie man diesen Sachverhalt bezeichnet. Dass diese Bezeichnung bzw. Ermittlung durch ein normatives Kriterium erfolgt, ist unschädlich, „[ . . . ] wenn es sich nur um das richtige Kriterium handelt.“586 Strukturell höchst problematisch sind an dem Ansatz von Hirsch neben der Notwendigkeit eines Rückgriffs auf die zu unbestimmte und damit abzulehnende Lehre von der Sozialadäquanz 587 jedoch vor allen Dingen zwei eng verknüpfte Aspekte. Zum einen werden wesentliche Fragen für das Vorliegen des objektiven Tatbestands in den Handlungs- bzw. Verhaltensbegriff gezogen. Nach ganz herrschender, auch hier588 vertretener Ansicht hat der Verhaltensbegriff jedoch eine nur sehr eingeschränkte Ausscheidungsfunktion im Rahmen der strafrechtlichen Prüfung. Ob ein Verhaltensbegriff in der Lage ist bzw. sein kann, all diese inhaltlichen Aspekte abzudecken, erscheint sehr zweifelhaft, die Gefahr einer Überfrachtung der Verhaltensbegriffs ist offensichtlich. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, weshalb die von Hirsch kritisierte „bedenkliche Relativierung der Tatbestandsbestimmtheit“ 589 durch die Aufnahme allgemeiner normativer Gesichtspunkte im Zuge der Lehre von der objektiven Zurechnung im Gegensatz dazu bei faktisch ebenso erfolgender Aufnahme eben solcher Aspekte in den Handlungsbegriff nicht gegeben sein soll. Jedenfalls aber ist ein genuiner Vorteil der Verschiebung der Probleme von der objektiven Zurechnung in den Verhaltensbegriff nicht erkennbar. Der zweite problematische Punkt besteht darin, dass der Handlungsbegriff tatbestandsbezogen aufgefasst wird und nach Vorliegen beispielsweise einer Tötungshandlung gefragt wird. Üblicherweise ist jedoch die Frage nach dem Vorliegen einer Handlung den Überlegungen zur Kausalität vorgeschaltet. Wie aber kann ohne Kausalitätsfeststellung das Vorliegen einer Tötungshandlung, ja irgendeiner tatbestandsbezogenen Handlung festgestellt werden? Dies kann man nur, wenn man die Kausalität vorwegnimmt, dann handelt es sich aber im Folgenden nicht mehr um die Frage nach einer Handlung, denn vor der Bestimmung der Kausalität (eines Verhaltens) wird immer die Frage nach dem menschlichen Verhalten selbst – im Falle von Begehungsdelikten der Handlung – zu stellen sein. Es lässt sich die Kritik an der Konzeption des tatbestandsmäßigen Verhaltens auf die Lösung von 586 Frisch, GA 2003, S. 732; zur Unhaltbarkeit der finalistischen Kritik an der Normativität der Lehre von der objektiven Zurechnung siehe auch die Ausführungen im vorherigen Kapitel sowie Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 226 f., 229; ders., GA 2003, S. 732 sowie Schünemann, GA 1999, S. 219, 228. 587 Siehe dazu bereits oben Abschnitt D.II.3.a). 588 Siehe oben Abschnitt C.I. 589 Hirsch, Lampe-FS, 1998, S. 140.

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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Hirsch übertragen, weshalb hier auf selbige zu verweisen ist,590 beide Ansätze sind sich methodisch und systematisch sehr ähnlich. Nur angedeutet ist damit die zusätzliche Schwierigkeit, die sich für diese Lösung bei Unterlassungsdelikten ergibt.

b) Fahrlässige Delikte Hinsichtlich der Anwendung im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte hat sich der Standpunkt von Hirsch nicht nur inhaltlich, sondern auch im Ergebnis verändert. Früher ging er noch davon aus, dass sich die im Rahmen dieser Delikte für die Lehre von der objektiven Zurechnung zentralen Kriterien des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs und des Schutzzwecks der Norm bereits aus dem Wesen bzw. den Besonderheiten des Deliktstypus ergäben und daher für die Lehre als solche kein Raum und kein Bedürfnis bestehe.591 Er bilanziert infolgedessen, dass „die Lehre von der objektiven Zurechnung auch für das fahrlässige Delikt keinen Gewinn darstellt.“592 Hingegen ist in seinen Aussagen tatsächlich eine Anerkennung der Lehre in der Sache zu sehen. Denn wenn die Lehre deswegen überflüssig sein soll, weil sie dasjenige formuliert, das sich aus dem Wesen der Fahrlässigkeitsdelikte ergibt, so kann die Lehre inhaltlich nicht verfehlt sein.593 Im Gegensatz zu seiner früheren Auffassung sieht Hirsch im Jahre 2003 hinsichtlich „[ . . . ] des Bedingungszusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg beim fahrlässigen Delikt [ . . . ] einen berechtigten Anwendungsbereich“594 der Lehre von der objektiven Zurechnung. Damit lässt sich aber auch der insgesamt gegenüber dieser Lehre gemachte Vorwurf der überzogenen Normativierung und damit verbundenen Unsicherheit kaum mehr halten, denn die Frage der Sorgfaltswidrigkeit mit all ihren Facetten ist mit erheblichen Unsicherheiten verknüpft.595 Für das Vorsatzdelikt sieht sich Hirsch faktisch durch die strukturelle Unterschiedlichkeit zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt an der Übertragung dieser Erkenntnis gehindert. Diese Frage ist oben in Abschnitt IV. ausführlich behandelt und in der Weise beantwortet worden, dass strukturelle Gründe, die die Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung gleichermaßen auf Vorsatzund auf Fahrlässigkeitsdelikte grundsätzlich ausschließen, nach hier vertretener Ansicht nicht bestehen. Bemerkenswert ist, dass die aus seiner Sicht unüberwindSiehe oben D.V.1. Vgl. Hirsch, Uni Köln-FS, 1988, S. 406 sowie ders., Lenckner-FS, 1998, S. 127 und 140; ebenso Küpper, Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik, 1990, S. 100 ff. 592 Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 140. 593 Vgl. dazu Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 221. 594 Hirsch, Lampe-FS, 2003, S. 523. 595 Vgl. Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 221. 590 591

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D. Die objektive Zurechnung

baren Unterschiede zwischen beiden Deliktstypen im Jahre 2003 den zentralen Grund für die Nichtanwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung auf Vorsatzdelikte darstellen.596 In seinen vorangegangenen Gedanken vertrat er noch die Auffassung, dass die dort geübte Kritik an der objektiven Zurechnung bei den Vorsatztatbeständen „[ . . . ] durch die tatbestandliche Verschiedenheit von vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt ihre Bestätigung findet.“597 Offensichtlich sind an die Stelle der dort noch geübten inhaltlichen und lösungsorientierten Kritikpunkte die anfangs nur ergänzend herangezogenen strukturellen Aspekte getreten. Aus Sicht von Hirsch ist dies insoweit konsequent, als er die objektive Zurechnung sonst auch bei Vorsatzdelikten anerkennen müsste – ihre zentralen Wertungen scheint er inhaltlich bereits akzeptiert zu haben. Letztlich bestätigt dies inhaltlich die auch hier zur Lehre von der objektiven Zurechnung vertretene Ansicht. 4. Die Ansicht der Rechtsprechung An dieser Stelle soll ein kurzer Blick auf den grundsätzlichen Standpunkt der Rechtsprechung geworfen werden, auch wenn im Rahmen der oben dargestellten Lösungskriterien an vielen Stellen auf deren Ansicht verwiesen wurde. Wesentliche Grundgedanken und Lösungsansätze der Lehre von der objektiven Zurechnung hat die Rechtsprechung598 im Bereich der Fahrlässigkeitdelikte übernommen. Beispielsweise greift sie auf Überlegungen zum Schutzweck der Verhaltensnorm und zum Pflichtwidrigkeitszusammenhang599 zurück.600 Ebenso finden sich deutliche Ansätze im Sinne der Lehre von der objektiven Zurechnung auch im Bereich der Vorsatzdelikte601, indem auf das Prinzip der Selbstverantwortlichkeit zur Lösung von Fällen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung Bezug genommen wird.602 Dies zeigt deutlich, dass die Rechtsprechung der Lehre nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber steht603, jedoch dürfte die Einschätzung von Wessels / Beulke Ganz deutlich Hirsch, Lampe-FS, 2003, S. 518 sowie S. 523 f. Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 140. 598 Vgl. dazu auch die Rechtsprechungsübersicht bei Duttge, NStZ 2006, S. 266 ff.; sowie bei Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 86. 599 Inhaltsgleich BGHSt 11, 7, wo von Kausalität der Pflichtwidrigkeit die Rede ist. 600 Vgl. die Ausführungen in D.II.2.; siehe auch die Nachweise bei Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 218, insbesondere Fn. 29. 601 Mitsch, JuS 2001, S. 108, sieht im Bereich der Fallgruppe der Beteiligung an fremder Selbstschädigung „Harmonisierungstendenzen“ zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Erfolgsdelikt. 602 Vgl. BGHSt 37, 182; siehe auch schon die bereits erwähnte Wendung der Rechtsprechung in BGHSt 32, 262. 603 Vgl. Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 218. 596 597

V. Abweichende Lösungswege – Kritik

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wohl zutreffend sein, wonach die Rechtsprechung eine Haftungsbegrenzung im objektiven Tatbestand bisher nur in Einzelfällen vorgenommen habe.604 Denn gerade für den Bereich der Vorsatzdelikte findet sich keine solche Verbreitung bzw. Übernahme der entsprechenden Gedanken. Die Rechtsprechung löst Vieles über die Rechtsfigur der vorsatzausschließenden Abweichung vom (vorgestellten) Kausalverlauf. Allenfalls im Bereich der freiverantwortlichen Selbstgefährdung scheint sich auch hier eine Änderung abzuzeichnen.605 Dem Grunde nach richtig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis von Frisch, dass man dieses Schweigen der Rechtsprechung nicht überbewerten solle und sich daraus keine grundsätzliche Ablehnung entnehmen lasse.606 Begründet wird diese Ansicht damit, dass der Rechtsprechung die Gelegenheit zur Stellungnahme schlicht gefehlt habe, denn welcher Vorsatztäter versuche allen Ernstes – abgesehen von allen Nachweisschwierigkeiten – jemanden durch erlaubtes Verhalten ohne missbilligtes Risiko zu töten.607 Auf den ersten Blick ist dieser Hinweis konsequent, wer würde in der Tat seinen Erbonkel durch Überredung zu einer Flugzeugreise töten wollen und wie sollte dieser Fall höchstrichterlicher Rechtsprechung zugeführt werden? Jedoch gilt dies nur für die Frage nach erlaubtem Verhalten, mithin für das erste Element der Grundformel. Anders sieht die Sache im Bereich der Realisierungsproblematik aus. Diese Fälle sind nicht so selten. In solchen Konstellationen sind nach Ansicht des Bundesgerichtshofs „[ . . . ] Abweichungen des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf für die rechtliche Bewertung bedeutungslos, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen.“608 Genau in diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung an einer Stelle Stellung zur Lehre von der objektiven Zurechnung genommen und die Lehre keinesfalls verworfen. In BGHSt 38, 34 heißt es: „Es kann hier dahinstehen, ob das vorliegende Problem der Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf allein unter dem Gesichtspunkt des Vorsatzes von Bedeutung [ . . . ] oder ob bereits die objektive Zurechnung in Zweifel zu ziehen ist.“ Ob darin eine faktische Anerkennung der Lehre zu sehen ist, erscheint zweifelhaft aber möglich. Eine vollständige Übernahme der Lehre ist darin nicht zu erblicken.609 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 181. Vgl. BGHSt 37, 182 ff.; auch BGHSt 32, 262 sowie oben D.II.2.d)aa). 606 Vgl. Frisch, GA 2003, S. 729 sowie ders., Roxin-FS, 2001, S. 219. 607 Vgl. Frisch, GA 2003, S. 729 f. 608 BGHSt 38, 34; dies ist ständige Rechtsprechung des BGH vgl. auch BGHSt 7, 329; BGH NStZ 2001, S. 29 (Leitsatz) jeweils m. w. N. 609 Später, beispielsweise in BGH NStZ 2001, S. 29 ff., finden sich solche Hinweise nämlich nicht mehr. 604 605

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D. Die objektive Zurechnung

Aufgrund der restriktiven Voraussetzungen eines vorsatzausschließenden Irrtums über des Kausalverlauf seitens der Rechtsprechung kann man davon sprechen, dass nur bei einem völlig atypischen Kausalverlauf die Zurechnung entfällt. Jedoch trägt dieser Zusatz zur Lösung der Fälle wenig bei, weist im Gegenteil zu einseitig den Weg zur Anwendung des Adäquanzkriteriums und ist daher verzichtbar. Auf die inhaltliche und systematische Richtigkeit des Ansatzes der Rechtsprechung soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Dies geschieht im Zuge der Darstellung der verschiedenen Ansätze zur Behandlung der objektiven Zurechnung bzw. der Fälle atypischer Kausalverläufe im Vorsatz, da einige Vertreter der Literatur sich des Kriteriums der Rechtsprechung bedienen.610

VI. Weiterführendes Resümee – Rechtfertigung Vorab sei angemerkt, dass nicht alle Vorzüge und Probleme im Zusammenhang mit der Lehre von der objektiven Zurechnung aufgegriffen werden können. Die große Stärke dieser Lehre liegt in der Lösung der vielfältigen Fallkonstellationen selbst und ist daher implizit bereits in den obigen Darstellungen enthalten. Im Folgenden soll daher nur auf einige besonders erwähnenswerte Punkte eingegangen werden. 1. Zur vorgebrachten Kritik Die der Lehre von der objektiven Zurechnung entgegengehaltenen Einwände haben sich im Wesentlichen als nicht haltbar erwiesen. Entweder sind sie aus systematischen und aus Wertungsgesichtspunkten unhaltbar – so vor allem die Kritik von Kaufmann, Lampe, Struensee und die frühe Kritik von Hirsch. Oder es handelt sich um Konzepte, die hinsichtlich ihrer Lösung und Einordnung in den (objektiven) Tatbestand der Lehre von der objektiven Zurechnung nicht grundsätzlich entgegengesetzt sind – so die Konzeption von Frisch und die spätere Kritik von Hirsch. Letztlich sind insbesondere die beiden letzten Konzepte eine Bestätigung der inhaltlichen Grundsätze und Grundanliegen der Lehre von der objektiven Zurechnung. Immer wieder wird an der Lehre von der objektiven Zurechnung kritisiert, dass sie letztlich mit einer unnötigen, unsystematischen und unscharfen Aufzählung von einzelnen Lösungs- bzw. Zurechnungskriterien operiere, um nur möglichst viele Sachfragen abdecken zu können. Der Kritik mangelt es keineswegs an Plastizität, es wird davon gesprochen, dass die Lehre „[ . . . ] wie riesiger Krake mit zahl610 Vgl. die Nachweise bei Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 55; siehe auch die Hinweise bei BGHSt 38, 34, wo dieser Ansatz als „bislang herrschende Meinung in der Literatur“ bezeichnet wird.

VI. Weiterführendes Resümee – Rechtfertigung

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losen Tentakeln immer mehr Anwendungsgebiete [ . . . ]“611 erfasse, „[ . . . ] den Effekt eines den ganzen objektiven Tatbestand an sich reißenden und in sich ertränkenden Strudels“612 entfalte, alles was auf Ebene des objektiven Tatbestands über die Kausalität hinausgehe zu einem Anwendungsfall der objektiven Zurechnung werde613 und daher „[ . . . ] unter dem Etikett der objektiven Zurechnung Sachprobleme verschiedenster Art zusammengefasst werden [ . . . ]“, die auch ohne die Lehre präzise Berücksichtigung fänden.614 Diese begnüge sich damit, „[ . . . ] auf die Kausalität weitere Erfordernisse katalogartig aufzupfropfen“615 und sei eine „Rumpelkammer“ 616. Es handele sich schlicht um „ein Ensemble von Topoi“, das zu einem „Orkus“ geworden sei, in dem zuletzt auch die Tatbestände selbst verschwänden.617 Soweit sich diese Kritik auf eine angeblich mangelnde Systematik der Lehre oder gar ihre angebliche Überflüssigkeit bezieht, wurde bereits gezeigt, dass sie nicht haltbar ist und von ihren Kritikern nicht durchgehalten werden kann. Auch kann die Vielfalt der zu lösenden Fragestellungen nicht der Lehre von der objektiven Zurechnung zur Kritik gereichen, wenn sie diese Probleme thematisiert und zu lösen versucht. Dass zur Lösung verschiedener und vielfältiger Probleme auch vielfältige Gedanken innerhalb der Lehre herangezogen werden können bzw. müssen, spricht nicht gegen die Lehre sondern liegt in der Natur der Sache. Gleichwohl darf die Vielfalt nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich insgesamt um Probleme der Zurechnung im hier verstandenen Sinne handelt.618 Angebracht ist Kritik jedoch insoweit, als sie sich auf die unübersichtliche Terminologie mit sehr unterschiedlichem Verständnis und Verwendung von Begriffen bezieht. Hier liegt in der Tat Einiges im Argen und kann zu Missverständnissen und falschen Lösungen führen. Im Zuge dieser Arbeit wurde daher Wert auf Systematisierung und Einordnung nicht nur der Lösungsprinzipien sondern auch der verschiedenen Begrifflichkeiten gelegt, um das terminologische Wirrwarr zu lichten.

611 Schünemann, GA 1999, S. 207; ebenfalls als „Krake“ bezeichnet von Hilgendorf, Weber-FS, 2004, S. 48. 612 Struensee, GA 1987, S. 97. 613 Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 141. 614 Hirsch, Uni Köln-FS, 1988, S. 407. 615 Hirsch, Lampe-FS, 2003, S. 518. 616 Hilgendorf, Weber-FS, 2004, S. 44. 617 Beide Zitate stammen von Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 271 bzw. 270 (der Reihenfolge entsprechend). 618 In diesem Sinne auch Jakobs, Hirsch-FS, 1999, S. 52 Fn. 25, der von „Randunschärfe“ [Hervorhebung im Original] spricht und diese jedoch weil unvermeidlich für sachgerecht hält. Der Kern der Lehre von der objektiven Zurechnung sei aber gesichert.

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D. Die objektive Zurechnung

2. Terminologische Unterschiede beim fahrlässigen Delikt Grundsätzlich sind die Kriterien der Lehre von der objektiven Zurechnung beim fahrlässigen Delikt anerkannt und dort im Wesentlichen unstrittig, denn an der Lehre wird bzw. wurde vielfach gerade bemängelt, dass sie letztlich aus dem Fahrlässigkeitsbereich stamme.619 Uneinheitlich ist gleichwohl das Verständnis, wie die Prüfungsstufen des Fahrlässigkeitsdelikts aufzubauen sind. Vielfach findet sich eine „Symbiose [ . . . ] der traditionellen Begrifflichkeit der Fahrlässigkeitsdelikte“620 mit den Ansatzpunkten der Lehre von der objektiven Zurechnung. Dabei werden nach der Erfolgsverursachung zunächst die (objektive) Sorgfaltspflichtverletzung und die (objektive) Voraussehbarkeit des Erfolges geprüft und sodann wird nach der objektiven Zurechnung des Erfolges gefragt.621 Insbesondere die Problembereiche des Schutzzweckzusammenhangs, des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs aber auch Aspekte des Eigenverantwortlichkeitsprinzips und des Dazwischentretens Dritter werden im Bereich der objektiven Zurechnung diskutiert.622 Letztlich werden bei diesem Ansatz die Probleme, die sich nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Sorgfaltspflicht verorten lassen, im Punkt der objektiven Zurechnung behandelt.623 Demgegenüber will eine andere Ansicht die überlieferte Terminologie im Bereich der Fahrlässigkeit durch die objektive Zurechnung ersetzen. Dies wird damit begründet, dass ein Erfolg, der dem objektiven Tatbestand zugerechnet werde, auch fahrlässig verursacht sei, ohne dass es dazu weiterer Kriterien bedürfe.624 Vom Standpunkt der Lehre von der objektiven Zurechnung aus und insbesondere angesichts des oben erläuterten Verhältnisses zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt ist dies richtig und konsequent. Die Sorgfaltspflichtverletzung führt nicht über das hinaus, was sonst im Rahmen der Prüfung der missbilligten Gefahr bzw. des unerlaubten Risikos geprüft wird. Im Gegenteil, die Sorgfaltspflichtverletzung wird ja gerade durch die Kriterien wie Schutzzweckzusammenhang, Pflichtwidrigkeitszusammenhang, Eigenverantwortlichkeitsprinzip etc. konstituiert und kann isoliert nur schwer bestimmt werden. Dies gilt für Vorsatz- wie für Fahrlässigkeitsdelikte gleichermaßen. Besonders deutlich wird dies am Vertrauensgrundsatz, dem gerade im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte eine besondere Bedeutung zukommt625, der aber als Zu619 Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 258; auch Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 125. 620 Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 218. 621 So beispielsweise Wessels / Beulke AT, Rn. 666 ff.; Kühl AT, § 17 Rn. 13, 22 ff., 45 ff. ; auch Jescheck / Weigend AT, § 55 S. 577 ff., 582 ff. 622 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 674 ff.; siehe auch Kühl AT, § 17 Rn. 45 ff. 623 Vgl. Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 218. 624 Vgl. Roxin AT I, § 24 Rn. 10. 625 Während die Lehre von der objektiven Zurechnung in der Regel im Rahmen der vorsätzlichen Delikte dargestellt wird, so finden sich ausführliche Erläuterungen zum Vertrau-

VI. Weiterführendes Resümee – Rechtfertigung

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rechnungsprinzip im Allgemeinen fruchtbar gemacht werden kann. Gerade der Vertrauensgrundsatz ist schon auf den ersten Blick für die Frage der Sorgfaltspflichtverletzung konstitutiv und von dieser nicht zu trennen. Es ist sachlogisch unsinnig, zunächst eine Sorgfaltspflichtverletzung zu bejahen und daran anschließend im Rahmen der objektiven Zurechnung den Vertrauensgrundsatz in Anwendung bringen zu wollen. Daher wird er von denjenigen, die zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und objektiver Zurechnung trennen, richtigerweise auch im Rahmen des ersteren Aspekts diskutiert.626 Auch das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit ist für die Frage nach der Missbilligung des Verhaltens konstitutiv und es mutet seltsam an, eine solche zunächst abstrakt in Form der Verletzung der Sorgfalt zu bejahen und dann unter dem Gesichtspunkt der objektiven Zurechnung die Verantwortlichkeit (bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Verdikts der Pflichtverletzung?) zu verneinen. Mit diesem Ansatz der Trennung von Sorgfaltspflichtverletzung und objektiver Zurechnung ist eine Aufspaltung der Zurechnungsprobleme und ihrer Lösung verbunden. Diese ist als solche – obwohl eigentlich inkonsequent – nicht besonders problematisch. Man sollte sich diesen Unterschied jedoch vergegenwärtigen, um nicht zu falschen Ergebnissen zu kommen. Es handelt sich eher um ein begriffliches Problem, jedenfalls aber um keines im Ergebnis. Darüberhinaus muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass die Frage der (objektiven) Voraussehbarkeit, d. h. der Adäquanz, im Bereich der fahrlässigen Delikte anerkannt ist.627 Aufgrund des Gleichlaufs zwischen fahrlässigem und vorsätzlichem Delikt spricht auch dies dafür, die Adäquanz als (lediglich) notwendige Bedingung im Rahmen der Zurechnung zu akzeptieren und anzuwenden.

3. Wider der Flucht in den subjektiven Tatbestand Dass es sich bei Fragen der objektiven Zurechnung um ein objektives und damit nicht um ein Vorsatzproblem handelt, wurde in der Auseinandersetzung mit der entsprechenden Gegenansicht bereits oben deutlich gemacht. Vor allen Dingen muss objektiv bestimmbar sein, welches Verhalten die Rechtsordnung dem Urteil der Missbilligung unterwirft. Die Forderung von Frisch, wonach es für den Bürger interessant sei zu wissen, ob er rechtlich einwandfrei gehandelt habe628 bzw. ob ein tatbestandsmäßig verbotenes Verhalten vorliege629, trifft den richtigen Ansatzpunkt. Gerade aus generalpräventiver Sicht ist es wichtig, die Grenzen des Erlaubensgrundsatz im Zuge der Darstellungen zum fahrlässigen Delikt, vgl. Roxin AT I, § 24 Rn. 21 ff.; auch Wessels / Beulke AT, Rn. 671. 626 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 671 f.; Kühl AT, § 17 Rn. 36. 627 Vgl. dazu auch Wessels / Beulke AT, Rn. 673. 628 Vgl. Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 234. 629 Vgl. Frisch, GA 2003, S. 734.

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D. Die objektive Zurechnung

ten objektiv zu bestimmen, weil nur so festzustellen ist, ob eine Verhaltensnorm eine sinnvolle Maßnahme zur Verhinderung bestimmter Erfolge ist – dies ist die eigentliche Funktion der Tatbestände.630 Es ist aus einem weiteren Grund nicht sachgerecht, sich für eine richtige Lösung auf den Standpunkt zurückzuziehen, dass eine Strafbarkeit jedenfalls deshalb auszuscheiden habe, weil der Vorsatz fehle. Bei einer Reihe von Konstellationen versagt diese Möglichkeit schlicht. Dies gilt für Konstellationen des Schutzzwecks der Verhaltensnorm, der Risikoverringerung sowie der Bildung von Verantwortungsbereichen bzw. der Selbstgefährdung.631 Auch und gerade der Gedanke der Bildung von Verantwortungsbereichen ist eine objektive Erwägung, die sich nicht mit dem Vorsatz begründen lässt – Verantwortungsbereiche bestehen oder bestehen nicht. Darüberhinaus ist der Ansatz im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte ohnehin zum Scheitern verurteilt und widerspräche insoweit dem Postulat der Identität des Ausgangspunkts der Bestimmung von Verantwortlichkeit bei beiden Deliktsarten.

4. Zur Bedeutung beim Vorsatzdelikt insbesondere beim Versuch Eine „Entscheidungsrolle des Tatvorsatzes“632 ist jedoch nicht nur für den Fall abzulehnen, dass jedenfalls der Vorsatz fehlt, sondern gerade auch für den Fall, dass der Täter den Erfolg wollte. Kaufmann hielt eine Handlung deswegen für gefährlich, weil sie ein wissentliches und im Ergebnis erfolgreich eingesetztes Mittel zur Herbeiführung eines Erfolges gewesen sei.633 Mit anderen Worten bedeutet dies, dass als objektive Komponenten nur noch eine im Sinne der Äquivalenztheorie kausale Handlung des Täters und ein Erfolg von Nöten ist und alles andere durch den entsprechenden Willen des Täters festgelegt wird.634 Die volle Schuld wird demnach wesentlich durch das Vorhandensein des Tatvorsatzes als gegeben angesehen.635 Auch Schünemann meint, dass beim Vorsatzdelikt das erlaubte Risiko dann erheblich enger als beim Fahrlässigkeitsdelikt zu bestimmen sei, wenn der Täter in Verletzungsabsicht gehandelt habe.636 Vgl. zu diesem Gedanken Schünemann, GA 1999, S. 221. Vgl. nochmals Wessels / Beulke AT, Rn. 178. 632 So die Formulierung von Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1085, S. 263. 633 Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 261; seiner Ansicht nach müsse man zur Falllösung an dem ansetzen, was der Täter vorsätzlich an Fakten geschaffen habe (a. a. O., S. 262). 634 Konsequent ist danach, dass zur Vollendungsstrafbarkeit sogar ein beendeter Versuch ausreichen soll. Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 263 f. 635 Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 263. 636 Vgl. Schünemann, GA 1999, S. 220. 630 631

VI. Weiterführendes Resümee – Rechtfertigung

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Diese Ansätze sind jedoch entschieden abzulehnen. Sie laufen darauf hinaus, dass „[ . . . ] die objektive Zurechnung von der subjektiven Böswilligkeit abhängig [ . . . ]“ gemacht wird.637 Letztlich ist damit eine Hinwendung zum Gesinnungsstrafrecht verbunden „[ . . . ] und steht daher im Widerspruch zum strafrechtlichen Grundprinzip des Tatstrafrechts.“638 Die zentrale Errungenschaft der Lehre von der objektiven Zurechnung besteht darin, dass sie die Überschreitung des erlaubten Risikos bzw. anders ausgedrückt die Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr zu ihrem Ausgangpunkt macht. Objektiv ist zu bestimmen, ob diese Voraussetzung vorliegt und sie sich im eingetretenen Erfolg realisiert hat. Der böse Wille des Täters, seine Absicht diesen Erfolg zu erreichen, kann und darf dieses Erfordernis keinesfalls substituieren. Herzberg ist in seiner Einschätzung uneingeschränkt zu folgen, dass im Falle des erlaubten Risikos, das gleichwohl zum Erfolg führt, nicht „wegen der bösen Absicht“ ein Totschlag bzw. Totschlagsversuch vorliegt, sondern es am objektiven Tatbestand mangelt, da die objektive Zurechnung ausscheidet.639 Der böse Wille ist also im Rahmen des erlaubten Risikos schlicht bedeutungslos.640 So verständlich die Bestrafung aufgrund des gewollten Erfolges gerade im Falle besonders verachtenswerter Handlungen auch sein mag, wenn und weil der Täter den beabsichtigten Erfolg auch erreicht hat, so wenig darf man sich von dieser Art Volksempfinden leiten lassen. In diesen Fällen wird vielfach eine Strafbarkeit wegen Versuchs in Betracht kommen, die eine schuldangemessene Bestrafung ermöglicht. Insbesondere für die Frage nach der Strafbarkeit eines Versuchs bei abgelehnter objektiver Zurechnung ist die Erkenntnis ganz wesentlich, dass es einer höchst differenzierten Betrachtung auf der Grundlage der Lehre von der objektiven Zurechnung bedarf und auch hier ein dem gemeinen Verständnis nach böser Wille keinesfalls alleiniges Kriterium sein kann und darf. Stets ist genau danach zu fragen, was der Täter erreichen wollte und v. a. wie er dies wollte. Für die Versuchsstrafbarkeit muss man sich vor Augen halten, dass diese auch und gerade dann in Betracht kommt, wenn es an einem Erfolg überhaupt fehlt und es daher auf eine Zurechnung nicht ankommt. Dieser Fall muss trotzdem mit dem der mangelnden Zurechnung eines gegebenen Erfolges gleichbehandelt werden. Im Ergebnis bedeutet dies Folgendes: Der einfachste Fall ist der, dass der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr schafft und diese sich dann aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht im Erfolg realisiert hat. Es fehlt dann an der objektiven Zurechnung insgesamt, so dass eine Vollendungsstrafbarkeit ausscheidet. Die Strafbarkeit wegen Versuchs ist im Falle der fehlenden Realisierung in der Regel 637 So die prägnante aber meines Erachtens zutreffende Interpretation Herzbergs (NStZ 2004, S. 597) bezüglich der Ansicht Schünemanns. 638 Hirsch, Lampe-FS, 2003, S. 521. 639 Herzberg, BGH-FG, 2000, S. 60. 640 Vgl. Herzberg, JuS 1996, S. 381.

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D. Die objektive Zurechnung

gegeben, da der Täter den Erfolg (auf üblichem Weg) wollte.641 Solche Fälle sind beispielsweise der Krankenwagenfall, der Krankenhausbrandfall ebenso wie bei entsprechendem Erfolgsvorsatz, d. h. wenn der Täter den Tod durch sein ursprüngliches Handeln wollte, auch der Wundinfektionsfall. Es kommt dann nicht darauf an, warum die Zurechnung ausscheidet, d. h. ob aufgrund beeinflusster oder unbeeinflusster Kausalverläufe in ihren jeweiligen Spielarten. Gerade deswegen muss in diesen Fällen die Lösung im objektiven Tatbestand gesucht und gefunden werden, um ohne Friktionen gleichwohl zur Versuchsstrafbarkeit kommen zu können. Bei einer Verneinung der Vollendungsstrafbarkeit erst im Vorsatz ist dies nur mit deutlichen Schwierigkeiten möglich, da man ja gerade den (einen) Vorsatz verneint hat.642 Schwieriger ist der Fall zu beurteilen, dass der „Täter“ objektiv gesehen keine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat. Ging der Täter davon aus, ein solches unerlaubtes Risiko geschaffen zu haben und damit zum Erfolg kommen zu können, auch wenn dies in Wirklichkeit nicht gegeben war, dann handelt es sich um einen strafbaren untauglichen Versuch.643 Hierbei stellt sich der Täter eine Sachlage vor, bei deren tatsächlichem Vorliegen er sich strafbar machen würde. In der Regel mangelt es an einem tauglichen Tatobjekt oder Tatmittel.644 Hält der Täter beides jedoch für tauglich, dann handelt er in rechtsfeindlicher Gesinnung, das personale Handlungsunrecht liegt vor.645 Der „Rechtsbruch“ in Form des Abfalls von der strafrechtlichen Rechtsordnung ist erfolgt.646 In den hier vorliegenden Fällen handelt es sich letztlich um ein untaugliches Tatmittel, wenn der Täter glaubt, ein missbilligtes Risiko geschaffen zu haben, dies aber tatsächlich nicht der Fall ist. Nur insoweit ist sein Wille relevant und dies eben aufgrund seiner ganz konkreten Vorstellung, nicht wegen der Böswilligkeit hinsichtlich der Erfolgsherbeiführung im Allgemeinen. Völlig anders zu beurteilen ist die Konstellation, in der der Täter sich eine Situation vorstellt oder eine Sachlage tatsächlich richtig erfasst, in der nicht von einer rechtlich missbilligten Gefahr gesprochen werden kann, es also am ersten Element der Grundformel fehlt. Es ist die wesentliche Leistung der Lehre von der objektiven Zurechnung, dass hier eine Strafbarkeit unabhängig davon auszuscheiden hat, ob der Täter den Erfolg will bzw. nicht will647 oder ob der Erfolg eingetreten ist 641 Dies ist allgemeine Meinung vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 200 siehe auch Roxin AT I, § 11 Rn. 45, der von „Einigkeit“ in solchen Fällen spricht. 642 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 45. 643 Vgl. Frisch, GA 2003, S. 730; die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs ist nach Kühl AT, § 15 Rn. 87 heute im Kernbereich fast allgemein anerkannt, so dass auf deren Begründung und abweichende Ansichten an dieser Stelle nicht eingegangen wird. 644 Vgl. Kühl AT, § 15 Rn. 88. 645 Vgl. Kühl AT, § 15 Rn. 90. 646 Frisch, GA 2003, S. 742. 647 Ganz deutlich und völlig zutreffend Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 93.

VI. Weiterführendes Resümee – Rechtfertigung

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oder nicht. Eine objektive Sachlage verliert ihre Eigenschaft der Nicht-Missbilligung bzw. der Erlaubtheit nicht durch ein gegenteiliges Vorstellungsbild des Täters. Andernfalls müssten sich für Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt unterschiedliche Maßstäbe ergeben. Dies ist, wie in diesem Abschnitt bereits deutlich gemacht, nicht zutreffend. Der Vorsatz des Täters ist hier schlicht und ergreifend auf „[ . . . ] etwas Strafloses gerichtet.“648 Glaubt der Täter, sich auf diese Weise strafbar machen zu können, beispielsweise durch Überredung seines Onkels zu einer Flugreise und kommt der Onkel dadurch ums Leben – oder auch nicht –, so handelt es sich um ein Wahndelikt. Der Täter stellt sich nämlich die Herbeiführung des Erfolges „allein über tolerierte Risiken“649 vor und erfasst die tatsächlichen Vorgänge und Grundlagen zutreffend, die gerade von der Rechtsordnung nicht unter Strafe gestellt werden. Dann handelt er nicht im Rechtsbruch, es liegt ein Wahndelikt vor.650 Der böse Wille – auf Herbeiführung des Erfolges – ist insoweit in der Tat bedeutungslos, da er sich objektiv im Rahmen des erlaubten Risikos hält.651 Diese Hinweise zur Versuchsstrafbarkeit, ihren Voraussetzungen und ihrer Abgrenzung sollen an dieser Stelle als unmittelbare Konsequenz der Grundgedanken der Lehre von der objektiven Zurechnung genügen. Festzuhalten bleibt, dass der böse Wille des Täters allein eine Vollendungsstrafbarkeit nicht begründen kann und eine Versuchsstrafbarkeit vom genauen Vorstellungsbild des Täters abhängt. Jenseits der hier genannten Fälle kommt es insbesondere für die Versuchsstrafbarkeit zu schwierigen Abgrenzungsfragen, für deren Lösung entscheidend ist, worauf genau sich der Vorsatz des Täters im Hinblick auf die objektiven Zurechnung beziehen muss und nach welchen Regeln Irrtümer bzw. Fehlvorstellungen des Täters zu behandeln sind. Dies ist Gegenstand des Abschnitts F, wobei auf die gerade aus den Grundgedanken der objektiven Zurechnung entwickelten Eckpfeiler zurückzukommen ist. Schwierigkeiten könnte die Lehre von der objektiven Zurechnung in diesem Zusammenhang aus folgendem Grund haben. Sie ist primär eine Lehre von Erfolgszurechnung. Ihre Gedanken sind jedoch für die Versuchsstrafbarkeit nicht nur in Fällen des zwar eingetretenen aber nicht zurechenbaren Erfolges fruchtbar zu machen652, sondern auch in Fällen des überhaupt nicht vorliegenden Erfolges. Dies scheint auf den ersten Blick für eine Erfolgszurechnungslehre paradox, ist bei genauem Hinsehen jedoch sachgerecht, notwendig und möglich, weil es um die Beurteilung eines Geschehens auf objektiver Grundlage geht. Dass dieses oder Teile davon nur in der Vorstellung des Täters existieren, ist gerade Charakteristikum der 648 649 650 651 652

So Roxin AT I, § 11 Rn. 44. Dieser Terminus stammt von Frisch, GA 2003, S. 234. Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 621 f. Vgl. Herzberg, JuS 1996, S. 381. Beispielsweise wenn der Erbonkel tatsächlich abstürzen sollte.

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D. Die objektive Zurechnung

Prüfung des Tatentschlusses beim Versuch. Es ist das vom Täter Gewollte bzw. ihm Bewusste daraufhin zu prüfen, ob es einen objektiven Tatbestand erfüllt bzw. erfüllen würde, dazu gehört auch die objektive Zurechnung. Jedoch ist Frisch zuzugeben, dass es auf den ersten Blick erstaunlich ist, eine Erfolgszurechnungslehre in Fällen des Nichtvorliegens eines Erfolges heranzuziehen, d. h. in Fällen, „in denen sich die Frage nach der Erfolgszurechnung wegen fehlenden Erfolgseintritts gar nicht stellt.“653 Auch ist nicht von der Hand zu weisen, dass für die Entscheidung der Versuchsstrafbarkeit die von Frisch vorgenommene Teilung in tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung im Sinne des Realisierungszusammenhangs bereits auf den ersten Blick klarere Ergebnisse bringen kann. Denn ein Vorsatz, der nicht auf tatbestandsmäßiges Verhalten – d. h. vor allem solches, das keine rechtliche Missbilligung enthält – gerichtet ist, kann auch nicht zur Strafbarkeit führen. Dies gilt sowohl für den Fall, dass der Erfolg eingetreten sein sollte als auch bei Nichteintritt, denn jeweils mangelt es nach Frisch bereits an der Tatbestandsmäßigkeit und ein entsprechender Vorsatz ginge ins Leere. Letztlich ist die Versuchsstrafbarkeit immer dann zu bejahen, wenn der von Frisch sog. Realisierungszusammenhang fehlt, ein tatbestandsmäßiges Verhalten jedoch vorliegt und / oder der Täter sich ein solches vorgestellt hat. Diese Lösung hat den Vorzug prima facie zu „[ . . . ] einer stringenteren Verneinung der Versuchsstrafbarkeit beim Anstrengen von Erfolgen allein über tolerierte Risiken“654 zu kommen. Jedoch ist die Lehre von der objektiven Zurechnung auch in der Lage dies zu leisten, wenn man sich vor Augen hält, dass ihre Berücksichtigung in einem solchen Fall das Vorliegen eines Erfolges nicht voraussetzt, obwohl sie sich dem Grunde nach mit der Erfolgszurechnung beschäftigt. Eine strukturelle und hinsichtlich der Problemlösung kompetenzielle Schwäche der Lehre lässt sich daher nicht ausmachen. Eine wesentliche Konsequenz der Ausführungen zum Gleichlauf von Vorsatzund Fahrlässigkeitsdelikt, zur Notwendigkeit der Lösung im objektiven Tatbestand und zur Versuchsstrafbarkeit ist an dieser Stelle deutlich zu machen. Wenn der Erfolg im Rahmen der Prüfung des vorsätzlichen Delikts nicht objektiv zurechenbar ist, so gilt dies wie gezeigt auch für das fahrlässige hinsichtlich desselben Erfolgs, beispielweise des Todes eines Menschen. Dann kann es gerade keine Bestrafung aus – bei entsprechendem Vorsatz – dem versuchten Delikt in Tateinheit mit der fahrlässigen Erfolgsherbeiführung geben, d. h. dass beispielsweise ein versuchter Totschlag nicht tateinheitlich mit einer fahrlässigen Tötung gegeben sein kann. Mag dies auf den ersten Blick merkwürdig anmuten, so ist es doch logische und zwingende Konsequenz aus dem bisher Herausgearbeiteten.

653 654

Frisch, GA 2003, S. 736. Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 234.

VI. Weiterführendes Resümee – Rechtfertigung

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5. Konsequenzen für erfolgsqualifizierte Delikte Erfolgsqualifizierte Delikte sind solche, bei denen ein vorsätzlich begangenes Grunddelikt dann eine Qualifikation erfährt, wenn dessen Begehung eine weitere, schwerere Folge nach sich zieht.655 Gemäß § 18 StGB muss dem Täter des Grunddelikts hinsichtlich der schweren Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fallen. Dem Grunde nach handelt es sich bei den erfolgsqualifizierten Delikten um Materie des besonderen Teils des Strafrechts. Einige Aspekte betreffen diese Delikte jedoch als solche und sind daher auch für den allgemeinen Teil656 grundsätzlich und die hier vorliegende Untersuchung im Besonderen relevant. Dies betrifft in erster Linie die Frage des besonderen Zusammenhangs zwischen dem Grunddelikt und der besonderen Folge. Der Zusammenhang und die Folge sind tatbestandsspezifisch je nach Delikt zu bestimmen657, weshalb allgemeine Aussagen zu diesem Zusammenhang ein „problematisches Unterfangen“658 sind. Bereits die allgemeine Bezeichnung dieses Zusammenhangs ist nicht einheitlich. Während die Rechtsprechung verbreitet vom „Unmittelbarkeitszusammenhang“659 spricht, wurde dieser Begriff als zu ungenau kritisiert, weil es nicht zwingend nur auf die Unmittelbarkeit ankomme.660 Letztlich zweifelt auch der Bundesgerichtshof selbst an der Praktikabilität des Begriffs und verwirft ihn für andere erfolgsqualifizierte Delikte als § 227 StGB, da er weder zu „tauglichen Maßstäben“ noch zu „angemessenen Ergebnissen“ führe.661 Entscheidende Funktion dieses Zusammenhangs muss es angesichts der hohen Strafdrohung bei allen erfolgsqualifizierten Delikten sein, deren Anwendung auf die Fälle zu begrenzen, in denen der Strafrahmen durch Verwirklichung der typischerweise dem Grunddelikt anhaftenden Gefahr gerechtfertigt ist.662 Denn jedes Delikt kann im Prinzip zu schweren Folgen führen, nur bei einigen hat sich der Gesetzgeber aufgrund ihrer generellen Tendenz zur Herbeiführung solcher Folgen zur Normierung der Erfolgsqualifikation entschlossen. Daher muss diese typische Gefahr des Grunddelikts Anknüpfungspunkt der Folge bzw. Ausgangspunkt des besonderen Zusammenhangs sein, da nur solche Folgen erfasst werden sollen.663 655 Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 18 Rn. 1; Roxin AT I, § 10 Rn. 108. 656 Vgl. Kühl AT, § 17a Rn. 1 m. w. N. auf Autoren, die ebenfalls eine Thematisierung im allgemeinen Teil für richtig halten. 657 Vgl. Kühl AT, § 17a Rn. 17.; ders., BHG-FG IV, 2000, S. 250; Roxin AT I, § 10 Rn. 115. 658 Kühl, BGH-FG, 2000, S. 248, 267. 659 BGHSt 38, 298; BGH NStZ 1992, S. 333. 660 Vgl. Heinrich / Reinbacher, Jura 2005, S. 748; Kühl, BGH-FG, 2000, S. 251 f.; ders., AT, § 17a Rn. 15 m. w. N. 661 BGHSt 33, 323. 662 Vgl. Kühl AT, § 17a Rn. 15. 663 Vgl. Roxin AT I, § 10 Rn. 114.

