112 11 40MB
German Pages 482 Year 1997
BJÖRN GEHDE
Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen in Deutschland und den USA
Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von Heinz Grossekettler, Münster· Bernhard Großfeld, Münster Klaus J. Hopt, Hamburg • Christian Kirchner, Berlin Dieter Rückle, Trier· Reinhard H. Schmidt, Frankfurt/Main
Band 32
Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen in Deutschland und den USA Zugleich ein Beitrag zur marktkonfonnen Schutzkonzeption des Eigenkapitalersatzrechts
Von Björn Gehde
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Gehde, Björn: Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen in Deutschland und den USA : zugleich ein Beitrag zur marktkonformen Schutzkonzeption des Eigenkapitalersatzrechts / von Bjöm Gehde. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts ; Bd. 32) Zugl.: Potsdam, Univ., Diss., 1995/96 ISBN 3-428-09066-7
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5065 ISBN 3-428-09066-7
e
Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam im WS 1995/1996 als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung sind Literatur und Rechtsprechung bis Januar 1997 berücksichtigt worden. Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Harald Herrmann, meinem verehrten Lehrer, der diese Arbeit umfassend betreut und durch zentrale Hinweise gefördert hat. Herr Professor Dr. Reinhard Welter hat freundlicherweise das Zweitgutachten übernommen. Des weiteren danke ich der Graduiertenf6rderung des Landes Brandenburg rur die Gewährung eines Promotionsstipendiums. Ebenso gilt mein Dank dem Kreis der Freunde und Förderer der Universität Potsdam fiir die Verleihung des Wolf-Rüdiger-Bub Preises. Den Herausgebern der "Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts" danke ich fiir die Aufnahme in die Schriftenreihe. Ferner danke ich den Bibliothekaren der Universität Cornell, Ithaca, N.Y., USA, ohne deren ausdauernde und freundliche Hilfe der amerikanische Teil der Arbeit so nicht hätte entstehen können. Schließlich möchte ich ein herzliches Wort des Dankes an meine Freunde und meine Familie richten, die mich während der gesamten Zeit mit Rat und Tat unterstützt haben und mir so den notwendigen persönlichen Rückhalt gaben.
Björn Gehde
Inhaltsverzeichnis Einleitung
27
A.
AktueJle Entwicklung im Bereich des Eigenkapitalersatzrechts
27
B.
Diskussionsstand und einzelne FragesteJlungen . . . . . . . . . . . . . . . . ..
28
C.
Eingrenzung der Thematik ...............................
31
I.
11.
Abgrenzung hinsichtlich rechtlicher Aspekte
31
Abgrenzung hinsichtlich der Methodik
32
D.
Gang der Untersuchung .................................
36
E.
Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
36
1. Kapitel Rechtslage in Deutschland A.
Überblick über die systembildenden Voraussetzungen des Eigenkapitalersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
41
Haftungsrechtlicher Gläubigerschutz mit geseJlschaftsrechtlichen Instrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Präventiver Schutz durch die Schaffung eines Garantiekapitals a) Kapitalaufbringung und -erhaltung . . . . . . . . . . . . . . . ..
41 41 41
I.
b) Funktion des Garantiekapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 42 2. Aufteilung des Verlustrisikos während der werbenden Geschäftstätigkeit ..................................... 45 3. Repressiver Schutz wegen materieJler Unterkapitalisierung 46
10
Inhaltsverzeichnis
4. Repressiver Schutz wegen nomineller Unterkapitalisierung 5. Zusammenfassung .............................. H.
III.
IV.
B.
Die rechtliche Entwicklung zur Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital auf dem Gebiet der Gesellschafterdarlehen ....... I. Rechtsprechungsgrundsätze des Eigenkapitalersatzes bis zur GmbH Novelle 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die Novellenrege1ung der eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen aus dem Jahre 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Zwei stufiges Schutzsystem zum Kapitalersatz . . . . . . . . . . .. Dogmatische Beweggründe für eine Umqualifizierung von Fremdin Eigenkapital ................................... 1. Übersicht .................................... 2. Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Ökonomische Betrachtung der Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
50 53
53 53 57 61
62 62 65 67
Motive für eine Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen . . . . . .. 1. Flexibilität der Unternehmensfinanzierung .............. 2. Gleichbleibende Machtverhältnisse ................... 3. Steuerrechtliche Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
69 70 71 71 72
Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital ......
72
I.
Grundsätze einer Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital auf dem Gebiet der Gesellschafterdarlehen ..... . . . . . . . . . . . . .. 1. Abgrenzung nach der Betriebswirtschaftslehre. . . . . . . . . . .. a) Idealtypische Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital .. b) Funktionale Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Risikokapitaldefinitionen ............. . ......... d) Schlußfolgerung ............................. 2. Eigenkapitaldefinitionen in der Rechtswissenschaft ........ a) Gesetzliche Regelung des Eigenkapitals ............. b) Materieller Eigenkapitalbegriff .. . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Quasi- Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Zusammenfassung ...............................
73 73 74 75 76 78 78 79 80 82 84
Inhaltsverzeichnis
H.
III.
IV.
Einzelne Beurteilungsmaßstäbe zur Bestimmung der Eigenkapitalersatzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 85 I. Überblick über die entwickelten Beurteilungsmaßstäbe . . . . . . 85 2. Beurteilungsmaßstab bei der konkursreifen Gesellschaft 88 a) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldungssituation der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 88 b) Abgrenzung zum Tatbestand der Unterbilanz. . . . . . . . .. 90 3. Beurteilungsmaßstab im Vorfeld der Konkursreife . . . . . . . .. 91 a) Kriterium der Kreditwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 91 aa) Marktvergleichskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 92 bb) Grenzen des Marktvergleichskonzepts 96 cc) Indizien der Kreditwürdigkeitsprüfung . . . . . . . . . .. 102 b) Aussagen eines Finanzexperten .................. 104 4. Beurteilungsmaßstab der Kapitalstruktur eines Unternehmens 105 Beurteilungsmaßstab der Finanzplanung ............. . ... l. Tatbestand.................................... a) Tatbestandsvoraussetzungen nach dem Bundesgerichtshof aa) Untersuchung der Vertragsbedingungen .......... bb) Gesellschaftsvertragliche Verpflichtung .......... b) Tatbestandsvoraussetzungen nach der Literatur ....... aa) Zwingende Notwendigkeit zur Erreichung des Gesellschaftszweckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Beteiligungsproportionale Darlehensgewährung . . . .. cc) Kreditwürdigkeit.......................... c) Ergebnis ................................. 2. Rechtsfolgen ................................. a) Bindung der Mittel in der Unternehmenskrise ........ b) Bindung der Mittel außerhalb der Unternehmenskrise . ..
108 109 109 109 110 III III 112 113 114 115 115 115
Einschränkung der Merkmale zur Bestimmung der Eigenkapitalersatzfunktion ................................... . l. Überbrückungsdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsortialkredite
117 117 118
Zusammenfassung................................
119
Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
120
V.
c.
11
Inhaltsverzeichnis
12
I.
11.
111.
Zurechnungszusammenhang der Finanzierungsverantwortung in der GmbH ...................................... 1. Stellung als Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Einschränkende Zurechnungskriterien ................. a) Der Gläubigerwille als zusätzliches Zurechnungskriterium . b) Unternehmerische Beteiligung als Zurechnungszusammenhang in der GmbH ........................... aa) Rechtslage de lege lata ..................... bb) Rechtslage nach dem Regierungsentwurf ......... c) Sanierungsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Zusammenfassung .............................. Zurechnungszusammenhang der Finanzierungsverantwortung innerhalb der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Stellung als Unternehmeraktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Kriterien zur Bestimmung einer Unternehmerstellung . . . . . .. a) Einfluß im Aufsichtsrat ........................ b) Mehrheitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Koordinierte Kreditvergabe mehrerer Aktionäre ...... " d) Wesentliche Beteiligung eines Aktionärs. . . . . . . . . . . .. e) Weitere Merkmale einer unternehmerischer Beteiligung .. 3. Einschränkendes Zurechnungskriterium eines Sanierungsprivileges ....................................... 4. Zusammenfassung .............................. Zurechnungszusammenhang der Finanzierungsverantwortung im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Problemlage .................................. 2. Gesellschaftereigenschaft der Konzernunternehmen ........ 3. Kapitalersetzende Darlehen im Vertragskonzern .......... a) Aktienrechtlicher Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Sicherungssystem der §§ 302, 303 AktG als vorrangige Spezialregelung .......................... (I) Gleichwertiger Schutz in der Krise von Mutter- und Tochtergesellschaft .....................
121 121 122 123 124 124 128 129 131
132 134 134 135 135 136 137 138 139 141
141 141 142 143 143 143 144
(2) Reichweite des Schutzes in der Krise der Tochtergesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 145 bb) Schlußfolgerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 147 b) GmbH- Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 148
Inhaltsverzeichnis
13
aa) Keine vertragskonzernrechtliche Sonderregel . . . . . .. 148 bb) Liquiditätsschutz der Tochtergesellschaft als eigenständiger Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4. Kapitalersetzende Darlehen im qualifiziert faktischen Konzern 150 5. Kapitalersetzende Darlehen im einfach faktischen Konzern. .. 152 a) Einfach faktischer Aktienkonzern ................. 152 b) Einfach faktischer GmbH-Konzern ................ , 154 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 IV. Gleichstellung von Gesellschaftern und gesellschaftsfremden Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Problematik................................... 155 2. Gleichstellung von Gesellschaftern und Konzernunternehmen . 158 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Einzelne Konzernkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . .. 160 aa) Mittelbare Beteiligung bei unmittelbarer Kreditgewähr 160 bb) Mittelbare Kreditgewährung bei unmittelbarer Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 162 c) Schlußfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Gleichstellung von Gesellschaftern und Angehörigen . . . . . .. 165 4. Gleichstellung von Gesellschaftern mit mittelbaren Unternehmensbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stiller Gesellschafter als Fall der mittelbaren Unternehmensbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Pfandrechtsgläubiger als Unterfall der mittelbaren Unternehmensbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D.
166 166 168 169
Besonderheiten und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , 170 I.
Quasi- Eigenkapitalbegriff als rechtsformübergreifendes Prinzip .. 170 I. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Schrifttum.................................... 172 3. Gleichstellung von Gesellschafterdarlehen mit Eigenkapital in der gesetzestypischen KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 175 a) Eigenkapitalersetzende Darlehen in der KG . . . . . . . . . .. 175 b) Tatbestand und Hinderungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . .. 176 aa) Entgegenstehender WiIle des Gesetzgebers . . . . . . .. 176 bb) Strukturunterschied der persönlichen Haftung ...... 177
14
Inhaltsverzeichnis
(1) Vennögen der KG als eigenständige Haftungs-
11.
III.
masse .............................. (2) Persönliche Haftung als gleichwertiger Schutz bei einer Gesellschafterfremdfinanzierung ..... cc) Zurechnungszusammenhang zwischen GesellschaftersteIlung und Kreditvergabe ................... c) Rechtsfolgen ................................ aa) Verstrickung der Gesellschaftennittel aufgrund von § 172 Abs.·4 S. 1 HGB ..................... bb) Verstrickung der Gesellschaftennittel aufgrund einer analogen Anwendung des § 237 HGB ........... cc) Verstrickung der Gesellschaftennittel aufgrund einer analogen Anwendung des § 32 a KO . . . . . . . . . . .. 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
177
Nutzungsüberlassung als eigenkapitalersetzende Leistung. . . . . .. 1. Gleichstellung der Nutzungsüberlassung mit der Darlehensgewähr nach § 32 a Abs. 3 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes . . . . . . . . . . . .. b) Kritik an der Rechtsprechung .................... c) Stellungnahme .............................. 2. Tatbestandliche Voraussetzungen für eine kapitalersetzende Nutzungsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Rechtsfolgen einer eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Verstrickung des NutzungsentgeIts im Gesellschaftsvermögen .................................... b) Verstrickung des Nutzungsrechtes im Gesellschaftsvermögen .................................... aa) Überblick .............................. bb) Eigentumsübergang der vennieteten oder verpachteten Gebrauchsgegenstände ................... cc) Beschränkung auf die Miet- oder Pachtzinsen . . . . .. dd) Verstrickung des Nutzungsrechtes . . . . . . . . . . . . .. c) Verwertung des Nutzungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
186
178 179 180 181 182 183 185
186 186 188 189 190 191 191 192 192 194 195 196 197 199
Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 199 1. Die Rechtsfolge außerhalb des Konkurses. . . . . . . . . . . . . .. 199
Inhaltsverzeichnis
15
2. Die Rechtsfolge im Konkurs ....................... 200
2. Kapitel Rechtslage in den USA
A.
Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin. . . . . . . . . . . . . .. 202 I.
11.
III.
Haftungsrechtlicher Gläubigerschutz mit Instrumenten des Gesellschafts- und Insolvenzrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Kein präventiver Gläubigerschutz durch die Schaffung eines Garantiekapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Aufteilung des Verlustrisikos während der Geschäftstätigkeit des Unternehmens .............................. 3. Repressiver Gläubigerschutz durch einen Haftungsdurchgriff bei grober Unterkapitalisierung ..................... 4. Repressiver Gläubigerschutz durch eine Nachordnung von Darlehen bei nomineller Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . .. 5. Abgrenzung von Haftungsdurchgriff und Nachordnung von Darlehen ..................................... Unterscheidung der Gesellschafterdarlehen in Fremd- und Eigenkapital als Materie des amerikanischen Konkursrechtes ........ I. Allgemeines zur Terminologie ...................... a) DebtiLoan ....................... . ......... b) CapitallEquity .............................. 2. Amerikanisches Konkursrecht als relevanter Regelungsrahmen a) Regelungsrahmen des Insolvenzrechtes .............. b) Vermögensverteilung im Konkurs ................. Entwicklung und Rechtslage zur Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital auf dem Gebiet der Gesellschafterdarlehen im Konkurs der Gesellschaft ............................... I. Common Law Rechtsprechung zur Equitable Subordination bis 1978 ..................................... a) Equity Power der amerikanischen Konkursgerichte . . . . .. b) Taylor v. Standard Gas & Electric Co., "Deep Rock"Doktrin ...................................
202 202 205 205 209 212
213 213 214 214 215 215 216
219 219 219 221
16
Inhaltsverzeichnis
c) Pepper v. Litton ..................... . ....... d) Comstock v. Group of Institutional Investors . . . . . . . . .. e) Mobile Steel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. f) Schlußfolgerung ............................. 2. Gesetzgebungsreform zum Konkursrecht von 1978 ........ a) Reformvorschlag einer automatischen Nachordnung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs ................ b) Vorbilder in der Rechtsprechung rur eine automatische Nachordnung ............................... c) Gesetzgeberische Entscheidung gegen eine automatische Nachordnung ............................... 3. Übersicht über das geltende Recht des Bankruptcy Code von 1978 ....................................... a) Equitable subordination in sec. 510 (c) des Bankruptcy Code ..................................... b) Recharacterization Befugnisse der Gerichte aus sec. 502 des Bankruptcy Code .......................... aa) Sec. 502 als Maßstab zur Abgrenzung von Fremdund Eigenkapital ......................... bb) Recharacterization als eigenständige Rechtsfigur in der Beurteilung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs .................................. cc) Bedeutung der recharacterization in der Rechtsprechung ................................... 4. Zusätzliche Rechtsquelle rur die Unterscheidung von Fremdund Eigenkapital ............................... a) Amerikanisches Steuerrecht als Anknüpfungspunkt. . . . .. b) Rezeption der Steuerrechtsprechung durch die Literatur und die Konkursgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. IV.
V.
223 225 227 230 230 231 231 233 236 236 238 240
242 244 245 246 248
Beweggründe für eine Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital ................................ 249 Motive rur eine Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen . . . . . .. 1. Steuervorteile ................................. 2. Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Geschäftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Sanierungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
250 250 251 251 252
Inhaltsverzeichnis
B.
2 Gchdc
17
Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital . . . . . . .. 253 I.
Grundsätze in der Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital .. I. Im Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Konkretisierung des Begriffes inequitable conduct ...... aal durch den Mobile Steel Test. . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) nach dem CTS Truss Fall ................... b) Substance over Form Test ...................... 2. Im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
11.
Erster Teil des Mobile Steel Testes: Einzelne Beurteilungsmaßstäbe, die den inequitable conduct ausfüllen ................. I. Übersicht über die Beurteilungsmaßstäbe in der Steuer- und Konkursrechtsprechung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Two Prong Test ............................... a) Financial Analyst ............................ b) Independent Creditor Test ...................... 3. Vertragsbedingungen als Ansatz für eine Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Formal Documentation ......................... b) Reasonable Expectation of Repayment .............. aal Fälligkeitstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Durchsetzbarkeit der Forderung ............... ce) Tatsächliche Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . .. dd) Zinszahlungen ........................... ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Core Asset Test ............................. 4. Kapitalstruktur des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) "Debt-Equity Ratio" .......................... b) Verhältnis von Darlehen zu Eigenkapital ............ c) Grobe Unterkapitalisierung ..................... d) Sinking Fund ............................... 5. Schädigendes Gesellschafterverhalten ................. a) "IIIegality" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) "Fraud" ................................... c) "Breach of Fiduciary Duties" .................... d) "Alter Ego Lehre, Instrumentality Rule" . . . . . . . . . . . .. 6. Beziehung des schädigenden GesellschafterverhaItens zur nominellen Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
253 253 253 253 257 258 258
262 262 265 266 267 272 273 273 275 277 278 279 280 281 283 283 287 289 291 291 291 294 295 297 299
18
Inhaltsverzeichnis III.
Zweiter Teil des Mobile Steel Testes: Nachteil ftir die Kreditgeber oder Bereicherung der Gesellschafter .................... 303
IV.
Dritter Teil des Mobile Steel Tests: Übereinstimmung mit dem Konkursrecht .................................... 306
V.
Unterscheidung nach Gläubigergruppen ................... 307 1. Unterscheidung nach den Fähigkeiten der Gläubiger zum Selbstschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 307 2. Ökonomische Begründung für eine Unterscheidung .. . . . . .. 309
VI.
C.
Neuere Tendenzen der amerikanischen Rechtsprechung zu einer Ausweitung der equitable subordination Doktrin ............ I. Ausweitung der Equitable Subordination Doktrin durch die Entscheidung In re Virtual Network Services ............ 2. Bedeutung ftir die Beurteilung von Gesellschafterdarlehen ... 3. Entscheidungsgründe von In re Virtual Network .......... 4. Rezeption von In re Virtual Network durch andere Gerichte a) Bezüglich der Tax Penalties und der Steuerschulden. . . .. b) Bezüglich anderer Forderungen ................... 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
312 312 313 314 316 317 318 320
Zurechnungszusammenhang zwischen GesellschaftersteIlung und Kreditvergabe ............................................ 320 I. Gesetzliche Ausgangslage für eine Zurechnung ............... 321
1. Entwicklung bis zum Erlaß des Bankruptcy Code ......... a) Directors und Onkers als Adressaten einer Nachordnung . b) Gesellschafter als Adressat einer Nachordnung . . . . . . . .. c) Verbundene Unternehmen als Adressaten einer Nachordnung ..................................... 2. Gesetzliche Regelung der Finanzierungsverantwortung durch den Bankruptcy Code ............................ a) Übernahme der durch das Case Law entwickelten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Abweichungen von den Grundsätzen ............... c) Durchbrechung der gesetzlichen Regelung durch die Rechtsprechung ................................. d) Ergebnis ............. . .............. . .....
321 323 324 327 328 328 329 330 331
Inhaltsverzeichnis 11.
III. D.
2'
Haftkapital von außenstehenden Dritten -lender liability- . . . . . .. 1. Überblick .................................... a) Begründung für eine Ausweitung der Haftung auf Non Insider ...................................... b) Wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Kreditgeberhaftung seit Beginn der 80er Jahre c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Voraussetzungen und Fallgruppen einer Haftung aufgrund von Kontrolle ................................. a) Wirtschaftliche Nachteile für andere Kreditgeber aufgrund einer mittelbaren Einflußnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Unmittelbare Einflußnahme auf den Kreditnehmer durch den Kreditgeber ............................. aa) Vertragliche Grundlage als Möglichkeit einer Kontrolle und Einflußnahme ........................ bb) Einflußnahme auf einzelne Untemehmensentscheidungen ................................... cc) Einflußnahme aufgrund der ausgenutzten Verhandlungsmacht ............................. dd) Umfassende Einflußnahme auf sämtliche Untemehmensentscheidungen ....................... ee) Ergebnis ............................... c) Nominelle Unterkapitalisierung bildet keine Grundlage für die Nachordnung von non insider Darlehen ........
19
331 331 333 335 336 337 338 340 340 341 342 344 345 346
Zusammenfassung der Ergebnisse ....................... 347
Besonderheiten und Rechtsfolgen
.......................... 348
I.
Ausformung der Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen bei verschiedenen Gesellschaftsformen als allgemeines Prinzip 348 I. Regelungen im Insolvenzrecht ...................... 349 2. Uniform Partnership Act als Grundlage für eine Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital ............. . . . . .. 351
11.
Nutzungsüberlassung ............................... 352
III.
Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 355 I. Die Rechtsfolge im Konkurs ....................... 355
Inhaltsverzeichnis
20
2. Die Rechtsfolge außerhalb des Konkurses. . . . . . . . . . . . . .. 356 3. Umfang der Nachordnung, Einzel- und Teilnachordnung 356 IV.
Rechtstatsächliche Untersuchung ... . ................... 1. Überblick ............................... . .... a) Anlaß ................ . ................... b) Datenbestand ............................... c) Methodische Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Ergebnisse der Erhebung hinsichtlich der Erfolgsquote . . . . .. a) Erfolgsquote und Häufigkeit .................... b) Gläubigerschutzthese für die Insider. . . . . . . . . . . . . . .. c) Erklärungen für den Trend zu einem wachsenden Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Entsprechen die Daten den tatsächlichen Gegebenheiten .................................. bb) Veränderung der Erfolgsrate aufgrund anderer' Faktoren als einer sich verändernden rechtlichen Beurteilung (1) Steigende Konkurszahlen ................. (2) Steigende Motivation zu klagen . . . . . . . . . . . .. cc) Gründe für einen Wandel der rechtlichen Beurteilung . 3. Tatbestand für eine Nachordnung .................... a) Allgemeine Übersicht über die Begründungen ......... b) Unterkapitalisierung als Grund für eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Bestimmung der Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . .. 4. Zurechnungszusammenhang der Finanzierungsverantwortung .. 5. Von einer Nachordnung betroffene Gesellschaftsformen . . . .. a) Schwierigkeiten der Datensammlung ............... b) Ableitbare Aussagen ..........................
359 359 359 361 362 363 363 365 366 366 367 367 368 369 370 370 371 371 372 373 375 375 376
3. Kapitel Rechtsvergleich
A.
Rechtliche Ausgangslage und funktionale Vergleichbarkeit I.
378
Benachteiligungsgefahr für die Gläubiger ................. 379
Inhaltsverzeichnis
B.
21
11.
Rechtlicher Regelungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380
III.
RegeJungsansatz zum Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 382
IV.
Entwicklung der Rechtsprechung ....................... 384
Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital ...... 387 I.
Marktorientierter Beurteilungsmaßstab für die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 390
11.
Beurteilungsmaßstab für die Finanzplandarlehen . . . . . . . . . . . .. 394
III.
Bedeutung der nominellen Unterkapitalisierung für die equitable subordination doctrin .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 398 1. Überblick über die amerikanischen Besonderheiten ........ 398 2. Schlußfolgerung für das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . .. 400
C.
Reichweite der Finanzierungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 404 I.
Gesellschafter im Sinne des Eigenkapitalersatzrechtes . . . . . . . .. 404
11.
Konzern und Unternehmensverbindungen ................. 407
III.
Haftkapitalbildung ohne mitgliedschaftliche Bindung ......... 408 1. Analyse der amerikanischen Entscheidungen . . . . . . . . . . . .. 409 2. Erklärungen für den amerikanischen Trend zur Lender LiabiIity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 a) Situation der amerikanischen Banken . . . . . . . . . . . . . .. 411 b) Verfahrensrechtliche Rahmenbedingungen ............ 414 3. Schlußfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
D.
Rechtsfolgen und Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 417 I.
Marktkonfonne Auslegung der Rechtsfolgen kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 1. Unterscheidung nach Gläubigerguppen . . . . . . . . . . . . . . . .. 417 2. Kapitalersatzrecht als Ausdruck einer gestörten Vertragsparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
22
Inhaltsverzeichnis
3. Schlußfolgerung für den Ausnahmefall einer Vertragsparität zwischen Gesellschaft und Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . .. 423 11.
Quasi- Eigenkapital als rechtsformunabhängiges Phänomen ..... 426
III.
Zusammenhang von Kapitalmarkt -Aktienhandel- und Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 427
IV.
Gebrauchsüberlassung ............................... 429
Zusammenfassung . ........................................ 432 Anbang: Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 440 Verzeicbnis der zitierten amerikaniscben Entscbeidungen . . . . . . . . . . . .. 441 Literaturverzeicbnis ....................................... 450 Sacbwortregister .......................................... 479
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABA Abs. AcP AG AG AGB AGBG Am.Econ.Rev. Anh. Anm. App. Art. Aufl. BB Bd. Begr.RegE. BFH BGB BGH BGBI. BGHZ BI. B.R. BT-Drucks. Bus.Law. BVerfG bzw. Cal.L.Rev. Cir. Comm'r Colum. L.Rev.
anderer Ansicht am angegebenen Ort American Bar Association Absatz Archiv für civilistische Praxis Aktiengesellschaft Die Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen American Economic Review Anhang Anmerkung Appeal Artikel Auflage Betriebsberater Band Begründung zum Regierungsentwurf Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (amtliche Entscheidung) Blatt Bankruptcy Reporter Verhandlungen des deutschen Bundestages -Drucksachen Business Lawyer Bundesverfassungsgericht beziehungsweise Califomia Law Review Circuit Commissioner Columbia Law Review
24 Cornell L.Rev. Corp. DB ders. d.h. Duke LJ. ed. Ein\. F. F.2d F.3d f, ff Fn. FS F.Suppl GmbH GmbHG GmbHR GmbHR-R Harv.lnt.L.J. Harv.L.Rev. HGB h.M. Hrsg. InsO i.V.m. J. Int.L.&Econ. JZ KG KO Komm. KWG L.E.2d L.J. L.Rev. M.B.C.A. Münch-Komm m.w.N. Nachw. NJW Nw.U.L.Rev. OHG
Abkürzungsverzeichnis Cornell Law Review Corporation Der Betrieb derselbe das heißt Duke Law Journal edition Einleitung Federal Reporter Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series folgende Fußnote Festschrift Federal Supplement Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau GmbH -Rundschau-Report Harvard Interntional Law Journal Harvard Law Review Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber Insolvenzordnung in Verbindung mit Journal of International Law & Economics Juristenzeitung Kommanditgesellschaft Konkursordnung Kommentar Kreditwesengesetz Lawyers Edition Second Series Law Journal Law Review Model Business Corporation Act Münchner Kommentar mit weiteren Nachweisen Nachweise Neue Juristische Wochenschrift North Western University Law Review Offene Handelsgesellschaft
Abkürzungsverzeichnis
25
Pa. Rabeis Z RegE GmbHG reh. den. R.M.B.C.A.
Pennsylvania Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Regierungsentwurf eines GmbH-Gesetzes rehearing denied Revised Model Business Corporation Act Randnummer Rn. Revised Uniform Partnership Act R.U.P.A. South California Law Review So.Cal.L.Rev. u.a. unter anderem U.C.L.A.L.Rev. University of California Los Angelos Law Review U.Chicago L.Rev. University of Chicago Law Review U.Fla.L.Rev. University of Florida Law Review U.Pa.L.Rev. University of Pennsylvania Law Review U.Pitt.L.Rev. University of Pittsburgh Law Review U.S. United States U.S. Uni ted States Supreme Court U.S.c. Uni ted States Code U.Toronto L.J. University of Toronto Law Journal versus v. Va.L.Rev. Virginia Law Review Vand.L.Rev. Vanderbilt Law Review vergleiche vgl. Vorbem. Vorbemerkung Wertpapiermitteilungen WM Yale Law Journal Yale L.J. zum Beispiel z.B. Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenrecht ZBB Zeitschrift für Betriebswirtschaft ZfB Zeitschrift für Unternehmens- und GeseJlschaftsrecht ZGR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZHR Ziffer Ziff. Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP Zivilprozeßordnung ZPO
Im übrigen wird für das deutsche Recht verwiesen auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl. 1992. Für die Abkürzungen im amerikanischen Recht wird auf Bieber's Dictionary of Legal Abbreviations, 3. Aufl. 1988 verwiesen.
Einleitung A. Aktuelle Entwicklung im Bereich des Eigenkapitalersatzrechts Die Finanzierung von Unternehmen mittels Gesellschafterdarlehen ist eine der beliebtesten Finanzierungsmethoden I. Eine bloß schuldrechtliche Finanzierungsform wird in der Praxis als besonders vorteilhaft bezeichnet, da sie nicht nur flexibel zu handhaben ist und steuerrechtliche Vorteile mit sich bringt, sondern auch eine Möglichkeit bietet, die Haftung zu begrenzen2 • Zielt diese Finanzierungsform auch auf eine Risikominimierung, stellen sich Fragen nach dem Gläubigerschutz. Um Gläubigerbenachteiligungen zu vermeiden, qualifiziert der Bundesgerichtshof die Gesellschafterbeiträgeum und behandelt sie wie haftendes Eigenkapital. Hieraus hat die Rechtsprechung in den letzten 30 Jahren ein eigenes vollausgebildetesRechtsinstitut entwickelt: Das Eigenkapitalersatzrechf .Dieses Kind der Rechtsfortbildung hat dabei unter der Zustimmung des Schrifttums in seiner Entwicklung Veränderungen, Differenzierungen und manche Ausweitungen erfahren. Das Jahr 1992 brachte in dieser Entwicklung einen Bruch4 : Der Bundesfmanzhof machte in seinen Verzinsungsurteilen klar, daß er dem gesellschaftsrechtlichen Schutzkonzept sehr zweifelnd gegenübersteht6 • Auch im I Zu der wachsenden Bedeutung der Gesellschafterdarlehen siehe aus letzter Zeit: Wiedemann, FS Beusch, S. 899 f. 2 Vgl. etwa Scholz/ K.Schmidt, §§ 32a, 32 b Rn. 7. Siehe dazu ausführlicher unten Kapit. 1 A.lV.
3 Siehe zur Rechtsentwicklung überblicksartig Henze, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Recht der GmbH, 1993, S. 177 ff; Geißler, GmbHR 1996, 565 ff. 4
Claussen, GmbHR 1994, 9.
S
BFH GmbHR 1992,382; BFH /NV 1992,629.
6 Der gemeinsame Senat der obersten Gerichte mußte nicht angerufen werden, da der BFH sich trotz Kritik dem Grunde nach der BGH-Rechtsprechung zunächst angeschlossen hat. Dazu Wassermeyer, ZGR 1992, 639, 660.
28
Einleitung
Schrifttum7 finden sich mittlerweile Stimmen, die den erreichten Gläubigerschutz für überzogen halten.
B. Diskussionsstand und einzelne Fragestellungen Die vorliegende Arbeit befaßt sich in erster Linie mit der Frage, ob der Gläubigerschutz im Falle einer Finanzierung mit Gesellschafterdarlehenzu weit geht. Die Aspekte einer solchen Frage sind bislang nicht erschöpfend untersucht worden. Zwar gibt es eine Vielzahl von Arbeiten, die einzelne Probleme des Eigenkapitalersatzrechtes behandeln8 • Eine Untersuchung, die sich mit dem bislang erreichten Ausmaß an Gläubigerschutz beschäftigt, fehlt aber. Die Konfliktsituation, die sich aus einer Finanzierung mit Gesellschafterdarleqen zwischen der Finanzierungsfreiheitdes Gesellschafters und dem Bedürfnis nach Gläubigerschutz im Konkurs ergibt, ist in den USA seit langer Zeit Gegenstand einer Vielzahl von Entscheidungen. Eine rechtsvergleichende Betrachtung bietet sich daher aus mehreren Gründen an: Die amerikanische Rechtsordnung ist von einer unterschiedlichen Tradition des Gläubiger- und des Anlegerschutzes9 geprägt und bietet so die Möglichkeit, Positionen im deut-
7 Claussen, GmbHR 1996,316 ff; ders., GmbHR 1994, 9 ff; ders., FS Forster, S. 144 f; Mayer, DStR 1993, 206, 209; Meyer-Landrut WuB 11 C. § 32 a GmbHG 1.92.; Wassermeyer, ZGR 1992,639 ff. R Das Problem des Eigenkapitalersatzrechtes wurde bislang hauptsächlich unter dem Blickwinkel betrachtet, wie die Grundsätze, die im GmbH-Recht entwickelt wurden entweder auf die Aktiengesellschaft und die Kommanditgesellschaft übertragen werden konnten oder auf die Gebrauchsüberlassung. Dazu nur beispielhaft Koch, Sabine, Eigenkapitalleistungen und eigenkapitalersetzende Leistungen eines Kommanditisten in der gesetzestypischen KG, 1992; Farrenkopf, Stefan, Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen bei der Aktiengesellschaft, 1984; Ketzer, Axel, Eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen, 1988; Fabritius, Andreas, Die Überlassung von Anlagevermögen an die GmbH durch ihre Gesellschafter, 1988; Ziegler, Klaus, Kapitalersetzende Gebrauchsüberlassungsverhältnisseund Konzernhaftung bei der GmbH, unter besonderer Berücksichtigung der Betriebsaufspaltung, 1989, Drygala, Timm, Der Gläubigerschutz bei der Betriebsaufspa\tung, 1991; Robert, v. Steinrück, Haftungsrechtlicher Gläubigerschutz bei der Betriebsaufspaltung, 1995.
9 Ein guter Überblick zu der amerikanischen Situation findet sich bei: Kübler, WM 1990, 1853 ff; ders., Aktie, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, 1989. Die
B. Diskussionsstand und einzelne Fragestellungen
29
schen Recht zu überdenken. Das amerikanische Recht verspricht auch insoweit Neuerungen, als es insgesamt stärker auf die marktgerechte Beurteilung einer Unternehmensfmanzierung ausgerichtet ist 1o • Daruber hinaus hat das amerikanische Recht seit 1938 eine Vielzahl von Problemlösungen entwickelt, die für auftretende Einzelfragen nutzbar gemacht werden können. Um die Ausgangsfrage nach der Reichweite des Gläubigerschutzes in beiden Ländern beantworten zu können, sind einzelne juristische Aspekte eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen zu klären. Zunächst ist der Frage nachzugehen, welche systembildenden Voraussetzungen für die Beurteilung von Gesellschafterdarlehen in Deutschland und den USA bestehen. In diesem Zusammenhang werden sich erhebliche Gemeinsamkeiten in der Frage ergeben, wie sich die Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital rechtlich entwickelt hat und welche Beweggründe sowohl für eine Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen sprechen als auch welche Motive für diese Form der Unternehmensfinanzierung ausschlaggebend sind. Ist die Frage nach den Grundlagen des Eigenkapitalersatzrechtesgeklärt, muß sich die Frage anschließen, wie die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital bei den Gesellschafterdarlehengetroffen wird. Hieran wird die Reichweite des praktizierten Gläubigerschutzes in der jeweiligen Rechtsordnung besonders deutlich. In diesem Rahmen ist es von gesondertem Interesse, daß die Abgrenzung nicht nur das Spannungsverhältnis Finanzierungsfreiheit- Bedürfnis nach Gläubigerschutz anspricht, sondern auch Markt- und Wettbewerbsprobleme aktualisiert. Damit wird sich in beiden Ländern zeigen, daß die Unternehmensfinanzierung mit Gesellschafterdarlehen im wesentlichen einer marktorientierten Beurteilung unterliegt. Ähnlich wie der Tatbestand einer Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital ist sodann die Finanzierungsverantwortungals Zurechnungszusammenhang von Mitgliedschaft und Kreditvergabe daraufhin zu untersuchen, inwieweit die Gläubiger geschützt werden. Die Aufgabe besteht mithin darin, zu prufen, wer als Adressat einer Umqualifizierimg in Betracht kommt und wie die allgemeine Finanzierungsverantwortung in den einzelnen Gesellschaftsformen ausgeprägt
Ausgestaltung des Gläubigerschutzdenkens beurteilt auch H.P. Westermann als zukünftige Aufgabe des Gesellschaftsrechtes. Vgl.: H.P. Westermann, Zukunftsfragen des Aktienrechtes, S. 79, 94, in: Lutter (Hrsg.), 25 Jahre Aktiengesetz, 1990. 10 Zum Schutz über die Regelungen des Kapitalmarktrechts Kübler, WM 1990, 1853, 1857 f; Hopt, ZHR 140 (1976) 201 ff; Herrrnann, JZ 1983, 422, 428 f.
30
Einleitung
ist. Auch wird zu fragen sein, ob nicht auch außenstehende Dritte, die keinerlei mitgliedschaftliche, sondern nur schuldrechtliche Beziehungen zu der Gesellschaft haben, dem Kapitalersatzrecht unterliegen können. Überlegungen in diese Richtung gibt es in Deutschland bislang kaum. Im Rechtsvergleich wird sich in dieser Frage die Möglichkeit ergeben, zu untersuchen, inwiefern neuere amerikanische Tendenzen zu einer Haftkapitalbildung von außenstehenden Dritten auf die deutsche Rechtssituation übertragbar sind. Für die Frage nach dem Ausmaß des erreichten Gläubigerschutzes sind weiterhin zwei Problemkreise von besonderer Bedeutung: Zum einen ist zu untersuchen, inwieweit sich das Kapitalersatzrecht auch auf Personengesellschaften erstreckt und damit als rechtsformübergreifendes Konzept zu qualifizieren ist. Während die Frage in Deutschland noch offen ist, wird sich zeigen, daß das amerikanische Recht das Problem der eigenkapitalersetzendenGesellschafterdarlehen keiner speziellen Gesellschaftsform zuordnet. Zum anderen ste'nt sich die Frage, in welchem Maße die Gebrauchsüberlassung im Tatbestand und in den Rechtsfolgen vom Kapitalersatzrecht erfaßt wird. In diesem bislang umstrittensten Problemkreis bestätigt der Rechtsvergleich nicht nur die deutsche Situation, sondern bestärkt auch neuere Tendenzen, die Gebrauchsüberlassung als Teil der materiellen Unterkapitalisierung zu verstehen. Ist geklärt, wie der Tatbestand eigenkapitalersetzender Darlehen in den jeweiligen Rechtsordnungen bestimmt wird, .stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen. In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, ob sich die Marktorientierung auf der Tatbestandsseite auch auf der Rechtsfolgenseite wiederfindet. Insofern ist die amerikanische Rechtsprechung konsequent, die sich auch bei der Rechtsfolge eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen von wettbewerbsfunktionalen Gesichtspunkten leiten läßtlI. Im Rahmen des Wettbewerbs schützen die amerikanischen Gerichte nicht diejenigen Gläubiger, die sich aufgrund ihrer Marktstellung selbst schützen können. Für das deutsche Recht stellt sich damit eine Frage von besonderer praktischer Relevanz: Ist das "Alle-oder-keiner" Prinzip bei der Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen aufrechtzuerhalten? Sind die Gesellschafterdarlehen in jedem Fall zugunsten aller Gläubiger, unabhängig von ihrer Marktstellung, umzuqualifizieren? Eine solche Fragestellung ist besonders deshalb interessant, weil sich im deutschen Recht die Stimmen mehren, die die Fremdgläubiger nicht fiir schutzbedürftig
11 Den Ansatz einer rechtlichen Reflexion der Markteffizienz verfolgt auf dem Gebiet des Bilanzrechts insbesondere Kübler, ZHR 159, 550 ff {I 995).
C. Eingrenzung der Thematik
31
halten, wenn diese das Finanzierungsrisiko sehenden Auges übemehmen l2 • Es wird zu zeigen sein, daß -wie im amerikanischen Recht- auch für das deutsche Recht gilt: Es werden nur die Gläubiger geschützt, die auch schutzbedürftig sind.
C. Eingrenzung der Thematik I. Abgrenzung hinsichtlich rechtlicher Aspekte Angesichts der Komplexität der Thematik -Gläubigerschutzkonzeption im Kapitalersatzrecht- bleiben zwangsläufig einige Themenkreise ausgeklammert. Es geht in der Arbeit nicht um eine Überprüfung der Grundkonzeption des Gläubigerschutzes im deutschen Recht. In diesem Fall müßte nämlich ausfiihrIich untersucht werden, wie eine Finanzierung mit Quasi- Eigenkapital die Gläubigerinteressen beeinträchtigt. Unter Quasi- Eigenkapital werden die verschiedensten Finanzierungsmethoden verstanden, die sich allesamt dadurch auszeichnen, daß sie Typusmerkmale von Fremd- und Eigenkapital aufweisen, wie auch die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen. Eine derartige Arbeit 13 erforderte die umfassende Erforschung der Funktionen verschiedener Rechtsinstitute aus dem Gesellschaftsrecht, dem Zivilrecht und dem Bilanzrecht im Hinblick auf die Konzeption des Gläubigerschutzes. Eingeschlossen wären beispielsweise Fragen nach der Publizität der Handelsbilanz und deren Wamfunktion, Fragen nach der materiellen Unterkapitalisierungund der Konkursverschleppung. Zwingend wäre dann auch der Frage nachzugehen, inwieweit sich die einzelnen Instrumente zum Gläubigerschutz aufeinander abstimmen lassen. Im Gegensatz zu diesem umfassenden Ansatz konzentriert sich die vorliegende Arbeit -nach einem Überblick über haftungsrechtliche Schutzinstrumente- auf die Fragen und Probleme des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens.
12
Kallmeyer, GmbHR-Report 1995, S. R 41,42; Klaus, ZBB 1994,247,256.
13 Einen umfassenden marktbezogenen Ansatz in der Erforschung des Quasi- Eigenkapitals verfolgt: Herrmann, Quasi- Eigenkapital im Kapitalmarkt- und Unternehmensrecht, 1996.
32
Einleitung
ß. Abgrenzung hinsichtlich der Methodik Die vorliegende Arbeit bedient sich neben der allgemeinen juristischen Methodik und der Rechtsvergleichung teilweise auch der in den USA entwikkelten ökonomischen Analyse des Rechts. Die Wahl dieses methodischen Ansatzes bestimmt sich durch den Untersuchungsgegenstand. Zum einen kann heute ein sinnvoller Rechtsvergleich mit den USA nicht mehr durchgefiihrt werden, ohne die Ergebnisse der ökonomischen Analyse zu beachten. Mittlerweile hat sich die ökonomische Analyse nicht nur an den amerikanischen Law Schools durchgesetzt, sondern nahezu alle Bereiche des Rechts sind erfaßt l4 , vor allem das Gesellschafts- und lnsolvenzrecht 1s . Zum anderen bilden eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen einen Ausschnitt aus der Untemehmensfmanzierung, die das Spannungsverhältnis von Finanzierungsfreiheit und Bedürfnis nach Gläubigerschutz ebenso aktualisiert wie die Fragen nach einer marktorientierten Auslegung der maßgeblichen Regelungen. Damit sind in gewissem Maße nicht nur juristische, sondern auch wirtschaftliche Fragen angesprochen. Die ökonomische Analyse des Rechts l6 hat nun zum Ziel, im Gegensatz zum bisherigen meist nur intuitiven Vorgehen der Juristen, die ökonomischen Auswirkungen rechtlicher Entscheidungen nicht nur zu behaupten, sondern diese aus einem gemeinsamen Regelwerk von Recht und Ökonomie abzuleiten 17 • Im Rahmen dieser Rechtsvergleichung soll dennoch keine eigene ökono-
14 Beispielhaft zu nennen sind nur solche Bereiche wie "Ökonomische Theorie der Demokratie" A. Downs, Ökonomische Theorie der Demokratie, 1968, oder die "Ökonomie der Ehe" Th. W.Schulz (Hrsg.), The Economics of the Family: Marriage, Children and Human Capital, 1974.
15 Siehe dazu nur die einflußreichen Standardwerke von EasterbrookiFischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991; Jackson, The Logic and Limits of Bankruptcy Law, 1986. 16 Einen instruktiven Überblick über die Rezeption der Ökonomischen Analyse des Rechts in Deutschland bietet Kirchner, 11 International Rev. of Law and Economics 277 ff (1990). Eine umfassende Untersuchung zu der Verwertbarkeit der Ökonomischen Analyse des Rechts als Methodik in Rechtsfindung und Gesetzgebung bietet für Deutschland Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995. 17 Die Methode bedeutet insofern einen Fortschritt, als die Annahmen und Begründungen, die zu ökonomischen Modellen führen, offen liegen und damit auf Schlüssigkeit und Richtigkeit hin überprüft werden können.
C. Eingrenzung der Thematik
33
mische Analyse erarbeitet und kritisch reflektiert werden; ein eigener Forschungsbeitrag zur ökonomischen Analyse würde den Rahmen der Arbeit überschreiten und ist daher nicht beabsichtigt. Vielmehr sollen die Ergebnisse dieser Methodik als Arbeitshypothese in die eigenen Überlegungen miteinfließen l8 . Voraussetzung aber auch für diese Vorgehensweise ist ein Verständnis der wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen und der Methodik der ökonomischen Analyse des Rechts. Grundlage der ökonomischen Analyse ist die Neoklassik l9 • Innerhalb der neoklassichen Theorie wird auf der Basis der Grenznutzenanalyse das Verhalten von als informiert, rational und nutzenmaximierendhandelnden Wirtschaftssubjekten in einem System interdependenter Märkte erklärt. Im Marktsystem ergibt sich danach durch die Koordinationsmechanismen Preis und Wettbewerb bei effektiver Konkurrenz im Gleichgewicht eine effIziente Allokation (Zuweisung) der durch Mobilität und Substitutionalität gekennzeichneten Güter und Produktionsfaktoren. Besonderes Kennzeichen der Neoklassik ist, daß das Recht als Bezugsrahmen vernachlässigt wurde, obwohl das Wirtschaftsleben ganz erheblich von rechtlichen Regelungen geprägt isfo. Aus diesem Grund haben Ökonomen versucht, die Theorie zu verbessern, indem auch zunehmend rechtliche Belange berücksichtigt wurden. Den grundlegenden Schritt in diese Richtung unternahm im Jahre 1937 Coase mit seiner Untersuchung zur Bedeutung von Transaktionskosten für die optimale Faktorallokation. Er wies nach, daß die
18 Ein solches Vorgehen ist gerechtfertigt, da sich die Ausführungen auf bestehende ModeIle beziehen, die wissenschaftlich abgesichert sind und nicht jedesmal theoretisch neu aufgearbeitet werden müssen. Diesen Forschungsansatz vertritt auch Horn, AcP 176 (1976),307,309 wenn er schriebt: "Ernsthaftes Interesse dagegen verdient die "economic analysis" als Arbeitshypothese und Ansatz für Einzelanalysen und Vorschläge in bestimmten Rechtsgebieten". Damit nimmt die ökonomische Analyse des Rechts im Rahmen dieser Untersuchung die Funktion eines Hilfsmittels der Rechtswissenschaft ein. Zu der ökonomischen Analyse als Hilfswissenschaft im Sinne einer Fortentwicklung des methodischen Instrumentariums etwa Horn, AcP 176 (1976), 397, 311 ff; Assmann in AssmannlKirchner/Schanze, Ökonomische Analyse, 1992, S.17, 60, Kübler, FS Steindorff 1990, S. 687, 703 f; weitere Nachweise bei Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 10 in Fn. 2. 19 Zur Neoklassik in der Ökonomie vgl. Kromphardt, Stichwort Wirtschaftswissenschaft 11: Methoden und Theorienbildung in der Volkswirtschaftslehre, HdWW Bd. 9, S. 904,928 ff.
20 Dazu Kirchner in AssmanniKirchner/Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts, 1992, S. 62, 70 ff.
3 Gchdc
Einleitung
34
Allokation mittels Transaktionen auf dem Markt nicht kostenlos erfolgt, sondern die Aufwendungen transaktionsspezifischer Informations-, Aushandlungsund Kontrollkosten sowie gegebenenfalls von Anpassungs- und Durchsetzungskosten erforderf 1• Aus dieser Feststellung hat Coase abgeleitet, daß Unternehmen dann entstehen, wenn Transaktionskosten unternehmensintern kostengünstiger durchgeführt werden können als auf dem Markt. Diese Überlegungen waren die Voraussetzung für das 1961 entwickelte Coase Theorem22 , das einen Meilenstein in der Entwicklung der Ökonomischen Analyse des Rechts bildef3 • Das Coase Theorem beinhaltet zwei Aussagen: Zum einen erfolgt in einer perfekten Welt ohne Transaktionskosten durch den Markt stets eine effiziente Allokation von Ressourcen24 ; zum anderen ist die effiziente Allokation unabhängig von der ursprünglichen Zuweisung der Rechte an den betroffenen Ressourcen durch das Rechtssystem25 • Unter diesen Voraussetzungen ist die Rechtszuweisungund damit das Rechtssystemallokationsneutral. Wegen der kostenlosen Transaktionen kommt es solange zu Tauschakten auf dem Markt, bis eine optimale Allokation erreicht ist. Mögliche transaktionsbedingte Schädigungen Dritter werden infolge der freien Transferierbarkeit der betroffenen
21
Coase, 4 Economica (N.S.) (1937) 386.
22 Mit diesem Ansatz löst sich Coase von der Pigouschen Wohlfahrtsökonomie. Siehe A.C. Pigou, The Economics of Welfare, 4. Aufl. 1932. Zum Coase Theorem und seiner Neuigkeit vgl. die umfassende Darstellung bei Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 118ff; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Rechts, S. 70 ff. Einen Überblick über die Literatur, die sich mit dem Coase Theorem beschäftigt findet sich bei: AssmanniKirchner/Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts, 1992, S. 130.
23 Coase, 3 J. Law & Economics I (1960); eine deutsche Übersetzung mit Anmerkungen findet sich bei AssmanniKirchner/Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts, 1992, S. 129 ff. 24 In der Literatur wird diese Aussage auch als "Effizienzthese" bezeichnet. Vgl. etwa Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 120. 25 Sog. Invarianzthese, vgl. Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 120. Die klassische Definition von Effizienz geht auf Pareto zurück. Danach sind Transaktionen effizient, wenn sie einem Beteiligten Vorteile bringt, ohne einen anderen zu benachteiligen. Diese Formel hat jedoch nur eine geringe Überzeugungskraft, da die Konfliktregelung im Recht stets mit Nachteilen für eine Partei verbunden ist. Deshalb bestimmt sich Effizienz heute nach dem Kaldor-Hicks-Optimum, d.h. der Gewinn der Begünstigten übersteigt die Verluste der Geschädigten und die Begünstigten können die Nachteile ausgleichen. Dazu umfassend Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 83 ff; Kübler, FS Steindorff, S. 687, 695; Ottl Schäfer, JZ 1988, 213, 217 f mwN.
C. Eingrenzung der Thematik
35
Rechte in die Kostemechnung der Transaktion eingestellf6. Damit garantiert schon das Markt-Preis-System die EffIzienz der Transaktion. Im Ergebnis kann sich in der perfekten Welt eines Coase die effIzienteste Allokation auf dem Markt in jedem Fall durchsetzen. Für die Anwendung des Theorems in der wirklichen Welt ist deshalb folgende Feststellung von Bedeutung: Für die EffIzienz eines wirtschaftlichen Systems ist die Zuweisung von Rechten doch von Bedeutung. Da es in der wirklichen Welt Transaktionskostengibt, kommen effIzienzsteigemde Transaktionen nur zustande, wenn der Nutzen größer ist als die Summe der Transaktionskosten27 • Daher ist es entscheidend, daß das Recht von vornherein fiir eine effIzienzsteigemde Rechtszuweisung sorgt, um den Umfang kostensteigemder Transaktionen möglichst gering zu halten28 • Ziel der ökonomischen Analyse des Rechts ist es deshalb, rechtliche Normen als Mittel der Sozialgestaltung auf ihre wirtschaftliche Allokationswirkung und marktwirtschaftlichen Folgen hin zu überprüfen. Dieser Ansatz versucht zu analysieren, ob gesetzliche Regelungen die effIziente Verteilung der begrenzten Ressourcen unterstützen. Auf eine Kurzformel gebracht bedeutet das Coase Theorem folgendes: Eine optimale Allokation wirtschaftlicher Ressourcen kann nur unter einer optimalen darauf ausgerichteten Rechtsstruktur erfolgen. Die Fortentwicklung des Transaktionskostenansatzes29 betrifft vor allem neben dem Deliktsrecht das Vertrags- und das Gesellschaftsrechfo. Zur Lösung der Einzelprobleme einer ökonomisch richtigen Zuordnung von Rechten, haben die Vertreter einer ökonomischen Analyse verschiedene Denkmodelle entworfen31 • Soweit diese fiir die vorliegende Untersuchung maßgebend sind, werden sie an der jeweiligen Stelle eingefiihrt.
26
Coase, J. Law&Economics 1,2 (1960).
27
Coase, l Law&Economics I, 15 f (1960).
28
Coase, l Law&Economics I, 19 f (1960).
29 Der Transaktionskostenansatz wurde später in eine Theorie der "property rights" aufgenommen. grundlegend dazu A1chianiDemsetz, 33 lEcon. Hist. 16 (1973). Die jüngste Weiterentwicklung ist die sog. "New Institutional Economics". Dazu grundlegend Williamson, ZgS/JITE 141 (1985), 187, 190. 30
3*
Kühler, FS Steindorff, S. 687, 688.
36
Einleitung
Im Rahmen dieser Arbeit wird zum einen zu zeigen sein, daß sich die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter mit der Figur des cheapest cost avoider begründen läßt. Zum anderen wird darzulegen sein, daß sich das Ausmaß des Gläubigerschutzes bei einer Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen nach der Spanne des marktüblichen Kreditrisikos richtet. Schließlich wird sich erweisen, daß auch die Umqualiflzierung von Gesellschafterdarlehenin Eigenkapitalnicht ohne Beachtung der GläubigersteIlung am Kapitalmarkt zulässig ist.
D. Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit gliedert sich innerhalb der Länderberichte sachlich in vier Hauptteile. Dabei werden zunächst die systembildenden Voraussetzungen des Eigenkapitalersatzrechtes dargestellt, um dann den Tatbestand und die subjektiven Zurechnungsfragen des Eigenkapitalersatzrechtes zu erläutern. Abgeschlossen wird die Ausführung durch die Klärung besonderer Einzelfragen innerhalb des jeweiligen Landes. Auf diese Weise ist es möglich sowohl die Reichweite des Gläubigerschutzes in den jeweiligen Rechtsordnungen zu bestimmen als auch die Problemlösungen im Einzelfall vorzustellen. Den Abschluß der Arbeit bildet die rechtsvergleichende Betrachtung.
E. Problemaufriß Die Kapitalgesellschaften in den USA und Deutschland sind durch den Gesetzgeber als selbständige Rechtssubjekte ausgestaltet worden mit der Folge, daß die Haftung fiir Gesellschaftsschulden auf das Vermögen eben dieser Rechtssubjekte beschränkt istl 2 • Die Gesellschafter und Aktionäre haften nur
31 Beispielhaft zu nennen ist das Modell des cheapest cost avoider. Hinter dieser Figur steht der Gedanke, daß von den Beteiligten derjenige den Schaden tragen solle, dem es am leichtesten fällt, unnötige Kosten zu vermeiden. Dieses Modell geht auf Calabresi, The Costs of Accidents, 3. Aufl 1972 S. 136 ff, 175 ff zurück. Zu nennen sind auch die Untersuchungen zur "agency theorie", zu den Kosten der Arbeitsteilung EigenkapitalgeberlManager im Unternehmen, JensenIMeckling, 3. J.Fin.Econ. 305 (1976). Speziell zum Problem der Eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, Klaus, S. 53 ff, 188 ff, 333 ff.
E. Problernaufiiß
37
mit den von ihnen erworbenen Anteilen oder Aktien. Die Gläubiger der Gesellschaft können sich im Unterschied zu dem Recht der Personengesellschaften nicht an dem Privatvermögen der Gesellschafter befriedigen. Der Gesetzgeber hat mit der Gründung einer juristischen Person den einzelnen Personen eine wirtschaftliche Betätigung eröffnet, in der die Haftung nicht den einzelnen, sondern die juristische Person trifft. Der einzelne kann sich an großen wirtschaftlichen Unternehmen beteiligen, ohne befiirchten zu müssen, fiir den Fall eines Fehlschlages mit mehr als dem investierten Kapital zu haften. Aus der Sicht der Gesellschafter läßt sich dieses Prinzip mit den Worten zusammenfassen: "No one risks more than he invests"33. Das Privileg der beschränkten Haftung als wohl wichtigstes Merkmal der Kapitalgesellschaftbildet die Voraussetzung fiir die Entwicklung der industriellen Revolution und der heutigen marktwirtschaftlichen Ordnung sowohl in den USA als auch in Deutschland34 . Scheitert die wirtschaftliche Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft, kann es durch die beschränkte Haftung auf das Vermögen der Gesellschaft in der Insolvenz zu einem endgültigen Ausfall der Gesellschaftsgläubiger kommen. Es gibt keine natürliche Person, die, solange sie lebt, eine Haftungsgrundlage bildef s. In diesen Fällen entstehen sog. negative Externalitäten36, also Kosten,
32 Im deutschen Recht vgJ.: § 13 GmbHG, § 1 Abs. 1 S. 2 AktG. Zu dem in der USamerikanischen Rechtsgeschichte lange umstrittenen Thema der beschränkten Haftung ausführlich: Biumberg, 11 J. Corporation L. 573, 592 ff (1986).
33 Das Zitat stammt von Easterbrookl Fische\, Corporate Law, S. 40. 34 Bezeichnend sind die Aussagen des Präsidenten der Columbia University Nicholas Murray im Jahre 1911: "I weigh my words when I say that in my judgement the limited liability corporation is the greatest single discovery of modem times. Even steam and electricity are far less important than the limited liability corporation and they would be reduced to comparative importance without it". Zitiert nach Cataldo, 18 Law & Contempo Prob. 473, 473 (1953). 35 Die Frage, ob der kompensatorische Effekt einer persönlichen Haftung zu einer größeren Haftungssumme als bei einer Kapitalgesellschaft führt oder lediglich ein leeres Versprechen darstellt, bleibt hier außer acht. 36 Im Zusammenhang mit der beschränkten Haftung siehe Lehmann, ZGR 1986, 345, 350 mwN; ders., GmbHR 1992,200 ff.
38
Einleitung
die nicht dem Verursacher, dem Gesellschafter, zugewiesen werden, sondern den Gläubigem der Gesellschaft. Dadurch werden zumindest teilweise die wirtschaftlichen Verluste und damit das unternehmerische Risiko von den Gesellschaftern auf die Gläubiger verlagerf'. Die Risikoverlagerung begrenzt zwangsläufig das eigene Risiko der Gesellschafter. Durch die Begrenzung des wirtschaftlichen Risikos mit seinen negativen Extemalitäten wird die Möglichkeit positiver wirtschaftlicher Wirkungen fiir die gesamte Wirtschaft geschaffen und damit die beschränkte Haftung gerechtfertigt. Vor allem die Vertreter der Ökonomischen Analyse des Rechts haben dieses Thema umfassend und interdisziplinär behandelf 8 , wovon in diesem Zusammenhang nur die wichtigsten Ergebnisse vorzustellen sind. So ist es fast selbstverständlich, daß es ohne eine beschränkte Haftung nicht möglich gewesen wäre, das in der Allgemeinheit vorhandene Kapital zu sammeln, um kapitalintensive Großvorhaben zu ermöglichen. Darüber hinaus ermöglicht die beschränkte Haftung, hohe Kosten bei der Finanzierung von Unternehmensprojekten einzusparen. Die Aufwendungen fiir die Beschaffung und Bewertung von Informationen über die Unternehmensprojekte, über die Unternehmensleitung sowie über das Verhalten und den Vermögensstatus anderer Kapitalanleger vermindert sich entscheidend. Dadurch werden effizientere Organisationsformen der Willensbildung im Unternehmen sowie eine Standardisierung der
37
Lutter, FS Riesenfeld, S. 165, 167.
38 Clark, Duties of the Corporate Debtor to its Creditor, 90 Harvard L.R. 505,540-53 (1977); Halpem, Trebilcock, Turnbull, An Economic Analysis of Limited LiabiIity, 30 U. Toronto L ..T. 117 (1980); EasterbrooklFischel, Limited Liability and the Corporation, 52 U. Chigaco L.Rev. 89 (1985); JensenIMeckling, 3 lFin. Econ. 305 (1976); Landers, A Unified Approach to Parent, Subsidiary and Affiliate Questions in Bankruptcy, 42 U. Chicago L.R. 589 (1975); Derselbe, Another Word on Parents, Subsidiaries and Affiliates in Bankruptcy, 43 U. Chicago L.R. 527 (1976); Posner, The Rights of Creditors of Affiliated Corporations, 43 U. Chicago L.R. 499, 521-524; Leebron, David W., Limited Liability, Tort Victims and Creditors 91 Columbia L. 1565 (1991); Thompson, Piercing the Corporate Vei1: An empirical Study, 76 Comell L.Rev. 1036,1037 f (1991); Dent Jr., 26 Wake Forest L.Rev. 151ff(1991); HansmannlKraakman, Towards unlimited Shareholder Liability for Corporate Torts, 100 Yale L.J. 1879 (1991); Dieselben, Do the Capital Markets compellimited Liability? A Response to Professor Grundfest, 102 Yale L.J. 387 (1992); Dieselben, A procedural Focus on unlimited Shareholder Liability, 106 Harvard L.R. 446 (1992); Alexander, Unlimited Shareholder Liablity through procedural Lens, 106 Harvard L.Rev. 387 (1992); Aus deutscher Sicht sind die Beiträge von Lehmann, ZGR 1986, 345 ff; Roth, ZGR 1986,371 ff; Adams, Eigentum, Kontolle und beschränkte Haftung, 1991, zu nennen.
E. Problemaufriß
39
Kreditvergabebedingungen und der Kontrollverfahren ermöglichf 9 • Aufgrund dessen ist beispielsweise ein organisierter Kapitalmarkt mit den bekannten Vorteilen überhaupt erst möglich geworden40 • Angesichts der beschriebenen Vorteile darf das eigentliche Problem der beschränkten Haftung jedoch nicht vergessen werden: Den Vorteilen für den einzelnen Unternehmer und die Allgemeinheit stehen die Gefahren einer Benachteiligung für den einzelnen Gläubiger gegenüber41 , Das System der Risikoteilung zwischen Gesellschafter und Gläubiger darf nicht zu einer Aufteilung führen, die die Gläubiger zu stark oder einseitig belastet42 ,
39 Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, 1991, S. 48; Ausführlich und grundlegend: HalpernlTrebilcocklTurnball, An Economic Analysis of Limited Liability, 30 U. Toronto L.J. 117 ff. (1980); Manne, Our Two Corporation Systems, 53 Virginia L. Rev., 259,264 f. (1967); EasterbrooklFischel, Corporate Law, S.41 ff.; diesselb.: Limited Liability and the Corporation, 52 U. Chicago L.Rev. 93 ff. (1985).
40
Vgl. die Fn. zuvor.
41 In den USA ist durch Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts eine Debatte über die Berechtigung der beschränkten Haftung losgetreten worden. So wollen Hansmann! Kraakman, 100 Yale L. J. 1879 ff (1991) die beschränkte Haftung für deliktsrechtliche Haftungstatbestände durch eine anteilsmäßige Haftung der Aktionäre ersetzen. Grund für diesen Vorschlag ist die Erkenntnis, daß eine beschränkte Haftung einen Anreiz für besonders schädliche Industrien liefert, ihre Kosten zu externalisieren. Als Beispiele gelten die großen Umweltkatastrophen der letzten Jahre. Zu obigen Aufsatz von Hansmannl Kraakman äußert sich kritisch Grundfest, The Limited Future of Unlimited Liability 102 Yale L. J. 387 (1992); dagegen als Antwort: HansmannlKraakman, Do the Capital Markets compel Limited Liability? A Response to Professor Grundfest, 102 Yale L.J. 387 (1992); Ebenfalls zu diesem Thema: Leebron, David W., Limited Liability, Tort Victims and Creditors 91 Colum. L. Rev. 1565 (1991); DentJr., Limited Liability in Environmental Law 26 Wake Forest L.Rev. 151ff (1991); Hansmann! Kraakman, A procedural Focus on unlimited Shareholder Liability, 106 Harvard L.Rev. 446 (1992); Alexander, Unlimited Shareholder Liablity through procedural Lens, 106 Harvard L.Rev. 387 (1992); einen Überblick über die Debatte für den deutschen Leser findet sich bei, Vagts, ZGR 1994, 227 ff. 42 Vgl. dazu Hansmann! Kraakman, Toward Unlimited Shareholder Liability for Corporate Torts, 100 Yale L.J. S.1879,1879 (1991); EasterbrookIFischel, Corporate Law, S. 49 f (1991); HalpemlTrebilcockITumba1l, An Economic Analysis of Limited Liability in Corporation Law 30 U. Toronto L.J. 117,143 (1980); Roe, Corporate Strategic Reaction to Mass Tort, 72 Vanderbilt L.Rev. 1,40 f (1986); Landers, A unified Approach to Parent, Subsidiary, and Affiliate Questions in Bankruptcy, 42 U. Chicago L.Rev. 589,593 (1975).
40
Einleitung
Das genannte Problem ist jedoch in den beiden zu untersuchenden Ländern entstanden und hat zwangsläufig dazu gefiihrt, daß heute sowohl in den USA als auch in Deutschland rechtliche Regelungen bestehen, um eine einseitige Verlagerung zu Lasten der Gläubiger zu verhindern, entweder durch präventive oder repressive Schutzmechanismen.
1. Kapitel
Rechtslage in Deutschland A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen des Eigenkapitalersatzrechts I. Haftungsrechtlicher Gläubigerschutz mit gesellschaftsrechtlichen Instrumenten 1. Präventiver Schutz durch die Schaffung eines GarantiekapitalS
a) Kapitalaujbringung und -erhaltung
Es liegt nahe, den Gefahren einer beschränkten Haftung dadurch zu begegnen, daß eine gesetzliche Regel die Haftungsgrundlage der Gesellschaft verstärkt. Im GmbH- Recht sollen diesen Schutz die Vorschriften über das Stammkapital gewährleisten, bei der Aktiengesellschaft die Normen über das Grundkapital. Das Stammkapital ist die durch den Gesellschaftsvertrag betragsmäßig zu bestimmende feste Größe, die die Gesamthöhe der mindestens aufzubringenden Gesellschaftereinlagen angibtl. Dieses Vermögen ist im wesentlichen das Startkapital der Gesellschaft. Damit die Gesellschafter das Stammkapital auch tatsächlich aufbringen, existiert die Pflicht zur Kapitalautbringung. Dieser Pflicht ist im Recht der GmbH gern. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 4, 5 Abs. 3 S. 3, 19- 25 GmbHG durch eine Zahlung auf die Stammeinlage nachzukommen. In der Aktiengesellschaft gelten die Vorschriften der §§ 1 Abs. 2, 7, 23 Abs. 3, 66 Abs. 1,2 AktG. Das Stamm- bzw. Grundkapital ist dabei kein gesondert zu haltender Posten des Vermögens, sondern kann als Betriebskapital zur werbenden Tätigkeit der Gesellschaft genutzt werden .. Um die Regeln der Kapitalautbringung nicht zu unterlaufen, sind die Mittel zusätzlich auch gegen einen Abfluß an die Gesellschafter gesichert. Bei der
1
Vgl. nur Hachenburg/ Ulmer, § 5 Rn. 6; Schalz! Winter, § 5 Rn. 10 f.
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
42
GmbH darf das gesamte zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Weitreichender ist der Schutz im Aktienrecht. Danach ist das gesamte Vermögen der AG geschützt; Auszahlungen sind gern. § 58 Abs. 5 AktG nur erlaubt, wenn ein Bilanzgewinn vorliegt. Die Kapitalbindung geht über die reine Grundkapitalziffer hinaus. Die strukturellen Unterschiede zwischen AG und GmbH sind groß 2 • Allgemein sorgen die Regeln über die Kapitalaufbringung und -erhaltung dafür, daß die Gesellschaft bei ihrer Gründung mit einem Mindestvermögen in Höhe des Stamm-bzw. Grundkapitals ausgestattet wird und dieses der Gesellschaft nicht wieder abgezogen wird.
b) Funktion des Garantiekapitals Das Garantiekapital in einer Kapitalgesellschaft besitzt unterschiedliche Funktionen. Als Ausgleich für die beschränkte Haftung soll das Stammkapital einen Haftungsfond für die Gläubiger bilden3 • Es soll also den Gläubigem eine Mindestaussicht auf Befriedigung bieten. Insofern wird von dem Stammkapital auch als dem Korrelat der beschränkten Haftung gesprochen4 • Daß das Stammkapital tatsächlich auch den Gläubigem zur Verfügung steht, soll durch das beschriebene System der Kapitalaufbringung und -erhaltung sichergestellt werden. Hinsichtlich der Funktion als Haftungsfond hat das System aber tatsächlich wenig Überzeugungskrafts. Da das Stammkapital auch als Betriebsvermögen frei genutzt werden darf, kann es im Laufe der Geschäftstätigkeit verbraucht werden6 • Das Gesetz mit seinem System der Kapitalaufbringung und -erhaltung garantiert lediglich, daß
2 Zu den Unterschieden und den Gemeinsamkeiten ausführlich Fabritius, ZHR 144 (1980) 628 ff. 3 Vgl. nur Hachenburgl Ulmer, § 5 Rn. 6; ScholZ) Winter, § 5 Rn. 10 f; Wiedemann, GeselIR. § 10 IV. l.a. S. 554; Fabritius, ZHR 144 (1980) 628, 630.
4 Immenga, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 403; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1 § 10 IV. l.b S. 558. S
K. Schmidt, GeselIR, § 18 IV S. 437 f; Lutter, FS Riesenfeld S. 165, 168 f.
6
Lutter, FS Riesenfeld S. 165, 168.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
43
das Vennögen nicht an die Gesellschafter selbst zurückgezahlt werden darf. Eine Nachschußpflicht für verbrauchtes Vennögen gibt es nicht, da die Gesellschafter sonst mittelbar mit ihrem Privatvennögen haften müssen; die beschränkte Haftung würde umgangen. Daß das Stammkapital, wenn die Verbindlichkeiten die Aktiva übersteigen, im Konkurs meistens aufgebraucht ist, zeigen die Konkursverluste 7• Sie übersteigen regelmäßig den Betrag des Stammkapitals um ein Vielfaches. Deshalb kann das Garantiekapital in Fonn des Grund- oder Stammkapitals im Hinblick auf den Gläubigerschutz nur die folgenden zwei Funktionen wahrnehmen. Zum einen stellt es eine Pufferfunktion für den Fall dar8, daß Verluste eintreten. In diesen Fällen soll es nicht zwangsläufig zur Überschuldung und damit zur Liquidation der Gesellschaft kommen. Die auftretenden Risiken und leichten Verluste im Gesellschaftsleben werden durch das Garantiekapital aufgefangen. Es bildet damit eine Sicherheitszone zwischen Krise und Konkurs 9• Zum anderen hat das Garantiekapital die Funktion einer Seriositätsschwelle 10. Offensichtlich unlautere und gläubigergefährdende Gesellschaftsgründungen sollen verhindert werden. Angesichts des hohen Forderungsausfalles der Gläubiger im Konkurs ist es gerechtfertigt, nicht jedem den Zutritt zu dem Privileg einer beschränkten Haftung zu gewähren. Die Zielsetzung des Garantiekapitals -die Gläubigersicherung- ist damit nur eingeschränkt gewährleistet. Eingeschränkt insofern, als im Konkurs der Gesellschaft kein Haftungsfond zur Befriedigung der Gläubiger besteht. Die Gläubiger werden nur im Vorfeld des Konkurses geschützt, indem unlauteren Gesellschaftern die Tätigkeitsaufnahme erschwert wird (Funktion der Seriositätsschwelle) und leichte wirtschaftliche Verluste nicht sofort das Ende der Geschäftstätigkeit bedeuten (Pufferfunktion).
7
Siehe dazu die Daten bei Doehring, KTS 1993, 197 ff.
8 Lutter, FS Riesenfeld S. 165, 168, spricht von einem "Risikopolster" ; Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 59; Stimpel, FS Gordeler, 1987, S. 601, 608; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 10 IV.l.b., S. 577. 9
Lutter, FS Riesenfeld S. 165, 168.
10 K. Schmidt, GeseIIR, § 18 IV S. 437; Lutter, FS Riesenfeld, S. 165, 168; Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 59; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 10 IV I.b., S. 576 f.
44
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Hat das Stammkapital die Aufgabe, die Seriosität und den Bestand der Gesellschaft zu schützen, stellt sich die Frage, in welcher Höhe das Eigenkapital festgelegt wird. Inwieweit die beiden Funktionen ausgefüllt werden können, hängt prinzipiell davon ab, welchen Geschäftsumfang und welches Geschäftsrisiko die jeweilige Gesellschaft eingeht. Die wirtschaftlichen Risiken eines internationalen Chemie- Unternehmens etwa werden ungleich größer sein als die eines Installationsgeschäftes. Daher liegt es nahe, ein flexibles Mindestkapital zu fordern, abhängig von den wirtschaftlichen Eckdaten der Gesellschaft. Der Gesetzgeber ll hat diese Überlegung nicht umgesetzt. In den Reformüberlegungen zum GmbH-Recht ist das Modell eines flexiblen Kapitalsystems zwar diskutiert worden l2 , konnte sich aber nicht behaupten. Der Grund dafür liegt in der Unmöglichkeit, eine angemessene Kapitalausstattung festzulegen, die sich am Geschäftsumfang und -risiko orientiert 13 • Die Rechtssicherheit wäre gefährdet, wenn es den Gesellschaftern in der Praxis kaum möglich wäre, herauszufmden, welche Kapitalausstattung für ihren Betrieb angemessen wäre und vor dem Gesetz Bestand hätte l4 • Folgerichtig legt das Gesetz für die GmbH daher ein fixes Stammkapital von 50.000 DM und für die AG ein Grundkapital von 100.000 DM fest. Die Gesellschafter sind lediglich verpflichtet, das Eigenkapital in der genannten Höhe aufzubringen. Außerhalb dieser Grenzen können die Gesellschafter privatautonom entscheiden, ob und in welcher Höhe sie der Gesellschaft Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung stellen. Zu Recht wird in diesem Zusammenhang von der Finanzierungsfreiheit lS gesprochen. Als Kehrseite der Medaille ist der
11 Dazu die Überlegungen ReGE BT Drucks. 81 1347, S. 38 f, sowie die Erwägungen der Rechtsausschusses, BT Drucks. 81 3908, S. 68. 12
Nachweise zu dieser Diskussion beim Arbeitskreis GmbH- Reform, Bd. 11, S. 13 f.
13 Büschgen, GmbHR 1974, 25 ff; Herrmann, ZGR 1989, 273, 279 in Fn. 24, 26 mwN; Kruschwitz, in AlberslHerrmann (Hrsg.), S. 207, 231; Vonnemann, GmbHR 1992, 77 ff; Wüst, JZ 1985, 817, 818; ders., DStR, 1991, 1388, 1389; Hachenburgl Ulmer, Anh. § 30 Rn. 10.
14 Die Überlegungen des Gesetzgebers sind dokumentiert in ReGE BT Drucks. 81 1347, S. 38 f. Die Erwägungen der Rechtsausschusses in, BT Drucks. 81 3908, S. 68. 15
Zu dieser Wertungsgrundlage des Kapitalersatzrechtes Scholzl K. Schmidt, §§ 32
a, 32 b Rn. 4.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
45
Gläubiger grundsätzlich selbst verpflichtet, das Kreditrisiko auszuhandeln gemäß dem juristischen Prinzip des caveat creditor.
2. Aufteilung des Verlustrisikos wAhrend der werbenden Geschllftstlltigkeit
Die Unternehmensfinanzierung kann außerhalb der Regeln über die Kapitalautbringung und -erhaltung durch die Gesellschafter privatautonom festgelegt werden. Im Laufe der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft steht es den Gesellschaftern frei, ob sie die Unternehmenstätigkeitmit Eigen- oder mit Frerndkapital von außenstehenden Dritten oder aus Gesellschafterhand finanzieren. Die Freiheit fmdet ihre Grenzen aber in dem Moment, in dem kein außenstehender Kreditgeber mehr bereit ist, weitere Darlehen zur Verfügung zu stellen. Das wird der Fall sein, wenn entweder die Geschäftsaussichten und die Fähigkeit der Gesellschaft, die Darlehen zurückzuzahlen, als nicht befriedigend beurteilt werden oder die Gesellschaft nicht über genügend Eigenkapital verfügt, um mögliche Verluste aufzufangen. Beide Merkmale stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Je schlechter die Geschäftsaussichten, desto größer muß die Eigenkapitalausstattung sein und umgekehrt: Je besser die Geschäftsaussichten, desto geringere Anforderungen werden an die Eigenkapitalausstattung gestellt. Das Abhängigkeitsverhältnis beruht auf dem Umstand, daß zunächst das Eigenkapital von den wirtschaftlichen Verlusten betroffen wird und erst dann das Fremdkapital. Je höher die Eigenkapitalquote des Unternehmens ist, desto länger kann eine verlustreiche Zeit im wirtschaftlichen Leben der Gesellschaft andauern und desto später werden die Gläubiger von den Verlusten betroffen. Welches Risiko die Gläubiger der Gesellschaft tragen, hängt also zum einen davon ab, wie die geschäftliche Entwicklung des Unternehmens verläuft und wann das Finanzpolster der Gesellschaft verbraucht ist. Zum anderen ist entscheidend, wie lange die Gläubiger gewillt sind, an die Gesellschaft Kredite zu vergeben. Ebenso wie die Gläubiger können auch die Gesellschafter ihr Unternehmen mit Darlehen fmanzieren. Diese Form der Finanzierung ist für die Gesellschafter vorteilhaft, weil sie sich aus haftungsrechtlicher Sicht auf der gleichen Stufe wie die Drittgläubiger befinden und ihre Darlehen nicht zuerst von Verlusten betroffen werden. Nachteile ergeben sich aus dem Verhalten Dritter, die bei mangelndem Eigenkapital nicht bereit sein werden, weitere Kredite zu vergeben.
46
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Die Entscheidung der Gesellschafter, ob sie mit Eigen- oder Fremdkapital finanzieren, ist daher nicht vollkommen frei, sondern wird zum einen durch die eigene Bereitschaft bestimmt, haftendes Kapital der Gesellschaft zuzuführen, zum anderen durch die Bereitschaft Dritter, weiter Fremdkapital zur Verfügung zu stellen. Insoweit bestimmen sich die Grenzen der Finanzierungsfreiheitnach dem Verhalten der Teilnehmer auf dem Kapitalmarkt 16 • Im Ergebnis läßt sich damit feststellen, daß der Wettbewerbsprozeß auf dem Kapitalmarkt die Grenzen der Finanzierungsfreiheit festlegt. Damit liegt ein konkretes Beispiel fiir die ökonomische Wettbewerbsfunktion der optimalen Faktorallokation vor. Danach lenkt der Wettbewerb die Produktionsfaktoren (hier das Kapital) in ihrer produktivsten Einsatzmöglichkeit. Dadurch werden bei gegebenen Stand der Technik die Gesamtkosten gesenkt bzw. das Output gesteigert l1 . Für die vorliegende Arbeit bedeutet diese Feststellung folgendes: Eine Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen wirft nicht nur haftungsrechtliche Fragen auf, sondern berührt in jedem Fall auch Aspekte ökonomischer Wettbewerbsfunktionen auf dem Kapitalmarkt.
3. Repressiver Schutz wegen materieller Unterkapitalisierung
Es kann der Fall eintreten, daß eine Gesellschaft mit einem formell ordnungsgemäßen Stammkapital tätig wird, das aber materiell in einem Mißverhältnis zu dem Geschäftsumfang und -risiko des Unternehmens steht. Gefahrlich ist diese Konstellation, weil schon kleinere Verluste -im Verhältnis zum Geschäftsumfang- eine Überschuldung verursachen und so zu einer Liquidation der Gesellschaft führen. Wirtschaftliche Probleme eines Unternehmens sind in einer solchen Situation gleichbedeutend mit Konkurs und Benachteiligung fiir
16 Herkömmlicherweise werden die Finanzmärkte in Geldmarkt und Kapitalmarkt unterschieden, abhängig von der Fristigkeit der Anlage: Geldmarkt als Markt für kurzfristige Kredite, Kapitalmarkt als Markt fllr langfristige Kredite. Abgesehen von dieser Definition gehört eine genaue Begriffsbildung zu den umstrittenen Fragen der Wirtschaftswissenschaft. Der Kapitalmarkt wird teilweise auch durch die zentralen Institutionen Aktiengesellschaft und Börse bestimmt, vgl. daiu Assmann in AssmannlSchütze, Handbuch des KapitaIanlegerrechts, § 1 Rn. 3, 5 ff. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll Kapitalmarkt nach der herkömmlichen und damit weiteren Definition verstanden werden. 17 Vgl. ausfllhrlich zu den ökonomischen Wettbewerbsfunktionen Schmidt, 1., Wettbewerbstheorie und -politik, 1981, S. 15 ff.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
47
die Gläubiger. Wegen der fehlenden Kapitalausstattung wird die materielle Unterkapitalisierung pointiert auch als "Nicht- Kapitalisierung"18 bezeichnet. Als Schutz fiir die Gläubiger kommt in solchen Fällen ein Haftungsdurchgriff wegen materieller Unterkapitalisierung in Frage l9 • Demnach haftet neben dem Gesellschaftsvermögen zusätzlich das Privatvermögen der Gesellschafter; die Trennungswirkung der beschränkten Haftung wird aufgehoben. Die Begründung, der Tatbestand und die Rechtsfolgen des Institutes Durchgriffshaftung werden in der Literatur sehr unterschiedlich beurteilfo. Die dogmatischen Erklärungsansätze reichen von den subjektiven Mißbrauchsiehren21 über die Erklärungshaftung hin zu der Organisationsfehlerhaftung22 . Während in letzter Zeit verschiedene Ansätze auch ein derartiges Haftungsinstitut wegen eines fehlenden rechtspolitischen Bedürfnisses, den Methodenproblemen oder der unzureichenden Begründung generell ablehnen23 , wird heute von der überwiegenden Meinung24 im Schrifttum die Normzwecklehre 25 in unterschiedlicher Ausprägung vertreten. Darin wird die Möglichkeit gesehen, über die Regeln der Kapitalaufbringung und -erhaltung hinaus eine materielle Finanzierungsregel im Interesse der Gläubiger zu formulieren26 . Da keine positive Rechtspflicht zu einer angemessenen Kapitalausstattung besteht und zusätzlich die Betriebswirtschaft keine verbindlichen Finanzierungsregeln zur Festlegung einer solchen Pflicht bietef7 , wird der Tatbestand der Durchgriffshaftung folgendermaßen 18 Eine Fonnel von K. Schmidt, ZIP 1981,689,690. 19 Dazu finden sich Übersichten bei: Hachenburg/ Ulmer, Anh. § 30 Rn. 35 ff; Scholz! Emmerich, § 13 Rn. 82 ff; Lutter/Hommelhoff, § 13 Rn. 9; Vonnemann, GmbHR 1992, S. 77 ff; umfassend aus neuerer Zeit Roth, ZGR 1993, 170 ff. 20
Siehe Fn. zuvor.
21 So etwa Serick, S. 45 ff, 205 ff; Westennann, H.P., Typengesetzlichkeit, S. 295. 22
Vgl. mit gutem Überblick: Weitbrecht, S. 35 ff, Drüke, S. 37 ff; Drax, S. 96 ff.
23 Weitbrecht, S. 66 ff; Drax, S. 96 ff; Vonnemann,GmbHR 1992, 77, 79 f, der schon ein rechtspolitisches Bedürfnis für eine Durchgriffshaftung verneint. 24 Einen Überblick geben Scholz! Emmerich, § 13 Rn. 81; Hachenburg/ Ulmer, Anh. § 30 Rn. 55; umfassend Drüke, S. 30 ff. 25 Die Normzwecklehre wurde begründet von Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), S. 522 ff. Dieser Konstruktion folgen u.a. Coing, NJW 1977, 1793 ff;Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 316; Immenga, S. 402. 26 Vgl. Lutter, FS Riesenfeld, S. 168, 173 f. 27
Büschgen, GmbHR 1974, 25 ff; Hernnann, ZGR 1989, 273, 279 in Fn. 24, 26
48
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
definiert: Die Haftungsbeschränkung wird zu Gunsten der Gläubiger aufgehoben, wenn die fmanzielle Ausstattung "eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichend ist und einen Mißerfolg zu Lasten der Gläubiger bei normalen Geschäftsverlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten läßt"28. Ausschließlich für diese Fälle einer qualifizierten materiellen Unterkapitalisierung bejaht das Schrifttum eine zusätzliche persönliche Haftung der Gesellschafter. Die höchstrichterliche Rechtsprechung29 hatte sich bisher in nur sehr wenigen Fällen mit einer Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung zu beschäftigen. Bislang hat der Bundesgerichtshoro ein solches Haftungskonzept -abgesehen von einem Ausnahmefall31 - nicht übernommen. Zwar wird der Problemkreis in den Urteilen angesprochen, doch entweder wird die Frage einer Durchgriffshaftung offengelassen32 oder abgelehnf 3. Die Fälle einer materiellen Unterkapitalisierung löst der Bundesgerichtshor4 über die Delikts-
mwN; Vonnemann, GmbHR 1992, 77 ff; Wüst, JZ 1985,817,818; ders., DStR, 1991, 1388, 1389; HachenburglUlmer, Anh. § 30 Rn. 10. 28
So die "Ulmersche Formel", Hachenburgl Ulmer, Anh. § 30 Rn. 23.
29 Eine umfassende Darstellung der Rechtsprechung geben Weitbrecht, S. 58 ff; ScholZ} Emmerich, § 13 Rn. 85 ff.
30 Das BSG hat 1983 in einem Fall eine auf Unterkapitalisierung beruhende Durchgriffshaftung bejaht, BSGE 56, 76; dazu Weitbrecht, S. 64. 31 BGHZ 54, 222, 224 f, "Siedlerverein" Entscheidung. Darin ging es um einen von Anfang an vermögenslosen eingetragenen Verein, der ein gepachtetes Grundstück an seine Mitglieder weiterverpachtet hatte. Der Verein war nur zu dem Zweck gegründet worden, die Pachtzinsen von den Mitgliedern einzuziehen und sie an den Verpächter weiterzuleiten. Auf Inititative der späteren Klägerin wurde der Verein erfolgreich auf die Zahlung einer erhöhten Pacht verklagt. Da der Verein selbst kein Vermögen besaß, konnte die Verpächterin die erhöhten Pachtzinsen solange nicht durchsetzen, wie die Unterpächter nicht den erhöhten Pachtzins zahlten. Der BGH gab der Klage gegen die Unterpächter statt, ohne das Problem des Haftungsdurchgriffes zu diskutieren. 32
BGH, GmbHR 1958,111, 112; BGH WM 1977,73,75; BGH BB 1981,750,751.
33 BGHZ 68, 312, 316 ff; BGH ZIP 1996, 1134, 1135 f: Selbst wenn der Verlust innerhalb eines Jahres die Einlagen übersteigt reicht dies nicht aus, um eine Durchgriffshaftung zu rechtfertigen. BGH BB 1972, 111, 112. 34 BGH NJW 1977, 1449; BGH NJW-RR 1988, 1181, BGH WM 1992, 736; vgl. auch ScholzlEmmerich, § 13 Rn. 89,91 mwN.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
49
haftung des § 826 BGB, wobei das Gericht an die subjektiven Voraussetzungen nur sehr geringe Anforderungen stellf s. Im Hinblick auf die gläubigerschützende Funktion hat eine Haftung wegen qualiflzierter materieller Unterkapitalisierung keine nennenswerte Bedeutung. Das Haftungsinstitut stellt de facto in Deutschland kaum gesprochenes Recht dar 6 • Daß die Gerichte sich dieses Schutzes nicht bedienen, liegt - neben den dogmatischen Schwierigkeiten- daran, daß nur ein geringes Bedürfnis fiir einen Haftungsdurchgriff wegen materieller Unterkapitalisierung besteht. Die These erscheint zunächst widersprüchlich, weil - wie oben gesehen - eine "Nicht- Kapitalisierung" unmittelbar bei unternehmerischen Verlusten zu einem Konkurs und zu einem Ausfall der Gläubiger führt. Tatsächlich verursacht die qualifIZierte Unterkapitalisierung jedoch keine beträchtliche Gläubigergefahrdung, denn die unzureichende Kapitalausstattung der Gesellschaft steht ihr "ins Gesicht geschrieben,m. Damit können die Gläubiger leichter eine Einschätzung über ihre Kreditvergabebedingungen vornehmen. Die Drittgläubiger können sich nach Prüfung der wirtschaftlichen Situation selbst schützen, indem sie entweder zusätzliche Sicherheiten verlangen oder von einem Vertragsschluß Abstand nehmen. Im Zusammenhang mit dem Gläubigerschutz ist nicht allein die Kapitalausstattung maßgebend, sondern auch, ob das wirtschaftliche Risiko zutreffend eingeschätzt werden kann. Die geringe praktische Bedeutung der materiellen Unterkapitalisierung spiegelt sich in der fehlenden Rechtsprechung wider. Eine besondere Benachteiligungsgefahr entsteht erst, wenn die Gläubiger meinen, mit einem gesunden Unternehmen zu kontrahieren, das tatsächlich nur noch künstlich am Leben gehalten wird. Erhält die Gesellschaft noch Finanzmittel, auch in Darlehensform, werden gerade diese Fälle von einem Haftungsdurchgriff wegen qualiflzierter Unterkapitalisierung nicht erfaßt, denn aus-
35 Hachenburg/ Ulmer, Anh. § 30 Rn. 49 spricht in diesem Zusammenhang von der materiel\en Unterkapitalisierung als besonderer Fal\gruppe des § 826 BGB. 36 Lutter, DB 1994, 129, 129 meint deshalb zu Recht, die Existenz und Erörterung einer Durchgriffshaftung stehe in einem ganz und gar umgekehrten Verhältnis zu ihrer Bedeutung. 37
So wörtlich Weitbrecht, S. 74.
4 Gchdc
50
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
schlag gebend ist immer die gesamte Kapitalausstattung, unabhängig von einer Fremdmittelquote38 • Insgesamt haben die Gerichte bislang kaum ein Bedürfuis für einen Haftungsdurchgriff aufgrund materieller Unterkapitalisierung gesehen. Sie haben sich nicht von der Notwendigkeit einer Durchgriffshaftung aufgrund einer materiellen Unterkapitalisierung überzeugen lassen39 • Für einzelne Sonderfälle einer Benachteiligung bleibt den Gerichten die deliktische Haftung nach § 826 BGB.
4. Repressiver Schutz wegen nomineller Unterkapitalisierung
Die Gesellschafter können eine materielle Unterkapitalisierung nicht nur durch Eigenkapital, sondern auch in Form von Gesellschafterdarlehen ausgleichen. In diesen Fällen ist die Gesellschaft nominell unterkapitalisiert, d.h. nur der Stammkapitalziffer, nicht aber einem "tatsächlichen" Kapitalbedarf nach. Die nominelle Unterkapitalisierung beschreibt die Gläubigergefährdung, die entsteht, wenn die Fortführung einer mit unzureichendem Eigenkapital ausgestatteten Gesellschaft aufgrund von Gesellschafterdarlehenmöglich ist. Im Rahmen der Finanzierungsfreiheit sind Gesellschafterdarlehen nicht nur eine wirtschaftlich sinnvolle, sondern auch eine grundsätzlich legitime Form der Unternehmensfinanzierung40 • Die im Wirtschaftsleben weitverbreitete Darlehensfinanzierung gefährdet die Gläubiger an sich nicht. Solange die Erfolgserwartung des Unternehmens hinreichend groß ist, d.h. der geschäftliche Erfolg mit hoher Wahrscheinlichkeit oder gar mit 100%iger Sicherheit eintritt, werden die Kredite samt Zinsen in jedem Fall zurückgezahlt41 • Eine Gläubigergefährdung entsteht erst dann, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet - die Erfolgserwartung gesunken ist - und durch die Darlehen ein Konkurs abgewen-
38
Hachenburgl Ulmer, § 30 Anh. Rn. 49.
39
So ausdrücklich Lutter, DB 1994, 129, 129 Fn.5.
40 Hommelhoffl Kleindiek, FS 100 Jahre GmbHG, S. 421 f. Zu den Motiven einer Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen siehe Kapit. 1. A. IV.
41 Roth, ZGR 1993, 173, 177. Allgemein zu dem Zusammenhang von Eigen-, Fremdkapital und den Erfolgserwartungen vgl.: Adams und Roth, in: Ottl Schäfer, Ökonomische Probleme des Zivilrechts, 1991, S. 193, 226; Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, 1991.
A. Überblick Ober die systembildenden Voraussetzungen
5\
det werden soll. Kann die Gesellschaft zu marktüblichen Bedingungen keinen Kredit mehr von Dritten erhalten, müßte sie liquidiert werden. In einer solchen Lage reicht die Kapitalausstattung nicht, um die werbende Tätigkeit im Wirtschaftsleben weiter zu fiihren. Die Fortfiihrung einer nicht mehrfortfiihrungswürdigen Gesellschaft, die nur noch mit Gesellschafterdarlehen möglich ist, wälzt das Verlustrisiko auf die Gläubiger ab42 • Es besteht zum einen die Gefahr43 , daß sich die Gesellschafter im Konkurs vorrangig oder konkurrierend mit den Gläubigem aus dem noch bestehenden Gesellschaftsvermögen befriedigen. Zum anderen ist eine Gläubigerbenachteiligung darin zu sehen, daß durch
42 Die Fortführung eines nicht mehr fortführungswürdigen Unternehmens ist auch in der Betriebswirtschaftslehre ein bekanntes Phänomen. (vgJ. Swoboda, Unternehmensfinanzierung, S. 49, 57 f; Schmidt, R., KUK 1981, 186, 206; Ewert, S. 12 ff) Dort wird es auf der Grundlage der Agency Theorie analysiert. (dazu Picot, S. 143 ff; grundlegend der Aufsatz von JensenJMeckling,1. Fin. Econ. 1976, 305 ff) Im Rahmen dieser rechtswissenschaftlichen Arbeit soll es genügen, die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse kurz vorzustellen und auf die Arbeiten der Ökonomen zu verweisen. ( Klaus, ZBB 1994, 247 ff). Nach der Agency Theorie besteht zwischen den Fremdkapitalgebern und den Gesellschaftern ein Auftragsverhältnis, bei dem die Fremdkapitalgeber der Prinzipal und die Gesellschafter die Agenten sind. Die fremdfinanzierungsbedingten Agency Probleme entstehen nun dadurch, daß zwischen den Parteien Interessendivergenzen und Informationsassymetrien bestehen. Der Theorie nach wird angenommen, daß die Gesellschafter ein nicht mehr fortführungswürdiges Unternehmen weiterführen, wenn sie aus dem weiteren Geschäftsbetrieb größere Vermögensvorteile ziehen können als aus einer Liquidation. Inwiefern die Gesellschafter die Verluste auf die Gläubiger abwälzen, wird anhand von mathematischen Modellen berechnet (dazu ausführlich Klaus, ZBB 1994, 247,250 ff; ders., Gesellschafterfremdfinanzierung und Eigenkapitalersatzrecht bei der Aktiengesellschaft und der GmbH, 1994, S. 333 ff). Im Ergebnis führt die Gesellschafterfremdfinanzierung zu einem erhöhten Anreiz, eine nicht mehr fortführungswürdige Gesellschaft weiterzubetreiben. Da es für die Gesellschafter die höchsten Vermögensvorteile bringt, ist eine Fortführung von Unternehmen mittels Gesellschafterdarlehen die überlegene Alternative. Mit diesen Modellrechnungen wird nachgewiesen, daß die plausible Argumentation des Bundesgerichtshofes über die Abwälzung des Verlustrisikos tatsächlich stimmt. 43 Die spezifische Gefahr einer nominellen UnterkapitaIisierung für die Gläubiger - im Gegensatz zu der materiellen Unterkapitalisierung - entsteht durch die fehlende Möglichkeit der Krediteinschätzung. Wird der Fortbestand der Gesellschaft in der Krise ermöglicht, ergibt sich bei außenstehenden Dritten der Eindruck einer mit genügend Kapital ausgestatteten und daher lebensfähigen Gesellschaft. Die Gläubiger eines scheinbar gesunden Unternehmens werden eher bereit sein, weitere Kredite zu gewähren, Forderungen zu stunden oder neue Zahlungsziele zu gestatten. Da auch Neu- Gläubiger zu einem Vertragsabschluß mit der Gesellschaft verleitet werden, besteht eine größere Gefahr, daß die Verluste auf die Gläubiger abgewälzt werden.
4*
52
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
eine Darlehensfinanzierung die Krise der Gesellschaft nur verschleppt und das verbliebene Vermögen zu Lasten der Gläubiger noch weiter verringert wird44 • Die beschriebenen Gläubigerbenachteiligungen können auch unter dem Aspekt ökonomischer Wettbewerbsfunktion45 formuliert werden. Der Wettbewerb leitet das Kapital in seiner produktivsten Einsatzmöglichkeit (optimale Faktorallokation46 ). Dadurch können entweder die Kosten gesenkt werden oder das Output wird gesteigert. Führen die Gesellschafter aber eine nicht mehr fortführungswürdige Gesellschaft mit Gesellschafterdarlehen weiter, dann kommt es gerade nicht zu einer optimalen Faktorallokation. Damit steht die Gesellschafterfremdfinanzierung im Spannungsverhältnis zwischen der Finanzierungsfreiheit auf der einen Seite und dem Versuch, das einseitige Abwälzen des Verlustrisikos auf die Gläubiger zu verhindern auf der anderen Seite. Hierfür hat der Bundesgerichtshof die Regeln des Eigenkapitalersatzrechts statuiert. Demnach werden Gesellschafterdarlehenwie Eigenkapital behandelt; in der Krise können die Mittel nur unter bestimmten Voraussetzungen abgezogen werden, während im Konkurs die Geltendmachung der Forderung gänzlich ausgeschlossen ist. Zu der Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehenhat sich schon früh - im Gegensatz zum Haftungsdurchgriff - eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt47 , die 1980 mit den §§ 32 a, b GmbHG und § 32 a KO sowie § 3 b AnfG durch die GmbH-Novelle gesetzlich normiert wurde. Das Recht des Kapitalersatzes ist seit den sechziger Jahren unter breiter Zustimmung des Schrifttums durch die Rechtsprechung auch nach der GmbH- Novelle weiter fortgebildet und verfestigt worden48 und gilt neben den Regeln über die Kapitalaufbringung und -erhaltung. Der Bundesgerichtshof hat als tragendes Prinzip die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung49 entwickelt. Danach hat der Gesellschafter in der Unternehmenskrise die
44
Zu den möglichen Gläubigergefährdungen sehr plastisch zuletzt BGHZ 109, 55, 57.
45 Zum Begriff und Zielsetzungen ökonomischer Wettbewerbsfunktionen, Schmidt, 1., Wettbewerbstheorie und -politik, S. 15 ff. 46 Zu dieser ökonomischen Wettbewerbsfunktion Schmidt, 1., Wettbewerhstheorie und -politik, S. 15. 47
Vgl. dazu die Ausführungen unter A. 11.
48
Dazu ebenfalls weiteres unter A. 11.
49
Vgl. nur BGHZ 121,31,35.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
53
Wah1 50 : Entweder hat er seine Unterstützung einzustellen und dadurch die Liquidation herbeizuführen oder, wenn er die Geschäfte fortsetzen will, muß er der Gesellschaft Mittel zuführen, die Haftkapital sind. Gewährt er -entgegen der Regel- anstelle von haftendem Eigenkapital eine andere Finanzierungsart, werden die Mittel im Konkurs umqualifiziert. Damit ist der Gesellschafternicht verpflichtet, in der Krise Kapital zuzuschießen. Nur wenn er sich dazu ent~ schließt, muß er haftendes Eigenkapital zuführen.
S. Zusammenfassung
Die Rechtsordnung regelt die Unternehmensfinanzierung lediglich mit einem Mindestprogramm51 • Solange die Gesellschafter die Regeln zur Kapitalaufbringung und -erhaltung befolgen, steht es ihnen im Grundsatz frei, ob und wie sie ihre Gesellschaft finanzieren. Sie besitzen die Finanzierungsfreiheit. Diese rechtliche Wertung findet zunächst ihre Grenzen in der Bereitschaft Dritter: Wenn Dritte nicht mehr bereit sind, der Gesellschaft Fremdkapital zuzuführen, sind die Gesellschafter gezwungen, entweder Eigenkapital oder Fremdkapital aus Gesellschafterhand aufzubringen. Hier setzen die Regeln der Rechtsprechung zur nominellen Unterkapitalisierung sowie § 32 a GmbHG ein. In der Krise kann der Gesellschafter frei entscheiden, ob er das Unternehmen weiter finanzieren will oder liquidiert. Hat er sich aber zur Fortführung entschieden, muß er haftendes Eigenkapital zuführen.
11. Die rechtliche Entwicklung zur Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital auf dem Gebiet der Gesellschafterdarlehen 1. Rechtsprechungsgrundsitze des Eigenkapitalersatzes bis zur GmbH Novelle 1980
Am 16. November 1937 hatte das Reichsgericht erstmals die Darlehensgewährung seitens der Gesellschafter im Konkurs zu beurteilen52 • Die Finan-
50
Vgl. BGHZ 109,55,57 f; 121,31,35 f.
51
Dazu auch v. Gerkanl Hommelhoff, Kapitalersatz, S. 5.
52
RG, JW 1938, S. 862.
54
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
zierung mit Darlehen in der Krise sah das Gericht in diesem Fall als Versuch der Gesellschafter an, die eigenen Verluste gering zu halten und dadurch die Gläubiger zu schädigen. Diesem als gläubigerschädigend und daher als mißbräuchlich klassifIzierten Verhalten begegnete das Gericht mit dem Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigung gern. § 826 BGB s3 • Daß es auf eine Vorschrift des BGB über die sittenwidrige Schädigung zurückgriff, läßt erkennen, daß es sich um die Korrektur eines individuellen Fehlverhaltens im Einzelfall handelt. Anders löste das Reichsgericht das Problem in einer späteren Entscheidung vom 3. Dezember 1938 s4 • Darin vertritt es eine grundlegende Sicht des Problems einer Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen, wenn es heißt: Das Gericht behandelt "die angeblichen Darlehen als das, was sie in Wirklichkeit sind, nämlich als Gesellschaftereinlagen"ss. Darin kommt eine Gleichbehandlung von Gesellschafterdarlehen mit Eigenkapital der Gesellschaft zum Ausdruck, die von einer einzelfallbezogenen Sicht abweicht. Das Gericht erkennt, daß es sich nicht um eine individuelle Schädigung handelt, sondern um ein grundsätzliches Problem der UnternehmensfInanzierung mittels Gesellschafterdarlehen. Der BGH begann seine Rechtsfortbildung auf dem Gebiet des Eigenkapitalersatzrechtes mit den Lufttaxientscheidungens6 . Er löste sich in den genannten Urteilen von dem Maßstab des § 826 BGB, blieb aber bei einem individualistischen Ansatz in der Beurteilung der Gesellschafterdarlehen. Die Frage, ob das GesellschafterdarlehenEigenkapital darstellt, wurde danach beantwortet, inwiefern die Mittel unter Beachtung der konkreten Verhältnisse das Ziel hatten, einen Konkurs abzuwenden. Wurde der Zweck -die Konkursabwendung- nicht erreicht, schloß das Gericht daraus, daß die Darlehen der Gesellschafter als haftendes Kapital zu werten sind. Die Zahlungen Dritter dürften nicht dazu führen, daß die Gesellschaft den Gesellschaftern ihre Mittel vorzeitig zurückgewährt bzw. ihnen schuldet. Wenn zur Unzeit -also bevor der Zweck Konkurs-
53
RG, JW 1938, S. 862, 864 f.
54
RG, JW 1939, 355.
55 RG, JW 1939, 355, 356; ScholzlK. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b, Rn. 11 bezeichnet diesen Satz als den Kern der Grundsätze über kapitalersetzende Darlehen. Claussen, FS Forster 1992, S.141, 141, Fn.l kritisiert die Aussage als ZirkeIschluß. 56 Lufttaxi 1 1959, BGHZ 31, 258,268 ff; Lufttaxi 21963, BGH WM 1963, S. 121. Dazu instruktiv Westermann in Albers/Herrmann (Hrsg.), Elemente erfolgreicher Unternehmenspolitik, 1988, S. 267 ff.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
55
abwendung erreicht war- die Mittel zurückgewährt wurden, gab § 31 I GmbHG analog einen Erstattungsanspruch. Somit ordnete der BGH die Beurteilung der Gesellschafterdarlehen in die zentralen Vorschriften zur Kapitalerhaltung den §§ 30, 31 GmbHG eins7 • Während der Tatbestand des Kapitalersatzes noch ungenau unter Berücksichtigung allgemeiner Billigkeitserwägungen beschrieben wurde, war die Rechtsfolge mit dem System der Kapitalerhaltung eindeutig festgelegt. Insofern ist es gerechtfertigt, als prägende Merkmale des Kapitalersatzes sowohl individualistische als auch institutionelle Elemente zu nennen S8 • Diesem ersten Entwicklungsschritt des BGH folgten drei weitere, in denen das Gericht die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen vom Einzelfall zu einer gefestigten Rechtsprechung ausbildete s9 • In der zweiten Entwicklungsstufe wurde neben der Verfestigung der Kapitalerhaltung mit den §§ 30,31 GmbHG als Grundlage fiir die Beurteilung eigenkapitalersetzenderGesellschafterdarlehender Tatbestand fiir eine Umqualifizierung genauer beschrieben und erfaßt60 • Die Schwierigkeit bestand darin, eine eindeutige und überzeugende Grenze zwischen Eigenkapital und Fremdkapital zu finden, denn nicht jedes Gesellschafterdarlehensollte urnqualifiziertwerden. Der BGH61 führte aus, daß das Risiko aus der Fortführung eines unzureichend mit Kapital ausgestatteten Unternehmens nicht auf die Gläubiger abgewälzt werden dürfe. Eine Risikoabwälzung ist dann zu befiirchten, wenn die Gesellschaft ohne die zusätzlichen Gesellschaftermittel nicht mehr lebensfähig wäre, also außenstehende Dritte nicht bereit wären, die Gesellschaft weiter zu stützen, und sie so liquidiert werden müßte. Aus dem Gedanken der Risikoabwälzung hat das Gericht ein neues Merkmal zur Bestimmung des Eigenkapitalcharakters der Gesellschaftermittel entwickelt. Wäre kein außenstehender Dritter bereit, der Gesellschaft zu marktüblichen Bedingungen einen Kredit zu gewähren, liegt die Gefahr der Risikoabwälzung, also daß der Gesellschafter sein eigenes
57 Aus diesem Grund wird von den Rechtsprechungsregeln auch als der gesellschaftsrechtlichen Lösung gesprochen. 58
Hommelhoff, ZGR 1988,463, 469.
59 Dazu Hommelhoff, ZGR 1988, S. 463, 466 ff; Hommelhoffl Kleindiek, in FS 100 Jahre GmbHG 1992, S. 421, 430. 60
Homme1hoff, ZGR 1988, S. 463,470.
61
"Deckenputz"-Urteil, BGH WM 1972, 74.
56
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Verlustrisiko minimieren möchte, nahe. Dadurch, daß von der Bereitschaft Dritter, Darlehen zu gewähren, auf die Kapitalausstattung der Gesellschaft geschlossen wird, steht nicht mehr ein Fehlverhalten des einzelnen Gesellschafters im Vordergrund, sondern die Beurteilung des Unternehmens durch eine Marktentscheidung62 . Damit setzt sich eine institutionelle Betrachtungsweise durch. Daß eine institutionelle Sicht an Einfluß gewinnt, läßt sich auch damit begründen, daß der BGH die Regeln der Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatz auf andere Weise ausdehnt. In der Grundsatzentscheidung wurde der Anwendungsbereich der §§ 30, 31 Abs. 1 GmbHG auch auf eigenkapitalersetzende Darlehen an eine GmbH & Co. KG erweitert63 . Durch die institutionelle Sichtweise konnte der Tatbestand des Kapitalersatzeserstmals präzise beschrieben werden. Auf der dritten Stufe wird die bisherige Rechtsprechung durch mehrere höchstrichterliche Entscheidungen lediglich bestätigt64 • Auf dieser Ebene ging es um eine weitere Verfestigung der gefundenen Grundsätze anband des rechtstatsächlichen Materials, das den Gerichten vorlag6~. Im Schrifttum wurde die Rechtsprechung des BGH im Ergebnis begrüßt, war aber in der dogmatischen Begründung umstritten66 . Den Schlußpunkt der Entwicklung bildet die Entscheidung aus dem Jahr 1980 im 76. Band67 . Mit diesem Urteil hat der BGH seine Rechtsprechung
62
Zu den Einzelheiten einer Marktentscheidung siehe unten B.H.
63 BGHZ 60, 324, 328. Das Erstattungsverbot des § 30 GmbHG und die Rückzahlungsverpflichtung des § 31 Abs. I GmbHG gilt für eine eigenkapitalersetzendes Darlehen eines Kommanditisten an die KG, wenn er gleichzeitig an GmbH und KG beteiligt ist. Der Grund für die Ausdehnung liegt in der wirtschaftlichen Verknüpfung der GmbH und der KG. Die persönliche Haftung der KG wirkt auf das Stammkapital der GmbH, so daß eine Pflicht zur Erhaltung des Stammkapitals erwächst. &!
BGHZ 67, 171; 69, 274; 75, 334.
65
Hommelhoff, ZGR 1988, S. 463, 471.
66 Vgl. dazu die Besprechungen von Klasmeyer, ZIP 1980, 117; K. Schmidt, ZGR 1980,567.
67 BGHZ 76, 326, 332 ff; 81,311,318; 81,365,367; 90, 370, 376; \05, 168, 181; 119,207; 121,31,38; für die AG BGHZ: 90,381,384 ff; für die GmbH & Co. KG: BHZ 67, 171, 174 ff; Mit dem Merkmal der Kreditunwürdigkeit bezog sich der BGH auf Anregungen aus der Literatur: Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 40; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 30 Anh. Rn. 24.
A. Überblick Ober die systembildenden Voraussetzungen
57
konsolidiert und die wichtigsten Grundsätze eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen festgelegt68 . Der Zeitpunkt war aus zweierlei Gründen günstig: Zum einen lag ausreichend Tatsachenmaterial vor, um die einzelnen Probleme im Rechtstatsächlichen zu überblicken, zum anderen hatten zwei wissenschaftliche Aufsätze die Grundsätze zusammengefaßt69 • Der BGH hat die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen innerhalb des Gesellschaftsrechtes mit Hilfe der Kapitalerhaltungsvorschriften von der Einzelfallentscheidung orientiert an dem Gesellschafterverhalten zu einem materiellen Finanzierungsgrundsatz fortgebildet. Im Zuge der richterlichen Rechtsfortbildung hat der BGH neben anderen Detailproblemen vor allem den Tatbestand der eigenkapitalersetzenden Darlehen präzisiert, um eine Grenze zwischen Eigen- und Fremdkapital zu ziehen.
2. Die Novellenregelung der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen aus dem Jahre 1980
Schon 1939 erörterte die Akademie für Deutsches Recheo im Zuge einer Reformdiskussion über. den Gläubigerschutz in der GmbH ausführlich das Problem der eigenkapitalersetzendenGesellschafterdarlehen71 • Im Hinblick auf den Gläubigerschutz wurde es als unzureichend empfunden, daß die Gesellschafter die Möglichkeit hatten, am Konkurs ihrer eigenen Gesellschaft zu partizipieren oder sich durch bestellte Sicherheiten zu befriedigen. In den Beratungen setzte sich mehrheitlich die Ansicht durch, daß Gesellschafterdarlehen, die eine geringe Eigenkapitalausstattung ausglichen, faktisch Kapitaleinlagen darstellten. Umstritten war jedoch die Rechtsfolge. Die Teilnehmer der Diskussion vertraten dabei zwei Rechtsfolgenmodelle: Ein Teil der Ausschußmitglieder wollte den Konkursverwalter mit einem erweiterten Anfechtungsrecht ausstatten, während die Mehrheit sich für einen gesetzlich normierten 68 Hommelhoff, ZGR 1988, 463, 472 deutet die Rechtsprechung als Bildung eines Rechtsinstitutes. Zu den Voraussetzungen eines eigenen Rechtsinstitutes siehe: Bydlinski, Juristische Metodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 13 f. 69
Homme1hoff, ZGR 1988,463,472.
70 Einen guten Überblick über die Entstehung und die Zielsetzung der Akademie für deutsches Recht gibt Hattenhauer, Die Akademie für Deutsches Recht (\ 939-1944), JuS 1986, 680 ff. 71
Vgl.: HommelhofflKleindiek, FS 100 Jahre GmbHG 1992 S. 421,426.
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
58
RangIÜcktritt der Gesellschafterdarlehenaussprach72 • Danach sollte der Gesellschafter mit seinen Forderungen von einer Teilnahme am Konkurs- oder Vergleichsverfahren ausgeschlossen werden73 • Aufgrund des Krieges wurde der Entwurf nie umgesetzt, und es blieb der GmbH-Novelle von 1980 vorbehalten, erstmals kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen zu regeln. Der Gesetzgeber verband mit der Einfiihrung der §§ 32 a, b durch die GmbH- Novelle von 1980 die Absicht, fiir die Regeln der Rechtsprechung zum eigenkapitalersetzendenGesellschafterdarleheneine eigene gesetzliche Grundlage zu schaffen 74 • Doch stellt die Gesetzgebung keineswegs nur eine Fortschreibung des Richterrechts dar. Vergleicht man die Regeln der §§ 32 a,b GmbHG mit den Grundsätzen der Rechtsprechung zum eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, ergeben
72
Der Entwurf eines Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung von
1939 lautet in: § 36 Darlehen eines Gesellschafters (1) Hat ein Gesellschafter, obwohl nach der Sachlage die Erhöhung des Stammkapitals
geboten war, der Gesellschaft ein Darlehen gewährt, so kann er den Anspruch auf Rückgewähr des Darlehens im Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft oder im Vergleichsverfahen zur Abwendung des Konkurses nicht geltend machen .... (2) Der Gewährung eines Darlehens steht es gleich, wenn ein Gesellschafter gestundete Forderungen Dritter gegen die Gesellschaft erwirbt oder Forderungen, die ihm selbst gegen die Gesellschaft zustehen, stundet. (3) ... Schubert, ZHR Sonderheft Nr. 58, 1985, S. 103 f. Zur amtlichen Begründung S. 163 f. 73 Die Befürworter eines Anfechtungsrechtes kritisierten, daß ein Rangrücktritt die Gesellschafter davon abhalten könnte, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindenden Gesellschaft Mittel für einen Sanierungsversuch zur Verfügung zu stellen. Dem Argument der Sanierungsfeindlichkeit stellte die Mehrheit entgegen: Entschließe sich ein Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft zur Darlehensgewährung, so müsse er mit seiner Forderung hinter die übrigen Gesellschaftsgläubiger zurücktreten, wenn der Sanierungsversuch scheitere. In Wahrheit seien die Mittel eine Einlage und kein Kredit. Beide Positionen kennzeichnen auch heute noch die unterschiedlichen Meinungen zu diesem Punkt. Für eine Privilegierung der Sanierungskredite: Claussen, ZHR 147 (1983) S. 197; ders., in FS für Forster 1992, S. 141,144; Uhlenbruck, GmbHR 1982, S. 141 ff; Rümker, ZIP 1982, 1394 f; H.P. Westermann, ZIP 1982,391; Die letzten drei Autoren haben diesen Standpunkt nicht wieder aufgegriffen; dagegen die h.M.: Baumbachl Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 11; Hachenburg/ Ulmer, GmbHG, § 32 a Rn. 59; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG 13. Aufl. 1991, Rn. 35; Scholz! K. Schmidt, § 32 a,b Rn. 36. 74
Begr. RegE., BT Drucks. 8/1347, S. 39 r. Sp.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
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sich hinsichtlich des Tatbestandes scheinbare und bezüglich der Rechtsfolge erhebliche Unterschiede. Auf der Tatbestandsseite beziehen sich die scheinbaren Unterschiede auf die Voraussetzung der Kapitalersatzfunktion: Während die Rechtsprechung auf die Kreditwürdigkeit oder Konkursreife der Gesellschaft abstellt, werden nach der GmbH-Novelle die Darlehen gebunden, wenn sie zu einem Zeitpunkt gewährt werden, zu dem jeder "ordentliche Kaufmann" Eigenkapital zugefUhrt hätte. Der als "moralisierend"75 kritisierte, unbestimmte Rechtsbegriffwurde vom Gesetzgeber bewußt gewählt, um einen weiten Interpretationsrahmen zur VerfUgung zu stellen76 . Die Konkretisierung gründet sich auf eine objektive Beurteilung aller Umstände des einzelnen Falles nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen kaufmännischen Unternehmensfmanzierung77 • Um einen ausreichenden Gläubigerschutz zu gewährleisten sind hohe Anforderungen zu stellen. Der Begriff zielt - entgegen verschiedener Meinungen78 - nicht auf eine Pflicht zur objektiv angemessenen Kapitalausstattung ab, denn sämtliche Diskussionen über die Eigenkapitalausstattung haben gezeigt, daß die Betriebswirtschaftslehre keine präzise Grenze zwischen erforderlicher und unzureichender Eigenkapitalausstattung ziehen kann79 • Nach herrschender Meinung ist die wichtigste Voraussetzung, um den weiten Begriff zu bestimmen, die auch im Rahmen der Rechtsprechung zum Kapitalersatz entwickelte Frage nach der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft80 . Insofern besteht trotz unterschiedlichen Wortlautes Einigkeit über die inhaltlichen Voraussetzungen zur Beurteilung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen.
75 Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, 1991, S. 81 f. 76 Begr. RegE., BT Drucks. 8/1347, S. 39 r. Sp. 77 BGHZ 119,201,207; Hueck in Baumbachl Hueck, § 32 a Rn. 42; Lutter/ Hommelhoff, §§ 32 aIb Rn. 21; Scholzl K. Schmidt §§ 32a, 32 b, Rn. 5.
78 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, S. 224, 565. 79 Ausdrücklich Begr. RegE., BT-Drucksache 8/1347 S. 38; Büschgen, GmbHR 1974, 25 ff; Herrmann, ZGR 1989,273,279 in Fn. 24,26 mwN; Vonnemann, GmbHR 1992, 77 ff; Wüst, JZ 1985,817, 818; ders., DStR, 1991, 1388, 1389; Hachenburg/Ulmer, Anh. § 30 Rn. 10. 80 BGHZ 76, 326, 330; 81, 252, 255; 81, 311, 317 f; 81, 365, 367; 105, 168, 185; 119,207, 121,31,38.
60
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Auf der Rechtsfolgenseite ergeben sich folgende Divergenzen: Nach der GmbH Novelle ist ein kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen nur im Konkurs oder einem Vergleichsverfahren gebunden. Die Forderung des Gesellschafters ist in der Konkurstabelle nicht zu berücksichtigen. Eine Rückzahlung an den Gesellschafter innerhalb eines Jahres vor der Konkurseröffnung ist gern. § 32 a S. 2 KO durch den Konkursverwalter anfechtbar. Der Gläubiger kann das gleiche Recht gern. § 3 b Antu geltend machen. Das Gesellschafterdarlehen ist dabei nach herrschender Meinung in voller Höhe gebunden und haftet den Gläubigem. Der Rechtsprechung nach unterliegen die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen einer analogen Anwendung der §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG gemäß ihrer wirklichen Funktion als Eigenkapital. Unabhängig von einem Konkurs- oder Vergleichsverfahren steht der Rückzahlbarkeit des Darlehens der Einwand aus § 30 Abs. 1 GmbHG entgegen, wenn durch die Rückzahlung das Stammkapital angegriffen würde. Der Anspruch auf Rückgewähr aus § 31 Abs. 1 GmbHG steht der Gesellschaft gern. § 31 Abs. 5 GmbHG fünf Jahre zu. Der Umfang der Bindung sowie die Höhe des Rückzahlungsanspruches ist auf die Summe begrenzt, die erforderlich ist, um das verlorene Stammkapital bzw. die Überschuldung auszugleichen. Insoweit kommt es nicht zu einer indirekten Erhöhung des Stammkapitals. Aufgrund der differierenden Rechtsfolgen handelt es sich um zwei unterschiedliche KonzeptesI: Die Rechtsprechungsregeln behandeln Fremd- und Eigenkapital auch ohne Eintritt einer Krise gleich. Damit bleibt die Finanzierungsgrundlage im Interesse der Gesellschaft erhalten, um als Betriebskapital, als Schutzwall vor Überschuldung und als Garantiefonds zugunsten der Gläubiger zu dienen. Der Schutz ist allerdings beschränkt. Die Höhe des Stammkapitals wird nicht überschritten und ist nicht daran orientiert, in welcher Höhe die Gesellschaftermittel tatsächlich Eigenkapitalfunktionen wahrnehmen. Die Vorsorge zugunsten der Gesellschaft erzeugt mittelbar einen Schutz fiir die Gläubiger. Im Gegensatz dazu schützt die GmbH- Novelle den Gläubiger reaktiv, nämlich nur dann, wenn es gilt, die Ausfälle im Konkurs- oder Vergleichsverfahren zu vermeiden. Was den GläubigerschutZ betrifft, hat der Gesetzgeber
81 Vgl. nur LuttertHommelhoff, §§ 32 aIb Rn. 7; Hommelhoff, ZGR 1988,463,480 f; Westennann in Alberst Hernnann, Elemente erfolgreicher Untemehmenspolitik, S. 267,273.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
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von 1980 auf die insolvenzrechtliche Lösung des Reichsjustizministers von 1939 zurückgegriffen. Kommt es wegen fehlender Masse gar nicht erst zu einer Konkurseröffnung, bieten die Regeln der Rechtsprechung einen weitergehenden Schutz als die insolvenzrechtliche Lösung 82 • Aus diesem Grund wird allgemein im Schrifttum83 akzeptiert, daß der BGH seit dem Nutzfahrzeug Urteil vom 26.3. 198484 seine Lösung neben den Vorschriften der GmbH- Novelle weiter anwendet. Das Nebeneinander ist aus rechtssystematischen Gründen (Richterrecht konkurriert nicht mit, sondern steht vor neu geschaffenem Gesetzesrecht) nicht unproblematisch, wird aber aufgrund des praxisorientierten Ergebnisses ganz allgemein befiirwortet85 •
3. Zweistufiges Sc:hutzsystem zum Kapitalersatz
Das deutsche Recht besitzt mit der GmbH- Novelle von 1980 und der Rechtsprechung des BGH ein zweistufiges Schutzsystem86 : Bis zur Höhe der Stammkapitalziffer gelten die Regeln des BGH und schützen die Kapitalgrundlage der Gesellschaft vor einer Auszahlung an den Gesellschafter. Der Anwendungsbereich der insolvenzrechtlichen Haftung beschränkt sich praktisch auf den Bereich oberhalb der Stammkapitalziffer. Die Trennungslinie zwischen dem präventiven und dem reaktiven Schutzsystem bildet die Stammkapitalziffer. Da die Feststellung, inwiefern das Stammkapital tatsächlich angegriffen wurde,
82
Ausführlich Röhricht, StbJb 1993/1994, S. 340 ff.
83 K. Schmidt, JZ 1984, 880; Scho1zJ K. Schmidt, GmbHG, §§ 32a, 32 b, Rn. 13; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften 2. Aufl. 1992, § 38 Rn. 11; v. GerkanlHommelhoff, Kapitalersatz, S. 55 ff; Hachenburg/U1mer, § 32 a, Rn. 14; Hueck in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 32 a Rn. 75; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32 a Rn. 4; Ulmer, Das neue GmbH Recht in der Diskussion, S. 55, 60; a.A. Kamprad, GmbH-Rundsch. 1984,339,341 f. Zu den verfassungsrechtlichen Aspekten siehe besonders Seidl, ZGR 1988,292,312; Wank, ZGR 1988,314,378 fmwN. 84
BGHZ 90, 370, 376 ff.
85 Kübler, FS Stimpel, S.3, \0 f macht sich grundsätzliche Gedanken über das Verhältnis von Gesetzes- und Richterrecht in einer sich schnell wandelnden Gesellschaft.
86 Gerkan 'I., GmbHR 1986, 218, 219; Priester, FS Döllerer 1988, S. 475, 483; Westermann, FS Fleck, 1988, S. 423 f; Hommelhoff, ZGR 1988, 460, 485 f; Seidl, ZGR 1988, 296, 312; Wank, ZGR 1988, 314, 378 f.
62
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
meist schwierig und unsicher ist, bevorzugt die Rechtspraxis die §§ 32 a, b GmbHG 87 . Insgesamt wurde damit im deutschen Recht ein sehr kompliziertes und ausgefeiltes System etabliert, um dem Phänomen der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehengerecht zu werden.
111. Dogmatische Beweggründe für eine Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital. Werden Gesellschafterfremdmittel in haftendes Kapital umqualifiziert, stellt das die wohl einschneidenste Folge für die Gesellschafter dar. Daher ist es notwendig, die tragenden Begründungen für eine Umqualifizierung von Fremdin Eigenkapital zu kennen, zum einen um der Gefahr einer ausufernden Rechtsprechung zu begegnen, zum anderen, um den wirtschaftsberatenden Rechtsanwälten die Möglichkeit zu geben, die Gesellschafter kompetent für zukünftige Entscheidungen zu beraten.
1. Übersicht
Die Entwicklung der dogmatischen Grundlagen beginnt mit dem Urteil des Reichsgerichtes vom 3. Dezember 1938, in dem ausgeführt wird, daß die Gesellschafterdarlehen "als das behandelt werden, was sie in Wahrheit sind: Eigenmittel"88. Diese knappe Aussage, die ihre Begründung schon in sich trägt, wurde durch das Gericht nicht weiter erklärt und gibt keine Anhaltspunkte für die Frage nach dogmatischen Grundlagen. Ebensowenig wie das Reichsgericht hat der Bundesgerichtshof zu Beginn seiner Rechtsprechung die Frage nach der dogmatischen Grundlage aufgegriffen. Seine Rechtsprechung führte er anfangs auf § 242 BGB zurück, ohne Leitlinien und Gewichtungen zu erarbeiten89 . Später bezog sich der BGH auf das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens, um die Umqualifizierung der Gesellschafterdarlehenzu rechtferti-
87
Gerkan
V.,
GmbHR 1990, 384, 385; Lutter/Hommelhoff, GmbHG §§ 32 a,b
Rn. 10; Hommelhoff/Kleindiek, FS 100 Jahre GmbHG, S. 421, 433. 88
RG, JW 1939, 355.
89
Siehe dazu die Übersicht bei Henze, Zum Recht der GmbH, S. 178 ff.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
63
gen90 • Demnach setzt sich ein Gesellschafter, der der konkursreifen Gesellschaft statt wirtschaftlich notwendigem Eigenkapital Darlehen zufuhrt, zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn er der Gesellschaft, die als Kapitalgrundlage benötigten Mittel wieder entzieht, bevor der Zweck der Darlehensvergabe -die Herstellung der Lebensfähigkeit- erreicht ist91 • Dieser erste Begründungsansatz ist in sich nicht stimmig und konnte daher keine überzeugende Begründung liefern, warum die Gerichte Fremdkapital in haftendes Kapital urnqualifizieren92 • Da die Begründungsansätze der Rechtsprechung das Schrifttum nicht überzeugen konnten93 , hat die Literatur in der Folge eine Vielzahl unterschiedlicher Erwägungen und Grundwertungen hervorgebracht. Als tragender Grund für eine Umqualifizierung der Gesellschafterdarlehen wird von einem großen
90
Grundlegend: BGHZ 31,258,272 "Lufttaxi"; folgend: 67, 171, 175; 75, 334, 336.
91
BGHZ 67, 171, 175; 75, 334, 336; 76, 326, 329.
92 Ein Venire contra factum proprium durch die Vergabe des Gesellschafterdarlehens müßte als erste Voraussetzung zunächst einen Vertrauenstatbestand bei Dritten begründet haben ( Zu den Voraussetzungen des widersprüchlichen Verhaltens: MünchKomm.Roth, § 242 Rn. 295 ff, 321 ff; Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 313 ff). In der Folge müßte eine Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen immer ein Vertrauen der Gläubiger mit dem Ziel erwecken, daß die Gesellschafter das Darlehen in der Krise der Gesellschaft belassen, um die Haftungsmasse zu erweitern. Da aber die Gesellschafter in Krisensituationen oft die Darlehensvergabe als Mittelgewährung wählen, um der Haftung zu entgehen, wird ein anerkennenswertes Vertrauen nur in Einzelfällen überhaupt entstehen können. Als dogmatische Grundlage für eine Begründung der Umqualifizierung von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen kann die Erklärung daher nicht überzeugen. Aber auch für die Fälle, in denen ein Vertrauenstatbestand nach dem BGH zu bejahen wäre, ergeben sich Schwierigkeiten. Der BGH sieht in dem Darlehensvertrag auch eine Zweckvereinbarung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter dahingehend, daß das Darlehen erst abgezogen werden darf, nachdem der Sanierungserfolg eingetreten ist. Selbst wenn man einer so weiten "Auslegung" des Darlehensvertrages, ohne einen erkennbaren Willen der Parteien, zustimmt, unterliegt der Vertrag immer noch der Privatautonomie der Vertragsparteien. Das hat zur Folge, daß die Parteien die Zweckvereinbarung auch jederzeit wieder aufheben können ( Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 35). Schon in der stillschweigenden Rückzahlung kann eine solche Aufhebung der Zweckvereinbarung liegen, da der Gesellschafter die Mittel so dem Zugriff der Gläubiger entzieht. 93 Hachenburg-Ulmer, GmbHG, § 32 a, b Rn. 33; Scholz! K. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 9; Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 35 f; A. Müller, S. 90;
Immenga, ZIP 1983, 1405, 1407.
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
64
Teil der Literatuf'l4 die Doppelrolle oder die Insiderstellung des kreditgewährenden Gesellschafters gesehen. Durch einen Informationsvorsprung können die Gesellschafter notfalls noch rechtzeitig ihre Mittel in Sicherheit bringen. Andere Autoren9S stellen weniger auf die Gesellschafter in ihrer DoppelsteIlung ab als auf eine institutionelle Sicht. Demnach ist der tragende Grund für eine Umqualifizierung der Schutz des allgemeinen Vertrauens des Geschäftsverkehrs in die Leistungsfahigkeit der Gesellschaft. Wird der Gesellschaft statt des notwendigen Eigenkapitals Fremdkapital zugeführt, kann sie weiterhin am Geschäftsverkehr teilnehmen96 , wodurch ein geschütztes Vertrauen in die Leistungsfahigkeit des Unternehmens entsteht. In der Krise sollen sich die Gesellschafter als Verursacher dieses Vertrauens daran festhalten lassen müssen97 • Wieder andere stützen die Begründung für eine Umqualifizierung der Gesellschafterfremdmittelauf die Abwälzung des Verlustrisikos auf die Gläubiger98 • Die bislang erarbeiteten Begründungen lassen sich vereinfacht in zwei Ansätze unterteilen. Der Vertrauensschutz, der die Umqualifizierung rechtfertigt, soll sich entweder aus einer schuldrechtlichen oder aus einer mehr gesellschaftsrechtlichen Betrachtungsweise ableiten lassen.