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D. Die objektive Zurechnung

Infolgedessen ist auch vom tatbestandstypischem Gefahrzusammenhang664 oder auch vom spezifischem Gefahrverwirklichungszusammenhang die Rede. Im Folgenden soll verkürzt vom spezifischen Gefahrzusammenhang gesprochen werden.665 Ganz entscheidender Streit besteht hinsichtlich der Beurteilung, ob die sich verwirklichende Gefahr nur vom Erfolg des Grunddelikts ausgehen kann, sog. Letalitätslehre, oder auch von der Tathandlung des Grunddelikts. Auf diesen Streit666 soll hier nicht weiter eingegangen werden, da er in hohem Maße deliktsspezifisch ist. Wesentlich für die hier vorliegende Untersuchung ist jedoch die Frage, in welchem Verhältnis der spezifische Gefahrzusammenhang zur objektiven Zurechnung steht. Diese Frage ist deswegen von Bedeutung, weil § 18 StGB gerade die fahrlässige Verursachung der schweren Folge verlangt. Da die Sorgfaltspflichtverletzung als Komponente des Fahrlässigkeitsdelikts in aller Regel in der vorsätzlichen Begehung des Grunddelikts besteht und daher bejaht werden kann,667 kommt es dann darauf an, ob sich diese Sorgfaltspflichtverletzung im konkreten Erfolg niedergeschlagen hat. Dies ist eine Frage der allgemeinen (objektiven) Zurechnung668, die bei jedem Fahrlässigkeitsdelikt relevant ist. Die Rolle des spezifischen Gefahrzusammenhangs im Verhältnis zur bzw. innerhalb der objektiven Zurechnung ist vielfach unklar.669 Auszugehen ist dabei immer von der Erkenntnis, dass es gesteigerter Anforderungen über die allgemeine Zurechnung hinaus bedarf, die sich aus dem Spezifikum des erfolgsqualifizierten Delikts ergeben. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass die Bestrafung wegen eines erfolgsqualifizierten Delikts nicht schon auf einem tateinheitlichen Zusammentreffen zwischen Grunddelikt (beispielsweise § 223 StGB) und fahrlässiger Verursachung der Folge (beispielsweise § 222 StGB) beruhen darf.670 Nach Jescheck / Weigend ist die objektive Zurechnung bei erfolgsqualifizierten Delikten nur zu bejahen, wenn sich die im Grunddelikt angelegte spezifische Gefahr realisiert habe.671 Es soll sich danach letztlich um einen spezifischen Anwendungsfall der Lehre von der objektiven Zurechnung handeln.672 Ähnlich verfährt Roxin, der den Aspekt der Beziehung zwischen Grunddelikt und Folge im Rahmen Vgl. dazu Kühl AT, § 17a, Rn. 16 m. w. N. Vgl. Auch Wessels / Beulke AT, Rn. 879. 666 Vgl. ausführlich dazu Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 18 Rn. 4; LKHirsch, § 227 Rn. 5; Lackner / Kühl, § 227 Rn. 2; Kühl AT, § 17a Rn. 23; jeweils m. w. N. 667 Vgl. statt vieler Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 18 Rn. 5 m. w. N. 668 Vgl. Heinrich / Reinbacher, Jura 2005, S. 747 f. 669 Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 18 Rn. 4. 670 Ganz deutlich Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 129; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 18 Rn. 4 jeweils m. w. N. 671 Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 289. 672 So die Interpretation von Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 128, der dieses Vorgehen allerdings vehement ablehnt. 664 665

VI. Weiterführendes Resümee – Rechtfertigung

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des Schutzzweckzusammenhangs als allgemeines „Element der Fahrlässigkeitszurechnung selbst“ und nicht als eine daneben stehende, ergänzende Bedingung sieht.673 Weitere Autoren ordnen den spezifischen Zusammenhang ebenfalls in die allgemeine Zurechenbarkeit, insbesondere die Kategorie des Schutzzweckzusammenhangs ein.674 Andere halten hingegen ausdrücklich am spezifischen Gefahrzusammenhang oder verwandten Termini fest.675 Welchen Weg man wählt, ist für das Ergebnis von sekundärer Bedeutung. Wesentlich ist jedoch, dass man den spezifischen Gefahrzusammenhang nicht als einziges Element der objektiven Zurechnung bzw. als deren Ersatz begreift.676 Bei der Frage des spezifischen Gefahrzusammenhangs geht es um die Begrenzung der Zurechnung der besonderen Folge677 und damit um eine Frage der objektiven Zurechnung als solcher. Darüberhinaus müssen sämtliche Tatbestandsmerkmale einer Fahrlässigkeitstat unter Einschluss der (gesamten) Zurechnungsvoraussetzungen erfüllt sein.678 Insofern ist es durchaus nicht inkonsequent diesen Aspekt der allgemeinen Zurechnung zuzuschlagen. Dabei darf jedoch keinesfalls übersehen werden, dass die Zurechnungsvoraussetzungen beim erfolgsqualifizierten Delikt enger sind als die der isolierten Fahrlässigkeitsstrafbarkeit wegen der besonderen Folge, beispielsweise einer fahrlässigen Tötung, im Allgemeinen. Hält man folglich den spezifischen Gefahrzusammenhang für den Schutzzweck des erfolgsqualifizierten Delikts, so ist dies zwar sachgerecht, weil eben Erfolge ausgeschlossen werden sollen, die nicht typischerweise mit dem Grunddelikt verknüpft sind679 – eine solche tatbestandsspezifische Selektionsleistung ist gerade das Kennzeichen des jeweiligen Schutzzwecks des Tatbestands. Man läuft jedoch Gefahr, dass die Besonderheit des erfolgsqualifizierten Delikts in Form des spezifischen Gefahrzusammenhangs dann nicht mehr zum Ausdruck kommt, vielmehr bei Anwendung der allgemeinen Zurechnungskriterien übersehen wird und damit falsche Ergebnisse provoziert werden.680 Roxin AT I, § 10 Rn. 114. Vgl. Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte und verwandte Erscheinungsformen, 1986, S. 319; auch Ferschl, Das Problem des unmittelbaren Zusammenhangs beim Erfolgsqualifizierten Delikt, 1999, S. 89 jeweils m. w. N. 675 Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 18 Rn. 4; Kühl AT, § 17a Rn. 14 ff.; Hirsch, Lenckner-FS 1998, S. 129; ders., Uni Köln-FS, 1988, S. 406. 676 Insofern missverständlich die Formulierung von Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 289. 677 Vgl. Kühl AT, § 17a Rn. 15. 678 Vgl. Heinrich / Reibacher, Jura 2005, S. 748. 679 Zutreffend insofern Heinrich / Reinbacher, Jura 2005, S. 748. 680 Eben dies ist die Befürchtung von Hirsch, Lenckner-FS, 1998, S. 129, der deshalb die Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung bzw. die Implementierung des spezifischen Gefahrzusammenhangs in diese Lehre entschieden ablehnt. 673 674

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D. Die objektive Zurechnung

Zentral ist es, dass eine tatbestandsspezifische Selektionsleistung erfolgen muss, ob man dies über einen im Vergleich zur „normalen Fahrlässigkeitsprüfung“681 engeren Schutzzweck erreicht682, oder ob man explizit von einer Prüfung des spezifischen Gefahrzusammenhangs ausgeht, ist gleichgültig. Aus didaktischen Gründen kann es sinnvoll sein beides zu verknüpfen. So wird der Schutzzweck der Norm beim erfolgsqualifizierten Delikt mitunter als spezifischer Gefahrzusammenhang bezeichnet683, während von anderer Seite betont wird, bei dem Zusammenhang zwischen Grunddelikt und Folge gehe es um die objektive Zurechnung derselben.684 Problematisch am Ansetzen am spezifischen Gefahrzusammenhang ist jedoch, dass dann die weiteren Aspekte der objektiven Zurechnung eher in Vergessenheit geraten können, als wenn man den Zusammenhang in die Zurechnung implementiert. Dies zeigt sich deutlich an den vorgeschlagenen Varianten zum Prüfungsaufbau. So wird vielfach ein Aufbau empfohlen, der vom Grunddelikt und der Verursachung der Folge ausgehend dann explizit den spezifischen Gefahrzusammenhang prüft und sich dann der Prüfung der Fahrlässigkeit zuwendet – wobei vor allen Dingen objektive und individuelle Voraussehbarkeit erörtert werden. Die Sorgfaltspflichtverletzung wird teils auch weggelassen, da sie ohnehin unproblematisch ist.685 Dabei findet sich jedoch kein ausdrücklicher Hinweis auf weitere Aspekte der objektiven Zurechnung. Lediglich Kühl will die Problematik der Durchbrechung des spezifischen Zusammenhangs durch Dritt- oder Opferverhalten im Rahmen des spezifischen Gefahrzusammenhangs, d. h. vor der Fahrlässigkeit erörtern.686 Nicht ganz einsichtig ist jedoch, warum Kühl meint, die Frage des spezifischen Gefahrzusammenhangs gehöre systematisch vor die Fahrlässigkeit. Begreift man den Punkt Fahrlässigkeit richtigerweise als Prüfung aller Merkmale einer isolierten Fahrlässigkeitstat, also auch und v. a. als Zurechnungsprüfung687 und sieht im spezifischen Gefahrzusammenhang eine weitere tatbestandsspezifische Restriktion der erfolgsqualifizierten Delikte – letztlich ein Plus zur herkömmlichen ZurechHeinrich / Reinbacher, Jura, 2005, S. 748. So eben beispielsweise Roxin AT I, § 10 Rn. 115, der die Tatsache des weiteren Schutzzwecks des § 222 StGB im Vergleich zu § 227 StGB eher versteckt in Fn. 162 konstatiert; auch Heinrich / Reinbacher, Jura 2005, S. 748 mit der richtigen Bemerkung es gebe Fälle, in denen zwar § 222 StGB zu bejahen, eine Erfolgsqualifikation jedoch gleichwohl abgelehnt werden müsse, weshalb der Schutzzweck tatbestandsspezifisch zu bestimmen sei. 683 Vgl. Heinrich / Reinbacher, Jura 2005, S. 748. 684 Vgl. Kühl AT § 17a Rn. 15, 16, 27, 28. 685 Vgl. zu diesem Aufbau Kühl AT § 17a Rn. 31 m. w. N. unter Weglassen der Sorgfaltspflichtverletzung; auch Wessels / Beulke AT, Rn. 879 unter Einschluss der Sorgfaltspflichtverletzung. 686 Vgl. Kühl AT, § 17a Rn. 31. 687 Siehe dazu die in diesem Kapitel bereits gemachten Ausführungen. 681 682

VI. Weiterführendes Resümee – Rechtfertigung

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nung –, dann käme es bei Nichtvorliegen der allgemeinen Zurechnungsvoraussetzung auf den spezifischen Gefahrzusammenhang gar nicht mehr an. Aus systematischer Sicht hätte ein solches Vorgehen den Vorzug, dass es zum einen die Vernachlässigung der allgemeinen Fahrlässigkeitszurechnung vermeidet, zum anderen erübrigt sich bei Verneinung eines der allgemeinen Punkte der objektiven Zurechnung die Prüfung des entsprechenden Fahrlässigkeitsdelikt, auch dieses muss dann ausscheiden.688 Es ist weiterhin nicht unmittelbar einsichtig, zunächst den spezifischen Gefahrzusammenhang unter Einschluss der Frage der Unterbrechung des Zusammenhangs durch Dritte oder das Opfer – und damit Zurechnungsfragen – zu erörtern und sich erst anschließend der Fahrlässigkeit bzw. (Fahrlässigkeits-)Zurechnung zuzuwenden. Meines Erachtens ist es zweckmäßiger nach dem Grunddelikt und der Verursachung der Folge die Fahrlässigkeit und im Zuge dessen oder daran anschließend die objektive Zurechnung derselben zu prüfen, insbesondere um Folgen auszuscheiden, die nicht in den Verantwortungsbereich des Täters fallen oder bei denen es am Pflichtwidrigkeitszusammenhang fehlt. Danach ist als weitere Restriktion der spezifische Gefahrzusammenhang zu prüfen – entweder als eigener Prüfungspunkt oder unter dem Zurechnungsgesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm des erfolgsqualifizierten Delikts.689 Die Frage des Aufbaus sollte man jedoch als Problem nicht überschätzen. Die entsprechenden Probleme können in beiden Varianten wenn auch an unterschiedlichen Stellen behandelt werden. Wichtig ist jedoch, dass man sich die Notwendigkeit sowohl der Erörterung allgemeiner Zurechnungsfragen als auch der deliktsspezifischen Restriktion bei den erfolgsqualifizierten Delikten bewusst macht und diese durchführt. 6. Ausblick Bereits im Zusammenhang mit den Darstellungen zur Versuchsstrafbarkeit wurde deutlich, dass der präzisen Untersuchung, worauf der Vorsatz des Handelnden gerichtet ist, eine zentrale Bedeutung zukommt. Auch bedeutet das Plädoyer für eine Lösung der Zurechnungsprobleme im Allgemeinen und der atypischen Kausalverläufe im Besonderen im objektiven und damit gegen die Lösung im subjektiven Tatbestand nicht automatisch, dass es auf Vorsatzüberlegungen auch bei der Prüfung des vollendeten Delikts nicht ankommt. Vielmehr stellt sich umso dringender die Frage, welche Rolle dem Tatvorsatz in Bezug auf die im objektiven Tatbestand angesiedelte objektive Zurechnung bzw. den abweichenden Kausalverlauf zukommt. Bereits die Kritiker der Lehre von der objektiven Zurechnung haben darauf hingewiesen, dass es zu Problemen im subjektiven Tatbestand kommen Vgl. Heinrich / Reinbacher, Jura 2005, S. 748. Im Aufbau so beispielsweise Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 18 Rn. 4; ebenso Heinrich / Reibacher, Jura 2005, S. 478. 688 689

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D. Die objektive Zurechnung

könne, vor allen Dingen dann, wenn der Handelnde sich keinerlei Vorstellungen bezüglich des konkreten Geschehens gemacht hat. Ob und wie ein vorsatzausschließender Irrtum gem. § 16 Abs. 1 StGB in solchen Konstellationen anzunehmen ist, hängt davon ab, worauf sich der Vorsatz zu beziehen hat und erweist sich in der Tat als bislang wenig beachtete und bereits von Armin Kaufmann formulierte „Kernfrage“690 der Lehre von der objektiven Zurechnung. Diese kritischen Anmerkungen sind nicht ohne weiteres aus dem Weg zu räumen, wenn man die Zurechnung als objektives Problem begreift. Verstärkt wird dies, wenn man bedenkt, dass in Fällen der Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf der Vorsatz bezüglich des konkreten Verlaufs „[ . . . ] in allen Fällen per definitionem fehlt“691, ja fehlen muss. Durchaus nicht unzutreffend ist die Kritik an der Lehre von der objektiven Zurechnung auch wegen ihrer terminologischen Uneinheitlichkeit und Schwierigkeiten. Neben Differenzen und Unklarheiten bei den einzelnen Lösungskriterien – so etwa die nicht gleichbedeutenden Termini des Schutzzwecks der Norm, des Tatbestands bzw. der Verhaltensnorm –, gibt es Probleme der Implementierung im Fahrlässigkeitsdelikt und bei den erfolgsqualifizierten Delikten. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Lehre von der objektiven Zurechnung „[ . . . ] noch in der Entwicklung begriffen [ . . . ]“692 ist, sind diese terminologischen Unsicherheiten und Divergenzen und die damit verbundenen teilweise divergierenden Lösungsvorschläge geeignet, die Akzeptanz der Lehre aufgrund der Gefahr von Fehlanwendungen zu vermindern. Gleichwohl hat die Lehre ganz wesentliche Errungenschaften für die sachgerechte Lösung verschiedener auf eine begrenzte Anzahl an Lösungskriterien zurückführbarer Fälle hervorgebracht. Insofern gibt es in der Tat „Faszinierendes, Berechtigtes und Problematisches der Lehre von der objektiven Zurechnung“693 – vom einen mehr, vom anderen weniger.

690 Vgl. erneut Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 263, dort fragt er: „Wieso verlange ich nun nicht, dass der Vorsatz sich auf die (tatsächlichen) Grundlagen der objektiven Zurechnung bezieht?“ 691 So Schünemann, GA 1999, S. 220. 692 So die Einschätzung von Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 91. 693 So Titel und Aufbau des Beitrags von Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 219 ff.

E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand Mögliche Schwierigkeiten für die Lehre von der objektiven Zurechnung, die ihre Kritiker für den subjektiven Tatbestand vorhersehen, sind nur dann tatsächlich ein Argument gegen die Lehre, wenn sie sich im Ergebnis auf der nachgelagerten, subjektiven Stufe nicht befriedigend lösen lassen. Zunächst musste und hat sich die Lehre als objektives Kriterium bewiesen. Möglichen Schwierigkeiten auf der Ebene des subjektiven Tatbestands soll daher im Folgenden nachgegangen werden.

I. Verhältnis zum objektiven Tatbestand – verbleibende Fälle An dieser Stelle ist eine wesentliche Konsequenz der Lehre von der objektiven Zurechnung herauszustellen – die freilich nur dann gilt, wenn man dieser Lehre tatsächlich folgt. Ausschließlich zur Lösung derjenigen Fälle, die objektiv zurechenbar sind, kommt es auf Überlegungen zum subjektiven Tatbestand an. Ist schon die objektive Zurechnung nach obigen Kriterien zu verneinen, so sind Erörterungen in die Richtung, dass hier (auch) der Vorsatz fehle, irrelevant und letztlich verfehlt. Gleichwohl werden im Folgenden auch Fallkonstellationen aufgegriffen, bei denen nach hier vertretener Ansicht bereits die objektive Zurechnung zu verneinen ist. Dies liegt an der Tatsache, dass solche Überlegungen von manchen Autoren und natürlich der Rechtsprechung gemacht und hier nachvollzogen werden sollen.

II. Der Gegenstand des Vorsatzes im Grundsatz Worauf sich der Vorsatz des Täters beziehen muss, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. § 16 I StGB beschäftigt sich nur mit dem Fehlen des Vorsatzes, so dass der „Gegenstand“1 des Vorsatzes indirekt zu bestimmen ist. Es kommt infolgedessen darauf an, was zu den Umständen des gesetzlichen Tatbestands im Sinne dieser Vorschrift zu zählen ist. 1 Dies ist die übliche Bezeichnung, vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 132, SK-Rudolphi, § 16 Rn. 6 sowie Kühl AT, § 5 Rn. 13; anders Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 15 „Bezugsobjekte des Vorsatzes“ sowie Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 55, 66, 340, 346, „Bezugspunkte des Vorsatzes“.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

Zunächst sind darunter alle Merkmale des objektiven Tatbestands der Delikte zu verstehen. Dazu gehören insbesondere je nach Tatbestand das Handlungssubjekt, Handlungsobjekt, bestimmte Tatmodalitäten und schließlich der tatbestandliche Erfolg einschließlich seiner Verursachung.2 Dabei geht es nicht um die abstrakten Tatbestandsmerkmale, sondern um das reale Geschehen, das vom gesetzlichen Tatbestand umschrieben wird.3 Ferner gehören zum Gegenstand des Vorsatzes strafschärfende und strafmildernde Umstände.4 Der subjektive Tatbestand ist damit gleichsam „Spiegelbild“5 des objektiven Tatbestands. Nicht Gegenstand sind die sog. objektiven Bedingungen der Strafbarkeit sowie die persönliche Strafausschließungsgründe.6 Zum Vorsatz hinzutreten vom Gesetz verlangte besondere Absichten, wie etwa die Zueignungs- oder die Bereicherungsabsicht, ohne Entsprechung im objektiven Tatbestand, sog. überschießende Innentendenzen.7 Ob auch die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes bzw. ihr Fehlen Gegenstand des Vorsatzes sind, ist umstritten und spielt für die Behandlung des Erlaubnistatbestandsirrtums die zentrale Rolle, soll hier jedoch nicht weiter behandelt werden.8 Ob und in welchem Umfang jedoch der Kausalverlauf selbst oder die objektive Zurechnung bzw. ihre Grundlagen Gegenstand des Vorsatzes sind, ist fraglich. Sieht man Zurechnungsfragen als Teil des objektiven Tatbestands an, so legt es das Prinzip der Spiegelbildlichkeit nahe, eine Entsprechung zu fordern. Wie die Rolle des Kausalverlaufs und der objektiven Zurechnung im subjektiven Tatbestand genau auszusehen hat, d. h. welche Aspekte in diesem Zusammenhang tatsächlich Bezugspunkt des Vorsatzes sind, ist Gegenstand kontroverser Stellungnahmen und der folgenden Überlegungen bzw. Ansichten. Vorab ist jedoch eine kurze Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands vorzunehmen.

III. Abgrenzung des Irrtums über den Kausalverlauf Die Terminologie, was unter den Fallgruppen des Irrtums über den Kausalverlauf bzw. als dessen Voraussetzung unter einer Abweichung im Kausalverlauf zu verstehen ist, ist uneinheitlich. Im Folgenden sollen darunter die Fälle verstanden werden, die bereits als Fälle atypischer Kausalverläufe – mit beeinflusstem oder Allgemeine Meinung, vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 7; Roxin AT I, § 12 Rn. 133. Allgemeine Meinung Kühl AT § 5 Rn. 13; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 54a; Tröndle / Fischer, § 16 Rn. 3. 4 Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 8. 5 Maurach / Zipf AT, § 22 Rn. 12. 6 Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 14. 7 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 207 f. 8 Vgl. dazu SK-Rudolphi, § 16 Rn. 10 ff. m. w. N. 2 3

III. Abgrenzung des Irrtums über den Kausalverlauf

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unbeeinflusstem Erfolgseintritt – im objektiven Tatbestand identifiziert und behandelt wurden. Darunter sollen hingegen nicht die Fallkonstellationen des error in objecto vel persona verstanden werden,9 denn hierbei verläuft der Kausalverlauf als solcher wie geplant, lediglich das Angriffsobjekt ist von Beginn an falsch bzw. der Täter diesbezüglich einem Irrtum erlegen.10 Von einer Abweichung im Kausalverlauf kann nicht gesprochen werden. Hingegen können Überlegungen zum Fehlgehen der Tat, der sog. aberratio ictus – dabei wird das ursprünglich anvisierte Objekt verfehlt und stattdessen ein anderes Tatobjekt verletzt11 –, möglicherweise für die Argumentation zur richtigen Behandlung der atypischen Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand fruchtbar gemacht werden, auch wenn es sich nach hier bevorzugter Terminologie nicht um atypische Kausalverläufe im eigentlichen Sinn handelt.12 Der Unterschied zwischen beiden Problemkonstellationen besteht darin, dass der Erfolg im Falle der atypischen Kausalverläufe an dem von Beginn an ins Auge gefassten und auch angegriffenen Objekt nur eben auf ungewöhnlichem Wege eintritt, wohingegen im Falle des Fehlgehens der Tat ein anderes Objekt als geplant und angegriffen getroffen wird. Freilich kommt es zu diesem Ergebnis in der Regel aufgrund von Schwierigkeiten auf dem Weg zur Erfolgsverwirklichung, dem Kausalverlauf. Trotz dieser Ähnlichkeit kann und sollte man beide Konstellationen trennen.13 Beide Konstellationen sind sich sehr ähnlich und gerade dann schwer zu unterscheiden, wenn nicht klar ist, ob beispielsweise eine andere Sache als Objekt verletzt wurde (dann aberratio ictus), oder nur ein anderer Teil derselben Sache (dann atypischer Kausalverlauf).14 9 Mitunter wird diese Irrtumsproblematik jedoch auch als Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf eingeordnet, siehe MK-Joecks, § 16 Rn. 59 f. auch Roxin AT I, § 12 Rn. 193 ff. Diese Einordnung hat jedoch mit der von Roxin vertretenen Gesamtkonzeption zu tun, worauf später zurückzukommen ist. 10 Dies entspricht der ganz überwiegenden Einordnung vgl. nur Schönke / SchröderCramer / Sternberg-Lieben, § 16 Rn. 59; Tröndle / Fischer, § 16 Rn. 5; Wessels / Beulke AT, Rn. 247 jeweils mit Hinweisen zur Lösung dieser Fälle, siehe dazu auch die Nachweise in der vorherigen Fn. 11 Übliches Abgrenzungskriterium ist damit die Unterschiedlichkeit des Angriffs- bzw. Tatobjekts, vgl. statt aller Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 16 Rn. 57. 12 Für eine Trennung zwischen atypischen Kausalverläufen und Konstellationen der aberratio ictus ebenfalls Wessels / Beulke AT Rn. 250; Tröndle / Fischer, § 16 Rn. 6; SK-Rudolphi, § 16 Rn. 33; anders, im Sinne einer Variante bzw. Version der Abweichung des vorgestellten vom tatsächlichen Kausalverlauf Baumann / Weber / Mitsch AT, § 21 Rn. 13; Roxin AT I, § 12 Rn. 160; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 16 Rn. 57. 13 Eine solche gedankliche Differenzierung findet sich schließlich auch bei den Vertretern, die das Fehlgehen der Tat als Variante der abweichenden Kausalverlaufs einordnen. Damit ist implizit die Abgrenzbarkeit zugestanden. 14 Auf die Schwierigkeit der Differenzierung und daher auf die (behauptete) Notwendigkeit differenzierter Lösungsansätze weisen bereits Schönke / Schröder-Cramer / SternbergLieben, § 16 Rn. 54a und Roxin AT I, § 12 Rn. 156 f. hin. Deren Gedanken bzw. Ansätze werden weiter unten noch dargestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

Die gesamte Problematik des Fehlgehens der Tat kann im Rahmen dieser Arbeit nicht aufgegriffen werden. Jedoch werden Argumente und Konsequenzen bzw. Wechselwirkungen aus den Lösungsansätzen zur aberratio ictus für die Konstellationen der atypischen Kausalverläufe im hier verstandenen Sinn aufgegriffen. In gleicher Weise Berücksichtigung finden die Fälle, die unter der Bezeichnung dolus generalis zusammengefasst werden. Es handelt sich um Konstellationen mehraktigen Geschehens, in denen der Täter den Erfolg bereits erreicht zu haben 15 glaubt, ihn aber faktisch durch einen folgenden Akt herbeiführt , so beispielsweise der Jauchegrubenfall.16 Hier ist die Nähe zu den Fällen des atypischen Kausalverlaufs greifbar, wenn man sich nur die Abwandlung vergegenwärtigt, dass statt dem Täter ein Dritter den Erfolg schlussendlich herbeiführt. Hingehen soll der umgekehrte Fall, der des vorzeitigen Erfolgseintritts, nicht weiter behandelt werden. Zur Lösung dieser Fälle sind – die objektive Zurechnung vorausgesetzt17 – Fragen des Versuchsbeginns und des (bereits) vorliegenden Vorsatzes entscheidungserheblich.18

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand – zur Möglichkeit eines Irrtums über den Kausalverlauf Auch wenn es insbesondere um die Frage der Behandlung von atypischen Kausalverläufen – nach anderer Terminologie von Abweichungsfällen – im subjektiven Tatbestand geht, so soll im Folgenden zugleich auch die Rolle der objektiven Zurechnung als solcher im Vorsatz erörtert werden, wenn dies sinnvoll und geboten ist.19 Die nachfolgenden Gliederungspunkte geben in der Regel einen bestimmten Ansatz bzw. Meinungsstrang wieder, der häufig aus differenzierten Einzelmeinungen besteht. Auch gibt es teils enge Verwandtschaft zwischen den hier getrennten Ansätzen. Eines der wesentlichen Anliegen der folgenden Darstellungen ist es, systematische Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen.

15 Zu diesem Begriffsverständnis siehe Roxin, Würtenberger-FS, 1977, S. 109; anders im Sinne eines Oberbegriffs für Konstellationen mehraktigen Geschehens, bei denen der Erfolg durch einen anderen als den geplanten Akt verursacht wird, Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 16 Rn. 58 sowie SK-Rudolphi, § 16 Rn. 34. 16 Fall 12 aus Abschnitt B. 17 Vgl. dazu ausführlich Roxin, GA 2003, S. 257 ff. 18 Vgl. zu dieser schwierigen Konstellationen und Lösungsansätzen Schönke / SchröderCramer / Sternberg-Lieben, § 16 Rn. 58 sowie SK-Rudolphi, § 16 Rn. 34 jeweils m. w. N. 19 Dies macht beispielsweise keinen Sinn bei der Erörterung von Ansichten, die die Lehre von der objektiven Zurechnung als solche ablehnen, sondern andere Wege gehen – die Behandlung der Lehre im subjektiven Tatbestand spielt dann keine Rolle.

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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1. Der Kausalverlauf als Gegenstand des Vorsatzes Die Rechtsprechung und ihr folgend einige Vertreter der Literatur sehen den Kausalverlauf als notwendigen Vorsatzbestandteil an, da er bzw. die Kausalität ein Tatbestandsmerkmal sei.20 Da sich der Kausalverlauf für keinen Täter in allen Einzelheiten voraussehen bzw. vorausberechnen lasse21, wird in diesem Ansatz die Konsequenz gezogen, dass es genüge, wenn der Täter den Kausalverlauf „im Wesentlichen“22 gekannt habe, andernfalls handele es sich um erhebliche und damit vorsatzausschließende Abweichungen vom vorgestellten Kausalverlauf. Während Baumann / Weber / Mitsch ein Kriterium zur Bestimmung der Erheblichkeit und damit eine Metaregel für den Vorsatzausschluss schuldig bleiben23, ist nach Tröndle / Fischer von einer vollendeten Vorsatztat auszugehen, wenn der gewollte Erfolg in adäquater Weise erreicht worden sei.24 Die Rechtsprechung greift das Adäquanzkriterium auf und erweitert es. Danach sind „[ . . . ] Abweichungen des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf für die rechtliche Bewertung bedeutungslos, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen.“25 Dies bedeutet, dass ein gemäß § 16 Abs. 1 StGB beachtlicher, vorsatzausschließender Irrtum über den Kausalverlauf im Falle der Erheblichkeit der Abweichung vorliegt. Eben dieses Vorgehen verfolgte der Bundesgerichtshof auch in seiner Entscheidung zum Gubener Hetzjagdfall26. Ohne weitere Begründung vertritt das Gericht die Auffassung, die Schnittverletzungen des Fliehenden seien von den Tätern nicht vorsätzlich herbeigeführt worden, es liege eine wesentliche Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf vor.27 Es ist auf den ersten Blick bemerkenswert, dass die durch die Rechtsprechung im letzten Halbsatz vorgenommene Erweiterung in Form der Bewertung der Tat letztlich kaum Rezeption bei den Anhängern des Ansatzes der Rechtsprechung in 20 Vgl. Baumann / Weber / Mitsch AT, § 14 Rn. 1 f., § 21 Rn. 10; im Ergebnis ebenso Tröndle / Fischer, § 16 Rn. 7; Schönke / Schröder-Cramer (25. Aufl.), § 15 Rn. 54 f. 21 Dies ist allgemeine Meinung, vgl. nur Wessels / Beulke AT, Rn. 258; SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31. 22 Baumann / Weber / Mitsch AT, § 21 Rn. 10; Tröndle / Fischer, § 16 Rn. 7. 23 Vgl. die entsprechenden Ausführungen bei Baumann / Weber / Mitsch AT, § 21 Rn. 11. 24 Vgl. Tröndle / Fischer, § 16 Rn. 7a. 25 BGHSt 38, 34; dies ist ständige Rechtsprechung des BGH vgl. auch BGHSt 7, 329; BGH NStZ 2001, S. 29 (Leitsatz) jeweils m. w. N. 26 Vgl. oben Abschnitt B Fall 10 = BGH vom 9. 10. 2002 – 5 StR 42 / 02, NJW 2003, S. 150 ff. = JZ 2003, S. 635 ff. mit Anmerkung Kühl, JZ 2003, S. 637 ff. sowie Heger, JA 2003, S. 455 ff. 27 Vgl. BGH JZ 2003, S. 636 (Ziffer B.II.2. des Urteils).

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

der Literatur gefunden hat. Wolter28 und Roxin29 betonen, dass dieses Kriterium der Bewertung der Tat anhand ihrer rechtlich-sittlichen Gleichwertigkeit vielfach schlicht übergangen wird. Das Kriterium ist als grundsätzlicher Ansatzpunkt zwar bedenkenswert. Denn sucht man die Lösung für Zurechnungsfragen insgesamt im subjektiven Tatbestand, jedenfalls aber nicht mit der Lehre von der objektiven Zurechnung im objektiven, so benötigt man Korrektive zur Weite der Äquivalenztheorie. Diese setzten dann sinnvollerweise auf der nächsten Stufe, d. h. dem Vorsatz an. Da, wie oben im Rahmen der Lehre von der objektiven Zurechnung dargestellt, Adäquanzkriterien alleine – genau darum handelt es sich bei dem Hinweis auf die Lebenserfahrung30 – nicht sachgerecht zur Erfassung aller zurechnungsrelevanten Aspekte sind, stellt sich die Einführung eines zweiten, normativen Kriteriums als konsequent dar. Jedoch bleibt die Erweiterung, die schlicht auf die Bewertung der Tat abstellt, die Bewertungskriterien selbst schuldig. Insbesondere handelt es sich bei der Diskussion um die Erheblichkeit der Abweichung in Wahrheit nicht um ein Problem des Vorsatzes. Bereits das Abstellen auf das nach der Lebenserfahrung Voraussehbare und eben nicht das tatsächlich Vorausgesehene macht dies deutlich. Das Voraussehbare ist konstitutiver Bestandteil der Fahrlässigkeit bzw. des rechtlich missbilligten Verhaltens nach dem hier vertretenen Verständnis und damit als Teil der objektiven Zurechnung Bestandteil des objektiven Tatbestands. Es ist logisch und systematisch widersprüchlich im Ausgangspunkt gleiche Maßstäbe für objektiven und subjektiven Tatbestand zu verwenden31, weil sich auf diese Weise aufgrund derselben Maßstäbe kein Unterschied im Ergebnis mehr begründen lässt und die zweite Prüfung schlicht überflüssig ist. Das Kriterium führt inhaltlich nicht über die objektive Zurechnung hinaus, sondern ist ein Teil derselben.32 Jedenfalls aber handelt es sich bei der Adäquanz um ein objektives Kriterium, dass zur Feststellung des Vorsatzes nicht geeignet ist, weil es nicht vom tatsächlichen Vorstellungsbild des Täters ausgeht. Noch deutlicher tritt die Erkenntnis hervor, dass es sich trotz gegenteiliger Rubrizierung durch die Rechtsprechung und die ihr folgende Literatur nicht um ein Vorsatzproblem handelt, wenn man das Kriterium der Bewertung der Tat näher betrachtet. Eine Bewertung der Tat ist ein normativer Vorgang, der nicht an das Vorstellungsbild des Täters bzw. seinen Vorsatz anknüpft und daher mit dem VorVgl. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 663. Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 159, der diesem Kriterium jedoch Bedeutung beimisst, worauf später (Punkt 8.) noch zurückzukommen ist. 30 So auch die ausdrückliche Interpretation bzw. Vorgehensweise von Tröndle / Fischer, § 16 Rn. 7a. 31 Vgl. dazu Herzberg, ZStW 85 (1973), S. 876 f. 32 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 78. 28 29

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satz bzw. seiner Bestimmung nichts zu tun hat.33 Auf Psyche und Vorstellungsbild des Täters kommt es dabei nicht an, die Bewertung der Tat ist ein naturgemäß hochgradig normativer Vorgang. Vor diesem Hintergrund ist die von Herzberg34 stammende und von Wolter35 übernommene Einschätzung zu sehen, wonach es sich bei diesem Kriterium der Rechtsprechung um „kaum mehr als eine Leerformel handele“. Für die Bestimmung des Vorsatzes ist dies völlig richtig, denn dazu kann diese Formel nichts beitragen. Ihre Rubrizierung im Vorsatz ist schlicht falsch und sie bleibt dort ein Fremdkörper. Darüberhinaus sagt sie selbst nicht, nach welchen Regeln oder Kriterien die Bewertung der Tat zu erfolgen hat. Insofern liegt die Annahme einer Leerformel, die selbst nichts zu leisten im Stande ist, umso näher. Gleichwohl weist der Hinweis auf die Notwendigkeit einer rechtlichen Bewertung der Tat trotz falscher Rubrizierung und fehlender Kriterien als Ausdruck der Erkenntnis, dass es normativer Kriterien bedarf, um über die Strafbarkeit aufgrund der Erfolgsverursachung zu entscheiden, grundsätzlich in die richtige Richtung. Damit dürfte auch zu erklären sein, warum der Ansatz trotz aller – in den folgenden Abschnitten darzustellender – Kritik gleichwohl vertreten wird. Er ermöglicht wegen seiner faktisch auf normativen Erwägungen basierenden Ausrichtung vielfach richtige Ergebnisse36, Teile der Literatur sehen daher im Ergebnis keine praktisch erheblichen Abweichungen.37 Über die dogmatisch falsche Verortung und Bezeichnung des Problemkreises darf dies freilich nicht hinwegtäuschen. Auch und gerade darauf gründen sich die umfangreichen, überwiegend kritischen Stimmen in der Literatur, die davon ausgehen, dass es sich bei den Problemkreisen der Zurechnung grundsätzlich um objektive Probleme38 handelt und dann (nur) noch nach der richtigen Behandlung im subjektiven Tatbestand suchen. Diesen wendet sich vorliegende Untersuchung im Folgenden zu. Zuvor jedoch ist noch kurz auf einen Ansatz einzugehen, der bei konsequenter Anwendung zu einer Lösung im Vorsatz führt. Herzberg vertrat die Auffassung, dass der Täter Vorsatz bezüglich der zwar nicht in erster Linie bedachten, jedoch für möglich gehaltenen Tatabweichungen haben müsse, dafür reiche ein „MitSo bereits ganz klar Wolter, ZStW 89 (1977), S. 663. Herzberg, ZStW 85 (1973), S. 873. 35 Vgl. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 663. 36 So das Zugeständnis von Roxin AT I, § 12 Rn. 152. 37 So ausdrücklich Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 54a; in der Schlussfolgerung sehr ähnlich Lackner / Kühl, § 15 Rn. 11; vgl. auch SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31, der im Ergebnis im Wesentlichen zustimmen will. 38 Warum gleichwohl immer noch von der Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur als herrschender Meinung in diesem Zusammenhang ausgegangen wird (so ausdrücklich Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 16 Rn. 54; Tröndle / Fischer, § 16 Rn. 7a; NK-Puppe, § 16 Rn. 77 sieht sogar noch eine diesbezügliche herrschende Lehre) ist ebenso unbegreiflich wie im Ergebnis unerheblich. 33 34

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bewusstsein“ hinsichtlich dieser Möglichkeiten aus, müsse jedoch zur Bejahung einer vollendeten Vorsatztat auch vorliegen.39 Würde man tatsächlich auf das Vorstellungsbild des Täters bzw. darauf abstellen, hinsichtlich welcher Abweichungen er Mitbewusstsein gehabt hat, dann handelte es sich in der Tat um ein Ausgehen von Vorstellungen des Täters. Dies dürfte realiter jedoch außerordentlich schwierig sein. Geht man demgegenüber davon aus, dass als mitbewusst solche Vorgänge anzusehen sind, die im Rahmen der Lebenserfahrung liegen, so besteht kein Unterschied zum vorher dargestellten Ansatz der Rechtsprechung. Es bleibt insbesondere im Falle unwesentlicher Abweichungen schlicht bei einer Unterstellung, wesbezüglich der Täter Mitbewusstsein gehabt haben dürfte.40 Bei wesentlichen Abweichungen, von denen sich der Täter gar keine Vorstellungen gemacht hat und sich vernünftigerweise auch nicht machen konnte, stellt der Ansatz keinen Fortschritt bei Bejahung oder Verneinung der Zurechnung dar. Es wird eben keine subjektive Frage thematisiert.41

2. Der Kausalverlauf als formaler Vorsatzgegenstand – tatsächlich die objektive Zurechnung bzw. Teile davon Die Gemeinsamkeit der in diesem Abschnitt darzustellenden Literaturansätze ist es, dass sie am Ausgangspunkt der wesentlichen Züge des Kausalverlaufs als Gegenstand des Vorsatzes, d. h. am Ausgangspunkt der Rechtsprechung, formal festhalten oder Überlegungen zum Kausalverlauf im Vorsatz anstellen. Faktisch jedoch werden die objektive Zurechnung oder jedenfalls Teile davon mit ihren zugrundeliegenden Kriterien als Gegenstand herangezogen. a) Der Ansatz von Jescheck / Weigend Ausgehend von der Feststellung, dass der Vorsatz des Täters den Kausalverlauf umfassen müsse – dies wegen der grundsätzlichen Unmöglichkeit der Voraussehbarkeit aller Details jedoch nur in seinen wesentlichen Zügen – wird von Jescheck / Weigend die Frage der Wesentlichkeit der Abweichung und damit des Irrtums über den Kausalverlauf gestellt.42 Beide Autoren machen deutlich, dass zuvor zu prüfen sei, ob der Erfolg dem Täter überhaupt objektiv zurechenbar sei.43 Dieser Hinweis Herzberg, ZStW 85 (1973), S. 886 f. So die zutreffende Kritik von SK-Rudolphi, § 16 Rn. 32, der davon ausgeht, dass der These vom Mitbewusstsein bei Konstellationen der unwesentlichen Abweichungen die psychologische Fundierung fehle, sie mit anderen Worten nicht haltbar bzw. nicht weiterführend ist. 41 Herzberg hat seinen Ansatz in JA 1981, S. 369 ff. 470 ff. teils aufgegeben, teils modifiziert. 42 Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 29 S. 312. 43 Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 29 S. 312, insbesondere auch Fn. 69. 39 40

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entspricht der auch hier vertretenen Einordnung der Zurechnungsfragen als Bestandteil der Lehre von der objektiven Zurechnung und damit als Probleme des objektiven Tatbestands und ist daher im Vergleich zur Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur44 ein wesentlicher Fortschritt. Konsequent machen Jescheck / Weigend dann deutlich, dass für einen Irrtum über den Kausalverlauf diejenigen Fälle übrig bleiben, in denen an Stelle des vom Täter erwarteten und ihm objektiv zurechenbaren Kausalverlaufs ein anderer, unerwarteter aber gleichwohl objektiv zurechenbarer Kausalverlauf getreten ist. Wenn dem – gemeint ist die objektive Zurechenbarkeit des tatsächlichen Kausalverlaufs45 – so sei, dann schließe die Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf den Vorsatz in der Regel nicht aus, da es in diesem Fall immer noch die in der Handlung angelegte Gefahr sei, die sich typischerweise in der Rechtsgutsverletzung niederschlage.46 Es stellt sich dann allerdings die Frage, ob diese Prüfung im subjektiven Tatbestand nicht eigentlich überflüssig ist, wenn sie die Ergebnisse des objektiven Tatbestands nur übernimmt. Gleichwohl bleiben beide Autoren ausdrücklich bei der Ansicht, dass es im Falle objektiver Zurechenbarkeit darauf ankomme, dass der Vorsatz des Täters den Kausalverlauf umfasse.47 Jescheck / Weigend meinen den Vorsatz dann aufgrund eines Tatbestandsirrtums verneinen zu müssen, wenn eine Kausalverlaufsabweichung „eine andere rechtlich-sittliche Bewertung der Tat“ erfordere, weil dann eine „wesentliche Abweichung“48 gegeben sei. Sie übernehmen damit die Herangehensweise der Rechtsprechung. Als Beispiel wird der Fall angeführt, dass eine Person A in den Wirren im April 1945 dabei half, den Defaitisten B zum Befehlsstand zur Exekution zu bringen, dieser jedoch schon unterwegs durch einen Mann des Bewachungspersonals erschossen wird. Die Tat sei dem A objektiv aufgrund der entstandenen Lebensgefahr zurechenbar, erfordere jedoch eine andere rechtlichsittliche Bewertung der Tat, weil A befehlsgemäß habe handeln und B nicht der Willkür anderer habe ausliefern wollen. Jedoch muss dazu auch hier festgehalten werden, dass die rechtlich-sittliche Bewertung einer Tat kein Problem des Vorsatzes des Täters ist, sondern eine objektive Frage. Wenn man wie Jescheck / Weigend dem Grunde nach der Lehre von der objektiven Zurechnung folgt und damit Wertungen im objektiven Tatbestand vornimmt49, so ist die normative Prüfung bzw. Bewertung des Gesamtgeschehens im Vorsatz umso weniger verständlich. Eine solche Wertungsstufe im Vorsatz ist und bleibt dort deplaziert, unabhängig von der Frage, ob man meint, dass eine solche 44 45 46 47 48 49

Siehe den vorangegangenen Abschnitt E.IV.1. So schon die Interpretation von Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 262 f. Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 29 S. 312. Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 29 S. 312 Fn. 69. Beide Zitate bei Jescheck / Weigend AT, § 29 S. 312 [Hervorhebung im Original]. Vgl. erneut Jescheck / Weigend AT, § 28 S. 286 ff.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

rechtlich-sittliche Bewertung der (Gesamt-)Tat notwendig ist. Im genannten Beispielsfall der vereitelten Exekution muss man sich bereits fragen, ob überhaupt eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen wurde – dies dürfte abzulehnen sein, falls die Befehle an A und damit dessen Handeln rechtmäßig waren. Falls diese rechtswidrig waren, ist eine Gefahr geschaffen worden und der Erfolg dürfte aufgrund des Anknüpfens des Dritten objektiv zurechenbar sein. Will man aufgrund der Zwänge der Zeit (April 1945) gleichwohl die Strafbarkeit ablehnen, bedarf es des allgemeinen und unbestimmten Kriteriums der Bewertung der Tat nicht. Diese Konstellationen sind besser über Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe zu lösen, wenn A den Befehlen nur Folge geleistet haben sollte, um nicht selbst Opfer von Stand- und Willkürjustiz zu werden. Die Möglichkeit eines Irrtums über den Kausalverlauf besteht nach der Konzeption von Jescheck / Weigend also nur dann, wenn man die rechtlich-sittliche Bewertung der Tat im Vorsatz vornimmt. Dies ist jedoch wie gerade dargestellt nicht sachgerecht, zu einem Irrtum über den Kausalverlauf kann es letztlich in diesem Ansatz nicht kommen.

b) Die Entscheidungsrolle der objektiven Zurechnung nach Krey Auch Krey50 geht davon aus, dass nach Prüfung und Bejahung51 der objektiven Zurechenbarkeit der Vorsatz unter dem Gesichtspunkt der Abweichung des realen vom vorgestellten Kausalverlauf entfallen könne, da der Vorsatz den Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen umfassen müsse, und wesentliche Abweichungen demgemäß den Vorsatz ausschlössen. Dies bedeutet, dass es nach dieser Ansicht trotz Prüfung der objektiven Zurechnung noch auf Überlegungen im Vorsatz ankommt. Bei der Prüfung der Wesentlichkeit / Unwesentlichkeit der Abweichung vom Kausalverlauf und damit eines möglichen Vorsatzausschlusses sind „[ . . . ] die Regeln über das Vorliegen / Nichtvorliegen der objektiven Zurechenbarkeit maßgeblich“52. Dies bedeutet, dass ggf. „[ . . . ] angesichts des Vorliegens der objektiven Zurechenbarkeit eine unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf, mithin Vorsatz anzunehmen ist.“53 Dieses Vorgehen entspricht weitgehend dem von Jescheck / Weigend mit Ausnahme der von letzteren vorgenommenen rechtlich-sittlichen Bewertung. (Vor-) Entscheidend für die Frage der Wesentlichkeit der Abweichung des Kausalverlaufs und damit des Vorsatzes sind auch hier die Kriterien der objektiven Zurechenbarkeit bzw. diese selbst. Vgl. Krey AT, Rn. 386. Im Falle des Nichtvorliegens der objektiven Zurechnung nennt Krey AT, Rn. 387 die Prüfung des Vorsatzes „überflüssig“. 52 Krey AT, Rn. 387. 53 Krey AT, Rn. 387. 50 51

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Widersprüchlich am Ansatz Kreys ist es, dass es zur Prüfung der Wesentlichkeit der Abweichung, d. h. zum Vorsatzausschluss, nach diesem Konzept gar nicht kommen kann. Denn wenn tatsächlich die Regeln der objektiven Zurechnung maßgeblich sein sollen, so kommt es bei objektiver Nichtzurechenbarkeit nicht mehr zur Prüfung der nach Kreys Systematik dann ebenfalls gegebenen Wesentlichkeit der Abweichung und damit nicht mehr zur Möglichkeit des Vorsatzausschlusses. Ist schon die objektive Zurechenbarkeit nicht gegeben, so hat es damit sein Bewenden – weitere Prüfungen sind auch nach Kreys eigenen Worten „überflüssig“54. Auf Vorsatzfragen kommt es nicht an. Umgekehrt ist die Prüfung zwar möglich aber ebenfalls überflüssig, wenn die objektive Zurechnung gegeben ist. Bei Anwendung gleicher Regeln bzw. Maßstäbe muss auch Kreys Ergebnis gleich sein und zur Bejahung des Vorsatzes führen. Es zeigt sich, dass zwar richtige Ergebnisse – die der Lehre von der objektiven Zurechnung – erzielt werden, jedoch überflüssige und damit nicht sachgerechte Erwägungen und Prüfungsschritte unternommen werden. c) Vorsatz bezüglich des Risikos als Essenz der Kausalität als Vorsatzgegenstand nach Jakobs Auch Jakobs vertritt den Standpunkt, dass der Vorsatz die Kausalität umfassen müsse.55 Jakobs greift daran anknüpfend bei seinen Überlegungen ebenfalls ausdrücklich Aspekte der Lehre von der objektiven Zurechnung auf56, allerdings auf andere Weise als Krey dies tut. Ausgehend von der bereits oben dargestellten und auch von Jakobs57 geteilten Ansicht, dass nicht jede Detaildifferenz vom subjektiv vorgestellten Kausalverlauf zu einem Vorsatzausschluss führen kann, stellt er fest, dass diffizile Überlegungen notwendig seien, ob und in welchem Umfang der Vorsatz den Verlauf zum Erfolg umfassen müsse.58 Dabei sei „[ . . . ] bei dem vom Täter vorsätzlich gesetzten Risiko anzusetzen und die Verwirklichung dieses Risikos zu prüfen.“59 Dementsprechend ist nur dann von einer vollendeten Vorsatztat auszugehen, „[ . . . ] wenn das vom Täter vorsätzlich geschaffene Risiko [ . . . ]“60 sich realisiert hat. Der Gang dieser Prüfung müsse entsprechend der Prüfung der Risikoverwirklichung bei der objektiven Zurechnung erfolgen – es handelt sich aber offensichtlich um einen separaten Prüfungspunkt. Damit wird deutlich, dass auch hier die Lehre von der objektiven Zurechnung und ihre Kriterien maßgeblichen Einfluss bekommen. 54 55 56 57 58 59 60

Krey AT, Rn. 387, „Prüfung des Vorsatzes überflüssig“. Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 63. Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 64 f. Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 64. Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 63. Jakobs AT, 8 / Rn. 65. Jakobs AT, 8 / Rn. 65.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

Die erste nach Jakobs im Vorsatz zu prüfende Voraussetzung, das vorsätzliche Schaffen des Risikos, ist in der Tat eine Frage des Vorsatzes und damit systematisch richtig verortet. Der Täter müsse das gesetzte, nicht mehr erlaubte Risiko kennen bzw. erkannt haben.61 Seien vorgestellte und eingetretene Verletzung nicht von gleicher Quantität, so werde mindestens und höchstens das gesehene Quantum als vorsätzlich zugerechnet.62 Es sei dann auch unerheblich, ob der Erfolg häufig oder nur vereinzelt eintrete63 – freilich muss es sich noch um ein unerlaubtes Risiko handeln.64 Jakobs wendet sich gegen das Adäquanzkriterium, da der Vorsatz eben als psychisches Faktum durch das Gesetz festgeschrieben sei und man daher nicht einem erkannten und damit vorsätzlich geschaffenen Risiko das (nur) erkennbare Risiko gleichstellen dürfe.65 Letzteres ist der Weg der Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur, wenn auf die Vorhersehbarkeit abgestellt wird und hat, wie oben deutlich gemacht, mit dem Vorsatz des Täters nichts zu tun. Umso erstaunlicher ist es jedoch, wenn Jakobs anschließend selbst objektive Kriterien in den subjektiven Tatbestand als Prüfungskriterien zieht, nämlich die der objektiven Zurechnung. Zwar meint Jakobs an anderer Stelle, „die Voraussetzungen der sogenannten objektiven Zurechnung“ müssten vom Vorsatz des Täters umfasst sein, dazu gehöre insbesondere das Risiko.66 Er prüft jedoch nur dieses und darüberhinaus nicht die Voraussetzungen der objektiven Zurechnung, sondern schlicht diese selbst erneut. Insbesondere die Problemschwerpunkte der Fälle, die Jakobs zur Illustration bzw. Rechtfertigung seiner Ansicht anführt67, sind objektiver Natur. So ist die Frage, ob ein unkontrolliertes Einstechen auf ein Opfer auf welchem Wege zum Tode führen kann und welcher Weg zurechenbar ist68, keine Frage des Vorsatzes, sondern der objektiven Zurechnung. Gleiches gilt für die Frage, ob sich ein bestimmtes Risiko verwirklicht hat oder nicht vielmehr ein anderes Risiko, wenn und weil das ursprüngliche Risiko „verdrängt“ wurde.69 Dies alles sind genuine Fragen der objekVgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 63, 65, 72. Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 73; trete weniger ein, so bleibe die Handlung partiell Versuch, trete mehr ein, so komme zur vorsätzlichen Vollendung eine fahrlässige Erfolgsherbeiführung hinzu. 63 Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 72. 64 Jakobs (AT, 8 / Rn. 67) betont, dass, falls das verwirklichte Risiko sich noch im Bereich des Erlaubten halte, schon die objektive Zurechnung fehle. Zur problematischen Vermischung objektiver und subjektiver Merkmale im subjektiven Tatbestand nach Jakobs siehe die sogleich folgenden Ausführungen. 65 Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 69. 66 Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 44. 67 Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 68, 70 f. 68 Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 68. 61 62

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tiven Zurechnung. Daher verwundert es auch nicht, wenn Jakobs postuliert, die Grenze zwischen Risikoverwirklichung und bloßer Variation relativer Begleitumstände sei wie die Grenze im Bereich der objektiven Zurechnung zu ziehen. Dies ist selbstverständlich, handelt es sich doch um Probleme der objektiven Zurechnung. Der Autor führt selbst Beispielsfälle70 an, bei denen es schon an der objektiven Zurechnung fehlt bzw. fehlen muss – es gilt hier derselbe Einwand wie oben gegen Krey. Die Begründung eines Vorsatzausschlusses aufgrund mangelnder Risikoverwirklichung geprüft auf denselben Grundlagen wie die objektive Zurechnung ist systematisch überflüssig, da schon die objektive Zurechnung nicht gegeben wäre und es auf den subjektiven Tatbestand nicht mehr ankommt. Solche Fälle sind systematisch ersichtlich ungeeignet für das, was mit ihnen erreicht werden soll, nämlich die Konzeption für den subjektiven Tatbestand zu erläutern und zu rechtfertigen. Jakobs erkennt dies an einer Stelle auch selbst ganz deutlich, nach der Verneinung des Vorsatzes wegen mangelnder Risikoverwirklichung – explizit auf denselben Kriterien wie im objektiven Tatbestand – merkt er in Klammern an: „Wobei das verwirklichte Risiko sogar nicht einmal objektiv zurechenbar sein mag“71. Dies trifft den Kern, denn nach Jakobs eigener Konzeption kann es dann nicht objektiv zurechenbar sein, wenn es subjektiv nicht zurechenbar wäre. Auch hier gilt für den Prüfungsaspekt der Risikoverwirklichung in Jakobs Konzeption, dass das zweimalige Prüfen eines Sachverhalts anhand derselben Kriterien überflüssig und damit unrichtig ist. Jedenfalls aber sind dies keine Fragen des Vorsatzes, sondern objektive, normative Fragestellungen. Auf den Ansatz der Schaffung des Risikos bzw. gleichbedeutend aber anderer Terminologie folgend der Gefahr als Vorsatzgegenstand soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, da auch andere Vertreter der Literatur ähnliche Ansätze verfolgen. Auf die inhaltliche Richtigkeit ist daher im Kapitel F einzugehen. Festzuhalten bleibt allerdings schon hier, dass die systematische Einordnung als Vorsatzproblem im Gegensatz zu der der Risikoverwirklichung richtig ist. Eindeutig ist weiterhin die Schlussfolgerung von Jakobs hinsichtlich seiner eigenen Konzeption, dass nach seiner Vorstellung der Täter den konkreten Verlauf durch den sich das Risiko verwirklicht, nicht kennen müsse, d. h. dieser nicht Vorsatzgegenstand sei.72 Im Gegensatz zu den vorher dargestellten Ansichten, die formal auf dem Vorsatz bezüglich des Kausalverlaufs beharren, faktisch dies jedoch nicht einhalten, zieht Jakobs diese Konsequenz und spricht sie offen an. Jedoch nimmt auch er ausführliche Untersuchungen zum Kausalverlauf bzw. dem Realisierungszusammenhang im subjektiven Tatbestand vor. 69 Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 70; Rn. 71 geht der Frage nach, welche Folgen einer Vergiftung sich noch als Risikoverwirklichung darstellen, beispielsweise ein Sturz bei Ausspülen des Mundes bis hin zu benommenem Torkeln und folgendem Sturz. 70 Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 67, 68, 70 f. 71 Jakobs AT, 8 / Rn. 70. 72 Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 63, 66.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

Aus der gezogenen Konsequenz folgt wiederum, dass es nach diesem Ansatz einen Irrtum über den Kausalverlauf nicht geben kann – wenn bereits der Kausalverlauf nicht Gegenstand des Vorsatzes ist, dann kann es auch als zum Vorsatzausschluss führende Rechtsfigur den Irrtum über den Kausalverlauf nicht geben.

d) Die Konzeption von Schroth Ganz ähnlich in Ausgangspunkt und Schlussfolgerungen sind die Lösungsansätze von Schroth.73 Er kritisiert zunächst das Abstellen der Rechtsprechung auf die Vorhersehbarkeit. Es bleibe unklar, welche Verläufe als vorhersehbar angesehen werden könnten. Letztlich werde die Vorhersehbarkeit immer angenommen, wenn man dem Handelnden den Erfolg zurechnen wolle.74 Schroth hält es demgegenüber zunächst für richtig, die Frage zu stellen, ob der Kausalverlauf als Vorsatzgegenstand anzusehen sei.75 Die Antwort fällt bei ihm differenzierend aus. Einerseits meint Schroth, da Handlung und Erfolg durch Regeln, beispielsweise naturwissenschaftliche Kausalgesetze und weitere Zurechnungsregeln, verknüpft seien, könne sich der Vorsatz nicht auf diesen Zusammenhang beziehen – der Vorsatz beziehe sich auch sonst nicht auf Regeln, die für die Anwendung von Strafrechtsnormen gälten. Darüberhinaus ließe sich die Kausalität und damit der Kausalverlauf immer nur ex post bestimmen. Was nur ex post gewusst werden könne, könne nicht Vorsatzgegenstand sein.76 Dann jedoch argumentiert Schroth, dass es gleichwohl einen „richtigen Kern“77 der These von der Kausalität als Vorsatzgegenstand gebe. Andernfalls könnten auch solche Handlungen zugerechnet werden, die nur „gelegentlich“ einer Handlung und nicht „durch die Handlung“ herbeigeführt worden wären.78 Dies wird von ihm sogleich dahingehend erläutert, dass im Krankenwagenfall eine Zurechnung nicht stattfinden dürfe, jedoch bei Verzicht auf die These erfolgen könne bzw. müsse. Diese Ansicht bzw. vielmehr ihre Begründung ist problematisch. Denn im Krankenwagenfall ist richtiger Ansicht nach bereits die objektive Zurechnung zu verneinen, so dass es auf den subjektiven Tatbestand nicht ankommt. Auch die formulierte Antithese von „durch“ als Zurechenbarkeitsvoraussetzung vs. „gelegentlich“ als Begründung für Nichtzurechnung ist zumindest sehr missverständlich. An der Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie ist nicht zu zweifeln, so dass „durch“ kein sinnvolles Kriterium sein kann. Gemeint sind wohl die Ergebnisse der objek73 74 75 76 77 78

Zu finden bei Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 94 ff. Vgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 94 f. Vgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 95. Vgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 96. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 97. Beide Zitate bei Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 97.

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tiven Zurechnung hinsichtlich der Realisierung einer Gefahr im Erfolg. Neben der terminologischen Unklarheit betrifft dieser Punkt allerdings ein objektives Problem – auch nach Schroths eigener Terminologie ist die Unterscheidung durch vs. gelegentlich etwas Objektives und keine Vorsatzfrage. Systematisch konsistent ist im Ansatz die von Schroth gezogene Schlussfolgerung, dass es auf die Kenntnis des Täters vom Risiko seines Handelns als Vorsatzgegenstand ankomme.79 Dies ist in der Tat eine Vorsatzfrage und entspricht dem Vorgehen von Jakobs, weshalb auf die entsprechenden Ausführungen im vorigen Abschnitt verwiesen werden darf. Schroth exemplifiziert seinen Ansatz sodann an Beispielen und prüft die Frage des Vorsatzes in Fällen, in denen der Erfolg (etwas) anders, als vom Täter erwartet, eintritt. Ein Fall behandelt ein Servieren von Pilzen, die nach der Tätervorstellung giftig gewesen sind, tatsächlich waren diese jedoch verdorben und daran stirbt das Opfer. Ein weiterer Fall betrifft den eines vergifteten Opfers, das einmal beim Versuch des Holens von Hilfe tödlich die Treppe hinabstürzt, in der Variante dann im Krankenwagen beim Unfall stirbt.80 Im Falle der Pilze sei der Vorsatz gegeben, da vorgestelltes und realisiertes Risiko „teilidentisch“ 81 seien. Gleiches gelte für den Fall des Treppensturzes, anders sei die letzte Variante mit dem Krankenwagenfall zu behandeln, dort fehle aufgrund der Unterschiedlichkeit der Risiken der Vorsatz. Vorab sei kurz angemerkt, dass es auch in dieser Konstellation nicht auf den Vorsatz beim Krankenwagenfall ankommt, der Erfolg ist schon nicht objektiv zurechenbar. Aber auch darüberhinaus bestehen Zweifel, ob diese Beispielfälle tatsächlich als Begründung einer Vorsatzkonzeption geeignet sind. Völlig richtig ist es, dem Grunde nach danach zu fragen, welches Risiko sich verwirklicht hat. Jedoch kommt es für den Vorsatz nicht darauf an, ob vorgestelltes und verwirklichtes Risiko „teilidentisch“ sind. Der erste Schritt der Identifizierung möglicher Risiken und die Prüfung ihrer Verwirklichung ist richtig. Identifikation und Prüfung der Verwirklichung von Risiken ist jedoch genuine Aufgabe der objektiven Zurechnung. Wenn feststeht, dass bzw. welches Risiko – im Falle des Treppensturzes das Ausgangsrisiko der Vergiftung, da Versuche des Hilfeorganisierens Teil dieses Risikos sind, im Krankenwagenfall eben ein allgemeines Lebensrisiko – sich verwirklicht hat, dann müsste man konsequent danach fragen, ob der Täter sich der Schaffung des Risikos bewusst war. Diese wäre eine systematisch konsistente Lösung. Schroth zieht jedoch Teile der objektiven Zurechnung in den Vorsatz, indem er dort Realisierungsfragen prüft. Unklar bleibt zudem, ob dies in Ergänzung des objektiven Tatbestands oder an dessen Stelle geschehen soll. Das eine wäre eine überflüssige Wiederholung, das andere eine falsche Verortung des Problems. Vgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 97. Diese Beispielsfälle finden sich bei Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 98. 81 Dies ist faktisch das Lösungskriterium für die Bestimmung des Vorsatzes in Grenzfällen, vgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 98. 79 80

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

Ebenso wie Jakobs zieht Schroth Fälle zur Begründung bzw. Exemplifizierung einer Vorsatzkonzeption heran, die objektiver Natur sind bzw. im objektiven Tatbestand mit entsprechenden Kriterien und Erwägungen gelöst werden müssen. Es bleibt noch anzumerken, dass bei aller Ähnlichkeit der Konzepte von Schroth und Jakobs der Ansatz von Schroth tendenziell weiter sein, d. h. in höherem Maße zur Bejahung eines Vorsatzes führen, dürfte. Schließlich genügt in diesem Ansatz bereits die Teilidentität von Risiken, während eine solche Einschränkung hinsichtlich des Vorsatzgegenstandes bei Jakobs nicht zu finden ist. Letztlich bleibt unklar, was unter Teilidentität zu verstehen ist und vor allen Dingen ab welchem Maß an Überschneidung diese anzunehmen ist. Falls minimale Überscheidungen im Sinne von Schnittmengen ausreichen, wird fast immer Teilidentität anzunehmen sein. Dies ist kaum quantifizierbar, das Kriterium daher schlecht operationalisierbar und damit für die Rechtssicherheit jedenfalls nichts gewonnen, so dass man Schroth demselben Vorwurf aussetzen könnte, den er der Rechtsprechung machte. Das erforderliche Maß an Teilidentität könnte immer dann als gegeben anzunehmen sein, „[ . . . ] wenn man den Handlungserfolg dem Handelnden zurechnen will.“82

3. Der Kausalverlauf als objektiver Aspekt – Eingrenzung des Vorsatzes durch Bezug auf Elemente der objektiven Zurechnung Im Gegensatz zu den im vorherigen Abschnitt dargestellten Ansätzen, ist die Grundannahme der im Folgenden dazustellenden und zu analysierenden Konzepte zwar entgegengesetzt – der Kausalverlauf wird ausdrücklich nicht als Problem oder Bezugspunkt des Vorsatzes angesehen. Die tatsächlichen Ergebnisse unterscheiden sich jedoch nicht diametral und sind mitunter eng verwandt. a) Rudolphis These von irgendeiner geschaffenen Gefahr als Vorsatzgegenstand Rudolphi wendet sich gegen die Rechtsprechung und die Teile der Literatur, die den Kausalverlauf als Bestandteil des Vorsatzes sehen und unwesentliche Abweichungen vom vorgestellten Kausalverlauf für bedeutungslos erachten, soweit sie sich noch im Rahmen des Vorhersehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen.83 Dieser Ansatz beruhe auf der „verfehlten These“84, dass Gegenstand des Vorsatzes der Kausalverlauf als solcher sei. Gerade die Frage der Vorhersehbarkeit sei eine Frage der objektiven Zurechnung, fehle diese, so stelle 82 Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 95 oben bereits als Kritik am Kriterium der Vorhersehbarkeit der Rechtsprechung zitiert. 83 Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31. 84 SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31.

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sich „[ . . . ] die Frage nach einer subjektiven Zurechnung und damit nach der Relevanz des Irrtums über den Kausalverlauf nicht mehr.“85 Gleichwohl räumt Rudolphi ein, dass den Ergebnissen der Rechtsprechung und der entsprechenden Literatur im Wesentlichen zuzustimmen sei.86 Der von Rudolphi gewählte Ausgangspunkt ist zu begrüßen. Er ist sowohl hinsichtlich der Natur der Vorhersehbarkeit als Teil der objektiven Zurechnung zutreffend als auch hinsichtlich der Schlussfolgerung, dass es auf Vorsatzüberlegungen nicht (mehr) ankommt, wenn es schon an der objektiven Zurechnung mangelt. Nach Ansicht von Rudolphi bleiben dann zur weiteren Diskussion bzw. Prüfung diejenigen Fälle zurück, in denen der Täter den Erfolg in objektiv zurechenbarer Weise habe bewirken wollen, der Erfolg zwar letztlich auch eingetreten sei, jedoch auf eine andere ebenfalls objektiv zurechenbare Weise.87 Kennzeichnend dafür sei, dass anstelle der vorsätzlich geschaffenen Gefahr sich eine andere vom Täter jedoch nicht erkannte Gefahr realisiert habe. Rudolphis Lösungsansatz bzw. Konzeption besteht nun in der These, dass es den Täter nicht entlasten könne, wenn sich in der gewollten Rechtsgutsverletzung nicht die bewusst ins Werk gesetzte Gefahr, sondern eine andere zurechenbare, aber unbewusst geschaffene Gefahr realisiert habe. Der Grund sei die „tatbestandliche Gleichwertigkeit“ von gewollter und tatsächlicher Erfolgsverursachung.88 Die entsprechende Schlussfolgerung für die Prüfung lautet daher, dass es für die Bejahung des Vorsatzes genüge, „dass der Täter vorsätzlich eine Gefahr des Erfolgseintritts geschaffen hat und sich diese oder eine andere ebenfalls durch sein Verhalten in objektiv zurechenbarer Weise geschaffene Gefahr [ . . . ] realisiert hat.“89 Begrüßenswert an diesem Vorgehen ist, dass es sich beim Aspekt der Notwendigkeit des vorsätzlichen Schaffens einer Gefahr tatsächlich um ein subjektives Kriterium handelt. Die Prüfung der Realisierung einer und insbesondere welcher Gefahr, und die Frage nach deren Schaffung ist demgegenüber ein objektives Problem. Bedenklich ist es, dass Rudolphi die Realisierungsfrage gleichwohl zum Aspekt des Vorsatzes macht, wenn er postuliert, der Täter müsse bezüglich einer objektiv zurechenbaren Gefahr Vorsatz gehabt haben, ob sich diese dann realisiere sei gleichsam egal, wenn sich nur irgendeine objektiv zurechenbare Gefahr realisiert habe. Wenn man jedoch im objektiven Tatbestand prüft, ob der Erfolg objektiv zurechenbar ist, d. h. ob der Täter eine Gefahr geschaffen hat, die sich realisiert hat, so ist man naturgemäß auf diese eine Gefahr für den weiteren Prüfungsfortgang beschränkt. Dann aber müsste es gerade auf diese Gefahr ankommen, derer sich der Täter bewusst gewesen ist bzw. sein muss. 85 86 87 88 89

SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31. Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31. Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

Hatte der Täter bezüglich der sich realisierenden Gefahr Vorsatz, insbesondere dann, wenn er mehrere Gefahren geschaffen hat, ist dies ein unproblematischer Fall. Wenn aber der Täter zwei Gefahren geschaffen hat, von denen sich eine offensichtlich nicht realisiert, jedoch eine andere schon, so ist es keinesfalls gleichzusetzen, wenn die Kenntnis und damit der Vorsatz nur bezüglich der nicht realisierten Gefahr vorliegen. Dies wird durch Rudolphi und seine Konzeption überspielt. Rudolphi kreuzt hier gleichsam Gefahrvorsatz und objektiv zurechenbare Gefahrrealisierung, in der Weise, dass es reicht, wenn beides nur überhaupt vorliegt – egal ob aufeinander bezogen bzw. einander entsprechend. Die Entsprechung von realem Geschehen und Vorstellungsbild des Täters wird aufgegeben. Dies ist dann jedoch im Ergebnis eben keine Vorsatzfrage mehr, sondern letztlich eine Wertung, weil es genügt, dass der Täter sich vorsätzlich falsch verhalten hat und er deswegen als Vorsatztäter auch für die Realisierung anderer nicht vorsätzlich geschaffener Risiken haften soll bzw. muss. Rudolphi selbst führt sein Kriterium nur mit Mühe wortgetreu aus. Das angeführte Beispiel, dass im Falle des Todes durch Wundinfektion nach Beilhieb der Vorsatz zu bejahen sei90, ist richtig gelöst, aber bei richtiger Betrachtung kein Beispielsfall für seine Lösung. Denn es wurde vorsätzlich die Todesgefahr durch Beilhiebe geschaffen, die sich auch noch durch Wundinfektion realisiert – die Wundinfektion als eigene Gefahr im Sinne der objektiven Zurechnung anzunehmen, nur um begründen zu können, dass trotz Vorsatzes nur bezüglich der ersten Hiebgefahr der Vorsatz gleichwohl bestehe, wenn und weil sich eine andere zurechenbare Gefahr realisiert habe, erscheint konstruiert.91 Jedenfalls aber bedarf es dieses Vorgehens für die Bejahung auch der Vorsätzlichkeit nicht, man könnte schlicht auf den Vorsatz bezüglich der Todesgefahr durch die Beilhiebe abstellen – wie sie sich genau realisiert, ist Teil des Kausalverlaufs und damit auch nach Rudolphi92 jedenfalls nicht Vorsatzgegenstand. Eben der Fall, in dem Rudolphi mit seinem Kriterium zum Vorsatzausschluss kommen will und der die Schlüssigkeit des Kriteriums beweisen könnte bzw. Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31. Das auch hier auftretende Problem ist, dass man sehr einfach eine Vielzahl an Gefahren aus einem Lebenssachverhalt herauslösen bzw. definieren kann, wenn man nur in Betracht zieht, was alles passieren könnte. Dies ist dasselbe Vorgehen wie bei der oben [Abschnitt C.II.1.c)aa) sowie D.III.3.a)aa)] bereits ausführlich diskutierten Problematik des konkreten Erfolgs bzw. der konkreten Gefahr, beide kann man unendlich verfeinern und damit manipulieren, wenn man immer mehr Einzelfaktoren als relevant miteinbezieht. Je mehr (mögliche) Einzelfaktoren einbezogen werden, desto mehr potenzielle Gefahren schafft man durch eine einzige Handlung, so kann man in einem Beilhieb neben der allgemeinen Todesgefahr theoretisch bereits die spezifische Gefahr der Wundinfektion sehen und könnte dies auch noch weiter verfeinern nach Zeit und anderen Umständen. Dieser Weg muss in eine Sackgasse führen und gibt sein Ergebnis dann vor, wenn man die Gefahr nur entsprechend definiert. 92 Vgl. erneut die ausdrückliche Ablehnung dieses Ausgangspunkts von Rechtsprechung und anderer Literaturstimmen bei SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31. 90 91

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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müsste, kann dies jedoch nicht. Rudolphi93 bemüht eine Version des Krankenwagenfalls, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass der Vorsatz hier nicht vorliege. Darauf kommt es aber gar nicht mehr an, denn der Erfolg ist schon nicht objektiv zuzurechnen. Erweitert man den Krankenwagenfall, wird die Unhaltbarkeit der wortgetreuen Anwendung des Kriteriums deutlicher. Wenn in diesem Fall der Täter der Beilattacke beispielsweise zufällig auch schon als Mechaniker am Krankenwagen oder auch einem anderen Wagen tätig gewesen wäre und durch von ihm unbewusst schlecht reparierte Bremsen der Unfall verursacht worden wäre, dann müsste man mit Rudolphi zur Vorsätzlichkeit kommen. Schließlich hat der Täter vorsätzlich eine Gefahr für das Leben des Opfers (durch die Beilattacke) geschaffen und zwar nicht diese, aber eine andere (ihm) objektiv zurechenbare Gefahr, die der defekten Bremsen, hat sich realisiert. Rudolphis Kriterien wären dem Wortlaut nach erfüllt. Soll dies tatsächlich zu einem vollendeten Vorsatzdelikt führen? Dies käme einer Haftung des Täters aus einem vollendeten Vorsatzdelikt (nur) für seinen ins Werk gesetzten Willen gleich, so er sich denn nur noch etwas Anderes objektiv zurechenbar, d. h. fahrlässig, zu schulden kommen lässt. Dies kann nicht richtig sein. Man kann diese Konsequenz vermeiden, wenn man die Betrachtung auf dieselbe Handlung begrenzt, die die weitere Gefahr geschaffen hat bzw. haben muss. Diese Restriktion ist jedoch dem Wortlaut der Ausführungen von Rudolphi nicht ohne weiteres zu entnehmen. Ginge man so vor, so dürfte es jedoch selten sein, dass der Täter bei richtiger Gefahrdefinition mehrere Gefahren durch eine Handlung für die konkrete – nur darauf bezieht sich die objektive Zurechnung des Erfolges(!) – Verletzung des Objekts setzt. Jedenfalls genügt beispielsweise eine wie auch immer geartete und / oder wann auch immer vorsätzlich geschaffene Todesgefahr gerade nicht, um sie für einen bestimmten Todeserfolg zurechenbar erscheinen zu lassen. Es fällt schwer zu glauben, dass gerade Rudolphi, der im Bereich des Vertrauensgrundsatzes den Ausschluss von dessen Anwendbarkeit nur wegen irgendeines Fehlverhaltens als versari in re illicita bekämpft94, zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen will. Entscheidend für die Ablehnung einer Strafbarkeit ist bei genauer Analyse seiner Bespiele für Rudolphi selbst auch zum einen die mangelnde objektive Zurechnung. Aber selbst wenn diese gegeben ist, dann scheidet die Vorsätzlichkeit aus, wenn es zu einem nicht gewollten Erfolg als solchem kommt, weil der Vorsatz jedenfalls den Erfolg umfassen muss. Dies ist konsequent, entspricht aber nicht ohne weiteres dem Wortlaut des Konzepts. Mit der Frage des Vorsatzes bezüglich der einen oder anderen Gefahr hat das Abstellen auf einen anderen Erfolg jedenfalls nichts zu tun. Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31. Vgl. SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 73; zum Problem siehe schon oben Abschnitt D.III.3.b) bb)(1). 93 94

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

b) Das Bewusstsein der Erfolgstauglichkeit nach Schroeder Auch Schroeder lehnt zunächst den dogmatischen Ansatz der Rechtsprechung ab, wonach der Vorsatz den Kausalverlauf umfassen müsse. Dieses Vorgehen sei schlicht unbegründet, und die pragmatische Einschränkung auf wesentliche Züge aufgrund mangelnder Vorhersehbarkeit aller Details hält er für „mehr als unbefriedigend“.95 Er kritisiert das Kriterium einer anderen Bewertung der Tat als aufgrund seiner „Schwammigkeit“ „vollends unerträglich“.96 Schroeder macht völlig zu Recht deutlich, dass es in Konstellationen wie dem Krankenwagenfall nicht um ein Problem des Wissens oder Wollens geht. Dies folge schon daraus, dass selbst das inständige Herbeiwünschen eines solchen Verlaufs diesen nicht zur Tat des Wünschenden mache, sondern allenfalls – je nach Konstellation – ein untauglicher Versuch plus Zufall bleibe.97 Diese Einschätzungen liegen auf der auch hier vertretenen Linie und sind sachgerecht. Jedoch meint Schroeder, dass das Gesamtproblem nicht völlig aus dem Vorsatz ausgegliedert werden könne, denn dann müssten Kenntnis und Ausnutzung inadäquater Erfolgsbedingungen, wie die Kenntnis von einer atypischen Konstitution des Opfers, unberücksichtigt bleiben.98 Dieses Argument ist zwar auf den ersten Blick nachvollziehbar, aber schon ausführlich behandelt worden. Es handelt sich um die Problematik des Sonderwissens, dessen Einbeziehung immer wieder Ansatzpunkt für Kritik an der objektiven Zurechnung gewesen ist, sich jedoch befriedigend lösen lässt.99 Aber auch unabhängig von der Sonderwissensproblematik lehnt Schroeder das Wesentlichkeitskriterium anderer Autoren und der Rechtsprechung ab. Entscheidend sei vielmehr die dem Täter bekannte, konkrete Erfolgstauglichkeit der Handlung.100 Der Grund liege darin, dass ein untauglicher Versuch plus Erfolgseintritt keine Vollendung ergeben könne. Die konsequente Schlussfolgerung Schroeders lautet dann, dass Gegenstand des Vorsatzes zwar nicht der Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen sei, jedoch die konkrete Tauglichkeit der Handlung zur Erfolgsherbeiführung. Dies sei zugleich die oberste Grenze der Anforderungen an den Vorsatz.101 Der Lösungsansatz ordnet in konsistenter Weise das Vorsatzproblem der Kenntnis von der Erfolgstauglichkeit auch dem Vorsatz zu. Die von Schroeder gezogenen Schlussfolgerungen sind jedoch teilweise bedenklich: Wenn das konkrete Angriffsmittel tauglich gewesen sei, dann könnten abLK-Schroeder, § 16 Rn. 26. Beide Zitate bei Schroeder, GA 1979, S. 328. 97 Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 27. 98 Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 28. 99 Vgl. dazu die Ausführungen zur Kritik Armin Kaufmanns u. a. in Abschnitt D.V.2. 100 Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 29. 101 Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 29; so auch Schroeder, GA 1979, S. 325 f., 328. 95 96

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weichende Verwirklichungen den Täter nicht entlasten.102 Einzige zusätzliche Voraussetzung sei die gegebene Kausalität.103 Ein Einwand drängt sich dagegen freilich unmittelbar auf. Die konkrete Erfolgstauglichkeit alleine kann und darf die Prüfung der Verwirklichung der durch die taugliche Handlung geschaffenen Gefahr nicht ersetzen. Schroeder übergeht schlicht die Notwendigkeit der vor dem Vorsatz zu prüfenden objektiven Zurechnung. In diesem Sinne ist Jakobs vollkommen darin Recht zu geben, dass „der Schluss aus der Tauglichkeit eines Risikos auf seine Verwirklichung nicht gesichert [ . . . ]“104 ist. Übergeht man die Prüfung der Verwirklichung jedoch nicht, so entspricht das Kriterium der Kenntnis von der Erfolgstauglichkeit weitgehend dem des Bewusstseins der Risikoschaffung von Jakobs, Schroth und Rudolphi. Denn eine in Bezug auf den tatbestandlichen, konkreten Erfolg erfolgstaugliche Handlung begründet zugleich regelmäßig eine Gefahr für das Rechtsgut und damit ein missbilligtes Risiko. Daher entspricht die Kenntnis bzw. das Bewusstsein der Erfolgstauglichkeit regelmäßig dem des geschaffenen Risikos. Dabei handelt es sich in der Tat um subjektive Elemente, anders zu beurteilen sind das Risiko und die Erfolgstauglichkeit selbst – diese Aspekte sind objektiver Natur. Aber auch Schroeder vermischt beides, wenn er in einem Beispielsfall darauf abstellt, dass aufgrund der Erfolgstauglichkeit einer Handlung selbst der Vorsatz bestehe bzw. im Falle der Untauglichkeit es am Vorsatz fehle.105 Eben dies ist nicht richtig, mangelnde Erfolgstauglichkeit (hinsichtlich des konkreten Erfolgs) muss bereits zum Ausschluss der objektiven Zurechnung führen106, eine Prüfung im Vorsatz ist daher nicht sachgerecht – die Inkonsistenz dieser Vorgehensweise bleibt unerklärbar, zumal Schroeder selbst als Ausgangspunkt seiner Ausführungen deutlich macht, dass ein untauglicher (!) Versuch plus Zufall keine vollendete Vorsatztat konstituierten107 und daher „kein Problem des Wissens oder Wollens“108 vorliege. Einen Anwendungsfall des Irrtums über den Kausalverlauf gibt es letztlich auch bei Schroeder nicht, wenn und weil er den Kausalverlauf selbst nicht als Gegenstand des Vorsatzes ansieht. Lediglich der Ausgangspunkt bzw. das Initial des Kausalverlaufs, die Vornahme einer erfolgstauglichen Handlung und damit das Setzen des Risikos, sind Gegenstand. Der daran anschließende Verlauf ist es nicht. Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 29. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn andere Handlungen die Kausalität „abbrechen“ oder „überholen“, vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 29 a. E. 104 Jakobs AT, 8 / Rn. 64 Fn. 139 zu Schroeders Konzeption. 105 Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 31. 106 Falls eine Handlung objektiv tatsächlich nicht erfolgstauglich ist, so kann sie sich nicht im konkreten Erfolg realisieren, weil sie ihn ex definitione nicht herbeizuführen vermag. 107 So ganz deutlich LK-Schroeder, § 16 Rn. 27, 29. 108 LK-Schroeder, § 16 Rn. 27. 102 103

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

Im Übrigen ist anzumerken, dass die Erfolgstauglichkeit keine besondere Voraussetzung in Abweichungsfällen ist, auch wenn sie dort zu Tage tritt. Nicht erfolgstaugliche Handlungen können nie Vollendungsunrecht begründen, sie können nur durch Zufall zum Erfolg führen und werden durch zusätzliches Wünschen seitens des Täters nicht zum Vollendungsunrecht.109 Bei mangelnder Erfolgstauglichkeit – wie etwa in den Gewitter- oder Erbonkelfällen – liegt eben keine rechtlich missbilligte Gefahr, kein relevantes unerlaubtes Risiko vor. Dies sind die grundlegenden Erkenntnisse der Lehre von der objektiven Zurechnung, die nichts mit dem Vorsatz zu tun haben. Insofern ist Schroeder in diesem Punkt inhaltlich uneingeschränkt beizupflichten. c) Der Ansatz von Otto Otto wendet sich ebenfalls gegen die Vorgehensweise der Rechtsprechung und von Teilen der Literatur, dem Täter Geschehnisse als bewusst verwirklicht zuzurechnen, nur weil sie allgemein vorhersehbar sind.110 Als Lösung kombiniert Otto schon vorgestellte Ansätze. Er stellt darauf ab, dass dem Täter diejenigen Sachverhalte als bewusst verwirklicht, d. h. vorsätzlich, zugerechnet werden können, die ihm mitbewusst gewesen seien. Mitbewusst wiederum seien einem Täter solche Sachverhalte, die typischerweise in der Deliktsbegehung angelegt seien.111 Als verkürzte Schlussfolgerung zieht Otto daraus, dass „[ . . . ] Abweichungen in der Realisierung der durch den Täter begründeten Gefahr, die typischerweise mit der ins Werk gesetzten Gefährdung verbunden sind und zu dem erstrebten Erfolg führen [ . . . ]“112, unwesentlich sind. Hinsichtlich des Vorsatzes fordert Otto weiterhin, dass der Täter wissen müsse, dass er eine konkrete Gefahr für ein Rechtsgut eines anderen begründe.113 Es zeigt sich deutlich, dass mit diesem Ansatz eine Kombination aus Herzbergs Ansatz des Mitbewusstseins und derjenigen Ansätze, die als Vorsatzgegenstand die Schaffung eines Risikos fordern, verbunden ist. Die Kombination aus beidem führt nach Ottos eigener Einschätzung114 dazu, dass das Ergebnis dem Ansatz von Rudolphi seinem Wortlaut nach entspricht. Rudolphi lehnt dies ab, indem er Otto kritisiert.115 Dafür spricht jedoch, dass für Otto der Täter Vorsatz bezüglich der Gefahr haben muss und typische Abweichungen keinen Vorsatzausschlussgrund darstellen – diese typischen Abweichungen sind jedoch gerade solche, die auch 109 Die Entscheidungsrolle dieses bösen Willens hat die Lehre von der objektiven Zurechnung überwunden, siehe schon Abschnitt D.VI.4. 110 Vgl. Otto AT, § 7 Rn. 84. 111 Vgl. Otto AT, § 7 Rn. 84. 112 Otto AT, § 7 Rn. 85. 113 Vgl. Otto AT, § 7 Rn. 81. 114 So Otto AT, § 7 Rn. 86. 115 Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31.

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objektiv zuzurechnen sind. Damit genügt der Vorsatz hinsichtlich irgendeiner geschaffenen Gefahr in Kombination mit der Realisierung eines anderen Geschehensablaufs. Jedenfalls aber ist die Kategorie des Mitbewusstseins als solche nicht unproblematisch, es sei auf die Ausführungen oben verwiesen.116 Die Frage, ob Folgen bzw. Geschehnisse typischerweise mit einer Gefahr verbunden sind, entscheidet jedoch, wie bereits mehrfach erläutert, über die objektive Zurechnung. Folgt man Otto, stellt sich die Problematik der Kausalverlaufsabweichung in konsequenter Anwendung nur als objektives Problem dar. Bei typischerweise mit der Ausgangsgefahr verbundenen Verläufen ist die objektive Zurechnung zu bejahen, und nach Otto – eben wegen der Eigenschaft als typisch – eo ipso auch der Vorsatz, so dass diesem keine einschränkende Rolle und damit letztlich keine eigene Bedeutung mehr zukommt. Eine erneute Prüfung zur Bejahung des Mitbewusstseins, ob und dass die Folgen typischerweise damit verbunden sind, ist im subjektiven Tatbestand unnötig und wiederholend. Es kann kein anderes Ergebnis die Folge sein, weil es sich um ein bereits geprüftes objektives Problem handelt. Ottos Ansatz ist zwar in sich konsequent. Jedoch geht insbesondere das Kriterium des Mitbewusstseins bei typischen Folgen am Kern vorbei und ist insoweit redundant. Darüberhinaus ist die Nähe zum Wortlaut des Ansatzes von Rudolphi aufgrund der dort deutlich gemachten Kritik bedenklich.

d) Der Ansatz von Wolter Wolter wendet sich im Jahr 1977 entschieden gegen die Herangehensweise, die im subjektiven Tatbestand unter dem Stichwort der Prüfung des Irrtums über den Kausalverlauf auf Adäquanzurteil und rechtlich-sittliche Bewertung abstellt.117 Letzteres ist seiner Ansicht nach eine schlichte „Leerformel“118. Nach der Konzeption von Wolter muss der Täter eben nicht den Kausalverlauf, auch nicht in seinen groben Zügen, kennen, sondern es sei ausreichend, „[ . . . ] dass er sich ein (dann ins Werk gesetztes) rechtlich relevantes Risiko für den tatbestandsmäßigen Erfolg vorstellt und dass sich die solchermaßen bewusst geschaffene Verletzungsgefahr auf subjektiv zurechenbare Weise im Erfolg realisiert.“119 Nach Wolters Verständnis setzt ein vollendetes Vorsatzdelikt sowohl das Unrecht des beendeten und tauglichen Versuchs (von ihm als „Risikoschaffung“ bezeichnet) als auch kumulativ dazu einen Erfolg i. S. einer objektiv zurechenbaren Gefahrrealisierung (als „Risikozusammenhang“ bezeichnet) voraus.120 116 117 118 119 120

Vgl. oben Abschnitt E.IV.1. Vgl. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 652 ff., insbesondere S. 660 ff. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 663. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 664, im Ergebnis ebenso S. 678, 703. Vgl. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 664.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

Bereits an dieser Stelle sei kurz angemerkt, dass, obwohl Wolter sich wie schon Armin Kaufmann auf den beendeten Versuch bezieht, er im Gegensatz zu diesem121 den Boden des Tatstrafrechts zugunsten eines Gesinnungsstrafrechts deshalb nicht verlässt, weil er an der Notwendigkeit eines zurechenbaren Erfolgs festhält. Missverständlich wird der Ansatz indessen durch zwei Schritte. Zum einen meint Wolter zwischenzeitlich, dass beispielsweise in Fällen wie dem Brückenpfeilerfall ein von der Tätervorstellung abweichendes, jedoch ebenfalls zurechenbares Risiko geschaffen werde122, daher sei ein „doppeltes objektives Zurechnungsurteil“ bezüglich des geplanten und des geschehenen Verlaufs sowie ein subjektives auf das Planverhalten bezogenes Urteil notwendig.123 Zusammen mit der These, dass sich der Vorsatz nicht auf die eigentliche, tatsächliche Risikoschaffung124 bzw. nicht auf die Schaffung eines tatsächlich geeigneten Erfolgsrisikos zu erstrecken brauche125, könnte man meinen, dies entspreche der Konzeption Rudolphis, nach deren Wortlaut es genügt, wenn irgendein objektiv zurechenbarer Erfolg eintritt und der Vorsatz bezüglich irgendeiner Gefahr gegeben ist, ohne dass sich beide decken müssten. Trotz der sehr missverständlichen Formulierung ist dem nicht so.126 Wolter macht deutlich, dass es gerade darauf ankommt, „[ . . . ] dass der Täter vorsätzlich [ . . . ] ein relevantes Planrisiko vollumfänglich ins Werk gesetzt hat [ . . . ], dass dadurch ein objektiv zurechenbares Erfolgsrisiko geschaffen wird127 [ . . . ] und dass sich schließlich diese Verletzungsgefahr auf objektiv zurechenbare Weise im Erfolg realisiert [ . . . ]“128. Damit ist klargestellt, dass es auf Zur Auffassung von Armin Kaufmann vgl. schon ausführlich oben D.V.2. Vgl. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 675. 123 Vgl. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 675 f. 124 Vgl. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 680. 125 Vgl. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 681. 126 Die missverständlichen Passagen sind Folge der Bemühung um eine Differenzierung bei den Abweichungsfällen im objektiven Tatbestand. Diese geht davon aus, dass es solche Fälle gibt, wo das Handeln des Täters das Risiko der Abweichung bereits in sich trägt (wie etwa im Brückenpfeilerfall, weil das Opfer bei Handlung des Täters objektiv eben nur dort aufschlagen konnte) und daher hier von vornherein neben dem vom Täter angenommen Risiko des Ertrinkens nur das zweite, andere Risiko des Aufschlagens geschaffen wurde. Daneben gibt es Fälle, bei denen sich die Abweichung erst später, d. h. nach der Schaffung der Erfolgsgefahr, entwickelt (so der Wundinfektionsfall). Da Wolter in ersteren Konstellationen verschiedene Gefahren definiert bzw. nach ihnen differenziert, sieht er sich gezwungen, die missverständlichen Aussagen in der oben zitierten Richtung zu machen, dass es des Vorsatzes bezüglich des tatsächlichen Erfolgsrisikos nicht bedürfe (vgl. a. a. O., S. 680 – 682). Daran ist richtig, dass es keines Vorsatzes hinsichtlich des Aufprallens bedarf. Meines Erachtens ist das Vorgehen von Wolter nicht zwingend, beide Fallarten lassen sich ebenso konsistent aber verständlicher lösen, wenn man jeweils von einer Gefahr ausgeht und den Unterschied im Wege der Gefahrrealisierung sieht und damit die Frage nach der sich realisierenden Gefahr zum zentralen Ausgangspunkt der Zurechnung macht. 127 Ob man darunter dann ein neues Risiko beispielsweise in Form des Risikos des Wundinfektionstods im Gegensatz zum Tod durch Stiche sieht ist belanglos, solange man diese Kausal- und Zurechnungsbeziehungen aufrechterhält. 128 Wolter, ZStW 89 (1977), S. 703 [Hervorhebungen nicht im Original]. 121 122

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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die Vorsätzlichkeit des sich realisierenden Risikos ankommt und insofern ein Unterschied zu Rudolphi besteht. Nicht richtig aber nachvollziehbar ist daher die von Otto129 und ebenso von Rudolphi130 selbst vollzogene inhaltliche Gleichstellung ihrer Ansätze mit dem von Wolter. Freilich bestehen in den Ergebnissen der Lösung bekannter Beispielsfälle keine Unterschiede. In dieser Konzeption kommt es gleichsam zu einer doppelten Prüfung der objektiven Zurechnung – sowohl hinsichtlich des tatsächlichen als auch des geplanten Verlaufs. Das „doppelte objektive Relevanzurteil“131 findet bezüglich des tatsächlichen Geschehens zusätzlich zu dem über den Plan des Täters statt. Der Grund liegt darin, dass von einer Kombination aus beendetem (tauglichen) Versuch und objektiv zurechenbarem Erfolg ausgegangen wird. Dabei muss die Frage der Tauglichkeit der geplanten Handlung des Täters für den geplanten Erfolg positiv beantwortet sein. Hat der Täter einen Plan gehabt, bei dessen Verwirklichung ihm der Erfolg nicht objektiv zurechenbar wäre, weil er wie im Flugreisefall z. B. auf das allgemeine Lebensrisiko gesetzt hat, so fehlt es an der Unerlaubtheit der vorgestellten Handlung und eine Vollendung muss ausscheiden, wenn sich dieses Risiko realisiert. Kritisch ist jedoch anzumerken, dass für eine stets stattfindende objektive Prüfung des vom Täter Gewollten – neben der Untersuchung des tatsächlichen Geschehens – beim vollendeten Vorsatzdelikt keine Notwendigkeit besteht. Es genügt, den tatsächlichen Verlauf zu untersuchen. Hat der Täter bezüglich der realisierten Gefahr, wie auch von Wolter für die Vollendung vorausgesetzt, keinen Vorsatz, so kommt keine Vollendungsstrafbarkeit in Betracht, sondern je nach Konstellation ein Versuch. Dabei ist dann zu untersuchen, ob das vom Täter vorgestellte Geschehen einen Versuch begründen kann, wenn und weil bezüglich der Handlung die objektive Zurechnung vorläge. Wolter macht ganz im Sinne der auch hier vertretenen Ansicht deutlich, dass die Fallkonstellationen der Abweichung – gleich ob nach herkömmlicher Terminologie wesentlich oder unwesentlich – Probleme der objektiven Zurechnung betreffen. 132 Bei sog. wesentlichen Kausalabweichungen (wie dem Krankenwagenfall) sieht er eine Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos133 und damit ein objektives Lösungskriterium. Dies ist im Ansatz selbstverständlich richtig, jedoch in DurchVgl. Otto AT, § 7 Rn. 86, Fn. 58. Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31, der eben darauf abstellt, dass es zur Vorsätzlichkeit genüge, wenn sich entweder die vorsätzlich geschaffene oder eine andere Gefahr realisiert haben – vorausgesetzt beide seien objektiv zurechenbar. Dies ist bei genauem Hinsehen unvereinbar mit Wolters Vorgehen. 131 Wolter, ZStW 89 (1977), S. 678; siehe auch S. 703: „ein zweites, rein objektives Relevanzurteil“. 132 Vgl. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 702. 133 Vgl. Wolter, ZStW 89 (1977), S. 703. 129 130

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

führung und Konsequenzen zu eng. Es muss nicht stets ein allgemeines Lebensrisiko (allein) sein, dass bei atypischen Kausalverläufen die objektive Zurechnung ausschließt, sondern es kommt ein Kanon von Grundsätzen in Betracht. Bei dieser kritischen Anmerkung ist zu bedenken, dass der Beitrag von Wolter aus dem Jahre 1977 stammt und die Diskussion um die Lehre von der objektiven Zurechnung erst in ihren frühen Anfängen steckte. Im Jahr 1995 verändert Wolter seinen Ansatz. Wohl unter dem Eindruck der zunehmenden Ausdifferenzierung der Lehre von der objektiven Zurechnung postuliert er „[ . . . ] eine neue, dritte und strikt objektive Kategorie des Unrechtstatbestandes: die spezifische, objektive Zurechnung zum objektiv-subjektiven (personalen) Tatbestand.“134 Kausalabweichungen werden demnach weder als Problem des objektiven noch des subjektiven Tatbestands begriffen, sondern betreffen eben die Zurechnung zum objektiv-subjektiven Tatbestand. Als Lösungskriterium stellt Wolter darauf ab, ob die Abweichung in der gesetzten Gefahr mitangelegt gewesen sei.135 Hinsichtlich der hier im Vordergrund stehenden Frage nach dem Vorsatzgegenstand macht er erneut deutlich, dass sich der Vorsatz des Täters allenfalls auf das risikoschaffende Verhalten des Täters beziehen müsse, die Verwirklichung dieses Risikos im Erfolg und damit der Erfolgsunwert bedürfe jedoch keiner „subjektiven Begleitung“.136 Die Verwirklichung sei demnach Teil der Bewertungsnorm und zu dieser gehörten allein die strikt objektiven Merkmale. Allein die Verhaltensnorm, die nach Wolter mit der unerlaubt gefährlichen Handlung ihre Grenze erreiche, bedürfe eines entsprechenden Vorsatzes.137 Er stellt eindeutig fest, dass Fragen der Plangefahr und Abweichungen von dieser ein Problem der spezifischen objektiven Zurechnung seien und der Täter sich über die Abweichungen des Risikos und deren Wesentlichkeit keine Gedanken machen könne und müsse.138 Der Kern seiner Konzeption aus dem Jahre 1977 hinsichtlich des Vorsatzes bleibt somit unangetastet, damit auch die Gültigkeit seiner Schlussfolgerungen. Wolter zieht vor allen Dingen konsequenterweise bei der Anwendung seiner Lösungsgrundsätze keine objektiven Kriterien in den subjektiven Tatbestand. Er kommt darüberhinaus zu der für seine Konzeption zwingenden Schlussfolgerung, dass es „einen strafrechtlich bedeutsamen Irrtum über den Kausalverlauf“139 nicht gibt.

134 Wolter, Roxin-Symposium, 1995, S. 21; siehe auch S. 11: „strikt objektive Zurechnung“. 135 Wolter, Roxin-Symposium, 1995, S. 14 ff. 136 Wolter, Roxin-Symposium, 1995, S. 9. 137 Vgl. Wolter, Roxin-Symposium, 1995, S. 9. 138 Vgl. Wolter, Roxin-Symposium, 1995, S. 15. 139 Wolter, ZStW 89 (1977), S. 702.

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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4. Das tatbestandsmäßige Verhalten als Bezugspunkt des Vorsatzes nach Frisch Frisch knüpft im Vorsatzbereich an seiner für den objektiven Tatbestand entwickelten Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten an, die in der Theorie eine strikte Trennung von tatbestandsmäßigem Verhalten und Realisierungszusammenhang beinhaltet.140 Zunächst wendet sich Frisch überzeugend gegen die beiden Lösungskriterien der Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur. Die Voraussehbarkeit des Geschehensverlaufs sei im Sinne einer objektiven Voraussehbarkeit Teil der Lehre von der objektiven Zurechnung bzw. des tatbestandsmäßigen Verhaltens. Zur Frage des Vorsatzes komme man im Falle mangelnder Voraussehbarkeit nicht – es fehle schlicht an der objektiven Tatbestandsmäßigkeit.141 Verstehe man die Voraussehbarkeit als eine subjektive, so seien „unhaltbare Konsequenzen“ die Folge, da objektiv zurechenbares Verhalten nur deshalb nicht subjektiv zugerechnet werden könne, weil dieser eine Täter den Kausalverlauf nicht habe vorhersehen können – im Falle komplizierter Zusammenhänge sei dies häufig kaum möglich.142 Das Kriterium der Vorhersehbarkeit sei daher entweder redundant oder inhaltlich nicht haltbar und damit abzulehnen.143 Auch das Kriterium der Gleichwertigkeit lehnt Frisch ab. Dieses sei als subjektive Sonderlehre bzw. Kongruenzerfordernis überflüssig, wenn und weil tatbestandliche Gleichwertigkeit geprüft werde.144 Die auf diese beiden Kriterien gestützte Abweichungslehre genüge nicht den Mindestanforderungen an strafrechtliche Rechtsfindungsinstrumente, da es an Bestimmtheit mangele und vielfach nur Scheinbegründungen zur Abstützung von Gefühlsurteilen eingesetzt würden.145 Auf die Begründung kann und soll hier nicht näher eingegangen werden. Im Ergebnis deckt sie sich weitgehend mir der hier vertretenen Ansicht. Das zentrale Kriterium des objektiven Tatbestandes war nach Frisch das Vorliegen des tatbestandsmäßigen Verhaltens, das insbesondere die Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr voraussetzt. Daran knüpfen die Überlegungen von Frisch zum „Bezugspunkt des Vorsatzes“146 an. Eben das tatbestandsmäßige Verhalten sei der Bezugspunkt des Vorsatzes und damit insbesondere die Entscheidung für die Schaffung einer Gefahr, d. h. ein Verhalten, das das Risiko des tatbestandsmäßigen Erfolges in sich trüge und daher durch Kriterien charakterisiert werde, die die Missbilligung der Handlung trügen.147 140 141 142 143 144 145 146

Vgl. ausführlich bereits oben D.V.1. Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 576. Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 577. Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 577. Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 578. Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 580. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 48.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

Der ausfüllende Terminus ist die „Entscheidung für ein bestimmtes normativ relevantes Substrat“148. Darin könne eine Entscheidung für die Schaffung eines Typus von normativ missbilligter Gefahr bzw. für die Auslösung unbeherrschbarer Kausalverläufe gesehen werden.149 Diese Entscheidung decke daher auch eine Vielzahl anderer Verläufe ab, sofern sich diese nur unter den normativen Aspekt der Auslösung unbeherrschbarer Kausalverläufe definieren ließen.150 Frisch räumt jedoch selbst ein, dass diese letzte Schlussfolgerung zu einer nur begrenzten „Ausgrenzungsfunktion“151 führt. Darüberhinaus fordert Frisch, dass der Täter selbst davon ausgegangen sein müsse, dass sein Verhalten zur Erfolgsherbeiführung ein taugliches Risiko gewesen sei.152 Diese Forderung geht in die Richtung der Ansicht von Schroeder. Insbesondere wendet sich Frisch gegen die Anreicherung der Voraussetzungen des Vorsatzes mit weiteren, wie er es nennt „überflüssig präzisen Verlaufsvorstellungen“153. So sei es für den Vorsatz unerheblich, wenn der Täter das Opfer zunächst nur lebensgefährlich verletze und es dann später seinen Verletzungen erliege, solange nur die objektive Zurechnung nicht ausgeschlossen werde. Der Täter müsse eben das „normative Substrat“154, die grundsätzliche Wirkungsweise seiner Angriffsmittel erfasst haben. Dies allein genüge für den Vorsatz des Täters, weitere Vorstellungen seien nicht erforderlich.155 Daran knüpft Frisch in Fällen wie dem Brückenpfeilerfall an, den er „schon fast legendär“156 nennt und der die Besonderheit aufweise, dass sich hier ein dem Verhalten bereits innewohnendes jedoch ein anderes als das geplante und nicht ein erst später auftretendes Risiko realisiere.157 Jedoch habe sich der Täter für das normaVgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 48, 594. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 594 ganz ähnlich S. 595, 609 f., 611. 149 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 595. 150 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 595. 151 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 595. 152 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 602. 153 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 609. 154 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 609. 155 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 608 f. 156 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 610. 157 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 610; Frisch geht hier von zwei Risiken aus, von denen der Täter das eine (Gefahr des Ertrinkens) bewusst, das andere (Gefahr des Aufschlags) unbewusst geschaffen habe, die jedoch beide objektiv zurechenbar seien. Ähnlich verfahren Rudolphi und Wolter. Ob diese Trennung zwingend ist, sei auch hier dahingestellt. Meines Erachtens kann man sich auch überlegen, ob nicht das Risiko als das des Stürzens über die Brücke gesehen werden kann und man dann nach dessen Realisierung fragt. Hier stellt sich insbesondere dann die Frage nach der Adäquanz aber auch nach der Erhöhung der Gefahr für den konkret eingetreten Erfolg. Beides ist jedenfalls zu bejahen, vgl. oben Abschnitt D.III.3. 147 148

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tive Substrat seines Handelns entschieden. Der Täter könne unmöglich aufgrund des Verursachens einer weiteren unbewussten Gefahr im Verhältnis zu dem nur eine Gefahr schaffenden Täter bessergestellt werden.158 Trifft der Täter das angegriffene Objekt an einem anderem Ort oder in anderem Ausmaß, so ist dies nach Frisch solange belanglos, wie „[ . . . ] in normativer Sicht die Entscheidung für ein bestimmtes normativ relevantes Substrat“159 im Handeln des Täters gesehen werden könne. Frisch kommt damit zu weitgehender Zurechnung, weil es nur beispielsweise um die Herbeiführung einer Körperverletzung bestimmten Ausmaßes oder um ein bestimmtes Ausmaß der Sachbeschädigung gehe. So soll es beispielsweise keinen Unterschied machen, wo eine entstellende Narbe entsteht.160 Auch in dem Fall, dass ein Täter eine Fensterscheibe habe einwerfen wollen, aber eine in die Hauswand eingelassene Madonna Figur getroffen und beschädigt habe, sei eine vollendete Tat anzunehmen. Darauf, dass diese Lösung erheblichen Bedenken aus einer Reihe von Gründen begegnet, insbesondere eine aberratio ictus nahe liegt, wird in den folgenden Abschnitten noch ausführlich eingegangen werden.161 Aber auch nach der Systematik von Frisch scheint diese Lösung fraglich, denn um die Herbeiführung dieses Ausmaßes einer Sachbeschädigung ging es dem Täter gerade nicht, er wollte nur das einfache Fenster treffen.162 Hingegen ist es sachgerecht, dem Täter eine massiver als geplant herbeigeführte Rechtsgutsverletzung in dem Umfang zuzurechnen, indem sein Vorsatz bestand, und die darüberhinaus gegebene Fahrlässigkeit in der Strafzumessung zu berücksichtigen.163 Weiterhin gehöre zu dem Vorsatz bezüglich des konkreten tatbestandsmäßigen Verhaltens auch die Tatsache der „Beschränkbarkeit der Entscheidung auf ein ganz bestimmtes Rechtsgut“164. Bestandteil des ganz bestimmten Rechtsguts ist dessen Träger, der „bestimmte[n] raum-zeitlich konkretisierte[n] Repräsentant[en]“165. Demzufolge ist in den aberratio Fällen ein Vorsatz zu verneinen. Frisch wendet sich noch mit zahlreichen gewichtigen Argumenten gegen die Einbeziehung von (weiteren) über das normative Substrat, d. h. das Erkennen von 158 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 611; gerade dieser Vergleich und das Abstellen auf das normative Substrat spricht meines Erachtens dafür hier nicht von zwei Gefahren auszugehen, um Missverständnisse zu vermeiden. Im Ergebnis ergibt sich freilich kein Unterschied. 159 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 618. 160 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 618 f. 161 Dieser Fall wird immer benutzt, um herauszustellen, dass dem Vorsatz bei Kausalabweichungen doch eine Rolle zukommen könne [vgl. E.IV.7.b) sowie E.IV.7.d)] bzw. dass es auf eine rechtlich-sittliche Bewertung der Tat ankomme (vgl. E.IV.8.). Daher wird in den angegebenen Abschnitten auf diesen Fall noch ausführlich und kritisch zurückzukommen sein. 162 Vgl. dazu ausführlich unten E.IV.7.b). 163 So Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 619. 164 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 616. 165 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 616 f.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

grundsätzlicher Wirkungsweise und Schaffung unbeherrschbarer Kausalverläufe, hinausgehenden Vorstellungen. Ob der Kausalverlauf tatsächlich ein Gegenstand des Vorsatzes sein kann bzw. darf, soll wie bereits gesagt, erst im Abschnitt F erläutert werden. An dieser Stelle genügt die Feststellung dass Frisch eine Einbeziehung ablehnt. Festzuhalten ist, dass der Rückgriff auf das „normative Substrat“ aus „normativer Sicht“ bei allen Bemühungen mit großen Unsicherheiten belastet wird, und daher zweifelhaft ist, ob er der von Frisch166 immer wieder als sein Anliegen betonten Rechtssicherheit gerecht wird. Im Gegensatz zu bereits dargestellten Ansichten bleibt Frisch jedoch konsequent und seine Lösungen sind konsistent. Er vermischt nicht subjektive und objektive Elemente im subjektiven Tatbestand und verfällt nicht in Redundanzen. Jedenfalls sieht auch Frisch keinen Anwendungsbereich für einen Irrtum über den Kausalverlauf, da er den Kausalverlauf selbst aus dem Vorsatz ausklammert.