94 Ballerstedt, ZHR 135 (1971), 383, 392; v. Caemmerer, FS Sanders, S. 17, 22; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 422; ders., ZIP 1983, 1405, 1407; Ulmer, FS Duden, S. 661, 673; ders., ZIP 1984, 1163, 1166; Wiedemann, Haftungsbeschränkung, S. 28; ders., Gesellschaftsrecht Bd. I, S. 569; ders., FS Beusch, S. 894, 906.
95 Lutter/ Homme1hoff, ZGR 1979, 31, 38, zustimmend: Herrmann, Horst, S. 151, 154; Ketzer, S. 37ff; FischerlLepper, ZIP 1986, 1,4; Rümker, ZIP 1982, 1385, 1391; Farrenkopf, S. 89, der eine etwas andere Tenninologie verwendet. 96 BGHZ 75, 334, 338; 90, 381, 388; 109,55,57 f; 121,31,35 f; Fleck, FS Wemer, S. 107, 116; Ulmer ZIP 1984, 1163, 1166.
97 Herrmann, Horst, S. 151, 153; Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979,31,38; Fischer/ Lepper, ZIP 1986, 1,4; Rümker, ZIP 1982, 1385, 1391. 98
Röhricht, StbJb. 1993/1994, S. 318.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
65
2. Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung
Um der Gefahr beliebiger Wertungen99 entgegenzuwirken, hat der BGH in seinem "BuM"- Urteil 100 die bislang entwickelten Einzelansätze dargestellt, um sie dann in einem Grundgedanken zusammenzufassen: der Verantwortung des Gesellschafters für eine ordnungsgemäße Unternehmensfmanzierung 101 • Diesen Ansatz hat die Rechtsprechung 102 seither konsequent verfolgt 103 , worin ihr auch ein Großteil der Literatur 104 zustimmt. Ist die Gesellschaft in der Krise und ohne weitere Finanzmittel der Gesellschafter nicht mehr lebensfähig, stehen die Gesellschafter vor der Wahl, die Gesellschaft entweder zu liquidieren oder weiter zu finanzierenlOs. Wird der objektiv erforderliche Finanzierungsbeitrag gewährt, muß er als Haftungsgrundlage eingebracht werden, also als Eigenkapital und nicht als Darlehen. Wenn sich die Gesellschafter gegen eine Liquidation entschieden haben, dürfen sie das Unternehmen nur mittels Eigenkapital weiter fortführen. Es ist die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung, die die Gesellschafter zwar nicht positiv verpflichtet, aus ihrem Vermögen fehlendes Kapital nachzuschießen, der sie sich aber nicht entziehen können, indem sie auf eine andere weniger riskant erscheinende Finanzierungsform ausweichen 106 •
99
So auch v. Gerkanl Hommelhoff, Kapitalersatz, S. 27.
100BGHZ 90, 381, 389. 101 Dabei ist zu klären, daß es sich bei dem Konzept einer Finanzierungsverantwortung nicht um die Pflicht handelt, nach betriebswirtschaftlichen Finanzierungstheorien die Gesellschaft mit einem angemessenen Kapital auszustatten, denn solche Anforderungen sind angesichts der fehlenden Vorgaben aus der Betriebswirtschaft und den damit verbundenen rechtlichen Probleme als unrealistisch zu werten. Rümker, ZGR 1988, 494, 498; Fleck, FS Wem er, S. 110, 116; Hachenburg-Ulmer, GmbHG, §§ 32 a, b Rn. 11. 102 BGHZ 90, 381, 389; 105, 168, 176; 109,55,57; 121,31,35 f. 103 Siehe zuletzt BGH GmbHR 1992, 367 f. 104 Fleck, FS Wemer 1984, S. 107,116; Lutter/ Hommelhoff, §§ 32 aIb Rn. 3; Huck in BaumbachlHueck, § 32 a Rn. 42; K. Schmidt, ZHR 147 (1983),165,174; Scholz! K. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b Rn. 4 f; Röhricht, StbJb. 199311994, S. 318; a.A.Hachenburg-Ulmer, GmbHG, §§ 32 a, b Rn. 44, der lediglich auf das Abwälzungsverbot abstellen will. Dieses folgt aber gerade aus der Finanzierungsverantwortung. 105 BGHZ 90, 381, 388; 105,168,175 f; 109,55,57; 121,31,35 f; Fischer/ Lepper, ZIP 1986, 1, 2; Lutter, FS Riesenfeld, S. 165, 182. 5 Gchdc
66
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Der hinter der Wahlmöglichkeit zwischen Eigenkapital und Liquidation stehende Gedanke wird in folgender Formel auf den Punkt gebracht: Das "Ob" der Finanzierung steht im Belieben der Gesellschafter, erst beim "Wie" der Kapitalzufuhr sind die Interessen der Gläubiger aufgrund der Finanzierungsverantwortung zu berücksichtigen 107 . Hinter dieser Forderung steht auf der einen Seite die Vorstellung des idealen Konkurses, der -weil rechtzeitig durchgefiihrt- noch zu einer vollen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger fiihrt108. Auf der anderen Seite soll der Gefahr vorgebeugt werden, daß eine weitere Unternehmenstätigkeit der Gesellschaft neue Gläubiger zum Vertragsschluß verleitet und gleichzeitig das Gesellschaftsvermögen verringert, und die Gläubiger zudem in Konkurrenz zu den Gesellschaftern mit ihren Darlehensforderungen treten l09 . Durch die drohende Umqualifizierung von Gesellschafterleistungenin haftendes Kapital soll verhindert werden, daß die Fortführung einer liquidationsreifen Gesellschaft zu einer Risikoabwälzung zu Lasten der Gläubiger fiihrt. Die Fortführung eines Unternehmens in der Krise ist aufgrund der Finanzierungsverantwortung nur gestattet, wenn die Gesellschafter das entsprechend gestiegene Risiko durch Eigenkapital ausgleichen statt die weniger riskante Rolle des Kreditgebers einzunehmen llo • Dem unternehmerischen Interesse an dem Geschäftserfolg entspricht die Verpflichtung zu einem entsprechenden Risikobeitrag, der den Gläubigem haftet, wenn die Gesellschaft in Konkurs fällt.
106 BGHZ 90, 381, 388 ist das erste Urteil, das diesen Aspekt in den Vordergund seiner Betrachtung stellt. 107 Ganz h.M. BGHZ 76, 326, 329 f; 81, 252, 257; Fleck, FS Wemer, S. 107, 116; Rümker, ZGR 1988, 494, 498; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32 a, b Rn. 11; ders., ZIP 1984, 1163, 1166; Hueck in Baumbach/Hueck, § 32 a Rn. 3; Joost, ZHR 148 (1984),27,44. 108
Vgl. nur Fleck, FS Wem er, S. 107, 110.
109
Vgl. aus neuerer Zeit nur BGHZ 109,55,57; 121,31 35 f.
110
So ausdrücklich BGHZ 90, 381, 388; 105, 168, 175 f.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
67
3. Ökonomische Betrachtung der Verantwortung für eine ordnungsgemllße Unternehmensfinanzierung
Angesichts der Argumentation mit einer Finanzierungsverantwortung in der wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft für eine Zufuhr von Haftkapital oder eine frühzeitige Liquidation, liegt es nahe, die ökonomischen Interessen und Machtverhältnisse der Beteiligten zu beachten. Hilfreich ist es in diesem Zusammenhang, die Argumentationsansätzeder ökonomischen Analyse des Rechts miteinzubeziehen. Wenn es zu einer Insolvenz kommt, hat nicht der Markt versagt, sondern das Unternehmen 111. Insolvenzen sind der Ausdruck des Marktes, daß ein bestimmtes Unternehmen nicht mehr lebensfahig ist. Damit spiegelt die Insolvenz die wettbewerbsökonomische Funktion der optimalen Faktorallokation wieder. Der Marktaustritt eines nicht lebensfahigen Unternehmens setzt gebundene Produktionsfaktoren frei, die mit einem höheren Nutzen fiir andere Verwendungszwecke genutzt werden können. Aus diesen wirtschaftlichen aber auch aus sozialen und rechtsstaatlichen Gründen ist die rechtzeitige Eröffuung eines Insolvenzverfahrens zwingend erforderlich. Mit einer rechtzeitigen Eröffnung kann auch der sog. "Schereneffekt"112 gemindert werden, der als eines der größten Probleme des bestehenden Konkursrechts gilt. Gesamtwirtschaftlich ist es deshalb sinnvoll, Verhaltensregeln zu normieren, die auf eine möglichst rechtzeitige Insolvenzeröffnung abzielen. Gerade die ökonomische Analyse des Rechts beschäftigt sich mit der Frage nach der ökonomisch richtigen Zuordnung von Schadenslasten und vertraglichen Verpflichtungen. Dazu ist die Denkfigur des cheapest cost avoider l13 entwickelt worden. Dahinter steht der Gedanke, daß von den Beteiligten am besten derjenige den Schaden tragen sollte, dem es am leichtesten fallt, unnötige Kosten zu vermeiden. Die Androhung den Schaden tragen zu müssen soll
111 Siehe ausführlich die amtliche Begründung zur Insolvenzordnung BT-Drucks. 12/2443 vom 15.4. 1993, S. 71 ff, abgedruckt bei Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, 1994, S. 95 f. 112 Unter einer Scherenwirkung wird das Phänomen verstanden, daß nach der Schwelle der rechnerischen Überschuldung auf der einen Seite die Schuldenmasse weiter wächst und auf der anderen Seite der realisierbare Wert des Aktivvermögens unter die Bilanzansätze fällt, dazu ausführlich Roth, ZGR 1993, 170, 171. J 13
5*
Dazu Calabresi, Costs, S. 136 ff, 175 ff.
68
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
ihn dazu anhalten, die unnötigen Kosten zu venneiden ll4 . Auf die vertragliche Ebene gewendet ist ein Vertrag dann marktrational, wenn er die Transaktionskosten minimiert, die vertraglichen Pflichten und Lasten sind dann marktrational verteilt, wenn jeweils derjenige belastet ist, der diese günstiger venneiden oder tragen kann lls . In der Situation eines Unternehmens in der Krise, das auf weitere Finanzhilfen angewiesen sind kommen zwei Parteien in Betracht, um einen rechtzeitigen Marktaustritt oder eine weitere Finanzierung zu gewährleisten: Die Gläubiger und die Gesellschafter. Für die außenstehenden Gläubiger gilt die Feststellung, daß die Zinsrate direkt das Risiko einer Vertragsverletzung oder der Nichtrückzahlung eines Kredites widerspiegelt. Der erwartete Wert, daß der Kredit zurückgezahlt wird, berechnet sich aus der Darlehenssumme plus den Zinsraten plus der Wahrscheinlichkeit' daß der Kredit nicht zurückgezahlt wird. Da Banken nicht sämtliche Risiken über die Höhe des Zinses regulieren, bedienen sie sich auch der Sicherheitenbestellung und überwachen die Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Im Fall eines extremen Risikos verweigern sie den Kredit. Auf diese Weise entscheiden außenstehende Kreditgeber mit, wenn es um die Frage der Insolvenz geht. Entweder sind Bankenforderungen nach Zinsen zu hoch oder nach Sicherheiten zu umfangreich, als daß der Kreditnehmer einen Kredit aufnehmen könnte. Oder die Bank verweigert einen Kredit grundsätzlich. Es entstehen bei einer Kreditvergabe folgende Transaktionskosten, wenn die außenstehenden Gläubiger auch das Insolvenzrisiko bei einer Gesellschafterfremdfinanzierung berechnen müssen. Neben den Kosten, die in jedem Fall für eine Bewertung der Kreditfahigkeit entstehen, erhöhen sich die Transaktionen, wenn die Gesellschaft mit Gesellschafterdarlehenfmanziert wird. Es besteht die Gefahr, daß die Marktteilnehmer das Risiko falsch einschätzen, weil die Gesellschafterdarlehen zu marktunüblichen Kosten und Bedingungen vergeben werden. Entweder erhöhen sich die Transaktionskosten, weil die Kreditnehmer besondere Anstrengungen unternehmen müssen, um das Risiko richtig einschätzen zu können. Oder die Kreditgeber fallen im Konkurs aus und für die nächsten Fälle einer Kreditvergabe erhöhen sich die Kosten einer Kreditaufnahme für andere Kreditnehmer. Insgesamt besteht die Gefahr, daß die Transaktionskosten, was gesamtwirtschaftlich nicht wünschenswert ist, steigen.
114
Siehe Fn. zuvor.
115
Horn, AcP 176 (1976) 307, 321.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
69
Anders ist die Lage beim Gesellschafter, wenn er über den Marktaustritt oder eine Weiterfiihrung der Gesellschaft entscheiden muß. Seine Kosten sind relativ gering. Er muß die Zinsraten zahlen und kann im ungünstigen Fall die Sicherheit verlieren, auf die die Bank zurückgreift. Außerdem ist der Gesellschafter über die Finanzverfassung der Gesellschaft informiert und kennt die Zukunftsaussichten des Unternehmens am besten. Damit hat er aufgrund seines bestehenden Informationsvorsprunges keine zusätzlichen Transaktionskosten zu erbringen, wenn über den Marktaustritt oder die Weiterfiihrung zu entscheiden ist. Gesamtwirtschaftlich ist es effizient, wenn derjenige über den Marktaustritt zu entscheiden hat, der die geringeren Transaktionskosten aufbringen muß. Auf diese Weise wird das gesamtwirtschaftliche Ziel einer optimalen Faktorallokation durch eine Insolvenz unterstützt. Im Falle einer Gesellschafterfremdfinanzierung in der Krise des Unternehmens hat der Gesellschafter im Vergleich mit den außenstehenden Gläubiger geringere Transaktionskosten zu tragen, wenn er über den Marktaustritt zu entscheiden hat. Deshalb ist es sinnvoll, den Gesellschafter mit der Entscheidung zu belasten, ob die Gesellschaft aus dem Markt treten soll oder weiterfmanziert wird. Damit diese Verhaltensregel beachtet wird, muß der Gesellschafter angeregt werden seine Entscheidung über eine Insolvenz zu optimieren, also möglichst rechtzeitig zu treffen. Diese Anregung vermittelt die Drohung, die Gesellschafterdarlehenin Eigenkapital urnzuqualifizieren und so den Verlust des Gesellschafters zu erhöhen. Die Gefahr das Gesellschafterdarlehen zu verlieren optimiert insgesamt das Verhalten des Gesellschafters in der Frage Liquidation oder Weiterfiihrung des Unternehmens. Im Ergebnis ist der Gesellschafter der cheapest cost avoider, was es rechtfertigt, ihn mit der Finanzierungsverantwortung zu belasten. Die drohende Umqualifizierung ihrer Leistungen zwingt die Gesellschafter entweder haftendes Kapital zuzufiihren oder eine aussichtslose Sanierung zu unterlassen. Auch aus Perspektive der ökonomischen Analyse des Rechts kann daher mit Hilfe einer ökonomischen Denkfigur der Grundgedanke des BGH von einer Verantwortung des Gesellschafters für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung gestützt werden.
IV. Motive für eine Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen Angesichts der bislang dargestellten Gefahren einer Gläubigerbenachteiligung stellt sich die grundsätzliche Frage, ob eine Darlehensfinanzierung durch die
70
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Gesellschafter etwa allgemein unseriös oder verwerflich sei. Die Frage ist zu verneinen. Es gibt durchaus verschiedene überzeugende Gründe für eine derartige Unternehmens finanzierung: Zu nennen sind vor allem gesellschaftsrechtliche, wirtschaftliche und steuerrechtliche Motive, die eine Fremdkapitalfinanzierung einer Eigenkapitalbildung gegenüber vorzugswürdig erscheinen lassen.
1. Flexibilität der Unternehmensfinanzierung
Das wirtschaftliche und gesellschaftsrechtliche Hauptmotiv einer Gesellschafterfremdfinanzierung ist die flexiblere Handhabung von Krediten im Gegensatz zu einer Eigenkapitalfmanzierung. Die Ausstattung mit Eigenkapital erfordert bei der Zufiihrung der Mittel ein langwieriges Kapitalerhöhungsverfahren und zusätzlich beim Abzug des Kapitals noch ein förmliches Kapitalherabsetzungsverfahren l16 • Im Gegensatz dazu kann durch eine Kreditfinanzierung schnell auf den sich ändernden Finanzbedarf reagiert werden. Eine flexible Finanzierungsform ist deshalb besonders wichtig, weil der zukünftig notwendige Kapitalbedarf eines Unternehmens nur sehr schwer im voraus einzuschätzen ist. Vornehmlich für kleine und mittelständische Unternehmen liegt in der Flexibilität der Gesellschafterfremdfinanzierung ein besonderer Vorteil. Die Gewährung von Gesellschafterdarlehen statt Eigenkapital kommt im Wirtschaftsleben hauptsächlich in vier Fallgruppen in Betrache 17. Gesellschafter werden ihr Unternehmen grundsätzlich mit Eigenkapital fmanzieren, wenn sich der Kapitalbedarf nicht am Kreditmarkt decken läßt, weil die Marktteilnehmer die Kreditvergabe verweigern. Eine solche Sachlage kann zwei Gründe haben. Erstens kann die Gesellschaftereigenfinanzierung notwendig sein, weil sich die Gesellschaft in einem Investitionsprojekt engagieren will, dessen Risiko aber so hoch ist, daß außenstehende Kreditgeber nicht bereit sein werden, die Finanzierung des Projektes zu übernehmen. Zweitens kann die Zufuhr von Eigenkapital erforderlich sein, weil die wirtschaftliche
116 Lutter, FS Riesenfeld, S. 165, 180 f; Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979,31,52; Fleck, FS Werner, S. 107, 109. Das komplizierte und aufwendige Verfahren der Kapital erhöhung und -herabsetzung erläutert ausführlich aus der Sicht des Praktikers: Picot/ Müller-Ensing, in Picot, Kauf und Restrukturierung von Unternehmen 1995, S. 65 ff. 117 Zu den Anlässen einer Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen auch, Klaus, ZBB 1994,247,248 ff.
A. Überblick über die systembildenden Voraussetzungen
71
Lage des Unternehmens so schlecht ist, daß die außenstehenden Kreditgeber nicht mehr bereit sind, Darlehen zu gewähren. Da der Kapitalbedarf in beiden Fällen nicht am Kapitalmarkt von außenstehenden Kreditgebern gedeckt wird, können die Gesellschafter wählen, ob sie mit Eigen- oder mit Fremdkapital aus Gesellschafterhand fmanzieren. Entscheiden sich die Gesellschafter für eine Darlehensvergabe, dann erfolgt dies anstelle eines komplizierten Kapitalerhöhungsverfahrens. In der dritten Fallgruppe kann der Kapitalbedarf des Unternehmens durch die Kreditaufnahme am Kapitalmarkt gedeckt werden. Obwohl in einer solchen Situation die Gesellschaft von dritter Seite finanziert würde, kann eine Gesellschafterfremdfmanzierungsinnvoll sein. Denn die Gesellschafter können im Interesse der Gesellschaft günstigere Darlehensbedingungen als eine Bank anbieten und so die Finanzmittel insgesamt kostengünstiger zur Verfügung stellen. Im Gegensatz zu den Banken haben die Gesellschafter weder Verwaltungsgebühren für einen Kreditantrag zu berechnen, noch werden sie -wegen ihres Informationsvorsprunges- überhöhte Sicherheitszinsen fordern. Weiterhin können die Gesellschafter ihrem Unternehmen, ohne daß ein Finanzbedarf bestünde, Fremdkapital zufUhren. Derartige Darlehen werden von der Gesellschaft üblicherweise in risikolose Finanzanlagen investiert.
2. Gleichbleibende Machtverhllitnisse
Ein weiteres gesellschaftsrechtliches Motiv für eine Gesellschafterfremdfinanzierung ist das damit verfolgte Ziel, die Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft gleich zu halten. Im Gegensatz zu einer Kreditvergabe können die Stimmrechtsverhältnisse bei einer formellen Kapitalerhöhung nur dann beibehalten werden, wenn die Gesellschafter ihre Einlagen proportional erhöhen, was teilweise nicht möglich oder nicht gewollt ist.
3. Steuerrechtliche Vorteile
Ein Grund, der besonders früher für eine Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen sprach, liegt in dem Steuerspareffekt der Fremdfinanzierung ll8 • Der Effekt wird erzielt, indem die doppelte Steuerlast auf der Ebene von Gesell-
118 Vgl. dazu z.B. umfassend: Fassnacht, S. 10 ff; Siege!, GmbHR, 1990, 138 ff mit umfangreichen Nachweisen zu § 8 a KStG; Thie!, GmbHR 1992, 20 ff.
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
72
schafter und Gesellschaft vennindert wird. Dividenden als Entgelt fiir die Überlassung von Eigenkapital verringern den Gewinn nicht (§ 8 Abs. 3 KStG), während dieses Ergebnis durch die Zinszahlungen als Betriebsausgaben erreicht wird ll9 . Finanzieren die Gesellschafter ihre Gesellschaft vornehmlich mit Fremdkapital, dann kann auch eine erfolgreiche Kapitalgesellschaft aufgrund ihrer Vennögenslosigkeit ohne Gewinn bleiben. Da die Erträge in Fonn von Zinsen ausgezahlt werden, ist die Körperschaftssteuer de facto außer Kraft gesetzt l2O • Heute ist dieser Steuervorteil dagegen geringer, wenn die Gesellschafter - wie es häufig der Fall ist - dem Steueramechnungsverfahren nach §§ 27 ff KStG unterliegen. Denn die Gewinnausschüttung wird zwar auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene versteuert, aber die Ausschüttungsbelastung (die von der GmbH zu entrichtende Steuer) wird dem Gesellschafternach § 36 11 Ziff. 3 EStG angerechnet l21 • Heute ergibt sich der Steuerspareffekt einer Gesellschafterfremdfmanzierung noch hinsichtlich der Gewerbekapitalund Gewerbeertragsteuer, der Vennögens- sowie der Kapitalertragssteuer und fiir den Fall eines nicht amechnungsberechtigtenGesellschafters 122 •
4. Haftungsbeschrllnkung
Als letztes, wenn auch weniger relevantes Motiv, gilt die Möglichkeit für die Gesellschafter, im Konkurs der eigenen Gesellschaft eine Gläubigerstellung einzunehmen. Anders als beim verlorenen Eigenkapital besteht dann in der Insolvenz die Chance, zumindest eine Quote auf die eigene Darlehensforderung zu erhalten.
B. Tatbestand einer UmqualiflZierung von Fremd- in Eigenkapital Die Qualifizierung von Gesellschafterdarlehen als haftendes Kapital dient dem Gläubigerschutz. Es soll verhindert werden, daß der Gesellschafter unzu-
119
Dazu ausführlicher Thiel, GmbHR 1992,20,20.
120
Fassnacht, S. 23.
121
Dazu Glahs, WiB 1994,257,259.
122
Thiel, GmbHR 1992,20,20; Glahs, WiB 1994,257,259.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
73
lässigerweise das Risiko eines wirtschaftlichen Scheiterns auf die Gläubiger verlagert. Damit bewegt sich die Beurteilung der Gesellschafterdarlehen zwischen zwei Grundwertungen: auf der einen Seite der grundsätzlich bestehenden Finanzierungsfreiheit und auf der anderen Seite dem Bedürfnis nach einem angemessenen Gläubigerschutz 123 • Das dahinter stehende Prinzip ist die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital·in der Krisenfinanzierung des Unternehmens. Um den Erfordernissen des Wirtschaftsverkehrs zu genügen, muß die abstrakte Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital hinreichend konkret konturiert werden. Nachdem die betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse zu dieser Frage vorgestellt werden, sind die in der Rechtswissenschaft diskutierten Abgrenzungen darzulegen. Anschließend soll eine kritische Betrachtung der konkreten Bestimmungsmaßstäbe vorgenommen werden.
I. Grundsätze einer Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital auf dem Gebiet der Gesellschafterdarlehen 1. Abgrenzung nach der Betriebswirtschaftslehre
Die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital beschäftigt nicht nur die Rechtswissenschaft, sondern auch die Betriebswirtschaft auf dem Gebiet der betriebswirtschaftlichen Finanzplanung 124 • Gehen die beiden Fachdisziplinen auch von unterschiedlichen Ansätzen aus, so bieten die betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse doch Aufschluß über die normative Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital. Die Feststellung gilt um so mehr, als sich die Rechtswissenschaft zunehmend von einer formalrechtlichen Unterteilung in Fremd- und Eigenkapital löst und einen materiellen Eigenkapitalbegriff vertritt, der sich an einer Funktionenanalyse des zugeführten Kapitals orientiert 12S •
123 Zu den Wertungsgrundlagen des Kapitalersatzrechtes allgemein Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 4. . 124 Zu diesem Thema siehe folgende Auswahl: Drucarczyk, Finanzierung, 6. Aufl. 1993; D. Schneider, Investition, 7. Aufl. 1992; PerridoniSteiner, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 7. Aufl. 1993; Spremann, Investition und Finanzierung, 4. Aufl. 1991; Süchting, Finanzmanagement, 1990; Swoboda, Betriebliche Finanzierung, 2. Aufl. 1991. 125
Siehe dazu unten B.I.2.b).
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I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Die komplexe Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital erfolgt in der Betriebswirtschaftslehre anhand von drei Problemannäherungen, einer idealtypischen Unterteilung, einer funktionalen Betrachtung und einer Risikokapitaldefinition.
a) Idealtypische Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital Dif' idealtypische Abgrenzung läßt sich nach bestimmten Ausprägungen von Fremd- und Eigenkapital darstellen 126 • Eigenkapital zeichnet sich danach dadurch aus, daß 1. die Ansprüche gegenüber dem Unternehmen vollständig vom Unternehmenserfolg abhängen - die Ausnahme bildet der Konkursfall -, 2. das Kapital dem Unternehmen auf Dauer verbleibt, also nicht kündbar ist, 3. es im Falle des Konkurses oder der Liquidation erst nach sämtlichen Ansprüchen anderer Gläubiger befriedigt wird. Fremdkapital ist dadurch gekennzeichnet, daß 1. es nur für eine bestimmte Zeit dem Unternehmen zur Verfügung steht und sowohl Zeitpunkt als auch Modalitäten der Rückzahlung vertraglich festgelegt sind, 2. das Kapital unabhängig vom Unternehmenserfolg und der Ertragslage nach einer im voraus festgelegten Vereinbarung fest verzinst wird. Eine solche an idealtypischen Merkmalen orientierte Unterscheidung liefert solange überzeugende Ergebnisse, wie die Unternehmensfmanzierung entsprechend der "reinen" Formen von Fremd- und Eigenkapital vereinbart werden. Im Wirtschaftsleben sind aber die Fälle häufiger, in denen die einzelnen Merkmale von Fremd- und Eigenkapital miteinander kombiniert werden J27 • So kann
126 Zu dieser "Standardabgrenzung" siehe beispielsweise: Küting/Kessler, BB 1994, 2103,2104 f mwN in Fn. 20; Drucarczyk, Finanzierung, S. 172; Vormbaum, Finanzierung, S. 37 ff; Perridonl Steiner, Finanzwirtschaft, S. 198; Süchting, Finanzmanagement, S. 24 ff. 127 Siehe ausflihrlieh zu den Kombinationsmöglichkeiten Drucarczyk, Finanzierung, S. 170.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
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beispielsweise ein Finanzierungsinstrument eine Kombination von einem festen Zins und einer gewinnabhängigen Ausschüttung aufweisen. Angesichts der Innovationsfreude von Finanzmanagern ist den Kombinations- und Ausgestaltungsmöglichkeiten wohl kaum eine Grenze gesetzt. Dadurch ist die Aussagekraft der Abgrenzung zum Teil eingeschränkt. Denn die durch die Kombination verschiedener typischer Rechte entstandenen Finanzierungsinstrumente können nur noch schwer nach den idealtypischen Ausprägungen unterschieden werden. b) Funktionale Betrachtung
Um auch in diesem Mischbereich zwischen Fremd- und Eigenkapital unterscheiden zu können, ist der Versuch unternommen worden, die Funktionen des eingesetzten Kapitals im Rahmen der Unternehmensfinanzierung zu beschreiben. Auch bei dieser funktionalen Problemannäherung werden im betriebswirtschaftlichen Schrifttum verschiedene Funktionsmodelle vorgeschlagen, die unterschiedlich genau zwischen einzelnen Funktionen differenzieren. Ausgangspunkt ist das Modell, das dem Eigenkapital zwei Funktionen beimißt, die Ingangsetzungsfunktion und die Haftungsfunktion 128 . Ingangsetzungsfunktion bedeutet zum einen aus rechtlicher Sicht, daß ohne die Aufbringung eines bestimmten Betrages Kapitalgesellschaften nicht gegründet werden können. Zum anderen muß durch das Eigenkapital eine Vertrauens- und Kreditunterlage im Geschäftsverkehr gebildet werden. Außenstehende Kreditgeber sind nur dann bereit, Kredite zu gewähren, wenn die Gesellschafter einen Teil der zu investierenden Beiträge selbst aufbringen. Damit wird gleichzeitig die Haftungsfunktion angesprochen. Dieses Merkmal bringt zum Ausdruck, daß der Gesellschafter einen Teil des Geschäftsrisikos übernimmt. Wenn das Unternehmen wirtschaftlich scheitert, treffen die Verluste zunächst das Eigenkapital und erst dann das Fremdkapital. Wesentlich differenzierter ist ein anderes Modell l29 , das insgesamt vier Funktionen unterscheidet. Das Eigenkapital hat innerhalb der Unternehmensfmanzierung demnach folgende Aufgaben: die Einsatz- oder Arbeitsfunktion, die Haftungs- oder Garantiefunktion, die Herrschafts- oder Geschäftsfiihrungs-
128
Drucarczyk, Finanzierung, S. 132 ff.
129 von Arnim, Handwörterbuch der Finanzwissenschaft, Stichwort "Eigenkapital", Sp. 284 ff.
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I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
funktion und die Ausschüttungsbemessungsfunktion. Durch die genauere Aufteilung der Funktionen wird die Bedeutung, die das Vertrauen des Geschäftsverkehrs einnimmt, prägnanter herausgestellt. Außerdem wird das Modell qualitativ um den Aspekt erweitert, daß die Kapitalgeber Mitverwaltungsrechte wahrnehmen, also Auskunfts-, Kontroll- und Einwirkungsrechte. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht begegnen solche Unterteilungen einer grundlegenden methodischen Schwierigkeit. Die Betriebswirtschaft beschreibt die Phänomene einer Untemehmensfmanzierung, indem sie deskriptiv vorgeht. Durch den deskriptiven Ansatz wird nicht danach unterschieden, welche Beobachtungen sich auf eine rechtliche Funktion beziehen und welche ökonomische Gesetzmäßigkeiten oder typische Gebaren des Geschäftsverkehrs widerspiegeln 130 • Festzuhalten bleibt: die Betriebswirtschaftslehre beschränkt die Rolle des Eigenkapitals nicht auf die Funktion des haftenden Kapitals.
c) Risikokapitaldefinitionen
Die dritte Problemannäherung an die Unterteilung von Eigen- und Fremdkapital orientiert sich an dem Gedanken des Risikogrades eines finanziellen Anspruches. Liegt der Risikograd einer Finanzleistung über einem fixen Risikomaß, dann stellen die Mittel haftendes Kapital dar. Mit diesem Erklärungsansatz sollen die einzelnen Funktionen des Eigenkapitals unter einem ordnenden Gedanken zusammengefaßt werden. Ausgangspunkt der Überlegung ist die Feststellung, daß alle bisherigen Abgrenzungsversuche entweder willkürlich oder leicht zu manipulieren sind l3l • Als einzig entscheidendes Merkmal wurde das mit einem Anspruch verbundene Risiko ausgemacht 132 • Informationsund Mitspracherechte, Kündigungsanlässe und Verhaltensbeschränkungen des Management zugunsten des Kapitalgebers werden nicht eher vereinbart als ein bestimmtes Risiko erreicht wird. Zu Recht wird darauf hingewiesen 133 , daß die Überlegung, Eigen- von Fremdkapital nach dem Risikograd abzugrenzen, unausgesprochen schon der
130
So auch Fleischer, S. 105 f; ausführlich Möschel, ZHR 149 (1985), 206, 214 f.
131
Swoboda, Abgrenzung, S. 45 ff.
132
Swoboda, Abgrenzung, S. 54 f.
133
Fleischer, S. \05 f.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
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idealtypischen Unterscheidung zu Grunde liegt. So ist typisches Fremdkapital als risiko lose Finanzierung entworfen, die unabhängig vom Unternehmenserfolg ist. Im Gegensatz dazu ist die Verzinsung und die Rückzahlung des typischen Eigenkapitals durch die Abhängigkeit vom Geschäftserfolg bedingt. Erst wenn das Unternehmen Gewinn macht, wird auf das Eigenkapital eine Dividende gezahlt und nur wenn der Liquidationserlös die Verbindlichkeiten übersteigt, wird Eigenkapital zurückgezahlt. Als Abgrenzungsmerkmal von Fremd- und Eigenkapital wird der Risikogedanke in zwei neueren Untersuchungen herausgearbeitet '34 . Nach der Risikokapitaldefinition von Swoboda hängt die Einordnung in die Kategorie Risikokapital davon ab, ob ein bestimmter Risikograd überschritten wird. In eine ganz ähnliche Richtung gehen die Ergebnisse von Schneider135 , der das Risikokapital in vier Erscheinungsformen unterteilt, das den Gläubigem unter bestimmten Umständen haftet. Swoboda hingegen macht seine Einstufung nicht von festgelegten Kategorien abhängig, sondern von einem bestimmten Risikomaß. Wenn dieses Maß überschritten ist, stellen die Mittel Risikokapital dar. Will man die Risikoabgrenzung anwenden, sind zwei Entscheidungen zu treffen: Erstens muß eine Risikomaßberechnung gewählt werden, zweitens muß das kritische Risikomaß festgelegt werden, ab wann Eigenkapital vorliegt 136 . Daraus ergeben sich zwei Schwierigkeiten. Zum einen ist die Festlegung eines bestimmten Risikoausmaßes ein nur sehr schwer zu bestimmendes Merkmal. Je geringer der Wert, desto eher wird. Risikokapital geschaffen. Daß das Problem, einen bestimmten Wert festzulegen, zu Manipulationsversuchen führen kann, liegt auf der Hand 137 • Zum anderen ist die Messung des Risikogrades von der Prognose zukünftig eintreffender Ereignisse sowie ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit abhängig 138. Inwiefern der dazu erforderliche Informationsstand überhaupt erreicht werden kann, erscheint sehr fraglich.
134
Swoboda , Abgrenzung, S. 55 ff; ders., in FS Witmann, S. 343, 356 ff.
135
Schneider, D., Investition, S. 55 ff.
136
Swoboda, Abgrenzung, S. 54 f.
137 Dazu Kruschwitz, Eigenkapitalquoten, in Albers/Herrmann (Hrsg.), Elemente erfolgreicher Unternehmenspolitik, S. 218.
138 Dazu Drucarczyk, Finanzierung, S. 178; Kruschwitz, Eigenkapitalquoten, in Albers'Herrmann (Hrsg.), Elemente erfolgreicher Unternehmenspolitik, S. 218 f; Schneider, D., Eigenkapitallücke, S. 294.
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I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Ob die Schwierigkeiten einer Risikoanalyse unüberwindbar sind oder durch Annäherungen gelöst werden können, ist umstritten und soll in diesem Rahmen nicht beantwortet werden.
d) Schlußfolgerung Entsprechend der Ausgangslage ist zu fragen, inwieweit die Betriebswirtschaftslehre der Rechtswissenschaft Anregungen und Vorgaben fiir die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital geben kann. Eine Patentlösung, die eine befriedigende Antwort auf die Schwierigkeiten bei der Beurteilung vielfältig kombinierter Finanzierungsmittel parat hat, gibt es nicht. Die mögliche Schlußfolgerung lautet vielmehr: Eine Umqualiflzierung von Fremd- in Eigenkapital ist nur dann durchführbar, wenn die Finanzierungsmittel Risikokapital darstellen. Nur wenn das hingegebene Kapital primär als Risikoträger fungiert ist die Umqualiflzierung gerechtfertigt 139 • Der Gedanke des Risikogrades ist damit der maßgebende Gesichtspunkt, um die Umqualiflzierung von Fremd- in Eigenkapital zu beurteilen l40 • Dabei ist - um einen Einwand vorwegzunehmen - darauf hinzuweisen, daß es sich bei dieser Abgrenzung nicht um einen subsumierbaren Obersatz handelt l41 • Der Gedanke des Risikogrades muß durch die Rechtswissenschaft vielmehr mit konkret subsumierbaren Begriffen ausgestaltet werden.
2. Eigenkapitaldefinitionen in der Rechtswissenschaft
Nach den Abgrenzungen der Betriebswirtschaft ist zu klären, welche Bedeutung insbesondere der Begriff des Eigenkapitals in der rechtswissenschaftlichen Diskussion einnimmt.
139
Kütingl Kessler, BB 1994,2103,2104.
140
So auch Kütingl Kessler, BB 1994,2103,2104; Fleischer, S. 110.
141
So auch Fleischer, S. ) 10.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
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a) Gesetzliche Regelung des Eigenkapitals
Das Gesetz verwendet den Begriff des Eigenkapitals im Handelsgesetzbuch in den §§ 247 Abs. 1,266 Abs. 3 iVm 272,268 Abs. 3 HGB mit unterschiedlichem Inhalt. § 266 Abs. 3 iVm §§ 272,268 HGB nimmt als Vorschrift, die ausschließlich fiir die Kapitalgesellschaft gilt, zwei Funktionen wahr. Zum einen bildet das Eigenkapital in § 272 HGB einen Oberbegriff, um verschiedene Posten auf der Passivseite der Bilanz als Gruppe auszuweisen 142 • Zum anderen ist Eigenkapital in § 268 Abs. 3 HGB ein Tatbestandsmerkmal, nach dem der Fehlbetrag, der nicht durch das Eigenkapital gedeckt ist, auf der Aktivseite der Bilanz am Schluß auszuweisen ist und so einen rechnerischen Korrekturposten darstellt 143 • Eine Bestimmung des Begriffes Eigenkapital, der in den erwähnten Vorschriften vorausgesetzt wird, ergibt sich erst aus § 247 Abs. 1 HGB. Als unbestimmter Rechtsbegriff wird Eigenkapital in diesem Zusammenhang allgemein definiert als der in Geldwerten ausgedrückte Anteil des Kaufmanns oder des Eigentümers am Unternehmen 144 • Aus § 301 Abs. 1 S.2 Ziff. I HGB ergibt sich, daß Eigenkapital keinen festen Bestand i.S. eines konkreten Vermögensgegenstandes hat, sondern vielmehr eine Rechnungsgröße ist 14s • Die Norm bestimmt, daß das Eigenkapital in der Höhe anzusetzen ist, wie es "dem Buchwert der ... Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Bilanzierungshilfen und Sonderposten entspricht". Da die Bilanz nach § 247 Abs. 1 HGB nur Vermögen, Schulden und Eigenkapital ausweist, ist das Eigenkapital bilanzmäßig der Saldo zwischen Aktivvermögen und Schulden 146 • Als effektiv oder tatsächlich wird das Eigenkapital bezeichnet, wenn dem bilanzielIen Eigenkapital die stillen Rücklagen hinzugerechnet werden 147 • Im Gegensatz zu dem § 266 Abs. 3 iVm §§ 272, 268 Abs. 3 HGB gilt die im Rahmen
142
Vgl. nur BaumbachiDudeniHopt, § 266 Anm. 11; Teller, S. 71.
143Vgl. nur BaumbachiDudeniHopt, § 268 Anm. 3; TeUer, S. 71. Zu den Funktionen des § 268 HGB und den sich daraus ergebenden Pflichten für Abschlußprüfer und GeseUschaftsorgane siehe ausführlich Herrmann, ZGR 1989, 273 ff. 144 RückleI Klatte, in : Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, S. 118. 145
So auch Pauli, S. 23.
146
Großfeld, § 1 I, S. 2; Reinhard in Kütingl Weber, § 247 Rn. 92.
147
Vormbaum, Finanzierung, S. 170; Küting in Kütingl Weber, § 272 Rn. l.
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I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
des § 247 Abs. 1 HGB getroffene Definition sowohl für Kaufleute -Einzelkaufleute und Personengesellschaften- als auch für Kapitalgesellschaften. Insgesamt sind die Regelungen zum Eigenkapitalbegriffim HGB nur wenig ausgeprägt. Sie ermöglichen keine Zuordnung von Gesellschafterdarlehenzum Eigen- oder Fremdkapital 148 . Darüber hinaus sind weitere Merkmale erforderlich.
b) Materieller Eigenkapitalbegrijf In der gesellschaftsrechtlichen Diskussion wird die Begriffsbildung des Bilanzrechtes zunehmend von einem materiellen Eigenkapitalbegriff abgelöse 49 . Dadurch wird die frühere formale Abgrenzung von schuldrechtlichen Ansprüchen gegen das Unternehmen (Fremdkapital) oder deren Fehlen (Eigenkapital) ersetzt. Dies macht vor allem Knobbe Keuk deutlich: "Dabei orientiert sich die bisherige Bilanzierungspraxis im allgemeinen die Einordnung als Fremdkapital an dem formalen Moment des Vorliegens von schuldrechtlichen Ansprüchen Dritter (einschließlich derjenigen von Gesellschaftern gegen die Gesellschaft). Die derart vorgenommene schlichte -grobeUnterteilung der Passivposten in Eigenkapital und Fremdkapital ist freilich für eine aussagekräftige Darstellung der Kapitalsituation des Unternehmens nicht ausreichend, wenn dem Unternehmen auf Grund eines formalen Fremdkapitaltitels Beiträge zur Verfügung gestellt werden, die gerade der Befriedigung der Gläubiger im Konkurs dienen sollen."150. Statt dessen wird eine materielle Abgrenzung versucht: Sie zielt anhand eines materiellen Kapitalbegriffes darauf ab, die haftungsrechtlichzutreffende Einordnung von formalem Fremdkapital zu ermöglichen, das in der Sache Eigenkapital darstellt l51 . Damit werden in der Rechtspraxis bisher vor allem die kapitaler-
148 So ausdrücklich Küting/Kessler, BB 1994,2103,2104 mwN in Fn. 18. 149 Zu dem Begriff: K. Schmidt, FS Goerdeler, 487, 490 ff; Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979,31,42 ff; Lutter, FS Riesenfeld, S. 168, 172; Priester, DB 1991, 1917; Küting/Kessler, BB 1994,2103,2104. 150
Knobbe-Keuk, Bilanz und Untemehmensteuerrecht, § 4 V 3, S. 107.
151 Durch einen klare Trennung von haftendem und nicht haftendem Kapital, die sich in der Bilanz wiederspiegelt, ergibt sich ein klarer und sicherer Einblick in die Ver-
B. Tatbestand einer Urnqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
81
setzenden Gesellschafterdarlehen erfaßt, aber auch Finanzplankredite 152 • Der materielle Kapitalbegriff richtet sich nicht mehr nur an der "zivilrechtlichen Einkleidung"153 der Finanzierungsmittel aus, sondern an der Funktion des Kapitals im Unternehmen 154. Die durch die betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse geprägte Abgrenzung entscheidet maßgeblich nach den schon vorgestellten idealtypischen Grenzmerkmalen von Fremd- und Eigenkapital. Während das von Gewinn und Verlust des Unternehmens abhängige Eigenkapital den Gesellschaftsgläubigern im Konkurs haftet, gewährt Fremdkapital neben einer festen Verzinsung einen Anspruch auf Rückzahlung im Konkurs. Folgende materielle Merkmale eines Eigenkapitalbegriffes sind in Anlehnung an die idealtypische Abgrenzung in der Betriebswirtschaftslehre festgelegt worden. Nach K. Schmidt ist Eigenkapital wie folgt gekennzeichnetiss: - Eigenkapital rührt von den Mitgliedern her. - Eigenkapital ist gebundenes Kapital und damit einer freien Kreditkündigung entzogen. - Eigenkapital ist haftendes Kapital, womit eine Geltendmachung im Konkurs ausgeschlossen ise 56 •
mögensverhältnisse des Unternehmens. Dazu auch Knobbe-Keuk, Bilanz und Unternehmensteuerrecht, § 4 V 3, S. 107. Herrrnann, in Albers/Herrrnann (Hrsg.), Elemente erfolgreicher Unternehmenspolitik, 1988, S. 301,302 f. Zu den Funktionen der Bilanz allgemein, Herrrnann, ZGR 1976,203,207; ders., ZGR 1989,279,284 ff. 152 Zu den Finanzplankrediten als Teil des materiellen Kapitalbegriffes siehe ausführlich unter allen maßgeblichen Gesichtspunkten Fleischer, Finanzplankredite und Eigenkapitalersatz im Gesellschaftsrecht, 1995. 153
So plastisch Priester, DB 1991, 1917, 1918.
154
Priester, DB 1991, 1917, 1920;Teller, S. 74.
ISS
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 II 2, S. 418; ders., FS Goerdeler, S. 487,491.
156 Wiedemann, FS Beusch, S. 893, 896 ff. Nach Wiedemann zeichnet sich Eigenkapital dadurch aus, daß es: 1. eine dauerhafte Vermögensüberlassung, 2. eine Verlustbeteiligung, 3. eine Gewinnabhängigkeit der Vermögensauschüttung voraussetzt. Die Unterschiede der bei den Ansichten im Hinblick auf die Herkunft und die Gewinnabhängigkeit der Finanzmittel scheinen zunächst beträchtlich. Sie relativieren sich aber durch die einschränkenden Aussagen der bei den Autoren selbst. K. Schmidt sieht, daß seine
6 Gehde
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1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Für die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital ergibt sich daraus folgendes: Wenn alle typischen Abgrenzungsmerkmale erfüllt sind, liegt unzweifelhaft Eigenkapital vor oder im umgekehrten Fall Fremdkapital. Rechtlich problematisch und nicht eindeutig sind aber die Fälle, in denen sowohl Typusmerkmale ls7 von Fremd- als auch von Eigenkapital zur gleichen Zeit erfüllt sind, dem sog. Quasi -Eigenkapital.
c) Quasi- Eigenkapital Quasi-Eigenkapital lS8 zeichnet sich dadurch aus, daß es formell als Fremdkapital zu beurteilen ist und zusätzlich die Merkmale eines materiellen Eigenkapitalbegriffes aufweist. Die Einordnung der Gesellschaftsmittel als Quasi- Eigenkapital ist von Bedeutung für das Steuer IS9_, Bilanzl60_ und Gesellschaftsrecht. In letzterem
Definition zwar für Gesellschafterdarlehen zutrifft, aber für die ebenfalls zu erfassenden Genußscheine eine Ausnahme getroffen werden muß, da hier -anerkanntermaßen- auch Eigenkapital durch Gesellschaftsfremde gebildet werden kann (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 11 2 a, S. 418, § 18 11 2 b dd S. 421). Demgegenüber schränkt Wiedemann die Aussagekraft der Gewinnabhängigkeit über den Charakter der Mittel als Eigenkapital selbst ein, wenn er das Merkmal als die schwächste Voraussetzung einstuft (Wiedemann, FS Beusch, S. 893, 898). Ganz deutlich zeigt sich bei beiden Aufassungen der Einfluss der älteren betriebswirtschaftlichen Überlegungen. IS7 Zum Typus als Rechtsbegriff siehe Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971, S. 81 ff. IS8 Der Begriff wurde durch K. Schmidt geprägt in: FS Goerdeler, S. 487, 493; So auch: Herrmann in: Albers/ Herrmann (Hrsg), Elemente erfolgreicher Unternehmenspolitik, S. 301 ff, ders., Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Unternehmensrecht, 1995. Andere Begriffe sind Nachrangiges Haftkapital, Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 42; Funktionales Eigenkapital, Hommelhoff, ZGR 1988, 460, 491. Wiedemann unterscheidet noch in gewillkürtes Ergänzungskapital und erzwungenes Haftkapital, um dem Unterschied gerecht zu werden, daß es freiwillige und erzwungene Rechtsfolgen in der Frage der Haftung gibt, Wiedemann, FS Beusch, S. 894, 898 ff. IS9 Der BFH hat 1992 entschieden, daß eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen in der Wertung des Steuerrechts Fremdkapital darstellen mit der Folge, daß die Verzinsung und Vergütung an den Gesellschafter nicht als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet wird. BFH, BStBI 11 1992, 532; Dazu OIahs, WiB 1994, 257, 260. 160 Vgl.: Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Unternehmensrecht, 1996, S. 168 f.; ders., in Albers/ Herrmann (Hrsg), Elemente erfolgreicher Untemeh-
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
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steht die Behandlung der Mittel des Quasi- Eigenkapitals als Haftungsgrundlage für die Gläubiger im Vordergrund, also die Frage, wann die Finanzmittel wie Eigenkapital haften. Dem Bestreben, die Finanzmittel als haftendes Kapital zu qualifizieren, um eine Risikoabwälzung auf die Gesellschaftsgläubiger zu verhindern (Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung), stehen die Interessen der Gesellschafter an einer Finanzierung mit Darlehen gegenüber. Wie bei den Motiven für eine Finanzierung mit Darlehen gesehen, sprechen für diese Finanzierungsform sowohl überzeugende wirtschaftliche als auch steuerrechtliche Gründe. Um dem berechtigten Interesse an einer Finanzierung mit Fremdkapital aus Gesellschafterhandgerecht zu werden, darf das Quasi- Eigenkapital nicht in allen Fällen dem Eigenkapital in der Frage der Haftung gleichgestellt werden. Die vordringliche Aufgabe des Rechtes ist es daher, in diesem Spannungsverhältnis Abgrenzungsmerkmale zu entwickeln, anband derer zuverlässig und vorhersehbar entschieden werden kann, zu welchem Zeitpunkt die Mittel berechtigterweise den Gläubigem im Konkurs zur Verfügung stehen sollen und wann nicht. In einem ersten Schritt in diese Richtung ist zu bestimmen, in welchen Fällen die beschriebene Unterscheidung erforderlich wird. Danach lassen sich -in Anlehnung an K. Schmidt- unter dem Begriff Quasi-Eigenkapital folgende Fallgruppen bilden l61 : - Gleichstellung von Fremdmitteln mit Eigenkapital aufgrund einer vertraglichen Abrede zwischen den kreditgebenden Gläubigem und der Gesellschaft (Rangrücktrittsvereinbarung 162;) - Gesellschaftsvertragliche Gleichstellung von Fremdmitteln mit haftendem Kapital (gesplittete Einlagen bei der Publikumsgesellschaft); - Fremdmittel, deren Haftkapitalfunktion sich aus der Gewährung durch den Gesellschafter in der Krise ergibt (kapitalersetzende Darlehen);
menspolitik, S. 301 ff; Knobbe- Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 4 V. 3. S. 107; Priester, OB 1991, 1917, 1923; Klaus, BB 1994,680 ff; Kütingl Kessler, BB 1994, 2 \03 ff. 161
Siehe auch die Einteilung bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III S. 427 ff.
162 Zu den Rangrücktrittsvereinbarungen siehe Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Unternehmensrecht, S. 98 ff.
6*
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1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
- Fremdmittel, deren Haftkapitalfunktion aufgrund einer Finanzplanung der Gesellschaft entsteht (Finanzplankredite). Im Hinblick auf die Rechtsfolge können die vier Kategorien danach unterteilt werden, ob die Rechtsfolge der Haftung qua Parteivereinbarung oder qua Gesetz zustande kommt. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind nicht die vertraglichen, sondern die zwingenden Fälle des Quasi- Eigenkapitals, wodurch die ersten beiden Kategorien auszugrenzen sind. Im Folgenden geht es daher darum, die Voraussetzungen, also den Tatbestand der kapitalersetzenden Darlehen sowie der Finanzplankredite l63 zu bestimmen.
3. Zusammenfassung
Im Hinblick auf eine überzeugende Eigenkapitaldefinition sind die gesetzlichen Bestimmungen wenig hilfreich. Mit dem materiellen Eigenkapitalbegriff hat sich die Einsicht durchgesetzt, daß nicht die Formenwahl eines Finanzierungsmittels über die Einordnung in Eigen- oder Fremdkapital entscheiden kann. Maßgeblich ist vielmehr die Funktion, die durch das Kapital in der Unternehmens finanzierung wahrgenommen wird. Dabei wird deutlich, wie sich das rechtswissenschaftliche Schrifttum in seiner Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital hauptsächlich auf ältere idealtypische Abgrenzungen der Betriebswirtschaftslehre stützt. Daß Finanzierungsmittel sowohl Typusmerkmale von Fremd- wie von Eigenkapital aufweisen, ist keine Besonderheit der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen, sondern ein auch bei anderen Finanzierungsformen anzutreffendes Phänomen. Gesellschafterdarlehen werden in haftendes Kapital urnqualifiziert, wenn sie im Rahmen der Unternehmensfinanzierung materielle Eigenkapitalfunktion wahrnehmen. Im Folgenden sind diejenigen konkreten und subsurnierbaren Merkmale vorzustellen, die die Eigenkapitalfunktion begründen und sich vom Fremdkapital unterscheiden lassen.
163 Zu den Finanzplandarlehen siehe v.Gerkan/Hommelhoff, Kapital ersatz, S. 54 f, 188 ff; Hachenburg/Ulmer, § 32 a,b Rn. 59; Hommelhoff/Kleindiek, FS 100 Jahre GmbHG, S. 421,438 ff; Wiedemann FS Beusch, 1993, S. 893 ff; Fleischer, Finanzplankredite und Eigenkapitalersatz im Gesellschaftsrecht, 1995.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
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11. Einzelne Beurteilungsmaßstiibe zur Bestimmung der Eigenkapitalersatzfunktion 1. Überblick Über die entwickelten Beurteilungsmaßstllbe
Wie schon angedeutet ist die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital als Entscheidung zwischen einer erlaubten Gesellschafterfremdfinanzierung und einem Verstoß gegen die Regeln einer ordnungsgemäßen Unternehmensfmanzierung außerordentlich komplex. Nicht alle Darlehen aus Gesellschafterhand sollen als eigenkapitalersetzendqualiflZiert werden. Als Beurteilungsmaßstab für die eigenkapitalersetzendeFunktion der Gesellschafterdarlehen gibt das Gesetz in § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG das Finanzierungsverhalten eines" ordentlichen Kaufmannes" vor. Das Merkmal" ordentlich" steht dabei nicht für eine Sorgfaltsanforderung l64 , sondern gibt einen vom Gesetzgeber bewußt so gewählten, undeutlichen und damit ausfiillungsbedürftigen Rahmen vor l6S • Als unbestimmter Rechtsbegriffkann die inhaltliche Bedeutung des Maßstabes nur schwer aus sich selbst heraus entwickelt werden l66 • Aus diesem Grund haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kriterien zur Ermittlung des Eigenkapitalersatzcharaktersvorgeschlagen. Die Rechtsprechung zum Kapitalersatz hat zunächst auf das Merkmal der Konkursreife der Gesellschaft abgestellt. Wird eine Gesellschaft im Moment der Überschuldung (§ 64 Abs. 1 S. 1,2. Alt. GmbHG) oder Zahlungsunfahigkeit (§ 102 Abs. KO) mit Gesellschafterdarlehen fortgefiihrt, besitzen diese Sanierungskredite nach unstrittiger Ansicht eigenkapitalersetzendenCharakter. Da das Merkmal der Konkursreife den Nachteil hat, nur in der schon bestehenden Krise eine Aussage über den Eigenkapitalcharakter treffen zu können,
164 ScholzJ K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 35; Hachenburg/ Ulmer, § 32 a, b Rn. 43, 56; Lutter/ Hommelhoff, §§ 32 aIb Rn. 20; Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 123, 134; Geßler, ZIP 1981, 228, 231. Daß das Gesetz eine Sorgfaltsanforderung i.S. einer moralischen Wertung vorgibt, nimmt fälschlicherweise Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung 1991, S. 81 fan. 165
Begr. RegE., BT-Drucks. 8/1347, S. 39 r. Sp.
166 Zur Ermittlung, was den Inhalt des "ordentlichen Finanzierungsverhaltens" ausmacht, vgl. ScholzJ K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 35; Hachenburg/ Ulmer, § 32 a, b Rn. 43; Lutter/ Hommelhoff, § 32 aIb Rn. 20, jeweils mwN.
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1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
ergänzte es der BGH 1980 167 um ein weiteres Kriterium fiir das Vorfeld der Krise: die Kreditwürdigkeit. Danach werden Gesellschafterleistungen schon dann als kapitalersetzend qualifIziert, wenn die Gesellschaft den zur Fortführung des Untememnens erforderlichen Kredit nicht mehr von einem außenstehenden Dritten zu marktüblichen Bedingungen erhalten konnte und deshalb ohne die Gesellschafterleistung hätte liquidiert werden müssen l68 • Der inhaltliche Maßstab der marktüblichen Bedingungen ist eine objektive Würdigung unterschiedlicher Indizien. Der besondere Vorteil der Kreditwürdigkeit als Abgrenzungsmerkmal liegt nicht nur in einem erweiterten Gläubigerschutz. Vielmehr richtet sich das Merkmal nach einer Entscheidung des Marktes und nimmt somit Bezug auf die Risikoeinschätzung der Gläubiger l69 • Entscheidend wird so die Frage, ob die Gläubiger damit rechnen müssen, daß eine Krise der Gesellschaft mit Hilfe der Gesellschafterdarlehennur verschleiert wird. Als weiteres Merkmal im Sinne eine Stimmigkeitskontrolle 170 wird teilweise die Kapitalstruktur des Untememnens vorgeschlagen. Danach gelten die GeseIlschaftermittel als Eigenkapital, wenn das Untememnen ein exzessives Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital besitzt. Das letzte Merkmal, um eine UmqualifIzierung zu rechtfertigen, ist der Finanzpiankredit l71 • Der Finanzplankredit als jüngster Typus des Quasi-Eigen-
167
BGHZ 76, 326.
168 Ständige Rechtsprechung seit BGHZ 76, 326, 330; folgend BGHZ 81, 311, 317; 81,365,366; 90, 381,390; 105, 168, 181; 109,55,62; 119,207,121,31,38. Aus dem Schrifttum grundlegend: Ulmer, FS Duden, S. 661, 674; Lutter/ HommelhotI, ZGR 1979, 31, 39 f; Folgend: Scholz! K. Schmidt, 3 32 a, 32 b Rn. 35; Hueck in BaumbachHueck, § 32 a Rn. 43 mwN; Lutter/ Hommelhoff, § 32 a Rn. 34; Fleck, FS Werner, S. 107, 117; Lutter, DB 1980, 1317, 1321; Ulmer, ZIP 1984, 1163, 1164; Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1107; Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 123, 133 ff; Wiedemann; ZIP 1986, 1293, 1298. 169 Zu der Kreditwürdigkeitsprüfung am Kapitalmarkt ausführlich Roth, ZGR 1993, 170, 182 ff. 170 Zu den Begriffen der Stimmigkeitskontrolle und der Richtigkeitskontrolle im Hinblick auf die Vorgänge der Rechtsfindung zu einer gerechten Konfliktlösung siehe Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, insbesondere S. 139 ff; ders., AcP 172 (1972) 97 ff, insbesondere 109 f. 171 Bislang gibt e~ noch keine einheitliche Terminologie. Den Begriff Finanzplankredite benutzen Scholz! K.Schmidt, §§ 32 a, 32 b, Rn. 38; v. Gerkan/ Hommelhoff, S. 25. Priester, FS Döllerer, S. 475, 481 schlägt den Ausdruck "Finanzierungsplankredit"
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
87
kapitals ist sowohl hinsichtlich des Tatbestandes als auch der Rechtsfolgen bisher noch nicht abschließend gekläre n . Anerkannt ist ebenso in der Literatur wie auch der anfangs zurückhaltenden Rechtsprechung 173 die Berechtigung dieses Merkmales. Das Kriterium zeichnet sich nach bisher h. M. vor allem dadurch aus, daß diese Kredite von vornherein als einlagegleiche Leistung anzusehen sind und nicht nur als Eigenkapitalersatz l74 • Der Tatbestand eines Finanzplankredites ist dann erflillt, wenn die materielle Eigenkapitalfunktion der Mittel, die sie im Rahmen der Unternehmensfmanzierung übernehmen, zu bejahen ist 17S • Ob das der Fall ist, kann nur durch eine genaue Prüfung der Vertragsbestimmungen ermittelt werden. Dazu bieten Literatur 176 und Rechtsprechung 177 verschiedene, mehr oder weniger überzeugende Lösungsversuche an. Wird der Tatbestand bejaht, sind die Gesellschafterfremdmittel qualifiziert gebunden. In der Folge haftet das Kapital den Gläubigem in der Krise der Gesellschaft 178 • Ungeklärt ist dabei bislang die Frage, inwieweit die Mittel auch außerhalb der Krise gebunden sein können 179 • vor. Auch wird von einem "Start- oder Erweiterungskredit" gesprochen, Hommelhoff, ZGR 1988,460,491. 172 Dazu umfassend Fleischer, Finanzplankredite- ein Beitrag zum materiellen Eigenkapitalbegriff, 1994; v.GerkanJ Hommelhoff, Kapitalersatz, S. 54 f; S. 188 ff; Homme1hofft Kleindiek, FS 100 Jahre GmbH- Gesetz, S. 421; 438 ff; Wiedemann, FS Beusch, S. 893,905; v. Steinrück, S. 121 ff; Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 38; Hachenburg/ Ulmer, § 32 a, b Rn. 48; Lutter/ Hommelhoff, § 32 aIb Rn. 14 ff. 173
Siehe jetzt BGHZ 104,33,40; 109,53,55; 121,31,41.
174 In diese Richtung EbenrothIWilken, BB 1993,305, 307; v. Gerkan, GmbHR 1990, 384,385; Fleischer, S. 119; Lutter/ Hommelhoff, § 32 aIb Rn. 14. Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 38 hingegen sieht den Finanzplankredit ausdrücklich als Teil des Eigenkapitalersatzes nach § 32 a GmbHG. 175
Fleischer, S. 151.
176 Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 38; Lutter/ Hommelhoff, § 32 aIb Rn. 11; v. Gerkan, GmbHR 1990, 384, 385; Hommelhoff/ Kleindiek, FS 100 Jahre GmbHGesetz, S. 421, 441 ff. 177
BGHZ 104,33,41.
178 Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 38; Hachenburg/ Ulmer, § 32 a, b Rn. 48, 61; Lutter/ Hommelhoff, § 32 aIb Rn. 15 ff. 179 Für eine Bindung außerhalb der Krise: Hommelhoffl Kleindiek, FS 100 Jahre GmbH- Gesetz, S. 421, 441 ff; Ebenrothl Wilken, BB 1993, 305, 07; Hachenburg/ Ulmer, § 32 a, b Rn. 48, 61. Dagegen v. Steinrück, S. 124 ff; Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 38; Lutterl Hommelhoff, § 32 aIb Rn. 15 ff.
88
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
2. BeurteilongsmaOstab bei der konkursreifen Gesellschaft
a) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldungssituation der Gesellschaft Ganz allgemein wird anerkannt, daß die Fortfiihrung einer Gesellschaft im Stadium der Konkursreife auf der Basis von Gesellschafterdarlehen zu einer Umqualifizierung der Darlehensmittel in haftendes Kapital führt 180 • Die Konkursreife einer Gesellschaft entsteht entweder bei einer drohenden oder bereits eingetretenen Überschuldung oder bei Zahlungsunfähigkeit. Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit ist in diesem Rahmen unproblematisch. Er wird wie auch sonst i.S. des § 63 Abs. 1 GmbHG und dem § 102 Abs. 2 KO definiert. Zahlungsunfähigkeit ist demnach, das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, voraussichtlich dauernde Unvermögen des Schuldners, seine fälligen Verbindlichkeiten noch im wesentlichen zu berichtigen 181. Die Fälle der Überschuldung nach § 64 Abs. 1 GmbHG hingegen werfen Probleme auf. Nach herrschender Meinung 182 ist § 64 Abs. I S. 2 GmbHG zu bejahen, wenn das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt (rechnerische Überschuldung), und die Finanzkraft der Gesellschaft nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig nicht zur Fortfiihrung des Unternehmens ausreicht (Überlebensprognose)183. Diese Prognose beinhaltet ein erhebliches Unsicherheits- und Spekulationsmoment, das entweder die Gläubiger oder die Gesellschafter trifft. Bislang hatte der BGH in seiner neuen
180 Seit BOHZ 31, 258, 268 ff; Die Überschuldung ist auch heute noch ein (wenn auch weniger verwandtes) Kriterium, BOHZ 109, 59 f m.w.N. 181
Vgl.: nur ROZ 50, 39, 40; 100, 62, 65; Kilgerl K. Schmidt, § 102 Anm. 2)a).
182 Von der konkursrechtlichen Überschuldung ist die formelle buchmäßige Überschuldung zu unterscheiden. Diese tritt auf, wenn die nach handelsrechtlichen Bilanzie rungsgrundsätzen erstellte Jahresabschlußbilanzeinen "nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag" gern. § 268 Abs. 3 HOB ausweist. Zu Funktion des § 268 Abs. 3 HOB vgl. Herrmann, ZOR 1989, 273 ff.
183 BHOZ 119, 201, 210 ff. Der BOH hat sich mit diesem zweistufigen Überschuldungsbegriff von seiner früheren Rechtsprechung, vgl. nur: BOHZ 31, 258, 272; 76, 334, 338, gelöst und die Vorschläge des Schrifttums aufgenommen. Vgl. trotz Unterschieden im einzelnen: Lutter/ Hommelhoff, § 63 Rn. 5 f; Hachenburgl Ulmer, § 63 Rn. 34 ff; Schulze- Osterloh, in Baumbach/ Hueck, § 63 Rn. 8.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd· in Eigenkapital
89
Rechtsprechung seit 1980 aber keinen Anlaß, sich mit dieser Frage genauer auseinanderzusetzen,da das Kriterium der Kreditwürdigkeit immer im Vordergrund der Prüfung stand. In der Situation 184 einer konkursreifen Gesellschaft ergibt sich zwanglos die Berechtigung für eine Umqualiflzierung der Gesellschafterfremdmittel 185 • Ist die Gesellschaft konkursreif, ist entweder die Liquidation durch einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens einzuleiten oder die Fortführung des Geschäftsbetriebes durch die Zufuhr von Eigenkapital zu ermöglichen. Eine weitere Alternative besteht nicht l86 • Durch Fremdkapital aus Gesellschafterhand kann die Überschuldungsbilanz nicht überwunden werden; erst eine Rangrücktrittsvereinbarung kann den Zustand ändern J87 • Ist die Fortfiihrung der Gesellschaft ohne Eigenkapital schon rechtlich nicht möglich, dann sind die Gesellschafterdarlehen auch als haftendes Kapital zu behandeln. Anderenfalls würde die Krise der Gesellschaft mit der Folge verlängert, daß sich auch das bestehende Vermögen zu Lasten der Gläubiger verringert l88 • Das Risiko wird
184 In der Theorie sind beide Merkmale nur sehr schwer festzustellen (Dazu auch Dendorfer, S. 158 ff). Die Wertungen zur Bestimmung der Zahlungsunfähigkeit sind so offen, daß sie problemlos zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Bei der Überschuldung kann der Überschuldungsstatus wegen der Handelsbilanz, die mit Fortführungswerten und nicht den maßgebenden Zerschlagungswerten operiert, und wegen der Fortbestehensprognose des Überschuldungsbegriffes nur mit großen Unsicherheiten eingeschätzt werden. In der Praxis spielen diese Ungenauigkeiten jedoch keine Rolle. Eine erhebliche Gläubigergefährdung besteht in jedem Fall, unabhängig von den einzel· nen Berechnungsproblemen. Die Gefährdung für die Gläubiger ist im Stadium der Überschuldung deshalb so besonders groß, weil ihre Forderung gegen das Gesellschaftsvermögen nicht durch einen Vermögenswert in gleicher Höhe gedeckt wird. Schon aus der schlichten Tatsache, daß die konkursreife Gesellschaft fortgeführt wird, ergibt sich die spezielle Gefährdung der Gläubiger. Alle weiteren Verluste der Gesellschaft können nicht mehr durch das Eigenkapital aufgefangen werden, sondern gehen direkt zu Lasten der Gläubiger, indem sie ihre Chance auf Befriedigung weiter verringern. 185
Ständige Rechtsprechung seit BGHZ 31, 258, 272; zuletzt BGHZ 119,201,213.
186 Zu der Möglichkeit, ein Vergleichsverfahren durchzuführen' Fabritius, S. 69 insb. Fn. 72. Demnach wird eine unveränderte Fortführung der Gesellschaft ausgeschlossen. 187 Zu Rangrücktrittsvereinbarungen, um eine Überschuldung zu vermeiden, siehe Herrmann, in Albers/ Herrmann, S.301, 309 ; ders., Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Unternehmensrecht, 1995, Kap. 5 11.2.; Teller, S. 93 ff. 188
Zuletzt BGHZ 109, 55, 57.
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1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
auf die Gläubiger verlagert, wenn die Gesellschaft trotz Krise und Konkursantragspflicht mittels Gesellschafterdarlehen weitergeführt wird. Die Konkursreife als Schwelle zur Bestimmung des Eigenkapitalersatzes ist aus Gläubigersicht jedoch problematisch. An sich soll das Vermögen der Gesellschaft in der Liquidation die Gläubiger befriedigen l89 • Angesichts der hohen Anzahl masseloser Konkurse sowie dem Problem der Scherenwirkung l90 im Konkurs kommt dieser theoretische Gedanke in der Rechtswirklichkeit nicht zwn tragen. Ein an der Konkursreife orientierter Gläubigerschutz ist daher letztlich nicht besonders effektiv l91 • Aus diesem Grund ist es verständlich, daß die Gerichte andere Merkmalen wie die Kreditwürdigkeit herangezogen haben, um schon im Vorfeld einer Krise die Gesellschaftermittel umqualifIzieren zu können.
b) Abgrenzung zum Tatbestand der Unterbilanz In einigen Fällen, die der BGH zu beurteilen hatte, war das Stammkapital der Gesellschaft aufgezehrt. Da das Reinvermögen die Höhe des Stammkapitals nicht mehr deckte, lag defInitionsgemäß eine Unterbilanz vor 192 • Das rechtstatsächliche Material könnte daher dazu verleiten, die Unterbilanz als Merkmal fiir eine UmqualifIzierung von Gesellschafterdarlehen anzusehen. Das ist aber nicht der Fall 193 • Eine Unterbilanz kann auf sehr verschiedenen Gründen beruhen l94 • So kommt etwa eine steuerrechtlich veranlaßte Sonderabschreibung in Betracht oder der Fall, daß der Gesellschaft noch stille Reserven zur Ver-
189
K. Müller, GmbHR 1982, 35; Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 135.
Unter einer Scherenwirkung wird das Phänomen verstanden, daß nach der Schwelle der rechnerischen Überschuldung auf der einen Seite die Schuldenmasse weiter wächst und auf der anderen Seite der realisierbare Wert des Aktivvermögens unter die Bilanzansätze fällt, dazu ausführlich Roth, ZGR 1993, 170, 171. 190
191
HachenburglUlmer, § 32 a, b Rn. 47 a.
192
Dazu, Hueck in Baumbachl Hueck, § 30 Rn. 7.
193 Ganz h.M.: Hueck in Baumbachl Hueck, § 32 a Rn. 45; Hachenburgl Ulmer, § 32 a, b Rn. 60; ScholZ) K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 37; Schlegelbergerl K. Schmidt, § 172 a Rn. 23; a. A.: Geßler, ZIP 1981,228,232; Herrmann, Horst, S. 166.
194 Zu den aufgeflihrten Möglichkeiten siehe Hachenburgl Ulmer, § 32 a, b Rn. 60; ScholZ) K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 37.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
91
fügung stehen. Denkbar ist auch, daß einem Verlustvortrag aus vorherigen Jahren ein Bilanzgewinn aus dem Jahr der Darlehensgewährunggegenübersteht, die den Verlust nur noch nicht ganz kompensiert hat. In solchen Fällen gibt die Unterbilanz keine Auskunft über die Ertragskraft des Unternehmens und ein bestimmtes Maß an Gläubigergefährdung. Eine Aussage über die Kreditwürdigkeit des Unternehmens und über den Grad der Gläubigergefährdung läßt sich daher nicht treffen l9s • Zu Recht l96 darf der Gläubiger nicht auf den Bestand des vollen Stammkapitals vertrauen, denn die Gesellschafter sind nicht verpflichtet, das Stammkapital vor wirtschaftlichen Verlusten zu schützen l91 •
3. Beurteilungsmaßstab im Vorfeld der Konkunreife Wegen des nur unzureichenden Schutzes, den ein an der Konkursreife orientierter Gläubigerschutz bieten kann, haben sich die Gerichte früh bemüht, Beurteilungsmaßstäbe zur Bestimmung des Eigenkapitalersatzeszu entwickeln, die bereits im Vorfeld der Konkursreife greifen.
a) Kriterium der Kreditwürdigkeit Das mit einer Darlehensvergabe verbundene Risiko wird von Banken und am Kapitalmarkt tagtäglich neu eingeschätzt, bevor Kredite an Unternehmen vergeben werden. Deswegen liegt es nahe, die Entscheidung, ob die Gesellschafter ausreichend mit Eigenkapital fmanzieren, dem Markt der Kreditgeber zu überlassen. Diesen Ansatz wählt die herrschende Meinung in Rechtsprechung l98 und Literatur l99 , indem sie auf die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens ab-
195
Ausftlhrlich HachenburgJ Ulmer, § 32 a, b Rn. 60.
196
So auch Fabritius, S. 70 f.
197 Ist der Überlegung auch aus rechtstechnischen Gründen zuzustimmen, dürfte die praktische Relevanz sehr gering sein, da in der Praxis wohl wenige Fälle auftreten werden, in denen die Gesellschaft trotz Unterbilanz noch kreditfähig ist. 198 Ständige Rechtsprechung seit BGHZ 76, 326, 330; folgend BGHZ 81, 311, 317; 81,365,366; 90,381,390; 105, 168, 181; 109,55,62; 119,201,204 ff, 121,31,38. 199 Grundlegend: Ulmer, FS Duden, S. 661,674; Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979,31, 39 f; Folgend: Scholzl K. Schmidt, § 32 a, 32 b Rn. 35; Hueck in Baumbach- Hueck, § 32 a Rn. 43 mwN; Lutter/ Hommelhoff, § 32 a Rn. 34; Fleck, FS Werner, S. 107,
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I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
stellt. Eigenkapital liegt demnach vor, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung durch den Gesellschafter den zur Fortfiihrung der Gesellschaft erforderlichen Kapitalbedarf nicht durch Darlehen Dritter zu marktüblichen Bedingungen hätte decken können und deshalb ohne die Gesellschafterleistung hätte liquidiert werden müssen. Hervorzuheben ist, daß es der BGH nicht bei der Kreditfähigkeit alleine als Auslösekriterium beläßt, sondern immer auch sehr ausfiihrlich prüft, ob die Liquidation der Gesellschaft zwingend geboten isfoo • Kritisch ist dazu anzumerken, daß dem Merkmal der Liquidationsreife keine eigenständige Bedeutung zukommt. Der Gesellschafter hat in der Krise der Gesellschaft die Wahl, entweder mit Eigenkapital zu fInanzieren oder die Gesellschaft zu liquidieren. Damit ist die Liquidationsreife eine von zwei unternehmerisch vernünftigen Alternativen. Die Liquidationsreife ist nicht Voraussetzung der Krise, sondern deren Folge20I • Maßgebend fiir die Frage nach dem eigenkapitalersetzenden Charakter der Gesellschafterfremdmittel ist daher allein die Kreditfähigkeit des Unternehmens.
aa) Marktvergleichskonzept Die KreditunWÜfdigkeit der Gesellschaft und damit die Entscheidung über den kapitalersetzenden Charakter der Gesellschafterdarlehen ergibt sich aus einem Vergleich des Finanzierungsverhaltens der Gesellschafter mit dem Finanzierungsverhalten außenstehender Dritter. Die Entscheidung über die Kreditwürdigkeit und damit über die ordnungsgemäße UnternehmensfInanzierung wird verlagert auf das Urteil eines außenstehenden Dritten. Als außenstehende Dritte kommen Kreditgeber in Betracht, die weder Gesellschafter sind noch sich an der Gesellschaft beteiligen wollen202 • Wegen des fiir die Beurteilung einer Kreditvergabe erforderlichen Know Hows, begrenzt sich der relevante Kreis Außenstehender grundsätzlich auf Geschäftsbanken und den Kapital-
Il7; Lutter, OB 1980, 1317, 1321; Ulmer, ZIP 1984, Il63, Il64; Hommelhoff, WM 1984, Il05, 1107; Schulze-Osterloh, ZOR 1983, 123, 133 ff; Wiedemann; ZIP 1986, 1293, 1298. 200
BOHZ 76, 326, 330 ff; 81, 252, 255 ff; 81,311,317 f.
201
So zutreffend Weitbrecht, S. 26.
202
Vgl. nur BGH ZIP 1987, 1541, 1542.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
93
markfo 3 • In der Praxis wird aber nur das Urteil der Banken entscheidend sein. Die Probleme der eigenkapitalersetzendenGesellschafterdarlehentreten in der Rechtswirklichkeit nahezu ausschließlich bei der GmbH und der GmbH & Co. KG204 auf, also bei Unternehmensformen, die keinen Zugang zum Kapitalmarkt an der Börse20s haben. Treten die Gesellschaften auf diesem Kapitalmarkt nicht in Erscheinung, entfällt zwangsläufig die Börse als relevanter Bezugsrahmen206 • Maßgeblich ist damit das Urteil der institutionellen Kreditgeber, der Banken207 • Eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung wird von einer unzulässigen Risikoabwälzung zu Lasten der Gläubiger durch das Urteil der Banken unterschieden. Durch den Drittvergleich zur Ermittlung des eigenkapitalersetzenden Charakters eines Gesellschafterdarlehens ist es gerechtfertigt, von einem Marktvergleichskonzepfo8 zu sprechen. Die Beurteilung rechtlich relevanter Tatbestän203 Herkömmlicherweise werden die Finanzmärkte in Geldmarkt und Kapitalmarkt unterschieden, abhängig von der Fristigkeit der Anlage: Geldmarkt als Markt für kurzfristige Kredite, Kapitalmarkt als Markt für langfristige Kredite und Eigenkapital. Abgesehen von dieser Abgrenzung gehört die Bezeichnung Kapitalmarkt jedoch nicht zu den klar konturierten, sondern zu den klärungsbedürftigsten Begriffen der Wirtschaftswissenschaft vgl. dazu Assmann in Assmannl Schütze, Handbuch des Kapitalanlegerrechts, § I Rn. 3. Nach anderen Definitionen bestimmt sich der Kapitalmarkt durch seine zentralen Institutionen Aktiengesellschaft und Börse, ausführlich zu den Entwicklungslinien des Kapitalmarktrechts Assmann in Assmannl Schütze, Handbuch des Kapitalanlegerrechts, § 1 Rn. 5 ff, insbes. 7. Im Rahmen dieser Arbeit soll der Begriff in seiner herkömmlichen Fassung zu Grunde gelegt werden.
204 Bisher ist nur ein Urteil bekannt, das die Frage des Eigenkapitalersatz in der Aktiengesellschaft zum Inhalt hatte, BGHZ 90, 381. 205
192.
Zum Begriff des Kapitalmarktes im Rahmen der vorliegenden Arbeit siehe Fn.
206 Ganz anders ist die Lage beim Genußschein als Quasi- Eigenkapital. Dort spielt der Kapitalmarkt eine große Rolle. Vgl. nur BGH ZIP 1992, 1542 "Klöckner" und BGH ZIP 1992, 1728 "Bremer Bankverein". Zur Frage der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf diesem Gebiet ausführlich, Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Unternehmensrecht, 1996, S. 79 ff. 207 Zum Beurteilungsinstrumentarium institutioneller Kreditgeber vgl.: Falter, Kreditgeschäft, Rn. 1923 ff; Spremann, Investition, S. 649. 20B Dieser Begriff lehnt sich an Wiedemann, ZIP 1986, 1293, 1298 an, der von einem Vergleichsmarktkonzept spricht. Der Begriff des Vergleichsmarktkonzeptes entstammt dem Wettbewerbsrecht. Der Vergleich innerhalb von § 22 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 und 3 ermöglicht es, ein Mißbrauchsverhalten marktbeherrschender Unternehmen festzustellen,
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
94
de -hier der Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital bei einer Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen- wird damit dem Markt überlassen209 ; genauer dem Markt der Geschäftsbanken. Daß dem Markt die Entscheidung über den kapitalersetzenden Charakter der Gesellschafterfremdmittel überantwortet wird, rechtfertigt sich aus zwei Gründen. Erstens bietet das Marktvergleichskonzepteinen unproblematischen Weg, um die Frage nach dem Eigenkapitalersatzzu entscheiden. Die einzige auch diskutierte Alternative ist, zunächst den konkreten Kapitalbedarf eines Unternehmens zu bestirnmen2lO • In einem zweiten Schritt wären die Gesellschafterleistungen als Fremdmittel zu qualifIzieren, wenn die Gesellschafter den errechneten Eigenkapitalbedarf aufgebracht haben. Im umgekehrten Fall wären die Darlehen als haftendes Kapital zu qualifIzieren. Die Schwierigkeit eines solchen Lösungsansatzes besteht nun darin, daß es bisher weder in der Betriebswirtschaft noch in der Rechtslehre gelungen isf 11 , handhabbare Vorgaben für einen angemessenen Kapitalbedarf zu entwickeln. Daher kommen solche Abgrenzungen für eine zuverlässige und zügige Beurteilung von Eigenkapitalersatz nicht in Betracht. Im Gegensatz zu anderen Abgrenzungsmethoden von Eigen- und Fremdkapital ist die Handhabung des Marktvergleichskonzeptes einfach: Ist ein Dritter bereit, der Gesellschaft zu ähnlichen Bedingungen einen Kredit zu gewähren, ist es auch den Gesellschaftern erlaubt, ihre Gesellschaft mit Darlehen statt Eigenkapital zu fmanzieren. Innerhalb dieses Rahmens muß der
vgl. Möschel in Immengal Mestmäcker, GWB, § 22 Rn. 148 ff, insbesondere Rn. 161 ff. Innerhalb der Beurteilung kapitalersetzender Darlehen ist der Begriff Ver-
gleichsrnarktkonzept aber irrefilhrend. Denn es werden nicht zwei räumlich oder sachlich getrennte Märkte verglichen, sondern das Verhalten unterschiedlicher Teilnehmer auf einem Markt. Deshalb ist die Bezeichnung Marktvergleichskonzept vorzuziehen. 209 Es sei daraufhingewiesen, daß die Marktorientierung zivilrechtlicher Regelungen im Grunde nichts Neues ist. Als Beispiel sind hier nur zu nennen die Marktbezüge des Transparenzgebotes im AGB-Gesetz und im UWG, umfassend zu diesem Problemkreis mit weiteren Beispielen siehe Herrmann, DZWiR 1994, 45 ff und 95 ff. Zur grundlegenden Bedeutung richterlicher Wettbewerbsprämissen und den Einzelheiten einer Inhaltskontrolle bei beschränktem Wettbewerb, siehe auch Herrmann, DZWiR 1993,54 ff und ders., WM 1987, 1029, 1035 ff.
210
Dazu aus neuerer Zeit: Wüst, DStR 1991, 1388, 1389.
211 Grundlegend Büschgen, GmbHR 1974, 25 ff; Herrmann, ZGR 1989, 273, 279 in Fn. 24,26 mwN; Vonnemann, GmbHR 1992,77 ff; Wüst, JZ 1985,817,818; ders., DStR, 1991, 1388, 1389; HachenburglU1mer, Anh. § 30 Rn. 10.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
9S
Rechtsverkehr mit dem Vorhandensein von Fremdmitteln rechnen212 • Die Gläubiger können selbst bestimmen, welches Risiko sie im Geschäftsverkehr mit der Gesellschaft eingehen wollen. Damit läßt sich feststellen, daß die Konzeption des § 32 a GmbHG sich nach dem Kapitalmarkt ausrichtet. Der zweite Vorteil hängt mit einer weiteren Überlegenheit des Marktvergleichskonzeptes gegenüber den Abgrenzungsversuchen zusammen, die sich an einem konkreten Kapitalbedarf orientieren. Solche DefInitionen stellen immer auf ein bestimmtes Maß an Eigenkapitalausstattung ab, das eine Befriedigung der Gläubiger gewährleisten soll. Dabei wird vernachlässigt, daß Eigenkapital überflüssig ist; wenn die Erfolgserwartung des Unternehmens hinreichend groß isf 13 • Allein aus dem fehlenden Eigenkapital ergibt sich noch keine Gläubigergefährdung. Maßgebend ist im Hinblick auf die Gläubiger nur, ob überhaupt Finanzmittel vorhanden sind, um die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen, unabhängig davon, ob es sich um Fremd- oder Eigenkapital handelf l4 • Gesellschaftsschuldenkönnen auch mit Fremdmitteln beglichen werden. Dabei soll nicht übersehen werden, daß Eigenkapital wegen der vorrangigen Haftung im Konkurs den Gläubigem eine bessere Befriedigungsaussicht vermittelt. Entscheidend für die Gläubigergefahrdung ist es aber, wenn es der Gesellschaft nicht nur an Eigenkapital mangelt, sondern wenn die Gesellschaft darüber hinaus nicht mehr in der Lage ist, neue Gläubigerstellungen zu begrüDden2lS . Das ist der Fall, wenn die Erfolgswahrscheinlichkeit des Unternehmens näher bei 50 % als bei 100 % liegt, was die Regel darstellf l6 • Erst in diesem Stadium setzt die Gefahrdung für die Gläubiger ein. Diese Form der Gefährdung, bestehend aus Eigenkapitalmangel und fehlenden Erfolgsaussichten des Unternehmens, wird nur durch die Prüfung der Kreditflihigkeit auf einem Markt erfaßt.
212
Fleck, FS Wemer, S. 107, 117.
213 Die Überlegung entstammt den Arbeiten zur economic analysis vgl. dazu Adams und Roth, in Ottl Schäfer, Ökonomische·Probleme des Zivilrechti, 1991, S. 193 ff und S. 226; Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, 1991; Roth, ZGR 1993, 170, 177. 214
Dazu auch Küblerl Schmidt, Gesellschaftsrechtund Konzentration, 1988, S. 123 f.
215
So zutreffend Weitbrecht, S. 25.
216
So Roth, ZGR 1993, 170, 177.
96
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
An die Vorteile einer marktgerichteten Beurteilung schließt sich die Frage an, unter welchen Voraussetzungen eine solche Methode berechtigt ist, und für welche Fälle das Konzept sich nicht als tragfähig erweist. Das gilt vor allem deshalb, weil ein rechtlicher Tatbestand (§ 32 a GmbHG) nicht nach normativen Vorgaben, sondern nach der Einschätzung am Markt beurteilt wird. Der Bezug auf die Entscheidungen eines Marktes ist, als methodischer Ansatz der economic analysis, abhängig von den rational agierenden Akteuren, optimalen Informationen und minimalen Transaktionskosten217 • Ohne auf Details einzugehen, läßt sich feststellen, daß das Marktvergleichskonzept solange akzeptable Ergebnisse liefert, wie die erforderlichen Rahmenbedingungen gegeben sind: eine von wirtschaftlichen Parametern geprägte Problemstellung, professionelle und informierte Marktteilnehmer sowie ein funktionierender Markf l8 •
bb) Grenzen des Marktvergleichskonzepts Die Grenzen und Probleme des Merkmals Kreditwürdigkeit als Maßstab zur Beurteilung des eigenkapitalersetzendenCharakters von Gesellschafterdarlehen ergeben sich sämtlich aus dem Funktionieren der genannten Rahmenbedingungen. Davon ist insgesamt auch die Berechtigung der Methode Marktvergleichskonzept abhängig. Daß die Beurteilung von Gesellschafterdarlehenunter dem Aspekt des Eigenkapitalersatzes, also ein Urteil über die ordnungsgemäße Finanzierung, sich an wirtschaftlichen Parametern orientiert, kann vorausgesetzt werden. Weitere Voraussetzung für das Funktionieren des Marktvergleichskonzeptes ist die Einschätzung der Kreditfähigkeit durch professionelle Marktteilnehmer. Um die Frage nach der Professionalität beantworten zu können, ist zunächst zu klären, was die Geschäftsbanken überhaupt beurteilen sollen. Für die Kapitalersatzfunktion entscheidend ist die Beurteilung der Frage, welches Risiko die Banken bei der Kreditvergabe an die Gesellschaft eingehen
217
182.
Speziell zur Kreditwürdigkeit und ökonomischer Analyse, Roth, ZGR 1993, 171,
m Zu den Grundsätzen der Ökonomischen Analyse vgl. oben Einleitung III.2.; Schäfer/ Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 1986; Behrens, Ökonomische Grundlagen, 1986; Assmann in AssmannlKirchner/Schanze Ökonomische Analyse des Rechts, 1992, S. 17 ff; Horn AcP 176 (1976) 307 ff.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
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wollen und welches nicht. Sie müssen das Risiko, bestehend aus dem eigentlichen Geschäfts- oder Unternehmensrisiko (leistungswirtschaftliches oder Investitionsrisiko, externaioder business risk), das sich aus unternehmensspezifischen Daten wie den Marktgegebenheiten, dem Produktangebot des Unternehmens, aber auch den Geschäftsverbindlichkeiten, dem Managementund dem Good Will ergibt, sowie auch das Kapitalstrukturrisiko (finanzwirtschaftliches Risiko, internaioder financial risk) beurteilen219 • Das Kapitalstrukturrisiko drückt das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital aus: Durch eine steigende Verschuldung nimmt das Risiko des nichthaftenden Fremdkapitals zu220 • Diese Bezugsgröße spricht die Möglichkeit an, wie leicht Verluste das Eigenkapital verringern und dadurch die Befriedigungsaussichten der Gläubiger im Konkurs beeinträchtigen. Unternehmens- und Kapitalstrukturrisiko sind voneinander abhängig und können nur zusammen gesehen werden. Das zu beurteilende Gesamtrisiko eines Unternehmens ergibt sich aus der Wechselbeziehung von Unternehmens- und Kapitalstrukturrisiko. Ein hohes Geschäftsrisiko muß durch ein niedriges Kapitalstrukturrisiko, also einen hohen Eigenkapitalanteil, ausgeglichen werden. In diesem Zusammenhang bedeutet die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft, daß die Gläubiger nicht weiter bereit sind, das Risiko einer weiteren Darlehensvergabe zu tragen. Die Gläubiger halten die Eigenkapitalausstattung angesichts der Ertragsaussichten auf dem relevanten Markt oder wegen der Fähigkeiten des Managements für zu gering und gewähren keine weiteren Darlehen. Die Banken müssen damit neben der Eigenkapitalausstattung auch sämtliche Parameter, die die Geschäftsentwicklung beeinflussen, beurteilen. Dieses komplexe Zusammenspiel verschiedener Risiken ist durch die Banken einzuschätzen. Da die Banken tagtäglich die Kreditfähigkeit der unterschiedlichsten Unternehmen bewerten müssen, steht ihnen für diese Aufgabe ein ausdifferenziertes Beurteilungsinstrumentarium zur Verfügung221 • Aufgrund der Ausrichtung am eigenen Interesse werden sie das Instrumentarium auch
219 Zu Begriff und Verhältnis der Risiken vgl.: Fischer, ZfbF 21 (1969) 26, 31. Ausführlich auch zum Folgenden: Fabritius S. 71. 220 Swoboda, Investition, S. 153; D. Schneider, Investition, S. 546 ff; 565 ff, 592 ff, der sich zu dieser These kritisch äußert. Die Feststellung, daß eine höhere Eigenkapitalausstattung das Insolvenzrisiko minimiere, gelte nur unter bestimmten Voraussetzungen. 221 Vgl.: Falter, Kreditgeschäft, Rn. 1923 ff; Spremann, Investition, S. 649; Roth, ZGR 1993, 171, 182.
7 Gehde
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I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
wohl informiert und optimal einsetzen. Insofern ist die Rahmenbedingung professionelle Marktteilnehmer durch die Banken als erfüllt anzusehen. Da die Banken auch das Unternehmensrisiko, z.B. das Management und die Geschäftsverbindlichkeiten einschätzen müssen, ist verständlich, daß die Beurteilung auch in hohem Maß auf der subjektiven Einschätzung des Beurteilenden beruhf 22 • Probleme können sich daraus insofern ergeben, als gerade Unternehmen mit neuen Produkten oder anderen neuen Geschäftsmärkten sich einer strengeren Beurteilung ihrer Eigenkapitalausstattungunterziehen lassen müssen. Daraus folgt, daß die Banken diese Unternehmen eher als kreditunwürdig einstufen werden, auch unabhängig von der finanziellen Lage der Gesellschaft. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht besteht die Gefahr, daß gerade neue und innovative Unternehmen zu friih als kreditunwürdig beurteilt werden. Eine Korrektur dieser Benachteiligung läßt sich erreichen, indem die genannten Umstände in der Kreditwürdigkeitsprüfung besonders beachtet werden. Die zentrale Schwierigkeit eines Marktvergleichskonzepts liegt in der Vergleichbarkeit der Kreditvergabebedingungen, was sowohl bei den Bedingungen selbst als auch bei der Existenz der Märkte praktisch wird. Die Feststellung der Kreditfähigkeit ist notgedrungen ex post vorzunehmen und damit immer hypothetisch, solange sich nicht nachweisen läßt, daß das Unternehmen versucht hat, bei einem außenstehenden Marktteilnehmer einen Kredit zu erlangen. Damit besteht immer ein gewisses, wenn auch geringes, Maß an Unsicherheit, ob der Gesellschafter das Darlehen tatsächlich zu marktwidrigen Bedingungen vergeben hat. Eine solche Unsicherheit kann aber in Kauf genommen werden. Denn sonst wären ex post Beurteilungen kaum jemals möglich. Ist eine ex post Beurteilung auch im einzelnen immer problematisch, hat sie sich doch in vielen Bereichen wie etwa dem Vergleichsmarktkonzept im Wettbewerbsrecht bewährf 23 • Die Heranziehung eines Marktvergleiches findet ganz allgemein ihre Grenzen, wenn kein vergleichbares Material vorliegt. Ein vergleichendes Verfahren ist dann nicht mehr tragfähig, wenn sich daraus selbst kein Aufschluß ergibf 24 . Im Hinblick auf die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen ist das
222
Vgl.: Moxter, Kreditwürdigkeitsbeurteilung und Eigenkapital, Die Bank 1978,
S. 321.
m Vgl. zum Vergleichsmarktkonzept und den Problemem einer Beurteilung Möschel in Immengal Mestmäcker, GWB, 1992, § 22 Rn. 161 ff.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
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der Fall, wenn kein solcher Markt besteht, und dritte Kreditgeber unabhängig von der finanziellen Ausstattung der Gesellschaft weder bereit noch fahig sind, ein Darlehen zu gewähren22S • Dafiir, daß ein Markt für die Finanzleistungen nicht oder nur teilweise existiert, bieten sich zwei Beispiele an. Ohne ein abschließendes Urteil zu fallen, kann davon ausgegangen werden, daß sich die Banken in den neuen Bundesländern226 mit der Kreditvergabe sehr lange zurückgehalten haben227 , was sich auf verschiedene Gründe zurückfuhren läßf 28 • Für kreditsuchende Jungunternehmer wird es daher keinen der restlichen Bundesrepublik vergleichbaren Markt an Finanzdienstleistungen gegeben haben. Fehlt ein Markt, kann der nicht wünschenswerte Effekt eintreten, daß die Banken keine Darlehen mehr gewähren und die Unternehmer weniger investieren. Die Gesellschafter vergeben seltener Darlehen, wenn sie befürchten müssen, daß die Gerichte ihre Darlehen mit großer Wahrscheinlichkeit umqualifizieren. Die Anwendung des Merkmales der Kreditwürdigkeit kann so zu dem volkswirtschaftlich wenig sinnvollen Ergebnis führen, daß Unternelunen in den neuen Bundesländern trotz guter unternehmerischer Konzepte wegen zu geringer Kapitalausstattung nicht finanziert werden229 • Wird 224 So für das Vergleichsmarktkonzept nach § 22 Abs. 4 S. 2 Nr. 22. Halbs. GWB Möschel in ImmengaJ Mestmäcker, GWB, 1992, § 22 Rn. 163. 225 Ziegler, S. 63. Ähnliches gilt im Kartel1recht. Das Vergleichsmarktkonzept gilt für die Frage des Mißbrauches einer marktbeherrschenden Stel1ung gern. § 22 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 2. Hbs. GWB. Auf einen Vergleichsmarkt kann nicht zurückgegriffen werden, wenn sich aus diesem kein Aufschluß ergibt, vgl.: Möschel in ImmengaJ Mestmäcker, § 22 GWB, Rn. 161 ff. 226 Von diesem Problem ist die Frage zu unterscheiden, inwieweit auf die ehemaligen Kombinate und Volkseigenen Betriebe, die der Treuhandanstalt nach der UmwVO oder dem Treuhandgesetz als Treuhandunternehmen in der Rechtsforrn Aktiengesellschaften oder GmbHs unterstehen, das Eigenkapitalersatzrecht anzuwenden ist. Zu diesen Fragen ausführlich: Hommelhoffl Habighorst, ZIP 1992,669; Weimar, BB 1993, 1399; Wagner BB 1994, 1580; Claussen, GmbHR 1994,9, 10 ff; zusammenfassend Lutter/ Hommelhoff, §§ 32 aIb Rn. 129 ff; Scholzl K. Schmidt, § 32 a, 32 b Rn. 25. 227 Inwieweit ein funktionsfähiger Wettbewerb in den neuen Bundesländern überhaupt bestanden hat und welche Konsequenzen aus diesem Befund hinsichtlich des Kreditvertragsrechts zu ziehen sind, untersucht Herrmann, DZWiR 1993, 54 ff. 228 Dazu siehe beispielhaft: Der Tagesspiegel, 2\. Mai 1993, S. 19 und S. 21; FAZ, 2\. Mai 1993, S. 2\.
229 Zum Problem des Eigenkapitalersatzes in den neuen Ländern, Jeinsen, BB 1992, 1149. Davon sind die Probleme des Eigenkapitalersatzes in Treuhandunternehmen zu unterscheiden. Dort ist die Frage strittig, inwieweit die Eigenkapitalersatzregeln auf die-
7*
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1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
in solchen Fällen die Kreditwürdigkeit aufgrund eines Marktvergleichsverfahrens verneint, kann das Ergebnis kaum überzeugen. Das andere Beispiel betrifft die Kreditwürdigkeit im Rahmen der Gebrauchsüberlassung. Bei den Fällen der Gebrauchsüberlassung geht es um die Frage, inwieweit die Vermietung oder Verpachtung von betriebsnotwendigen Gegenständen Eigenkapital ersetzen kann230 • Ob die Kreditwürdigkeit auf die Gebrauchsüberlassung übertragen werden kann, war lange Zeit umstritten231 • Mittlerweile haben die Gerichte 232 mit der Überlassungswürdigkeit als der funktionalen Entsprechung der Kreditwürdigkeit nach allgemeiner Ansicht ein taugliches Tatbestandsmerkmal erarbeitef33 • Das Marktvergleichskonzept gilt damit auch innerhalb der Frage nach eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassungen. Da die überlassenen Wirtschaftsgüter sehr unterschiedlicher Art sind, wird danach unterschieden, ob es sich um "Standardwirtschaftsgüter" oder um spezielle auf die besonderen Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens zugeschnittenen Wirtschaftsgüter wie Maschinen oder Betriebsanlagen handelf 34 • Im Fall der Standardwirtschaftsgüter, wie etwa Firmenwagen oder Büroeinrichtung, wird in den meisten Fällen ein allgemeiner Vergleichsmarkt bestehen, so daß die Überlassungswürdigkeit ein geeignetes Abgrenzungsmerkmal darstellt.
se Unternehmen Anwendung finden. Dazu eingehend Hommelhoff/Habighorst, ZIP 1992,981 ff; Wagner, BB 1994, 1582 ff; Claussen, GmbHR 1994,9 ff. 230
Siehe dazu ausführlich unten D.n.
231
Dazu zuletzt ausführlich v. Steinrück, S. 114 ff.
232
BGHZ 109,55,63; 121,31,38 f.
233 Lutter/ Hommelhoff, § 32 alb Rn. 116; Knobbe-Keuk, FS Kellermann, S. 227, 228; Ulmer, FS Kellermann, S. 485,495; Brandes, ZGR 1989,244,252; Hueck, ZGR 1989,216,230 f.
234 BGHZ 109, 55, 63, 121, 31, 38 f. Der BGH stellt bei der Prüfung auf zwei Aspekte ab: Erstens: Hätte die Gesellschaft, wenn sie schon nicht selbst über ausreichende Zahlungsmitttel verfügt, zumindest ohne Hilfe ihrer Gesellschafter auf dem Kapitalmarkt einen Kredit beschaffen können, der es ihr ermöglicht hätte, das benötigte Wirtschaftsgut selbst zu kaufen, ohne daß ihr Zahlungsverpflichtungen darunter leiden. Ist das nicht anzunehmen, fragt der BGH zweitens, ob kein außenstehender Dritter zur Überlassung des Gebrauchs (Überlassungswürdigkeit) bereit gewesen wäre. Dieser Defenition stimmen zu Lutter/ Hommelhoff, § 32 alb Rn. 102; Knobbe-Keuk, FS Kellermann, S. 227,228; Büscher/ Klusmann, ZIP 1991, 13, 15; Hachenburg/ Ulmer, § 32 a, b Rn. 108 ff.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
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Überlassungsunwürdig ist eine Gesellschaft, wenn nicht mehr gewährleistet ist, daß sie die vereinbarten Miet- oder Pachtzinsen entrichten oder etwa für Schäden an der überlassenen Sache aufkommen kann235 • Anderes gilt, wenn es sich um spezielle Wirtschaftsgüter handelt, da die spezifischen Eigenheiten komplexer Gebrauchsüberlassungssachverhalte einen Drittvergleich kaum zulassen236 • Hier sind Dritte -ganz unabhängig von der finanziellen Situation der Gesellschaft- oft weder bereit noch tatsächlich in der Lage, den Gebrauch an Betriebseinrichtungen zu überlassen, so daß in nahezu allen Fällen ein allgemeiner Marktvergleich als Maßstab ausscheidef37 • Als Beispiel wäre etwa die Errichtung einer Produktionsanlage oder eines speziellen BÜTogebäudes zu nennen. Können die Gerichte auf einen Marktvergleich nicht zurückgreifen, weil sich daraus kein Aufschluß ergibt, fehlt eine notwendige Rahmenbedingung des Marktvergleichskonzeptes. In Fällen eines nicht funktionierenden oder inexistenten Marktes kann daher die eigenkapitalersetzende Funktion der Gesellschaftermittel nicht anhand der Kreditwürdigkeit geprüft werden. Die entgegengesetzte These, die besagt, daß bei einem fehlenden Vergleichsmarkt immer Kapitalersatz vorliegf38 , ist abzulehnen. Zu Recht hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß beispielsweise die Nichterhältlichkeit eines Gegenstandes auf einem Markt noch nicht die Kapitalersatzfunktion indiziere239 , denn eine derartige Feststellung sagt nichts über das Kapitalstruktur- und Untemehmensrisiko der Gesellschaft aus. Besteht auch kein Vergleichsmarkt für eine bestimmte Leistung, ist der Gesellschafter nicht gezwungen, diese in Form der Eigenkapitalzuführung zu erbringen; die Vermietung oder Verpachtung eines Wirtschaftsgutes kann aus Sicht des Gesellschafters sinnvoll sein, unabhängig davon, ob es einen Markt gibf40 • Um die Frage des Kapitalersatzes dennoch
235
BGHZ 121,31,38.
m BGHZ 121,31,39; Ulmer, FS Kellermann, S. 485,496; Wiedemann, ZIP 1986, 1293, 1298; v. Gerkan, GmbHR 1986,218,222; Ziegler, S. 63. 2J7 BGHZ 121,31,39; Drygala, Gläubigerschutz, S. 57; Wiedemann, ZIP 1986, 1293, 1298; Ziegler, S. 63. 238
So aber Fabritius, S. 107 f.
239
BGHZ 121,31,39.
240
BGHZ 121,31,39.
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1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
entscheiden zu können, müssen die Gerichte in solchen Fällen auf ein Alternativmerkmal ausweichen. Im Ergebnis stellt das Kriterium der Kreditwürdigkeit einen tauglichen und vorzugswürdigen Maßstab dar, sofern ein Vergleichsmarkt besteht, auf dem professionelle und informierte Marktteilnehmer Entscheidungen treffen. In denjenigen Fällen, in denen diese Voraussetzungen nicht vorliegen, muß auf Alternativkriterien zurückgegriffen werden.
cc) Indizien der Kreditwürdigkeitsprüfung Nachdem die Grenzen für die Anwendbarkeit der Kreditwürdigkeit beschrieben sind, sind die Bedingungen, unter denen die Gerichte die Kreditwürdigkeit im Einzelfall prüfen, vorzustellen. Aufgrund der Vielfalt aller denkbaren Sachverhalte mit den unterschiedlichsten Darlehensbedingungen wird sich keine allgemeingültige Regel finden lassen können241 • Folglich sind einzelne Indizien zu benennen, die im Wege einer objektiven Gesamtwürdigung geeignet sind, eine Aussage über die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft zu treffen242 • Die Bedingungen gründen sich dabei regelmäßig auf eine Reihe verschiedener, teils gesicherter, teils noch ungesicherter Umstände interner wie externer Narur 43 • So beziehen sich die Indizien etwa auf die Bedingungen der Kreditvergabe, die Lage der Gesellschaft, den Verwendungszweckund weitere begleitende Umstände. Entscheidend für die Kreditunwürdigeit kann eine lange oder marktunübliche Laufzeit des Darlehens, seine ungewöhnlich geringe oder gar nicht vorhandene Verzinsung oder umgekehrt eine besonders hohe Verzinsung sowie die geplante Verwendung sein244 • Bei dem Vergleich der Kreditbedingungen ist immer zu vergegenwärtigen, daß der Gesellschafter Einblick in die Finanzverhältnisse der
241 242
K. Schmidt, ZIP 1981,689,692; ders., ZHR 147 (1983),165,188 f. Zum Kriterium der Kreditwürdigkeit vgl. Lutter! Hommelhoff, §§ 32 alb
Rn. 21 ff. 243
BGHZ 119, 201, 206.
244 Ausführlich: Scho1z! K. Schmidt, §§ 32a, 32 b, Rn. 37; ders., ZIP 1981, 689, 692; Lutter, in Kö1ner Komm. AktG, § 57 Rn. 90; Lutter! Homme1hoff, §§ 32 alb Rn. 21 ff; Hachenburg! Ulmer, § 32 a, b Rn. 45; v. Gerkan, GmbHR 1986, 218, 220.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
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Gesellschaft hat und im Gegensatz zu den Banken keinen Verwaltungsapparat besitzt, so daß er immer in der Lage ist, die Bedingungen etwas günstiger zu gestalten als die Bank. Als Indiz kommt weiterhin die Besicherung des Darlehens in Betracht. Die Besicherung als solche kann aber über die Kreditwürdigkeit noch keine abschließende Aussage treffen. Denn das Verlangen eines Dritten nach einer Sicherheit hat keine Aussagekraft, solange die Gesellschaft noch Sicherheiten stellen kann. Verlangt der Dritte eine Besicherung durch den Gesellschafter, entspricht dies oft lediglich den bankrechtlichen Gepflogenheiten und ist kein zwingendes Indiz gegen die Kreditfähigkeif 45 • Für die KreditunWÜTdigkeit spricht es eher, wenn sich der Kreditgeber mit weniger als den sonst üblichen Sicherheiten begnügf46 • Die Einschätzung des Unternehmens als kreditwürdig kann auch von der Erwartung abhängen, daß andere fmanzstarke Partner oder die öffentliche Hand bereit sind, weitere Investitionen zu tätigen247 • Die Bereitschaftwird sich wiederum daran orientieren, welche Ertragsaussichtendas Unternehmen besitzt, beruhend auf den Marktchancen der entwickelten Produkte 248 • Dahinter steht die oben schon angesprochene Erkenntnis, daß die Eigenkapitalausstattung des Unternehmens nur einen Teilausschnitt der Kreditwürdigkeitsbeurteilung bildef49 • Die Kreditwürdigkeit kann sich auch aus Liquiditätsproblemen der Gesellschaft ergeben, wenn über längere Zeit hinweg die laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht termingerecht bedient werden250 . In einer neueren Entscheidung hat der BGH seine Vorstellung vom Begriff der Kreditwürdigkeit weiter konkretisiert. Diese ist nach Ansicht des zweiten Senats zu bejahen, wenn eine GmbH ihr Stammkapital bis auf geringe Reste verloren hat, bilanzieIl überschuldet ist, über keine wesentlichen stillen Reser-
245 Fleck, FS Wemer, S. 107, 117 f, ScholZ) K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b, Rn. 37; Hachenburg/ Ulmer, §§ 32 a, b Rn. 43; Lutter, in Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 90. 246
Fleck, FS Wemer, S. 107, 118.
247 BGHZ 119, 201 ff. In dem Fall erwartete die Flugzeugbaufirma Domier, daß die öffentliche Hand und die Daimler Benz AG einen Zuschuß im Vertrauen auf die Geschäftsentwicklung geben werde. 248
BGHZ 119,201,207.
249
BGHZ 119,201,207.
250
BGHZ 105, 168, 181 ff.
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I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
ven verfügt und ihren Kreditgebernkeine Vermögensgegenständeals Sicherheit bieten kann2S1 • Angesichts der vorgestellten Indizien ist ersichtlich, daß die Gerichte eine Bestimmung des kapitalersetzenden Charakters eines Gesellschafterdarlehens innerhalb von zwei Bereichen sicher treffen können. Kann die Gesellschaft jederzeit von unterschiedlichen Banken problemlos Kredit erhalten, liegt auf keinen Fall eine Kreditunwürdigkeit vor. Die Gesellschaft ist dann jedoch kreditunwürdig, wenn kein Gesellschaftsvermögen mehr als Sicherheit bestellt werden kann und die Ertragslage sowie die Geschäftsaussichten so unbefriedigend sind, daß keine Bank mehr ein Darlehen gewähren würde. Zwischen diesen Grenzen liegt eine Grauzone, in der eine Entscheidung über die Kreditfähigkeit des Unternehmens nicht frei von spekulativen Elementen ist2S2 . Angesichts der kaum lösbaren Schwierigkeiten einer Unterscheidung von Fremdund Eigenkapital ist mit der Kreditwürdigkeit auf einem Vergleichsmarkt jedoch die bislang überzeugendste Problemnäherung gefunden worden. Das gilt vor allem dann, wenn, wie herausgearbeitet, die Schwächen des Konzepts bekannt sind.
b) Aussagen eines Finanzexperten
Besteht kein funktionierender Markt, auf dem ein Vergleich der Kreditvergabebedingungen möglich ist, ist auf ein Alternativmerkmal auszuweichen. Teilweise wurde deshalb vorgeschlagen, auf einen hypothetischen Vergleichsmarkt abzustellen und sich das Alternativverhalten eines vernünftigen Dritten zu denken2s3 • So soll zu fragen sein, ob ein vernünftig handelnder Dritter, der nicht an der Gesellschaft beteiligt ist und sich an ihr auch nicht beteiligen will, der Gesellschaft die Gegenstände oder den Kredit unter den gleichen Gegebenheiten zu den gleichen Bedingungen überlassen hätte 2s4 • Für die Bestimmung des Kapitalersatzesmuß sich diese Ansicht zwangsläufig auf hypothetische und
251
BGH WiB 1996,209 f.
252 BGHZ 119, 201, 207; Daß keine exakte Präzisierung für die Kreditwürdigkeit vorliegt, kritisiert Claussen, FS Forster, S. 141, 146. 253 BGHZ 109,55,64; 121,31,39; Drygala, Gläubigerschutz, S. 57 f; Wiedemann, ZIP 1986, 1293, 1298; Hüffer, ZHR 153 (1989), 322, 336 f. 254
BGHZ 109,55,64; 121,31,39.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
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indizielle Umstände stützen, wodurch es letztlich auf die Überprüfung eines Gesamtverhaltens hinausläuff ss . In einer solchen Vorgehensweise wird das reale Urteil eines professionellen Marktteilnehmers durch die ex post Betrachtung der Gerichte ersetzt. Damit gibt diese Ansicht den methodischen Vorteil wieder preis, der den Ansatz des Marktvergleichskonzeptes charakterisierfs6 . Ein hypothetisches Verhalten am Markt hat mit einem Marktvergleichskonzept wenig zu tun. Nebenbei besteht die Gefahr, daß die Beurteilung der Gerichte, mangels handhabbarer Kriterien, die Züge einer Billigkeitsrechtsprechung mit den dazugehörenden Unschärfen annimmt. Ein hypothetischer Drittvergleich ist daher zugunsten eines Merkmales abzulehnen, das bei ausreichenden Konturen die Vorteile des Marktvergleichskonzeptes bewahrt. Ein solches Merkmal liegt mit dem Gutachten eines erfahrenen Finanzexperten vor2S7 • Der Finanzexperte soll anband der maßgebenden Parameter das Kapitalstruktur- und das Unternehmensrisiko einschätzen, um die Kreditfähigkeit des Unternehmens beurteilen zu können. Ein solches Verfahren hat den Vorteil, daß ein kompetenter und professioneller Fachmann diese gewichtige Entscheidung vornimmt. Außerdem nähert man sich auf diese Weise dem Marktvergleichskonzept an, da der Finanzexperte als Unabhängiger auch unter anderen Umständen mit derartigen Aufgaben betraut ist und somit einen Überblick über das Marktgeschehen besitzt.
4. Beurteilungsmaßstab der Kapitalstruktur eines Unternehmens
Ein weiteres Merkmal, um die Eigenkapitalfunktion zu bestimmen, bietet die Kapitalstruktur des Unternehmens, also das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital. Dabei ist zu unterscheiden: Das Verhältnis kann sich zum einen aus dem Anlagevermögenzu langfristigen Eigenmitteln (Fristenkongruenz) oder aus dem Verhältnis von Eigenkapital zu Gesellschafterfremdkapital (Eigenkapitalquote) ergeben2S8 • Für die Frage des Kapitalersatzes ist vor allem der letzt-
255 Zu ähnlichen Problemen im Wettbewerbsrecht siehe Möschel in ImmengaJ Mestmäcker, GWB, § 22 Rn. 166. 256
Roth, ZGR 1993, 171, 184.
257
Fleck, FS Wemer, 107, 128; Lutter/Hommelhoff, §§ 32 aJb Rn. 23.
m Fleischer, S. 139; im Ansatz Wiedemann, ZIP 1986, 1293, 1298; ders.; FS Beusch, S. 893,908.
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I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
genannte Zusammenhang von Bedeutung2S9 • Diese Methode erfaßt nicht -wie bei der Kreditwürdigkeit- das Unternehrnensrisiko und zusätzlich das Kapitalstrukturrisiko, sondern nur letzteres. Die Betriebswirtschaftslehre hat, um ein akzeptables Kapitalstrukturrisiko zu bestimmen, die sog. vertikalen Finanzierungsregeln entworfen. Wird danach ein bestimmtes Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital (so etwa 1: 1,1 :3, 1:9)260 überschritten, sind die Gesellschaftermittel als Eigenkapitalersatzeinzuordnen. Gerade fiir diejenigen Fälle, in denen die Gesellschafterfremdfinanzierungein Mehr- oder Vielfaches der Eigenfinanzierung beträgt und daher häufig ein empirischer Vergleichsmarkt nicht besteht, kann auf diese Weise der Eigenkapitalcharakter bestimmt werden261 • Allerdings sind Ansichten, die die Kapitalstruktur als Abgrenzungskriterium befürworten und weiter entwickeln, bisher selten. Das Zögern des rechtswissenschaftlichen Schrifttums liegt in dem schon erwähnten Umstand begründet, daß den Kennzahlen von Eigenkapitalquoten nur ein sehr geringer Aussagewert beigemessen wird262 und das Merkmal daher letztlich als nicht praktikabel und als nicht justitiabel einzustufen ist. Eine Bestimmung der "ordentlichen" Kapitalstruktur ist auch deshalb kaum möglich, weil die vertikalen Finanzierungsregeln zu wenig Spielraum für branchen- und unternehrnensspezifische Besonderheiten bieten263 • Aus diesem Grund haben die Regeln ihren verbindlichen Charakter verloren und werden auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum lediglich als "Spielregeln" begriffen264 • Stellt man dennoch auf die genannten Kennzeichen zur Ermittlung der Kapitalstruktur ab, so kann nur eine eindeutige materielle Unterkapitalisierung zum Maßstab des Kapitalersatzcharakters der Gesellschafterleistung werden. Gesellschaftermittel sind unstreitig als Eigenkapitalersatz zu qualifizieren,
259
Fleischer, S. 139; im Ansatz Wiedemann, ZIP 1986, 1293, 1298; ders.; FS Beusch,
S. 893,908.
260 So das BMF- Schreiben vom 16. 3. 1987 (BStB\. I 1987,373), das neuerdings abgelehnt wird BFH WM 1992, 1526.
261
Wiedemann, ZIP 1986, 1293, 1298.
262 Büschgen, GmbHR 1974, 25 ff; Herrmann, ZGR 1989, 273,279 in Fn. 24,26 mwN; Vonnemann, GmbHR 1992,77 ff; Wüst, JZ 1985,817,818; ders., DStR, 1991, 1388, 1389; HachenburglUlmer, Anh. § 30 Rn. 10. 263
Büschgen, GmbHR 1974,25,27 ff; Hachenburg/ Ulmer, Anh. § 30 Rn. 6 mwN.
264
v. Wysocki, Fremdfinanzierung, S. 6.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
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wenn die Gesellschafter damit eine bestehende materielle Unterkapitalisierung ausgleichen wollen265 • Liegt eine materielle Unterkapitalisierung eindeutig vor, steht ebenso eindeutig die Kapitalersatzfunktionder Gesellschafterdarlehen fest. Eine offensichtliche sog. qualifizierte Unterkapitalisierung kann nach der bekannten und verbreiteten266 Ulmerschen Formel definiert werden267 • Ist ein solcher Fall gegeben, ist die betroffene Gesellschaft ohne die von den Gesellschaftern zur Verfügung gestellten Mittel nicht mehr lebensfähig, mit der Folge, daß die Gesellschaftermittelals Eigenkapitalersatzeinzuordnen sind. Zur Bestimmung der Eigenkapitalersatzfunktionsind die Gesellschaftermittelnatürlieh nicht miteinzubeziehen. Die Gesellschaft ist nicht wirklich materiell unterkapitalisiert, da die Gesellschafterdarlehen die erforderliche Finanzierung notdürftig übernehmen. Als Beispiel kann der Fall der Deutschland-Fernseh GmbH angeführt werden, die mit einem Stammkapital von -damals noch20.000 DM ausgestattet war und von ihrer Gesellschafterin, der Bundesrepublik Deutschland, 120. Mio. DM als Betriebsmittelkredit erhalten sollte268 • Daß die Gesellschafterdarlehenhier Eigenkapital ersetzen, ist überzeugend. Im Hinblick auf die Praktikabilität des Merkmales gilt danach: Solange krasse und damit evidente Fälle zu beurteilen sind, liefert die Kapitalstruktur angemessene Ergebnisse. Liegt aber kein evidenter Fall vor, gelangt das Merkmal der Kapitalstruktur sofort an seine Grenzen und ist nicht mehr geeignet, taugliche und justitiable Aussagen zu treffen. Für die nicht krassen Fällen kommt der Kapitalstruktur lediglich die Funktion einer Stimmigkeitskontrolle 269 zu.
265
Hachenburg! Ulmer, Anh. § 30 Rn. 52.
266 BSG NJW 1984, 2117; Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 249; Flume, Juristische Person, § 3 III 1, S. 82; Raiser, Kapitalgesellschaften, S. 336; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4, S. 206; Lutter! Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 58 f; H. U. Schneider ZGR 1984, 497, 518. 267 Hachenburg/ Ulmer, Anh. § 30 Rn. 59: Eine qualifizierte Unterkapitalisierung liegt vor bei einer "eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichende Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft, die einen Mißerfolg zu Lasten der Gläubiger bei normalem Geschäftsverlauf mit hoher, das gewöhnliche Geschäftsrisiko deutlich übersteigender Wahrscheinlichkeit erwarten läßt". 268 VgJ.: Geßler, GmbHR 1966, 105 ff; Lutter! Hommelhoff, ZGR 1979,31,40; Wiedemann, FS Beusch, S. 893, 908 f; Ein weiterer Fall ist die Lufthansa Service GmbH mit einem Stammkapital von 20.000 DM bei einem Umsatz von 200 Mio. DM. 269
Zu den Begriffen der Stimmigkeitskontrolle und der Richtigkeitskontrolle im
108
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
111. Beurteilungsmaßstab der Finanzplanung
Finanzplankredite sind flexible Finanzierungsinstrumente, die das rechtswissenschaftliehe Schrifttum erst in jüngerer Zeit unter dem Aspekt der Haftung diskutiert. Sowohl die Auseinandersetzung um den Tatbestand, als auch die Diskussion um die Rechtsfolgen sind noch im Fluß und bei weitem nicht abgeschlossen. Im Wirtschaftsleben nutzen die Unternehmen Finanzplankredite außerhalb einer Krise vor allem, um die Startphase des Unternehmens oder Innovationen sowie Expansionen' des Geschäftsbetriebes zu finanzieren 270 • Der Bundesgerichtshof hat den Grundstein zur rechtlichen Erfassung der Finanzplankredite mit seiner Rechtsprechung zu den gesplitteten Einlagen bei der Publikums KG gelege 71 • Diese Art von Gesellschaften zeichnen sich allesamt dadurch aus, daß ihre Finanzierung durch eine Verknüpfung von Einlage und Darlehen sichergestellt wird; zur Erreichung des Gesellschaftszweckessind die Darlehen zwingend erforderlich. Aufgrund des Gesellschaftsvertrages ist jeder Kommanditist verpflichtet, neben seiner haftenden Einlage in bestimmter Relation weiteres Fremdkapital in Form von Gesellschafterdarlehenzu leisten. Diese über den Betrag der Einlage hinausgehende Pflichtfinanzierung außerhalb der Unternehmenskrise behandelt der Bundesgerichtshof unmittelbar als haftendes Kapital 272 . Tatbestand der Finanzplankredite ist nach dem Gericht die materielle Eigenkapitalfunktion der Gesellschafterfinanzierung273 • Wie die materielle Eigenkapitalfunktion zu bestimmen ist, wird seit den Leitentscheidungen vom 21. 3. 1988 und dem 14. 12. 1992 heftig diskutiere 74 •
Hinblick auf die Vorgänge der Rechtsfindung zu einer gerechten Konfliktlösung siehe Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, insbesondere S. 139 ff; ders., AcP 172 (1972) 97 ff, insbesondere 109 f. 270
Siehe nur Hommelhoffl Kleindiek, 100 Jahre GmbH- Gesetz, S. 421, 435.
Vgl. BGHZ 70, 61 ff; 93, 159 ff; 104, 33; eine gute Übersicht über das Schrifttum gibt Hachenbugl Ulmer, § 32 a, b Rn. 48; Priester, OB 1991, 1917, 1921. 271
272
Vgl. nur BGHZ 104, 33, 35 ff.
m Leitentscheidung ist BGHZ 104,33, "RH- Urteil". So auch v. Oerkan, GmbHR 1990,384,385; Karsten Schmidt, FS Goerdeler, S. 487,496 f; Priester, OB 1991, 1917, 1921. 274
BOHZ 104,33; 121,31,41 f.
8. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
109
1. Tatbestand
Um den unbestimmten Begriff der materiellen Eigenkapitalfunktion näher festzulegen, hat der Bundesgerichtshof7S zwei kumulativ zu prüfende Voraussetzungen gebildet: Erstens ist der Darlehensvertrag mit seinen näheren Umständen zu würdigen und zweitens müsse die Darlehensgewährung den Gesellschaftern als echte gesellschaftsvertragliche Pflicht auferlegt sein. Diesen im Ergebnis sehr engen Voraussetzungen folgt ein Großteil des Schrifttums, ohne eigene Präzisierungen vorzunehmen276 • Daneben wählt die Literatur teilweise ganz andersgeartete Ansätze, die sich alle durch eine monistische Konzeption auszeichnen. Entweder wird, ausgehend von rechtstatsächlichenBeobachtungen, die beteiligungsproportionale DarlehensgewäJrr277 vorgeschlagen oder die Übertragung der schon bekannten Kreditwürdigkeitsprüfung 278 •
a) Tatbestandsvoraussetzungen nach dem Bundesgerichtshof
aa) Untersuchung der Vertragsbedingungen Die materielle Eigenkapitalfunktion ergibt sich fiir den Bundesgerichtshof aus der einlagegleichenBehandlung der Kredite im Rahmen einer Gesamtfinanzierung. Entscheidend ist danach, daß die Gesellschafter die Mittel als Risikokapital im Unternehmen einsetzen. Inwiefern die Rückforderung des Kredites ausdrücklich oder schlüssig ausgeschlossen ist, so daß die Mittel auf Dauer an die Gesellschaft gebunden sind, kann nur anband der vereinbarten Vertragsbedingungen untersucht werden. Als mögliche Indizien werden hauptsächlich die langfristige, eventuell unkündbare Kreditgewährung, günstige Darlehenskonditionen oder die ausdrückliche Verbindung von Mitgliedschaft und Finanzierungsleistung genannf 79 . Daß die Vertragsbedingungen im Mit-
275
BGHZ 104, 33, 35 ff.
276 Weber, BB 1989, 109, 114 f; Jaeger/ Hencke1, § 32 a KO Rn. 44; Herrrnann, Horst, S. 151, 157; Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 38. Zum Teil auch Lutter/ Hommelhoff, §§ 32 aIb Rn. Rn. 12; Hachenburg/ Ulmer, §§ 32 a, b Rn. 52. 277
Priester, DB 1991, 1917 ff.
278 v. Gerkan/ Hommelhoff, Kapitalersatz, S. 29; in diese Richtung auch Lutter/ Homme1hoff, §§ 32 aIb Rn. 13. 279
BGHZ 104, 33, 37 f.
110
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
telpunkt der Untersuchung stehen, um den Risikokapitalcharakter zu bestimmen, ist überzeugend. Problematisch ist hingegen, daß die Rechtsprechung bislang nicht klar herausgearbeitet hat, welche Merkmale denn die Risikofunktion ausdrücken. Dadurch ist weder die Aussagekraft des einzelnen Indizes überprüft noch das Verhältnis der Indizien untereinander festgelegf 80 •
bb) Gesellschaftsvertragliche Verpflichtung Unabdingbare Voraussetzung fiir den Tatbestand eines Finanzplankredites soll die echte gesellschaftsvertragliche Pflicht fiir die Gesellschafter sein, die Darlehen zur Verfiigung zu stellen281 • Diese Voraussetzung kann aber aus mehreren Gründen nicht überzeugen282 : Eine gesellschaftsvertragliche Verpflichtung zu fordern, ist nicht nur widersprüchlich, sondern bedeutet eine Ungleichbehandlung, die Umgehungsversuche geradezu provoziert. Hält man mit dem Bundesgerichtshof eine gesellschaftsrechtliche Pflicht fiir erforderlich, um Darlehen als Eigenkapital behandeln zu können, dann muß aber schon ein Gesellschafterbeschluß oder eine Gesellschaftervereinbarung außerhalb der Satzung ausreichen283 • Fordert die Rechtsprechung eine gesellschaftsvertragliche Pflicht als engeres Merkmal, befindet sie sich im Widerspruch zu ihrer eigenen gesellschaftsrechtlichen Ausgangsposition. Überdies fUhrt die sich an einer formalen Abgrenzung von gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen orientierende Rechtsprechung zu einer Ungleichbehandlung. Es ist nicht einsichtig, wenn diejenigen Gesellschafter besser stehen, die eine Verpflichtung im Gesellschaftsvertrag vermeiden und dennoch Darlehen mit materiellen Eigenkapitalcharakter ausreichen284 • Zudem gibt der Bundesgerichtshof mit einem solchen formalen Tatbestandsmerkmal die Vorteile eines materiellen Eigenkapitalbegriffes wieder preis, der gerade
280
So Fleischer, S. 114 f.
281
BGHZ 104, 33, 40.
282
Mittlerweile hat der BGH diese Voraussetzung auch aufgegeben, BGHZ 121, 31,
41 f.
283 So auch Hommelhoff/ Kleindiek, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 421, 440; Hachenburg/ Ulmer, § 32 aIb Rn. 48, 61; Fleischer, S. 128 f. 284 Zutreffend Lutter/ Hommelhoff, §§ 32 a/b Rn. 13; v. Gerkan/ Hommelhoff, Kapitalersatz, S. 29.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
11I
nicht auf die Formenwahl, sondern auf die Funktion der Darlehen in der Gesamtfinanzierung abstellt. Im Ergebnis rückt der Bundesgerichtshof wieder die Einkleidung der Finanzierungsmittel und damit die an sich überholte formliche Bezeichnung28S in den Vordergrund. Angesichts einer so formalen Abgrenzung sind die Umgehungsversuche geradezu vorprogrammiert286 • Selbst weniger versierte Gesellschafter werden ihre ·Verpflichtung zur zusätzlichen Darlehensgewähr zukünftig nicht mehr im Gesellschaftsvertrag vereinbaren, sondern statt dessen einen schuldrechtlichen nicht mehr erfaßten Vertrag wählen. Abschließend ist noch auf eine rechtstatsächliche Erfahrung zu verweisen: Die Regelung der §§ 26 ff GmbHG über das Nachschußkapital werden von den Gesellschaftern wegen der gesellschaftsvertraglichenVerpflichtung gerade nicht benutzt287 ; statt diese Bindung einzugehen, weichen sie auf flexiblere Finanzierungsinstrurnente aus. Daß die Gesellschafter bei den Finanzplankrediten auf einmal gesellschaftsvertragliche Bindungen eingehen, erscheint sehr unwahrscheinlich. Im Ergebnis ist es damit für den Tatbestand eines Finanzplankredites nicht entscheidend, ob eine gesellschaftsvertragliche Verpflichtung zur Darlehensgewährung besteht. Liegt indes eine solche Verpflichtung im Einzelfall vor, dann ist es ein Indiz für einen Kredit mit materieller Eigenkapitalfunktion288 •
b) Tatbestandsvoraussetzungen nach der Literatur aa) Zwingende Notwendigkeit zur Erreichung des Gesellschaftszweckes Nach Teilen des Schrifttums289 soll die materielle Eigenkapitalfunktion zu bejahen sein, wenn die Finanzierung auf die Gesellschaft zugeschnitten ist, und diese ohne den zusätzlichen Beitrag ihre Ziele nicht verwirklichen könnte. Es
285
Dazu Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, § 4 V 3 S. 107.