5. Der Kausalverlauf als rein objektives Problem Bereits die Ansichten in den vorherigen Kapiteln gingen mehr oder weniger deutlich von der Grundannahme aus, dass der Kausalverlauf selbst kein Gegenstand des Vorsatzes sei, jedenfalls haben sie den Vorsatz tatsächlich nicht auf selbigen erstreckt.167 Jedoch war eine weitere Gemeinsamkeit auch, dass in der Regel eine Bezugnahme des Vorsatzes entweder auf den Ausgangspunkt des Kausalverlaufs, die geschaffene Gefahr bzw. das unerlaubte Risiko gefordert oder ein Mitbewusstsein bezüglich typischer Abweichungen für nötig erachtet bzw. unterstellt wurde. Letztlich wurde damit im Vorsatz eine Entsprechung wenigstens einiger Teile der Lehre von der objektiven Zurechnung angenommen. Vielfach wurde darüberhinaus die postulierte Trennung von objektiven Zurechnungsproblemen und Vorsatz bezüglich einzelner Grundlagen nicht konsequent durchgehalten. Maurach / Zipf stellen zu Beginn ihrer Überlegungen hinsichtlich der Bedeutung des § 16 Abs. 1 StGB bei Abweichungen im Kausalverlauf zunächst fest, dass es 166 Vgl. beispielsweise Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 581; siehe auch Frisch, Roxin-FS, 2001, S. 234. 167 Ähnlich wie Teile der bereits dargestellten und die im Folgenden noch darzustellenden Ansichten geht auch Driendl, GA 1986, S. 253 ff. davon aus, dass der Kausalverlauf nicht Vorsatzgegenstand sein kann bzw. darf. Andernfalls käme man nicht umhin mit „verdeckten Fiktionen“ dahingehend zu arbeiten, dass unterstellt werde, dass ein Kausalverlauf vom Willen des Täters getragen werde, wenn nur der Enderfolg eingetreten sei (S. 257). Driendl sucht die Lösung der Abweichungsfälle ebenso wie die der Fälle des zweiaktigen Geschehens in der sozialwissenschaftlichen Prognoseforschung. Alle anderen Lösungsansätze nennt er „Umgehungsstrategien“ (S. 255, 257).

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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„nur dann“168 auf diese Vorschrift ankomme, wenn die Ursächlichkeit – die nach ihrer Systematik auch durch die Lehre von der objektiven Zurechnung ausgefüllt wird – zu bejahen sei. Andernfalls fehle es schon am objektiven Tatbestand, so dass nicht erst auf § 16 StGB abzustellen sei.169 Für den Fall aber, dass die objektive Erfolgszurechnung zu bejahen ist, stellen Maurach / Zipf „[ . . . ] die Frage, ob sich aus der Lehre von der objektiven Erfolgszurechnung [ . . . ] Rückwirkungen auf die Vorsatzbestimmung ergeben“.170 Damit ist die Frage, um die es vorliegend geht, in aller Schärfe formuliert. Die Antwort beider Autoren lautet, dass es ausgehend von der Funktion der normativen, haftungsbegrenzenden Kriterien der Zurechnung keine Notwendigkeit gebe, eine Entsprechung im Vorsatz zu fordern.171 Dies scheint insbesondere nicht nur sehr plausibel sondern geradezu zwingend, wenn man den Vorsatz (nur) auf „alle strafbegründenden und strafschärfenden Umstände des objektiv verwirklichten Straftatbestandes“172 bezieht. Jedoch ist eine Begrenzung des Vorsatzgegenstands auf strafbegründende und -schärfende Merkmale gerade auch im Hinblick auf § 16 II StGB nicht ohne weiteres zwingend173 und daher eine Entsprechung nicht schon aus formalen Gründen abzulehnen. Ob tatsächlich eine solche (Entsprechungs-)Notwendigkeit beispielsweise aus präventiven Motiven heraus nicht besteht und wie weit dies gehen kann, sei an dieser Stelle noch dahingestellt und wird in Kapitel F erörtert. Maurach / Zipf jedenfalls setzen die von ihnen negierte Notwendigkeit konsequent um, lassen es bei einer objektiven Prüfung bewenden und halten den subjektiven Tatbestand von weiteren Erwägungen diesbezüglich frei.174 Einen Irrtum über den Kausalverlauf kann es nach dieser Konzeption als Rechtsfigur nicht geben. Ebenso in Ergebnis und Begründung verneint Burgstaller einen Bedarf für eine Entsprechung bzw. einen Ausgleich im Vorsatz, wenn die Lehre von der objektiven Zurechnung richtig verstanden und angewendet werde.175 Die Konzeption von Joecks wird hingegen nicht ganz klar. Einerseits spricht er davon, dass sich der Vorsatz auf die tatsächlichen Grundlagen der objektiven Zurechnung beziehen müsse, weil diese den gesetzlichen Tatbestand im Sinne von § 16 Abs. 1 StGB als allgemeine Lehre ergänzten.176 Andererseits greift er dies Maurach / Zipf AT, § 23 Rn. 28 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Maurach / Zipf AT, § 23 Rn. 28. 170 Maurach / Zipf AT, § 23 Rn. 29. 171 Vgl. Maurach / Zipf AT, § 23 Rn. 29. 172 So die Formulierung von Wessels / Beulke AT, Rn. 238. 173 Anders, nämlich unter Einschluss privilegierender Umstände SK-Rudolphi, § 16 Rn. 8. 174 Vgl. Maurach / Zipf AT, § 23 Rn. 29 ff., die sich nach Verneinung der Notwendigkeit anderen Problemen der Vorsatzes zuwenden. 175 Vgl. Burgstaller, Jescheck-FS, 1985, S. 373 f. 176 Vgl. MK-Joecks, § 16 Rn. 39. 168 169

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

bei der Lösung von Fällen in dem Abschnitt „Kenntnis des Kausalverlaufs“177 nicht erneut auf. Vielmehr stellt er zumindest für die Fälle des Dazwischentretens Dritter fest, dass es sich „[ . . . ] letztlich nicht um Fragen des subjektiven Tatbestandes, sondern um solche der objektiven Zurechnung“178 handele. Fälle gewöhnlicher Abweichungen, d. h. solche in denen der Täter das Objekt anders als erwartet trifft, erwähnt er zwar als Fälle des Problemkreises der Kenntnis vom Kausalverlauf, geht im Folgenden jedoch nur auf die an gleicher Stelle erwähnten Fallgruppen des früher oder später Treffens ein.179 Ob aus diesem Schweigen ebenso wie aus der Nichterwähnung des Irrtums über den Kausalverlauf gefolgert werden darf, dass Joecks Abweichungsfälle, die nicht das frühere oder spätere Treffen beinhalten, stets wie die Fälle des Dazwischentretens Dritter als reine Probleme des objektiven Tatbestandes sieht, scheint naheliegend, wenn auch nicht zweifelsfrei gesichert. Dies liegt insbesondere auch deshalb nahe, weil Joecks Fälle des dolus generalis, d. h. späteren Erfolgseintritts, ausschließlich nach den Maßstäben der objektiven Zurechnung und damit im Gegensatz zur verbreiteten Ansicht rein objektiv lösen will.180 Jedenfalls jedoch wird auch hier der Rechtsfigur des Irrtums über den Kausalverlauf kein ausdrücklicher Anwendungsbereich zuerkannt.

6. Mögliche Irrtümer über den Kausalverlauf als (rein) theoretische Option Auch wenn die Thematisierung und Einordnung möglicher Irrtümer über den Kausalverlauf im Anschluss an Ansätze, die den Kausalverlauf als rein objektives Problem erachten, auf den ersten Blick überraschend erscheint, so wird im Folgenden doch der Weg zu weiterführenden Konzepten gewiesen. Wessels / Beulke meinen zwar, dass der Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen vom Vorsatz umfasst sein müsse, betonen jedoch dann, dass es zu diesem Irrtumsproblem nur kommen könne, wenn die objektive Zurechnung des Erfolges zu verneinen sei.181 Erst dann bleibe für die Vorsatzfrage Raum, andernfalls komme es auf § 16 I StGB nicht mehr an. Dies entspricht der auch hier vertretenen Linie. Als Beispiel für die Möglichkeit eines Vorsatzausschlusses nennen Wessels / Beulke dann die Konstellation, dass der Täter nicht mit Verlaufsabweichungen gerechnet habe, die subjektiv voraussehbar gewesen wären.182 177 178 179 180 181 182

MK-Joecks, § 16 Rn. 49 ff. MK-Joecks, § 16 Rn. 58. Die Erwähnung findet sich bei MK-Joecks, § 16 Rn. 49, die Lösungen dann bei Rn. 50 ff. Vgl. MK-Joecks, § 16 Rn. 55, 58 sowie Nachweise zum Meinungsstand Rn. 52 ff. Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 259. Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 259.

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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Das Ausgehen von dieser Möglichkeit unterscheidet den Ansatz wesentlich von anderen, die entweder den Vorsatz mittels der Adäquanz und der Tatbewertung prüfen oder Teile der objektiven Zurechnung bzw. diese selbst in den Vorsatz ziehen. Wessels / Beulke prüfen in der Tat eine subjektive Frage, nämlich die Bedeutung bzw. Konsequenz von mangelndem Bewusstsein objektiv zurechenbarer Geschehnisse. Ob es eine solche Konstellation jedoch gibt bzw. geben kann, erscheint unklar.183 Wessels / Beulke jedenfalls bleiben ein Beispiel schuldig, in demjenigen, auf das sie verweisen184, werden objektive Zurechnung und Vorsatz bejaht. Nicht konsistent ist es jedoch, wenn im Folgenden für die Beurteilung des Vorsatzes auf die aus dem Adäquanzkriterium der Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur folgende Frage der Wesentlichkeit der Abweichung abgestellt wird. Diese hat mit dem Vorsatz, wie bereits oben gezeigt, nichts zu tun und passt nicht zu dem von Wessels / Beulke selbst als möglicher Konstellation eines fehlenden Vorsatzes genannten Fall des Unbewusstseins von Verlaufsabweichungen. Letzteres ist eine subjektive und damit eine Vorsatzfrage, die Wesentlichkeit nicht. Stratenwerth / Kuhlen argumentieren ähnlich, wenn sie davon ausgehen, dass aufgrund des Vorrangs der objektiven Zurechnung für den Vorsatz als Irrtümer über den Kausalverlauf „rein theoretisch“185 nur noch solche Fälle übrig bleiben, bei denen sich ein vom Täter nicht vorhergesehenes aber objektiv zurechenbares und damit allgemein vorhersehbares Risiko verwirklicht.186 Dies entspricht der von Wessels / Beulke angedachten Konstellation. Jedoch scheinen auch Stratenwerth / Kuhlen nicht recht an die Möglichkeit zu glauben, da sie die Konstellation „rein theoretisch“ nennen. Ein Beispiel bleiben auch sie schuldig. Bei den im Anschluss angeführten Beispielen jedenfalls wird die Vollendungsstrafbarkeit und damit der Vorsatz bejaht, weil man den Vorsatz auf alle zurechenbaren Risiken für den Erfolgseintritt zu erstrecken habe. Dann kann es den angesprochen Fall auch und gerade nicht geben. Darüberhinaus ist es problematisch davon zu sprechen, man könne den Vorsatz erstrecken. Dies ist nicht vollständig korrekt. Der Vorsatz kann sich auf etwas Konkretes erstrecken, tut er dies nicht, so kann man sich darüber – wie dies hier und bei vielen bereits dargestellten Meinungen geschieht – beispielsweise mit dem Argument der Vorhersehbarkeit hinwegsetzen bzw. ihn fingieren. Dies hat mit dem Vorsatz selbst jedoch nichts zu tun, ihn kann man nicht beliebig erstrecken, er erstreckt sich auf etwas oder tut dies nicht. Anzumerken ist noch, dass die Rückkehr zum Problem der Wesentlichkeit bei Wessels / Beulke und der Ansatz des Erstreckens bzw. Fingierens bei Stratenwerth / 183 184 185 186

Vgl. Kühl AT, § 13 Rn. 43. Vgl. Beulke, KK I, Rn. 124 ff. Stratenwerth / Kuhlen AT, § 8 Rn. 89. Vgl. Stratenwerth / Kuhlen AT, § 8 Rn. 88 f.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

Kuhlen wohl aus der Not geboren sein dürften. Würde man ihren Ausgangspunkt ernst nehmen, so müsste bei direkter Umsetzung der Vorsatz gem. § 16 Abs. 1 StGB entfallen, wenn der Täter an diesen Verlauf gerade nicht gedacht hat. Auf diesem Wege kämen beispielsweise im Brückenpfeilerfall oder auch im Wundinfektionsfall unhaltbare Ergebnisse in Form der Verneinung der Vollendungsstrafbarkeit heraus. Diese Problematik wurde erstmals von Armin Kaufmann aufgezeigt und als Kernfrage der Zurechnungslehre bezeichnet.187 Verständlicherweise versuchen die beiden gerade dargestellten Ansätze dieses Ergebnis zu vermeiden – allerdings um den Preis von Inkonsistenz bzw. Fiktionen. Jedoch weisen beide Ansätze den Weg in eine bestimmte Richtung. Ihr Grundgedanke war, dass der Täter etwas Objektives, konkret etwas objektiv Zurechenbares, nicht in seinen Vorsatz aufgenommen hatte. Richtig daran ist, dass eine Vorsatzverneinung nur dann in Betracht kommt, wenn das Vorstellungsbild des Täters enger ist als das tatsächliche Geschehen des objektiven Tatbestands – es handelt sich um die eine grundsätzliche Möglichkeit eines Vorsatzausschlusses. Dies wird von vielen Ansichten, die das tatsächliche Vorstellungsbild des Täters unterstellen oder mit objektiven Prüfungspunkten ergänzen bzw. ersetzen und es gleichwohl Vorsatzprüfung nennen, übergangen. Soll der Vorsatz eine Filterfunktion im Sinne eines echten Ausscheidungskriteriums erfüllen, muss auch Raum für die tatsächliche Möglichkeit subjektiver Defizite bleiben. Dieser letzte Aspekt wurde und wird von denjenigen übersehen, die die Regeln der objektiven Zurechnung auf die Bestimmung des Vorsatzes unmittelbar anwenden wollen – ihr Vorgehen kann keinen Ergebnisunterschied zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand bringen und muss daher zu Redundanzen führen. Einen Unterschied zwischen erforderlichem Vorstellungsbild und tatsächlichem Geschehen und damit einen Vorsatzausschluss kann es darüberhinaus auch geben, wenn man an das subjektive Vorstellungsbild höhere bzw. zusätzliche Anforderungen stellt als das schlichte Wissen und Wollen des objektiven Geschehens. Die grundsätzliche Erkenntnis dieser beiden Möglichkeiten, zu einem Vorsatzausschluss zu kommen, ist Grundlage derjenigen Meinungen, die im Folgenden dargestellt werden sollen.

7. Kausalverlauf als objektives Problem mit der Möglichkeit eines weitergehenden Vorsatzausschlusses Grundlage eines jeden dieser Konzepte ist die Erkenntnis, dass es sich bei Kausalabweichungsproblemen um objektive Probleme handelt, deren genuiner Lösungsort der objektive Tatbestand ist. 187

Vgl. schon oben Abschnitt D.V.2.

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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a) Die Feststellung von Kühl als Ausgangspunkt Auch Kühl geht davon aus, dass im Falle eines unvorhersehbaren Kausalverlaufs schon die objektive Zurechnung zu verneinen ist.188 Ob der Vorsatz wegen eines Irrtums über den Kausalverlauf ausgeschlossen sein könne, wenn die objektive Zurechnung bejaht worden sei, erscheine „zweifelhaft“189. Kühl verweist sodann auf die von Wessels / Beulke ins Gespräch gebrachte theoretische Möglichkeit.190 Daraufhin wendet er sich dem entscheidenden Punkt zu. Er konstatiert, dass „Versuche, die ,subjektive Zurechnung‘ zum Vorsatz enger zu fassen als die objektive Zurechnung“ erst ansatzweise vorlägen.191 Entscheidende Bedeutung gewinnt dabei das Adverb enger. Führt man sich die schon eingangs dieser Arbeit erwähnte Funktion der einzelnen Schritte des strafrechtlichen Prüfungsaufbaus als Filter vor Augen, so folgt daraus unmittelbar, dass ein wirksamer Filter auf der Stufe des Vorsatzes enger sein muss als Kriterien auf Ebene des objektiven Tatbestands. Kühl erkennt offenbar das weit verbreitete Problem, dass sich im subjektiven Tatbestand bei (richtiger) Anwendung der objektiven Zurechnung in den Fällen des atypischen Kausalverlaufs kein entscheidender Erkenntnisgewinn bzw. kein Fortschritt erzielen lässt. Die einzige theoretische Möglichkeit dazu ist eine im Vergleich mit dem objektiven Tatbestand restriktivere Zurechnung zum Vorsatz. Dabei ist zweierlei nicht zu unterschlagen. Erstens stellt das Erfordernis des Vorsatzes per se eine Restriktion und damit einen Filter da, weil es selbstverständlich auch in Abweichungsfällen nach allgemeinen Regeln am Vorsatz fehlen kann. Daher sind an dieser Stelle Besonderheiten im subjektiven Tatbestand angesprochenen, die gerade aus der Atypizität des Kausalverlaufs resultieren. Ihrer Bedeutung für ein Fehlen des Vorsatzes bei gegebener objektiver Zurechnung wird ganz gezielt nachgegangen. Zweitens stellen auch die Ansätze eine subjektive Restriktion bzw. einen Filter auf, die einen Vorsatz bezüglich der Gefahr, des Risikos, der Erfolgstauglichkeit oder der objektiven Zurechnung bzw. ihrer Grundlagen per se fordern. Jedoch werden auf diese Weise keine eigenen engeren Kriterien des subjektiven Tatbestands definiert sondern nur Vorsatzbestandteile, die aus dem objektiven Tatbestand in den subjektiven reichen und sich dort wiederspiegeln müssen. Die folgenden Ansätze bemühen sich jedoch um genuine Restriktionen im subjektiven Tatbestand, die nicht aus dem objektiven Tatbestand abgeleitet sind. Dies gilt auch für die Konzeption Roxins, die im Ansatz etwas anders vorgeht und daher im Anschluss in einem eigenen Kapitel darzustellen und zu analysieren ist. 188 189 190 191

Vgl. Kühl AT, § 13 Rn. 42. Kühl AT, § 13 Rn. 43. Vgl. Kühl AT, § 13 Rn. 43. Kühl AT, § 13 Rn. 44.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

b) Die Einschätzung von Cramer / Sternberg-Lieben Cramer / Sternberg-Lieben stellen auf der einen Seite die Rechtsprechung und die ihr folgende Literatur, die abweichende Kausalverläufe als Vorsatzproblem behandeln, und auf der anderen Seite den von ihnen als „neuere[r] Lehre“192 bzw. als „im Vordringen befindliche[n] Auffassung“193 bezeichneten Ansatz, demgemäß es sich um ein objektives Problem handelt, gegenüber. Eindeutig Stellung für oder wider einen Ansatz beziehen sie nicht. Im Zuge der Darstellung des neueren Ansatzes kommen sie auf die Problematik des Vorsatzes im Rahmen dieser Ansichten zu sprechen. Cramer / Sternberg-Lieben bezweifeln, ob sich überhaupt noch eine Einschränkung des Vorsatzes nach der Zurechnung des objektiven Geschehens ergeben kann.194 Beispielsweise sei dies im Brückenpfeilerfall nicht der Fall, weil sich die vom Täter geschaffene Gefahr verwirklicht habe. Jedoch stellen sich ihrer Ansicht nach Fragen der Vorsatzzurechnung trotz Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung in Fällen, in denen „[ . . . ] ein (großflächiges) Angriffsobjekt an anderer Stelle [ . . . ] oder in anderer Form [ . . . ] als gewollt beeinträchtigt wird“195. Ebenso sei auf die Konstellationen der aberratio ictus zu verweisen.196 Die Problematik der Abweichungsfälle bei großflächigen Angriffsobjekten hat bereits Schroeder erwähnt und die Einschätzung geäußert, dass sich die Abweichungsmöglichkeiten und die rechtlichen Probleme potenzierten.197 Genau dies scheinen nun auch Cramer / Sternberg-Lieben im Sinn zu haben und den Ausweg im Vorsatz suchen zu wollen. Als Beispielsfall führen beide an, dass der Täter eine in die Hauswand eingelassene Madonna-Figur habe beschädigen wollen, jedoch eine Fensterscheibe getroffen habe.198 Hier sei der Vorsatz nicht gegeben. Dies dürfte in der Tat richtig sein, jedoch stellt sich die Frage, ob es sich überhaupt um einen Fall des atypischen Kausalverlaufs nach in dieser Arbeit vorgenommener Definition handelt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn man als das Tatobjekt die Hauswand bzw. das Haus ansähe. Naheliegender erscheint es mir demgegenüber, bei Madonna und Fensterscheibe von zwei getrennten Sachen auszugehen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob es sich zivilrechtlich bei Fenster und Madonna Figur um (wesentliche) Bestandteile des Gebäudes und damit gemäß § 94 I BGB des Grundstücks handelt199, so dass beiden zivilrechtlich die eigenständige Sachqualität fehlen Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 55. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 54a. 194 Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 54a. 195 Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 54a. 196 Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 54a. 197 Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 11. 198 Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 54 a; dieser Beispielsfall findet sich auch noch bei Roxin AT I, § 12 Rn. 156 sowie bei Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 175, worauf bei der Darstellung der Konzeptionen beider Autoren noch zurückzukommen ist. Er wurde auch bereits von Frisch (vgl. oben E.IV.4) angesprochen. 192 193

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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würde.200 Solche Überlegungen können nicht den Ausschlag geben, da sich die zivilund strafrechtlichen Sachbegriffe nicht völlig decken müssen201 – das Strafrecht bedient sich seiner eigenen am Schutzzweck ausgerichteten Begriffsbildung.202 Auch wenn das Rechtsempfinden nicht unbedingt stets der beste Ratgeber ist, erschiene es doch dem Gefühl nach befremdlich, den Täter wegen Beschädigung der Hauswand und damit genau genommen der Sache Grundstück und nicht etwa wegen Beschädigung des Fensters oder der Madonna zu bestrafen. Dann aber handelt es sich bei der getroffenen Sache um eine andere als die anvisierte und damit um eine aberratio ictus. Daraus lässt sich gerade keine Schlussfolgerung für die Bedeutung des Vorsatzes bei atypischen Kausalverläufen ziehen. Die Lösung des Madonna-Falles dürfte trotzdem im Ergebnis richtig sein. Der Erfolg ist unbestritten Bestandteil des Vorsatzes, dazu gehört dann zwingend das Faktum, welches Objekt geschädigt werden soll. Wenn und weil der Täter dann Vorsatz bezüglich eines ganz konkreten Angriffsobjekts gehabt hat, und der Vorsatz eben auf eine ganz konkrete Wirklichkeit und nicht auf die Begrifflichkeit des Tatbestands (hier Sache) bezogen sein muss bzw. ist.203, so muss er bei Verletzung eines anderen als des anvisierten Objekts entfallen.204 Dabei handelt es sich tatsächlich um ein Vorsatzproblem. Es hat sich gezeigt, dass auch nach diesen Ausführungen, die eher als Hinweise denn als eigener Ansatz einzuordnen sind, eine Bedeutung des Vorsatzes speziell hinsichtlich der Atypizität des Kausalverlaufs und damit ein Anwendungsfall des Irrtums über den Kausalverlauf nicht belegt ist. 199 Bei dem Fenster handelt sich gem. § 94 II BGB um einen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes und damit nach § 94 I BGB des Grundstücks, vgl. MüKo-Holch, § 94 Rn. 23. Hinsichtlich einer Fassadenfigur ist dies weniger eindeutig, es dürfte sich nicht um einen wesentlichen Bestandteil handeln, da ein solcher im Sinne von § 94 I, II BGB erst dann anzunehmen ist, wenn das Gebäude durch die Einfügung erst zu dem geworden ist, was es darstellen soll, vgl. MüKo-Holch, § 94 Rn. 25. Bei einer Fassadenfigur ist dies zweifelhaft, auch wenn das Reichsgericht diese Eigenschaft für eingelassene Wandbilder eines Schlosses bejaht hatte (RG LZ 1933, S. 923), An der Fassade angebrachte Firmenschilder gehören beispielweise nicht dazu (Staudinger / Jickeli / Stieper, § 94 Rn. 36). Insgesamt ist die Rechtsprechung von umfangreicher Kasuistik geprägt, ob die Madonna ein einfacher, ein wesentlicher Bestandteil oder eine selbständige Sache ist – zur Abgrenzung und zu Beispielen siehe MüKo-Holch, § 93 Rn. 15 ff. –, kann aus strafrechtlicher Sicht dahinstehen. 200 Vgl. MüKo-Holch, § 90 Rn. 13, 20; § 94 Rn. 32. 201 Vgl. Schönke / Schröder-Stree, § 303 Rn. 3,5; Sc.hönke / Schröder-Eser, § 242 Rn. 9 ff.; jeweils m. w. N. 202 Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 58. 203 Vgl. dazu erneut Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 600; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 57; SK-Rudolphi, § 16 Rn. 33 jeweils m. w. N., siehe auch Abschnitt E.II. 204 So eine weit verbreitete Meinung zur Lösung der aberratio ictus vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 250 ff. sowie Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 57 jeweils m. w. N. auch zur Gegenansicht.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

c) Das Erfordernis der Vorsatzgefahr nach Puppe Auch Puppe wendet sich gegen den Ansatz der Rechtsprechung, auf die Vorhersehbarkeit als Kriterium für die Wesentlichkeit der Abweichungen vom vorgestellten Kausalverlauf abzustellen. Dieses Kriterium sei bereits in der objektiven Zurechnung enthalten, der Ansatz führe zu „einer Art Kreisbewegung“ und sei daher überflüssig.205 Grundsätzlich führen nach Puppe Abweichungen des Erfolges von der Tätervorstellung, die die tatbestandliche Qualität und bzw. oder die Unrechtsquantität betreffen, zum Ausschluss des Vorsatzes.206 Jedoch seien die Beschreibungen der Tatbestände, auf die sich der Vorsatz beziehen müsse207, unvollständig und enthielten die notwendigen Bedingungen ihrer eigenen Anwendung nicht, vielmehr fehle vor allen Dingen das Erfordernis der Schaffung und Realisierung einer unerlaubten Gefahr.208 Daher müsse der Vorsatz auch die Vorstellung von einer unerlaubten Gefahr enthalten209, sie gehöre zum „Mindestinhalt“210 des Vorsatzes. Dazu geht Puppe letztlich in zwei Schritten vor: Im ersten legt sie fest, dass „[ . . . ] der wirkliche Kausalverlauf und seine Vorstellung davon in solchen und so vielen Faktoren übereinstimmen, als erforderlich sind, um eine unerlaubte Gefahr zu begründen.“211 Dies bedeutet, dass der Vorsatztäter Vorstellungen von den tatsächlichen Grundlagen der Gefahr und ihrer Unerlaubtheit haben muss. Im zweiten Schritt macht sich eine Besonderheit der Vorsatzkonzeption von Puppe bemerkbar. Die Vorstellung einer unerlaubten Gefahr genügt danach für eine Zurechnung zum Vorsatz nicht.212 Vielmehr muss der Täter eine sog. Vorsatzgefahr geschaffen haben und davon Vorstellung haben. Dies ist nach Puppe die Grundvoraussetzung vorsätzlichen Handelns. Eine Vorsatzgefahr ist demnach eine in der Weise „qualifizierte Gefahr“213, „[ . . . ] die ein vernünftiger Täter nur dann setzen würde, wenn er sich mit dem Eintritt des Erfolges abfindet [ . . . ]“214. Eine Puppe AT, § 19 Rn. 9; i. E. ebenso NK-Puppe, § 16 Rn. 78. Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 68; auch Puppe AT, § 19 Rn. 6. 207 Dies ist eben ein Teil des Erfordernisses der Vorstellung bezüglich der tatbestandlichen Qualität. 208 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 68. 209 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 69. 210 NK-Puppe, § 16 Rn. 75. 211 NK-Puppe, § 16 Rn. 69. 212 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 70. 213 Dieser Begriff wird von Puppe synonym zur Vorsatzgefahr verwendet, vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 70; dieS. AT, § 19 Rn. 18. 214 Puppe AT, § 16 Rn. 40. 205 206

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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Vorsatzgefahr ist gegeben, „[ . . . ] wenn ein Vernünftiger sie nur unter der Maxime eingehen würde, dass der Verletzungserfolg sein soll oder doch mindestens sein darf.“215 Das Handeln des Täters muss folglich eine taugliche Strategie zur Erfolgsherbeiführung sein.216 Es wird damit eine Reihe von objektiven Maßstäben in die Prüfung des Vorsatzes gezogen, da die Vorsatzgefahr und die Vorstellung davon im subjektiven Tatbestand zu prüfen sind. Der wirkliche Wille des Täters verliert an Bedeutung, es findet hingegen eine Interpretation statt, von der auf den Willen des Täters geschlossen wird – es handelt sich letztlich um einen bloßen „Zuschreibungsprozess“217. Auf die Kritik an dieser Grundkonzeption von Puppe kann hier nicht zu ausführlich eingegangen werden.218 Die „Normativierung und Objektivierung des Vorsatzbegriffes“219 führt zu bedenklichen Ergebnissen. Der Vorsatz wäre schon dann zu bejahen, wenn ein vernünftiger – wobei unklar und unbestimmt bleiben muss, was das bedeutet – Mensch den Erfolgseintritt erwartet hätte. Ob der Täter dies tatsächlich getan hat und welche sonstigen Umstände zu berücksichtigen sind, spielt keine Rolle mehr. Alle anderen Umstände des Einzelfalls werden ausgeblendet, die Vorsatzstrafbarkeit wird bedenklich ausgeweitet.220 Diese Probleme vergrößern sich noch erheblich, wenn es um die Frage der Abweichungen geht. Puppe fordert, dass sich die qualifizierte Gefahr im Kausalverlauf zum Erfolg realisiert haben müsse, nur dann beherrsche der Täter den Kausalverlauf in solchem Maß, dass er ihm als vorsätzlich zugerechnet werden könne.221 Stimmt der vorgestellte Kausalverlauf mit dem wirklichen in so vielen Faktoren überein, wie notwendig sind, um eine Vorsatzgefahr zu konstituieren, so hat sich die Vorsatzgefahr im Kausalverlauf realisiert.222 Dies ist die Voraussetzung der Zurechnung zum Vorsatz und damit vorsätzlichen Handelns.223 Dadurch werden neben den oben beschriebenen objektiven Aspekten, die zur Prüfung der Vorsatzgefahr notwendig sind, weitere objektive Faktoren in den subjektiven Tatbestand gezogen – nämlich die Frage und Problematik der Realisierung Puppe, ZStW 103 (1991), S. 41. Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 80. 217 So SK-Rudolphi, § 16 Rn. 5b. 218 Eine ausführliche Behandlung liefert Roxin AT I, § 12 Rn. 47 ff., kritisch auch SKRudolphi, § 16 Rn. 5 f.; ebenso Schliebitz, 2002, 61 ff. 219 SK-Rudolphi, § 16 Rn. 5b. 220 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 50; andererseits muss, folgt man Puppe, eine Strafbarkeit aus dem Vorsatzdelikt schon dann verneint werden, wenn die Vorsatzgefahr nicht hinreichend groß ist, auch wenn der Täter die vorhandene Gefahr vorsätzlich und erfolgreich genutzt hat. In diesem Fall einer objektiv zurechenbaren Gefahr, die u. U. sogar absichtlich geschaffen und verwendet wurde, eine Vorsatzstrafbarkeit zu verneinen, erscheint unsachgerecht, so auch Roxin AT I, § 12 Rn. 51 sowie SK-Rudolphi, § 16 Rn. 5b. 221 Vgl. Puppe AT, § 19 Rn. 18. 222 Vgl. Puppe AT, § 19 Rn. 19; NK-Puppe, § 16 Rn. 70, 80. 223 Vgl. Puppe AT, § 19 Rn. 18. 215 216

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

der Vorsatzgefahr, die Voraussetzung der Bejahung des Vorsatzes wird. Die Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand verschwimmt auf diese Weise, objektive Merkmale werden bald im einen bald im anderen behandelt. Nach Puppe ist ein Irrtum über den Kausalverlauf möglich. Dieser ist ihrzufolge dadurch gekennzeichnet, dass wegen vorsätzlichen Versuchs in Tateinheit mit fahrlässiger Erfolgsherbeiführung bestraft wird.224 Ein solches Vorgehen sei möglich, wenn sich im objektiven Kausalverlauf zwar eine dem Täter bewusste unerlaubte Gefahr realisiert habe, nicht aber diejenigen Kausalfaktoren, die sie zu einer Vorsatzgefahr steigerten225, bzw. anders formuliert, wenn der Täter eine sich realisierende unerlaubte Gefahr setze und darüber hinaus in der Vorstellung handele, eine Vorsatzgefahr zu setzen, die sich jedoch nicht realisiere.226 Puppe bleibt jedoch ein taugliches Beispiel schuldig. Beide angeführten Beispiele können erkennbar nicht das belegen, was sie sollen. Zum einen wird der Fall geschildert, indem ein Brandstifter nur ein Gebäude in Brand setzen wollte, jedoch mehrere durch Feuer zerstört hat.227 Dies hat jedoch mit einem Irrtum über den Kausalverlauf nichts zu tun, sondern stellt einen gewöhnlichen Tatbestandsirrtum unter dem Gesichtspunkt einer Fehlvorstellung über das Ausmaß des Schadens dar. Dies ist nach Puppe selbst ein unproblematischer Fall und wird von ihr daher auch einmal bereits vor den Überlegungen zu Kausalabweichungen gelöst228, allerdings im vorliegenden Zusammenhang wiederaufgegriffen. Auch kann er letztlich den von Puppe gemeinten Fall der Bestrafung aus vorsätzlichem Versuch und fahrlässiger Erfolgsherbeiführung nicht belegen. Erstens handelt es sich um verschiedene Objekte, bei denen immer bei entsprechender Konstellation diese Kombination aus Versuch und Fahrlässigkeit möglich ist – hinsichtlich zweier verschiedener Objekte ist diese Erkenntnis fast schon trivial. Zweitens handelt es sich schlicht nicht um eine solche Kombination wie von Puppe als Irrtum über Kausalverlauf bezeichnet, denn der Brandstifter ist hier wegen vollendeter Brandstiftung und nicht wegen Versuchs strafbar. Aber auch das zweite Beispiel von Puppe im Anschluss an die Erläuterung der Möglichkeit eines Irrtums über den Kausalverlauf, d. h. einer Kombination aus Versuchs- und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, beschreibt nicht diesen Fall. Angeführt und völlig richtig gelöst wird der Brückenpfeilerfall. Durch das Stürzen von der Brücke habe sich eine unerlaubte Gefahr realisiert, das Stürzen von der Brücke stelle eine taugliche Strategie zur Tötung eines Menschen und damit eine Vorsatz224 So ganz deutlich NK-Puppe, § 16 Rn. 72: „[ . . . ] ist wegen vorsätzlichen Versuchs in Tateinheit mit fahrlässiger Erfolgsherbeiführung strafbar, sog. Irrtum über den Kausalverlauf“ [Hervorhebung im Original]. 225 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 80. 226 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 72. 227 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 72. 228 Eindeutig NK-Puppe, § 16 Rn. 68; Puppe AT, § 19 Rn. 5 f.

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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gefahr dar. Der Täter ist daher wegen der vollendeten vorsätzlichen Tötung strafbar.229 Dem ist in Ergebnis und Begründung vollumfänglich zuzustimmen, lediglich als Beispiel für die Konstruktion von Puppe taugt der Fall weder in Lösung noch Begründung – es liegt ein vollendetes Delikt vor. Bei aller Problematik der Konzeption sollen an dieser Stelle zwei Aspekte abschließend festgehalten werden. Erstens verfolgt Puppe eine Konzeption, die im subjektiven Tatbestand durch zusätzliche, nicht im objektiven Tatbestand angelegte Voraussetzungen die Funktion eines Filters im Sinne der Einführung zu diesem Abschnitt erfüllt. Die Vorsatzgefahr und damit auch die Frage ihrer Realisierung sind ersichtlich keine Bestandteile des objektiven Unrechtstatbestands, auch wenn es sich um objektive Merkmale handelt. Puppe verfolgt ihre Linie in sich konsistent. Schwierigkeiten resultieren jedoch aus der Konzeption der Vorsatzgefahr selbst sowie der zusätzlichen objektiven Elemente im subjektiven Tatbestand. Dass tatsächlich eine Ausscheidungsfunktion für Fälle der abweichenden Kausalverläufe erreicht werden kann, scheint zweifelhaft.230 Letztlich kann auch Puppe keine Beispiele für eben einen solchen Fall nennen. Zweitens weist Puppe im Zusammenhang mit den Abweichungsfällen, namentlich mit dem Brückenpfeilerfall, auf einen wichtigen Aspekt hin. Puppe führt überzeugend aus, dass es keinen Unterschied machen könne, ob sich der Täter noch weitergehende Gedanken in dem Sinne gemacht habe, dass das Opfer auf jeden Fall ertrinken werde oder es dem Täter aus welchem Grund auch immer auf einen Tod durch Ertrinken angekommen sei.231 Puppe begründet diesen Standpunkt damit, dass dem Täter die Befugnis fehle, durch außertatbestandliche Ziele und Wünsche diejenigen objektiven Unrechtssachverhalte einzugrenzen, die dem Vorsatz zugerechnet werden dürften.232 Denkt man dies konsequent unter Berücksichtigung des Regelungsinhalts des § 16 Abs. 1 StGB und unter Verzicht auf Fragen der Wesentlichkeit der Vorstellungsabweichungen zu Ende, dann bedeutet dies nichts anderes, als dass sich nach Puppe der Vorsatz nicht auf den Kausalverlauf selbst beziehen kann bzw. darf. Nur dann fehlt dem Täter die Befugnis bzw. Möglichkeit, sich durch zusätzliche Vorstellungen der Vorsatzbestrafung zu entziehen, weil diese Überlegungen (zum Kausalverlauf) nicht Gegenstand des erforderlichen Vorsatzes sind. Ob der Kausalverlauf tatsächlich kein Vorsatzgegenstand sein kann bzw. darf, wird in Abschnitt F noch ausführlich erläutert – festzuhalten ist jedenfalls, dass Puppe davon ausgeht.

229 230 231 232

Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 80; ebenso Puppe AT, § 19 Rn. 13. Vgl. auch Kühl AT, § 13 Rn. 45. Vgl. Puppe AT, § 19 Rn. 12. Vgl. Puppe AT, § 19 Rn. 16.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

d) Die Gefahr der tatbestandsmäßigen Abweichung nach Schlehofer Schlehofer setzt bei seinen Überlegungen zum Gegenstand des Vorsatzes und damit zur Möglichkeit eines Irrtums über den Kausalverlauf an der Begrifflichkeit von § 16 Abs. 1 StGB, d. h. der Kenntnis von Umständen des gesetzlichen Tatbestands, an. Indem sein Verständnis des gesetzlichen Tatbestands nicht von Deckungsgleichheit mit dem objektiven Tatbestand ausgeht, besteht dem Grunde nach die formale Möglichkeit eines engeren subjektiven Tatbestands aufgrund von nicht aus dem objektiven Tatbestand abgeleiteten Voraussetzungen. Ausgangspunkt ist die grundsätzliche Feststellung, dass durch den gesetzlichen Tatbestand im Sinne des § 16 Abs. 1 StGB die unrechtstypisierenden Merkmale erfasst werden müssten, weil andernfalls nicht sichergestellt werden könne, dass die vorgestellte Tat der gleichen Strafvorschrift unterfalle wie die wirkliche.233 Inhalt des gesetzlichen Tatbestands sei die Beschreibung einer Gefahr der Tatbestandsverwirklichung und nicht der tatbestandliche Erfolg.234 § 16 Abs. 1 StGB spreche von der „Kenntnis“, die bei „Tatbegehung“235 vorhanden sein müsse. Da sich der Vorsatz auf reales Geschehen beziehen müsse und man den tatbestandlichen Erfolg erst kennen könne, wenn er eingetreten sei, komme dieser als Teil des gesetzlichen Tatbestands nicht in Frage.236 Obwohl Schlehofer dies eher beiläufig betont, ist es eine zentrale Konsequenz seiner Definition des gesetzlichen Tatbestands, dass sich der Vorsatz nicht auf „den Erfolg als solchen“, „[ . . . ] sondern nur auf die von § 22 StGB beschriebene Gefahr der Tatbestandsverwirklichung [ . . . ]“ bezieht.237 Denn logischerweise kommt für Schlehofer aufgrund der Begrifflichkeit des § 16 Abs. 1 StGB als Kenntnisgegenstand vor Erfolgseintritt nur die Gefahr des Erfolgseintritts in Betracht.238 Dies ist zumindest bemerkenswert, denn nach ganz herrschender Meinung ist der Erfolg ein zentraler Vorsatzgegenstand.239 Darüberhinaus fordert Schlehofer, dass die Gefahr von qualifizierter Natur sein muss.240 Dies sei dann der Fall, wenn durch die gefahrbegründende Handlung im Sinne des § 22 StGB unmittelbar angesetzt worden sei. Grundlage dieser Forderung ist die These, dass jedes vollendete Vorsatzdelikt das Stadium des Versuchs durchläuft und damit gleichsam ein Plus zum Versuch ist. Schlehofer bejaht diese Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 14. Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 15. 235 Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 15 [Hervorhebung im Original]. 236 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 15. 237 Beide Zitate Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 174. 238 Vgl. auch Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 29 f. 239 Vgl. statt aller Roxin AT I, § 12 Rn. 132 f.; vgl. nur Notwendigkeit des Vorsatzes bezüglich des Erfolges ausführlich unten Abschnitt F.IV. 240 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 15. 233 234

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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These unter Rekurs auf eine diesbezüglich herrschende Meinung.241 Jedoch ist die Notwendigkeit des unmittelbaren Ansetzens als „Gefahrmerkmal“ für Schlehofer keine Besonderheit nur des gesetzlichen Tatbestands im Sinne von § 16 Abs. 1 StGB, sondern ein Bestandteil des objektiven Tatbestands im Allgemeinen.242 Im subjektiven Tatbestand dient dieser Aspekt im Wesentlichen zur Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit.243 Dies bedeutet, dass faktisch objektive Überlegungen zum Vorliegen einer Gefahr bzw. ihrer Unmittelbarkeit im subjektiven Tatbestand angestellt werden. Bevor sich die Problematik eines möglicherweise fehlenden Vorsatzes stellt, betont Schlehofer, dass zuerst der objektive Tatbestand erfüllt sein müsse. Es könne so erhebliche Abirrungen und Abweichungen geben, dass trotz Erfolgseintritts der objektive Tatbestand gesperrt sei bzw. sich das Geschehen nicht unter den objektiven Tatbestand subsumieren lasse.244 Dies sei dann der Fall, wenn die geschaffene Gefahr erlaubt sei oder diese trotz rechtlicher Missbilligung nicht unmittelbar im Sinne von § 22 StGB gewesen sei245 – in letzterer Voraussetzung spiegelt sich die von Schlehofer für jedes vollendete Vorsatzdelikt geforderte Unmittelbarkeit wieder. Die Nähe zur Lehre von der objektiven Zurechnung wird deutlich, auch wenn diese sich nur in Ansätzen wiederfindet und von Schlehofer nicht zur Gänze übernommen wird.246 Für den Vorsatz lassen sich aus diesen Überlegungen mit Schlehofer zentrale Konsequenzen ableiten. Bestandteil des gesetzlichen Tatbestands i. S. v. § 16 Abs. 1 StGB ist neben der qualifizierten Gefahr auch noch deren Konkretisierung. Schlehofer postuliert, dass die Gefahr auf den realen Erfolg bezogen sein müsse247, der wiederum tatbestandsabhängig zu definieren sei.248. Da der Täter Kenntnis bezüglich (der Umstände) des gesetzlichen Tatbestands haben muss, präzisiert Schlehofer, dass es auf die Kenntnis der Gefahr ankommt, „[ . . . ] die sich in der Tatbestandsverwirklichung realisiert [ . . . ]“249 hat. Fehlt diese Kenntnis ist ein Vorsatzausschluss anzunehmen. Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 16, insbesondere Fn. 59. Ausführlich begründet bei Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 37 ff. 243 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 16. 244 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 172, 174. 245 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 172 f., 174 f. 246 Implizit wird dies darüberhinaus deutlich bei Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 17. 247 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 18. 248 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 19; Schlehofer thematisiert dabei die oben bereits mehrfach erwähnte Problematik und Manipulationsmöglichkeit durch eine zu enge an Details ausgerichtete Definition des konkreten Erfolges und wählt daher den jeweiligen Tatbestand als Konkretisierungsmaßstab. 249 Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 173, inhaltlich identisch auch S. 20. 241 242

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

Negativ formuliert Schlehofer, dass ein Vorsatzausschluss gegeben sei, „[ . . . ] wenn der Täter bei Begehung der Tat die tatbestandsmäßige Gefahr der Abweichung nicht gekannt hat.“250 Wenn er sie hingegen gekannt hat, dann ist vom Vorliegen des Vorsatzes auszugehen. Ein Irrtum über die tatbestandsmäßige Gefahr der Abweichung ist nach Schlehofer auf zweierlei Arten möglich. Er könne sich zum einen auf die (Umstände der) abstrakten Tatbestandsmerkmale, wie sie im Gesetz formuliert sind, beziehen.251 Die Unkenntnis der Gefahr der Abweichung kann sich zum anderen auch auf die Umstände beziehen, durch die die „strafzumessungsbezogene Konkretisierung“ festgelegt wird – dies sind vor allen Dingen „Art und Ausmaß“ einer Körperverletzung oder eines Schadens252, aber auch die „Art der Todesverursachung“253. Um einen Irrtum über die abstrakten Tatbestandsmerkmale handele es sich beispielsweise im Poolfall, wenn der kurzsichtige Täter nicht mit einem lebensgefährlichen Aufschlag auf den Boden gerechnet habe, dann fehle ihm bezüglich der in § 224 I Nr. 5 StGB normierten das Leben gefährdenden Behandlung der Vorsatz.254 Dies ist richtig, jedoch als solches keine neue Erkenntnis, die mit den Besonderheiten von Abweichungsfällen zu tun hätte. Der Täter hatte hier von Anfang an bezüglich des konkreten Tatbestands keinen Vorsatz, es handelt sich um einen „gewöhnlichen“ Tatbestandsirrtum. Dies sieht wohl auch Schlehofer so, denn er erwähnt den Poolfall erstmals, bevor er überhaupt seine eigene Vorsatzkonzeption darstellt, als unproblematische, „schlichte Abweichung“255, wo Vorsatz und Tat eindeutig inkongruent seien. Problematischer ist die zweite Möglichkeit, zu einem Irrtum über die tatbestandsmäßige Gefahr der Abweichung und damit zu einem Vorsatzausschluss zu kommen – Irrtümer über Umstände der strafzumessungsbezogenen Konkretisierung. Im Gegensatz zu dem Verständnis von Kühl 256 hinsichtlich des Konzepts von Schlehofer ist in diesem Fall ein Vorsatzausschluss gerade möglich. Zum einen stellt Schlehofer beide Möglichkeiten des Irrtums grundsätzlich als gleichberechtigt nebeneinander257, zum anderen löst er Fälle mit Vorsatzausschluss durch eben Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 174. Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 174. 252 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 175. 253 Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 177. 254 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 175. 255 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 14. 256 Vgl. Die Interpretation von Kühl AT, § 13 Rn. 45a, wonach ein Irrtum über einen Umstand, durch den erst die strafzumessungsbezogene Konkretisierung festgelegt werde, nichts am Vorliegend es Vorsatzes ändere. 257 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 174, wo beide über das Wort „oder“ verbunden sind, missverständlich, jedoch im Kontext der weiteren Ausführungen eindeutig zu interpretieren insoweit die Passage auf S. 175 oben. 250 251

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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dieses Kriterium.258 Das Wissen um die Umstände der strafzumessungsbezogenen Konkretisierung ergänzt Schlehofer mit einer ebenfalls aus seiner Definition des gesetzlichen Tatbestands resultierenden Voraussetzung. Der Vorsatz muss sich auf die konkrete Gefahr bzw. Gefahrerhöhung für das konkrete Objekt 259 bzw. auf die „tatsächliche[n] Tatbestandsverwirklichung“260 beziehen. In diesem Sinne seien auch die Fälle der aberratio ictus zu lösen, für das konkret getroffene Objekt habe der Täter nicht die Gefahr erhöhen wollen, daher sei ein Vorsatzausschluss anzunehmen.261 Ähnlich geht er in den schon oben angesprochenen Madonna Fällen vor. Habe der Täter das Fenster treffen wollen und die Madonna beschädigt, so sei die strafzumessungsbezogene Schwere betroffen. Die tatbestandsmäßige Gefahr sei daher auf die Beschädigung der Madonna zu beziehen, und der Täter habe unvorsätzlich gehandelt.262 Letztere Überlegungen sind nach hier vertretener Ansicht richtig, weil es sich um eine andere Sache handelt, ob es dabei des Umwegs über das Argument der Strafzumessungsbezogenheit bedarf, erscheint demgegenüber zweifelhaft. Problematisch ist das Abstellen auf die strafzumessungsbezogenen Umstände vor allen Dingen deshalb, weil diese eine Vielzahl von Faktoren beinhalten, die sehr unterschiedliche Aspekte betreffen können. Gerade das Abstellen auf die Art der (Todes-)Verursachung kann sehr weit führen. Im Jauchegrubenfall meint Schlehofer, darin ist ihm zuzustimmen, dass der Täter bei dem Wurf in die Grube keinen Vorsatz gehabt habe. Daher sei zu überlegen, ob der Täter die missbilligte und unmittelbare Gefahr auch schon durch den ersten Akt geschaffen haben könne. Das geschaffene Risiko werde durch den weiteren Tatverlauf konkretisiert. Da auch die Art der Todesverursachung strafzumessungsrelevant sei, habe der Täter aber diesbezüglich keinen Vorsatz gehabt, weil er die Gefahr des Erstickens in der Grube nicht gekannt habe.263 Hier begründet Schlehofer einen Vorsatzausschluss ausdrücklich und nur mit der Unkenntnis über Umstände der Konkretisierung der Strafzumessung, wodurch sich die Unhaltbarkeit der Schlussfolgerungen Kühls deutlich zeigt. Man kann das Ergebnis teilen oder auch nicht. Der Sache nach führt Schlehofer mittelbar einen Vorsatz bezüglich des Kausalverlaufs ein, denn was sonst kann man unter „der Art der Todesverursachung“ verstehen? Besonders problematisch ist das Abstellen auf strafzumessungsrelevante Aspekte, wenn man den Poolfall zu Ende denkt. Dass keine Bestrafung wegen gefährlicher Körperverletzung in Betracht kommt, ist klar. Wie verhält es sich jedoch mit der einfachen? Diese wollte der Täter, sie ist (auch) eingetreten, jedoch auf ande258 259 260 261 262 263

Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 175, 176, 177. Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 173, 175, 177. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 169 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 172 ff. Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 175. Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 177.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

rem Wege. Der Sturz war tiefer und der Schmerz sicherlich von anderer Qualität als beim Auftreffen auf eine Wasseroberfläche. Dies betrifft als Folgen der Tat die Strafzumessung. Über Art und Ausmaß war sich der Täter ebenso wenig im Detail im Klaren wie über die konkrete Art der Erfolgsverwirklichung. Soll daraus wirklich ein relevanter Irrtum mit Vorsatzausschluss resultieren? Schlehofer scheint dieses Problematik zu erkennen und lehnt einen solchen Vorsatzausschluss in diesen und ähnlichen Konstellationen nur dann ab, wenn die vorgestellte Gefahr in der tatsächlichen als Minus enthalten ist.264 Er führt dazu als Beispiel einen Fall an, in dem eine Freiheitsberaubung aufgrund eines unbeabsichtigten bzw. unbewussten Versehens länger dauert als geplant. Dann habe der Täter das Ausmaß der Gefahr, die auch hier vom tatsächlichen Erfolg ausgehend gedacht wird, verkannt, jedoch sei die gewollte in der tatsächlichen enthalten, weil er die Gefahr der kürzeren Freiheitsberaubung gekannt und gewollt habe, so dass er insoweit vorsätzlich gehandelt habe. Bei der Strafzumessung sei die fahrlässig verursachte längere Freiheitsberaubung zu berücksichtigen. Die Anwendung dieses Kriteriums ist nicht unproblematisch. Zum einen geht Schlehofer von der Dauer der Freiheitsberaubung und damit faktisch vom Erfolg und nicht von der Gefahr aus – dem Wortlaut nach ist ein Irrtum über eine Gefahr Charakteristikum seines Kriteriums und der Erfolg für ihn nicht Vorsatzgegenstand. Zum anderen ist nicht klar, was als „Minus“ zu verstehen ist. Definiert man den Begriff rein quantitativ, wie es das Abstellen auf die Dauer der Freiheitsberaubung nahe legt, so stellt sich die Frage, ob es sich überhaupt auf Fälle wie den Poolfall übertragen lässt. Die eingetretene Körperverletzung und auch die zugrundeliegende Gefahr dürften sich hier eher qualitativ als quantitativ unterscheiden. Bezieht man qualitative Aspekte in die Definition des Minus ein, so wird das Kriterium außerordentlich unbestimmt und kann letztlich immer dann gegen einen Vorsatzausschluss angeführt werden, wenn das Ergebnis „schlimmer“ ist als vorgestellt. Von der weitreichenden Möglichkeit eines Vorsatzausschlusses aufgrund von Fehlvorstellungen bezüglich der strafzumessungsrelevanten Aspekte bliebe jedenfalls nicht viel übrig, noch weniger jedoch von Rechtssicherheit. Nur aufgrund der Abweichung in Art und Ausmaß des Schadens oder der Art der Schadensverwirklichung einen Vorsatzausschluss anzunehmen, wäre sehr weitgehend und scheint hier nicht mehr angebracht zu sein. Schlehofer selbst schweigt zur Lösung des Poolfalls hinsichtlich der einfachen Körperverletzung. Im Ergebnis ist weiterhin die Forderung nach Vorsatz bezüglich des konkret individualisierten Objekts – unabhängig davon ob gattungsmäßig gleich oder nicht – zu begrüßen.265 Auch das Abstellen auf die konkrete tatbestandsmäßige Gefahr als Gegenstand des Vorsatzes ist konsistent, wobei sich aus dem geforderten Maß der Konkretheit die Notwendigkeit des Bezugs auf das einzelne Objekt ergibt. Gleich264 265

Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 175. Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 173.