286
Auf diese Gefahr weist auch Fleischer, S. 128 f hin.
287 Lutter/ Hommelhoff, §§ 32 alb Rn. 15; v. Gerkanl Homnie\hoff, Kapitalersatz, S. 29; Wiedemann, FS Beusch, S. 839, 905. 288 Eine indizielle Bedeutung messen dem Merkmal bei Priester, DB 1991, 1917, 1919; Fleischer, S. 133 f; Wiedemann, FS Beusch, S. 893,905; Lutter/ Homme\hoff, §§ 32 alb Rn. 15; Heymann/ Horn, § 172 a HGB Rn. 16. 289
ScholzJ K. Schmidt, § 32 a, § 32 b Rn. 85.
112
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
erscheint plausibel, wenn diejenigen Mittel, auf die die Gesellschaft nach ihrer Planung unabdingbar angewiesen ist, eben auch Eigenkapitalfunktion wahrnehmen. Betrachtet man aber die Konsequenzen einer solchen These, wird schnell klar, daß sie abzulehnen ist. Stellen alle Finanzmittel, die die Gesellschaft benötigt, Eigenkapital dar, dann gibt es folgerichtig keine Fremdkapitalfinanzierung mehr. Implizit wird auf eine solche Weise die Pflicht statuiert, den erforderlichen Kapitalbedarf durch Eigenkapital zu erbringen. Mit einer solchen Pflicht wird nicht nur die rechtlich anerkannte und betriebswirtschaftlich sinnvolle Fremdkapitalfinanzierung pönalisiert, sondern auch über die Grenzen einer unstreitig abgelehnten angemessenen Mindestkapitalausstattung hinausgegangen. Erschwerend kommt noch hinzu, daß ein solches Tatbestandsmerkmal die Möglichkeit, von außenstehenden Dritten Darlehen zu erlangen, vollkommen vernachlässigt und damit den Realitäten des Wirtschaftslebens widerspricht.
bb) Beteiligungsproportionale Darlehensgewährung Zur Beurtl!ilung gesplitteter Einlagen hat der BGH290 auf eine Kombination von Einlage und Gesellschafterdarlehen, zu dessen Vergabe jeder Gesellschafter verpflichtet war, abgestellt. Aus diesem rechtstatsächlichen Befund hat Prieste~91 das eigenständige Merkmal der beteiligungsproportionalen Darlehensvergabe entwickelt. Vergeben sämtliche Gesellschafter in fester Relation zur ihrem Eigenkapitalanteil Darlehen, handelt es sich dabei um Eigenmittel der Gesellschaft. Diese Zurechnung erfolgt, weil es an der entscheidenden Sonderleistung des Gesellschafters fehlt, die zu einer Sondervergütung führen soll292. Die Wertung wird durch den regelmäßigen Zinsverzicht verstärkt; aber selbst wenn im Ausnahmefall angemessene Zinsen gezahlt würden, hätte dies keine andere Wirkung als ein entsprechendes Mehr an Gewinnzuweisung 293 .
290
Vgl. nur BGHZ 70, 61 ff; 93, 159 ff; 95, 188 ff.
291
Priester, OB 1991, 1917, 1921.
292
Priester, OB 1991, 1917, 1921.
293
Priester, OB 1991, 1917, 1921.
B. Tatbestand einer Urnqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
113
Eine gewisse Bedeutung des Merkmales ergibt sich aus dem koordinierten Verhalten der Gesellschafter. Wenn alle Gesellschafter sich neben der Einlage leistung auf eine zusätzliche Kapitalzufuhr einigen, ist es gerechtfertigt, anzunehmen, daß die Mittel auch in der Krise der Gesellschaft belassen werden. Damit bringen die Gesellschafter den haftenden Charakter und folglich die Risikofunktion der Mittel zum Ausdruck; Typusmerkmale des Eigenkapitals. Ungeachtet dieser überzeugenden Annahme kann aus der Tatsache einer beteiligungsproportionalen Darlehensvergabe alleine nicht ohne weiteres auf den Eigenkapitalcharakter geschlossen werden. Sobald es sich nicht um kleine, durch Selbstorganschaft geprägte Gesellschaften handelt, sondern um Publikumsgesellschaften, besteht die sehr realistische Möglichkeit, daß einzelne Anleger ausscheren, sofern nicht durch den Darlehensvertrag besondere Vorkehrungen getroffen wurden294 • Auf der anderen Seite spricht eine berechtigte, wenn auch widerlegbare Vermutung für den Eigenkapitalcharakter, wenn innerhalb eines überschaubaren Unternehmens sämtliche Gesellschafter eine proportionale Kreditvergabe vereinbart haben. Damit das Merkmal trotz dieser Einschränkungen nicht ganz leer läuft, dürfen kleinere Unverhältnismäßigkeiten in der Darlehenshöhe nicht beachtet werden.
cc) Kreditwürdigkeit Dem Bedürfnis nach bekannten und schon erprobten Merkmalen entsprechen diejenigen Ansichten29S , die die Kreditwürdigkeit als zusätzlichen relevanten Maßstab vorschlagen. Neben der Prüfung des Darlehensvertrages mit seinen näheren Umständen soll die Kreditwürdigkeit als Möglichkeit der Abgrenzung von Fremd- Eigenkapital stehen. Damit wird die für eine Krisensituation entwickelte Prüfung auf die Finanzplankredite, die auch außerhalb der Unternehmenskrise in Betracht kommen, übertragen. Auch in der Gründungs- und Startphase der Gesellschaft gibt es Situationen, in denen kein Darlehen von außenstehenden Dritten zu marktüblichen Bedingungen erhältlich wäre. Dennoch ergeben sich Probleme und der Schluß auf die Eigenkapitalcharakter der Darlehensmittel wäre vorschnell. Zu Beginn der Unternehmenstätigkeit ist es
294
So Fleischer, S. 133 f.
295 So Lutter/ Homme\hoff, §§ 32 aIb Rn. 14; v. Gerkanl Homme\hoff, S. 29; v. Steinrück S. 124.
N Gehdc
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
114
schwierig für einen professionellen Marktteilnehmer (die Banken), das Unternehmensrisiko einzuschätzen: Die Fähigkeiten der Geschäftsfiihrung sind unbekannt, einen Good Will gibt es noch nicht, die Geschäftschancen sind schwer einzuschätzen, gleiches gilt für die Geschäftsverbindungen. Zu diesem Zeitpunkt ist ein professioneller Marktteilnehmer nicht wirklich in der Lage, eine objektive Kreditprüfung vorzunehmen. Teilweise liegen nicht einmal Handelsbilanzen vor. Aus diesem Grund vergeben Banken die Startkredite sehr standardisiert und nur in geringer Höhe, wenn die Unternehmer keine ausreichende Sicherheit bieten. Als Beurteilungsmaßstab hat die Kreditwürdigkeit deshalb nur Bedeutung, wenn sie ausnahmsweise objektiv feststellbar ist.
c) Ergebnis
Der Ansatz, die vertragliche Ausgestaltung, die der Finanzplanung des Unternehmens zugrunde liegt, als Ausgangspunkt zu nehmen, um den Risikocharakter der Kredite zu bestimmen, ist überzeugend296 • Denn aus dem Vertrag können die Gerichte ersehen, ob die Gesellschafter selbst den Kredit wie eine Einlage betrachten und behandeln297 • Nicht überzeugend ist hingegen die bislang schlichte Aneinanderreihung von Indizien ohne Akzentuierung einzelner Merkmale und ihrer Bedeutung. Die gesellschaftsvertragliehe Verpflichtung als zu formales und leicht zu umgehendes Kriterium ist abzulehnen. Das Gleiche gilt im Ergebnis auch für den Versuch, die materielle Eigenkapitalfunktion durch die zwingende Notwendigkeit zur Erreichung des Gesellschaftszweckes näher zu bestimmen. Hingegen kann die beteiligungsproportionale Darlehensgewähr in Einzelfällen durchaus eine Aussage über die materielle Eigenkapitalfunktion liefern. Das Merkmal der Kreditwürdigkeit hat nicht nur den Vorteil, schon erprobt und allgemein bekannt zu sein. Als objektiver Beurteilungsmaßstab an einem Vergleichsmarkt ist das Merkmal auch unabhängig von der Untersuchung einzelner Vertragsbedingungen eines Finanzplankredites. Damit liegt folgende Funktionenteilung nahe: Zuerst und vorrangig sind die Vertragsbedingungen der Finanzplankredite zu untersuchen. Geben sie keinen Aufschluß, weil die Gesellschafter versuchen, die Bedingungen gerade un-
296
So auch Lutterl Hommelhoff, §§ 32 alb Rn. 15.
297
BGHZ 104,33,38 ff.
B. Tatbestand einer Urnqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
115
terhalb der Schwelle materieller Eigenkapitalfunktion zu vereinbaren, ist ein Umgehungsschutz erforderlich. Diese Aufgabe kann der Maßstab der Kreditwürdigkeit übernehmen. Einziger Schwachpunkt des doppelten Tatbestandes bleibt die nicht überzeugende Analyse der Vertragsbedingungen.
2. Rechtsfolgen
Gerade in den Rechtsfolgen zeigt sich der Unterschied der Rechtsfigur Finanzplankredit zu den kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen.
a) Bindung der Mittel in der Unternehmenskrise In der Unternehmenskrise haften die Gesellschafterfremdmittel den Gläubigem nicht aufgrund von § 32 a GmbHG, sondern weil sie nach einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung die Funktion von materiellem Eigenkapital wahrnehmen. Daraus ergibt sich ein Unterschied zu § 32 a GmbHG im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bindungswirkung: Während die Gesellschafterfremdmittel nach § 32 a GmbHG erst mit Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens gebunden sind, beginnt die qualifizierte Bindung aufgrund der Finanzplankredite schon in der vorangehenden Krise des Unternehmens. Ab diesem Zeitpunkt sind die Gesellschafterfremdmittel solange gebunden, wie die anderen, nicht vorrangigen Kreditgläubiger nicht befriedigt sind. Für die Gläubiger ergibt sich ein Unterschied fiir den Fall, daß die Gesellschafterfremdmitteldem Gesellschafter während der Krise, aber länger als ein Jahr vor Eröffuung des Konkursoder Vergleichsverfahrens zurückgewährt wurden. In diesem Fall kann sich ein Anspruch auf Rückforderung wegen der verstrichenen Jahresfrist aus § 32 a S. 2 KO nicht aus dem Kapitalersatzrechtergeben, sondern nur aufgrund eines Finanzplankredites. Ist hingegen ein Finanzplankredit rechts geschäftlich vereinbart, die Darlehensvaluta aber noch nicht ausgezahlt, dann besteht das Recht, die noch ausstehenden Beträge einzufordern.
b) Bindung der Mittel außerhalb der Unternehmenskrise Im Gegensatz zu den Rechtsfolgen in der Krise ist die Frage, inwiefern die Gesellschafterfremdmittel schon vor der Unternehmenskrise gebunden sind, umstritten. Teilweise wird die Ansiche 98 vertreten, die Gesellschafter können
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
116
ihre Bindung, die aufgrund der Gewährung des Finanzplankredites eingetreten ist, nicht wieder aufheben; ihre Gestaltungsfreiheit sei insofern eingeschränkt. Im Ergebnis wird damit die bestehende Finanzierungsfreiheif99 außerhalb einer Krisensituation nicht nur im "Wie", sondern auch im "Ob" eingeschränkt. Als Rechtfertigung für diesen erheblichen Einschnitt wird als kaum überzeugendes Argument auf den zwingend notwendigen Gläubigerschutz300 verwiesen. Denn eine den Gläubigerschutz verwendende Begründung kann immer nur dort überzeugen, wo eine unzulässige Benachteiligung der Gläubiger festiustellen ist. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Außerdem kollidiert die Ansicht mit den zum "Stehenlassen"301 von Darlehen bei nachträglicher Kreditwürdigkeit entwickelten Grundsätzen302 . Dort verlangt die Rechtsprechung, daß die Gesellschafter bei einer nachträglich eintretenden Kreditunwürdigkeit eine Entscheidung zu treffen haben, ob sie die Darlehen abziehen oder stehen lassen. Wenn die Gerichte darauf die UmquaIiflZierung stützen, kann diese Wahlfreiheit nicht schon durch den Verweis auf die interne Wahlfreiheit eingeschränkt werden303 . Daher ist eine Bindungswirkung außerhalb der Krise abzulehnen; erst in der Krise sind die Gesellschafterfremdmittel verstrickf 04 .
298 So etwa Ebenrothl Wilken, BB 1993, 305, 307, die im Vorfeld der Krise eine Verstrickung der Finanzplankredite annehmen. Im Gegensatz dazu wollen Hommelhoffl Kleindiek, FS 100 Jahre GmbH Gesetz, S. 421, 441 f die Mittel erst im Stadium der Kreditunwürdigkeit binden. 299 Dazu ausführlich, Scholzl K. Schmidt, §§ 32a , 32 b Rn. 7; Hachenburgl Ulmer, §§ 32a, 32b Rn. 7; LutterlHommelhoff, §§ 32 aIb Rn. 20. 300
Hommelhoffl Kleindiek, FS 100 Jahre GmbH Gesetz, S. 421, 441.
301 Diese in der Praxis sehr bedeutsame Erweiterung des Anwendungsbereiches des Eigenkapitalersatzes begann 1979 mit der Entscheidung BGHZ 75, 334, 339. Bis heute ist die Frage umstritten, ob bestimmte subjektive Voraussetzungen seitens der Gesellschafter erfüllt sein müssen. Diese Frage hat der BGH bisher BGHZ 105, 168, 186; 109, 55, 60 offengelassen. Zu dem Streit, der nur geringe praktische Bedeutung hat, ausführlich mwN Lutterl Hommenlhoff, §§ 32 aIb Rn. 44. 302 So v. Steinrück, S. 125. 303
So v. Steinrück S. 125.
304
So auch Scholzl K. Schmidt, §§ 321,32 b Rn. 38; Lutterl Hommelhoff, §§ 32 aIb
Rn. 17 f.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
117
IV. Einschränkung der Merkmale zur Bestimmung der Eigenkapitalersatzfunktion Nach der Darstellung der einzelnen Voraussetzungen für den kapitalersetzenden Charakter eines Gesellschafterdarlehens stellt sich die Frage nach möglichen Einschränkungen. Anknüpfungspunkt für eine Einschränkung könnte die Funktion der Mittel als Überbrückungsdarlehens sein, sowie die gleichrangige Beteiligung von Gesellschaftern und Nicht- Gesellschaftern an einer Sanierungsaktion.
1. ÜberbrUckungsdarleben
Bislang hat die Rechtsprechung kurzfristige Überbrückungsdarlehen nicht als eigenkapitalersetzend gewertef 05 • Sie seien ihrem Zweck nach nicht dazu bestimmt, eine Kapitallücke zu schließen, sondern sollten nur für kurze Zeit einen vorübergehenden Zahlungsmangel beheben. Dahinter steht die Vorstellung, daß ein kurzfristiger Geldmangel noch keine Illiquidität verursachf o6 • Die Ansicht verkennt, daß es entscheidend darauf ankommt, ob das Darlehen in der Krise der Gesellschaft Eigenkapital ersetzt oder nicht. Wird die Gesellschaft als kreditunwürdig beurteilt, dann ist nicht damit zu rechnen, daß der Kredit kurzfristig wieder abgelöst wird; vielmehr ist er Bestandteil der Unternehmensfinanzierung und damit eigenkapitalersetzend307 • Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Kredit tatsächlich nach einer seriösen Finanzplanung nur kurzfristig gewährt werden sollte; es also die reale Chance gab, daß das Darlehen in der kurzen Spanne auch abgelöst wird308 • Die Zweckbestimmung eines Kredites alleine reicht noch nicht aus, den eigenkapitalersetzenden Charakter der Gesellschaftermittel zu verneinen. Auch die objektive Lage des Unternehmens muß diesem Ergebnis entsprechen309 •
305
Vgl. nur BGHZ 90, 390, 394.
306
In diese Richtung auch: Jaeger! Henkel, § 32 a KO Rn. 38.
307 BGH GmbHR 1990, 125, 126; Scholz! K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 39; Hachenburg! Ulmer § 32 a, b Rn. 55.
308 Scholz! K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 39; Hachenburg! Ulmer § 32 a, b Rn. 55; Lutter! Hommelhoff, § 32 aIb Rn. 34. 309
So auch Mayer, BB 1990, 1935, 1938.
118
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
2. Konsortialkredite
Eine Beschränkung des eigenkapitalersetzendenCharakters einer Darlehensvergabe wird auch fiir den Fall eines Konsortialkredites diskutiert. Konsortialkredit ist der Begriff fiir eine Kreditvergabe durch eine Bank zusammen mit anderen Kreditinstituten3lo • Im Hinblick auf das Kapitalersatzrecht wird eine Bank mit Gesellschafterstellung üblicherweise ein Konsortium mit anderen Banken bilden, um mittels der größeren Finanzreserven das angeschlagene Unternehmen zu sanieren. Die Beschränkung des eigenkapitalersetzenden Charakters der zur Verfügung gestellten Mittel wird dabei teilweise auf eine teleologische Reduktion der Finanzierungsverantwortung gestützt mit der Folge311 , daß den Gesellschaftern die Kreditvergabe nicht zugerechnet wird. Eine solche teleologische Reduktion ist aber mangels Bedarf abzulehnen. Denn die Frage, ob das Kreditinstitut ein eigenkapitalersetzendes Darlehen geleistet hat, läßt sich allein mit dem Merkmal der Kreditwürdigkeit abgrenzen312 • Beteiligen sich die anderen Banken neben der Konsortialfiihrerin (das Gesellschafter-Finanzierungsinstitut), weil sie die Gesellschaft als kreditwürdig einstufen, ist auch das Gesellschafterdarlehennicht als eigenkapitalersetzendzu werten. Ist die Vergabe des Kredites hingegen davon abhängig, daß gerade die Konsortialfiihrerin mitfinanziert oder daß das Konsortium durch Ausfallbürgschaften oder anderweitig gesichert wird, sind die Mittel eigenkapitalersetzend313 • Die Tatsache, daß sich andere Banken an dem Konsortium beteiligen, kann also für sich genommen keine Aussage über die eigenkapitalersetzende Funktion der Kredite geben. Die Gefahr einer Umgehung des Eigenkapitalersatzrechtes durch die Hinzuziehung dritter Kleinfmanzierer liegt auf der Hand. Wenn die Tatsache, daß die Beteiligung Dritter art der Finanzierung noch keine abschließende Aussage über den Eigenkapitalcharakter geben kann und es immer zusätzlich auf eine Beurteilung der Kreditwürdigkeit ankommt, dann ist
310 Siehe dazu im Hinblick auf das Kapitalersatzrecht, Hüffer, ZHR 153 (1989), 322, 323; v. Gerkanl Hommelhoff, Kapitalersatz, S. 91 ff. 311
Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 4\.
312
Fleck, FS Wem er, S. 107, 126 f.
313 BGHZ 105, 168, 185; = NJW 1988,3143 m. Anm K. Schmidt; als ausführliche Besprechung: Hüffer, ZHR 153 (1989), 322, 336 f; Mayer, BB 1990, 1935, 1938; Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 41; v. Gerkan, GmbHR 1990, 382, 386.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
119
eine teleologische Reduktion entbehrlich. Allein das Tatbestandsmerkmal der Kreditwürdigkeit ist auch in diesem Fall maßgebend314 •
V. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, daß eine objektive Gesamtwürdigung aller Einzelumstände geboten ist, um den eigenkapitalersetzenden Charakter und die materielle Eigenkapitalfunktion der Gesellschaftermittel bestimmen zu können. Wegen der komplexen Fragestellung sind die Gerichte aufgefordert, eine sehr umfassende und genaue Beweiserhebung durchzuführen. In vielen Urteilen läßt sich die Tendenz erkennen, daß die Gerichte von der "Tatfrage in die Rechtsfrage flüchten.,m. Der Nachteil liegt in der ungenauen Beurteilung durch die Gerichte, während als Vorteil anzusehen ist, daß in der Praxis trotz der schwierigen Sachlagen die Gerichte zur Spruchreife gelangen316 •
314 Liegt ein Konsortialkredit vor, der als eigenkapitalersetzend klassifIZiert wird, dann ist die Rechtsfolge davon abhängig, welche Art von Konsortium den Kredit vergeben hat. Bei einem Außenkonsortium (Außenkonsortium beschreibt die Kreditvergabe, wenn das konsortialführende Institut die Kreditquoten der anderen Institute nicht nur für deren Rechnung, sondern auch in deren Namen abgibt. Vgl.: v. GerkanJ Hommelhoff, S. 91 ff; Hüffer, ZHR 153 (1989), 322, 325) ist nicht das gesamte Darlehen von der Umqualifizierung betroffen. Der Kredit ist entsprechend der Quoten der beteiligten Institute aufzuteilen, und der Konsortialfuhrerin ist nur ihre eigene Quote als kapitalersetzend zuzurechenen. Das Ergebnis rechtfertigt sich dadurch, daß eine weitere Verantwortung den Gläubigerschutz überziehen würde; es ist nämlich nicht einsichtig, warum sich das haftende Kapital der Gesellschaft in einem solchen Fall erhöhen sollte. Anders liegt der Fall bei dem sog. Innenkonsortium (Ein Innenkonsortium ist zu bejahen, wenn die Kreditvergabe auch der Drittquoten durch die Konsortialführerin im eigenen Namen auf fremde Rechnung erfolgt. Vgl.: v. Gerkanl Hommelhoff, S. 91 ff; Hüffer, ZHR 153 (1989), 322, 325). Hier wird das gesamte Darlehen umqualifiziert, denn die Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft sind streng von denen zwischen den Mitgliedern des Konsortiums getrennt. Dementsprechend verteilt der Konsortialführer lediglich das Risiko einer Kreditvergabe zwischen den Konsorten, so daß sich die Innenkonsorten nicht ihre Quote als kapitalersetzend zurechnen lassen müssen. Dazu Hüffer, ZHR 153 (1989), 322, 325; Lutter, ZIP 1989,483; Priester ZBB 1989,33; v. Gerkanl Hommelhoff, Kapitalersatz, S. 91 ff; Rümker FS Stimpel, S. 700 ff. 31S
K. Schmidt, NJW 1988, 1348, 1349.
316
K. Schmidt, NJW 1988, 1348, 1349.
120
\. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Problemlos ist der eigenkapitalersetzende Charakter von Gesellschafterfremdmitteln zu bejahen, wenn die Kredite an eine wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit konkursreife Gesellschaft vergeben werden. Eine vom Ansatz her andere Beschreibung der Krisenlage der Gesellschaft liefert das Merkmal der Kreditfähigkeit. Die Kreditfähigkeitsprufung bezieht sich sowohl auf das Geschäftsrisiko als auch auf das Kapitalstrukturrisiko und beurteilt damit die eigenkapitalersetzende Funktion schon im Vorfeld der Krise; aus Gläubigersicht das wohl herausragende Kennzeichen. Weiterhin ist hervorzuheben, daß die Kreditfähigkeit am Kapitalmarkt von professionellen Marktteilnehmern eingeschätzt wird mit der Folge, daß die Rechtsprechung solange keine normativen Maßstäbe anlegen muß, wie der Markt die Kreditfähigkeit fiir unbedenklich erklärf l7 • Fehlt ein Vergleichsmarkt, so ist auf das Urteil eines Finanzexperten auszuweichen. Mit dem Merkmal der Kreditwürdigkeit wird deutlich, daß der Tatbestand des § 32 a GmbHG sich in seiner Konzeption am Kapitalmarkt ausrichtet: Die Reichweite des Gläubigerschutzes bemißt sich demzufolge nach der Spanne des marktüblichen Kreditrisikos und ist somit flexibel und nicht statisch3l8 • Finanzplankredite sind als einlagegleiche Leistungen zu beurteilen, wenn die Finanzplanung dem Kredit die Funktion des Risikoträgers zuweist. Eine solche materielle Eigenkapitalfunktion ist anband der Vertragsbedingungen samt der näheren Umstände zu untersuchen. Bislang sind die Beurteilungsmaßstäbe nur unzureichend ermittelt und voneinander abgegrenzt. Um Umgehungen zu vermeiden, ist eine materielle Eigenkapitalfunktion auch dann anzunehmen, wenn die Kreditfähigkeit der Gesellschaft zu verneinen ist. Ein Ausweichen auf die Kreditfähigkeit ist nur dann zulässig, wenn die Vertragsbedingungen keinen Aufschluß geben können.
c. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
Im Gegensatz zu der Kapitalersatzfunktion, die sich auf die wirtschaftliche Verfassung des Unternehmens bezieht und damit von der Gesellschaftsform unabhängig ist, steht die zweite Grundvoraussetzung fiir eine Umqualifizierung
317
So Roth, ZGR 1993, 170, 184.
318
Dazu auch Roth, ZGR 1993, 170, 183.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
121
von Gesellschafterdarlehen: Der Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe. Das Merkmal zielt darauf ab, daß Quasi- Eigenkapital nicht in jedem Fall haftet, sondern nur dann, wenn die Kreditgeber die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung tragen. Damit vermittelt die Finanzierungsverantwortung den Zurechnungszusammenhang von Mitgliedschaft und Kreditvergabe. Da die Finanzierungsverantwortung von der Ausgestaltung der Mitgliedschaft abhängt, unterscheidet sich die Reichweite der Finanzierungsverantwortung in den einzelnen Gesellschaftsformen. Damit ist der Aufbau des nächsten Abschnitts vorgegeben: Als rechtspolitisch am bedeutsamsten und gesetzlich normierter Fall ist zunächst die Zurechnung bei der GmbH zu erläutern, um dann zu den Problemen der AG überzugehen. Im Anschluß folgen die konzernrechtlichen Fragen einer Finanzierungsverantwortung. Da die Rechtsfolge des Kapitalersatzes eine besonders große Bedeutung für die Gesellschafter hat, liegen Umgehungsversuche nahe, die als Abschluß zu behandeln sind.
I. Zurechnungszusammenhang der Finanzierungsverantwortung in der GmbH 1. Stellung als Gesellschafter
Eine Finanzierungsverantwortung nach § 32 a GmbHG trägt derjenige, der Gesellschafter einer Gesellschaft ist. Gesellschafter sind die Inhaber der Geschäftsanteile319 ; vorausgesetzt wird also der Erwerb der Mitgliedschaftsrechte 320 • Da nur die formale Stellung ausschlaggebend ist, zählen auch die Treuhänder zu den Gesellschaftern i.S. des § 32 a GmbHG. Nach der Rechtsprechung reicht für die Finanzierungsverantwortungjede Art von Geschäftsbeteiligung aus, unabhängig von ihrer Ausgestaltung im einzelnen. Andere Zurechnungskriterien als die Mitgliedschaft, die einschränkend wirken könnten, hat der Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen nicht erwogen. Allerdings gab es dazu auch keinen Anlaß, da sich die Urteile allesamt auf
319
Statt aller Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 30.
320
Rilmker, FS Stimpel, S. 673, 674.
122
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Allein- oder Mehrheitsgesellschafter bezogen321 , die problemlos die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfmanzierunginnehaben, so daß eine Zurechnung immer zu bejahen gewesen war.
2. Einschränkende Zurechnungskriterien
Entgegen dieser rein mitgliedschaftlichen Betrachtung in der GmbH hat der BGH in seiner "BuM"- Entscheidung für das Recht der Aktiengesellschaft neben der Mitgliedschaft noch das Zurechnungskriterium der unternehmerischen Beteiligung eingefiibrt322. Dieses Urteil schien einige Stimmen in der Literatur zu stützen, die schon zuvor neben der Mitgliedschaft weitere Zurechnungskriterien gefordert hatten, bevor einem Gesellschafter die Finanzierungsverantwortung aufzuerlegen seim. Ziel dieser Vorschläge war es, bestimmte Gesellschafterdarlehenvon einer UmqualiflZierung auszunehmen, um angeblich unbillige oder wirtschaftlich nicht sinnvolle Ergebnisse zu vermeiden. Die Argumentation bezieht sich auf zwei Anwendungsfälle im Recht des Kapitalersatzes: Zum einen wird auf die nur sehr gering beteiligten Gesellschafter abgestellt, die lediglich ein kapitalistisches Interesse an der Gesellschaft haben, aber keine unternehmerische Verantwortung tragen324 . Es sei nicht überzeugend, daß auch diese Personengruppen einer Mitverantwortung für die Kapitalausstattung unterliegen. Die andere Fallgruppe bezieht sich auf die Sanierungsdarlehen, vornehmlich von Banken, an die Gesellschaften. Eine Nachordnung des Bankdarlehens soll demnach unzulässig sein, wenn die Bank in ihrer Funktion als Kreditinstitut, aber ohne unternehmerisches Interesse gehandelt habe. Insgesamt wird dem Kapitalersatzrecht der Vorwurf gemacht, sanierungsfeind-
321
Eingehende Rechtsprechungsanalyse bei Rümker, ZIP 1982, 1385, 1392 in Fn. 55.
322 BuM Entscheidung, BGHZ 90, 381, 389 ff. Ziel dieser Rechtsprechung war es, den Strukturunterschieden zwischen GmbH und AG Rechnung zu tragen. Diese beruhen hauptsächlich auf den unterschiedlichen Möglichkeiten der Gesellschafter, Einfluß auf die Unternehmensentscheidungen der Gesellschaft zu nehmen. Dazu näher unten C.II. 323 Claussen, ZHR 147 (1983), 195,209; ders., AG 1985, 173, 176; Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1114 f; ders., Zur Haftung bei unternehmerischenBeteiligungen, S. 35 f; Rümker, ZIP 1982, 1385, 1391 ff; ders., FS Stimpel, S. 673, 674 ff; Uhlenbruck, GmbHR 1982, 141, 150; Menzel, AG 1982, 197,202. 324 Hommelhoff; WM 1984, 1l05, 1115 bringt das Beispiel einer Lehrerin, deren Vater einen 5%igen Geschäftsanteil an einer kleineren GmbH ohne unternehmerische Mitsprachemöglichkeit vererbt hat.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
123
lieh zu sein; gerade in Konjunkturtälern sei eine sanierungsfeindlicheHaftungsregelung betriebswirtschaftlieh, volkswirtschaftlich und rechtspolitisch jedoch nicht WÜDschenswerf 2s • Um bestimmte Darlehensgeber von den Folgen einer Umqualifizierung der Gesellschafterdarlehen zu befreien, haben einige Vertreter in der Literatur neben der Mitgliedschaft Zurechnungskriterien entwickelt, die sämtlich eine teleologische Reduktion des § 32 a GmbHG bezwecken. Eine solche Reduktion ist aber -unabhängig von dem einzelnen Zurechnungskriterium- allein schon deshalb sehr problematisch, weil sie gegen den eindeutigen Wortlaut von § 32 a GmbHG verstößt.
a) Der Gläubigerwille als zusätzliches Zurechnungskriterium
Die Vorinstanz im HelabaiSonnenring Fall qualifizierte das Gesellschafterdarlehen einer Bank nicht als kapitalersetzend, weil sich die Bank nicht mit dem unternehmerischen Risiko identifiziert habe 326 • Nach einer vereinzelten Auffassung in der Literatur soll es erheblich sein, wenn der darlehensgebende Gesellschafter das Darlehen nicht mit der Zielsetzung eines Gesellschafters, sondern mit der Zielsetzung eines Gläubigers gegeben hat. Hat der Gesellschafter subjektiv die Zielrichtung, das Darlehen in seiner Eigenschaft als Gläubiger zu geben, weil er mit der Darlehensvergabe keine Interessen als Gesellschafter wahrnehmen wollte, dann soll eine Umqualifizierung ausgeschlossen sein. Folglich solle die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfmanzierung auch von der subjektiven Einstellung des Gesellschafters abhängen327 • Die Auffassung verkennt, daß das zwingende Recht des Kapitalersatzes nicht darauf Rücksicht nehmen kann, daß der Kreditgeber sich als Gläubiger fühlt und seinen Finanzierungsbeitrag nicht als Eigenkapitalersatz behandelt wissen will328 • Auf subjektive Merkmale kommt es nicht an329 • Ließe man zu, daß 325
Claussen, ZHR 147 (1983),195, 198.
326 BGHZ 81, 311 war der Anstoß, sich mit dem Problem der Bank, die gleichzeitig Gesellschafterin ist auseinanderzusetzen. 327
CI aus sen, ZHR 147 (1983), 195,209 f.
328
Fleck, FS Werner, S. 107, 121.
329BGHZ 81, 311, 314 f; 105, 168, 175 f; K. Schmidt, ZHR 147 (1983),165,183;
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
124
sich der Kreditgeber auf seine Rolle als Gläubiger berufen könnte, würde die Gesellschaft trotz Krisenlage fortgeführt; es bestünde immer noch die Möglichkeit, daß das Risiko eines wirtschaftlichen Verlustes auf die Gläubiger abgewälzt würde. Gerade dieses Risiko sollen die Regeln des Kapitalersatzesjedoch vermeiden helfen. Will der Gesellschafter aber die Gesellschaft fortführen, muß er seine Finanzierungsverantwortung wahrnehmen und kann sich nicht auf seine Stellung als institutioneller Gläubiger berufen. Er ist dann gezwungen der Gesellschaft haftendes Kapital zuzuführen. Die Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters kann nicht in Gesellschafter und Gläubigerrolle aufgeteilt werden330 , insofern ist sie unteilbar. Die Finanzierungsverantwortung kann daher nur von der mit der Darlehensvergabe verbundenen Risikoabwälzung auf die Gläubiger abhängen331 •
b) Unternehmerische Beteiligung als Zurechnungszusammenhang in der GmbH
aa) Rechtslage de lege lata Das Zurechnungskriterium einer unternehmerischenBeteiligung hat der Bundesgerichtshof im "BuM"_Urteil332 über die kapitalersetzendenAktionärsdarlehen eingeführt. In der Folgezeit bestand Unklarheit darüber, ob zusätzliche über die Mitgliedschaft hinausgehende Merkmale auch innerhalb der GmbH gelten könnten. Diese Frage hat der Bundesgerichtshof33 in dem Urteil Hamburger Stahlwerke eindeutig im Leitsatz a) verneint. Danach übernimmt der Gesellschafter alleine durch die Beteiligung an der Gesellschaft die Verantwortung dafür, daß er die GmbH durch Finanzierungsleistungen am Leben erhält.
Fleck, FS Wemer, S. 107, 121; Ullrich, GmbHR 1983, 133, 142; Ulmer, ZIP 1984, 1163, 1166; Kreis, Finanzierungsverantwortung, S. 70. 330
BGHZ 105, 168, 175 f; Fleck, FS Wemer, S. 107, 121.
331 Fleck, FS Wemer, S. 107, 121; K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165, 182; Ketzer, S. 60 f. 332 BGHZ 90, 381; dazu Westermann in Albers/Herrmann, Elemente erfolgreicher Unternehmenspolitik, 1988, S. 267 ff.
m BGHZ 105, 168.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
125
Im Gegensatz dazu vertreten einige Autoren in der Literatur die Ansicht, nur derjenige Gesellschafter unterliege der Finanzierungsverantwortung, der ein eigenes unternehmerisches Interesse an der Gesellschaft besitze334 • Eine Mitgliedschaft an sich wird nicht als ausreichend erachtet, den Gesellschaftern eine Finanzierungsverantwortung aufzuerlegen. Aus dem Einfluß auf die Gesellschaft und der Stellung als unternehmerisch beteiligter Gesellschafter resultiert das eigene Unternehmensinteresse, das auch zu vermuten ist, wenn die Gesellschafter ihr Unternehmen trotz Krise mit Darlehen weiterfiihren33S • Vor diesem Hintergrund entsteht aus der Vergabe von Darlehen die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung. Die Finanzierungsverantwortung soll aber nur denjenigen Gesellschafter erfassen, der im eigenen Interesse die unternehmerische Entscheidung triffi, die Gesellschaft trotz der Krise am Leben zu erhalten. Demzufolge unterliegen die Gesellschafter, die lediglich einen "Zwerganteil" besitzen, nicht der Finanzierungsverantwortung. Sie haben keinen maßgeblichen Einfluß auf die unternehmerischen Entscheidungen und demzufolge kein eigenes unternehmerisches Interesse an der Gesellschaft. Die Höhe der Beteiligung wird bei weniger als 10 % gesehen, denn wer nicht in der Lage sei, die Tagesordnung zu ergänzen, habe kaum unternehmerische Verantwortung336 • Für eine solche Auffassung ist aber wegen des Wortlautes von § 32 a GmbHG und dem Widerspruch zur gesetzlichen Struktur der GmbH kein Raum. Das gesetzliche Leitbild einer GmbH sieht vor, daß nur wenige Gesellschafter als Anteilsinhaber die Gesellschaft leiten, als sog. Mitunternehmergemeinschaft337 • Nachweis für die Berechtigung des gesetzlichen Leitbildes ist in der Rechtswirklichkeit die Tatsache, daß die Mehrzahl der GmbHs mit 2-5 Gesellschaftern betrieben werden338 • Daher ist der Besitz von Anteilen und ein unternehmerischer Einfluß nicht voneinander zu trennen. Einen unternehmerischen Einfluß und ein eigenes Unternehmensinteresse besitzen sowohl der Mehrheits- als auch der Minderheitsgesellschafter.
334 Ullrich, GmbHR 1983, 133, 144; Rümker, ZIP 1982, 1385, 1391 ff; ders., FS Stimpel, S. 673, 674; Menzel, AG 1982, 197, 202; Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1114f. 335
Homme1hoff, WM 1984, 1105, 1114 f.
336
Hommelhoff, Zur Haftung bei unternehmerischer Beteiligung, S. 36.
337
Raiser, Recht der Kapitalgesellschaft, S. 13.
mUlmer, ZIP 1984, 1163, 1166.
126
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Außerdem verfügt der Minderheitengesellschafter seit der GmbH- Novelle über ausgeprägte Informationsrechte gern. § 51 a, b GmbHG, die zwingendes Recht sind339 • Demnach kann der Gesellschafter jederzeit Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft sowie Einsicht in Bücher und Schriften verlangen, so daß er die fmanzielle Lage des Unternehmens fortwährend beurteilen kann. Informationen als Grundlage für Entscheidungen geben auch dem Minderheitengesellschafter die Möglichkeit, Einfluß auf die Geschäftsführung auszuüben. Entscheidend ist dabei, daß die Möglichkeit der Einflußnahme auch tatsächlich umgesetzt werden kann. In der GmbH sind die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit Willensbildungsorgan und oberstes Organ der Gesellschaff 40 . Gibt es auch keine umfassende Kompetenzzuweisung an die Gesellschafterversammlung, so sind doch die wichtigsten Grundsätze der Unternehmenspolitik schon durch das Gesetz festgelegf 41 und geben den Gesellschaftern eine weite Befugnis, auf die Geschäftsführung einzuwirken. Durch seine Mitsprache- und Mitwirkungsrechte in der Gesellschafterversammlung kann auch der Minderheitengesellschafter seine Informationen über die Gesellschaft verwenden und auf die Geschäftsführung Einfluß nehmen. Die Kombination aus Zugang zu Informationen und Möglichkeiten der Einflußnahme begründet auch bei den Minderheitengesellschafternein eigenes unternehmerisches Interesse. Aus diesen Gründen ist es gerechtfertigt, trotz geringerer Einflußmöglichkeiten auch den Minderheitengesellschafterder Finanzierungsverantwortung für die Gesellschaft zu unterwerfen. Die Kritik, eine solche Argumentation gelte in erster Linie für die personalistische GmbH, nicht aber für die kapitalistische, kann nicht überzeugen342 . Denn häufig entspricht der tatsächliche Einfluß der Kreditgeber auf die Geschäftsführung nicht dem gehaltenen Anteil an der Gesellschaft; den kreditgebenden Gesellschaftern werden auf ihr Verlangen weitere Kontroll- und Einflußmöglichkeiten gewä~43. Schließlich hat der Minderheitengesellschafter in der Regel immer ein solches Maß an Einwirkungsmöglichkeiten auf die
339
Einführend, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 I S. 866 ff.
340
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 III S. 908.
341
VgJ. dazu ausführlich Scholzl Uwe H. Schneider, § 37 Rn. 5 ff.
342 Fleck, FS Wemer, S. 107, 123. 343
Fleck, FS Wemer, S. 107, 123; Ullrich, GmbHR 1983, 133, 137.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
127
Geschäftsführung, daß sich eine Ausnahme von der unternehmerischen Verantwortung für kapitalersetzende Darlehen nicht rechtfertigen läßf44 • Aus den genannten Gründen kann nicht danach differenziert werden, ob ein Gesellschafter eine Stellung einnimmt, die sich durch ein besonderes eigenes Unternehmensinteresseauszeichnet. Es i~t davon auszugehen, daß jeder GmbHGesellschaftereine unternehmerische Beteiligung hält, selbst wenn der tatsächliche Einfluß auf die unternehmerischen Entscheidungen unterschiedlich ausgeprägt ist. Ein zusätzliches Zurechnungsmerkmal der unternehmerischen Beteiligung kann es in der GmbH nicht geben; jeder Gesellschafter hat die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung inne, wenn er in der Krise die Gesellschaft mit Darlehen fmanziert. Die Kritik, daß eine solche Regelung starr sei und in Fällen von kleinen Minderheitengesellschaftern zu ungerechten Ergebnissen fUhrt, ist nicht überzeugend. Dafür lassen sich zwei Gründe anfuhren: Praktisch werden nur die Gesellschafter ihrer kreditunwürdigen Gesellschaft Mittel zur Verfiigung stellen, die von der Fortführung der Gesellschaft am meisten profitieren und das größte Interesse an dem Unternehmen haben345 • Das sind nicht die Minderheitengesellschafter. Außerdem wird ein Minderheitengesellschafter in der Regel nur dann zu einer Darlehensgewährung an die Gesellschaft bereit sein, wenn auch von anderer Seite Mittel bereitgestellt werden346 • Dann wird aber das Merkmal der Kreditwürdigkeit zu bejahen sein, da ein solcher Kredit sicher auch von außenstehenden Dritten zu ähnlichen Bedingungen vergeben worden wäre. Schon aus diesem Grund entfällt die kapitalersetzendeFunktion eines Darlehens und damit die Umqualifizierung in haftendes Kapital. Einer Beschränkung der Zurechnung bedarf es in dieser Situation jedoch nicht. Mithin liegt auch kein praktisches Bedürfnis vor, ein zusätzliches, über die Mitgliedschaft hinausgehendes Zurechnungskriterium einzufuhren und auf eine teleologische Reduktion zu drängen. In den Fällen, in denen es angeraten
344 Hachenburg! Ulmer, § 32 a, b Rn. 37; ders., ZIP 1984, 1163, 1166 f; Hueck in Baumbachl Hueck, § 32 a Rn. 17; U1lrich, GmbHR 1983, 133, 141 f; Fleck, FS Wemer, S. 107, 123; Ketzer, S. 63. . 345 Ulmer, ZIP 1984, 1163, 1167; Die Annahme ist gerechtfertigt, denn in der bisherigen Rechtsprechung des BGH waren nur Fälle zu beurteilen, in denen die Allein- oder Mehrheitsgesellschafter ihrer Gesellschaft Darlehen gewährt hatten. Vgl. die Rechtsprechungsanalyse bei Rümker ZIP 1982, 1285, 1292 Fn. 55. 346
Ulmer, ZIP 1984, 1163, 1167; Fleck, FS Wemer, S. 107, 126.
128
J. Kap.: Rechtslage in Deutschland
erscheint, den Adressatenkreis zu beschränken, wird in der Regel das Merkmal der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft zu bejahen sein, so daß eine teleologische Reduktion der Zurechnung entbehrlich ist.
bb) Rechtslage nach dem Regierungsentwurf In der Frage des Zurechnungszusammenhangesplant die Bundesregierung im
Rahmen des Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes347 eine Ausnahmeregelung zur oben unter aa) vorgestellten Eigenkapitalersatzhaftung. Danach soll das Eigenkapitalersatzrecht auf Gesellschafter mit einem Kapitalanteil von 10% oder weniger wegen der fehlenden unternehmerischen Verantwortung keine Anwendung mehr finden. Art. 3 dieses Gesetzes enthält eine Änderung des § 32 a Abs. 3 GmbHG, die folgendermaßen lautet: "Die Regeln über den Eigenkapitalersatz gelten nicht fiir den nicht geschäftsführenden Gesellschafter, der mit zehn vom hundert oder weniger am Stammkapital beteiligt ist." In der Begründung führt die Bundesregierung aus, daß es zur Frage der Kleinanteile bislang keine hächstrichterliche Rechtsprechung gebe und der Entwurf deshalb klarstellende Bedeutung habe. Grundgedanke fiir eine Umqualifizierung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen sei die mituntemehmerische Verantwortung (Finanzierungsverantwortung) und diese sei in der GmbH typischerweise erst ab einer Beteiligung am Stammkapital von 10% gegeben. Im Ergebnis überträgt der Entwurf die Überlegungen zur unternehmerischen Beteiligung von 25% innerhalb der Rechtsprechung zur Aktiengesellschaft auf die GmbH.
Im Ergebnis ist eine solche Novelle abzulehnen, da sie undurchdacht ist und kaum Überzeugungskraft besitzf 48 • Die Notwendigkeit einer Novelle ist kaum gegeben, wenn es noch nicht einmal hächstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage gibt. Wenn in einem Rechtsgebiet wie dem Eigenkapitalersatzrecht, das wie kaum eine andere Materie im Gesellschaftsrecht durch eine sehr differenzierte Rechtsprechung geprägt ist, es zu einem Thema keine hächstrichterliche und auch keine instanzgerichtliche Entscheidung gibt, dann ist diese Frage in der Praxis unerheblich und eine Novelle würde nicht Regelungswürdi-
347
Siehe dazu GmbHR 1996, 600.
348
So im Ergebnis auch Altmeppen, ZIP 1996, 1455; KarolIus, ZIP 1996, 1893 ff.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
129
ges regeln. Überzeugende Bedenken ergeben sich auch aus der Tatsache, daß die Grenze von 25%, bei der im Recht der Aktiengesellschaft eine Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe bejaht wird, eine Regel bildet, von der es verschiedene Ausnahmen geben kann. Es handelt sich um keine starre Regel, sondern um eine Grenze, die beim Vorliegen anderer Tatsachen, fiir das Gericht nicht verbindlich ist. Anders wäre es bei der GmbH, wo es mit einer gesetzlichen Anordnung keinen Spielraum fiir die Einzelheiten des vorliegenden Falles gebe 349 • Zurecht weist Altmeppen zusätzlich darautbin, daß eine starre 10% Regelung enorme Schwierigkeiten in Konzernkonstellationen bereitet, da je nach Berechnungsart die Gesellschafter dem Eigenkapitalersatz unterfallen oder nichf so • Als Schlußfolgerung ist zu sagen, daß eine derartige Novelle nicht überzeugen kann, da sie weder praktisch relevante Probleme löst noch eine systemkonforme Umsetzung der Gedanken aus dem Recht der Aktiengesellschaft beinhaltet und zusätzlich noch neue Probleme aufwirft. Schließlich bemerkt Karollus zutreffend, daß es nicht sicher wäre, ob der Gesetzgeber mit seiner Novelle sein Ziel überhaupt erreichen würde, denn dies habe schon anläßlich der GmbH-Novelle von 1980 nicht funktionierf s, . Der Bundesgerichtshof zeigte sich von den Gesetzessänderungen unbeeindruckt.
c) Sanierungsprivileg
Die Ausführungen gelten nicht nur fiir den Minderheitengesellschafter, sondern auch fiir die Banken, soweit sie an der Gesellschaft beteiligt sind und ein Darlehen an die kreditunwürdige Gesellschaft vergeben. Der Zurechnungszusammenhang ergibt sich auch in diesen Fällen aufgrund der Finanzierungsverantwortung, die auf der Mitgliedschaft beruht; eine besondere Höhe, Zweck oder Ausgestaltung der Beteiligung ist nicht erforderlich. Im Gegensatz zu den Ausführungen bei den Minderheitengesellschaftern wird fiir die Sanierungsdarlehen der Banken3S2 , wenn schon nicht nach geltendem Recht, so zumin-
349
Darauf weist auch Karol1us hin, ZIP 1996, 1893, 1894.
350
Altmeppen, ZIP 1996, 1455.
351
Karollus, ZIP 1996, 1893, 1895.
352 Allgemein zu den Finanzierungsfragen bei der Sanierung von Unternehmen, Häuser in: Bankrechtstag 1994, hrsgg. von HaddinglHoptlSchimansky, S. 75 ff.
9 Gehdc
130
\. Kap.: Rechtslage in Deutschland
dest unter rechtspolitischenAspekten, eine Herausnahrne aus dem Kapitalersatzrecht geforderf s3 • Sanierungsdarlehen sollen nicht den Regeln des Kapitalersatzrechtes unterliegen, sonst gäbe es eine nicht wünschenswerte sanierungsfeindliche Regelung. Die Forderung nach einer Privilegierung von Sanierungsdarlehen seitens der Banken wird mit den volkswirtschaftlichen Vorteilen einer gelungenen Sanierung begründet. Derjenige Gesellschafter, der ein Risiko eingehe, das allen Gläubigem zu Gute komme, wenn die Sanierung funktioniere, dürfe für seine Anstrengung nicht auch noch bestraft werden3s4 • Die Ansicht verkennt jedoch, daß die Folgen eines Sanierungsprivilegs zu absurden Ergebnissen fUhren würde 3SS • Jeder Gesellschafter könnte sich ex post auf seine Sanierungsabsichten berufen. Damit würde der Kredit, der zur Untemehrnenserhaltung gedacht war, aber tatsächlich zur Konkursverschleppung gefiihrt hat, privilegiert. Daß ein solches Resultat wenig überzeugt, ergibt sich noch aus anderen Gründen. Als sanierungsfeindlich kann eine Regelung nur dann gelten, wenn sie rechtspolitisch wünschenswerte Sanierungsmaßnahmen behindert oder unterbindet. Das Kapitalersatzrecht hingegen stellt die Gesellschafter lediglich vor die Wahl, entweder zu liquidieren oder erforderliches Eigenkapital zuzufUhren. Nur das "Wie" nicht das "Ob" der Finanzierung wird reglementiert. Was das Kapitalersatzrechtverhindem soll, sind gerade die rechtspolitisch nicht wünschenswerten Sanierungsversuche auf dem Rücken der anderen Gläubiger s6 • Ist die Seriosität des Sanierungsversuches nicht gewährleistet, dann besteht auch kein rechtspolitisches Interesse, die Sanierungsversuche zu privilegieren, indem die Banken und andere Sanierer von dem Adressatenkreis des Kapitalersatzrechtes ausgenommen werden. Aufgrund der genannten Überlegung ist es mittlerweile herrschende Ansichf s7 , daß das Kapi-
353 Claussen, ZHR 147 (1983), 195,216 ff; Westennann, ZIP 1982, 379, 386 ff; Rümker, ZIP 1982, 1385, 1392. 354 So ausdrücklich Westennann, ZIP 1982, 379, 386; Rümker, ZIP 1982, 1385, 1392f. 355 K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165, 178; Ulmer, DJT- Protokolle des 54. DJT, Manuskriptseite M 729. 356
K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165, 178.
3S7Ygl. nur jeweilsmwN: Fleck, FS Wemer, S. 107,123; Lutter/Hommelhoff, §§ 32 aIb Rn. 38; Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 4 f; Yollmer/ Maurer, DB 1993, 2315, 2315 f.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
131
talersatzrechtnicht sanierungsfeindlich ist, und es daher keinen Anlaß gibt, bestimmten Kreditgebern ein Sanierungsprivileg einzuräumen. Das Argument, ein zusätzliches Zurechnungsmerkrnal müsse für die Bank etabliert werden, damit sie dem Kapitalersatzrechtnicht unterfällt, wenn sie in ihrer Stellung als Darlehensgeberin und nicht als Gesellschafterin handelt, kann nicht überzeugen. Wenn die Bank den Kredit wirklich unabhängig von der Gesellschafterstellung gewährt, dann wären andere Kreditinstitute dazu ebenfalls bereit3S8 • Die kapitalersetzende Funktion des Darlehens scheitert dann schon an der bestehenden Kreditwürdigkeit der Gesellschaft. Auch aus diesem Grund besteht kein Bedürfnis, die Banken von den Regeln über die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen auszunehmen.
3. Zusammenfassung
In der GmbH ist das einzige und ausreichende Zurechnungskriterium die Mitgliedschaft in der Gesellschaft. Jeder Gesellschafter unterliegt der Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung. Dieses Ergebnis rechtfertigt sich daraus, daß alle Gesellschafter aufgrund der Mituntemehmergemeinschaft in der GmbH ein eigenes unternehmerisches Interesse aufgrund ihrer Einwirkungsmöglichkeiten auf die Untemehmensfiihrung haben. Damit alle Gesellschafter den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung und somit dem Kapitalersatzrechtunterliegen, ist keine gesonderte unternehmerische Beteiligung erforderlich. Eine Sonderstellung für Banken ist weder erforderlich noch rechtspolitisch vertretbar. Ebenso verbietet sich eine gesonderte Zurechnung nach einer "subjektiven Komponente" des kreditgebenden Gesellschafters.
358
9*
Fleck, FS Wemer, S. \07, 126; Ulmer, ZIP 1984, 1163, 1167.
132
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
11. Zurechnungszusammenhang der Finanzierungsverantwortung innerhalb der Aktiengesellschaft Das Recht des Kapitalersatzes ist vornehmlich als Problem der unterkapitalisierten GmbH und der GmbH & Co. KG diskutiert worden3S9 • Ob die Grundsätze des Kapitalersatzes auf die Aktiengesellschaft übertragen werden können, war bis zum Grundlagenurteil Beton und Monierbau360 des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1984 in der Literatur umstritten361 • Im Anschluß an die höchstrichterliche Rechtsprechung wird heute allgemein anerkannf 62 , daß die Rechtsprechungsregeln über den Kapitalersatz auch für die Aktiengesellschaft gelten. Insofern ist es erforderlich, auch nach der Finanzierungsverantwortung der Aktionäre zu fragen. In der GmbH bildet die Finanzierungsverantwortung eines jeden Gesellschafters den Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe. Wie oben gesehen ist die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter davon abhängig, wie die Mitgliedschaft durch das Recht innerhalb der Gesellschaftsform ausgestaltet ist. Die Frage, ob die Finanzierungsverantwortung in der Aktiengesellschaftüber die Mitgliedschaft hinausgehende Merkmale erfordert, macht es deshalb notwendig, die rechtsformtypischen Besonderheiten der Gesellschaftsformen miteinander zu vergleichen. Nur so kann entschieden werden, inwiefern die Aktionäre der gleichen Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung des Unternehmens unterliegen wie die GmbH- Gesellschafter. Teilweise wird die rechtsformtypische Besonderheit des Aktienrechts gegenüber dem GmbH- Gesetz darin gesehen, daß die GmbH weniger stark ausge-
359
Statt aller, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III, S. 431.
360
BGHZ 90, 381.
361 Eine Übertragung der Grundsätze des Kapitalersatzrechtes lehnten ab: Obermüller, ZIP 1982,921 ff; Menze1, AG 1982,205 ff; Westermann, ZIP 1982,379,388 ff; ders., ZIP 1983, 128 ff; Rümker, ZIP 1982, 1385, 1395 ff; Claussen, ZHR 147 (1983), 195, 201 f. Die Ablehnung wurde mit der ausschließlichen Geltung der spezialgesetzlichen §§ 32 a, b GmbHG begründet sowie den unterschiedlichen Kapitalerhaltungsvorschriften in GmbHG und AG. Ausführlich zu den Gegenargumenten: Ketzer, S. 18 ff. 362 Vgl. nur: KölnKomm-Lutter, § 57 Rn. 93; Hüffer, AktG, § 57 Rn. 18; Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 21; Junker, ZHR 156 (1992),394 ff; Fleck, FS Wemer, S. 108 Fn. 6.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
133
prägte Kapitalerhaltungsvorschriften besitzt. Während bei der GmbH nur das Stammkapital gegen eine Auszahlung geschützt ist, ist bei der AG das gesamte Vermögen bis auf den Bilanzgewinn gebunden (§ 58 Abs. 5 AktG). An die Kapitalbindung angelehnt wurde deshalb gefordert, daß ein kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen vorliegen solle, wenn und weil eine Kapitalerhöhung durch den Gesellschafter nicht durchgesetzt wurde 363 . Demnach läge der Vorwurf in der "Darlehensvergabe statt Kapitalerhöhung" und nicht in der "Kreditgewährung statt Absehen von weiterer Mittelzufuhr an den Verband"364. Die Begründung für eine Umqualifizierung der Darlehen liegt nicht in der Wahl Kapitalerhöhung oder Darlehensfinanzierung, sondern in der Wahl Eigenkapitalzufuhr oder rechtzeitige Liquidation36s . Schon aus diesem Grund kann die unterschiedliche Kapitalbindung kein geeigneter Anknüpfungspunkt sein, um zu entscheiden, ob es über die Mitgliedschaft hinausgehende Zurechnungsmerkmale gibt. Außerdem wäre für eine Kapitalerhöhung die satzungsändernde Mehrheit von 75 % der Beteiligung erforderlich; ein untaugliches Merkmal für die Finanzierungsverantwortung366 . Der entscheidende Unterschied zwischen den Gesellschaftsformenliegt in der Ausgestaltung der Mitgliedschaft. Das gesetzliche Leitbild der GmbH sieht eine Mitunternehmergemeinschaftvor, die sich durch einen Gleichlaufvon Anteilsbesitz und unternehmerischem Interesse an der Gesellschaft auszeichnef 67 . Den Gegensatz bildet das Aktienrecht. Die Aktiengesellschaft ist eine Publikumsgesellschaft, die geschaffen wurde, um ein breites Anlegerpublikum zu erreichen368 . Daher gibt es eine Vielzahl von Aktionären, deren persönliche Bindung an die Gesellschaft viel weniger ausgeprägt ist. Ausdruck des stärkeren personalistischen Elements in der GmbH sind die Einflußmöglichkeiten auf die unternehmerischen Entscheidungen. Während der GmbH-Gesellschafter
363 OLG Düsseldorf, ZIP 1983,786,792; Heilmann, KTS 1983,513; Immenga, ZIP 1983, 1405, 1410. 364
Dazu Junker, ZHR 156 (1992), 394,401.
365
Entgegen der allgemeinen Ansicht Immenga, ZIP 1983, 1405, 1410.
366 BGHZ 90, 381, 390; K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165, 185; Junker, ZHR 156 (1992), 394,401. 367
Raiser, Kapitalgesellschaft, S. 13.
368
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 III, S. 648.
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
134
ausgeprägte Infonnations- und Einwirkungsmöglichkeiten besitzf69, hat der typische Aktionär weder laufende Infonnationsrechte noch Weisungsbefugnisse. Seine Möglichkeiten, auf die Entscheidungen des Unternehmens Einfluß zu nehmen, sind deutlich geringer. Die Bindung des Mitglieds an die GmbH ist größer als die Mitgliederbindung an die Aktiengesellschaft. Ein ähnlich großes Unternehmensinteresse aufgrund ähnlicher Einflußmöglichkeiten fiir sämtliche Gesellschafter gibt es in der Aktiengesellschaft nicht. Entsprechend der unterschiedlichen Infonnations- und Einflußmöglichkeiten der Aktionäre kann fiir die Aktiengesellschaft in Anlage- und Unternehmensgesellschafter unterschieden werden. Der Anlagegesellschafter sucht lediglich eine Kapitalanlage; der Versuch, auf die Entwicklung der Gesellschaft Einfluß zu nehmen, liegt ihm fern. Ihm wird nicht daran gelegen sein, auf einer Hauptversammlung Anträge zu stellen, damit der Vorstand seine Interessen besser vertritt. Der Unternehmeraktionär hingegen übt -dem GmbH Gesellschafter vergleichbar- Einfluß auf die Leitung des Unternehmens aus, um seine Unternehmensinteressen durchzusetzen.
1. Stellung als UnternehmeraktionIr
Unschwer ist zu erkennen, daß in der Aktiengesellschaft nicht jeder Aktionär Einflußmöglichkeiten besitzt, die es rechtfertigen, ihn der Finanzierungsverantwortung zu unterwerfen. Die Mitgliedschaft als einziges Merkmal der Zurechnung scheidet fiir die Aktiengesellschaft aus. Es muß ein über die Mitgliedschaft hinausgehendes Kriterium geben. Ausgehend von der Unterscheidung in Anlage- und Unternehmeraktionärkann festgestellt werden, daß nur der Unternehmergesellschafter der Finanzierungsverantwortung unterliegt.
2. Kriterien zur Bestimmung einer UnternehmersteIlung
Um den Status eines solchen Gesellschafters festzulegen, bieten sich als Anknüpfungspunkte der Zugang zu Infonnationen und der ausreichende Einfluß auf unternehmerische Entscheidungen an. Somit setzt die Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters voraus, daß er sich Infonnationen über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Gesellschaft beschaffen und danach auf
369
S. oben C.I.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
135
die Gesellschaft Einfluß nehmen kann. Eine solche Differenzierung kann keine klare Trennungslinie ergeben, vielmehr sind unterschiedliche Indizien herauszuarbeiten, die eine Finanzierungsverantwortung nahe legen. Grundsätzlich kommen als Indikatoren die Tätigkeit in der Gesellschaft und die Höhe des gehaltenen Anteils in Betracht.
a) Einfluß im Aufsichtsrat Der Einfluß des Aktionärs auf das Unternehmen kann sich aus einer Position im Vorstand, im Aufsichtsrat oder einem anderem Gremium ergeben. Im Vordergrund steht ein Mandat im Aufsichtsrat oder ein Entsendungsrecht dorthin (§ 101 Abs. 2 AktG)370. Denn der Aufsichtsrat hat die Aufgabe, das Leitungsorgan der Aktiengesellschaft zu bestellen, abzuberufen und zu überwachen ( §§ 84, 111 AktG). Außerdem ist der Vorstand dem Aufsichtsrat gern. § 90 AktG verpflichtet, Bericht zu erstatten. Die Tätigkeit im Aufsichtsrat als die wichtigste Form der Einflußnahme auf die Aktiengesellschaft spricht sehr dafiir, den Aktionär als Unternehmer- Gesellschafter zu klassifizieren. Aus diesem Grund wird teilweise eine Beweislastumkehr gefordert. So soll der kreditgebende Aktionär, der gleichzeitig ein Aufsichtsratsmandat innehat, die Umstände darlegen müssen, die gegen eine Finanzierungsverantwortung sprechen371 • Eine solche Forderung ist aber zu weitgehend, denn wichtiger als ein Mandat im Aufsichtsrat ist die Höhe des gehaltenen Anteils.
b) Mehrheitsbeteiligung Vergibt ein Allein- oder Mehrheitsaktionär ein Darlehen an die Gesellschaft, wird der Zurechnungszusammenhang problemlos zu bejahen sein. Ein solcher Aktionär hat umfassende Informationsmöglichkeiten und die Fähigkeit, die unternehmerischen Geschicke der Gesellschaft zu steuern. Daher ist er fiir eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung verantwortlich. Entsprechend dem oben Gesagten braucht der Aktionär keine Mehrheit, die es ihm ermöglicht,
370 BGHZ 90, 381, 392; Schwark, JZ 1984, 1036, 1037; Junker, ZHR 156 (1992), 394,404; Kreis, Finanzierungsverantwortung, S. 113; Ketzer, S. 82. 371
Junker, ZHR 156 (1991), 394, 404.
136
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
eine Kapitalerhöhung durchzusetzen. Denn der Vorwurf, keine Kapitalerhöhung durchgefiihrt, sondern nur ein Darlehen gewährt zu haben, trägt nicht die Umqualifizierung und Behandlung der Mittel als haftendes Kapital. Schon unter der Schwelle einer satzungsändernden Mehrheit ist davon auszugehen, daß der Mehrheitsaktionär die unternehmerischen Einflußmöglichkeiten und ein unternehmerisches Interesse an der Fortfiihrung der Gesellschaft besitzt, die es rechtfertigen, ihn der Finanzierungsverantwortung zu unterwerfen. Demzufolge trägt der Mehrheitsaktionär in jedem Fall die Finanzierungsverantwortung und ist damit Adressat des Kapitalersatzrechtes.
c) Koordinierte Kreditvergabe mehrerer Aktionäre Unproblematisch ist eine Zurechnung bejaht worden, wenn ein Mehrheitsgesellschafter ein Darlehen an die AG vergeben hat. Zu fragen ist, ob das Gleiche gilt, wenn durch eine koordinierte Darlehensvergabe die Aktionärsmehrheit der Gesellschaft ein Darlehen zur Verfiigung stellt. Die Frage ist zu bejahen; auf eine getrennte Verantwortung jedes einzelnen Kreditgebers kann nicht abgestellt werden372 • Denn aus der Sicht der Gläubiger wird auch in einem Fall der koordinierten Kreditvergabe ein Vertrauen des Geschäftsverkehrs in die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft geweckt. Deshalb ist es gerechtfertigt, auch die Gesamtheit der Aktionäre der Verantwortung fiir eine ordnungsgemäße Finanzierung zu unterwerfen. Das gilt um so mehr, als der Aktionär durch seinen Beitrag auch zum Ausdruck bringt, daß er die Kreditvergabe der anderen Aktionäre als Finanzierungsentscheidung befiirwortet. Eine getrennte Zurechnung würde außerdem dazu fUhren, daß das Kapitalersatzrecht jederzeit durch eine geschickte Vergabetechnik umgangen werden könnte. Eine Zurechnung fiir jeden einzelnen Aktionär ist auch dann gegeben, wenn durch sämtliche Gesellschafter oder eine Mehrheit die Kreditvergabe erfolge?3.
372
In diesem Sinne, Claussen, AG 1985, 173, 179 f.
3?3 Junker, ZHR 156 (\991), 394, 404.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
137
d) Wesentliche Beteiligung eines Aktionärs
Liegt keine mehrheitliche Beteiligung vor, stellt sich die Frage, ob auch der Inhaber eines wesentlichen Anteils an der Gesellschaft ein Unternehmer- Gesellschafter ist, der der Finanzierungsverantwortung unterliegt. Der BundesgerichtshoP74 hat einen Anteil von 25 % oder mehr an der AG als wesentliche Beteiligung anerkannt und damit die Sperrminorität zur Trennungslinie zwischen Anlagen- und Unternehmergesellschafter gemacht. Die Ansicht des BGH überzeugt, bedenkt man, welche Möglichkeiten der Einflußnahme auf die Gesellschaft eine Sperrminoritäf 75 verleiht. Ein solcher Aktionär hat die Möglichkeit, in der Hauptversammlung einen Auflösungsbeschluß zu verhindern. Er kann auch eine Satzungsänderung und damit eine Kapitalerhöhung abwenden. Durch diese negativen Kompetenzen hat der Aktionär Einflußmöglichkeiten auf die unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaft; nicht in der Form, daß er seine Anliegen durchsetzt, sondern indem er Entscheidungen verhindern kann und so die Mehrheit zu Kompromissen zwingf 76 . Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, ihn als Unternehmer- Gesellschafter zu klassifizieren, so daß er der Finanzierungsverantwortung unterliegt. Wird dieses Abgrenzungsmerkmal auch ganz mehrheitlich akzeptiezf 77, so wird doch teilweise bezweifelt, daß alle Situationen damit angemessen zu lösen sind378 • Die Kritiker beziehen sich auf den Fall, daß ein Mehrheitsaktionär 75% des Grundkapitals hält, so daß dem Minderheitenaktionär seine Verantwortung rur die ordnungsgemäße Finanzierung abzusprechen ist. Die These wird an dem Fall illustriert, daß der Minderheitengesellschafter eine Kapitalerhöhung versucht hat, die am Widerstand des Mehrheitsaktionärs gescheitert ist. Entscheide sich der geringer beteiligte Aktionär, ein Darlehen zu gewähren, um die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft zu stabilisieren, dann dürfe er
374
BGHZ 90, 381, 391 f.
375
Zur Sperrminorität: Raiser, Kapitalgesellschaften, S. 174 mwN.
376
Ketzer, S. 77.
J77 Vgl. nur Raiser; Kapitalgesellschaften, S. 223; K. Schrnidt, Gesellschaftsrecht, § 29 12 S. 737. 378
Schwark, JZ 1984, 1036, 1037; vgl. auch Immenga, ZIP 1983, 1405, 1410.
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
138
der Finanzierungsverantwortung nicht unterliegen. Eine Umqualifizierung der Mittel sei nicht gerechtfertigt. Das Beispiel kann nicht überzeugen. Ist der Mehrheitsgesellschafter nicht bereit, eine Kapitalerhöhung durchzuführen, obwohl sich die Gesellschaft in der Krise befindet, ist dies gleichbedeutend mit der unternehmerischen Entscheidung, die Aktiengesellschaft zu liquidieren. Gibt es keine Möglichkeit von dritter Seite, Darlehen zu marktüblichen Bedingungen zu erhalten, ist die Entscheidung, kein Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, eine Entscheidung zur Liquidation379 • Ebenso stellt die Darlehensfinanzierungdurch den Minderheitsgesellschafter in einer solchen Krisensituation eine unternehmerische Entscheidung dar: Die Gesellschaft soll mittels Darlehen fortgeführt und nicht liquidiert werden. Gelingt der Sanierungsversuch nicht, kann der Minderheitengesellschafter im Konkurs nicht privilegiert werden. Sonst würde der Minderheitengesellschafter lediglich aufgrund der gesellschaftsinternen Streitigkeit von der Finanzierungsverantwortung ausgenommen380 • Das Bemühen, eine Kapitalerhöhung durchzuführen, ist kein ausreichender Grund, den Minderheitengesellschafter ebenso am Konkurs teilnehmen zu lassen wie die anderen Gläubiger. Nach den Grundsätzen des Kapitalersatzrechtes ist nur maßgebend, daß eine Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, zu dem sie von dritter Seite kein Darlehen mehr erhält, mittels Fremdkapital aus Gesellschafterhand weitergeführt wird. Liegt eine solcher Fall vor, ist das Darlehen in haftendes Kapital umzuqualifizieren. Auch in diesem Ausnahmefall kann von der Sperrminoriät auf die Finanzierungsverantwortung geschlossen werden.
e) Weitere Merkmale einer unternehmerischen Beteiligung Bildet die 25 % ige Beteiligung eine generelle Annahme der Finanzierungsverantwortung, so stellt sich die Frage, ob auch die Darlehen eines weniger beteiligten Aktionärs urnqualifiziert werden können. Maßgebend ist auch hier die Möglichkeit, auf die UnternehmensentscheidungenEinfluß zu nehmen. Das ist ausnahmsweise dann der Fall, wenn der Aktionär trotz geringeren Aktienbesitzes aufgrund anderer Umstände in der Lage ist, Einfluß auf die Unter-
379
Ketzer, S. 78 ff.
380
Ketzer, S. 78 f.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
139
nehmensleitung auszuüben381 • Diese Konstellation ist vornehmlich bei personalistisch strukturierten Gesellschaften - meist Familiengesellschaften382 anzutreffen, die noch eine Nähe zur GmbH aufweisen. Bei einer solchen Familien- AG ist der Einfluß des Aktionärs auf die unternehmerischen Entscheidungen in der Regel größer als bei einer Publikums-AG, unabhängig von der Höhe der Beteiligung. Als Faustformel gilt, daß eine Finanzierungsverantwortung um so eher angenommen werden kann, als die Aktiengesellschaft dem typischen Bild einer GmbH nahekommf 83 • Beispiel für eine Einflußnahme unabhängig von der Höhe der Beteiligung ist ein Fall des OLG Düsseldorf 84 • Die KG als Darlehensgeberin hielt lediglich 8 % des Aktienkapitals, während die Kommanditisten etwa 30 % des Aktienanteils besaßen. Zwischen den Kommanditisten der darlehensgebenden AG und den übrigen Aktionären der darlehensnehmenden AG gab es familiäre Verbindungen. Aus diesen Umständen schloß das Gericht auf eine unternehmerische Beteiligung der KG und qualifizierte ein Darlehen der KG als eigenkapitalersetzend. Das Besondere an der Entscheidung ist, daß das Gericht sich an keine starre Regelung gehalten hat, sondern anhand von Indizien die unternehmerische Beteiligung bestimmt haf 8s • Neben solchen familiären Verflechtungen kann für die Familiengesellschaft ein weiteres Indiz die Tätigkeit des Aktionärs in der Gesellschaft sein. Auch hier ist das Aufsichtsratsmandat ein sehr gewichtiges Merkmal für eine bestehende Finanzierungsverantwortung.
3. Einschrllnkendes Zurechnungskriterium eines Sanierungsprivileges
Ein Sanierungsprivileg ist für die GmbH abgelehnt worden, denn die Sanierungsversuche der Gesellschafter sollen nicht zu Lasten der anderen Gläubiger
381 BGHZ 90, 381, 391 f; Claussen, AG 1985, 173, 180; K. Schmidt, AG 1984, 12, 13; Junker, ZHR 156 (1992), 394, 405. 382
Zur Familiengesellschaft, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 III S. 648 f.
383 K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165, 187; Junker, ZHR 156 (1992), 394,405; Hommelhoff, zur Haftung bei unternehmerischer Beteiligung, S. 34; Rümker, FS Stimpel, 1985, S. 673, 675. 384 OLG Düsse1dorf, WM 1991, 1119; dazu v. GerkanJ Hommelhoff, Kapitalersatz, S. 207; Junker, ZHR 156 (1992), 394, 405. 38S
Junker, ZHR 156 (1992), 394, 405 f.
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I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
durchgeführt werden. Dafür, daß die Banken von der Finanzierungsverantwortung auch bei der Sanierung einer GmbH auszunehmen sind, kennt das Kapitalersatzrecht keinen Grund. Der Gesellschafter soll vor der Wahl stehen, ob er der Gesellschaft die weitere Hilfe versagt und liquidiert oder ob er der Gesellschaft die erforderlichen Mittel in Form von haftendem Kapital zur VerfUgung steUe 86 • Der Sinn und Zweck dieser Grundsätze gilt auch bei der Bankensanierung von Aktiengesellschaften. Eine Privilegierung von beteiligten Banken im Konkurs ihrer Kunden wird deswegen ganz allgemein abgelehne 87 • Trotz der grundsätzlichen Ablehnung eines Sanierungsprivilegs auch in der Aktiengesellschaft gibt es eine Überlegung, die zum Umdenken in dieser Frage fUhrt. Akzeptiert man die Grundsätze des Kapitalersatzrechtes, nach denen der Wahl des Gesellschafters zwischen Liquidation und Eigenkapitalfinanzierung hervorragende Bedeutung zukommt, ergibt sich nach Junker 88 ein deutlicher und bedeutsamer Unterschied zwischen der Aktiengesellschaft und der GmbH. Daß die Wahl "frei" ist, kann für die kleinere und die mittlere GmbH zutreffen. Anders liegt der Fall bei der AG, wenn von der Kündigung des Kredites und der anschließenden Liquidation mehrere tausend Arbeitsplätze abhängen. Der politische und öffentliche Druck kann so groß sein, daß von einer freien Wahl des Kreditgebers nicht gesprochen werden kann. In den Sanierungsversuchen fUr Aktiengesellschaften werden die Banken aufgrund des öffentlichen Drucks oft erst nach ihrer Kreditvergabe Gesellschafterinnen, um den Sanierungsversuch auch lenken zu können. Angesichts dieser Sachlage ist es angebracht, nicht nur die rechtliche Möglichkeit einer Kündigung des Darlehens zu beachten, sondern auch die tatsächlichen Aussichten einer Rückforderung zu untersuchen389 • Danach gilt nicht vorrangig das Kapitalersatzrecht, wenn der Darlehensgeberaus gesamtwirtschaftlichenGründen das Risiko einer Sanierung übernimme 90 • In diesen engen Grenzen ist in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Kapitalersatzrechtes ein Sanierungsprivileg im Einzelfall zu prüfen. Damit wird aber keine allgemeine und schematische Bevorzugung von Sanierungsdarlehen befiirwortet.
386
Statt aller: BGHZ 81, 252, 257.
387 Fleck, FS Wemer, S. 107, 123; Lutter/HommeUioff, §§ 32 aIb Rn. 38; Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 4 f; Vollmerl Maurer, OB 1993,2315,2315 f. 388
Junker, ZHR 156 (1992), 394, 410.
389
Dazu speziell, Canaris, ZHR 143 (1979), 1 \3 ff.
390
Zustimmend, Hüffer, AktG, § 57 Rn. 18.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
141
4. Zusammenfassung
Auch im Recht der Aktiengesellschaft vermittelt die Finanzierungsverantwortung den Zurechnungszusammenhang zwischen Kreditvergabe und Mitgliedschaff 91 • Aufgrund der weniger personalistisch ausgestalteten Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft und dem daraus resultierenden geringeren Einfluß auf die unternehmerischen Entscheidungen, trägt nicht jeder Aktionär die Finanzierungsverantwortung. Nur der Unternehmeraktionär, der ähnlich wie ein GmbH- Gesellschafter die Geschicke des Unternehmens mitbeeinflußt, ist für die Unternehmensfinanzierung verantwortlich. Der Bundesgerichtshof hat diese Position bei 25 % iger Beteiligungshöhe am Grundkapital, der Sperrminorität, angesetzt. Unter dieser Schwelle gibt es verschiedene Indizien, wie die Einflußnahme im Aufsichtsrat oder eine koordinierte Kreditvergabe, die zu einer Einordnung als Unternehmergesellschafter führen können.
III. Zurechnungszusammenhang der Finanzierungsverantwortung im Konzern 1. Problem lage
Die Benachteiligungsgefahr für Gläubiger ist im Konzern größer als bei unabhängigen Unternehmen. Die Gläubigergefährdung im Konzern nimmt deshalb erheblich zu, weil eine Gesellschaft, die ein Unternehmen beherrscht, die eigenen und damit meist gegenläufigen Interessen verfolgt. Das typische gemeinsame Interesse von Gesellschaftern und Gläubigem an der wirtschaftlichen Stabilität des Unternehmens ist im Konzern oftmals aufgehoben. Wird die Tochtergesellschaft durch Weisungen und Veranlassungen -auch zu ihrem Nachteil - geleitet, kann ein Vertragspartner der Tochtergesellschaft die Geschäftsrisiken kaum einschätzen, und sich folglich nicht durch eine entsprechende Vertrags gestaltung schützen. Die zusätzlichen Gefahrenmomente im Konzern resultieren aus den fehlenden Informationen über die Art und Weise des Zusammenwirkens von Mutter- und Tochtergesellschaft. Um die berechtigten Interessen der Gläubiger an ihrem Vermögen zu schützen, besitzt das Aktiengesetz ausdrückliche Regelungen in den Vorschriften §§ 302, 303 AktG, den §§ 311 ff AktG sowie den §§ 321, 322, 324 Abs. 3
391
Junker, ZHR 156 (1992), 394, 400.
142
\. Kap.: Rechtslage in Deutschland
AktG392 • Der Schutz der Gläubiger eines GmbH- Konzerns ergibt sich entweder aus der analogen Anwendung der aktiemechtlichen Regeln oder aus der Rechtsfortbildung der Gerichte 393 • Eine Schutzkonzeption mit einem ganz anderen Ansatz ist durch die Regeln des Kapitalersatzrechtes fiir den Fall einer Darlehensfinanzierung394 seitens der Gesellschafter in der Krise etabliert worden. Angesichts der beiden Sicherungssysteme mit sich überschneidender Schutzrichtung stellt sich daher zwingend die Frage, ob das Kapitalersatzrechtauch im Konzern gilt oder ob Modifizierungen erforderlich sind.
2. Gesellschaftereigenschaft der Konzernunternehmen
Im Regelfall ist das herrschende Unternehmen gleichzeitig Gesellschafterin der abhängigen Gesellschaft. Die Finanzierungsverantwortung als Zurechnungszusammenhang von Mitgliedschaft und Kreditvergabe erfordert den Zugang zu Informationen über die finanzielle und wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sowie einen himeichenden Einfluß auf die Finanzierungsentscheidungen395 • Das prägende Merkmal der Unternehmensverbindungen ist die weite Einflußmöglichkeit auf das abhängige Unternehmen396 • Davon urnfaßt sind auch Weisungen und Veranlassungen des herrschenden Unternehmens, die die Finanzierungsentscheidung der abhängigen Gesellschaft festlegen. Regelmäßig wird daher das herrschende Unternehmen die Finanzierungsverantwortung tragen. In diesem Zusammenhang muß zwischen dem herrschenden Unternehmen eines AG- Konzerns und eines GmbH- Konzerns unterschieden werden. Im GmbHKonzern reicht schon -wie oben ausgeführt- die Mitgliedschaft aus, um die
392
Vgl. nur Hüffer, AktG, § 311 Rn. I mwN.
393
Vgl. nur Emmerichl Sonnenschein, Konzernrecht, § 25 V 3, S. 484 f mwN.
394 Recht und Praxis der internen Konzemfinazierung in ihren vielgestaltigen Aspekten ist bislang noch nicht erschöpfend behandelt, siehe dazu die Arbeiten von Schneider, ZGR 1984, 497 ff, Eicholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, 1994; Kühbacher, Darlehen an Konzernunternehmen Besicherung und Vertragsanpassung, 1993. 395
Statt aller, K. Schmidt, GeseIIR, § 29 I 2 S. 737 f.
396
Würdinger, Aktienrecht, S. 296.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
143
Finanzierungsverantwortung zu begründen, während im AG- Konzern in der Regel eine 25 %ige Mindestbeteiligung erforderlich isf 97 •
3. Kapitalersetzende Darlehen im Vertragskonzern
a) Aktienrechtlicher Vertragskonzern
aa) Sicherungssystem der §§ 302, 303 AktG als vorrangige Spezialregelung In einem Vertragskonzern kann sich die Aktiengesellschaft gern. § 291 AktG durch Vertrag der Leitungsmacht eines anderen Unternehmens unterstellen. Als Folge eines Beherrschungsvertrages398 hebt § 291 Abs. 3 AktG die Kapitalerhaltungsvorschriften der einzelnen Gesellschaft aus §§ 57, 60 AktG auf. Das heißt, die Vorschriften zur Kapitalbindung gelten im Verhältnis von Mutter- zu Tochtergesellschaft nicht. Der Gläubigerschutz soll statt dessen durch das Sicherungssystem der §§ 300 ff AktG gewährleistet werden. Im Vordergrund der Schutzkonzeption steht der Anspruch auf Verlustausgleich der abhängigen Gesellschaft gegenüber dem herrschenden Unternehmen aus § 302 Abs. 1 AktG. Nach dieser Norm ist die Muttergesellschaft verpflichtet, einen entstandenen Jahresfehlbetrag in der Bilanz des abhängigen Unternehmens auszugleichen, damit die vorhandene Haftungssubstanz erhalten bleibt. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für die Frage, ob das Kapitalersatzrecht auch im aktienrechtlichen Vertragskonzern gilt, folgendes Problem: Das Kapitalersatzrecht in der Aktiengesellschaft beruht nicht auf den spezialgesetzlichen Regeln des § 32 a GmbHG, sondern auf den Rechtsprechungsregelndes BGH, die wiederum von einer Analogie zu den Kapitalerhaltungsvorschriften abhängen399 • Das heißt für Aktiengesellschaften gilt das Kapitalersatzrecht nur aufgrund der Rechtsprechungslösung über die analoge Anwendung der Regeln
397
Siehe oben C.lI.2.d).
398 Im Vordergrund soll der Beherrschungsvertrag stehen, da er im Gegensatz zum Gewinnabführungsvertrag aufgrund der Weisungs- und Leitungsbefugnisse aus § 308 AktG die Möglichkeit für nachteilige Handlungen gegenüber der Tochtergesellschaft bietet. Da in der Praxis beide Verträge in der Regel zum Organschaftsvertrag verknüpft werden, Hüffer, AktG, § 291 Rn. 24 mwN wirkt sich die hier vorgenommene Beschränkung nicht aus. 399
Dazu statt aller ausführlich: Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 21 f.
144
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
über die Vermögensbindung. Wird die Vermögensbindung im Vertragskonzern durch ein spezielles Regelungswerk fiir den Gläubigerschutz, nämlich den §§ 302, 303 AktG, ersetzt, liegt der Schluß nahe, daß das Sicherungssystem eine abschließende und damit vorrangige Regelung bildet. Sinn und Zweck der §§ 300 ff AktG ist es, die Aufhebung der Vermögensbindung nach § 291 Abs. 3 AktG im Interesse der Tochtergesellschaftund deren Gläubiger zu kompensieren40o • Aufgrund dieser Zielrichtung ist das Sicherungssystem der §§ 302,303 AktG nur dann als abschließend und vorrangig zu bewerten, wenn die Regelung zumindest den gleichen Schutz wie die Grundsätze über den Kapitalersatz gewährleistet40I •
(1) Gleichwertiger Schutz in der Krise von Mutter- und Tochtergesellschaft
§ 302 Abs. 1 AktG begründet die Pflicht der Muttergesellschaft zum Ausgleich der Verluste ihrer Tochter402 • Solange die Muttergesellschaft wirtschaftlich in der Lage ist, den Anspruch aus § 302 AktG zu erfiillen, kann sie den Verlust der Tochter ausgleichen und damit eine Kreditsicherheit fiir die Gläubiger erbringen. Ist die Muttergesellschaft selbst in der Krise, ist der Ausgleichsanspruch nicht mehr gesichert. Sofern die Tochter noch über ausreichende Mittel verfiigt, wird die Muttergesellschaft ihre Darlehen trotz der eigenkapitalersetzenden Funktion wieder abziehen. Diese rechtlich zulässige Transaktion zwischen herrschendem und beherrschtem Unternehmen verringert zumindest die Liquidität und damit die wirtschaftliche Stabilität der Tochter. Wenn die Tochter in einem solchen Fall in die Krise gerät und als kreditunwürdig eingestuft wird, haftet den Gläubigem nicht das Darlehen der Muttergesellschaft, obwohl es als eigenkapitalersetzendqualiflziert werden könnte. Ebenso kann der Fall eintreten, daß die Muttergesellschaftihre kapitalersetzendeDarle400 BGHZ 103, I, 10 (FamiIienheim); 107, 7, 18 (Tiefbau); 115, 187, 197 (Video); 122, 123 (TBB); Emmerichl Sonnenschein, Konzernrecht, § 16 V 3, S. 298 mwN; Hüffer, AktG, § 302, Rn. 3 mwN; Stimpel in FS Goerdeler, S. 601,614 ff; ders., ZGR 1991, 144, 152; Raiser, Kapitalgesellschaft, S. 172. 401
So zutreffend Ketzer, S. 100.
402 Dieser Anspruch der Tochtergesellschaft gegenüber der Mutter bietet mittelbar den Gläubigem der Tochter eine BefriedigungsmögIichkeit, denn sie können sich die Forderung gern. §§ 829, 835 ZPO pfänden und überweisen lassen. Siehe nur Hüffer, AktG, § 302 Rn. 18 mwN.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
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hensforderung im Konkurs zur Tabelle anmeldet und damit in Konkurrenz zu den anderen Gläubigem tritt. Im Konkurs der Tochter steht den Gläubigem nur der nicht mehr gesicherte Ausgleichsanspruch gegen das herrschende Unternehmen zu. In dieser Fallkonstellation bieten die Regeln des Kapitalersatzrechtes ersichtlich mehr Gläubigerschutz als das Sicherungssystem des Aktienrechtes.
(2) Reichweite des Schutzes in der Krise der Tochtergesellschaft Im Gegensatz zu der eindeutigen Lage im Gesamtkonzern ist das Nebeneinander von konzernrechtlichem Sicherungssystem und Kapitalersatzrecht in der Krise der Tochter problematischer zu beurteilen. Ein bestimmtes Haftkapital sichert den Gläubigem der Tochtergesellschaft § 302 Abs. 1 AktG, indem dieser Anspruch das herrschende Unternehmen verpflichtet, den Jahresfehlbetrag der Tochtergesellschaft auszugleichen. Ist die Kreditwürdigkeit der Tochter bei einer Kreditvergabe durch einen außenstehenden Dritten einzuschätzen, wird dieser nicht nur die wirtschaftliche Lage des beherrschten Unternehmens, sondern vor allem die Fähigkeit der Muttergesellschaft, ihrer Verpflichtung aus § 302 Abs. 1 AktG nachzukommen, mit in Betracht ziehen403 • Daß ein Gläubiger so urteilt ist einsichtig, denn die Muttergesellschaftkann jederzeit aufgrund ihres Weisungsrechtes, ohne der Vermögensbindung gern. §§ 57, 60 AktG zu unterliegen, Kapital von der Tochter zum Nachteil der Gläubiger abziehen; die einzige Absicherung für die Gläubiger bietet der Anspruch aus § 302 Abs. 1 AktG404 • Daraus soll nach einigen Stimmen im Schrifttum40S zu schließen sein, daß die Kreditwürdigkeit nicht isoliert anhand der wirtschaftlichen Lage der Tochtergesellschaft zu beurteilen ist, sondern nach der Fähigkeit der Muttergesellschaft, den Anspruch aus § 302 Abs. 1 AktG erfüllen zu können. Solange die Muttergesellschaft in der Lage ist, den Ausgleichsverpflichtungennachzukommen, so die Literaturansicht, wird die Tochter kreditwürdig sein, selbst wenn sie es als konzernfreie Gesellschaft
403 Lutter, in Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 101; Emmerich, ZGR Sonderheft 6, S. 64, 89 f; Ketzer, S. 96. 404
Emmerich, ZGR Sonderheft 6, S. 64, 90 für die GmBH; Ketzer, S. 96 f.
405
Lutter, in Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 101; Ketzer, S. 96.
10 Gehde
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I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
nicht mehr wäre 406 • Da die Tochter in dieser Situation nie kreditunwürdig sein könnte 401, soll sich auch keine typische Gefährdungslage einer Gesellschafterfremdfinanzierungergeben. In der Folge soll das Sicherungssystem des § 302 Abs. 1 AktG einen gleichwertigen Gläubigerschutz bieten, der die Regeln des Kapitalersatzrechtes verdrängt408 • Der Begründung ist zuzugeben, daß der Ausgleichsanspruch aus § 302 Abs. 1 AktG als Kreditsicherheit angesehen werden kann und die Beurteilung der Kreditwürdigkeit beeinflußt. Einen Konkurs der Tochtergesellschaft kann der Verlustausgleich aber nicht verhindern. Regelmäßig wird eine Überschuldung nicht in Betracht kommen, dafiir aber eine Insolvenz aufgrund einer Zahlungsunfähigkeit. Daß der Verlustausgleich die Liquiditätsausstattung nicht sichern kann, soll an einem Beispiel illustriert werden409 • Wenn der Ausgleichsanspruch sowohl fiir die Schuldentilgung der Tochtergesellschaft als auch fiir notwendige Investitionen im Produktionsbereich benötigt wird, ergibt sich folgende Situation4lO : Die Gesellschaft erhält die Mittel nur einmal und ist gezwungen, wenn sie investiert, die Tilgung der Schulden entweder einzustellen oder neue Kredite aufzunehmen. Dadurch wird die Liquidität der Gesellschaft beeinträchtigt und führt auch ohne Unterbilanz oder Überschuldung zur Kreditunwürdigkeit411 • Die außenstehenden Kreditgeber werden nicht nur daran interessiert sein, daß die Tilgung überhaupt, sondern auch, daß sie fristgerecht erfolgt. In diesen Fällen ist es ganz unerheblich, ob die Muttergesellschaft in der Lage ist, den Ausgleichsanspruch zu erfüllen oder nicht: Die Tochter ist in beiden Fällen kreditunwürdig. Die sich aus dem Liquiditätsmangel ergebende Kreditunwürdigkeit wird noch aus einem anderen Grund verschärft. Der Ausgleichsanspruch aus § 302 Abs. 1 AktG wird nur einmal im Jahr zum Ablauf des Geschäftsjahres fällig. Da es keinen am Liquiditätsbe-
406
Lutter, in Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 101.
407
Lutter, in Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 101; Ketzer, S. 98.
408 Lutter, in Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 101; Emmerich, ZGR Sonderheft 6, S. 64, 89 f; Ketzer, S. 96. 409 Zu Liquiditätsengpäßen als Maßstab für die Kreditwürdigkeit siehe BGHZ 105, 168, 181 f.
410 BGHZ 105, 168, 183 f (HSW); Hommelhoffl v. Gerkan, Kapitalersatz, S. 217 f; Priester, ZBB 1989, 30, 35. 411 BGHZ 105, 168, 183 f (HSW); Hommelhoffl v. Gerkan, Kapitalersatz, S. 217 f; Priester, ZBB 1989, 30, 35.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
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darf orientierten Anspruch der Tochtergesellschaft auf Abschlagszahlungen gibt, wird der Ausgleichsanspruch in der Regel zu spät kommen412 • Damit führt der Verlustausgleich aus § 302 Abs. 1 AktG lediglich zu einem Erhalt des Gesellschaftsvermögens zu Beginn des Beherrschungsvertrages. Da die Gewinne an die Muttergesellschaft abzuführen sind, kann der Verlustausgleich nicht bewirken, daß genügend Mittel zum Schuldenabbau und für Investitionen zur Verfügung stehen; er kann keine unternehmerische Tätigkeit sichern. Unter diesen Umständen ist der Anspruch kein geeignetes Instrument, die Liquidität und damit die Kreditwürdigkeit der Tochtergesellschaft dauerhaft zu gewährleisten. Daß ein Anspruch aus § 302 Abs. 1 AktG auf Verlustausgleich besteht, kann entgegen der Ansicht in der Literatur nicht dazu führen, daß die Kreditwürdigkeit sich an der wirtschaftlichen Lage des Gesamtkonzerns orientiert. Aus den dargelegten Gründen ist die Kreditwürdigkeit einer Tochtergesellschaft im Vertragskonzern genauso zu ermitteln wie bei einer konzernfreien Tochtergesellschaft. Kann die Konzerntochter aufgrund ihrer finanziellen Lage keine Kredite mehr zu marktüblichen Bedingungen erhalten, sind die von der Muttergesellschaft zur Verfügung gestellten Mittel eigenkapitalersetzend4l3 • Demzufolge tritt die Benachteiligungsgefahr für die Gläubiger bei einer Finanzierung mit Konzerndarlehen auch dann ein, wenn die herrschende Gesellschaft ihrer Verpflichtung zum Verlustausgleich nachkommen kann. Insoweit bietet § 302 Abs. 1 AktG keinen angemessenen Liquiditätsschutz, der dem Schutz des Kapitalersatzrechtes gleichwertig wäre.
bb) Schlußfolgerung Sowohl für die Krise des Gesamtkonzerns als auch für die Krise der Tochtergesellschaft gilt: Die Gläubiger der Tochtergesellschaft werden im Falle der Konzernfinanzierung mit Darlehen durch das konzernrechtliche Schutzsystem nicht in dem gleichen Maße geschützt wie durch das Kapitalersatzrecht. Die typische Gefahr einer Gesellschafterfremdfinanzierungnämlich, daß das Risiko
412 BGHZ 105, 168, 183 f (HSW); Hommelhoffl v. Gerkan, Kapitalersatz, S. 217 f; Priester, ZBB 1989, 30, 35.
m BGHZ 105, 168, 172 (HSW); Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1107; ders., Zur Haftung bei untemehmerischer Beteiligung, S. 58; Hommelhoffl v. Gerkan, Kapitalersatz, S. 217 f; Stützle, in Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 81, 85. lO*
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148
auf die Gläubiger abgewälzt wird, kann das Schutzsystem des § 302 Abs. 1 AktG nicht verhindern. Damit unterliegen die Darlehen im aktienrechtlichen Vertragskonzern den Regeln des Kapitalersatzes.
b) GmbH- Vertragskonzern aa) Keine vertragskonzernrechtliche Sonderregel Ebenso wie eine Aktiengesellschaft kann auch eine GmbH einen Beherrschungsvertrag abschließen und so einen GmbH- Vertragskonzern bilden. Die Tochtergesellschaft erhält nach § 302 Abs. 1 AktG analog einen Anspruch gegen die Muttergesellschaft auf Ausgleich eines möglichen Fehlbetrages414 • Auch im GmbH- Vertragskonzern besteht somit ein konzernrechtliches Schutzsystem im Interesse der Tochtergesellschaft und ihrer Gläubiger. Daß die Kapitalersatzregeln neben den konzernrechtlichen Bestimmungen gelten, ist dabei unproblematisch, denn die Anknüpfungspunkte für das Kapitalersatzrecht werden nicht, wie bei der Aktiengesellschaft, aufgehoben. Zum einen gibt es keine § 291 Abs. 3 AktG entsprechende Norm, die die Vorschriften über die Vermögensbindung gegenstandslos macht, zum anderen gilt § 32 a GmbHG auch weiterhin als zwingende Norm. Insoweit gilt das Kapitalersatzrecht aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung wie auch nach den Vorschriften der GmbH Novelle.
bb) Liquiditätsschutz der Tochtergesellschaft als eigenständiger Schutz Gegen diese Argumentation wendet sich jedoch Hommelhoff mit seinem Konzept eines eigenständigen Liquiditätsschutzes. Demnach soll die Liquidität der Tochtergesellschaft durch einen besonderen Schutz einen Rückgriff auf die Kapitalersatzregelnerübrigen. Der Ausgangspunkt dieser Ansicht besteht in der Feststellung, daß die Muttergesellschaft durch einen übermäßigen Entzug liquider Mittel die Tochtergesellschaft in den Illiquiditätskonkurs treiben kann41S • Der Ausgleichsanspruch nach § 302 Abs. I AktG analog kann, wie
414 BGHZ 95, 330, 345 f; 122, 123, 127 (TBB); Emmerichl Sonnenschein, Konzernrecht, § 25 V 3, S. 484 f; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3911 S. 1010 jeweils mwN. 415
Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1112.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
149
eben gesehen, nicht helfen, da er erst nach Ende des Geschäftsjahres entsteht und damit zu spät kommt, um liquiditätsbedingte Bestandsgefährdungen zu vermeiden416 • Aus diesem Grund fordert Hommelhoff, das gesetzgeberische Konzept des Gläubigerschutzes im vertraglichen Konzern weiterzuentwickeln, indem liquiditätsbedingte Bestandsgefährdungen durch einen eigenständigen Schutz der existenznotwendigen Liquidität verhindert werden417 • Eine Weiterentwicklung des Gesetzes sei auch insofern gerechtfertigt, als das Problem eines Liquiditätskonkurses aufgrund übermäßigen Mittelentzuges bei der Gesetzgebung übersehen worden sei418 • In der Folge müsse die Muttergesellschaft bereit und in der Lage sein, den aktuellen sowie den zukünftigen Liquiditätsbedarf zeitgerecht zu decken4l9 • Wird dem zuwider gehandelt, erhält die Tochtergesellschaft automatisch einen Erstattungsanspruch420 • Der Vorteil eines eigenständigen Liquiditätsschutzes liege darin, daß sich die Tochter weder die Liquidität selbst erarbeiten muß, noch entscheidend sei, ob die Tochtergesellschaft kreditwürdig war421 • Da die Regeln des Kapitalersatzes keinen dem Liquiditätsversorgungsanspruch vergleichbaren Schutz bieten, sei für das Eigenkapitalersatzrecht kein Raum422 • In die gleiche Richtung geht der Vorschlag U. H. Schneiders, der in Fällen zentraler Finanzverwaltung eine Pflicht des herrschenden Unternehmens statuiert, die abhängige Gesellschaft mit ausreichend liquiden Mitteln zu versorgen423 • Daß durch diesen Ansatz der Schutz der Tochtergesellschaftund ihrer Gläubiger im Konzern weiterentwickelt wird, ist nicht zu bestreiten424 • Wie sich aber eine solche für die herrschende Gesellschaft zwingende Pflicht rechtlich
416
Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1112.
417
Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1112.
418
Homme\hoff, WM 1984, 1105, 1112.
419
Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1113.
420
Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1113.
421
Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1113.
422
Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1113.
423
H. U. Schneider, ZGR 1984,497, 534 f.
424 Zur Frage, inwieweit durch eine solche Ansicht die an sich betriebswirtschaftlieh sinnvolle Möglichkeit, die Finanzen im Konzern zentral zu verwalten, um die Mittel möglichst sinnvoll nutzen zu können, unterbunden wird: Priester, ZIP 1989, 130 I, 1304 f.
150
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
begründen läßt, ist bislang nicht überzeugend dargelegt. Ob das Kapitalersatzrecht in diesem Zusammenhang tatsächlich entbehrlich ist, hängt auch davon ab, ob es nicht eine Situation gibt, in der die Gesellschaft zwar liquide, aber dennoch kreditunwürdig ist. Ein solcher Fall ist problemlos vorstellbar, da die Kreditwürdigkeit als PTÜfungsmerkmal nicht nur die fmanzielle Lage, sondern auch die Geschäftsaussichten der Gesellschaft umfaßt. So kann die Gesellschaft zwar noch liquide sein, aber ein außenstehender Dritter würde zu marktüblichen Bedingungen keinen Kredit mehr gewähren, da er die Geschäftsaussichten bezüglich der Markt- oder der Konjunkturentwicklung als zu negativ einschätzt. Daß die Grundsätze des Kapitalersatzrechtesnotwendig sind, zeigt sich auch in den Fällen, in denen die Muttergesellschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist und von der beherrschten GmbH das Darlehen zurückfordert; schon hier muß der Tochter ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen42S • Schließlich beinhalten die Rechtsprechungsregeln über § 31 GmbH G analog ein Rückzahlungsverbot fiir die betroffenen Darlehen, so daß zumindest reflexartig die Liquidität der Tochtergesellschaft geschützt wird426 • Auf diese Weise schützen die Regeln des Kapitalersatzes -dem Anliegen von Hommelhoff entsprechend- auch die Liquidität der abhängigen Gesellschaft. Aus diesen Gründen ist es richtig, wenn der Bundesgerichtshof die Regeln des Eigenkapitalersatzesals zentrale Gläubigerschutzvorschriftauch im GmbHVertragskonzern anwendet427 •
4. Kapitalersetzende Darlehen im qualifiziert faktischen Konzern
Inwieweit das Kapitalersatzrecht im qualifiziert faktischen Aktien- oder GmbH- Konzern gilt, hängt davon ab, welche besonderen konzernrechtlichen Normen fiir den Schutz der Tochtergesellschaft und ihrer Gläubiger bestehen und möglicherweise Vorrang haben.
425 Emmerich- ZGR Sonderheft 6, 64, 94 f; Rümker, ZGR 1988, 494, 500; Stützle, in Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 81, 85. 426
Priester, ZIP 1989, 1301, 1306.
427 BGHZ 105, 168, 172 ff; Priester, ZIP 1989, 1301, 1306; Emmerich, ZGR- Sonderheft 6, 64, 94 f stellt fest, daß bei einer eingliedrigen GmbH ein eigenständiger Liquiditätsschutz "entbehrlich" sei, da der Gläubigerschutz auf andere Weise sichergestellt sei.
c. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
151
Daß es notwendig ist, für qualifiziert faktisch beherrschte Tochtergesellschaften ein eigenes Haftungssystem zu etablieren, ist in Rechtsprechung428 und Literatur429 ganz allgemein anerkannt. Für den qualifiziert faktischen Konzern wird nicht rechtsfonnabhängig unterschieden430 ; die Regeln gelten für die beherrschte GmbH wie für die beherrschte Aktiengesellschaft. Der Tatbestand eines qualifiziert faktischen Konzerns ist die Zentralfrage der konzemrechtlichenDiskussion in den letzten Jahren und kann hier nicht annähernd in seinen Abgrenzungen und einzelnen Definitionsversuchen dargestellt werden431 • Ausgangspunkt für die meisten Definitionsversuche ist der Vorschlag des Arbeitskreises GmbH- Refonn in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Dabei unterscheidet die Literatur im Anschluß an eine Systematisierung von Kropff drei unterschiedliche Definitionsansätze432 : - Definition nach der Art der Einwirkung: Ein qualifiziert faktischer Konzern liegt vor, wenn das Eigeninteresse des abhängigen Unternehmens infolge eines von dem herrschenden Konzernunternehmen ausgeübten Einflusses nachhaltig beeinträchtigt wird.
428 BGH WM 1979,937,940 f; BGHZ 95, 330, 345 f (Autokran); 107, 7, 16 (Tiefbau); 115, 187 (Video); 122, 123, 127 (TBB).
429 Vgl. nur Emmerichl Sonnenschein, Konzernrecht, § 20 IV 1 S. 389 ff; Scholz! Emmerich, Anh. Konzernrecht, Rn. 168 mwN; Hüffer, AktG, § 302 Rn. 7 mwN; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 IV S. 805 f mwN. 430
Vgl. nur BGHZ 122, 123, 127 (TBB).
431 Aus der Rechtsprechung: BGHZ 95, 330, 344 ff (Autokran); 107,7 ff (Tiefbau); 115, 187 (Video); 122, 123 127 ff (TBB); die Literatur ist äußerst umfangreich, vgl. deshalb die Übersichten bei: Scholz! Emmerich, Anh. Konzernrecht, Rn. 95 ff; Emmerichl Sonnenschein, Konzernrecht, § 20 V 2 S. 391 ff; Zöllner in Baumbachl Hueck, Schlußanhang I, vor Rn. 1; Lutter/ Hommelhoff, Anhang § 13, Rn. 16 ff; S~me1band der Heidelberger Konzernrechtstage, (Hrsg.) Hommelhoff/ Stimpel/ DImer. Aus rechtsvergleichender Perpektive siehe zu diesen Entwicklungen Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt- und Unternehmensrecht, 1996, S. 244. 432 Kropff, in FS Goerdeler, S. 259, 264; Scheffler, AG 1990, 173; Holzwarth, S. 146.
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
152
- Definition nach dem betriebsorganisatorischen Ergebnis: Ein qualifiziert faktischer Konzern liegt vor, wenn die abhängige Gesellschaft der Sache nach wie eine Betriebsabteilung des herrschenden Unternehmens gefiihrt wird. - Definition nach der Kontrollierbarkeit der Einwirkungen: Ein qualifiziert faktischer Konzern liegt vor, wenn durch die Breite und Häufigkeit der Einwirkungen das Ausgleichssystem der §§ 311 ff AktG außer Funktion gesetzt ist. Für die vorliegende Arbeit ist entscheidend, daß die Interessenlagen im Vertrags- wie im qualifiziert faktischen Konzern nahezu identisch sind. In der Folge sind die Regeln des Vertragskonzernes nämlich § 302 und § 303 AktG entsprechend auch für den qualifiziert faktischen Konzern heranzuziehen433 • Im qualifiziert faktischen Konzern gilt für die Muttergesellschaft daher die Verpflichtung zur Verlustübernahme des § 302 Abs. 1 AktG analog. Da es sich um die gleiche Interessenlage wie beim Vertragskonzern handelt, gelten auch die gleichen Grundsätze im Hinblick auf kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen. Wie oben ausgefiihrt sind im Vertragskonzern und deshalb auch im qualifiziert faktischen Konzern die Regeln über die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen neben den konzemrechtlichen Sonderregeln anzuwenden.
s. Kapitalersetzende Darlehen im einfach faktischen Konzern a) Einfach faktischer Aktienkonzern Auch für den einfach faktischen Konzern stellt sich die Frage, ob ein besonderes Schutzsystem im Interesse der Tochtergesellschaftund ihrer Gläubiger die Anwendung der Grundsätze über den Eigenkapitalersatz ausschließt. Als spezialgesetzlicherSchutz im Interesse der Tochtergesellschaft und ihrer Gläubiger kommt für die Aktiengesellschaft der § 311 AktG in Betracht434 • Danach ist die Muttergesellschaft im faktischen Konzern nicht daran gehindert,
433
Vgl. nur: BGHZ 81, 330, 342.
434
Siehe dazu Hüffer, AktG, § 311 Rn. 1 mwN; Koppensteiner in Kölner Komm.,
§ 311 Rn. 1.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
153
ihren Einfluß auf die Tochtergesellschaft auch zu deren Nachteil auszuüben, wenn diese Benachteiligung am Jahresende durch wertgleiche Vorteile oder einen Rechtsanspruch kompensiert wird. Gewährt die Muttergesellschaft den Ausgleich aus § 311 AktG nicht, so steht der geschädigten Gesellschaft sowie ihren Aktionären ein Schadensersatzanspruch aus §§ 317, 318 AktG zu. Auch für den faktischen Konzern ergibt sich die Schwierigkeit, daß die Regeln der Vermögensbindung gern. §§ 57,60 AktG nicht gelten. Hier gibt es zwar keine dem § 291 Abs. 1 AktG entsprechende Regelung, aber die zulässige nachteilige Veranlassung i.S.d. § 311 AktG steht im Widerspruch zur Vermögensbindung; jede Leistung der Tochtergesellschaft an die Mutter wäre sonst eine versteckte Gewinnausschüttung. Daher gelten die Bestimmungen über die Vermögensbindung nach ganz allgemeiner Meinung435 auch im faktischen Konzern nicht. Die Frage stellt sich auch hier wie beim Vertragskonzern, ob deshalb das Recht des Kapitalersatzes ausgeschlossen ist. Wiederum gilt, daß das Schutzsystem der §§ 311 ff AktG das Kapitalersatzrecht nur bei gleichwertigem Schutz der Tochtergesellschaft sowie ihrer Gläubiger verdrängen kann. Eine solche schützende Wirkung können die §§ 311 ff AktG jedoch nicht erreichen. Die Normen bieten weder einen Ansatz, um zu verhindern, daß die Muttergesellschaft sich am Konkurs der Tochter mit ihren kapitalersetzendenForderungen beteiligt, noch ist es möglich, zu unterbinden, daß der notleidenden Tochtergesellschaft kapitalersetzende Fremdmittel entzogen werden436 • Ein Schutz für die Tochtergesellschaft und ihre Gläubiger könnte nur dann erreicht werden, wenn die zurückgeforderten kapitalersetzenden Darlehen einen "Nachteil" i.S. des § 311 AktG darstellen. Durch den Nachteilsausgleich wäre die Muttergesellschaft dann verpflichtet, die Darlehensvaluta an die Tochter zurückzugewähren. Auch wenn die Frage nach der "Nachteils"- Qualität von kapitalersetzenden Gesellschafterleistungen bejaht werden könnte, ergibt sich ein schwerwiegendes Problem für den Gläubigerschutz. Der Tatbestand des § 311 AktG hängt davon ab, daß die Rückzahlung auf Veranlassung der Muttergesellschaft geschieht. Denn die Muttergesellschaft ist zum Ausgleich nur dann verpflichtet, wenn sie die nachteilige Maßnahme auch veranlaßt hat. Damit wäre der Anspruch der Tochtergesellschaft auf Nachteilsausgleich davon abhängig, ob die Tochter die Gesellschafterdarlehen von sich aus zurückzahlt, oder ob dies auf Veranlassung der Muttergesellschaft
435
Statt aBer: Hüffer, AktG, § 311 Rn. 49 mwN.
436
Ketzer, S. 108.
154
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
geschieht437 • Im Gegensatz zum Kapitalersatzrecht würde die Reichweite des Gläubigerschutzes von den Zufalligkeiten einer Rückzahlung abhängen. Infolgedessen bieten die Regelungen der §§ 311 ff AktG keinen dem Kapitalersatzrechtgleichwertigen Schutz. Auch im einfach faktischen Aktienkonzern gelten die Grundsätze über die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen438 •
b) Einfach faktischer GmbH-Konzern Für eine faktisch abhängige GmbH ist die Frage, ob auch die Regeln des Kapitalersatzrechtes ebenfalls gelten, einfacher zu beantworten. Eine den §§ 311 AktG vergleichbare Regelung gibt es nicht; die beherrschte Gesellschaft ist durch Treuepflichten des herrschenden Unternehmens geschützt439 • Seit dem bekannten ITT- Urteil aus dem Jahre 1975 leitet der BGH440 die Treuepflicht aus der Möglichkeit der Mehrheit ab, durch Einflußnahme auf die Geschäftsführung die Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen. Die Treuepflicht ist insofern die Grundlage des Minderheitenschutzes, als der BGH aus ihr ein allgemeines Schädigungsverbot für die Mehrheit folgert. Verletzt die Mehrheit die Pflichten aus diesem Verbot, entsteht ein Schadensersatzanspruch aus § 43 GmbHG analog44 !. Demnach geben weder der Tatbestand noch die Rechtsfolgen einer Treuepflichtverletzung einen Anhaltspunkt, warum die Regeln des Kapitalersatzes in der beherrschten GmbH nicht gelten sollten. Daher gilt: Auch ein Darlehen an eine beherrschte GmbH im einfach faktischen GmbH-Konzern kann nach den Grundsätzen des Kapitalersatzes beurteilt werden442 •
437
Ketzer, S. 109.
438 Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1117 f; ders., Zur Haftung bei unternehmerischer Beteiligung, S. 62; Rümker, ZGR 1988,494,499 f; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 103; Ketzer, S. 109. 439
Vgl. nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 III S. 1012.
440
BGHZ 65, 15. Dazu Wiedemann, JZ 1976, 392.
441
Seit BGHZ 65,15 ständige Rechtsprechung vgl. BGHZ 80,69,74 ff; 89, 162, 166
442
So auch Hommelhoff, WM 1984, 1105,1106 ff.
ff; 115, 187, 193.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
155
Der Vorrang eines eigenständigen Liquiditätsschutzes vor dem Kapitalersatzrecht wie ihn Hommelhoff vorschlägt443 , ist auch fiir den faktischen GmbHKonzern abzulehnen444 •
6. Zusammenfassung Das Recht des Kapitalersatzes gilt ohne Einschränkung sowohl fiir die konzernierte Aktiengesellschaft als auch fiir die konzernierte GmbH. Ein Vorrangverhältnis bestimmter konzernrechtlicher Sonderregeln zum Gläubigerschutz besteht nicht. Aufgrund dieses doppelten Schutzsystems, das sich durchaus überschneiden kann, wird das Bedürfnis fiir einen Schutz aufgrund des Kapitalersatzrechtes nicht so groß sein wie bei konzernfreien Gesellschaften.
IV. Gleichstellung von Gesellschaftern und gesellschaftsfremden Dritten 1. Problematik
In der bisherigen Untersuchung ist festgestellt worden, daß sowohl Gesellschafter einer GmbH als auch einer AG sowie eine Muttergesellschaft im Konzern grundsätzlich zu den Nonnadressatendes Kapitalersatzrechtesgehören. Außenstehende Dritte kommen als Adressaten allgemein nicht in Betracht, denn sie tragen keine Verantwortung fiir die ordnungsgemäße Finanzierung des Unternehmens. Daher haben solche außenstehenden Kreditgeber auch nicht zu befiirchten, daß ihre Darlehen als kapitalersetzend eingeordnet werden und im Konkurs haften. Daß eine solche folgenreiche Unterscheidung zwischen Außenstehenden und Gesellschaftern zu Versuchen führt, die Regeln des Kapitalersatzrechtes zu umgehen, liegt auf der Hand. Indem Strohmänner, weitere Konzerngesellschaften oder andere Personen zwischengeschaltet werden, könnten die Gesellschaften auch noch in der Krise mit Darlehen fmanziert werden, ohne daß die Mittel als eigenkapitalersetzend qualifiziert werden könnten.
443
Hommelhoff, WM 1984, 1105,1106 ff.
444
Insoweit kann auf die Begründung oben verwiesen werden.
156
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Um die Umgehungsversuche zu verhindern, hat der Gesetzgeber in § 32 a GmbHG eine Generalklausel eingeführt. Nach § 32 a Abs. 3 GmbHG gilt § 32 a Abs. I und Abs. 2 GmbHG auch für Rechtshandlungen Dritter, wenn sie der Darlehensgewährung eines Gesellschafters wirtschaftlich entspricht. Durch die Generalklausel hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung aus der Zeit vor der GmbH-Novelle fortgeführt. Schon vor 1980 beschränkte der BGH den Anwendungsbereich des Kapitalersatzrechtes nicht auf die Gesellschafter, sondern dehnte die Regeln auch auf Dritte aus, sofern sie der GmbH Darlehen mit Mitteln oder auf Rechnung der Gesellschafter gewährt hatten445 • Während der Entwurf der Bundesregierung zur GmbH- Novelle noch eine kasuistische Aufzählung446 von Umgehungstatbeständen enthielt, hat sich der Gesetzgeber mit § 32 a Abs. 3 GmbHG nicht auf einen bestimmten Umgehungstatbestand beschränkt447 • Dadurch kann entsprechend dem gesetzgeberischen Anliegen ein umfassenderer und flexiblerer Gläubigerschutz erreicht werden448 • Da die Kasuistik des RegE nach dem Willen des Gesetzgebers und den Vorstellungen
445 Im Lufttaxifall, BHGZ 31,258 etwa waren die Gesellschafternur Strohmänner; In BGHZ 81, 365 war der minderjährige Sohn als Angehöriger der Leistungsempflinger; in BGHZ 81, 311 hielt die darlehensgewährende Gesellschaft über eine 100 % Tochtergesellschaft Anteile der Gesellschaft.
446 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Bundestag-Drucksache 8/ 1347, § 32 a Abs. 2 -7 nannte folgendes: die Stundung von Forderungen des Gesellschafters gegen die GmbH und den Erwerb gestundeter Forderungen Dritter durch die Gesellschafter (§ 32 a Abs. 3 RegE GmbHG) den Erwerb von unter § 32 a Abs. I GmbHG fallenden Gesellschaftsforderungen durch Dritte im letzten Jahr vor Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens (§ 32 a Abs. 3 RegE GmbHG), Forderungen eines mit einem Gesellschafter verbundenen Unternehmens oder Dritten gegen die Gesellschaft (§ 32 a Abs. 5 RegE GmbHG), Forderungen eines Ehegatten oder der Kinder eines Gesellschafters gegen die GmbH (§ 32 a Abs. 6 RegE GmbHG), die zusätzliche Beteiligung eines Gesellschafters als stiller Gesellschafter an der GmbH (§ 32 a Abs. 7 RegE GmbHG). Bei der Aufzählung geht es um eine Erweiterung in zwei Richtungen. Einmal um eine Ausdehnung auf verwandte Rechtshandlungen, zum anderen um eine Ausweitung des Personenkreises. 447 So und vergleichbar nach der GmbH-Novelle Kreuzer, ZIP 1980,597,602; Timm, GmbHR, 1980, 286, 292; K. Schmidt, NJW 1980, 1169, 1172; ders., ZIP 1981, 689, 693; Gessler, ZIP 1981,228,233; Herrmann, Horst, S. 159. 448
Bericht des Rechtsausschusses, BT-DruckS 8/ 3908, S. 74.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
157
der Rechtsprechung in die GmbH- Novelle eingegangen ist449, bietet sie einen Anhaltspunkt für die Auslegung des § 32 a Abs. 3 GmbHG. Grundlage für eine Ausweitung der Kapitalersatzregeln ist die "wirtschaftliche Entsprechung" zu Handlungen der Gesellschafter45o . Der unscharfe Begriff der "wirtschaftlichen Entsprechung" läßt sich durch zwei Überlegungen schrittweise konkretisieren. Zunächst betont das Gesetz die wirtschaftliche Seite der Rechtshandlung zwischen Gesellschaft und Außenstehenden und verdeutlicht damit, daß die rechtliche Ausgestaltung der Kapitalzufiihrung nicht maßgebend ist451 . Im Vordergrund der Beurteilung steht vielmehr die tatsächlich vermögenswirksame Konsequenz fiir die Gesellschaft. Damit gilt wie beim materiellen Kapitalbegriffnicht die Formenwahl, sondern eine materielle Funktion als Maßstab. Die so getroffene Grenzziehung fuhrt zwar immer noch zu einem weiten Adressatenkreis, der aber mit dem Begriff des "gesellschafterähnlichen Eigeninteresses"452 enger gefaßt werden kann. Der Gesellschafter, im Unterschied zu anderen Kreditgebern, gibt der Gesellschaft haftendes Kapital in Erwartung einer höheren Rendite. Die Gesellschaftermittel präsentieren eine Synunetrie von Chance und Risik0453 am Unternehmenserfolg454 . Deshalb kann der Dritte dem Gesellschafter nur gleichgestellt werden, wenn er in einer vergleichbaren Beziehung zu der Gesellschaft und dem Unternehmenserfolg steht4SS • Damit kommt es entscheidend darauf an, ob der außenstehende
449 Ausdrückliche Empfehlung des Rechtsausschusses,BT-DruckS 8/3908, S. 74. Für die Rechtsprechung vgl. nur BGHZ 81, 311, 315; BGH ZIP 1983, 1448. 450 Allgemein gilt, daß die Regeln der GmbH- Novelle nicht auf andere Gesellschaftsformen übertragen werden können, vgl. nur ScholzJ K. Schmidt §§ 32 a, 32 b Rn. 21. Übertragen werden kann aber der der GmbH- Novelle zugrundeliegende Rechtsgedanke. § 32 a Abs. 3 GmbHG soll Umgehungsversuche seitens der Gesellschafter verhindern, um einen effektiven Gläubigerschutz zu gewährleisten. Dieser Gedanke wird konkretisiert in der Ausdehnung des Kapitalersatzrechtes auf außenstehende Dritte, die auch bei anderen Gesellschaftsformen gilt. Im folgenden wird aus diesem Grund nur von der GmbH als Prototyp ausgegangen. 451 So Bäcker, S. 29 ff mit einer ausführlichen Analyse des Begriffes wirtschaftlicher Entsprechung. 452
Hachenburgl Ulmer, §§ 32 a, b Rn. 118.
453
So pointiert Fleischer, S. 86 ff.
454
Hachenburgl Ulmer, §§ 32 a, b Rn. 118.
455 Aufgrund dieses Zusammenhanges spricht Priester auh von einem "Quasi-Gesellschafter", FS Helmrich, S. 721, 725.
158
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Dritte Risikokapital zufUhrt, mit dem die Gesellschaft zumindest zeitweise wie mit Eigenkapital arbeiten kann4s6 • Der Einfluß auf die Unternehmensentscheidungen kann dabei Indiz für eine die Anwendung der Kapitalersatzregeln auslösende, mittelbare Beteiligung am Risikokapital sein4S7 • Demnach stellt sich die Frage, wann die Gewährung eines Darlehens durch einen Dritten der Darlehensvergabe durch die Gesellschafter nach dem konkretisierten Begriff wirtschaftlich entspricht.
2. Gleichstellung von Gesellschaftern und Konzernunternehmen
a) Ausgangslage Der RegE GmbHG enthielt in § 32 Abs. 5458 eine ausdrückliche Regelung zur Gleichstellung von Gesellschaftern und nach §§ 15 - 19 AktG verbundenen Unternehmen. Danach war eine Gleichstellung von vornherein nicht auf bestimmte Arten der Unternehmensverbindungen beschränkt, sondern erfaßte alle Unternehmensverbindungen, ohne daß nach der Höhe, der Beteiligung und zwischen der Abhängigkeit und der Konzernlage getrennt wurde4S9 • Der Bundesgerichtshof stellte in der Helaba/Sonnenring- Entscheidung ausdrücklich fest, der Gedanke des RegE sei in den § 32 a Abs. 3 GmbHG eingegangen46o • Aus 456 So in leicht unterschiedlicher Akzentuierung Altrneppen, ZIP 1993, 1677, 1682; Maier-Reimer, FS Rowedder 1994, S. 245, 270; Bäcker, S. 91 f. 457
So Altrneppen, ZIP 1993, 1677, 1682.
458 BT-Drucks. 8/1347, S. 10. § 32 a Abs. 5 RegE GmbHG : " ... Forderungen, Sicherungen oder Bürgschaften eines mit einem Gesellschafter oder mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmens ... stehen den eigenen Forderungen, Sicherungen oder Bürgschaften eines Gesellschafters gleich. Ob ein Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift ein mit einem Gesellschafter oder der Gesellschaft verbundenes Unternehmen ist, bestimmt sich nach den sinngemäß anzuwendenden §§ 15- 19 AktG .. ". 459 BGHZ 81, 311, 315; 105, 168, 176 f; dazu EWiR 1988, 1095 (Fleck); BGH ZIP 1992, 242, 244; OLG Hamburg ZIP 1987, 977, 980, dazu EWiR 1987, 989 (K. Schmidt); OLG Hamm ZIP 1989, 1398, 1400, dazu EWiR 1989, 1207 (Fleck); zuletzt aus der Rechtsprechung OLG Frankfurt, DB 1993, 154; folgend auch die h.M. im Schrifttum: Hachenburgl Ulmer, §§ 32 a, b Rn. 121; Hueck in: Baumbachl Hueck, § 32 a Rn. 24; Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 95; v. Gerkan, GmbHR 1986, 218,223; Hüffer ZHR 153 (1989) 322, 331; TimmI Geuting, ZIP 1992,525,528.
460BGHZ 81, 311, 315.
C. Zurechnungszusamrnenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
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diesem Grund ordnete das Gericht die von einer Bank an eine GmbH gewährten Darlehen als kapitalersetzende Gesellschafterleistung ein, obgleich eine 100% Tochter und nicht die Bank selbst Anteile an der GmbH hielt. Das Gericht charakterisierte die Muttergesellschaft als "(mittelbare) Gesellschafterin"461. Auch nach dieser Entscheidung bleibt jedoch unklar, ob jede Unternehmensverbindung i.S. der §§ 15- 19 A:ktG ausreicht, um eine Gleichstellung mit den Gesellschaftern zu rechtfertigen. Diese Frage konnte der Bundesgerichtshofbislang offen lassen462 , denn die Fälle, in denen sich das Gericht zur Verantwortung verbundener Unternehmen äußern mußte, betrafen den schon erwähnten Fall einer 100 % igen Tochtergesellschaft, eine Mehrheitsbeteiligung und ein Unternehmen, das einer einheitlichen Leitung und der Konzernvermutung nach § 18 Abs. 1 S. 3 AktG unterlag463 . In diesen Fällen, so räumen auch Kritiker464 ein, wird sicherlich eine wirtschaftliche Einheit der zu beurteilenden Sachverhalte vorgelegen haben. Daß ein Teil des Schrifttums46S die wirtschaftliche Einheit lediglich aus der Verbundenheit der Unternehmen gern. §§ 15- 19 AktG folgert, haben Kritiker als zu weitgehend und undifferenziert abgelehnt466 . Der Vorwurf konzentriert sich im Kern darauf, daß es unangebracht sei, die Regelungen des Konzernrechtes, die zu einem ganz anderen Zweck entwickelt worden seien, auf das Kapitalersatzrecht zu übertragen467 .
461 BGHZ 81, 311, 317. 462 Eine Einschränkung seiner weiten Auslegung hat der Bundesgerichtshof lediglich in einem Fall schwach angedeutet: Die wirtschaftliche Entsprechung einer Darlehensvergabe trifft auf Handlungen Dritter zu, wenn diese "mit der Gesellschaft eine wirtschaftliche Einheit bildeten, wie es bei Unternehmen der Fall sein kann, die i.S. der §§ 15 ff AktG mit einem Gesellschafter oder der Gesellschaft verbunden sind". BGHZ 105, 168, 176, über die Bedeutung und die Tragweite dieser Relativierung besteht Uneinigkeit, vgl.: Lutter, ZIP 1989,477, 480; Priester, ZBB 1989, 30, 35 f. 463 BGHZ 81, 311, 315; BGH ZIP 1983,1448; BGH ZIP 1992,242,244. 464
Lutter, ZIP 1989,477,480.
465 Timm/Geuting, ZIP 1992, 525 ff. 466 Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, §§ 32 aIb Rn. 57; Roth, § 32 a Anm. 5.5; Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1116 f; U. H. Schneider, ZGR 1984,497,530 ff; Lutter ZIP 1989,477,480; in diese Richtung auch Altmeppen, ZIP 1993, 1677, 1683. 467 Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, §§ 32 aIb Rn. 57; Roth, GmbHG, § 32 a Anm. 5.5; Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1110 ff; Lutter, ZIP 1989,477,480; U. H. Schneider, ZGR 1984, 497, 531.
160
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
b) Einzelne Konzernkonstellationen
Inwiefern die Kritik an der Rechtsprechung zutriffi, kann nicht abstrakt, sondern nur anband der konkreten Unternehmensverbindung entschieden werden. Die Unternehmensverbindungen lassen sich dabei grob in zwei Fallgruppen unterteilen. Zum einen geht es um mittelbare Beteiligungen bei unmittelbarer Kreditgewähr, zum anderen um die unmittelbare Beteiligung bei mittelbarer Kreditgewähr468 •
aa) Mittelbare Beteiligung bei unmittelbarer Kreditgewähr Die erste Fallgruppe bezieht sich auf den dreistufigen Konzern und auf den zweistufigen Konzern mit zwei Untergesellschaften und einer einheitlichen Konzernspitze 469 • Ist in einem dreistufigen Konzern die Konzernspitze über eine Tochtergesellschaft mit der Enkel- GmbH verbunden, dann ist das Darlehen, das die Konzernspitze an die kreditunwürdige Enkelin gewährt, kapitalersetzend470 • Die zur Gleichstellung von Gesellschafter und Konzernspitze erforderliche wirtschaftliche Entsprechung ergibt sich aus zwei Gründen. Erstens ist die Konzernspitze über ihre Beteiligung mit Risikokapital an der Tochter auch mittelbar an der Enkelin beteiligt. Zweitens übt die Konzernspitze einen erheblichen Einfluß auf die Geschäftsführung der Enkelin aus471 • Denn die Konzemspitze wird gern. § 18 I AktG eine einheitliche Leitung über die Tochtergesellschaftpraktizieren, die ihr jederzeit die Möglichkeit bietet, die eigenen Entscheidungen durchzusetzen. Selbst wenn die Konzernspitze der Tochtergesellschaft nur allgemeine Maßgaben vorgibt, steuert sie doch deren Unternehmensentscheidungen472 • Mit dieser umfassenden Einflußnahme wird aber auch bestimmt, wie
468
Begriffe nach Priester, ZBB 1989, 30, 36.
469 Die Auswahl ist gerechtfertigt, da sie die praktisch relevanten Fälle bilden. Konzerne stellen die engste Verbundenheit eines Gesellschafters mit einem Unternehmen dar und sind deshalb zuerst zu diskutieren. 470
BGHZ 81,311,316.
m Baumbachl Hueck, AktG, § 18 Rn. 4; Hüffer, AktG, § 18 Rn. 13 ff; ErnmerichI Sonnenschein, § 4 11 3, S. 85 f.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
161
die Tochter ihrerseits Einfluß auf die Enkelin ausübt. Wirtschaftlich gesehen leitet die Konzernspitze mittelbar die Enkelin über die Tochtergesellschaft473 • Damit liegt die erforderliche wirtschaftliche Einheit vor, die es rechtfertigt, die Darlehen der Konzernspitze an die Enkelin der Darlehensgewährung eines Gesellschafters gleichzustellen. Ein Konzern kann aber auch mit einer Konzernspitze und zwei gleichrangigen Tochtergesellschaften organisiert sein, dem sog. Konzernverbund im Dreieck (zweite Fallgruppe). Im Hinblick auf die Gleichstellungsfrage ist maßgebend, ob die Darlehensvergabe einer Tochter an die andere kreditunwürdige Tochter kapitalersetzendsein kann. Die Darlehensvergabemuß der des Gesellschafters, der Konzernspitze, wirtschaftlich entsprechen. Auch in diesem Fall ist eine wirtschaftliche Einheit zwischen den beiden Schwestergesellschaften zu bejahen. Neben der mittelbaren Beteiligung durch die Konzernspitze besteht eine einheitliche Leitung der Konzernunternehmen. Dadurch bestimmt die Konzemspitze zumindest die Richtlinien der Geschäftspolitik für die jeweilige Tochtergesellschaft474 • Aufgrund der wirtschaftlichen Einheit des Konzernunternehmens ist eine wirtschaftliche Gleichstellung der Darlehensvergabe von Konzernspitze und Tochtergesellschaft zu bejahen47S • Damit unterliegt die Schwestergesellschaftder Finanzierungsverantwortungund ist als Normadressat des § 32 a GmbHG einzustufen. In einem Konzern ist es daher gerechtfertigt, die Darlehen an die kreditunwürdige Gesellschaft dem Kapitalersatzrechtzu unterstellen. Denn wegen der einheitlichen Leitung im Konzern sowie den Beteiligungen am Risikokapital entspricht die Darlehensvergabe eines mit einem Gesellschafter verbundenen Unternehmens der Darlehensvergabe eines Gesellschafters.
m Baumbachl Hueck, AktG, § 18 Rn. 4; Hüffer, AktG, § 18 Rn. 13 ff; Emmerichl Sonnenschein, § 4 II 3, S. 85 f. 473 Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1116; Hüffer, AktG, § 18 Rn. 13 ff; Rehbinder, ZGR 1977, 581, 591. 474 Koppensteiner, in: Kölner Komm. AktG. § 18 Rn. 26; Würdinger, Aktienrecht, S.296.
47S
Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1117; V.H. Schneider, ZGR 1984, 497, 530 ff.
11 Gchdc
162
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
bb) Mittelbare Kreditgewährung bei unmittelbarer Beteiligung Problematischer und uneinheitlich wird die zweite Konstellation beurteilt, in der es um eine mittelbare Kreditgewährung bei unmittelbarer Beteiligung geht. Gemeint sind miteinander verbundene Unternehmen, die keinen Konzern bilden, sondern mit Mehrheit an einem anderen Unternehmen beteiligt sind bzw. im Mehrheitsbesitz eines anderen Unternehmens stehen, sowie abhängige und herrschende Unternehmen. Aber auch in dieser Konstellation kann eine Gleichstellung mit dem Gesellschafter schon aus einem Konzernsachverhalt resultieren. Ein Unternehmen kann einen beherrschenden Einfluß auf den Gesellschafter gern. § 17 Abs. I AktG ausüben, wenn der Gesellschafter abhängig ist. Nach der Vermutung in § 17 Abs. 2 AktG gilt das gleiche für Unternehmen, die mehrheitlich an einem Gesellschafter beteiligt sind. Üben diese Unternehmen einen beherrschenden Einfluß auf den Gesellschafter aus, dann wird nach § 18 Abs. I S. 3 AktG eine Konzernbildung vermutet. Ist ein Konzernsachverhaltzu bejahen, dann sind die Darlehen an die kreditunwürdige Gesellschaft schon nach den Regeln über den Kapitalersatz im Konzern wie haftendes Kapital zu behandeln. Insofern ist die Gleichstellung von herrschenden Unternehmen und Gesellschaftern nach allen Meinungen eindeutig zu beurteilen476 • Anders ist die Lage, wenn die Konzernvermutung des § 18 Abs. I S. 3 AktG widerlegt ist. Dann machen die herrschenden bzw. mit Mehrheit beteiligten Unternehmen von ihren Möglichkeiten zur Einflußnahme keinen oder nur seltenen Gebrauch477 • Für die herrschende Meinung478 ist das Urteil klar: Es handelt sich um ein Unternehmen, das nach §§ 15-19 AktG mit einem Gesellschafter verbunden ist, so daß alle Darlehen den Grundsätzen des Kapitalersatzrechtes unterliegen. Damit wird eine wirtschaftliche Einheit bejaht, auch wenn
476
Dazu siehe oben C. III.
477 Dazu Scholzl K. Schmidt, §§ 32, 32 b Rn. 95; kritisch auch Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1116 f.
478 BGHZ 81, 311, 315; 105, 168, 176 f; dazu EwiR 1988, 1095 (Fleck); OLG Hamburg ZIP 1987,977,980, dazu EwiR 1987,989 (K. Schmidt); OLG Hamm ZIP 1989, 1398, 1400, dazu EwiR 1989, 1207 (Fleck); aus dem Schrifttum: Hachenburg/ Ulmer, §§ 32 a, b Rn. 121; Hueck in Baumbach/ Hueck, § 32 a Rn. 24; v. Gerkan, GmbHR 1986, 218, 223; Hüffer, ZHR 153 (1989), 322, 331; K. Schmidt, ZIP 1981, 689,694; Schulze-Osterloh, LG Hamburg EWiR 1991,491; Timm/ Geuting, ZIP 1992, 525,528.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
163
kein Konzern vorliegt und der Darlehensgeber keinen unternehmerischen Einfluß ausübt. Auch in diesem Fall ist das Unternehmen einem Gesellschafter nach § 32 a Abs. 3 GmbHG gleichzustellen. Gibt das Unternehmen, das mit einem Gesellschafter verbunden ist, der kreditunwürdigen Gesellschaft ein Darlehen, dann sind die Mittel als kapitalersetzend einzustufen. Wenn das herrschende Unternehmen nie oder nur in Ausnahmefällen Einfluß auf den Gesellschafter ausübt, dann besteht keine einheitliche Leitung und folgerichtig auch keine abgestimmte Geschäftspolitik. Genau und nur für diesen Fall kritisiert eine Ansicht im Schrifttum479 die Rechtsprechung als zu weitgehend. Denn auf diese Weise wird schon die Möglichkeit der Einflußnahme auf den Gesellschafter und nicht die tatsächliche Einflußnahme zum Anknüpfungspunkt für eine wirtschaftliche Entsprechung zur Darlehensvergabe durch einen Gesellschafter gemacht480 . Daher sollen nur Darlehen des abhängigen Unternehmens als eigenkapitalersetzendzu qualifizieren sein, wenn das herrschende Unternehmen die Darlehensgewährung veranlaßt hat, und sie sich damit auf die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung zurückführen läßt481 . Diese Ansicht verkennt, daß es im Rahmen des § 32 a GmbHG nicht auf eine tatsächliche Einflußnahme ankommt. § 32 a GmbHG knüpft an die aus der Einflußmöglichkeit resultierende Finanzierungsentscheidung an. Wenn ein Unternehmen das mit ihm verbundene Unternehmen in der Krise stützt und so den Fortbestand sichert, bestätigt es auf diese Weise sein durch die mittelbare Beteiligung oder mittelbare Darlehensgewährung indiziertes unternehmerisches Interesse 482 . In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob der außenstehende Dritte nur ein beherrschtes oder ein abhängiges Unternehmen ist483 . Das gleiche gilt auch für den GmbH- Gesellschafter. Auch für ihn ist es unerheblich, ob er von seinen Möglichkeiten, die unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaft zu beeinflussen, Gebrauch macht oder nicht. Danach ist allein entscheidend, daß der Gesellschafter sein Unternehmen in der Krise mit Darle-
mAltrneppen, ZIP 1993, 1677, 1683; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, §§ 32 alb Rn. 57; Roth, § 32 a Anm. 5.5; Hommelhoff, WM 1984, 1105, 1116 f; U. H. Schneider, ZGR 1984,497,530 ff; Lutter ZIP 1989,477,480. 480
Lutter ZIP 1989, 477, 480.
481
U. H. Schneider, ZGR 1984,497, 53\.
482
Timm/ Geuting, ZIP 1992, 525, 528.
483
TimmI Geuting, ZIP 1992, 525, 528.
11'
164
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
hen statt mit dem erforderlichen Eigenkapital ausstattet. Dadurch wird die unmittelbare Kreditgewährung im Konzern der mittelbaren Kreditgewährung im verbundenen Unternehmen gleichgestellt. Hierfür spricht im übrigen, daß das kreditgewährende Unternehmen entweder als abhängige Gesellschaft im Interessenbereich des GmbH- Gesellschafters ähnlich einem mittelbaren Stellvertreter auftritt oder als herrschendes Unternehmen mit der Darlehensvergabe quasi mitgliedschaftliche Ziele verfolgt484 • Darüber hinaus reichen in einigen Fällen die typischen Einflußmöglichkeiten der nicht an der Gesellschaft beteiligten Unternehmen aus, ihnen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Unternehmensfmanzierung aufzuerlegenm. Im Ergebnis ist der Rechtsprechung zuzustimmen. Eine Beschränkung des § 32 a Abs. 3 GmbHG lediglich auf Konzernsachverhalte ist abzulehnen. Eine mittelbare Kreditgewährung bei unmittelbarer Beteiligung ist auch umgekehrt denkbar: Dann ist ein Unternehmen von einem beteiligten Gesellschafter abhängig oder steht in einem Mehrheitsbesitz. In vielen Fällen wird nach der Vermutung in §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 S. 1 AktG ein Konzernverbund im Dreieck vorliegen, so daß die Gleichstellung von Unternehmen und Gesellschafter ohne Schwierigkeiten zu bejahen ist. Für die anderen Fälle stellt sich auch hier die Frage, ob das Darlehen eines Unternehmens, das von einem Gesellschafter abhängig ist oder sich in seinem Mehrbesitz befindet, selbst dann vom Kapitalersatzrecht erfaßt wird, wenn der Gesellschafter von seiner Möglichkeit der Einflußnahme ganz oder hauptsächlich absieht. Diese Frage kann mit den gleichen Argumenten bejaht werden, die für die tatsächliche Einflußnahme oben angeführt wurden. Auch hier ist der Rechtsprechung zuzustimmen. Eine wirtschaftliche Entsprechung als Voraussetzung für eine Gleichstellung von Gesellschafter und Unternehmen, ist schon dann anzunehmen, wenn eine Unternehmensverbindung nach §§ 15- 19 AktG vorliegt.
c) Schlußfolgerung
Insgesamt sind keine sachlich überzeugenden Gründe ersichtlich, warum die §§ 15- 19 AktG nicht Anknüpfungspunkte sein sollten, um zu bestimmen, wer
484 Ausführlich Hachenburgl Ulmer, §§ 32 a, b Rn. 121 f; TimmI Geuting, ZIP 1992, 525,528. 485
BGH ZIP 1991, 366.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
165
als außenstehender Dritter i.S. des § 32 a Abs. 3 GmbHG zu behandeln ist. Eine teleologische Reduktion ist weder im Rahmen des § 32 a Abs. 3 GmbHG noch bei § 32 a Abs. 1 GmbHG erforderlich, um Zwergbeteiligungen und Sanierungskredite vom Kapitalersatzrecht auszunehmen.
3. Gleichstellung von Gesellschaftern und Angehörigen
Will ein Gesellschafter ein kapitalersetzendesDarlehen an seine Gesellschaft vergeben, ohne den Rechtsfolgen des Kapitalersatzrechtes ausgesetzt zu sein, liegt es nahe, einen Angehörigen vorzuschieben. Dieser Umgehungsgefahr trug auch der RegE GmbHG Rechnung486 • Nach Nr. 6 des Entwurfes sollte eine widerlegliche gesetzliche Vermutung eingeführt werden, wonach die Darlehen minderjähriger Kinder und der Ehegatten eines Gesellschafters grundsätzlich als mit seinen Mitteln bewirkt anzusehen seien. Die Beweislastumkehr stellte die minderjährigen Kinder und die Ehegatten den Gesellschaftern gleich, es sei denn, sie konnten den Nachweis erbringen, daß die Mittel nicht von dem Gesellschafter stammen. Da die formale Beweislastumkehr erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu Art. 6 Abs. 1 GG ausgesetzt war487 , ist sie nicht in den § 32 a Abs. 3 GmbHG eingegangen488 • Daher bietet der RegE in diesem Fall keine Auslegungshilfe. Da eine generelle Einbeziehung von nahen Angehörigen in § 32 a Abs. 3 GmbHG nicht zulässig ist489 , kann nicht jeder Angehörige qua Verwandtschaft den Gesellschaftern gleichgestellt werden490 • Die Gerichte müssen die wirtschaftliche Entsprechung als Voraussetzung der Gleichstellung für jeden
486
BT-Drucks. 8/1347, S. 10.
487
Dazu ausführlich Erlinghagen, FS Kaufmann, S. 139, 149 f; Kamprad, S. 44.
488 Ganz allgemeine Meinung Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a,b Rn. 119; Hachenburg/ Ulmer, § 32 a, b Rn. 120; Hueck in Baumbachl Hueck, § 32 a Rn. 25; Lutter/ Hommelhoff, § 32 aIb Rn. 62. 489
BGH BB 1991,641,642; dazu Frey, EWiR 1991,681 f.
490 Dieser Unterschied zu den verbundenen Unternehmen nach §§ 15 -19 AktG, bei der jedes Unternehmen einbezogen ist, wird dadurch gerechtfertigt, daß es auch für die nicht unmittelbar Beteiligten unternehmenstypische Einflußmöglichkeiten gibt. So BGHZ 81, 311, 315.
166
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Einzelfall gesondert feststellen. Problemlos wird eine wirtschaftliche Entsprechung zu bejahen sein, wenn der Angehörige die Darlehensmittel zum Zweck der Untemehmensfmanzierung erhalten hat oder auf Rechnung des Gesellschafters handelt491 • Das gleiche gilt, wenn Gesellschafter und Angehörige ein Verkehrsgeschäft abschließen, bei dem auf seiten des Angehörigen kein gleichwertiger Wert gegenübersteht. Für die Fälle einer Kreditvergabe durch Angehörige wird allgemein eine Beweiserleichterung nach Art des prima facie Beweises für zulässig gehalten. Danach wird in der Regel angenommen, daß der Gesellschafter dem Darlehensgeber die Mittel zur Verfügung gestellt hat492 • Um nicht durch die Hintertür den RegE zu verwirklichen, kommt eine derartige Beweiserleichterung aber nur dann in Betracht, wenn es sonstige Hinweise gibt, daß die Mittel tatsächlich vom Gesellschafter stammen493 •
4. Gleichstellung von Gesellschaftern mit mittelbaren Unternehmensbeteiligungen
Die nur mittelbar an der Gesellschaft Beteiligten bilden einen besonderen Fall der Gleichstellung. Denn bei ihnen kann weder von typischen Einflußmöglichkeiten auf die Gesellschaft ausgegangen werden, noch liegen Umgehungsversuche aufgrund verwandtschaftlicher Nähe besonders nahe.
a) Stiller Gesellschafter als Fall der mittelbaren Unternehmensbeteiligung
Die Kreditgewährung durch einen stillen Gesellschafter entspricht nicht per se dem Verhalten eines Gesellschafters. Deshalb beantwortet der Bundesgerichtshof die Frage nach der Gleichstellung von Gesellschafter und stillem Gesellschafter, indem er typische und atypische Fälle unterscheidet494 • Der
491 Hachenburg/ Ulmer, § 32 a, b Rn. I 19; Hueck in Baumbach! Hueck, § 32 a Rn. 25; Roth, GmbHG, § 32 a Anm. 5.5; K. Schmidt, ZIP 1981, 689, 694.
492 Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a,b Rn. 119; Hachenburg/ Ulmer, § 32 a, b Rn. 120; Hueck in Baumbach! Hueck, § 32 a Rn. 25; Lutter/ Hornmelhoff, § 32 aIb Rn. 56; Roth, GmbHG, § 32 a Anm. 5.5. 493
BGH BB 1991,641,642.
494
BGHZ 106,7; dazu Koch, EWiR 1989,587; H.P. Westermann, WuB II.C. § 30
C. Zurechnungszusamrnenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
167
typische stille Gesellschafter hat keinen Risikobeitrag geleistet und besitzt aufgrund seiner nur mittelbaren Beteiligung keinen Einfluß auf die Geschäftsführung. In diesen Fällen besteht daher kein Grund, den Dritten einem Gesellschafter gleichzustellen, um ihn der Finanzierungsverantwortung zu unterwerfen. Anders ist der Fall bei der atypischen Beteiligung zu beurteilen: Die Finanzierungsverantwortung soll sich nicht dadurch umgehen lassen, daß sich jemand nur still an einer Gesellschaft beteiligt, aber wie deren Gesellschafter die Geschicke bestimmt sowie an Vermögen und Ertrag beteiligt ist49S • Nach dem Bundesgerichtshof kommt es entscheidend darauf an, ob der stille Gesellschafter einen Risikobeitrag geleistet hat und einen unternehmerischen Einfluß besitzt. Beide Merkmale einer atypischen stillen Gesellschaft kommen in zwei Varianten vor. In der ersten geht es um eine schuldrechtliche Beteiligung des Gesellschafters am Unternehmensvermögen, der wirtschaftlich der Unternehmensträger ist496 • Die zweite Fallgruppe bezieht sich auf eine stille Gesellschaft, die wie eine unternehmerischeBeteiligung behandelt wird, obwohl keine schuldrechtliche Teilnahme am Vermögen der Gesellschaft besteht497 • Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Frage des Kapitalersatzes bei stillen Gesellschaftern hat in der Literatur498 sowohl hinsichtlich des Ergebnisses als auch der Begründung ungeteilte Zustimmung erfahren.
GmbHG 3.89; Reusch, BB 1989, 2358; BGHZ 119, 191, 195; dazu Blaurock EWiR 1992, 1111. 495
So BGHZ 106, 7, 10 f.
496
Vgl. nur Schlegelberger/ K. Schmidt, HGB, § 230 Rn. 68 mwN.
497 Zu dieser Zweckschöpfung des Steuerrechts im Rahmen des Kapitalersatzes vgl. Altmeppen, ZIP 1993, 1677, 1679. 498 Hachenburgl Ulmer, § 32 a, b Rn. 125; Scholz! K. Schmidt, §§ 32 a, b Rn. 123; Lutter/ Hommelhoff, § 32 aIb Rn. 47; Hueck in Baumbachl Hueck, § 32 a Rn. 22; Kollhosser, WM 1985,929,933 f; Dreher, ZGR 1994, 144, 147 Altmeppen, ZIP 1993, 1677, 1683 f mit leicht anderer Akzentuierung: Bei der Beurteilung einer atypischen Ausgestaltung der stillen Gesel1schaft soll die VerIustbeteiligung im Vordergrund stehen.
168
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
b) Pfandrechtsgläubiger als Unterfall der mittelbaren Unternehmensbeteiligung In einer jüngeren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof'99 zu der Frage Stellung genommen, ob Pfandrechtsgläubiger von Gesellschaftsanteilen als gesellschaftergleich anzusehen sind. Während die Vorinstanz~oo die Frage noch verneint hatte, differenzierte der Bundesgerichtshof, indem er seine Rechtsprechung zum stillen Gesellschafter zu Grunde legte; es wurde unterschieden nach typischen und atypischen Fällen~ol. Da das typische Pfandrecht keinen Einfluß auf die Gesellschafterstellung des Verpfändenden habe, sei der typische Pfandrechtsgläubiger nicht Normadressat des § 32 a GmbHG~o2. Atypische Pfandgläubiger hingegen, die sich durch zusätzliche Nebenabreden eine Position gewähren lassen, die im wirtschaftlichen Ergebnis der Stellung eines Gesellschafters jedenfalls nahe kommen, unterliegen dem § 32 a GmbHG so3 . Für die Beurteilung einer atypischen Pfandgläubigerstellung soll eine Gesamtbetrachtung S04 entscheidend sein, bei der vor allem die direkte Einflußnahme auf die Geschäftsführung von Bedeutung ist 50s . Im Ergebnis beruht die Gleichstellung von Pfandgläubiger mit dem Gesellschafter auf einer Gleichstellung von Pfandgläubiger und stillem Gesellschafter. Allerdings unterscheiden sich die beiden Fallgestaltungen in mehrfacher Weise; es kann nicht von einer einfachen Übernahme der Rechtsprechung die Rede sein. Der Einfluß eines atypischen Pfandrechtsgläubigers auf die kreditnehmende Gesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, daß er sich nicht aus einem Beteiligungsverhältnis ergibt. Bestimmt der Pfandgläubiger die Unternehmensentscheidungen mit, dann beruht der Einfluß auf seiner Stellung als Vertragspartner eines Austauschverhältnisses~o6. Im Gegensatz zum atypischen stillen
499
BGHZ 119, 191.
500
OLG Hamm, ZIP 1991,531. Dazu Dreher, EWiR 1991,467 f.
501
BGHZ 119, 191, 194 f.
502
BGHZ 119, 191, 195.
503
BGHZ 119, 191, 195 f.
504
Die Parameter der Gesamtbetrachtung analysiert Dreher, ZGR 1994 144, 150 f.
505
BGHZ 119, 195 f.
506
So Altmeppen, ZIP 1993, 1677, 1680.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen Mitgliedschaft und Kreditvergabe
169
Gesellschafter ist der Pfandgläubiger nicht an Gewinn und Verlust des Unternelunens beteiligt; sein Interesse gilt dem Gewinn nur insofern, als die Tilgung und die Zinsen seines Darlehens davon betroffen sindso7 . Der Kreditgläubiger versucht mit dem Pfandrecht seine Ansprüche zu sichern. Die sich aus dem Austauschverhältnis ergebende Möglichkeit der Einflußnalune beruht beim Pfandgläubiger auf der Marktrnacheo8 und nicht auf einem Beteiligungsverhältnis. Damit führt eine schuldrechtlich -in einem Austauschverhältnis- vereinbarte Einflußmöglichkeit zur Erweiterung des Normadressatenkreises. Diese Rechtsprechung ist neu. Bislang hat der Bundesgerichtshof es im Ralunen des eigenkapitalersetzenden Aktionärsdarlehen abgelehnt, die Einflußnalune aufgrund der Kreditabhängigkeit von einer Bank unter das Kapitalersatzrecht zu fassen so9 . Angesichts dieser Rechtslage hat der Bundesgerichtshof nicht etwa seine bestehende Rechtsprechung auf einen ähnlich gelagerten Fall übertragen, sondern das Kapitalersatzrecht qualitativ weiter ausgedehnt. Verkürzt gesagt gilt: Eine Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital kann schon aus der Einflußnalune auf die kreditnelunende Gesellschaft resultierenslo .
5. Zusammenfassung
Auch Darlehen gesellschaftsfremder Dritter an eine kreditunwürdige Gesellschaft fallen nach § 32 a Abs. 3 GmbHG unter das Recht des Kapitalersatzes, wenn die Darlehensgewährung wirtschaftlich der eines Gesellschafters entspricht. Mit dem Gesellschafter werden verbundene Unternelunen, nahe Angehörige und atypische mittelbare Beteiligungen gleichgestellt. Insgesamt kann festgestellt werden, daß der Tatbestand des § 32 a Abs. 3 GmbHG tendenziell weit ausgelegt wird.
507
So Maier-Reimer, FS Rowedder, S. 245, 266.
508
Zutreffend Altmeppen, ZIP 1993, 1677, 1680.
509 BGHZ 90, 381, 391 ff. So auch die ganz allgemeine Meinung im Schrifttum vgl. nur Hachenburgl Ulmer, §§ 32 a, b Rn. 127; Fleck, FS Werner, S. 107, 126. 510 Der Rechtsprechung zustimmend: Dreher, EWiR 1991,467; ders., ZGR 1994, 144, 147 ff; v. Gerkan, EWiR 1992,999; Goette, DStR 1992,1480, 1480 f; Michalski, WuB 11 C § 32 a GmBHG 1.93; a.A: Altmeppen, ZIP 1993, 1677, 1779 ff; Maier-Reimer, FS Rowedder, 245, 265 ff.
170
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen I. Quasi- Eigenkapitalbegriff als rechtsformübergreifendesPrinzip Gesellschaftennittel, die schuldrechtliche Anspruche gegen das Unternehmen (fonnelles Fremdkapital) begründen, aber gleichzeitig auch die Merkmale eines materiellen Eigenkapitalbegriffes erfüllen, werden als Quasi- Eigenkapital bezeichneeIl. Der Zweck einer solchen Abgrenzung liegt - wie oben schon gesehen - in der zutreffenden haftungsrechtlichen Erfassung von Gesellschaftennittein, die als Eigenkapitalersatz einzuordnen sind. Quasi- Eigenkapital ist dabei ein Begriff, der verschiedene Varianten des Kapitalersatzes umfaßt, aber vor allem im Hinblick auf die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen entwickelt wurde. Bislang hat die Literatur die Fragen des Quasi- Eigenkapitals und besonders der Gesellschafterdarlehennahezu ausschließlich als Problem der GmbH und der GmbH & CO. KG diskutiertSl2 • Daher stellt sich die Frage, ob der Begriff des Quasi- Eigenkapitals fiir alle Gesellschaftsfonnengilt und damit rechtsformneutral ist. Entsprechend der Zielsetzung der Arbeit stehen die Regelungen über die eigenkapitalersetzendenGesellschafterleistungenals Fonn des Quasi- Eigenkapitals im Vordergrund. Das Phänomen der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen ist für die GmbH in §§ 32 a, b GmbHG und in §§ 129 a, 172 a HGB für die Fälle geregelt, daß eine OHG oder KG vorliegt, bei der kein Gesellschafterbzw. persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Weiterhin hat der Bundesgerichtshof im Jahre 1984S\3 die bis dahin offene und teilweise umstrittene Frage Sl4 , ob das Kapitalersatzrecht auf die Aktiengesellschaft über-
511
Siehe dazu ausfllhrlich oben B.1.2.c).
512 Der Grund dafllr ist einsichtig: Bis zu. dem Zeitpunkt hatten die Gerichte nur Fälle zu beurteilen, in denen die Darlehen seitens der GmbH-Gesellschafter umstritten waren. Außerdem erscheint die GmbH fllr das Problem des Eigenkapitalersatzes sehr anfällig, da sie oft mit geringem Stammkapital ausgestattet ist, dadurch sehr konkursanfällig wird und der Investitionsbedarf vornehmlich durch die an der Gesellschaft interessierten Personen den GeselJschaftern durch Darlehen gedeckt wird, vgl. nur K. Schmidt, GeselJschaftsrecht, § 18 III 4 a, S. 431. SI3 "BuM"-UrteilBGHZ 90, 381, 384 ff; Vorinstanzen LG Düsseldorf, ZIP 1981,601; OLG Düsseldorf, ZIP 1983, 786.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
171
tragen werden kann, grundsätzlich mit Ja beantwortet. Damit bleibt für die Gesellschafterdarlehen zu klären, ob die Rechtsgrundsätze des Eigenkapitalersatzes auch im Recht der Personengesellschaften gelten. Die Frage konzentriert sich auf den Anwendungsbereich des Quasi- Eigenkapitals in der gesetzestypischen KG SJS • Sind die Regeln des Kapitalersatzes auch auf die Gesellschafterdarlehen an die gesetzestypische KG zu erstrecken, handelt es sich beim Quasi- Eigenkapital um einen rechtsformneutralen Begriff.
1. Rechtsprechung
Zum Quasi- Eigenkapital in der Form der kapitalersetzendenGesellschafterdarlehen als rechtsformübergreifendem System hat sich der Bundesgerichtshof nicht ausdrücklich geäußert. Es gibt nur höchstrichterliche Stellungnahmen, inwieweit das Kapitalersatzrechtneben den gesetzlich normierten Fällen für die GmbH und die GmbH & Co. KG ausgedehnt werden kann. Im Recht der Aktiengesellschaft hat sich der Bundesgerichtshof in der ganz allgemein befürworteten Beton und Monierbau EntscheidungS!6 für eine Anwendung des Kapitalersatzrechtes ausgesprochen. Die Frage, ob das Darlehen eines Kommanditisten an eine einfache KG den Regeln des Kapitalersatzes unterliegt, ist bislang nicht entschieden worden. In einem Urteil aus dem Jahr 1990 hat der BundesgerichtshoF!7 diese Frage zwar angesprochen jedoch nicht in dem einen oder anderem Sinn entschieden. Entschieden wurde aber für den Komplementär, daß die Regeln des Kapitalersatzes nicht gelten, da er als persönlicher Schuldner hafte und ein Erstattungsanspruch sich nicht begründen ließe.
514
Siehe dazu oben C. 11.
515 Dazu ausführlich Sieker, Eigenkapital und Fremdkapital der Personengesellschaft, 1991, S. 51 ff; Koch, Eigenkapitalleistungen und eigenkapitalersetzende Leistungen der Kommanditisten in der gesetzestypischenKG, 1992.S. 41 ff; Michel, Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungenbei GmbH & Co. KG und KG, 1992; S. 215 ff; Mundry, Darlehen und stille Einlagen, 1991, S. 112 ff. 516
BGHZ 90, 381 ff.
SI7BGHZ 112,31,38 f.
172
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Ob der Bundesgerichtshof im Quasi- Eigenkapital ein übergreifendes Prinzip erkennt, erscheint insgesamt fraglich.
2. Schrifttum
Ausdrücklicher Verfechter eines Systemgedankens auf dem Gebiet des QuasiEigenkapitals im Schrifttum ist K. Schmidt5l8 • Für ihn setzt sich das Phänomen des Eigenkapitalersatzesaus 'einem Instituts- und einem Sanktionsproblem zusammen. Institutionell betrachtet sei die Qualifizierung von Darlehen als Eigenkapital kein ausschließliches Problem der GmbH oder der GmbH & Co. KG. Das Problem bestünde überall dort, wo Eigen- und Fremdkapital voneinander abgegrenzt werden können5I9 . Der Grund fiir eine Umqualifizierung von Darlehen in Eigenkapital liegt nicht in der Vorschrift des § 32 a GmbHG, sondern darin, daß die Mittel in der Sache Quasi- Eigenkapital darstellen520 • Insofern seien die Normen der GmbH- Novelle Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens und dementsprechend nicht rechtsformspezifisch. Einer Aktiengesellschaft gewährte Gesellschafterdarlehen können unter bestimmten Voraussetzungen als Eigenkapital qualifiziert werden, ebenso wie Gesellschafterdarlehen an eine einfach gesetzliche Kommanditgesellschaft 521 oder an eine OHG eigenkapitalersetzendsein können522 • Für eine Qualifizierung als Eigenkapital sind bei allen Gesellschaftsformen zwei Merkmale zu erfiillen523 : Erstens muß ein Zurechnungszusammenhang zwischen Kreditvergabe und Mitgliedschaft bestehen, vermittelt durch die Finanzierungsverantwortung.
518 Das Konzept wurde in mehreren Aufsätzen und Beiträgen entwickelt. Vgl.: GmbHR 1986,337,338; Gesellschaftsrecht, § 1811 2, S. 418 ff; AG 1984, 12, 13 ff; JZ 1985, 301, 304; FS Goerdeler 1987, S. 487, 503 f; ZIP 1991, 1, 2 ff; ScholzIK. Schmidt, GmbHG, §§ 32 a, 32 b, Rn. 21,22. 519 GmbHR 1986, 337, 338; Gesellschaftsrecht, § 1811 2, S. 430; AG 1984,12,13 ff; JZ 1985, 301, 304; FS Goerdeler 1987, S. 487, 503 f; ZIP 1991, 1, 2; ScholzlK. Schmidt, §§ 32 a, 32 b, Rn. 21, 22. So auch Junker, ZHR 156 (1992), 395, 399 f; Kölner Komm. AktG-Lutter, § 57 Rn. 87. 520
So vor allem in FS Goerdeler 1987, S. 487, 503 f.
521 Gesellschaftsrecht, § 29 I 2, S. 736 ff; Dazu auch Junker, ZHR 156 (1992), S. 394, 400; v. Gerkan/ HommeJhoff, Kapitalersatz, S. 30 ff. 522
K. Schmidt, ZIP 1991, 1, 2 ff.
523
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 III 4 c, S. 434.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
173
Zweitens müssen die Mittel zum Zeitpunkt der Gewährung Eigenkapital ersetzen. Das ist der Fall, wenn die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt nicht mehr kreditwürdig erscheint, also kein Darlehen zu marktüblichen Bedingungen erhalten würde 524 . Augenfällig wird die Schwierigkeit eines übergreifenden Systems an dem Sanktionenproblem, wie K. Schmidt es nennt. Das deutsche Recht kennt keine für alle Gesellschaftsformen geltende Vorschrift des Insolvenzrechts, die für eine gleichmäßige Sanktion sorgt. Um aber genau diesen Effekt zu erreichen, spricht sich K. Schmidt für die analoge Anwendung des § 32 a GmbHG bei Personengesellschaftenaus. Nach dieser Norm können die Darlehensforderungennicht zur Konkurstabelle angemeldet werden und gehören so in die Haftungsmasse. Die für eine Analogie auf der Rechtsfolgenseite erforderliche Lücke soll darin bestehen, daß die Kapitalersatzregeln für alle Gesellschaftsformen gelten und im Personengesellschaftsrecht lediglich eine adäquate Sanktionsnorm fehlt S25 • Das Ergebnis wird mit folgender Überlegung erklärt: Hinsichtlich der Sanktion unterscheidetK. Schmidt zwischen dem gesellschaftsrechtlichen -und deshalb rechtsformspezifischen- Schutz gegen Kapitalabfluß mit gesellschaftsrechtlichen und deshalb rechtsformspezifischen Folgen ( §§ 62 AktG, 31 GmbHG, 172 Abs. 4 HGB) und einem vollstrekkungs- und insolvenzrechtlichen -und deshalb sinnvollerweise nicht rechtsformspezifischen- Gläubigerschutz gegen Schmälerungen der kapitalersetzenden Haftungsmasse in der Krise ( §§ 32 a KO, 32 b GmbHG, 3 b AnfG)526. Die vollstreckungs- und insolvenzrechtlichen Normen seien als rechtsformunabhängige Vorschriften auf die Gesellschaften anzuwenden, die keine eigenständige Sanktionsnorm besitzen. Teilweise greift das Schrifttum den Gedanken eines übergreifenden Systems der eigenkapitalersetzendenGesellschafterdarlehenals Teil des Quasi-Eigenkapitals auri27 • Die Befürworter eines übergreifenden Systemgedankens begründen ihre Ansicht damit, daß es das Ziel des Kapitalersatzrechtes sei, einen 524 Vgl. nur BGHZ 76, 326, 329. Daß dieses Merkmal bei allen Verbänden gilt, erscheint einsichtig, da es nicht um eine rechtliche, sondern um eine wirtschaftliche Beurteilung handelt, vgl. dazu Junker, ZHR 156 (\992), 394, 400. 525
K. Schmidt, ZIP 1991, I, 4.
526
K. Schmidt, ZIP 1991, I, 4.
527 Nicht nur eigenkapitalersetzende Darlehen, sondern auch Quasi- Eigenkapital sieht Herrmann als rechtsformunabhängig an. Zu den rechtsformunabhängigen Verallgemeinerungen siehe Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Unternehmensrecht, 1996, S. 247 ff.
J. Kap.: Rechtslage in Deutschland
174
materiellen Kapitalbegriff zu formulieren, der über die gesetzliche Mindestanforderung an das Eigenkapital hinausgehe s28 • Dabei stelle das Kapitalersatzrecht keine rechtsformspezifische Besonderheit dar, sondern sei auch im Rahmen der einfach gesetzlichen KG anzuwendens29 • Denn auch in der KG bestehe ein Bedürfnis nach einem erweiterten Gläubigerschutz, obwohl eine natürliche Person unbeschränkt hafte. Es gibt aber auch Kritiker, die es explizit ablehnen, die Kapitalersatzregeln auch auf die Personengesellschaftenund vornehmlich auf die KG zu erstrecken. So meint Rürnker, daß die aus § 32 a GmbHG resultierende Finanzierungsverantwortung nicht fiir einfach gesetzliche Kommanditgesellschaften gelte, da die §§ 129 a, 172 a HGB insofern abschließende Regelungen seiens30 • Ebenso verneinen die Kritiker ein Bedürfnis fiir den Schutz durch die allgemeinen Kapitalersatzregeln, da das "traditionelle Instrumentarium"S31 des Gesellschaftsrechtes, nämlich die unbeschränkte persönliche Haftung, fiir den Gläubigerschutz ausreichend seiS32 • Zusätzlich trage der Kommanditist üblicherweise keine FinanzierungsverantwortungS33 •
S28 Vgl.: Wiedemann, in FS Beusch 1993, 893, 893 ff; Junker, ZHR 156 (1992), 394, 399; Priester, DB 1991, 1917, 1917 ff. 529 So Wiedemann, WM Beilage 7/ 1992, S. 13; ders. FS Beusch, S. 893, 908; v. Gerkan/ Hommelhoff, Kapitalersatz, S. 204 "Diesem Anliegen ist durchaus Sympathie entgegenzubringen. Ob es sich al1erdings durchsetzen kann, bleibt vorerst offen."; Kol1er, FS Heinsius, 357,373 ff; Fleischer, S. 189; Koch, S. 41 ff; Michel, S. 215 ff; Mundry S. 112 ff.
530
ZGR 1988, 494, 514.
531 So Rümker, ZGR 1988,494,512. 532 Rümker, ZGR 1988,494,512; Gegen eine al1gemeine Geltung der Kapitalersatzregeln auch Huber, ZGR 1988, 1,40; Groß, BB 1991, 2386, 2390 f.
533 Huber, ZGR 1988, 1, 40 fUhrt aus, daß der Kommanditist in den Normalfäl1en einer gesetzestypischen KG keinen Einfluß auf unternehmerische Entscheidungen besitze und so das vom Bundesgerichtshof eingeführte Merkmal der UnternehmersteIlung, BGHZ 90, 380 ff nicht besitze.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
175
3. Gleichstellung von Gesellschafterdarlehen mit Eigenkapital in der gesetzestypischen KG
Um zu klären, ob die Regeln des Kapitalersatzrechtesauf die einfach gesetzliche KG erstreckt werden können, sind drei Fragen zu klären. Zunächst geht es um die Feststellung, inwieweit das Phänomen der Eigenkapitalersatzfinanzierung auch in der KG existiert. Weiterhin ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschafterdarlehenin Eigenkapital umzuqualifizieren sind, und welche möglichen Hinderungsgründe existieren. Schließlich ist das Problem zu lösen, welche Rechtsfolgen sich aus dem Tatbestand Kapitalersatz ergeben.
a) Eigenkapitalersetzende Darlehen in der KG
Wenn außenstehende Dritte nach Prüfung der Kreditwürdigkeit einer KG nicht mehr bereit sind, weitere Darlehen an das Unternehmen zu vergeben, können die Gesellschafter nur mit Eigenkapital oder Gesellschafterdarlehendie Gesellschaft weiterführen. Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung einer KG durch die Banken ergeben sich nur insofern Besonderheiten, als nicht nur Geschäftsaussichten der KG und ihre Eigenkapitalausstattung beurteilt werden, sondern zusätzlich auch das Privatvermögen des Komplementäres. Entscheiden sich die Gesellschafter, die kreditunwürdige KG mit Darlehen weiter zu finanzieren, dann wird ein nicht mehr fortfiihrungsWÜfdiges Unternehmen auf der Basis der kapitalersetzenden Darlehen am Leben erhalten und hat so die Möglichkeit, weiter am allgemeinen Geschäftsleben teilzunehmen. Wenn die Gesellschafter auf diese Weise eine KG fortführen, besteht die Gefahr, daß sie das Risiko eines wirtschaftlichen Verlustes auf die außenstehenden Gläubiger abwälzen, indem sich die Haftungsmasse verringert, und die Gläubiger in Konkurrenz zu den kreditgebenden Gesellschaftern treten. Das Phänomen der Eigenkapitalersatzfinanzierung mit seinen gläubigergefährdenden Tendenzen existiert damit auch im Rahmen der Unternehmensfinanzierung einer KG.
176
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
b) Tatbestand und Hinderungsgründe aa) Entgegenstehender Wille des Gesetzgebers Daß die Regeln des Kapitalersatzrechtes auch für die einfach gesetzliche KG gelten, kann nicht mit dem Argument abgelehnt werden, der gesetzgeberische Wille stehe dem entgegen534 • Die Kritik konzentriert sich auf gesetzeshistorische Argumente; die Einführung des Kapitalersatzrechtes durch die GmbHNovelle zeige, daß eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen lediglich als Problem der GmbH und der GmbH & Co. KG geregelt werden sollten. Denn, so die Kritiker, hätte der Gesetzgeber gewollt, daß die Regeln des Kapitalersatzrechtes insgesamt gelten, hätte er entsprechende Normen eingeführt. Dem sind überzeugende Argumente entgegenzuhalten: In der Entwicklungsgeschichte zum Kapitalersatzrecht hat sich gezeigt, daß eigenkapitalersetzende Darlehen ursprünglich als ausschließliches Problem der unterkapitalisierten GmbH und der GmbH & Co. KG gesehen wurde. Folgerichtig hat sich der Gesetzgeber, als er die §§ 32 a, 32 b GmbHG geschaffen hat, an dem bis dahin erarbeiteten Fallmaterial orientiert. Taucht das Problem auch bei anderen Gesellschaftsformen auf, kann die in ihrem Anwendungsbereich beschränkte Gesetzgebung keinen Hinderungsgrund darstellen, das Recht weiterzuentwikkeIn. Die Nichtnormierung durch den Gesetzgeber ist vielmehr als eine Selbstbeschränkung zu verstehen. Vorzugswürdig ist es, die Entwicklung der Rechtsprechung zu überlassen und nicht durch eine vorschnelle Kodifizierung für andere Gesellschaftsformen, mögliche spezifische Unterschiede einzuebnen535 • Außerdem bildet die gesetzliche Regelung -wie schon gesehen- heute nur einen Teilausschnitt aus dem bestehenden Kapitalersatzrecht: Der zweistufige Kapitalersatzschutz macht die Umqualifizierung entweder vom Konkurs der Gesellschaft abhängig, so die Gesetzgebung, oder -für die Rechtspraxis weitaus wichtiger- nach der Rechtsprechung von einer Minderung des Stammkapitals 536 ; §§ 172 a, 129 a HGB verweisen für die GmbH & Co. KG nicht
534 Für die AG: Obennüller, Die Bank im Konkurs ihres Kunden, 2. Aufl. , Rn. 699 a; H. P. Westennann, ZIP 1983, 1281, 1282 f; Clausen, ZHR 147 (1983), 195,201 f. Für die KG: Rümker, ZGR 1988,512,514. 535
Ketzer, S. 28.
536 Zu dem Verhältnis von Rechtsprechungsregeln und Gesetzgebung siehe oben A.II.3.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
177
auf §§ 32 a KO, 3 b AnfG. Einer solchen Regelung kann keine Vollständigkeit unterstellt werden, die ausschließenden Charakter beansprucht. Spätestens seit der "BuM"- Entscheidung des Bundesgerichtshofess37 ist auch die herrschende Lehre S38 der Meinung, daß die gesetzliche Regelung durch die GmbH- Novelle kein Argument gegen die Ausweitung des Kapitalersatzes auf andere Gesellschaftsformen liefert.
bb) Strukturunterschied der persönlichen Haftung Der entscheidende strukturelle Unterschied zwischen einer GmbH und einer einfach gesetzlichen KG liegt in der unbeschränkten persönlichen Haftung des Komplementärs. Dabei ist zu erwägen, ob die unbeschränkte persönliche Haftung des Komplementärs die Gläubigergefährdung aufgrund einer Finanzierung mit eigenkapitalersetzenden Darlehen ausgleichen kann. Eine solche -dem Kapitalersatz gleichwertige- Ausgleichsfunletion wäre zu bejahen, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen dürfte es in der KG nur auf die Gläubigersicherung durch die persönliche Haftung und nicht auf die Vermögenswerte der Gesellschaft selbst ankommen, zum anderen müßte die persönliche Haftung des Komplementärs einen ausreichenden Schutz gegen die Aushöhlung des Gesellschaftsvermögens darstellen.
(1) Vermögen der KG als eigenständige Haftungsmasse Die Bedeutung des KG Vermögens für die Gläubiger zeigt sich daran, wie sich die Konkursmasse zusammensetzt. Zur Konkursmasse der Gesellschaft gehört das gesellschaftsgebundene SondervermögenS39 , das sich nach §§ 161 Abs. 2, 124 Abs. 1 HGB aus den Verbindlichkeiten ergibt, die der KG selbst zugerechnet werden. Daß neben der persönlichen Gesellschafterhaftung eine selbständige Gesellschaftshaftung besteht, ist in verschiedenen Situationen für die Gläubiger von entscheidender Bedeutung. Das ist nicht nur der Fall, wenn das Privatvermögen des Gesellschafters nicht mehr zur Befriedigung ausreicht.
537
BGHZ 90, 380.
m Statt aller, Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, b 539
Kilger/ K. Schmidt, § 209 Anm. 2 d)aa).
12 Gchdc
Rn. 21 mwN.
178
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Auch wenn der Komplementär zwar über eigenes Privatvermögen verfügt, dieses aber auch den Privatgläubigem als Befriedigungsobjekt zur Verfügung steht, erlangt das Gesellschaftsvermögen als Haftungsgrundlage eine eigenständige Bedeutung. Für die Vertragspartner hat das Gesellschaftsvermögen noch einen weiteren Vorteil. So können sich die Gläubiger über die Höhe des Gesellschaftsvermögen wegen der Buchfiihrungspflicht aus § 238 HGB viel eher und besser informieren als über das Privatvermögen, um eine zutreffende Risikoanalyse bei Vertragsschluß durchzuführen. Aus der Sicht der Gläubiger hat das Gesellschaftsvermögen als Haftungsgrundlage und mit der Möglichkeit ausgestattet eine Risikoanalyse durchzuführen eine eigenständige BedeutungS4o •
(2) Persönliche Haftung als gleichwertiger Schutz bei einer GeseUschafteifremdfinanzierung Der zweiten Voraussetzung nach ist das Kapitalersatzrechtentbehrlich, wenn die persönliche Haftung mit dem Privatvermögen einen gleichwertigen oder gar besseren Gläubigerschutz bei einer Darlehensfmanzierung durch die Gesellschafter gewährleistet. Diese These überschätzt die Leistungsfähigkeit der unbeschränkten Haftung. Die Furcht des unbeschränkt Haftenden, in Anspruch genommen zu werden, wird in der Regel nur bewirken, daß der Komplementär versucht, Leistungen an die Kommanditisten aus dem Gesellschaftsvermögenzu verhindern. Denn je geringer das Gesellschaftsvermögen desto größer die Wahrscheinlichkeit zu haften. Ein solch mittelbarer Schutz kann in einigen Fällen sehr effektiv sein, muß aber versagen, wenn es sich um eine Darlehensgewähr des Kommanditisten an die KG handelt. Dann ist die KG aufgrund des Vertrages verpflichtet, die Darlehenssurnme bei Fälligkeit zurückzuzahlen. Für den Komplementär gibt es keinerlei Möglichkeit, die Rückzahlung zu verhindern. Nur wenn solche Darlehen in haftendes Kapital umqualiflziert werden, kann die Haftungsgrundlage für die Gesellschaftsgläubigererhalten werden. Im Ergebnis gewährleistet das Kapitalersatzrecht einen weitergehenden Schutz als eine unbeschränkte persönliche Haftung und ist nicht entbehrlich. Die persönliche Haftung bietet keine dem Kapitalersatzrechtvergleichbare Schutzfunktion.
540
Im Ergebnis auch Mundry, S. 152.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
179
cc) Zurechnungszusammenhang zwischen Gesellschafterstellung und Kreditvergabe Ob die Rechtsprechungsgrundsätze bezüglich des Kapitalersatzrechtesin der KG gelten, hängt auch davon ab, daß der Kommanditist die Verantwortung rur eine seriöse Unternehmensfinanzierung trägt. Durch das Kriterium der Finanzierungsverantwortung wird der erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen Gesellschafterstellung und Kreditvergabe hergestellt. Die Finanzierungsverantwortung trägt nur der Gesellschafter, der über ein bestimmtes Mindestmaß an Einfluß auf die untemehmerischenFinanzierungsentscheidungen verrugt S41 • Dabei ist weniger entscheidend, wie hoch die Beteiligung an der Gesellschaft ist, als vielmehr die gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflußmöglichkeiten. Nach diesen Merkmalen besitzt der Kommanditist in der einfach gesetzlichen KG unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung in der Regel die Finanzierungsverantwortung. Die erheblichen Mitwirkungsbefugnisse des Kommanditisten auf die Unternehmensfiihrung ergeben sich schon aus zwei Regelungen zum Recht der einfach gesetzlichen KG. Erstens muß eine Kommanditist außer zu Grundlagenbeschlüssennach § 164 S. 1 HGB auch allen Geschäftsfiihrungsmaßmahmen zustimmenS42 , die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehen. Zum zweiten sind die Beschlüsse in einer einfach gesetzlichenKG in der Regel einstimmig zu fassen, so daß der Gesellschafter unabhängig von der Höhe seines Anteils jede Unternehmensentscheidung zumindest blockieren kann. Auf diese Weise können unternehmerische Entscheidungen über den Zwang zum Kompromiß beeinflußt werden. Die Möglichkeit, unternehmerische Entscheidungen über das beschriebene Maß hinaus beeinflussen zu können, ist fiir die Finanzierungsverantwortung jedoch nicht erforderlichs43 • Insgesamt ist die Stellung des Kommanditisten in einer einfach gesetzlichen KG mit der eines Gesellschafters in einer GmbH vergleichbar. Wie in der GmbH so gilt auch rur die KG, daß die Finanzierungsverantwortung grund-
541
Siehe dazu ausflihrIich oben C. 1.11.
542 Zum Zustimmungserfordernis vgl.: Schlegelberger-Martens, § 164 HGB Rn. 16; BaumbachiDuden/Hopt, § 164 HGB Anm. 1 B; Heymann- Horn, § 164 Rn. 4. 543
12*
So auch Mundry, S. 156.
180
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
sätzlich jeden Gesellschafter trifft, unabhängig von besonderen Merkmalen einer einschränkenden ZurechnungS44 • Eine Ausnahme gilt für die sog. Publikums- KG. In dieser Gesellschaftsform sind so viele Anleger zusammengefaßt, daß von den gesetzlichen Regelungen der Personengesellschaft mit dem Grundsatz der Selbstorganschaft erheblich abgewichen wird. Hier gibt es auch Anleger, die keinerlei Interesse und Möglichkeit haben, auf die Unternehmensführung einzuwirken. Die Konstellation ist ähnlich wie bei der Aktiengesellschaft: Ein Anlegergesellschafter unterliegt nicht der Finanzierungsverantwortung, so daß seine Darlehen nie eigenkapitalersetzend sein können. Bei der Publikums-KG wie der Aktiengesellschaft muß untersucht werden, ob der Unternehmergesellschafterüber Zugang zu Informationen und einen himeichenden Einfluß verfügt. Kann die UnternehmersteIlung bejaht werden, ergibt sich daraus die Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters. Die Indikatoren, um die UnternehmersteIlung festzulegen, sind die gleichen wie bei der Aktiengesellschafts4s • Im Grundsatz tragen die Kommanditisten die Finanzierungsverantwortung, so daß ihre Darlehen an die kreditunwürdige Gesellschaft als eigenkapitalersetzend zu qualifizieren sind. Sind die Pflichten des Kommanditisten ausnahmsweise abweichend von der gesetzlichen Konzeption ausgeformt, wie in der Publikums-KG, ist zu prüfen, ob der Gesellschafter wie ein Aktionär eine UnternehmersteIlung innehat. Im Einzelfall kann daher der eigenkapitalersetzende Charakter eines Gesellschafterdarlehens wegen der fehlenden Zurechnung zu verneinen sein.
c) Rechts/algen
Schließlich ist zu klären, welche Sanktionen es für die einzelnen Gesellschaftsformen gibt. Die Anforderungen an eine zwingende Rechtsfolge des Kapitalersatzrechtes sind einleuchtend: Die Darlehensforderung darf im Konkurs nicht teilnehmen, die Gesellschaftermittel gehören zu der Konkursmasse und haften den Gläubigem. Für Mittel, die dem Gesellschafter vor der Krise des Unternehmens zurückgewährt wurden, muß es die Möglichkeit geben, die Darlehensvaluta an die Konkursmasse zurückzufordern. Für eine solche
544
Siehe dazu ausführlich oben C.!.
545
Vgl. oben C.I!.2.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
181
Rechtsfolge gibt es im Recht der KG keine unmittelbar passende Norm. Daher werden verschiedene Vorschriften vorgeschlagen und sind im Folgenden zu diskutieren.
aa) Verstrickung der Gesellschaftermittel aufgrund von § 172 Abs. 4 S. 1 HGB Nach Joost546 soll § 172 Abs. 4 S. 1 HGB, der die Rückzahlung an Gesellschafter regelt, die geeignete positiv rechtliche Anknüpfung fUr die Behandlung eigenkapitalersetzender Darlehen des Kommanditisten sein. Zu diesem Schluß gelangt Joost, da er die Norm im Unterschied zur herrschenden Meinung 547 als eine Entsprechung zu § 30 GmbHG versteht. Danach soll das gleiche Verhältnis zwischen der Einlage des Kommanditisten und dem Gesellschaftsvermögen bestehen wie zwischen der Stammkapitalziffer und dem Vermögen der GmbH. Konsequent fUhrt dann die Auszahlung eines kapitalersetzenden Darlehens zu einer Unterbilanz bei der KG und soll eine Außenhaftung ohne Beschränkung auf die Haftsumme bewirken. Die von Joost aufgestellte These beschränkt die Einlagenrückgewähr als ausschließlich an der Unterbilanz orientierter Vermögensbewegung nicht auf die Haftsumme des Kommanditisten, sondern auf die Summe der empfangenen Vermögenswerte. Gern. §§ 171, 172 HGB ist der Umfang der Kommanditistenhaftung aber durch die Haftsumme beschränkt. Da keine persönliche Haftung des Kommanditisten begründet wird, wenn seine Auszahlungen die Haftsumme überschreiten, verstößt die Konzeption Joosts gegen das Gesetz und ist damit im Ansatz schon abzulehnen 548 • Wendet man § 172 Abs. 4 S. 1 HGB entgegen dem Grundgedanken von Joost auf die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen an, erhält man wenig überzeugende Ergebnisse: Eine Rückzahlung des eigenkapitalersetzenden
546
ZGR 1987,370,381 ff; ders., JZ 1995, 11, I3 f.
547 BGHZ 60, 324, 327; Schlegelbergerl K. Schmidt, § 171, 172 HGB Rn. 21, 65; Baumbachl Dudenl Hopt, § 172 HGB Anm. 2 F; Heymann/Horn, § 172 HGB Rn. 15; Rümker ZGR 1988, 494, 509 f; Huber, ZGR 1988, I, 14. 548 Im Ergebnis auch: Huber, ZGR 1988, 4, 14, insbesondere Fn. 37 unter Hinweis darauf, daß der im Kapitalgesellschaftsrecht geprägte Begriff der Unterbilanz innerhalb der KG keinen Sinn macht.
182
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Darlehens wäre auf die Haftsumme beschränkt, auch wenn das Darlehen ein Mehrfaches der Haftsumme ausmachtS49 • Die Sanktion der Vorschrift ist insoweit zu eng; gleichzeitig ist sie aber zu weit, da es an einer zeitlichen Beschränkung der Haftung, wie § 31 Abs. 5 GmbHG sie mit der Fünfjahresfrist vorsieht, fehltsso. § 172 Abs. 4 S. 1 HGB ist aus den genannten Gründen kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Rückzahlung eigenkapitalersetzender Darlehen.
bb) Verstrickung der Gesellschaftermittel aufgrund einer analogen Anwendung des § 237 HGB § 237 HGB regelt das Anfechtungsrechtdes Konkursverwalters, wenn binnen eines Jahres vor dem Konkurs der Gesellschaft die stille Einlage zurückgewährt wurde. Eine analoge Anwendung auf eigenkapitalersetzendeGesellschafterdarlehen in der KG bejahen teilweiseSSl diejenigen Vertreter des Schrifttums, die eine Geltung von § 237 HGB ganz allgemein für die Rückzahlung eines langfristigen Kommanditistendarlehens vertretenSS2 • Die Analogie ergibt sich dann aus einem Erst-recht-Schluß: Wenn schon zurückgewährte stille Einlagen (§ 237 HGB direkt) und einfache Gesellschafterdarlehen(§ 237 HGB analog) in die Masse zurückgefordert werden können, dann kann rur die kapitalersetzenden Kommanditistendarlehen nichts minderes geltenSS3 • Eine Analogie ist abzulehnen. Das Kapitalersatzrecht bezweckt eine Gleichstellung der Gesellschafterdarlehenmit dem Eigenkapital, indem die Geltendmachung der Forderung im Konkurs verhindert wird. Der Gesellschafternimmt am Konkurs nicht teil. Sinn und Zweck des § 237 HGB ist hingegen nicht, die Haftungsmasse für die Gläubiger zu erhöhen. § 237 HGB zwingt den stillen Gesellschafter, mit der Stellung eines Konkursgläubigers vorlieb zu nehmen, er ist am Konkurs beteiligt und kann seine Konkursquote geltend machenss4 . Ist
S49
Rümker, ZGR 1988,494,511; K. Schmidt, GmbHR 1986,337,342.
sso K. Schmidt, GmbHR 1986, 337, 342; zustimmend: Rümker ZGR 1988, 494, 511. ISI
Michel, S. 242 f; Mundry, S. 166 f.
SS2 K. Schmidt, ZHR 140 (1976), 475, 488 ff; ders., KTS 1977, I, 65, 71; ders., ZIP 1981,689,697; Uh1enbruck, KTS 1980,319,324, Fn. 10; Mundry, S. 85 ff. SS3
K. Schmidt, GmbHR 1986, 337, 342; Mundry, S. 166.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
183
das Eigenkapitalersatzrecht darauf gerichtet, Fremd- wie Eigenkapital zu behandeln, so hat § 237 HGB den Fall des echten Fremdkapitals im Konkurs zum Thema. Eine Anfechtung bezüglich eigenkapitalersetzender Darlehen soll zu einer Vergrößerung der Haftungsmasse fUhren, konträr dazu steht der Zweck von § 237 HGB, der letztlich eine Teilhabe der Forderung am Konkurs bedeutet. Da der Normzweck des § 237 HGB auf echtes Fremdkapital ausgerichtet ist, paßt er nicht auf die Rückgewähr eigenkapitalersetzenderGesellschafterdarlehen555 •
cc) Verstrickung der Gesellschaftermittel aufgrund einer analogen Anwendung des § 32 a KO Letztlich ist zu prüfen, ob die aus §§ 32 b GmbHG, 32 a KO, 3 b AnfG resultierende Rechtsfolge analog auf die KG mit einer natürlichen Person zu übertragen sind. Nach § 32 a KO kann der Konkursverwalter Rechtshandlungen anfechten, die dem Gesellschafter einer GmbH für ein der Gesellschaft gewährtes eigenkapitalersetzendesDarlehen Befriedigung oder Sicherheit verschaffen. Eine Analogie von § 32 a KO auf die Personengesellschaften wird teilweise unter Hinweis auf den Gesetzgeber verneint. §§ 129 a, 172 a HGB bestimmen unmißverständlich, daß es sich bei der Anwendung des § 32 a GmbHG um eine OHG oder KG handeln muß, bei der kein Gesellschafter eine natürliche Person ist. Da § 32 a KO sich auf § 32 a GmbHG bezieht, gilt die Vorschrift auch zusätzlich nur in den Fällen des §§ 129 a, 172 a HGB. Hätte der Gesetzgeber gewollt, daß die Personengesellschaften ohne Beteiligung einer juristischen Person von § 32 a KO erfaßt werden, hätten die Vorschriften §§ 129 a, 172 a HGB anders lauten müssen. Daraus wird gefolgert, daß der Gesetzgeber diese Regelung abschließend verstanden habe und sich eine Analogie verbiete 5s6 • Gegen eine solche Folgerung aus den gesetzlichen Vorschriften spricht, daß nicht nur neben der GmbH-Novelle die Regeln der Rechtsprechung weitergelten, die AG ohne gesetzliche Grundlage unter die Regeln des Kapitalersatzes SS4 Schlegelberger/ K. Schmidt, § 237 Rn. 33; Heymannl Horn, § 237 Rn. 1; Zutt in Großkomm. HGB § 237 Rn. 27.
sss Im Ergebnis auch Koch, S. 177. SS6
Rümker, ZGR 1988,494, 512.
184
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
fällt und gleiches auch für die KG -nach den Untersuchungen hier- gilt. Angesichts dieser Rechtslage kann aus der gesetzlichen Lösung kein Anspruch auf Vollständigkeit und damit auf einen abschließenden Charakter des gesetzgeberischen Willens abgeleitet werden. Entscheidend für eine Analogie SS7 kann nur sein, ob eine planwidrige Lücke auf der Rechtsfolgenseite besteht, sowie ein Bedürfnis, die Lücke zu füllen. Daß das Risiko eines wirtschaftlichen Verlustes auf die Gläubiger der KG mit einer natürlichen Person als Komplementär ebenso abgewälzt werden kann, wie bei einer GmbH oder GmbH & Co. KG, hat sich bei den Untersuchungen zur Bedeutung der persönlichen Haftung gezeigt. Es kommt weniger auf das Vermögen des persönlich haftenden Gesellschafters als vornehmlich auf das Vermögen der Gesellschaft an, das wie bei der GmbH der Gefahr unterliegt, statt mit Eigenkapital mit Darlehen versorgt zu werden. In der Folge kann sich eine Verzögerung der Liquidation zu Ungunsten der Gläubiger auswirken. Wie der GmbH Gesellschafter besitzt der Komplementär eine Finanzierungsverantwortung. Insofern kann von gleichwertigen und gleichartigenrechtlichenProblemen bei der GmbH und der einfach gesetzlichen KG gesprochen werden. Daher ist eine Norm notwendig, die dafür Sorge trägt, daß eine vorzeitige Rückzahlung des eigenkapitalersetzenden Darlehens an den Gesellschafter verhindert werden kann. Der Gesellschafter soll nicht die Möglichkeit haben, das Darlehen kurz vor der Insolvenz abzuziehen, sonst könnte er die Mittel dem berechtigten Zugriff der Gläubiger entziehen. Eine unmittelbar passende Sanktionsnorm fehlt, wie oben gesehenss8 • Als Anknüpfungspunkt für Sanktionen kommen die Anfechtungstatbestände der § 32 a KO in Betracht, da es sich hierbei nicht um rechtsformspezifische Regeln handelt. Die Normen knüpfen nicht an dem kapitalgesellschaftlichen Schutz des Gesellschaftsvermögens (§§ 30 ff GmbHG) an, sondern an dem Tatbestand des Eigenkapitalersatzesund des Rückflusses in der Krise SS9 • § 32 a KO ist deshalb richtigerweise auch eine Norm des Insolvenzrechtes und nicht des Gesellschaftsrechtes. Damit ist die Vorschrift nicht auf die GmbH und ihre rechtliche Besonderheit zugeschnitten, ist also analogiefähig und kann die Grundregel für die Anfechtung des
55?
Larenz, Methodenlehre, S. 381 ff.
558 Das Fehlen der Norm begründet sich darin, daß es sich beim Kapitalersatz um ein wirtschaftliches Problem handelt, das unabhängig davon, ob es passende Normen gibt, besteht; K. Schmidt, ZIP 1991, 1, 4. 559
BGHZ 90, 370, 378; K. Schmidt, ZIP 1991, 1,4.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
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Rückflusses kapitalersetzender Kredite in der Krise bilden560 • Da die Sachlage zwischen der Vergabe eigenkapitalersetzenderGesellschafterdarlehendurch den Kommanditisten in der gesetzestypischenKG einerseits und dem GmbH-Gesellschafter andererseits gleichartig und -wertig ist, ist die Regelung des § 32 a KO auf die Rückgewähr eigenkapitalersetzender Kommanditistendarlehen in die einfachgesetzliche KG analog anzuwenden561 •
4. Ergebnis
Damit gilt das Recht des Eigenkapitalersatzesin seinen Voraussetzungen und Rechtsfolgen auch in der einfach gesetzlichen KG. Einzelne unterschiedliche Aspekte sind in der Finanzierungsverantwortung begründet oder liegen in den erforderlichen Sanktionen rur dieses Phänomen. Als Rechtsfolge ist § 32 a KO analog anzuwenden562 • Insgesamt handelt es sich beim Recht des Kapitalersatzes um ein allgemeines Prinzip mit Geltung rur alle Gesellschaften, das Anforderungen an einen materiellen Kapitalbegriff formuliert. Eigenkapitalersetzende Leistungen sind damit als Teil eines rechtsformübergreifenden Begriffes des Quasi- Eigenkapitals zu verstehens63 •
560
K. Schmidt, ZIP 1991, 1, 4.
561 Im Ergebnis auch: K. Schmidt, ZIP 1991, 1,4; Schlegelberger/K. Schmidt HGB, § 172 a Rn. 54; Koch, S. 179. 562 Dieses Ergebnis wird auch durch die Insolvenzrechtsreform vom 18. 10. 1994, BGBL I 1994, 2866 und 2911 gedeckt. Der § 135 InsO nimmt nicht mehr ausdrücklich auf § 32 a Abs. 1,3 GmbHG Bezug, sondern spricht allgemein von der "Forderung eines kapitalersetzenden Darlehens". Damit ist klargestellt, daß auch die Fä\1e der §§ 129a, 172a HGB und auch die von der Rechtsprechung anerkannten weiteren Fä\1e kapitalersetzender Darlehen insbesondere bei der Aktiengese\1schaft erfaßt werden. So die a\1gemeine Begründung des RegE zu § 135 InsO zit. nach Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, 1994, § 135 InsO. Mit dieser weiten Formulierung hat der Gesetzgeber für die Rechtsprechung auch die Möglichkeit geschaffen, ohne rechtliche Probleme die einfach gesetzlich KG unter das Kapitalersatzrecht zu fassen. 563
So auch Fleischer, S. 189.
186
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
11. Nutzungsüberlassung als eigenkapitalersetzende Leistung Das Kapitalersatzrecht bezweckt den Gläubigerschutz. Zum einen soll verhindert werden, daß die Gläubiger im Konkurs in eine Konkurrenz mit den Gesellschaftern treten, zum anderen soll vermieden werden, daß Gesellschafterdarlehen eine wirtschaftliche Krise kaschieren und das verbleibende Vermögen zu Lasten der Gläubiger weiter vermindert wird. In den Fällen, in denen das Risiko auf die Gläubiger abgewälzt wird, finanzieren die Gesellschafter ihr Unternehmen mit Fremdkapital statt mit gebotenem Eigenkapital. Die Zufuhr von liquiden Mitteln soll die Gesellschaft am Leben erhalten. Aus Sicht der Gläubiger ist die Frage entscheidend, ob die Regeln des Kapitalersatzes auch gelten, wenn die Gesellschafter der Gesellschaft statt Darlehen Wirtschaftsgüter zur Verfügung stellen. Die Haftungsmasse für die Gläubiger erweitert sich, wenn auch die Vermietung und Verpachtung von betrieblichen Wirtschaftsgütern als kapitalersetzend qualifIZiert werden kann. Die Entscheidung ist für die Gläubiger jeweils in den Fällen relevant, in denen ausschließlich die für den Betrieb notwendigen Wirtschafts güter vermietet oder verpachtet werden, anstatt die für den Kauf erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Der praktisch häufigste Fall ist die Betriebsaufspaltung~64. Eine Nutzungsüberlassung kann kapitalersetzend sein, wenn sie gern. § 32 a Abs. 3 GmbHG eine der Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbare Handlung darstellt. Damit ist eine der strittigen Fragen im Recht des Kapitalersatzes angesprochen.
1. Gleicbstellung der NutzungsUberlassung mit der Darlebensgewllbr nacb § 32 a Abs. 3 GmbHG
a) Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes
Der Bundesgerichtshof hatte diese Frage erstmals 1989 in seiner Lagergrundstückentscheidung bejaht (Lagergrundstück I)~6~. In dem Urteil wurde in Übereinstimmung mit dem größten Teil des Schrifttums~66 eine eigenkapitalerset56-4 Dazu aus der Gläubigerperspektive, Drygala, Der Gläubigerschutz bei der typischen Betriebsaufspaltung, 1990; Für die Arbeitnehmer als Gläubiger, v. Steinrück, 1994; Belling! Collas, NJW 1991, 1919 ff. 565
BGHZ 109, 55; anders noch das Berufungsgericht OLG Düsseldorf, ZIP 1988,
566
Lutter/ Hommelhoff, §§ 32 aIb Rn. 98 ff; Jaeger/ Henckel, § 32 a KO, Rn. 65;
1201.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
187
zende Funktion auch von Nutzungsüberlassungen befürwortet. Mit der grundsätzlichen Anerkennung eigenkapitalersetzender Gebrauchsüberlassungen ist jetzt das Probleme in den Vordergrund getreten, wie der Tatbestand567 und die Rechtsfolgen zu bestimmen sind. Entsprechend seiner gesamten Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht hat der BGH auch in diesem Fall den Gläubigerschutz konsequent weiter ausgebaut. Seit 1989 hat der Bundesgerichtshof in fünf Fällen seine Rechtsprechung so weiterentwickelt, daß zur Frage der Nutzungsüberlassung mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung vorliegt568 . In seiner Begründung, warum auf die Gebrauchsüberlassung Eigenkapitalersatzregeln anzuwenden sind, bezieht sich der Bundesgerichtsho~69 auf den Sinn und Zweck des § 32 a Abs. 3 GmbHG. Danach steht (wie auch gemäß den Rechtsprechungsregeln) im Vordergrund, daß die Krise der Gesellschaft zu Lasten der Gläubiger durch die Gesellschafterleistungen nicht verschleppt werden soll. Der Gesellschafter steht in der Krise vor der Wahl, entweder die Gesellschaft zu liquidieren oder haftendes Eigenkapital zuzuführen. Entscheidet er sich für Fremdkapital aus Gesellschafterhand, werden die Mittel kraft Gesetz umqualiflziert. Mit einer Nutzungsüberlassung kann zwar keine Zahlungsunfahigkeit beseitigt werden, aber die Nutzungsüberlassung ermöglicht es der Gesellschaft, wie mit einem Darlehen fortzubestehen. Nach außen wird auch hier der Anschein einer Gesellschaft mit ausreichender Kapitalausstattung erweckt. Nach dem Normzweck des § 32 a Abs. 3 GmbHG ist deshalb von einer wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von Darlehen und Nutzungsüberlassung
Ulmer, FS Kellermann, S. 485, 488 ff; Hachenburg, ders., § 32 a, b Rn. 106; KnobbeKeuk, FS Kellermann, S. 227,230 ff; dies., DStR 1992, 823; Homme1hoffl Kleindiek, FS 100 GmbHG, S. 421, 433; Mayer, DStR, 1993, 206, 208; Priester, in Priesterl Timm, S. 1,9 ff; Timm, JuS 1991, 738, 739 f; Vonnemann, DB 1990,261 ff; Fastrich, DZWiR 1993, 27 f; Fabritius, S. 131 ff; Ziegler, S. 80 ff; v. Steinrück, S. 104 ff; Ebenrothl Wilken, BB 1993,305 ff; Bäcker, ZIP 1989,682,690; Büscherl Klusmann, ZIP 1991, 10 ff. 567
S. dazu oben B.II.3.a) aa) ccc).
568 BGHZ 109, 55, 57 ff, "Lagergründstück I" dazu EWiR 1990, 371 (Fabritius); BGHZ 121,31,33 f, "Lagergründstück II" dazu EWiR 1993, 155 (Fleck); BGH ZIP 1993, 1072, 1073, dazu EWiR 1993, 1207 (v. Gerkan); BGH ZIP 1994, 1261, 1263, "Lagergrundstück III" dazu Jasper WiB 1994,680 ff; Altrneppen, NJW 1994,2353 f; BGH ZIP 1994, 1441, 1442, "Lagergrundstück IV". 569
BGHZ 109,55,57; bestätigt in BGHZ 121,31,33 f.
188
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
auszugehen. Der von Kritikern erhobene Einwand, die unterschiedliche dingliche Zuordnung bei Darlehen und Nutzungsüberlassung (die Darlehensvaluta wird Eigentum der Gesellschaft, die schuldrechtlich überlassenen Gegenstände nicht) spreche gegen eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit, widerlegt der Bundesgerichtshof. Auch ohne Eigentumsübertragung kann die Gesellschaft fortgeführt werden, die dingliche Rechtslage ist nicht beim Tatbestand, sondern erst bei den Rechtsfolgen erheblich. Der offene Tatbestand des § 32 a Abs. 3 GmbHG und die vom Gesetzgeber damit verfolgte Strategie vollständiger Erfassung aller Arten eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungenin anderer Rechtsform als der Einlage, ermöglicht es dem Bundesgerichtshof, auch die Nutzungsüberlassung dem Kapitalersatzrecht zu unterwerfen570 •
b) Kritik an der Rechtsprechung Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist sowohl im Ergebnis als auch der Begründung ganz allgemein akzeptiert und begrüßt worden. Als Kritiker der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist namentlich K. Schmidt571 hervorgetreten, dessen Untersuchung nach die Nutzungsüberlassung nicht unter § 32 a Abs. 3 GmbHG fällt. Der vom Bundesgerichtshofund der h.M. § 32 a GmbHG zu Grunde gelegte Normzweck wird als zu weitgehend und unpräzise abgelehnt 572 • Nach K. Schmide73 ist der Normzweck in der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital zu sehen, eine Abgrenzung, die nur dann relevant wird, wenn in der Handelsbilanz ein Passivposten zuzuweisen ist. Konsequent unterliegen nur die Vermögenswerte den Grundsätzen des Kapitalersatzrechtes, die auch auf der Passivseite bilanziert werden können. Das gilt nicht für die Nutzungsüberlassung, da keine dingliche Rechtsänderung, die passiviert werden könnte, eintritt574 • Daß die Nutzungsüberlassung ein Problem hinsichtlich des
570
Ulmer, FS Kellermann, 1991,485,489.
571 K. Schmidt, ZIP 1993, 161 ff; ders., ZIP 1990; 69 ff; ders., Gesellschaftsrecht, § 37 IV 3 S. 961 ff; ScholzJ ders., §§ 32 a, 32 b Rn. 110 ff; wenn auch mit anderen Argumenten stimmen der Kritik zu, Seiler, S. 163 ff; Spiegelberger, DStR 1991,468 ff; Weilbach, GmbHR 1991, 56 ff. 572
K. Schmidt, ZIP 1990, 69, 73 f.
sn Ausführlich in ZIP 1990, 69, 73 f.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
189
Gläubigerschutzes darstellt, erkennt auch K. Sclunidt an, wenn er sie als ein Problem der materiellen Unterkapitalisierung verstanden wissen will. Daher sei ein eigenes System der materiellen Unterkapitalisierung für die Nutzungsüberlassung zu entwickeln. Der Gläubigergefahrdung durch eine Gebrauchsüberlassung soll mit einem Haftungsdurchgriff begegnet werden. Dieser Auffassung schließt sich neuerdings auch v. Gerkan an57S •
c) Stellungnahme
Die Auffassung K. Sclunidts ist nach der Entscheidung Lagergrundstück I in der Literatur umfassend diskutiert und überzeugend widerlegt worden576 • Im Ralunen der Rechtsvergleichung sollen die einzelnen Argumente nicht noch einmal wiederholt werden. Eine Stellungnalune ist nur insoweit unerläßlich, wie es um den "präzisierten" Normzweck von § 32 a GmbHG geht. Die Grundannalune rur das in sich schlüssige System von K. Sclunidt wird nirgends erläutert577 ; es bleibt unklar, warum § 32 a GmbHG - in der Norm geht es um die Konkurssituation - auf den formellen Bilanzausweis abstellt. Daß ein solches restriktives Verständnis des Normzwecks zu kurz greift, ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Für die Beurteilung des eigenkapitalersetzenden Charakters einer Finanzierungsfunktion ist die Bilanz und was darin hätte ausgewiesen werden müssen, unerheblich; so werden Gesellschafterfremdmittel auch ohne Unterbilanz umqualifiziert 578 • Wegen des fehlenden Bilanzpostens soll die Nutzungsüberlassung einen Fall der materiellen Unterkapitalisierung darstellen, also eine Nicht- Kapitalisierung nach der der Gesellschaft gerade keine Mittel zugefiihrt werden579 • Das ist insofern widersprüchlich, als nachgewiesen580 und von K. Sclunide 81 selbst auch akzeptiert ist, daß die m Miet- oder Pachtverträge können keine Bilanzposition begründen, dazu Adler/ Düring/Schmalz, § 258 HGB Rn. 44. 575
v. Gerkan, ZHR 158 (1994), 668, 671.
576 Lutter/ Hommelhoff, § 32 aIb Rn. 113; Büscher/ Klusmann, ZIP 1991, 10 ff; Knobbe- Keuk, FS Kellermartn, S. 227,233 ff; Ulmer, FS Kellermann, S. 485,489 ff.
m Darauf weisen hin: Knobbe-Keuk, FS Kellermann, S. 227, 234; v. Steinrück, S. 107. 578
Knobbe-Keuk, FS Kellermann, S. 227, 234; v. Steinrück, S. 107.
579
Zur Materiellen Unterkapitalisierung s. oben A.1.3.
580
Sehr ausführlich, Fabritius, S. 49 ff.
190
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Nutzungsüberlassung Finanzierungscharakter besitzt und für die Gesellschaft eine Maßnahme der Mittelbeschaffung istS82 • Ebenfalls widersprüchlich ist die Beurteilung des Finanzierungsleasings durch K. Schmidt. Diese Form der Finanzierung unterfallt nach seiner Meinung § 32 a Abs. 3 GmbHGs83 , obwohl bei der leasingnehmenden Gesellschaft kein Bilanzposten gebildet wirds84 • Das gleiche gilt, wenn der Gesellschafter für die Kredite Dritter Sicherheiten bestellt, auch hier findet sich kein Niederschlag in der BilanzS8S • Eine Ausgangsbetrachtung nach der der Nonnzweck des § 32 a GmbHG durch die Möglichkeit, in der Bilanz e'inen Passivposten begründen zu können bestimmt wird, ist nicht überzeugends86 • Im Ergebnis ist der Nonnzweck des § 32 a GmbHG, wie der BGH ihn auslegt, zu bejahen mit der Folge, daß § 32 a Abs. 3 GmbHG auch gilt, wenn der Gesellschafter der in der Krise befindlichen Gesellschaft Sachen zur Nutzung überläßt.
2. Tatbestandliehe Voraussetzungen für eine kapitalersetzende Nutzungsüberlassung Für die Bestimmung der Eigenkapitalersatzfunktion bei der Nutzungsüberlassung gilt wie bei den Darlehen das ausfüllungsbedürftige Merkmal des Finanzierungsverhaltens eines ordentlichen Kaufmanns S87 • Die Konkretisierung erfolgt grundsätzlich wie bei den Darlehen nach den Merkmalen der
581
K. Schmidt, ZIP 1990, 69, 73.
582
So überzeugend v. Steinrück S. 107.
583
Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn.l08; ders., ZIP 1990, 69, 71.
584 Ausführlich auch zu den Hilfskonstruktionen von K. Schmidt: BüscherlKlusmann, ZIP 1991, 10, II fmwN; v. Steinrück, S. 108. 585 Ulmer, FS Kellermann, S. 485, 491; § 251 HGB, der die Pflicht begründet, Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von Sicherheiten zu vermerken, betrifft den umgekehrten Fall: Der Kaufmann bestellt Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten, Adler/ Düring/ Schmalz, § 251 HGB Rn. 62. 586 Zu der überzeugenden Widerlegung der methodischen Kritik von K. Schmidt: Ulmer, FS Kellermann, S. 485,489 ff; Knobbe- Keuk, FS Kellermann, S. 227,228 ff; v. Steinrück, S. 108 ff. 587
Dazu ausführlich, oben B.II.3.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
191
Konkursreife und der Kreditwürdigkeit. Da die Kreditwürdigkeit speziell auf die Darlehensvergabe zugeschnitten ist, wird nach verbreiteter Auffassung S88 im Rahmen der Nutzungsüberlassung das funktionale Äquivalent der Überlassungswürdigkeit verwendet. Besonderheiten ergeben sich insoweit niche 89 .
3. Rechtsfolgen einer eigenkapitalersetzenden NutzungsUberlassung
Die Rechtsfolge für kapitalersetzende Darlehen ist bekannt: Sie werden in haftendes Kapital umqualifIziert und stehen den Gläubigem im Konkurs zur Verfügung, um sich zu befriedigen. Welche Rechtsfolge eintritt, wenn eine Nutzungsüberlassung als kapitalersetzend eingeordnet wird, ist umstritten. In der Frage der Rechtsfolge ist zu unterscheiden, ob die Miet- bzw. Pachtzinsen, das Nutzungsentgelt oder die Nutzungsüberlassung an sich zu beurteilen ist. Im Hinblick auf die Reichweite des Gläubigerschutzes sind diese Fragen von erheblicher Bedeutung, da es von ihrer Beantwortung abhängt, welche Vermögenswerte in den Haftungsfonds mit eingehen.
a) Verstrickung des Nutzungsentgelts im Gesellschaftsvermögen In den ersten zwei Entscheidungen zur Nutzungsüberlassung (Lagergrundstück I und 11) hat der BundesgerichtshoP90 mit Zustimmung der ganz allgemeinen Meinung S91 für das Nutzungsentgelt entschieden, es unterliege den Rechts-
588
BGHZ 109,55,63; 121,31,38 f; für das Schrifttum: Lutter/ Hommelhoff, § 32
aJ b Rn. 102; Hueck, ZGR 1989, 216, 230; v. Gerkanl Hommelhoff, Kapitalersatz, S. 152 f; Knobbe-Keuk, OStR 1992, 823 ff; a.A: Vonnemann, OB 1990,261,262. 589
Zu den Grenzen des Merkmals, s. oben B.II.3.a).
590 BGHZ 109,55,66; 121,31,43 f. Zum Lagergrundstück II siehe Wiedemannl Fleischer, JZ 1994, 206 ff; Fleck, EWiR 1993, 155. 591 Ganz h.M: Hachenburg/ Ulmer, § 32 a, b Rn. 112; ders., FS Kellermann, S. 485, 498; Lutter/ Hommelhoff, §§ 32 aIb Rn. 104; Priester, Gebrauclisüberlassungsverhältnisse, S. 1, 19; Orygala, BB 1992,80,80; ders., S. 64; Knobbe-Keuk, FS Kellermann, S. 227,239 f, dies., BB 1984, 1,4; Hueck, ZGR 1989,216,236 f; ders., in Baumbach/ Hueck, § 32 a Rn. 32; Brandes, ZGR 1989, 244, 251; Fabritius, S. 132 ff; Wiedemannl Fleischer, JZ 1994,206 ff; a.A: nur Lauer WM 1990, 1693, 1694, der kritisiert, daß der grundpfandrechtliche Haftungsverband unzulässig eingeschränkt wird, dagegen ausführlich und zu Recht v. Steinrück, S. 134 ff.
192
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
folgen des Kapitalersatzes. Danach kann der Gesellschafter im Konkurs oder Vergleichsverfahren aufgrund von § 32 a GmbHG seine Forderungen aus einem Miet- oder Pachtverhältnis nicht zur Konkurstabelle anmelden. Schon ausgezahlte Miet- oder Pachtzinsen sind unter den Voraussetzungen der §§ 32 a, 37 KO zurückzugewähren. Nach den Rechtsprechungsregeln sind die Mietoder Pachtzinsen gem. § 30 GmbHG in Höhe des Stammkapitals gebunden; bei Ausschüttung sind sie gem. § 31 Abs. 1 GmbHG an die Gesellschaft zurückzuerstattenS92 . In den Fällen, in denen die Unternehmenskrise länger andauert, können schon auf diesem Weg erhebliche Beträge in die Konkursmasse einfließen s93 .
b) Verstrickung des Nutzungsrechtes im Gesellschaftsvermägen aa) Überblick Mit zwei gleichzeitig ergangenen Urteilen (Lagergrundstück III und IV)S94 nimmt der Bundesgerichtshof erstmals zu der Frage Stellung, inwiefern das Nutzungsrecht selbst und nicht nur die Zinsen von den Rechtsfolgen des Kapitalersatzes erfaßt werden. Diese bislang offene und nicht abschließend geklärte Frage wurde im Schrifttum mit sehr unterschiedlichen Ansätzen äußerst kontrovers und umfangreich diskutiert. Deshalb lagen dem Bundesgerichtshof zu dem Zeitpunkt, als die Fälle zu beurteilen waren, die verschiedensten Rechtsfolgenmodelle vor. Folgende FragenS9S sind im Schrifttum besonders erörtert worden: Führt der kapitalersetzende Charakter der Gebrauchsüberlassung zu einem Eigentumsübergang der Gegenstände an die Gesellschaft? Oder sind die Gesellschafter verpflichtet, an die Gesellschaft den Substanzwert der Gegenstände zu zahlen? Ist die Rechtsfolge nur auf die Mietzinsen beschränkt? Und darf die Gesellschaft die zur Nutzung überlassenen Gegenstände behalten, solange die Krise dauert? Anband der Fragen wird deutlich, wie die vertretenen Auffassun-
592 Das Nutzungsentgelt entspricht wirtschaftlich den Zinsen beim Darlehen, BGRZ 109, 55, 66 mit Verweis auf die Rechtsprechung zur Behandlung von Zinsen eines kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens; Brandes, ZGR 1989, 244, 251; Fabritius, S. 132 ff. 593
Darauf weist hin Priester, Gebrauchsüberlassungsverhältnisse, S. 1, 19 f.
594
BGR Urt. vom 11.7. 1994, ZIP 1994, 1261 und BGR ZIP 1994, 1441.
595
Siehe dazu Jasper, WiB 1994, 681.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
193
gen von einem Verlust des Aussonderungsrechtes der Gesellschafter an den überlassenen Gegenständen bis zu der Forderung reichen, ausschließlich den Mietzins im haftenden Vermögen zu verstricken. Im Rahmen der Rechtsvergleichung ist es weder notwendig noch möglich, die gesamte Debatte in ihrer Breite und Tiefe kritisch zu erörtem596 . Darum sollen insbesondere die tragenden Überlegungen des Bundesgerichtshofes herausgearbeitet werden, um festzustellen, welche Konsequenzen für die Praxis zu ziehen sind. War die Frage nach den Rechtsfolgen im Grundsatz auch offen, so sind doch gleichzeitig Schranken durch die Methodik vorgegeben. Eine Lösung des Problems muß sich am Regelungsinhalt des § 32 a Abs. 1 GmbHG orientieren. Denn § 32 a Abs. 3 GmbHG spricht von einer "sinngemäßen" Anwendung des Absatz 1, die sowohl für den Tatbestand als auch die Rechtsfolgen gilt. Diese im Schrifttum erarbeitete und allgemein akzeptierte Grundlegung 597 macht sich auch der Bundesgerichtshof'98 in seinen Entscheidungen Lagergrundstück III und IV zu eigen. Dem Normzweck des § 32 a Abs. 1 GmbHG lassen sich hinsichtlich der Rechtsfolge nachstehende Wertungen entnehmen: 1. Gesellschafterdarlehen werden wie Eigenkapital behandelt, eine Rückforderung im Konkurs ist nicht möglich. 2. Die Gesellschafter unterliegen keiner Pflicht zur "angemessenen" Kapitalausstattung; in der Konsequenz gibt es keine Nachschußpflicht; der Gesellschafter haftet nur mit derjenigen Leistung, die er auch eingebracht hat599 .
596 Einen ausführlichen Überblick geben Ziegler, S. 88 ff; Drygala, S. 62 ff. Die Ansichten reichen von der Forderung, daß die überlassenen Gegenstände in die Konkursmasse fallen bis zu einer ausschließlichen Haftung lediglich des Entgelts. 597 Zuerst Knobbe- Keuk, BB 1984, 1, 4 ; Ulmer, ZIP 1984, 1163, 1173; Brandes, ZGR 1989,244,245 ff; nach der ersten Lagergrundstückentscheidung, Knobbe-Keuk, FS Kellermann, S. 227, 231 ff; Priester, in Priesterl Timm, S. 1, 19 ff; v. Steinrück, S. 136 ff.
598
BGH ZIP 1994, 1261,1266; ZIP 1994, 1441,1445.
599 Schlagwortartig läßt sich die Wertung folgendermaßen umschreiben: Grundsätze des Eigenkapitalersatzes dienen der Kapitalerhaltung, nicht der Kapitalbeschaffimg, OLG Hamm DZWiR 1993,25,26; dazu Fastrich, DZWiR 1993,27 ff; Hommelhoffl Kleindiek, FS 100 Jahre GmbHG, S. 421, 436; Knobbe- Keuk, FS Kellermann, S. 227,240 f; Ulmer, FS Kellermann, S. 485,500; Hachenburgl Ulmer, § 32 a, b Rn. 114; Lutterl Hommelhoff, § 32 aI b Rn. 106.
J3 Gchdc
194
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Hierin liegen die Grenzen dessen, was von dem Normzweck des § 32 a Abs. 1 GmbHG hinsichtlich der Rechtsfolge erlaubt ist, was sein muß, und was sein darf° o•
bb) Eigentumsübergang der vermieteten oder verpachteten Gebrauchsgegenstände Während beim Gesellschafterdarlehen die Gesellschaft Eigentum an dem Vermögenswert erlangt, geht bei der Nutzungsüberlassung das Eigentum an den Gegenständen nicht auf die Gesellschaft über601 • Dennoch wollen einige Ansichten die gesamte eigenkapitalersetzendeLeistung erfassen, indem sie den Verlust der dinglichen Rechtsstellung im Konkurs fordem 602 • Demnach soll der Konkursverwalter das eigentlich nur dem Eigentümer zustehende Recht der Aussonderung gern. § 43 KO wahmelunen603 • Eine solche Rechtsfolge hätte den weitest möglichen Gläubigerschutz; der nur vermietete oder verpachtete Gegenstand wird behandelt, als wäre er dinglich übertragen worden. Um diese sehr einschneidende Rechtsfolge zu begründen, argumentiert die Ansicht mit
600 Sehr plastisch drückt Knobbe-Keuk, FS Kellennann, S. 485, 500 aus, wo die Grenzen der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von Darlehensgewährung und Nutzungsüberlassung liegen: "Wie im Falle der Darlehensgewährung kann - die sinngemäßeAnwendung des § 32 a Abs. 3 GmbHG bei der Vennietung und Verpachtung auch nur zu einer anderen rechtlichen Bewertung des tatsächlichen Geschehens, nicht aber zur Fiktion eines ganz anderen Geschehens führen." 601
Vgl. nur BGHZ 121,31,45.
602 So ausdrücklich Wiedemann, ZIP 1986, 1293, 1300; Vonnemann, OB 1990,261, 262 f; Drygala, S. 70 ff; ders., BB 1992, 80, 81; Ebenrothl Wilken, BB 1993,305,309; Wellkamp, OB 1993, 1759, 1761, der den Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung in den Vordergrund schiebt; Keßler, GmbHR 1993, 541, 545 f, mit der Einschränkung, daß nur solche Wirtschaftsgüter erfaßt sein sollen, die auf den Bedarf der Gesellschaft zugeschnitten sind. 603 Der Bundesgerichtshof, ZIP 1994, 1261, 1264 klammert ausdrücklich die sehr strittige Frage aus, ob ein obligatorisches Nutzungsrecht überhaupt Gegenstand einer Sacheinlage sein kann. Dazu ausführlich Fabritius, S. 161 ff; Bork, ZHR 154 (1990), 205; K. Schmidt, ZHR 154 (1990), 237. In seiner Begründung führt der Bundesgerichtshof aus, daß es für die kapitalersetzende Nutzungsüberlassungnicht auf die Zulässigkeit einer Sacheinlage ankomme, sondern nur darauf, inwiefern der Wert der Nutzungsüberlassung als Eigenkapital in der Gesellschaft gebunden werden kann.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
195
einem höheren Bedürfnis nach Gläubigerschutz604 oder einer Folgeverantwortung des Gesellschafters60s . Gemeinsam ist den Ansätzen wie eine Parallele zwischen der Darlehensgewähr und der Gebrauchsüberlassung gezogen wird, ohne die dingliche Zuordnung zu berücksichtigen. Eine solche Auffassung verkennt aber eine Grundwertung des Kapitalersatzrechtes: Werden die Gegenstände, obwohl sie vermietet oder verpachtet sind, wie Eigentum behandelt, wird dem Gesellschafter mehr abverlangt, als er gegeben hat; es würde so auf Umwegen eine Nachschußpflicht statuiert. Im nachhinein wird noch das Eigentum gefordert606 . Zudem kann nicht dargelegt werden, warum eine dingliche Änderung der Rechtslage eintreten soll, obwohl sich dafür weder in § 32 a GmbHG noch in den Rechtsprechungsregelnzum Kapitalersatz eine Grundlage finden läßt. Entsprechend der zweiten Grundwertung ist die Leistung, die der Gesellschafter mit der Nutzungsüberlassung erbringt, allein das Recht, die Sache zu nutzen. Dadurch wird eben nicht das Eigentum geleistet, sondern nur das Nutzungsrecht. Zu Recht lehnt der Bundesgerichtshof deshalb die Auffassungen ab, die eine dingliche Rechtsänderung befürworten607 . Ebenfalls abzulehnen sind die Rechtsfolgenlösungen, nach denen ein Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter in Höhe des Substanzwertes bestehen so1l608. Denn der Gesellschafter führt der Gesellschaft weder die Substanz noch den Substanzwert zu. Dieser Ansicht fehlt nicht nur eine passende Rechtsgrundlage, sie würde überdies auch zu einer unzulässigen mittelbaren Nachschußpflicht des Gesellschafters führen.
cc) Beschränkung auf die Miet- oder Pachtzinsen Führt der Gesellschafter der Gesellschaft das Nutzungsrecht an den Betriebsgegenständen zu, dann wird dadurch der Gegenstand der Umqualifizierung gebildet. Diejenigen Ansichten, die die Rechtsfolgen auf die vereinbarten Mietoder Pachtzinsen beschränken wollen, sind deshalb abzulehnen. Denn der
604
So Drygala, S. 70 ff; ders., BB 1992, 80, 81.
605 Wiedemann, ZIP 1986, 1293, 1300. 606 Ablehnend kommt noch hinzu, daß weder §§ 32 a, b GmbHG noch §§ 30, 31 GmbHG die dingliche Rechtslage ändern können.
607 BGH ZIP 1994, 1261, 1264; BGH ZIP 1994, 1441, 1443. 608 So etwa Bäcker, ZIP 1989,681,691 mwN. 13'
196
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Gegenstand der UmqualiflZierung ist nicht das ersparte Nutzungsentgelt, sondern die Möglichkeit, die überlassenen Gegenstände nutzen zu können609 • Hätte ein Dritter der Gesellschaft die Gegenstände überhaupt nicht mehr überlassen, dann liegt der Wert, der die Fortführung des Unternehmens ermöglicht, nicht in erster Linie darin, daß die Nutzung kostenlos, sondern darin, daß sie überhaupt gewährt wird610 •
dd) Verstrickung des Nutzungsrechtes Aus den Ablehnungen läßt sich schließen, daß weder die Substanz noch der Substanzwert die eigenkapitalersetzendeLeistung bei der Nutzungsüberlassung ausmacht, sondern nur das Nutzungsrecht selbst. Soll das Nutzungsrecht im Konkurs dem Gesellschaftsvermögen angehören und verwertet werden, ist folgende Feststellung zu beachten: Die vom Gesellschafter geleistete Nutzungsmöglichkeit beruht nicht auf einem dinglichen Recht, sondern einem schuldrechtlichen Vertrag. Deshalb ist fiir die Bewertung und Bemessung des Nutzungsrechtes die im Vertrag enthaltene Begrenzung, vor allem die Dauer des Rechtes, maßgeblich61 \ • Damit folgt der Bundesgerichtshof denjenigen Auffassungen, die eine UmqualiflZierung nur fiir den Zeitraum befiirworten, für den sich die Gesellschafter zur Erbringung verpflichtet haben612 • Die Dauer der Nutzungsüberlassung richtet sich grundsätzlich nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft. Die Anerkennung der vertraglichen Vereinbarungen ist allerdings im Ausnahmefall eingeschränkt: Sie gelten nur insoweit, als sie ernsthaft gewollt sind und nicht ihrerseits gegen den Gedanken des Kapitalersatzrechtes verstoßen. Solche Fälle liegen vor, wenn fiir den Konkurseintritt eine Kündigungsmöglichkeit vorgesehen ist, oder wenn sehr kurze Vetragslaufzeiten oder Kündigungsfristen gelten, die mit der Art und dem Umfang der Nutzungsüberlassung
609
BGH ZIP 1994, 1261, 1265.
6\0
BGH ZIP 1994, 1261, 1265.
611
BGH ZIP 1994, 1261,1265.
6\2 Hommelhoff/ Kleindiek, FS 100 Jahre GmbHG, S. 421,436; Hueck, ZGR 1989, 216,238 f; Lutter/ Hommelhoff, §§ 32 aIb Rn. 118 f; Priester, Gebrauchsüberlassungsverhältnisse, S. 1,21; Ulmer, FS Kellermann, S. 484,489 ff; Hachenburg/ Ulmer, § 32 a,b Rn. 115; v. Steinrück, S. 139.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
197
nicht vereinbar sind. Allgemein werden die vertraglichen Vereinbarungen von der Rechtsprechung in der Zukunft nur solange akzeptiert, wie sie auch mit einem fremden Dritten vereinbart worden wären6l3 • Untypische Vertragsbedingungen korrigiert das Gericht, indem es die Nutzungsdauer, der ein Dritter nicht zugestimmt hätte, verlängert. Eine solche Korrektur qua Gericht widerspricht aber nicht dem Verbot einer Nachschußpflicht für Gesellschafter. Denn der Gesellschafter soll nur an der Vertragsdauer festgehalten werden, die er ernsthaft beabsichtigt. Er soll nicht die Möglichkeit erhalten, das Risiko einer Umqualifizierung durch vertragliche Gestaltung selbst einschränken zu können. Sonst könnte der Gesellschafter gegen den Grundsatz des Kapitalersatzrechtes verstoßen, nach dem eine Risikoabwälzung auf die Gläubiger unzulässig ist.
c) Venvertung des Nutzungsrechtes Für den Zeitraum, in dem das Nutzungsrecht der Gesellschaft zu belassen ist, hat der Konkursverwalter zwei Verwertungsmöglichkeiten. Entweder kann er das Recht selbst nutzen, indem er den Betrieb fortführt oder er überläßt einem Dritten das Recht zur Ausübung oder Weiterübertragung614 . Zu Recht wird deshalb in diesem Zusammenhang von der "Zwangsüberlassung" gesprochen6l5 • Eine Fortführung des Unternehmens wird aber nur in wenigen Fällen sinnvoll sein, da das Konkursverfahren in der Regel zu einer Beendigung der Betriebstätigkeit der Gesellschaft unter Zerschlagung der Vermögenswerte führt616. Kann das Unternehmen dennoch fortgeführt werden, ergeben sich Probleme, weil die Fortführung zu einer Verlängerung des Konkursverfahrens führt, so daß sich die Schlußverteilung der Vermögensmasse hinauszögert6l7 • Unmöglich ist eine Verwertung schließlich, wenn der Konkursverwalter die zur Nutzung überlassenen Sachen wegen ihres besonderen Zuschnittes nicht vermieten oder verpachten kann.
613 Zu den unterschiedlichen Indizien, um das Verhalten Dritter zu bestimmen, vgl. ausführlich BGH ZIP 1994, 1261, 1265.
614 BGH ZIP 1994, 1261,1265. 615
Drygala, S. 65.
616
So auch v. Steinrück S. 141.
617 Dazu ausführlich Drygala, S. 65 f, der aus diesem Grund das Konzept einer Zwangsüberlassung ablehnt.
198
1. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Um in solchen Fällen dennoch den Haftungsfonds im Interesse der Gläubiger zu erweitern, wird im Schrifttum teilweise eine Kapitalisierung des Verwertungsrechtes gefordert6\8. Danach soll der Konkursverwalter gegen Herausgabe der von der Gesellschaft genutzten Gegenstände einen Wertersatzanspruch gegen die Gesellschafter erhalten. Als größtes Problem in der Diskussion wurde immer die Frage gesehen, auf welche Rechtsgrundlage ein solcher Anspruch gestützt werden könnte. Die verschiedentlich vorgeschlagene analoge Anwendung des § 32 b GmbHG kommt nicht in Betracht, da eine Vergleichbarkeit zwischen der Nutzungsüberlassung und der Besicherung eines Fremdkredites durch den Gesellschafter nicht besteht6l9 • Um dennoch den Wertersatzanspruch durchzusetzen, forderte die Literatur vom Bundesgerichtshof eine Rechtsfortbildung des § 32 a GmbHG620 • In seinen Entscheidungen Lagergrundstück III und IV hat der Bundesgerichtshof nicht den Weg einer Rechtsfortbildung beschritten, sondern einen Wertersatzanspruchwegen der fehlenden Rechtsgrundlage grundsätzlich abgelehnt621 • Das Risiko, daß der Konkursverwalter die Nutzungsrechte nicht weiter verwerten kann, wird den Gläubigem und nicht den Gesellschaftern zugewiesen. Eine Ausnahme, die zu einer Ersatzpflicht der Beteiligten führt, gilt in zwei Fällen: Entweder ergibt sich eine solche aufgrund einer Vereinbarung oder entsprechend den Leistungsstörungsregeln, wenn der Gesellschafter die Nutzung - z.B. durch Verkauf des überlassenen Gegenstandes - unmöglich gemacht hat622 •
618 v. Gerkanl Hommelhoff, Kapitalersatz im Gesellschafts- und Insolvenzrecht 2. Aufl, S. 154; v. Gerkan, GmbHR 1986,218,223; ders., EWiR 1992,883,884; Fabritius, S. 177 ff; Ziegler, S. 101 f; Bäcker, ZIP 1989,681,691; ders, S. 209 ff; Vonnemann, OB 1990,261,263; Junge, FS Merz, S. 83 ff; Keßler, GmbHR 1993,541,546; Wellkamp, OB 1993, 1795, 1761; Büscherl Klusmann, ZIP 1991, 10, 15 f. 619 Ausführlich Ulmer, FS Kellermann, S. 485, 502 f; ders., §§ 32 a, 32 b Rn. 113; Hueck, ZGR 1989, 216, 234; dieser Meinung folgend BGH ZIP 1994, 11261, 1265; a.A.: EbenrothlWilken, BB 1993,305,309.
620
Büscherl Klusmann, ZIP 1991, 10, 16; v. Steinrück, S. 143.
621
BGH ZIP 1994, 1261, 1266; BGH ZIP 1994, 1441, 1445.
622
Jasper, WiB 1994, 681, 682.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
199
4. Ergebnis
Der Bundesgerichtshof hat das Kapitalersatzrechtim Interesse der Gläubiger konsequent weiter ausgebaut. Gern. § 32 a Abs. 3 GmbHG kann auch eine Nutzungsüberlassung eine kapitalersetzende Gesellschafterleistung darstellen, denn auch mit ihrer Hilfe kann die Krise einer Gesellschaft verschleppt werden mit der Folge, daß sich das Vermögen der Gesellschaft weiter verringert. Der Verstrickung des Kapitalersatzrechtes unterfallt nicht nur das Nutzungsentgelt, sondern auch das Nutzungsrecht selbst. Damit besteht für die Gesellschafter nicht die Gefahr, daß das Gericht die dingliche Zuordnung der Gegenstände ändert. Da sich die Dauer des Nutzungsrechtes nach den vertraglichen Vereinbarungen richtet, haben die Gesellschafter die Möglichkeit, die kapitalersetzende Nutzungsüberlassung selbst einzuschränken623 • Die Gesellschafter haben lediglich zu befürchten, daß das Nutzungsrecht auf die typische Dauer der bestimmten Überlassung ausgedehnt wird. Damit wird die Rechtsfolge dem Grundsatz des Kapitalersatzrechtes gerecht, daß der Gesellschafter keiner Nachschußpflicht unterliegt. Durch die Ausweitung des Kapitalersatzrechtes auch auf kapitalersetzende Nutzungsüberlassungen erweitert sich die Haftungsgrundlage der Gläubiger im Konkurs beträchtlich.
m. Rechtsfolgen Die Rechtsfolgen einer UmqualifIzierung von Gesellschafterfremdmitteln in haftendes Quasi- Eigenkapital richtet sich nach den zweistufIgen Regeln zum Kapitalersatz, bestehend aus den Rechtsprechungsregeln und § 32 a GmbHG.
1. Die Rec:htsfolge außerhalb des Konkurses
EigenkapitalersetzendeGesellschafterleistungenwerden behandelt wie in der Gesellschaft gebundenes Stammkapital. Soweit das Gesellschafterdarlehen das verlorengegangene Stammkapital ersetzt, ist es nach § 30 Abs. 1 GmbHG analog gebunden und darf nicht an die Gesellschafter zurückgezahlt werden.
623
So ausdrücklich als Hinweis, Jasper, WiB 1994, 681, 682.
200
I. Kap.: Rechtslage in Deutschland
Eine Rückzahlung ist erst in dem Moment zulässig, in dem der Gesellschaft auch nach der Entnahme noch das Vermögen in Höhe des Stammkapitals verbleibt. Verstößt der Gesellschafter gegen diese Bindung, ist er gern. § 31 I GmbHG verpflichtet, der Gesellschaft die Mittel zurück zu erstatten. Die Höhe der Haftung ist auf die Höhe des satzungsmäßigen Stammkapitals beschränkt. Damit verstricken die Rechtsprechungsregelndie Gesellschaftermittel unabhängig vom Eintritt eines Gesellschaftskonkurses. Ebenso wie §§ 30, 31 GmbHG schützt diese Regelung unmittelbar das Gesellschaftsvermögen und somit mittelbar als Reflex die außenstehenden Gesellschaftsgläubiger624 •
2. Die Recbtsfolge im Konkurs
Im Konkurs der Gesellschaft werden die Forderungen aus kapitalersetzenden Darlehen in der Konkursmasse verstrickt, wie § 32 a Abs. 1 S. 1 GmbHG klarstellt, auch wenn der Rückzahlungsanspruch des Gesellschafters aus § 607 Abs. 1 BGB weiter besteht625 • Gleichwohl ist der Gesellschafter wegen seiner Ansprüche kein Konkurs- oder VergleichsgläubigeriSd §§ 3 KO, 8 VeglO und kann folglich keinen Anspruch zur Konkurstabelle anmelden. Die Novellemegeln hindern den Gesellschafter auch, seinen Rückzahlungsanspruch gegen eine Forderung der Gesellschaft aufzurechnen. Obwohl die GmbH- Novelle eine eigenständige Rechtsgrundlage rur die kapitalersetzendenGesellschafterdarlehen schaffen wollte, blieben die Rechtsprechungsregeln weiterhin anwendbar, mit der Folge, daß die §§ 30, 31 GmbHG auch im Konkurs der Gesellschaftweitergelten. Ein Unterschied zu der Situation außerhalb des Konkurses ergibt sich nur insoweit, als der Anspruchsteller nicht mehr die Gesellschaft vertreten durch ihren Geschäftsruhrerist, sondern der Konkursverwalter. Ein Unterschied zu den Rechtsprechungsregeln resultiert aus der Höhe, in der das eigenkapitalersetzende Darlehen umqualifiziert wird. Nach den Novellen Regeln (§§ 32 a, b GmbHG, §§ 32 a, 41 KO, § 3 b AnfG) ist nach der Konkurseröffnung das eigenkapitalersetzendeDarlehen in der gesamten Höhe gebunden, einschließlich der jeweiligen wirtschaftlich entsprechendenLeistungen (§ 32 Abs. 3 GmbHG),
624 Zu den Unterschieden der Rechtsprechungsregeln sowie des § 32 a GmbHG siehe oben A.II.3. 625
Siehe nur Lutter/ Hommelhoff, §§ 32 alb Rn. 67.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
201
und zwar nicht nur bis zu dem Betrag des Stammkapitals plus einer darüberhinausgehenden Überschuldung. Eigenständige Bedeutung haben die Novellen Regeln deshalb für eigenkapitalersetzende Darlehen, die in ihrem Betrag über das verlorengegangene Stammkapital hinausgehen.
2. Kapitel
Rechtslage in den USA A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin I. Haftungsrechtlicher Gläubigerschutz mit Instrumenten des Gesellschafts- und Insolvenzrechtes 1. Kein prllventiver Glllubigerschutz durch die Schaffung
eines Garantiekapitals
Als präventive Maßnahme des Gläubigerschutzes kommt die Einrichtung eines Garantiekapitals in Betracht, um der Gesellschaft zunächst ein Anfangskapital zu sichern. Dazu müssen sowohl die Einlagen der Gesellschafter in ihrer Höhe bestimmt sein, als auch die Mittel gegen eine sofortige Auszahlung an die Gesellschafter gesichert werden. Der Begriff des Garantiekapitals ist in fast allen amerikanischen bundesstaatlichen Gesetzen) zum Gesellschaftsrecht enthalten. Die amerikanische Entsprechung lautet stated capital und errechnet sich aus der Anzahl der Aktien, multipliziert mit ihrem Nennwert. Das auf diese Weise gebildete Garantiekapital bezweckt den Gläubigerschutz, damit im Konkurs eine gewisse Haftungsgrundlage zur VertUgung stehf. Aus dem eingerichteten Garantiekapital haben ) Die Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich des Gesellschaftsrechtes liegt nicht zentral beim Bund, sondern bei den einzelnen Gliedstaaten; in der Folge besteht kein einheitliches amerikanisches Gesellschaftsrecht. Dazu Blumenwitz, D., Einführung (1990), S. 43; Merkt, US- amerikanisches Gesellschaftsrecht( 1991), S. 135 ff; Hamilton, Corporations 4th ed., S. 5 f; Hennl Alexander, Corporations, (1983), § 12, S. 23 ff. Da sich alle Bundesstaaten an dem von der american bar association und dem american law institute erarbeiteten Mustergesetz, dem revised model business corporation act (RMBCA) orientieren, jedoch gelten die gleichen Grundprinzipien. Der RMBCA ist abgedruckt bei MurtindalelHubbel, Law Directory, Vol. VII, Law Digest Uniform Act Part VI, S. 6 ff (1984). 2
Vgl. nur Ballantine, Corporations, § 206, S. 479; Ballantine/Hills beschreiben die
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
203
die Gerichte Ansprüche auf Einzahlung und Erhaltung des stated capital abgeleitee . Seit Anfang des Jahrhunderts wurden in den USA Aktien jedoch nicht mehr zum Nennwert, die das Garantiekapital festlegen, sondern als sog. nennwertlose Aktien ausgegeben, die lediglich einen Anteil am Unternehmen verkörpern4 • Solange die Aktien einen hohen Nennwert haben, besteht eine Beziehung zwischen Garantiekapital und eingezahlter Einlage zumindest zu Beginn der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft. Der Bezug geht jedoch vollkommen verloren, wenn die Aktien mit geringerem Nennwert, als low par stock, oder ohne Nennwert, als no par stock, ausgegeben werdenS. No par stocks können zu jedem beliebigen Preis verkauft werden, so daß es nicht mehr möglich ist, durch das Multiplizieren von Wert und Anzahl der Aktien ein bestimmtes Grundkapital der Gesellschaft zu errechnen. Die Aufgabe, den Wert des Grundkapitals, des stated capitals, zu bestimmen, wird von Seiten des board of directors wahrgenommen und ist damit in der Konsequenz beliebig manipulierbar6 • Eine präventive Gläubigerschutzfunktionkann so nicht mehr erfüllt werden und folgerichtig wird in denjenigen Staaten, in denen noch ein in der Höhe festgelegtes Garantiekapital gefordert ist, es als "sinnentleertes Ritual" oder "pro forma" Voraussetzung gewertef. Fordern einige Bundesstaaten doch noch ein Garantiekapital, so besitzt es eine Höhe von 1000 Dollar, ist gegen eine Rückzahlung an die Gesellschafter nicht geschützt und kann die Gläubiger keinesfalls schützenS. Die heute in den USA maßgeblichen und einflußreichen RegeFunktion folgendermaßen: The legal capital may be compared with a certain level marked by a gauge upon the corporate reservoir of assets. If the assets stand above the level, they may be drown off for the shareholders. If the assets fall below that level the remaining supply must be reserved for business purposes and for the creditor" . Ballantine/Hills, 23 Calif. L. Rev. 229,234 f (1935). 3 Das Prinzip ist in zwei alten Entscheidungen niedergelegt, Wood v. Dummer, 3 Mason 308, 30 f. Cas. 435 ff (C.C.D. Me. 1824); Sawyer v. Hoag, 84 U.S. 610 ff (1873); dazu aus deutscher Sicht Kübler, WM 1990, 1853, 1854. 4 Kübler, WM 1990, S. 1853, 1855; ders. ausführlich: Aktie, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, 1989.
5
Manning/Hanks, Legal Capital, 3 ed. S. 26 ff.
6 Siehe Delaware General Corporation Law, Section 153(b); Zu dem Thema auch: Lutter in Festschrift für Riesenfeld, S.165, 172; HennlAlexander, Laws of Corporation, 3 ed.1983, § 123 S. 282 ff; Clark, Corporate Law, 1986, §17.1.2. S. 707 ff. 7 Hackney/Benson, 43 U. Pitt. L.R. 837,857 (1982); ManninglHanks, Legal Capital3 ed. 1990; S. 21. 8
Hackney/Benson, 43 U. Pitt. L.R. 837,853 (1982) nennen 14 Staaten, die noch ein
204
2. Kap.: Rechtslage in den USA
lungen des Delaware General Corporate Law und des Revised Model Business Corporation Act (RMBCA)9 haben ein gesetzliches oder durch Satzung festgelegtes Nennkapital ganz beseitigt; es ist allein Sache des board of directors, über den Zeitpunkt und den Preis bei der Ausgabe neugeschaffener Aktien zu entscheiden 10. Daß mit der beschriebenen Regelung ein Teil des Gläubigerschutzes aufgegeben wird, ist nach amerikanischer Überzeugung in Theorie und Praxis aber nicht der F all 11 • Im Gegenteil wird gerade ein festes Grundkapital für die Gläubiger letztlich sogar als schädlich angesehen '2 : Ein festes Stammkapital sei für die Gläubiger irreführend, da es keinen effektiven Schutz bieten könne. Ein der Kapitalziffer entsprechendes Gesellschaftsvermögen könne durch wirtschaftliche Rückschläge rasch verbraucht sein und bestehe deshalb nur für einen kurzen Zeitraum, nämlich für die Gründungsphase der Gesellschaft '3 . Während der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft schwanke der Finanzbedarf zwischen den Unternehmen, den Branchen und den einzelnen Zyklen der Wirtschaftsentwicklung, so daß die effektive Ausrichtung der Kapitalaufbringungsregeln an einem zu bestimmenden allgemeinen Finanzbedarfnicht möglich sei '4 . Angesichts der Unmöglichkeit, allgemeine Regeln aufzustellen, auf welche Weise der Finanzbedarf eines Unternehmens festzustellen ist, erscheint die Festlegung starrer Mindestkapitalanforderungen willkürlich. Diese Kritik wird durch die Kreditvergabepraxis der amerikanischen Banken bestätigt, für die nicht das Gesellschaftsvermögen nach der Kapitalziffer entscheidend ist, sondern die Liquidität und der cash flow der Unternehmen.
Mindestgarantiekapital fordern. Darunter sind nicht die wichtigen Staaten wie New York, Kalifornien und Delaware. 9
Dazu siehe oben Fußnote 1.
10 Die hier nur kursorisch darzustellende Rechtslage ist das Ergebnis einer längeren Entwicklung in der amerikanischen Rechtsprechung und Gesetzgebung. Dazu Kübler, WM 1990, 1853, 1854.
11 Hamilton, Corporations, 4th ed 1990, Ch. 7 3. S. 308; Manning/ Hanks; Legal Capital 3 ed. 1990, S. 20 ff. 12
Zu den gesamten Argumenten siehe ausführlich Kübler, WM 1990, 1853, 1855.
13
Manning/Hanks, Legal Capital 3 ed. 1990, S. 20 ff.
14
Manning/Hanks, Legal Capital 3 ed. 1990, S. 21.
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
205
Dementsprechend sind die Gesellschafter in ihrer Freiheit, auf welche Weise das Unternehmen zu finanzieren ist, ob mit mehr Fremd- oder mit mehr Eigenkapital in welcher Höhe, nicht durch Regeln über ein Stammkapital beeinflußt. Ex ante besteht eine vollkommene Finanzierungsfreiheit. Eine direkt statuierte Verpflichtung zur Kapitalausstattung besteht nicht. Ein präventiver Schutz der Gläubiger, mit dem Ziele die Folgen der beschränkten Haftung in bestimmten Fällen auszugleichen, um das Risiko wirtschaftlicher Betätigung angemessen zu verteilen, existiert nicht.
2. Aufteilung des Verlustrisikos während der Geschäftstätigkeit des Unternehmens
Im amerikanischen Recht steht es den Gesellschaftern vom Zeitpunkt der Gründung an frei, wie sie ihr Unternehmen finanzieren, ob mit Fremd- oder mit Eigenkapital. Die Freiheit findet ihre Grenzen aber in dem Moment, in dem kein außenstehender Kreditgeber mehr bereit ist, weitere Darlehen zur Verfügung zu stellen. Das wird der Fall sein, wenn entweder die Geschäftsaussichten und die Fähigkeit der Gesellschaft, die Darlehen zurückzuzahlen, als nicht befriedigend beurteilt werden oder wenn die Gesellschaft nicht über ausreichend Eigenkapital verfügt, um mögliche Verluste aufzufangen. Die Abhängigkeit von Geschäftsaussichtenund Eigenkapitalausstattungfolgt in den USA den gleichen wirtschaftlichen Grundsätzen wie in Deutschland. Insofern kann auf die Ausführungen zum deutschen Recht verwiesen werden 1s •
3. Repressiver Gläubigerschutz durch einen Haftungsdurchgriff bei grober Unterkapitalisierung
Nach dem Grundsatz der beschränkten Haftung juristischer Personen haftet nur diese für ihre Verbindlichkeiten, während das Privatvermögen der Gesellschafter nicht zur Haftungsmasse zählt. Piercing the corporate veil, das bildhafte Herunterreißen des Schleiers, macht eine Ausnahme von dieser Regel, indem die Gerichte die rechtliche Eigenständigkeit der juristischen Person durchbrechen. Für die Handlungen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft werden die Gesellschafter verantwortlich gemacht, als wären es ihre eigenen.
15
Siehe dazu 1. Kapitel A.1.2.
206
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Den Gläubigem wird ein vollständiger Rückgriff auf das Vermögen der Gesellschafter gewährt. Die amerikanische Rechtsprechung zu diesem Thema hat eine lange Tradition und ist äußerst umfangreich. So ist der Haftungsdurchgriff dasjenige Thema im Gesellschaftsrecht, mit dem sich die Gerichte in der absoluten Mehrzahl der Fälle beschäftigen müssen l6 . Der Grund dafür liegt darin, daß die Gerichte durch die Einführung der nennwertlosen Aktie und der damit verbundenen Möglichkeit der Gesellschafter, ihren "Einsatz" selbst zu bestimmen, schon sehr friih mißbräuchlichen Ausnutzungen begegnen mußten 17 • Angesichts der Flut von Entscheidungen ist es verständlich, daß schon früh Versuche In rechtsprechung und Literatur eingesetzt haben, ein System zu begründen, um mit allgemeinen Grundsätzen zu einer höheren Rechtssicherheit beizutragen18. Am Anfang der Entwicklung standen allgemeine Beschreibungen des Haftungsdurchgriffes, die folgendermaßen lauteten: "When the notion of legal entity is used to defeat public convenience, justify wrong, protect fraud, or defend crime, the law will regard the corporation as an association of persons,,19. Zum Teil wurde noch abstrakter formuliert: Der Haftungsdurchgriff "is to prevent fraud or achieve equity"20. Beschreibungen solcher Art geben keine handhabbaren Definitionen, weswegen das Problem zunächst vor allem mit wohlklingenden und verhüllenden Metaphern belegt wurde 21 . Um die Defizite der bildhaften Beschreibung, die
16 Thompson, Piercing the Corporate Veil: An empirical Study, 76 Cornell L.R. 1036,1037 f (1991) hat über elektronische Datenbanken 2000 Fälle mit diesem Thema gefunden, während die ansonsten in der Literatur stark umstrittenen, freundlichen und feindlichen Übernahmen in dem Zeitraum nur 300 Fälle ausmachten.
17 Drobnig, Haftungsdurchgriff bei Kapitalgesellschaften, S. 88; Lutter, FS Riesenfeld, S. 168, 172.
18 Zu den Anfangen der Rechtsprechung vgl. zusammenfassend Nacke, S. 75 ff, aus dem älteren Schrifttum Serick, S. 54 ff und Drobnig, S. 25 ff. 19 Judge Sunborn in Uni ted States v. Milwaukee Refrigerator Transit Co.,142 f.247, 255 (C.C.E.D. Wis. 1905). 20
Bartle v. Horne Owners Coop.,Inc., 309 N.Y. 103,127 N.E.2ed 832,833(1955).
21 Gaertner, Reverse Piercing the Corporate Veil, 30 William and Mary L.R. 667,677 f. (1989); Note; Disregard of the Corporate Entity, 4 Wm. Mitchell L.R. 333,351 (1978); Richter Cardozo in Berkey v. Third Ave. Railway.Co., 244 N.Y. 84,155 N.E. 58 (1926) schrieb von den "mists of metaphors": The whole problem of the
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
207
nur feststellt und Vorhandenes beschreibt, aber keine Vorgaben für die Zukunft liefert, zu beseitigen, haben sich mit der Zeit verschiedene Konzepte herausgebildef2 • Dennoch hat sich bisher kein allgemein verbindlicher Standard oder eine einzige Theorie durchgesetzt. Die Feststellung so unterschiedlicher B.eurteilungen und Umschreibungen soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Institut als solches sowie die Ergebnisse im allgemeinen akzeptiert und befürwortet werden23 • Die Unsicherheit in der Anwendung des Durchgriffes resultiert aus den vielschichtigen Fällen mit unterschiedlichen Problemen, denen die Gerichte mit einem Haftungsdurchgriff begegnen sollen24 • In der Folge richten sich Definitionen an Fallgruppen aus. Innerhalb letzterer gibt es verschiedene Faktoren, die zum Teil notwendige, aber keine hinreichenden Gründe für eine Durchgriffshaftung
relation between parent and subsidiary corporations is one that is still enveloped in the mists of metaphor. Metaphors in law are to be narrowly watched, for starting as devices to liberate thought, they end often by enslaving it" , Blumberg PhiJIip 1., The Law of Corporate Groups: Procedural Problems in the Law of Parent and Subsidiary Corporations 8 (1983) meint, die Voraussetzungen wären nicht "entirely comprehensive"; Landers, Jonathan M, A unified Approach to Parent, Subsidiary & Affiliate Questions in Bankruptcy, 42 U.Chicago L.R. 589,620 (1975) meint, das Problem vermisse "Any attempt at rational explanation". 22 Wormser, "Broad Purposive test", Disregard of the Corporate Fiction and Allied Corporation Problems, 1927 S.55 ff; Powell, "Three Pronged test for Veil Piercing" Parent and Subsidiary Corporations: LiabiJity of a Parent Corporation for the Obligations of its Subsidiary, 1931; "Enterprise Entity" Theorie, Berle,A.A., The Theory of Enterprise Entity, 47 Columbia L.R. 343,345 (1947); "Two Prong Test" der kalifomischen Rechtsprechung, Automoritz DeI Golfo Oe Califomia, S.A. Oe. C.V. v. Resnick, 306 P2d 1,4,(Ca\.1957); "Instrumentality Rule" Lowendahl v. Baltimore & Ohio RR 6 N.E. 2d 56 (1936) aus letzter Zeit Harrelson v. Soles, 380 S.E. 2d 528, 531 (N.C. App.1989), Lowell Staats Min. Co. v. Pioneer Uravan, Inc., 878 f.2d 1259, 1262 (10th Cir. 1989); Shapoff v. Scull, 222 Ca\.App.3d 1457 (1990); eine umfassende Darstellung liefert Presser, Piercing the Veil, 1993. 23 Berle,A.A., The Theory of Enterprise Entity, 47 Columbia L.R 343,345 (1947); EasterbrookiFischeJ, 52 U.Chicago L.R Limited Liability and the corporation, S.89,89 (1985); Thompson, Piercing the Corporate Veil: An empirical Study, 76 Comell L.R 1036,1037 f (1991).
24 Gaertner, Reverse Piercing the Corporate Veil, 30 WiJliam and Mary L.R. 667,680 (1989); Blumberg, PhiJIip 1., The Law of Corporate Groups: Tort, Contract, and other Other Common Law Problems in The Substantive Law of Parent and Subsidiary Corporations (1987), § 6.10, S. 136.
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
darstellen, und andere Faktoren, denen eine wesentliche Bedeutung zukommf s. Eine der Fallgruppen, die einen Haftungsdurchgriffbejaht, liegt in einer Unterkapitalisierung der Gesellschaff6 • Um zu bestimmen, was als Unterkapitalisierung zu werten ist, bleibt das Mindestkapital der Gesellschaft aus naheliegenden Gründen unbeachtef 7 • Unterkapitalisierung liegt dann vor, wenn die Kapitalausstattung der Gesellschaft in einem völlig unzureichenden Verhältnis zum Geschäftsumfang und zum Geschäftsrisiko steht und in der Folge keine annähernd adäquate Haftungsgrundlage für die Gläubiger existierf8 • Die jeweiligen Gerichtsurteile sprechen daher von einer Kapitalausstattung, die "grossly inadequate" oder "purely nominal" sei29 • 25 Drüke, S. 14 f nennt verschiedene Faktoren, deren Bedeutung im Verlauf seiner Untersuchung im einzelnen nachgeprüft wird. 26 Als weitere Fallgruppen kommen noch in Betracht: - die Vermischung der Vermögen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bzw. mehreren Gesellschaftern oder fehlendes Auseinanderhalten rechtlich getrennter Gesellschaften im äußeren Erscheinungsbild - vermögensmäßige Benachteiligung der Gesellschaft durch den herrschenden Gesellschafter oder die herrschende Gesellschaft, dazu siehe al1gemein die Untersuchung von Drüke, S.19 ff, 61 ff, 103 ff.
27 S. oben die Nachweise, die wegen der Höhe von dem Mindestkapital als einem "sinnentleerten Ritual" sprechen. 28 So entschied etwa der U.S. Supreme Court in Anderson v. Abbott, 321 U.S. 349, 362 (1944) " an obvious inadequacy of capital, measured by the nature and magnitude of the corporate undertaking, has frequently been an important factor in cases denying stockholders their defense of limited liability"; DeWitt Truck Brokers v. W. Ray Fleming Fruit Co., 540 f.2d 681, 685 (4th Cir. 1976) "the corporartion (is) grossly undercapitalized for the purposes of the corporate undertaking". Dazu ausführlich Gelb, Harvey, Piercing the Corporate Veil- The Undercapitalization Factor, 59 Chicago Kent Law Review, 1, 3 ff (1982).
29 Als Beispielsfäl1e seien genannt: Minton v. Cavaney, 56 Cal. 2d 576; 581(1961); Walkovszky v. Carlton, 18 N.Y.2d 414, 416 (1966); DeWitt Truck Brokers v. W. Ray Fleming Fruit Co., 540 f.2d 681, 685 (4th Cir. 1976). Informationen über die rechtstatsächliche Bedeutung der Unterkapitalisierung als Voraussetzung für einen Haftungsdurchgriff bietet eine neuere empirische Untersuchung (Thompson, Piercing the Corporate Veil: An empirical Study, 76 Cornell L.R. 1036, 1063 Abb. II (1991)). Demnach wird ein Haftungsdurchgriff aufgrund Unterkapitalisierung in 73% der relevanten Fälle durch das Gericht bejaht. Im Gegensatz zu al1en Meinungen und Erwartungen im Schrifttum (Vgl. nur Douglas/Shanks, 39 Yale L. J. 193,214 (1929); Note, 19 U. Ch. L. Rev. 872 ( 1952); Barber, 17 Williamette L. Rev.
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
209
Besteht im Grundsatz die Freiheit der Gesellschafter, die Finanzierung mit Eigen- oder Fremdmitteln zu betreiben, so darf die Ungebundenheit nicht dazu führen, daß das Risiko des wirtschaftlichen HandeIns einseitig auf die Gläubiger abgewälzt wird. Die Finanzierungsfreiheit wird insofern eingeschränkt, als die Risiken der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht vollkommen unzureichend und "unfair" verteilt werden dürfen3o . Dabei bezweckt die Formel nicht, mit absoluter Trennschärfe gerade noch akzeptable Eigenkapitalausstattungen von solchen Fällen zu unterscheiden, in denen die Rechtsordnung ein einseitiges Spekulieren der Gesellschafter auf Kosten der Gläubiger nicht mehr hinnimmf l . Der Haftungsdurchgriff begrenzt die Ungebundenheit der Gesellschafter in der Finanzierung der Gesellschaft. Dadurch wird die Verteilung des Verlustrisikos neu festgelegt. Ist die Wirkung des Durchgriffes für die Gläubiger unmittelbar auf die Lage ex post gerichtet, so ist doch mittelbar ein Verhalten der Gesellschafter im Hinblick auf die Finanzierung ex ante intendiert. Daher ist es gerechtfertigt, in diesem Zusammenhang von einer materiellen Finanzierungsregel zu reden, die die Gesellschafter verpflichtet, so zu finanzieren, daß ihr eigener Risikobeitrag verglichen mit dem der Gläubiger innerhalb der Grenzen der Fairneß bleibf 2 • Die Gesellschafter haben ihr gesamtes privates Vermögen zu verlieren: "they risk more than they invest"33.
4. Repressiver Glllubigerschutz durch eine Nachordnung von Darlehen bei nomineller Unterkapitalisierung
Die nominelle Unterkapitalisierung -im Gegensatz zur groben Unterkapitalisierung- bezieht sich auf den Tatbestand, daß eine mit unzureichendem Eigenkapital ausgestattete Gesellschaft mit Hilfe von Gesellschafterdarlehen weiter am Leben erhalten und fortgeführt wird. Anschließend gleichen die Gesell-
371, 386 (I981)) wird die Fallgruppe der Unterkapitalisierung bemerkenswerterweise jedoch nur in 19% aller Fälle vom Gericht als Grund für einen Haftungsdurchgriff genannt. 30 Judge Wilkey in DeWitt Truck Brokers, Inc. v. W.Ray Fleming Fruit Co., 540 f.2d 681,687 (4th Cir. 1976), Presser, Piercing the Veil, § 2.09 S. 2-72 f.
31
So Drüke, S. 21.
32
Lutter, FS Riesenfeld, S. 165, 174.
33
So ausdrücklich Easterbrook/FischeI, Corporate Law, S. 40.