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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wohl zeigt sich ein weiteres Problem der Konzeption von Schlehofer. Eben diese konkrete Gefahr kommt ohne eine Betrachtung des konkreten Erfolgs auch im subjektiven Tatbestand gerade nicht aus, auch wenn Schlehofer ausdrücklich betont, dass sich auf den Erfolg als solches der Vorsatz nicht bezieht, sondern nur auf die Gefahr.266 Er kann dies faktisch nicht durchhalten. Darüberhinaus ist es zumindest auf den ersten Blick unklar, wie das Verhältnis des gesetzlichen Tatbestands nach dem Verständnis von Schlehofer zum objektiven Tatbestand ist. An dem Erfordernis des Erfolgs im objektiven Tatbestand hält Schlehofer fest, wenn er bei allen Lösungen auf den Erfolgseintritt abstellt und feststellt, dass der objektive Tatbestand trotz Erfolgseintritts unter bestimmten Umständen gesperrt sein könne.267 Damit entsteht eine Differenz zwischen objektivem Tatbestand und dem Vorsatzgegenstand, beide entsprechen einander nach dem Prinzip der Spiegelbildlichkeit nicht und Vorsatz bezüglich eines bestimmten Teils des objektiven Tatbestands wird nicht mehr verlangt. Die tatbestandsmäßige Gefahr, deren Kenntnis Vorsatzgegenstand ist, ist jedoch für Schlehofer wohl faktisch Bestandteil des objektiven Tatbestands.268 Dasselbe gilt für die Unmittelbarkeit der Gefahr, deren Kenntnis ebenfalls Vorsatzgegenstand ist. Sie wird ausdrücklich in „den Vollendungstatbestand des Vorsatzdeliktes“ einbezogen.269 Man kann insoweit konstatieren, dass alle Gegenstände des Vorsatzes eine Entsprechung im objektiven Tatbestand haben, nicht jedoch alle objektiven Tatbestandsmerkmale Gegenstand des Vorsatzes sind – dies ist insofern eine ungewöhnliche Konzeption, als dass üblicherweise eine Ausnahme vom Grundsatz der Spiegelbildlichkeit zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand nur für subjektive Komponenten, die Besonderen Absichten als überschießende Innentendenzen, akzeptiert wird.270 Ob neben dem Erfolg die Notwendigkeit der Gefahr als Vorsatzgegenstand besteht und ob diese u. U. einen Vorsatz bezüglich des Erfolges überflüssig machen kann, wird in Abschnitt F noch zu klären sein. Auf die Besonderheit der Konzeption von Schlehofer sei jedoch schon hier hingewiesen. Festzuhalten bleibt, dass die Konzeption von Schlehofer durch ihre Bezugnahme auf die konkrete Gefahr sowie durch die außerordentlich weiten und umfassenden Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 174. Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 172. 268 Dies folgt eher implizit daraus, dass Schlehofer einen Ausschluss der Subsumtion unter den objektiven Tatbestand bzw. eine Sperrung desselben bei mangelnder Missbilligung oder Gegenwärtigkeit der Gefahr für möglich hält; vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 172, 174. 269 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 37 ff. 270 Diese werden jedoch mitunter nicht beim Vorsatz selbst eingeordnet, weil das Gesetz nicht einen Vorsatz bezüglich beispielsweise einer Diebstahlabsicht verlange, sondern diese selbst, vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 132. 266 267

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

strafzumessungskonkretisierenden Umstände als Vorsatzgegenstand dem Grunde nach einen weitgehenden Vorsatzausschluss ermöglichen. Darüberhinaus öffnet das Abstellen auf die Art einer Schadensverursachung faktisch den Weg in die Betrachtung des Kausalverlaufs im Rahmen des Vorsatzes. Hingegen ist das Abstellen auf die Kenntnis der abstrakten Tatbestandsmerkmale bzw. die Kenntnis der Gefahr der Abweichung davon uneingeschränkt zu begrüßen, jedoch, wie Schlehofer selbst deutlich macht, weder Teil der Lösung eines problematischen Falls noch ein neuer Ansatz. 8. Das Kriterium der Planverwirklichung nach Roxin Auch Roxin führt eine zusätzliche Restriktion im subjektiven Tatbestand ein. Im Gegensatz zu Puppe und Schlehofer ist diese nicht Bestandteil der Vorsatzprüfung, sondern schließt gleichsam an diese an. Ausgangspunkt von Roxin ist die Überzeugung, dass die Irrtumslehre und mit ihr der Vorsatz „unzuständig“271 seien für abweichende Kausalverläufe.272 Dies gelte zum einen für unvorhersehbare Verläufe, denn in diesen Fällen fehle es bereits an der objektiven Zurechnung.273 Aber auch bei vorhersehbaren Kausalabweichungen liefere die Irrtumslehre keinen Schlüssel. Der Grund für die Bestrafung aus einem vollendeten Vorsatzdelikt liege nicht darin, dass der Täter wie etwa im Brückenpfeilerfall den Kausalverlauf im Wesentlichen vorhergesehen habe. Dies sei eine „Scheinbegründung“274. Vielmehr handele es sich ausschließlich um eine Wertungsfrage, die mit Bewusstseinsvorgängen im Kopf des Täters nichts zu tun habe, inwieweit man trotz Abweichung noch die Zurechnung zum Vorsatz bejahen könne.275 Roxin zieht daraus die Konsequenz, dass die Kenntnis des Kausalverlaufs nicht Voraussetzung des Vorsatzes und die entsprechende Unkenntnis daher kein Tatbestandsirrtum sei.276 Vielmehr gehöre das Wissen von Umständen, die die objektive Zurechnung begründeten, zu den Kenntnisvoraussetzungen des Vorsatzes, namentlich die Schaffung einer unerlaubten Gefahr.277 Darüberhinaus fordert Roxin, dass Roxin AT I, § 12 Rn. 152. Burkhardt, Nishihara-FS, 1998, S. 38 f., betont ebenfalls ausdrücklich, dass die Irrtumslehre keinen Schlüssel für die Behandlung der Abweichungsproblematik liefere. Er will das Problem über die Ansätze analytischer Handlungstheorie lösen (S. 22 ff.) und misst dabei dem „Handlungsplan“ (S. 38) des Täters entscheidende Bedeutung bei. Der Grund für dieses mit Roxin vergleichbare Vorgehen ist die aus Sicht von Burkhardt für Zurechnungsüberlegungen wesentliche Differenzierung in gesteuertes im Gegensatz zu ausgelöstem Geschehen – dafür eben sei der Handlungsplan entscheidend (S. 38). 273 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 153. 274 Roxin AT I, § 12 Rn. 153. 275 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 153. 276 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 154. 277 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 154. 271 272

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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der Täter den Eintritt des Erfolges erstreben oder sich doch zumindest mit ihm abfinden müsse. Er hält also den Erfolg eindeutig für einen Vorsatzgegenstand. Jedoch ist es für Roxin möglich, dass der Vorsatz auch bei objektiv zurechenbaren Kausalverläufen zu verneinen sein kann, dies sei aber keine Frage der Psyche des Täters sondern ein Problem der Zurechnung zum Vorsatz.278 Damit ist die in diesem Zusammenhang entscheidende Kategorie genannt, die Roxin sowohl „Zurechnung zum Vorsatz“ als auch Zurechnung zum „subjektiven Tatbestand“ nennt.279 Beides ist wohl synonym gemeint und im Ergebnis kann auf diese Weise der Vorsatz speziell aufgrund von Besonderheiten bei Abweichungen entfallen.280 Für Roxin gibt es daher eine Zurechnung zum objektiven Tatbestand und eine zum subjektiven Tatbestand. Als normativen Maßstab für letztere wählt Roxin das „Kriterium der Planverwirklichung“, das die Entsprechung zum Merkmal der Gefahrverwirklichung als dem Maßstab der objektiven Zurechnung darstelle.281 Letztlich geht es bei der Zurechnung zum Vorsatz um eine „objektive Zurechnung“282 zum subjektiven Tatbestand, die auf „normative[m] Maßstab“283 erfolgen soll. Eben dieser ist die Verwirklichung des Tatplans. Für den Brückenpfeilerfall führt Roxin aus, dass bei wertender Betrachtung der Tatplan als erfüllt angesehen werden könne und daher der Erfolg zum Vorsatz zuzurechnen sei.284 Anders sei im Krankenhausbrandfall zu verfahren, hier sei bei wertender Betrachtung der Tatplan nicht erfüllt, freilich komme es darauf mangels objektiver Zurechnung nicht an.285 Problematisch am Abstellen auf den Plan des Täters ist es jedoch, wenn man dieses Vorgehen konsequent zu Ende denkt. Wäre es dem Täter im Brückenpfeilerfall gerade darauf angekommen, dass der Tod durch Ertrinken eintritt, so könnte wohl aufgrund des Todes durch Aufschlagen kaum von einer Verwirklichung des Tatplans im eigentlichen Sinn gesprochen werden.286 Wie Roxin in einem solchen Fall verfahren würde, bleibt unklar. Frisch kritisiert denn auch Roxin scharf, indem er deutlich macht, dass dem Täter durch die Definitionsmacht bezüglich Ziel und Weg, also dem Plan, die Möglichkeit offen stehe, die Vorsatzzurechnung zu beeinflussen. Darüber, ob die Entscheidung des Täters unwert sei, müsse jedoch die Rechtsordnung entscheiden. Daher könne es für die normative Frage nach der Zurechenbarkeit des Erfolgs nur 278 279 280 281 282 283 284 285 286

Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 154. So in Roxin AT I, § 12 Rn. 154 f. So ausdrücklich Roxin AT I, § 12 Rn. 154. Roxin AT I, § 12 Rn. 155. Roxin AT I, § 12 Rn. 159. Roxin AT I, § 12 Rn. 154. Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 155. Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 155. So zutreffend Puppe AT, § 19 Rn. 15.

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

auf die Entscheidung der Rechtsordnung und keinesfalls auf irgendwelche subjektiven Einstufungen des Geschehens durch den Täter ankommen.287 Andernfalls könnte der Täter das Ergebnis dieser Entscheidung beeinflussen. Aus demselben Grund kritisiert auch Puppe das Abstellen auf die Planverwirklichung, auch und gerade hier greift ihre Forderung, dass der Täter keine Befugnis besitzen dürfe, durch eigene Wünsche und Ziele die Vorsatzzurechnung einzuschränken.288 Es loht sich an dieser Stelle einen Blick auf die Herkunft des Kriteriums der Planverwirklichung zu werfen. Dabei stellt man fest, dass sich die kritisierte Problematik dort nicht in gleicher Weise stellt. Entwickelt wurde das Kriterium von Roxin zur Lösung der Fälle des dolus generalis. Roxin löst diese Fälle, indem er unterscheidet, ob der Täter ursprünglich die Absicht hatte, sein Opfer zu töten, oder ohne diese Absicht, d. h. in der Regel nur mit dolus eventualis, gehandelt hat.289 Im Falle von Absicht bejaht Roxin die subjektive Zurechnung und damit die Vollendungsstrafbarkeit. Dieses Vorgehen geht „auf den Grundgedanken“290 der Verwirklichung des Tatplans zurück, aus dem die entsprechende Absicht herrührt. Ob man diese Differenzierung in casu nun teilt oder nicht, das Problem, dass der Täter sich der Zurechnung durch bestimmte Ziele und Pläne entziehen könnte, besteht hier im Gegensatz zu sonstigen Abweichungsfällen nicht. In Fällen des dolus generalis sind bestimmte Pläne des Täters vielmehr zurechnungsbegründend – erst der Plan bzw. die Absicht ermöglichen nach Roxin die vorsätzliche Vollendungsstrafbarkeit. Hingegen ist die Funktion des Tatplankriteriums im Falle von atypischen Kausalverläufen bzw. Abweichungsfällen eine ganz andere, nämlich eine potenziell zurechnungsbegrenzende. Aufgrund dieser systematischen und teleologischen Unterschiede verwundert es nicht, dass es bei der Übertragung über den dolus generalis hinaus zu Verwerfungen kommt. Möglicherweise hält Roxin jedoch aufgrund der Herkunft aus den dolus generalis Konstellationen und der dortigen „Problemlosigkeit“ an der Übertragung auf andere Konstellationen zumindest – wie sogleich zu zeigen sein wird – vordergründig fest. Es scheint so, dass Roxin die Problematik der Konsequenzen des Abstellens auf den Tatplan in den Abweichungsfällen erkannt hat. Denn einerseits führt er aus, dass die Maßstäbe objektiver und subjektiver Zurechnung, Gefahrverwirklichung und Planverwirklichung, in den meisten Fällen zum selben Ergebnis führten.291 Dies ist als solches schon bemerkenswert, denn der tatsächliche Plan des Täters wird vielfach ganz anders aussehen als die Antwort auf die normative Frage der Realisierung, so dass, nimmt man den Täter beim Wort, andere Ergebnisse möglich bzw. logisch wären. 287 288 289 290 291

Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 591. Vgl. Puppe AT, § 19 Rn. 15 f. Vgl. Roxin, Würtenberger-FS, 1977, S. 120. Roxin, Würtenberger-FS, 1977, S. 120. Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 156.

IV. Atypische Kausalverläufe im subjektiven Tatbestand

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Andererseits sieht Roxin Unterschiede vor allen Dingen unter ausdrücklichem Rekurs auf das Tatbewertungskriterium der Rechtsprechung als möglich an.292 Entscheidend für die Zurechnung zum Vorsatz ist danach, ob die Abweichung eine andere Bewertung der Tat erfordert.293 Dies ist jedoch eine ganz andere Frage als die nach der – wenn auch normativen – Beurteilung, ob sich der Tatplan verwirklicht habe. In einem nächsten Schritt räumt Roxin dem Plan des Täters denn auch nur noch „indizielle Bedeutung“294 ein bzw. billigt der Vorstellung des Täters „nur“ noch die Funktion einer „Grundlage“295 für eine „objektive Wertung“296 zu. Der Unterschied zu der Anwendung in den dolus generalis Fällen ist evident, dort wird der Täter von Roxin ohne weiteres beim Wort genommen – die im Plan gründende Absicht entscheidet allein über die Zurechnung zum subjektiven Tatbestand. Als Beispiel greift Roxin auf den schon mehrfach angeführten Madonna-Fall zurück. Wenn jemand aus religiösem Fanatismus die Figur habe treffen wollen, aber das Fenster getroffen habe, so sei die Abirrung vorhersehbar und erfülle den objektiven Tatbestand. Jedoch sei bei objektiver Wertung der Tatplan misslungen, obwohl der Täter die Sache beschädigt habe, die er habe beschädigen wollen. Gerade letztere Behauptung erscheint im Gegensatz zum Ergebnis zweifelhaft. Denn nach hier vertretener Ansicht handelt es sich eben nicht um dieselbe Sache, sondern um einen Fall des Fehlgehens der Tat, auch Roxin spricht bezeichnenderweise von „Abirrung“297. In Fällen, in denen ein Mensch an anderer Stelle als geplant getroffen wird, dies ist der zweite Beispielsfall Roxins (wonach statt der Zeugungsfähigkeit die Erblindung im Sinne von § 226 I Nr. 1, II StGB herbeigeführt wird) ist zunächst die objektive Zurechnung und dann der Vorsatz zu prüfen. Bei einem solchen Fall wurde jedoch ein anderer Erfolg als vom Täter gewünscht herbeigeführt. Da der konkrete Erfolg Vorsatzgegenstand ist, ist insoweit vom Ausschluss des Vorsatzes auszugehen.298 Dazu bedarf es keines Rückgriffs auf die subjektive Zurechnung mit Tatplanverwirklichung oder Bewertung der Tat im Übrigen. Das Gesetz unterscheidet schon begrifflich zwischen den beiden Erfolgen Verlust von Fortpflanzungsfähigkeit und Sehvermögen. Die Schwierigkeit dieses Falles besteht darin, dass bei einem Menschen nicht wie bei Sachen im Madonna-Fall von einem anderen Angriffsobjekt ausgegangen Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 156. Vgl. BGHSt 7, 329. 294 Roxin AT I, § 12 Rn. 156. 295 Roxin AT I, § 12 Rn. 157. 296 Roxin AT I, § 12 Rn. 156 sowie 157. 297 Roxin AT I, § 12 Rn. 156, ausführlich zu dieser besonderen (insbesondere Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 54a angeführten) Konstellation des Fehlens des Vorsatzes trotz objektiver Zurechnung, die folglich im Sinne Roxins verstanden wird, oben E.IV.7.b). 298 So mit im Ergebnis übereinstimmender Begründung LK-Schroeder, § 16 Rn. 11 m. w. N. 292 293

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E. Zur Behandlung des atypischen Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand

werden kann, es ist und bleibt der Mensch. Nichtsdestotrotz ist auch hier Raum für unterschiedliche Angriffs- bzw. Verletzungspunkte und damit für einen diesbezüglichen Vorsatzausschluss, jedenfalls insoweit als das Gesetz diese selbst differenziert, und der Täter seinen Willen entsprechend konkretisiert hat. Dann handelt es sich nicht mehr um einen reinen Fall des atypischen Kausalverlaufs im hier vertretenen Sinn, dessen zentrales Merkmal es ist, dass der konkrete und gewollte Erfolg eintritt, nur eben auf andere Weise als geplant. Jedenfalls aber wird von Roxin selbst das Kriterium der Planverwirklichung faktisch weit durch die normative Bewertung der Tat zurückgedrängt. Puppe bezeichnet dies völlig zu Recht als „Inkonsequenz des Tatplankriteriums“299. Letztlich handelt es sich um eine zweite objektive Bewertung der Tat, die nach dem objektiven Tatbestand erfolgt, aber von großer „Unbestimmtheit“300 geprägt ist und an deren Zweckmäßigkeit man insgesamt zweifeln kann. Insbesondere scheint mir die Rubrizierung einer allgemeinen rechtlich-sittlichen Bewertung der Tat im subjektiven Tatbestand nach der Anwendung der objektiven Zurechnung nicht sachgerecht und außerordentlich unbestimmt. Vielleicht ist dies der Grund für die Einschätzung von Frisch, wonach Roxin in diesem Punkt wenig Gefolgschaft gefunden habe.301

299 300 301

Puppe AT, § 19 Rn. 16. So Puppe AT, § 19 Rn. 16 zu den Kriterien Roxins. Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 591.

F. Weiterführende Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand Wie im vorherigen Abschnitt dargestellt, gibt es im Rahmen des subjektiven Tatbestands eine Vielzahl von Ansätzen zur Behandlung von Zurechnungsfragen im Allgemeinen und der Abweichungsfälle im Besonderen. Diese sind ganz selten gleich, manche ähneln einander, in der Regel gibt es jedoch gewichtige Unterschiede und Gegensätze. Im Rahmen der Analyse der dargestellten Ansichten und Konzepte sind kritische Aspekte und Schwächen ebenso wie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Ansätze vielfach schon herausgearbeitet worden. Jedoch wurden einige, in der Regel häufiger vorzufindende Aussagen mitunter auch nur herausgestellt, ohne sie bereits abschließend zu bewerten. Dies gilt vor allen Dingen für den Gesichtspunkt der Richtigkeit des Kausalverlaufs als Vorsatzgegenstand. Beurteilt wurde diesbezüglich vor allen Dingen der konsequente Umgang mit diesem Kriterium nicht aber dieses selbst. Auf solche und andere Kernaspekte ist im Folgenden noch ausführlich einzugehen. Vor diesem Hintergrund sowie aus den Überlegungen und Analysen des Vorkapitels sollen die aus Sicht des Verfassers wesentlichen Schlussfolgerungen für eine sachgerechte Behandlung atypischer Kausalverläufe abgeleitet werden. Die erheblichen Schwierigkeiten – um nicht zu sagen Unmöglichkeiten –, denen sich viele der oben dargestellten Ansätze bei der konsistenten und wortgetreuen Umsetzung der eigenen Konzeption gegenüber sahen, weisen zugleich den Weg zu sachgerechten und friktionsfreien Lösungen.

I. Das Kongruenzerfordernis im Spannungsfeld tatsächlicher und vermeintlicher Tätervorstellungen Bereits vor Beginn der eigentlichen Darstellung war auf das Grundprinzip der Spiegelbildlichkeit bzw. das Kongruenzerfordernis zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand hingewiesen worden. Dieser Ausgangspunkt sieht sich in der praktischen Anwendung gewissen Schwierigkeiten gegenüber. Zum einen ist das Vorsatzerfordernis nur negativ durch § 16 Abs. 1 StGB definiert und es fehlt eine Definition der Umstände des gesetzlichen Tatbestands. An Brisanz gewinnt dieses Faktum dadurch, dass noch nicht einmal der objektive Tatbestand alle Merkmale, die zu seiner Bejahung notwendig sind, enthält – die objektive Zurechnung fehlt völlig.

228 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

Hinsichtlich der Zurechnungs- und Abweichungsfragen wird diese Problematik noch dadurch verstärkt, dass der Täter sich vielfach das Übliche bzw. den normalen Verlauf der Dinge vorstellen wird. Häufig wird sich der Täter über den Kausalverlauf gar keine Vorstellungen machen und das Abstellen auf den üblichen Verlauf daher eine schlichte Unterstellung sein. Möglicherweise hat aber der Täter aus welchen Gründen auch immer ganz präzise Vorstellungen, dass sich das Geschehen von Anfang bis Ende nur auf eine bestimmte Weise darstellen werde und dürfe. Unter Umständen trifft er in diesem Sinne sogar Vorkehrungen gegen unerwünschte Abweichungen. In der obigen Darstellung der Ansätze von Literatur und Rechtsprechung hat sich gezeigt, dass der konsistente Umgang mit den wirklichen Tätervorstellungen erhebliche Probleme bereitet, wenn und weil der Kausalverlauf mehr oder weniger deutlich, offen oder versteckt zum Vorsatzgegenstand gemacht wurde. Eben dies stieß auf teils scharfe Ablehnung.1

II. Die Problematik des Kausalverlaufs als Vorsatzgegenstand Unausweichlich ist es daher, der Frage nachzugehen, inwiefern der Kausalverlauf tatsächlich Vorsatzgegenstand sein sollte. Unter dem Kausalverlauf ist dabei der Gang der Dinge hin zum Erfolg zu verstehen. Die Schaffung der Gefahr bildet den Ausgangpunkt desselben, der tatbestandsmäßige Erfolg den Endpunkt – beide gehören jedoch nicht dazu. Im Zuge dieser Untersuchung ist zwischen zwei Aspekten gedanklich zu differenzieren. Zum einen danach, inwiefern die Notwendigkeit besteht, den Vorsatz auf den Kausalverlauf zu beziehen. Zum anderen lässt sich davon die Frage trennen, ob der Kausalverlauf überhaupt aus systematischen Gründen Gegenstand des Vorsatzes sein kann bzw. darf. 1. Zur mangelnden Notwendigkeit Der Kausalverlauf bzw. die auf seiner Grundlage getroffene Entscheidung über das Vorliegen des Realisierungszusammenhangs haben letztlich einen haftungsbegrenzenden Charakter.2 Dieser ergibt sich zwingend aus der Weite der Äquivalenztheorie und kennzeichnet die Funktion der Lehre von der objektiven Zurechnung, deren Gegenstand auch die Lösung von Abweichungsfällen darstellt. Der zweite Teil der Grundformel der Lehre thematisiert gerade den Realisierungszusammenhang zwischen Handlung und Erfolg. Vgl. dazu insbesondere die Ansichten von Frisch (E.IV.4.) und Puppe [E.IV.7.c)]. Vgl. dazu nochmals ausführlich Abschnitt C.II.1.d) zur Notwendigkeit haftungsbegrenzender Korrekturen der Ergebnisse der Bedingungstheorie. 1 2

II. Die Problematik des Kausalverlaufs als Vorsatzgegenstand

229

In der Regel sind die Bestandteile des objektiven Tatbestands jedoch haftungsbegründend, so eröffnen das Vorliegen von Handlung, Kausalität und Erfolg erst die Anwendung der Sanktionsnorm des Tatbestands. Aus dieser teleologischen Unterschiedlichkeit folgern Maurach / Zipf, dass es keine Notwendigkeit gebe, bezüglich der normativen haftungsbegrenzenden Kriterien der objektiven Zurechnung – dies bedeutet einschließlich des Kausalverlaufs – eine Entsprechung im Vorsatz zu fordern.3 Dies ist insofern plausibel, als dass der Vorsatz selbst dem Grunde nach eine die Strafbarkeit nur bei Vorliegen von Kongruenz ermöglichende Wertungs- und Prüfungsstufe darstellt. Er hat damit im strafrechtlichen Prüfungsaufbau die Funktion eines strafbarkeitsbegrenzenden Filters. Daher macht es in der Tat wenig Sinn, im Vorsatz, der selbst als Filter fungiert, die Entsprechung bezüglich eines anderen Filters, nämlich dem Kausalverlauf bzw. Realisierungszusammenhang, zu verlangen. Ob dies allerdings bezüglich der weiteren Elemente der objektiven Zurechnung, insbesondere der Schaffung einer unerlaubten Gefahr, in gleicher Weise gilt, erscheint fraglich. Denn die Frage der Unerlaubtheit des Verhaltens wirkt in erster Linie strafbarkeitsbegründend, da dem Grunde nach gilt, dass menschliches Verhalten aufgrund der grundgesetzlich geschützten Handlungsfreiheit erlaubt ist und erst das Verdikt der Unerlaubtheit den Weg zu Sanktionen öffnen kann. Der Realisierungszusammenhang hat hingegen ausschließlich eine begrenzende Funktion bei gegebenem Kausalverlauf und gegebener Verursachung durch den Täter. Ähnlich wie Maurach / Zipf sieht dies Burgstaller, der bei richtigem Verständnis und richtiger Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung keinen Bedarf für einen Ausgleich im Vorsatz sieht.4 Aber nicht nur aus teleologischen Gründen besteht keine Notwendigkeit für die Behandlung des Kausalverlaufs und damit der Problematisierung der Abweichungsfälle im Vorsatz. Im Zuge der Darstellung der Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur ist bereits bei der Thematisierung vieler kritischer Stimmen darauf hingewiesen worden, dass die verwendeten Kriterien der Voraussehbarkeit und der rechtlich-sittlichen Bewertung der Tat zum einen nichts mit dem subjektiven Vorstellungsbild des Täters zu tun haben. Zum anderen sind sie bei Zugrundelegung der Lehre von der objektiven Zurechnung als redundant und damit überflüssig anzusehen. Gerade für die Behandlung atypischer Kausalverläufe hält die Lehre von der objektiven Zurechnung höchst differenzierte Lösungskriterien bereit, die weit über die Vorhersehbarkeit und das pauschale Abstellen auf die rechtlich-sittliche Bewertung der Tat hinausgehen.5 3 4 5

Vgl. Maurach / Zipf, § 23 Rn. 29. Vgl. Burgstaller, Jescheck-FS, 1985, S. 373 f. Vgl. die oben in Abschnitt D.III.3. ausführlich dargestellten Lösungsansätze und -kriterien.

230 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

Daher besteht schlicht keine Notwendigkeit, Teile dieser Kriterien selbst in den Vorsatz zu ziehen. Sie können und werden in der Lehre von der objektiven Zurechnung weit differenzierter behandelt. Nach Ansicht von Stratenwerth / Kuhlen ist der höhere Grad an Differenzierung der Lösungen und Kriterien des objektiven Tatbestands im Verhältnis zu den üblichen Überlegungen im subjektiven das entscheidende Argument gegen die Behandlung der Abweichungsproblematik im subjektiven Tatbestand – die systematische Einordnung und etwaige Redundanzbedenken werden hingegen als sekundär angesehen.6 In dieselbe Richtung weist auch der kritische Hinweis von Mitsch, dass die spezifische Problematik der Kausalverlaufsabweichungen meistens „vergröbernd und ungenau“ als Frage des Vorsatzes eingeordnet werde.7 Wenn jedoch die objektive Zurechnung der richtige Ort zur Lösung dieser Probleme ist, dann besteht nicht nur keine Notwendigkeit diese im Vorsatz aufzugreifen, ein solches Vorgehen scheint auch wenig sinnvoll. Es kann sogar problematisch werden. So fällt auf, dass Zurechnungsüberlegungen im Rahmen des subjektiven Tatbestands weit weniger differenziert und eben nicht unter Abwägung und Anwendung aller Kriterien der objektiven Zurechnung durchgeführt werden. Selbst die Anhänger der objektiven Zurechnung begründen bei ihren Ausführungen zur Zurechnung anlässlich ihrer Erläuterungen zum subjektiven Tatbestand diese im Allgemeinen nur mit Adäquanzgesichtspunkten.8 Dies ist ein wesentlicher Rückschritt im Vergleich zu den sehr feinen Abwägungen für den objektiven Tatbestand im Übrigen. Wesentliche Differenzierungen kommen zu kurz. Diese Folge ist umso bedenklicher, als dass oben in Abschnitt D.III deutlich gemacht wurde, dass sich weder Fallgruppen noch Lösungsprinzipien exakt trennen lassen und nur mit ihrer Gesamtheit sachgerechte Lösungen zu erzielen sind. Es zeigt sich, dass die Behandlung des Kausalverlaufs im Vorsatz folglich auch schädliche Auswirkungen zeitigen kann. Daher stellt sich die Frage, ob der Kausalverlauf überhaupt Vorsatzgegenstand sein darf. Die gilt umso mehr als mit der Erkenntnis, dass keine Notwendigkeit zur Behandlung des Kausalverlaufs im subjektiven Tatbestand besteht, nicht allzu viel gewonnen ist. Zentral ist es, zu analysieren, ob der Kausalverlauf Vorsatzgegenstand sein kann bzw. darf. Ist dies nicht der Fall, so tritt die Frage der Notwendigkeit als Vorsatzgegenstand zurück. 2. Fehlende Berechtigung aufgrund von Sach- und Systemwidrigkeit Diese Ausführungen lassen sich nicht scharf von der Frage der Notwendigkeit trennen, denn im Falle der Systemwidrigkeit gibt es auch keine Notwendigkeit als Vorsatzgegenstand. Gleichwohl ist der Schwerpunkt der Argumentation ein anderer. 6 7 8

Vgl. Stratenwerth / Kuhlen AT, § 8 Rn. 88. Mitsch, JuS 2001, S. 109. Vgl. beispielweise SK-Rudolphi, § 16 Rn. 31; ebenso Roxin AT I, § 12 Rn. 152 ff.

II. Die Problematik des Kausalverlaufs als Vorsatzgegenstand

231

a) Der Kausalverlauf als lediglich ex post erfahrbare Sanktionsnorm Zunächst sind zwei eng verwandte Argumente zu untersuchen, warum der Kausalverlauf sinnvoller Weise nicht Vorsatzgegenstand sein kann. Frisch und Schroth9 machen deutlich, dass erst nach der Tat feststehe, ob sich eine vom Täter geschaffene Gefahr im Erfolg realisiert habe, d. h. dann, „[ . . . ] wenn der Täter das Seine getan habe“10. Die Frage von Kausalität und Zurechnung sei daher immer nur hinterher zu beantworten und das, „was nur ex post gewusst werden kann, kann nicht Vorsatzgegenstand sein.“11 In der Tat ist es durchaus plausibel, wenn man Wissen und Wollen, also nach herkömmlichem Verständnis Vorsatz, nicht bezüglich solcher Sachverhalte fordert, die man vor der Tat bzw. bei ihrer Begehung nicht wissen kann. Auf eben diesen Zeitpunkt stellt § 16 Abs. 1 StGB jedoch ausdrücklich ab. Aus diesem Grund hatte es auch Schlehofer abgelehnt, den Vorsatz auf den Erfolg zu erstrecken, denn man könne den Erfolgseintritt bei Begehung der Tat noch gar nicht wissen.12 Frisch untermauert seine Auffassung dahingehend, dass die Frage der Realisierung Grundlage für die Anwendung des Tatbestands als Sanktionsnorm sei.13 Hinsichtlich einer Sanktionsnorm bzw. ihrer Voraussetzung ist nach Frisch jedoch im Unterschied zum Gegenstück, der Verhaltensnorm, kein Wissen um die Voraussetzungen erforderlich.14 Schließlich soll damit kein Verhalten gesteuert werden. Systematisch geht Frisch daher davon aus, dass für das Bemühen des Gesetzes, den Täter zur Abstandnahme von der Tat zu motivieren, ex post verfügbares Wissen zu spät komme und daher nicht Vorsatzbestandteil sein könne.15 Dies ist zutreffend, passt jedoch nicht völlig zu der ursprünglichen Einordnung des objektiven Tatbestands insgesamt als reine Sanktionsnorm und keinesfalls als Verhaltensnorm16 – offensichtlich hat der Tatbestand eben auch eine Steuerungsfunktion.17 Schroth Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 96. Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 57. 11 Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 96. 12 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 15, siehe dazu ausführlich oben E.IV.7.d). 13 Vgl. Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 60. 14 Vgl. Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 59 f. 15 Vgl. Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 57 f. 16 So ausdrücklich Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 60: „Der objektive Tatbestand [ . . . ] als eine Kategorie der Sanktionsnorm“. 17 Später (1988) präzisiert Frisch seine Ansicht und sieht auch nur noch den Realisierungszusammenhang als Teil des Sanktionstatbestands an, vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 47; auch verändert sich der Schwerpunkt seiner Argumentation von den hier dargestellten eher formalen Argumenten hin zu Wertungsgesichtspunkten, siehe dazu sogleich F.II.2.b). 9

10

232 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

Schroth sieht in den Kausalitäts- und Zurechnungsfragen (Teile von) Regeln zur Anwendung von Strafrechtsnormen. Da diese auch sonst nicht Vorsatzgegenstand seien, gelte dies auch hier.18 Überzeugend ist an beiden Ansichten, dass dem Kausalverlauf bzw. dem Realisierungszusammenhang als Vorsatzgegenstand im Hinblick auf die Verhaltenssteuerung keine Bedeutung zukommt. Denn er wird in der Tat immer ex post ermittelt und ist Voraussetzung für die Anwendung der strafrechtlichen Sanktion. Bezüglich dieses Teils des Tatbestands bedarf es des Bezugs des Vorsatzes nicht. Für den ganzen Tatbestand gilt dies freilich nicht, denn er dient auch und gerade zur Verhaltenssteuerung – Frisch räumt dies auch selbst ein19 und folgert daraus, dass andere Teile des objektiven Tatbestands Bezugspunkt des Vorsatzes sein können und müssen.20 Insoweit wäre die Einbeziehung des Kausalverlaufs in den Vorsatz systemwidrig, weil aus Steuerungsgesichtspunkten unnötig. Auf diese Problematik, die ihre Grundlage in der Ratio der Strafdrohung bzw. den Strafzwecken hat, ist im Rahmen der Überprüfung der eigenen Lösung anhand von Strafzweckgesichtspunkten zurückzukommen. Mit den vorstehenden Überlegungen ist jedoch noch nicht endgültig gesagt, dass eine Einbeziehung des Kausalverlaufs als Vorsatzgegenstand auch in dem Sinne systemwidrig wäre, dass dies zu fehlerhaften Ergebnissen führen müsste. Gerade dies wäre besonders gravierend, so dass dem im Folgenden nachzugehen ist. b) Präzise Tätervorstellungen und konsistente Lösungen – die Unhaltbarkeit als Vorsatzgegenstand Sieht man den Kausalverlauf als Vorsatzgegenstand an, dann kann man mit diesbezüglichen Vorstellungen des Täters im Falle von atypischen Kausalverläufen auf zwei verschiedene Arten umgehen. Die eine ist es, ihn beim Wort zu nehmen und für das weitere Vorgehen tatsächlich auf sein Vorstellungsbild abzustellen. Die andere ist es, trotz anders lautender Vorstellungen des Täters auf Fragen der Wesentlichkeit der Abweichungen abzustellen und die subjektive Seite einer Bewertung zu unterziehen. Dies ist der Ansatz, dem die Rechtsprechung aber auch viele Vertreter der Literatur ausdrücklich oder zumindest tatsächlich folgen. Hat man keine näheren Anhaltspunkte zum Vorstellungsbild des Täters, so könnte man noch sagen, er werde an das Übliche gedacht haben – dies wiederum wird objektiv 18 19 20

Vgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 96. Vgl. Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 57 f. 65 ff. Vgl. Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 65 ff.

II. Die Problematik des Kausalverlaufs als Vorsatzgegenstand

233

durch Adäquanzüberlegungen bestimmt. Entsprechender Vorsatz wird schlicht unterstellt. Schwierigkeiten entsehen aber in dem Moment, indem Klarheit über die wirklichen Vorstellungen des Täters vorliegt. Hat er an bestimmte Verläufe gedacht, dann ist es problematisch anzunehmen, der Täter habe auch andere Verläufe auslösen wollen oder billigend in Kauf genommen und insoweit vorsätzlich gehandelt. Eine solche Vermutung ist kaum realistisch.21 Wenn man aus Wertungsgesichtspunkten gleichwohl den Vorsatz, der sich annahmegemäß auf den Kausalverlauf erstrecken soll, bejahen will, so geht dies nur mit einem Kunstgriff. Es werden Kriterien eingeführt, die tatsächlich nichts mit dem Vorsatz zu tun haben – Wertungen und Wahrscheinlichkeitsurteile. Frisch weist völlig zutreffend darauf hin, dass bei einem solchen Vorgehen „Friktionen“ entstehen, wenn und weil alle diese Ansätze nicht erklären können, „warum etwas, das der Täter in seiner naturalistischen Gestalt gar nicht gesehen hat, Verwirklichung der Täterentscheidung sein kann.“22 Wie gezeigt stellt sich das Problem für alle Ansichten, die sich (faktisch) nicht vom Kausalverlauf im subjektiven Tatbestand lösen. Warum aber sehen sich die Autoren zu solchen systemwidrigen und inkonsistenten Kunstgriffen genötigt? Die Antwort auf diese Frage klärt endgültig, warum der Kausalverlauf nicht Vorsatzgegenstand sein darf. Sieht man ihn nämlich als einen solchen an und behandelt ihn konsistent wie andere Vorsatzmerkmale nach den allgemeinen Regeln, so müsste § 16 Abs. 1 StGB unmittelbar anwendbar sein. Auf diesen Aspekt hat bereits Armin Kaufmann mit aller Schärfe und Deutlichkeit hingewiesen, und gefragt, warum Abweichungsfälle als vollendete Vorsatzdelikte behandelt würden, obwohl doch eigentlich § 16 StGB eingreife.23 Dies würde beispielsweise auch im Brückenpfeilerfall gelten. Eben diese Konsequenz aber scheuen im Ergebnis zutreffend alle Vertreter in der Literatur – für die einen stellt sich bei Ausklammerung des Kausalverlaufs aus dem Vorsatz das Problem nicht, die anderen umgehen es, wie gerade beschrieben, unter Inkaufnahme von Systemwidrigkeiten und Friktionen. Bemerkenswert ist jedoch die Einmütigkeit bezüglich des ohne Zweifel richtigen Ergebnisses. Frisch nennt dies „als Datum hochbedeutsam“24. Der Grund, warum die direkte Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 StGB auf Fehlvorstellungen bezüglich des Kausalverlaufs unhaltbar ist, liegt eigentlich auf der Hand, wird jedoch selten ausgesprochen. Der Täter hätte es über Motive und Wünsche, die in genaue Planung münden und so präzise Vorstellungen beim Täter Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 592 f. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 594. 23 Vgl. Armin Kaufmann, Jescheck-FS, 1985, S. 262. 24 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 610 [Hervorhebung im Original]. 21 22

234 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

verursachen, in der Hand, die Vorsatzzurechnung auszuschließen. Setzt man an der tatsächlichen Tätervorstellung vom Kausalverlauf an – ein Ansetzen an der Tätervorstellung ist bei Vorsatzgegenständen zwingend und sonst üblich, wenn man nicht systemwidrig agieren will –, so wäre eine Abweichung umso wahrscheinlicher, je genauer der Täter geplant hätte. Umso eher müsste dann auch sein Vorsatz entfallen – ein offensichtlich unhaltbares Ergebnis. Diese Möglichkeit des Täters bezeichnet Frisch25 als „Definitionsmacht“ und Puppe26 als „Befugnis“ des Täters die Vorsatzzurechnung einzuschränken. Man muss den Brückenpfeilerfall nur abwandeln. Im Grundfall könnte man noch unterstellen, dass ein Aufschlagen auf dem Brückenpfeiler von den Ablaufvorstellungen des Täters umfasst gewesen sei. Hat aber der Täter einerseits ein bestimmtes Motiv, Puppe27 nennt das Beispiel, dass es ihm zur Vortäuschung eines Badeunfalls auf das Ertrinken ankommt, so kann bei Aufschlagen auf dem Pfeiler keinesfalls mehr vom Gelingen des Tatplans ausgegangen werden – worauf Roxin allerdings abstellt, obwohl er sich vordergründig vom Kausalverlauf als Vorsatzgegenstand verabschiedet hat.28 Man müsste sich im Vorsatz mit Bewertungs- und Adäquanzkriterien aushelfen. Wandelt man den Fall noch dahingehend ab, dass der Täter auch noch Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, um den von ihm gewünschten Verlauf auch ja ablaufen lassen zu können, so kann bei Scheitern dieser Pläne unmöglich von einem dem Willen und der Kenntnis des Täters entsprechenden Verlauf oder von einem Gelingen seines Plans gesprochen werden. Zur Verdeutlichung mag diese zugegeben etwas drastische und forensisch unwahrscheinliche Anreicherung des Brückenpfeilerfalls dienen: Dem Täter kommt es darauf an, dass das Opfer ertrinkt, weil er dessen Phobie vor Wasser kennt und ihm vor dem Tod Qualen bereiten möchte. Zur Absicherung vergewissert er sich noch, dass die Brückenpfeiler weit genug von der Wurfstelle entfernt sind. Aufgrund eines unglücklichen Zufalls schlägt das Opfer aber doch auf einem Pfeiler auf. Dieses besonders verachtenswerte Verhalten, das seine Tat als solches schon zum Mord steigern könnte – niedere Beweggründe und ein grausames Vorgehen sind nicht allzu fernliegend –, kann unmöglich dazu führen, dass der Vorsatz entfällt. Um es mit den Worten von Frisch zu sagen, der „auf Perfektion bedachte Killer“29 würde belohnt, das Scheitern seiner Strategie wäre für ihn der Glücksfall. Eine solche Bevorzugung wäre in der Tat „[ . . . ] grotesk und liefe geradezu auf eine Perversion der Wertordnung hinaus.“30 25 26 27 28 29 30

Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 591. Puppe AT, § 19 Rn. 16. Vgl. Puppe AT, § 19 Rn. 15. Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 155 ff. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 609. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 609.

III. Das Schaffen der unerlaubten Gefahr als Vorsatzgegenstand

235

Auch wenn diese Konsequenz kaum ausgesprochen wird, so suchen sie alle Autoren zu vermeiden. Nichtsdestotrotz sind ihre Konzeptionen durch ausdrückliche oder faktische Einbeziehung des Kausalverlaufs auf solche Ergebnisse bei weniger drastischen Fällen angelegt, weshalb sie auf Korrekturen durch Adäquanz und Tatbewertung angewiesen sind. Deswegen ist auch das Planverwirklichungskriterium Roxins aus Wertungsgesichtspunkten nicht haltbar. Es begünstigt – bei wortgetreuer Anwendung – ebenso wie das Abstellen auf den Kausalverlauf als Vorsatzgegenstand den planenden Täter in unhaltbarer Weise. Diese Konsequenz kann man ohne Friktionen und Systembrüche nur vermeiden, wenn man den Kausalverlauf nicht als Vorsatzgegenstand ansieht. Daher wird es geradezu evident, dass der Kausalverlauf keinesfalls Bezugspunkt des Vorsatzes sein darf. Diese Problemkreise haben nichts mit dem Vorsatz zu tun, sie können und dürfen dort nicht behandelt werden. Es stellt sich sodann die Frage, worauf sich der Vorsatz beziehen muss. Die Ablehnung des Kausalverlaufs als Gegenstand bedeutet keinesfalls, dass nicht Faktoren, die dessen Ingangsetzen und sein Ergebnis betreffen, dafür in Betracht kommen.