14 Gehde
210
2. Kap.: Rechtslage in den USA
schafterdarlehen die eigentlich bestehende Kapitallücke aus 34 • Daß der erforderliche Kapitalbedarf des Unternehmens durch Gesellschafterdarlehen aufgebracht wird, ist weitverbreitetund gilt als eine von drei grundsätzlichen Formen der Finanzierung: Eigenkapital, Fremdkapital, Fremdkapital aus Gesellschafterhand und von Angehörigen3s • Bildet das Darlehen den Ausgleich zu einer an sich vorhandenen Unterkapitalisierung, dann wird die Krise der Gesellschaft verschleiert, die im schwersten Fall zu einer Liquidation fiihren kann. Die mit einer derartigen Form der Finanzierung in einer Krisensituation verbundene Gefahr einer Benachteiligung fiir die Gesellschaftsgläubigerund die maßgeblichen Grundsätze des amerikanischen Rechts sind plastisch in einer concurring opinion im Fall In re Loewer Gambrinus36 wiedergegeben worden: "Both the shareholders and the creditors in any enterprise assume some risk of its failure, but their risks are different. The shareholders stand to lose first, but in return they have all the winnings above the creditors' interest if the Venture is successful; on the other hand the creditors have only their interest, but they come first in distribution of the assets. Beneficially considered, the same persons are both creditors and shareholders, when they have organized into two corporations under a single control. If in such a ca se they are allowed to prove in insolvency on a parity with other creditors, as shareholders of the debtor they can use their control to take all the winnings which may be made on their advances while the company was succesful, yet they will expose themselves only to creditors' s risks, if it fails. That is unfair to other creditors regardless of wether they know that the shareholders of the debtor corporation have this power through their common ownership; for every creditor rightly assumes that his risk is measured by the collective claims of other creditors, and by creditors he understands those alone, who like hirn, have only a stipulated share in the profits. To compel hirn to divide the assets in insolvency with
34 Zur Beschreibung des Phänomens Hackney/Benson, U. Pittsburgh L. Rev. 873, 888 (1982). 35
Hamilton, Corporations, 4th ed. 1990 Ch. 7 S. 296 f nennt diese Finanz-Quellen.
36 Die concurring opinion stammt von dem berühmten Judge Leamed Hand in dem Fall In re Loewer Gambrinus 167 f.2d 318, 319 f 2d Cir. 1948; der Fall ist auch in der Hauptmeinung von Belang und zwar im Zusammenhang mit einer automatischen Nachordnung, dazu s. unten A.III.2.b).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
211
those who at their option have had all along power to take all the earnings, is to add to the risk which he accepted." Die Gefahr der Risikoabwälzung als einer nicht gewollten Risikoverteilung zwischen Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigem soll im amerikanischen Recht durch die Doktrin der equitable subordination37 verhindert werden. Demnach haben die amerikanischen Gerichte im Konkurs der Gesellschaft die Befugnis, Gesellschafterdarlehen in der Reihenfolge der zu befriedigenden Forderungen nachzuordnen. Dadurch werden als Fremdkapital geplante Mittel de facto wie haftendes Eigenkapital behandelt; in keinem der zu beurteilenden Fälle konnte der Gesellschafter seine Darlehensforderung nach der Verteilung im Konkursverfahren noch geltend machen38 • Die Doktrin wurde durch die Rechtsprechung des Supreme Court im Jahr 1938 begründef9 und 1978 in sec. 510 (c) des Bankruptcy Code40 kodifiziert. Angesichts von 333 Urteilen zur Doktrin der equitable subordinaiton in den Jahren 1977 bis 1993 kann von einer außerordentlichen Bedeutung dieser Rechtsfigur gesprochen werden41 • Damit hat sich auch im amerikanischen Recht eine materielle Finanzierungsregel ausgebildet, die das wirtschaftliche Risiko zwischen den Gläubigem und den Gesellschaftern ex post anders verteilt
37 Einen Überblick über die Rechtsfigur der equitable subordination geben: Epsteinl Nickles/White, Bankruptcy, § 6-93; Clark, Corporate Law, § 2.3, S. 52 ff; HenniAlexander, Laws of Corporations, § 152, S. 369 ff; der grundlegende Aufsatz, Herzog/ Zweibel, The Equitable Subordination of Claims in Bankruptcy, 15 Vand. L. Rev. 83 ff (1961); Hackney/ Benson, Shareholder Liability For Inadequate Capital, 43 U. Pitt. L. Rev. 837, 879 ff (1982); Aus deutscher Sicht sind zu nennen: Grossmann, Gesellschafterdarlehen bei Insolvenz, 1977; und sehr instruktiv die Übersicht bei Walz, Gestaltungsmöglichkeiten bei US-amerikanischen Tochtergesellschaften und rechtsvergleichende Hinweise, in Albers/Herrmann (Hrsg.), Elemente erfolgreicher Unternehmenspolitik in mittelständischen Unternehmen, 1989, S. 187 ff; Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Unternehmensrecht, 1996, S. 171 ff.
38
Chaitrnan, Lender liability 1990, § 7.01(2), 7-5.
39
Dazu siehe ausführlich unten die Entwicklung der Rechtsprechung A.III. 1.
40
11. U.S.c. auch dazu ausführliche Nachweise unten A.III.2.,3.
41 Zu den Zahlen siehe die empirische Erhebung zur equitable subordination in dieser Arbeit in Abschnitt D.lV. Zum Vergleich gab es in den 80er Jahren - etwa der gleiche Zeitraum wie die Erhebung in dieser Arbeit- 484 Fälle zum Haftungsdurchgriff, das als das rechtliche Problem mit den meisten Streitigkeiten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechtes gilt, vgl. Thompson, 76 Cornell L. R. 1036, 1036, 1049 (1991). 14'
212
2. Kap.: Rechtslage in den USA
und folglich mittelbar auf das Verhalten der Gesellschafter einwirkt, wie und in welchem Umfang sie ihre Gesellschaft mit Eigenkapital ausstatten. Implizit ist die Rechtspflicht enthalten, die Gesellschaft zu jeder Zeit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit so zu finanzieren, daß die Gesellschafter einen eigenen Risikobeitrag erbringen42 • Durch die equitable subordination Doktrin versucht das amerikanische Recht die Benachteiligung der Gläubiger bei einer Krisenfinanzierung mit Gesellschafterdarlehen zu lösen.
S. Abgrenzung von Haftungsdurcbgriff und Nacbordnung von Darleben
Greifen zwei Rechtsinstitute, wie der Haftungsdurchgriff und die Doktrin der equitable subordination, auf das Privatvermögen der Gesellschafter zu und sind zum Ausgleich der Gefahren einer beschränkten Haftung gedacht, stellt sich die Frage nach den Unterschieden. Das gilt um so mehr, als z.B. die Voraussetzung einer Unterkapitalisierung oder die alter ego Theorie bei beiden Rechtsinstituten anerkannt ist43 • Teilweise wird deshalb festgestellt, daß beide Rechtsinstitute sich ähneln und ihre Anwendung in der Praxis Konfusionen schaffe 44 • Der Unterschied beider Rechtsfiguren ist augenfällig in den Rechtsfolgen: piercing the veil eröffnet vollumfänglich den Rückgriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter, während nach der equitable subordination Doktrin nur das Gesellschafterdarlehen im Konkursrang nachgeordnet wird; es gibt keinen weiteren Zugriff auf das Vermögen der Gesellschafter4s •
42 Lutter, FS Riesenfeld, S. 165, 174 trifft diese Feststellung für den Haftungsdurchgriff. Die Erkenntnis kann aber problemlos auf die equitable subordination Doktrin übertragen werden. 43 Vgl. dazu: Koch Refining v. Farmers Union Central Exchanfe, Inc., 831 f.2d 1339, 1349 (7th Cir. 1987); Matter of Clark Pipe, 870 f.2d \022, \028 ff (5th Cir. 1989); In re Vermont Toy Works, Inc., 135 B.R. 762, 770 ff (D.C.D.Ver. 1991). 44
Note, 65 Texas Law Review 801, 802 (1987).
45 Latty, Subsidaries and Affiliated Corporations, 1936 kennzeichnet den Unterschied mit folgenden Worten: "The one (subordination of claims) restriets the principle of limited liabilty.. ; the latter (piercing the veil) nearly abrogates it.". Mehr als zweifelhaft ist die Bezeichnung als Restriktion der beschränkten Haftung, die durch eine Rangrückstufung nicht berührt wird.
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
213
Ist die Unterscheidung anhand der Rechtsfolgen einleuchtend, bereitet die Abgrenzung im Tatbestand erhebliche Schwierigkeiten. Denn die Tatbestandsmerkmale wie die Unterkapitalisierung oder die Alter Ego Theorie gelten fiir beide Rechtsinstitute als Voraussetzung, ohne daß eine genaue begriffliche Differenzierung ihrer Unterschiede erfolgt46 • Dennoch grenzt das amerikanische Recht die Tatbestandsvoraussetzungen voneinander ab, indem es Bezug nimmt auf die Wirkung der Rechtsfolgen fiir Gläubiger und Schuldner. Der Haftungsdurchgriff als die drastischere Form des Gläubigerschutzes belastet das Vermögen des Gläubigers folgenschwerer47 , wodurch Rückschlüsse auf die Tatbestandsebene möglich sind: Ist der Haftungsdurchgiff die folgenschwerere Rechtsfolge fiir die Gesellschafter, so sind an die Tatbestandsvoraussetzungen, auch wenn es die gleichen sind, ebenfalls strengere Anforderungen zu stellen48 • Der Haftungsdurchgriffbezieht sich auf eine "Nicht- Finanzierung", während die equitable subordination Doktrin die Fälle erfaßt, in denen Gesellschafterdarlehen eine Unterkapitalisierung ausgleichen.
11. Unterscheidung der Gesellschafterdarlehen in Fremd- und Eigenkapital als Materie des amerikanischen Konkursrechtes 1. Allgemeines zur Terminologie
Werden im Konkurs Gesellschafterdarlehen nachgeordnet, gehören sie faktisch zur haftenden Masse; aus den als Fremdkapital geplanten Mitteln wird Eigenkapital. Die amerikanischen Entsprechungen dieser Begriffe debt und equity sind daher von zentraler Bedeutung. Im folgenden sollen diese Termini inhaltlich vorgestellt werden. Das ist insofern erforderlich, als entsprechende Begriffe durch die jeweilige Rechtsordnung geprägt werden, und ein vergleichbarer Sinngehalt nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden kann49 •
46
Clark, Corporate Law, 1986, §2.6. S. 91.
47 Barber, Incorporation Risks: Defective Incorporation and Piercing the Veil in Califomia, Williamette L. Rev. 828, 86 (\98\). 48
Matter of Clark Pipe, 870 f.2d \ 022, \ 028 ff (5th Cir. \989).
49
Drobnig, FS Rheinstein, S. 22\, 232.
214
2. Kap.: Rechtslage in den USA
a) DebtlLoan Der Begriff loan bezeichnet eine Vereinbarung zwischen zwei Personen, wodurch eine Geldsumme vom creditor auf den debtor übertragen wird, verbunden mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Verpflichtung, eine gleichhohe Geldsumme mit oder ohne Zins zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzuzahlenso. Die Auszahlung der Geldsumme bzw. die vertragliche Vereinbarung begründet ein debtS1 • Daneben kennt das amerikanische Recht noch andere Formen des Darlehens. Das loan for exchange S2 ist ein Vertrag über die unentgeltliche Überlassung eines Gegenstandes, der die Verpflichtung gegenübersteht, einen gleichartigen Gegenstand zurückzugewähren. Loan for use S3 bezeichnet die unentgeltliche Überlassung zum Gebrauch der Sache unter der Maßgabe, daß die Sache nach Gebrauch zurückzugeben ist. Aufgrund der Unentgeltlichkeit der Überlassung werden diese Formen eines Darlehens für eine Nachordnung von Forderungen im Konkurs keine Rolle spielen. Investoren überlassen Finanzmittel nicht ohne Gegenleistung. An Gemeinsamkeiten der einzelnen loan Formen läßt sich folgendes festhalten: Der Zeitraum bis zur Rückgewähr kann frei durch den lender bestimmt werden. Immer besteht die Verpflichtung des lender das Eigentum auf den debtor zu übertragen. Entweder muß der gewährte oder ein gleichartiger Gegenstand zurückgewährt werden.
b) CapitallEquity Equity ist im amerikanischen Recht ein Begriff mit vielen Bedeutungen. Im Zusammenhang mit der Finanzierung von Unternehmen wird darunter die Kapitalaufbringung durch Ausgabe von Anteilen (stocks, shares) verstanden s4 . Die Gegenleistung, die die Gesellschaft rur die ausgegebenen Anteile erhält,
50
Boemer v. Colwell Co., 21 Ca\. 3d 37.
51
11 U.S.C. sec. 101.
52
Vg\. Ca\. Civil Code § 1902.
53
Slack v. Bryam, 184 S.W. 2d 837, 876; vg\. auch Ca\. Civil Code § 1884.
54
Hamilton, Corporations, 4th ed. 1990, Ch. 7 Sec. D, S. 322.
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
215
bildet das Vermögen der Gesellschaft, das sog. stated capitalss . Indem die Gesellschafter die Mittel zur Förderung des Gesellschaftszweckes einbringen, erwerben sie die mitgliedschaftlichen Rechte in der Gesellschaft wie Kontrollund Gewinnbeteiligungsrechte s6 .
2. Amerikanisches Konkursrecht als relevanter Regelungsrahmen
a) Regelungsrahmen des Insolvenzrechtes Finanziert ein Gesellschafter oder Aktionär seine Gesellschaft mit Darlehen, so birgt dies für die anderen Kreditgeber der Gesellschaft keine Benachteiligungsgefahr, solange Zinsen und Darlehenssumme bei Fälligkeit zurückgezahlt werden. Die Benachteiligungsgefahrfür die außenstehenden Gläubiger realisieren sich erst im Konkurs der Gesellschaft. Das Vermögen der Gesellschaft als Haftungsgrundlage ist entweder durch ein Hinauszögern des Konkurses verringert worden oder durch die Forderungen der konkurrierenden Gesellschafter. Deshalb bildet das amerikanische Insolvenzrecht die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Gesellschafterdarlehen im Konkurs. Die gesamte Entwicklung zum Problem der Gesellschafterdarlehen ist nur vor dem Hintergrund des amerikanischen Insolvenzrechtes zu verstehen. Der amerikanische Bundesgesetzgeber hat das Bankruptcy Law in Titel 11 des United States Code geregelt. Damit handelt es sich vorrangig um Gesetzesrecht, ergänzt durch in die Vorschriften aufgenommenes Common Law S7 • Der Bankruptcy Code stammt aus dem Jahr 1978 mit Wirkung zum 1.10. 1979. Das Konkursverfahren selbst und die ausschließliche Zuständigkeit der Konkursgerichte ergibt sich aus einem gesonderten Gesetz in Titel 28 des United States Code s8 •
55
Siehe dazu oben A.I.l.
56
Ausführlich: HenniAlexander, Laws of Corporation, § 157 S. 396 ff.
57 Zum amerikanischen Konkursrecht allgemein und die Gesetzgebungstechnik vgl. Baird, Douglas, G., Tbe Elements of Bankruptcy, 1993; EpsteinlNickles/White, Bankruptcy, 1992. 58 Titel 28 des Uni ted States Code wurde im Jahr 1984 durch den Bankruptcy Amendments and Federal Judgeship Act (BAFJA) weiter geändert. Das Insolvenzrecht blieb auch damit weiterhin ein ganz eigenständiger Teil der Rechtswissenschaft.
2. Kap.: Rechtslage in den USA
216
Im Insolvenzrecht ist die Entscheidung von debt und equity von jeher wichtig gewesen. Der Bankruptcy Code unterscheidet in claims, wodurch der Vertragspartner den Status eines Kreditgebers erhält und in interest das Eigenkapital (equity)59, das die Rechte eines Gesellschafters vermittelt. Gleichwohl bietet der Bankruptcy Code selbst keinerlei genauere und detailliertere Regelung, wie debt von equity zu unterscheiden ist.
b) Vermögensverteilung im Konkurs Wie gesehen kann das Gericht aufgrund der equitable subordination Doktrin die Rangfolge der einzelnen Gläubigerforderungen verändern. Deshalb ist ein kurzer Überblick über die Vermögensverteilung im Konkurs geboten. Im Konkurs einer Gesellschaft können nur die Gläubiger teilnehmen, die Inhaber einer Forderung gegenüber des verbliebenen Vermögens sind. § 101 des Bankruptcy Codes definiert eine Forderung als jedes Recht auf Zahlung60 • Als Voraussetzung, um an der Verteilung des Vermögens im Konkurs teilzunehmen, muß die Forderung gegenüber dem Gericht nachgewiesen werden61 • Den Rechtsgrund für die im Konkurs geltend gemachten Forderungen gibt das einzel staatliche Recht der 52 amerikanischen Bundesstaaten vor62 • Als bundes-
59
11 U.S.c. § 101 (5).
60 11 U.S.c. § 101(5)" claim means(A) right to payment, wh ether or not such right is reduced to judgment, liquidated, unliquidated, fixed, contingent, matured, unmatured, disputed, undisputed, legal, equitable, secured, or unsequerd; or (B) right to an equitable remedy for breach of performance if such breach gives rise to a right to payment, whether or not such right to an equitable remedy is reduced to judgment, fixed, contingent, matured, unmatured, disputed, undisputed, secured, or unsecured; .. 61 11 U.S.c. § 501. Im Gegensatz zum früheren Bankruptcy Act von 1898 besteht jedoch keine Liste der zugelassenen Ansprüche, so daß heute nicht mehr bestimmte Gruppen von Ansprüchen von vornherein im Konkurs ausgeschlossen sind, Epstein, Debtor-Creditor Law, 4. Aufl. 1991, S. 281 Fußnote 4. 62 Der U.S. Supreme Court führte dazu in Butner v. United States 440 U.S. 48, 55 (1979) aus: "Property interests are created and defined by state law. Unless some federal interest requires a different resuIt, there is no reason why such interests should be analyzed differently simply because an interested party is involved in the bankruptcy proceeding ...
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
217
staatliches Recht verändert der Bankruptcy Code die Rechte nur, wenn die Ziele des Konkursrechtes durchzusetzen sind; d.h. wenn ein Anspruch nach einzelstaatlichemRecht nicht besteht, kann er auch im Konkursverfahren nicht geltend gemacht werden. Das Konkursrecht selbst besitzt keine gesonderten Anspruchsgrundlagen. Dadurch kann sich vor allem im Gesellschaftsrecht die Art und Existenz von Ansprüchen gegenüber dem Konkursschuldner in den einzelnen Bundesstaaten unterscheiden63 • Treten in der Bestimmung, ob eine Forderung im Konkurs der Gesellschaft anerkannt werden kann, Probleme auf, so ist immer die Abgrenzung von einzelstaatlichem und bundesstaatlichem Recht der Streitpunkt. Möglich ist es, daß je nachdem, welches Recht als vorrangig betrachtet wird, es zu unterschiedlichen Ergebnissen und Abstimmungsschwierigkeiten im Bereich dieser Regelungskomplexe kommt. Tatsächlich sind die auftretenden Schwierigkeiten jedoch vergleichsweise gering. In neuerer Zeit ist hauptsächlich die Frage umstritten, ob der Zeitpunkt, nachdem die Rechte der Gläubiger als Forderung im Sinne des Konkursrechtes gelten, nach bundes- oder nach einzelstaatlichem Recht festzulegen ist64 • Die zeitliche Festlegung ist maßgebend fiir die Rangfolge der Forderungen, wenn der Anspruch entsteht, nachdem der Antrag auf Konkurseröffnung eingereicht wird. Die Rangfolge der Forderungen im Konkurs der Gesellschaft kann entweder durch den Bankruptcy Code aufgrund des Gesetzes oder autonom aufgrund von Parteivereinbarungen festgelegt werden. Nach dem Bankruptcy Code werden zuerst die gesicherten Gläubiger d.h. Gläubiger mit security interests (mortgages, liens of law, statutory liens, execution liens 65 ) entsprechend der zeitlichen Entstehung der Ansprüche aus der Vermögensmasse befriedigt. Die geltendgemachten, ungesicherten Ansprüche
63 Cowans, Bankruptcy Law and Practice 1989, Band 2 § 12.31 S. 594; Zu der Gesetzgebung im amerikanischen Gesellschaftsrecht siehe oben FN.l.
64 Für eine strikte Beachtung des einzelstaatlichen Rechtes: Matter of M.Frenville Co., 744 f.2d 332 (3rd Cir. 1984); Dagegen: Grady v. A.H. Robins Co., 839 f.2d 198 (4th Cir.1988); In re Chateaugay, 112 BR 513(S.D.N.Y. 1990), judgement affd, 944 f.2d 997 (2d Cir. 1991); Bush v. Taylor, 912 f.2d 989 (8th Cir. 1990); Aus der Literatur: EpsteinlNickles/White, Bankruptcy, 1992 § 7-5 ff, S. 289 ff. 65 Die vertraglichen Sicherheiten sind im amerikanischen Recht für alle Einzelstaaten in Artikel 9 des Uniform Commercial Code geregelt, dazu gibt einen Überblick, Epstein, Debtor Creditor Law, S. 80 ff.
218
2. Kap.: Rechtslage in den USA
unterliegen der Rangfolge entsprechend sec. 507 des Bankruptcy Code66 • Die Rangfolge entspricht zuerst dem Bedürfnis, die Kosten fiir den Konkurs zu decken, um dann bestimmte Gläubigergruppen (wie die Arbeitnehmer oder vorauszahlende Konsumenten) aufgrund sozialer Gesichtspunkte bevorzugt behandeln zu können67 • Gesellschafterdarlehen erhalten die gleiche Rangstufe wie Darlehen anderer Kreditgeber und befinden sich in der Verteilung somit in direkter Konkurrenz zueinander. Bei gesicherten Darlehen gilt das Prioritätsprinzip, daß also die zeitlich erste Forderung auch zuerst befriedigt wird. Im Gegensatz dazu wird die verbleibende Masse bei ungesicherten Forderungen anteilsmäßig, also pro rata, verteilt; unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem der Anspruch entstanden ist. Die Rangfolge nach sect. 507 des Bankruptcy Code wird immer nur dann relevant, wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht ausreicht, um sämtliche Forderungen zu befriedigen, was den Normalfall darstellt. Die Reihenfolge der Forderungen im Konkurs kann aber auch aufgrund von Parteivereinbarungen zwischen Darlehensgeber und -nehmer geändert werden. Sog. subordination agreements 68 (Rangrücktrittsvereinbarungen) sind Vereinbarungen, in denen zwischen einem oder mehreren Kreditgebem vereinbart wird, die Forderung solange nicht geltend zu machen, wie bestimmte andere Kreditgeber im Konkurs der Gesellschaft nicht befriedigt sind. Die Parteien verfolgen mit dem subordination agreement zwei Zwecke: erstens soll eine Überschuldung der Gesellschaft abgewendet werden, zweitens soll eine langfristige Finanzierung der Gesellschaft ohne die Zufuhr von Eigenkapital ermöglicht werden69 •
66 Ausführlich zur Rangfolge im Konkurs: Carroll, 17 Houston Law Review 223, 223 ff (1980). 67 11 U.S.C. 5071istet folgende Priorities auf: 1. Verwaltungskosten für den Konkurs, 2. Forderungen, die nach dem Konkursantrag entstehen, 3. Arbeitnehmergehälter, 4. Arbeitnehmerzulagen (Benefit Plans), 5. Kornproduzenten und Fischer, 6. Konsumenten Vorauszahlungen, 7. Steuern; siehe dazu: WeintraublResnick, Bankruptcy Law Manual, 3.Aufl. 1992, § 5.14.; EpsteinINickles/White, Bankruptcy, 1992, § 7-9 ff S.301 ff; Epstein, Debtor Creditor Law, 4. Aufl. 1991 S. 288 ff.
68 Vgl. dazu Johnson, 10 1. Fin. 1 (1955); Herzog/Zweibel, 15 Vanderbilt L. Rev. 83, 90 ff (1961); Everett, 23 Business Lawyer 41, 41 ff (1967); Lopes, Banking L. J. 204, 206 ff (1980); Ryan, 105 Banking L. 1. 4 ff (1988); Kravitz, 91 Michigan L. Rev. 281, 284 (1992). 69
Vgl. Fn zuvor.
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
219
In der überwiegenden Mehrheit der Fälle verändert das Konkursgericht die gesetzlich festgelegte Reihenfolge der Forderungen zugunsten der außenstehenden Gläubiger. Die Gerichte haben daneben auch die Befugnis, die aufgrund von Parteivereinbarungen mittels subordination agreements getroffene Rangordnung abzuändern70.
III. Entwicklung und Rechtslage zur Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital auf dem Gebiet der Gesellschafterdarlehen im Konkurs der Gesellschaft
Ist geklärt, daß das amerikanische Konkursrecht die rechtliche Grundlage fiir die Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital hinsichtlich der Gesellschafterdarlehen bildet, stellt sich die Frage, wie die Gerichte die Abgrenzung vorgenommen haben, obwohl keine rechtlichen Vorgaben bestanden. Der Einordnung von Gesellschafterdarlehenals Eigen- oder Fremdkapitalliegt eine langjährige Common Law Rechtsprechung zugrunde, bevor die Ergebnisse der Rechtsprechung im Bankruptcy Code von 1978 Gesetz wurden. Für das Verständnis der heutigen Rechtslage ist es deshalb zunächst erforderlich, die leading cases aus der Common Law Rechtsprechung ebenso wie die Gesetzesberatungen vorzustellen, die das heutige Recht geprägt haben. Im Anschluß ist eine Übersicht über die heute maßgeblichen Rechtsgrundlagen zu geben, bevor in zusätzliche Rechtsgrundlagen eingeführt wird, die ebenfalls fiir eine Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital Bedeutung haben.
1. Common Law Rechtsprechung zur Equitable Subordination bis 1978
a) Equity Power der amerikanischen Konkursgerichte
Die amerikanischen Konkursgerichte besitzen seit jeher neben ihren gesetzlichen auch zusätzlich sog. Equity Befugnisse 71 • Den Ursprung haben diese
70 Zu diesem Punkt sowie den damit zusammenhängenden rechtlichen Schwierigkeiten siehe unten A.III.3.a). 71 Local Loan Co. v. Hunt, 292 V.S. 234,240 (1934); In re Mobile Steel, 563 f.2d 692,698-699 (1977); Aus heutiger Sicht, Judge Grant: "The colours and patterns that are woven into its (the Bankruptcy Code) fabric combine to compliment and reinforce each
220
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Befugnisse in dem zentralen Thema des Konkursrechtes: die gerechte Verteilung der Vermögenswerte 72 • Wird eine gerechte Verteilung durch das geschriebene Gesetzesrecht des Bankruptcy Act (seit 1978 Bankruptcy Code) nicht gewährleistet, hat das Gericht die Möglichkeit, die Equity Befugnisse einzusetzen, um ein solches Ergebnis entgegen dem geschriebenen Gesetz zu erreichen73 • Auf der Grundlage dieser rechtlichen Gegebenheiten und der Absicht, gerechte Ergebnisse im Konkurs zu erzielen, hat sich die Rechtsprechung zur Nachordnung von Gesellschafterdarlehenentwickelt. Die rechtliche Beurteilung von Darlehen an die Gesellschaft durch die eigenen Gesellschafter im Konkurs hat der U.S. Supreme Court 1938 zunächst in zwei Fällen entwickelt, Taylor v. Standard Gas & Electric Co. und Pepper v. Litton 74 • Zu diesem Zeitpunkt stand den Gerichten ebensowenig rechtstatsächliches Material zur Beurteilung der Gesellschafterdarlehen bereit wie auch Vorarbeiten aus der Literatur. Ohne daß es in der Rechtsprechung Vorbilder gegeben hätte, entwickelte der Supreme Court in den beiden Entscheidungen die Grundlagen für die equitable subordination Doktrin. 1948 mit dem Fall Comstock v. Group of Institutional Investors 75 und 1977 mit der Entscheidung des Fünften Circuit in Mobile Steel76 wurde die Rechtsprechung gefestigt und entscheidend weiterentwickelt.
other, in order to create a single unifying therne- the equitable treatment of creditors and financial relief for over burdened debtors.", in: In re Matter of Depew, 115 Bankr.R. 965,969 (Bkrtcy.N.D.Ind.1989). 12 Clarke v. Rogers, 228 V.S. 534, 548 (1913), "The goal of the Bankruptcy Code is for each creditor to receive aper centum distribution equal to the per centum distribution received by others of equal status." EpsteinlNickles/White, Bd.I §1-2 S.3; Jackson, S.7 ff auch zum Ziel der Reorganisation von Vnternehmen im Konkursrecht; Warren, 54 U.Chicago L.R. 775,785 (1987) sieht die Verteilung des Vermögens als den zentralen Zweck des Konkursrechtes; Dazu auch Korobkin, 91 Colurnbia L.R. 717,720 ff (1991).
73 Bestes Beispiel für dieses Verständnis der Equity Befugnisse ist Pepper v. Litton, 308 V.S. 295, 305 (1939) " to the end ... that substance will not give way to form, that technical considerations will not prevent substantial justice frorn being done." 74 Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 V.S. 307 (1939); Pepper v. Litton 308 V.S. 295 (1939). 75
Cornstock v. Group of Institutional Investors, 335 V.S. 211 (1948).
76
In re Mobile Steel, 563 f.2d 692 (5th eir. 1977).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
221
b) Taylor v. Standard Gas & Electric Co., "Deep Rock"-Doktrin In Taylor v. Standard Gas & Electric Co. hatte sich der Supreme Court mit einem Darlehen von Standard Gas, dem hauptsächlichen Gesellschafter an Deep Rock, zu befassen. Die Muttergesellschaft Standard kontrollierte Deep Rock in allen Belangen und war gleichzeitig die einzige Finanzierungsquelle für die Gesellschafe 7 • Das Gericht stellte als Tatsache fest, daß Deep Rock erheblich unterkapitalisiert78 war und ein mismanagement der Muttergesellschaft zu Lasten der preferred stockholder79 vorlag, ihnen war u.a. ihre Stimmrechts ausübung unmöglich gemacht worden. Der Supreme Court untersuchte die Behandlung der Gesellschafterdarlehen in dieser Entscheidung erstmals nicht unter der Fragestellung, ob ein Fall der instrumentality rule vorlag (wie es noch die Vorinstanz erörtert hatte 80 ), also ob Deep Rock als department oder agent von Standard Gas anzusehen wäre. Als Rechtsfolge dieser Überlegung wäre ein Haftungsdurchgriff und die Mißachtung der Eigenständigkeit der juristischen Person Standard Gas die Konsequenz gewesen. Das Gericht hielt die Theorie eines Haftungsdurchgriffes hier nicht für anwendbar, da es sich bei instrumentality nicht um eine rule, eine Rechtsregel handele, sondern lediglich um eine bequeme Art für die Gerichte, die weiten Prinzipien der Equity, Treu und Glauben, zu bestimmen81 • Die Ausrichtung auf Sinn und Zweck des Konkursrechtes gewann für den Supreme Court in der Art zentrale Bedeutung, daß die Rechtsprechung den Prinzipien der Equity verpflichtet ist82 • Das Konkursgericht ist ein Gericht von Equity, dessen Aufgabe darin besteht, für eine gerechte Behandlung aller Kreditgeber zu sorgen83 • Da die Muttergesellschaft Standard Gas zu Lasten 77
Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 V.S. 307,310 f (1939).
78 Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 V.S. 307,315 f (1939), das Gericht umschreibt die Kapitalausstattung sehr bildhaft: "Deep Rock was two jumps ahead of the wolf'. 79 Bei preferred stockholders handelt es sich um Aktionäre mit Vorzugsaktien. Der Vorteil ergibt sich aus besonderen Bedingungen für die Dividende oder Zahlungen aus der Konkursmasse oder beidem. Den Gegensatz bilden die common stockholders. 80
Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 96 f.2d 693.
81
Taylor v. Standard Gas & Electric Co 306 V.S. 307, 322 (1938).
82
A.a.O. S. 322 ff.
83
Local Loan CO. v. Hunt, 292 V.S. 234,240 (1934); In re Mobile Steel, 563 f.2d
222
2. Kap.: Rechtslage in den USA
der preferred stockholder durch die Unterkapitalisierung und das mismanagement "inequitable" gehandelt hatte, also unfair, hat das Gericht die Darlehen der Muttergesellschaft nachgeordnet. Konnte das Gericht den preferred stockholdern auch nicht mehr die Stellung wie vor dem unfairen Verhalten von Standard Gas verleihen, so sollte doch ein angemessener Ausgleich geschaffen werden, indem die Darlehensforderungen der Muttergesellschaft im Rang nachgeordnet wurdens4 • In der Entscheidung war der Rückgriff auf allgemeine Prinzipien notwendig, da das bestehende Gesetz, der Bankruptcy Act von 1898, zu dem Problem der Gesellschafterdarlehen und deren Beurteilung im Konkurs keinerlei explizite gesetzliche Grundlage besaß. Als gesetzliche Grundlage für die Befugnisse des Bankruptcy Courts wurde Section 2a des Bankruptcy Act angesehen, der die Konkursgerichte befugt, "with such jurisdiction at law and in equity as will enable them to exercise original jurisdiction under the Bankruptcy Act"SS oder Section 57 k, die die Befugnis verleiht, nach den "Principles of Equity" die Dai1ehen zu behandelns6 • Damit unterliegt die Entwicklung, auf welche Art Gesellschafterdarlehen im US-amerikanischen Recht beurteilt werden, dem Fallrecht des Common Law und nicht dem geschriebenen Gesetzesrecht. Die Besonderheiten und die Wichtigkeit, die die Supreme Court Entscheidung in Taylor v. Standard & Gas ausmachen, liegen in Folgendem: Das erste Mal in der Rechtsprechung wurden die Equity-Befugnisse des Gerichtes dazu genutzt, eine Forderung im Konkursrang nachzuordnen. Gleichzeitig hat sich das Gericht von der instrumentality rule und damit von dem Haftungsdurchgriff für die Fälle einer Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen gelöst. Maßgebend war nicht mehr die Frage, in welcher formalen Beziehung Gesellschafter und Gesellschaft zueinander gestanden haben, sondern vielmehr, ob die
692,698-699 (1977); Aus heutiger Sicht, Judge Grant: "The colors and patterns that are woven into its (The Bankruptcy Code) Fabric combine to compliment and reinforce each other, in order to create a single unifying theme- the equitable treatment of creditors and financial relief for over burdened debtors.", in: In re Matter of Depew, 115 Bankr.R. 965,969 (Bkrtcy.N.D.lnd.1989). 84
Taylor v. Standard Gas & Electric Co 306 V.S. 307,323.
85
In re Mobile Steel., 563 f.2d 692,699 (5th Cir. 1977).
86
Pepper v. Litton, 308 V.S. 295, 304 f (1938).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
223
Equity Grundsätze, (die Faimeß in der Beziehung zu der kreditgebenden Gesellschafter und den anderen Kreditgebern) eingehalten wurden87 • Bezugspunkt wird somit für die equitable subordination die power of equity der Konkursgerichte innerhalb des Konkursrechtes. Der formalere Standpunkt einer instrumentality Betrachtung als üb~rgeordnetes Prinzip wird aufgegeben, um es durch eine inhaltsbezogene Sicht, die nach der Faimeß fragt, zu ersetzen. Parallel dazu begegnet das Gericht einer Gesellschafterfremdfinanzierungnicht mehr mit einem Haftungsdurchgriff, sondern ordnet die Gesellschafterdarlehen im Konkurs gemäß der equitable subordination Doktrin nach. Die Entscheidung Standard Gas macht auch sehr deutlich, wie sich die equitable subordination Doktrin in Anlehnung an den Haftungsdurchgriff entwickelt hat. In der Folge stützen sich die Gerichte hilfsweise auch immer auf die Rechtsprechung zum Haftungsdurchgriff, um rechtliche Fragen zu klären. Daneben gibt die Entscheidung auch sehr grundsätzlich Auskunft darüber, was unter dem inequitable conduct, einem Fairneß- Standard, zu verstehen ist: eine Festlegung, die heute noch gilt. Inequitable conduct erfordert zumindest keine rechtswidrige, gegen ein Gesetz verstoßende Handlung88 • Die Muttergesellschaft Taylor verletzte kein Gesetz, brach keinen Vertrag und erfiillte auch keinen Deliktstatbestand. Seit dieser Leitentscheidungen wird die Nachordnung von Darlehen im Konkurs auch als "Deep Rock- Doctrin" bezeichnet89 •
c) Pepper v. Litton
In einer weiteren Entscheidung des gleichen Jahres - Pepper v. Litton90 bestätigte der Supreme Court seine in Standard Gas begonnene Rechtsprechung. In dem Fall ließ ein Gesellschafter, der mehrere Gesellschaften besaß und gleichzeitig Geschäftsfiihrer war, seine Bezugsansprüche so lange ruhen, bis Kreditgeber einer seiner Gesellschaften größere Summen zurückverlangten. In diesem Moment wurden die Vermögensgegenstände der betroffenen Gesell-
87
A.a. 0 S. 322.
88 In der Darstellung des Normzweckes von section 11 U.S. Code 510 (c) des Bankruptcy Code kommt Epsteinl Nicklesl White, Bd. 2, § 6-93 S. 258 zum gleichen Ergebnis. 89
Statt aller Clark, Corporate Law, §2.3. S. 54.
90
Pepper v. Litton, 308 U.S. 295 (1938).
224
2. Kap.: Rechtslage in den USA
schaft auf andere Gesellschaften übertragen und im Konkurs die eigenen Bezugs ansprüche geltend gemacht, die nach dem Konkursrecht einen höheren Rang innehatten91 • Damit wollte der Gesellschafter der Rückgewähr fremder Darlehen entgehen. Das Gericht führte aus, daß es im Konkursrecht zwei unterschiedliche Wege beschreiten kann, die Forderungen rechtlich zu beurteilen. Zum einen kann die Wirksamkeit der Forderung festgestellt werden, um dann zu entscheiden, ob die Forderung im Konkurs überhaupt geltend gemacht werden kann (allowance)92. Zum anderen kann das Gericht beurteilen, ob im Zusammenhang mit einer Forderung ein unfaires Verhalten - inequitable conduct- des Gesellschafters vorliegt, das die gerechte Verteilung des Vermögens beeinträchtigt mit der Folge, daß die Forderungen nachgeordnet werden93 • Die Forderung des Gesellschafters Litton qualifIZierte der U.S. Supreme Court als wirksam; ordnete aber wegen des unfairen Verhaltens, das einen Verstoß gegen die Pflichten als Gesellschafter darstellte, nach den Grundsätzen der equitable subordination Doktrin die Forderung im Rang zugunsten des Klägers Pepper nach94 • Die zweite Entscheidung zu diesem Fragenkreis innerhalb eines Jahres ist von zweierlei Bedeutung: Einerseits bestätigte das Gericht die equitable subordination Doktrin als Rechtsfigur, die seitdem Grundlage fiir die Behandlung der komplexen Situation ist, in der Gesellschafter gleichzeitig Kreditgeber ihrer Gesellschaft sind, andere Kreditgeber dadurch ausfallen und das Abwälzen eines unzulässigen Risikos vermieden werden soll. Andererseits hat die Entscheidung den zugrunde liegenden Interessenkonflikt analysiert, um die Theorie der Nachordnung gegenüber Taylor v. Standard Gas weiter zu entwickeln. Als tragenden Grund rur die Behandlung von Gesellschafterdarlehen hat das Gericht im Fall die Vertrauensstellung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft gesehen, die bei Geschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter den Nachweis verlangen, daß der Gesellschaft gegenüber "fair" gehandelt
91
Pepper v. Litton, 308 U.S. 295, 311 f(1938).
92
Pepper v. Litton, 308 U.S. 295, 305 (1938).
93 Pepper v. Litton, 308 U.S. 295,308 (1938) "... Bankruptcy court has the power to sift the circumstances surrounding any claim to see that injustice or unfaimess is not done in administration of the bankrupt estate.". 94
Pepper v. Litton, 308 U.S. 295, 312 (1938).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
225
wurde 9s . Auslösekriterium fiir eine Nachordnung der Gesellschafterdarlehen im Konkurs ist fiir den Supreme Court allgemein ein unfaires und ungerechtes Verhalten96 (inequitable conduct) des betroffenen Gesellschafters gegenüber anderen Kreditgebern der Gesellschaft. Erstmals hat das Gericht diesen sehr weiten Maßstab einer Billigkeitsrechtsprechung nicht nur als maßgebend erkannt, sondern auch drei Kategorien und weitere Voraussetzungen fiir den inequitable conduct gebildet. Danach soll ein Gesellschafterdarlehennachgeordnet werden, wenn die Geschichte der Gesellschaft zeigt, daß sie auf Kosten der Kreditgeber beherrscht und ausgebeutet wird, eine Gesellschaft nur als pocket der Gesellschafter benutzt wird, also letztere die geschäftlichen Angelegenheiten der Gesellschaft als ihre eigenen behandeln. Schließlich sollen die Darlehen nachgeordnet werden, wenn diese tatsächlich Eigenkapital darstellen, das Eigenkapital fiir ein Geschäft der Größenordnung nicht ausreicht oder das eingezahlte Kapital nur purely nominell ist97 . Grob kann so unterschieden werden, daß eine Nachordnung der Darlehen entweder durch ein schädigendes Verhalten der kreditgebenden Gesellschafter oder durch eine unzureichende Kapitalausstattung ausgelöst werden kann.
d) Comstock v. Group o/Institutional Investors Comstock v. Group of Institutional Investors98 , entschieden durch den Supreme Court als der dritte Fall in der Reihe der "big three"99, beschäftigt sich mit der Reorganisation einer Eisenbahngesellschaft im Konkurs. Die Missouri Pacific Railway Company machte gegen ihre Tochtergesellschaft im Konkurs eine Forderung aus einem Darlehen in Höhe von ca. $ 10,000,000 geltend. Comstock, ein Kreditgeber der Tochtergesellschaft, wandte sich gegen diese Forderung und verlangte eine Nachordnung im Konkurs mit der Begründung, daß die Muttergesellschaftzu Lasten der Tochter unfair gehandelt habe und ein
9S
Pepper v. Litton, 308 U.S. 295, 306 f (1938).
96 Der Begriff im amerikanischen Recht ist "inequitable conduct", Pepper v. Litton, 308 V.S. 295, 306 f (1938). 97
Pepper v. Litton, 308 U.S. 295, 309 f (1938).
98
Comstock v. Group of Institutional Investors, 335 V.S. 211 (1948).
99 Dieser Begriff wurde von Herzog/Zweibel, 15 VanderbiIt L. Rev. 83, 108, (1961) geprägt. Dazu auch Note, 34 William and Mary L. Rev. 487, 492 (1993).
15 Gehde
226
2. Kap.: Rechtslage in den USA
mismanagement betrieben habe 'oo . Die unfaimess sollte sich daraus ergeben, daß der Tochter über einen längeren Zeitraum immer kurz vor der Ausschüttung der Dividende ein Darlehen in gleicher Höhe durch die Muttergesellschaft gewährt wurde. Ohne die Darlehensvergabe sei eine Gewinnausschüttung nicht möglich gewesen. Im Unterschied zum Fall Standard Gas, der ähnlich gelagert war, lehnte der Supreme Court hier eine Nachordnung mit dem Argument ab, daß die Muttergesellschaft Missouri Pacific in good faith gehandelt habe 'o, . Das Gericht führte dazu aus: " It is not the mere existence of an opportunity to do wrong that brings the rule into play; it is the unconscionable use of the opportunity afforded by the domination to advantage itself at the injury of the subsidiary that deprives the wrongdoer of the fruits of his wrong. "102. Vier Richter, die auch den Fall Pepper v. Litton zu entscheiden hatten, wichen in einer dissenting opinion von der Mehrheit ab. Insbesondere Judge Murphy kritisierte, daß die Nachordnung von Darlehen im Konkurs nicht von einem good faith der Gesellschafter abhängen dürfe, da die Prinzipien zu der Nachordnung von Darlehen aus den vorherigen Entscheidungen auch nicht auf ein good oder bad faith abstellen ,03 • In dieser Entscheidung wurden die weiten Befugnisse der Gerichte aus den beiden vorangegangenen Urteilen beschnitten, indem das Erfordernis eines bad faith verlangt wurde. Trotz dieser Verengung der equitable subordination Doktrin wurde die Nachordnung von Darlehen im Konkurs als Rechtsfigur bestätigt. In der Bewertung der Entscheidung meinten DeNatalel Abram, der Fall Comstock sei " areminder to the bankruptcy court that although it is a court of equity, it is not free to adjust the legally valid claim of an innocent party who asserts the claim in good faith merely because the court perceives that the result is inequitable" 104.
100
Comstock v. Group of Institutional Investors, 335 V.S. 211, 217 (1948).
101
Comstock v. Group of Institutional Investors, 335 V.S. 211, 229 (1948).
102
Comstock v. Group of Institutional Investors, 335 U.S. 211, 229 (1948).
103
Comstock v. Group of Institutional Investors, 335 V.S. 211, 237 f (1948).
104
DeNatalel Abram, 40 Bus. Law. 417,428 (1985).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
227
e) Mobile Steel Waren die Rechtsfolgen einer equitable Subordination bestimmt, nämlich die Nachordnung im Rangverhältnis im Konkurs, so konnten die Tatbestandsvoraussetzungen längere Zeit nicht systematischer und präziser beschrieben werden als in Pepper v. Litton. Nach der Entscheidung Comstock versuchten mehrere Gerichte die Doktrin der equitable subordination genauer zu charakterisieren, um exaktere Voraussetzungen herauszuarbeiten, was jedoch icht überzeugend gelang. Den Gerichten fehlten genauere Vorgaben und einheitliche Standards in der Rechtsanwendung, da sie die Interessenkonflikte für jeden Einzelfall neu ausloteten lOS. Hinzu kommt wohl auch der Umstand, daß die geringe Anzahl von Fällen his in die 70er Jahre 106 ein Bedürfnis nach einheitlichen Standards nicht hat aufkommen lassen. Nahezu alle Konkursgerichte, die nach 1977 mit dem Problem von Gesellschafterdarlehen konfrontiert wurden 107 , bedienen sich eines Tests, der in der Entscheidung In re Mobile Steel 108 durch das Gericht des 5th eir. entwickelt wurde, um festzustellen, ob ein Gesellschafterdarlehen nachgeordnet werden sollte. In dem Fall Mobile Steel waren die Darlehensgeber officers und directors des Unternehmens Mobile Steel, Mitglieder der Familie und zusätzlich eine Gesellschaft, deren Inhaber auch einer der Kreditgeber war. Strittig waren zwei
lOS Der Grund dafiir mag im amerikanischen Recht selbst liegen, daß als Fall-Recht im "offenen System" die Interessenkonflikte der Fälle für jeden Fall problemorientiert neu erarbeitet und demzufolge nicht in dem Maße auf Systematisierung und logische Begriffsbildung angewiesen ist. Zu den Unterschieden von axiomatisch und problematisch orientiertem Rechtsdenken und der Bedeutung von Prinzipien siehe: Esser, Grundsatz und Norm, insbesondere S. 218 ff. 106 Zu der zahlenmäßigen Entwicklung der Rechtsfigur der Equitable Subordination siehe die rechtstatsächliche Untersuchung in D.lV. 107 Beispielhafte Fälle, die sich auf den Test beziehen sind: Matter of Clark Pipe & Supply Co., Inc., 893 f.2d 693,699 (5th Cir. 1990), reh'g denied, 899 f.2d 11 (5th Cir. 1990); In re Universal Farming Industrie, 873 f.2d 1334, 1337 (9th Cir. 1989); In re Bellanca Aircraft Corp., 850 f.2d 1275, 1282 (8th Cir. 1988); In re N & D Properties, Inc., 799 f.2d 726, 731 (11th Cir. 1986); In re Pacific Express, 69 B.R. 112,116 (Bankr. 9th. Cir. 1986); In re Belluci, 29 B.R. 814, 815 (Bankr. 1st Cir. 1983); In re Missionary Baptist Foundation, 712 f.2d 206, 211 f (5th Cir. 1983). 108
15'
563 f.2d 692, 696-697 (5th Cir. 1977).
228
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Gruppen von Darlehen. Die erste Gruppe von Forderungen entstand aus Schuldverschreibungen, da die Gesellschaft nach einem Unternehmenskauf gezwungen war, Kredite aufzunehmen, um ihren Finanzbedarfzu decken. Die zweite Gruppe von Darlehen betraf Schuldanerkenntnisse, die drei der Gläubiger im Gegenzug für die Übertragung von Betriebseigentum erhielten. Das KOllkursgericht als erste Instanz ordnete die erste Gruppe von Darlehen nicht im Rang nach, sondern disallowed sie; es verneinte also die rechtliche Wirksamkeit der Forderungen 109 . Grund dafür war, daß die Darlehen als Einlagen bewertet wurden. Die zweite Gruppe von Darlehen wurde unter Hinweis auf den Bruch von fiduciary duties und fehlendem guten Glauben im Rang nachgeordnet; nicht betroffen war die Wirksamkeit. Die nächste Instanz, der District Court, bestätigte das Urteil ohne Angabe von Gründen llo . Das Appeal Gericht des 5th Circuit wies die Entscheidung mit der Erklärung zurück, die Urteilsbegründung könne nicht dem neuen, vom Appeal Gericht entwickelten 3Prong Test standhalten. Das Appeal Gerichte bestätigte die weiten historisch tradierten Equity Befugnisse der Bankruptcy Courts, zeigte aber gleichzeitig die Grenzen im Hinblick auf die equitable subordination Doktrin auf. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Darlehen war zunächst die Grenzziehung zwischen den Rechtsfiguren der disallowance und der equitable subordination. Maßgebend ist danach, daß Billigkeitsüberlegungen ein Nachordnung rechtfertigen können, nicht aber die Unwirksamkeit einer Forderung l\l. Anschließend legte das Gericht durch den 3- Prong Test die Grenzen für eine Nachordnung fest, welche nur zu rechtfertigen ist, wenn l12 : (1) The claimant must"have engaged in some type ofinequitable conduct. (2) The misconduct must have resulted in injury to the creditors of the bankrupt or conferred an unfair advantage on the claimant. (3) Equitable subordination of the claim must not be inconsistent with the provisions of the Bankruptcy Act.
109 563 f.2d 692, 695 (5th Cir. 1977). 110 563 f.2d 692, 696 (5th Cir. 1977). 111563 f.2d 692, 699 (5th Cir. 1977). 112 563 f.2d 692, 700 (5th Cir. 1977).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
229
In der Schaffung handhabbarer Kriterien, um die Doktrin gleichmäßig und vorhersehbar anwenden zu können, hat das Gericht den Test noch um drei Prinzipien erweitert: Es soll unerheblich sein, ob das festgestellte Mißverhalten im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Inhaberschaft der Forderung steht ll3 . In der Rechtsfolge soll die Forderung nur soweit nachgeordnet werden, wie es notwendig ist, um den Schaden der anderen Gläubiger auszugleichen. Die aus prozessualer Sicht wohl wichtigste Entscheidung liegt in der Festlegung der Beweislast, nach der der Konkursverwalter gegenüber dem Inhaber einer Forderung eine factual basis für eine Nachordnung aufzeigen muß. Der Forderungsinhaber ist damit befreit von dem Nachweis, daß es sich bei jeder einzelnen Kreditvergabe um ein faires Geschäft handele, das niemanden benachteiligte. Diese Art der Beweislastverteilung soll gewährleisten, daß nicht diejenigen Kreditgeber abgeschreckt werden, die am meisten an der Rettung der in die Krise geratenen Gesellschaft interessiert sind, nämlich die Gesellschafter l14 • Das Besondere dieser Entscheidung liegt in der Schaffung eines in Rechtsprechung 115 und Schrifttum 116 allgemein akzeptierten Testes, der heute
11J
563 f.2d 692, 695 (5th Cir. 1977).
114
563 f.2d 692, 701 (5th Cir. 1977).
115 Im folgenden werden von den Gerichte der 11 bestehenden Federal lustice Circuits -beispielhaft-Entscheidungen genannt, die den Mobile Steel Test verwenden: 1st Cir.: In re Georgio, 862 f.2d 933, 938 1st Cir. 1988) ; 2d Cir.: In re WT Grant Co., 699 F2d 599 (2d Cir. 1983); 3d Cir. In re f.A. Potts & Co., Inc., 115 BR 66, 71 (E.D.Pa 1990) judgement affd, 922 f.2d 830 (3ed Cir. 1990); 4th Cir.: In re ASI Reactivation, Inc. 934 F2d 1315 (4th Cir. 1991); 5th Cir.Matter ofClark Pipe & Supply Co., Inc., 893 f.2d 693, 699 (5th Cir. 1990), reh'g denied, 899 f.2d 11 (5th Cir. 1990); 6th Cir.: In re All Products 32 BR 811 (Bankr.E.D.Mich. 1983); 7th Cir.: Kham & Nate's Shoes No. 2, Inc. v. First Bank ofWhiting 908 F2d 3151 (7th Cir. 1990); 8th Cir.:In re Bellanca Aircraft Corp., 850 F2d 1275, 1282 (8th Cir. 1988); 9th Cir.: In re Universal Fanning Indus., 873 F2d 1334, 1337 (9th Cir. 1989); 10th Cir.: In re Weeks, 28 BR 958, 960 (Bankr.W.D.Okl. 1983); 11th Cir.: In re N&D Properties, Inc. 799 F2d 726, 731 (11th Cir. 1986). 116 Aus dem Schriftum sind zu nennen French, 41 1. Bankr. L. & Prac. 256, 262 (1995); Note, 34 William and Mary L.Rev. 487, 496-498 (1993); Heiman/ Stone/ Sullivan, 1 1. Bankruptcy Law and practive 208, 210 ( 1992); Note, 15 Seton Hall Legis. 1. 434, 434 (1991); White, in Annual Survey of Amercan Law 1991, S.357, 420; Rehon, The Banking Law 1. 536, 537 (1991); Mendales, 69 Washington L. Quarterly 1137, 1153 f (1991); Cerise, 33 Loyola L. Rev. 468, 474 (1987); Graves, 3 Banking
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
sämtliche Entscheidungen zu diesem Thema prägt. Dieser Test beginnt, Vorgaben für die Gerichte und die betroffenen Gesellschafter zu statuieren, in deren Folge sowohl ein größeres Maß an Rechtssicherheit besteht, als auch eine genauere Beschreibung der Rechtsfigur equitable subordination erreicht wird.
j) Schlußfolgerung Die equitable subordination doctrin hat sich aus den Überlegungen zum Haftungsdurchgriff entwickelt. Der Schlüsselbegriff für die tatbestandliche Beschreibung ist der Begriff inequitable conduct. Die Lebenssachverhalte, in denen die Nachordnung von Gesellschafterdarlehen in Betracht kommt, sind vielgestaltig; nicht nur Fälle einer nominellen Unterkapitalisierung, sondern auch Betrug, Täuschung und andere Gläubigerbenachteiligungen sind erfaßt. Dabei ist es grundsätzlich nichts Verwerfliches, wenn Gesellschafter gleichzeitig auch Kreditgeber ihrer eigenen Gesellschaft sind ll7 . Im Hinblick auf die nominelle Unterkapitalisierung gilt folgende Feststellung: In jedem Stadium der unternehmerischen Tätigkeit muß eine faire Verteilung der Risiken zwischen den Gesellschaftern und den Gläubigem der corporation bestehen; dabei ist fair nicht positiv im Sinne von "richtig" oder auch nur zweckmäßig, sondern nur negativ im Sinne einer nicht mehr vertretbaren Risikoverteilung zu verstehen.
2. Gesetzgebungsreform zum Konkursrecht von 1978
1978 wurde in den USA ein neues und gänzlich refonniertes Konkursrecht verabschiedet, das zum 1.10.1979 in Kraft trat 11 S. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes begann schon 1968 und brachte zwei Gesetzesvorlagen hervor l19 , in denen die bis dahin gesetzlich ungeregelte Behandlung von Gesellschafterdarlehenaufgegriffen und diskutiert wurde. Die zwei Gesetzesvorschläge, die die Commission on the Bankruptcy Law und die Bankruptcy Judges erarbeiteten, stimmen inhaltlich hinsichtlich der Gesellschafterdarlehen überein. L.Rev. 18, 19 (1990). Zur Frage der Vorhersehbarkeit und der damit verbundenen Rechtssicherheit vgl. Nyzio, 37 South Carolina L. Rev. 627 (1986). 117
Vgl. aus neuester Zeit nur French, 4. J. Bankr. L. (1995) 257, 264.
118
Zur Geschichte der Gesetzgebung siehe Klee 28 Depaul L.Rev. 941 (1979).
119
Klee, 28 Depaul L.Rev. S. 941, 942 (1979).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
231
Zu diesem Punkt der Konkursrechtsreform gab es heftige Debatten, die in einer Ablehnung der Vorschläge mündeten.
a) Reformvorschlag einer automatischen Nachordnung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs Um den Anforderungen des Konkursrechtes an eine gerechte Verteilung des verbliebenen Vermögens zu entsprechen, hat die Commission on the Bankruptcy Laws folgendes vorgeschlagen: Jedes Darlehen eines principal officers, eines directors oder eines affiliates soll im Konkurs automatisch im Rang gegenüber anderen Kreditgebem nachgeordnet werden12O • Die Aufzählung erwähnt nicht ausdrücklich die Gesellschafter als mögliche Darlehensgeber. Diese werden jedoch durch den Umstand erfaßt, daß vor allem in der elose corporation 121 Gesellschafter meistens als sog. GesellLschafterGeschäftsfiihrer fungieren. Durch eine automatische Nachordnung der Darlehen im Konkurs wird das Kriterium des inequitable conduct überflüssig; sämtliche als Fremdkapital gedachten Mittel werden im Konkurs wie Eigenkapital behandelt. Damit löste sich der Vorschlag in den Voraussetzungen einer Nachordnung vollkommen von dem bisher durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen.
b) Vorbilder in der Rechtsprechungfor eine automatische Nachordnung Die sehr weitreiChende Position, daß sämtliche Gesellschafterdarlehen ohne Prüfung der einzelnen Gegebenheiten des Falles automatisch subordiniert, also
120 H.R. 31, S.236, 94th Congress, 1st Session (1975); Der Vorschlag der Bankruptcy Judges enthält in Section 4-406 die identische Regelung. Die betreffende Vorschrift lautet: Section 4-406. Subordination of claims. (a) Subordinated classes of claims. Tbe following claims are subordinated in payment to all other nonsubordinated but allowable claims: (1) ... (2) any claim whether secured or unsecured, of any principal officer, director or affiliate of the debtor, or of any member of the immediate family of such officer, director or affiliate. 121 Ähnlich der GmbH im deutschen Recht; Zu Einzelheiten vg1.: Bungert, Die close corporation im amerikanischen Recht, 1993.
232
2. Kap.: Rechtslage in den USA
im Rang nachgeordnet werden, ist in der Rechtsprechung der Konkursgerichte nicht ohne Vorbild. 1948 hat Judge Frank, Richter am Court of Appeals des 2. Cir., diese Form der Rangnachordnung als Rechtsfigur eingefiihrt 122 • Nach seiner Begründung besitzt die Situation, in der Gesellschafter gleichzeitig Kreditgeber ihrer eigenen Gesellschaft sind, ein so hohes Maß an potentieller Ungerechtigkeit, daß der Nachweis eines unfairen Verhaltens auf Seiten der Gesellschafter den anderen Kreditgebern nicht zugemutet werden könne 123 • In solchen Fällen kann es für die Gerichte unmöglich sein, selbst bei genauester Untersuchung jedesmal die "unfaimess" zu entdecken l24 • In der Begründung kommt der Verdacht zum Ausdruck, daß in der Mehrzahl aller Finanzierungen durch Gesellschafterdarlehen, sich die Gesellschafter ungerechtfertigte oder rechtswidrige Vorteile zu Lasten der anderen Kreditgeber verschaffen; es sich um ein per se zur Gläubigerschädigung benutztes Instrument handelt. Ohne weitere Daten empirischer Art über die Häufigkeit eines Mißbrauches oder zusätzliche Argumente griff das Gericht damit erheblich in die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter ein. Der Court of Appeals hat sich 1951 von einer automatischen Rangnachordnung entgegen der dissenting opinion von Judge Frank gelöst und anerkannt, daß die Nachordnung im Konkurs nicht automatisch, unabhängig von einem inequitable conduct erfolgen dürfem. Die Idee einer automatischen Nachordnung der Gesellschafterdarlehen im Konkurs ist von keinem Gericht später wieder aufgegriffen worden l26 • Grund für die Aufgabe der automatischen
122
In re Loewer's Gambrinus Brewery Co., 167 f.2d 318 (2d Cir. 1948).
123 In re Loewer's Gambrinus Brewery Co., 167 f.2d 318, 319 (2d Cir. 1948) "If that test (Grundsätze von Pepper v. Litton) be applied .. , it would seem that the potential injustice to other creditors is so great as to require subordination. For, in such circumstances, unfairness can easily occur and yet be so easily concealed that no scrutiny by the bankrupt court, however rigid, will uncover it; accordingly, merely to put on the stockholders a heavy burden of proof as to fairness would be insufficient; therefore, as a matter of public policy the stockholders will not be heard to deny unfairness." 124
In re Loewer's Gambrinus Brewery Co., 167 f.2d 318,319 (2d Cir. 1948).
125
Schwartz v. MiIIs, 192 f.2d 727,729 (2d Cir.1951).
126 Unter dem Stichwort der "No Fault Subordination" gibt es seit Ende der 80er Jahre Gerichtsentscheidungen, die, ohne einen inequitable conduct zu bejahen, Forderungen im Konkurs nach ordnen. Die Fälle liegen aber insoweit anders, als ein inequitable conduct aufgrund der Natur der Forderung als steuerrechtliches Bußgeld angenommen wird. Dazu ausführlich unten unter B. VI.
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
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Nachordnung, der später auch Judge Frank folgte 127, ist in der Rechtsprechung des V.S. Supreme Court zu suchen, wenn auch nicht ausdrücklich zum Fall In re Loewer Gambrinus Stellung bezogen wurde. Nach der ersten Entscheidung zur automatischen Rangnachordnung hatte das Gericht den Fall Comstock v. Group of Institutional Investors 128 zu beurteilen, in dem es die Grundsätze von Taylor v. Standard Gas und bestätigt und erläutert hatte 129 • Anknüpfungspunkt für die equitable subordination ist nach dem Supreme Court nicht schon die Finanzierung der Gesellschaft als solche mit Darlehen seitens der Gesellschafter. Da eine automatische Nachordnung nur auf die Tatsache der Finanzierung durch ein Gesellschafterdarlehenabstellt, ließ sich die rechtliche Beurteilung durch Judge Frank nicht mehr halten. In einer späteren Entscheidung aus dem Jahr 1979 hat sich der Court of Appeals (10th Cir.) nochmals mit dem Thema einer automatischen Nachordnung kritisch befaßt. Er führte aus, daß eine derartige Regelung die Gesellschafter davon abhalte, die notleidende Gesellschaft mit Darlehen zu finanzieren. Das Gericht betonte, durch eine automatische Nachordnung werde implizit eine Pflicht statuiert, die eigene Gesellschaft nur mit Eigenkapital zu finanzieren. Eine solche rechtliche Regelung sei jedoch weder als soziale Politik wünschenswert noch durch die zu beurteilenden Fälle zu rechtfertigen 130.
c) Gesetzgeberische Entscheidung gegen eine automatische Nachordnung
Der Gesetzesvorschlag des Commission Reports zur automatischen Subordination in Section 4-406 bezieht sich nicht ausdrücklich auf die Rechtsprechung und besitzt erstaunlicherweise keinerlei Begründung, obwohl in erheblicher Weise vom bestehenden Recht Abstand genommen wurde. Die Diskussion über die Vor- und Nachteile der vorgeschlagenen Regelung wurde in den
127
Gannett Co. v. Lary, 212 f.2d 269 (2.Cir. 1955).
128
335 V.S. 211 (1948).
129 " It is not the mere existence of an opportunity to do wrong that brings the rule into play; it is the unconsionable use of the opportunity afforded by the domination to advantage itself at the injury of the subsidiary that deprives the wrongdoer of the fruits of his wrong." Comstock v. Group of Institutional Investors, 335 V.S. 211,228 (1948). 130
In re Mid-Town Produce Terminal, Inc., 599 f.2d 389,392 (10th Cir.1979).
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Beratungen über das Gesetz und der Literatur ausgetragen, in deren Folge sich zwei widerstreitende, aber ungleichgewichtige Meinungen gegenüberstanden. Die automatische Nachordnung aller Gesellschafterdarlehen bietet einen großen Vorteil. Es handelt sich um eine eindeutige Lösung, in der es keine Zweifel an einer richterlichen Entscheidung geben wird; die komplexe Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital entnillt. Als Vorzug einer solchen Regelung wurde deshalb herausgestellt J31 , daß sie das Risiko eines langen und kostspieligen Prozesses fiir die Gläubiger ausschalte. Denn die Gläubiger müssen nicht mehr -was im Einzelfall schwierig sein kann- den Beweis fUhren, daß die Gesellschafter unfair gehandelt haben. Ganz allgemein haben so eindeutig formulierte Gesetze den Vorteil, mehr Rechtssicherheit zu gewähren. Es besteht aber in jedem Fall der Nachteil, daß das Gericht auf die Umstände des Einzelfalles nicht eingehen kann, und so sind auch Darlehen, die erwiesenermaßen kein Eigenkapital sondern Fremdkapital darstellen, betroffen. In der Folge ist die Regelung im Einzelfall nicht nur unflexibel, sondern fUhrt auch zu Ungerechtigkeiten 132. Im Gegensatz zu den allgemeinen Vorteilen beschäftigten sich die Anhörungen im Gesetzgebungsverfahren zum Bankruptcy Code hauptsächlich mit den Auswirkungen des Gesetzesvorschlagesauf die Finanzierung der elose corporation mit Gesellschafterdarlehen. Sämtliche Interessenvertreter 133 im Anhörungsverfahren erwarteten einen Rückgang der Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen vornehmlich in zwei Lebenssituationen der Gesellschaft. Die erste Situation bezieht sich auf die Gesellschaft in der wirtschaftlichen Zwangslage. Dann werden die Gesellschafter kaum bereit sein, ihre Gesellschaft aus eigenen Finanzressourcen zu unterstützen, wenn sie sicher erwarten
131 Zu den Schwierigkeiten der Beweisführung und dem damit verbundenen Prozeßrisiko vg\.: Macey, 85 Commercial L. J. 44, 46 f (1980); Clark, Harv. L. Rev. 506, 538 (1977), ders., Corporate Law, § 2.3.5. S. 69. 132 Zu diesem Aspekt des Gesetzesvorschlages sowie allgemein Clark, 90 Harvard Law Review 505, 538 (1977).
133 Zu nennen sind: Securities and Exchange Commission, Finanzierungsunternehmen, Anwaltschaft im Konkursrecht; Hearings on H.R. 31 und H.R. 32 before the House Committee on the Judiaciary, 94th Congress, 2d Session, Part 3, S. 1539, 1592 f, 1626 f, 1671, 1717-1721; Part 4, 2095, 2160, 2162, 2186 (1976); Aus dem Schrifttum: Macey, 85 Commercial Law Journal 41, 46 f (1980); Clark, 90 Harvard Law Review 505, 536 ff (1977).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
235
müssen, ihre Darlehen zu verlieren 134. Dadurch wird nach Ansicht der Interessenvertreter die Chance vertan, wirtschaftliche Problemlagen der Gesellschaft außerhalb eines gerichtlichen Konkursverfahrens zu lösen \35. Wird die Krise gemeistert, besteht zudem auch fiir die Gläubiger eine größere Chance, ihre Forderungen durchsetzen zu können; auch sie profitieren von der Gesundung des Unternehmens. Insgesamt wurde der Gesetzesvorschlag als sanierungsfeindlich kritisiert. Die andere Situation, in der eine automatische Nachordnung gesamtwirtschaftlich zu Nachteilen führen wird, ist die Gründung einer Gesellschaft 136 • Ist eine automatische Nachordnung zu befiirchten, darf die Gesellschaft schon beim Start konsequent nur mit Eigenkapital finanziert werden. Damit würden nicht nur Ressourcen langzeitig gebunden, sondern einer Vielzahl von möglichen Wettbewerbern würde der Zugang zum Markt erschwert oder gar verschlossen. In der Konsequenz käme es zu einer allgemeinen Preissteigerung fiir die betroffenen Leistungen. Sind die negativen wirtschaftlichen Folgen fiir den einzelnen und die Gesamtwirtschaft auch nicht genau zu quantifizieren, so ist der Trend zumindest bestimmt. Angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile einer so eindeutigen Lösung, ohne daß entsprechende Vorteile zu verzeichnen wären, wurde der Gesetzesvorschlag zu einer Neuordnung des Rechtes der Gesellschafterdarlehen ganz einhellig abgelehnt. Die Vorschläge haben keinen Eingang in das spätere Gesetz gefunden.
134 Hearings on H.R. 31 und H.R. 32 before the House Committee on the Judiaciary, 94th Congress, 2d Session, Part 3, S. 1593, 1671; Macey, 85 Commercial Law Journal 41,46 f (1980); Clark, 90 Harvard Law Review 505,538 (1977); Carrol, 17 Houston Law Review 223, 250 (1980); White, Bankruptcy and Creditor'Rights, § 4 S. 266.
m Hearings on H.R. 31 und H.R. 32 before the House Committee on the Judiaciary, 94th Congress, 2d Session, Part 3, S. 1671. 136 Hearings on H.R. 31 und H.R. 32 before the House Committee on the Judiaciary, 94th Congress, 2d Session, Part 3, S. 1720.
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
3. Übersicht über das geltende Recht des Bankruptcy Code von 1978
a) Equitable subordination in sec. 510 (c) des Bankruptcy Code Absicht der Schaffung des § 510 (c) Bankruptcy Code von 1978 war die Bildung einer eigenen gesetzlichen Grundlage für die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur equitable subordination von Gesellschafterdarlehen. Section 510 (c) des Bankruptcy Code von 1978 in der Fassung von 1992 bestimmt: (c) Nothwithstanding subsections (a) and (b) of this section, after notice and a hearing, the court may(I) under principles of equitable subordination, subordinate for thc purposes of distribution all or part of an allowed claim to all or part of another allowed claim or all or part of an allowed interest to all or part of another allowed interest; or '(2) order that any lien securing such a subordinated claim be transferred to the cstate 137•
Als Norm des chapter 5 im Bankruptcy Code gilt die Regelung allgemein für alle Fälle des Konkurses, des Vergleiches und der Reorganisation\38. Sämtliche Regelungen in chapter 5 sind allgemein geltende Vorschriften, die vor die "Klammer" gezogen wurden. Daher kann das Konkursgericht die Reihenfolge der Forderungen nach Konkurseröffnung gern. chapter 7 139 verändern. Die Befugnis der Gerichte gilt sowohl für die Rangfolge qua Gesetz 140 als auch für die Rangfolge aufgrund von Parteivereinbarung (subordination agreement)141. Allerdings sind die Fälle, in denen die vertragliche Nachordnung von Forderungen mittels equitable subordination neu geordnet wird, sehr seltenl42 .
137
11 U.S.C. § 510 (c) (1993).
138 Zu der Gesetzgebungstechnik auch allgemein Baird, 0., Tbe Elements of Bankruptcy, S. 5, 9 f. 139
11 U.S.C.
140 Siehe dazu oben A.II.2.a). 141 In re W.T. Grant Co., 699 f.2d 599, 609 (2d Cir.1983), cert. denied, 464 U.S. 822 (1983); In re Sepco, Inc., 36 BR 279,287 (Bankr. O.S.O. 1984), affd 750 f.2d 51 (8th Cir. 1988); Epsteinl Nicklesl White, Bankruptcy, 1992, § 6-93, S. 253. 142 Äußerst proble111atisch sind die Fälle, in denen ein subordination agreement mit einer Reorganisation nach chapter 11 zusammentrifft. In einem solchen Verfahren ist der Reorganisationsplan die Grundlage dafür, wer welche Vermögenswerte erhält, nicht das
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
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Als Voraussetzung fiir eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen nennt das Gesetz lediglich die principles of equitable subordination. Der Wortlaut des Gesetzes gibt keine genauere Auskunft über die Bedingungen, unter denen eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehenim Konkurs der Gesellschaft zulässig ist. Um sicherzustellen, was mit der Vorschrift gemeint ist, hat der amerikanisehe Kongreß ein sehr umfangreiches Material zu den Gesetzesbegründungen veröffentlicht. Nach den Materialien zu dem Bankruptcy Code zielt die Vorschrift darauf ab, die Grundsätze des schon bestehenden Fallrechtes zu kodifizieren: "Section 51 O(c) of the House amendment represents a cornpromise between similiar provisions in the House bill and Senate amendment. ... It is intended that the term "principles of equitable subordination" follows existing case law and leave to the courts developement of this principle. To date, under existing case law, a claim is generelly subordinated only if the holder of such claim is guilty of inequitable conduct, or the claim itself is of a status suspectible to subordination ... "'''.
Diese in Repräsentantenhausund Senat gleichlautende Begründung bildet den Ausgangspunkt fiir das heutige Verständnis der Norm. Nach dem Willen der Gesetzgeber sollen die Gerichte sich in ihren Entscheidungen weiter auf das schon bestehende Fallrecht beziehen. Um die Abkehr von einer automatischen Nachordnung - wie es die Reformvorschläge forderten- zu verdeutlichen, wurde ausdrücklich hervorgehoben, daß fiir eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs ein inequitable conduct durch die Inhaber der Forderung
chapter 7 des Bankruptcy Code. So kann ein Forderungsinhaber einem Plan zustimmen, in dem sowohl die senior- als auch die junior- Kreditgeber eines subordination agreements teilweise Zahlungen erhalten. Ein derartiger Plan fUhrt nicht zu den gleichen Rechtsfolgen wie ein subordination agreement, da die senior-Kreditgeber weniger als die gesamte Darlehenssumme erhält, während die junior-Kreditgeber einen Teil ihrer Forderungen erhalten. Die Abstimmung zwischen den einzel vertraglichen Forderungsnachordnungen (subordination agreements) und dem Reorganisationsplan wirft erhebliche rechtliche Probleme auf. Dazu sehr ausfUhrlich: Kravitz, Tbe Outer Frings of Chapter 11: Nonconsenting Senior Lender's Rights Under Subordination Agreements in Bankruptcy, 91 Michigan L. Rev. 281 ff (1992). Zum subordination agreement mwN siehe oben A.II.2.b). 143 Section 510 in House of Representatives Report No. 95-595, 95th Congress, 1st Session 359 (1977); Senate Report No. 95-989, 95th Congress, 2d Session 74 (1978); 124 Congress Rec. H 11,095 (Sept. 28, 1978); diesselben S 17,412 (Okt. 6, 1978). Aus dem Schrifttum zu diesen Fragen: Macey, John RJ Miller, Banking Law, ch. 3, S.228; Collier on Bankruptcy, 15. Aufl. 1993, Band 3, § 510-2; Bankruptcy Service, Lawyers Edition 1988, § 21:296; Epsteinl Nickels/ White, Bankruptcy 1992, § 6-93, S. 255.
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
vorliegen müsse l44 • Damit die Gerichte auch in Zukunft auf veränderte Bedingungen reagieren können, sind sie - abgesehen vom bestehenden Recht - in der Fortentwicklung der Doktrin nicht beschränkt. Aus der Gesetzesgeschichte läßt sich vielmehr entnehmen, daß der Gesetzgeber davon ausging, die Befugnisse der Konkursgerichte als courts of equity seien umfassender als die equitable subordination Doktrin 14S • Mit dem Bezug auf das bestehende Case Law verzichtete der Gesetzgeber darauf, ein eigenes theoretisches Konzept der Nachordnung von Gesellschafterdarlehen zu entwerfen. Die Möglichkeit einer Neuorientierung im Recht der Gesellschafterdarlehen wurde nicht genutzt. Der Grund für diese Selbstbeschränkung liegt in der positiven Einschätzung der Rechtsprechung zur equitable subordination Doktrin. Die dort entwickelten Regeln werden allseits als ausreichend und angemessen eingestuft, um den Situationen zu begegnen, in denen die Behandlung von Gesellschafterdarlehennotwendig ist l46 • Das bestehende Recht, begründet durch Taylor v. Standard Gas und Pepper v. Litton, hieit man für ausreichend l47 •
b) Recharacterization Befugnisse der Gerichte aus sec. 502 des Bankruptcy Code Neben der equitable subordination doctrin ·kennt das amerikanische Insolvenzrecht in sec. 502 des Bankruptcy Code noch eine weitere Möglichkeit, Gesellschafterdarlehen zu beurteilen.
144 "To date, under existing case law, a claim is generally subordinated only if the holder of such claim is guilty of inequitable conduct..." Section 510 in House of RepresentativesReport No. 95-595, 95th Congress, 1st Session 359 (1977); Senate Report No. 95-989, 95th Congress, 2d Session 74 (1978); 124 Congress Rec. H 11,095 (Sept. 28, 1978); Diesselben S 17, 412 (Okt. 6, 1978). 145 Daher ist eine Beschränkung letztlich auch nicht möglich. House of Representatives Report No. 95-595, 95th Congress, 1st Session 359 (1977). 146 Hearings on H.R. 31 und H.R. 32 before the House Committee on the Judiaciary, 94th Congress, 2d Session, Part 3, S. 1592 f, 1718, 1721. 147 Hearings on H.R. 31 und H.R. 32 before the House Committee on the Judiaciary, 94th Congress, 2d Session, Part 3, S. 1592 f, 1718, 1721.
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
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In der Liquidation der Vermögenswerte wird nicht jeder geltend gemachte Anspruch berücksichtigt, sondern nach sec. 726 des Bankruptcy Code nur derjenige, der allowed, also gern. sec. 502 durch das Gericht anerkannt wird l48 • Absatz (a) des sec. 502 bestimmt, daß die Ansprüche anerkannt werden, soweit keine party in interest - vor allem andere Gläubiger und der Konkursverwalter- mit Grund Einspruch erheben. Wird der Anspruch nicht anerkannt, fehlt eine Voraussetzung der sec. 726, so daß die Forderung nicht an der Liquidation teilnehmen kann; der betroffene Gläubiger hat in dem Konkurs keinerlei Rechte mehr. Disallowance, die Abc;rkennung der Gläubigerstellung in der Liquidation, ist in sec 502 (b) für 8 Fälle sehr präzise geregelt l49 • Dieses folgenreichste Urteil fiir den Gläubiger rechtfertigt sich durch den Norrnzweck der sec. 502. Inhalt der Regelung ist es, -verallgemeinert-Ansprüche auszuschließen, die tatsächlich oder rechtlich nicht bestehen, nicht wirksam oder nicht durchsetzbar sind l50 • Kann ein Gesellschafterdarlehenden hier geprüften Anforderungen nicht Stand halten, ist der Gesellschafter nicht mehr Inhaber einer wirksamen Forderung gegenüber der Konkursmasse. Die der Gesellschaft zur Verfiigung gestellten Mittel gehören zu den Vermögenswerten, die im Konkurs den Gläubigem haften und so zu einer Erweiterung der Haftungsmasse fiihren. Die Gesellschafterdarlehenhaften wie Eigenkapital. Ein Konkurrenzverhältnis zu anderen Darlehensgebern um die Verteilung der verbliebenen Vermögensmasse entsteht auf diesem Weg gar nicht erst. Ebenso entfallen andere Rechte im Konkurs, die an die Stellung als Gläubiger gekoppelt sind l5l .
148
11 U.S.c.
149
11 U.S.C.
150 Oie Konkursgerichte müssen, obwohl sich Wirksamkeit und Ourchsetzbarkeit der Ansprüche nach einzelstaatlichem Recht richten, aufgrund der bundesrechtlichen Anordn\.mg über diese Fragen nach einzelstaatlichem Recht entscheiden. Vgl.: Re Shelter Enterprises Inc. 98 BR 224(1989,8c WO Pa); dazu auch Bankruptcy Service Lawyers Ed. Suppl. to Binder 2b 1993§ 21 :303 S. 318. 151 Beispielsweise werden zu den sog. creditor committees nur die Inhaber einer ungesicherten Forderung zugelassen, 11 U.S.c. 1102.
240
2. Kap.: Rechtslage in den USA
aa) Sec. 502 als Maßstab zur Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital Unter dem Begriff der recharacterization benutzen einige Gerichte auch die Rechtsgrundlage des sec. 502 (a), um Fremd- von Eigenkapital abzugrenzen. Diese Abgrenzung stellt nur darauf ab, ob die Merkmale der Gesellschaftermittel tatsächlich eine Einordnung als Darlehen zulassen. Was die Kennzeichen einer Recharacterization sind, sei an einem Beispiel erläutert: In dem Fall Diasonics, Inc. v. Ingalls l52 hatten zwei Gesellschafter ihr Unternehmen über 12 Jahre mit einem Betrag von $ 4,435,477 in Form von Darlehen finanziert, ohne über eine annähernd ausreichende Eigenkapitalausstattung zu verfügen. Im Konkurs forderten deshalb die anderen außenstehenden Kreditgeber, die bestehenden Darlehen aufgrund der equitable subordination Doktrin nachzuordnen. Ein Verhalten der Gesellschafter, das als inequitable conduct auch nur annäherungsweise hätte gelten können, fehlte. Für eine Nachordnung hielt das Gericht, unabhängig von einer Unterkapitalisierung, ein inequitable conduct jedoch für notwendig, und mithin lehnte es eine Nachordnung der Darlehen aufgrund der equitable subordination Doktrin ab. Statt dessen erörterte es, ob eine unzureichende Kapitalausstattung als solche nicht bei einer Finanzierung mit Darlehen zu einer recharacterizationfiihrt; einer Qualifizierung des Darlehens als Eigenkapital. Das Darlehen wurde durch das Gericht im vorliegenden Fall als equity-Kapital eingeordnet. In der Folge haftete die Darlehenssumme von $ 4, 435,477 den Gläubigem im Konkurs. Die Rechtsgrundlage für eine recharacterizationirn Konkurs der Gesellschaft liegt in sec. 502 des Bankruptcy Code, der Bestimmung über die Anerkennung von Forderungen im Konkurs. Schon die Rechtsgrundlage offenbart, daß es sich bei der recharacterization um ein, im Vergleich zur equitable subordination Doktrin, vollkommen anderes Konzept handelt. Die Unterschiede 153 finden sich auf der Rechtsfolgen- wie der Tatbestandsseite.
152
Diasonics, Ine. v. Ingalls, 121 B.R. 626 (Bankr.N.D.Fla. 1990).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
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Indem das Gericht die Wirksamkeit der Forderung gern. sec. 502 aberkennt, verliert der Gesellschafter seine Stellung als Forderungsinhaber in dem Konkursverfahren. Dadurch wird erstens das Darlehen dem haftenden Kapital zugeordnet, und zweitens verliert der Gesellschafter seine Gläubigerrechte im Konkurs 154. Im Vergleich dazu verändert die equitable subordination lediglich die Rangfolge der Forderungen, ohne daß die Rechtsstellung als Kreditgeber betroffen ist. Auf der Tatbestandsebene ist der Unterschied zur equitable subordination noch einschneidenderIss: Ein inequitable conduct auf Seiten der Gesellschafter ist nicht mehr erforderlich. Stattdessen muß das Konkursgericht nur entscheiden, ob die Merkmale des Finanzierungsmittels eine Einordnung als debt oder equity zulassen. Zeigt die Prüfung, daß die Finanzierungsmittel eher equity als debt darstellen, sind sie auch als solche zu behandeln. Dabei deckt keiner der acht Gründe zur disallowance aus sec. 502 die Qualifikation von debt und equity. Damit knüpft die Rechtsprechung wohl eher an den equity Befugnissen der Gerichte an, die auch in sec. 502 ihren Ausdruck finden l56 •
153 Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen der Allowance und der Equitable Subordination ist erklärbar, daß vor der Konkursrechtsreform von 1978 - die Equitable Subordination Doktrin war noch nicht kodifiziert- die Begiffe nicht konsequent in dem einen oder anderen Sinn verwandt wurden. So wurden Forderungen nicht anerkannt (Allowance) die bei einer Rangrückstufung mangels ausreichender Masse nicht befriedigt worden wären, Goldie v.Cox, 130 f.2d 695 (8th Cir. 1942); Columbia Gas & Elec. Corp. v. U.S., 151 f.2d 461, 470 (6th Cir. 945); MacDonnel v. Sampsell, 193 f.2d 954 (9th Cir.); auch die Leitentscheidung Pepper v. Litton macht nicht immer deutlich, ob es um Subordination oder Disallowance geht, Pepper v. Litton, 308 U.S. 295, 306 f. Bedingt auch durch die gesetzliche Festlegung beider Rechtsfiguren im Bankruptcy Code hat sich in den folgenden Jahren eine genaue begriffliche Unterscheidung herausgebildet. Diese wird von den Gerichten konsequent verfolgt, und nur in der älteren Rechtsprechung sind noch Fälle zu finden, in denen ein wirksamer Anspruch gegen die Konkursmasse nicht Gegenstand einer Prüfung wegen Rangnachordnung (equitable subordination), sondern Aberkennung (disallowance) ist. In re American Fue1 & Power Co., 122 f.2d 223 (6th Cir. 1941); Goldie v. Cox, 130 f.2d 695 (8th Cir. 1942); Braddy v. Randolph, 352 f.2d 80 (4th Cir. 1965). 154
Zu einer Auswahl solcher Rechte eines Forderungsinhabers vgl. oben A.IlI.3.b )aa).
ISS Der Zusammenhang der Rechtsfiguren wird auf der Tatbestandsebene als Stufenverhältnis gedeutet, in der die eine Prüfung sich auf rechtliche Aspekte der Wirksamkeit bezieht, während die andere Prüfung Verstöße gegen einen Fairness-Standard zum Inhalt hat, De NatalelAbram, 40 Bussines Lawyer 417, 419 (1985); Chaitman, Lender liability 1990, § 7.01(l)(b) S.7-3.
16 Gehuc
242
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Im Gegensatz zur recharacterization erfaßt die equitable subordination doctrin auch Formen der Gläubigerbenachteiligung, die nicht mit einer nominellen Unterkapitalisierung zusammenhängen 1S7 • Deshalb wird das Argument vorgebracht, sec. 502 des Bankruptcy Code sei eigentlich die technisch bessere Lösung für eine Abgrenzung von debt und equity Investment im Konkurs I58 •
bb) Recharacterization als eigenständige Rechtsfigur in der Beurteilung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs Weil sich recharacterization und equitable subordination sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenebene ganz erheblich voneinander unterscheiden, besitzt das amerikanische Konkursrecht zwei verschiedenartige Rechtsfiguren, die sich mit der Beurteilung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs auseinandersetzen. Daß auch die sec. 502 als Rechtsgrundlage die Unterscheidung von debt und equity zum Inhalt hat, ist eine relativ neue und bemerkenswerte Entwicklung. Erste Urteile in diese Richtung stammen aus dem Jahr 1978, während die Mehrzahl der Entscheidungen in den 90er Jahren gefallt wurde 1s9 •
156 In diese Richtung geht die Deutung von Mendales, 69 Wash. L Quart. 1137, 1156 (1991), während andere Autoren sec. 502 ausdrücklich als Rechtsgrundlage erwähnen ohne sich auf die Equity Befugnisse zu beziehen: Epsteinl Nickles/White, Bankruptcy, § 6- 93 S. 262 Fn. 32 am Ende. 157
Siehe dazu oben A.III.1.
158 Epsteinl NickleslWhite, Bankruptcy, § 6- 93 S. 262 Fn. 32 am Ende; in die gleiche Richtung argumentiert: Cohen, 52 Am. Bankr. J. 259, 259 (1978). 159 Diasonics, Inc. v. Ingalls, 121 B.R. 626 (Bankr.N.D.Fla. 1990), zum Inhalt des Falles siehe oben.; In re Union Meeting Partners, 160 B.R. 757, 773 (Bankr.E.D. 1993) in einer Partnership wurden die Darlehen als Eigenkapital gewertet, aufgrund einer Prüfung anhand von verschiedenen Kriterien zur Feststellung der Unterkapitalisisrung, ohne daß es auf ein inequitable conduct angekommen wäre.; In re Hyperion Enterprises, Inc., 158 B.R. 555 (D.C.D. Rhode Island 1993); In re A.F. Walker & Sons, Inc., 46 B.R. 186, 189 (Bankr.D.N.Hampshire 1985). Das Gericht stellt die beiden Positionen der recharcaterization und der equitable subordination vor und entscheidet sich für das erstere, ohne in diesem Fall das Darlehen nachzuordnen.; In re Transsystems, Inc., 569 f.2d 1364 (5th Cir. 1978) ist einer der ersten Entscheidungen zur Recharacterization von Darlehen.; In re Pacific, Inc., 55 B.R. 913,919 (Bankr.E.D.CaI.1985); In In re Pacific Inc., 69 B.R: 112, 115 (9th Cir. 1986) hat das Berufungsgericht für die Ent-
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
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Vergleicht man das Wesen der beiden Rechtsfiguren, so kann eine Verschiebung in der Zielsetzung festgestellt werden. Die Doktrin der equitable subordination ennäglicht es den Gerichten, auf ein inequitable conduct eines Gesellschafters zu reagieren, der in seiner Art sehr unterschiedlich sein kann l60 • Bei der recharacterizationgeht es lediglich darum, ob die Gesellschafter durch die Darlehen Eigenkapital ersetzen und damit das Risiko eines wirtschaftlichen Verlustes auf die Gläubiger abwälzen. Konsequent kann die Rechtsfolge nur eine UmqualifIZierung der als Fremdmittel geplanten Darlehen in Eigenkapital sein l61 • In der Tendenz kann folgende Aussage getroffen werden: Die recharacterization orientiert sich weniger an dem subjektiven Verhalten der Gesellschafter als an einer objektiven Sicht, welche Funktion die Finanzierungsrnittel einnehmen. Entscheidend ist nur noch eine QualifIZierung von Fremd- und Eigenkapital, unabhängig von zusätzlichen Erwägungen zu einem fairen und billigen Verhalten. Schon die unzureichende Kapitalausstattung selbst ist Ausläser für die QualifIZierung der Darlehen als erzwungenes Haftkapital. Da es auf einen inequitable conduct nicht ankommt, liegt es nahe, daß die Gerichte bei der recharacterizationeher bereit sein werden, die Gesellschafterdarlehen als Eigenkapital zu qualifizieren. Zu der plausiblen These von einem weitergehenden Gläubigerschutz l62 fmden sich im amerikanischen Schrifttum aber keine Stellungnahmen. Eine Bestätigung durch amerikanische Literatur und Rechtsprechung fehlt.
scheidung In re Pacific eine recharacterization abgelehnt. Maßgebendes Argument war der Vorwurf, daß das Gericht der Vorinstanz die Equity Befugnisse zu weit gezogen hat; davon nicht mehr erfaßt sind Überlegungen über eine recharacterization, denn diese sind nur innerhalb der equitable subordination Doktrin anzustellen. Aus dem Schrifttum: Graves,3 Banking L.Rev. 18, 18 (1990). 160 In re Giorgio, 862 f.2d 933, 939 (I st Cir. 1988); In re Hyperion Enterprises, Inc., 155 B.R 555 (D.C.D. Rhode Island 1993). 161 Diasonics, Inc., v. Ingalls, 121 B.R. 626, 630 (Bankr. N.D.Fla. 1990); In re Hyperion Enterprises, Inc., 155 B.R. 555 (D.C.D. Rhode Island 1993). 162 16*
Siehe dazu die empirische Erhebung in D.lV.
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
cc) Bedeutung der recharacterization in der Rechtsprechung Daß die Rechtsprechung zur recharacterization sich durchsetzt und einen Wandel in der Beantwortung der Frage herbeifiihrt, wie Gesellschafterdarlehen bei unzureichender Kapitalausstattung zu beurteilen sind, ist bisher nicht ersichtlich und bleibt abzuwarten. Angesichts eines entwickelten Rechtsinstitutes wie der equitable subordination Doktrin erscheint eine solche Entwicklung aber zumindest sehr fraglich. Bisher gibt es nur einige wenige Entscheidungen zur recharacterization, die noch nicht auf breiter Basis Eingang in die Rechtsprechung aller Circuits gefunden haben. Hervorzuheben ist jedoch, daß der Großteil der Entscheidungen sehr jungen Datums ist 163 • Trotzdem kann lediglich von einer Bedeutungszunahme der recharacterization gesprochen werden. Warum das Konzept bislang eher eine unspektakuläre Auswirkung 164 in der Rechtsprechung besitzt,
163
Vgl. dazu die Angaben in den Fn. zuvor.
164 Sucht man eine Erklärung, bieten sich hauptsächlich drei Gründe an. Die Rechtsprechung vieler Gerichte orientiert sich eng an den Ausflihrungen des Appeal Gericht des Fünften Circuits, das den Mobile Steel Test entwickelt hat und als das flihrende Gericht auf dem Gebiet der Gesellschafterdarlehen gilt. Das Appeal Gericht des 5th Circuit hat in einer sehr jungen Entscheidung Matter of Herby's Food, Inc., 2. f.3d 128 (5th Cir. 1993) eine recharacterization von Gesellschafterdarlehen abgelehnt und die Begriffe von equitable subordination und recharacterization synonym verwandt. Maßgebend soll nach dieser Entscheidung alleine der inequitable conduct des Gesellschafters sein. Die zweite Begründung ist ähnlich gelagert. Die equitable subordination Doktrin wurde 1939 mit Pepper v. Litton, 308 V.S. 295, 308 ff (1939), begründet und ist seitdem in vielen Entscheidungen bestätigt und weiterentwickelt worden. Die Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich unterliegt den Regeln des Common Law, das seine Ergebnisse methodisch immer durch eine Analogie zu vorherigen Fällen erzielt (Zu den Methoden der Rechtsgewinnung ausflihrlich Esser, Grundsatz und Norm, S. 183 ff; 218 ff). Daher ist es verständlich, wenn sich die Konkursgerichte auch weiterhin an diesen Grundsätzen orientieren. Schließlich ist es eine Erfahrung der Rechtswirklichkeit, daß neben einer zwingenden Einordnung von debt als equity sehr oft zusätzlich ein inequitable conduct bejaht werden kann (vgl. nur Taylor v. Standard Gas & Elec. Co., 306 V.S. 307,315 ff (1939); Pepper v. Litton, 308 V.S. 295, 301 (I939); Costello v. Fazio, 256 f.2d 903, 909 (9th Cir. 1958); In re Sterling House, Inc. 356 f.Supp. 113, 116 (W.D:Va. 1973); In re Beverages International LID., 50 B.R. 273, 281 ff (Bankr.D. Mass. 1985); In re Fabricators, Inc., 109 B.R. 186, 193 ff (Bankr.S.D. Miss. 1987); Matter of Herby's Foods, Inc., 2 f.3d 128 (5th Cir. 1993). In der Folge ist flir die Gerichte eine Auseinandersetzung mit der recharacterization entbehrlich, wenn man bedenkt, daß letztlich wirtschaftlich ein ähnlicher Erfolg durch die equitable subordina-
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
245
ist ungeklärt. Ähnlich wie in der Rechtsprechung gestaltet sich das Bild im Schrifttum. Insgesamt hat die rechtswissenschaftlicheForschung diesem Bereich keine besonders große Aufmerksamkeit gewidmet. Als Rechtsfigur ist die recharacterization im Schrifttum zwar anerkannt, aber es finden sich Abhandlungen nur in Aufsätzen 16S und nicht in den großen Standardwerken 166 zum Gesellschafts- oder zum Konkursrecht. Vertiefte Untersuchungen zu den aufgeworfenen Fragen oder anderen Aspekten der recharacterization gibt es im amerikanischen Recht bisher nicht.
4. Zusätzliche Rechtsquelle für die Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital
Der Bankruptcy Code selbst enthält zu einer Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital keine gesetzliche Grundlage. Als Folge haben die amerikanischen Konkursgerichte keine vorgegebenen Anhaltspunkte und wenig Erfahrung, um in dieser Frage zu entscheiden. Aus diesem Grund sind schon früh Bemühungen unternommen worden, Anleihen in anderen Rechtsgebieten zu machen, um auf bewährte Standards zurückgreifen zu können167 • Zwangsläufig sind mit dieser Methode weitere Fragen verbunden: Welches Rechtsgebiet kommt in Frage, bis zu welchem Grade sind Anleihen möglich, inwiefern sind die Wertungen verbindlich usw.
tion Doktrin erzielt wird. Die Haftungsmasse wird im Interesse der Gläubiger erweitert, während die Gesellschafter ihre Darlehen im Konkurs nicht mehr geltend machen können. 165 Eine Untersuchung liefern: Cohen, 52 Am. Bankr. J. 259, 259 (1978), dessen Bemerkungen sich allerdings darauf beschränken, festzustellen, daß es die recharacterization gibt, und sie für die Unterscheidung von debt und equity die angemessenere Lösung bietet; Graves, 3 Banking L.Rev. 18, 18 ff (1990), bei diesem Artikel handelt es sich um die Anweisung eines Praktikers dazu, wie Gesellschafter eine recharacterization vermeiden können. 166 Nur in dem Standardwerk von Epsteinl Nickles/White, Bankruptcy, findet sich in Abschnitt § 6- 93 S. 262 in der sehr langen Fn. 32 am Ende eine kurze Bemerkung zur recharacterization. 167 Zur Übernahme von steuerrechtlichen Gründen: Herzog/Zweibel, 15 Vanderbilt L. Rev. 83,94 (\961).
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
a) Amerikanisches Steuerrecht als Anknüpfungspunkt Insbesondere die amerikanische Steuerrechtsprechung ist in einer Vielzahl von Fällen mit der Unterscheidung von debt und equity beschäftigt gewesen. Die Schwierigkeiten auch für das Steuerrecht in dieser Frage resultiert aus den in der Realität vorkommenden Finanzierungsinstrumenten, die teilweise Merkmale von debt, teilweise von equity tragen. Aus diesem Grund ist trotz vielfachen Bemühens in Gesetzgebung l68 , Rechtsprechung l69 und Literatur l70 noch keine letztlich verbindliche und allseits akzeptierte Antwort gefunden wurden. Dennoch besitzt das Steuerrecht einen Erfahrungsvorsprung gegenüber dem Konkursrecht. Inwieweit eine Übernahme von wertenden Kriterien aus dem Steuerrecht für die anders gelagerten Probleme des Konkursrechtes zulässig und sinnvoll ist, kann nur durch einen Vergleich der Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Rechtsgebiete entschieden werden, ohne jedoch die Frage prinzipiell und umfassend lösen zu wollen 111 • Ein Unterschied liegt offensichtlich in den Beweggründen für eine Abgrenzung von Darlehen und Eigenkapital 112. Die Steuerrechtsprechung behandelt Fälle zwischen den Unternehmen und den Finanzämtern über die steuerrecht-
168I.R.C. 385 ist die gesetzliche Grundlage fIlr die Unterscheidung von Darlehen und Einlage, die selbst keine Vorgaben liefert sondern den Secretary of the Treasury ermächtigt, Vorschriften zu diesem Problemkreis zu erlassen. Das AufsteHen jeweiliger Kriterien, verbunden mit der Abschaffung wenige Jahre darauf, ist ein Anzeichen für die Schwierigkeiten in dieser Thematik. Dazu ein Überblick unten B.II.I. Aus dem amerikanischen Schrifttum dazu: Gibson, 81 North Western L. Rev. 452, 452 ff (1987). 169 Beispielhaft seien genannt: Estate of Mixon v. U.S., 464 f.2d 394, 402 (5th Cir. 1977); Slapey Drive Indus. Park v. U.S. 561 f.2d 572 ( 5th Cir. 1977); Texas Farm Bureau v. U.S., 725 f.2d 307, 311 (5th Cir. 1984). 17°Plumb, 26 Tax L. Rev. 369 (1971) mit der umfassendsten und heute noch gültigen Darstellung zu diesem Thema; Emmerich, 52 U. Chicago L.Rev. 119 (1985); Gibson, 81 North Western L. Rev. 452,452 ff (1987). Bittkerl Eustice, Federal Income Taxation, 5th ed. 1987, § 4.04 S. 4-21. 171 Dazu: HerzoglZweibel, 15 Vanderbilt L. Rev. 83,94 (1961); Gleick, 16 Bus. Law. 611, 620 (1961); Cohen, 52 Am. Bankr. J. 259, 265 (1978); Mendales, 69 Wash. U. L. Quarterly 1137, 1158 (1991). 172 Herzog/Zweibel, 15 Vanderbilt L. Rev. 83,94 (1961); Cohen, 52 Am. Bankr. J. 259, 265 (1978).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
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liche Beurteilung von Gewinnen und Verlusten der Unternehmen. Im Konkursrecht hingegen ist die Frage strittig, ob die Haftungssumme für die Gläubiger durch Nachordnung der Darlehen zu Lasten der Gesellschafter erweitert wird. Auch die Folgen für den betroffenen Gesellschafter sind sehr unterschiedlich. In einem Fall geht es um höhere Steuerzahlungen bei einem profitablen Unternehmen, im anderen Fall um die letzten Vermögenswerte eines bankrotten Unternehmens. Gemeinsam ist beiden Rechtsgebieten hingegen, daß Probleme der Unternehmensfmanzierung im Mittelpunkt stehen; es geht um die Entscheidung, ob eine in der Form des Darlehens gegebene Finanzierung auch in der rechtlichen Beurteilung als Darlehen gewertet werden kann. Dadurch bedingt gilt in beiden Rechtsgebieten der Grundsatz, daß nicht die Wahl der Form, sondern nur das tatsächliche wirtschaftliche Wesen der Transaktion maßgebend sein kann J73 (substance over form test). Die Unterscheidung gilt zwar für unterschiedliche Ziele, ist aber dem Wesen nach die gleiche. Die Alternative zur Übernahme der Steuerrechts, so wird zu Recht argumentiert, besteht in der Entwicklung neuer, eigener Konzepte durch die Konkursgerichte 174 • Ein Verfahren, das nicht nur Zeit benötigt, sondern sicherlich auch mehr Probleme verursacht als die Übernahme bestehender Regelungen.
173 Für das Konkursrecht: Pepper v. Litton, 308 V.S.295, 304 f (I 939): "Substance will not give way to form"; In re Carolee's Combine, Inc., 3 B.R. 324 (Bankr. N.D. Ga. 1980); Kupetz v. Wolf, 845 f.2d 842, 846 Fn.6 (9th Cir. 1988); In re Octagon Roofing, 141 B.R. 968, 983 (Bankr. N.D. IlIinois 1992); Aus dem Steuerrecht: Gregory v. Helvering, 293 US. 465, 469 f (1935): "Substance of a transaction, rather than its form, should determine its tax. treatment"; Slappey Drive Indus. Park v. V.S., 561 f.2d 572, 581 (5th Cir. 1977); Frank Lyon Co. v. V.S., 435 U.S. 561, 572 ff (1978); Aus der Literatur: Plumb, 26 Tax. L. Rev. 369, 405 (1971); ausführlich nimmt dazu Stellung mit Beispielen Moore, 41 Florida L. Rev. 659, 678 ff (1989). 174
Mendales, Wash. U L. Quart. 1137, 1160 (1991).
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
b) Rezeption der Steuerrechtsprechung durch die Literatur und die Konkursgerichte
In der Literatur 17S wurde wegen der bestehenden Parallelität eine Übernah-
me steuerrechtlicher Erwägungen befürwortet, sofern die Kriterien auf wirtschaftliche Zusammenhänge abstellen und nicht auf rein steuerrechtliche.
In der Rechtsprechung der Konkursgerichte hingegen sind die Aussagen uneinheitlich, jedoch mit einer eindeutigen Tendenz. In drei Entscheidungen wurde die Übernahme unter dem Hinweis auf die verschiedenen Ziele von Konkurs- und Steuerrecht abgelehnt; die Gerichte sahen keine Relevanz für das Konkursrecht in den entwickelten Voraussetzungen 176 • Die Mehrzahl der Fälle, vor allem in jüngster Zeit, urteilen anders. Die geringste Akzeptanz des Steuerrechts wirkt dahingehend, das Steuerrecht als instruktiv anzusehen, wenn auch nicht als verbindlich 177 • Das Konkursgericht in diesem Fall hat sich weithin auf die Gesetze und Rechtsprechung des Steuerrechts bezogen, wenn es auch für die eigene Entscheidung die Gründe modifIziert hat. In weitergehenden Entscheidungen wird das Steuerrecht explizit als Basis für eine Beurteilung von Gesellschafterdarlehen aufgefiihrt und die entwickelten Standards bilden die Grundlage der Entscheidung J78 • In einem weiteren Schritt rezipierten die Konkursgerichte das Steuerrecht, ohne daß der Bezug zu letzterem problematisiert oder gesondert erwähnt wird 179; nach steuerrechtlichen Beurteilungsmaßstäben wird bestimmt, ob es sich um Darlehen oder Eigenkapital handelt.
175 HerzoglZweibel, 15 Vanderbilt L. Rev. 83,94 (1961); Gleick, 16 Bus. Law. 611, 620 (\961); Cohen, 52 Am. Bankr. J. 259, 265 (1978); Mendales, 69 Wash. U. L. Quart. 1137, 1158 (1991). 176 In re Pacific Express Inc., 69 B.R. 112, 115 (9th Cir. 1986); Long Island Lighting v. Bokum Resources Corp., 40 B.R. 274, 296 (Bankr. D.N.M. 1983); In re Rego Crescent Corp., 23 B.R. 958, 962 (Bankr. E.D.N.Y. 1982). 177 In re Allegheny International, Inc. 100 B.R. 257, 251 ff (Bankr. W.D.Pa. 1989), der Fall beschäftigt sich mit einem Thema, das im Steuerrecht weithin diskutiert wird, nicht aber im Konkursrecht, wo es auch relevant ist, hier geht es nur um die gleiche Struktur wie bei der Darlehen/Einlage Frage.
178 In re Multiponics, Inc., 622 f.2d 709 (5th Cir. 1980); Tanzi v. Fiberglass Swimming Pools, Inc., 414 A.2d 484 (R.l. 1980); Retirement Benefit Plan of Graphic Arts Intern. Union Local 20-B v. Standard Bindery Company, 654 f.Supp. 770, 772 (D.C. E.D. Michigan 1986); In re Pacific Express, Inc. 55 B.R. 913, 918 (Bankr. E.D. Ca!.).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
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Daß die steuerrechtlichen Grundsätze durch die Konkursgerichte nicht nur anerkannt sind, sondern auch zu eigenen Kategorien gemacht wurden, ist heute gesichert 180 • Daher kann in der Untersuchung zur Abgrenzung von debt und equity im Zusammenhang mit der Unterkapitalisierung heute zu großen Teilen auf Entscheidungen der Konkursgerichte zurückgegriffen werden; ein Ausweichen auf die Steuerrechtsprechung ist nur in Einzelfallen erforderlich.
IV. Beweggründe für eine Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital Generelle Aussagen über die Berechtigung oder eine Begründung, warum die Gesellschafterdarlehen im Konkurs urnqualiflZiert werden und dem haftenden Kapital gleichstehen, lassen sich im amerikanischen Recht nicht fmden. Von diesem Befund kann nur eine Ausnahme gemacht werden: die Begründung einer nominellen Unterkapitalisierung, wie sie im Fall In re Loewer Gambrinus 181 1948 durch Judge Learned Hand erfolgte. In seiner Begründung stellt Hand auf die unterschiedlichen Funktionen ab, die Gesellschafter und außenstehende Gläubiger in der Unternehmensfmanzierung wahrnehmen. Daher müsse vermieden werden, daß die übliche Risikoverteilung durch eine Gesellschafterfremdfinanzierung zu Lasten der Gläubiger verändert wird. Eine Präzisierung dieses tragenden Gedankens findet sich im amerikanischen Recht nicht. Die Ausführungen von Hand sind bis heute gültig.
179 In re N & D Properties, Inc. 799 f.2d 726 (11th Cir. 1986); In re Logue Mechanical Contracting Corp., 106 B.R. 436,437 (Bankr. W.D. 1989); In re Octagon Roofing, 141 B.R. 968, 983 (Bankr. N.D. IIl. 1992); Diasonics v. Ingalls 121 B.R. 626, 630 (Bankr. N.D.Fla. 1990); Matter of Herbys Foods, Inc., 2 f.3d 128 (5th Cir.). 180 Anders war die Lage in den 70er Jahren. Bis dahin gab es noch keine konkursrechtliche Entscheidung, die dieses Problem behandelte, dazu Grossmann, S. 33 ff. 181 In re V. Loewer's Gambrinus Brewery Co., 167 f.2d 318 (2d Cir. 1948), es handelt sich dabei um die Entscheidung, die eine automatische Rangnachordnung befürwortet hat (s.o.); Darauf beziehen sich: In Re Mid-Town Produce Terminal, Inc., 599 f.2d 389, 392 (10th Cir. 1979); Cohen, 52 American Bankruptcy Law Journal 259, 260 (1978); Kinney, 61 Boston Law Review 433,434 (1981).
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
V. Motive für eine Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen Für die weitverbreitete Praxis, Gesellschaften mit Darlehen statt mit Eigenkapital zu fmanzieren, sind hauptsächlich vier Motive ausschlaggebend.
1. Steuervorteile
Ein Hauptrnotiv sind die steuerrechtlichen Konsequenzen einer Darlehensvergabe, die entweder den Gesellschafter oder die Gesellschaft betreffen 182 • Ein großer Anreiz fiir eine Darlehensvergabe ist die Möglichkeit fiir die Gesellschaft, die Zinszahlungen von der Steuer abzuziehen, unabhängig davon, ob der Kreditgeber ein Gesellschafter ist oder nicht)83. Bei der Ausschüttung von Dividenden ist das Verfahren nicht zulässig. Nach der Regelung ist es fiir die Gesellschaft "billiger", Zinsen zu zahlen als Dividenden auszuschütten. Zum anderen gewährt der Internal Revenue Code (I.R.C.»)84 bei einer Finanzierung mit Darlehen die Möglichkeit, einer doppelten Besteuerung zu entgehen. Diese Bevorteilung ergibt sich aus dem Umstand, daß die Zinszahlung ohne steuerliche Belastung der Gesellschaft selbst geleistet werden; erst in der Hand des Gesellschafterkreditgebers kommt es nur dann zu einer Versteuerung, wenn er seine Zinsen erhält. Die Dividende auf eine Einlage hingegen kann nur nach der Besteuerung der Gesellschaft ausgeschüttet werden, so daß es zwangsläufig fiir den Gesellschafter zu einer Doppelbesteuerung kommt)8s. Liegen die Interessen von Gesellschaft und Gesellschafter gleich, wie es bei kleineren Gesellschaftenmit Selbstorganschaftder Fall ist, dann bilden die beiden genannten
182 Allgemein und umfassend dazu: NessNogel, Taxation, 5 th ed. 1991, § 2.12 S.260 ff; Bittker/Eustice, Federal Income Taxation, 5 th ed. 1987, § 4.20 S. 4-28 ff; HennlAlexander, Laws of Corporation, 3d ed. 1983, § 166; Rands, 90 West Virgiana Law ReviewlO09, 1020 ff; Gibson 81 North Western Law Review 452,454 (1987); P1umb, 26 Tax Law Review 369,398-404 (1972). 183 Internal Revenue Code (I.R.C.) § 163 (a); dazu auch Rowan v. United States, 219 f.2d 51, 55 (5th Cir. 1955).
184 Der Internal Revenue Code enthält die gesamte bundesstaatliche Steuergesetzgebung. Er ist in Titel 26 des Uni ted States Code kodifiziert. 185 Internal Revenue Code § 163(a); Dazu: Rands, 90 West Virginia Law Review 1009, 1020 ff, mit Beispielsrechnungen auf Seite 1021 (1988), NessNogel, Taxation, 5th ed 1991, § 2.12 (1) S. 2-61 f; Nyzio, 37 S. Carolina L. Rev. 637, 627-628 (1986).
A. Grundlegung zur "equitable subordination" Doktrin
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steuerlichen Vorteile den Hauptgrund fiir eine Finanzierung mit Darlehen statt mit Eigenkapital 186 • Schließlich ergibt sich fiir den kreditgebenden Gesellschafter ein Vorteil auch aus der steuerrechtlichen Behandlung von in der Krise verlorenen Finanzmitteln. Ist der Kredit im Konkurs der Gesellschaft notleidend geworden, wird der Verlust des Kreditgebers als nonbusiness bad debt behandelt. Als rechtliche Konsequenz ist der Betrag als short-term capital loss von der Steuer absetzbar 187 • Die Abzugsmöglichkeit gilt nicht fiir Gesellschaftsanteile, die länger als sechs Monate gehalten werden l88 •
2. Haftungsbeschrllnkung
Das zweite maßgebende Motiv 189 fiir eine Darlehensfinanzierung ist das damit verfolgte Ziel, die Haftung im Konkurs zu beschränken l90 • Das Konkursrecht erkennt grundsätzlich an, daß die Haftung der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist. Sie können wie alle anderen außenstehenden Gläubiger Forderungen gegenüber der Konkursmasse aus einem Darlehensvertrag geltend machen. Grundsätzlich konkurriert der Gesellschafter dann mit den anderen Gläubigem um die verbliebenen Vermögenswerte, sofern sie nicht schon vor der Krise abgezogen wurden.
3. Geschllftspolitik
Ein dritter Grund, der fiir eine Darlehensfmanzierung seitens der Gesellschafter spricht, ist die unkomplizierte Steuerung der Geschäftspolitik l91 • So
1S6 Rands, 90 West Virginia Law Review 1009, 1020 (1988); Comment, 52 University of Chicago Law Review 118, 118 (1985).
187 I.R.C. §§ 165 (f)-(g), 166; 1211; 1212; Ausführlich auch zur Rechtsprechung: NesslVogel, Taxation, 5th ed 1991, § 2.12 (1) S. 2-61 f. 188I.R.C. § 1222; NesslVogel, Taxation, 5th ed 1991, § 2.12 (1) S. 2-61 f; Nyzio, 37 S. Carolina L. Rev. 637, 627-628 (1986). 189 Vgl. auch: Rands, 90 W. Va. L. Rev. 1009, 1016 (1988). 190 f. O'Neal, Close Corporations, § 2.13. 191 Ausführlich zu diesem Punkt: Rands, 90 W. Va. L. Rev. 1009, 1094 (1988).
252
2. Kap.: Rechtslage in den USA
ist es etwa möglich, unter den Gesellschaftern bestimmte Vorteile neben einer Dividende zu verteilen. Denjenigen Gesellschaftern, die Inhaber von Darlehensforderungen sind, haben ein zusätzliches Einkommen und eine bevorrechtigte Stellung im Konkurs im Vergleich zu anderen Gesellschaftern. Damit besteht eine einfache Methode, um zwischen den Gesellschaftern sehr differenziert das Risiko, die Machtverhältnisse und die Einflußnahme zu kontrollieren 192 • Eine solche Finanzierungsmischung von Eigen- und Fremdkapital wird beispielsweise vorgeschlagen, wenn in eine neue Gesellschaft von dem einen Teil das Kapital und von dem anderen Teil hauptsächlich besondere Kenntnisse und Fertigkeiten eingebracht werden 193 •
4. Sanierungs potential
Als weiteres Motiv ist vor allem im Gesetzgebungsverfahren zur Regelung der- equitable subordination Doktrin die Sanierungsfunktion der Gesellschafterdarlehen hervorgehoben worden. Befmdet sich eine Gesellschaft in der Krise, sind oft nur noch die Gesellschafter überhaupt bereit, Kredite zu gewähren, oder sie ermöglichen Konditionen bezüglich Zinssatz, Laufzeit oder der Sicherheitenbestellung, die auf dem Kapitalmarkt nicht mehr zu erhalten wären. Damit leisten die Gesellschafter einen Beitrag dazu, in Schwierigkeiten geratene Gesellschaften zu sanieren - hierauf kam es besonders in den Anhörungen zum Gesetzgebungsverfahren an- und unterstützen somit die gesamte Volkswirtschaft 194 •
192
Rands, 90 W. Va. L. Rev. 1009, 1094 (1988).
193
Herwitz, 75 Harv. L. Rev. 1098, 1118 (1962).
194 Zu diesem Aspekt ist insbesondere das Gesetzgebungsverfahren aufschlußreich. Dazu oben A.lII.2 a)b).
B. Tatbestand der Urnqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
253
B. Tatbestand der UmqualiflZierung von Fremd- in Eigenkapital J. Grundsätze in der Unterscheidung
von Fremd- und Eigenkapital
Das amerikanische Recht hat eine Vielzahl an Überlegungen zur Erfassung der debtlequity Problematik jeweils aus verschiedenen Perspektiven entwickelt. Obwohl sie sich in den Voraussetzungen und ihrem Ansatz stark voneinander unterscheiden, werden sie alle oder einzeln je nach Fallkonstellation und Ausrichtung des Gerichtes angewandt.
1. Im Insolvenzrecht
Zentraler Bezugspunkt für das amerikanische Konkursrecht ist die gerechte Verteilung des Vermögens, die u.a. durch eine Rangfolge der Gläubigeranspruche gewährt wird, verbunden mit der Möglichkeit, diese durch die weiten Equity Befugnisse der Gerichte zu verändern l9s • Ausfluß der equity Befugnisse ist die equitable subordination doctrin in sec. 510 (c) des Bankruptcy Code.
a) Konkretisierung des Begriffes inequitable conduct
aa) durch den Mobile Steel Test Das Insolvenzrecht selbst nennt in sec. 510 (c) des Bankruptcy Code nicht die Voraussetzungen, unter denen die Gesellschafterdarlehen nachgeordnet werden, sondern verweist auf das bestehende case law l96 • Seit den Entscheidungen Standard Gas 197 , Pepper v. Litton v. Litton198 und Comstock v.
195 Vnited States v. Energy Resources Co. 110 S.Ct. 2139,2142 (1990); Pepper v. Litton, 308 U.S. 295, 304 (1939); Local Loan v. Hunt, 292 V.S. 234,240 (1934). 196
Vgl. dazu oben A.II!.l.
197
Standard Gas and Electric Co., 306 V.S. 307 (1939).
198
Pepper v. Litton, 308 V.S. 295,304 (1939).
254
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Group of Institutional Investors 199 ist fiir die gerichtliche Beurteilung einer Nachordnung der Begriff des "inequitable conduct", das objektiv unfaire und unbillige Verhalten des Darlehensgebers maßgebend. Der Begriff inequitable conduct wird später im Fall Mobile Steel2°O die erste und wichtigste Voraussetzung des in allen Circuits201 anerkannten 3-prong Testes: 1. The claimant must have engaged in some type of inequitable conduct 2. the misconduct must have resulted in injury to the creditors of the bankrupty or conferred an unfair advantage on the claimant; and 3. equitable subordination must not be inconsistent with the provisions of the Bankruptcy Act. Der Begriff des inequitable conduct zielt auf einen Fairneß- Standard ab, wenn die widerstreitenden Forderungen der Gesellschafter und anderer Kreditgeber zu beurteilen sind. Da eine solche Kategorie nur allgemeine Billigkeitserwägungen beinhaltet, kann sie zur Beschreibung und Festlegung eines erforderlichen und richtigen Verhaltens nur wenig beitragen202 • Deswegen sprechen einige Autoren in diesem Zusammenhang auch zu Recht von einem slippery concepP03. Aufgrund der fehlenden handhabbaren Voraussetzungen und Bewertungsmaßstäbe sind die Gerichtsentscheidungen wenig vorhersehbar und führen so zu einem gewissen Maß an Rechtsunsicherheif04 • Deshalb ist auch in jüngster Zeit immer wieder der Versuch unternommen worden, den Begriff des inequitable conduct zu klären und eine DefInition zu erarbeiten. So
199 Comstoek v. Group of Institutional Investors, 335 U.S. 211 (1948). 200
Matter of Mobile Steel, 563 f.2d 692, 700 (5th Cir. 1977).
201 Eine beispielhafte Auswahl der Fälle, die sich auf den Test beziehen sind: Matter of Clark Pipe & Supply Co., Ine., 893 f.2d 693, 699 (5th Cir. 1990), reh'g denied, 899 f.2d 11 (5th Cir. 1990); In re Universal Farming Industrie, 873 f.2d 1334, 1337 (9th Cir. 1989); In re Bellanea Aireraft Corp., 850 f.2d 1275, 1282 (8th Cir. 1988); In re N & D Properties, Ine., 799 f.2d 726, 731 (11th Cir. 1986); In re Paeifie Express, 69 B.R. 112, 116 (Bankr. 9th. Cir. 1986); In re Belluci, 29 B.R. 814, 815 (Bankr. 1st Cir. 1983); In re Missionary Baptist Foundation, 712 f.2d 206, 211 f (5th Cir. 1983). 202
Vgl. nur In re Harvest Milling Co., 221 f. Supp. 836, 838 (D.Or. 1963).
203 DeNatalel Abram, 40 Bus. Law. 417, 419 (1985): "Inequitable eonduet is, of course, a very slippery eoneept with little predietive value". 204
EpsteinINiekleslWhite, Bankruptey, Vol. 2 § 6-93 S. 256.
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
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wurde das Verhalten als "unjust or unfair" beschrieben oder ausführlicher mit: "inequitable conduct is that conduct which may be lawful, yet shocks one's conscious."2os. Teilweise wird auch geschrieben, inequitable conduct im Wirtschaftsleben sei "Breach plus some advantage taking" 206 . Der Wert solcher sehr allgemeinen Bestimmungen liegt darin, daß sie zumindest die Grenzen dessen festlegen, was inequitable conduct ist: Nach der wohl wichtigsten Erkenntnis über den inequitable conduct ist der Begriff wesentlich weiter gefaßt als ein rechtswidriges oder ungesetzliches Verhalten207 . Die Definitionen verlangen keinen Gesetzverstoß, keine VertragsverIetzung oder die Erfüllung eines Deliktstatbestandes. Während jedes dieser Verhalten eine Nachordnung rechtfertigen kann, ist doch keines dazu erforderlich208 . Mit seiner Entscheidung in dem Fall Mobile Steel zielte das Gericht des 5th Circuit darauf ab, diese erste Annäherung an den Begriff inequitable conduct konkreter zu fassen209 . Inequitable conduct als erster Teil des 3- Prong Testes setzt sich danach aus folgenden Testkriterien zusammen: 1. fraud, illegality, breach of fiduciary duties 2. undercapitalization, and 3. claimant's use of the debtor as a mere instrumentality or alter ego In der Geschichte der equitable subordination Doktrin bedeutet der 3-Prong Test einen weiteren Entwicklungsschritt von allgemeinenBilligkeitserwägungen zu einer prinzipiellen Konzeption. Dieser Schritt aus dem Jahr 1977 ist heute der allgemein akzeptierte Standard zur Beurteilung des inequitable conduct im Rahmen der Fairneß. Nahezu alle Gerichtsentscheidungen, die sich mit dieser
205 In re Tampa Chain Company, Inc., 53 B.R. 772,779 (Bankr.S.D.n.Y. 1985); In re Sleepy Valley Inc., 93 B.R. 925, 933 (Bankr.W.D.Texas 1988); DeNatale/Abram, 40 Bus. Law. 417,419 (1985); EpsteinINickles/White, Bankruptcy, 1992, § 6-93 S. 257. 206 Judge Easterbrook in Kham & Nate's Shoes NO.2 v. First Bank 908 f.2d 1351, 1357 (1990); Folgend: In re 604 Columbus Avenue Realty Trust. 968 f.2d 1332, 1361 (I st Cir. 1992). 207
EpsteinINickles/White, Bankruptcy, 1992, § 6-93 S. 257.
208
EpsteinINickles/White, Bankruptcy, 1992, § 6-93 S. 258.
209 563 f.2d 692, 696-697 (5th Cir. 1977); Zu einer genauen Darstellung des Falles siehe oben A.III.l.e).
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
Frage zu befassen haben, zitieren den 3-Prong Test und urteilen anband seiner Leitlinien21o • Ganz ähnlich gestaltet sich das Bild im Schrifttum. Alle Publikationen stellen den Mobile Steel Test in den Vordergrund ihrer Überlegungen. Dabei übt der ganz überwiegende Teil des Schrifttums keinerlei Kritik an dem Tesf 11 • Nur vereinzelt wird bemängelt, die Kategorisierung durch den Mobile Steel Test führe nicht zu einer klareren Konzeption der equitable subordination Doktrin212 • Die Kritik ist insofern jedoch nicht gerechtfertigt, als dieser Test das erste Mal aus Equity-Befugnissen heraus überhaupt Standards entwickelt, die ein Raster vorgeben, auch wenn diese noch durch andere Defmitionen ausgefüllt werden müssen. Im Ergebnis gibt es heute nahezu keine Entscheidung mehr, die den 3-Prong Test nicht verwendet. Das Gericht des 5th Circuit hat einen verbindlichen Standard auf diesem Gebiet geschaffen. Trotz der Kritik ist anzuerkennen, daß die Bestimmung des inequitable conduct einen durchdachten und angemessenen Vorschlag zur Lösung des Problems bietet. Wie die allgemeinen Begriffe des
210 Siehe dazu die rechtstatsächliche Untersuchung in D.lV. 211 French, 41 J. Bankr. L. & Prac. 256, 262 (1995); Note, 34 William and Mary L.Rev. 487,496-498 (1993); Heimanl Stone/ Sullivan, 1 J. Bankruptcy Law and practive 208,210 ( 1992); Note, 15 Seton Hall Legis. J. 434, 434 (1991); White, in Annual Survey of Amercan Law 1991, S.357, 420; Rehon, The Banking Law 1. 536, 537 (1991); Mendales, 69 Washington L. Quarterly 1137,1153 f (1991); Cerise, 33 Loyola L. Rev. 468, 474 (1987); Graves, 3 Banking L.Rev. 18, 19 (1990); Nyzio, 37 South Carolina L.Rev. 627, 635 (1986); Note, 61 Boston Univ. L. Rev. 433,435 (1981); Note, 11 Cumberland L.Rev. 619,624-626 (1980); Anzivino, Partnership Bankruptcy, § 7.5, S. 176 ff. 212EpsteinlNickles/White, Bankruptcy, 1992,§ 6-93 S. 257. Der Hauptvorwurf richtet sich gegen die Unterkategorien, in denen der Begriff inequitable conduct geklärt werden soll, also gegen die Begriffe der Unterkapitalisierung und die verschiedenen Formen des fraudolösen Verhaltens. Denn hier sei die eine vage Definition durch eine andere ersetzt worden. Diese Kritik wird durch eine Untersuchung (Nyzio, 37 S. Carolina L.Rev. 627 ff (1986)) zu der Frage, inwieweit die konkursgerichtlichen Entscheidungen eindeutig und vorhersehbar sind, teilweise bestätigt. Darin konnte selbst nach der Untersuchung einer Vielzahl von Fällen am Ende nicht zweifelsfrei eine positive Aussage über die Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Entscheidungen nach dem Mobile Steel Test getroffen werden. Der negative Befund wurde aber relativiert. Denn ein besserer Test hinsichtlich der Vorhersehbarkeit, sei angesichts der viel faltigen verschiedenartigen Situationen, mit denen der Mobile Steel Test konfrontiert wird, wohl nicht zu finden (Nyzio, 37 S. Carolina L.Rev. 627, 674 (1986)).
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
257
Tests weiter ausgefüllt werden, ist eine Frage der folgenden Untersuchung in Abschnitt 11. Auffallend ist, daß die equitable subordination doctrin nicht nur die Gesellschafterdarlehen in der Unterkapitalisierung der Gesellschaft erfaßt, sondern auch, ob die Gläubiger auf andere Weise durch die Gesellschafter benachteiligt wurden. Nennt der Test allgemein Kategorien wie Betrug (fraud), Rechtswidrigkeit (illegality), Verletzung von Treuepflichten (breach of fiduciary duties) ist folgende Feststellung gerechtfertigt: Die equitable subordination doctrin ist ein allgemeines Instrument des Insolvenzrechteszum Ausgleich von Gläubigerbenachteiligungen. Sie ist nicht beschränkt auf die Fragen einer Unterkapitalisierung. Dabei sind die Voraussetzungen einer fraudolösen Schädigung nicht ein zu vernachlässigender Ausfluß aus dem equity prinzip 213, sondern vielmehr eigenständige und entscheidende Tatbestandsvoraussetzungen.
bb) nach dem CTS Truss Fall In jüngster Zeit wurde im Fall CTS Truss, Inc. 214 eine abgewandelte Bestimmung des Begriffes inequitable conduct gebildet: "The courts have actually confined equitable subordination of claims to three general categories of cases: those in which a fiduciary of the debtor misuses his position to the disadvantage of other creditors; those in which a third party, in effect, controls the debtor to the disadvantage of others; and those in which a third-party defrauds other creditors"2Is. Die Entscheidung ist aus einem Grund wichtig: Die Unterkapitalisierung als gesonderter Prüfungspunkt wird im Gegensatz zum Mobile Steel Test nicht mehr ausdrücklich genannt. Fällt der Begriff eventuell auch unter die erste Kategorie der Voraussetzungen, weil der Gesellschafter mit der Unterkapitalisierung andere Kreditgeber benachteiligt, so zeigt die Nichtnennung, daß der Unterkapitalisierung kein besonderer Stellenwert eingeräumt wird. Dadurch wird die These bestärkt, bei der equitable subordination doctrin handele es sich
213
So aber Wiedemann, FS Beusch, S. 893,912 f.
214 Matter of CTS Truss, Inc., 868 f.2d 146 (5th Cir. 1989); Dazu siehe aueh EpsteinINiekles/White,.Bankrupty, 1992, § 6-93 S. 257. 21S
Matter of CTS Truss, Ine., 868 f.2d 146, 148 (5th Cir. 1989).
17 Gchdc
258
2. Kap.: Rechtslage in den USA
nicht nur um eine rechtliche Figur, die die Risikoabwälzung auf die Gläubiger bei einer Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen verhindern soll, sondern um ein allgemeines Instrument des Insolvenzrechteszum Ausgleich von Gläubigerbenachteiligungen. Als Versuch, den Begriff des inequitable conduct treffender zu beschreiben, konnte sich die Definition mit ihrer leicht anderen Gewichtung in der Rechtsprechung der anderen Circuits bislang nicht durchsetzen.
b) Substance over Form Test Neben den Erwägungen über die Fairneß bedienen sich die Konkursgerichte in der Bestimmung von debt und equity auch immer des sog. substance over form Testes 216 . In diesem Test ist danach zu fragen: Was ist die wahre wirtschaftliche Substanz der Transaktion zwischen Gesellschaft und Gesellschafter? Der Schlüssel zu der Unterscheidung von debt und equity liegt in eben diesem wahren Wesen der Transaktion. Nicht mehr entscheidend sind die Form und die mögliche Motivation der Gesellschafter bei der Darlehensvergabe. Wenn die Mittel der wirtschaftlichen Substanz nach Darlehen darstellen, sollen sie auch als solche behandelt werden. Wenn die Gesellschafter hingegen versuchen, die Mittel als Fremdkapital zu deklarieren, obwohl es sich um Eigenkapital handelt, ist es auch als solches zu behandeln.