III. Das Schaffen der unerlaubten Gefahr als Vorsatzgegenstand Richtigerweise ist die Schaffung der unerlaubten Gefahr als Vorsatzgegenstand anzusehen. Wie im Rahmen der Darstellung in Abschnitt E bereits deutlich gemacht wurde, wird dieser Ansatz von einer ganzen Reihe von Autoren vertreten. Zur Begründung dieser Forderung werden teilweise eher technische bzw. formale Argumente vorgebracht. Schlehofer beispielsweise zieht diese Konsequenz aus der Analyse des Begriffs der Kenntnis und der darauf aufbauenden Definition des Begriffs des gesetzlichen Tatbestands, so dass Vorsatz bezüglich der Gefahr zu fordern sei.31 Frisch knüpft an seine Definition des tatbestandsmäßigen Verhaltens als ein Verhalten, das ein bestimmtes missbilligtes Risiko in Richtung auf den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs in sich birgt, an.32 Da sich der Vorsatz auf das tatbestandsmäßige Verhalten zu beziehen hat, wird die Schaffung des Risikos zum zentralen Bezugspunkt des Vorsatzes. Roxin leitet dieses Ergebnis daraus her, dass die objektive Zurechnung zum objektiven Tatbestand gehört, und daher der Täter Wissen um die die Zurechnung begründenden Umstände haben müsse, d. h. ihm bekannt sein müsse, dass er eine 31 Vgl. dazu nochmals Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 15 ff. sowie ausführlich oben E.IV.7.d). 32 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 48.

236 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

unerlaubte Gefahr für das Rechtsgut geschaffen habe.33 Jakobs leitet seine Forderung, dass der Vorsatz sich auf das geschaffene Risiko beziehen müsse, aus der Unhaltbarkeit der Ansicht der Rechtsprechung und insbesondere aus der Ablehnung des Adäquanzkriteriums ab.34 Ähnlich verfährt Schroth, der den richtigen Kern der These vom Kausalverlauf als Vorsatzgegenstand dahingehend konkretisiert, dass zentral für die subjektive Zurechnung des Erfolges sei, dass der Täter das sich im Erfolg realisierende Risiko erkannt habe. Nur so könne sichergestellt werden, dass Identität zwischen dem, was der Täter vorausgesehen habe, und der Wirklichkeit bestehe.35 Diese Argumente sind in ihrer Gesamtheit wesentlicher Teil der richtigen Begründung. Darüberhinaus ist zu bedenken, dass die unerlaubte Gefahr, die inhaltlich gleichbedeutend mit dem missbilligten Risiko und der Sorgfaltspflichtverletzung ist, den Ausgangspunkt des zum Erfolg führenden Kausalverlaufs darstellt. Sie ist der zentrale Grund für das Werturteil der Rechtsordnung und das Eröffnen der strafrechtlichen Verantwortung des diese unerlaubte Gefahr Setzenden. Es handelt sich gleichsam um die „entscheidende Ausgangsfrage“36, die durch die objektive Zurechnung formuliert und konkretisiert wird. Als Ausgangs- und Angelpunkt der strafrechtlichen Verantwortung und Grundlage des Verdikts der Missbilligung des Täterverhaltens muss sie Gegenstand des Vorsatzes sein. Dies gilt auch und gerade deshalb, weil es dem autonom handelnden Täter freisteht, sein Verhalten dahingehend einzurichten, dass von ihm keine missbilligte Gefahr ausgeht, dass es also sorgfaltsgerecht und damit rechtsordnungskonform ist. Eben diese Funktion der Verhaltenssteuerung macht eine Entsprechung im Vorsatz zwingend. Vorsatz bezüglich der Gefahrschaffung, d. h. die Entscheidung des Täters für die Schaffung der Gefahr und damit die Auslösung des Kausalverlaufs, repräsentiert das „normative Substrat“37 der Täterentscheidung für die folgende Rechtsgutsverletzung. Eben die Entscheidung für das normative Substrat des Angriffs auf geschützte Rechtsgüter rechtfertigt es aus Wertungsgesichtspunkten auch, dem Täter Erfolge zuzurechnen, die auf abweichendem Wege eingetreten sind – das normative Substrat besteht unabhängig von Verlaufsabweichungen, muss sich jedoch realisiert haben.38 Vgl. Roxin, AT I, § 12 Rn. 154. Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 65. 35 Vgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 97. 36 So Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 93 [Hervorhebung im Original]. 37 Der Begriff stammt von Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 594, 610, 618. 38 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, S. 594, 602, 610, 618. 33 34

III. Das Schaffen der unerlaubten Gefahr als Vorsatzgegenstand

237

Man muss weiterhin differenzieren zwischen der Schaffung der Gefahr als solcher und der Bewertung dieser Gefahr als unerlaubt bzw. als missbilligt. Diese Differenzierung findet sich ausdrücklich selten und fehlt in der Regel ganz. Der erste Aspekt betrifft die Frage der Schaffung eines Risikos und damit tatsächliches Verhalten, d. h. ein tendenziell deskriptives Element. Der zweite Aspekt betrifft die Unerlaubtheit bzw. die Missbilligung und damit ein Ergebnis von Überlegungen zur objektiven Zurechnung. Diese Überlegungen sind wertend, d. h. normativ Überlegungen. Aus dieser Differenzierung ergeben sich wesentliche Konsequenzen für das Vorstellungsbild des Täters und die Frage eines möglichen Tatbestandsirrtums. Hat der Täter nicht das Bewusstsein eine Gefahr zu schaffen oder ein Risiko zu setzen, so muss dies unmittelbar zum Tatbestandsirrtum führen. Fehlt dem Täter das Bewusstsein, durch seine Handlung, beispielsweise eine Lebensgefahr bzw. ein Todesrisiko zu begründen, so kann er mangels eines entsprechenden Vorsatzes nicht aus einem vorsätzlichen vollendeten Tötungsdelikt und mangels Tatentschlusses auch nicht aus einem Versuch bestraft werden. Eine Bestrafung wegen Fahrlässigkeit ist hingegen möglich, wenn und weil nach der hier vertretenen objektiven Konzeption die missbilligte Gefahr bzw. die Sorgfaltspflichtverletzung als solche vorliegt. Diese Erkenntnis ist freilich wenig bahnbrechend, wird aber kaum im Zusammenhang mit Abweichungsfragen und der Gefahrschaffung thematisiert. Ein Vorsatz muss ausscheiden, wenn dem Täter unbekannt ist, dass er die Merkmale eines Unrechtstatbestands verwirklicht. Weiß jemand beispielsweise nicht, dass sich in dem von ihm angezündeten Haus ein Mensch aufhält, so fehlt ihm der Vorsatz hinsichtlich der objektiv ohne jeden Zweifel geschaffenen Todesgefahr für einen Menschen. Dies ist ein gewöhnlicher Tatbestandsirrtum39, der die Notwendigkeit der Gefahr als Gegenstand des Vorsatzes unterstreicht. Der zweite wesentliche Aspekt ist die Unerlaubtheit der Gefahr. Worauf muss sich aber bei einem bewertenden Merkmal wie der Unerlaubtheit der Vorsatz des Täters beziehen? Muss der Täter selbst das Urteil der Unerlaubtheit getroffen haben? Letztlich stellt sich die Frage, ob die Grundsätze des Irrtums über ein normatives Tatbestandsmerkmal Anwendung finden können und müssen. Möglich ist es aber auch, dass die Unerlaubtheit den Regeln über sog. gesamttatbewertende Merkmale unterfällt, weil sie dem Gepräge als solches den Stempel der Missbilligung aufdrückt. Dieser erwähnten, kaum diskutierten aber sich aufdrängenden Frage soll in Abschnitt VI. nachgegangen werden. Davor ist zu überlegen, ob angesichts der Schaffung der Gefahr (für den konkreten Erfolg) als Vorsatzgegenstand der konkrete Erfolg selbst noch Gegenstand des Vorsatzes sein kann bzw. muss. 39

Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 267.

238 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

IV. Zur Notwendigkeit des tatbestandlichen Erfolgs als Vorsatzgegenstand Dass diese Frage überhaupt gestellt wird, mag auf den ersten Blick etwas sonderbar erscheinen. Ist doch der Erfolg nach ganz herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung Gegenstand des Vorsatzes.40 Wenn man jedoch die Schaffung der Gefahr für den Eintritt des Erfolges als Vorsatzgegenstand ansieht, so stellt sich die Frage, ob der Erfolg noch Gegenstand des Vorsatzes sein kann bzw. muss. Hat der Täter keinen Vorsatz bezüglich der Gefahr für den Eintritt des Erfolgs, so will er auch den Erfolg nicht bzw. weiß nicht um die Möglichkeit des Eintritts aufgrund seines konkreten Handelns – es fehlt dann schlicht auch der Vorsatz bezüglich des Erfolges. Es kann für die konkrete Handlung keinen vorliegenden Erfolgsvorsatz geben, wenn kein Vorsatz bezüglich der Gefahrschaffung vorliegt. Man könnte daher den Schluss ziehen, dass die Schaffung der Gefahr das weiterentwickelte und entscheidende Vorsatzkriterium ist und für den Erfolg weder Raum noch Notwendigkeit bleibt. In der Tat gibt es Vertreter der These von Gefahr bzw. Risiko als Vorsatzgegenstand, die daneben den konkreten Erfolg als Vorsatzgegenstand ausdrücklich und entschieden ablehnen. So folgert Schlehofer aus seiner Definition des gesetzlichen Tatbestands, dass der Erfolg nicht Bezugspunkt des Vorsatzes ist, sondern nur die Gefahr.41 Frisch argumentiert in gleicher Weise und folgert aus der Tatsache, dass der konkrete Erfolg niemals bei Begehung der Tat bekannt sei und daher unmöglich Kenntnis bei Begehung der Tat im Sinne von § 16 Abs. 1 StGB vorliegen könne, dass dieser auch nicht Bezugspunkt des Vorsatzes sein könne.42 Etwas, was nur ex post gewusst werden könne, könne „niemals Vorsatzgegenstand“ sein.43 Mit diesem Argument lehnt Schroth den Kausalverlauf als Vorsatzgegenstand ab.44 Er kommt konsequenterweise auch zur Ablehnung des Erfolgs als Vorsatzgegenstand. Seine Begründung für diese These basiert im Wesentlichen darauf, dass er keine „normativen Argumente“45 für die Gegenansicht sieht, dass nämlich der konkrete Erfolg Tatumstand im Sinne von § 16 Abs. 1 StGB sei. Im Zentrum seiner Argumentation steht die Konstellation der aberratio ictus. Für Schroth fehlen hier die Argumente, die für die Berücksichtigung einer Individualisierungsentscheidung des Täters und damit für einen Vorsatzausschluss sprechen.46 Vielmehr spiele nor40 Vgl. nur Wessels / Beulke AT, Rn. 238; Kühl AT, § 5 Rn. 13; Roxin AT I, § 12 Rn. 133; Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 53, jeweils m. w. N. 41 Vgl. Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 174 sowie ausführlich die Darstellung oben unter E.IV.7.d). 42 Vgl. Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 57 ff. sowie schon oben F.II.2.a). 43 Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 68. 44 Vgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 96. 45 Vgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 101, 102. 46 Vgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 101 f.

IV. Zur Notwendigkeit des tatbestandlichen Erfolgs als Vorsatzgegenstand

239

malerweise die Individualisierung des Tatobjekts keine Rolle. Ein Täter, dem es nicht darauf ankomme, wen er töte, aber töten wolle, habe Tatvorsatz. Geschützt sei das Tatobjekt als „Gattungswesen“, z. B. als Gattung Mensch, so dass sich der Vorsatz nur auf die Gattung erstrecken müsse. Dies sei bereits mit Kenntnis vom Risiko gegeben.47 Die letzte Schlussfolgerung ist ebenso richtig wie die Annahme, dass derjenige Tatvorsatz hat, dem es egal ist, wen er tötet, gleichwohl aber töten will. Jedoch hat ein solcher Täter sehr wohl Vorstellungen vom konkreten Erfolg, die einen zwar nicht individualisierten, aber eingegrenzten Personenkreis und damit Vorstellungen vom Objekt als solches, der Art des Erfolgseintritts, der Zeit und des Ausmaßes betreffen.48 Damit bezieht sich der Vorsatz tatsächlich eben nicht nur auf eine Gattung, sondern auf ein konkretes Tatgeschehen, das zu einem bestimmten Erfolg führen soll.49 Die Gleichsetzung von konkretem Erfolg und individualisiertem Objekt greift zu kurz. Insbesondere folgt aus der Argumentation von Schroth zur mitunter fehlenden präzisen Objektsindividualisierung noch nicht, dass im Falle der aberratio der Vorsatz gleichwohl gegeben ist – denn faktisch hat sich der Täter ein bestimmtes Objekt ausgesucht und dieses verfehlt, seinen Vorsatz also individualisiert. Darüber darf man sich nicht einfach hinwegsetzen.50 Aufgrund der tatsächlichen Entscheidung für die Beeinträchtigung von Rechtsgütern eines ganz bestimmten Repräsentanten kommt schließlich Frisch zu dem Ergebnis, dass man dies nicht überspielen könne. Obwohl er den Erfolg als Vorsatzbezugspunkt ablehnt, hält er es für abwegig, dem Täter eine allgemeine Entscheidung gegen jedermann zu unterlegen und misst dem konkreten Entschluss des Täters dann Bedeutung bei, wenn es ihn gibt.51 Vor allen Dingen will der Täter im von Schroth genannten Beispiel den Erfolg auf bestimmte konkretisierte Weise – vom konkreten Objekt abgesehen – und nicht nur die Gefahr, er hat bezüglich eines konkreten Erfolges dem Grunde nach Vorsatz. Darauf stellt Schroth auch selbst ab. Beispiel und Argument passen daher nicht zu dem Zweck, zu dem sie gedacht sind – der konkrete Erfolg umfasst mehr als die Objektsindividualisierung. Es gibt darüberhinaus jedoch gute, auch normative Gründe, den Erfolg als Vorsatzgegenstand anzusehen. Folgt man der Ansicht, den Erfolg aus dem gesetzlichen Tatbestand im Sinne von § 16 Abs. 1 StGB herauszunehmen, so ebnet man den Unterschied zwischen Gefährdungs- und Erfolgsdelikten im subjektiven Tatbestand ein. Die unterschiedVgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 102. Alles dies hat der Täter auch im Falle eines Sprengstoffattentates, einer Sprengfalle oder von ungezielten Schüssen in seinen Vorsatz aufgenommen, weshalb auch in solchen Fällen eine notwendige Vorsatzkonkretisierung auf den Erfolg faktisch vorliegt, vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 53. 49 Vgl. dazu bereits oben E.II. 50 Vgl. dazu Wessels / Beulke AT, Rn. 253; ganz deutlich auch Kühl AT, § 13 Rn. 33 m. w. N. 51 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1998, S. 616 f. 47 48

240 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

liche Natur der beiden Deliktsarten muss sich jedoch auch im Vorsatz wiederfinden. Der tatbestandliche Erfolg würde zu einem objektiven Merkmal ohne Entsprechung im Vorsatz und näherte sich damit einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit an. Vor allen Dingen sind mit dem Bezugspunkt des konkreten Erfolgs untrennbar Gegenstand, Ort, Zeit und Umfang der Rechtsgutsverletzung verbunden.52 Blendete man den konkreten Erfolg aus, so müssten auch diese Aspekte letztlich aus dem Vorsatz ausscheiden, da sie konstituierende Teile des konkreten Erfolges sind. Insbesondere sind eben Fälle denkbar, in denen zwar eine objektiv zurechenbare Gefahr geschaffen wurde, jedoch der Vorsatz deswegen entfällt, weil man das Ausmaß der Verletzung anders eingeschätzt hat oder an eine Qualifikation nicht gedacht hat. Dann muss der Vorsatz ausscheiden, dies lässt sich aber nur mit Erwägungen zum konkreten Erfolg begründen. Das Abstellen auf die Kenntnis der Gefahrschaffung stellt auf die intellektuelle Komponente des Vorsatzes, das Wissen ab.53 Zur Berücksichtigung der voluntativen Komponente des Vorsatzes ist es jedoch gerade geboten, dass der Täter den Eintritt des Erfolges erstrebt oder sich zumindest mit ihm abfindet. Roxin ist darin zuzustimmen, dass erst bei Berücksichtigung beider Komponenten, d. h. Gefahr und Erfolg, sowohl die intellektuellen als auch die voluntativen Voraussetzungen des Vorsatzes erfüllt sind.54 Eben dies berücksichtigen die nur am Wortlaut des § 16 Abs. 1 StGB orientierten Ansichten nicht hinreichend. Ein Wollen bezüglich der Gefahr, so es denn vorhanden ist, kann das Wollen hinsichtlich der Gefahrverwirklichung bzw. des Erfolgs nicht ersetzen. Es handelt sich um unterschiedliche Bezugspunkte, Gefährdung und Erfolg sind nicht identisch. Darüberhinaus besteht das wesentliche Charakteristikum der Erfolgsdelikte im Abstellen auf den Erfolg als Tatbestandsmerkmal. Den Erfolg aus dem gesetzlichen Tatbestand i. S. v. § 16 Abs. 1 StGB herausnehmen zu wollen, scheint mir de lege lata außerordentlich bedenklich. Es hieße dem Erfolg als zentralem Merkmal des objektiven Tatbestands die Eigenschaft als Umstand des gesetzlichen Tatbestands absprechen zu wollen. Über diese Bedenken helfen auch am Wortlaut des § 16 StGB bzw. am Begriff der Kenntnis bei Tatbegehung orientierte Argumentationen nicht hinweg. Als Vorsatzgegenstand bleibt der tatbestandsmäßige Erfolg daher unverzichtbar. Damit sind Anfangs- und Endpunkt des Kausalverlaufs, die Schaffung der unerlaubten Gefahr und der eingetretene Erfolg, als richtige und notwendige Bezugspunkte des Vorsatzes identifiziert und begründet worden. Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 53. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1998, S. 65 ff. diskutiert die Frage der Gefahr als Bezugspunkts des Vorsatzes und die Ablehnung des Erfolgs als eine solchen unter der Rubrik „Bezugspunkt des Wissens“. 54 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 154. 52 53

V. Zur Ergänzung – Die dolus generalis Fälle

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V. Zur Ergänzung – Die dolus generalis Fälle Die Konstellationen des dolus generalis sind bereits mehrfach angesprochen worden, so dass es gerechtfertigt erscheint, klärend auf diese Fälle kurz zurückzukommen. Die entscheidende Frage besteht darin, ob eine versuchte Tötung mit einer u. U. anschließenden fahrlässigen Tötung oder eine vollendete vorsätzliche Tötung anzunehmen ist. Überholt ist mittlerweile diejenige Lehre, die der Fallgruppe ihren Namen gab, indem sie von einem Generalvorsatz ausging. Dem Bundesgerichtshof ist in seiner Einschätzung zu folgen, dass es nicht sachgerecht ist, den „[ . . . ] ursprünglichen Tötungsvorsatz auf spätere Handlungen auszudehnen, bei denen er [ . . . ] nicht mehr bestand“.55 Dieses Nichtbestehen ist mittlerweile gesicherte Erkenntnis. Die Rechtsprechung und die herrschende Lehre nehmen darüberhinaus eine vollendete Tötung an, da es sich um eine unwesentliche Kausalabweichung handele.56 Die Gegenmeinung hingegen geht von zwei getrennten Handlungen bzw. zwei selbständigen Teilakten aus, bezüglich derer der Vorsatz jeweils gesondert festzustellen ist. Sie kommt daher zu einer versuchten Vorsatztat in Tateinheit mit fahrlässiger Erfolgsherbeiführung.57 Die herrschende Lehre überzeugt im Ergebnis, nicht jedoch in ihrer Begründung. Roxin macht völlig zutreffend deutlich, dass die Abweichung nicht allemal unwesentlich sei und sich im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halte, sondern vielmehr auch abenteuerliche Kausalverläufe insoweit denkbar seien.58 Die Lösung ist vielmehr auf Grundlage der gerade entwickelten Grundsätze zu suchen und kann dort friktionsfrei gefunden werden. Ein Abstellen auf die Wesentlichkeit der Abweichung und damit eine Lösung über den Kausalverlauf als Vorsatzgegenstand ist auch hier nicht sachgerecht. Vor allen Dingen handelt es sich bei diesen Sachverhaltskonstellationen nicht um solche, die nur mit dem Abstellen auf das Vorstellungsbild bezüglich des Kausalverlaufs befriedigend zu lösen und damit als Argument für den Kausalverlauf als Vorsatzgegenstand anzusehen wären. Im Gegenteil – schon die gerade erwähnten kritischen Bemerkungen machen deutlich, dass dem nicht so ist. Auf die Schwäche einer Adäquanzbetrachtung und damit gegen eine Lösung über die Abweichung vom Kausalverlauf weist Maiwald schon im Jahr 1966 hin, der Adäquanzgedanke biete zur Lösung der dolus generalis Fälle nicht das „HandBHGSt 14, 193. Vgl. für diese Meinung Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 58 m. w. N. auch zu Gegenansicht. 57 Vgl. Kühl AT, § 13 Rn. 48 m. w. N. 58 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 176. 55 56

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werkszeug“59. Für ihn ist es entscheidend, ob der Erfolg der Zweithandlung das Ergebnis verantwortlichen Handelns ist.60 Damit ist der Gesichtspunkt der Verantwortung schon früh benannt. Den entscheidenden Lösungsgesichtspunkt führt Joecks ein. Seine These ist es, dass es letztlich nicht entscheidend sein könne, „ob der Täter selbst die unmittelbar zum Tode führende Handlung vornimmt oder ein Dritter.“61 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Im Jauchegrubenfall macht es aus Wertungsgesichtspunkten keinen Unterschied, ob der Täter die vermeintliche Leiche versenkt oder jemand anderes unabhängig von ihm. Im Falle, dass dies ein Dritter täte, müsste man die objektive Zurechnung des Erfolges bezüglich des Ersttäters prüfen. Dies bedeutet, dass es darauf ankommt, ob sich im konkreten Erfolg das mit der Ersthandlung gesetzte Erfolgsrisiko realisiert.62 Dies hängt wesentlich davon ab, ob der Dritte an das Ersthandeln angeknüpft hat und ist hier ganz klar zu bejahen. Eben diese Grundsätze müssen auch gelten, wenn der Täter sich selbst – hinsichtlich der Zweithandlung unvorsätzlich63 – zum Werkzeug bezüglich der letztendlichen Erfolgsherbeiführung macht. Auch hier ist zu prüfen, ob der Erfolg dem Täter zuzurechnen ist.64 Dabei sind die allgemein gültigen und ausführlich dargestellten Grundsätze zur Lösung der Fälle atypischer Kausalverläufe bei beeinflusstem Erfolgseintritt heranzuziehen.65 Es handelt sich um ein objektives Problem, das „[ . . . ] nicht anders behandelt werden kann als die Fälle des Dazwischentretens Dritter.“66 Damit liegt kein Vorsatzproblem vor, das Problem stellt sich vielmehr als Aspekt des objektiven Tatbestands dar, der mit Hilfe der sehr differenzierten Lösungskriterien und Erwägungen der objektiven Zurechnung zu lösen ist. Die Behandlung unter dem Aspekt einer unwesentlichen Abweichung vom Kausalverlauf kann einerseits eine solche Differenzierung wegen der Beschränkung auf Adäquanzgedanken nicht leisten und behandelt andererseits objektive Fragen zu Unrecht im Vorsatz.

Maiwald, ZStW 78 (1966), S. 54. Vgl. Maiwald, ZStW 78 (1966), S. 54. 61 MK-Joecks, § 16 Rn. 55. 62 So auch ausdrücklich AK-Zielinski, §§ 15, 16 Rn. 62. 63 Anders und völlig unproblematisch stellt sich die Situation dar, wenn der Täter sichergehen wollte und daher Eventualvorsatz anzunehmen ist. 64 Joecks spricht dies klar aus, wenn er feststellt, dass entscheidend sei, ob die Zweithandlung die objektive Zurechnung unterbreche (MK-Joecks, § 16 Rn. 55). 65 Vgl. oben D.III.3.b). 66 So das Fazit von MK-Joecks, § 16 Rn. 58. 59 60

VI. Zur Bedeutung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale

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VI. Zur Bedeutung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale Im Zuge der Darstellung der Lehre von der objektiven Zurechnung aber auch von abweichenden Ansätzen ist immer wieder betont worden, dass Wertungen von zentraler Bedeutung sind. Die Frage der Gefahr, ihre Unerlaubtheit, die Definition des Erfolgs und die Frage des Realisierungszusammenhangs zwischen Verhalten und Erfolg sind von normativen Überlegungen geprägt, die im objektiven Tatbestand angesiedelt werden. Es scheint daher mehr als angebracht, zu überlegen, inwiefern Tätervorstellungen bezüglich dieser normativen Elemente nach den Regeln über den Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale zu behandeln sind. Bereits an dieser Stelle sei angemerkt, dass solche Überlegungen bezüglich der Elemente der objektiven Zurechnung sich im Ansatz nur ganz vereinzelt finden lassen und kaum verfeinert wurden. Im Folgenden soll dies in vertiefter Form vorgenommen werden. Dabei kann jedoch die Thematik des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale und insbesondere die ganz entscheidende Abgrenzung zum Verbotsirrtum, die Maurach / Zipf als das „[ . . . ] derzeit am wenigsten gelöste Problem der gesamten Irrtumslehre“ bezeichnen, nicht erschöpfend dargestellt werden. Die Thematisierung aus dem Blickwinkel der Lehre von der objektiven Zurechnung im Allgemeinen und der atypischen Kausalverläufe im Besonderen lohnt sich gleichwohl.

1. Normative Tatbestandsmerkmale und objektive Zurechnung Üblicherweise werden die Merkmale des objektiven Tatbestands in zwei Gruppen eingeteilt. In Reinform sind deskriptive Merkmale solche, die Zustände oder Geschehnisse wiedergeben, die der „realen Welt“67 angehören, daher der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich sind und beschrieben werden können.68 Als Beispiele werden vor allen Dingen Töten, Fahren, Gebäude oder auch Wegnehmen genannt. Demgegenüber sind unter normativen Merkmalen solche zu verstehen, die nicht durch reines Beschreiben erfassbar sind, sondern sich „[ . . . ] nur durch einen Akt geistigen Verstehens“69 erschließen bzw. deren Vorliegen eine Bewertung voraussetzt.70 Hierher gehört beispielsweise der durch das Zivilrecht bestimmte Begriff der Fremdheit, sehr häufig wird aber auch der komplexe strafrechtliche Urkundsbegriff in diesem Zusammenhang thematisiert.71 MK-Joecks, § 16 Rn. 40. Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 21; Roxin AT I, § 10 Rn. 58. 69 SK-Rudolphi, § 16 Rn. 21; identisch MK-Joecks, § 16 Rn. 40. 70 Vgl. Roxin AT I, § 10 Rn. 58. 71 Immer wieder aufgegriffen wird in diesem Zusammenhang die Urkundeneigenschaft eines Bierdeckels auf dem die Anzahl der getrunkenen Biere durch Striche vermerkt wird, vgl. Kühl AT, § 5 Rn. 94 f.; Krey AT, § 10 Rn. 377 ff.; Roxin AT I, § 12 Rn. 102. 67 68

244 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

Jedoch ist eine Trennung zwischen deskriptiven und normativen Merkmalen nicht immer leicht möglich.72 Beide kommen selten „rein“73 vor bzw. im „Grenzbereich“74 der deskriptiven Merkmale sind vielfach normative Erwägungen vorzunehmen, beispielsweise bei der Feststellung, dass ein hirntotes aber an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossenes Unfallopfer kein geeignetes Objekt der §§ 211 ff., §§ 223 ff. StGB und damit kein Mensch in diesem Sinne mehr ist. Dieser Schritt lässt sich nur durch geistiges Verstehen nachvollziehen, wenn und weil man sich vor Augen führt, dass der Mensch trotz mancher Körperfunktionen in seiner Personenhaftigkeit erloschen ist.75 Folglich gibt es kein strenges Aliud-Verhältnis zwischen deskriptiven und normativen Merkmalen, sondern der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, in welchem Maße eine Sinnerfassung als Akt des Verstehens notwendig ist. Wie Merkmale des objektiven Tatbestandes in diesem Sinne einzuordnen sind, kann nicht pauschal gesagt werden, sondern ist eine Frage des jeweiligen Tatbestands und damit letztlich des besonderen Teils des Strafrechts. Wie sind nun aber die für die Lösung der abweichenden Kausalverläufe entscheidenden Elemente der Lehre von der objektiven Zurechnung einzuordnen? Diese Überlegung betrifft nun offensichtlich wiederum eine Frage des allgemeinen Teils. Inwiefern eine Situation geschaffen wird, die in die Beeinträchtigung eines Rechtsguts münden kann und damit als Gefahr bzw. Risiko anzusehen ist, ist stärker eine deskriptive Frage, obwohl die Feststellung einer Gefahr ein Prognoseurteil erfordert, dass als solches nicht sinnlich wahrnehmbar ist. Der erforderliche Realisierungszusammenhang ist eine außerordentlich stark normativ geprägte Zurechnungskomponente und unterscheidet sich dadurch wesentlich vom Kausalzusammenhang selbst. Die Prüfung der Realisierung, der bei Abweichungsfällen breiter Raum zukommt, ist von einer Vielzahl normativer Kriterien abhängig und ausschließlich geistig nachvollziehbar. Als Gedanken- und Wertungskonstrukt ist er hoch normativ. Jedoch ist bereits dargestellt worden, dass der Realisierungszusammenhang und seine Grundlage, der Kausalverlauf, nicht Vorsatzgegenstand sein können und dürfen.76 Folglich spielen diesbezügliche Fehleinschätzungen des Täters keine Rolle und können nicht Grundlage für die Heranziehung der Grundsätze über einen Irrtum über ein normatives Tatbestandsmerk72 Aus diesem Grunde gibt es eine ganze Reihe alternativer Einteilungsversuche, die von der grundsätzlichen Ablehnung der Normativität irgendeines Merkmals bis hin zur Ansicht reichen, dass es nur normative Merkmale gebe. Eine kurze Übersicht mit weiteren Nachweisen findet sich bei Jakobs AT, 8 / Rn. 51. 73 Roxin AT I, § 12 Rn. 100, vgl. auch § 10 Rn. 59 ff. 74 MK-Joecks, § 16 Rn. 40; ebenso SK-Rudolphi, § 16 Rn. 22. 75 So jedenfalls die herrschende Meinung, vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 22. 76 Vgl. oben F.II.

VI. Zur Bedeutung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale

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mal sein. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Befürworter des Kausalverlaufs als Vorsatzgegenstand, die sich mit der Frage der Vorstellungen des Täters und damit mit der Zurechnung des Geschehens beschäftigen, keinerlei Bemerkungen in diese Richtung machen. Akzeptiert man jedoch die objektive Zurechnung im objektiven Tatbestand und sieht den Zusammenhang zwischen Verhalten und Erfolg als Vorsatzgegenstand, so müsste man eigentlich die die Wesentlichkeit der Abweichung betreffenden Überlegungen in diese Richtung weiterdenken. Die Unerlaubtheit der Gefahr bzw. die Missbilligung des Risikos sind ebenfalls normative Merkmale, denn sie sind als solche nicht sinnlich wahrnehmbar. Das Verdikt der Unerlaubtheit ist Ergebnis eines Bewertungsvorgangs, in den eine Vielzahl an Überlegungen einfließt. Die Unerlaubtheit als solche kann logisch und begrifflich als Wertung von der Gefahr getrennt werden. Es verhält sich ähnlich wie mit der Merkmalskombination der fremden Sache, die offensichtlich trennbar ist. Jedoch besteht hinsichtlich der Gefahr der Unterschied darin, dass diese zwar eine bestimmte Sachlage beschreibt, aber unmittelbar auch eine Bewertung dieser Sachlage als gefährlich enthält. Darüberhinaus kann das Ausmaß der Gefahr bzw. des Risikos eine direkte Auswirkung auf die Einschätzung als unerlaubt haben, insbesondere dann, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die Frage der Missbilligung auch das Ergebnis der Abwägung von Rechtsgüterschutz – das Gewicht des Rechtsguts hängt dabei maßgeblich auch von der Intensität seiner Gefährdung ab – und Handlungsfreiheit enthält. Allerdings ist dies nicht zwingend, denn eine noch so große Gefahr kann erlaubt sein, wenn man sich ihr freiwillig und vollverantwortlich aussetzt. Die Sachlage ist folglich komplizierter als dies bei der fremden Sache der Fall ist, völlig anders ist sie indessen im Hinblick auf die hier zu erörternde Thematik nicht. Auch für die Lösung der Abweichungsfälle ist die Frage der Missbilligung des Risikos von Bedeutung. In allen diesen Konstellationen wird die Schaffung einer unerlaubten Gefahr vorausgesetzt, da sich andernfalls Fragen des Realisierungszusammenhangs gar nicht stellen würden. Bei den Überlegungen, welches Risiko sich realisiert hat, ist häufig zu untersuchen, ob das realisierte Risiko, dem der „Täter“ das Opfer ausgesetzt hat, ein unerlaubtes oder eben ein erlaubtes Risiko – beispielweise in Form des allgemeinen Lebensrisikos wie in den Krankenwagenfällen – gewesen ist. Wenn und weil im objektiven Tatbestand ein Risiko als missbilligt angesehen und die objektive Zurechnung bejaht wird, muss man sich dem subjektiven Tatbestand zuwenden und es rücken die möglichen Konsequenzen hinsichtlich einer etwaigen Fehleinschätzung bezüglich der Unerlaubtheit der Gefahr in den Vordergrund. Es stellen sich ganz zentrale Fragen: Hat es Folgen, wenn der Täter annahm, sein Verhalten sei beispielsweise deshalb erlaubt, weil er das Opfer für freiverantwortlich oder die Gefahr eines Kunstfehlers für allgemeines Lebensrisiko gehalten hat?

246 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

Spielt es eine Rolle, wenn der Täter das Urteil der Unerlaubtheit nicht selbst über sein Verhalten gefällt hat? Die Vorstellungen des Täters bezüglich der Schaffung der unerlaubten Gefahr und die möglichen Konsequenzen von Fehlvorstellungen sind insbesondere deshalb von Bedeutung, weil die Schaffung der Gefahr und gerade das Verdikt der Unerlaubtheit als entscheidende Ausgangsfrage der Zurechnungslehre und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit identifiziert worden sind. Eben deshalb muss sie nach auch hier vertretener Auffassung ja gerade Vorsatzgegenstand sein.77 2. Behandlung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale Im Folgenden soll die Behandlung von Irrtümern über normative Tatbestandsmerkmale dargestellt werden, die nach hier vertretener Ansicht auf das Vorstellungsbild des Täters hinsichtlich der Unerlaubtheit der Gefahr zu übertragen ist, da diese sich als normatives Tatbestandsmerkmal darstellt. Hinsichtlich der Anforderungen an den Vorsatz bei normativen Tatbestandsmerkmalen setzt die Lösung bei der Erkenntnis an, dass einerseits die reine Kenntnis von zugrundliegenden Tatsachen nicht ausreichend sein kann.78 Schließlich sind normative Merkmale als solche definiert, die einen Akt geistigen Verstehens voraussetzen. Andererseits kann eine exakte Subsumtion unter die jeweiligen gesetzlichen Vorschriften nicht erwartet werden.79 Bei normativen Tatbestandsmerkmalen setzt der Vorsatz daher zweierlei voraus.80 Zum einen ist die Kenntnis der Tatsachen, die das normative Merkmal begründen, erforderlich. Zum anderen muss der Täter den für die tatbestandliche Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt dieser Tatsachen erfasst bzw. nachvollzogen haben. Dieser Vorgang wird als „Parallelwertung in der Laiensphäre“ bezeichnet.81 Ausgangspunkt dafür ist das Charakteristikum der normativen Tatbestandsmerkmale, die sich nur durch geistiges Verstehen erschließen. Der Vorsatztäter muss daher die rechtlich-soziale Bedeutung des Merkmals erkannt haben, andernfalls fehlt ihm die von § 16 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Tatumstandskenntnis.82 Eine Parallelwertung genügt für die von § 16 Abs. 1 StGB geforderte Kenntnis, denn Gegenstand des Vorsatzes ist nicht etwa der rechtliche Begriff oder das Ergebnis einer Subsumtion, sondern es sind die „Tatumstände“, d. h. äußere Gegebenheiten und ihre soziale Bedeutung.83 Vgl. oben F.III. Allgemeine Meinung, vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 49. 79 Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 23; MK-Joecks, § 16 Rn. 40. 80 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 100; Krey AT, Rn. 376; SK-Rudolphi, § 16 Rn. 21; MKJoecks, § 16 Rn. 40, jeweils m. w. N. 81 So bereits BGHSt 3, 255; vgl. statt aller für diesen Terminus SK-Rudolphi, § 16 Rn. 23 m. w. N. 82 Vgl. Kühl AT, § 5 Rn. 93. 83 Vgl. Warda, Jura 1979, S. 80, ihm folgend Roxin AT I, § 12 Rn. 101. 77 78

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Daher ist die Parallelwertung in der Laiensphäre für den Vorsatz notwendig und hinreichend zugleich.84 Präziser dürfte die von Welzel verwendete Formulierung von einer „Parallelbeurteilung im Täterbewusstsein“85 sein. Sie bringt deutlicher zum Ausdruck, dass der Täter auf gesehener Tatsachengrundlage, den Bedeutungsgehalt dieser Tatsachen verstanden haben muss, d. h. dass es um Verstehen im Sinne des Nachvollziehens und weniger um tätereigene Bewertung geht.86 Das Vorgehen soll an zwei gängigen Beispielen verdeutlicht werden. Ein Wirtshausgast, der von einem Bierdeckel einzelne Striche wegrubbelt, muss nicht den komplexen strafrechtlichen Urkundenbegriff der §§ 267, 274 StGB kennen. Ihm muss jedoch nach Laienart bewusst sein, dass die auf dem Bierdeckel von der Kellnerin gemachten Striche Grundlage für die spätere Rechnung sind. Ihm war also nach Laienart klar, dass die Striche zum Beweis – eben als Abrechungsgrundlage – gedacht sind. Diese Kenntnis der rechtlich sozialen Bedeutung genügt für den Vorsatz bezüglich der Urkundenunterdrückung gem. § 274 I Nr. 1 StGB.87 Es ist daher unerheblich, wenn der Täter meint, eine Urkunde könne nur ein unterschriebenes Schriftstück sein. Er unterliegt insoweit einem sog. Subsumtionsirrtum88, indem er sich bei zutreffender Sachverhaltserkennung über die Reichweite eines Merkmals des gesetzlichen Tatbestands irrt. Jedoch wäre ein Tatbestandsirrtum anzunehmen, wenn dem Täter verborgen geblieben wäre, dass die Striche auf dem Bierdeckel dem Nachweis der Anzahl der getrunkenen Biere gedient hätten. Dann hätte er in seiner Laiensphäre eben nicht die rechtlich soziale Bedeutung der Striche zum Beweis im Rechtsverkehr erkannt.89 Ein „weiteres Schulbeispiel“90 besteht darin, dass jemand die Luft aus Autoreifen lässt, aber meint, eine Sachbeschädigung setze notwendig eine Substanzverletzung voraus. Hier hat der Täter erkannt, dass er Handlungen vornimmt, die die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit des Fahrzeugs wenigstens vorübergehend aufheben. Auch von seinem „Laienstandpunkt“ aus, hat der Täter alles begriffen, was eine Beschädigung ausmacht, von einer Unkenntnis von Umständen ist nicht auszugehen.91 Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 49. Welzel, JZ 1954, S. 279. 86 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 101 Fn. 187; Jakobs AT, 8 / Rn. 49. 87 Allgemeine Meinung hinsichtlich dieses Schulbeispiels, vgl. Kühl AT, § 5 Rn. 94; Krey AT, Rn. 378 f. 88 Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rn. 23. 89 So Kühl AT, § 5 Rn. 94. 90 So die Einschätzung von Kühl AT, § 5 Rn. 95; zu finden u. a. bei Roxin AT I, § 12 Rn. 101; Wessels / Beulke AT, Rn. 242; ähnliches Beispiel bei Jakobs AT, 8 / Rn. 50, in dem der Täter Klebstoff in eine Uhr schüttet. 91 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 101. 84 85

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Sein Irrtum betrifft lediglich die Definition bzw. Reichweite des Begriffs Beschädigen, er hat falsch unter diesen Begriff subsumiert, weshalb auch hier von einem Subsumtionsirrtum auszugehen ist.92 Dieser ist jedoch dem Grunde nach für die Strafbarkeit unerheblich, weil es auf die Kenntnis der Strafbarkeit als solche nicht ankommt.93 Das Abstellen auf die Parallelwertung in der Laiensphäre hat jedoch auch Kritik erfahren. Schlüchter setzt für den Vorsatz eine „teleologisch reduzierte Sachverhaltssicht“ voraus, die dann bestehe, wenn der Täter „die Verletzungsbedeutung seines Verhaltens“ erfasst habe. 94 Nach Einschätzung Roxins bleibt Schlüchter der Sache nach bei einer Parallelwertung, da im Grund alle Tatbestandsmerkmale auf das geschützte Rechtsgut bezogen seien.95 Puppe kritisiert, dass Juristen dem Laien offenbar nicht zutrauten, normative Merkmale richtig zu verstehen.96 Zentral für vorsätzliches Handeln sei es, dass der Täter sich „den Sinn des Tatbestandes, nicht notwendig seinen Wortlaut“ vorstelle.97 Aus dem „Erfordernis des Sinnverständnisses“98 zieht Puppe die Konsequenz, dass es keinen Grund gebe, die Anforderungen an das Wissen des Täters im Sinne einer Parallelwertung zurückzunehmen.99 Sie vertritt die These, dass Zweifel daran, ob Vorstellungen des Täters den Sinn des Tatbestands implizierten, ihren Grund meist nicht etwa in der Unfähigkeit des Täters zur Vorstellungsbildung, sondern in der Unklarheit der Auslegung des Merkmals selbst hätten.100 Vor allen Dingen aber steht Puppe mit Nachdruck auf dem Standpunkt, dass eine Parallelwertung über Defizite im Wissen des Täters schlicht nicht hinwegkommen kann.101 Auf diesen kritischen Punkt weist auch Joecks hin. Er betont, dass die Parallelwertung die Kenntnis der Tatumstände, die unter die normativen Tatbestandsmerkmale subsumiert werden müssen, nicht ersetzen könne.102 Dieser Einwand ist Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 101; Kühl AT, § 5 Rn. 95; Wessels / Beulke AT, Rn. 242. Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 242; weitere Beispiele insbesondere aus der Rechtsprechung finden sich bei LK-Schroeder, § 16 Rn. 41 ff. sowie Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 43a. Freilich kann sich daraus ein Verbotsirrtum ergeben, worauf noch ausführlich zurückzukommen ist. 94 Schlüchter, Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale im Strafrecht, 1983, S. 116; dies., JuS 1985, S. 375, 530. 95 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 117; ausführlich dazu auch Kuhlen, Die Unterscheidung zwischen vorsatzausschließendem und nichtvorsatzausschließendem Irrtum, 1987, S. 435 ff. 96 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 45. 97 Puppe, GA 1990, S. 153. 98 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 47. 99 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 48. 100 Vgl. NK-Puppe, § 16 Rn. 49. 101 Vgl. Puppe AT, § 15 Rn. 11, mit der plastische Formulierung: „Weiß er dies [gemeint ist das Vorliegen einer Tatsache] nicht, so hilft auch keine Parallelwertung [ . . . ]“. 102 Vgl. MK-Joecks, § 16 Rn. 42. 92 93

VI. Zur Bedeutung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale

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berechtigt, aber im Grunde durch die beiden Anforderungen an den Vorsatz bei normativen Tatbestandsmerkmalen, die Kenntnis der Tatsachen und ihre anschließende Bewertung, abgesichert. Vorstellungen des Täters allein bzw. nur eine entsprechende Wertung können den Weg in die Vollendungsstrafbarkeit nicht ebnen. Bezüglich der kritischen Anmerkungen, von denen nur einige erwähnt wurden, ist jedoch mit Wessels / Beulke festzuhalten, dass „noch keine vorzugswürdigere Konzeption entwickelt worden [ist], so dass es trotz aller Bedenken ratsam erscheint, sich der herrschenden Lehre anzuschließen.“103 Dies geschieht auch hier. Im weiteren Verlauf ist insbesondere der Rolle des Subsumtionsirrtums nachzugehen, weil er Bedeutung gewinnen kann, wenn dem Täter die Einsicht genommen wird, Unrecht zu tun. Dann kann ein Subsumtionsirrtum Grundlage eines nach § 17 StGB zu behandelnden Verbotsirrtum werden, weil der Täter aufgrund falscher Subsumtion zu der Überzeugung kommt, sein Verhalten werde von der Rechtsordnung toleriert.104 Beim Verbotsirrtum muss sich der Irrtum nämlich nicht zwingend auf die Unkenntnis eines Verbots im Allgemeinen beziehen, sondern es genügt, dass dem Täter das Bewusstsein fehlt Unrecht zu tun. Dazu kann es aufgrund falscher Subsumtion kommen und liegt in Fällen eines Subsumtionsirrtums bezüglich zentraler Tatbestandsmerkmale durchaus nahe.105 Von wesentlicher Bedeutung ist daher die Abgrenzung des Tatbestandsirrtums aufgrund von Fehlvorstellungen über normative Tatbestandsmerkmale vom Verbotsirrtum. In der hier zu untersuchenden Konstellation gilt dies umso mehr, als dass das Merkmal der „Unerlaubtheit“ diese Abgrenzung schon aufgrund des Wortlauts zwingend erforderlich macht. Fehlvorstellungen über die Unerlaubtheit des Verhaltens an sich sind schließlich charakteristisch für Konstellationen des Verbotsirrtums. Bevor auf diese Abgrenzung einzugehen ist, soll noch kurz analysiert werden, inwiefern die zum Vorsatz bei normativen Tatbestandsmerkmalen entwickelten Grundsätze auf Fragen der Kausalität und der Zurechnung im Übrigen übertragen wurden. 3. Übertragung auf Elemente der objektiven Zurechnung Bezüglich der Kausalität, der objektiven Zurechnung und der Unerlaubtheit der Gefahr finden sich in der Literatur nur ganz wenige und kurze Hinweise auf eine Behandlung nach diesen Grundsätzen. Maurach / Zipf stellen bezüglich der Kausalität selbst darauf ab, dass vom Täter keine Kenntnis des Kausalgesetzes selbst verlangt werden dürfe – eine vor allen Dingen bei komplizierten Vorgängen sinnvolle Wessels / Beulke AT, Rn. 243. Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 101; Wessels / Beulke AT, Rn. 242; MK-Joecks, § 16 Rn. 41. 105 Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 16 Rn. 44 – zentrale Merkmale sind beispielsweise das Beschädigen in § 303 I StGB oder die Urkunde in §§ 267, 274 StGB. 103 104

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Erwägung, weil sich dann nur der Fachkundige strafbar machen könnte. Die Autoren sind vielmehr der Ansicht, dass eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“106 auch hier genüge, der Täter den Gang des Geschehens und seine Wirkung für den Erfolg in groben Umrissen in Vorstellung und Willen aufgenommen haben müsse. Hier wird folglich eine Anwendung der Grundsätze des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale auf die Kausalität selbst propagiert. Da Maurach / Zipf jedoch im Übrigen jegliche Rückschlüsse bzw. Konsequenzen aus der objektiven Zurechnung für den Vorsatzgegenstand ablehnen107, kommen sie nicht zu einer Übertragung auf die Unerlaubtheit der Gefahr. Schroth, der als Vorsatzgegenstand das Risiko selbst sieht, präzisiert die subjektiven Voraussetzungen dahingehend, dass der Täter den Risikotypus, der Ursache des Erfolges geworden sei, nach „Laienart“108 erkannt haben müsse. Gemeint ist damit, dass der Täter das Risiko in seiner grundsätzlichen Wirkweise erkannt haben muss, weshalb dann auch bestimmte Abweichungen in Art oder Zeit der Risikoverwirklichung unerheblich und als vom Vorsatz bezüglich des Risikotypus umfasst anzusehen sind.109 Mit der gewählten Formulierung sind eindeutige Anklänge an die Lehre von der Parallelwertung in der Laiensphäre bei Irrtümern über normative Tatbestandsmerkmale verbunden. Auf die Unerlaubtheit als besonderes normatives Tatbestandsmerkmal wird sie jedoch nicht übertragen. Jakobs hingegen wählt als Ausgangpunkt, dass die Voraussetzungen der objektiven Zurechnung vom Vorsatz umfasst sein müssten, wobei der Täter insbesondere ein Risiko von solcher Höhe erkennen müsse, dass der Rahmen des erlaubten Risikos überschritten werde. Jakobs’ Forderung ist eindeutig und im Ansatz zu begrüßen: „Das erlaubte Risiko folgt also den Regeln normativer Tatbestandsmerkmale.“110 Meines Erachtens ist es jedoch vorzugswürdig in Risiko und Unerlaubtheit zu trennen, was möglich ist, auch wenn das Ausmaß des Risikos Auswirkungen auf die Frage der Unerlaubtheit haben kann – dies dürfte Jakobs zu seiner zusammenfassenden Einordnung bewogen haben –, aber eben nicht haben muss.111 Im Sinne dieser Differenzierung geht Roxin vor, der die Unerlaubtheit von der Gefahr bzw. dem Risiko insoweit trennt, als dass er meint, dass „[ . . . ] die Unerlaubtheit [ . . . ] wieder nach den Regeln der gesamttatbewertenden Merkmale zu behandeln ist“112. Das isolierte Abstellen auf die Unerlaubtheit ist begrüßenswert. 106 107 108 109 110 111 112

Maurach / Zipf AT, § 23 Rn. 28. Vgl. Maurach / Zipf AT, § 23 Rn. 29. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 97. Vgl. Schroth, Vorsatz und Irrtum, 1998, S. 97 f. Jakobs AT, 8 / Rn. 44. Siehe schon oben F.VI.1. Roxin AT I, § 12 Rn. 154.

VI. Zur Bedeutung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale

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Das Heranziehen der Regeln über die gesamttatbewertenden Merkmale ist meines Erachtens hingegen nicht zutreffend. Weder in Begründung bzw. Lösungsweg noch im Ergebnis ergeben sich daraus jedoch Differenzen, weil Roxin die gesamttatbewertenden Merkmale vor allem hinsichtlich der Abgrenzung zum Verbotsirrtum genau wie normative Tatbestandsmerkmale behandelt.113 Nach meinem Dafürhalten handelt es sich bei der Unerlaubtheit der Gefahr nicht um ein gesamttatbewertendes Merkmal. Dies sind Merkmale, die über die Beschreibung des tatbestandsmäßigen Verhaltens hinausgehen und zugleich einen solch hohen normativen Gehalt aufweisen, dass sie die sonst dem allgemeinen Rechtswidrigkeitsurteil vorbehaltene Gesamtbewertung der Tat ausfüllen.114 Ein Beispiel ist die Verwerflichkeit in § 240 II StGB.115 Nach herrschender Meinung sind nur ihre tatsächlichen Grundlagen, nicht jedoch das Werturteil selbst Teil des Tatbestands.116 Man könnte in der Tat meinen, dass die Frage der Unerlaubtheit der Gefahr, gerade weil sie auch nach hier vertretener Meinung der Zentral- und Ausgangspunkt der weiteren Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist, insofern auch gesamttatbewertend sein müsste. Dem ist jedoch nicht so, insbesondere enthält das Verdikt der Unerlaubtheit der Gefahr keine „[ . . . ] abschließende, die Gesamttat betreffende Unrechtsbewertung“117. Betrachtet man Konzeption und Systematik der Lehre von der objektiven Zurechnung genauer, findet sich eine Stütze für diese Auffassung. Die Unerlaubtheit der Gefahr betrifft zum einen nur das erste Element der Grundformel, die Schaffung der (unerlaubten) Gefahr. Konstitutives Element der objektiven Zurechnung ist jedoch auch die Realisierung der Gefahr im konkreten tatbestandsmäßigen Erfolg. Zum anderen stehen daneben mitunter in die Grundformel nur mit Mühe einzugliedernde ergänzende Prinzipien – wie etwa das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit oder nach Roxin118 selbst das der Verantwortungsbereiche. Gerade die Aspekte der Selbstgefährdung und der Verantwortungsbereiche prüft Roxin selbst erst im Anschluss an Überlegungen zu Schaffung und Realisierung der unerlaubten Gefahr unter dem Begriff der „Reichweite des Tatbestands“. Wäre die Unerlaubtheit der Gefahr tatsächlich ein gesamttatbewertendes Merkmal, hieße das, dass der Unrechtsgehalt der Tat schon vor Prüfung der Realisierung sowie der Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen und bestimmter Dritter beurteilt werden könnte bzw. müsste. Dass dies nach dem Verständnis der objektiven Zurechnung auch für Roxin bei Betrachtung seines eigenen Vorgehens nicht möglich ist, bedarf kaum weiterer Erklärung. Die Gesamttat kann unmöglich Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 105 ff. So SK-Rudolphi, § 16 Rn. 17. 115 Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 22. 116 Vgl. Roxin AT I, § 10 Rn. 48 m. w. N. in Fn. 93. 117 So die Beschreibung der Funktion des gesamttatbewertenden Merkmals der Verwerflichkeit bei Roxin AT I, § 10 Rn. 47. 118 Vgl. Roxin AT I, § 11 Rn. 106 ff. 113 114

252 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

als unerlaubt zu werten sein, wenn es beispielsweise aufgrund einer freiverantwortlichen Selbstgefährdung gar keine zu bewertende Tat gibt. Welche Bedeutung kommt aber nun der Tatsache zu, ob und worüber sich der Täter falsche Vorstellungen hinsichtlich der Unerlaubtheit gemacht hat? Muss jede Fehlvorstellung zu einer Ablehnung der Parallelwertung in der Laiensphäre führen? Angesichts der Funktion und des Inhalts dieser Wertung ist dies sicherlich nicht der Fall. Ganz entscheidend für die Frage der Bedeutung von Fehlvorstellungen ist die Abgrenzung, wann ein Subsumtionsirrtum und damit möglicherweise ein Verbotsirrtum vorliegt. Mit dem Abstellen auf die Parallelwertung in der Laiensphäre ist, wie sich zeigen wird, hinsichtlich des Ausgangspunkts viel aber bezüglich des Ergebnisses wenig gewonnen.

4. Umsetzung und Abgrenzung vom Verbotsirrtum a) Die Abgrenzung im Grundsatz Die Abgrenzung des Tatbestandsirrtums und des Verbotsirrtums ist „im Einzelnen schwierig“119 und häufig das Ergebnis sehr subtiler Überlegungen, deshalb liegen beide Irrtümer „oft dicht beieinander“120. Die Lage wird weitergehend auch als „noch nicht endgültig geklärt“121 eingestuft, bisweilen wird sogar eine „konfuse Lage“122 konstatiert. Maurach / Zipf sprechen wohl daher von dem „derzeit am wenigsten gelösten Problem der gesamten Irrtumslehre“.123 Den Grund vieler Schwierigkeiten sieht Roxin darin, dass die Parallelwertung nicht immer eindeutig sei und Ergebnisse mitunter von Zufälligkeiten der Tatbestandsfassung abhingen.124 In der Tat kommt der Parallelwertung in der Laiensphäre eine Schlüsselrolle zu, da auf ihr alle weiteren Überlegungen aufbauen. Die an die Parallelwertung und ihre Ergebnisse gestellten Anforderungen bestimmen, ob ein Tatbestandsirrtum vorliegen kann oder ob bei entsprechender Ansicht des Täters nur ein Verbotsirrtum in Betracht kommt. Letzteres ist dann der Fall, wenn man die Anforderungen an die Parallelwertung des Täters als gegeben ansieht, d. h. davon ausgeht, dass sein Vorstellungsbild zum Erkennen der rechtlich sozialen Bedeutung ausreicht. Gerade für die Unerlaubtheit der Gefahr ist dies von zentraler Bedeutung, denn wenn der Täter in seinem Vorstellungsbild die rechtlich soziale Bedeutung der von 119 120 121 122 123 124

Roxin AT I, § 12 Rn. 114. LK-Schroeder, § 16 Rn. 46. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 43a. Jakobs AT, 8 / Rn. 52. Maurach / Zipf AT, § 37 Rn. 48. Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 114.

VI. Zur Bedeutung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale

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ihm geschaffenen Gefahr als unerlaubt nachvollzogen hat, so könnte der Einwand, dass er das Geschehen für erlaubt gehalten habe, nur noch zu einem Verbotsirrtum führen. Es soll nun ein Versuch unternommen werden zu klären, welche Anforderungen an das Vorstellungsbild des Täters für die Parallelwertung in der Laiensphäre zu stellen sind. In den beiden oben125 erläuterten Beispielen war es jeweils so, dass der Täter sich nicht über tatsächliche Grundlagen des Geschehens, sondern über die Reichweite eines rechtlichen Begriffs, Sachbeschädigung bzw. Urkunde, geirrt hatte. Seine Fehlvorstellung führte als Subsumtionsirrtum nicht zum Vorsatzausschluss, sondern kann allenfalls einen Verbotsirrtum begründen. Ähnlich verhält es sich, mit dem Vorstellungsbild des Täters eines echten Amtsdelikts. Er muss nur die die Amtsträgereigenschaft begründenden Tatsachen, insbesondere dass er Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, kennen. Weiß jemand nicht, dass er an der Staatgewalt mitwirkt ist dies ein Tatbestandsirrtum. Ob er sich als Amtsträger sieht ist unerheblich, ein entsprechender Irrtum führt nur zum Verbotsirrtum. Auf die korrekte Benennung bzw. Eigenbezeichnung kommt es nicht an.126 Ähnliches gilt für den Meineid. Irrt sich der Täter darüber Zeuge zu sein, weil er sich für einen Beschuldigten hält, so befindet er sich im Tatbestandsirrtum. Glaubt er auch als Zeuge in bestimmten Fällen die Unwahrheit sagen zu dürfen, liegt ein Verbotsirrtum vor.127 Geht ein Täter während der Schonzeit jagen – strafbar nach § 38 I BJagdG ist der, der den Vorschriften über die Schonzeit zuwider handelt – so befindet er sich im Tatbestandsirrtum, wenn er sich über das Datum irrt. Gleiches gilt auch, wenn er die zeitlichen Grenzen der Schonzeit verkennt, dann handelt er nicht der Schonzeit zuwider. Jagt er, weil er vom Verbot in der Schonzeit gar nichts weiß bzw. meint, immer jagen zu dürfen, so liegt ein Verbotsirrtum vor.128 Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass der Täter immer aber auch nur dann im Tatbestandsirrtum gehandelt hat, wenn er sich über die tatsächlichen Grundlagen eines Merkmals geirrt hat. Demgegenüber könnte man immer nur einen Verbotsirrtum annehmen, wenn der Täter (lediglich) ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal als solches nicht erkennt bzw. die entsprechende Schlussfolgerung nicht zieht. Dies ist der Kern der älteren Lehre von den „Komplexbegriffen“, bei denen tatsächliche und rechtliche Momente als zusammengefasst angesehen wurden und F.VI.2. Vgl. BGHSt 8, 323 f.; übereinstimmend LK-Schroeder, § 16 Rn. 46 sowie Roxin AT I, § 12 Rn. 113. 127 Vgl. BGHSt 10, 14 f. 128 Vgl. OLG Celle, NJW 1954, S. 1618; Roxin AT I, § 12 Rn. 111. 125 126

254 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

der Vorsatz sich nur auf erstere zu erstrecken brauchte.129 Dies bedeutet, dass zwar die konstituierenden Merkmale eines Rechtsbegriffs vom Vorsatz umfasst sein mussten, jedoch nicht ihre Zusammenfassung zum Komplexbegriff gewusst zu werden brauchte.130 Diese Lehre ist als überholt abzulehnen.131 Es gibt Fallkonstellationen und Tatbestände, bei denen für die Bejahung des Vorsatzes eine reine Tatsachenkenntnis nicht ausreicht bzw. ausreichen kann, es vielmehr der entsprechenden rechtlichen Qualifikation durch den Täter bedarf. Für die bei den Eigentumsdelikten vorausgesetzte Fremdheit beispielsweise genügt es nicht, dass der Täter alle rechtlich relevanten Vorgänge des tatsächlichen Geschehens kennt. Glaubt er, auch infolge irriger Rechtsauffassung – etwa in Verkennung des Abstraktionsprinzips – die Sache gehöre ihm, so hat er keinen Vorsatz.132 Die einwandfreie Tatsachenkenntnis selbst kann darüber nicht hinweghelfen, denn der Täter hat eben nicht in laienhafter Weise verstanden, dass die Sache einem anderen gehört.133 Hier muss der Täter auch die rechtliche Bewertung der zugrundeliegenden Sachverhalte nachvollziehen. Jakobs bezeichnet dies zutreffend als die Kenntnis des „Regelungseffekts“.134 Ebenso ist nicht von einem Betrug auszugehen, wenn jemand über die Rechtswidrigkeit des Vermögensvorteils irrt, weil er sich irrtümlich einen Anspruch zubilligt.135 (Nur) Irrige Rechtsauffassungen hindern auch hier den Tatbestandsirrtum nicht. Auch bei der Strafvereitelung136 oder der Begünstigung137 reicht nicht die Kenntnis der Umstände, aus denen hervorgeht, dass eine Straftat als Vortat vorliegt. Geht der Täter rechtsfehlerhaft davon aus, dass die Vortat eben keine solche sei, so fehlt es am Tatvorsatz – „einerlei“138 ob diese Fehleinschätzung auf tatsächlichen oder rechtlichen Defiziten beruht. Ebenso ist bei der Steuerhinterziehung nach § 370 AO die Kenntnis vom Bestehen des staatlichen Steueranspruchs selbst und nicht lediglich die Kenntnis der diesen begründenden Tatsachen für den Vorsatz notwendig.139 Glaubt jemand, aus 129 Vgl. dazu LK-Schroeder, § 16 Rn. 44, der diese Lehre selbst jedoch nicht vertritt, Nachweise ebenda. 130 Vgl. Roxin, Offene Tatbestände und Rechtspflichtmerkmale, 1970, S. 150 ff.; sowie ders., AT I, § 12 Rn. 109. 131 Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 44; Roxin, Offene Tatbestände und Rechtspflichtmerkmale, 1970, S. 150 f.; sowie ders., AT I, § 12 Rn. 109, jeweils m. w. N. 132 Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 43a. 133 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 103. 134 Jakobs AT, 8 / Rn. 56. 135 Vgl. Schönke / Schröder-Cramer / Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 43a. 136 Vgl. dazu Roxin AT I, § 12 Rn. 103. 137 Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 46 sowie BGHSt 15, 213. 138 Roxin AT I, § 12 Rn. 103 sowie LK-Schroeder, § 16 Rn. 46.

VI. Zur Bedeutung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale

255

welchen Gründen auch immer, keine Steuern zu schulden, so umfasst sein Vorsatz auch in laienhafter Weise nicht die fiskalische Schädigung, die § 370 AO verhindern will.140 Damit steht und fällt die Abgrenzung zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum mit der Frage, inwieweit die rechtliche Schlussfolgerung in Form des Regelungseffektes dem Täter gegenwärtig gewesen sein muss. Verbunden ist damit die Problematik, ob man für die Beurteilung der Parallelwertung in der Laiensphäre und damit des Nachvollziehens der rechtlich sozialen Bedeutung der Tat die Tatsachen von der Schlussfolgerung abtrennen kann.141 Die Problemstellung gibt jedoch bereits den entscheidenden Hinweis zur Lösung des Problems. Kann man die rechtlich soziale Bedeutung, d. h. die Tat in ihrem Unwertgehalt für das geschützte Rechtsobjekt, auch ohne eine rechtliche Schlussfolgerung bzw. Kenntnis des Rechtbegriffs als solchem erfassen, so lässt falsche Rechtsauslegung den Vorsatz bestehen. Kann man das Geschehen aber aufgrund einer verfehlten Rechtsauffassung nicht hinreichend erfassen, und scheitert daran die rechtlich soziale Bewertung des Handelns, so schließt ein Irrtum über die Rechtslage den Vorsatz aus.142 Entscheidend ist jeweils, ob die Parallelwertung in der Laiensphäre bei dem jeweiligen Defizit des Täters noch als gegeben angesehen werden kann. Daraus ist jedoch zu folgern, dass die Kenntnis der Tatsachen, die unter ein Merkmal zu subsumieren sind und die Bewertungsgrundlage darstellen, notwendige Bedingung einer Parallelwertung in der Laiensphäre sein muss. Insofern ist Schroeder nicht zu folgen, der meint, es könne dem Täter nicht zugute kommen, wenn er die im Ergebnis zutreffende Bedeutungskenntnis ohne jede Vorstellung oder aufgrund fälschlich angenommener und beurteilter Tatsachen erlangt habe.143 Dies ist mit der vielfach vertretenen Annahme der Notwendigkeit einer Tatsachenkenntnis als erster Voraussetzung der Parallelwertung kaum vereinbar.144 Im Folgenden ist im Rahmen der Überlegungen zu Versuch und Wahndelikt darauf zurückzukommen.

139 So BGHSt 5, 90; BGH NJW 1890, S. 1005; BGH wistra 1989, S. 263 sowie die herrschende Meinung vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 43; Jakobs AT, 8 / Rn. 56 jeweils m. w. N. 140 Vgl. Roxin AT I, § 12 Rn. 107. 141 Roxin spricht bei gesamttatbewertenden Umständen von solchen die „zerlegungsfähig“ sind und eben „nichtzerlegungsfähigen“ (AT I, § 12 Rn. 105, 107). Damit meint er die Trennung des Merkmals in die tatsächliche Grundlagen und die Bewertung selbst. Gedanklich ist eine solche Trennung auch bei normativen Tatbestandsmerkmalen möglich und wird faktisch von Roxin dort durchgeführt (Rn. 104). 142 Vgl. zu dieser Differenzierung Roxin AT I, § 12 Rn. 104. 143 Vgl. LK-Schroeder, § 16 Rn. 45 unter Hinweis auf BayObLG NJW 1963, S. 310 m. w. N. 144 Zutreffend der schon erwähnte Hinweis von MK-Joecks, § 16 Rn. 42, wonach die Beurteilung des Täters die Tatsachenkenntnis eben nicht ersetzen kann. Zutreffend dazu auch Jakobs AT, 8 / Rn. 59.

256 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

b) Übertragung auf die objektive Zurechnung Bei der Unerlaubtheit der Gefahr handelt es sich um ein normatives Tatbestandsmerkmal. Daraus folgt, dass der Täter jedenfalls die tatsächlichen Grundlagen für die Unerlaubtheit einer Gefahr kennen muss. Für die diversen Fallkonstellationen der objektiven Zurechnung wird diese Überlegung relevant. Beispielsweise muss dem Täter im Falle einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung bewusst sein, dass das Opfer eigenverantwortlich handelt. Anders gesagt bedeutet dies, dass dem Täter im Falle einer nicht mehr vorliegenden Eigenverantwortlichkeit die Umstände, aus denen heraus sich dieses Urteil ergibt, bekannt gewesen sein müssen. Er muss also gewusst haben, dass sich das Opfer in einer Zwangslage befand oder ihm aufgrund von Wissensdefiziten die Entscheidungsfreiheit fehlte. Hat der Täter sich umgekehrt vorgestellt, dass dem nicht so sei, so hat er keinen Vorsatz bezüglich der Unerlaubtheit. Ganz zentral ist jedoch die Frage, ob der Täter auch die Schlussfolgerung der Unerlaubtheit als solche gezogen haben muss, oder ob die richtige Tatsachenkenntnis und Bedeutungskenntnis ausreichen Fraglich ist, ob sich ein Täter, der alle Umstände genau kennt und dann meint, gleichwohl sei in solchen Situationen beispielsweise eine Freiverantwortlichkeit gegeben, im Tatbestandsirrtum befindet. Dafür sind die gerade entwickelten Abgrenzungskriterien heranzuziehen. Es stellt sich die Frage, ob eine Bewertung der Tat auch ohne die rechtliche Schlussfolgerung möglich ist. Oder ist vielmehr durch die falsche Schlussfolgerung der soziale Sinn des Tuns verschleiert, wie etwa bei den Merkmalen der Fremdheit oder des Steueranspruchs des Staates? Es ist nicht so, dass ohne das selbst gezogene Urteil der Unerlaubtheit auch nach Laienart nicht erfassbar wäre, dass man ein geschütztes Rechtsgut bedroht. Vielmehr hat der Täter bei richtiger Kenntnis der Tatsachen beispielsweise erkannt, dass es sich um ein Wesen handelt, an deren Selbstgefährdung er sich nicht ohne weiteres beteiligen darf. Erforderlich ist jedoch, dass der Täter beispielsweise die Zwangslage, Unreife oder Wissensdefizite auch tatsächlich wahrnimmt. Er hat die Gründe, die für eine ausnahmsweise Einschränkung des in das Urteil der Unerlaubtheit eingehenden Eigenverantwortlichkeitsprinzips sorgen, erfasst und damit Bedeutungskenntnis. Es kommt daher nicht darauf an, dass er das Urteil der Unerlaubtheit selbst nachvollzieht. So ist auch der von Jakobs eingeführte Fall zu lösen, der als Beispiel einen soeben eingewanderten ausländischen Schäfer anführt, der wie in seiner Heimat üblich und von allen Verkehrsteilnehmern berücksichtigt, seine Herde ohne Sicherung über die Straße treibt. Die Verkehrsverhältnisse in Deutschland habe er nicht gekannt. Jakobs nimmt hier einen Tatbestandsirrtum an, weil der Täter das Maß des Risikos unterschätz habe.

VI. Zur Bedeutung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale

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Man muss jedoch differenzieren. Hat der Täter tatsächlich keine Vorstellung davon, dass sein Tun gefährlich werden könnte, dann fehlt es am Vorsatz bezüglich der Schaffung der Gefahr selbst. Meint er jedoch, solches Verhalten sei deshalb erlaubt, weil andere sich üblicherweise darauf schon einstellen würden, und weiß er aber, dass in Deutschland andere Gepflogenheiten gelten, so kennt er alle Grundlagen, die die Unerlaubtheit der Gefahr begründen, nämlich das Übersteigen einer gewissen Gefährdung. Auch wenn er den Schluss nicht entsprechend zieht, so handelt er allenfalls in einem Verbotsirrtum, der jedoch angesichts der Situation als gerade eingewanderter Fremder möglicherweise unvermeidbar war. Glaubt der Hirte jedoch, dass auch in Deutschland trotz höherer Verkehrsdichte die Autofahrer bei solchen Dingen aufpassen und auch reagieren können – dies hängt von den Einzelheiten der Situation ab – so fehlt ihm der Vorsatz bezüglich der erhöhten Gefährdung und damit bezüglich der Tatsachen, die die Unerlaubtheit begründen. Er befindet sich im Tatbestandsirrtum, seine rechtlich soziale Bewertung der Tat entspricht auch nach Laienart nicht mehr den Gründen, aus denen die Rechtsordnung das Treiben einer Herde ohne Sicherheit als unerlaubt einstufen würde. In den klassischen Abweichungsfällen ist zu differenzieren. In Fällen des gänzlich unbeeinflussten Erfolgseintritts wie dem Brückenpfeilerfall bleibt kaum Raum für Überlegungen zu einem Tatbestandsirrtum. Der Täter will hier das Opfer durch eine bestimmte Handlung verletzen bzw. töten, schafft dazu eine unerlaubte Gefahr und ist sich dieser auch regelmäßig bewusst. Er hat folglich bezüglich der Schaffung der unerlaubten Gefahr und des tatbestandsmäßigen Erfolgs Vorsatz. Dies ist nach hier vertretener Auffassung notwendig aber auch hinreichend. In Fällen, in denen der Erfolgseintritt durch mehraktiges Geschehen herbeigeführt wird bzw. beeinflusst wird, sind die Erwägungen zum Vorsatz von größerer Bedeutung. Im Wundinfektionsfall führen diese ebenfalls zum Ziel. Dort ist jedoch zu bedenken, dass an dem Vorsatz bezüglich der Schaffung einer unerlaubten Gefahr in der Regel keine Bedenken bestehen, da der Täter den Erfolg will und entsprechend handelt. Gleichwohl ist zu prüfen, ob der Täter Vorsatz bezüglich der Unerlaubtheit der Gefahr für den konkreten Erfolg hatte. Der Täter kennt hier die tatsächlichen Umstände, die sein Verhalten auch in Hinblick auf eine mögliche Wundinfektion als unerlaubte Gefahr darstellen – er weiß um die Gefährlichkeit des Messerstichs, um die eventuelle Notwendigkeit einer Heilbehandlung und die Gefahr von Komplikationen. Selbst wenn er – was abwegig ist – meinte, sein Verhalten sei im Hinblick auf den konkreten Erfolg der Infektion erlaubt, so ist dies irrelevant. Dies kann noch nicht einmal einen Verbotsirrtum begründen. Weitergehenden Vorsatzes hinsichtlich des Weges des Erfolgseintritts bedarf es nicht, der konkrete Verlauf ist im Gegensatz zu Erfolg und unerlaubter Gefahr kein Bezugspunkt des Vorsatzes. Auch wenn der Erfolg aufgrund eines ärztlichen Kunstfehlers eintritt, kann sich der Täter selbstverständlich nicht mit der Bemerkung entlasten, dass er die Gefahr

258 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

hinsichtlich notwendiger ärztlicher Eingriffe für erlaubt gehalten habe, weil Arztfehler ein allgemeines Lebensrisiko darstellten. Die Grundlagen, die sein Verhalten als missbilligtes Risiko darstellen, kannte er und angesichts dessen ergibt auch die Bewertung aus Tätersicht, dass es sich um ein missbilligtes Risiko handelt, das gerade verhindert werden soll und daher unerlaubt ist. Diesbezügliche Fehleinschätzungen in der Schlussfolgerung auf die Unerlaubtheit bleiben angesichts des normativen Erfassens des eigenen Verhaltens für den Vorsatz außen vor. Auch muss sich der Vorsatz auf den Arzteingriff selbst nicht beziehen, da der Kausalverlauf nicht Gegenstand des Vorsatzes ist. In sonstigen Fällen des Eingreifens Dritter gilt nichts anderes. In Fällen, in denen zum Eingreifen verpflichtete Retter verunglücken, und der Täter dies billigend in Kauf genommen haben sollte, kennt er gerade diejenigen Tatsachen, die sein Handeln zu einer unerlaubten Gefahr für den Retter machen. Ob er geglaubt hat, in Bezug auf die Rettergefährdung sei sein Verhalten erlaubt, ändert am Vorsatz nichts. In den viel zitierten Erbonkelfällen gilt dies ebenso. Weiß der Täter, dass sich im Flugzeug eine Bombe befindet, dann ist die Gefahr unerlaubt und er kennt den maßgeblichen Umstand, der diese Unerlaubtheit begründet. Ob der Täter gleichwohl meinte, er dürfe doch wohl seinen Onkel auf eine Flugreise schicken, weil dies ein erlaubtes Risiko sei, ist dann für den Vorsatz unerheblich. Im Poolfall stellt sich neben der Unerlaubtheit der Gefahr die Frage, von welcher Qualität das Vorstellungsbild des Täters hinsichtlich der lebensgefährdenden Behandlung sein muss. Genügt es, wenn der Täter die Umstände kennt, aus denen sich die Lebensgefährdung ergibt, ohne dass der Täter selbst zu der Erkenntnis gekommen ist, dass dies lebensgefährlich sei? Der Bundesgerichtshof sieht dies mit dem Argument so, dass andernfalls der bedenkenlose Schläger besser dastehen würde als der weniger unbesonnene, der die Lebensgefahr erkenne.145 Diese Begründung geht angesichts der oben getroffenen Überlegungen fehl. Zum einen wird derjenige härter bestraft, der trotz der Bedenken hinsichtlich bzw. der Erkenntnis von der Lebensgefährdung weitergehandelt hat. Zum anderen ist die Frage der tatsächlichen Lebensgefährlichkeit ein normatives Element. Eine Parallelwertung in der Laiensphäre ist nicht gegeben, wenn ihm die Existenzbedrohung des Opfers nicht bewusst geworden ist. Dann entspricht sein Vorstellungsbild ganz entscheidend nicht der rechtlich sozialen Bewertung der Tat.146 Die allgemein notwendige Schaffung einer unerlaubten Gefahr und die speziell im Hinblick auf den tatbestandsmäßigen Erfolg des § 224 I Nr. 5 StGB vorausgesetzte Lebensgefährlichkeit des Handelns sind so eng miteinander verbunden – schließlich ist Gegenstand des Erfolgs der Qualifikation eine besondere (Lebens-)Gefährdung –, dass auf die Lebensgefährdung selbst als entscheidendes nor145 146

Vgl. BGHSt 19, 352 ff. So die konsequente Argumentation von Roxin AT I, § 12 Rn. 112.

VI. Zur Bedeutung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale

259

matives Merkmal abzustellen ist. Insoweit kommt es dann doch auf eine richtige Schlussfolgerung bezüglich der Qualität einer Gefahr an. Dies steht nicht im Widerspruch zu der hier im Übrigen vertretenen Konzeption, sondern ist einer Besonderheit des Tatbestands geschuldet. Im Poolfall jedoch hat der Täter aufgrund seiner Kurzsichtigkeit noch nicht einmal die die Lebensgefährdung begründende Tatsache, das fehlende Wasser, bemerkt. Hätte er es gesehen, so läge natürlich der Schluss nahe, dass er auch die Lebensgefährdung realisiert hat. Zwingend ist dies nicht, es kann auch insoweit eine Fahrlässigkeit geben, und der Täter sich bezüglich der Vorsatztat insoweit im Tatbestandsirrtum befinden. 5. Konsequenzen für Versuch und Wahndelikt Bedeutende Konsequenzen bezüglich der für den Vollendungsvorsatz maßgeblichen Voraussetzungen ergeben sich für die Frage einer möglichen Versuchsstrafbarkeit. Dabei sollen die oben in Abschnitt D.VI.4 dargestellten Grundsätze verfeinert und bestätigt werden. Grundsätzlich erfolgt die Abgrenzung von Versuch und Wahndelikt danach, ob der Täter sich über Tatsachen bzw. den Sachverhalt geirrt hat und sich eine Sachlage irrig vorgestellt hat, in der sein Verhalten verboten wäre, oder ob er bei zutreffender Kenntnis der Sachlage fälschlich annimmt, sein Verhalten sei verboten. Im ersteren Fall ist eine Strafbarkeit wegen untauglichen Versuchs gegeben, im letzteren Fall liegt ein sog. umgekehrter Subsumtionsirrtum vor, der zu einem straflosen Wahndelikt führt.147 Diese Unterscheidung zwischen Irrtümern bezüglich der tatsächlichen Seite und solchen bezüglich rechtlicher Schlussfolgerungen wird jedoch dann problematisch, wenn die Fehlvorstellung des Täters auf einer Verkennung von Normen, die in die Tatbestandsmäßigkeit und damit in die Tatsachenebene einfließen, beruht. Um solche Konstellationen handelt es sich aber gerade bei normativen Tatbestandsmerkmalen, wo es um die soziale bzw. rechtliche Relevanz von Umständen und Vorgängen geht.148 Aufgrund der Parallelbeurteilung solcher Vorgänge in der Laiensphäre des Täters wird die Abgrenzung zwischen Versuch und Wahndelikt schwierig.149 Wie ist beispielsweise zu verfahren, wenn der Täter die tatsächlichen Vorgänge im Rahmen von Übereignungen kennt, die Sache ihm gehört und er gleichwohl meint, sie gehöre ihm nicht. Bei der Lösung dieser Fälle ist an den oben entwickelten Grundsätzen zur Bestimmung des Tatbestandsirrtums anzusetzen. 147 148 149

Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 621; Schönke / Schröder-Eser, § 22 Rn. 83. Vgl. Schönke / Schröder-Eser, § 22 Rn. 84. Vgl. Jakobs AT, 25 / Rn. 38.

260 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

Hält der Täter eine Sache für fremd, die dies in Wirklichkeit nicht ist, so ist von einem untauglichen Versuch auszugehen. Weiß der Täter, dass eine Sache fremd ist bzw. geht fest davon aus und spekuliert über die Gründe dafür, warum dies so ist, und irrt sich dabei, dann hindert dies seinen Vorsatz für Versuch und Vollendung ebenfalls nicht.150 Das Spezifikum ist hier, dass der Täter die tatsächlichen Vorgänge nicht kennt, sondern nur Annahmen darüber trifft. So wird man häufig nicht wissen, auf welchem Wege fremdes Eigentum nun genau entstanden ist. Falsche Spekulationen über den Grund können den Täter nicht entlasten. Dies ist kein Verstoß gegen die Regel beim Vorgehen bei der Parallelwertung in der Laiensphäre und auch nicht dagegen, dass eine Beurteilung Tatsachen nicht ersetzen kann. Hier geht der Täter gerade von der Fremdheit aus, die er aus bestimmten tatsächlichen Gründen als gegeben ansieht. Von den Übereignungsvorgängen selbst hat er jedoch keine Kenntnis – falsche Vermutungen sind von falscher Interpretation wahrgenommener Sachverhalte zu trennen. Daher ist anders zu verfahren, wenn der Täter beispielsweise bei einem von ihm durchgeführten und daher als Sachverhalt wahrgenommenem Verkauf einer Sache meint, Eigentum schon durch den Verkauf zu verlieren und daher meint, sich durch Weiterveräußerung an einen zweiten Kunden einer Unterschlagung strafbar machen zu können.151 Ebenso ist der Fall zu behandeln, dass der Täter eine Sicherungsübereignung ohne Besitzkonstitut (er weiß, dass ein solches nicht besteht) für wirksam und sich bei Selbstverbrauch der Sache damit für strafbar hält.152 Hier irrt der Täter bei richtiger Sachverhaltskenntnis über rechtliche Folgen. Zwar zieht er die entsprechende Schlussfolgerung des Fremdseins, die, wie im vorherigen Abschnitt ausführlich begründet wurde, für eine Parallelwertung zwingend ist. Es handelt sich gleichwohl um Wahndelikte, da Vorsatz nur dann anzunehmen ist, wenn die vorgestellten Tatsachen auch objektiv eine entsprechende Beurteilung auslösen. Hier gilt der Grundsatz, dass die Bewertung allein die falschen Tatsachenvorstellungen nicht ersetzen kann. Jakobs bezeichnet dies als Schluss aus „einem ungeeigneten Substrat“153. Der Täter überdehnt in seiner Vorstellung den Normbereich des § 246 StGB154, es liegt ein Wahndelikt vor. Problematischer ist der Fall, dass der Täter zwei Irrtümern erliegt. Wer einen Gegenstand kauft und übereignet bekommt, obwohl er ihn noch nicht bezahlt hat, aber gleichwohl meint, er mache sich durch den Verbrauch strafbar, weil ihn erst die Zahlung zum Eigentümer werden lasse, der stellt sich nicht Umstände vor, die den gesetzlichen Tatbestand erfüllen, sondern überspannt diesen. Wenn nun aber, Vgl. Jakobs AT, 8 / Rn. 58, 25 / Rn. 41. Vgl. Schönke / Schröder-Eser, § 22 Rn. 85. 152 Vgl. Jakobs AT, 25 / Rn. 42. 153 Jakobs AT, 8 / Rn. 59 [Hervorhebung im Original]; im Ergebnis ebenso Schönke / Schröder-Eser, § 22 Rn. 85. 154 Vgl. Schönke / Schröder-Eser, § 22 Rn. 85. 150 151

VI. Zur Bedeutung des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale

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dem Täter unerkannt, ein Eigentumsvorbehalt vereinbart gewesen wäre, so kann dieser zweite Irrtum, der die Parallelwertung als richtig erscheinen lässt, kein anderes Ergebnis begründen.155 Der Täter kommt auf falscher Tatsachenvorstellung zu dem Ergebnis, er schließt von einem ungeeigneten Substrat aus. Bei der Frage der Steuerhinterziehung ist nach denselben Grundsätzen zu verfahren. Ein Wahndelikt liegt vor, wenn der Täter Kenntnis des tatsächlichen Vorgangs hat und irrig meint, der Vorgang löse eine Steuerschuld aus, und dann das Deklarieren unterlässt. Ein Versuch liegt hingegen vor, wenn er irrig von einem steuerpflichtigen Vorgang ausgeht und gleichwohl das Deklarieren unterlässt. Im letzten Fall hat er sich objektiv gegen die Rechtsordnung gewandt, im ersten Fall hat er seine ihm auferlegten Pflichten überschätzt und damit den Anwendungsbereich einer Norm zu seinen Lasten verkannt.156 Bezüglich der Übertragbarkeit auf das Merkmal der Unerlaubtheit der Gefahr gilt Folgendes: Stellt sich der Täter eine Sachlage vor, bei deren tatsächlichem Vorliegen die Gefahr unerlaubt wäre und geht er dabei auch von einer erheblichen Gefährlichkeit seines Handelns aus, so begeht er einen untauglichen Versuch – auf die Subsumtion oder Bezeichnung als unerlaubte Gefahr bzw. missbilligtes Risiko kommt es entsprechend der Ausführungen im Vorkapitel nicht an. Stellt sich der Täter die Sachlage hingegen richtig vor bzw. erkennt er diese richtig und meint gleichwohl sein Verhalten sei unerlaubt, so muss nach den eben entwickelten Grundsätzen ein Wahndelikt anzunehmen sein. Der Täter schließt aus einem „ungeeigneten Substrat“ auf eine daher nichtbestehende Pflicht. Er überdehnt damit in seiner Vorstellung die Anforderungen, die die Normen der Rechtsordnung an sein Verhalten stellen. Dies kann nicht zu einem Vorsatz führen, weder hinsichtlich Vollendung noch Versuch. Meint der Täter zwar, sein Verhalten begründe eine unerlaubte Gefahr, kommt zu diesem Schluss aber auf falscher Grundlage (er schafft eben tatsächlich keine unerlaubte Gefahr) und irrt er sich dann zusätzlich noch über Tatsachen bzw. kennt diese nicht, die aus seinem Verhalten tatsächlich eine unerlaubte Gefahr machen (würden), so kann dieser doppelte Irrtum – wie gerade schon allgemein ausgeführt – nicht zu einem entsprechenden Vorsatz führen. Auch hier kann eine tätereigene Bewertung nicht die Tatsachenkenntnis ersetzen. Hier bestätigt sich ganz deutlich das zentrale Wertungskriterium der Lehre von der objektiven Zurechnung. Der böse Wille des Täters allein kann nicht genügen. Für die Vollendungsstrafbarkeit bedeutet dies, dass das Geschehen trotz Vorliegens eines Erfolges bei mangelnder objektiver Zurechnung nicht durch den bösen Willen zur vollendeten Tat wird. 155 So MK-Joecks, § 16 Rn. 42; ebenso Jakobs AT, 8 / Rn. 59; a.A. LK-Schroeder, § 16 Rn. 45 m. w. N. 156 Vgl. Jakobs AT, 25 / Rn. 42.

262 F. Würdigung und Ableitung sachgerechter Kriterien für den subjektiven Tatbestand

Ganz zentral sind die in diesem Abschnitt (F.VI.) gewonnenen Erkenntnisse auch für die Frage der sich dann stellenden Versuchsstrafbarkeit. Waren dem Täter die Umstände nicht bewusst, die sein Verhalten zu einem unerlaubten bzw. missbilligten Risiko machen, so scheidet ein Vorsatz aus, selbst wenn der Täter meinte, sein Verhalten sei missbilligt. Der Vorsatz des Täters ist dann (beispielsweise in den Erbonkelfällen), wenn der Täter die Sachlage richtig wahrnimmt, nur auf etwas Strafloses gerichtet – dies ist die zentrale Konsequenz der Lehre von der objektiven Zurechnung und Ausfluss der Ablehnung der Vollendungsstrafbarkeit in solchen Konstellationen. Hat der Täter Fehlvorstellungen, so ist zu unterscheiden. Stellt er sich eine Sachlage vor, bei der sein Verhalten keine unerlaubte Gefahr begründet, so fehlt es aufgrund nicht erfolgter Parallelwertung des tatsächlichen Geschehens in der Laiensphäre an einem geeigneten Vorsatz. Dem Täter ist nicht bewusst geworden, dass sein Verhalten von der Rechtsordnung missbilligt wird und er konnte diesen Schluss auch nicht nach Laienart ziehen. Im Ergebnis entfällt daher der Tatentschluss. Hat sich der Täter jedoch eine Sachlage vorgestellt, die aus seinem Verhalten ein missbilligtes Risiko macht, so kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des Tatentschlusses im Übrigen ein untauglicher Versuch in Betracht kommen.

G. Schlussbemerkungen I. Zusammenfassung Im Folgenden sollen die wesentlichen Schritte dieser Untersuchung sowie die zentralen Ergebnisse in komprimierter Form nachvollzogen und dargestellt werden. Ausgehend von der Äquivalenztheorie als Ausgangspunkt der Bestimmung der Kausalität hat sich zweierlei gezeigt. Zum einen steht dieser Ansatz vor erheblichen Problemen, wenn der Zusammenhang zwischen einer Handlung und einem Erfolg unklar ist, d. h. ein entsprechendes Kausalgesetz nicht bekannt ist. Darüber können weder die conditio-Formel noch die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung hinweghelfen, auch wenn letztere den methodischen Vorzug hat, die Notwendigkeit eines gesicherten Kausalgesetzes offen zu legen. Zum anderen führt die Äquivalenztheorie aufgrund der Gleichwertigkeit der Ursachen zu einer uferlosen Weite an kausalen Erfolgsfaktoren, so dass sie nur einen äußersten Haftungsrahmen abzustecken vermag. Zur Korrektur der Weite dieses Ergebnisses setzt die im Zivilrecht verbreitete Adäquanztheorie bereits beim Begriff der Kausalität selbst an und sieht nur solche Ergebnisse als kausal an, die nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung liegen. Die Relevanztheorie stellt auch auf solche Wahrscheinlichkeitsaspekte ab, zieht diese – methodisch vorzugswürdig – jedoch nicht in den Kausalbegriff, sondern stellt die Prüfung der Relevanz, d. h. der rechtlichen Erheblichkeit eines Handelns für einen Erfolg, als zweite Stufe neben die Kausalitätsprüfung. Damit stellen sich Relevanz- und Adäquanztheorie als Vorläufer einer Zurechnungslehre dar, die im Anschluss an die Kausalität nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für einen eingetretenen Erfolg fragt. Die Lehre von der objektiven Zurechnung bemüht sich um die Identifikation des aus Verantwortungsgesichtspunkten strafwürdigen Verhaltens im objektiven Tatbestand. Ihr grundsätzlicher Ansatzpunkt – ausgedrückt durch die sog. Grundformel – geht dahin zu fragen, ob der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat. Ist dem so, so ist der Erfolg dem Täter objektiv zurechenbar, sein Verantwortungsbereich dem Grunde nach eröffnet. Gleichbedeutend mit der rechtlich relevanten Gefahr sind die Formulierungen des missbilligten Risikos sowie der unerlaubten Gefahr.

264

G. Schlussbemerkungen

Die Lehre von der objektiven Zurechnung geht deutlich über Adäquanzgesichtspunkte hinaus und umfasst eine Reihe von Fallgruppen und Lösungskriterien. Es ist mitunter nicht ganz klar und wird uneinheitlich beurteilt, ob sich alle relevanten Lösungskriterien in die Grundformel integrieren lassen und welchem Element dieser Formel, der Gefahrschaffung oder der Realisierung, sie zuzuordnen sind. Im Ergebnis kommt es darauf jedoch nicht an, weil eine exakte Trennung vielfach kaum möglich, und die Lösung im Rahmen der Lehre von der objektiven Zurechnung als solcher entscheidend ist. Die Zurechnung ist auszuschließen, wenn durch den Handelnden kein Risiko geschaffen wurde oder aber sich die geschaffene Gefahr im Rahmen des sog. erlaubten Risikos hält. Letzterem Gesichtspunkt liegt eine allgemeine Abwägung, eine sog. Globalabwägung, der Art zugrunde, dass bestimmte Verhaltensweisen für ein Miteinander in einer technisierten Gesellschaft trotz ihrer abstrakten Gefährlichkeit nützlich sind und daher allgemein als erlaubt angesehen werden. Darüberhinaus ist eine Zurechnung dann nicht sachgerecht, wenn ein Handeln ein bestehendes Risiko lediglich vermindert, oder wenn der Erfolg bei pflichtgemäßem Alternativverhalten des Täters durch dieses gleichwohl eingetreten wäre. Es wird hier auch von fehlendem Pflichtwidrigkeitszusammenhang gesprochen. Hingegen sind nicht im Einflussbereich des Täters bzw. nicht durch sein Verhalten begründete Reserveursachen an dieser Stelle ebenso wenig wie bei der Ermittlung der Kausalität zu berücksichtigen. Eine Zurechnung ist gleichfalls auszuschließen, wenn ein eingetretener Erfolg nicht im Schutzbereich einer übertretenen Sorgfaltsnorm liegt. Schwer in die Grundformel zu integrieren, aber für die objektive Zurechnung von erheblicher Bedeutung ist das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit. Demzufolge endet die Verantwortlichkeit einer Person dort, wo der Verantwortungsbereich eines Anderen beginnt. Besonders anschaulich ist der Einsatz des Prinzips für die Lösung der Fallgruppe der Teilnahme, des Ermöglichens oder Förderns einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, für die nur der Rechtsgutsträger Verantwortung trägt und die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Anderen bei tatsächlicher Freiverantwortlichkeit ausschließt. Atypische Kausalverläufe sind eine wesentliche Fallgruppe der objektiven Zurechnung, die dadurch geprägt ist, dass der (gewünschte) Erfolg am (gewünschten) Objekt zwar eintritt. Dies geschieht jedoch auf ganz anderem Weg, als er vom Täter angestrebt wurde und man üblicherweise erwartet hätte. Zwar hat in diesen Fällen das Adäquanzkriterium einen Anwendungsbereich als notwendige Bedingung. Die zielführenden Lösungserwägungen gehen jedoch weit darüber hinaus. Dabei ist eine Differenzierung in atypische Kausalverläufe, in deren Verlauf der Erfolg durch weitere menschliche Handlungen beeinflusst eintritt, weil sich Dritte oder das Opfer selbst in den Kausalverlauf einschalten, und solche, deren Verlauf nicht beeinflusst wird, sinnvoll, da diese Unterscheidung zu Unterschieden bezüglich einzusetzender Lösungskriterien führt.

I. Zusammenfassung

265

Das zielführende Kriterium zur Ermittlung der Zurechenbarkeit bei unbeeinflusstem Erfolgseintritt ist, ob das Handeln des Täters die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des konkreten Erfolgs in rechtlich messbarer Weise erhöht hat. Gefragt wird also nicht nach der absoluten Wahrscheinlichkeit des Erfolges, sondern ex post nach der Erhöhung der Eintrittswahrscheinlichkeit, d. h. einem Delta. Dabei darf jedoch nicht berücksichtigt werden, dass der Täter das Opfer in eine Situation bringt, in der der Erfolg erst eintreten kann, d. h. allgemeinen Lebensrisiken aussetzt, wie dies beispielsweise bei den Krankenwagenfällen anzunehmen ist. Ein vorschnelles und ausschließliches Abstellen auf Wahrscheinlichkeiten kann demgegenüber den Blick für den Kern der Zurechnung, die Feststellung von Verantwortlichkeit, verstellen. Ebenso ist das Kriterium der Steuerbarkeit bzw. der Beherrschbarkeit problematisch. Denn es weist je nach Verständnis entweder nicht über die Adäquanz hinaus oder aber es werden falsche Schlussfolgerungen begünstigt, da ein Geschehen nie völlig beherrschbar ist. Im Falle des beeinflussten Erfolgseintritts, d. h. bei Eingreifen Dritter oder des Opfers in den Kausalverlauf, ist jedenfalls weder bei der Kausalität noch bezüglich der Zurechnung ein Regressverbot dahingehend anzuerkennen, dass ein Rückgriff auf das Ersthandeln stets verboten sein sollte. Auf die mangelnde Beherrschbarkeit des Geschehens durch den Ersthandelnden ist richtigerweise nicht abzustellen. Entscheidend ist, ob sich die vom Täter geschaffene Gefahr zumindest auch im Erfolg realisiert hat. Die Lösung dieses Problems ist unabhängig davon, ob Erstbzw. Zweithandeln vorsätzlich oder fahrlässig waren, durch die Definition von Verantwortungsbereichen zu suchen. Dazu ist darauf abzustellen, ob durch die Zweithandlung eine neue, selbständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr begründet wurde, die sich allein im Erfolg realisiert. Dies ist inhaltlich gleichbedeutend mit der Prüfung, ob der Zweithandelnde an die Ersthandlung angeknüpft hat bzw. ob die Zweithandlung durch die Ersthandlung veranlasst wurde. Denn, wenn es sich um eine neue selbständige Gefahr handelt, dann ist zugleich ein Anknüpfen an die Vorhandlung zu verneinen. Der Vertrauensgrundsatz erlangt im Zusammenhang mit atypischen Kausalverläufen wegweisende, wenn auch nicht entscheidende Bedeutung. Er macht deutlich, dass es letztlich um die Frage der Bestimmung von Verantwortungsbereichen geht, da im Falle berechtigten Vertrauens gerade keine Verantwortung des Handelnden gegeben ist. Jedoch ist der Grundsatz darüberhinaus nur von begrenzter Bedeutung. Denn es gibt kein Recht auf Ignoranz und eine Entlastung des Täters kann nicht auf die Überlegung gestützt werden, dass man darauf vertrauen darf, Andere würden sich pflichtgemäß verhalten und eigene Fehler ausbügeln. Weiterhin kann keine Entlastung des Täters erfolgen, nur weil sich auch andere Personen falsch verhalten. Jedoch ist es nicht so, dass eine Verantwortung stets dann zu bejahen wäre, wenn sich der Täter einmal pflichtwidrig verhalten hat, wie dies bei den meisten Fällen

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G. Schlussbemerkungen

der beeinflussten Erfolge durch Dritte der Fall ist – der Täter hat beispielsweise in den Krankenwagenfällen regelmäßig dem Opfer bereits Schaden zugefügt. Seine Verantwortung erstreckt sich nur soweit, wie die Realisierung der von ihm geschaffenen Gefahr geben ist. Man kann nicht etwa den Täter für alle auch zufälligen Folgen haften lassen. Richtiger Ansicht nach kann auch die Anwendung des Vertrauensgrundsatzes nicht deswegen abgelehnt und der Verantwortungsbereich als eröffnet angesehen werden. Alles andere käme einem abzulehnenden versari in re illicita gleich. Vielmehr ändert das Vorverhalten des Täters nichts an der Anwendbarkeit der allgemeinen Kriterien zur Bestimmung der Realisierung, d. h. der Analyse, ob ein Anknüpfen oder aber eine völlig neue, sich allein realisierende Gefahr vorliegt. Die Verantwortung des Täters endet jedenfalls nicht stets mit dem Fehlverhalten Dritter, sondern nur im Falle mangelnden Fortwirkens der von ihm geschaffenen Gefahr. Zutreffender Ansicht sind davon auch im Falle ärztlicher Fehler keine Ausnahmen zu machen, und diese Fälle strukturell gleich zu behandeln. Daher wird hier eine Differenzierung in ärztliches Unterlassen und aktives Handeln, nach der es bei Unterlassen stets zur Zurechnung kommen müsste, entschieden abgelehnt. Auch ist kein struktureller Unterschied zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Zweithandeln zu machen, sondern es sind die allgemeinen Kriterien anzuwenden. Allerdings dürfte im Falle einer sich anschließenden Vorsatztat häufiger die Zurechnung entfallen, weil durch vorsätzliches Handeln eher eine neue Gefahr geschaffen wird. Zwingend ist dies jedoch nicht, wie beispielsweise der Gnadenschussfall zeigt. Hinsichtlich der Ersthandlung ist ebenfalls kein Unterschied zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Handlung zu machen, so dass auch in ersterem Fall ein Zurechnungsausschluss möglich ist. Der Grund liegt wesentlich darin, dass die Lehre von der objektiven Zurechnung gleichermaßen auf Vorsatz- wie auf Fahrlässigkeitsdelikte anzuwenden ist. Dies ist möglich und zwingend, weil nach richtigem Verständnis das Verhältnis beider Deliktsarten zueinander dem eines logischen Stufenverhältnisses im Sinne einer Plus-Minus-Abstufung entspricht. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die objektiven Tatbestände jeweils identisch sind, oder ob beim Vorsatzdelikt nach anderer Ansicht noch das aus § 22 StGB abgeleitete Merkmal der Unmittelbarkeit der Gefahr hinzutritt. In jedem vorsätzlichen Delikt steckt auch dann ein fahrlässiges bzw. die Fahrlässigkeit ist notwendige Bedingung des objektiven Tatbestands des Vorsatzdelikts. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es für die Bestimmung strafrechtlicher Verantwortlichkeit nicht unmittelbar entscheidend ist, ob jemand vorsätzlich oder fahrlässig handelt, sondern es kommt darauf an, ob er eine missbilligte Gefahr geschaffen hat, die sich im Erfolg realisiert.