2. Im Steuerrecbt
Grundlage für die Abgrenzung von debt und equity in der heutigen Rechtsprechung und Gesetzgebung 217 auf dem Gebiet des Steuerrechts ist die Leitentscheidung Commissioner v. O.P.P. Holding 218 aus dem Jahr 1935. Das Gericht beschrieb die Abgrenzung anhand des grundlegenden Unterschieds zwi-
216 Für das Konkursrecht: Pepper v. Litton, 308 U.S.295, 304 f (1939): "Substance will not give way to form"; In re Carolee's Combine, Inc., 3 B.R. 324 (Bankr. N.D. Ga. 1980); Kupetz v. Wolf, 845 f.2d 842, 846 Fn.6 (9th Cir. 1988); In re Octagon Roofing, 141 B.R. 968, 983 (Bankr. N.D. IIIinois 1992). 217 Das Grundlagenurteil war die Ausgangsbasis für die spätere Gesetzgebung zum Tax Reform Act in 1969 in sec. 385 des Internal Revenue Code. 218 76 f.2d 11 (2d Cir. 1935), Dazu auch, Emmerich, 52 U. of Chicago L. Rev. 118, 121 (1985); Robertson/Burckel, Taxes- The Tax Magazine 785, 787 (1988).
8. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
259
schen Geselischafter und Kreditgeber. Zentraler Bezugspunkt fiir die Unterscheidung von debt und equity wird die Frage, ob es sich eher um eine kreditgeberartige Forderung oder die typische Forderung eines Gesellschafters handelt. Der Unterschied ist, daß "the shareholder is an adventurer in the corporate business; he takes the risk, and profits from success. The creditor, in compensation for not sharing the profits, is to be paid indepently of the risk of success, and gets a right to dip into the capital when the payment date arrives"219. Wertet man die Rechtsprechung aus, so können drei materielle Merkmale herausgearbeitet werden, nach denen die Gerichte die Abgrenzung von debt und equity vornehmen: - takes the risk: Die Gesellschaftermittel stellen equity (Eigenkapital) dar, wenn sie am Risiko des Unternehmens beteiligt sind, also an einem möglichen Verlust der Gesellschaft teilnehmen. Ist der Gesellschafter verpflichtet, einen vorübergehenden oder endgültigen Verlust zu tragen, ohne daß eine Forderung gegenüber der Konkursmasse geltend gemacht werden kann, liegt equity vor. Umgekehrt ist debt zu bejahen, wenn unabhängig von einem wirtschaftlichen Verlust ein Anspruch auf Rückgewähr der erbrachten Leistung besteht. - profits from success: Equity liegt vor, wenn von dem Gewinn des Unternehmens abhängt, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter Ausschüttungen erhält. Ist hingegen ein fester Zinssatz vereinbart, sind die Mittel als debt zu qualifizieren. - payment date: Equity setzt voraus, daß die Mittel auf Dauer überlassen werden. Besteht ein fester Rückzahlungstermin, ist von einem debt auszugehen. Fremdkapitaleigenschaftder Mittel ist ebenfalls zu bejahen, wenn die Möglichkeit einer Kündigung und somit eines vorzeitigen Abzugs der Mittel gegeben ist. Diese Überlegungen zur Abgrenzung zielen nicht primär darauf ab, den Gerichten subsumtionsfähige Vorgaben zu liefern. Sie bilden vielmehr den Ursprung fiir eine Entwicklung konkreter Indizien, anhand derer die Frage nach debt und equity entschieden wird. Diese Aufgabe ist in den USA vornehmlich
219 Commissiner v. O.P.P. Holding 76 f.2d 11, 12 (2d Cir. 1935); Plumb, 26 Tax L. Rev. 369, 404 f (1971) bezeichnet diese Entscheidung als "c1assic definition".
17*
260
2. Kap.: Rechtslage in den USA
durch die Rechtsprechung wahrgenommen worden. Welche Indizien die Gerichte im einzelnen fiir ihre Entscheidungen heranziehen und welche Probleme damit verbunden sind, ist in der Darstellung der einzelnen Voraussetzungen fiir ein erzwungenes Haftkapital unter 11. zu klären. In diesem Zusammenhang sind sich die allgemeinen Grenzen einer solchen Rechtsprechung zu vergegenwärtigen. Die Unterscheidung von Eigen- und Fremdkapital anhand der typischen Stellung als Kreditgeber oder Gesellschafter der Gesellschaft ist nur eine Annäherung an diese komplexe Unterscheidung. Die Schwierigkeiten in der Realität bestehen aber gerade darin, daß es keine typischen Konstellationen gibt. Die Finanzmanager produzieren im Geschäftsleben die verschiedensten Mischformen und Zwitter-Finanzierungsinstrurnente, die die Vorteile unterschiedlicher Kapitalformen miteinander verbinden. Aus diesem Grund ist jede Abgrenzung notwendig zum Teil auch willkürlich. DaIÜber hinaus ist die klassische Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital auch noch einem weiteren Einwand ausgesetzt. Die Abgrenzung ist letztlich deshalb fraglich220 , weil der zwischen Gesellschafter und Kreditgeber beschriebene Unterschied, der die Grundlage fiir die Abgrenzung von debt und equity bildet, lediglich ein gradueller isf 21 • Gemeinsam ist Kreditgeber und Gesellschafter, daß sie der Gesellschaft Mittel zur Verrugung stellen, in der Erwartung, daß das Unternehmen einen Gewinn erwirtschaftet, von dem beide Parteien profitieren. Rechtlich ist der Kreditgeber zwar in dem Bestand und der Höhe seines Anspruches nicht von einem Gewinn des Unternehmens abhängig, dafiir aber faktisch. Wenn das Unternehmen keine Gewinne erwirtschaftet und nichts zu verteilen hat, geht auch der Kreditgeber leer aus, unabhängig davon,
220 Emmerich, 52 U. of Chicago L. Rev. 118,122 (1985); RobertsoniBurcke1, TaxesThe Tax Magazine 785, 787 (1988). 221 Daß der Unterschied von Kreditgeber und Gesellschafter in der Finanzierung von Unternehmen nur ein gradueller ist, läßt sich auf die Forschungen der Ökonomischen Analyse des Rechts zurückführen. Als Beispiel sei hier genannt, AlchianiDemsetz, 62 Am. Econ. Rev. 777, 789 (1972): "instead of thinking of shareholders as joint owners, we can think of them as investors, like bondholders, except that the stockholders are more optimistic than bondholders about the enterprise prospects ... Shareholders prefer to invest funds with a greater realizable return if the firm prospers .... if we treat bondholders, preferred and convertible preferred stockholders and warrant holders as simply different classes of investors- differing not only in their risk adversness but in their beliefs about the probability distribution of the firms future eamings, why should stockholders be regarded as owners in any sense distinct from the other financial investors?" .
8. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
261
ob er einen gewinngebundenen Anspruch hat oder nicht. Darüber hinaus ist die Annahme unzutreffend, alle Gesellschafter trügen ein höheres Risiko als die Kreditgeber. Der Risikograd, dem die Investoren gegenüberstehen, kann in einem höheren Maß zwischen den Darlehensgebern verschiedener Gesellschaften variieren als zwischen Gesellschafter und Darlehensgeber einer Gesellschaff 22 • So gibt es Darlehen (in den USA besonders die Junk-Bonds223 ), die mit einem höheren Risiko belastet sind nicht zurückgezahlt zu werden als bestimmte Arten von Gesellschaftsanteilen. Die Überlegung ist sehr überzeugend durch das Gericht des 5th Circuif24 veranschaulicht worden: " a purchaser of General Motors stock may bear much less risk than a bona tide lender to a small corporation". Aufgrund der einsichtigen Überlegung sind daher im Schrifttum Versuche unternommen worden, ein Konzept der Abgrenzung zu entwickeln, das genau diesen Schwierigkeiten Rechnung trägf 2s • In der Rechtsprechung konnte sich jedoch bislang keines der Konzepte auch nur ansatzweise durchsetzen. Einige Gerichte haben den Maßstab aus O.P.P. Holding weiterhin explizit genutzt, um die Unterscheidung von debt und equity zu treffen226 • Andere Gerichte beziehen sich auf die zugrunde liegenden Wertungen, wenn sie auch konkretere Merkmale zur Unterscheidung entwickelt haben227 • Die seit 1935 aufgrund des leading case ausgearbeiteten Merkmale und Indizien zur Unterscheidung von debt und equity stellen letztlich unverändert die Grundlage der Urteile dar. Daß sich die Rechtsprechung nicht grundsätzlich wandelt, liegt
222 Emmerich, 52 U. of Chicago L. Rev. 118, 122 (1985); Robertson/Burckel, TaxesThe Tax Magazine 785, 787 (1988). 223 Junk Bonds werden allgemein beschrieben als Darlehen an die Gesellschaft, die von keiner der großen Rating Agencies eine Klassifizierung erhalten. Derartige Finanzierungsinstrumente unterliegen allgemein einem höheren Risiko als qualifizierte Instrumente, vgl.: Menda1es, Wash. U. L. Quart. 1137, 1141 (1991) vor allem FN. 19. 224
Slappey Drive Indus. Park v. United States, 561 f.2d 572, 581 (5th Cir. 1977).
225 Gibson, 81 North Western University L. Rev. 452,459 f (1987); Emmerich, 52 U. of Chicago L. Rev. 118, 122 (1985). 226 Vgl. nur: Seabord Realty, Inc. v. District of Columbia, 184 f.2d 269, 270 (D.C.Cir. 1950); United States v. Snyder Bros. Co., 367 f.2d 980, 984 (5th Cir. 1966).
227 Vgl. nur Slappey Drive Indus. Park v. United States, 561 f.2d 572,581 (5th Cir. 1977); Fin Hay Realty Co. v. United States, 398 f.2d 694, 697 (3d Cir. 1968).
262
2. Kap.: Rechtslage in den USA
wohl auch in dem Umstand begründet, daß die maßgeblichen Gesetze 228 fiir eine Unterscheidung von debt und equity ebenfalls auf dieser Überlegung aufbauen und nicht geändert wurden.
11. Erster Teil des Mobile Steel Testes: Einzelne Beurteilungsmaßstäbe, die den inequitable conduct ausfüllen 1. Übersicht über die Beurteilungsmaßstlbe in
der Steuer- und Konkursrechtsprechung
Wie oben gesehen, haben die Konkursgerichte in der Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital zum Teil die von der Steuerrechtsprechung entwikkelten Tests und Merkmale übernommen. Daher ist es sinnvoll, einen kurzen Überblick über die steuerrechtliche Rechtsprechung und ihre Beurteilungskriterien zu geben, um im Anschluß daran die maßgebenden konkursrechtlichen Parameter zu nennen. Solange es im Steuerrecht eine Unterscheidung von debt und equity gibt, haben sich die Gerichte in einer ausgesprochen umfangreichen Rechtsprechung I bemüht, die beiden Finanzierungsformen voneinander abzugrenzen, ohne letztlich zu einer überzeugenden Unterscheidung zu gelangen229 • Als Antwort auf die steigende Finanzierung mit Darlehen hat deshalb 1969 der Gesetzgeber sec. 385 des Internal Revenue Code verabschiedet, um diesem Problem zu begegnen. Ohne selbst eine Abgrenzung vorzunehmen, ermächtigt das Gesetz die Finanzbehörde, Richtlinien zu einer Unterscheidung zu erlassen. Sec. 385 (b) gibt 5 Faktoren vor, die in den Richtlinien als Grundsätze beachtet werden sollen: "(1) Whether there is a written unconditional promise to pay on demand or on a specified date a sum certain in money in return for adequate consideration in money or money's worth, and to pay a fixed rate of interest, (2) whether there is subordination to or preference over any indebtedness of the corporation, (3) the ratio of debt to equity of the corporation, (4) whether there is convertibility into the stock in the corporation and holdings of the interest in question."
228
I.R.C. 385.
229 Die Kritiker sprechen aus diesem Grunde von einem jungle, einem morass oder einem vipers tangle, vgl.: Bittkerl Eustice, Federal Income Taxation, § 4.04.
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
263
Die ersten Richtlinien wurden durch die Treasury erst 11 Jahre später 1980 erlassen und in der Folgezeit zweimal novelliert. Doch sie überlebten nicht lange, da sie aufgrund heftiger Kritik aus der Praxis 1983 ganz aufgehoben wurden. Es steht nicht zu erwarten, daß in absehbarer Zeit noch weitere Richtlinien erarbeitet werden. Obwohl sich die Entwürfe nicht durchsetzen konnten, haben sie dennoch bewirkt, daß Beurteilungsmaßstäbe gewichtet und zueinander in Beziehung gesetzt wurden230 • Die Aufhebung der Richtlinien 1983 entsprach zwar der allgemeinen Kritik, aber dadurch mußten die Gerichte auf das bis dahin schon entwickelte und ebenfalls beanstandete case law zurückgreifen. In der folgenden Rechtsprechung hat sich ebensowenig eine Vereinheitlichung der Kriterien ergeben wie eine Gewichtung, ob Bedingungen als notwendig oder als hinreichend zu betrachten sind. Bezeichnend ist es, wenn die als maßgebend angesehenen Merkmale sich von Circuit- Gericht zu Circuit- Gericht unterscheiden231 •
230 Die zu beurteilenden Darlehen werden grundsätzlich in drei Gruppen unterschieden in Proportionale bzw. nicht proportionale Darlehen, in Darlehen mit festen gewinnunabhängigen Zinsen und in hybride Darlehen, also solche mit Eigenkapitalcharakter. Proportional zu den Gesellschaftsanteilen gewährte Darlehen gelten allgemein als Eigenkapital. Sie werden auf alle Fälle umqualifiziert, wenn die Verzinsung oder die Tilgung von den Unternehmensgewinnen abhängt, oder die Gesellschafter ihre Gläubigerrechte nicht wahrnehmen und eine hohe oder krasse Fremdfinanzierung vorliegt. Im Gegensatz dazu gelten die festverzinslichen, also nicht proportionalen Darlehen, grundsätzlich als Fremdkapital. Für die hybriden Darlehen gilt die Regel, daß sie als Eigenkapital zu beurteilen sind, wenn die hybriden Aspekte mehr als 50 % ausmachen oder der Darlehensvertrag nicht schriftlich niedergelegt ist. Eine Umqualifizierung kann vermieden werden, wenn die Gesellschafter nachweisen, daß außenstehende Dritte einen Kredit zu gleichen Konditionen gewährt hätten. Können sie den Nachweis nicht fUhren, bleibt ihnen noch die Möglichkeit, den Vorwurf zu widerlegen, indem sie sich auf eine safe harbor, safe heaven- Regel berufen. Demnach werden die Darlehen nicht umqualifiziert, wenn die Gesellschaft nicht unverhältnismäßig mit Fremdmitteln finanziert wird; ein Maßstab, der festgelegt wird bei einer debt-equity Ratio von 10: I und einem Innenverhältnis von Gesellschafterdarlehen zu Eigenkapital, das nicht höher als 3: I ist. Dazu vgl. auch weitergehend Fleischer, S. 110. 231 Der fUnfte und der elfte Circuit nennen dreizehn Faktoren, der neunte Circuit elf und der achte zehn. Während der zweite, der dritte und der sechste Circuit sich auf 16 Testmerkmale stützen, haben der siebte und der zehnte Circuit bisher keinen Prüfkatalog entwickelt.
264
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Um die Frage zu beantworten, welche für die Gerichte tatsächlich die ausschlaggebenden Faktoren sind, wurde zuletzt eine statistische Untersuchung232 vorgelegt, die sämtliche Entscheidungen in der Zeit von 1955 bis 1987 umfaßt. Danach sind tatsächlich nur 7 Merkmale relevant: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)
Repayment from uncertain profits Rights enforced DebtiEquity Ratio Independent Source of credit Formal Documentation Subordination Sinking Fund
Da die vorliegende Arbeit sich vorrangig mit der equitable subordination doctrin als konkursrechtlicher Rechtsfigur befaßt, ist es von besonderem Interesse, welche Merkmale zur Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital für die Konkursgerichte bestimmend waren. Zu dieser Frage ist für den Zeitraum von 1977 bis 1993 eine Erhebung 233 durchgefiihrt worden. Die Reihenfolge - nach der Häufigkeit - der Nennung lautet: (1) (2) (3) (4) (5)
Independent Source of Credit Financial Analyst Debtl Equity Ratio Repayment from uncertain Profits Formal Documentation
Gemeinsamkeiten bestehen in der Nennung gleicher Merkmale, wenn auch in leicht abgewandelter Reihenfolge. Daß die beiden Untersuchungen zu geringfiigig unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist einsichtig. Im Steuerrecht geht es um die Beurteilung von Darlehen, die außerhalb einer Untemehmenskrise gewährt wurden, während die Konkursgerichte gerade die Krisenfmanzierung zu beurteilen haben. Die andere Gewichtung der Beurteilungsmaßstäbe und Testkriterien kann damit als Ausdruck einer eigenständigen Entwicklung der amerikanischen konkursrechtlichen Rechtsprechung gedeutet werden. Im Hinblick auf die Rechtsvergleichung ist die Unterscheidung sehr wertvoll: Während
232
Robertson/Daughtrey/Burckel, 47 Tax Notes 707, 714 (May 7, 1990).
2Jl
Dazu siehe unten D. 111.
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
265
die SteuerrechtsprechungAnregungen für den Tatbestand der Finanzplankredite als krisenunabhängiger Finanzierung geben kann, gibt die Konkursrechtsprechung die Möglichkeit, Tatbestandsvoraussetzungen der eigenkapitalersetzenden Darlehen zu überdenken. Es gibt also krisenabhängige und -una~hängige Abgrenzungsmerkmale in der amerikanischen Rechtsprechung. Zwar kann eine trennscharfe Einordnung nicht getroffen werden, Besonderheiten ergeben sichjedoch nur für die unterschiedlichen Ausgangssituationen. Die Fülle der Merkmale läßt sich grob in die folgenden drei Obergruppen fassen, den Two-Prong test, die Vertragsbedingungen als Ansatz für eine Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital sowie die Kapitalstruktur des Unternehmens.
2. Two Prong Test Die wohl bedeutendste Entscheidung auf dem Gebiet der Gesellschafterdarlehen im Konkursrecht -der Fall Mobile Stee1234 _ bietet auch einen Two Prong Test zur Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital. Dieser Test ist wie die Entscheidung selbst von herausragender Bedeutung, was sich schon daran zeigt, daß er zu den am meisten zitierten und benutzten Prüfungen auf diesem Gebiet gehölt. Er lautet folgendermaßen: "(1) Capitalization is inadequate if, in the opinion of a skilled financial analyst, it would be definitely be insufficient to support a business of the size and nature of the bankrupt in the light of the circumstances existing at the time the bankrupt was capitalized. (2) Capitalization is inadequate if, at the time when the advances were made, the bankrupt could not have borrowed a similiar amount of money from an informed outside source"23S.
Der zweiteilige Test stellt zum einen auf das Urteil eines Finanzexperten über die Kapitalausstattung der Gesellschaft ab, zum anderen darauf, ob die Gesellschaft die Darlehensmittel auch von einem unabhängigen Dritten hätte erhalten können.
234
Matter of Mobile Steel, 563 f.2d 692, 700 (5th Cir. 1977).
235 Siehe die vorige Fußnote. Der Test geht zurück auf Rembar, 39 Colum. L.Rev. 907, 915 f (1939).
266
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Da die beiden Elemente des Testes immer zusammen geprüft werden, ohne daß sich das Gericht zu ihrem Verhältnis äußert, ist eine Aussage über das Gewicht, das den einzelnen Elementen zukommt, nicht möglich. Allerdings scheinen beide Elemente insofern situationsabhängig zu sein, als das Urteil des Finanzexpertenhelfen soll, eine anfangliche Unterkapitalisierungzu bestimmen, während sich die Möglichkeit, von dritter Seite Kredit zu erhalten, eher auf eine nachträgliche Unterkapitalisierung bezieht.
a) Financial Analyst Zum Teil werden die den Finanzexperten in der Verhandlung gestellten Fragen als Dialog in der Entscheidung236 abgedruckt. Auf diese Weise signalisieren die Gerichte, wie bedeutend die erste Komponente des Testes ist. Maßgebend für das Urteil des fmancial analyst, ob eine Unterkapitalisierung vorliegt, ist die Frage, inwieweit der Betrag des aufgebrachten Eigenkapitals ausreicht, um ein Unternehmen der Art und Größe zu unterstützen. Entscheidend ist eine eindeutige Differenz zwischen dem als erforderlich erachteten Kapital und der tatsächlichen Kapitalausstattung. Es geht dabei nicht darum, einen Kapitalbedarf festzulegen, der der Gesellschaft und den Gläubigem eine gewinnreiche Zukunft garantiert hätte; es reicht, wenn die Gesellschaft überhaupt am Geschäftsleben im Wettbewerb teilnehmen kann237 • Aus dieser in den Urteilen genannten Beurteilungsgrundlage lassen sich verschiedene Schlüsse ziehen: Daß die Urteile sich nur ausnahmsweise auf Finanzierungsexperten berufen, ist angesichts der Einbettung in einen anerkannten Test nicht zu vermuten. Vielmehr ist es möglich, daß abhängig von den Unternehmensdaten eine Pflicht zu einer bestimmten, nach betriebswirtschaftlichen Regeln zu beurteilenden Kapitalausstattung besteht. Wird die Unterkapitalisierung nach derartig rationalen und nachprüfbaren Kriterien beurteilt, verschiebt sich die Perspektive von einer subjektiven zu einer objek-
216
Matter of Multiponics, 622 f.2d 709, 717- 719 (5th eir. 1980).
237 Im Fall Matter of Multiponics betätigte sich die Gesellschaft in großem Maßstab auf dem Gebiet der Agrarwirtschaft mit einem Eigenkapital von $ 465, 499. Auf die Frage, was der ursprüngliche Finanzierungsplan ftir die Gesellschaft gewesen sei, sagte der Finanzexperte aus, daß er die Frage so nicht beantworten könne, da die Gesellschaft f1ir ihren Zweck überhaupt nicht kapitalisiert war. Matter of Multiponics, 622 f.2d 709, 718 (5th eir. 1980).
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
267
tiven Betrachtung238 • Daraus folgt: Haben sich die Gesellschafter mit nachvollziehbaren Argumenten für eine bestimmte Kapitalausstattung entschieden, werden die Darlehen nicht nachgeordnet, also nicht wie Eigenkapital behandelt. Kommen sie der Pflicht nicht nach, liegt ein Verschulden vor, daß als Rechtsfolge die Nachordnung vorsieht. Soweit ersichtlich sind jedoch in der Wissenschaft keine vertiefenden Überlegungen zum Bestand und den Grenzen einer pflichtgemäßen Kapitalausstattung angestellt worden239 •
b) Independent Creditor Test Dieser bedeutendste und am häufigsten angewandte Test2 40 der amerikanischen Konkursgerichte 241 fragt danach, ob die Gesellschaft die Darlehensmittel 238 Die Folgerung wird auch von der amerikanischen Rechtsprechung gezogen: In re Herby's Foods, Inc., 134 B.R. 207, 211 (Bankr.N.D.Texas 1991). 239 Der Grund dafür liegt wahrscheinlich in der oben schon angesprochenen Beziehung zwischen einer ausreichenden Kapitalisierung und dem inequitable conduct. Nach herrschender Meinung ist eine Nachordnung der Gesellschafterdarlehen nur zu rechtfertigen, wenn gegenüber anderen Kreditgebern ein Verstoß gegen die Faimeß festzustellen ist, eben ein objektiv unfaires Verhalten. Für die Entscheidung der Gerichte steht im Vordergrund, wie das Verhältnis von Gesellschaftern zu Gläubigern zu beurteilen ist; nicht sosehr hingegen die Pflicht zwischen Gesellschafter und Gesellschaft.
240 Fin Hay Reality Co. v. U.S., 398 f.2d 694, 698 (3d Cir. 1968); Austin Village, Inc. v. U.S., 432 f.2d 741,745 (6th Cir. 1970); Estate ofMixon v. U.S., 464 f.2d 394, 410 (5th Cir. 1972); Stinnett's Pontiac Ser., Inc. v. U.S. 730 f.2d 634, 640 (11th Cir. 1984); Bauer v. Comm'r, 748 f.2d 1365, 1370 (9th Cir. 1984). 241 Arnold v. Phillips, 117 f.2d 497,501 (5th Cir.), cert. denied, 313 U.S. 583 (1941); In re Mobile Steel Co., 563 f.2d 692, 703 (5th Cir. 1977); In re Transsystems, Inc. 569 f.2d 1364, 1369 (5th Cir. 1978); In re Multiponics, Inc., 622 f.2d 709, 717 (5th Cir. 1980) Darlehen wurden nur wegen der Unterkapitalisierung nachgeordnet; In re McFarlin's, Inc., 49 B.R. 550,556 (Bankr.W.D.N.Y.1985); In Te FabTicatoTs, Inc. 109 B.R. 186, 194 (Bankr.S.D.Miss. 1987), afrd, 126 B.R. 239 (S.D.Miss 1989), afrd, 926 f.2d 1458 (5th Cir.1991). Der Kreditgeber, ein insider, hat der Gesellschaft Mittel zur Verfügung gestellt und sie besichert zu einem Zeitpunkt, als die Gesellschaft unterkapitalisiert war. Ziel war es, einen zu erwartenden Gewinn aus anderen Verträgen realisieren zu können. Das Gericht sah in den Mitteln Eigen- und kein Fremdkapital; In re N & D Properties, Inc., 799 f.2d 726, 733 (J Ith Cir. 1986); In re Logue Mechanical contracting Corp., 93 B.R. 925 (Bankr.W.D.Tex. 1988); in re Herby's Foods, 134 B.R. 207, 211 (Bankr.N.D. Tex. 1991) afrd Matter of Herby's Foods, Inc., 2 f.3d 128 (5th Cir. 1993); In re Daugjerty Coal Co., 144 B.R. 320, (N.D.W.Va. 1992).
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
auch von unabhängiger dritter Seite erhalten hätten. Nicht entscheidend ist die Frage, ob es tatsächlich ein Kreditersuchen gegeben habe, das abgelehnt wurde. Ist die Frage zu bejahen, werden die Gesellschaftermittel als Darlehen, ansonsten als Eigenkapital gewertet. Mit dem Test soll herausgefunden werden, ob außenstehende Dritte in der gleichen Weise wie die Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft handeln. Wenn kein vernünftiger Kreditgeber der Gesellschaft zu dem Zeitpunkt mehr ein Darlehen gegeben hätte, läßt es nur die Folgerung zu, daß ein vernünftiger Gesellschafter genauso gehandelt hätte 242 • Kann die Gesellschaft von den traditionelien Finanzierungsquellen keine Kredite mehr erhalten, sind die Gesellschafterdarlehen als Eigenkapital zu behandeln, da in einer solchen Situation der Gesellschafter seine Gesellschaft nur mit Eigenkapital finanzieren kann. In der Entwicklung hat sich das Merkmal als Konkretisierung aus dem allgemeinen Risk Test herausgebildet. Nach der auch economic realities test genannter Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital ist folgende Überlegung maßgebend: "The ultimate question (is), whether the investment, analyzed in terms of its economic reality, constitutes risk capital entirely subject to the fortune of the corporate adventure or represents a strict debtor-creditor relationship"243. Die Möglichkeit, von dritter Seite ein Darlehen zu erhalten, setzt als Parameter den Risikogedanken der Abgrenzungsformel um. Den so in der Steuerrechtsprechung begründeten Test auf das Urteil Dritter abzustellen ist heute im Konkursrecht die entscheidende Formel zur Beurteilung von Krisendarlehen. Indem außenstehende Dritte über eine mögliche Kreditvergabe entscheiden, bewerten sie die Kapitalausstattung und die Geschäftsaussichten der Gesellschaft und entscheiden darüber, ob diese als ausreichend anzusehen sind. Die Entscheidung durch einen Dritten bedeutet eine objektive, sich auf einen Markt beziehende Beurteilung von Gesellschafterdarlehen.Die "Beurteilung des Marktes" besteht aus dem Verhalten der Teilnehmer eines Kapitalmarktes, also deren Bereitschaft in verschiedene Unternehmen zu investieren. Sind die Teilnehmer
242 Estate of Mixon v. U.S., 464 f.2d 394,410 (5th Cir. 1972); Dazu auch Gibson, 81 North Western Law Review 452,488 (1987). 243 Die FonnuJierung in Fin Hay Realty Co. v. United States, 398 f.2d 694, 696 (3rd Cir. 1968) geht auf die Vorarbeiten von Gilbert v. Commissioner, 248 f.2d 399, 402 (2d Cir. 1957) zurück.
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
269
am Markt gewillt, an eine Gesellschaft Darlehen zu vergeben, werden auch die Mittel der Gesellschafter als Darlehen gewertet; umgekehrt fUhrt eine Ablehnung der Vergabe zu einer Qualifizierung als Eigenkapital. Eine solche Verlagerung auf den Standard des Marktes wirft bestimmte - von den amerikanischen Gerichten und dem Schrifttum auch gesehene - Fragen und Probleme auf. Wenn die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital über einen Markt getroffen wird, steht an erster Stelle die Frage, wer als Marktteilnehmer anzusehen ist. Ganz allgemein nennt die Rechtsprechung vor allem im Konkursrecht die informed outside source, ohne abstrakt festzulegen, wer gemeint ist. Die Gerichte auf dem Gebiet des Steuerrechts haben als outside source den reasonable man, den vernünftigen Geschäftsmann244 und teilweise die commercial lending institutions24s , die Banken, bestimmt. Im Vordergrund stand als Maßstab der Kreditvergabe aber immer der reasonable man. Damit sollte versucht werden, kleinere, an sich kreditwürdige Gesellschaften ohne Zugang zum Kapitalmarkt nicht zu benachteiligen246 • In der Anwendung des Merkmales haben sich für die Steuergerichte jedoch vielerlei Schwierigkeiten ergeben, die oftmals in sich widersprechenden Urteilen zum Ausdruck kamen247 • Die Probleme der Gerichte beruhten hauptsächlich auf dem wenig präzisen Maßstab des reasonable man, der viele unterschiedliche Beurteilungen erlaubte. So war schon umstritten, ob der Dritte auch jemand sein konnte, der rechtlich oder eventuell nur faktisch mit der Gesellschaft oder den Inhabern verbunden sein konnte. Angesichts der Vielzahl der in Frage kommenden Personen stellte sich auch die Frage, wie zu urteilen sei, wenn die unterschiedlichen Kreditgeber auch bereit seien, unterschiedliche Risiken einzugehen248 •
244 Vgl. auch mit Nachweisen Plumb, 26 Tax L. Rev. 369, 532 (1971); ferner Hickman, 40 Taxes 974, 988 (1962). 245 Matter of Multiponics, 622 f.2d 709, 719 (5th Cir. 1980); Matter of Pancho's Intern., Inc., 26 B.R. 5, 7 (Bankr. M.D.Fla. 1982); Matter of Antoine's Industries, Inc., 49 B.R. 82, 85 (Bankr.W.D. Miss. 1984); In re McFarlin's, Inc., 49 B.R. 550, 556 (Bankr. W.D.NY. 1985); In re Pacific, Inc., 69 B.R. 112, 117 (9th Cir. 1986); In re Fabricators, Inc., \09 B.R. 186, 194 (Bankr.S.D.Miss. 1987); In re Dan-Ver Enterprises, Inc., 86 B.R. 443,450 (Bankr. W.D.Pa. 1988). 246 Plumb, 26 Tax L. Rev. 369,531 (1971) mit Nachweisen von Überlegungen des American Law Institutes in Fn. 960. 247 Ausführlich dazu Plumb, 26 Tax L. Rev. 369, 530 ff mit vielen Nachweisen aus der Rechtsprechung.
270
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Wohl um die Schwierigkeiten und Probleme in der Anwendung des Testes zu vermeiden, stellen die Konkursgerichte heute nicht mehr auf den reasonable man ab. Sie beziehen sich in ihren Urteilen ausschließlich auf die lending institutions. Damit wird auch ein anderer, eigentlich relevanter Markt als möglicher außenstehender Dritter ausgeblendet: der Kapitalmarkt. Der Kapitalmarkt, mit seinen verschiedenen Möglichkeiten zu finanzieren, seinen vielen Teilnehmern und seiner Markttransparenz, hätte die Möglichkeit gegeben, zu sehen, ob es andere Wertungen und Entscheidungen in der Risikoeinschätzung einer Kreditvergabe gibt. Daß der Kapitalmarkt in den Entscheidungen der Gerichte als relevanter Markt nicht auftaucht und keine Rolle spielt, hat folgenden Grund: Zugang zum Kapitalmarkt haben nur die Gesellschaften - die public corporations-, die die kapitalmarktrechtlichen Voraussetzungen erfüllen249 • Wenn die Gerichte nicht auf den für diese Gesellschaften hauptsächlich maßgebenden Markt abstellen, heißt es, daß diese Gesellschaften nicht durch Darlehen ihrer Aktionäre finanziert werden, und es so auch zu keinen Streitigkeiten kommt. Die Geschäftsbanken, die für die Beurteilung maßgebenden Institutionen, sind die typische Kreditquelle der elose corporation. Der fehlende Kapitalmarktbezug ist insofern ein Zeichen dafür, daß die Gesellschafterdarlehen ein Problem der kleineren und mittelgroßen Unternehmen sind250 • Eine Erkenntnis, die häufig vermutet wird und sich auch in der rechtstatsächlichen Untersuchung bestätigf51 • Damit sind als Dritte und Marktteilnehmer im Sinne des independet creditor tests in der konkursrechtlichen Rechtsprechung nur die Banken anzusehen. Für die Gerichte ist bei der Frage, ob die Gesellschaft noch Darlehen von einer 248 Beispielhaft dazu die Entscheidung C.M. Gooch Lumber Sales Co. 49 T.C. 649, 659 (1968): " ... different creditors invariably undertake different degrees of risk". 249 Neben dem kodifizierten Gesellschaftsrecht der einzelnen Bundesstaaten gibt es noch einen weiteren Normkomplex von großer praktischer Bedeutung: die Zulassungsregeln der einzelnen Aktienbörsen (stock exchange requirements). Bei den stock exchange requirements handelt es sich um detaillierte Bestimmungen, die von einer Corporation erfüllt sein müssen, bevor ihre Anteile zum Handel an der betreffenden Börse zugelassen sind. Dazu Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rn. 200 ff. 250 Aus diesem Grund stand in den Gesetzesberatungen zum Bankruptcy Code auch das Schicksal der elose corporation ganz im Vordergrund, siehe dazu Hearings on H.R. 31 und H.R. 32 before the HouseCommittee on the Judiciary, 94th Congress, 2d Session, Part 3, S. 1592,1718,1721. 251
Siehe dazu die rechtstatsächliche Untersuchung unten D.IV.
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
271
Bank erhalten hätte, oft nicht eine tatsächliche Kreditvergabe entscheidend, sondern vielmehr wird geprüft, ob die allgemeinen Bedingungen der Banken in der vorliegenden Situation eine Vergabe von Geschäftsdarlehen zulassen252 • Mithin orientieren sich die Gerichte an allgemeinen Geschäftspraktiken. Der Test stellt die Forderung auf, daß zu dem Zeitpunkt, an dem die Mittel zur Verfügung gestellt werden, die Gesellschaft von keinem informierten Dritten eine ähnliche Swnme zu gleichen Bedingungen hätte erhalten können. Nach der Rechtsprechung steht dementsprechend im Vordergrund, wie die Bedingungen gestaltet sind, unter denen noch Kredite vergeben werden. Entscheidend ist insbesondere, ob die Banken auf eine dingliche oder persönliche Sicherheifs3 oder etwa auf einen Rangrucktritt bezüglich der Gesellschafterdarlehen bestanden haben. Eine Rolle spielen auch die Laufzeiten der Darlehen, denn die Banken werden auf eine frühere Rückzahlung bestehen als die Gesellschafter, wenn sie die Geschäftschancenals nicht so positiv beurteilen2s4 • Abschließend sind auch unübliche Zinshöhen ein Indiz für die Eigenkapitalfunktion der Gesellschafterfremdmittel. Ziel des independent source Testes ist es, aus der Möglichkeit, einen Kredit zu erhalten auf die Natur der Gesellschaftermittel zu schließen. Handelt es sich bei den Gesellschafterdarlehen um Eigen- oder Fremdkapital? Die fehlende Fähigkeit Kredit zu erlangen, beinhaltet eine Aussage über die Finanzstruktur und das zu erwartende Geschäftsrisiko. Verkürzt gesagt gilt: Je höher das unternehmerische Wagnis, desto größer müssen die Finanzreserven der Gesellschaft sein, um mögliche Verluste auffangen zu können, ohne die Kosten gleich auf die Gläubiger abzuwälzen2SS • Für die Beurteilung der beiden Parameter ist die Perspektive der Bank ausschlaggebend, was mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist. Zunächst können die Banken allgemein als kompetent angesehen werden, sowohl hinsichtlich der Einschätzung der gesamtwirtschaftlichenlage als auch bezüglich der Kenntnisse über einzelne Projekte. Prüfen die Banken
252
Gibson, 81 North West L. Rev. 452, 489 f (1987).
253
Matter of Herby's Foods, Inc., 2 f.3d 128 (5th Cir. 1993).
254 In re Octagon Roofing, 141 B.R. 968, 984 (Bankr.N.D.I1I. 1992). In dem Fall waren die Laufzeiten der Banken zwar kürzer, aber eine Abwägung aller Umstände, insbesondere der Fähigkeit auch Sicherheiten zu bestellen, ließ die Gesellschaft nicht als unterkapitalisiert erscheinen. 255 Zu dem Verhältnis von Geschäftsrisiken und Eigenkapitalausstattung siehe oben A.I.2. mwN.
272
2. Kap.: Rechtslage in den USA
die Ertragschancen und das zu erwartende Geschäftsrisiko, steht fiir die meisten konservativ operierenden Institute an erster Stelle die Kompetenz und die Vertrauenswürdigkeit des Kreditnehmers als Person256 • Daß bei einer solchen Ausgangslage auch sehr subjektive Elemente die Entscheidung prägen, ist ganz offensichtlich. Durch diese Praxis der Kreditvergabe ist eine Benachteiligung sowohl bei neuen Unternehmenskonzepten und ungewöhnlichen Produkten zu vermuten als auch dann, wenn die Darlehensnehmer nicht den Vorstellungen der Bank entsprechen. Die Gefahr einer subjektiven Fehleinschätzung läßt sich an einem Beispiel verdeutlichen257 : Ein junges neues Unternehmen erhält keine Darlehen, da die einzige Möglichkeit, die Darlehen zurückzuzahlen, in den zukünftigen, von der Bank negativ beurteilten Ertragschancen besteht. Besitzt das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt ausreichende Finanzmittel, um die Verbindlichkeiten zu bedienen (langfristig stehen die Chancen für eine Rückzahlung nicht schlecht, und es besteht keine exzessive debt-equity ratio), erscheint die Qualifizierung der Gesellschafterdarlehen als Eigenkapital nicht überzeugend. Das gilt als unproblematisch und ist einsichtig in den Fällen, in denen es sich um ein Unternehmen handelt, das später erfolgreich weiter wirtschaftlich tätig ist. Aber auch bei dem Unternehmen, das später scheitert und sich im Konkurs befindet, gilt die gleiche Kritik. Das große Problem und gleichzeitig der große Vorteil des Abgrenzungsmerkmales liegt darin, daß nicht nur die Finanzausstattung anhand von Zahlen beurteilt wird, sondern auch immer die Ertragslage; beides sind untrennbar miteinander verbundene Merkmale. Insgesamt ist der independent source Test in der amerikanischen Konkursrechtsprechung der wichtigste Maßstab zur Beurteilung von Krisendarlehen. Das gilt auch, wenn es in der konkreten Anwendung des Testes Probleme gibt.
3. Vertragsbedingungen als Ansatz für eine Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital
Die amerikanische Rechtsprechung hat eine Vielzahl von Abgrenzungsformeln entwickelt, die sich durch eine Gemeinsamkeit auszeichnen: Es sind
256 Aus einem Interview mit Michael J. Revord, American National Bank of Chicago, in Chicago (10 Mai 1987) zitiert nach Gibson, 81 North West L. Rev. 452, 489 Fn. 258 (1987). 257
Blumberg, Law of Corporate Groups, Problems in the Bankruptcy, 1985 S. 99.
B. Tatbestand der Urnqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
273
allesamt Wege, um die bestehenden Vertragsbedingungen zu analysieren. Die einzelnen Kriterien versuchen immer, die idealtypische Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital in subsumierbare Formeln umzusetzen.
a) Formal Documentation
Ein in der Gerichtspraxis leicht zu überprüfendes Kriterium bildet die formal documentation der Kreditverträge. Gibt es über die Kreditvergabe keine schriftlichen Verträge oder sind die Darlehen in den Bilanzen nicht konsequent aufgeführt, gilt es den Gerichten2SB als ein Hinweis, daß nicht wirklich ein Darlehen vergeben wurde. Denn ein wahrer Kreditgeber verzichtet nicht auf einen schriftlichen Vertrag. Sonst könnte er Probleme bekommen, wenn er seine Rechte auch tatsächlich durchsetzen wollte 2S9 • Über die Bedeutung des Merkmales gehen die Meinungen jedoch auseinander: Nach Ansichten im Schrifttum260 sollen die Mittel erst gar nicht als Darlehen anerkannt werden, wenn die formalen Anforderungen nicht erfüllt sind. Im Gegensatz dazu vertritt die Rechtsprechung in Gilbert v. Commissioner61 eine moderatere Auffassung: "The form of a transaction as reflected by correct accounting opens the questions as to the proper application of a taxing statute; it does not elose them."
b) Reasonable Expectation 01 Repayment
An die Gesellschaft vergebene Mittel werden als haftendes Eigenkapital klassifiziert, wenn seit dem Zeitpunkt der Darlehensvergabe keine realistische
258 Vgl. Fin Hay Realty Co. v. Uni ted States, 398 f.2d 694, 697 (3rd Cir. 1968); Stinnett's Pontiac Serv., Inc., v. Commissioner 730 f.2d 634, 638 (11th Cir. 1984); Farley Realty Corp. v. Commissioner,279 f.2d 701, 705 (2d Cir. 1960); Slappey Drive Indus. Park v. United States, 561 f.2d 572, 583 85th Cir. 1977); Gilbert v. Commissioner 248 f.2d 399, 403 (2d Cir. 1957); Byerlite Corp. v. Williams, 286 f.2d 285, 290 (6th Cir. 1960); zu älteren Entscheidungen s. Plumb, 26 Tax L. Rev. 369,460 Fn. 509 (1971). 259
Fin Hay Realty Co. v. United States, 398 f.2d 694, 697 (3rd Cir. 1968).
260
Gibson, 81 N. W. L. Rev. 452,468 (1987).
261
248 f.2d 399, 403 (2d Cir. 1957).
IX Gchde
274
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Chance bestand, daß die Mittel auch tatsächlich zurückgezahlt werden262 • Ist hingegen zu erwarten, daß der Gesellschafter die Mittel zurückerhält, liegt ein starkes Indiz für den Darlehenscharakter vor. Daß das Merkmal von hervorragender Bedeutung ist, zeigt sich sowohl an der umfangreichen Rechtsprechung 263 , der Zustinunung im Schrifttum264 als auch in der Beachtung durch den Gesetzgeber, der die Fonnel als Grundsatz in die sec. 385 IRC aufgenonunen hat. Innerhalb eines Bedeutungsvergleiches zwischen Steuer- und Konkursrecht ergibt sich anband der empirischen Untersuchung, daß die Fonnel ein größeres Gewicht in den steuerrechtlichen Entscheidungen haf65 • Auch wenn der Unterschied nicht gravierend ist, beinhaltet er doch einen Hinweis: Der Beurteilungsmaßstab kann nicht nur ein Krisendarlehen beschreiben, sondern auch eine Kapitalbindung außerhalb des Konkurses. Die Abgrenzungsfonnel der reasonable expectation of repayment läßt sich überzeugend mit den Funktionen von Fremd- und Eigenkapital begründen. Charakteristikum eines Darlehens ist die Erwartung, daß zu einem bestinunten Zeitpunkt die Darlehenssunune plus Zinsen zurückgezahlt wird und die rechtliche Beziehung von Kreditgeber und -nebmer endet. Ist die Rückgewähr des "Darlehens" jedoch unsicher, darn1 hängt sie von dem geschäftlichen Erfolg des
262 Im Schrifttum wurde dazu folgende Fragestellung vorgeschlagen: "What counts is the substance of the advance. If the funds have been advanced without reasonable expectation of repayment, they are not loans; if as a matter of substantial economic reality, they are risked upon the succes of the venture, the funds are actually capital", für das Konkursrecht HerzoglZweibel, 15 Vanderbilt L.Rev. 83,94 f (1961); Aus der Konkursrechtsprechung: In re Transsystems, Inc. 569 f.2d 1364, 1369 (5th Cir. 1978); A.F. Walker& Son, Inc., 46 B.R. 186,189 (D.N.H. 1985); In re Hyperion Enterprises, Inc., 158 B.R. 555 (D.C.D.Rhode Island 1993); für das Steuerrecht ganz ähnlich Plumb, 26 Tax L.Rev. 369,503 (1971). 263 Aus jüngster Zeit: Folgende konkursrechtlichen Entscheidungen bedienen sich dieses Indizes: In re Transsystems, Inc., 569 f.2d 1364, 1369 (5th Cir. 1978); In re Pacific Express, Inc., 55 B.R. 913, 919 (Bankr. E.D.Cal. 1985); In re Octagon Roofing, 141 B.R. 968,983 (Bankr.N.D.I11inois 1992); Aus dem Steuerrecht: John Kelley Co. v. U.S., 326 U.S. 521 (1946); Farley reality Corp. v. Comm'r, 279 f.2d 701 (2d Cir. 1960); Dillin v. U.S., 433 f.2d 1097, 1101 (5th Cir. 1970); Bauer v. Comm'r, 748 f.2d 1365 (9th Cir. 1984); Stinnett's Pontiac Servo Inc., v. Comm'r, 730 f.2d 634,638 (11th Cir. 1984). 264 Bittkerl Eustice, Federal Income Taxation, 5th ed. § 4.03., 4-16 ff; Rands, 90 W. Va. L. Rev. 1009, 1056 f. (1988); Gibson, 81 Nw. U. L. Rev. 452, 469 ff (1987); Plumb, 26 Tax L. Rev. 369, 598 f (1971). 265
Siehe dazu unten die empirische Erhebung D.lV.
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
275
Unternehmens ab, dem typischen Merkmal von Eigenkapital. Je weniger die Wahrscheinlichkeit besteht, daß die Mittel zurückgewährt werden, desto mehr rücken sie unter funktioneller Betrachtung in die Nähe von Eigenkapital. Die Gesellschaft trifft weder ein Liquiditätsrisiko, noch muß sie befiirchten, daß die Mittel abgezogen werden. Dadurch wird aus der Sicht der Gesellschaft die Dauerfunktion des Eigenkapitals erfüllt. Das von den amerikanischen Gerichten aufgestellte Kriterium knüpft an dem grundsätzlichen Unterschied von Darlehen (Fremdkapital) und Eigenkapital (Risikokapital) an, und ist insofern als Abgrenzungsmerkmal einsichtig. Ohne weitere Konkretisierung ist jedoch eine Unterscheidung nicht möglich. Es müssen Indizien gefunden werden, die den grundsätzlichen Unterschied in subsumierbare Beurteilungskriterien umsetzen können. Prinzipiell bietet sich eine Orientierung an der Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung und der Länge der Kreditvergabe an. Um die Formel zu präzisieren, hat die amerikanische Rechtsprechung die folgenden Maßstäbe entwickelt.
aa) Fälligkeitstermin Als erster Beurteilungsmaßstab gilt der Fälligkeitstermin, der fixed maturity date. Wenn ein bestimmter zeitlich festgelegter Zeitpunkt fiir die Rückzahlung vereinbart wurde 266 , gelten die Mittel als Darlehen. Wird ein fester Termin in den Vereinbarungen nicht genannt, weil beispielsweise die zukünftigen Geschäftsentwicklungen abgewartet werden müssen, dann hängt die Rückzahlung von den Gewinnen des Unternehmens ab und wird als Eigenkapital gewertef67.
266 Folgende konkursrechtlichen Entscheidungen bedienen sich dieses Indizes: In re Transsystems, Inc., 569 f.2d 1364, 1369 (5th Cir. 1978); In re Pacific Express, Inc., 55 B.R. 913, 919 (Bankr. E.D.Cal. 1985); In re Octagon Roofing, 141 B.R. 968, 983 (Bankr.N.D.IIIinois 1992); Aus dem Steuerrecht: John Kelley Co. v. V.S., 326 V.S. 521 (1946); Farley reality Corp. v. Comm'r, 279 f.2d 701 (2d Cir. 1960); Dillin v. V.S., 433 f.2d 1097, 1101 (5th Cir. 1970); Bauer v. Comm'r, 748 f.2d 1365 (9th Cir. 1984); Stinnett's Pontiac Servo Inc., v. Comm'r, 730 f.2d 634, 638 (11th Cir. 1984). 267 "The presence of a fixed maturity date indicates a fixed obligation to repay, a characteristic of a debt obligation. The absence of the same, on the other hand, would indicate that repayment was in some way tied to the fortunes of the business, indicative of an equity advance" Estate of Mixon v. V.S., 464 f.2d 394, 404 (5th Cir. 1972).
276
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Da die Gewinnabhängigkeit einer Rückzahlung eines der prägenden funktionellen Merkmale von Eigenkapital darstellt, ist eine entsprechende Qualifizierung gerechtfertigt. Je größer das Risiko eines wirtschaftlichen Verlustes ist mit der Folge, daß die Darlehen nicht zurückgezahlt werden- desto mehr übernimmt das Darlehen die Funktion von Eigenkapital268 • Ist kein Termin genannt, fällt eine Unterscheidung von Darlehen und Eigenkapital nicht schwer. Sie wird erst dann problematisch, wenn die Fälligkeit so weit in der Zukunft liegt, daß das Darlehen sinnvollerweise nicht mehr zurückgezahlt werden wird. Bei einer Laufzeit von 99 Jahren269 ist der Zeitpunkt wohl erreicht, schwieriger und ungeklärt sind die nicht eindeutigen Zeitspannen270 • Will das Gericht feststellen, ob die zur Verfügung gestellten Mittel Darlehenscharakteraufweisen, muß es übliche Laufzeiten von Krediten, die Art des Geschäftes und ähnliches berücksichtigen. Das ist nur möglich, wenn andere Kreditvereinbarungen miteinander verglichen werden, mithin sind die Verhältnisse am Kapitalmarkt entscheidend. Damit handelt es sich neben der Ausrichtung an den typischen Funktionsmerkmalen von Fremd- und Eigenkapital auch um ein marktorientiertes Kriterium. Als Richtwert für die Transformationsphase von Fremd- in Eigenkapital werden 10 - 20 Jahre angegeben271 • Die Schwierigkeiten in der Beurteilung des Maßstabes in der Praxis liegen, neben der Unsicherheit, die angemessene Zeitspanne festzulegen, noch in einem weiteren Bereich. Bedenkt man, daß Vorzugsaktien beispielsweise mit einem bestimmten Datum fiir ihre Einlösung versehen sind, kann allein aus dem festen Datum eines Finanzierungsmittels nicht zwingend auf den Charakter eines
268 In re Transsystems, Inc., 569 f.2d 1364, 1370 (5th Cir. 1978); In re Octagon Roofing, 141 B.R: 968,983 (Bankr.N.D. Illinois 1992); Rands, 90 West Virginia L.Rev. 1009. 1056 ff (1987); Bittker/Eustice, Federal Income Taxation, 5th ed. 1987, § 4.03. 8.4-16. 269
In re Swoby Corporation 9 T.C. 887 (1947).
270 Vgl. dazu Plumb, 26 Tax Notes 369, 415 f, der verschieden Fälle aus der Steuerrechtsprechung zu diesem Thema aufführt. Danach scheint ein Zeitraum von mehr als 20 Jahren die Darlehensgeber bezüglich des Risikos in den Rang von Gesellschaftern zu bringen. Realistischerweise kann mit einer Rückzahlung nicht mehr gerechnet werden, mit der Folge, daß die "Darlehen" als Eigenkapital gewertet werden. Es sind in der Rechtsprechung aber auch 50 Jahre noch als zulässige Grenze gesehen worden. 271 Bittker/Eustice, Federal Income Taxation, 5th ed. 1987, § 4.03 S. 4-16; Plumb, 26 Tax L. Rev. 369, 599 (1971) mwN aus der Rechtsprechung.
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
277
Darlehens geschlossen werden272 • Eindeutige und exakte Regeln lassen sich mit der Formel nicht finden. Deshalb gilt folgende Regel: Ein fehlendes Datum stellt den Darlehenscharakter mehr in Frage, als es fiir ein Darlehen spricht, wenn eines vorhanden isf 73 •
bb) Durchsetzbarkeit der Forderung Vor allem im Steuerrechf74 wird zur Umsetzung der typischen Merkmale von Fremd- und Eigenkapital danach gefragt, ob der Darlehensgeber seine Forderung uneingeschränkt zu jeder Zeit durchsetzen kannm . Ist dies der Fall, liegt eher ein Darlehen vor. Ist hingegen die Gesellschaft nur unter bestimmten Umständen, wie etwa einem erwarteten Gewinn, zu einer Rückgewähr des Darlehens verpflichtet, wird die Investition eher als Eigenkapital gewertet. Wie schon gesehen ~ind Gesellschafter in ihren Dividenden von den geschäftlichen Erfolgen des Unternehmens abhängig, während Darlehen zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem festen Zinssatz ZUTÜckzugewähren sind. Ist die Investition von dem Geschäftserfolg abhängig, spricht alles dafiir, daß es sich um Risikokapital, also Eigenkapital handelf 76 • Gilt die Aussage in rechtlicher Sicht, so kann sie im tatsächlichen doch nicht so eindeutig getroffen werden. Auch die Darlehensgeber sind vom Erfolg des Unternehmens abhängig, denn nur, wenn dieses Gewinne macht, können die Darlehen auch zurückgezahlt werden. Der Unterschied von Kreditgeber und -nehmer in diesem Punkt ist dann lediglich ein gradueller 77 •
272
Bittker/Eustice, Federal Incorne Taxation, 5th ed. 1987, § 4.03 S. 4-16.
273 Gibson, 81 North Western L.Rev. 453, 471 (1987) mit Nachweisen aus der Steuerrechtsprechung besonders in Fn. 130 und 131; Bittker/Eustice, Federal Incorne Taxation, 5th ed. 1987, § 4.03 S. 4-16. 274 Einen umfassenden, fast erschöpfenden Überblick über das Steuerrecht gibt Plurnb, 26 Tax L.Rev. 369, 526 ff (1971). 275 Aus dem Konkursrecht: In re Fett Roofing & Sheet Metal Co., 438 f.Supp. 726 (E.D.Va. 1977) afrd, 605 f.2d 1201 (4th Cir. 1978). 276
Bittker/Eustice, Federal Incorne Taxation, 5th ed. 1987, § 4.03 S. 4-17.
277 Siehe dazu die Ausführungen oben B.I.2.a); Ausführlich: Plurnb, 26 Tax L.Rev. 369, 505 f (1971): "The difference (between creditor and shareholder) lies in the nature and the degree of the risk assurned."
278
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Um diesem Einwand zu begegnen, hat die Steuerrechtsprechung danach differenziert, aus welchen Vermögensquellen des Unternehmens das Darlehen zurückgewährt werden so1l278: Kommt als Quelle279 beispielsweise nur der Veräußerungserlös in der Liquidation oder der Verkauf erheblicher Teile des Vermögens in Betracht, trägt der Darlehensgeber das gleiche Risiko wie ein Gesellschafter; es gibt realistisch gesehen kaum eine Chance, das Darlehen zurückzuerhalten. Dementsprechend werden die Mittel als Eigenkapital klassifizierf 80 .
ce) Tatsächliche Durchsetzbarkeit Hat eine Darlehensvereinbarung einen nicht in zu ferner Zukunft liegenden Fälligkeitstermin und ist ohne Bedingungen durchsetzbar, bleibt noch eine Frage: Wird die Darlehensforderung vom Inhaber auch tatsächlich durchgesetzt oder besteht dazu keinerlei Absicht? Im zweiten Fall stellen die Mittel der Gesellschaft Eigenkapital und keine Darlehen dar281 • Um die Absicht zu ermitteln, ist von äußeren Umständen auszugehen. Die Fälle werfen keine rechtlichen Probleme auf, wenn auf einen verstrichenen Fälligkeitstermin weder eine Mahnung noch weitere rechtliche Schritte der Gesellschaft folgen282 • Andere Umstände mit so zwingender Folge sind schwer zu finden; teilweise wurde deshalb die Interessenlage von Kreditgeber und -nehmer untersucht, um bestimmte Intentionen zu entdecken283 . Ob die bestehenden Rechte auch tatsächlich durchgesetzt werden, ist wiederum eine Konkretisierung der Unterschei-
27B
Ausführlich dazu Plumb, 26 Tax L.Rev. 369, 526 ff (1971).
279 Plumb, 26 Tax L.Rev. 369, 526 (1971) nennt folgende Quellen: 1. liquidation of assets 2. profits from the business 3. cash flow 4. refinancing with another lender. 280 Beaver Pipe Tools lnc. v. Carey, 139 f. Supp. 470 (N.D. Ohio 1955), affd 240 f.2d 843 (6th Cir. 1957); im Gegensatz dazu wurden die Gesellschaftermittel als Darlehen eingeordnet, wenn aus den Gewinnen der Gesellschaft zurückgezahlt wurde, vgl.: Stinnett's Pontiac Serv., lnc. v. Commissioner 730 f.2d 634, 638 (11 th Cir. 1984); Estate of Mixon v. United States, 464 f.2d 394, 404 (5th Cir. 1972). 281 Aus dem Steuerrecht: Gooding Amusement v. Comm'r, 23 T.C. 408,418 (1954); Slappey Drive Indus. Park v. U.S., 561 f.2d 572, 581 (5th Cir. 1977); Texas Farm Bureau v. U.S., 725 f.2d 307, 308 f (5th Cir. 1984). 282
Texas Farm Bureau v. U.S., 725 f.2d 307, 308 f (5th Cir. 1984).
283
Gooding Amusement v. Comm'r, 23 T.C. 408,418 (1954).
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
279
dung von Fremd- und Eigenkapital, denn der eigentliche Kreditgeber wird kaum Vertragsbedingungen aushandeln, um sie dann nicht wahrzunehmen. Die wohl überzeugendste Erklärung für dieses Merkmal stammt aber von einem Gericht im Fall Texas Farm Bureau v. United States284 : "In aland of hard economic facts, we cannot root important decisions in parties pious declarations of intent."
dd) Zinszahlungen Den letzten Parameter zur Präzisierung der typischen Funktionsmerkmale von Fremd- und Eigenkapital bilden die vereinbarten Bedingungen über Zinszahlungen285 • Der Gesellschafter ist in seinen Ansprüchen gegenüber der Gesellschafter von dem Gewinn des Unternehmens und einem formellen Beschluß des board of directors abhängig 286 , somit schwankt die Höhe der Forderung. Zinsen werden idealtypisch bei Darlehensverträgen vereinbart und zwar unabhängig von wirtschaftlichen Entwicklungen und sind in der Höhe vorher festgelegt. Ein starkes Indiz für eine Vergabe von Eigenkapital liegt vor, wenn keinerlei Zinszahlung vertraglich festgelegt wurde, sie von einem Gewinn des Unternehmens oder etwa von Entscheidungen des board of directors abhängig ist. Ein "wahrer" Kreditgeber wird sich nicht auf einen Ausschluß seiner einzigen Einnahmequelle einlassen. Für den Fall, daß eine Zinsabrede besteht, wird in einem zweiten Schritt untersucht, ob diese angemessen ist: Entspricht die Höhe des Zinses dem wirtschaftlichen Risiko des Geschäftes, oder sind die Zinsen marktüblich? Werden beide Fragen verneint, besteht eine Vermutung für Eigenkapital. Neben der formalen Beurteilung - besteht eine Zinsvereinbarung oder nicht - tritt ergänzend eine Marktbetrachtung hinzu. Der Markt als Gradmesser verschiebt die Perspektive, es geht weniger um normative, an Begriffen orientierte Vorgaben als um sich verändernde und flexible Einschätzungen (derjenigen, die an diesem Markt teilnehmen).
284
Texas Farm Bureau v. U.S., 725 f.2d 307, 314 (5th Cir. 1984).
285 L.&M. Realty Corp. v. Leo, 249 f.2d 668, 670 (4th Cir. 1957); In re Transsysterns, Inc., 569 f.2d 1364, 1369 (5th Cir. 1978). 286 § 6.40 R.M.B.C.A.; § 170 DeI.Gen.Corp.L.; einen instruktiven Überblick über die Schwierigkeiten einer dividend policy bieten Klein/ Coffe, Business Organization and Finance, 1992, Ch. 5. III., S. 366 ff.
280
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Problematischer werden die beschriebenen Bewertungen allerdings, wenn Mischformen auftreten. Sind beispielsweise Zinszahlungen in fester Höhe vereinbart, nebenher aber auch eine Beteiligung am zu erwartenden Gewinn, muß die Klassiflzierung Eigen- oder Fremdkapital neu erwogen werden. Ein Indiz dafiir ist, inwiefern das board of directors, die fiir die Festlegung der Gesellschaftsgewinne zuständig sind, die Gewinnspanne der Gesellschaftergläubiger bestimmt. Allgemein besteht bei den Gerichten die Tendenz, solche Mischformen als Eigenkapital zu werten287 • In der Literatur wird der Formel mit der Begründung besonders Gewicht beigemessen, der Kreditgeber im eigentlichen Sinne ließen sich nicht darauf ein, daß ihre Darlehen in vollem Maß dem Geschäftsrisiko unterliegen, ohne daß eine adäquate Kompensation bestehf 88 •
ee) Zwischenergebnis Gemeinsam ist allen Parametern zur Konkretisierung der idealtypischen Unterscheidungen, daß sie von der inhaltlichen Ausgestaltung der Darlehensverträge abhängen. Insofern sind die Merkmale in der gerichtlichen Praxis leicht nachzuweisen. Die Gerichte können sich auf die Prüfung der Vertragsbedingungen beschränken und sind nicht gezwungen, andere betriebswirtschaftliehe und fachfremde Analysen unter Hinzuziehung verschiedener Sachverständiger durchzufiihren289 • Will man die Bedeutung der einzelnen Merkmale in Hinsicht auf die Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital gewichten, ist zunächst folgendes festzustellen: An den Bestimmungsversuchen wird sichtbar, wie sehr die Entscheidungen vom Einzelfall abhängen. Allgemeine, starre und strikte, stets sichere Vorgaben werden nicht geliefert. Ein statisches Modell wäre aber für die sich erheblich unterscheidenden Einzelfälle nicht so flexibel anwendbar wie ein aus Einzelparametern bestehendes, variabel handhabbares Modell. Insofern ist ein am Einzelfall orientiertes Modell gerechtfertigt.
287
Bittker/Eustice, Federal Incorne Taxation, 5th ed. 1987, § 4.03 S. 4-17.
288
Bittker/Eustice, Federal Incorne Taxation, 5th ed. 1987, § 4.03 S. 4-17.
289 Fleischer, S. 124 zum Kündigungsausschluß als Tatbestandsmerkmal für die Finanzplankredite.
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
281
Die Gerichte stehen größeren Problemen gegenüber, wenn die einzelnen typischen Merkmale von Fremd- und Eigenkapital gemischt werden. Aber auch hier sind Einschätzungen möglich, und der Beurteilungsmaßstab erweist sich als durchdachter Versuch, das Problem. zu lösen. Der Vorteil der Methode besteht darin, Grenzen zu ziehen und im Einzelfall zu überzeugenden Ergebnissen zu kommen. In der praktischen Bedeutung ist dem festen Rückzahlungstermin ebenso wie der Frage nach Zinsen ein besonderer Stellenwert einzuräumen.
c) Core Asset Test
In der Gründungsphase der Gesellschaft beziehen sich die Gerichte teilweise auf den Zweck der Darlehen innerhalb der Untemehmensfinanzierung. Wenn durch die Darlehen die zur Geschäftsaufnahme notwendigen Betriebsmittel erworben werden, vermuten die Gerichte den Eigenkapitalcharakterder Mittel. Die Begründung für diese Regel ist die Annahme, mit einer Darlehensfmanzierung im Rahmen einer Geschäftsgründung sei ein größeres Risiko für die Gläubiger verbunden290 • Die grundlegende Entscheidung im Konkursrecht zu dieser Abgrenzung ist der Fall Amold v. Phillips 291 aus dem Jahr 1941. Durch Amold und einen weiteren Strohmann wurde eine Brauereigesellschaft mit einem Stammkapital von $ 50,000 gegründet. Da die ursprünglich geplanten Mittel zum Bau der Brauereianlage nicht ausreichten, gewährte Amold einen Kredit in Höhe von $ 70,000. Um die Betriebsaufnahme zu ermöglichen, gab Amold weitere Kredite in Höhe von $ 10,000. In den darauffolgenden zwei Jahren liefen die Geschäfte gut und von den erwirtschafteten Gewinnen konnten Teile der Darlehen zurückgezahlt werden. Als die Gesellschaft danach in Schwierigkeiten geriet, gewährte Amold zusätzliche Darlehen im Gesamtumfang von $ 47,000. Trotz der Unterstützung fiel die Gesellschaft kurz darauf in Konkurs.
290 Diese Bedenken bringt eine der wichtigsten steuerrechtlichen Entscheidungen zum Ausdruck, Fin Hay Realty Co. v. United States, 398 f.2d 694, 698 (3rd Cir. 1968). 291
117 f.2d 497 (5th Cir. 1941), cert. denied 313 U.S. 583 (1941).
282
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Der Court of Appeals des 5th Circuit unterschied in seinem Urteil zwischen dem Darlehen in der Gründungsphase und den Darlehen nach der Gewinnphase. Die Mittel zur Aufnahme der Betriebstätigkeit wurden als Eigenkapital qualifiziert, die anderen Mittel stufte das Gericht als Fremdkapital ein. Um den Eigenkapitalcharakter der Startmittel zu begründen, fiihrte das Gericht aus 292 : "Those (advances) made before the enterprise was launched were ... really capital. Although the charter provided for no more capital than $ 50,000, what it took to build the plant and equip it was permanent investment, in its nature capital." Mit dieser Entscheidung forderte das Gericht eine Griindungsfinanzierung mittels Eigenkapital, die für die Produktionsstätten und das Betriebskapital ausreichf 93 . Das hieße verallgemeinert, in der ursprünglichen Finanzierung dürfe es kein Fremdkapital geben; es bestünde also implizit das Gebot der Eigenkapitalfinanzierung im Rahmen der Gründung. Daß die Konsequenz der Entscheidung wirtschaftlich nicht sinnvoll ist und jahrelanger Wirtschaftspraxis widerspricht, ist offensichtlich. Aus diesem Grund wird die Berechtigung des core asset Testes als Abgrenzung zwischen Fremd- und Eigenkapital im Schrifttum überwiegend verneinf 94 . Das gleiche gilt für die Rechtsprechung, die ebenfalls von diesem Konzept abriickf9s.
292
117 f.2d 497,501 (5th Cir. 1941).
293
Cohn, 52 Am. Bankr. L. J. 259, 270 (1978).
294 Plumb, 26 Tax L. Rev. 369, 520 ff (1971); Cohn, 52 Am. Bankr. L. J. 259, 270 (1978); Bittkerl Eustice, Federal Income Taxation 5th ed. 1987, § 4.04.4-25; Gibson, 81 Nw. U. L. Rev. 452, 484 ff (1987). 295
Ausführliche Nachweise bei Plumb, 26 Tax L. Rev. 369,521 in Fn. 899 (1971).
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
283
4. Kapitalstruktur des Unternebmens
a) "Debt-Equity Ratio"
Das Verhältnis von Verbindlichkeiten zum Eigenkapital ist eine der wichtigsten Tests sowohl im Steuerrechf96 als auch im Insolvenzrechf97 zur Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital. Die Abgrenzungsformel geht zurück auf den Risk Test, der durch die Entscheidung Gilbert v. Commissioner98 und Fin Hay Reality Co. v. United States299 begründet wurde. Danach ist maßgebend: "The ultimate question (is), whether the investment, analyzed in terms of its economic reality, constitutes risk capital entirely subject to the fortune of the corporate adventure or represents a strict debtor- creditor relationship"3°O. Der in der Formel enthaltene Risikogedanke selbst liefert keine subsumierbaren Merkmale, vielmehr bietet er die Möglichkeit, aus dem Gedanken heraus einzelne Kriterien zu entwickeln. Daß der debt- equity- Test den Risikogedanken umsetzt, zeigt sich an folgender Begründung: Der Eigenkapitalgeber nimmt das Risiko eines Scheitems seiner unternehmerischen Tätigkeit in Kauf, indem er mit seinen Einlagen haftet; im Gegenzug erhält er sämtliche Gewinne, wenn profitabel gearbeitet wird. Da ein "typischer" Kreditgeber nichts von diesem Gewinn erhält, wird er nicht in gleicher Weise bereit sein, das Risiko eines wirtschaftlichen Verlustes 296 Im Steuerrecht scheint dieser Faktor in den letzten Jahren an Bedeutung zu verlieren. Vgl.: Gibson, 81 North Western L.Rev. 452, 480 (1987). 291 Matter of Transsystems, Inc., 569 f.2d 1364, 1369 (5th Cir. 1978); Matter of Rego Crescent Corp., 23 B.R. 958, 963 (Bankr. E.D. N.Y. 1982); Long !sland lighting Company v. Bokum Resources Co., 40 B.R. 274, 296 (Bankr. D.N.M. 1983); In re Pacific Express, Inc. 55 B.R. 913, 918 (Bankr.E.D:Cal. 1985); Retirement Benefit Plan v. Standard Bindery Company, 654 f.Supp. 770, 772 (D.C.E.D.Michigan 1986); In re Logue Mechanical Contracting Corp., 106 B.R. 436, 438 (Bankr.W.D.Pa. 1989); Diasonics, Inc., v. Ingalls 121 B.R. 626,631 (Bankr.N.D.Fla. 1990). Wenn hier auch Verbindlichkeiten und Eigenkapital verglichen werden, wird nicht ausdrücklich von DebtEquity-Ratio gesprochen. In re Octagon Roofing, 141 B.R. 968, 984 (Bankr.N.D.I1linois 1992). 298
248 f.2d 399, 402 (2d Cir. 1957).
299
398 f.2d 694 (3rd Cir. 1968).
300
Fin Hay Realty Co. v. United States 398 f.2d 694, 696 (3rd Cir. 1968).
284
2. Kap.: Rechtslage in den USA
einzugehen. Je mehr Eigenkapital für den Fall eines wirtschaftlichen Scheiterns vorhanden ist, desto eher wird ein Kreditgeber bereit dazu sein, Mittel als Darlehen zur Verfügung zu stellen. Daher wird ein Darlehensgeber, der nicht gleichzeitig eine Gesellschafterstellung innehat, eher bereit sein, Darlehen zu gewähren, wenn das Verhältnis von Darlehen zu Eigenkapital gering ist. Besteht ein Verschuldungsgrad, bei dem ein außenstehender Kreditgeber kein Geld mehr bereitstellt, spricht es dafür, daß die Gesellschafterdarlehenam Risiko des Unternehmens teilnehmen und mithin eine Eigenkapitalzufuhr darstellen30 I • Mit einer derartigen Formel hängen verschiedene Probleme zusammen; es stellen sich Fragen wie: Was sind die Bewertungsgrundlagen, wenn die Höhe von Verbindlichkeiten und Eigenkapital festgestellt wird? Können für verschiedene Industriezweige oder Branchen bestimmte übliche und typische Verhältniszahlen gefunden werden? Wie wird das Geschäftsrisiko in Verbindung zu dem Eigenkapital gewertet? Und schließlich: Welches Verhältnis ist das entscheidende? Um die debt-equity ratio zu finden, ist zunächst der Wert des Gesellschaftsvermögens zu bestimmen. Entscheidend dafür ist, ob als Bestimmungsgrundlage der Marktwert oder der Buchwert gilt, da in fast allen Fällen die Werte unterschiedlich hoch sein werden. Der Marktwert der Vermögensgegenstände bildet die Haftungsgrundlage in einer möglichen Liquidation, so daß aus der - hier einzig relevanten - Sicht des außenstehenden Darlehensgebers diesem der Vorzug zu geben ist. Anders hätte die debt-equity ratio wegen der sonst oft sehr hohen Verschuldung gar keinen Sinn302 • Entgegen der überzeugenden theoretischen Überlegung entscheiden die Gerichte aber nicht einbeitlich. In einigen Entscheidungen wird das Vermögen-anband des Buchwertes ermittelt, in anderen anband des Marktwertes; eine Tendenz ist nicht festzustellen 303 •
301 "Tbe purpose of examining the debt-to-equity ratio in characterizing a stockholder advance is to determine whether a corporation is so thinly capitalized that a business loss would result in an inability to repay the advance; such an advance would be indicative of venture capital rather than a loan." Bauer v. Commissioner, 748 f.2d 1365, 1369 (9th Cir. 1984); Ähnlich Gilbert v. Commissioner, 248 f.2d 399, 407 (2d Cir. 1957); Aus dem Schrifftum vgl., Rands, 90 West Virginia L.Rev.1009, 1069 ff (1988); Gibson, 81 North Western L.Rev. 452,480 (1987). 302
Note, 55 Columbia L.Rev. \054, 1063 (1955).
303 Robertsonl Daugherty/ Burckel, 47 Tax Notes 707, 714 (1990). Der Artikel ist eine empirische Untersuchung zu den Kriterien, die die Steuerrechtsgerichte verwenden, um
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
285
Neben der Bewertungsgrundlage ist noch maßgebend, ob auch allgemein vermögenswerte Positionen wie Lizenzen, Konzessionen, geschäftliche Kontakte nach der Rechtsprechung zum Eigenkapital zu rechnen sind. Bejaht wird eine solche Definition von der Steuerrechtsprechung30 \ die Konkursgerichte hingegen machen weder zu den Bewertungsgrundlagen noch zu dem Verrnögensbegriff Ausfiihrungen. Der andere Vergleichsmaßstab, die Höhe der Verbindlichkeiten, ergibt sich aus sämtlichen Forderungen gegenüber der Gesellschaft, unabhängig davon, ob es sich um die Darlehen von Gesellschaftern oder von außenstehenden Dritten handelfOS. Um einen Gläubigerschutz effektiv gestalten zu können, werden auch zukünftige absehbare und geplante Gesellschaftsverbindlichkeitenmiteinberechnef 06 • Auch zu diesem Punkt nehmen die Konkursgerichte nicht Stellung. Sind die beiden vergleichenden Parameter festgelegt, ist in einem zweiten Schritt die Frage nach dem relevanten debt-equity Verhältnis zu beantworten. Weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur werden debt-equity-ratios festgelegt, die sich an bestimmten Industriezweigen oder nach anderen Unterscheidungen orientieren. Konkursgerichte haben auf der einen Seite Gesellschafterdarlehen nachgeordnet mit einer Ratio von 80: 1307 oder 12: 1308 , während auf der anderen Seite bei Ratios von 16:1 309 , 4.5:1 310 oder 6 oder 7:1 311 eine Nachordnung abgelehnt wurde.
Darlehen und Eigenkapital voneinander abzugrenzen. Daneben wird noch auf statistischem Wege kontrolliert, ob sich eine Diskriminierung von Darlehen oder Eigenkapital finden läßt. 304 Motel Corp. v. Comm'r, 54 T.C. 1433, 1437 (1970); Perrault v. Comm'r, 25 T.C.439, 451 (1955). 305
Plumb, 26 Tax L.Rev. 369,513 f (1971).
306
Plumb, 26 Tax L.Rev. 369, 515, insbesondere Fn. 843 (1971).
307
In re Fett Roofing & Metal Co., 438 f.Supp. 726 (E.D.Va.1977).
308
In re Brunner Air Compressor Corp., 287 f.Supp. 256 (N.D.N.Y. 1968).
309
In re Branding Iron Steak House, 536 f.2d 299 (9th Cir.1976).
310
In re Octagon Roofing, 141 B.R. 968, 984 (Bankr.N.D.Illinois 1992).
311 In re Mobile Steel Co., 536 f.2d 692 85th Cir. 1977); Matter of Multiponics, Inc. 622 f.2d 709, 717 (5th Cir. 1980).
286
2. Kap.: Rechtslage in den USA
In der Steuerrechtsprechung sind die Unterschiede der einzelnen Ratios noch beträchtlich höher3l2 • Eine allgemeine Aussage zu einem "safe harbor"313, einer verbindlichen Relation von Verbindlichkeiten zu Eigenkapital, die eine QualifIzierung als Eigenkapital ausschließt, kann deshalb nicht getroffen werden. Die Schwierigkeit, eine anerkannte Relation zu bestimmen, hat zu dem Versuch gefiihrt, die Erkenntnisse aus den einzelnen Fällen zusammenzufassen, um eine Problemannäherung zu liefern. Demnach gilt: Je stabiler der Industriezweig und je geringer das wirtschaftliche Risiko, desto höher kann das Verhältnis von Verbindlichkeiten zu Eigenkapital seinJ'4 . Angesichts dieser sehr unterschiedlichen BeurteilungenJ'5 stellt sich zwangsläufIg die Frage nach der Justitiabilität einer debt-equity ratio. Dabei ist zu betonen, daß die Entscheidungen der amerikanischen Gerichte immer auch auf anderen Merkmalen beruhen. Die Bestimmung der debt-equity ratio ist nicht das entscheidende und letztlich maßgebende Merkmal Jl6 . Der Wert der Überlegung besteht zum einen in seiner Funktion als Stimmigkeitskontrolle, die gefundene Ergebnisse und Urteile bestätigt. Zum anderen kann das Merkmal in
312 In einem FaHlag das Verhältnis bei 700: 1, Baker Commodities, Inc., 48 T.C. 374 (1967), dennoch gab es keine Qualifizierung als Eigenkapital, da die GeseHschaft ausreichend Cash Flow und Gewinne hatte, um zur FäHigkeit aHe Forderungen zu begleichen. 313 Als Maßstab wurde eine Zeitlang eine Relation von 4: 1 als "safe harbor" angesehen, vornehmlich ältere Publikationen haben diesen Versuch gewagt: f.O'Neal, Close Corporations, §2: 10; Benjamin, 34 Tulane L.Rev. 99, 103 (1959); Bittkerl Eustice, Federal Income Taxation, 5th ed. 1987, § 4.04 S. 4-24. Angesichts der sehr unterschiedlichen Relationen hat eine solche Angabe nur den Charakter einer Faustregel. 314
Plumb, 26 Tax L.Rev. 396,510 (1971).
315 "As to the ratio itseIf, the courts have not laid down any mathematical formula, recognizing what is exzessive in one industry may be normal in another and that corporations financial requirements vary even within the same industry... there are a few cases in which it is regarded as virtuaHy irrelevant." , Bittkerl Eustice, Federal Income Taxation, 5th ed. 1987, § 4.04 S. 4-24. 316 Von den genannten konkursrechtlichen Entscheidungen, die die Debt-Equity Ratio nennen, befassen sich nur folgende näher damit, ohne daß in den Ausführungen dem Merkmal (verglichen zu anderen) breiter Raum gewährt wird: Diasonics Corp., v. IngaHs, 121 B.R. 626, 631 (Bankr.N.D.Fla. 1990); In re Octagon Roofing, 141 B.R. 968, 984 (Bankr.N.D.IIIinois 1992).
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
287
ganz offensichtlichen Fällen eines Mißverhältnisses von debt und equity zu überzeugenden Ergebnissen kommen. Wenn das Verhältnis etwa 700 zu 1 beträgt, wird der Eigenkapitalcharakterunschwer zu bejahen sein3l7 • Daß im Konkursrecht die "Verhältnisfrage" nicht so differenziert geprüft wird, mag damit zusammenhängen, daß. das Merkmal eher als Stimrnigkeitskontrolle benutzt wird, denn als ausschlaggebendes Kriterium.
b) Verhältnis von Darlehen zu Eigenkapital Als weiteres Merkmal fiir eine Unterscheidung von Eigen- und Fremdkapital kennt das amerikanische Recht die beteiligungsproportionalen Gesellschafterdarlehen. Halten sämtliche Gesellschafter im gleichen Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesellschaft "Darlehen", spricht das gegen den Darlehenscharakter der eingesetzten Mittel318 • Die beteiligungsproportionale Darlehensgewähr ist fiir die Gerichte in drei Fällen von besonderer Bedeutung. Zum einen, wenn ein neuer Gesellschafter neben seinem Anteil noch verpflichtet wird, eine bestimmte Darlehenssumme aufzubringen3l9, oder zum anderen, wenn Anteil und Darlehen nur gemeinsam übertragen werden dürfen320 • Das gleiche gilt fiir den Fall, daß die Rückzahlung eines Darlehen von der Höhe des Anteils abhängf 21 •
317
Siehe Fn. 315.
318 Zur Steuerrechtsprechung: Estate of Mixon v. U.S. 464 f.2d 394, 409 (5th Cir. 1972); Gilbert v. Comm'r 248 f.2d 399, 402 (2d Cir. 1957); Stinnent's Pontiac Servo Inc. V. Comm'r 730 f.2d 634, 639 (11th Cir. 1984); Slappey Drive Indus. Park V. U.S., 561 f.2d 572, 581 (5th Cir. 1977); Texas Farm Bureau V. U.S., 725 f.2d 307, 308 f (5th Cir. 1984). Aus dem Schrifttum, Gibson, 81 N. W. U. L. Rev. 452, 475 ff (1987); Rands, 90 W. Va. L. Rev. 1009, 1075 ff (1988); Bittker / Eustice, Federal Income Taxation, 5th ed. 1987, § 4.04,4-22; Note, 9 Fordham U. L. Rev. 1019, 1024 ff (1981). 319 Gilbert V. Commissioner, 248 f.2d 399, 401, 407, 409 f (2d Cir. 1957); Austin Village, Inc. V. United States, 296 f. Supp. 382, 389 (N.D. Ohio 1968), rev'd, 432 f.2d 241 (6th Cir. 1970). 320 Universal Castings Corp., 37 T.C. 107, 1l3, 115 (1961), affd, 303 f.2d 620 (7th Cir. 1962). 321 Lockwood Realty Corp., 17 T.C.M. 247,251 (1958), affd, but reversed on other grounds, 264 f.2d 241 (6th Cir. 1959).
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
Der Wert des Merkmales und gleichzeitig seine Begründung liegen in dem Einblick, die er in die Zielsetzungen der Gesellschafter bietet. Die beteiligungsproportionale Darlehensgewährung führt bei allen Gesellschaftern zu gleichen Gewinnanteilen und zu gleich hohen Verlusten in der Insolvenz 322 • Ökonomisch gesehen wird für die Gesellschafter genau das Ergebnis erzielt, das sonst nur mit Eigenkapital möglich wäre. Auf diese Weise werden auch die rechtlichen Machtverhältnisse (Stimmrecht) wie auch die faktischen (Einfluß aufgrund des wirtschaftlichen Interesses) nicht veränderf 23 • Wird wirtschaftlich und rechtlich -aus der Sicht der Gesellschafter- durch eine proportionale Darlehensgewähr das gleiche Ergebnis erreicht wie mit Eigenkapital, liegt die Annahme nahe, daß es sich bei den Mitteln auch um Eigenkapital handelt. In einer solchen Konstellation werden die Gesellschafter Forderungen in der Unternehmenskrise nicht geltend machen324 • Dadurch, daß der Gesellschaft die Mittel auf Dauer zur Verfügung stehen, wird ein typisches Funktionsmerkmal des Eigenkapitals erfüllt. Eine Prüfung dieses Beurteilungsmaßstabes ermöglicht es, das Verhalten der Parteien in einer späteren Krise vorherzusagen32S • In der Ausgangssituation, in der die Proportionen der Darlehensgewähr beurteilt werden, ist die Gesellschaft in der Regel krisenfrei. Die Charakteristik ist als Beitrag zu einer Beurteilung geeignet, sofern Mittel außerhalb einer Krise gebunden sind. Dieser begriffliche Befund spiegelt sich auch in der Rechtswirklichkeit wider. Während die Steuergerichte 326 die Abgrenzung ständig heranziehen, hat in den letzten 16 Jahren kein Konkursgericht ein Gesellschafterdarlehenin der Krise
322
Rands, 90 W. Va. L. Rev. 1009, 1076 (1988).
323 Gilbert v. Comm'r 248 f.2d 399, 406 (2d Cir. 1957); Slappey Drive Indus. Park v. U.S., 561 f.2d 572, 583 f (5th Cir. 1977); Texas Farm Bureau v. U.S., 725 f.2d 307, 313 (5th Cir. 1984). 324
Note, 9 Fordham Urban L.Rev. 1019,124 ff(1981).
325
Fleischer, S. 125.
326 Roth Steel Tube Co., 800 f.2d 625, 630 (6th Cir. 1986); Texas Farm Bureau v. U.S., 725 f.2d 307, 312 f (1984); Bauer v. Comm'r, 748 f.2d 1365, 1370 (9th Cir. 1984); Stinnett's Pontiac Service., Inc. v. Comm'r, 730 f.2d 634, 639 f (11th Cir. 1984); Slappey Drive Indus. Park v. U.S., 561 f.2d 572,583 f (5th Cir. 1977); Covey Inv. co. v. U.S., 377 f.2d 403,404 (10th Cir. 1967); zur älteren Rechtsprechung siehe Plumb, 26 Tax L.Rev. 369,470-482 (1971).
8. Tatbestand der Urnqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
289
nach dieser Formel beurteilt; nur einige wenige ältere Entscheidungen sind so verfahren327 .
c) Grobe Unterkapitalisierung
Um die Nachordnung von Darlehen im Konkurs zu vermeiden, darf entsprechend einiger Gerichtsentscheidungen die Kapitalausstattung der Gesellschaft nicht "inadequate", "hopelesly insolvent", "purely nominal" oder eine "token equity"328 sein. Eine genauere Bestimmung dieser Kriterien lautet: "so called loans ... will be subordinated... where the paid in capital is purely nominal, the capital necessary for the scope and magnitude of the operations of the company beeing furnished by the stockholder as loans329 . Der scheinbare Nachteil einer solchen Umschreibung liegt in der Ungenauigkeit des vorgegebenen Standards. Ziel der Umschreibung ist es aber nicht, eine positive Anforderung an eine Eigenkapitalausstattung zu statuieren, um dann nicht mehr hinnehmbare Risikoverschiebungen durch eine Darlehensfinanzierungzu Lasten der Gläubiger abzugrenzen. Vielmehr sollen nur vollkommen unzureichende Kapitalaustattungen erfaßt werden. Die Anforderung an eine Kapitalausstattung soll dem Unternehmen lediglich eine reelle Chance im Wirtschaftsleben sichern,
327 In re Loewer's Gambrinus Brewery Co., 167 f.2d 318 (2d Cir. 1948); L. & M. Realty Corp., v. Leo, 249 f.2d 668,670 (4th Cir. 1957); Ablehnend gegenüber diesem Merkmal: In re Madelaine, Inc, 164 f.2d 419 (2d Cir. 1947). 328 In re N&D Properties, 54 B.R. 590, 600 (D.C. N.D. Ga. 1985); In re Purco, Inc., 76 B.R. 523, 531 (Bankr. W.D. Pa. 1987); In re UNR Industries, Inc., 46 B.R. 25, 28 (Bankr. N.D. Illinois 1984). Die grobe Unterkapitalisierung ist ein Begriff und eine Voraussetzung, die im Recht des Haftungdurchgriffes entwickelt wurde und hauptsächlich dort verwandt wird. Es zeigt sich auch hier, daß eine exakte Trennung von Haftungsdurchgriff und Nachordnung von Darlehen im Konkurs im amerikanischen Recht nicht besteht. Aus rechtsvergleichender Sicht zum Haftungsdurchgriff wegen Unterkapitalisierung stellen einige Urteile vor: Drobnig, S. 47 ff; Nacke, S. 110 f; Drüke, S. 21 f. An neueren Urteilen in diesem Bereich seien genannt: Co-op v. Olson, 419 N.W.2d 211, 216 (Wiss. 1988); Baird Word Printing v. Great Recipes Pub. Assoc., 811 f.2d 305, 308 (6th Cir. 1987). 329 Pepper v. Litton 308 U.S. 295, 309 f (1939); In re N&D Properties, 54 B.R. 590, 600 (D.C. N.D. Ga. 1985).
/9 Gehde
290
2. Kap.: Rechtslage in den USA
jedoch keine unbedingt erfolgreiche330 • Diese Negativ- Bestimmung liefert für den Einzelfall einen handhabbaren Maßstab331 • In den Fällen einer krassen Unterkapitalisierung handelt es sich um materielle Unterkapitalisierung, die eigentlich zu einem Haftungsdurchgriff auf das Privatvermögen der Gesellschafter führt. Existieren diese Überlegungen auch im Rahmen der nominellen Unterkapitalisierung mit der Folge einer Nachordnung von Gesellschafterdarlehen, kann dies nur bedeuten: Ein Haftungsdurchgriff erscheint nicht als notwendige Rechtsfolge, da die Darlehenssumme selbst schon eine ausreichende Haftungsgrundlage bietet. Als Beispiel dafür kann die Entscheidung In re UNR Industries332 gelten. In diesem Fall betrieben mehrere Gesellschafter ein großes Stahlverschalungsunternehmen, das ein vom Gericht als symbolisch gewertetes Eigenkapital von $ 1000 aufwies 333 • Dem standen Gesellschafterdarlehenin Höhe von $ 17,565,049.00 zur Finanzierung eines Neubaus und des Unterhalts des laufenden Geschäfts gegenüber. Diese Diskrepanz hielt das Gericht für ausreichend, um die Darlehen im Rang nachzuordnen. Zwar bescheinigte das Gericht dem Unternehmen, die Finan-zierungsmethode sei bequem und von verständigen Geschäftsüberlegungen getragen, doch sei die unvermeidliche Konsequenz, daß -sobald finanzielle Probleme auftreten- anderen Gläubiger lediglich ein Risikopolster von $ 1000 zur Verfügung stehe. Es bestünde hier also ein eindeutiger Fall von inequitable conducf 34 • Die Feststellung einer so eindeutigen Unterkapitalisierung wird aber nur selten möglich sein. Für das Verständnis der equitable subordination doctrin weit wichtiger sind die Fälle, die sich in einer Grauzone befinden. Da die grobe Unterkapitalisierung eine materielle und keine nominelle Unterkapitalisierung darstellt, gibt es auch nur sehr wenige Entscheidungen der Konkursgerichte zu diesem Beurteilungsmaßstab. In der gerichtlichen Praxis zur Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital bei einer nominellen Unterkapitalisierung kann durch solche Prüfung allein keine Entscheidung herbeigeführt werden.
330
Haekney/Benson, 43 U. Pittsburgh L.Rev. 837, 898 (1982).
33\ VgJ. Drüke, S. 21 zu den gleichen Überlegungen innerhalb des Haftungsdurchgriffes.
332
In re UNR Industries, Ine., 46 B.R. 25, 28 (Bankr. N.D. Illinois 1984).
333
In re UNR Industries, Ine., 46 B.R. 25, 28 (Bankr. N.D. Illinois 1984).
334
In re UNR Industries, Ine., 46 B.R. 25, 28 (Bankr. N.D. IIIinois 1984).
8. Tatbestand der Urnqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
291
d) Sinking Fund
Beachtung hat bei den Gerichten auch die Tatsache gefunden, daß die Gesellschafter überhaupt einen Tilgungsfond fiir die Darlehensforderungen gegen die Gesellschaft eingerichtet haben. Besteht kein solcher Fond, gilt dies als Indiz fiir die fehlende Bereitschaft der Gesellschaft, die Darlehen tatsächlich zurückzuzahlen und damit als ein Hinweis auf den Eigenkapitalcharakter der Mittel335 • Hat die Gesellschaft hingegen Rücklagen gebildet, sehen die Gerichte darin einen gewichtigen Hinweis auf den wahren Darlehenscharakter der Mittel 336 • Die Bereitschaft, die Mittel zurückzuzahlen, bezieht sich als Merkmal auf die Dauerfunktion des Eigenkapitals337 • Angesichts von drei Entscheidungen im Zeitraum von 1955 bis 1987338 , die sich dieses Merkmales bedienen, kann nur von einer marginalen Bedeutung gesprochen werden.
5. Schldigendes Gesellschafterverhalten
Die Übersicht zum heute allgemein gültigen Standard des Mobile Steel Testes hat gezeigt, daß die amerikanischen Konkursgerichte sich in ihren Entscheidungen nicht nur auf die Fälle der nominellen Unterkapitalisierung beziehen, sondern auch auf andere Formen der Gläubigerbenachteiligung.Daher sind diese Formen der fraudolösen Gläubigerbenachteiligung kursorisch vorzustellen.
a) "Illegality"
Ein überzeugender Grund, die Gesellschafterdarlehen nachzuordnen, liegt vor, wenn die geltendgemachte Forderung gegen ein Gesetz verstößt. Die
335 Vgl. Tyler v. TomIinson, 414 f.2d 844, 849 (5th Cir. 1969); National Farmers Union Servo Corp. v. United States, 67-U.S.T.C. nr. 9234 (D. Colo. 1967);, aff'd, 400 f.2d 399 (6th Cir. 1964); vgl. aus dem Schrifttum Hickman, 40 Taxes 974, 992 (1962); Plumb, 26 Tax L. Rev. 369,466 ff mwN (1971). 336
1661 Corp. v. TomIinson, 247 f.Supp. 936, 937 (M.D. Fla. 1965).
337
Siehe dazu oben B.I.2.a).
338
RobertsonlDaughtrey/Burckel, 47 Tax notes 707, 714 f (1990).
19'
2. Kap.: Rechtslage in den USA
292
Begründung für dieses Merkmal ist einfach: Derjenige, der Gerechtigkeit sucht - seine Forderung im Konkurs geltend machen will - muß selber gerecht handeln; im amerikanischen Recht ist der Grundsatz unter dem Begriff der "clean hands" bekannt339• Soll gemäß dieses Kriteriums über eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen entschieden werden, sind Abgrenzungsprobleme unausweichlich: Wenn eine Forderung gegen das anzuwendende Recht der einzelnen Bundesstaaten verstößt, hat der Bankruptcy Court gern. Section 502340 vorrangig zu entscheiden, ob der Anspruch wirksam ist und überhaupt zur Konkurstabelle angemeldet werden kann. Die Frage einer Nachordnung im Rangverhältnis stellt sich erst, wenn die Wirksamkeit der Forderung durch das Gericht bejaht wird. Daher ist für das amerikanische Recht in diesem Punkt bestimmend, welche Arten von Gesetzesverstoß zu einer Unwirksamkeit des Anspruches führen und welche eine Nachordnung des Darlehens zur Folge haben können. Eine genaue Formel, die anhand bestimmter Kriterien eine Unterscheidung ermöglicht, besteht nicht. Als grobe Regel gilt: Die Gesetzwidrigkeit muß anknüpfend an die Herkunft, den Erwerb oder die Erfiillung der Forderung mehr als eine zuHi11ige Verbundenheit aufweisen, um eine Nachordnung zu rechtfertigen34l • Umgekehrt bedeutet die Abgrenzung, daß die Gesetzeswidrigkeit nicht die Unwirksamkeit der Forderung bewirken darf. Der Unterschied ist anschaulich und weniger abstrakt an einem Beispiel zu erklären. Leitentscheidung auf diesem Gebiet ist der Fall Columbia Gas & Electric Co. v. United States342 • Hier hatte der Darlehensgeber gegen verschiedene Vorschriften des Anti Trust Law verstoßen, als er versuchte, seinen Handel zu monopolisieren. Die Forderung gegenüber der Gesellschaft selbst war wirksam und wurde im Konkurs durch das Gericht anerkannt. Gegen eine Nachordnung versuchte sich der Forderungsinhaber mit dem Hinweis zu wehren, das Anti Trust Law schütze die Allgemeinheit und nicht die speziellen anderen Darlehensgeber der Gesellschaft. Daher dürfe das Gericht keine anderen Sanktionen als die des Anti Trust Law verhängen. Das Gericht stimmte 339 Precision Instrument Mfg. Co. v. Automotive Maintenance Mach. Co., 324 U.S. 806, 814 f (1945); Note, 11 Cumberland L. Rev. 619, 629 (1980). 340
11 U.S.C.
341 Herzog/Zweibel, 15 Vanderbilt L. Rev. 83, 100 (1961); Note, 11 Cumberland L. Rev. 619,629 (1980); Nyzio, 37 S. Carolina L. Rev. 627, 632 (1986).
342
151 f.2d 461 (6th Cir. 1945).
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
293
dem Vortrag insofern zu, als ein Nachteil zu Lasten der übrigen Gläubiger nachgewiesen werden müsse 343 • Dann ordnete es aber die Forderung im Rang nach, weil durch das gesetzwidrige Verhalten unwiderruflich die Interessen sämtlicher Gläubiger beeinträchtigt wurden344 • Der Fall wird zwar als charakteristisches Beispiel genannt, doch betrachtet man ihn genau, kommt man zu einem anderen Ergebnis. Das Gericht hat die Nachordnung letztlich nicht mit dem gesetzwidrigen Verhalten, sondern mit allgemeinen Überlegungen zum inequitable conduct begründef 4s • Insgesamt bedienen sich nur vergleichsweise wenige Gerichte dieses Standards, und wenn, dann beziehen sich die Gründe im Urteil immer auch auf andere Merkmale zur Beschreibung des inequitable conducf 46 • Diese zögerliche Anwendung des Merkmals illegality ist verständlich angesichts der Schwierigkeit zwischen einer allgemeinen Unwirksamkeit und der Unwirksamkeit, die zu einer Nachordnung führt, zu unterscheiden. Letztlich können aus diesem Grund kaum allgemeine Aussagen zu dem Merkmal gemacht werden. Denn wieviele Gerichte die beschriebene Abgrenzung von disallowance nach sec. 502 und subordination nach sec. 510 gar nicht erst treffen, sondern der Forderung die Wirksamkeit für das Insolvenzverfahren insgesamt absprechen (und dann stellt sich die Frage einer Nachordnung nicht) kann nicht ermittelt werden.
343
151 f.2d 461, 467 (6th Cir. 1945).
344
151 f.2d 461,467 (6th Cir. 1945).
345 In die gleiche Richtung geht die Kritik von HerzoglZweibel, 15 Vanderbilt L. Rev. 83, 101 (1962). 346 In re Sepco, 750 f.2d 51, 52 f (8th Cir. 1984). Die Rangrücktrittsvereinbarung wies einen rechtlichen Fehler auf und außerdem wurde der Bank noch eine arglistige Täuschung vorgeworfen. Die Forderung wurde nachgeordnet. In re 604 Columbus Ave. Realty Trust, 119 B.R. 350,377 (Bankr.D.Mass. 1990) affd 968 f.2d 1332, 1365 (1st Cir. 1992). Neben einer unzulässigen Umwandlung von Geschäfts- in Privatvermögen wurde noch Vertragsbruch und arglistige Täuschung in der Begründung für die Nachordnung genannt. In re Freytag, 155 B.R. 150, 155 f (Bankr.D.Texas 1993) lehnt die Nachordnung aufgrund eines Gesetzesverstoßes ab, da die behauptete Gesetzwidrigkeit nicht besteht.
294
2. Kap.: Rechtslage in den USA
b) "Fraud"
Der wohl offensichtlichste und weitverbreitete Typ eines inequitable conduct ist die vorsätzliche arglistige Täuschung durch den Gesellschafter gegenüber den Kreditgebern. Innerhalb des Konzeptes der equitable subordination ist der Begriff nach der ursprünglichen Vorstellung des Common Law zu verstehen. Voraussetzung ist eine Täuschung zum Zweck oder zur Aufrechterhaltung eines Irrtums, so daß der Geschädigte aufgrund des Irrtums eine Handlung unternimmt, die zu einem Schaden fiihrf41. Dieser Umstand in Verbindung mit den kaleidoskopartigen vielfältigen Variationen eines betrügerischen Verhaltens machen es nahezu unmöglich, genaue Fallgruppen mit klaren Grenzen zu bilden348 • Der als besonders bekannte Fall, insofern als er dem Common Law Konzept des fraud am nächsten kommt, ist eine Falschdarstellung der finanziellen Lage der Gesellschaft gegenüber den Darlehensgebern. Wird die finanzielle Situation wissentlich unrichtig wiedergegeben und deshalb ein Dritter zu einer Darlehensvergabe veranlaßt, so wird das Darlehen des Täuschenden nachgeordnef 49 • So liegt der Fall, wenn dem Warenkreditgeber vorgespiegelt wird, daß
341 Collier on Bankruptcy, 15.ed. 1993, § 51O.04(b), S. 510-17; Herzog/Zweibel, 15 Vanderbilt L. Rev. 83, 100 (1961); Note, 11 Cumberland L. Rev. 619, 629 (1980); Nyzio, 37 S. Carolina L. Rev. 627, 632 (1986); Die einzelnen Voraussetzungen f1ir fraud lauten nach § 525 Restatement 2d: One who fraudently makes a misrepresentation of fact, opinionor law for the purpose of inducing another to act or to refrain from action in reliance upon it, is subject to liability to the other in deceit for pecuniary loss caused to hirn by his justifiable reliance upon the misrepresantation". Pacific Royalty Co. v. Williams, 227 f.2d 49 (10th Cir. 1955), cert.den. 351 U.S. 951; Long Island Lighting Company, v. Bokum Resources Corp. 40 B.R. 274, 299 (Bankr.D.N.Mexico 1983); In re M. Paolella & Sons, Inc. 161 B.R. 107, 120 (D.C.E.D.Penn. 1993). 348
Herzog/Zweibel, 15 Vanderbilt L. Rev. 83, 100 (1961).
349 In re Just for the Fun of it of Tennessee, 7 B.R. 166, 180 (Bankr.E.D. Tenn. 1980). Hier wurde die Fertigstellung eines Teiles eines Freizeitparkes vorgespiegelt, worauf weitere Kredite gewährt wurden; In re Osbome, 42 B.R. 988, 999 (Bankr.W.D.Wis. 1984); In re Loop Hosp. Partnership, 50 B.R. 565, 569 (Bankr.N.D.I1I. 1985); In re Fabricators, Inc., 109 B.R. 186, 195 (Bankr.S.D.Missis. 1987) hier wurde in täuschender Weise ein Bankkonto eröffnet; In re Slefco, 107 B.R. 628, 643 (Bankr.E.D.Arkan. 1989) die Bank hat in diesem Fall mit der Angabe, sie werde weitere Kredite vergeben, andere Kreditgeber auch zu weiteren Darlehen verleitet; In re the O'Day Corporation, 126 B.R. 370, 412 (Bankr.D.Mass. 1991); In re 604 Columbus Ave. Realty trust, 968 f.2d 1332, 1363 (1st Cir. 1992); In re M. Paolella & Sons, Inc. 161 B.R. 107, 120
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
295
die Forderungen aus seinen Lieferungen bald beglichen werden, obwohl es weder möglich noch gewollt war 50 • Darlehen werden ebenfalls nachgeordnet, wenn zukünftigen Kreditgebern vorgespiegelt wird, das Eigentum der Gesellschaft sei unbelastet, obwohl dem nicht so isf 51 • Für alle Fälle gilt, daß die Täuschenden über die Umstände auch zutreffend informiert sind, also wissentlich handeln. Sobald aber die Gesellschafter nachweisen können, daß sie lediglich einer zu optimistischen Zukunftsprognose über die finanziellen Möglichkeiten ihrer Gesellschaft unterlegen sind, werden die betreffenden Darlehen nicht nachgeordnef 52 •
c) "Breach 01 Fiduciary Duties"
Eine weitere Grundlage für die Nachordnung von Darlehen im Konkurs bildet das Merkmal des breach of fiduciary duties, also der Verletzung von Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft und deren Gläubigem. Die Adressaten -Gesellschafter, officers und directors der Gesellschaft - können ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber anderen Kreditgebern verletzen353 •
(D.C.E.D.Penns. 1993) stellt fest, daß von einem gesicherten Kreditgeber nicht verlangt werden kann, daß er andere Darlehensgeber aufklärt. 350
In re Osborne, 42 B.R. 988, 999 (Bankr.W.D.Wis. 1984).
351 In re Loop Hosp. Partnership, 50 B.R. 565, 569 (Bankr.N.D.Ill. 1985) mit der Besonderheit, daß die beratende Rechtsanwaltsfirma Inhaberin der Forderung war, die gesichert war. In den Beratungen mit dem neuen Kreditgeber waren Vertreter der Rechtsanwälte anwesend und hatten nicht darauf aufmerksam gemacht, daß Vermögensgegenstände, mit denen die neue Forderung gesichert werden sollte, schon zu ihrer eigenen Sicherheit übertragen worden waren. 352 In re the O'Day Corporation, 126 B.R. 370,412 (Bankr.D.Mass. 1991) hier ging es um einen sog. Leveraged Buy Out. Das Gericht hielt der Bank und den anderen Beteiligten zugute, daß ihr "überwältigender" Optimismus zu einer falschen Beurteilung der finanziellen Lage der Gesellschaft und den Entwicklungen dieser Branche geführt hat. Eine wissentliche Fehlleitung konnte nicht entdeckt werden. 353 Lofland v. Cahill, 118 A. 1 (DeI. Ch. 1922); Pepper v. Litton, 308 U.S. 295,308 (1939); Guth v. Luft, Inc., 5 A.2d 503,510 (DeI. 1939); Unichem Corp. v. Gurtler, 498 N.E.2d 724, 727 (IlI.App. 1986); Sternberg v. O'Neil, 550 A.2d 1105, 1124 (DeI. 1988).
296
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Die Rechtsfolgen einer Treuepflichtverletzung orientieren sich daran, wem gegenüber sie bestehen; es lassen sich also zwei Unterteilungen bilden. In der ersten Unterteilung werden die Interessen der Gesellschaft selbst verletzt, entweder durch einen herrschenden Gesellschafter oder innerhalb einer Unternehmensverbindung. Dadurch werden die Minderheitsaktionäre indirekt wirtschaftlich benachteiligt. Entsprechend der Schädigung hat die Gesellschaft selbst einen Anspruch gegenüber dem Schädiger. Es kommt damit nur zu einem indirekten Schutz der Gläubiger, der innerhalb der Nachordnung von Gesellschafterdarlehen,der Umqualiflzierung von Fremd- in Eigenkapital, außer Betracht bleibt. In der zweiten Unterteilung werden die Interessen der Gläubiger - nicht aber der Gesellschaft - wirtschaftlich benachteiligt. Der Ausgleich für die Benachteiligung erfolgt an die geschädigten Gläubiger, ist also eine Form des direkten Gläubigerschutzes. Für die Nachordnung von Gesellschafterdarlehen ist nur die zweite Unterteilung relevant. Eine typische Fallgruppe der Treuepflichtproblematik innerhalb des amerikanischen Rechts bilden die Vergütungsansprüche der officers gegenüber der Gesellschaff s4 • Der wohl berühmteste Fall dieser Kategorie ist Pepper v. Litton3SS • Litton, der einzige Gesellschafter und gleichzeitig officer der corporation, ließ seine Lohnansprüche gegenüber einer seiner vielen Gesellschaften ruhen und machte sie erst kurz vor dem Konkurs geltend, um so einen Rang vor den anderen Kreditgebern einnehmen zu können3s6 • Darin sah das Gericht einen Treuepflichtverstoß gegenüber den anderen Kreditgebern und ordnete folgerichtig die Gehaltsforderungen nach3s7 • In Fällen wie diesen ist eine Nachordnung nur gerechtfertigt, wenn der Gesellschafter seine Kontrollmöglichkeiten in einer Weise nutzt, in der er seinen eigenen Nutzen verfolgt oder zum Nachteil eines anderen Gläubigers handelf 58 • So wurde etwa das Darlehen einer Muttergesellschaft nachgeordnet, die ein besonderes Bankkonto eröffnete, um dort außerhalb der Reichweite bestimmter Gläubiger Teile des Vermögens aufzubewahren3S9 •
354
HerzoglZweibe1, 15 Vanderbi1t L. Rev. 83, 102 (1961).
355
Pepper v. Litton, 308 U.S. 295 (1939).
356
Pepper v. Litton, 308 V.S. 295 (1939).
357
Pepper v. Litton, 308 V.S. 295, 310 (1939).
358
Matter of Fabrieators, Ine. 926 f.2d 1458, 1467 (5th Cir. 1991).
359
Matter of Fabrieators, Ine. 926 f.2d 1458, 1467 (5th Cir. 1991).
8. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
297
Genaue Darstellung darüber, welche Pflichten verletzt wurden sind in den Entscheidungen häufig nicht enthalten, es wird vielmehr beschrieben, was tatsächlich vorgefallen ist. Auch wird oft nicht klar unterschieden, ob die Kategorie des fraud, illegality oder breach of fiduciary duty den Ausschlag gibt; alle werden einfach nebeneinander geprüff 60 • Insgesamt zeigt sich wieder, wie die Umstände des einzelnen Falles die Entscheidung der Gerichte prägen. Daß die equitable subordination doctrin so verschiedene Fallkonstellationen erfaßt, unterstützt die These von der Doktrin als allgemeines Instrument zum Nachteilsausgleich im Konkurs.
d) "Alter Ego Lehre, Instrumentality Rule" In Anlehnung an die Rechtsprechung zum Haftungsdurchgriff verwenden auch die Konkursgerichte die alter ego Theorie oder die instrumentality rule, um eine Haftung der Gesellschafter fiir Verbindlichkeiten der Gesellschaft außerhalb eines Vertrages zu begründen361 • Stark verkürzt gesagt werden die Forderungen nachgeordnet, wenn die Gesellschafter die Gesellschaft so stark beherrschen, daß diese nur als bloßes Instrument oder alter ego des Kreditgebers erscheint. Der bekannteste Fall ist eine der Leitentscheidungen zur Entwicklung der equitable subordination Doktrin, Taylor v. Standard Gas and Electric C0362 • In diesem Fall hatte die Muttergesellschaft Standard Gas die Tochter Deep Rock in allen Belangen kontrolliert, fiir eine Unterkapitalisierung gesorgt und den Vorzugsaktionären zustehende Stimmrechte vorenthalten363 • Aus diesen Gründen wurden die Darlehennachgeordnet. Wie später in Comstock v. Group of Institutional Investors364 reicht eine Kontrolle als solche jedoch nicht aus, um eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen zu rechtfertigen; erforderlich
360 Matter of Fabricators, Inc. 926 f.2d 1458, 1467 (5th Cir. 1991), wo verschiedene Handlungen ohne genauen Bezug zu den Voraussetzungen geprüft werden. 361 Aus dem Schrifttum dazu: Riemer, 73 Commercial L. J. 273 ff (1968); Note, II Cumberland L. Rev. 619, 632 ff (1980); Nyzio, 37 S. Carolina L. Rev. 627, 633 ff (1986). 362
306 U.S. 307 (1939).
363
Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 U.S. 307, 323 (1939).
364
335 U.S. 211 (1948).
298
2. Kap.: Rechtslage in den USA
ist auch immer ein Mißbrauch der Kontrolle zum eigenen Vorteil 365 • Seit 1977 haben sich nur vergleichsweise wenige Gerichte überhaupt mit diesem Merkmal beschäftigf66 , in noch weniger Fällen wurden beide Voraussetzungen bejahf67 • Der Grund für die verhältnismäßige Unwichtigkeit dieses Beurteilungsmaßstabes mag in dem Umstand begründet sein, daß neben der Kontrolle immer auch ein mismanagement vorliegen muß. Ein mismanagement bejahen die Gerichte auch bei anderen Formen des inequitable conduct und ordnen daraufhin die Darlehen nach. Wenn aber schon eine andere Form des inequitable conduct fiir eine Nachordnung ausreicht, dann ist es verständlich, wenn nur in den Fällen einer offensichtlichen Kontrolle durch die Muttergesellschaft die Gerichte diesen Aspekt aufgreifen und in der Entscheidung berücksichtigen.
365 Comstock v. Group of Institutional Investors, 335 U.S. 211,229 (1948): "It is not the mere existence of an opportunity to do wrong which brings the (Deep Rock) rule into play, it is the unconsciable use of the oppurtunity afforded by the domination to advantage itself at the injury of the subsidiary that deprives the wrongdoer of the fruits of his wrong." 366 Matter of All Products Company, 32 B.R. 811,815 (Bankr.E.D.Michigan 1983); Koch Refining v. Farmers Union Central Exchange, Inc., 831 f.2d 1339, 1350 (7th Cir. 1987); In re Dakota Country Store Foods, Inc. v. Red Owl Stores, Inc., 107 B.R 977, 993 (Bankr.D.South Dakota 1989); Matter of Century G1ove, Inc., 151 B.R. 327, 333 (Bankr.D.Delaware 1993); Die Alter Ego und Instrumentality Rule wird in weiteren Fällen angesprochen, wenn dort auch das Hauptgewicht der Überlegungen bei den Ausführungen zur sog. Lender liability liegt: Matter of Clark Pipe & Supply Co., Inc., 870 f.2d 1022, 1027 (5th Cir. 1989); reversed 893 f.2d 693, 699 (5th Cir. 1990). 367 In re Vermont Toy Works, Inc., 82 B.R. 258, 330 (Bankr.D.Vermont 1987) bejaht alter ego Doktrin und bezieht sich ausdrücklich wegen der Ähnlichkeiten auf Standard Gas. Daneben werden in dem Fall aber noch Merkmale wie die Unterkapitalisierung, Breach of Fiduciary Duties und allgemein unfaires Verhalten bejaht. In re Dakota Country Store Foods, Inc. v. Red Owl Stores, Inc., 107 B.R 977,993 (Bankr.D.South Dakota 1989); In re Otis & Edwards, 115 B.R. 900, 921 (Bankr.E.D.Mich. 1990) hier wird die Insrumentality Rule in einem Satz bejaht, die Ausführungen beschäftigen sich hauptsächlich mit einem Verstoß gegen den Fraudulence Conveyance Act, also mit dem Merkmal der Gesetzwidrigkeit; Matter of Century Glove, Inc., 151 B.R. 327, 333 (Bankr.D.Delaware 1993).
B. Tatbestand der Urnqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
299
6. Beziehung des schldigenden Gesellschafterverhaltens zur nominellen Unterkapitalisierung
Die Ausfiihrungen im Abschnitt zuvor haben sich mit den Teilen des Mobile Steel Tests zur Bestimmung des inequitable conduct beschäftigt, die keinen Bezug zu der nominellen Unterkapitalisierung der Gesellschaft haben. Dabei hat sich herausgestellt, daß diese Merkmale - oft unter dem Oberbegriff des mismanagement zusammengefaßt- die konkreten und teilweise rechtswidrigen Benachteiligungen der Dritt- Gläubiger erfassen. Im Gegensatz dazu steht die nominelle Unterkapitalisierung, die sich auf eine im Grundsatz erlaubte und sinnvolle Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen bezieht, aber teilweise wegen eines Verstoßes gegen die angemessene Risikoverteilung zwischen Gesellschafterund Gläubiger zu einer Umqualiftzierung der Darlehen von Fremd- in Eigenkapital
fUhrt.
Damit vereinigt die equitable subordination doctrin zwei unterschiedliche Konzepte des Ausgleiches fiir Gläubigerbenachteiligung. Aus dem Befund resultieren zwangsläuftg eine Feststellung und eine Frage: Festzustellen ist, daß die equitable subordination doctrin keine Rechtsftgur ausschließlich zur Lösung von Fällen der nominellen Unterkapitalisierung ist. Sie nimmt statt dessen die Funktion eines allgemeinen Instruments im Insolvenzrecht zum Ausgleich von Gläubigerbenachteiligungen ein. Als hier besonders interessant und wichtig stellt sich die Frage, in welcher Beziehung die Testvoraussetzungen der nominellen Unterkapitalisierung zu den Voraussetzungen des mismanagements stehen. Unproblematisch und eindeutig führen die Fälle zu einer Nachordnung von Gesellschafterdarlehen, in denen sowohl ein mismanagement als auch eine nominelle Unterkapitalisierung bejaht werden. Als gesichert gilt auch, daß ein mismanagement, ohne daß eine nominelle Unterkapitalisierung vorliegt, zu einer Nachordnung fUhrt. Dieser Befund spiegelt sich auch in der rechtstatsächlichen Untersuchung wider 68 • Das mismanagement als Oberbegriff zu fraud, illegality, breach of ftduciary duties, alter ego theorie und instrumentality rule wird von den Gerichten in weitaus mehr Entscheidungsbegründungen zitiert als die nominelle Unterkapitalisierung. Auch dieses Ergebnis ist als Beweis fiir die These von der equitable subordination doctrin als allgemeines Instrument zum Ausgleich von Gläubigerbenachteiligungen zu werten.
368
Siehe dazu ausführlich unten D.lV.
300
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Bisher ist jedoch nicht eindeutig geklärt, ob eine nominelle Unterkapitalisierung als solche ausreicht, um eine UmqualiflZierung von Fremd- in Eigenkapital zu rechtfertigen, oder ob zusätzlich ein als mismanagement zu qualifizierendes Verhalten vorliegen muß. Eine solche Frage ist schon deshalb erstaunlich, weil die Unterkapitalisierung ausdrücklich als selbständiger Teil des Mobile Steel Testes zur Bestimmung des inequitable conduct genannt wird, mithin explizit Voraussetzung für eine Nachordnung bildet. Ersichtlich ist neben einer reinen Abgrenzung zwischen nomineller Unterkapitalisierung und mismanagement diese Frage für den Gläubigerschutz von besonderer Bedeutung. Wenn neben einer nominellen Unterkapitalisierung noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, dann ist zu erwarten, daß die Gerichte in weniger Fällen die Darlehen umqualiflZieren. Daß dadurch die Risikoverteilung zwischen Gesellschafter und Gläubiger zu Lasten der Gläubiger verlagert wird, bestätigt sich in der empirischen Untersuchung 369 • Demnach sind Gerichte, die eine nominelle Unterkapitalisierung als alleiiliges Kriterium ausreichen lassen, in der Tendenz eher bereit, die Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital umzuqualifizieren. Der Befund wird allerdings relativiert. In der großen Mehrzahl der bisher zu entscheidenden Fälle lag neben einer nominellen Unterkapitalisierung auch eine Form des mismanagement vor. Das ist insofern nicht erstaunlich, als die Fälle sich ausschließlich mit insolventen Gesellschaften beschäftigen. Da bisher meistens beide Merkmale bejaht werden konnten, gibt es bisher wenige Gerichtsurteile, die gezwungen waren, zu entscheiden, ob die nominelle Unterkapitalisierung als solche eine Nachordnung rechtfertigen kann370 • Doch die Abwesenheit des Beurteilungsmaßstabes mismanagement hat einige Gerichte gezwungen, sich mit dieser Frage zu beschäftigen.
369
Siehe dazu unten D.lV.
370 In re Branding Iron Steak House, 536 f.2d 299, 302 (9th Cir. 1976); In re Brunner Air Compresser Corp., 287 f.Supp. 256, 261 (N.D.N.Y. 1968); In re Rego Crescent Corp., 23 B. R. 958, 965 ( Bankr. E.D.N.Y. 1982); Matter of Pancho's Intern., Inc., 26 B.R. 5,8 (Bankr. M.D. Florida 1982); In re Beverages Intern. LTD, 50 B.R. 273, 282 (Bank D. Mass 1985); In re N&D Properties, Inc. 799 f.2d 726 (11th Cir. 1986); In re Missionary Baptist Found. of Am., 818 f.2d 1135, 1143 (5th Cir. 1987); In re Herbys Foods, Inc., 134 B.R. 207, 212 ( Bankr N.D. Texas 1991); In re Fabricators, Inc. 926 f.2d 1458, 1469 (5th Cir. 1991); In re Octagon Roofing, 141 B.R. 968, 983 (Bankr. N.D. IlIinois 1992); Matter ofHerby's Food, Inc., 2 f.3d 128 (5th Cir.1993).
B. Tatbestand der Urnqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
301
In dem Fall In re Branding Iron Steak House 371 ist das Gesellschafterdarlehen trotz einer nominellen Unterkapitalisierung nicht nachgeordnet worden. Zwei Gesellschaftern gehörte ein Restaurant, das nur von dem einen auch als Geschäftsführer geleitet wurde. Der andere Gesellschafter finanzierte das Restaurant nahezu alleine und fast ausschließlich mit Darlehen. Das Appeal Gericht des 9th Circuit bestätigte die Unterinstanz bezüglich der festgestellten Unterkapitalisierung, lehnte eine Nachordnung aber ab. In der Begründung führte das Gericht aus, es fehle an dem erforderlichen inequitable conduct des Gesellschafters, der ja in keiner Weise an der Geschäftsführung teilgenommen und so keine Gläubiger benachteiligt hätte.
Genau entgegengesetzt urteilte das Gericht in In re Fett Roofmg & Sheet Metal Co372 • Dort war die Unterkapitalisierung der Gesellschaft Grund genug, die Darlehen des Gesellschafters nachzuordnen, auch ohne daß eine Form des mismanagement vorgelegen hätte. Die Einmann -Gesellschaft wies eine DebtEquity Ratio von I zu 80 aufund wurde als unterkapitalisierteingestuft. Allein wegen der Unterkapitalisierung ordnete das Gericht die Gesellschafterdarlehen nach, denn eine unzureichende Kapitalausstattung sei in sich selbst ein inequitable conduct und damit hinreichende Grundlage fiir eine Nachordnung. Dieser kurze Überblick zeigt schon, daß die Gerichte fiir ihre Entscheidungen weder nachvollziehbare Gründe angeben, noch daß sich aus den Fallgestaltungen Hinweise entnehmen lassen, warum die nominelle Unterkapitalisierung in diesem Fall ausreicht und in jenem nicht. Sucht man dennoch nach Begründungen, kommen zwei Erklärungen in Betracht: eine wirtschaftliche und eine methodische. In wirtschaftlicher Hinsicht erwarten die Gerichte eine negative Auswirkung auf die Unternehmensfmanzierung, wenn eine Nachordnung "lediglich" auf eine nominelle Unterkapitalisierung gestützt wird373 • Die Befiirchtung der Gerichte, Investitionshindemisse zu errichten, ist in der stark an "Laisser faire" Gesichtspunkten ausgerichteten amerikanischen Wirtschaft sicherlich ein Grund fiir
371
In re Branding Iron Steak House, 536 f.2d 299, 302 (9th Cir. 1976).
372 In re Feet Roofing & Sheet Metal Co., 438 fSupp. 726 (E.D. Va. 1977), afrd, 605 f2d 1201 (4th Cir. 1979).
373 In re N&D Properties, Inc., 54 B.R. 590,601 (N.D.Ga. 1985); Matter of Lemco Gypsum, Inc. 911 f2d 1553, 1557 (11th Cir. 1990); In re Octagon Roofing 141 B.R. 968, 983 (Bankr. N.D. IIIinois 1992).
302
2. Kap.: Rechtslage in den USA
eine Einschränkung der Nachordnung. Wenn die Gesellschafterdarlehenschon bei einer unzureichenden Kapitalausstattung nachgeordnet werden, so wird argumentiert, halten sich die Gesellschafter mit einer Kreditvergabe vor allem in Krisenzeiten sehr viel mehr zurück. Aus methodischer Perspektive ergibt sich eine anderes Problem. Das amerikanische Recht als case law ist in der Rechtsfmdung auf die Vergleiche mit vorhergehenden Entscheidungen angewiesen374 • In den Leitentscheidungen und folgenden Urteilen37s zur equitable subordination, die die Voraussetzung der Unterkapitalisierung betrafen, waren gleichzeitig Merkmale wie betrügerische Transaktionen, mismanagement und ähnliches erfüllt. Die Gerichte waren nicht gezwungen, die Frage zu erörtern, ob die Unterkapitalisierung alleine eine ausreichende rechtliche Grundlage für eine Nachordnung bietet. Sie hatten nicht einmal Anlaß, diese Frage überhaupt als Problem zu qualiftzieren. Da auf die Leitentscheidung folgende Urteile über einen Vergleich (mit vorherigen Entscheidungen) zur Rechtsftndung gelangen, wurde die Kopplung von Unterkapitalisierung und anderen Merkmalen als eine eigenständige Voraussetzung verstanden. Eine andere Sicht schien von den Präzedenzfällen nicht gedeckt zu sein376 • Diese bisher nicht abschließend geklärte Frage wird wohl auch in der nahen Zukunft nicht beantwortet werden, denn bislang sind keine Ansichten zu erkennen, die sich langfristig durchsetzen könnten. Das gilt allein schon deshalb, weil der Fall einer ausschließlichen nominellen Unterkapitalisierung in der Rechtswirklichkeit nur selten auftritt.
374 Zur Methodik der Rechtsfindung und welchen Stellenwert Analogien und Vergleiche im amerikanischen Recht besitzen ausführlich: Esser, Grundsatz und Norm, S. 183 ff; 218 ff.
m Taylor v. Standard Gas & Elec. Co., 306 V.S. 307 ,315 ff (1939); Pepper v. Litton, 308 V.S. 295,301 (1939); Costello v. Fazio, 256 f.2d 903, 909 (9th Cir. 1958); In re Sterling House, Inc., 356 f.Supp. 113, 116 (W.O.Va. 1973); In re Beverages International LTO., 50 B.R. 273, 281 ff (Bankr.O. Mass. 1985); In re Fabricators, Inc., 109 B.R. 186, 193 ff ( Bankr. S.O. Miss. 1987); Matter of Herby's Foods, Inc.,2 f.3d 128 (5th Cir. 1993). 376 Vgl. nur: Matter of Pancho's Intern., Inc., 26 B.R. 5, 8 (Bankr. M.O. Florida 1982).
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
303
ill. Zweiter Teil des Mobile Steel Testes: Nachteil für die Kreditgeber oder Bereicherung der Gesellschafter
Nachdem die ersten Voraussetzungen des Mobile Steel Testes377 durch die Gerichte bejaht werden, setzt ein zweiter Prüfungsschritt ein, in dem gefordert wird: "The misconduct must have resulted in injury to the creditors of the bankrupt or confere an unfair advantage on the claimant." Hierbei ist noch nicht abschließend geklärt, ob eine Bereicherung der Gesellschafter eine Nachordnung rechtfertigen kann, wenn kein Nachteil zu Lasten der Kreditgeber vorliegt oder ob beide Merkmale - die Bereicherung und der ungerechtfertigte Nachteil - bejaht werden müssen. Nach einigen, vor allem älteren Urteilen378 ist die Bereicherung der Gesellschafter und ein Nachteil fiir die Kreditgeber unverzichtbar, um die Nachordnung eines Darlehens im Konkurs rechtfertigen zu können. Mit dieser Ansicht beziehen sich die Gerichte auf eine der wichtigen Entscheidungen in der Entwicklung der equitable subordination Doktrin, Comstock v. Group of Institutional Investors 379 • Darin hat der Supreme Court eindeutig und zweifelsfrei entschieden, daß ein Darlehen nur nachgeordnet werden kann, wenn der Gesellschafter "has breaches its fiduciary duty and acted both to its benefit and to the detriment of the debtor". Eine Begründung fiir die Kopplung der beiden Voraussetzungen hat das Gericht nicht gegeben. Die Ansicht, daß dem wirtschaftlichen Vorteil des Gesellschafters der wirtschaftliche Nachteil der Gläubiger entsprechen muß, wird auch durch einige Fälle im Gesellschaftsrecht unterstützt, die einen Standardtest fiir das Verhältnis von Mutter- und Tochtergesellschaft verwenden380 • Trotz des erheblichen Einflusses dieser gewichtigen Meinungen hat sich im Zuge der bekannten Mobile Steel Entscheidung eine andere Ansicht durch-
377 In re Mobile Steel Co., 563 f.2d 692, 700 (5th Cir. 1977), "The claimant's eonduet must have redulted in harm to the other ereditor's or in an unfair advantage to the claimant". 378 In re Westgate- California Corp., 642 f.2d 1174, 1178 (9th Cir. 1981); In re Sleepy Valley, Ine., 93 B.R. 925 (Bankr.W.D.1988); Midlantie National Bank N.A. v. Borg-Warner Aeeeptanee Corp., 112 B.R. 607,651 (Bankr.D.Vt. 1990). 379
Comstoek v. Group of Institutional Investors, 335 U.S. 211, 228 (1948).
380
Blumberg, The Law of Corporate Groups, S. 138 Fn. 6.
304
2. Kap.: Rechtslage in den USA
gesetzt3 81 • Demnach ist eine Nachordnung gerechtfertigt, wenn entweder der Gesellschafter durch seine Kreditgeberbeziehung Vorteile erlangt oder wenn die Gläubiger wirtschaftliche Nachteile erleiden. Warum durch die alternative statt der kumulativen Ptiifung von der älteren Rechtsprechung abgewichen wurde, hat das Gericht nicht begtiindet. Doch ist einsichtig, daß nur eine alternative Ptiifung einen umfassenden Gläubigerschutz gewährt. Als eine erste Annäherung an diese Ansicht ist der Begriff des Nachteils zu definieren. Er ist sinnvollerweise dahingehend zu verstehen, daß das zu sanktionierende Verhalten sich tatsächlich im Konkursergebnis ausgewirkt hat. Obwohl es keine vollkommen exakte Definition gibt, lassen es die Gerichte ausreichen, wenn der Gläubiger durch den "Nachteil" ganz allgemein ein gesetzliches oder aufgrund von Billigkeitserwägungen ihm zustehendes Recht im Konkurs ganz oder teilweise verlierf 82 • Diese Defmition erfaßt alle Auswirkungen eines inequitable conduct, soweit sie den Konkurs betreffen. Um die im Konkurs erlittene wirtschaftliche Benachteiligung nachzuweisen, ist es ftir die Gläubiger nicht erforderlich, daß jeder einzelne einen genauen, in der Höhe festgelegten Schadensposten nennf 83 • Werden alle Gläubiger durch den inequitable conduct betroffen, ist lediglich ein allgemeiner Nachweis ftir den Nachteil zu erbringen. Die Gerichte halten es ftir ausreichend, wenn eine Reduzierung der vernünftigerweise zu erwartenden Quote aus der Konkursmasse belegt isf 84 •
381 In re Multiponics, Inc., 622 f.2d 709,713 (5th Cir.1980); In re MissionaryBaptist Foundation of Am., Inc., 712 f.2d 206,212 (5th Cir. 1983); In re Teltronics Services, Inc., 29 B.R. 139, 168 (Bankr.E.D.N.Y. 1983); In re McFarlin's, Inc., 49 B.R. 507, 523 (Bankr.M.D.Miss. 1986); Custom Fuel Services, Inc. v. Lomnas Indus., Inc., 805 f.2d 561 (5th Cir. 1986); In re Pacific Express, Inc., 69 B.R. 112, 116 (9th Cir. 1986), Anerkennung des Mobile Steel Testes als verbindlich für die Gerichte des 9th Circuit; In re N & D Properties Inc., 799 f.2d 726, 731 (11th Cir. 1986); In re Fabricators, Inc. 109 B.R. 186, 193 (Bankr.S.D. 1987); In re Dan-Ver Enterprises, Inc., 86 B.R. 443, 448 (Bankr.W.D.Pa. 1988); In re 604 Columbus Realty Trust, 119 B.R. 350,376 (Bankr. D.Mass. 1990); In re Daugherty Coa1 Co., 144 B.R. 320 (Bankr. N.D:W:Va. 1992).