I. Zusammenfassung

267

Es wurde im Verlauf dieser Untersuchung auch gezeigt, dass die Kritik an der Lehre von der objektiven Zurechnung in wesentlichen Punkten nicht durchgreifend ist. Nicht als grundsätzliche Ablehnung der objektiven Zurechnung ist dabei die Konzeption des tatbestandsmäßigen Verhaltens zu sehen. Ihrzufolge setzt die objektive Zurechnung zu spät innerhalb des Tatbestandes an. Vielmehr müsse die Lösung der thematisierten Fragestellungen bereits in der Kategorie des tatbestandsmäßigen Verhaltens gefunden werden. Es wird eine scharfe Trennung in das tatbestandsmäßige Verhalten, dessen zentraler Inhalt die Schaffung einer missbilligten Gefahr und damit inhaltlich ein Teil der objektiven Zurechnung ist, und in die Zurechnung, die aus Kausal- und Realisierungszusammenhang besteht, vorgenommen. Anwendung finden dabei im Wesentlichen die Kategorien der objektiven Zurechnung, so dass die Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten inhaltlich bestätigend für die objektive Zurechnung ist. Problematisch an der Konzeption des tatbestandsmäßigen Verhaltens ist die Vernachlässigung der Tatsache, dass sich die Lösungskriterien und Fallgruppen nicht scharf in Gefahrschaffung- und -realisierung trennen lassen und dies auch dieser Lehre nicht gelingt. Darüberhinaus geht sie logisch fragwürdig vor, wenn zunächst nach der Schaffung einer Gefahr für einen konkreten Erfolg gefragt wird und erst dann der Kausalzusammenhang geprüft wird. Die Definition einer Gefahr für einen Erfolg ist jedoch unmöglich, wenn man über die Kausalität nichts weiß. Auch die Kritik, die der objektiven Zurechnung vorwirft, sie behandele Auslegungs-, Vorsatz- und Rechtfertigungsfragen systemwidrig und vorgreifend im objektiven Tatbestand, überzeugt nicht. Zum einen handelt es sich bei den als vermeintlich unter Rechtfertigungs- und nicht unter Zurechnungsgesichtspunkten zu lösenden Fällen der Risikoverringerung in Wahrheit um Fragen der generellen Bestimmung von Unrecht und damit um Tatbestandsfragen. Ein solches Verhalten ist stets erwünscht, auf eine Einzelfallabwägung kommt es nicht an und eine Indizierung der Rechtswidrigkeit durch Bejahen des Tatbestands wäre wertungswidrig. Darüberhinaus befriedigt auch das Abstellen auf eine angebliche Entscheidungsrolle des Vorsatzes nicht. Man kann sich nicht darauf zurückziehen, dass im Falle des Nichtvorliegens des Vorsatzes eine Diskussion um objektive Gesichtspunkte überflüssig sei. Dies greift zu kurz, denn Unrecht ist zunächst objektiv zu bestimmen. Ebenso wenig kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass das Vorliegen des Vorsatzes und der Erfolgsverursachung durch einen beendeten Versuch jedenfalls ausreichten. Auch ein Vorsatz kann unverbotenes oder nicht zurechenbares Geschehen nicht strafbar machen bzw. ist auf etwas Strafloses gerichtet. Wesentliche Errungenschaft der Lehre von der objektiven Zurechnung ist es, dass der böse Wille des Täters allein kein Unrecht zu begründen vermag. Dadurch wird zugleich die hier vertretene Auffassung der (Teil-)Identität der objektiven Tatbestände von vorsätzlichem und fahrlässigem Delikt aufgrund des Plus-Minus-Verhältnisses und die daraus folgende Konsequenz bestätigt, dass die Lehre von der

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G. Schlussbemerkungen

objektiven Zurechnung gleichermaßen auf beide Deliktsarten Anwendung finden kann und muss. Denn, wenn dem (bösen) Willen des Täters keine Bedeutung zukommt, dann müssen objektive Fragen auch als solche behandelt und gelöst werden, unabhängig davon, ob vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten zugrunde liegt. Erlaubtes oder nicht zurechenbares Verhalten verliert diese objektive Eigenschaft nicht deshalb, weil der Täter den Erfolg will. Daraus ist unmittelbar die Konsequenz abzuleiten, dass es im Falle fehlender Unerlaubtheit oder mangelnder Realisierung nicht zur Verneinung eines Vorsatzdeliktes bei gleichzeitiger Bejahung eines entsprechenden Fahrlässigkeitstatbestands kommen kann. Dass es sich bei den Zurechnungsfragen um objektive Fragen handelt, die zwingend im objektiven Tatbestand zu lösen sind, zeigt einerseits, dass dies im Falle eigenverantwortlicher Selbstgefährdung weithin akzeptiert ist. Andererseits macht auch die Veränderung der Kritik von Hirsch im Laufe der Zeit deutlich, dass eine Lösung im objektiven Tatbestand die einzig systematisch konsistente und befriedigende Lösung ist. Aus der – vielfach kritisierten – Einbeziehung des Sonderwissens des Täters für die Ermittlung der Gefahr ist keinesfalls die Schlussfolgerung zu ziehen, dass es sich in Wahrheit um Aspekte des subjektiven Tatbestands handelt. Dies ist unzutreffend. Die objektive Zurechnung heißt nicht deshalb objektiv, weil sie nur auf objektive Faktoren abstellt, sondern weil sie eine Bewertung auf objektiver Grundlage und unabhängig vom Willen und der Einstellungen des Täters vornimmt. Ihr Urteil ist objektiver und universeller Natur, so dass es seinen Platz im objektiven Tatbestand haben muss. Durchaus berechtigt ist diejenige Kritik an der Lehre von der objektiven Zurechnung, die auf die Schwierigkeiten von Behandlung und Bedeutung der Lehre im subjektiven Tatbestand, insbesondere im Zusammenhang mit einem Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 StGB, hinweist und diese Problematik als die eigentliche Kernfrage für objektive Zurechnung benennt. In der Tat ist unklar, welche Rolle die objektive Zurechnung und ihre Grundlagen im subjektiven Tatbestand haben und welche Konsequenzen sich daraus ergeben (müssen), wenn der Täter keine oder falsche Vorstellungen hinsichtlich des Weges zum Erfolg hatte. Man muss sich dabei vor Augen halten, dass in Fällen einer Abweichung des tatsächlichen Geschehens vom vorgestellten Kausalverlauf der Vorsatz strenggenommen immer per definitionem fehlt. Diese Bedenken gewinnen dadurch an Bedeutung, dass obwohl die Lehre von der objektiven Zurechnung herrschend in der Literatur ist und im Wesentlichen Einigkeit über Fallgruppen und Lösungsprinzipien besteht, sich die Situation hinsichtlich des subjektiven Tatbestands anders darstellt. Die auch und gerade von den Vertretern der objektiven Zurechnung präsentierten Lösungen sind höchst unterschiedlich und bisweilen kaum miteinander vereinbar. Die Rechtsprechung behandelt Fälle des atypischen Kausalverlaufs als Vorsatzproblem. Ihrer Ansicht nach muss sich der Vorsatz des Täters auf die wesentlichen Züge des Kausalverlaufs erstrecken, und ein Vorsatzausschluss kommt dann in Be-

I. Zusammenfassung

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tracht, wenn eine wesentliche Abweichung zwischen vorgestelltem und tatsächlichem Kausalverlauf vorliegt. Unwesentlich wiederum ist eine Abweichung, wenn sie sich noch im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren hält und keine andere (rechtlich-sittliche) Bewertung der Tat rechtfertigt. Diesem Standpunkt und seinen Kriterien schließen sich viele Vertreter in der Literatur ausdrücklich oder zumindest tatsächlich an. Problematisch ist daran vor allen Dingen, dass beide Kriterien zur Bestimmung der Wesentlichkeit und damit diese selbst nichts mit dem Vorstellungsbild des Täters zu tun haben und daher keine Aspekte des subjektiven Tatbestands betreffen. Der Rückgriff auf das nach der Lebenserfahrung Vorhersehbare entspricht dem Adäquanzkriterium der Lehre von der objektiven Zurechnung und ist etwas Objektives. Darüberhinaus ist durch diese Prüfung im Anschluss an die objektive Zurechnung kein Erkenntnisgewinn möglich, ein solches Vorgehen vielmehr aufgrund von Redundanzen verfehlt. Die rechtlich-sittliche Bewertung einer Tat ist ebenfalls ein objektiver Vorgang, der mit den Vorstellungen des Täters nichts zu tun hat und daher im Vorsatz falsch verortet ist. Darüberhinaus bleibt völlig unklar, wodurch diese Bewertung ausgefüllt wird. Infolgedessen existiert eine Reihe von Ansätzen, die das Vorgehen der Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur ablehnen. Ein wesentlicher Teil prüft gleichwohl objektive Kriterien im subjektiven Tatbestand – ein unter systematischen Gesichtspunkten zumindest bedenklicher Weg. Richtig ist demgegenüber der vorzufindende Ausgangspunkt, dass sich die Frage des Vorsatzes erst nach Prüfung des objektiven Tatbestands und nach Bejahung der objektiven Zurechnung stellt. Andernfalls liegt in keiner Weise ein Vorsatzproblem vor. Ob sich darüberhinaus spezifisch in den atypischen Kausalverläufen begründete Besonderheiten im subjektiven Tatbestand ausmachen lassen, wird uneinheitlich beurteilt. Nach einem Meinungsstrang hat es mit der Prüfung der objektiven Zurechnung sein Bewenden, entweder weil die Notwendigkeit weiterer Prüfung und die Bedeutung der objektiven Zurechnung für den subjektiven Tatbestand insgesamt bestritten werden, oder weil davon ausgegangen wird, dass sich sachlich – etwa aufgrund der Identität der anzulegenden Maßstäbe – keine Unterschiede ergeben könnten. Hingegen nehmen Andere eine Entsprechung der objektiven Zurechnung im subjektiven Tatbestand jedenfalls insoweit an, als dass der Vorsatz des Täters die Schaffung der (unerlaubten) Gefahr oder des missbilligten Risikos bzw. – inhaltlich fast gleichbedeutend – die Erfolgstauglichkeit der Handlung umfassen müsse. Einerseits wird dies damit begründet, dass die objektive Zurechnung und damit auch ihr Ausgangspunkt, die Schaffung der Gefahr, zum Kern des objektiven Tatbestands gehörten und zumindest die Gefahr daher Vorsatzgegenstand sein müsse, weil eine Entsprechung im subjektiven Tatbestand geboten sei.

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G. Schlussbemerkungen

Andererseits wird ausgeführt, dass § 16 Abs. 1 StGB über Kenntnis von Umständen bei Tatbegehung spreche. Während man den Erfolg zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht kennen könne, müsse und könne man aber um die geschaffene Gefahr wissen. Es stellt sich unmittelbar die Frage, wie angesichts der sehr großen Meinungsund Begründungsvielfalt der hier vertretene Standpunkt aussieht. Dazu gehören zunächst der Vorsatz bezüglich der Schaffung einer unerlaubten Gefahr und die Ablehnung des Kausalverlaufs als Bezugspunkt des Vorsatzes. Letzteres ist insbesondere aus zwei Gründen sachgerecht. Zum einen besteht keine Notwendigkeit für den Kausalverlauf als Vorsatzgegenstand. Die Lösung der atypischen Kausalverläufe kann im objektiven Tatbestand mittels der Lehre von der objektiven Zurechnung weit differenzierter erfolgen, als dies durch Adäquanzüberlegungen und eine pauschale Bewertung der Tat möglich ist. Beispielsweise spielt es keine Rolle, wie groß eine geschaffene Gefahr tatsächlich ist und welches Ausmaß ihre Vorhersehbarkeit annimmt, wenn sie durch eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung fortgeführt wird. Darüberhinaus sind die geäußerten Zweifel einer Reihe von Autoren gerechtfertigt, die nach dem Sinn der Erstreckung eines Vorsatzes auf den Kausalverlauf fragen – dieser stehe eben erst nach Abschluss des Geschehens fest und daher sei die Forderung einer subjektiven Vorstellung davon bei Tatbegehung unmöglich bzw. unsinnig. Schwerwiegender ist es zum anderen, dass im Falle des Kausalverlaufs als Vorsatzgegenstand entweder Inkonsistenzen bzw. Friktionen oder aber unhaltbare Ergebnisse die Folge sind. Bezieht man den Vorsatz auf den Kausalverlauf, so müsste man eigentlich den Täter beim Wort nehmen und auf sein Vorstellungsbild und das von ihm tatsächlich Vorhergesehene abstellen. Täte man dies jedoch, so wären die Ergebnisse frappierend. Hätte sich der Täter keine Gedanken gemacht, könnte man ihm – ohnehin schon bedenklich – Wissen und Wollen des üblichen Verlaufs unterstellen. Macht er sich aber ganz präzise Vorstellungen über den Lauf der Dinge und trifft sogar Vorkehrungen, dass es dazu auch kommt, dann kann man im Falle von Abweichungen seinen Vorsatz bezüglich des Kausalverlaufs unmöglich bejahen. Dies gilt auch bei der Anwendung eines Tatplankriteriums im subjektiven Tatbestand, im Zuge dessen man danach fragt, ob sich der Plan des Täters verwirklicht habe. Der genau planende Täter, nach anderen Worten „der perfekte Killer“, würde besser gestellt, er erhielte über seine Ziele und Wünsche hinsichtlich des Tatverlaufs die Definitionsmacht bzw. Befugnis der Entscheidung über die Vorsatzzurechnung. Solche untragbaren Ergebnisse kann man bei Beharren auf der Notwendigkeit des Kausalverlaufs als Vorsatzgegenstand nur vermeiden, indem man normative Kriterien in den subjektiven Tatbestand einführt und damit die Entscheidungsrolle des Vorstellungsbilds zurückdrängt. Dies hat per se nichts mit Vorstellungsbild und Vorsatz zu tun, bedeutet also eine systematische Friktion.

I. Zusammenfassung

271

Der Kausalverlauf kann und darf folglich nicht Bezugspunkt des Vorsatzes sein. Die unerlaubte Gefahr ist jedoch zwingend Gegenstand des Vorsatzes. Den in der Literatur vorgebrachten und bereits skizzierten Argumenten ist zu folgen. Darüberhinaus muss man sich vor Augen halten, dass der Aspekt der Schaffung einer unerlaubten Gefahr der zentrale Ansatzpunkt der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Handelnden ist. Dadurch wird sein Verantwortungsbereich eröffnet, es handelt sich um die entscheidende Ausgangsfrage, die durch die objektive Zurechnung gestellt und konkretisiert wird. Auf diesen herausragenden Aspekt des objektiven Tatbestands muss sich dann aber sowohl aus formalen Gründen wegen der Zugehörigkeit zum objektiven Tatbestand als auch aus Wertungsgesichtspunkten aufgrund der überragenden Bedeutung dieses Aspekts der Vorsatz beziehen. Zugleich muss der Täter auch hinsichtlich des konkreten Erfolges Vorsatz haben. Insbesondere diejenigen Autoren, die Vorsatz bezüglich der Gefahr fordern, vertreten mitunter einen gegenteiligen Ansatz. Diese Auffassungen, die einerseits davon ausgehen, dass sich aufgrund der Formulierung des § 16 Abs. 1 StGB der Vorsatz nicht auf den nur ex post erfahrbaren Erfolg beziehen könne, oder die argumentieren, es gebe keinen Grund zusätzlich zur Gefahr einen Erfolgsvorsatz zu fordern, überzeugen nicht. Einerseits fällt es schwer, de lege lata den Erfolg als Wesensmerkmal der Verletzungsdelikte nicht als Umstand, der zum gesetzlichen Tatbestand i. S. v. § 16 Abs. 1 StGB gehört, anzusehen. Andererseits besteht auch eine Notwendigkeit, Vorsatz bezüglich des Erfolgs neben der Gefahr zu verlangen. Zwar ist kaum ein Fall denkbar, in dem ein Täter bei mangelndem Gefahrschaffungsvorsatz Vorsatz bezüglich des Erfolgs haben könnte. Gleichwohl ist der Erfolg nicht überflüssig als Bezugspunkt. Mit ihm ist eben nicht nur das konkrete Angriffsobjekt verbunden. Daher gehen auch Argumentationen fehl, dass es für das Vorliegen des Vorsatzes nicht auf eine Objektsindividualisierung ankomme, und daraus schließen, der Vorsatz müsse sich nicht auf den konkretren Erfolg beziehen. In der Tat kommt es auf eine Objektsindividualisierung für den Vorsatz nicht zwingend an. Mit dem konkreten Erfolg sind gedanklich untrennbar jedoch auch Ort, Zeit und Ausmaß der geplanten Rechtsgutbeeinträchtigungen ebenso verbunden wie die Art der Tatbegehung. Alle diese Aspekte sind wesentliche Bestandteile des Vorsatzes – bei entsprechendem Irrtum kann der Vorsatz entfallen. Der konkrete Erfolg ist daher zwingender Vorsatzbestandteil. Zum Kern der hier vertretenen Auffassung gehört auch die Differenzierung in die Schaffung der Gefahr auf der einen sowie deren Unerlaubtheit auf der anderen Seite. Insbesondere das Urteil der Unerlaubtheit basiert auf einer Reihe normativer Erwägungen und Kriterien. Daher erscheint es sachgerecht, Vorstellungen und Fehlvorstellungen des Täters hinsichtlich der Unerlaubtheit den Regeln des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale zu unterstellen. Dies bedeutet, dass der Täter mittels einer Parallelwertung in der Laiensphäre nachvollzogen haben muss, dass sein Verhalten aufgrund seiner besonderen Gefährlichkeit rechtlich missbilligt wird. Kennt der Täter diejenigen Tatsachen nicht, die sein Verhalten besonders ge-

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G. Schlussbemerkungen

fährlich und damit unerlaubt machen, muss sein Vorsatz ausscheiden. Kennt er zwar das tatsächliche Geschehen, glaubt aber, es sei ungefährlich, dann hat er in seiner Laienart nicht nachvollzogen, dass sein Verhalten eine unerlaubte Gefahr darstellt. Mithin kommt es nicht nur auf eine schlichte Kenntnis der Tatsachen an, sondern auch auf einen Akt geistigen Verstehens, den der Täter vollzogen haben muss. Nicht erforderlich ist hingegen die konkrete Bezeichnung der Sachlage als unerlaubte Gefahr. Kennt der Täter die Tatsachen und sieht die Gefährlichkeit seines Verhaltens, meint aber gleichwohl, dass sein Verhalten keine unerlaubte Gefahr geschaffen habe – etwa weil er es als allgemeines Lebensrisiko ansieht –, so unterliegt er einem für den Vorsatz unerheblichen Subsumtionsirrtum, der einen Verbotsirrtum begründen kann. Stets ist danach zu fragen, ob der Täter sich seinem Vorstellungsbild nach gegen die Rechtsordnung wendet. Tut er dies, so hat er Tatvorsatz. Überdehnt er hingegen zu seinen Lasten die Anforderungen der Rechtsordnung und kommt fälschlicherweise zum Urteil, dass sein Verhalten eine unerlaubte Gefahr im Sinne der Lehre von der objektiven Zurechnung begründe, so kommt lediglich ein strafloses Wahndelikt in Betracht. Eine Strafbarkeit aus Versuch und Vollendung muss aufgrund der tatsächlich nicht vorliegenden Missbilligung zurücktreten. Es sei hier nochmals die große Errungenschaft der Lehre von der objektiven Zurechnung betont, dass eine Strafbarkeit nur wegen kausaler Verursachung und bösen Willens ausgeschlossen werden muss – strafrechtliche Normen enthalten bereits objektiv nicht lediglich Verursachungsverbote. Die Rechtsfigur des Irrtums über den Kausalverlauf hat daher keinen Anwendungsbereich, wenn und weil es auf Fehlvorstellungen hinsichtlich des Kausalverlaufs nicht ankommt. Da er selbst nicht Gegenstand des Vorsatzes ist, können diesbezügliche Fehlvorstellungen nicht zu einem Vorsatzausschluss führen.

II. Konsistenz der eigenen Lösung aus Strafzweckgesichtspunkten Die hier vertretene Lösung besteht mithin darin, dass die Lehre von der objektiven Zurechnung klar befürwortet wird, auch wenn sie mitunter v. a. an terminologischen Unklarheiten und an Abgrenzungsschwierigkeiten leidet. Hinsichtlich der dann noch allein im subjektiven Tatbestand relevanten Fälle ist festzuhalten, dass sich der Vorsatz des Täters auf die Schaffung der Gefahr, die tatsächlichen Grundlagen und die Bewertung ihrer Unerlaubtheit in der Laiensphäre – wobei eine Bezeichnung als solche nicht notwendig ist – sowie den tatbestandsmäßigen Erfolg unter Einschluss der Kausalität beziehen muss. Mithin sind Ausgangs- und Endpunkt von Kausalverlaufs- und Zurechnungsüberlegungen Vorsatzgegenstand, nicht jedoch im (Gegensatz zur Kausalität selbst) der Kausalverlauf bzw. der Realisierungszusammenhang.

II. Konsistenz der eigenen Lösung aus Strafzweckgesichtspunkten

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Dieses gefundene Ergebnis wäre jedoch absolut unhaltbar und damit trotz systematischer Konsistenz falsch, wenn es den Grundanliegen der Strafrechtsordnung zuwiderliefe. Diese Grundanliegen kann man auch als Strafzwecke bezeichnen. Die Vereinbarkeit der gefundenen Lösung insbesondere für den Vorsatzbereich mit diesen ist im Folgenden kurz darzustellen. Die grundlegende Aufgabe des Strafrechts ist im Schutz des Zusammenlebens der Menschen in der Gemeinschaft1 bzw. der elementaren Gemeinschaftswerte2 zu sehen. Allein zur Sicherung des öffentlichen Friedens und damit zum Schutz der Gemeinschaft sind die staatlichen Sanktionen als geboten zu rechtfertigen. Das Strafrecht ist letztlich die ultima ratio des Gesetzgebers.3 Der Zweck des Strafrechts mündet unmittelbar in den Zweck der Strafe als staatlicher Sanktionsnorm ein.4 An dieser Stelle kann keine vollständige Darstellung dieses Problemkreises erfolgen, weil „[ . . . ] die Frage nach Rechtfertigung, Wesen und Sinn der Strafe seit jeher in die Tiefen weltanschaulicher Auseinandersetzungen hineinführt.“5 Auch die Rechtfertigung der Strafe ist dem Grunde nach darin zu suchen, dass sie zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung als unabdingbarer Voraussetzung des Zusammenlebens in der menschlichen Gemeinschaft unverzichtbar ist. Grundlegend stehen sich Vergeltungs- und Vorbeugungsanliegen gegenüber. Kerngedanke der Vergeltung ist der Blick in die Vergangenheit und die Suche nach einem Ausgleich für begangenes Unrecht. Die zugrundeliegenden Theorien werden als absolute Theorien bezeichnet, weil der Sinn der Strafe von der gesellschaftlichen Wirkung losgelöst betrachtet wird.6 Demgegenüber werden als relative Theorien diejenigen bezeichnet, die sich den Aspekt der Vorbeugung zu eigen machen, d. h. Rechtsverletzungen künftig verhindern wollen. Die Strafe dient allein diesem Ziel und ist kein Selbstzweck.7 Innerhalb der präventiven Theorien ist weiter zu differenzieren. Spezialpräventive Ansätze sehen als Ziel der Strafe, den Täter von künftigen Straftaten abzuhalten. Die Theorie der Generalprävention hingegen sieht den Zweck nicht in der Beeinflussung des individuellen Täters sondern nur in der Verhaltenssteuerung der Allgemeinheit – diese soll durch Strafandrohung, -verfolgung und -vollzug von Gesetzesüberschreitungen abgehalten werden. Dabei kann zwischen negativer Generalprävention, die in der Abschreckung vor Straftaten besteht, und der positiven Generalprävention unterschieden werden, die auf die Erhaltung und Stärkung des 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 1 S. 2 f. Vgl. BVerfGE 45, 187 ff. Vgl. dazu auch BverfGE 39, 47. Vgl. Roxin AT I, § 3 Rn. 1. Jescheck / Weigend AT, § 8 S. 64. Vgl. LK-Theune, Vor §§ 46 – 50, Rn. 24; Roxin AT I, § 3 Rn. 2. Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 8 S. 71.

274

G. Schlussbemerkungen

Vertrauens in Bestandskraft und Durchsetzungsfähigkeit der Rechtsordnung sowie auf das Hervorrufen von Abneigung gegenüber Straftaten zielt und so die Bereitschaft zur Begehung eben dieser vermindern will. Diesem letzten Aspekt wird vielfach höhere Bedeutung beigemessen.8 Welche der Grundauffassungen vorzuziehen ist, ist lebhaft umstritten. Herrschend und auch von der Rechtsprechung vertreten sind sog. Vereinigungstheorien, die die Ansätze miteinander kombinieren. Dabei gibt es jedoch erhebliche Unterschiede in der Akzentuierung der einzelnen Ansätze.9 Der grundlegende Ansatzpunkt muss in der Erkenntnis liegen, dass die Sicherung des friedlichen Zusammenlebens in der Gemeinschaft durch das Strafrecht und dessen einschneidende Sanktionen nur durch Präventionsgesichtspunkte zu rechtfertigen ist. Es kann nicht Aufgabe des Strafrechts und der Strafe sein, die richtige moralische und sittliche Wertvorstellung der Einzelnen zu erzwingen.10 Darüberhinaus ist staatliches Strafen immer ein repressiver Akt, so dass durch das repressive Eingreifen zugleich präventive Zwecke erfüllt werden und damit ein Nebeneinander mehrerer Theorien möglich ist.11 Der Bundesgerichtshof hat deutlich gemacht, dass die Strafe den Schuldausgleich nicht um seiner selbst zu üben habe, sondern nur als Mittel zur Erfüllung der präventiven Schutzaufgabe des Staates gerechtfertigt sei.12 Das Schuldprinzip wird infolgedessen auch als „Maßprinzip“ der Strafe angesehen, wodurch Grund und Ausmaß der Strafe bestimmt würden.13 Theune ist darin beizupflichten, dass der Einwand14 gegen die positive Generalprävention und ihre Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip, dass der Täter zum Objekt gesellschaftlicher Bedürfnisse gemacht werde, aber stattdessen sein Handeln als eigenverantwortlich und individuell behandelt werden müsse, nicht durchgreift. Dem Täter kommen die bezweckte Rechtstreue anderer und der Rechtsfriede im selben Ausmaß zu Gute wie allen anderen auch.15 Dem Eingang des Schuldprinzips als zentralem Element der Vergeltungslehren in die Vereinigungslehre stimmen selbst diejenigen als notwendig zu, die im Übrigen die Vergeltungstheorie für „wissenschaftlich nicht mehr haltbar“ ansehen.16 8 Vgl. Roxin AT I, § 3 Rn. 26; ebenso Jescheck / Weigend AT, § 8 S. 68; ausführliche Darstellungen der positiven Generalprävention finden sich u. a. Koriath, Jung-Kolloqium, 2004, S. 49 ff. 9 Vgl. nur die Darstellung bei Roxin AT I, § 3 Rn. 33 ff. 10 Vgl. Baumann / Weber / Mitsch AT, § 3 Rn. 4 ff. 11 Vgl. Jescheck / Weigend AT, § 1 S. 4 f., § 8 S. 75, 79; Vgl. dazu auch LK-Theune, § 46 Rn. 33. 12 Vgl. BGHSt 24, 42. 13 Jescheck / Weigend AT, § 8 S. 67; vgl. auch LK-Theune, § 46 Rn. 33. 14 So beispielsweise Frisch, BGH-FG, 2000, S. 278. 15 Vgl. LK-Theune, § 46 Rn. 33.

II. Konsistenz der eigenen Lösung aus Strafzweckgesichtspunkten

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Vor diesem Hintergrund ist die Lehre von der objektiven Zurechnung mit ihren Ergebnissen als sinnvoll anzusehen. Die Überprüfung kausal verursachter Erfolge durch die Lehre von der objektiven Zurechnung widerspricht insbesondere nicht generalpräventiven Zielsetzungen. Ist der Erfolg nicht das Werk des Täters, weil dieser keine Gefahr geschaffen hat, diese nicht unerlaubt war oder sie sich nicht im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat, so besteht kein Bedürfnis zur Ahndung solcher Erfolgsverursachung. Das Vertrauen der Bürger in die Rechtsordnung wird durch das Ausscheiden solcher Sachverhalte ebenso wenig beeinträchtigt wie die Zielsetzung der allgemeinen Abschreckung. Denn aus der Konsequenz der Ablehnung eines vollendeten Delikts wird sich niemand motiviert fühlen, genau und bewusst so den Erfolg herbeiführen zu wollen. In Fällen der Realisierung allgemeiner Lebensrisiken beispielsweise ist dies schlicht unmöglich, da sich diese nicht steuern lassen. Zwar könnte der Täter versuchen, allgemeine Lebensrisiken als Ursache vorzutäuschen. Dies rechtfertigt jedoch keinesfalls die Ablehnung der objektiven Zurechnung – man hat es mit Verschleierungs- und Täuschungsversuchen zu tun, wie sie vielfach auftreten können. Auch die Frage der Realisierung der Gefahr, d. h. die Feststellung, wer für den eingetretenen Erfolg tatsächlich verantwortlich ist, steht mit präventiven Aspekten im Einklang. Wenn eben nicht das missbilligte Verhalten des Täters, sondern allgemeine Lebensrisiken bzw. das Verhalten des Opfers oder Dritter als verantwortlich anzusehen sind, so besteht keine Besorgnis, dass Rechtsgefühl und Vertrauen in die Rechtsordnung oder die Ablehnung von Straftaten unterwandert werden könnten. Im Gegenteil besteht die Gefahr, dass ohne normative Zurechnungs- und Verantwortlichkeitsüberlegungen eine Bestrafung als ungerecht empfunden würde und vielmehr auf diese Weise Vertrauen in die Rechtsordnung und ihre Maßstäbe verloren ginge. Insoweit ist aus Sicht der positiven Generalprävention die die objektive Zurechnung zwingend. Sie macht die Maßstäbe der Rechtsordnung deutlich und beschränkt sich nicht auf Einzelfallgerechtigkeit. Schünemann stellt für die Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung aus dieser Perspektive die richtige Frage danach, ob eine Verhaltensnorm eine sinnvolle Maßnahme sei, um Erfolge dieser Art zu verhindern.17 Er stellt sodann den entscheidenden Zusammenhang her, dass die Lehre von der objektiven Zurechnung die Notwendigkeit bezeichne, „einen generalpräventiven Zweckzusammenhang zwischen der Verhaltensnorm und dem eingetretenen Erfolg herstellen zu können.“18 Allenfalls aus Sicht der Vergeltung für beispielsweise die Verursachung der Tötung eines Menschen könnten sich Zweifel an der Lösung ergeben. Jedoch sind 16 So die Einschätzung von Roxin (AT I, § 3 Rn. 8), der eindringlich einen „Verzicht auf jede Vergeltung“ postuliert (a. a. O. Rn. 44) aber das Schuldprinzip als Mittel zur Begrenzung der Strafe sieht (a. a. O. Rn. 51). Ob damit die These von der wissenschaftlichen Unhaltbarkeit ebenfalls unhaltbar wird und die Vergeltungstheorie damit zu rechtfertigen ist (so wohl Jescheck / Weigend AT, § 8, S. 67 Fn. 23) scheint zweifelhaft, kann hier aber offen bleiben. 17 Vgl. Schünemann, GA 1999, S. 221, ähnlich S. 219. 18 Schünemann, GA 1999, S. 221.

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G. Schlussbemerkungen

diese unbegründet, denn die Vergeltungstheorie muss in Fällen, in denen keinerlei Grund für Prävention gefunden werden kann, zurücktreten. Darüberhinaus bleibt vielfach ein strafbarer Versuch. Hinsichtlich der vorgeschlagenen Lösungskonzeption für den subjektiven Tatbestand ist bei deren Bewertung für das vollendete Vorsatzdelikt von der herrschenden personalen Unrechtslehre auszugehen, die sowohl Handlungs- als auch Erfolgsunrecht einbezieht und nicht auf das eine oder andere verzichtet.19 Der Vorsatz als persönliche Entscheidung des Täters für die zur Rechtsverletzung führende Handlung ist Kern des Handlungsunrechts und prägt das tatbestandliche Unrecht insgesamt.20 Einer unrechtsbegründenden Norm sind damit eine Bestimmungsnorm, die sich an den Willen wendet und ein Verbot enthält, sowie eine Bewertungsnorm immanent, die die Tatbestandserfüllung missbilligt. Insbesondere die Bestimmungsnorm bzw. Verhaltensnorm hat unmittelbar generalpräventive Funktion. Ein Verstoß gegen die Bestimmungsnorm begründet den Handlungsunwert der Tat, deswegen ist der Vorsatz bezüglich der Schaffung einer unerlaubten Gefahr ein konstitutives Element des Handlungsunwerts. Die Bewertungsnorm umfasst hingegen zusätzlich noch den Erfolg. Der Erfolg wiederum ist nicht eine zufällige Folge, sondern stellt ein Kernelement des Unrechts dar, da sich in ihm „der Handlungsunwert [ . . . ] manifestiert“21 – fehlende Zurechnung verhindert dann diese Manifestation und damit das Vorliegen des Erfolgsunwerts. Dies war auch der Kern der hier vertretenen Auffassung, wonach ein zurechenbarer Erfolg zur Bejahung der vollendeten Vorsatztat unerlässlich ist, und wird von den Anhängern der monistisch-subjektiven Lehre gerade bestritten.22 Eine wesentliche Komponente der hier vertretenen Lösungskonzeption für den subjektiven Tatbestand bestand aus der Ablehnung des Kausalverlaufs als Vorsatzgegenstand. Dies wird durch präventive Überlegungen bestätigt, die bereits in den entsprechenden Auseinandersetzungen23 von Frisch und Schroth mit der herrschenden Meinung anklangen. Verkürzt gesagt, wurde der Kausalverlauf als nur ex post erfahrbar eingestuft und daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass sich der Vorsatz nicht auf diesen beziehen könne. Diese Feststellung erweist sich als umso zutreffender, wenn man generalpräventive Aspekte einbezieht. Es macht aus dieser Perspektive keinen Sinn, den Vorsatz auf etwas zu beziehen, das der Täter ohnehin nicht beeinflussen kann. Die Bestimmungsnorm des Tatbestands entfaltet bezügVgl. ausführlich dazu Roxin AT I, § 10 Rn. 89. Vgl. Kühl AT, § 5 Rn. 4. 21 Roxin AT I, § 10 Rn. 98; ausführlich und sehr differenziert zum Verhältnis von Handlungs- und Erfolgsunwert Samson, Grünwald-FS, 1999, S. 585 ff., der deutlich macht, dass es nicht stets um den Eintritt der Rechtsgutsverletzung als Differenzierungspunkt gehen muss (S. 588 ff.). 22 Grundlegend dazu Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff, 1973. 23 Vgl. oben F.II.2.a). 19 20

II. Konsistenz der eigenen Lösung aus Strafzweckgesichtspunkten

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lich des Kausalverlaufs keine Wirkung. Dies ist aus präventiver Sicht auch weder nötig noch sinnvoll, denn der Täter kann und muss sein Verhalten nicht auf die Vermeidung eines Kausalverlaufs – ohne Einschluss seiner Ausgangs- und Endpunkte – einrichten, wenn und weil er diesen selbst nicht steuern kann. Ganz anders ist dies selbstverständlich bezüglich dieser Anfangs- und Endpunkte des Kausalverlaufs zu beurteilen. Vorsatz bezüglich der Schaffung der unerlaubten Gefahr und des Erfolges ist aus präventiver Sicht geboten. Die Entscheidung des Täters zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges ist Kern des Handlungsunrechts und damit Bestandteil des Unrechtstatbestands insgesamt. Auch die Unerlaubtheit der Gefahr und ihre Schaffung sind Kernbestandteil des Unrechts. Sie sind der Ausgangspunkt für die von der Rechtsordnung dem Täter zugeschriebene Verantwortung. Fehlt dem Täter das Bewusstein bzw. die Kenntnis davon, eine unerlaubte Gefahr zu schaffen, dann erreicht ihn die aus der Bestimmungsfunktion bzw. der generalpräventiven Natur der Normierung der Tatbestände folgende „Appell- und Warnfunktion“24 des Tatbestands nicht. Ihre Überschreitung ist jedoch der Grund, warum es aus präventiver Sicht einer Bestrafung des Täters bedarf. Er hat sich bewusst gegen die Rechtsordnung, eben durch die Tatbestände gewarnt, aufgelehnt. Ist dies nicht der Fall, so ist aus generalpräventiver Sicht eine Bestrafung nicht geboten, denn es bedarf weder einer Abschreckung im Sinne negativer Generalprävention, noch muss sich die Rechtsordnung hier zur Wehr setzen, um das Vertrauen in ihre Beständigkeit zu erhalten. Ein Täter, der in dieser Weise unvorsätzlich handelt, der hat sich gegen die Rechtsordnung eben nicht bewusst aufgelehnt und diese nicht erschüttert. Er kann keine bewussten Nachahmer finden, die die Nichtreaktion des Rechts ausnutzen wollten – ein bewusstes Ausnutzen durch Unbewusstheit gibt es nicht. Ist aber eine Bestrafung aus Strafzweckgesichtspunkten heraus unsinnig, so ist sie nicht zu rechtfertigen und darf daher nicht erfolgen. Aus eben diesen Gründen ist die Abgrenzung zwischen Versuch und Wahndelikt richtig. Der im Wahndelikt Handelnde bleibt im Rahmen der Rechtsordnung, er lehnt sich nicht gegen diese auf. Aus generalpräventiver, kriminalpolitischer Perspektive besteht ebenso wenig wie aus Vergeltungssicht eine Notwendigkeit, den „Täter“ wegen eines solchen Irrtums über die Rechtslage zu bestrafen.25 Er war lediglich der Ansicht, die Rechtsordnung verlange ihm ein Mehr an Pflichterfüllung ab. Die subjektive Vorstellung des Nichterfüllens unnormierter Pflichten kann kein präventiv notwendiges Einschreiten zur Sicherung des nicht verletzten und nicht bedrohten Status Quo der Rechtsordnung begründen. Es passt hier die vom Bundesgerichtshof zur Beschreibung des in einem Erlaubnistatbestandsirrtum Handelnden verwendete Formulierung, dass er sich „an sich rechtstreu“26 verhalte. In einer solchen Fallkonstellation, in der der Täter die tatsächlichen Voraussetzun24 25 26

Wessels / Beulke AT, Rn. 244; Kühl AT, § 13 Rn. 14. Vgl. dazu die Einschätzung von Schönke / Schröder-Eser, § 22 Rn. 89. BGHSt 3, 107.

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G. Schlussbemerkungen

gen eines Rechtfertigungsgrunds für gegeben erachtet und deswegen handelt, ist die Entscheidung des Täters wie in den hier diskutierten Situationen nicht gegen die Rechtsordnung gerichtet.27 Der Unterschied zwischen beiden Fällen ist, dass sich das „an sich“ im Falle des Wahndelikts darauf bezieht, dass der Täter die Rechtslage anders sieht, während er im Falle des Erlaubnistatbestandsirrtums die Tatsachengrundlage falsch einschätzt. Vergleicht man die tatsächliche Rechtslage mit dem Vorstellungs- und Willensbild des Täters, so ergibt sich in beiden Fällen, dass der Täter sich nicht gegen die bestehende Rechtsordnung wendet. Dies allein könnte aber aus präventiven Gründen eine Bestrafung rechtfertigen. Die Erwägungen stützen auch die Lösung der Fälle eines umstrittenen Doppelirrtums bei normativen Tatbestandsmerkmalen wie der Unerlaubtheit. Der Täter verkennt die tatsächlich das Merkmal begründenden Umstände und kommt aufgrund einer weiteren Fehleinschätzung zu dem Schluss, dass dieses Merkmal doch vorliege. Auch er wird von der vom Tatbestand und den ihn ausfüllenden Tatsachen des Lebenssachverhalts ausgehenden Appell- und Warnfunktion, die über die Parallelwertung in der Laiensphäre ermöglicht und vermittelt wird, nicht erreicht. Hinsichtlich der Fehlvorstellung ist dem so, weil er eben eine andere als die tatsächliche Sachlage annimmt. Die zweite Fehlinterpretation kann und darf darüber nicht hinwegtäuschen, denn die Warnfunktion setzt einen tatsächlichen Sachverhalt und dessen richtige Wahrnehmung voraus. Mangelt es daran, erreicht diese Funktion den Täter nicht, weil er die Parallelwertung in der Laiensphäre, die diese Funktion auslösen könnte und müsste, nicht richtig nachvollzogen hat. Die Bestrafung einer solchen Handlung im Wahndelikt wäre hingegen gerade geeignet, das Vertrauen in eine gerechte und damit friedenssichernde Rechtsanwendung zu unterminieren. Denn hier handelt jemand bei genauem Hinsehen eben aus seiner Perspektive nicht gegen die Grundlagen der Rechtsordnung, er überdehnt lediglich bestimmte Normen und Anforderungen an ihn selbst. Es hat sich damit gezeigt, dass die hier vertretene Konzeption zur objektiven Zurechnung einerseits sowie die Ansätze zur Lösung der Konstellationen atypischer Kausalverläufe und zur Behandlung dieses Problemkreises im subjektiven Tatbestand andererseits nicht nur um systematische Konsistenz bemüht, sondern auch aus kriminalpolitischen Erwägungen bezüglich des Zwecks der Strafe sachgerecht sind. Insbesondere ist ein friktionsfreies Vorgehen gesichert. Auch wird ein größtmögliches Maß an Rechtssicherheit angestrebt, das über die an Einzelfallgerechtigkeit orientierte Vorgehensweise der Rechtsprechung und anderer Vertreter in der Literatur hinausgeht. Unausweichliche Einschränkungen diesbezüglich sind keine Schwäche der hier vertretenen Gesamtkonzeption, sondern ergeben sich unweigerlich aus der Komplexität und Heterogenität der zu lösenden Sachverhalte, deren sachgerechte Lösung zu erstreben ist.

27

Vgl. Wessels / Beulke AT, Rn. 471.

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Sachwortverzeichnis Aberratio ictus 177 f., 203, 210, 219, 238 f. Adäquanz 51 ff., 60 ff., 97 ff., 105 ff., 160, 163 f., 179 f., 186, 207, 230 ff., 241 f. Adäquanztheorie 50 ff., 125 Äquivalenztheorie 28 ff., 37 ff., 43 ff., 92 f., 164, 180, 188, 228 Aliud These 130 ff., 244 Alternativverhalten, rechtmäßiges 80 f., 137 Ansetzen, unmittelbares siehe Versuch, Beginn des Appell- und Warnfunktion des Tatbestands 277 f. Beherrschbarkeit 99 ff., 106 ff., Bewertung, rechtlich sittliche der Tat 179 ff., 183 f., 197, 203, 226, 229 Bluterfall 48, 87, 100 f. Brückenpfeilerfall 46, 87 f., 92, 96, 103, 153, 198, 202, 208, 210, 214, 222 f., 233 f., 257 Conditio sine qua non Formel 28 ff., 40, 43 ff., 92 f. Dazwischentreten Dritter 47 f., 64, 89, 103 ff., 162 f., 206, 242 Dolus Generalis 206, 224, 241 ff. Eigenverantwortlichkeit, Prinzip der 75, 77, 106, 120 f., 128, 158, 162 f., 251, 256 Einwilligungslehre 75 Erbonkelfälle 22, 153 ff., 159, 196, 258, 262 Erfolg, konkreter – zur Kausalitätsbestimmung 44 ff. – als Vorsatzgegenstand 216 ff., 223 ff., 238 ff. Erfolgsqualifizierte Delikte 169 ff. Erfolgstauglichkeit, Bewusstsein der 194 ff., 209, 213 Erfolgsverwirklichungshandlung, sog. 154 f. Erlaubnistatbestandsirrtum 277 f. Error in objecto 177

Fahrlässigkeitstatbestandsirrtum 148 Fehlverhalten, ärztliches 115, 124 ff., 137 Flugreisefall 46, 63, 74, 87, 146, 199 Freiverantwortlichkeit, Voraussetzungen der 73 ff. Fremdgefährdung, einverständliche 79 Garantenstellung, Garantenpflicht 55, 76 f., 107, 115, 127 f. Gefahr – Erhöhung der 93 ff., 98 f., 102, 109, 123 f., 147, 219 – als Vorsatzgegenstand 187, 190 ff., 209, 212, 218 ff., 222 ff., 235 ff. Gefahrzusammenhang – spezifischer 170 ff. – tatbestandstypischer, siehe spezifischer Generalprävention 101, 111, 165, 273 f., 275 ff. Gesamttatbewertendes Merkmal 237, 250 f. Gesetzmäßige Bedingung, Lehre von der 28, 40 ff., 43 ff., Gesinnungsstrafrecht 145, 150, 165 Gewitterfall 46, 60, 87, 196 Giftfall 37 f. Gleichwertigkeit, tatbestandliche 191, 201 Gnadenschussfall 123 Grundformel, sog. der Objektiven Zurechnung 57 ff., 65, 80, 90 ff., 105, 137, 139 ff., 228 ff., 251 Gummihammerfall 89, 122 Hetzjagdfall, Gubener 90, 179 Holzschutzmittel Entscheidung 43 Ingerenz 55, 107 Irrtum über den Kausalverlauf siehe Kausalverlauf Jauchegrubenfall 87, 178, 219, 242

Sachwortverzeichnis Kausalität – Abbruch der 33 f., 38, 48 f. – alternative 37 ff., 40, 49 – generelle 31 f., 41 – hypothetische 35 ff., 38, 40, 85 – kumulative 65, 101 ff. – Quasi Kausalität 33 f. – überholende 38, 48, 195 Kausalkette, Abbruch der 48 f. Kausalverlauf, Kausalverläufe – Abbruch des 38 – Abbruch rettender 34, 40 – hypothetische(r) 35 ff., 85 – Irrtum über den 159, 176 ff., 188, 195, 197, 200, 204 ff., 211, 214 f., 218 ff. Konstitution, atypische des Opfers 46 f., 87, 90, 100 f. Krankenhausbrandfall 46, 87, 92, 95, 118, 144, 154, 166, 223 Krankenwagenfall 46, 88 f., 92, 95, 102, 118, 137 ff., 166, 188, 193 f., 199, 245, Kunstfehlerfall 125, 137, 257 Lebensrisiko, allgemeines 60, 95 f., 124, 139, 189, 199 f., 245, 258 Ledersprayfall 42 f. Letalitätslehre 170 Madonna-Fall 199, 210 f., 219. 225 Mehrfachkausalität siehe Kausalität, alternative Mitbewusstsein 182, 196 f., 204 Modellgefahr 126 Naturkausalitäten 67, 85 Normative Tatbestandsmerkmale, Irrtum über 237 f., 243 ff. Notstand, rechtfertigender 62, 65, 96 Operationsfall 90 Opferverhalten, atypisches 90, 112, 118 Parallelbeurteilung 247 Parallelwertung in der Laiensphäre 246 ff., 252 ff., 272 Pflichtwidrigkeitszusammenhang 80 ff., 85 f., 157 f., 162 f.

289

Plangefahr 200 Planverwirklichung, Kriterium der 222 ff., 235 Plus-Minus Verhältnis, These vom 129 f., 216 f. Poolfall 87, 218 ff., 258 f. Prävention 274 ff. Radleuchtenfall 68 Rechtfertigungsgründe, -grundsätze 65 f., 144, 146 f., 149 Regressverbot(-skonstellationen) 47 f., 103 ff., 113 ff., 120, 122, 137, 142 Relevanztheorie 52 f. Retterfälle 77 f., 89, 137, 258 Risiko – erlaubtes 57, 61 ff., 74, 84, 131, 144, 149, 165 – als Vorsatzgegenstand 185 ff., 189, 195, 201 f., 207, 209, 235 ff. Risikoerhöhungslehre 82 Risikomodifikation 66 f., 85 Risikoverringerung, schlichte 64 ff., 85, 97, 137, 144, 149 ff., 154 f., 164 Schutzbereich der Norm 69 ff., 91 Schutzzweck – des erfolgsqualifizierten Delikts 171 ff. – der Norm 69, 91, 150, 157 f. – der Sorgfaltsnorm 67 ff., 158, 164 – des Tatbestands 69 f., 73, 79, 171 Schutzzweckzusammenhang 68 f., 162 f., 171 f. Selbstgefährdung, eigenverantwortliche, freiverantwortliche 70 ff., 97, 118 ff., 137, 150 f., 158 f., 164, 256 Selbstverantwortlichkeit, siehe Eigenverantwortlichkeit Selektionsleistung 27, 171 f. Sinnbezug, deliktischer 114 Sonderwissen 50 f. 55, 63, 74, 105, 110, 114 f., 132, 145, 149, 194 Sozialadäquanz, Lehre von der 83 ff., 155 f. Spätfolgen 135 f. Spezialprävention 273 ff. Steuerbarkeit 90, 99, 106 f. Strafzwecke 273 ff.

290

Sachwortverzeichnis

Strafzwecktheorien – absolute 273 f. – relative 273 f. Stufenverhältnis – von Deliktsarten, sie Plus-Minus These – logisches 133 – normatives 132 f. Substrat, normativ relevantes 202 ff., 236 Subsumtionsirrtum 247 ff., 252 f., 259 Tatbestandsirrtum 183, 214, 218, 222, 237, 247, 249, 252 ff,. 259, 268 Tatbestandsmäßige Anweichung, Gefahr der 216 ff. Tatbestandsmäßiges Verhalten, Lehre vom 55, 136 ff., 201 ff. Tatgeneigtheit, erkennbare 114 Tatplan 144, 223 ff., 234

– Prinzip der 112 f., 251 Verbotsirrtum 243, 248 f., 251 ff., 255, 257 Vermeidepflicht 112, 117 Versari in re illicita 121, 193 Versuch – Beginn des 134 f., 155, 216 f. – untauglicher 72, 166, 194, 259 ff. Vertrauensgrundsatz 64, 108 ff., 120 f., 149, 162 f. Vorsatz – Bezugspunkt des siehe Gegenstand des – Gegenstand des 142, 175 ff., 179 ff., 182 ff., 190 ff., 200 ff., 204 ff., 210 ff., 227 ff., 272 f., 276 f. Vorsatzgefahr, Lehre von der 212 ff. Vorverhalten, pflichtwidriges 78, 117, 119 f.

Unmittelbarkeitszusammenhang 169

Wahndelikt 72, 167, 255, 259 ff., 272, 277 f. Wundinfektionsfall 88, 96, 102, 166, 192, 198, 208, 257

Verantwortungsbereiche – Abgrenzung 72, 109 f., 111 ff., 150 f., 164

Zweittat – fahrlässige 116 ff., 123 f., 128 ff. – vorsätzliche 103 ff., 116 f., 123 f., 128 ff.