382 In re Kansas City Journal-Post Co., 144 f.2d 791, 800 (8th Cir. 1944); Zum Ganzen auch ausführlich: DeNatalel Abram, 40 Bus. Law. 417,426 (1985). 383 In re Trantex Corp., 10 B.R 235,241 (Bankr.D.Mass. 1981); DeNatalel Abram, 40 Bus. Law. 417,426 (1985).
384
In re Trantex Corp., 10 B.R 235, 238 (Bankr.D.Mass. 1981).
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
305
In den Fällen, in denen nur bestimmte Gläubiger von dem inequitable conduct betroffen wurden und andere nicht385 , werden die Gerichte die Darlehen nur zugunsten der tatsächlich Geschädigten nachordnen. Das Vorgehen entspricht den Regelungen in sec. 510 (C)386, der eine Nachordnung auf einer claim to claim basis erlaubf 87 • Als Beispiel für einen solchen Fall gilt die Entscheidung In re Just for the fun of it Tennessee 388 • Der Fall betraf die Errichtung eines Freizeitparkes, dessen Fertigstellung fälschlicherweise vom späteren Beklagten bekannt gegeben wurde. Nachdem einige Gläubiger den Fehler feststellten, nahmen sie an, daß die Geltendmachung ihrer dinglichen Sicherungsrechte nach der Fertigstellung nicht mehr möglich wäre und unterließen weitere rechtliche Schritte. Das Gericht entschied, die Forderungen nur zugunsten der auf dieser Weise geschädigten Gläubiger nachzuordnen; die anderen Gläubiger, die ihre Rechte aus anderen Gründen nicht geltend gemacht hatten, erlitten, so das Gericht, keinen Nachteil. Sie hätten sich selbst schützen können. Daß das zweite Merkmal des Mobile Steel Tests eine relevante Auswirkung hat, zeigen auch die Fälle, in denen die Gerichte eine Nachordnung gänzlich ablehnen389 • Der Grund für diese Entscheidungen liegt darin, daß niemand einen Nachteil erlitten hat. In dem Fall In re Diazio Service Company, Inc. 390 hatte der ehemalige Gesellschafter ein neues Unternehmen aufgebaut und das alte benachteiligt, indem er und seine Tochter das Telefon abmelden ließen, Preislisten für das neue Unternehmen übernahmen und Ausstattung wie Briefbögen und ähnliches nach dem Vorbild des alten Unternehmens gestalteten. Trotz des vom Gericht anerkannten inequitable conduct wurde das Darlehen
385
Zur Unterscheidung nach einzelnen Gläubigergruppen siehe unten B.V.
386
11. U.S.C.
387
DeNatalel Abram, 40 Bus. Law. 417, 426 (1985).
388 In re Just for the Fun of it Tennessee, Inc., 7 B.R. 166, 180 (Bankr.E.D.Tenn 1980). 389 In re AU Products Co., 32 B.R. 811 (Bankr.E.D.Mich. 1983); In re Martin Specialty Vehic1es, Inc. 87 B.R. 752, 767 (Bankr.D.Mass. 1988); In re Sleepy VaUey, Inc. 93 B.R. 925, 933 (Bankr.W.D.Texas 1988) neben anderem wurde auch aus dem Grund, daß kein Nachteil vorlag die Nachordnung abgelehnt; In re Omni Graphics, Inc. 119 B.R. 641, 644 (Bankr.E.D.wis. 1990); In re Diazo Service Company, Inc., 144 B.R. 771, 777 (Bankr.M.D.Tenn. 1992). 390
In re Diazo Service Company, Inc., 144 B.R. 771, 777 (Bankr.M.D.Tenn. 1992).
20 Gchde
306
2. Kap.: Rechtslage in den USA
nicht nachgeordnet. Grund dafiir war, daß ein fmanzieller Schaden des alten Unternehmens nicht festgestellt werden konnte und die Geschäftspartner auch weiterhin mit dem alten und nicht dem neuen Unternehmen ihre Geschäfte abschlossen. Für das Gericht war nicht ersichtlich, daß den Gläubigem ein Nachteil entstanden war. Bei Durchsicht der Entscheidungen fallt auf, wie viele Fälle, in denen der zweite Teil des Mobile Steel Tests relevant wird, sich nicht auf eine nominelle Unterkapitalisierung beziehen. Ein solches Ergebnis ist erwartungsgemäß, denn betrügerische Maßnahmen der Gesellschafter haben trotz ihres rechtswidrigen Charakters - im Gegensatz zu einer nominellen Unterkapitalisierung - oft keine merkliche Auswirkung auf das Konkursergebnis.
IV. Dritter Teil des Mobile Steel Tests: Übereinstimmung mit dem Konkursrecht Nach dem dritten Merkmal des Mobile Steel Tests391 muß die Anwendung der equitable subordination Doktrin in Übereinstimmung mit dem Konkursrecht stehen. Mit dieser eigentlich selbstverständlichen Anforderung ist lediglich gemeint, daß das Konkursgericht mit seinen weiten Equity Befugnissen sich nicht in Widerspruch zu dem Gesetzesrecht des Bankruptcy Codes setzen darf 92 • Damit wird das Gericht darauf hingewiesen, daß, obwohl es ein Court of Equity ist, es nicht vollkommen frei über die Nachordnung von Darlehen bestimmen kann. Die Grenze bildet immer das geschriebene Recht. Der Test spricht damit an, wie das Verhältnis der equitable subordination Doktrin als Ergebnis des Case Law zu dem geschriebenen Recht beschaffen ist. Denn das geschriebene Recht erlaubt nur eine Rechtsprechung innerhalb der Grenzen, nicht aber eine Rechtsfmdung gegen oder neben dem Bankruptcy Code. Aus rechtstechnischerund -philosophischer Sicht ist das Zusammenwirken von Case Law und Gesetzesrecht sehr interessant, aber in diesem Zusammenhang, da noch kein Fall an diesem Merkmal gescheitert ist, ohne weiteren Belang.
391 In re Mobile Steel Co., 563 f.2d 692, 700 (5th Cir. 1977), "The Subordination will not be contrary to the principles of bankruptcy law." 392
DeNatalel Abram, 40 Bus. Law. 417, 428 (1985).
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
307
V. Unterscheidung nach Gläubigergruppen Bejahen die Gerichte den Mobile Steel Test, ist noch nicht abschließend entschieden, ob das Darlehen auch tatsächlich nachgeordnet wird. Einige Gerichtsentscheidungen haben unabhängig von dem Mobile Steel Test einen weiteren Prüfungsschritt entwickelt. Darin wird gefragt, welche Gläubigergruppen der Gesellschaft ein Darlehen gewährt haben, und wer von einer Nachordnung profitiert. Die Funktion dieser Prüfung wird durch die folgenden Urteile verdeutlicht.
1. Unterscheidung nach den Flihigkeiten der Glllubiger zum Selbstschutz
Eine der ersten Fällen, in denen nach den Gläubigergruppen unterschieden wurde, ist der Fall Hanson v. Bradley393. Darin klagte ein ehemaliger Manager des Unternehmens auf die Aberkennung der Sicherheitenbestellung zugunsten eines Gesellschafterdarlehens, um seinen Vergütungsanspruch noch durchsetzen zu können. Das Gericht lehnte das Klagebegehren ab: "In the present case we have a corporation fonned without substantial capital ... The plaintiff dealt with that corporation. There is nothing to show that he was deceived. The fair interference is that he knew the worthlessness of the corporation with which he contracted, and he knew that his contract was of no value unless the corporation could borrow money. He must have known that lenders have a habit of demanding a securityl94." Im Fall Übre v. Alban Tractor C039S verlangten die außenstehenden Warenlieferanten die Nachordnung von Gesellschafterdarlehen. Das Gericht konnte keine Unterkapitalisierung feststellen, bemerkte aber selbst, wenn das der Fall gewesen wäre, wäre es kein Grund für eine Nachordnung, denn: "corporate creditors are deemed to have notice of their debtor's financial status and to have protect their own interests".
393
10 N.E. 2d 259, 264 f (1937).
394
Hanson v. Bradley, 10 N.E. 2d 259, 264 f (1937).
395
übre v. Alban Tractor Co., 228 Md. 291, 296 f(1962).
20'
308
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Im Fall In re N & D Properties, Inc. 396 gewährte die spätere Beklagte einem Möbelgeschäft ihres Steuerberaters ein Darlehen in der Höhe von $ 40.000, das zUIÜckgezahltwerden sollte, sobald das Geschäft Gewinne macht. In der Folgezeit entwickelten sich die Geschäfte des Unternehmens nicht wie erwartet, und die Beklagte erwarb in der Höhe von $ 100.000 Anteile an der Gesellschaft, um wegen der besseren Kapitalausstattung weitere Bankdarlehen zu ermöglichen. Zusätzlich stellte sie sich als Bürgin zur Verfügung. Seit Beginn des Unternehmens lag die Geschäftsleitung in den Händen des Mehrheitsgesellschafters, der die Konten und Bücher der Gesellschaft inkorrekt führte, die Konten der Möbelkäufer nicht ordentlich abrechnete, gefälschte Bilanzen benutzte, um weitere Kredite zu erhalten und schließlich für eigene Belange Geld abzweigte. Dadurch wurde die Gesellschaftunterkapitalisiert. Die Beklagte überließ die Geschäftsführung ganz und gar dem Mehrheitsgesellschafter, wobei sie verschiedene Möglichkeiten besaß, über die finanziellen Probleme der Gesellschaft Kenntnis zu erlangen. Zwei Jahre später kündigte die Bank der Gesellschaft ihre Darlehen und beauftragte einen Wirtschaftsprüfer, die Details der wirtschaftlichen Situation zu ermitteln. Obwohl die Beklagte das gleiche tat, wurde das Geschäft von ihr nicht geschlossen, vielmehr wurde in Anzeigen für das Geschäft weiter geworben. Trotz der Krise liefen die Geschäfte mit Hilfe der Darlehen weiter. Die Möbel wurden mit zu 50% Discount verkauft, wenn der Kaufpreis im voraus bezahlt wurde. Lieferung der Möbel wurde in 6-8 Wochen nach Vertragsschluß versprochen, obwohl sich die Zulieferer teilweise schon geweigert hatten, weitere Möbel zu liefern. Das Gericht bejahte eine nominelle Unterkapitalisierung, so daß die Voraussetzungen für eine Nachordnung ihrer Darlehensforderungen gegeben waren. Das Gericht bejahte auch die Nachordnung, allerdings nur zugunsten der Kunden, die ihre Möbel schon im voraus bezahlt hatten. Abgelehnt wurde eine Nachordnung zugunsten der Warenkreditgeber, den Zulieferem des Möbelgeschäftes. Zur Begründung dieser Unterscheidung führte das Gericht aus, die Warenkreditgeber hätten sich selbst schützen können. Als versierte Geschäftsleute hätten sie leicht erkennen können, daß die Beklagte Bürgin für die Forderungen des Kreditnehmers war, um so auf die gesicherte Stellung der Bank zu schließen. Damit hätten die Gläubiger problemlos die finanzielle Lage der Gesellschaft erkennen können und sie hätten sich mit ihren Vertragsgestaltungen und ihren Warenlieferungen auf die finanzielle Lage einstellen können.
396 799 f.2d 726 (11th Cir. 1986), dazu auch Aaron Bankruptcy Law Fundamentals §8.03.(8) S. 8-43.
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
309
In In re Verrnont Toy Works 397 hatte der Beklagte 1985 eine elose corporation gegründet, in der er als einziger Gesellschafter zusammen mit seiner Ehefrau und seinem Sohn als Geschäftsruhrer tätig war. Der spätere Kläger -ein Warenkreditgeber- gewährte ein Darlehen in Höhe von $ 150,000 gesichert durch eine Bürgschaft des einzigen Gesellschafters und seiner Frau. Insgesamt stellte er in der Folgezeit Finanzmittel in Höhe von $ 495,000 zur Verfiigung. Im Konkurs der Gesellschaft wurde die Sicherheit durch den Kläger in Anspruch genommen, und der Beklagte machte die übergegangene Forderung gegenüber der Gesellschaft geltend. Wegen einer unzureichenden Kapitalausstattung der Gesellschaft verlangte der Kläger, die übergegangene Forderung des Gesellschafters nachzuordnen, um die Haftungsmasse im Hinblick auf seine noch ausstehenden Forderungen zu erweitern. Das Gericht entsprach dem Antrag und fiihrte aus, daß der Kreditgeber in diesem Fall von der finanziellen Lage der Gesellschaft nichts wußte und die Zusammenhänge der Unternehmensfinanzierung nicht hätte durchschauen können. Deswegen konnte er sich, obwohl er freiwillig mit der Gesellschaft kontrahierte, nicht durch eine entsprechende Vertragsgestaltung absichern. Anders als im Fall N&D Properties sei deswegen hier auch rur einen Handelskreditgeber die Forderung des Gesellschafters nachzuordnen398 •
2. Ökonomische Begründung für eine Unterscheidung
Bei verallgemeinerter Betrachtung der Entscheidungen kann festgestellt werden, daß die amerikanischen Gerichte eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen wegen Unterkapitalisierung nicht ohne Beachtung der klagenden Gläubigergruppe bejahen oder verneinen. Eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Gläubigergruppen wurde als Konzept erstmals rur den Haftungsdurchgriff entwickelt. Die grundlegenden Überlegungen dazu können jedoch auch auf die Nachordnung von Gesellschafterdarlehenübertragen werden399 • Nach diesem Konzept werden Gläubiger grundsätzlich in freiwillige, d.h. in Vertragsgläubiger und unfreiwillige Gläubiger eingeteilt40o • Die Unterschei-
397
82 B.R. 258 (Bankr.D.Ver. 1987) reversed 135 B.R. 762 (D.C.D.Ver. 1991).
398
82 B.R. 258, 333 (Bankr.D.Ver. 1987).
399
So ausdrücklich Easterbrook/Fischel, Corporate Law, S. 59 Fn. 13.
400
Blumberg, 11 J. Corporation L. 573,617 (1986).
2. Kap.: Rechtslage in den USA
310
dung beruht auf der Überlegung, daß Verträge aufgrund einer freien Willensentscheidung eingegangen werden. Vertragsgläubiger kennen das Prinzip der beschränkten Haftung und wissen, daß sie durch einen Vertrag mit einer Kapitalgesellschaft ein höheres Risiko übemehmen401 . Als Vertragsgläubiger sind sie in der Lage, die Höhe des Risikos selbst zu bestimmen; sie haben die Möglichkeit zu entscheiden, mit wem sie kontrahieren, sie können sich über die finanzielle Situation informieren und einen angemessenen Risikoausgleich verlangen, entweder durch angemessene höhere Zinsen oder durch die Bestellung von Sicherheiten402 . Aus diesem Grund hielt das Gericht in N&D Properties403 den Gläubigem entgegen, sie hätten bei Vertragsschluß gewußt oder wissen können, daß ihr Vertragspartner, das Möbelgeschäft, nicht mehr solvent war. Das durch den Vertrags schluß begründete Risiko können nur die freiwilligen Gläubiger erkennen und einen Ausgleich verlangen. Für unfreiwillige Gläubiger, deren Prototyp der Deliktsgläubiger ist, gilt die Überlegung nicht404 . Durch eine deliktische Schädigung wird einseitig ein Rechtsverhältnis gegen den Willen des Gläubigers begründet. Da der unfreiwillige Gläubiger für sein Risiko keinen Ausgleich verlangen kann, wird das Risiko einseitig auf ihn abgewälzt, der Schaden wird externalisiert40~. Eine Risikoabwälzung kann nur verhindert werden, indem dem Gläubiger ein Durchgriff auf das Vermögen der Gesellschaft gestattet wird oder -in unseren Fällen- die Darlehen nachgeordnet werden. Neben den Deliktsgläubigem gibt es noch weitere Gläubigergruppen, die als unfreiwillig eingeordnet werden. Typische Beispiele sind die kleineren Lieferanten406 als formale Vertragsgläubiger. Auf einem hart umkämpften Anbie-
401 Posner, 43 Chicago L. Rev. 499, 501 ff (1976); EasterbrookIFischel, 52 Chicago L. Rev. 89, 101 (1985); dies., Corporate Law, S. 40 ff; aus deutscher Sicht: Roth, ZGR 1986, 371, 374; Kübler, FS Heinsius, 397, 404. 402 Posner, 43 Chicago L. Rev. 499, 505 (1976); EasterbrooklFischel, 52 Chicago L. Rev. 89, 107 (1985); dies., Corporate Law, S. 40 ff; Hackneyl Benson, 43 U. Pitt. L. Rev. 837, 862 (1982); Blumberg, 111. Corporation L. 573,617 (1986); aus deutscher Sicht: Roth, ZGR 1986, 371, 375 f; Kübler, FS Heinsius, 397, 408. 403
799 f.2d 726 (1lth Cir. 1986).
404 B1umberg, 11 1. Corporation L. 573, 617 (1986); Meinersl Mofskyl ToIIison, 4 DeI. J. Corp. L. 351,364 ff (1979); EasterbrookIFischel, 52 Chicago L. Rev. 89, 112 f (1985); dies., Corporate Law, S. 40 ff; Posner,43 Chicago L. Rev. 499, 506 f (1976). 405
S. FN zuvor.
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
311
tennarkt werden sie sich nicht in der Verhandlungsposition befmden, um die Gesellschaft zu veranlassen, ihre fmanziellen Verhältnisse offenzulegen oder höhere Preise oder Sicherheiten zu verlangen. Außerdem würden die Kosten einer Prüfung der Finanzlage in den meisten Fällen außerhalb eines vernünftigen Verhältnisses zu dem erwarteten Gewinn des Geschäftsabschlusses stehen407 • Aus diesen Gründen sind als unfreiwillige Gläubiger auch die Arbeitnehmer408 und die Verbraucher409 zu qualifizieren. Als freiwillige Gläubiger bleiben vor allem die großen Lieferanten und die Kreditinstitute. Deshalb hat das Gericht im Fall N&D Properties die Gesellschafterdarlehenzugunsten der Verbraucher, nicht aber zugunsten der großen Lieferanten nachgeordnet. Im Fall Hanson v. Bradley410 war der Kläger zwar fonnal Arbeitnehmer, aber als leitender Manager war ihm die fmanzielle Lage der Gesellschaft bekannt und er hätte sich schützen können. Die genannten Entscheidungen lassen erkennen, daß die Überlegungen zu einer Unterscheidung von Gläubigergruppen auch bei der Nachordnung von Gesellschafterdarlehen gilt411 • Nach diesen Überlegungen gilt: Eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen unterbleibt oder erfolgt nur zugunsten bestimmter Gläubiger, wenn diese die finanzielle Situation tatsächlich zutreffend beurteilen oder problemlos hätten beurteilen können. Mit dieser Rechtsprechung rückt die Fähigkeit der Gläubiger zum Selbstschutz in den Vordergrund. Es ist nicht nur entscheidend, ob die Gläubiger benachteiligt werden, sondern auch, ob sie sich schützen können.
406Blumberg, 11 J. Corporation L. 573, 618 (1986); Posner,43 Chicago L. Rev. 499, 505 (1976); a.A. Meinersl Mofskyl Tollison, 4 DeI. J. Corp. L. 351,359 ff (1979). 407 Hackneyl Benson, 43 U. Pitt. L. Rev. 837, 863 (1982); EasterbrookIFischel, 52 Chicago L. Rev. 89, 1 \3 (1985); dies., Corporate Law, S. 40 ff. 408 Blumberg, . 11 J. Corporation L. 573,619 (1986); EasterbrooklFische1, 52 Chicago L. Rev. 89, 113 (1985); dies., Corporate Law, S. 40 ff; a.A.: Posner, 43 Chicago L. Rev. 499, 506 (1976). 409 Blumberg, . 11 J. Corporation L. 573, 618 (1986). 410 10 N.E. 2d 259, 264 (Mass. 1937). 411 Easterbrookl Fischei, Corporate Law, S. 53 ff kommen für die equitable subordination doctrin zum gleichen Ergebnis.
2. Kap.: Rechtslage in den USA
312
VI. Neuere Tendenzen der amerikanischen Rechtsprechung zu einer Ausweitung der equitable subordination Doktrin Nach der bisherigen Untersuchung bildet der inequitable conduct, genauer formuliert durch den Mobile Steel Test, den Bezugspunkt für eine mögliche Nachordnung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs der Gesellschaft. Seit Anfang der 90er Jahre hat es in der amerikanischen Konkursrechtsprechung mehrere Entscheidungen gegeben, in denen auf ein inequitable conduct verzichtet wurde; es kam für die Nachordnung von Forderungen im Konkurs nicht mehr auf den bislang zentralen Beurteilungsmaßstab an. Für das gesamte Haftungskonzept der equitable subordination und ihre Entwicklung seit Anfang der 90er Jahre ist daher aufschlußreich, auf welchen Voraussetzungen die zu beschreibende Veränderung beruht und welche Auswirkungen sie auf die Beurteilung der Gesellschafterdarlehen besitzt. Auswirkung in diesem Zusammenhang bedeutet, daß es eine Tendenz zu einer automatischen Nachordnung von Gesellschafterdarlehengeben könnte.
1. Ausweitung der Equitable Subordination Doktrin durch
die Entscheidung In re Virtual Network Services
Ausgangsfall für eine neue Richtung in der equitable subordination Doktrin war die Beurteilung von sog. tax penalties im Fall Virtual Network Services4l2 • Virtual Network, der Schuldner einer corporation, beantragte ein Konkursverfahren gern. Chapter 11 des Bankruptcy Code. Daraufhin meldete die Finanzbehörde (IRS) ihre Forderung gern. Section 507 (a)(~)4I3 an, wobei neben der Steuerschuld etwa 10% der Summe auf die tax penalties entfiel. Wie die nicht gesicherten Forderungen anderer Gläubiger sollten die tax penalties an der pro rata Verteilung im Konkurs teilnehmen. Ein Gläubiger von Virtual Network verlangte, daß die Forderungen der Finanzbehörde gern. Section 510
412 In re Virtual Network Services Corp., 98 B.R. 343 (Bankr.N.D. III: 1989), affd, 902 f.2d 1246 (7th Cir. 1990); Bei Tax-Penalties handelt es sich um Strafen für säumige Steuerzahler. Aus dem Schriftum speziell zu diesem Fall vg\.: Heiman/Stone/Sullivan, 1 J. Bankr. L & Pract. 208 (1992); Note, 45 Tax Lawyer 553 (1992); Note 34 William and Mary L. Rev. 487 (1993). 413
11 U.S.c.
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
313
hauptsächlich aus folgendem Grund nachgeordnet werden sollten: Die Säumnisstrafe für den Schuldner könnte diesen nicht mehr disziplinieren, da er sich im Konkurs befande und sein Vermögen mit oder ohne Strafe verliere 41s • Die anderen Gläubiger hingegen müßten, ohne daß sie etwas dafür könnten, die Strafe des Schuldners tragen, indem sich ihr Anteil an der Konkursmasse noch weiter verringerte. Während der Bankruptcy Court für die Finanzbehörde entschied, urteilte der Dictrict Court und der Court of Appeals im Sinne der Gläubiger und ordnete die Forderungen nach416 • (C)414
2. Bedeutung für die Beurteilung von Gesellscbafterdarleben
Die Strafen für säumige Steuerzahler im Konkurs als Forderung des Staates gegenüber der juristischen Person berühren nicht das Problem von Gesellschafterdarlehen und dem zugrunde liegenden Konflikt zwischen Gläubigem und Gesellschaftern, die gleichzeitig Gläubiger ihrer Gesellschaft sind. Dennoch können die Entscheidungen zu den tax penalties für die Beurteilung der Gesellschafterdarlehenmittelbar wichtig und zukunftsweisend sein. Der Finanzbehörde war kein wie auch immer gearteter inequitable conduct vorzuwerfen; sie hatte kein mismanagement zu vertreten, nicht betrogen, keine Unterkapitalisierung verursacht, also keine einzige Voraussetzung des Mobile Steel Tests erfüllt. Dennoch ordnete das Gericht die Forderung nach. Im vorliegenden Fall ist nicht das Verhalten eines darlehengebenden Gesellschafters, der das Ergebnis des Konkurses beeinträchtigt, ausschlaggebend, sondern die "Natur" der Forderung. Allein die Existenz der Forderung begründet die Rechtfertigung für ihre Nachordnung. Ein bestimmtes Verhalten der Gesellschafter, wie die Verantwortung für eine nominelle Unterkapitalisierung, ist nicht mehr erforderlich. Eine solche Position rückt nahe an die Vorstellungen einer automatischen Nachordnung der Darlehen im Konkurs, wie sie im Gesetzgebungsverfahren diskutiert wurde 417 , heran. Das heißt, auch ohne eine nominelle Unterkapitalisierung können Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital
414
11 U.S.C.
415
In re Virtual Network Services Corp., 98 B.R. 343,344 (Bankr.N.D. Ill. 1989).
416 In re Virtual Network Services Corp., 98 B.R. 343 (Bankr.N.D. Ill: 1989), aff'd, 902 f.2d 1246, 1250 (7th Cir. 1990). 417
Siehe oben A.III.2.a).
2. Kap.: Rechtslage in den USA
314
urnqualiflZiert werden. Die Risikoverteilung zwischen Gesellschaft und Gläubiger wird erheblich zugunsten der anderen Gläubiger verändert. Aus diesen Überlegungen heraus stellt sich die Frage, ob die Überlegungen des Gerichtes zu den tax penalties auf die rechtliche Beurteilung von Gesellschafterdarlehen übertragbar sind und in den neueren Entscheidungen auch tatsächlich übertragen werden. Daß eine solche neue Konzeption der equitable subordination Doktrin mit den damit fiir Gesellschafterund den anderen Kreditgeber verbundenen Folgen mindestens möglich erscheint, beweisen die gerade fiir amerikanische Verhältnisse häufigen und in diesem Punkt kritischen Auseinandersetzungen mit der Entscheidung In re Virtual Network418 • Ob eine Tendenz in der beschriebenen Richtung zu beobachten ist, hängt zum einen davon ab, ob die Begründung des Gerichtes fiir andere Fälle erweiterungsfahig ist und zum anderen, ob die Überlegungen in der Rechtsprechung tatsächlich aufgegriffen wurden und Entscheidungen geprägt haben.
3. EntscheidungsgrUnde von In re Vlrtual Network
Daß die Entstehung der Doktrin seit Pepper v. Litton419 immer von dem inequitable conduct eines Kreditgebers abhing, das die gerechte Verteilung der Vermögensmasse im Konkurs behinderte, erkannte auch das Gericht in Virtual Network an. Die Begründung fiir einen Verzicht auf das Merkmal sieht das Gericht in der Entstehungsgeschichte des Bankruptcy Code von 197842°. Kurz vor den Beratungen zum Bankruptcy Code, vor allem der späteren Section 510(c), erging 1978 die Entscheidung In re Homex421 , in der das Gericht
418 Vg\.: HeimaniStone/Sullivan, I J. Bankr. L & Pract. 208 (1992); Note, 45 Tax Lawyer 553 (1992); Note 34 WiIliam and Mary L. Rev. 487 (1993); Ebenfalls eine Tendenz in die beschriebene Richtung sieht Alces, 77 Minnesota L. Rev. 605, 609 Insbesonder Fn. 17 (1993); Chaitman, Lender liability, Supp. 1991, § 7.02(2)(d)(iv) S.73 f, meint, daß die Relevanz der Entscheidungen noch nicht abzusehen sei. EpsteinlNickleslWhite, Bankruptcy 1992 § 6-93 S. 275 insbesondere Fn. 66 mit einer ausführlichen Darstellung und der Einschätzung, daß die Rechtsprechung nicht ausufern werden. 419
308 U.S. 295 (1939).
420 In re Virtual Network, 98 B.R. 343, 345 (Bankr.N.D. Ill: 1989), affd, 902 f.2d 1246, 1247 (7th eir. 1990).
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
315
erstmals Darlehen nachordnete, ohne daß ein inequitable conduct seitens der Gesellschafter oder anderer Personen vorlag. In der Folgezeit hat sich weder ein anderes Gericht auf dieses Urteil bezogen, noch gibt es Hinweise für eine Diskussion über diesen Fall in den Gesetzesberatungen. Da es erklärte Absicht der Gesetzgebung war, daß der Begriff der "principles of equitable subordination" in Section 510 (c) dem bestehenden Recht folgen solle und die weitere Entwicklung den Gerichten obliegtm , kam das Gericht zu folgender Überlegung: Da die Entscheidung In re Homex vor den Beratungen erging und sie bekannt gewesen sein mußte, wurde konsequent gefolgert, daß auch eine Rechtsentwicklung, in der auf den inequitable conduct verzichtet wird, von dem gesetzgeberischen Auftrag zur Fortentwicklung umfaßt sei. Das Gericht hielt sich zu diesem einschneidenden Schritt auch deshalb befugt, weil die allgemeinen Equity Grundsätze weiter gefaßt seien als die Kodiftzierung in Section 510 (c) des Bankruptcy Code423 . Aus der Begründung folgerte das Gericht anschließend: "It is clear that in principle, equitable subordination no longer requires in all circumstances, some inequitable conduct on the part of the creditor"424. In der Folgerung des Gerichtes wird sich nicht ausdrücklich auf die Tatsache bezogen, daß es sich in dem vorliegenden Fall um tax penalties handelt, und ausschließlich für diese Fälle ein Verzicht auf das Merkmal inequitable conduct gerechtfertigt ist. Ohne eine solche Einschränkung ergibt sich - was auch befürchtet wird - die Möglichkeit, in jedem Fall neue Gründe zu fmden, warum für bestimmte Konstellationen ein inequitable conduct überflüssig ist42s . Das Konzept der equitable subordination wird offen für eine Interpretation, in deren Entwicklung auch für die Gesellschafterdarleheneine automatische Nachordnung stehen kann. Mit
421 In re Sterling Homex Corp., 579 f.2d 206 (2nd Cir. 1978); Ausführungen zu dem fehlenden unfairen Verhalten finden sich auf S. 212-213. 422 Das Gericht in Virtual Network, 98 B.R. 343, 348 zitiert die Bemerkungen von Senator Edwards, 124 Cong. Rec. 32,398 (1978). 423
Virtual Network, 98 B.R. 343, 348 und 902 f.2d 1246, 1250.
424
In re Virtual Network Servs. Corp., 902 f.2d 1246, 1250 (7th Cir. 1990).
425 Zu dieser möglichen Folge auch: EpsteinlNickles/White, Bankruptcy 1992 § 6-93 S. 275 insbesondere Fn. 66 am Ende; Bienenstock, ein mit Konkursrecht befaßter Rechtsanwalt, redet von einem "new chili in the air, that could start a trend toward no fault subordination" zitiert nach Note, 45 Tax Lawyer 553, 565 Fn. 64 (1992) auch die Autoren sehen die Möglichkeit, daß die Gerichte Kategorien von Forderungen bilden, die automatisch nachgeordnet werden. Ebenda.
316
2. Kap.: Rechtslage in den USA
der so getroffenen Aussage weicht das Gericht von den durch Pepper v. Litton bis Mobile Steel entwickelten Grundsätzen zur Erfassung und damit zur Beurteilung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs ab426 • Insofern kann die Entscheidung für die Beurteilung von Gesellschafterdarleheninsgesamt sehr weitreichende Konsequenzen beinhalten427 • Wegen dieser sehr schwerwiegenden Folgerungen, aber auch wegen der als oberflächlich kritisierten Begründung wurde die Gerichtsentscheidung im Schrifttum und einer dissenting opinion einer folgenden Entscheidung heftig angegriffen428 •
4. Rezeption von In re Virtual Network durch andere Gerichte
Ist auch der Grundstein für eine Ausweitung der Doktrin gelegt, so ist erheblich und entscheidend, ob diesem ersten Schritt weitere folgen, also ob auch andere Gerichte in dem gleichen Sinne urteilen429 •
426 Zu den Folgen aus dieser Entscheidung siehe auch: Note, 45 Tax Lawyer 553, 565 ff; (1992) Note 34 Williarn and Mary L. Rev. 487, 515 ff (1993). 427 Den möglichen Konsequenzen begegnet das Gericht mit dem Hinweis, daß die Angst vor der Zukunft kein guter Ratgeber für die Entscheidungen von heute ist: In re Virtual Network Servs. Corp. 98 B.R. 343, 351 (Bankr.N.D.IIl. 1989). 428 HeimaniStone/Sullivan, 1 J. Bankr. L & Pract. 208, 212 ff (1992); Note, 45 Tax Lawyer 553,557 ff (1992); Note 34 Williarn and Mary L. Rev. 487, 507 ff (1993); In re Burden, 917 f.2d 115 (3d Cir. 1990) mit einer Dissenting Opinion von Judge Alito auf S. 121 ff: Daß die Interpretation der Entstehungsgeschichte eines Gesetzes in einem Common Law Land argwöhnisch begutachtet wird, erscheint verständlich, dazu allgemein: Mashaw, 32 Williarn and Mary L. Rev. 827, 833 f (1991). 429 In der folgenden Zeit sind sehr viele Entscheidungen zur Frage einer "No Fault" Nachordnung von Forderungen im Konkurs gegangen. Daß die Anzahl der Entscheidungen ab etwa 1992 wieder abnimmt, mag vermutlich daran liegen, daß die Finanzbehörden in sämtlichen Circuits der USA unterlegen sind und die Tax Penalties im Konkursverfahren erst gar nicht mehr geltend machen. Vgl.: In re Manchester Lakes Ass., 117 B.R. 221, 225 (Bankr.E.D.Va. 1990) ordnet Tax Penalties nach; In re Airlift Intern. Inc., 120 B.R. 597, 601 (D.C.S.D:Fla. 1990) ordnet Tax Penalty nach; Matter of Robert Securities,Inc. 115 B.R. 485, 495 (Bankr. D.N.jersey 1990) ordnet Tax Penaly nach; Matter of Mansfield Tire and Rubber Company, 120 B.R. 862, 868 (D.C.N.D.Ohio 1990) ordnet Tax Penalty nach; Kham & Nate's Shoes No.2, Inc. 908 f.2d 1351, 1356 (7th Cir. 1990) lehnt eine Ausweitung auf die Forderungen einer Bank, der kein "Inequitable Conduct" vorzuwerfen ist ab; In re Schultz Broadway Inn, 912 f.2d 230,232 (8th Cir. 1990) ordnet Tax Penalty nach; In re Burden, 917 f.2d 115, 120 (3d Cir. 1990) ordnet Tax Penalty nach; In re Channel One Communications, Inc., 125 B.R. 234, 235
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
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a) Bezüglich der Tax Penalties und der Steuerschulden
Die gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Finanzbehörden und nicht gesicherten Kreditgebern um die Nachordnung von den sog. tax penalties gingen in der Folge immer zugunsten der Kreditgeber aus. Die Gerichte ordneten die Forderungen aufgrund von Strafen gegen die säumigen Steuerzahler in jedem Fall nach. Bei allen Gerichten der verschiedenen Circuits wurde die Rechtsprechung aufgenommen, wenn auch die Begründungen des Ergebnisses sich unterschieden430 • Der Versuch einiger Gläubiger, die Steuerschulden als solche im Konkurs nachordnen zu lassen, scheiterte, da die Gerichte es zur Voraussetzung machten, daß es sich um tax penalties handelt. Der weiten und für verschiedene Interpretationen offenen Argumentation in Virtual Network folgten die Gerichte nicht. Innerhalb der Behandlung von tax penalties im Konkurs einer Gesellschaft kann das Recht heute insgesamt als gefestigt gelten431 •
(Bankr.E.D.Miss. 1991) ordnet Strafgebühr nach wegen Verstoßes gegen bestimmte Arbeitsgesetze; In re Manley Raney, 132 B.R. 63, 66 (Bankr. D.Wy.1991) lehnt die Nachordnung einer Steuerschuld ab wegen fehlendem inequitable conduct ab.; In re Import & Mini Car Parts, LTD, 136 B.R. 178, 181 (Bankr.N.D.ln. 1991) ordnet Tax Penalty nach; In re Divine, 127 B.R. 625,632 (Bankr.D.Minn. 1991) lehnt ein Nachordnung von gesicherten Tax Penalties ab; In re Mako, Inc., 135 B.R. 902, 903 (D.C.Okl. 1991) ordnet Tax Penalty nach; In re Mansfield Tire & Rubber Company, 942 f.2d 1055, 1061 (6th Cir. 1991) lehnt eine Nachordnung von Steuerschulden ab; in re First Truck Lines, Inc., 141 B.R. 621,626 (Bankr.S.D. Ohio 1992) ordnet Tax Penalty nach; In re Landbank Equity Corporation, 973 f.2d 265,271 (4th Cir. 1992) bejaht grundsätzlich die Nachordnung von Tax Penalties verweist aus anderen Gründen aber zurück; In re Baker & Getty Financial Servs. Inc., 974 f.2d 712, 719 (6th Cir. 1992) lehnt eine Ausweitung einer "no fault" Nachordnung auf die Darlehen einer Bank ab. 430 Vgl.: Schultz Broadway Inn v. V.S., 912 f.2d 230, 231 (8th Cir.1990) stellt in der Begründung darauf ab, daß der Kongreß den Gesetzesvorschlag des Senates abgelehnt hat, indem Steuerforderungen ausgenommen wurden von einer möglichen Nachordnung. In re Burden, 917 f.2d 115, 118 (3d Cir. 1990) konnte in dem Gesetzgebungsvefahren keine ausdrückliche Regelung für die Tax Penalties sehen und schloß daraus auf die Möglichkeit, nachzuordnen. 431 Einen strafenden Charakter haben auch die sog. punitive damages, sog Zivilstrafen (Diese Art der Sanktion ist dem deutschen Recht unbekannt, zum Begriff siehe BGH ZZP 1993,79,96; dazu Schack, ZZP 1993, 104 ff). Mit einer ähnlichen Überlegung, daß die Gläubiger nicht für ein Verhalten des Schuldners bestraft weden sollen, werden auch sie im Konkurs nachgeordnet. Vgl.: In re Colin, 44 B.R. 806 (Bankr.S.D.N.Y.
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
b) Bezüglich anderer Forderungen Für einen zweiten Schritt in die Richtung einer Ausdehnung der equitable subordination Doktrin spricht die Entscheidung In re Vitreous Steel Products Co. 432 • In dem Fall hatte eine Bank für eine Gesellschaft in der Krise einen neuen Gesellschafter gesucht. Der Bank und dem zukünftigen Inhaber wurde wegen verschiedener Transaktionen ein kollusives Verhalten zu Lasten der Gesellschaft vorgeworfen. Kam es in der erstinstanzlichen Entscheidung nicht auf eine Nachordnung der Darlehen an, so führte das Revisionsgericht - das gleiche wie in der Entscheidung Virtual Network - aus: Eine Nachordnung der Darlehen sei zu bedenken, verbunden mit dem Hinweis: "We recently held in the Matter of Virtual Network Servs. Corp. that it is not necessarily required that the creditor be found to have engaged in misconduct"m. Mit diesem Hinweis an die untere Instanz hat das Gericht jenseits der Frage nach den tax penalties eine Ausweitung der equitable subordination Doktrin angeraten. Kurz nach dem Urteil In re Vitreous Steel Products Co. 434 hatte das Appeal Gericht des 7th Cir. unter dem Vorsitz von Judge Easterbrook43s im Fall Kham & Nate's Shoes No.2, Inc. v. First National Bank of Whiting436 die gleiche Frage zu beurteilen. Kham & Nate's Shoes No.2, Inc., der Schuldner, befand sich in einer Reorganisation nach Chapter 11 des Bankruptcy Code. Die beklagte Bank First National gewährte weitere Darlehen, nachdem das Gericht zusätzliche Sicherheiten für die Kreditgeber bestimmt hatte. Später kündigte die
1984). Teilweise werden sie mit gleicher Überlegung von den Gerichten disallowed, ihnen wird also die rechtliche Wirksamkeit, als Forderung im Konkurs zu gelten, aberkannt. Das Gericht urteilte so, um der Frage nach einem inequitable conduct des Gesellschafters zu entgehen, vgl.: In re A.H. Robins Co., 89 B.R. 555, 563 (Bankr.E.D.Va. 1988). 432
911 f.2d 1223 (7th Cir. 1990).
433
In re Vitreous Steel Products Co., 911 f.2d 1223, 1237 (7th Cir. 1990).
434
911 f.2d 1223 (7th Cir. 1990).
435 Es handelt sich dabei um den ehemaligen Professor der Universität Chicago, einem prominenten Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechtes, vgl.: Easterbrookl FischeI, The economic Structure of Corporate Law, 1991. 436
908 f.2d 1351 (7th Cir. 1990).
B. Tatbestand der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
319
Bank die Darlehen, so daß die Warenkreditgeberveranlaßtwurden, Akkreditive aufzusetzen. Das Verfahren fiihrte dazu, daß die Bank - nach den Bestimmungen des Gerichtes - fiir ihre Forderungen einen höheren Rang vor den anderen ungesicherten Kreditgebern erhielt. Durch die Transaktion war die Bank Inhaberin von ungesicherten und höherrangigen Forderungen geworden. Die Vorinstanz sah durch die Vorgehensweise der Bank das Merkmal des inequitable conduct erfiillt und ordnete die Forderungen gern. sec. 510 (ct 37 nach. Da das Gericht des 7th Circuit in dem Verhalten keinen inequitable conduct erkennen konnte, ging es auch in dem vorliegenden Fall um die Frage, ob ohne ein unfaires Verhalten der Bank nach den Grundsätzen von In re Virtual Network die Forderung nachgeordnet werden könnte. Judge Easterbrook lehnte es ab, die Doktrin auszuweiten. Da der Bankruptcy Code keine gesetzlichen Vorgaben fiir die Gründe einer Nachordnung liefere, müsse man sich auf das bestehende common law beziehen438 • In Anlehnung an den maßgebenden Mobile Steel Test hat das Gericht die Voraussetzungen fiir eine no fault subordination aufgestellt: Danach ist ein Verzicht auf den inequitable conduct nur unter zwei Bedingungen möglich: Erstens muß aufgrund einer Rechtsnorm ein penalty- Anspruch entstehen, und zweitens darf der Gläubiger die Forderung nicht rechtzeitig geltend gemacht haben439 • Da eine derartige Forderung im Fall nicht vorlag, wurde sie auch nicht nachgeordnet. Im Gegensatz zu der Entscheidung In re Virtual Network440 war hier nicht die Auslegung der Gesetzesgeschichte maßgebend, sondern das durch Pepper v. Litton441 und Mobile Steel442 geprägte Fallrecht. Judge Easterbrook hat sich in diesem Fall bemüht, auch die no fault subordination in ihren Grundzügen auf die Aussagen aus dem
m 11 U.S.C. 438
908 f.2d 1351, 1356 (7th Cir. 1990).
439 Kham & Nate's Shoes NO.2 Inc., v. First Bank of Whiting, 908 f.2d 1351, 1356 (7th Cir. 1990); Besprechungen dieses Falles liefern: Weintraub/Resnick, 24 Uniform Commercial Code L. J. 400 ff (1992); Patterson, 76 Iowa L. Rev. 503, 512 ff (1991) der sich mit der Entscheidung sehr kritisch auseinandersetzt, die Mißbilligung bezieht sich allerdings auf den Umstand, daß ein Inequitab1e Conduct der.Bank nicht anerkannt wurde. Diesen Entscheid vertritt der Autor. 440 In re Virtual Network Services Corp., 98 B.R. 343 (Bankr.N.D. Ill: 1989), affd, 902 f.2d 1246, 1250 (7th Cir. 1990). 441
Pepper v. Litton, 308 U.S. 295 (1939).
442
Matter of Mobile Steel, 563 f.2d 692 (5th Cir. 1977).
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
Fall Mobile Steel zurückzuführen. Zu diesem rechtlichen Problem hat der 6th Cir. im Fall In re Baker & Getty Financial Servs. Inc. mit denselben Begründungen die gleiche Entscheidung getroffen443 •
5. Ergebnis
Aus den Urteilen ergibt sich hinsichtlich der Beurteilung von Gesellschafterdarlehen ein geschlossenes Bild: Die Haftungskonzeption, wie bisher dargestellt, ist bestätigt worden und wird sich nicht verändern444 • Der inequitable conduct bleibt die zentrale Voraussetzung für eine rechtliche Beurteilung der Gesellschafterdarlehen, so daß es keine Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital geben wird, ohne daß eine nominelle Unterkapitalisierung vorliegt. Die bislang bestehende Risikoverteilung zwischen Gläubiger und Gesellschafter bleibt auch weiterhin bestehen. Von einer Entwicklung der equitable subordination Doktrin sind nur sehr bestimmte Arten von Forderungen -tax penalties- betroffen. Die einzige Ausweitung auf andere Forderungen wurde in einer einzelnen Entscheidung In re Vitreous Steel Products CO. 445 angeraten, konnte sich aber keineswegs durchsetzen. Auch an der Beurteilung der tax penalties wird deutlich, daß die equitable subordination doctrin nicht nur als Ausgleich von Benachteiligungen durch eine Gesellschafterfremdfmanzierung gedacht ist. Es handelt sich vielmehr um ein allgemeines Instrument des Insolvenzrechtes zum Ausgleich von Gläubigerbenachteiligungen.
C. Zurechnungszusammenhang zwischen GesellschaftersteIlung und Kreditvergabe Damit ein Darlehen als Haftkapital qualifiziert werden kann, müssen immer zwei Kriterien erfüllt sein: Zunächst muß der Kredit - wie in Abschnitt B.
443 In re Baker & Getty Financial Servs. Inc., 974 f.2d 712, 719 (6th Cir. 1992) lehnt eine Ausweitung einer "No Fault" Nachordnung auf die Darlehen einer Bank ab. 444 Die Einschätzung teilen: Note, 45 Tax Lawyer 553, 567 (1992); EpsteinlNickles/ White, Bankruptcy, 1992, § 6-93 S.275 Fn.66. 445
In re Vitreous Steel Products Co., 911 f.2d 1223, 1237 (7th Cir. 1990).
C. Zurechnungszusammenhang
321
dargestellt - notwendiges Eigenkapital ersetzen. Neben dem gesellschaftsbezogenen Merkmal, das die charakteristischen Merkmale des Eigenkapitals beschreibt, muß kumulativ ein mitgliederbezogenes Merkmal vorliegen: Ein Darlehen läßt sich nur als Eigenkapital einordnen, wenn zwischen dem Kredit und der Person ein Zurechnungszusammenhang besteht, und zwar in der Form der Finanzierungsverantwortung. Wie die Finanzierungsverantwortung im amerikanischen Recht ausgeprägt ist und welche Personen von ihr erfaßt werden, ist Gegenstand der folgenden Untersuchung. Im Folgenden werden die bestehenden gesetzlichen Grundlagen und die schon zuvor entwickelten Grundlagen vorgestellt. Anschließend werden die neueren Entwicklungen im Recht der equitable subordination dargelegt. Danach kann die Finanzierungsverantwortung unter bestimmten Voraussetzungen auch außenstehende Gesellschaftsfremde erfassen.
I. Gesetzliche Ausgangslage für eine Zurechnung 1. Entwicklung bis zum Erlaß des Bankruptcy Code
Bevor 1978 durch den Bankruptcy Code ausführliche Legaldefinitionen fiir die Zurechnung geschaffen wurden, stützte sich die Regelung auf folgende Grundsätze: Von einer Nachordnung der Darlehensforderungen im Konkurs können nicht nur die Gesellschafter selbst als Mitglieder, sondern auch die officer und directors als Organe der Gesellschaft betroffen werden. Dieser - fiir deutsche Juristen erstaunliche - Adressatenkreis einer Nachordnung von Darlehensforderungen in der Insolvenz läßt sich mit der Entstehung der equitable subordination doctrin begründen. Da die doctrin in Anlehnung an den Haftungsdurchgriff entstanden ist446 , wird auch der Adressatenkreis der Rechtsfigur im wesentlichen gleich bestimmt. Adressat eines Haftungsdurchgriff ist nur derjenige, der einer Treuebindung unterliegt, und die daraus entstehende Pflicht verletzt hat. Vorbild fiir die Entwicklung von Treuepflichten im amerikanischen Gesellschaftsrecht ist das "trust" Recht. Danach unterliegt die Person, die das Eigentum verwaltet, der Pflicht, mit dem Gegenstand loyal und fair umzugehen. Daraus wurde entsprechend fiir directors und officers einer corporation der Gedanke der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und damit
446 Siehe dazu oben A.III.l.b) die Erläuterungen zum Fall Taylor v. Standard Gas & Elec. Co. 307 V.S. 306 (1939).
21 Gchdc
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
ihren Gesellschaftern und Gläubigem ausgebildet447 • Sie haben ungeteilt und unter Zurückstellung aller Eigeninteressen das Wohl der Gesellschaft zu fördern und zu schützen und von allen Maßnahmen Abstand zu nehmen, welche die Gesellschaft um einen Vorteil oder Gewinn bringen würden448 • Wird nun faktisch die Gesellschaft durch den Mehrheitsgesellschafter beherrscht, indem dieser die Unternehmens-entscheidungen bestimmt und auf die officer und directors Einfluß nimmt, oder beides in einer Person ist, so trifft ihn in gleicher Weise die Pflicht die Interessen der Gesellschaft und der Minderheitsgesellschafter zu beachten449 . Entsprechend wurden aus diesen Überlegungen die Treuepflichten zunächst fiir directors und officers gegenüber Gesellschaft und Gesellschaftern entwikkelt. Für den Fall, daß Mehrheitsgesellschafter die Gesellschaft beherrschen, sofern sie die Geschäftspolitik mittels der unter ihrem Einfluß stehenden directors und officers bestimmen, treffen sie in gleicher Weise die Treuepflichten. Die Treuepflicht gilt auch fiir die Gesellschafter, die an der Geschäftsfiihrung beteiligt sind. Wer der Treuebindung nach den Regeln des Gesellschaftsrechtes unterliegt, kommt auch als Adressat der equitable subordination in Betracht. 450. Ist der Gedanke der Treuepflicht im Insolvenzrecht auch nicht in dem Maße ausgeprägt wie im Gesellschaftsrecht, so bedeutet er doch folgendes: Das amerikanische Insolvenzrecht regelt mit der equitable subordination doctrin das
447 Lofland v. Cahill, 118 A.1 (DeI.Ch. 1922); Pepper v. Litton, 308 U.S. 295 (1939); Box v. Northrup Corp., 459 fSupp. 540, 547 (111. App. 1980); Sternberg v. O'Nei1, 550 A.2d 11 05, 1124 (DeI. 1988). 448
Guth v. Luft, 1nc., 5 A.2d 503, 510 (DeI. 1939).
449 Southern Pac. Co. v. Bogart, 250 U.S. 483, 487 (1919): "The majority has the right to contro1; but when it does so, it occupies a fiduciary relation toward the minority, as much so as the corporation itself or its officers and directors." Pepper v. Litton, 308 U.S. 295 (1939); Matter of Reading Co., 711 f2d 509 (3rd Cir. 1983); Fo1tz v. U.S. News & World Report, 1nc., 663 fSupp. 1494, 1527 (D.D.C. 1987). 450 Für die Übernahme dieser Grundsätze durch die Rechtsprechung zum Insolvenzrecht steht stellvertretend die Aussage in Pepper v. Litton, 308 U.S. 295,306 f (1939): "Their (fiduciary) dealings with the corporation are subject to rigorous scrutiny and where any of the their contracts or engagement with the corporation is challanged the burden is on the director or stockholder not only to prove the good faith of the transaction but also to show its inherent fairness from the viewpoint of the corporation and those interested in therin".
C. Zurechnungszusammenhang
323
Verhältnis von Kreditgeber und Gläubiger einer Gesellschaft mit den gleichen rechtlichen Grundsätzen wie das Verhältnis von Mehrheitsgesellschafter und Minderheitsgesellschafter, das auch im Verhältnis von verbundenen Unternehmen angewendet wird4s1 • Die Nachordnung von Darlehensforderungen läßt sich entsprechend der Treuebindung grob in zwei Kategorien einteilen.
a) Directors und Officers als Adressaten einer Nachordnung In der ersten Kategorie werden die Darlehen der directors und officers nachgeordnet, wenn sie gegen ihre Treuebindung verstoßen. Da diese Personengruppen unter keinen Umständen eine Pflicht zum Ausgleich einer nominellen Unterkapitalisierung haben, gelten für sie die Pflichten aus dem ersten Teil des Mobile Steel Testes zur Bestimmung des inequitable conduct4S2 • Damit sind die Fälle des mismanagement, des fraud, der illegality und des breach of fiduciary duties, von der Nachordnung erfaßt. Dahinter steht der Gedanke, daß diejenigen, die eine Möglichkeit haben, die Gläubiger durch eine fraudolöse Geschäftspolitik zu schädigen- die directors und officers -, auch mit einer Nachordnung ihrer Darlehensforderung zu rechnen haben. Nach den hier genannten Grundsätzen kann der Personengruppe der officers und directors als Testvoraussetzung die erste Gruppe des Mobile Steel Tests unter dem Oberbegriff des mismanagement zugeordnet werden4s3 • Da die directors und officers nicht für die Finanzausstattung der Gesellschaft verantwortlich sind, entfallen sie als Adressat fiir die zweite Voraussetzung des Mobile Steel Testes: die
451
Bonanno, 18 Harv. International L. J. 151, 156 (1977).
452 Als Testmerkmale sind zu nennen: fraud, iIlegality, breach of fiduciary duties, Matter of Mobile Steel, 563 f.2d 692, 700 (5th Cir. 1977); dazu ausführlich oben B.1.1. a)aa). 453 Eine leichte Einschränkung hinsichtlich der Einteilung in Gruppen gilt insofern, als gerade in der elose corporation die Position von officer und director in den meisten Fällen von den Gesellschaftern selbst ausgefüllt werden. Zu beachten ist, daß die Fälle, in denen ein officer oder director, ohne selbst Gesellschafter zu sein, ein Darlehen an die Gesellschaft vergibt, selten vorkommen. Die in der empirischen Untersuchung (Siehe dazu unten D.lV.) bestätigte Vermutung läßt sich mit dem fehlenden Interesse dieser Personen an der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens begründen.
21*
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2. Kap.: Rechtslage in den USA
Unterkapitalisierung. Wenn eine nominelle Unterkapitalisierung vorliegt, sind die Gerichte nicht befugt, ihre Darlehen nachzuordnen. In der Frage, wer als Adressat einer Nachordnung im Konkurs in Betracht kommt, zeigt sich die Funktion der equitable subordination doctrin: Es handelt sich hierbei um ein Instrument zum Ausgleich allgemeiner Gläubigerbenachteiligungen. Denn alle Personen, die die Gläubiger überhaupt benachteiligen können, werden von der equitable subordination doctrin erfaßt.
b) Gesellschafter als Adressat einer Nachordnung
In der zweiten Kategorie werden die Gesellschafter erfaßt. Sie profitieren von einer Untenehmensfmanzierung mit Krediten, da sie sowohl die festen Zinsen aufgrund des Darlehens erhalten als auch an den Gewinnen des Unternehmens teilnehmen, die wiederum auch auf dem Finanzeinsatz der Darlehen beruhen4s4 • Diesem Vorteil entspricht die Voraussetzung des Mobile Steel Tests, die den Gesellschaftern zugeordnet werden kann: die nominelle Unterkapitalisierung. Daß die Gesellschafter, als Inhaber der Gesellschaft, für eine Unterkapitalisierung verantwortlich sind, fmdet sich auch in der empirischen Erhebung wieder4SS • Soweit ersichtlich sind nur die Gesellschafterdarlehen wegen einer nominellen Unterkapitalisierung nachgeordnet worden, nicht die Darlehen der officers oder directors. Die nominelle Unterkapitalisierung als Kategorie eines inequitable conduct bezieht sich nur auf die Nachordnung von Gesellschafterdarlehen, da nur die Gesellschafter für die Kapitalausstattung verantwortlich sind4s6 • Das Recht der Treuepflichten - in bezug auf die Nachordnung von Darlehen - stellt bei den Gesellschaftern darauf ab, daß sie entweder die Geschäftspolitik mittels der directors oder officers beherrschen oder selbst an der Geschäftsführung teilnehmen. Rechtlich unproblematisch ist der Regelfall der Gesellschafter-Geschäftsführer, die zweifelsfrei als Adressaten einer Nachordnung einzuordnen sind.
454 Zu diesen Überlegungen als Beginn einer Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital siehe oben B.1.2.a). 455
Dazu unten D.lV.
456
So auch French, 41 J. Bankr. L.&Pract. 257,262 f (1995).
C. Zurechnungszusammenhang
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Schwieriger sind die Fälle zu beurteilen, in denen festzustellen ist, ob der Gesellschafter die Geschäftspolitik bzw. das Unternehmen beherrscht oder kontrolliert. Für den Haftungsdurchgriff haben die amerikanischen Gerichte eine ganze Reihe von verschiedenen Tests zur Erfassung von Treuepflichtverletzungen des beherrschenden Gesellschafters entwickelt, die allerdings bisher nicht in die Konkursrechtsprechung eingegangen sind4S7 • Im Rückgriff auf die insolvenzrechtlichen Überlegungen werden beherrschende Gesellschafter definiert als diejenigen, die in der Lage sind, die Unternehmensentscheidungen bestimmend zu beeinflussen458 • Als formale und rechtliche Grenze für einen solchen Begriff der Beherrschung bietet sich ein Anteilsbesitz von mehr als 50 % an. Wegen der -in der forensischen Praxis- einfachen Festlegung der Grenze haben sich viele Gerichte dieses Standards bedient. Die Grenze wird von den Gerichten aber nicht starr eingehalten. Daneben sind auch wirtschaftliche Betrachtungen über einen faktischen Einfluß des Gesellschafters maßgebend. Beispielhaft für diese Sicht ist der Fall In re N & D Properties, Inc. 4S9 : Die Gesellschaft war nach der Feststellung des Gerichtes unterkapitalisiert, wozu der zweigliedrige Mobile Steel Test460 herangezogen wurde. In dieser Situation hatte die Gesellschafterin ein Darlehen gewährt, was der Bankruptcy Court als ein breach of fiduciary duty wertete, so daß das Darlehen nachgeordnet wurde. In der nächsten Instanz verteidigte die Gesellschafterin sich mit dem Argument, als Minderheitengesellschafterin wäre sie nie herrschend gewesen, sie hätte die Geschäftsentwicklungennicht beeinflussen können und so läge auf ihrer Seite auch keine Pflichtverletzung vor. Das Gericht schloß sich dieser Ansicht an und führte aus, daß keinerlei Pflicht zu einer ausreichenden Kapitalisierung der Gesellschaft und damit zu einer Nicht-Benachteiligung anderer
457 Als solche Tests sind zu nennen: At-anns- length Test, dazu: Clark, Corporate Law, § 11.1. S. 464; Business Judgement Rule; Fairness test, dazu allgemein: Hennl Alexander, Laws of Corporation, § 242, S. 661 ff; § 237, S. 633 f.
458 Eine ähnliche Definition kennt das Gesellschaftsrecht. Vgl. dazu Gottesmann v. General Motors Corp., 279 f. Supp. 361,368 (S.D.N.Y. 1967), motion den. 401 f.2d 510: "Power to control through the election of directors may exist where a large block of shares, even through a minority, is owned by one group and the remaining shares are widly scattered. This is called practical or working contro!." 459
54 B.R. 590 (D.C.N.D.Georgia 1985).
460 Es handelt sich um den Test, der nach der independent source of credit und dem financial analyst fragt. Siehe dazu oben B.II.2.
326
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Gläubiger bestand, wenn keine tatsächliche Kontrolle über die Gesellschaft existiert und somit die Finanzierungsentscheidungen nicht beeinflußbar sind461 • Dieser Aussage liegt die Überlegung zugrunde, daß derjenige, der die Geschäfte der Gesellschaft nicht kontrollieren kann, auch für die Folgen nicht verantwortlich sein kann462 • Der fehlenden Möglichkeit zur Einflußnahme auf die Gesellschaft entspricht die Nichtverantwortlichkeit für die Kapitalausstattung. Aus dieser Erwägung heraus wurde der Status als Insider nicht anerkannt und folgerichtig hob das Gericht die Nachordnung des Gesellschafterdarlehens auf'63. Unausgesprochen bleibt hier das Prinzip, daß eine Sollensaufforderung sinnvollerweise nur den treffen kann, der ihr auch nachkommen und sie erfüllen kann. Der Fall zeigt, daß, obwohl es sich um eine Minderheitengesellschafterin handelt, die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Einflußnahme entscheidend sind. Auf der anderen Seite kann aber auch ein Minderheitengesellschafter einen beherrschenden Einfluß auf die Gesellschaft ausüben. Im Fall Braddy v. Randolph464 wurden die Darlehen der vier gleichmäßig beteiligten Gründer nachgeordnet. Ausschlaggebend ist, um als Adressat in Betracht zu kommen, entweder eine Beteiligung an der Geschäftsfiihrung oder ein beherrschender Einfluß, der sich auf rechtliche oder wirtschaftlich tatsächliche Möglichkeiten gründet. Damit ist die Frage offen, ob auch die Forderung eines Gesellschafters nachgeordnet wird, der weder an der Geschäftsfiihrung beteiligt ist noch eine beherrschende Stellung innehat, aber dessen Darlehen als kapitalersetzend zu qualifIzieren ist46s • Bei der Durchsicht der Entscheidungen für die empirische Erhebung tauchte kein Fall mit einer solchen Konstellation auf. Nach den Grundsätzen der Treuebindung dürften die Forderungen solcher Gesellschafter nicht nachgeordnet werden, da der Treuepflicht gerade nur diejenigen herrschenden Gesellschafter unterliegen, welche die Möglichkeit haben, die Untemehmens-
461
54 B.R. 590,603 (D.C.N.D.Georgia 1985).
462
54 B.R. 590, 603 (D.C.N.D.Georgia 1985).
463
54 B.R. 590, 603 (D.C.N.D.Georgia 1985).
464
352 f.2d 80 (4th Cir. 1965).
465
Vgl. dazu auch Immenga, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 371 f.
C. Zurechnungszusammenhang
327
politik zu bestimmen. Das gilt auch deshalb, weil - wie im Fall N&D Properties gesehen- es die amerikanischen Gerichte fiir maßgebend erachten, daß die Gesellschafter Einfluß auf die unternehmerischen Entscheidungen sowie die Kapitalstruktur des Unternehmens haben. Auf der anderen Seite haben die Gerichte mit dem Maßstab der wirtschaftlichen Einflußnahme ein sehr flexibles Instrument zur Hand, mit dem auch andere Ergebnisse erzielt werden können. Wenn etwa ein Gesellschafter erhebliche Summen als Darlehen der Gesellschaft zur Verfügung stellt, ohne sonst Einfluß zu nehmen, scheint es demnach vertretbar, allein in der Kreditvergabe schon eine wirtschaftliche Machtstellung zu sehen, die eine Nachordnung rechtfertigen könnte.
c) Verbundene Unternehmen als Adressaten einer Nachordnung
Die Möglichkeit einer kapitalmäßigen Beteiligung steht nicht nur natürlichen Personen, sondern auch juristischen Personen - Kapitalgesellschaften - offen. Gesellschafterdarlehenkönnen also auch von einer Kapitalgesellschaftstammen. Im amerikanischen Recht kommen zwanglos auch Muttergesellschaften in Unternehmensverbindungen als Adressaten fiir eine Nachordnung ihrer Forderungen in Betracht. Einige der wichtigsten Fälle in der Entwicklung der equitable subordination doctrin betrafen die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft466 • Da das amerikanische Recht kein eigenständig normiertes Konzernrecht kennt, ist neben dem Haftungsdurchgriff die equitable subordination doctrin das wichtigste Instrument zum Ausgleich von wirtschaftlichen Benachteiligungen und Vermögenseinbußen zu Lasten der außenstehenden Gläubiger, aber auch der Minderheitengesellschafter467 • Gibt es auch vielfaltige Möglichkeiten, wie die Muttergesellschaft zu Lasten ihrer Tochter handeln kann - etwa eine Dividendenpolitik zu Lasten der Tochter468 466Vgl. zum Verhältnis von Mutter- zu Tochtergesellschaften: Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 U.S. 307 (1939); Comstock v. Group of Institutional Investors, 335 U.S. 211 (1948). Da ein kodifiziertes Konzernrecht in den USA nicht besteht, übernimmt die Doktrin der equitable subordination für den Bereich der Darlehen von Muttergesel1schaften an ihre Töchter im Konkurs eine konzernrechtliche Funktion. Zum amerikanischen Konzernrecht siehe: Ebke, in: Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, S. 281 ff, 1991. 467 Zum amerikanischen Konzernrecht siehe umfassend: Blumberg, The Law of Corporate Groups, Bd. 2 und 3; Ebke, in: Das Gesel1schaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, S. 281 ff, 1991. 468 So lagen die Fälle bei: International Tel. & Tel. Corp. v. Holton 247 f.2d 178 (4th
2. Kap.: Rechtslage in den USA
328
oder das Betreiben der Tochter ohne Absicht der Gewinnerzielung469 - haben sich doch neben dem Mobile Steel Test keine eigenständigen Kategorien gebildet. Wie für die anderen Adressaten gilt auch für die Muttergesellschaft sowohl der dreiteilige Mobile Steel Test als auch der Test zur Bestimmung des inequitable conduct470 • Auch im Hinblick auf die subjektive Zurechnung gelten keine Besonderheiten. Das heißt, daß die amerikanische Rechtsordnung die equitable subordination doctrin anwendet, ohne danach zu differenzieren, ob der Darlehensgeber eine natürliche oder eine juristische Person ist. Da eine Muttergesellschaftnicht an der Geschäftsführung beteiligt ist, kommt es ausschließlich darauf an, daß sie als beherrschendes Unternehmen zu qualifizieren ist. Nur wenn sie als herrschendes Unternehmen gilt, erfaßt sie die Finanzierungsverantwortung. Hierbei gelten wiederum die gleichen Grundsätze wie bei den natürlichen Personen als Gesellschafter.
2. Gesetzliche Regelung der Finanzierungsverantwortung durch den Bankruptcy Code
a) Übernahme der durch das Case Law entwickelten Grundsätze Der Gesetzgeber hat im Bankruptcy Code von 1978 den neuen Begriff des "insiders" eingeführt. In Section 101 (30t 71 wird sehr ausführlich und genau definiert, wer als insider und damit als Adressat einer Nachordnung in Betracht kommt472 • Im Grundsatz hat der Gesetzgeber die bis zu diesem Zeitpunkt
Cir. 1957), hier wurde ein profitables Möbel-Unternehmen im Interessse der Muttergesellschaft in eine Fernsehgehäuseproduktion umgewandelt. Im Fall Gannet Co. v. Larry, 221 f.2d 269 (2d Cir. 1957) wurde aus einer Papiermühle eine Zeitungsdruckerei. 469 So etwa im Fall Taylor v. Standard Gas & Elec. Co., 306 U.S: 307 (1939), ausführlich dazu oben A.III.l.b).
470 Der Test (Matter of Mobile Steel, 563 f.2d 693, 700 (5th Cir. 1977)) lautet: I. The claimant must have engaged in some type of inequitable conduct 2. the misconduct must have resulted in injury to the creditors of the bankrupty or conferred an unfair advantage on the c1aimant; and 3. equitable subordination must not be inconsistent with the provisions of the Bankruptcy Act. 471
11 U.S.c.
C. Zurechnungszusammenhang
329
entwickelte Rechtsprechung in die KodifIzierung übernommen. Grundsätzlich gelten damit die eben dargestellten Regelungen.
b) Abweichungen von den Grundsätzen
Neben der Übernahme bestehender Wertungen sind noch Neuerungen eingeführt worden, die die Unternehmensverbindungen sowie die Umgehungsgeschäfte betreffen. Als insider gilt gern. sec. 101 (30) E auch die Muttergesellschaft, wenn sie nach sec. 101 (2) A, B direkt oder indirekt 20% der Stimmrechte hält. Mit dieser Grenze setzt die Verantwortlichkeit für eine Nachordnung früher ein als nach den bisherigen Regeln der Treuepflichten. Daß auch die Verwandten als insider genannt werden und damit Adressaten der equitable subordination doctrin sind, zeigt, daß auch die Möglichkeiten bestimmter Umgehungsgeschäfte durch die Gesetzgebung erfaßt werden sollen. 412 11 U.S.C. Section 101, danach wird Insider definiert als: "(A) if the debtor is an individual(i) relative of the debtor or a of a general partner of the debtor; (ii) partnership in which the debtor is a general partner; (iii) general partner of the debtor; or (iv) corporation of which the debtor is a director, officer, or person in control; . (B) if the debtor is a corporation(i) director of the debtor; (ii) officer of the debtor; (iii) person in control of the debtor; (iv) partnership in which the debtor is a general partner; (v) general partner of the debtor; or (vi) relative of a general partner, director, officer, or person in control of the debtor; (C) if the debtor is a partnership(i) general partner in the debtor; (ii) relative of a general partner in, general partnerod, or person in control of the debtor; (iii) partnership in which the debtor is a general partner; (iv) general partner of the debtor; or (v) person in control of the debtor; (D) if the debtor is a municipality, e1ected official of the debtoror relative of an e1ected official of the debtor; (E) affiliate, or insider of an affiliate as if such affiliate were the debtor; and (F) managing agent of the debtor;"; die Gesetzgebungstechnik für den Bankruptcy Code sieht so aus, daß in der Section 101 sämtliche Legaldefinitionen, die für das gesamte Gesetz gelten, einmal genannt werden.
2. Kap.: Rechtslage in den USA
330
Denn es ist gerade in Familienunternehmendenkbar, daß ein Darlehen von der Ehefrau des Gesellschafters tatsächlich aus dessen Vermögensmasse stammt. Und wie ein amerikanisches Gericht gesagt hat: "Courts know the facts of life". In Fällen wie diesem versuchen die insider, einer möglichen Nachordnung des eigenen Darlehens zu entgehen. Hinter dieser Regel steht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, die Darlehen müssen nur wirtschaftlich von dem Gesellschafter stammen, nicht aber rechtlich, denn sonst wären die Regelungen leicht zu umgehen. Hauptsächlich werden Familienmitglieder durch diese Regelung erfaßt. Bemerkenswert an dem Umgehungsschutz ist, daß es zu einer automatischen Zurechnung kommt. Selbst wenn die Verwandten die Darlehen aus eigenem Vermögen aufgebracht haben, und es auch wirtschaftlich nicht von dem Gesellschafter stammt, so daß keine Umgehung zu befürchten ist, werden sie zunächst als insider behandelt. Die Pauschallösung mit ihren Vor- und Nachteilen wird aber -wie zu sehen ist- durch die Rechtsprechung relativiert.
c) Durchbrechung der gesetzlichen Regelung durch die Rechtsprechung
Aufgrund der Gesetzgebung ist klar und eindeutig, wer insider ist und wer nicht. Die Rechtsprechung zeigt jedoch, daß sie die gesetzlichen Vorschriften nicht immer gelten läßt. Auch nach der Gesetzgebung von 1978 bleibt maßgebend, wie das Verhältnis von Darlehensgeber und Gesellschaft beschaffen ist: Ist der Darlehensgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage, die Unternehmenspolitik zu steuern? Beispielhaft für diese Sicht ist der schon oben erwähnte Fall In re N & D Properties 473 • Obwohl die klagende Gesellschafterin nach dem Bankruptcy Code eindeutig als Insiderin einzuordnen war, und ihr Darlehen als eigenkapitalersetzendqualiflZiert wurde, ordnete das Gericht die Forderung nicht nach. Wie schon vor dem Erlaß des Gesetzes urteilte das Gericht, solange keine Kontrolle über die unternehmerischen Entscheidungen und somit über die Finanzausstattung bestehe, könnten die Forderungen auch nicht nachgeordnet werden474 •
473
54 B.R. 590 (D.C.N.D. Georgia 1985).
474
54 B.R. 590, 603 (D.C.N.D. Georgia 1985).
C. Zurechnungszusammenhang
331
d) Ergebnis
Verallgemeinerungsfähig ist folgende Aussage: Die subjektive Zurechnung der Darlehensforderungen im amerikanischen Recht hat ihre Ursprünge in den Treuepflichten. Daher sind alle, die der Treuebindung unterliegen, mögliche Adressaten einer Nachordnung; sowohl die Gesellschafter, natürliche und juristische Personen, als auch die officer und directors der corporation. Entscheidende Bedeutung erhält die Einflußnahme auf die corporation vermittelt durch die Teilhabe an der Geschäftsfiihrung oder mittels bestimmender Einflußnahme auf die directors and officers. Minderheitengesellschafter unterliegen, wegen der fehlenden Möglichkeit, Unternehmensentscheidungen zu beeinflussen, nicht dem Kapitalersatzrecht. Die grobe, am Unternehmenserfolg orientierte Unterteilung zwischen director und officer auf der einen Seite und Gesellschafter auf der anderen Seite findet sich auch in den Testvoraussetzungen wieder. Nur die Gesellschaftertragen eine Finanzierungsverantwortungund sind damit für eine nominelle Unterkapitalisierung haftbar. Im Gegensatz dazu unterliegen die officers und directors nicht der Finanzierungsverantwortung. Sie haben eine Nachordnung nur in den Fällen zu befürchten, in denen sie durch machtbedingte Sondervorteile in Form des mismanagements außenstehende Gläubiger benachteiligt haben.
11. Haftkapital von außenstehenden Dritten -lender Iiability1. Überblick
Nach der vorstehenden Untersuchung steht fest, daß nur derjenige als Adressat einer Nachordnung in Betracht kommt, der der gesellschaftsrechtlichen Treuebindung unterfallt. Der Bankruptcy Code hat diesen Grundsatz übernommen, nach dem die sec. 510 (c) nur für die insider gern sec. 101 (31) gilt. Zwischen allen anderen Kreditgebern und der Gesellschaft bzw. den anderen Gläubigem bestehen keine Treuepflichten. Von diesem entscheidenden Grundsatz haben die amerikanischen Konkursgerichte seit 1980 eine wesentliche Ausnahme gemacht47s • Unter starker Be-
475 Kham & Nate'shoes Inc. NO.2. v. First Bank, 908 f.2d 1351 (7 th. Cir.); Matter of Clark Pipe and Supply Co., Inc. 893 f.2d 693 (5 th. Cir.) reh'g denied, 899 f.2d 11 (5 th Cir. 1990); Stratton v. Equitable Bank, 104 B.R. 713 (D. Md. 1989); In re
332
2. Kap.: Rechtslage in den USA
achtung des Schrifttums476 haben die Gerichte in den letzten Jahren das Konzept der lender liability, der Kreditgeberhaftung 477 , entwickelt. Danach können die Gerichte die außenstehenden Banken der Treuebindung unterwerfen, mit der Folge, daß sie als insider behandelt werden. Damit ist es möglich, auch die Darlehensforderungen der Banken nachzuordnen. Voraussetzung für die insider -Eigenschaft der Bank ist eine starke Einflußnahme und Kontrolle gegenüber der Gesellschaft, um ungesicherte Dritt- Gläubiger zu benachteiligen. Das Konzept der lender liability ist aber nicht auf die konkursrechtliche Situation beschränkt, sondern hat die Funktion eines Oberbegriffes, der verschiedene Prinzipien aus unterschiedlichen Rechtsmaterien wie dem contract law, corporate law, torts und anderen umfaßt. Gemeinsam ist den unterschiedlichen Ansätzen die These, daß eine Haftung aus der Kontrolle des Kreditgebers über den Kreditnehmer resultieren kann478 • Insofern ist die equitable subordination doctrin die Ausformung der Kreditgeberhaftung im Konkursrecht. Gerade im Konkurs einer Gesellschaft - dem einschneidenden Ereignis für die Gläubiger - haben die Gerichte das Bedürfnis für eine Haftung des Kreditgebers gesehen. Die equitable subordination doctrin wurde als Anknüpfungspunkt für eine Haftung gewählt, da die Rechtsfolge als passend empfunden wurde, und
Osborne, 42 B.R. 988 (WD Wis. 1984); In re Pat Freeman 42 8.R. 224 (Bankr. SD Ohio 1984); In re Sepco, 36 B.R. 279 (Bankr. DSD. 1984); In re Teltronics Servs., Inc. 29 B.R. 139 (Bankr. EDNY 1983); In re WT Grant Co., 699 f.2d 599 (2d Cir. 1983); In re Mercer Trucking Co., 16 BR 176 (Bankr. ND Texas 1981); In re American Lumber Co., 7 B.R. 519 ( Bankr. D. Minn. 1979). 476 French, 41 J. Bankr.L. & Pract. 257 ff (1995); Fure, 31 Duquesne Law Review 729 (1993); Mannino, Lender Liability, 1993; Baird, Elements of Bankruptcy, 1993 S. 161 ff; Brodsky, New York Law Journal, 14. 8.1991, S.3; Chaitman, The Law of Lender Liability, 1990; Lawrence, 62 Southern California Law Review 1387 (1989); Fischei, 99 Yale Law Journal 131 (1989); Note, 21 Georgia Law Review 723 (1987); Note, 65 Texas Law Review 801 (1987); Hass, 135 University of Pennsylvania Law Review 1321 (1987); Schechter, 19 University of California, Davis 875 (1986); Ebke/ Griffin, 40 Southwestern Law Journal 775 (1986); DeNatale/Abram, 40 Business Lawyer 417 (1985); Kunkel, 60 North Dakota Law Review 445 (1984); DouglasHamilton 31 Business Lawyer 343 (1975). 477 Dazu aus rechtsvergleichender Sicht: Schlimm, Kreditgeberhaftung gegenüber sanierungsbedürftigen Kunden nach deutschem und US-amerikanischem Recht, 1992.
478 Lawrence, 62 Southern California Law Review 1387, 1388 insbesondere Fn.3 (1989); Hass, 135 University of Pennsylvania Law Review 1321, 1323 (1987); Kunkel, 60 North Dakota Law Review 445,485 F (1984); Ebke/Griffin, 40 Southwestern L. 1. 775, 782 ff (1986), die vor allem die Common Law Theorien untersuchen.
C. Zurechnungszusammenhang
333
gleichzeitig die Rechtsfigur mit der gesetzlichen Maßgabe versehen ist, weiterentwickelt zu werden. Somit stand die equitable subordination doctrin auch einer weitreichenden Veränderung gegenüber offen. Daher nimmt die Nachordnung der Darlehen im Konkurs zu anderen Theorien der lender liability eine Sonderstellung ein, indem ihr Modell- und Vorbildcharakter für die Herausarbeitung eines eigenständigen Haftungs-konzeptes zugesprochen wird479 •
a) Begründung für eine Ausweitung der Haftung auf Non Insider Wenn die Treuepflichten entgegen ihrer Ausrichtung und der bisherigen Rechtsprechung auch auf non insider übertragen werden, ist eine Begründung erforderlich. Allerdings verweisen die Gerichte in ihren Urteilen zur lender liability meist nur auf allgemeine Billigkeitserwägungen und die Rechtswidrigkeit der Eingriffe durch die Banken480 • Im Gegensatz dazu hat sich das Schrifttum um umfassende Erklärungsansätze zu einer Haftung aufgrund Kontrolle bemüht. Als Beweis für die These, daß die Einflußnahme des Kreditgebers zu einer insider Stellung und damit zu einer Haftung führen muß, vergleichen die amerikanischen Untersuchungen zu diesem Thema die kontrollierenden Kreditgeber auf der einen Seite mit der Gruppe der nicht kontrollierenden Kreditgeber und auf der anderen Seite mit der Gruppe der Gesellschafter481 • Der Vergleich zwischen einem kontrollierenden und einem "normalen" Kreditgeber geht von der These aus, daß sowohl die möglichen Vorteile einer Kontrolle wie auch ihre Kosten den Grund für die Haftung bilden482 • Da alle Kreditgeber von ihrer Vertragsbeziehung profitieren wollen, sind solche Vorteile wie ein fester Zinssatz nicht zu berücksichtigen. Maßgebend sind vielmehr die "Extra"- Vorteile. Ein kontrollierender Kreditgeber kann, wie es auch geschehen ist, seinen Einfluß auf die Gesellschaft ausüben, um zu bestimmen, daß durch die Gesellschaft weitere Darlehen aufgenommen werden, um die
479
Schechter, 19 University of Califomia, Davis 875, 880 insbesondere Fn. 12 (1986).
480 Vgl. nur State National Bank of EI Paso v. Farah Manufactoring Co. Inc., 687 S.W. 2d 661, 690 (Tex. App. EI. Pas. 1984). 481 Schechter, 19 University of Califomia, Davis 875, 888 f (1986); Hass, 135 University of Pennsylvania Law Review 1321, 1345 ff (1987). 482
Schechter, 19 University of Califomia, Davis 875, 888 f (1986).
334
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Verbindlichkeiten aus der eigenen Kreditgeberbeziehung zu tilgen483 • Ebenso kann er seinen Einfluß nutzen, um den Tilgungsplan in der Absicht zu bestimmen, sich selbst eine vorrangige Befriedigung zu sichern. Damit erhält der Kreditgeber eine "Befriedigung" vor einem Konkurs, der ihn lediglich auf Quoten verwiesen hätte und zumindest einen partiellen Ausfall der Forderungen bedeutet hätte. Andere "normale" Kreditgeber, die ihre Interessen nur durch die Gestaltung der Kreditverträge vertreten können, sind nicht in der Lage, solche Vorteile zu erlangen. Ihnen fehlt die wirtschaftliche Macht, ihre Forderungen durchzusetzen. Anders ist die Argumentation im Hinblick auf die Vergleichsgruppe der Gesellschafter, die auf die hohe Verschuldung, also die Fremdkapitalzufuhr der Unternehmen abstellt. Ist die Eigenkapitalquote sehr gering, hat der Fremdkapitalgeber im Konkurs der Gesellschaft wenig Sicherheit und Aussichten, seine Forderungen durchzusetzen. Es kann dahin kommen, daß die Ausmaße des Verlustes fiir den Kreditgeber in einem Konkurs der Gesellschaft höher sind als für die Gesellschafter484 • Dann gewinnen Unternehmensentscheidungen für die Kreditgeber zunehmend an Wichtigkeit. Ist dies der Fall, ohne daß die Kreditgeber als Ausgleich wie die Gesellschafter an den Gewinnen in voller Höhe, sondern nur mit einem festen Zinssatz beteiligt sind, kommen die Kreditgeber in eine gesellschafterähnliche Stellung Diese Position verursacht zwangsläufig immer mehr Absprachen über die Unternehmensentscheidungen48s • Schlagwortartig kann der Vorgang als "Control follows Risk" bezeichnet werden486 • In diesem Zusammenhang wird von kontrollierenden Kreditgebern als "Quasi-Shareholder", also Quasi Gesellschaftern gesprochen487 • Haben die Kreditgeber als Nichtgesellschafter auch keine gesetzlich
483
Schechter, 19 University of California, Davis 875, 888 f (1986).
484 Siehe die Beipielsrechnung bei KleiniCofIee, Business Organization, S. 354 fI , 5th ed. 1992.
485 Zum Ganzen: Hass, 135 University of Pennsylvania Law Review 1321, 1346 f, insbesondere Fn. 105 (1987); Williamson, 93 Yale Law Journal 1197, 1212 (1984), der dieses Betrachtung allerdings auf Gesellschaften in Ländern bezieht, in denen es nur einen wenig ausgeprägten Kapitalmarkt gibt und die Unternehmen in höherem Maße auf eine Kreditfinanzierung angewiesen sind. Das Ergebnis ist aber nicht unterschiedlich, wenn Unternehmen in einem Land mit hoch entwickeltem Kapitalmarkt einen hohen Anteil Fremdfinanzierung aufweisen. 486
KleiniCoffee, Business Organizations, 5th ed. 1992, S. 255.
487
Hass, 135 University of Pennsylvania Law Review 1321, 1346 (1987).
C. Zurechnungszusamrnenhang
335
normierten Einflußmöglichkeiten auf die Entscheidungen der Gesellschaft wie das Stimmrecht, so kennt das amerikanische Recht doch die Möglichkeit, daß die Kreditgeber als Treuhänder eines Stimmrechtstrusts, als Inhaber eines unangreifbaren proxies488 oder auch als Pfandinhaber von Stimmrechten Einfluß ausüben. Außerhalb der rechtlich vorgegebenen Möglichkeiten kann auch Kontrolle ausgeübt werden, indem der Kreditmarkt mit gezielten Informationen über die Kreditwürdigkeit versorgt wird, oder indem andere informelle Wege beschritten werden489 • Hiermit knüpft die Begründung an tatsächliche wirtschaftliche Gegebenheiten und Einflußmöglichkeiten an, die neben den rechtlichen Möglichkeiten auf Entscheidungen eines kreditnehmenden Unternehmens effektiv einwirken können. Die Erklärungsansätze des Schrifttums zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß sie eine Treuepflicht der Bank gegenüber dem Kreditnehmer immer bejahen, wenn ein bestimmtes Maß an Einfluß gegeben ist, unabhängig davon, ob dieser Einfluß im einzelnen Fall rechtswidrig oder tortiuos ist. Insofern sind die Ansätze des Schrifttums weitergehend als die bisherige Rechtsprechung. Die Gerichte490 gehen bislang in den meisten Fällen nur dann von einer Treuepflichtverletzung aus, wenn neben der Kontrolle auch rechtswidrige Eingriffe zu Lasten des Kreditnehmers vorliegen.
b) Wirtschaftliche Rahmenbedingungen jUr die Entwicklung der Kreditgeberhaftung seit Beginn der 80er Jahre
Aus den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen491 , unter denen die amerikanischen Banken agieren, wird ersichtlich, warum die lender liability in ihrer heutigen Ausformung ein verhältnismäßig junges Konzept ist. Die amerikanischen Finanzierungsinstitute engagieren sich seit den 80er Jahren in bis dahin
488 Bei proxies handelt es sich um Stimmrechtsvollmachten, um die für Aktionärsversammlungen erforderlichen Quoten zu erreichen, damit die Aktionärsversammlung als Organ tätig werden kann, vgl. ausführlich Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rn. 633 ff. 489
Hass, 135 University of Pennsylvania Law Review 1321, 1346 (1987).
490
Dazu ausführlich unten C.1I.2.
491 Zur Bankensituation in den USA unter besonderer Berücksichtigung der Kreditgeberhaftung vgl.: Möllers, S. 113 ff.
336
2. Kap.: Rechtslage in den USA
untersagten oder aus Tradition nicht getätigten Geschäften wie dem Investment Banking mit Venture Capital oder der Finanzierung stark verschuldeter Leveraged Buy Outs mittels Junk Bonds492 ; dabei handelt es sich um Bankgeschäfte, die mit einem höheren Risiko behaftet sind. Im Zuge eines verstärkt einsetzenden Wettbewerbs auf dem amerikanischen Bankenmarkt treten die Banken heute weitaus marktaggressiver auf'93. Allgemein gilt die Feststellung, daß seit den 80er Jahren in den Geschäften der Banken ein größeres Risiko bei der Kreditvergabe eingegangen worden ist als in den Jahren zuvor494 . Die Gründe dafür liegen sowohl in dem verstärkten Wettbewerb der Banken als auch in dem Drängen der Aktionäre nach hoher Dividendenauszahlung495 • Diese Entwicklung führt schließlich dazu, daß die Banken an Unternehmen Kredite vergeben haben, die wirtschaftlich nicht gerechtfertigt waren, selbst wenn - wie es geschieht- die Vertragsparteien hohe Zinssätze vereinbarten. Geraten die Unternehmen dann in die Krise, liegt der Versuch nahe, die drohenden Verluste durch Einflußmöglichkeiten auf das Unternehmen abzuwenden496 . Aber schon im Vorfeld der Krise versuchen einige Banken ihre Kreditvergabe durch ein Mehr an Einflußnahme auf die Unternehmenspolitik abzusichern497 .
c) Zusammenfassung
Die Theorie der lender liability im Konkursrecht zeigt, daß der Kreis der von einer Nachordnung betroffenen Kreditgeber nicht auf Gesellschafter und die Organe einer Gesellschaft beschränkt sind. Auch Gesellschaftsfremde können der Nachordnung ihrer Darlehen ausgesetzt sein498 • Die equitable subordination Doktrin erweist sich damit als sehr flexibles Instrument, um im Konkurs
492 DeNatale/Abram, 40 Business Lawyer 417, 448 (1985). 493 Imhof, ZfKw 1984, 182; Möllers, S. 122. 494 Cates in einem Interview der N.Y. Times vom 8 Juni 1984, zitiert nach: DeNatale/Abram, 40 Business Lawyer 417, 448 (1985).
495 Krüger, ZfKw 1987, 647, 654; Möllers, S. 123. 496 Siehe dazu unten die Fälle c.n.2. 497 DeNatale/Abram, 40 Business Lawyer 417, 448 (1985); Chopper/Coffee/Morris, Cases and Materials on Corporations, 1989, S. 161 Fn. 57. 498
Zur genaueren Abgrenzung siehe C.II.2.
c. Zurechnungszusammenhang
337
einer Gesellschaft für eine als gerecht empfundene Verteilung von Vermögensgütern zu sorgen. Es kann gesagt werden, daß ein gewisses Maß der tatsächlichen Einflußnahme zu einer Haftung mit den gewährten Darlehen führt. Durch die Nachordnung wird der Haftungsfond zugunsten der anderen Gläubiger mit der Folge erweitert, daß haftendes Eigenkapital durch Dritte entsteht. Die Ausweitung des Adressatenkreises contra legern zeigt wiederum, daß die equitable subordination doctrin ein allgemeines Instrument des Ausgleiches für Gläubigerbenachteiligungen darstellt. Die Diskussion in den USA, ob eine Ausdehnung der Kreditgeberhaftung insgesamt volkswirtschaftlich positiv zu beurteilen sei, ist extrem kontrovers. Sie bewegt sich zwischen der Befürchtung einer nachlassenden Investitionsbereitschaft der Banken und der Vorstellung, daß eine Kreditgeberhaftung aufgrund von Kontrolle kleinere Kreditgeber schützt und deren Bereitschaft zur Investition wachsen läßt499 • Bislang konnte sich weder eine der beiden Ansichten durchsetzen, noch konnte eine bewiesen werden.
2. Voraussetzungen und Fallgruppen einer Haftung aufgrund von Kontrolle
In der forensischen Praxis lassen sich die Fälle einer lender liabilitysoo in zwei Gruppen unterteilensol . In der ersten geht es um Fälle einer mittelbaren Einflußnahme auf andere Kreditgeber, die durch täuschende oder irreleitende Äußerungen über das Unternehmen dazu verleitet wurden, weitere Kredite oder Warenlieferungen zu veranlassen und auf diese Weise geschädigt wurden. In der zweiten Gruppe übt die Bank eine unmittelbare Einflußnahme auf den Kreditnehmer aus, indem sie den Treuepflichten unterliegt. Liegt ein Verstoß
499 Fischei, 99 Yale L. J. 131 (1989), der zur Frage des volkswirtschaftlichen Nutzens einen kritischen Standpunkt einnimmt. Ebenso: Note, 21 Georgia Law Review 723 (1987). Dagegen: Schechter, 19 University of Califomia, Davis 875, 944 (1986).
500 Zur Lender Iiability im Konkurs gibt es eine Vielzahl von Publikationen: DouglasHamilton, 31 Bus. Law. 343,348 ff (1975); Lundgren, 67 Marq. L. Rev. 523 (1984); Note, 9 J. of Contemp. L. 247 (1983) Clarke, 54 Miss. L. J. 423 (1984); Ebke/Griffin, 40 Southwest L. J 775 (1986); Comment, 135, U. Pa. L. Rev. 1121 (1987); Rehon, 108 Banking L. J. 536 (1991); French, 41 J. Bankr. L. & Pract. 257 ff (1995).
501 Einen guten Überblick gibt: Chaitman, Lender Liability, 1990 § 7, nur zur Doktrin der Equitable Subordination.
22 Gchdc
338
2. Kap.: Rechtslage in den USA
gegen die Treuebindung vor, kann das Gericht die Forderungen der Bank nach der equitable subordination doctrin nachordnen.
a) Wirtschaftliche Nachteile jUr andere Kreditgeber aufgrund einer mittelbaren Einflußnahme
Auch in dieser Fallgruppe ist, wie bei den insidern, inequitable conduct der Schlüsselbegriff rur eine Nachordnung der Forderungen im Konkurs der Gesellschaft. Da die außenstehenden Banken nicht im gleichen Treueverhältnis zu der Gesellschaft stehen, fordern die Gerichte nicht nur einen inequitable conduct sondern einen "more egregious conduct" oder einen "gross misconduct tantamount to fraud, overreaching or spoliation to the detriment of others"so2. Damit sollen vor allem die vorsätzlichen und erheblichen rechtswidrigen Verhaltensweisen erfaßt werden. Durch die neuen Anforderungen an eine Umqualifizierung der Darlehen haben die Gerichte rur insider und non insider zwei unterschiedliche Standards anerkannt. Unproblematisch ist die Nachordnung der Forderungen, wenn der non insider gesetzwidrig handelt, indem er gegen geschriebenes Recht verstößt. In diesem Bereich besteht letztlich kein Unterschied in der Beurteilung von insider und
502 In re Branding, 536 f.2d 299, 302 (9th Cir. 1976); In re Teltronies Servs., Ine., 29 B.R. 139, 169 (Bankr.E.D.N.Y. 1983); In re Giorgio, 862 f.2d 933,939 (Ist Cir. 1988); In re Clark Pipe & Supply Co., Ine., 893 f.2d 693, 699 ff (5th Cir. 1990); In re Baker & Getty Fin. Servs. Ine., 974 f.2d 712 (6th Cir. 1992) spricht von Verhalten, das "gross or egregrious miseonduet" sein muß, wird im Fall dann verneint; In re 604 Columbus Ave. Realty Trust 968 f.2d 1332 (1992), "egregious miseonduet"; In re Badger Freightways, Inc. 106 B.R. 971 (Bankr.N.D.I11 1989) "gross miseonduet by Lender"; In re Seallyways, Ine., 84 B.R. 303 (Bankr.D.C.Mass. 1988) "conduct was suffiently egregious to be c1assified as gross misconduct neeessary to subordinate claim of noninsider" ; In re Pinetree Partners, Ltd., 87 B.R.481 (Bankr.E.D. Tenn. 1988) affd 876 f.2d 103 "gross or egregious misconduet must be established in non insider eases und er 510 (c)"; In re Heartland Chemieals Ine., 136 B.R. 503 (1992); In re Dry Wall Supply, Ine., 111 B.R. 933,938 (D.Colo. 1990) "However, when that relationship (Treuebindung aufgrund von Insidereigenschaft) is absent, the party seeking equitable subordination of a claim must demonstrate even more egregious eonduct (gross miseonduct) by the creditor"; In re Shelter Enterprise, Inc., 98 B.R. 224, 230 f (Bankr. W.D. Pa. 1989)" in ease of noninsider, the trustee must prove more ergregious conduet or overreaching and prove it with partieularity); In re Futur Energy Corp., 83 B.R. 470, 483 (Bankr. S.D. Ohio 1988) "more egregious eonduet".
C. Zurechnungszusammenhang
339
non-insider Verhaltens03 . Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Gruppen zeigt sich in dem an sich gesetzestreuen Verhalten, das dennoch als inequitable conduct eingeordnet wird. Als allgemeine Richtlinie ist der kritische Bereich für den non- insider kleiner, da grundsätzlich kein Treueverhältnis besteht. Dabei ist offensichtlich, daß die Grenze zwischen einem inequitable conduct und einem gross misconduct in der forensischen Praxis nur sehr schwer zu ziehen ists04 . Trotzdem können verschiedene Typen eines egregious misconduct festgestellt werden.
Im Fall In re Osborne ging es um die betrügerische Täuschung der Bank über ihre Bereitschaft, weitere Kredite zur Verfügung zu stellen. Die Bank hatte einem Warenkreditgeber die Begleichung seiner Rechnung versprochen, was weder geplant noch möglich war. Der Lieferant vertraute auf die Zusage und lieferte weiter. Die Forderung der Bank wurde zugunsten des Warenlieferanten nachgeordnet. Bemerkenswert war die Rechtsfolge insofern, als die Bank verurteilt wurde, direkt die Rechnungen des geschädigten Gläubigers zu begleichensos. Ein anderes Beispiel für egregious misconduct ist die Schädigung eines anderen Gläubigers im eigenen Interesse. Im Fall In re Pat Freemans06 ordnete das Konkursgericht die Sicherheiten eines Kreditgebers zugunsten des anderen nach. Der erste Kreditgeber hatte es nach einer schriftlichen Vereinbarung übernommen, die vorrangigen Forderungen des zweiten Kreditgebers gleichzeitig mit seinen eigenen geltend zu machen. Statt dessen setzte er aber seine eigenen Ansprüche an erste Stelle, um eine vorrangige Befriedigung zu erlangen. Die Art des inequitable conduct in dieser Fallgruppe entspricht dem ersten Teil des Mobile Steel Tests, indem als Voraussetzungen illegality, fraud und
503
Epsteinl Nicklesl White, Bankruptcy, Vol. 2 § 6-93 S. 265.
504 In re Osbome, 43 B.R. 988, 996 (Bankr. W.D. Wis. 1984) "The distinction between "inequitable conduct" and gross misconduct (possible involving moral turitude) would seem to be a difficult one to draw in practise."
505 In re Osborne, 42 B.R. 988, 990 (Bankr. W.D.Wis. 1984); DeNatalel Abram, 40 Bus. Law. 417, 430 (1985) mit einer guten Übersicht zu dieser Fall gruppe. 506
22*
In re Pat Freeman 42 B.R. 224 (Bankr. S.D. Ohio 1984).
340
2. Kap.: Rechtslage in den USA
breach of fiduciary duties genannt wird. Lediglich an das Ausmaß des inequitable conduct stellen die Gerichte höhere Anforderungen.
b) Unmittelbare Einflußnahme auf den Kreditnehmer durch den Kreditgeber
Der Haftungstatbestand der Kontrolle sieht sich der Schwierigkeit gegenüber, die wirtschaftlich sinnvolle und berechtigte Sicherung der Bankeninteressen von nicht mehr zu tolerierenden Eingriffen in die Unternehmensführung abzugrenzen. Welches Ausmaß an Kontrolle und Einflußnahme die amerikanischen Gerichte akzeptieren, läßt sich nur anhand einzelner Fallgruppen beschreiben.
aa) Vertragliche Grundlage als Möglichkeit einer Kontrolle und Einflußnahme Im Fall In re TE Mercer Trucking CO. 507 lehnte das Gericht das Klagebegehren auf Nachordnung der Forderungen, die der wichtigste Kreditgeber und Warenlieferant Fruehauf Corp. geltend machte, ab. Der Kläger verlangte die Nachordnung mit der Begründung, daß die Darlehensvereinbarungenzwischen Mercer Trucking und Fruehauf dem Darlehensgeber die folgenden Rechte gab: Kontrolle über das Bankkonto des Kreditnehmers, einen Sitz im board of directors, die Möglichkeit, durch einen eigenen Angestellten in die täglichen Geschäfte des Unternehmens (supervision of day to day business) einzugreifen, das Recht, die Bezüge des Managements festzusetzen, das Vermögen des Kreditnehmers zu liquidieren. Durch die vertragliche Vereinbarung besaß der Kreditgeber eine umfassende und totale Kontrolle über den Kreditnehmer. Trotzdem wies das Gericht die Klage zurück. Lediglich die vertraglich vereinbarte Möglichkeit, den Kreditnehmer zu kontrollieren und auf seine Unternehmenselltscheidungen Einfluß zu nehmen, reiche nicht aus, die Forderungen llachzuordnen. Es genügte nicht das Recht zur Kontrolle und -Einflußnahme, es müsste auch genutzt werden 508 • Auch wenn dem Kreditgeber äußerst um-
507
In re Mercer Trucking Co., 16 B.R. 176 (Bankr. N.D. Tex. 1981).
508 In re Mercer Trucking Co., 16 B.R. 176, 190 (BankT. N.D. Tex. 1981). Mit dieser Argumentation liegt das Gericht auf der Linie des U.S. Supreme Court im Fall Comstock v. Group of Institutional Investors, 335 U.S. 211,229 (1948): "it is not the mere existence of an opportunity to do wrong that brings the rule into play; it is the uncons-
C. Zurechnungszusamrnenhang
341
Hingliehe vertraglich abgesicherte Rechte zu einer Kontrolle des Kreditnehmers zustehen, reicht dies nicht aus, eine Nachordnung zu rechtfertigen. Der Rahmen der zulässigen Kontrolle -wie auch andere GerichteS09 bestätigen- wird nicht durch die bloße Möglichkeit der Einflußnahme überschritten.
bb) Einflußnahme auf einzelne Unternehmensentscheidungen Im Fall Krivo Industrial Supply Co. v. National Distillers & Chemical COrp.SIO versuchte eine Gruppe von Gläubigem der insolventen Brad's Machine Production die National Distillers & Chemie al Corp., die Muttergesellschaft von Bridgeport Brass & Co., für ausstehende Verpflichtungen haftbar zu machen. Die Unternehmen Brad und Brass standen in laufenden Geschäftsbeziehungen, in deren Folge Brad der Brass insgesamt $ 1,6 Millionen schuldete, die in ein Schuldversprechen (promissery note) umgewandelt wurden. Aufgrund der schlechten fmanziellen Lage drohte die Regierung, den Vertrag mit Brad über die Lieferung von Munition zu kündigen. In der Folge kamen National Distillers und Brad überein, daß National Distillers weitere $ 600.000 lieh, $ 650.000 stundete und sowohl beim Verkauf von unprofitablen Immobilien als auch in der weiteren Finanzplanung half. Im Gegenzug erwarb National Distillers Aktien und verschiedene Immobilien von Brad. Trotz der verschiedenen Hilfen konnte das Unternehmen nicht saniert werden. Das Gericht des 5th Circuit lehnte es ab, die Kreditgeber für die Forderungen der Kläger haften zu lassen. Brad war von National Distillers finanziell vollkommen abhängig. Ebenso besaß National Distillers Aktien und Sicherheiten des Unternehmens und hatte in der Geschäftsführung weitreichende Befugnisse wie etwa die Abwicklung auch aller anderen Darlehensgeschäfte. Das Gericht erkannte grundsätzlich an, daß ein Kreditgeber der Treuepflicht unterfalle, wenn er "actual, participatory, total control of the debtor" habe Stt . Im Ergebnis lehnte cionable use of the opportunity afforded by the domination to advantage itself at the injury of the (debtor) that deprives the wrongdoer of his wrong." 509 In re Tinsley and Groom, 49 B.R. 85, 90 (Bankr. W.D. Ky. 1984) "It is not the right to control which is determinative ... , but rather the ... exercise of such control in a given case which dictates the applicability of such doctrine (equitable subordination)".
510 483 f.2d 1098 (5th Cir. 1973), modified and petition for reh'g denied, 490 f.2ed 916 (5th Cir. 1974). 511 In re Krivo Industrial Supply Co. v. National Distillers & Chemical Corp., 483 f.2d 1098, 1105 (5th Cir. 1973).
342
2. Kap.: Rechtslage in den USA
das Gericht im vorliegenden Fall eine Erstreckung der Treuepflichten ab, da das Unternehmen nicht einer umfassenden Kontrolle unterlag und seine eigenen Unternehmensinteressen wahrnehmen konnte Sl2 • Zwar hatte National Distillers Einfluß auf einzelne Unternehmensentscheidungen, aber letztlich blieb Brad ein eigener unternehmerischer Spielraum. Andere Gerichte entscheiden ganz ähnlich. Sie lehnen eine haftungsbegründende Kontrolle der Banken ab, wenn diese lediglich einzelne Unternehmensentscheidungen bestimmen, aber nicht eine umfassende Kontrolle auf einer "day to day" Basis ausüben5l3 •
cc) Einflußnahme aufgrund der ausgenutzten Verhandlungsmacht Die am häufigsten zitierte Entscheidung, um zu bestimmen, welche Maßnahmen zum Schutz der berechtigten Bankeninteressenzulässig sind, ist der Fall In re WT Grane l4 • Hier sollten die Forderungen der Bank vor den mittels einer Rangrücktrittsvereinbarung nachgeordneten Ansprüchen anderer Gläubiger befriedigt werden. Dagegen wandte sich der Konkursverwalter mit folgenden Argumenten: Erstens habe die Bank durch ihren beherrschenden Einfluß WT Grant gezwungen, Sicherungsverträge abzuschließen, um zuvor ungesicherte Darlehen im nachhinein noch zu sichern, obwohl Grant zu diesem Zeitpunkt schon insolvent war. Durch die Besicherung der Bankdarlehen seien den anderen Gläubigem erhebliche Nachteile entstanden, da die Haftungsmasse beträchtlich reduziert wurde. Zweitens benutzte die Bank ihren Einfluß, um den Warenkreditgebern eine Teilnahme an ihren eigenen dinglichen Sicherungsabreden anzubieten. Dadurch wurde das Problem eines reduzierten Warenkredites mit der Folge gelöst, daß die ungesicherten Darlehensgeber eine schlechtere Stellung im Konkurs erhielten. Drittens verbot die Bank Grant, mit noch ausstehenden Forderungen in Höhe von $ 100 Millionen die eigenen Schulden zu tilgen. Die anderen Gläubiger argumentierten, daß die Tilgung einen positiven Effekt
512 In re Krivo Industrial Supply Co. v. National Distillers & Chemical Corp. 483 f.2d 1098, 11 06 (5th Cir. 1973). 51J Val des v. Leisure Resource Group, Inc. 810 f.2d 1345 (5th Cir. 1987); NCNB National Bank ofNC v. Tiller, 814 f.2d 931 (4th Cir. 1987). 514
In re W.T. Grant Co., 699 f.2d 599, 609 (2d Cir. 1983).
C. Zurechnungszusammenhang
343
auf Grants Betriebskapital gehabt hätte. Die Banken hätten die an sich wirtschaftlich sinnvolle Transaktion nur deshalb unterbunden, weil dadurch die anderen Gläubiger vor den Banken befriedigt worden wären. Viertens habe die Bank ihren beherrschenden Einfluß ausgeübt, um den Konkurseintritt solange aufzuschieben, bis alle eigenen Forderungen nachträglich be sichert waren. In dieser Zeit unterstützten die Banken Grant mit ausreichenden Mittel, um zu überleben, nicht aber, um gewinnträchtig arbeiten zu können. Das Appeal-Gericht des zweiten Circuit bestätigte die Entscheidung des Konkursgerichtes und des District- Gerichtes, daß der Fall keine Grundlage für eine Nachordnung der Bankenforderungen bot. Das Gericht bestätigte ausdrücklich, daß die Bank Grant nicht in unzulässigerweise Weise kontrolliert und beeinflußt habe: "there is generally no objection to a creditor's using his bargaining position, including his ability to refuse to make further loans needed by the debtor, to improve the status of his existing claims"515. Das Gericht führte weiter aus, daß es für eine Erstreckung der Treuepflichten auf non insider nicht genüge, wenn die Bank ihre überlegene Verhandlungsposition einsetze und mit der Verweigerung von weiteren Krediten drohe 516 • Für eine unzulässige Beherrschung müsse weiterhin nachgewiesen werden, daß die Bank lediglich zu ihren Gunsten und gleichzeitig zum Nachteil der anderen Kreditgeber gehandelt habe. Damit steht In re WT Grant für die Regel, daß eine Bank keine unzulässige Kontrolle ausübt und dadurch der Treuebindung unterfallt, wenn die Vergabe zusätzlicher Darlehen von einer weiteren Sicherheitenbestellungund geschäftlichen Ratschlägen abhängig istS17 • Das Ergebnis in Grant liegt auch auf der Linie früherer Entscheidungen518 : Die Möglichkeit, einzelne Unternehmensentscheidungen aufgrund der weiteren Kreditvergabepraxis mit zu beeinflussen, begründet keine Treuepflicht und damit keine Nachordnung der Darlehensforderungen.
515
In re W.T. Grant Co., 699 f.2d 599, 610 (2d Cir. 1983).
516
In re W.T. Grant Co., 699 f.2d 599, 610 f (2d Cir. 1983).
517
Chaitmann, Lender Liability, § 7.02(2)(d) S. 7-22.
518
Vgl. In re Prima Co., 98 f.2d 952, 965 (7th Cir. 1938).
344
2. Kap.: Rechtslage in den USA
dd) Umfassende Einflußnahme auf sämtliche Untemehmensentscheidungen Einer der wenigen Fälle und gleichzeitig die berühmteste Entscheidung, in der aufgrund einer unzulässigen beherrschenden Einflußnahme auf den Kreditnehmer die Darlehensforderungen nachgeordnet wurden, ist In re American Lumber 19 • In diesem Fall hatte die Bank zunächst an allen Konten und vertraglichen Rechten des Schuldners Sicherheiten. Nach einem Zahlungsverzug und anschließenden Stundungsgesprächen ließ sich die Bank zusätzlich das gesamte Eigentum zur Sicherheit übertragen. Weiterhin erwarb die Bank fiir den Fall eines weiteren Zahlungsverzuges 92% der Stimmrechtsanteile zur Absicherung. Die Bank bestimmte über den gesamten Tilgungsplan und erlaubte aufgrund ihres Einflusses nur solche Zahlungen, die fiir sie selbst vorteilhaft waren. Nach den Maßnahmen zur eigenen Sicherung entließ die Bank die gesamten Angestellten und stellte dann fiir den Zweck der Liquidation eine "Rumpf"- Belegschaft ein. Um bestehende Investitionen zu schützen, teilte die Bank anderen Kreditinstituten mit, daß der Kreditnehmer solvent sei und daß bestehende Vertragsverpflichtungen erfüllt würden, soweit es erforderlich sei. Im vorliegenden Fall hat die Bank die täglichen Geschäftsvorgänge kontrolliert, sämtliche Befugnisse der Geschäftsführung wahrgenommen und den Kreditnehmer nur noch im eigenen Interesse am Leben erhalten. Während die Bank im Konkurs der Gesellschaft nahezu keine Verluste erlitt, erhielten die anderen Gläubiger nichts oder fast nichts. Das Gericht bejahte die equitable subordination doctrin. Die Bank hatte die Grenzen der zulässigen Einflußnahme durch ihre absolute Kontrollausübung zum Nachteil der anderen Kreditgeberüberschritten. In diesem Fall mußten die Kreditnehmer geschützt werden. Der Fall In re American Lumber ist instruktiv im Hinblick auf den Grad der Kontrolle, der notwendig fiir eine Erstreckung der Treuebindung auf noninsider ist. Wie einige Gerichte sagen, werden die Forderungen erst bei "virtually complete control" oder "substantial control" nachgeordnet52o • Die Kontrolle muß so beherrschend sein, daß die Bank auftritt, als wäre sie die Eigentümerin und herrschende GesellschafterinS21 • 519
In re American Lumber Co., 5 B.R. 470 (Bankr. D. Minn. 1980).
520 In re Osbome, 42 B.R. 988, 997 (W.D. Wis. 1984) "virtually complete control"; Matter of Pinetree Partners, Ltd., 87 B.R. 481, 489 (Bankr. N.D. Ohio 1988); In re Ludwig Honold Mfg Co., Inc., 46 B.R. 125, 129 (Bankr. E.D. Pa. 1985). 521
In re Bumer, 109 B.R. 216, 228 (Bankr. W.D. Tex. 1989) "so overhe\ming that
C. Zurechnungszusammenhang
345
ee) Ergebnis Vertraglich vereinbarte Möglichkeiten zur Einflußnahme können eine Nachordnung solange nicht rechtfertigen, wie die Möglichkeiten nicht wahrgenommen werden522 • Eine Haftung wird ebenso abgelehnt, wenn die Bank nur einzelne Unternehmensentscheidungen bestimmt und dem Gläubiger so ein wirtschaftlicher und unternehmerischer Handlungsspielraum verbleibt523 • Eine Haftung wird auch für die Fälle verneint, in denen die Bank ihre überlegene Verhandlungsposition einsetzt und mit der Verweigerung von Krediten drohe24 •
Erst wenn die Kontrolle und der Einfluß auf die Kreditnehmer so umfassend ist, daß die Bank die Stellung eines Gesellschafters einnimmt, sind die Gerichte bereit, eine Haftung zu bejahen. Angesichts der Fallgruppen, in denen die equitable subordination abgelehnt wurde und der nur als kraß zu bezeichnenden Umstände einer "virtually complete control" ist die lender liability ein Instrument für außergewöhnliche Fälle. Wie rigide die Rechtsprechung das Konzept einer Haftung aufgrund von Kontrolle auslegt, zeigt eine Entscheidung In re Auto Specialities MfG Co. m . Darin stellte das Gericht die sehr engen Voraussetzungen vor, unter denen eine Nachordnung der Darlehen außenstehender Dritter zulässig ist: - A lender may become a fiduciary of the debtor and possibly the debtor's creditors if it uses its leverage to take over operations of the company and thus step into the shoes of traditional corporate fiduciaries .... the line between the debtor and lender is crossed where the lender exercises control over all or substantially all of the finances and operations of the debtor. - It is only when lender effectivley steps into the shoes of current management
that it is subjected to a fiduciary standard ... the lender must supplant current management in order to have control of the business.
there has been a merger of identities and that the creditor has became the alter ego of the debtor". 522
Siehe C.II.2.a).
m Siehe C.II.2.b). 524
Siehe C.II.2.c).
525
153 B.R. 457 f(Bankr.WD.Mich.1993).
346
2. Kap.: Rechtslage in den USA
- Actual day-to-day control is required because the debtor may parry any single thrust by filing bankruptcy. Betrachtet man diese Aussagen der Rechtsprechung, dann wird es auch in Zukunft nur sehr wenige non- insider geben, die eine Nachordnung ihrer Forderungen befürchten müssen. Diese These wird von den Ergebnissen der empirischen Untersuchung bestätigt526 • Demnach sind die Kläger, die eine Nachordnung der non-insider Forderungen begehren, nur in 25 % der Fälle erfolgreich, während die Erfolgsquote gegenüber den insidern bei fast 50 % liegt.
c) Nominelle Unterkapitalisierung bildet keine Grundlage für die Nachordnung von non insider Darlehen
Im Hinblick auf die vorliegende Untersuchung liegt der wesentliche Unterschied zwischen insider und non- insider in der Beurteilung der nominellen Unterkapitalisierung. Kein Gericht bezieht sich auf den Tatbestand der nominellen Unterkapitalisierung, wenn eine Nachordnung von non-insider Forderungen diskutiert wird. Vielmehr wird ausdrücklich die insider bzw. die Gesellschafter- Stellung als Voraussetzung für eine Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital genannt527 • Der Grund für die Rechtsprechung liegt in der engeren Treuebindung, die der Gesellschafter unterliegt. Der Bereich des inequitable conduct für einen Gesellschafter hat engere Grenzen als für eine kreditgebende Bank. Die Wertung liegt auf der Hand, denn der Gesellschafter hat aufgrund seiner Stellung als Eigentümer die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung. Er unterliegt der Rechtspflicht, die Gesellschaft zu jeder Zeit ihrer aktiven wirtschaftlichen Tätigkeit so zu finanzieren, daß ihr eigener Risikobeitrag zu dem der Gläubiger innerhalb der Grenzen der Fairneß bleibt528 •
526
Siehe dazu unten D.lV.
527 In re Shelter Enterprises, Inc. 98 B.R. 224,232 (Bankr. W.D. Pa. 1989); "only insider's claim can be subordinated for undercapitalization); In re Dan-Ver Enterprises, Inc., 86 B.R. 443, 448 (Bankr. W.D. Pa. 1988) "undercapitalization is only a basis for subordination where the c1aimant is a director, shareholder, or other insider"; In re Minnesota Kicks, Inc. 48 B.R. 93, 107 (Bankr. D. Minn. 1985) das Gericht lehnt eine Nachordnung ab, da der Darlehensgeber kein Gesellschafter war.
C. Zurechnungszusammenhang
347
III. Zusammenfassung der Ergebnisse Wer im amerikanischen Recht der Finanzierungsverantwortung unterliegt, richtet sich nach der Treuebindung, die dem Recht des Haftungsdurchgriffes entstammt. Eine Treuepflicht besitzen neben dem officer und director der Gesellschaft auch die beherrschenden Gesellschafter. Der beherrschende Einfluß ergibt sich entweder aus einem mehrheitlichen Anteilsbesitz oder einer kontrollierenden wirtschaftlichen Machtstellung. Die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierungtragen nur die Gesellschafter, nicht aber die directors oder officers. Der Treuebindung unterliegen sowohl natürliche wie juristische Personen, so daß die Regeln auch innerhalb von konzernrechtlichen Tatbeständen gelten. Diese Grundsätze wurden durch den Bankruptcy Code mit dem Begriff des insider übernommen und durch die Erfassung von Umgehungsgeschäften ergänzt. Seit Anfang der 80er Jahre erstrecken die Konkursgerichte die Nachordnung auch auf Personen, die keiner gesellschaftsrechtlichen Treuebindung unterliegen, vornehmlich die Banken. Die Fälle einer Kreditgeberhaftung lassen sich in die mittelbare Beeinflussung auf andere Kreditgeber und die unmittelbare Beeinflussung der Kreditnehmer unterscheiden. Eine "Haftung für Herrschaft" über den Kreditnehmer gibt es nur in seltenen und sehr außergewöhnlichen Fällen. Dazu muß der Kreditgeber den Kreditnehmer umfassend kontrollieren und Einfluß auf die täglichen Unternehmensentscheidungen zu Lasten anderer Gläubiger ausüben. Der Tatbestand der nominellen Unterkapitalisierung bietet für die Bankdarlehen -anders als bei den Gesellschafterdarlehen- keine Grundlage für eine Umqualifizierung. Das heißt, ein Bankdarlehen kann nicht aufgrund einer nominellen Unterkapitalisierung umqualifiziert werden. Die equitable subordination doctrin ist ein sehr flexibeles Instrument, um verschiedene rechtliche Konfliktsituationen im Konkurs zu bewältigen. Damit stellt sich auch bei der Frage nach der subjektiven Zurechnung die equitable subordination doctrin als allgemeine Figur der Nachteilsausgleichung dar.
528
Lutter, FS Riesenfeld, S. 165, 174.
348
2. Kap.: Rechtslage in den USA
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen I. Ausformung der Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen bei verschiedenen Gesellschaftsformen als allgemeines Prinzip
Bisher sind die wesentlichen Merkmale und Voraussetzungen der equitable subordination Doktrin vorgestellt worden, ohne zu bestimmen, ob die Nachordnung von Gesellschafterdarlehen lediglich als Problem einer bestimmten Gesellschaftsform zu qualifizieren ist. Nach dem bisherigen Fallmaterialliegt es nahe, daß die Nachordnung von Darlehen typischerweise als Schwierigkeit der close corporation -oftmals einem kleinem oder mittelgroßen Familienunternehmen- anzusehen ise 29 • Eine solche Vermutung ist deshalb gerechtfertigt, weil der Investitionsbedarf solcher Gesellschaften in vielen Fällen mit Gesellschafterdarlehen und nicht durch eine Erhöhung des Gesellschaftsvermögens gedeckt wird 530 • Ob die Grundsätze der equitable subordination Doktrin auch innerhalb der Personengesellschaften531 und der public corporation532 angewendet werden, ist eine bislang offene Frage. Mit der Fragestellung werden zwei zusammenhängende Themen angeschnitten. Erstens ist zu untersuchen, inwieweit es sich bei der equitable subordination Doktrin um eine rechtsformspezifische oder eine rechtsformunabhängige Regelung handelt. Eine rechtsformspezifische Natur ist zu bejahen, wenn nur innerhalb einer bestimmten Gesellschaftsform die Gesellschafterdarlehen im Konkurs nachgeordnet werden. Wenn die Nachordnung der Gesellschafterdarlehen im Grundsatz aber bei allen Gesellschaftsformen gilt, handelt es sich um ein rechtsformunabhängiges Problem. Damit ist der zweite Themenpunkt berührt: Die Beurteilung der Gesellschafterdarlehen im Konkurs aktualisiert immer die Abgrenzung der Risikoverteilung zwischen Gesellschafterund Dritt Gläubiger in der Unternehmensfinanzierung. Das Risiko ist aber nur Ausdruck 5Z9 Zur empirischen Erfassung, für welche Gesellschaftsformen die Grundsätze der equitable subordination Doktrin gelten, siehe unten D.IV.
530
Vgl. die Argumentationen im Gesetzgebungsverfahren oben A.III.2.c).
531 Zur partnership im amerikanischen Recht vgl. den 1992 verabschiedeten Revised Uniform PartnershipAct (RUPA). Dazu siehe Klein! Coffee, BusinessOrganization, 5th ed. 1992, eh. 11.3., S. 62; ausführlich das grundlegende Werk von: Bromberg/ Ribstein, Partnership, 2 Bände, 1988. 532 Ausführlich zur public corporation: Klein! Coffee, Business Organization, 5th ed. 1992, eh. III S. 105 ff; Merkt, US- amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rn. 208 ff.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
349
fiir die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital, d.h. daß das Problem der Gesellschafterdarlehen überall auftritt, wo es zu einer Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital kommt. In der Konsequenz stellt sich die Frage, ob die materiellen Finanzierungsregelnrechtsformunabhängig sind und ob es einen rechtsformunabhängigen materiellen Eigenkapitalbegriff gibt.
1. Regelungen im Insolvenzrecht
Die Frage, ob ein rechtsformunabhängiges Prinzip hinter der Regelung der Gesellschafterdarlehensteht (und damit ein rechtsformunabhängigermaterieller Eigenkapitalbegriff) wird im amerikanischen Recht nicht in dieser Form gestellt. Neben einer geringeren Systematisierung und Begriffsbildung des amerikanischen Rechts liegt es auch daran, daß es eine unproblematische formale Antwort auf diese Frage gibt. Die Nachordnung von Darlehen ist unter dem Begriff der equitable subordination in sec. 510 (c) des Bankruptcy Code von 1978 533 geregelt, ohne daß diese Norm selbst auf bestimmte Gesellschaftsformen beschränkt wäre. Der Bankruptcy Code - also auch sec. 510 (c) - gilt im Falle der Liquidation (Verfahren nach Chapter 7) gern. sec. 109 (b),(d) fiir jede "person"S34. Nach der Legaldefinition beinhaltet der Begriff "person": natürliche Personen, Kapitalund Personengesellschaften. Lediglich Eisenbahngesellschaften, bestimmte Banken und Versicherungen sind ausgeschlossens3s . Das amerikanische Recht trifft mithin keine Unterscheidung in der Behandlung von Gesellschafterdarlehen im Hinblick auf die betroffene Gesellschaftsform; es gibt keine rechtsformspezifische Unterscheidung. Eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen aufgrund der equitable subordination Doktrin ist nicht nur bei der elose und der
533
11 U.S.C.
534 11 U.S.c. 109 (b): A person may be a debtor under chapter 7 of this title only if such a person is not(1) a railroad (2) a domestic insurance company, bank, savings bank, cooperative bank, savings and loan association, building and loan association, homestead association, credit union, or industrial bank or similia institutions which is an insured bank as defined in section 3(h) of the Federal Deposit Insurance Act (12 U.S.c. 1813(h). 535
VgJ. auch Anzivino, Partnership Bankruptcy, 1992, S. 4 ff.
350
2. Kap.: Rechtslage in den USA
public corporation möglich, sondern auch bei der Personengesellschaft, sowie in letzter Konsequenz auch bei einer natürlichen Person. Insofern stimmt die Gesetzgebung mit dem Schrifttum536 überein, nach dem es keinen Unterschied macht, wenn ein Kapitalgesellschafter oder ein Personengesellschafter ein Darlehen gegenüber seiner Gesellschaft im Konkurs geltend macht. Denn in beiden Fällen soll dem Gesellschafter keine Forderung aus Darlehen zustehen, die ursprünglich eine Eigenkapitalzufuhr darstellte. Ohne darüber hinaus zu problematisieren, wird von der Rechtsfigur der equitable subordination Doktrin als einem allgemeinem Prinzip ausgegangen. Das amerikanische Recht sagt in der Substanz, daß es sich bei den Gesellschafterdarlehen um ein Problem handelt, welches immer dort zwangsläufig auftreten muß, wo es um die Abgrenzung von Risiken an einem wirtschaftlichen Verlust zwischen Gläubigem und Gesellschaftern in der Finanzierung von Unternehmen geht. Anders gewendet kommt es zu einer zwangsweisen Nachordnung von Darlehen bei allen Gesellschaftsformen, wenn zwischen Fremdund Eigenkapital (debt und equity) unterschieden wird. Die materiellen Finanzierungsregeln der equitable subordination Doktrin sind rechtsformunabhängig und bilden einen eigenen materiellen KapitalbegrifF 37 • Daß das amerikanische Recht ein allgemeines Problem erkennt, das immer entsteht, wenn zwischen Fremd- und Eigenkapital unterschieden wird, ist auch aus der historischen Entwicklung der equitable subordination zu erklären. Der Konflikt um die angemessene Verteilung des wirtschaftlichen Risikos als Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital zwischen Gesellschafter und außenstehenden Gläubiger wurde erstmals 1939538 in einem Konkurs relevant und konnte nur dort gelöst werden. Die Entwicklung eines allgemeinen Prinzips erscheint insofern zufällig, aber gleichzeitig auch treffend, denn es erkennt, daß die zugrunde liegende Konfliktlage zwischen Gesellschafter und Gläubiger, wer das wirtschaftliche Risiko tragen soll, immer eine Frage nach der Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital darstellt. Folgerichtig wurde später auch
536
Herzog! Zweibel, 15 Vand. L. Rev. 83,96 (1961).
537 Zu dem gleichen Ergebnis kommt Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Vntemehmensrecht, 1996, S. 247. 538
Pepper v. Litton 308 V.S. 295 (1939); Standard Gas & Electric Co., 306 V.S. 307
(1939).
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
351
kein Versuch unternommen, das Problem der Gesellschafterdarlehen nicht im Bankruptcy Code zu normieren. Daß es sich bei dem Problem der Gesellschafterdarlehenum ein allgemeines rechtsformunabhängiges Prinzip handelt, widerspricht nicht der Feststellung, daß die Problematik schwerpunktartig ~ei der elose corporation auftritt und nicht bei anderen Gesellschaftsformen.
2. Uniform Partnership Act als Grundlage für eine Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital
Daß auch innerhalb des Rechtes der Personengesellschaften - partnerships539 - zwischen Fremd- und Eigenkapital unterschieden wird, kann noch durch einen weiteren Nachweis belegt werden. Entsprechende Regelungen finden sich im amerikanischen Revised Uniform Partnership Act (R.U.P.A.)54o. Nach den §§ 18 (a), 40 (b) R.U.P.A. können die Personengesellschaftereiner partnership ihr Unternehmen auf zwei Arten finanzieren, entweder mit capital oder mit advances, wobei letztere als Darlehen eingeordnet werden. Die Unterscheidung ist nicht nur begrifflicher Art, sondern hat bedeutende Auswirkungen: Advances werden in der Auflösung der Gesellschaft vor capital zUlÜckgewährt und können von dem Zeitpunkt ihrer Rückzahlung an verzinst werden541 . Damit trägt das capital ein größeres Verlustrisiko als die advances und erhält keine entsprechende Verzinsung. Um sich die Vorteile zu sichern, die die advances bieten, sind die Gesellschafter immer bemüht, ihre Kapitalbeiträge rückblickend nicht als capital, sondern als advances zu qualifizieren. Diesen Bestrebungen sind die Gerichte aber schon frühzeitig entgegengetreten. So werden die Mittel als advances eingeordnet, wenn die Gesellschafter nicht
S39Dazu: Klein! Coffee, BusinessOrganization, 5th ed. 1992, eh. 11.3., S. 62; ausführlich das grundlegende Werk von: Bromberg/ Ribstein, Partnership, 2 Bände, 1988. 540 Der Uniform Partnership Act U.P.A. ist ein Mustergesetz ursprünglich aus dem Jahr 1913, das mehrfach geändert durch fast alle Bundesstaaten der USA übernommen wurde. Seit 1992 gilt der Revised Uniform Partnership Act. Zur Geschichte und den wichtigsten Regelungen vgl.: Hamilton, Corporations, 4th ed 1990 Introduction S. 2 ff; Klein/ Coffee, Business Organization, 5th ed. 1992, eh. 11.3., S. 62. 541 Umfassend zu den Fragen einer Finanzierung der Partnership, Bromberg/ Ribstein, Partnership, § 6.02 (d), 6: 18 ff.
352
2. Kap.: Rechtslage in den USA
beabsichtigen, die Mittel als haftendes Kapital zu riskieren542 • Um eine objektivere Abgrenzung zu erreichen, wird teilweise vorgeschlagen, darauf abzustellen, ob die Gesellschafter eine Rückzahlung schon vor der Auflösung der partnership erwarten oder nicht543 • Als Indiz für die Eigenschaft als capital wird es gewertet, wenn die Mittel auch als Eigenkapital bilanziert werdens44 • Für das amerikanische Recht stellt es kein rechtliches Problem dar, auch die Gesellschafterdarlehenan eine Personengesellschaftim Konkurs zu verstricken. Gestützt wird damit die These von einem umfassenden rechtsformunabhängigen materiellen Eigenkapitalbegriff4s •
11. Nutzungsüberlassung
Nutzungsüberlassung ist der Oberbegriff für eine Verpachtung, Vermietung oder ein Leasinggeschäft zwischen Gesellschafter und Gesellschaft, durch das der Gesellschaft bestimmte, für die unternehmerische Tätigkeit notwendige Gegenstände zur Verfügung gestellt werden. Hierbei handelt es sich um schuldrechtliche Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter; die dingliche Zuordnung wird nicht berührt. Die Funktion einer Nutzungsüberlassung ergibt sich aus einem Vergleich mit der Darlehensgewährung an eine Gesellschaft in der Krise. Um eine nominelle Unterkapitalisierung der Gesellschaft zu überwinden, können die Gesellschafter Kredite zur Verfügung stellen. Ebenso wirkungsvoll kann das Weiterleben der Gesellschaft durch eine Nutzungsüberlassung gewährleistet werden. Aus der Sicht der Gesellschaft macht es keinen Unterschied, ob die notwendigen Betriebsgegenstände als Eigentum erworben werden oder leih- bzw. mietweise zur Verfügung stehen. Entscheidend ist die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit. Beide Finanzierungsformen, Darlehen und Nutzungsüberlassung, sind wirtschaftlich
542 Die Gerichte sprechen dabei von "irrevocably risked in the business" M. & C. Creditor Corp. v. Pratt, 172 Mise. 695, 17 N.Y.S.2d 240 (1938), affd., 255 A.D. 838, 7 N.Y.S.2d 662 (1938), affd, 281 N.Y. 804,24 N.E.2d 482 (1939).
543
Bromberg/ Ribstein, § 6.02 (d), 6: 20.
544
Bromberg/ Ribstein, § 6.02 (d), 6: 20 f.
545 Zu dem gleichen Ergebnis kommt Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Untemehmensrecht, 1996, S. 247. Ebenso mit einem zusätzlichen rechtsvergleichenden Seitenblick auf Frankreich Fleischer, S. 189.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
353
vergleichbar, auch wenn sich im Gegensatz zu der Miete oder der Leihe die dingliche Zuordnung beim Darlehen ändert. Wird die Nutzungsüberlassung als Gegenstand der equitable subordination doctrin anerkannt, dann stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen. Werden nur die Miet- oder Pachtzinsen oder auch die Gebrauchsüberlassung als solche in Eigenkapital urnqualifiziert? Die amerikanischen Konkursgerichte 546 hatten sich nur in verhältnismäßig wenigen Fällen mit der Frage auseinanderzusetzen, wie eine Verpachtung oder Vermietung unter dem Gesichtspunkt der Gesellschafterdarlehen zu beurteilen547 • Als Beispiel mag der Fall In re McFarlin's, Inc. gelten548 • Nach der Beratung über eine Darlehensvergabe an die Gesellschaft durch die officers, um Betriebsgegenstände für die Gesellschaft zu kaufen, kamen die officers zu einem anderen Entschluß: Sie gründeten eine partnership, welche die Betriebsgegenstände erwarb, um sie dann der Gesellschaft zu einem Preis von $ 180.000 zahlbar in fünf Jahren zu verpachten. Hätte die Gesellschaft einen Kredit aufgenommen, wären ihr Kosten in Höhe von $ 120.000 entstanden. Darin sah das Gericht einen inequitable conduct und ordnete die Forderungen aus der Verpachtung nach549 • In einem anderen Fall hat der Gesellschafter in der Krise seiner Gesellschaft fiir seine Arbeitsleistung und ein Grundstück, das er an die Gesellschaft vermietet hatte, sich selbst Zahlungen aufgrund dieser Ansprüche geleistet. Da die
546 Anders in der Steuerrechtsprechung, die die Vermietung oder Verpachtung von Betriebsgegenständen ausführlich diskutiert hat. Durch die Vermietung der sich im Eigentum der Gesellschafter befindlichen Gegenstände statt der Vergabe von Eigenkapital können sonst anfallende Steuern gespart werden. Vg!.: Note, 55 Co!. L. Rev. 1054, 1064 f (1955). Haben die Konkursgerichte bei der Frage der Unterkapitalisierung auf die Wertungen und bestehenden Überlegungen der Steuerrechtsprechung zurückgegriffen, ist kein Anzeichen dafür ersichtlich, daß gleiches für die Frage der Nutzungsüberlassung gilt. 547 In re Multiponics, 622 f.2d 709 (5th Cir. 1980); In re Formaggio Manufacturing, Inc., 23 B.R: 688 (Bankr.D.R.1. 1982); In re Labelle Industries, Inc. 44 B.R. 760 (Bankr.D.R.1. 1984); In re McFarlin's, Inc., 49 B.R. 550 (Bankr.W.D.N.Y. 1985). 548
49 B.R. 550 (Bankr.W.D.N:Y. 1985).
549
49 B.R. 550, 554 (Bankr.W.D.N.Y. 1985).
23 Gchdc
354
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Forderungen in den Unterlagen der Gesellschaft nie auftauchten, sah das Gericht sie als betrügerisch an und ordnete sie im Konkurs nach550 . In den vorgestellten Urteilen finden sich keine Ausfiihrungen, daß es sich bei der Nutzungsüberlassung nicht um die Vergabe von einem Darlehen an die Gesellschaft, sondern um eine Vermietung oder Verpachtung handelt. Das Gericht erörtert auch nicht, inwiefern sich durch Darlehen und Vermietung Unterschiede ergeben, die eine unterschiedliche Behandlung erforderlich machen. Auf der gleichen Linie liegt das Schrifttum, das ausdrücklich fordert, keinen Unterschied zwischen Darlehen und Nutzungsüberlassungen zu machen55I , da sie sich wirtschaftlich entsprechen. In den genannten Fällen haben die Gerichte unproblematisch das Nutzungsentgelt, das die neugegründete partnership erhielt, nachgeordnet. Danach können die Gesellschafter ihre Ansprüche aus Miet- oder Pachtverträgen im Konkurs nicht geltend machen, wenn sie eine nominelle Unterkapitalisierung überwinden wollten. Die amerikanischen Gerichte entscheiden hier unkompliziert, weil im einzelnen nicht nach dem Entstehungsgrund der Gesellschafteransprüche differenziert wird. Nach dem Bankruptcy Code muß rur einen Anspruch gegen die Konkursmasse eine wirksame Forderung -"claim" - zur Konkurstabelle angemeldet werden. Unter claim versteht der Bankruptcy Code ss2 jede auf einen Geldwert gerichtete Forderung. Der Entstehungsgrund der Forderung hat nur die Funktion, die Rangordnung festzulegen. In der Folge ist es daher unerheblich, ob die vom Gesellschafter geltend gemachte Forderung einem Darlehensvertrag oder einem Miet- oder Pachtvertrag entstammt. Da es nur auf eine geldwerte Forderung ankommt, spielt die Leihe als Form der Nutzungsüberlassung keine Rolle im Recht der equitable subordination.. In den Entscheidungen zur equitable subordination findet sich kein Fall, in dem die Gerichte über eine Nachordnung der Forderungen hinaus erwogen hätten, auf die Sachsubstanz des überlassenen Gegenstandes zuzugreifen. Daß die Sachnutzung innerhalb der equitable subordination als solche nicht zu einer
550
In re Formaggio Manufacturing, Inc., 23 B.R. 688 (Bankr.D.R.1. 1982).
551 Herzog/Zweibel, 15 Vanderbilt L. Rev. 83,96 (1961); A.A. ist Gleick, 16 Bus. Law. 619 (1961), der sich auf die Entscheidung Brown v. Freedman, 125 f.2d 151 (I st Cir. 1942) bezieht. In diesem Fall wurde jedoch die Forderung aus der Vermietung nicht nachgeordnet, weil keine Unterkapitalisierung vorlag. Auf den Entstehungsgrund der Forderung kam es gar nicht an. 552
11 U.S.c. Section 101 (5).
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
355
Vergrößerung der Haftmasse -im Interesse der Gläubiger- fUhrt, hat zwei Gründe. Zum einen besitzt das amerikanische Insolvenzrecht keine gesetzliche Grundlage, die dingliche Zuordnung innerhalb der equitable subordination zu ändern. Zum anderen bietet das amerikanische Recht eine eigenständige Rechtsfigur, die es ermöglicht, unter Mißachtung der dinglichen Zuordnung auf die Sachsubstanz zuzugreifen: den Haftungsdurchgrife s3 • Über den Durchgriff erstreckt sich die Haftung problemlos auf das Privatvermögen der Gesellschafter und damit auch auf den überlassenen Gegenstand, also die Sachsubstanz. Im Hinblick auf die Nutzungsüberlassung kennt das amerikanische Recht ein ergänzendes Nebeneinander von equitable subordination und piercing the veil. Während die Nachordnung die Forderungen aus den Miet- und Pachtverträgen erfaßt, dehnt der Durchgriff die Haftung auf die Substanz des überlassenen Gegenstandes aus.
111. Rechtsfolge Nachdem die Voraussetzungen für eine Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen mit ihren Besonderheiten dargestellt worden sind, schließt sich die Frage nach den konkreten Rechtsfolgen an.
1. Die Rechtsfolge im Konkurs
Im Konkurs der Gesellschaft ordnen die Gerichte die Forderungen aus kapitalersetzenden Darlehen den Ansprüchen anderer Kreditgeber nach und behandeln sie wie haftendes Eigenkapital. Der Gesellschafter nimmt zwar mit der Forderung am Konkurs teil ss4, allerdings auf der letzten Rangstufe. Wenn nach der Befriedigung der anderen Gläubiger noch Vermögenswerte übrigbleiben, kann der Gesellschafter seine Forderung geltend machen. In den USA ist die Anzahl der Konkurse mit Masse höher als in Deutschland. Der Konkurs wird in den meisten Fällen vom Konkursschuldner freiwillig ausgelöstSSS , da
55)
Dazu ausführlich, Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 373 f.
554 Sec. 510 (c) 11 U.S.C. erfaßt nur wirksame Forderungen, die lediglich nachgeordnet werden.
23*
356
2. Kap.: Rechtslage in den USA
er schuldbefreiend wirkt. Die equitable subordination doctrin gilt sowohl in der freiwilligen wie der unfreiwilligen Liquidation der Vennögenswerte nach Chapter 7 556 des Bankruptcy Code als auch in der durch Chapter 11 geregelten ReorganisationSS7 • Werden Gesellschafterdarlehen als kapitalersetzend qualiftziert, sind sie auch innerhalb einer Reorganisation wie Eigenkapital zu behandeln und erweitern die Eigenkapitalbasis der Gesellschaft. Sind die Darlehen schon vor dem Konkurseintritt abgezogen worden, dann können die Beträge nicht mit der equitable subordination zurückgeholt werden. In solchen Fällen kann ein Anspruch auf Rückgewähr sich nur auf die Gläubigeranfechtung aus dem fraudulent conveyance law 55B stützen. Die Gläubigeranfechtung ist sowohl in einzelstaatlichem als auch bundesstaatlichem Recht geregelt.
2. Die Rechtsfolge außerhalb des Konkurses
Außerhalb eines Konkurses ergeben sich aus der equitable subordination doctrin für die Gläubiger keine Rechtsfolgen. Das Eingreifen der equitable subordination doctrin und damit die UmqualiflZierung von Fremd- in Eigenkapital ist an die Konkurseröffnung, sei sie freiwillig oder unfreiwillig, gebunden bzw. an einen Reorganisationsplan. Die Insolvenz ist Voraussetzung für das Eingreifen der equitable subordination doctrin.
3. Umfang der Nachordnung, Einzel- und Teilnachordnung
Wenn geklärt ist, daß die Darlehen nur im Konkurs der Gesellschaft nachgeordnet werden und als haftendes Kapital fungieren, bleibt die Frage, in welchem Umfang die Konkursgerichte die Darlehen nachordnen können.
555 Im Jahr 1985 lagen die Anträge der Gläubiger auf Konkurseröffnung nach Chapter 7 (Liquidation) bei 0,5 %, Riesenfeld in Birkl Kreuzer, S. 135. 556
Sec. 727 11 U.S.c.
557
11 U.S.c. chapter 11.
558 Einen ausführlichen Überblick über das Recht der Gläubigeranfechtung findet sich bei: Baird, Elements of Bankruptcy, 1993, chapter 6, S. 142 ff.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
357
Maßgebend ist in diesem Zusammenhang die Rechtsnatur der equitable subordination doctrin. Sieht man in der Rechtsfigur einen pönalen Charakter, die die Gesellschafter für ihr fraudolöses Verhalten bestrafen soll, dann wäre es konsequent, die Darlehensforderungen immer in voller Höhe nachzuordnen und nicht in dem Maße, wie der geschädigte Gläubiger betroffen ist. Es besteht aber in Rechtsprechung559 und Schrifttum560 ganz übereinstimmend die Ansicht, daß die equitable subordination doctrin nicht strafend wirken soll. Equitable subordination ist eine Form der Equity- Rechtsprechung, um die Reihenfolge der Forderungen im Konkurs oder der Reorganisation zu regeln. In den Fällen, in denen der inequitable conduct zu einer UmqualiflZierung der Forderungen fUhrt, soll, soweit die Transaktion isoliert werden kann, die Nachordnung nur in dem Umfang erfolgen, der notwendig ist, um den Schaden der Gläubiger auszugleichen. In dem Fall Mobile Steel hat das Appeal-Gericht des 5th Cir. im Jahre 1977 ausgefUhrt, daß eine Forderung gegenüber der Konkursmasse nur insoweit nachzuordnen ist, wie Verluste der außenstehenden Kreditgeber auszugleichen sind: "For example, if a claimant guilty of misconduct asserts two claims, each worth $ 10.000 and the injury he inflictes on the bankrupt or its creditors amounted to $ 10.000 only one of the claims should be subordinated. ,,561 Diese Rechtsprechung hat später Eingang in den Bankruptcy Code von 1978 gefunden. Nach sec. 510 (c) hat das Konkursgericht die Befugnis, sowohl "all or part of a claim" nachzuordnen als auch die Möglichkeit "a claim may be subordinated to all or part of another allowed claim". Aus diesem Gesetzeswortlaut ergeben sich für die Gerichte mehrere Befugnisse: Abhängig von den Umständen des Einzelfalles kann das Konkursgericht das Gesellschafterdarlehen zum einen zugunsten aller Gläubiger in den letzten Rang nachordnen. Zum anderen hat es aber auch die Befugnis, die Forderung nur zugunsten bestimmter Gläubigergruppen nachzuordnen, nicht aber zugunsten anderer Gläubiger. Diese
5S9 In Te Kansas City Journal Post Co., 144 f.2d 791, 800 (8th Cir. 1944); In re Mobile Steel 563 f.2d 692, 701 (5th Cir. 1977); In re Westgate-California Corp., 642 f.2d 1174, 11788 (9th Cir.1981). 560 Note, 47 Columbia Law Review 800, 808 (1946); Kunkel, 60 North Dakota Law Review 445,483 (1984); DeNatalel Abram, 40 Business Lawyer 417,423 (1985); Note, 65 Texas Law Review 801,808 (1987); Chaitman, Lender Liability, § 7.01(3) S. 7-6, 1990; White, Robert J., Annual Survey of American Law, Vol. I, 1991 S. 357, 420. 561
563 F2d 692 (5th Cir. 1977).
358
2. Kap.: Rechtslage in den USA
weitere Nachordnungsmöglichkeit ergänzt das Gesetz noch durch die Befugnis, nur Teile der Gesellschafterdarlehen nachzuordnen nicht aber die gesamte Forderung. Damit stehen dem Konkursgericht, wenn die Voraussetzungen einer Nachordnung vorliegen, drei Rechtsfolgen offen. Erstens kann es das Gesellschafterdarlehen insgesamt zugunsten aller Gläubiger an den letzten Rang nachordnen. Zweitens kann es die Forderung zugunsten und zu Lasten einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen nachordnen (Einzelnachordnung). Drittens besteht die Möglichkeit, nur Anteile des Darlehens nachzuordnen (Teilnachordnung). Die dargestellten richterlichen Befugnisse können an zwei Beispielen aus der Rechtsprechung illustriert werden. Dafür, daß die equitable subordination doctrin ein Ausgleichsinstrument für erlittene Schäden ist, gibt der Fall In re Westgate California COrp.562 ein Beispiel. In diesem Fall hatte die Ehefrau des beherrschenden Gesellschafters durch mehrere "serious inequitable acts" und die Fälschung von Bilanzen die Voraussetzungen für eine Nachordnung erfüllt. Das Appeal Gericht des 9th Circuit führte aus, die Nachteile für die Gläubiger seien jedoch schon durch andere Ansprüche und Rechtsstreitigkeitenabgedeckt, so daß die urnqualiflzierten Darlehensforderungen den Schaden bei weitem überstiegen hätten. Daher sei eine Nachordnung nicht zulässig 563 . Schließlich überstiegen pönalisierende Folgen der konkursgerichtlichen Entscheidung die Kompetenzen der Gerichte; die Gerichte würden sich dann der gleichen Mittel bedienen wie der schädigende Gesellschafter64 . In einem anderen Fall hat das Gericht das Gesellschafterdarlehennur zugunsten derjenigen Gläubiger nachgeordnet, die ihre Forderungen im Jahr 1978 erworben hatten, da das "unfaire Verhalten" des Gesellschafters zu diesem Zeitpunkt stattfand565 . Diese Rechtsprechung gilt für die Fälle, in denen das schädigende Verhalten des Gesellschafters, die betroffenen Gläubiger und die Darlehensforderungen einwandfrei bestimmt werden können, denn nur dort kann partiell nachgeordnet
562
In re Westgate-California Corp., 642 f.2d 1174 (9th Cir.1981).
563
In re Westgate-California Corp., 642 f.2d 1174, 1178 f (9th Cir.1981).
564
In re Westgate-California Corp., 642 f.2d 1174, 1178 (9th Cir.1981).
565 In re N&D Properties, Ine., 799 f.2d 726 (11 th Cir.1986).
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
359
werden. Sobald die einzelnen Transaktionen und der inequitable conduct so komplex sind, daß nicht mehr differenziert werden kann, werden die Darlehen gesamt nachgeordnet. Eine Beschränkung auf einen Teil der Darlehensforderung findet dann nicht statt. So schrieb Judge Roberts in Taylor v. Standard Gas & Elec. CO. S66 : "It is impossible to recast Deep Rock's history and experience so as even to approximate what would be its financial condition at this day had it been adequatly qualified and independently managed and had its fiscal affairs been conducted with an eye single to its own interest". Mit der Möglichkeit sowohl die Höhe der nachzuordnenden Gesellschafterdarlehen festzulegen (Teilnachordnung) als auch der Einzelnachordnung besitzen die Gerichte zwei Instrumente, mit denen sie in weitestgehend autonomer W eise den Umfang der Nachordnung bestimmen können. Diese beiden Befugnisse eröffnen die Aussicht, die Kreditgeber differenziert nach ihrer Fähigkeit zwn Selbstschutz zu befriedigen. Diejenigen Kreditgeber, die von dem inequitable conduct nicht betroffen sind oder sich selbst schützen können, erhalten auch keinen Schutz durch eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen. Der Gesetzeswortlaut schließt damit an die Rechtsprechung der Konkursgerichte an, die eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen nicht ohne Beachtung der klagenden Gläubigergruppe bejahen oder vemeinens67 • Im Ergebnis soll der Grad des inequitable conduct sich in der Höhe der nachzuordnenden Forderung widerspiegelns68 •
IV. Rechtstatsächliche Untersuchung 1. Überblick
a) Anlaß
Die Doktrin der equitable subordination ist ein rechtliches Instrument, um wirtschaftliche Verluste zwischen Gesellschaftern und Gläubigem nach Vertragsschluß zu korrigieren. Will der Gesellschafter nur ein Darlehen geben aber kein haftendes Kapital, so kann das Gericht im Konkurs genau diese Rechts-
566
306 U.S. 307, 323 (1939).
567
Siehe dazu ausführlich oben C.V.
568
Blumberg, Corporate Laws, Bd. 3, § 4.01. S. 132.
360
2. Kap.: Rechtslage in den USA
folge der Haftung anordnen. Im Mittelpunkt steht die Entscheidung zwischen Gläubiger- und Gesellschafterinteressen und damit verbunden die Frage, ob eher die Gesellschafter in ihrer Investitionsbereitschaft geschützt werden oder die Gläubiger, die dem Risiko unterliegen, daß einseitig Verluste auf sie abgewälzt werden. Aufschlußreich ist dabei zu beobachten, ob es eine Entwicklung im amerikanischen Recht in diese oder jene Richtung gibt. Eine an Begriffen orientierte Untersuchung des amerikanischen Rechts begegnet dem Problem, daß eine enge oder weite Auslegung von Merkmalen oder die Schaffung neuer Fallgruppen nur bedingt über die Rechtsentwicklung Auskunft gibt. Denn wie häufig die Fallgruppe überhaupt vor Gericht erscheint, relevant wird und dementsprechend die Gerichte rur eine Partei entscheiden, ist nicht bekannt. Äußerungen zu diesem Thema bleiben notwendig immer intuitiv begründet. Geht es auch ohne eine Auseinandersetzung mit den Rechtsbegriffen nicht, und ist sie die Voraussetzung rur ein Verständnis des Rechtes, so wird das Bild doch erst abgerundet, wenn eine rechtstatsächliche Untersuchung die Entwicklung belegt. In der Rechtstatsachenforschungals Hilfswissenschaft wird die Rechtspraxis erfaßt und beschrieben, um in juristischen Problemen konkreter und wirkIichkeitsbezogenerargumentierenzu können. Gerade in denjenigen Bereichen des Rechts, die sich mit den dynamischen Prozessen des wirtschaftlichen Lebens befassen, sind im amerikanischen Recht Untersuchungen rechtstatsächlicher Art weit verbreitet569 • Empirische Daten über die Häufigkeit der Fälle zur equitable subordination doctrin und deren Erfolgsquoten können Aufschluß über die Tendenzen der Rechtsprechung geben. Interessant ist festzustellen, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Anzahl der Entscheidungen und der Erfolgsquote auf der eine Seite und auf der anderen Seite der Anzahl der Konkurse insgesamt und den Phasen der Wirtschaftsentwicklung. Ein solcher Zusammenhang könnte wie folgt formuliert werden: Nimmt man an, daß Gesellschafterdarlehen vor allem in kleineren und mittleren Unternehmen in der Krise der Gesellschaft gegeben werden, um den erforderlichen Finanzbedarf zu decken, kann man vermuten, daß die Gerichte in Krisenzeiten eher geneigt sind, Gesellschafterdarlehen
569 Im Konkursrecht zur Frage der Reorganisation der Public Corporation: LoPuckil Whitford, 78 Comell Law Review 597 (1993); Im Gesellschaftsrecht zum Haftungsdurchgriff: Thompson, 76 Comell Law Review 1036 (1991); Im Steuerrecht zur Frage der Unterscheidung von Eigen- und Fremdkapital: RobertsoniDaughterylBurckel, 47 Tax Notes 707 (1990); Zum Produkthaftungsrecht: Hendersonl Eisenberg, 37 UCLA L. Rev. 479 (1990); dieselb., 39 UCLA L. Rev. 731 (1992).
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
361
nicht nachzuordnen, um die Investitionsbereitschaft nicht zu unterlaufen, während in anderen Zeiten die Interessen der Gläubiger im Vordergrund stehen.
b) Datenbestand
Die Untersuchung beinhaltet sämtliche von Westlaw aufgenommene Fälle seit 1977 bis Ende 1993, die sich mit der Doktrin der equitable subordination auseinandergesetzt haben570 • Als Anfangspunkt wurde das Jahr 1977 gewählt, da in diesem Jahr der Court of Appeals des 5th Circuit die konzeptionell grundlegende EntscheidungS7 • getroffen hat, und der neue Bankruptcy Code am 1.10.1979 in Kraft getreten ist; zwei wichtige Ereignisse, die zeitlich sehr nah beieinander liegen. Um seinem Anliegen, die amerikanische Rechtspraxis zutreffend beschreiben zu können, hat der Verfasser sämtliche maßgeblichen Entscheidungen über die Datenbank auf Diskette gespeichert und diese im Anschluß ausgedruckt und gelesen. In einem ersten Schritt der Untersuchung wurden alle Fälle aussortiert, die zwar den Suchbegriff aufführen, in denen die equitable subordination Doktrin aber nicht entscheidungserheblich war, so daß von 628 Fällen 333 übrigbliebenS72 • Die Entscheidungen wurden anhand eines Fragebogens nach tatsächlichen Angaben, formalen Daten und inhaltlichen Aussagen zur Nachordnung der Darlehen im Konkurs durchgearbeitetS73 • Die tatsächlichen Aussagen betrafen die Anzahl der Fälle, wie oft nachgeordnet wurde, welche
570 Westlaw ist eine von zwei juristischen Datenbanken, die aHe in Reportern (amtliche Entscheidungssammlungen) abgedruckte Entscheidungen aufführt, also nahezu umfassend ist. Eine KontroHuntersuchung bei der Konkurrenz-Datenbank Lexis hat für den angegebenen Zeitraum bis auf 3 Entscheidungen die gleiche Anzahl ergeben. Der Suchbegriff war "Equitable Subordination", verwandte grammatikalische Konstruktionen und die Key Numbers von Westlaw. Da der Suchbegriff auch Teil des maßgebenden Gesetzes 11 U.S.c. § 510 (c) ist, kann davon ausgegangen werden, daß aHe relevanten Entscheidungen gefunden wurden. 571
Mobile Steel, 563 f.2d 692 (5th Cir. 1977).
572 Zum Größenvergleich: In der Studie zum Haftungsdurchgriff hat es 1600 FäHe für den Zeitraum von Anfang der Entscheidungen im Jahre 1898 bis 1985 gegeben. Für das umstrittene Gebiet der feindlichen Übernahmen fanden sich in dem gleichen Zeitraum weniger als 300 FäHe. Thompson, 76 Cornell Law Review 1036, 1036 FN.I (1991).
573
Der Fragebogen befindet sich im Anhang.
362
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Gerichte entschieden haben, ob die Fälle aussichtslos waren und welche Personengruppen die Darlehen gegeben haben. Die Frage, welche Art von Gesellschaft betroffen war, also public corporation, elose corporation, oder partnership, konnte im Ansatz verfolgt werden. Die inhaltlichen Aussagen der Gerichte zu den Fällen betreffen die Gründe, auf die sich die Entscheidungen stützen. Entsprechend der Prüfung der meisten Gerichte wurde der sog. Mobile Steel Test zum Ausgangspunkt genommen, um zu untersuchen, wie oft die Beurteilungskriterien wie fraud, illegality, breach of fiduciary duties, undercapitalization, alter ego, misrepresantation, injury usw. durch die Gerichte erwähnt wurden. Wurden mehrere Punkte genannt, sind alle in der Liste der Gründe aufgeführt.
c) Methodische Fragen
Einige Umstände, die zwangsläufig mit der Auswertung von Gerichtsentscheidungen zusammenhängen, müssen vergegenwärtigt werden. Auch wenn alle relevanten, bekannten und entschiedenen Fälle ausgewertet wurden, können Fälle mit einem Vergleich beendet worden sein, so daß es nicht zu einer Entscheidung kam, oder die Frage einer Nachordnung des Gesellschafterdarlehens wurde außerhalb des Gerichtes zwischen den Parteien geklärt. Durch diese Umstände kann die Untersuchung nicht vollkommen repräsentativ sein und erhebt auch nicht den Anspruch. Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine rein zahlenmäßige Erfassung von konkursrechtlichen Entscheidungen. Es geht dabei nicht um eine Statistik, die den Erfordernissen und Voraussetzungen einer sozialwissenschaftlieh begründeten Tatsachenforschung entspricht. Die Untersuchung soll vielmehr nach der angegeben Vorgehensweise ein plausibles Bild der Entscheidungspraxis der amerikanischen Konkursgerichte auf dem Feld der equitable subordination liefern. Das Vorgehen ist auch insofern gerechtfertigt, als es sich der gleichen Methodik bedient wie die amerikanischen Untersuchungen zur zahlenmäßigen Erfassung rechtlicher Phänomene S74 •
574 Vgl. zur Vorgehensweise die folgenden Erhebungen. Im Konkursrecht zur Frage der Reorganisation der Public Corporation: LoPucki/Whitford, 78 Comell Law Review 597 (1993); Im Gesellschaftsrecht zum Haftungsdurchgriff: Thompson, 76 Comell Law Review 1036 (1991); Im Steuerrecht zur Frage der Unterscheidung von Eigen- und Fremdkapital: RobertsoniDaughteryl Burekel, 47 Tax Notes 707 (1990); Zum Produkt-
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
363
In der beschriebenen Art ist dies jedoch die erste Untersuchung fiir das USamerikanische Recht auf dem Gebiet der equitable subordination doctrin.
2. Ergebnisse der Erhebung hinsichtlich der Erfolgsquote
a) Erfolgsquote und Häufigkeit Die equitable subordination Doktrin ist durch die Nachordnung der Darlehen darauf angelegt, den Gläubigem eine größere Haftungssumme zur Verfiigung zu stellen und dient damit dem Gläubigerschutz. Im gleichen Maß, in dem der Gläubigerschutz betrieben wird, wird der Gesellschafter stärker zur Kasse gebeten; seine als Darlehen -Fremdkapital- geplanten Mittel werden wie Eigenkapital behandelt und haften im Konkurs.
Übersicht 1 Gesamtzahl
Nachordnen
Nicht Nachordnen
Verwiesen
333
119
166
49
Ohne die Verweisungen zu anderen Gerichten ordnen die Gerichte in ihren Entscheidungen in ca. 40%575 aller Fälle die Forderungen nach. Die Anzahl der Fälle, in denen die Konkursgerichte über eine Nachordnung von Darlehen ganz allgemein, d.h. ohne zu bestimmen, wer das Darlehen gewährt, nach der equitable subordination Doktrin entschieden, ist in Übersicht 2 zu sehen.
haftungsrecht: Hendersonl Eisenberg, 37 VCLA L. Rev. 479 (1990); dieselb., 39 VCLA L. Rev. 731 (1992). 575 Beim Haftungsdurchgriff liegt die Erfolgsquote über die Jahre sehr konstant bei ca. 40 %. Thompson, 76 Comell L. Rev. 1036, 1048 (1991).
364
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Übersicht 2 Jahre
Gesamt
vor 1978
13 576
1978-1983
Nachordnen
Nicht Nachordnen
Verwiesen
59
14
29
8
1984-1988
127
54
54
19
1989-1993
145
52
70
23
Die Erfolgsrate -also das Verhältnis der Anzahl von nachgeordnetenForderungen zur Gesamtzahl- aller Fälle stellt sich wie folgt dar: Übersicht 3 Jahre
%
1978-1983
27%
1984-1988
50%
1989-1993
42%
Aus dem gewonnen Datenmaterial lassen sich verschiedene Trends ablesen: Die Anzahl der Fälle, in denen eine Nachordnung von Forderungen im Konkurs verlangt wird und fiir die Entscheidung der Gerichte erheblich ist, steigt seit Ende der 70er Jahre an. Vergleicht man die Zahlen mit dem Zeitraum vor 1978 kann von einer ganz erheblichen zahlenmäßigen Steigerung der Nachordnungsfälle gesprochen werden. Als Aussage läßt sich dem Trend eine verstärkte Akzeptanz der Rechtsfigur equitable subordination entnehmen. Da die Nachordnung immer im Interesse der außenstehenden Gläubiger geschieht, bedeutet der Trend aber auch einen vermehrten Versuch, Gläubigerschutz zu erlangen. Der Trend zu mehr Gläubigerschutz ist als Reflex auf mehr Gläubigergefährdung zu interpretieren. Wie erfolgreich die Kläg~r dabei sind, zeigt die Erfolgsrate, die von 35 % über 57% in den letzten fünf Jahren auf 47 % fällt. Verändert sich die Er-
576 In der Zeit vor 1978 gab es nach der Auskunft von Westlaw lediglich 13 Fälle, die sich mit der equitable subordination doctrin befaßten.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
365
folgsquote in den letzten Jahren, kann dennoch allgemein von einem wachsenden Erfolg der Kläger und damit der Gläubiger gesprochen werden. Daraus läßt sich die These ableiten, daß es in den USA auf dem Gebiet der Nachordnung von Forderungen im Konkurs einen verstärkten Gläubigerschutz gibt. b) Gläubigerschutzthese für die Insider
Dieser These ist zunächst ein Einwand entgegenzustellen. Wie in der Darstellung der subjektiven Zurechnung und den neueren Trends im Recht der Nachordnung (sog. no fault subordinationS77 ) gesehen, ist die Nachordnung von Darlehen nicht auf insider, geschweige denn auf Gesellschafter beschränkt. Auch Gesellschafts-fremde wie Banken oder Steuerbehörden können einer Nachordnung unterliegen. Neben den Gesellschaftern sind auch diese als Forderungsinhaber in der Übersicht 2 enthalten. Daher kann eine treffende Aussage über die Behandlung der Gesellschafterdarlehen nur getroffen werden, wenn diese Gruppen aus der Erhebung ausgenommen werden. Daher bezieht sich die Übersicht 3 mit ihrem Datenmaterial lediglich auf die insider, also Gesellschafter, officers und directors. Die vorherige Darstellung in Übersicht 2 ist dennoch wertvoll, da auch unterschiedliche Trends bezüglich der betroffenen Kreditgeber beobachtet werden können. Übersicht 4 Zeitraum
Gesamt
Nach. JA
Nach. Nein
Verwiesen
vor 1978578
13
1978-1983
50
13
31
6
1984-1988
98
40
39
17
1989-1993
70
26
24
19
577
Dazu oben B.V!.
578 Die Zahl der Gesamtuntersuchung von oben kann hier übernommen werden, da es vor diesem Zeitpunkt keine Fälle zur sog. Lender Liability oder den Tax Penalties gab.
366
2. Kap.: Rechtslage in den USA
Übersicht 5 Zeitraum
Erfolgsquote
1978-1983
29%
1984-1988
49%
1989-1993
50%
Die Anzahl der Fälle aus dem ersten Zeitraum verdoppelt sich im zweiten Beobachtungszeitraum beinahe, um dann etwa um ein Fünftel zurückzugehen. Die Erfolgsquote steigt zunächst sprunghaft um ca. 20%, verändert sich dann nur noch um 1%. Während nach einem Anstieg in der Gesamtanzahl der Fälle diese wieder zurückgeht, wächst die Erfolgsquote weiter. Der Trend bei der Erfolgsrate zeigt, daß die Chance für einen Drittgläubiger steigt, eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen zu erreichen. Damit verstärken die Gerichte den Gläubigerschutz für die außenstehenden Kreditgeber. Der Verlauf der anzahlmäßigen Entwicklung ist ein Anzeichen dafür, wie häufig Rechtsschutz gesucht wurde. Gleichbedeutend damit ist auch die Feststellung, wie gläubigergefährdend die Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen ist. Die Zahlen und ihre Auswertung belegen die These von einem wachsenden Gläubigerschutz. Der These vom wachsenden Gläubigerschutz können aber zwei Kritikpunkte entgegengestelltwerden. Entsprechen die Daten der Gerichtsentscheidungenden tatsächlichen Gegebenheiten? Wenn ja, stellt sich die Frage, ob die sich verändernde Erfolgsrate auf einer Veränderung der rechtlichen Beurteilung beruht, oder andere Umstände dafür verantwortlich sind.
c) Erklärungen jUr den Trend zu einem wachsenden Gläubigerschutz
aa) Entsprechen die Daten den tatsächlichen Gegebenheiten Daß die Fälle, bei denen sich die Gerichte mit einer Nachordnung von Darlehen im Konkurs zu beschäftigen hatten, nicht sämtliche Fälle mit dem Konflikt um die Behandlung der Darlehen sind, ist einsichtig. Es wird eine Anzahl von Fällen geben, die außerhalb des gerichtlichen Verfahrens zwischen den Parteien geklärt werden. Es steht daher die Frage aus, ob von den gefundenen Daten tatsächlich auf einen bestimmten Trend geschlossen werden kann.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
367
Sie kann aus zwei Gründen bejaht werden. Zum einen wird sich die außergerichtliche Klärung immer an den Gerichtsurteilen und deren Wertungen orientieren. Zum anderen spricht wegen der Interessenlage der Beteiligten einiges dafiir, daß in Fällen, in denen die Kreditgeber zu einer außergerichtlichen Klärung bereit sind, eher zugunsten der Gläubiger mindestens ein Teil des Darlehens nachgeordnet wird. Den außenstehenden Gläubigem stünde der Weg zum Gericht weiterhin offen. Da es hier um eine Entwicklung -das Entdecken von Tendenzen in der Beurteilung der Nachordnung im Konkurs- geht, ist es nicht notwendig, endgültige und exakte Zahlen aller Fälle zu haben. Es muß nur klargestellt sein, daß die festgestellten Tendenzen durch die fehlenden Fälle nicht in relevantem Ausmaß verändert werden. Das ist nicht der Fall.
bb) Veränderung der Erfolgsrate aufgrund anderer Faktoren als einer sich verändernden rechtlichen Beurteilung Um die Beziehung zwischen der Erfolgsquote und der Zahl der Gerichtsentscheidungen zu verstehen, müssen auch die Umstände beachtet werden, die einen indirekten Einfluß auf die Entwicklung haben. Zu nennen sind die allgemeine Entwicklung der Konkurszahlen und die Motivation zu klagen. So könnte, wenn alle anderen Umstände gleich blieben, ein Ansteigen der allgemeinen Konkurszahlen nicht nur die Anzahl der Nachordnungsfälle erklären, sondern auch die steigende Erfolgsquote. Voraussetzung dafiir wäre, daß gleichzeitig auch die Zahl der berechtigten Forderungen steigt. Daß die Zahl der Fälle in den Jahren 1989-1993 sinkt, während die Erfolgsquote aber annähernd gleich bleibt, kann unter der Voraussetzung, daß die anderen Bedingungen gleich bleiben, folgendermaßen gedeutet werden: Wenn in weniger Fällen geklagt wird, sollten die Forderungen berechtigter sein und dementsprechend automatisch die Erfolgsrate gleich bleiben oder sich noch erhöhen. Die folgenden Punkte beschäftigen sich mit diesem Aspekt.
(1) Steigende Konkurszahlen
Die Gesamtzahl der Konkurse in den USA seit der 80er Jahre kann helfen, die steigende Häufigkeit, in der die equitable subordination doctrin relevant ist, zu erklären. Die Konkurszahlen sind wie folge 79
368
1980: 1981: 1982: 1983: 1984:
2. Kap.: Rechtslage in den USA
36,449 47,415 56,423 69, 818 62, 170
1985: 1986: 1987: 1988:
66, 651 76, 281 88,278 68,501
1989: 1990: 1991: 1992:
62,534 64,688 67,714 72, 650
Die Zahl der Konkurse steigt im Zeitraum von 1984-1988, um dann wieder leicht abzufallen. Im gleichen Zeitraum steigt und fällt rur die insider ebenfalls die Zahl der Fälle, in denen die equitable subordination entscheidungserheblich ist. Damit ist eine Erklärung fiir die steigende Bedeutung der equitable subordination doctrin gegeben: Die gleiche Entwicklung besteht auch innerhalb der allgemeinen Geschäftskonkurse. Auch ohne einen sich ändernden Trend in der rechtlichen Beurteilung kann die steigende Bedeutung der equitable subordination doctrin erklärt werden. Gibt es insgesamt mehr Konkurse, dann wird die Nachordnung auch in mehr Fällen relevant und fUhrt in einem gewissen Maße zu einem Anstieg der Erfolgsquote. Das steigende Maß an Gläubigergefährdung auf der einen Seite gleichen die Gerichte auf der anderen Seite durch einen zunehmenden Gläubigerschutz aus.
(2) Steigende Motivation zu klagen Die Motivation zu klagen ist abhängig von den Erfolgschancen einer Klage. Nur wer sich einen Erfolg ausrechnet, wird auch klagen. Diese Überlegung ist fiir die Nachordnung von Gesellschafterdarlehen nicht so ersichtlich, da das Verlangen, die Darlehen nachzuordnen, oft einer unter mehreren Versuchen ist, die Haftungssumme zu erweitern. Dennoch kann eine grundlegende Bereitschaft zu klagen auch Grund fiir eine größere Häufigkeit der Anzahl von Nachordnungen sein. Da die Bereitschaft zu klagen vom Erfolg abhängt, kann die wachsende Zahl der Gerichtsentscheidungen auch als Zeichen rur einen größeren Erfolg der Kläger und somit als Zeichen fiir eine Ausweitung des Gläubigerschutzes gedeutet werden.
579 Quelle: Statistical Abstracts of the United States - The National Data Book, 1990, Tafel 879; 1993, Tafel 865.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
369
ce) Gründe für einen Wandel der rechtlichen Beurteilung Waren die vorherigen Ausfiihrungen darauf gerichtet zu klären, warum die These von mehr Gläubigerschutz von Entwicklungen in der Rechtswirklichkeit abhängen, soll im Folgenden versucht werden zu erklären, warum es zu einem Wandel in der rechtlichen Beurteilung gekommen ist. Eine mögliche Erklärung könnte in einem allgemeinen Trend zu riskanteren Investitionen liegen. Als Grund für die Entstehung der lender liability zu Beginn der 80er Jahre wurde die aggressive Kreditvergabe- Politik der Banken gesehens80, die neben der Kompensation für ihr Risiko durch Zinsen und dingliche Sicherheiten in zunehmendem Maße die Geschäftstätigkeit der Kreditnehmer überwachen. In der Krise ist stets die Versuchung groß, die Möglichkeiten der Einflußnahme wahrzunehmen, um die eigene Investition zu schützen. Dadurch werden die Banken für eine Nachordnung ihrer Darlehen anfällig. Überträgt man die Überlegung auf die insider einer Gesellschaft, kann man auch hier von einem Trend zu risikoreicheren Geschäften ausgehen. Das gilt gerade für die Mitte der 80er Jahre als wirtschaftlicher Boomzeit. Werden die wirtschaftlichen Unternehmungen risikoreicher, steigt auch für die insider der Gesellschaft das Bedürfnis, ihre Investition notfalls auch zu Lasten der anderen Gläubiger zu schützen. Dieses unfaire Verhalten der insider ist dann der Anknüpfungspunkt für eine Nachordnung der Gesellschafterdarlehen. Dabei geht es nicht nur um eine unzureichende Kapitalausstattung in Form einer nominellen Unterkapitalisierung, sondern um jede Form der Gläubigerbenachteiligung, wie sie im inequitable conduct zum Ausdruck kommt. Zusammengefaßt bedeutet diese Überlegung, daß risikoreichere Geschäfte eher zu einer Gläubigergefährdung führen, die die Gerichte mittels der equitable subordination doctrin korrigieren. Ist eine solche Überlegung auch plausibel, so kann sie doch nicht genau quantifIziert werden. Mit dieser Erklärung wird das Verhältnis von Gläubigergefährdung und Gläubigerschutz angesprochen. Liegt eine höhere Gefährdung vor, wird dementsprechend auch der Schutz für die Gläubiger verstärkt. Ist das Risiko eines wirtschaftlichen Scheiterns der Unternehmung aufgrund der konjunkturellen Entwicklung groß, scheinen die Gerichte mit einer verstärkten Nachordnung zu reagieren.
580
AusflihrIich: DeNatale/Abram, 40 Bus. Law. 417,448 (1985).
24 Gchdc
370
2. Kap.: Rechtslage in den USA
3. Tatbestand für eine Nachordnung
a) Allgemeine Übersicht über die Begründungen Die Gründe, mit denen die Gerichte eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen bejahen, sind vielfältig und -wie gesehen- nicht immer exakt. Die folgenden Übersichten stellen die Gründe dar, auf die die Gerichte ihre Entscheidungen stützen, sowie das Verhältnis von Erwähnung und Nachordnung:
Übersicht 6 Grund
Häufigkeit
Nachordnung+
Nachordnung-
%581
Misconduct
55
49
6
89
Unterkapitalisierung
41
23
18
56
--alleinige Nennung
23
14
9
60
Fraud
33
28
5
84
Breach of f. Duties
22
18
4
81
Alter ego
12
8
4
66
Illegaticy
5
4
1
80
Aus Sicht der Gläubiger erfolgreichste Kategorie ist der misconduct sowohl in der Häufigkeit als auch mit einer Erfolgsrate von 89%. Der Begriff misconduct ist dabei keine eigenständige Kategorie, sondern ein Oberbegriff für fraud, breach of fiduciary duties etc. Wenn auch nicht so häufig genannt, ist der breach of fiduciary duties mit 81 % ähnlich erfolgreich. Die Kategorie illegaticy erreicht eine Erfolgsquote von 80%. Dieser Gruppe mit annähernd 80% Erfolgswahrscheinlichkeit steht mit etwas mehr als 80 Erwähnungen die Gruppe mit einer eindeutig geringeren Erfolgsquote gegenüber: fraud 48%, Unterkapitalisierung mit 56% bzw. 60%, alter ego 66%. Bezeichnend ftir die Doktrin der equitable subordination und positiv gewendet für ihre Flexibilität, negativ für ihre mangelnde Vorhersehbarkeit ist der Umstand, daß die erfolgreichste Kategorie gleichzeitig den unkonkretesten Begriff verwendet. 581 % =
Erfolgsquote.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
371
b) Unterkapitalisierung als Grund for eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen
aa) Bedeutung Das Konzept der Unterkapitalisierung wird von vielen Seiten als sehr wichtig eingeschätzt, um eine Nachordnung zu rechtfertigen582 . Die These wird jedoch nicht in dem erwarteten Umfang bestätigtS83 • Ist die Unterkapitalisierung mit 42 Nennungen zwar die zweithäufigst erwähnte Merkmalgruppe, ist doch die Erfolgsquote mit 56% gleichzeitig die zweitgeringste. Die Relevanz der Unterkapitalisierung als Grund fiir eine Nachordnung wird noch durch die Tendenz einiger Gerichte, trotz unzureichender Kapitalausstattung die Darlehen nicht nachzuordnen, geschwächt. Bei 18 der 41 Entscheidungen war zusätzlich ein fraudolöses Verhalten seitens der Darlehensgeber erforderlich. Demgegenüber stehen die Urteile, in denen die Gerichte entweder die Unterkapitalisierung als Teil des Mobile Steel Tests rur eine Nachordnung ausreichen lassen oder sich der Rechtsfigur recharacterization bedienen. 23 der 41 erwähnten Entscheidungen verfahren auf diese Weise, mit der Folge, daß die Erfolgsquote mit 60% etwas höher liegt. Vorsichtig läßt sich daraus ableiten, daß die Gerichte, die eine unzureichende Kapitalausstattung an sich ausreichen lassen, auch eher gewillt sind, die Darlehen nachzuordnen bzw. urnzuqualifizieren. Warum die unzureichende Kapitalausstattung nicht das erwartete Gewicht in der Rechtsprechung hat, hat verschiedene Ursachen. In der Rechtsprechung wird immer wieder betont, daß eine Nachordnung ohne ein fraudolöses Verhalten die Bereitschaft, der eigenen Gesellschaft Mittel zur Verrugung zu stellen, schwächen würde. Das Sanierungspotential, daß die amerikanischen Gerichte bei den Gesellschaftern ansiedeln, soll nicht ausgehöhlt werden. Zusätzlich bestehen im Schrifttum teilweise Bedenken gegenüber dem Konzept einer Unterkapitalisierung, das als zu vage und unkonkret eingestuft wird, um die Nachordnung von Forderungen im Konkurs zu rechtfertigens84 • Sind dies auch Vorwürfe aus dem Schrifttum, so ist es zumindest wahrscheinlich, daß die
582 Eine Auswahl an Einschätzungen über die Bedeutsamkeit der Unterkapitalisierung findet sich bei Thompson, 76 Comell L. Rev. 1036, 1065 (1991). 583 Thompson, 76 Comell L.Rev. 1036, 1065 ff (1991). Dort klaffen bezüglich der Unterkapitalisierung als Voraussetzungen für einen Haftungsdurchgriff Erwartung und Wirklichkeit noch weiter auseinander. 584
24*
Loiseaux, 38 Ref. 1. 4,5 (1964).
2. Kap.: Rechtslage in den USA
372
Ansicht von den Gerichten geteilt wird, wenn sich auch keine ausdrücklichen Stellungnahmen dazu finden lassen. Schließlich mag die verhältnismäßig geringe Bedeutung des Merkmales Unterkapitalisierung auch darin begründet sein, daß von den Kreditgebem gefordert wird, sich selbst über die Kapitalausstattung der Gesellschaft zu informieren und mittels Vertrag auf die Gegebenheiten zu reagieren, statt auf die Gerichte zu warten585 •
bb) Bestimmung der Unterkapitalisierung Neben der Häufigkeit der Merkmale ist aufschlußreich, wie die Gerichte die Unterkapitalisierung bestimmen, also welcher Kriterien sie sich bedienen: Übersicht 7
Merkmal
Anzahl der Nennungen
1. Kreditwürdigkeit
21
2. Financial Analyst
19
3. DebtiEquity Verhältnis
13
4. Repayment [rom uncertain profits
7
5. Zweck der Darlehen
3
Das mit Abstand gebräuchlichste Merkmal ist der Two-Prong-Test, bestehend aus der Kreditwürdigkeitsprüfung in Kombination mit den Aussagen eines Finanzexperten. Es folgt das debt-equity- Verhältnis, sowie das Merkmal repayment from uncertain profits. Die Reihenfolge gibt Auskunft über die Relevanz des Merkmals. Allerdings muß die Aussage leicht relativiert werden, da die Gerichte stets mehrere Merkmale nennen, sie häufig auch prüfen, aber nicht immer deutlich kennzeichnen, welches sie für ausschlaggebend halten. Hinzu kommt, daß in den Urteilen oft Merkmale genannt werden, um dann eine Entscheidung über die Kapitalausstattung zu treffen, ohne daß eine nach-
585 übre v. Albon Tractor Co., 228 Md. 291,296 (1962). Vgl. ausführlich oben B.V. mit weiteren Entscheidungen.
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
373
vollziehbare Subsumtion stattfindet. Da das Gericht des 5th Circuit in seinen Tests 586 zur Feststellung der Unterkapitalisierung die Merkmale der Kreditwürdigkeit und der Analyse des Finanzexperten aufgenommen hat, ist auch in Zukunft davon auszugehen, daß diese Merkmale weiter häufig von den Gerichten benutzt werden. An der Reihenfolge wird sich kaum etwas ändern.
4. Zurechnungszusammenhang der Finanzierungsverantwortung
Übersicht 8 Kategorie
Gesamt
Nach Ja
Nach Nein
%
lender liability (Banken)
85
22
60
26
Tax-Fälle
28
18
10
64
Insider (gesamt)
174
98
Officer
33
21
12
60
Director
19
13
6
68
Verwandte
7
3
4
42
Gesellschafter
79
40
33
52
56
Das wohl auffälligste Verhältnis zwischen der Anzahl der Entscheidungen und der Erfolgsquote besteht bei der sog. lender liability. Der höchsten Anzahl von 85 Fällen entspricht die -auch in der Literatur587 vermutete- niedrigste Erfolgsquote von 26%. Der Erfolgsquote wird bei der Gesamtstatistik am Anfang (Übersicht 2) hauptsächlich durch die Fälle zur lender liability zu Ungunsten der Daten bei den insidern beeinflußt. Der Grund für das Auseinanderfallen der beiden Daten im Bereich der lender liability liegt in folgendem: Die große Anzahl an Fällen mit Kreditgeberhaftung ist darauf zurückzuführen, daß kein Unternehmen ohne Kredite auskommen kann und deshalb die Probleme einer Bankenfinanzierung sehr häufig auftreten
586
In re Mobile Steel Co. 563 f.2d 692, 703 (5th Cir. 1977).
587
Chaitman, Lender Liability 1991, § 7.01. S. 7-8.
374
2. Kap.: Rechtslage in den USA
werden. Hinzu kommt der Wunsch der Betroffenen, die Machtstellung und die bessere Position der Bank im Konkurs zu verändern. Die geringe Erfolgsquote ist angesichts der sehr hohen Anforderungen der Gerichte an eine Lender Control nicht verwunderlich. Aus einigen Entscheidungen wird auch deutlich, daß bei den Gerichten ein gewisser Unwille besteht, die Banken haften zu lassenSB8 • Dahinter steht wohl die Befürchtung, daß eine in diesem Punkt weitreichende Rechtsprechung zur Haftung insgesamt negative Effekte nach sich zieht, da die Bereitschaft der Banken, auch risikoreiche Finanzleistungen zu erbringen, sinken wird. Damit könnte die gesamte wirtschaftliche Entwicklung in Mitleidenschaft gezogen werden. An den Daten ist ebenfalls auffällig, daß die Gesellschafter im Gegensatz zu den directors und officers in wesentlich mehr Fällen vertreten sind, aber eine merklich geringere Erfolgsquote von 51 % zu 60% bzw. 70% zu verzeichnen ist. Die Anzahl der Nennungen zeigt, wer die Gesellschaft hauptsächlich mit Darlehen finanziert: die Gesellschafter. Im Gegensatz dazu sind officers und directors einer corporation nicht in gleichem Maße an dem Erfolg der Gesellschaft interessiert und stellen deshalb nicht so häufig Darlehen zur Verfügung. Die niedrigere Erfolgsquote bei den Gesellschaftern hängt mit dem Konzept der nominellen Unterkapitalisierung zusammen. Wie unter 4. gesehen, hat die nominelle Unterkapitalisierung bei den Gründen, die zu einer Nachordnung fUhren, eine verhältnismäßig geringe Erfolgsquote. Da nur die Gesellschafter oder die GesellschaftergeschäftsfUhrerfür eine Finanzierung des Unternehmens verantwortlich sind, kann nur bei ihnen eine nominelle Unterkapitalisierung überhaupt zu einer Nachordnung der Gesellschafterdarlehen fUhren. Dann ist verständlich, daß ihre Darlehen seltener nachgeordnet werden als die der officers und directors. Im Gegensatz dazu beeinträchtigen die officers und directors die Interessen der Gläubiger direkt durch fraud, misrepresentation oder illegality. Diese Merkmalgruppen weisen eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit auf, so daß die Gerichte eher bereit sind, die Darlehen nachzuordnen. An diesem Punkt zeigt sich wiederum, daß die equitable subordination doctrin sowohl die Fälle eines Kapitalersatzes erfaßt als auch die Fälle allgemeiner Gläubigerbenachteiligung. Auch hier erweist sich die equitable subordination doctrin als allgemeines
588 Kham & Nate's Shoes No. 2, Inc. v. First Nationals Bank of Whiting, 908 f.2d 1351, 1356 (9th eir. 1990).
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
375
Institut zum Ausgleich von Gläubigerbenachteiligungen im Konkurs einer Gesellschaft.
5. Von einer Nachordnung betroffene Gesellschaftsformen
a) Schwierigkeiten der Datensammlung Die beschränkte Haftung einer Gesellschaft hat zur Folge, daß in Verträgen mit ihr ein Teil des damit verbundenen Risikos eines wirtschaftlichen Verlustes auf die andere Vertragspartei abgewälzt wird589 • Reichen die Vermögenswerte im Konkurs nicht aus, um alle Forderungen zu erfüllen, fallen die Gläubiger, nicht aber die Gesellschafter aus. Diese qua Gesetz getroffene Risikoverteilung können die Gerichte durch die Rechtsinstitute des Haftungsdurchgiffes und der Nachordnung von Darlehen im Konkurs zu Gunsten der Gläubiger verändern. Die Daten einer empirischen Erhebung über die Nachordnung von Gesellschafterdarlehen kann über die genannten Zusammenhänge Erkenntnisse vermitteln. Die relevante Frage, welche Gesellschaftsform von einer Nachordnung hauptsächlich betroffen wird, konnte in der vorliegenden empirischen Erhebung nicht vollständig aufgenommen und anhand der Fälle beantwortet werden. Das amerikanische Recht unterscheidet zwar in public und c10se corporations; die Konkursgerichte sprechen in ihren Entscheidungen hingegen oft nur von der "corporation", so daß eine eindeutige und zweifelsfreie Zuordnung nicht in allen Fällen möglich war und deshalb unterblieb. Allerdings gibt es auch andere Entscheidungen. Neben einer gelegentlich anzutreffenden genauen Einordnung konnte auch mittelbar auf die Gesellschaftsform geschlossen werden, etwa wenn es nur einen Gesellschafter gab, oder das Unternehmen als Familiengesellschaft bezeichnet wurde. Sind diese Daten auch für eine Erhebung nicht ausreichend, so vermitteln sie dem Leser der Fälle zumindest ein grobes Bild davon, mit welcher Häufigkeit bestimmte Gesellschaftsformen in den Fällen genannt werden. Nach dieser subjektiven Einschätzung ist die Nachordnung von Darlehen ein Problem vornehmlich der c10se corporation, seltener der limited partnership und noch seltener der public corporation. Der eher intuitive Befund überrascht nicht und wird vom Schrifttum und den Beratungen in der Gesetzgebung zum Bankruptcy Code geteilt. Das gleiche gilt für eine empirische Unter-
589
Dazu oben Einleitung 11.
376
2. Kap.: Rechtslage in den USA
suchung über den Haftungsdurchgrifp90, nach der es keinen einzigen Fall gegeben hat, in dem auf das Vermögen der Aktionäre einer public corporation zugegriffen wurde. Sämtliche amerikanische Gerichtsentscheidungen zum Haftungsdurchgriff bezogen sich auf die elose corporation. Da der Haftungsdurchgriff mit seinem Ziel, die Interessen an einer angemessenen Verteilung des wirtschaftlichen Risikos zwischen Anteilsinhaber und Gläubiger durchzusetzen, die gleiche Funktion wie die Nachordnung im Konkurs wahrnimme 91 , kann das Ergebnis zur elose corporation als empirische Bestärkung des eigenen Befundes gelten. Insofern kann davon ausgegangen werden, daß die Gerichte in der absoluten Mehrzahl der Fälle die equitable subordination doctrin innerhalb der elose corporation anwenden.
b) Ableitbare Aussagen
Die Tatsache, daß die elose corporation hauptsächlich von einer Nachordnung betroffen ist, läßt Schlüsse über den Zusammenhang beschränkter Haftung, der Gesellschaftsform und der Funktion des Kapitalmarktes zu592 • Daß es kaum Nachordnungen von Gesellschafterdarlehen bei der public corporation gibt, legt nahe, daß es Gründe gibt, die einen Ausgleich der beschränkten Haftung nicht erforderlich machen. Da es die Abwälzung des wirtschaftlichen Risikos auf die Gläubiger auch in der public corporation gibt, kann der Grund nicht darin liegen. Er ist ein anderer: Wenn die Nachordnung von Gesellschafterdarlehen droht, ausgelöst durch das fraudolöse Verhalten eines insiders, sinkt der Wert der Aktien. Der Umstand, daß die Nachordnung fast immer die elose corporation trifft, viel seltener aber die public corporation, legt nahe, daß die beschränkte Haftung den Kapitalmarkt derartig fördert, daß damit eine Nachordnung nicht mehr erforderlich ist. Wollen die Aktionäre den Wert ihrer Aktien auf dem Kapitalmarkt konstant halten oder steigern, sind Verhaltensweisen, die den Wert mindern, zu vermeiden. In der Konsequenz lohnt sich
590
Thompson, 76 ComeJl L. Rev. \036, 1055 (1991).
591
So ausdrücklich Easterbrookl Fischei, Corporate Law, S. 59, Fn. 13.
592 Zu den folgenden Ausführungen in bezug auf den Haftungsdurchgriff auch sehr ausführlich: Thompson, 76 ComeJl L. Rev. 1036, \070 ff(1991).
D. Besonderheiten und Rechtsfolgen
377
das Abwälzen des Risikos kaum, wenn der Wert der eigenen Anteile dann sinkt. Im eigenen Interesse muß ein Verhalten, das einen Durchgriff oder eine Nachordnung rechtfertigen könnte, vermieden werden. Der Befund liegt auf einer Linie mit der Feststellung, daß die beschränkte Haftung einen Kapitalmarkt ermöglicht, der über verschiedene Märkte das Verhalten der Gesellschafter und der Manager steuert593 • Da es bei der elose corporation zu Haftungsdurchgriffen und Nachordnungen kommt, liegt die Rechtfertigung für die Regelung einer beschränkten Haftung für die Gesellschaftsform der elose corporation nicht in dem Ermöglichen eines Kapitalmarktes. Die Möglichkeit der Parteien, die Gesellschaftsform der elose corporation für ihre Geschäfte zu nutzen, rechtfertigt sich hier hauptsächlich durch die vorhersehbare Risikoallokation. Das heißt, die Gesellschafterund ihre Vertragspartner müssen nicht für jeden einzelnen Vertrag die Beschränkung der Haftung neu vereinbaren. Damit wird allgemein eine Sicherheit für die wirtschaftliche Planung erreicht. In bezug auf die beschränkte Haftung gilt für die elose corporation folgendes: Solange keine Gesellschaftsanteile am Kapitalmarkt gehandelt werden, erfüllt die beschränkte Haftung auch keine Marktfunktion. Diese Feststellung impliziert zwei Deutungen: Für die public corporation ist es ein Nachweis, daß der Wettbewerb auf dem Kapitalmarkt zu einer angemessenen Risikoallokation führt. Auf der anderen Seite bedeutet es für die elose corporation, daß die Steuerung über den Kapitalmarkt nicht funktioniert, was sich aus dem Umstand begründet, daß die Anteile der elose corporation nicht handelbar sind. Durch den fehlenden Kapitalmarkt bestehen auch die verschiedenen Märkte zur Kontrolle des Unternehmens und des Managements nicht, die bei der public corporation eine angemessene Risikoallokation bewirken, so daß eine Nachordnung von Insiderdarlehen überhaupt erst notwendig wird. Verkürzt gesagt: Weil die Anteile der elose corporation nicht handelbar sind, kann eine Risikoabwälzung zu Lasten der Gläubiger nur durch einen Haftungsdurchgriff oder eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen vermieden werden.
593 Zu dieser Überlegung der Ökonomischen Analyse des Rechts siehe ausführlich, Behrens, Ökonomische Grundlagen, 1986.
3. Kapitel
Rechtsvergleich Die Frage, die sich im Anschluß an den Überblick stellt, ist die Frage nach den Übereinstimmungen und den Unterschieden des im deutschen und im amerikanischen Recht praktizierten Gläubigerschutzes bei einer Untemehmensfinanzierung mit Gesellschafterdarlehen. Dabei muß sich diese Untersuchung, wie auch die Erwägung, ob die innerhalb des einen Rechtssystems gefundene Lösung aktueller und zukünftiger Probleme innerhalb des anderen Rechtssystems fruchtbar gemacht werden kann, auf die tragenden Gedanken und die großen Entwicklungslinien beschränken.
A. Rechtliche Ausgangslage und funktionale Vergleichbarkeit In methodischer Hinsicht stützt sich die Rechtsvergleichung auf die einhellig verwandte funktionale Methode l . Eine solche funktionale Rechtsvergleichung orientiert sich an den rechtlichen Problemen und untersucht die jeweiligen Rechtsfiguren im Hinblick auf die Lösung dieser Probleme. Dies setzt voraus, daß ein Bezugspunkt fiir den Vergleich besteht, d.h. die Normen, Rechtsfiguren und das richterliche Recht müssen auf einen vergleichbaren Rechtszweck, eine vergleichbare Funktion abzielen2 • Ist eine Vergleichbarkeit im Rahmen des untersuchten Problems gegeben, besteht die Möglichkeit, die neuen Lösungen und vertieften Kenntnisse in das deutsche Recht zu übertragen. Die Übertra-
1 VgJ. dazujeweils mwN ZweigertlKötz, Grundlagen, S. 34 ff; Rheinstein, Rechtsvergleichung, S.14 f; Herrmann, Interessenverbände und Wettbewerb, 1984, S. 75. 2 Esser, Grundsatz und Norm, S. 356 f, 359 nennt als Bezugspunkte Rechtszweck, Funktion und Einheit des Problems. Ein solcher tertium comparationis ist notwendig, da sich zwei Begriffe sonst nicht unmittelbar in Beziehung setzen lassen. Darauf verwies schon für die Rechtsvergleichung Radbruch, Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform 2 (1906), S. 422 f.
A. Rechtliche Ausgangslage und funktionale Vergleichbarkeit
379
gung ist aber auch nur dann zulässig, wenn der "Vorrat an Lösungen"3 den Sinn und Zweck der deutschen Regelungen unterstützt4 • Für die Finanzierung mit Gesellschafterdarlehenmuß zunächst untersucht werden, in welchem rechtlichen Regelungsrahmen sich die Problemlösung bewegt, um dann zu fragen, welche Benachteiligungsgefahren in den jeweiligen Ländern gesehen werden. Abschließend ist zu prüfen, welche Regelungsansätze zum Gläubigerschutz bestehen und wie sich die Rechtsprechung im Laufe der Zeit entwickelt hat.
I. Benachteiligungsgefahr für die Gläubiger
In Deutschland wie in den USA ist das Phänomen bekannt, daß Gesellschafter ihre Gesellschaft im Verhältnis zu Geschäftsumfang und -risiken mit einem geringen Eigenkapitalanteil finanzieren. Stattdessen gewähren sie dem Unternehmen Gesellschafterdarlehen. Solche Darlehen sind in beiden Ländern ein beliebtes Finanzierungsinstrument, fiir das überzeugende wirtschaftliche und steuerrechtliche Vorteile sprechen5 • Im Konkurs der Gesellschaft steht diesen Vorteilen aber die Gefahr gegenüber, daß die Gläubiger benachteiligt werden. Der Gesellschafter, der ein Darlehen gewährt hat, kann seine Ansprüche im Konkurs geltend machen, oder aber er nutzt sein Insiderwissen und den damit verbundenen Informationsvorsprung, um das nachgeschossene Darlehenskapital kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch noch aus der Gesellschaft herauszuziehen6 • In beiden Fällen verringert sich die fiir eine Befriedigung der Gläubiger zur Verfiigung stehende Verteilungsmasse. Eine Verschlechterung der Befriedigungsaussichten entsteht erfahrungsgemäß auch zusätzlich, weil die Fortführung einer liquidationsreifen Gesellschaft das bestehende Vermögen verringert und zusätzlich neue Gläubiger hinzukommen. Damit steht die Finanzierung mittels Gesellschafterdarlehen in Deutschland und den USA in dem Spannungsverhältnis zwischen Finanzierungsfreiheit und dem Bedürfnis nach adäquatem Gläubigerschutz. Die sich aus diesem Spannungsverhältnis ergebenden Fragen und Wertentscheidungen sind in beiden
3
Zitelmann zitiert nach Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 26.
4
Herrmann, Interessenverbände und Wettbewerb, 1984, S. 75.
5
Vgl.: Kap. I A.lV. und Kap. 2 A.V.
6
Grundlegend BGHZ 31, 258 und BGHZ 76, 326.
380
3. Kap.: Rechtsvergleich
Ländern Gegenstand einer Vielzahl von Entscheidungen und einer sehr ausgeprägten Diskussion.
11. Rechtlicher Regelungsrahmen
Der gesetzliche Ausgleich für das Spannungsverhältnis zwischen Finanzierungsfreiheit und dem Bedürfnis nach Gläubigerschutz ist in Deutschland und den USA in verschiedenen rechtlichen Regelungsrahmen angesiedelt. Das deutsche Recht kennt ein Nebeneinander von einer gesellschaftsrechtlichen (§§ 30, 31 GmbHG analog) und einer insolvenzrechtlichenLösung (§§ 32a,32b GmbHG, 32a KO), das als zweispuriges oder zweistufiges Schutzsystem gedeutet wird7 • Die beiden Lösungen unterscheiden sich nur hinsichtlich der Rechtsfolgen, nicht aber bezüglich des Tatbestandes8 • Im Gegensatz dazu hat das amerikanische Recht das juristische Problem einer Gesellschafterfremdfinanzierung konsequent als Problem des Insolvenzrechts begriffen und in sec. 510 (c) Bankruptcy Code geregelt. Der Ansatzpunkt im Insolvenzrecht ist aber auch insofern unterschiedlich, als sich das amerikanische Bankruptcy Recht und das deutsche Konkurs- und Vergleichsrecht erheblich voneinander unterscheiden. Das geltende deutsche Konkurs- und Vergleichsrecht ist reformbedürftig. Es ist weitgehend funktionsunfähig geworden, denn in den letzten Jahren (19851991) wurden etwa 75% der Konkursanträge mangels Masse abgelehnt9 • Ein weiterer gewichtiger Mangel des geltenden Rechts liegt darin, daß es den Beteiligten keinen funktionsfähigen Rahmen für die Sanierung notleidender Unternehmen gewährt lO • Aus diesen Gründen gibt es seit Ende der 70er Jahre Reformbemühungen, um den "Konkurs des Konkurses" zu verhindern 1 I. Nach 7
Vg\.: Kap. 1 A.II.3.
8
Vg\.: Kap. 1 A.II.3.
9 Doehring, Insolvenzen im statistischen Blickfeld, KTS 1993, 197, 198. So wurden im Jahr 1991 von 12903 Konkursen 9667 mangels Masse abgelehnt. 1950 lag dieser Anteil bei 27%, 1960 bei 35% und 1970 bei 47%. Die Vergleichsverfahren haben keine nennenswerte Bedeutung mehr. So gab es im Jahr 1991 lediglich 39 Vergleichsverfahren. 10 So die Begründung des Regierungsentwurfes BT-Drucks. 12/2443 vom 15.4. 1993, S. 71 ff, zit. nach Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, 1994, S. 91.
11
Ein informativer Überblick findet sich bei Häsemeyer, Insolvenzrecht, 1992,
A. Rechtliche Ausgangslage und funktionale Vergleichbarkeit
381
umfangreichen rechtstatsächlichen Vorarbeiten im Jahre 1976-1977 12, den Beratungen des 54. Deutschen Juristentages 1982, den Berichten der Kommission für Insolvenzrecht 1985 und 1986 13 und dem Referentenentwurfeiner Insolvenzordnung aus dem Jahre 1988 und 1989 14 ist am 18. 10. 1994 die neue Insolvenzordnung verkündet worden l5 • Ziel des künftigen Insolvenzverfahrens ist die Herstellung marktkonformer Rahmenbedingungen, um entscheiden zu können, ob ein Unternehmen zu liquidieren oder zu sanieren ise 6 • Insgesamt sollen die Chancen für die Sanierung eines Unternehmens durch einen Insolvenzplan erhöht werden. Von dieser Rechtslage unterscheidet sich das amerikanische Recht in zwei Aspekten ganz wesentlich. Zum einen sind in den USA die Anzahl der Konkurse mit einer vorhandenen Masse wesentlich höher als in Deutschland 17 • Das liegt auch daran, daß die Konkurse in 90% der Fälle vom Schuldner selbst ausgelöst werden, weil eine Schuldbefreiung eintritt. Zum anderen bietet der Bankruptcy Code im wesentlichen 18 zwei gleichberechtigte Möglichkeiten eines Insolvenzverfahrens, die sich stark an marktwirtschaftlichen Gegebenheiten orientieren: Entweder eine Liquidation nach chapter 7, freiwillig oder unfreiwillig, oder eine in chapter 11 geregelte
S. 65 ff. Die Literatur zu diesem Thema ist äußerst umfangreich, Überblicke bieten Häsemeyer aaO S. 73 Fn. 71; Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, 1994, S. 15 ff, Stand 10. 9. 1994. 12 Im Auftrage des Bundesjustizministeriumshaben Gessner/Rhode/Strate/Ziegert, Die Praxis der Rechtsabwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 1978, die rechtstatsächlichen Untersuchungen vorgenommen. 13 Bundesministerium rur Justiz (Hrsg.), Erster Bericht der Kommission fiir Insolvenzrecht, 1985; Bundesministerium für Justiz (Hrsg.), Zweiter Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1986.
14 Dieser Refrentenentwurf ist seinerzeit durch Beschluß vom 21. 11. 1991 mit einigen Modifikationen als Regierungsentwurf übernommen worden. Bundesministerium für Justiz (Hrsg.), Referentenentwurf, 1989. 15 Die wesentlichen Bestimmungen des Gesetzes treten am 1. 1. 1999 in Kraft, BGBI 1994, 2866 und 2911. Siehe auch die umfangreiche Dokumentation bei Prütting/Kübler, Das neue Insolvenzrecht, 1994. 16 Allgemeine Begründung des Regierungsentwurfes (BT-Drucks. 12/2443 vom 15. 4. 1993, S. 71 ff), zitiert nach Prütting/Kübler, Das neue Insolvenzrecht, 1994, S. 91. 17
Riesenfeld in BirklKreuzer, S. 135.
18 Daneben gibt es noch spezielle Insolvenzverfahren für Wasser- und Energie Unternehmen, chapter 9 oder für Farmbetriebe in Familienhand, chapter 13.
382
3. Kap.: Rechtsvergleich
Reorganisation des Unternehmens. Ziel ist es in beiden Fällen, abhängig von den Zukunftsaussichten, dem Schuldner einen fresh start l9 zu ermöglichen. Damit liegt der wesentliche Unterschied zwischen dem noch bestehenden deutschen Recht und den US-amerikanischen Regelungen in der Existenz eines außergerichtlichen Sanierungsverfahrens. Dieser Unterschied führt zu der Vermutung, daß es in den USA häufiger Fälle geben wird, in denen eine Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen in haftendes Kapital außerhalb eines Gerichtsverfahrens in einer Reorganisation zwischen den Parteien geregelt wird. Für die vorliegende Untersuchung hat die Vermutung folgende Bedeutung: Es relativiert sich der Unterschied zwischen den Abweichungen im rechtlichen Regelungsrahmen in den jeweiligen Ländern. Denn auch die Umqualifizierung aufgrund von Parteivereinbarungen wird sich an den gesetzlichen Regeln ausrichten; es wird lediglich weniger Fälle einer Umqualifizierung qua Gericht in der Liquidation geben. Deshalb haben die Unterschiede im rechtlichen Regelungsrahmen zur Beurteilung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehenkeine merklichen Auswirkungen auf den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit.
III. Regelungsansatz zum Gläubigerschutz
Bemerkenswert ist der grundsätzliche Unterschied der haftungsrechtlichen Schutzkonzeptionen in den beiden Rechtsordnungen. Während das amerikanische Recht einen repressiven Schutz der Gläubiger vorsieht, besteht das deutsche System aus einer Mischung von präventiven und repressiven Elementen. Die verschiedenen Ansätze beruhen darauf, daß das amerikanische Recht gänzlich auf die Einrichtung eines präventiv wirkenden Stammkapitals mit Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregeln verzichtet haf o• Statt dessen haben die amerikanischen Gerichte außergesetzlich in einer nahezu unübersichtlichen Fülle von Entscheidungen die Haftung des Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft aufgrund eines Durchgriffes entwickelf 1• Neben der Durchgriffshaftung hat vor allem in den letzten 15 Jahren in den
19
Vgl. dazu einführend Baird, Elements of Bankruptcy Law, 1993, S. 31 ff.
20
Vgl.: Kap. 2 A.l.l.
21
Vgl.: Kap. 2 A.I.3.
A. Rechtliche Ausgangslage und funktionale Vergleichbarkeit
383
USA die equitable subordination doctrin als Instrument des Gläubigerschutzes erheblich an Einfluß gewonnen22 • Danach werden im Konkurs der Gesellschaft Gesellschafterdarlehennachgeordnet; sie verlieren ihre Rangstufe im Konkurs, ohne aber die Stellung als Konkursgläubiger zu berühren23 • Demgegenüber besteht in Deutschlan~ ein ausgefeiltes und sehr komplexes System der Kapitalaufbringung und -erhaltung, während ein Raftungsdurchgriff wegen Unterkapitalisierung kein gesprochenes Recht darstellf4 • Parallel zum amerikanischen Recht ist in Deutschland die Bedeutung detjenigen Regelungen gewachsen, welche die Gesellschafterdarlehenim Konkurs betreffen: die Eigenkapitalersatzregeln.Dieses Schutzssystem verpflichtet den Gesellschafter, eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen unabhängig vom Konkurs den Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbRG analog zu unterstellen, bis die Stammkapitalziffer erreicht isf s. Zusätzlich gelten die Regeln der GmbRNovelle von 1980 (§§ 32 a, 32 b GmbRG, 32 a KO, 3b AnfG), die die Gläubiger aber erst mit Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens schützt. Die erste und offensichtliche Gemeinsamkeit beider Regelungen sowohl in den USA als auch in Deutschland ist, daß Gesellschafterdarlehen im Konkurs bei der Masse verbleiben können, um so den Gläubigem eine bessere Aussicht auf Befriedigung zu sichern. Wesentliche Unterschiede ergeben sich jedoch hinsichtlich der Rechtsgrundlagen und ihrer Bedeutung. Die equitable subordination doctrin im amerikanischen Recht ist ausschließlich eine Rechtsfigur des Insolvenzrechtes (sec. 510 (c) Bankruptcy Code 26 ), während das Eigenkapitalersatzrecht vorrangig ein Problem des Gesellschaftsrechtes darstellf7. Dabei entstammt die equitable subordination doctrin im Insolvenzrecht - wie der Name schon andeutet- den Equity-Befugnissen der amerikanischen Gerichte. Damit unterliegt die Nachordnung von Gesellschafterdarlehenin den USA der richterlichen Entscheidung und nicht dem Gesetz. Im Gegensatz dazu fiihrt § 32 a GmbRG zu einer Umqualifizierung ex lege ohne Einflußmöglichkeiten
22 Nach 13 Entscheidungen zwischen 1938 und 1977 gibt es im Zeitraum von 1977 bis 1993 insgesamt 333 einschlägige Entscheidungen, s. dazu Kap. 2 D.lV. 23
Vgl.: Kap. 2. A.III.3.a).
24
Vgl.: Kap. I A.l.
25
Grundlegend BGHZ 31, 258; 76, 326.
26
11 U.S.C.
27
Ausführlich Scholzl K. Schmidt, §§ 32 a, 32 b Rn. 15.
3. Kap.: Rechtsvergleich
384
der Gerichte. Aus diesem Unterschied resultiert folgende Vermutung: Gerichte in den USA können Einzelfallentscheidungen flexibler handhaben als die an zwingendes Gesetz gebundenen Gerichte in Deutschland. In den Grundzügen der rechtlichen Beurteilungen einer Gesellschafterfremdfinanzierung sind allerdings aus diesem Umstand heraus keine Unterschiede zu erwarten.
IV. Entwicklung der Rechtsprechung Die Entwicklung in der Rechtsprechung beider Länder zeichnet sich durch auffällige strukturelle Gemeinsamkeiten aus. Die Regeln über die Behandlung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs einer Gesellschaft sind sowohl in Deutschland wie in den USA ein Kind höchstrichterlicher Rechtsprechung, die in beiden Fällen im Jahr 1938 begann28 • Die Rechtsprechung hat jedesmal, ohne daß es Vorbilder gegeben hätte, die UmqualiflZierung von Gesellschafterfremdmitteln in Eigenkapital in Anlehnung an schon bestehende Rechtsinstitute entwickelt. In der amerikanischen Rechtsordnung haben die Richter die equitable subordination doctrin parallel zum Recht des Haftungsdurchgriffes konzipierf9. Während der Tatbestand der equitable subordination doctrin gewisse Ähnlichkeiten zum Haftungsdurchgriff aufweist, ist die Rechtsfolge gänzlich verschieden. Die equitable subordination doctrin ist darauf beschränkt, die Summe der Gesellschafterdarlehen den Gläubigem zur Verfiigung zu stellen, nicht aber das gesamte Privatvermögen des Gesellschafters. Die gesamte Konzeption der equitable subordination hat der amerikanische Supreme Court30 sowie das Appeal Gericht des 5th Circuif l im Rahmen der Common Law Rechtsfindung in vier Entscheidungen zwischen 1938 und 1977 festgelegt. Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof im Jahre 195932 eigenkapitalerset-
28 In den USA beginnt die Rechtsprechung mit Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 U.S. 307 (1938), in Deutschland mit einem Urteil des Reichsgerichtes in JW 1939, 335 f, in dem sich das Gericht noch auf den § 826 BGB bezog. Dazu Kapit. !.A.ll.!.
29
Vgl.: Kap. 2 A.III.!.b).
30 Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 U.S. 307 (1939); Pepper v. Litton 308 U.S. 295 (1939); Comstock v. Group of International Invest., 335 U.S. 211 (1948), vgl.: Kap. 2 A.III.!. 31
In re Mobile Steel, 563 f.2d 692 (5th Cir. 1977).
32
BGHZ 31, 258 "Lufttaxi ".
A. Rechtliche Ausgangslage und funktionale Vergleichbarkeit
385
zende Darlehen den §§ 30, 31 GmbHG - den Regeln über die (Eigen-) Kapitalerhaltung - unterworfen und konnte auf diese Weise den Tatbestand und die Rechtsfolgen von Beginn an sehr präzise umschreiben. Dadurch ist das Problem der Gesellschafterfremdfinanzierung von den Fragen einer Durchgriffshaftung aufgrund einer materiellen Unterkapitalisierung abgegrenzt worden. Warum sich die sehr ähnliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs der Gesellschaft im Ansatz so unterschiedlich entwickelt hat, ist offensichtlich. Neue Rechtsfiguren können mit einer höheren Rechtssicherheit eingefiihrt werden, wenn sich auf schon bestehende Regelungen bezogen wird. Dieser wesentliche Unterschied im Ansatz -in den USA Verwandtschaft zum Haftungsdurchgriff, in Deutschland Anlehnung an §§ 30, 31 GmbHG- ist der Ursprung für eine in einzelnen Fragen unterschiedliche Entwicklung beider Regelungen. Nahezu zeitgleich sind die Gesetzgeber in Deutschland und den USA 1980 bzw. 1978 tätig geworden, um die jeweilige Rechtsprechung zu bestätigen, Zweifelsfragen auszuräumen und eine eigene gesetzliche Grundlage zu schaffen 33 • Im deutschen Recht hat die GmbH- Novelle von 1980 entgegen der Zielsetzung jedoch nicht die Rechtsprechungsregeln abgelöst. Zwar geht die Novellen-Regelung in ihren Rechtsfolgen weiter als die bestehende Rechtsprechung, aber auf der anderen Seite bedeutet sie im Hinblick auf die gläubigerschützende Funktion einen Rückschritt: Der Schutz der gesetzlichen Regelung tritt erst und nur dann ein, wenn das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet wird und neben diesen Verfahren in den Fällen einer Gläubigeranfechtung 34 • Eine Verstrickung der eigenkapitalersetzenden Gesellschaftermittel entfällt aber, wenn die Verjährungsfrist von nur einem Jahr zwischen Rückgewähr der Mittel und Konkurseröffnung abgelaufen ist. Um diese als Lücke empfundene Regelung zu schließen, hat der Bundesgerichtshof 198435 entschieden, die bisherigen Rechtsprechungsregelnseien auch weiterhin neben den Vorschriften der GmbH- Novelle anwendbar. Damit besteht ein ausdifferenziertes
33 Für das amerikanische Recht vgl.: Kap. 2 A.III.2.; für das deutsche Recht vgl.: Kap. l.A.II.2. 34
Vgl.: Kap. 1 A.lI.3.
3S
BGHZ 90, 370: Zu den Reaktionen auf diese Entscheidung vg\.: Kap. 1 A.II.2.
25 Gehdc
386
3. Kap.: Rechtsvergleich
zweistufiges Schutzssystem, das jedoch in der Praxis einige Probleme aufwirff 6 • Anders als in Deutschland kennt das amerikanische Recht nur eine einzige gesetzliche Regelung. Nach langen Debatten über eine automatische Nachordnung von Darlehen37 , beschloß der Gesetzgeber, die bestehende Regelung, die durch das common law geschaffen wurde, beizubehalten. Die bis 1978 in den vier Leitentscheidungen entwickelte Rechtsprechung bildet heute das maßgebliche Gesetzesrecht in sec. 510 (c) Bankruptcy Code 38 zur Beurteilung von Gesellschafterdarlehen im Konkurs39 • Entsprechend den unterschiedlichen Ursprüngen ist das deutsche Recht vorrangig eine Materie des Gesellschaftsrechtes, während in den USA die equitable subordination eine Rechtsfigur des Insolvenzrechtes ist. Eine bemerkenswerte Übereinstimmung bedeutet auch die Tatsache, daß in beiden Rechtsordnungen letztlich die Rechtsprechung und nicht der Gesetzgeber verantwortlich dafür ist, wie die Gesellschafterdarlehen im Konkurs zu behandeln sind. Übereinstimmend kann in beiden Rechtsordnungen auch festgestellt werden, daß zu der Frage, wann Gesellschafterdarlehen wie Eigenkapital haften, in den letzten 20 Jahren zunehmend mehr Fälle entschieden wurden. Die Gegenüberstellung der deutschen und der amerikanischen Rechtsgrundlagen sowie ihrer Entwicklung hat weitgehende Gemeinsamkeiten ergeben. Dennoch darf nicht übersehen werden, daß die Ansätze zum Gläubigerschutz divergieren. In den USA ist die equitable subordination Doktrin in Anlehnung an den Haftungsdurchgriff als Gläubigerschutzinstrument des Insolvenzrechtes entwickelt worden, dessen Eingreifen von dem Konkurs der Gesellschaft abhängt. Die deutschen Gerichte haben demgegenüber die Kapitalerhaltung zum Ausgangspunkt gewählt, die unabhängig von der Konkurseröffnung die Gläubiger schützt. Ergänzt wird das deutsche Recht durch die insolvenzrechtliche Lösung der GmbH- Novelle. Der amerikanische Ansatz führt zu einem wesentlich unkomplizierteren und in der Praxis im Grundsatz einfacher zu handhabenden Gläubiger- Schutzssystem.
36
Röhricht, StbJb. 199311994, S. 314.
37
Vgl.: Kap. 2 A.III.2.
38
11 U.S.C.
39
Vg\.: Kap. 2 A.III.2.c).
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
387
Die geschilderten wesentlichen Übereinstimmungen sowohl hinsichtlich der Benachteiligungsgefahren rur Gläubiger und des Regelungsrahmens als auch hinsichtlich der vergleichbaren Rechtsentwicklung erlauben es, einen funktionalen Rechtsvergleich durchzufiihren.
B. Tatbestand einer Umqualitlzierung von Fremd- in Eigenkapital Stellt man an den Anfang einer rechtsvergleichendenBetrachtung des Tatbestandes von Quasi- Eigenkapital die Grundlagen fiir deren Erfassung, so fallen mehrere Gemeinsamkeiten auf. Sowohl in den USA als auch in Deutschland liegt der Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital die gleiche Wertung zugrunde. Beide Staaten bedienen sich einer an idealtypischen Merkmalen orientierten Abgrenzung4o • Eigenkapital zeichnet sich dadurch aus, daß es dem Unternehmen dauerhaft überlassen bleibt, an den Verlusten teilnimmt und in der Vermögenssausschüttung von den Unternehmensgewinnen abhängt. Diese schon sehr früh entwickelte Überlegung wird in den USA seit 1935 41 ausdrücklich von den Gerichten zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht, während in Deutschland solche betriebswirtschaftlichen Vorgaben ohne ausdrücklichen Bezug die Entscheidungen prägen. Anders als in Deutschland fehlen in den USA weitergehende finanzwirtschaftliche Forschungen42 , wie Eigen- von Fremdkapital unterschieden werden kann. Allerdings ist die Auswirkung dieser neueren Forschungen insoweit begrenzt, als sie zum einen in Gerichtsurteilen nicht beachtet werden und zum anderen nur eine konsequente Fortschreibung der idealtypischen Unterscheidung darstellen. In der Sache bieten die Forschungsergebnisse fiir das Recht jedoch nichts völlig Neues.
40 Für das amerikanische Recht vgl.: Kapit. 2 B.I.2.a)., für das deutsche Recht vgl.: Kap. I.B.I.I.a). 41
O.P.P. Holding 76 f.2d 11 (2d Cir. 1935).
42 Bezeichnend ist es, daß die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital in keinem amerikanischen Standardwerk zur Wirtschaftswissenschaft auftaucht. Brealy/Meyers, Principles of Corporate Finance, 1991 geben in Kapitel 14 lediglich einen Überblick über die Kapitalarten Stock, Bond etc. Das gleiche gilt für CopelandiWeston, Financial Theory and Corporate Policy, S. 382 ff. Für die deutsche Situation vergleiche nur Swoboda, Die Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital, S. 42 ff. Desweiteren: Kap. I B.I.l.c).
25'
3. Kap.: Rechtsvergleich
388
Weitaus wichtiger als die gemeinsamen Grundlagen ist aber die rechtsvergleichende Bestätigung des im jüngeren deutschen Schrifttums vertretenen materiellen Kapitalbegriffes43 • Im Gegensatz zu der früheren formalen Unterscheidung wird jetzt analysiert, welche Funktionen das zugefiihrte Kapital wahrnimmt. Ziel ist es, das formale Fremdkapital auch haftungsrechtlichzutreffend einzuordnen. In der gleichen Weise gehen die amerikanischen Gerichte vor, wenn sie mit dem substance over form test an die wirtschaftliche Substanz der Gesellschafterdarlehen anknüpfen: Entscheidend ist nicht die von den Parteien gewählte Form, sondern die wahre wirtschaftliche Substanz der Transaktion44 • Ein solcher Ansatz ist gerade bei Gesellschafterdarlehen sinnvoll, da der Gesellschafter auf beiden Seiten als Vertragspartner auftaucht. Da sowohl in der dose corporation als auch der GmbH Interessenidentität besteht, wird meist diejenige Form der Finanzierung gewählt, die die meisten Vorteile sowohl in wirtschaftlicher und in steuerrechtlicher als auch in haftungsrechtlicher Hinsicht bietet. Insofern ist es zutreffend, wenn heute allein die dem Kapital im Unternehmen zukommende Funktion den Ausschlag fiir die Einordnung als Fremd- oder Eigenkapital gibt; die Funktion und nicht mehr die Formenwahl ist entscheidend. Gemeinsam ist beiden Rechtsordnungen auch, daß diese Erkenntnisse der Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Forschung nicht in die Gesetzgebung aufgenommen wurden. Eine Ausnahme macht die amerikanische Steuergesetzgebung mit dem 1969 eingefiihrten § 385 IRC45 , der die Befugnis vorsieht, Richtlinien zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital fiir die Steuerrechtsprechung zu erlassen. Dieser gesetzliche Vorstoß hatte aber keine spürbaren Auswirkungen gehabt, da die Richtlinien erst Jahrzehnte später erarbeitet wurden und jeweils nur wenige Jahre in Kraft waren. Damit bleibt in beiden Ländern die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital in haftungsrechtlicher Sicht auch weiterhin den Gerichten und dem begleitendem Schrifttum vorbehalten.
43 Zu dem Begriff siehe: K. Schmidt, FS Goerdeler, 487, 490 ff; Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979,31,42 ff; Priester, DB 1991, 1917; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Untemehmenssteuerrecht, § 4 V 3 S. 107. Vgl.: Kap. 1 B.I.2.b). 44 Vgl. nur: Pepper v. Litton 308 U.S. 295,304 f (1939); Kupetz v. Wolf, 845 f.2d 842, 846 Fn.6 (9th eir. 1988). Vgl.: Kap. 2.A.III.4.
45
Vgl.: Kap. 2 B.II.1.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
389
Die bisherige Darstellung der Grundlagen einer Unterscheidung von Fremdund Eigenkapital bei den Gesellschafterdarlehen im Konkurs hat wesentliche Gemeinsamkeiten deutlich gemacht. Mit diesem Befund wird die bisherige deutsche Rechtsentwicklung bestätigt. Gleichzeitig beweist dieses Ergebnis die allgemeine These der Rechtsvergleichung, daß gleiche Wirtschaftssysteme auf gleiche Fragen und wirtschaftliche Probleme auch ähnliche bis gleiche Antworten finden46 • Angesichts der zu lösenden Probleme sind auch kaum andere akzeptable und praktizierbare Lösungen zu finden. Trotz dieser weitgehenden Parallelität in den Grundlagen einer Unterscheidung von Fremd- und Eigenkapital grenzen die Gerichte die haftenden Gesellschafterdarlehen unterschiedlich voneinander ab. Gleich ist beiden Rechtsordnungen noch, daß die maßgeblichen Regelungen sich unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen: Das deutsche Recht spricht in § 32 a GmbHG von "dem Finanzierungsverhalten eines ordentlichen Kaufmanns", während das amerikanische Recht den weiten Begriff des "inequitable conduct" benutzt. Anders als in Deutschland bezieht sich dieser unbestimmte Rechtsbegriff in den USA aber nicht nur auf Fragen der Kapitalausstattung des Unternehmens, wie es der Mobile Steel Test47 mit seinen Voraussetzungen deutlich macht. Inequitable conduct erfaßt auch unterschiedliche Formen des Mißmanagements zu Lasten der Gläubiger sowie andere Gläubigergefährdungen durch einen Mißbrauch der Gesellschaftsform. Damit sind Benachteiligungen durch Vorspiegeln falscher Finanzsituationen ebenso wie betrügerische Transaktionen und andere Gesetzesverstöße gemeint. Hierin liegt der wesentliche Unterschied auf dem Gebiet des Tatbestandes zwischen den beiden Ländern. Im Folgenden sollen zunächst die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungenund Beurteilungsmaßstäbe rur eigenkapitalersetzende Darlehen und Finanzplandarlehen in der jeweiligen Rechtsordnung betrachtet werden. Im Anschluß
46 Zu der Universalität sachlicher Lösungsprinzipien umfassend: Esser, Grundsatz und Norm, 4. Aufl. 1990, S. 369 ff. Gegen eine überspannte Interpretation der "praesumtio similitudinis" wendet sich Gessner, RabelZ 1972,229,235 ff. Nach seiner Überzeugung stellt der Befund universaler sachlicher Lösungsprinzipien einen Fehlschluß dar. Denn ähnliche Lösungsformen, die man immer wieder zu finden glaube, beruhten häufiger auf Wertselektion des Beobachters bei der Problemstellung als auf soziologischer Gleichartigkeit. Für die vorliegende Arbeit hat der Streit jedoch keine unmittelbare Auswirkung, da die Übertragbarkeit und die Wertselektion bei Problemlösungen nicht verneint wird, sondern nur der Schluß auf universale Lösungsprinzipien. 47
In re Mobile Steel, 563 f.2d 692, 700 (5th eir. 1977). Vgl.: Kap. 2 A.IIl.l.e).
3. Kap.: Rechtsvergleich
390
daran ist zu erörtern, welche Bedeutung die unterschiedlichen Formen des Mißmanagements für die Ausgangsfrage nach der Reichweite des Gläubigerschutzes haben.
I. Marktorientierter Beurteilungsmaßstab für die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen Der Beurteilungsmaßstab für die eigenkapitalersetzenden Darlehen hat die Aufgabe zu entscheiden, wann die Gesellschafterfremdmittel wie Darlehen zu behandeln sind und wann sie den Gläubigem als Haftungsgrundlage zur Verfügung stehen. In diesem Beurteilungsmaßstab tritt das Spannungsverhältnis eines Bedürfnisses nach Gläubigerschutz und dem berechtigten Interesse der Gesellschafter an einer Gesellschafterfremdfinanzierung deutlich zutage. Die Entscheidung der Rechtsordnung, die Gesellschafter können nicht in jedem Fall mit Gesellschafterdarlehenfinanzieren, kompliziert sich noch durch eine weitere Schwierigkeit. Eine Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital nach den unterschiedlichen Eigenkapitalfunktionenläßt sich in der Rechtswirklichkeitnur schwer durchführen, denn die Darlehen weisen sowohl Charakteristika von Fremd- wie von Eigenkapital auf'8. In den ersten Jahren der Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatz hatte sich der Bundesgerichtshof in dieser Situation mit dem Phänomen der Konkursreife, bestehend aus der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit als Umqualifizierungstatbestand, zu befassen49 . Diese Rechtsprechung stieß später auf Kritik, da sie die Gesellschaftsgläubiger erst schützte, wenn der Konkursfall schon eingetreten war. Im Jahr 1980 änderte sich diese Rechtsprechung grundlegend, als der BundesgerichtshofO einen neuen Beurteilungsmaßstab einführte, der schon im Vorfeld der Gesellschaftskrise greift: die KreditwürdigkeitSI. Ein Gesellschafterdarlehen ist danach auch dann wie Eigenkapital zu behandeln, wenn es einer Gesellschaft zugute kommt, die, ohne zahlungsunfähig oder überschuldet zu sein, den zur Fortführung ihres Geschäftsbetriebes benötigten Kredit nicht mehr zu marktüblichen Bedingungen von dritter Seite erhalten
48
Vgl.: Kap. 1 B.l.l.a).
49
Vgl.: Kap. 1 B.II.2.
so BOHZ 76, 326, 330. SI
Vgl.: Kap. 1 B.II.3.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
391
hätte s2 • Die Entwicklung in den USA zu dem Kriterium einer Umqualiftzierung von Fremd- in Eigenkapital bestätigt rechtsvergleichenddas Kriterium der Kreditwürdigkeit in Deutschland. Auch in den USA ist der wichtigste Test zur Beurteilung der Gesellschafterdarlehen im Konkurs der zum deutschen Recht inhaltsgleiche independent creditor test S3 • Damit hat sich in beiden Ländern zur Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital in der Gesellschaftskrise die gleiche Problemannäherung durchgesetzt. Auf der Tatbestandsseite zeigt sich in den jeweiligen Ländern, daß sich die Schutzkonzeption von § 32 a GmbHG, §§ 30,31 GmbHG analog und der equitable subordination doctrin am Kapitalmarkt orientiertS4 • Die MarktorientierungSS ist auch gerechtfertigt, denn diese Methode ist einfach zu handhaben und bietet verläßliche Ergebnisse. Überdies garantiert eine am Kapitalmarkt ausgerichtete Konzeption des Kapitalersatzrechtes einen adäquaten Gläubigerschutz, der sich nach der Spanne des gerade marktüblichen Kreditrisikos bemißt und somit flexibel istS6 • Der Gläubigerschutz wird nicht starr durch die Gerichte festgelegt, sondern berechnet sich nach allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen und konjunkturellen Lagen. Mit dieser Schutzkonzeption wird den Gläubigem nicht jedes Risiko abgenommen, sondern nur dasjenige, das über das allgemeine Risiko am Markt hinausgeht. Damit verbleibt im wesentlichen den Gläubigem und nicht den Gerichten die Aufgabe, das Kreditrisiko einzuschätzen. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist die Aussage von Judge Easterbrooks7 in 52 Die Prüfung der Liqudationsreife ist entbehrlich. Dazu mit Begründung oben Kap. I.B.lI.3.a). S3
Vgl.: Kap. 2 B.l1.2.a).
S4 ZU einem kapitalmarktorientierten Verständnis nicht nur der eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen, sondern des gesamten Quasi- Eigenkapitals siehe Hemnann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt- und Unternehmensrecht, 1996.
ss Es sei darauf hingewiesen, daß die Marktorientierung zivilrechtlicher Regelungen im Grunde nichts Neues ist. Als Beispiel sind hier nur zu nennen die Marktbezüge des Transparenzgebotes im AGB-Gesetz und im UWG, umfassend zu diesem Problemkreis mit weiteren Beispielen siehe Hemnann, DZWiR 1994, 45 ff und 95 ff. Zur grundlegenden Bedeutung richterlicher Wettbewerbsprämissen und den Einzelheiten einer Inhaltskontrolle bei beschränktem Wettbewerb siehe auch Hemnann, DZWiR 1993,54 ff und ders., WM 1987, 1029, \035 ff. S6
Roth, ZGR 1993. 170, 183.
57 Dabei handelt es sich um einen prominenten Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts, der zuvor Professor an der University of Chicago war. Vgl. nur EasterbrookiFischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991.
3. Kap.: Rechtsvergleich
392
der Entscheidung Kham & Nate's Shoes No.2, Inc. v. First Bank of Whiting 58 : "Risks must be assessed ex ante by lenders, rather than ex post by judges ... ". Sowohl in den USA als auch in Deutschland werden damit rechtlich relevante Tatbestände durch den Markt beurteilt. Bemerkenswert fiir die Situation in Deutschland ist die Tatsache, daß sich auf diese Weise unbemerkt und ohne die sonst übliche Auseinandersetzung59 eine Grundüberlegung der ökonomischen Analyse des Rechts durchgesetzt hat. Zwingend stellt sich im Anschluß die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine marktorientierte Beurteilung überzeugende Ergebnisse liefert. Als erforderliche Rahmenbedingungen sind dabei zu nennen: Eine wirtschaftliche Problemstellung, professionelle Marktteilnehmer und ein funktionierender Markt60 • Besteht kein funktionierender Markt, d.h. ist das Marktgeschehen empfindlich gestört oder besteht gar kein Markt, ist die Kreditwürdigkeit als Beurteilungsmaßstab abzulehnen. In diesen Fällen ist das Urteil der Marktteilnehmer durch die Aussagen eines qualifizierten Finanzexperten zu ersetzen6 \. Dieser hat anband seines Beurteilungsinstrumentariums zu entscheiden, ob die Gesellschafterdarlehen Eigen- oder Fremdkapital darstellen. Parallel zum deutschen Recht messen auch die amerikanischen Gerichte den Aussagen eines financial analyst große Bedeutung bei62 • Auch diese Entwicklung im deutschen Recht bestätigt sich im Rechtsvergleich. Eine Parallele findet sich auch in der Bestimmung, wer als professioneller Marktteilnehmer anzusehen ist. In beiden Ländern bestimmt sich die Kredit-
58
908 f.2d 1351, 1358 (7th eir. 1990).
59 Bezeichnend ist die Auseinandersetzung zwischen Fezer, JZ 1986, 817, 821 ff; mit Antwort Schäfer/ Ott, JZ 1988, 213 ff und Erwiderung Fezer, JZ 1988, 223 ff. Der Wert der ökonomischen Analyse des Rechts ist heute jedoch anerkannt. Sie dient als Hilfsmittel und Argumentationstopos in der Rechtsfindung, vgl. zu diesen Einschätzungen etwa Horn, AcP 176 (1976) 307, 333; Assmann in Assmann/ Kirchner/ Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts 2. Aufl. 1993, S. 17,58 f und die Ausführungen oben in der Einleitung unter III 2.
60
Vgl.: Kap. I B.IJ.3.a).
6\
Vgl.: Kap. I B.IJ.3.b).
62
Vgl.: Kap. 2 B.1I.2.b).
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
393
würdigkeit nicht nach den Vergabeentscheidungenam Kapitalmarkt, der durch die Institutionen Börse und Aktiengesellschaft bestimmt wird63 . Maßgebend ist vielmehr, ob eine Geschäftsbank bereit ist, ein Darlehen zu vergeben. Das Verhalten einzelner konkreter Kreditgeber ist dabei nicht ausschlaggebend, sondern die allgemeinen Vergabebedingungen der Banken. Aus dieser Zusammensetzung der Marktteilnehmer läßt sich auf die betroffenen Gesellschaftsformen schließen: Die Geschäftsbanken sind die typische Finanzquelle für Unternehmen, die keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben, nämlich die kleinen und mittelgroßen Unternehmen in der Rechtsform der elose corporation oder der GmbH und GmbH & Co. KG. Übereinstimmend spielen sowohl in den USA als auch in Deutschland andere Beurteilungsmaßstäbe als die Kreditwürdigkeit nur eine untergeordnete Rolle. So taucht in deutschen Urteilen nie das Kriterium Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital auf. Im Gegensatz dazu bedienen sich die amerikanischen Gerichte zwar sehr häufig der debtlequity- Abgrenzung, aber sie hat nur die Funktion einer Stimmigkeitskontrolle64 . Die Gründe für die nahezu deckungsgleiche marktorientierte Problemannäherung im Bereich des Tatbestandes eigenkapitalersetzenderGesellschafterleistungen liegen in der Überlegenheit eines marktorientierten Beurteilungsmaßstabes. Es handelt sich dabei um eine einfache und unkompliziert zu handhabende Methode, die abhängig von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung sowohl das Bedürfnis nach Gläubigerschutz berücksichtigt als auch das berechtigte Interesse an einer Gesellschafterfremdfinanzierung.Die Spanne des Marktrisikos wird zum Maß des adäquaten Schutzes für die Gläubiger und ist somit nicht statisch, sondern flexibel 6s • Damit hat sich in beiden Rechtsordnungen auf der Tatbestandsebene eine Marktbetrachtung durchgesetzt. Im Hinblick auf die Frage nach der Reichweite des Gläubigerschutzes in den zu vergleichenden Rechtsordnungen ist folgendes festzustellen: Es besteht nach den vorliegenden Kriterien im Tatbestand kein Unterschied, mit welcher Intensität die Gläubiger in den USA und Deutschland geschützt werden. Eine Diffe-
63 Für das deutsche Recht: Vgl.: Kap. 1 8.11.3., für das amerikanische Recht: Vgl.: Kap. 2 B.II.2.a). 64
Vgl.: Kap. 2 B.II.4.a).
65
Roth, ZGR 1993, 170, 183.
394
3. Kap.: Rechtsvergleich
renz ergibt sich nur durch die Formen des Mißmanagements, die unter 3. diskutiert werden.
11. Beurteilungsmaßstab für die Finanzplandarlehen Bei der Untersuchung zu den Finanzplandarlehen in Deutschland ließ sich feststellen, daß bislang kein überzeugender Beurteilungsmaßstab gefunden werden konnte 66 • Das Kriterium, das der Bundesgerichtshofverwendet, die gesellschaftsvertragliche Verpflichtung, ist zu nah an einer formalen Betrachtung und lädt offen zu Umgehungsversuchen ein67 • Ebensowenig wie die Rechtsprechung konnten die Vorschläge aus dem Schrifttum den Schwierigkeiten einer zutreffenden Erfassung der Finanzplandarlehen gerecht werden68 • Ein überzeugender Beurteilungsmaßstab, ob ein gebundenes Finanzplandarlehen vorliegt oder nicht, muß sich an den Funktionen von Eigenkapital innerhalb der Unternehmensfinanzierung orientieren. Eine materielle Eigenkapitalfunktion liegt entsprechend der finanzwissenschaftlichen Forschung vor, wenn die Finanzmittel der Gesellschafter den Charakter von Risikokapital tragen69 • Das ist wiederum dann der Fall, wenn die Mittel der Gesellschaft dauerhaft überlassen werden und sie damit am Risiko des Unternehmens teilhaben. Eine solche Risikobeteiligung der Gesellschafterfremdmittelläßt sich primär über eine Analyse der vorliegenden Vertragsbedingungen herausfinden70 • Ist dieser Weg nicht gangbar, weil die Gesellschafter die Vertragsbedingungen unterhalb einer Grenze für Risikokapital festlegen, dann muß auf andere Merkmale ausgewichen werden. Innerhalb einer Vertragsanalyse kann am leichtesten ein Ausschluß der Kündigung festgestellt werden. Gesellschafterfremdmittel, die vereinbarungsgemäß nur dann zurückgezahlt werden sollen, wenn ein Gesellschafter ausscheidet oder die Gesellschaft Konkurs oder Vergleich anmeldet, übernehmen
66
Vgl.: Kap. I B.IILl.c).
67
Vg\.: Kap. I B.III.l.a).
68
Vgl.: Kap. I B.III.l.b).
69
Vg\.: Kap. I B.LI.
70
Vg\.: Kap. I B.III.l.c).
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
395
Risikokapitalfunktion71 • Rechtsvergleichend wird das Merkmal des Kündigungsausschlusses bestätigt. In den USA qualifizieren die Gerichte Gesellschafterdarlehen als Eigenkapital, wenn ein reasonable expectation of repayment fehlt 72 • Dieser Beurteilungsmaßstab ist auch überzeugend, weil er die Funktion von Eigenkapital widerspiegelt. Ist die Laufzeit des Darlehens mit der Lebensdauer der Gesellschaft "synchronisiert", trifft die Gesellschaft kein Liquiditätsrisiko73 • Die Gesellschafterfremdmittel verbleiben dem Unternehmen auf Dauer für seine Zwecke und rücken damit funktionell dem Eigenkapital nahe. Zu Recht weist das Schrifttum74 daraufhin, daß durch die dauerhafte Bindung auch ein gläubigerschützender Effekt eintritt: Aufgrund des Kündigungsausschlusses sind die Gesellschafterfremdmittel gegen Risiken aus der Sphäre der Gesellschafter geschützt. Der Vorteil des Kündigungsausschlusses liegt auch darin, daß er ein einfach zu handhabendes formales Merkmal darstellt. Die Gerichte können ohne fremden Sachverstand selbst beurteilen, ob ein gebundenes Finanzplandarlehen vorliegt oder nicht. Im Anschluß an diese rechtsvergleichende Bestätigung stellt sich die Frage nach der Vergleichbarkeit der beiden Regelungen in diesem speziellen Punkt. Nach dem herrschendem Verständnis der Finanzplandarlehen handelt es sich um Darlehen, die außerhalb einer Unternehmenskrise gewährt wurden. Damit passen die Regeln über den Eigenkapitalersatz als Instrument des Gläubigerschutzes in Krisenmomenten nicht. Parallel wird im amerikanischen Recht das Merkmal der reasonable expectation of repayment hauptsächlich -wenn auch nicht ausschließlich- im Steuerrecht angewandt, wenn es gerade nicht um die Beurteilung von Krisendarlehen gehes. Die Wertungen des Steuerrechts beziehen sich auf Unternehmen, die sich nicht in der Krise befinden. Aus diesem Grund besteht eine für eine funktionale Rechtsvergleichung vergleichbare Ausgangslage. Insoweit bestätigt die amerikanische Rechtsprechung das Merkmal des Kündigungsausschlusses in der deutschen Rechtsordnung. Rechtlich gesehen das gleiche Ergebnis wie bei dem Kündigungsausschluß erzielt auch der Beurteilungsmaßstab einer Kombination von Entnahmesperre
71
Bittkerl Eustice, Federal Income Taxation, § 4.02, 4-7; Kap. 2.B.II.3.
72
Vgl.: Kap. 2 B.II.3.b).
73
So einsichtig Wiedemann, FS Beusch, S. 893, 897; Fleischer, S. 123.
74
Fleischer, S. 123.
75
Vgl.: Kap. 2.D.lV.
396
3. Kap.: Rechtsvergleich
mit einem Verlustausgleich76 • Wenn Gesellschaftermittel aufgrund Vertrages sowohl mit einer Entnahmesperre ausgestattet sind als auch der Verlustverrechnung unterliegen, sind sie als Eigenkapital zu werten. Die Gesellschafter geben solche Mittel auf Dauer der Gesellschaft. Sie können ihre Darlehensansprüche nicht geltend machen, zum einen fehlt es wegen der Entnahmesperre überhaupt an einem fälligen Anspruch, zum anderen werden die Mittel mit den Verlusten der Gesellschaft verrechnet. Der eben erläuterte Beurteilungsmaßstab ist theoretisch überzeugend, bereitet aber in der Praxis nicht geringe Probleme. Gesellschafter in kleineren Gesellschaften werden ihre Darlehen oft vergeben, ohne einen schriftlichen Vertrag niederzulegen. Oder die Gesellschafter stellen sich auf die Rechtsprechung ein und vereinbaren fiktive Verträge, um die Klassifizierung als Eigenkapital zu umgehen. Daraus resultiert ein Bedürfnis an Umgehungsschutz, der sich nicht unmittelbar an der Vertragsanalyse orientieren kann. Auch in diesem Fall ist der Rechtsvergleich mit den USA hilfreich, denn einen breiten Raum nehmen dort die Probleme ein, wie ohne einen Vertrag die Abgrenzung von Fremd- zu Eigenkapital vorzunehmen ist77 • Als erster Beurteilungsmaßstab in dieser Situation bietet sich die beteiligungsproportionale Darlehensgewähr78 an. Wenn die Gesellschafter im gleichen Verhältnis zu ihrem Eigenkapitalanteil "Darlehen" halten, spricht das für den Eigenkapitalcharakterder eingesetzten Mittel. Denn eine solche Koppelung von Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung erzielt zum einen die gleichen Ergebnisse wie eine Finanzierung mit Eigenkapitaf9 • Zum anderen kann das Verhalten der Gesellschafter in der Krise vorhergesagt werden, denn sie werden die ihnen zustehenden Gläubigerrechte kaum wahmehmen80 • Dieses in den USA erprobte Merkmal hat den Vorteil, daß Priester in Deutschland schon grundlegende Vorarbeiten geleistet hat8 !. Es sind sich aber auch die Grenzen der beteiligungsproportionalen Darlehensgewährzu vergegenwärtigen. In den Fällen von großen Publikumsgesellschaften und bei großen Darlehenssummen werden
76
Dazu auch Fleischer, S. 122 f.
77
Vgl.: Kap. 2 B.3.b)aa)bb)cc)dd).
78
Vgl.: Kap. 2 BA.b).
79
Vgl.: Kap. 2 B.4.b).
80
Vgl.: Kap. 2 BA.b).
81
Priester, OB 1991, 1917 ff.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
397
nicht immer alle Gesellschafter die Darlehensleistungen erbringen, so daß ein zwingender Rückschluß auf die Eigenkapitalfunktion zu weitreichend ist. Mit ersten Ansätzen im Schrifttum wird man sagen können, daß aber eine widerlegbare Vermutung für gebundene Finanzplanleistungen vorliegt82 • Diese kann beispielsweise durch den Hinweis auf eine geringe Darlehensbeteiligung entkräftet werden. Einen weiteren überzeugenden Ansatz hält das amerikanische Recht mit den Parametern bereit, die den reasonable expectation of repayment 83 konkretisieren. Aus der Unbestimmtheit dieses Beurteilungsmaßstabes haben die amerikanischen Gerichte verschiedene Merkmale entwickelt, die subsumtionsfähige Obersätze darstellen. So kommt es darauf an, ob die Darlehensforderungen durchsetzbar sind, tatsächlich durchgesetzt werden, ob marktübliche Zinsen vereinbart wurden oder ob die Gesellschafter in angemessener Zukunft die Fälligkeit vereinbart haben84 • Gesellschafter, die in der beschriebenen Weise handeln und ihr formell gesehenes Fremdkapital wie Eigenkapital behandeln, müssen zu Recht auch damit rechnen, daß die Darlehen wie haftendes Eigenkapital klassifiziert werden. Im einzelnen führen die speziellen Parameter zu einer angemessenen und überzeugenden Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital. Andere Beurteilungsmaßstäbe, die einen Umgehungsschutz gewährleisten könnten, lassen sich nicht finden. Die Kapitalstruktur des Unternehmens kann nur in krassen Evidenzfällen, in denen der Eigenkapitalcharakterder Merkmale auf der Hand liegt, Aufschluß geben85 • Ebenso sind Merkmale unbrauchbar, die darauf abstellen, ob die Mittel für das Erreichen des Gesellschaftszweckes oder in der Gründungsphase notwendig sind86 • Insgesamt läßt sich für den Tatbestand des Finanzplandarlehns damit festhalten: Der entscheidende Maßstab ist die Analyse der Vertragsbedingungen mit Kündigungsausschluß und Entnahmesperre plus Verlustausgleich. Um die
82
Fleischer, S. 126.
83
Vgl.: Kap. 2 B.3.b) aa)-ee).
84
Vgl.: Kap. 2 B.3.b)aa)bb)cc)dd).
85 Für das amerikanische Recht vgl.: Kap. 2.B.Il.4.a); für das deutsche Recht: Kap. I.B. Il.4.
86 Für das amerikanische Recht vgl.: Kap. 2.B.Il.3.c); für das deutsche Recht: Kap. I.B. m.1 b)aa).
398
3. Kap.: Rechtsvergleich
Umgehung dieser Regel zu verhindern, ist auf die beteiligungsproportionale Darlehensgewähr sowie auf die einzelnen Parameter zur Erfassung der reasonable expectation of repayment abzustellen.
111. Bedeutung der nominellen Unterkapitalisierung für die equitable subordination doctrin 1. Überblick über die amerikanischen Besonderheiten
Bemerkenswert ist der grundsätzliche Unterschied in der Bedeutung der nominellen Unterkapitalisierung fiir die Qualifizierung von Fremd- in Eigenkapital in den jeweiligen Rechtsordnungen. Während in Deutschland alleine und nur die nominelle Unterkapitalisierung die Einordnung von Fremd- in Eigenkapital unter dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes trägt, ist die amerikanische Rechtslage weitaus komplizierter87 • In etwa der Hälfte der Fälle 88 ordnen die amerikanischen Konkursgerichte die Darlehen nur nach, wenn neben einer nominellen Unterkapitalisierung zusätzlich eine Form des Mißmanagements, etwa ein betrügerisches Vorgehen, eine Gesetzwidrigkeit oder eine vollkommene Beherrschung der Gesellschaft vorliegt. Damit haben in den USA auch Überlegungen zu einer fraudolösen Gläubigerbenachteiligung innerhalb der Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital ihren Raum89 • Mit dem Erfordernis der zusätzlichen Formen des Mißmanagements betonen die Gerichte in den USA den Mißbrauchscharakter einer Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen. Diese Feststellung ist von besonderem Interesse fiir die grundlegende Frage dieser Arbeit: Ist der Gläubigerschutz bei einer Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen im deutschen Recht nach dem bisher erreichten Stand überzogen? Im Ergebnis fuhrt die beschriebene Kopplung verschiedener Voraussetzungen in der amerikanischen Rechtsordnung allgemein zu einem geringeren Schutz der Gläubiger vor Benachteiligungen: Die Gerichte ordnen weniger Gesellschafterdarlehen nach. Festzuhalten bleibt jedoch, daß der Tatbestand des
87
Vgl.: Kap. 2 B.II.6.
88
Vgl.: Kap. 2 D.lV.
89 Vgl. auch: Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Unternehmensrecht, 1996, S. 175 ff.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
399
eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens -abgesehen von den Formen des Mißmanagements- identisch bestimmt wird. In diesem zusätzlichen Erfordernis liegt der einzige Unterschied auf der Tatbestandsebene zwischen den USA und Deutschland. Versucht man, diese grundsätzlich bestehende Tendenz in den USA - die Koppelung der nominellen Unterkapitalisierung mit Elementen der fraudolösen Gläubigerbenachteiligung- zu deuten, bieten sich rechtspolitische und methodische Erklärungsversuche an. Innerhalb der amerikanischen Rechtsprechung besteht die Befiirchtung, in der an Laisser faire Gesichtspunkten orientierten Wirtschaft durch eine gläubigerschützende Rechtsprechung Investitionshindernisse aufzubauen90 • Inwieweit die Befiirchtung tatsächlich begründet ist, ist weder bewiesen, noch wird die These hinreichend diskutiert. Methodischgeschichtlich gesehen hat sich die equitable subordination doctrin in Anlehnung an den Haftungsdurchgriff entwickelt, der schon immer eine Form der fraudolösen Gläubigerbenachteiligung zur Voraussetzung gemacht hae 1• Da das Case Law auf einen Vergleich92 aufbaut, um zur Rechtsfindung zu gelangen, war die Übernahme auch dieser Voraussetzungen abzusehen. Bei der Durchsicht sämtlicher Fälle zur equitable subordination im Zeitraum von 1977 bis 1994 fiel aber auf, daß in sehr vielen Fällen neben einer nominellen Unterkapitalisierung zusätzlich auch eine Form des Mißmanagement vorlag 93 • Dadurch wird der Effekt eines nur begrenzten Gläubigerschutzes relativiert. VI enn die Gerichte in den meisten Fällen sowohl eine nominelle Unterkapitalisierung als auch ein Mißmanagement bejahen, dann führt die Kopplung nicht zwangsweise zu einem geringeren Ausmaß an Gläubigerschutz als in Deutschland. Die Fälle, in denen nur eine Unterkapitalisierung vorlag, die Gerichte aber die Darlehen nicht nachgeordnet haben, sind selten94 • Im Ergebnis bedeutet diese Beobachtung in der Rechtswirklichkeit, daß die Koppelung
90
Vgl.: Kap. 2 B.II.6.
91 Siehe dazu nur Bell Oil & Gas C. v. Allied Chemical Corp., 431 S. W. 336, 339 (Tex. 1968); Consumer's Co-Op. v. Olson, 419 N. W. 2d 211, 218 (Wiss. 1988); Reflectone, Inc. v. farrand Optical Co. Inc., 862 bF.2d 841, 845 (11th Cir. 1989); Lubrizol Corp. v. Cardinal Const. Co., 868 f.2d 767, 770 (5th Cir. 1989). 92 Zur Rechtsfindung im Common Law siehe Esser, Grundsatz und Norm, 4. Aufl. 1989, S. 183 ff. 9)
Vgl.: Kap. 2 B.D.lV.
94
Vgl.: Kap. 2 B.D.IV.
3. Kap.: Rechtsvergleich
400
der nominellen Unterkapitalisierung mit Elementen einer fraudolösen Gläubigerbenachteiligung den Gläubigerschutz nicht fühlbar einschränkt. Unter einem anderen Aspekt wird der Gläubigerschutz in den USA in den letzten Jahren sogar eher ausgebaut. Zum einen gibt es in jüngerer Zeit immer mehr Konkursgerichte, die auch eine nominelle Unterkapitalisierung für sich alleine ausreichen lassen, um eine Nachordnung zu rechtfertigen9s • Zum anderen hat die Rechtsprechung seit Anfang der 90er Jahre die Rechtsfigur der recharacterization96 geschaffen, nach der nur eine nominelle Unterkapitalisierung für eine Abgrenzung von Fremd- zu Eigenkapital maßgebend ist. Damit haben die Gerichte eine Rechtsfigur eingeführt, die dem deutschen Kapitalersatzrecht stark angenähert ist. Beide Entwicklungen bedeuten keine 180-GradWende der Rechtsprechung, sondern sind Nachweise für einen zunehmenden Trend in den USA, die Gläubigerbenachteiligung aufgrund einer nominellen Unterkapitalisierung ernst zu nehmen. Die amerikanischen Gerichte messen den Formen des Mißmanagements aber noch eine weitere Rolle zu. So reicht es für eine Nachordnung von Gesellschafterdarlehen auch aus, wenn ein Mißmanagement, eine fraudolöse Gläubigerschädigung alleine vorliegt97 • Ohne daß die Gesellschaft unterkapitalisiert ist, können diese Verhaltensweisen der Gesellschafter dazu führen, daß zugunsten der außenstehenden und geschädigten Gläubiger die Gesellschafterfremdmittel nachgeordnet werden.
2. Schlußfolgerung für das deutsche Recht
Da sich der praktizierte Gläubigerschutz in Deutschland von dieser Regelung ganz wesentlich unterscheidet, stellt sich anschließend die Frage, welche Schlußfolgerungen für das deutsche Recht gezogen werden können. Zunächst liegt die Konsequenz nahe, das deutsche Eigenkapitalersatzrecht durch fraudolöse Merkmale zu ergänzen. In der Folge wären dann Darlehen nur umzuqualiflZieren, wenn neben der Unterkapitalisierung die Gesellschafter die Gläubiger auch noch auf andere Weise benachteiligen. Ob allerdings der ein-
95
Vgl.: Kap. 2 A.III.3.b)cc).
96
Vgl.: Kap. 2 A.III.3.b).
97
Vgl.: Kap. 2 B.6.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Frernd- in Eigenkapital
401
zige Vorteil einer solchen Regelung, der Abbau von Investitionshindernissen, überhaupt erreicht werden kann, erscheint angesichts einer fehlenden Diskussion in den USA zu diesem Punkt sehr fraglich. Kritisch muß dieser These auch deshalb begegnet werden, weil das Erfordernis eines zusätzlichen Mißbrauchscharakters der Finanzierung den Vorteil eines marktorientierten Ansatzes wieder preisgibt. Die Kreditwürdigkeit ist ein Ansatz, dessen Flexibilität und Einfachheit gerade darauf beruht, daß er sich keiner wertenden Kriterien bedient, sondern lediglich auf das Verhalten der Marktteilnehmer abstellt. Die Marktorientierung würde verloren gehen, wenn der Beurteilungsmaßstab um mißbräuchliche Verhaltensweisen erweitert wird, die notwendig eine gewisse Unschärfe aufweisen. Es bestünde die Gefahr einer an Billigkeiten orientierten Rechtsprechung. Die eigentlichen Bedenken gegen eine Übernahme bestehen aber im Hinblick auf den erforderlichen Gläubigerschutz. Die betriebswirtschaftlichen Untersuchungen auf der Basis der Agency Theorie98 haben ergeben, daß die Fortführung einer liquidationsreifen Gesellschaft mittels Gesellschafterdarlehen in jedem Fall zum Vorteil der Gesellschafter und zum Nachteil der Gläubiger geschieht. Damit wird die bisherige Vermutung des Bundesgerichtshofes99 durch einen betriebswirtschaftlichen Nachweis entscheidend bestärkt. Angesichts eines bestehenden Bedürfnisses nach Gläubigerschutz lOO wegen des hohen Ausfalles der Gläubiger im Konkurs, ist eine Einschränkung des Kapitalersatzrechtes nicht zu befürworten. Daß im Gegensatz zu den USA in Deutschland ein erhöhtes Bedürfnis nach Gläubigerschutz besteht, ist durch einen Vergleich mit dem amerikanischen Insolvenzrecht zu erklären. In den USA gibt es nicht nur erheblich mehr Konkurse als in Deutschland, sondern auch mehr Konkurse mit einer vorhandenen Masse. Wenn aber im Konkurs mehr Masse vorhanden ist, ergibt sich in den USA nur ein geringeres Bedürfnis nach gläubigerschützenden Maßnahmen. Anders als in Deutschland wird in den USA in mehr als 90% der Fälle ohne eine gesetzliche Mindestquote der Kon-
98 Ausführlich, Klaus, ZBB 1994, 247 ff; ders., Gesellschafterfremdfinazierung, S. 333 ff. 99
Vgl. nur zuletzt BGHZ 121,31,55 f.
100 Stichwort sind hier die hohe Anzahl der Konkursverluste der Gläubiger einer GmbH. Zum statistischen Material siehe: Komblum! Kleinlei Baumannl Steffan, GmbHR 1985,7 ff; dieselb.; GmbHR 1985, 42 ff; KombIum, GmbHR 1994, 505,507, 510,519 ff, 523.
26 Gehde
3. Kap.: Rechtsvergleich
402
kurs vom Schuldner selbst ausgelöst lOI , da er schuldbefreiend wirkt 102 • Der Bankruptcy Code eröffnet die Möglichkeit einer freiwilligen oder unfreiwilligen Liquidation nach chapter 7 103 oder der in chapter 11 104 geregelten Sanierung des Unternehmens. Durch die früher ausgelösten Konkurse tritt der Schereneffekeos in den USA nicht in dem gleichen Maße ein wie in Deutschland. Ist in den USA daher die Konkursquote höher, erscheint es verständlich, wenn nicht das gleiche Bedürfnis nach Gläubigerschutz -wie in Deutschland- gesehen wird. Aus diesem Grund ist es überzeugend, daß in Deutschland an den Gläubigerschutz höhere Anforderungen zu stellen sind. Die Deutung, den Gläubigerschutz durch fraudolöse Merkmale zu erweitern, ist abzulehnen. Das gilt auch deshalb, weil in den USA ebenfalls ein Trend zu sehen ist, der sich von einer Koppelung von Kapitalersatzfunktion und Elementen der fraudolösen Gläubigerbenachteiligung löst, um die Kapitalersatzfunktion in den Vordergrund zu stellen. Daher gewinnt eine Deutung an Einfluß, welche die Funktion der equitable subordination im amerikanischen Insolvenzrecht beachtet. Wie an vielen Stellen herausgearbeitet, ist die equitable subordination doctrin ein allgemeines Instrument zum Ausgleich von Gläubigerbenachteiligungen in der Liquidation einer Gesellschaft 106 • Allgemein bedeutet dabei, daß sie nicht nur die Frage einer nominellen Unterkapitalisierung erfaßt, sondern auch andere in der Unternehmenskrise typische Versuche der Gesellschafter, ihr Vermögen vor den
101 In Deutschland werden etwa 80% aIler Insolvenzen ohne geordnetes Verfahren abgewickelt, Doehring, Entwicklungstendenzen des Insolvenzrechtes und der Wirtschaftskriminalität, KTS 1988, 89, 94. 102 Im Jahr 1985 lagen die Gläubigeranträge nach chapter 7 des Bankruptcy Codes nur zwischen 0,5 % und 1,5 %, Riesenfeld in Birkl Kreuzer, S. 135. In Deutschland ist der Konkurs aufgrund von § 164 I KO nicht schuldbefreiend. Dazu: Ackmann, Schuld befreiung durch Konkurs? Eine rechtshistorische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Untersuchung zur Reformbedürftigkeit des Rechts der freien Nachforderung, 1983. 103
11 U.S.c.
104
11 V.S.c.
lOS Der Schereneffekt wird beim Überschreiten der SchweIle zur rechnerischen Überschuldung zwangsläufig ausgelöst. Auf der einen Seite wächst die Schuldenmasse weiter, und dies noch dazu hauptsächlich in Gestalt von vorberechtigten (§ 64 Abs. 1 Nr. 11, 2 KO) oder Masseverbindlichkeiten (§ 58 KO), auf der anderen Seite fäIlt der realisierbare Wert des Aktivvermögens unter die Bilanzansätze. 106
Vgl.: Kap. 2 B.l.l.a); 11.6.
B. Tatbestand einer Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital
403
Gläubigem in Sicherheit zu bringen. Als Beispiele sind nur die Fälle zu nennen, in denen die Gesellschafter die Gläubiger zu einem Vertragsschluß verleiteten, indem sie falsche Angaben über die wirtschaftliche Verfassung der Gesellschaft gemacht haben 107 • Der Vorteil der Rechtsfigur equitable subordination gegenüber anderen Formen des Gläubigerschutzes besteht zum einen darin, daß sich die Ansprüche der geschädigten Gläubiger nicht auch noch gegen die Masse richten und diese auch zu Lasten anderer Gläubiger weiter verringern. Zum anderen ist es nicht erforderlich, daß die Gesellschafter persönlich in Anspruch genommen werden. Damit entfallen die oft schwierigen Nachweise, daß die Gesellschafter bewußt schädigend gehandelt haben oder besonderes eigenes Vertrauen in Anspruch genommen haben. Durch die Nachordnung der Gesellschafterdarlehen hat das amerikanische Recht eine sehr praktikabele Rechtsfigur zur Hand, um auf die vielgestaltigen Möglichkeiten einer Gläubigerbenachteiligung in der Insolvenz reagieren zu können. Rechtsvergleichend läßt sich aus diesem Befund folgende weitertUhrende Frage ableiten: Ist die Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen im deutschen Konkursrecht eine adäquate Möglichkeit, den Gläubigerschutz zu verbessern? Es ginge darum, das deutsche Insolvenzrecht zu ergänzen: In Fällen, in denen Gläubiger anders als durch eine nominelle Unterkapitalisierung benachteiligt werden, stünde als Rechtsfolge die Nachordnung von Gesellschafterdarlehen oder auch von Geschäftsfiihrerdarlehen. Eine solche neue Rechtsfigur wirft verschiedene Fragen auf: Welche Fälle werden durch die equitable subordination neben der nominellen Unterkapitalisierung genau erfaßt? Welche Schutzmechanismenkennt das deutsche Recht fiir diese Fälle? Besteht daher in Deutschland ein Bedürfuis für diese neue Rechtsfigur? Kann die neue Rechtsfigur in das bestehende System des Konkursrechtes integriert werden entweder de lege lata oder de lege ferenda? Die Fragen verdeutlichen, daß die Antworten im Rahmen dieser Arbeit nicht gegeben werden können. Der Rechtsvergleich in diesem Punkt hat zweierlei Aufgaben: Erstens soll dem Eindruck entgegengetreten werden, das amerikanische Recht biete Anlaß dafür, die Reichweite des Gläubigerschutzes im Kapitalersatzrecht zu begrenzen. Zweitens sollen diese Überlegungen und erste Ergebnisse eine Anregung für weitere rechtsvergleichende Fragen auf dem Gebiet des Insolvenzrechtes sein.
\07
26*
Vgl.: Kap. 2 B.II.5.
404
3. Kap.: Rechtsvergleich
C. Reichweite der Finanzierungsverantwortung I. Gesellschafter im Sinne des Eigenkapitalersatzrechtes Bei der Darstellung, wer von einer Nachordnung bzw. einer Umqualifizierung betroffen werden kann, ließen sich auf den ersten Blick grundsätzliche Unterschiede in den beiden Ländern erkennen. In Deutschland trifft die Verantwortung für die gewählte Form der Finanzierung grundsätzlichjeden GmbHGesellschafter, unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung 108 • In der Rechtsprechung ist bislang keine Tendenz zu erkennen, obwohl es das Schrifttum teilweise fordert!09, geringe Beteiligungen oder Beteiligungen mit denen bestimmte Zwecke verfolgt werden, von der Finanzverantwortung auszunehmen. Eine Ausnahme gilt nur für die Fälle, in denen die für die GmbH entwickelten Rechtsprechungsgrundsätzeauf die Aktiengesellschaftübertragen werden. Dann fordert der BGH IIO eine unternehmerische Beteiligung, die in der Regel bei einem Aktienbesitz ab 25 % vorliegt, sich aber auch aus anderen Umständen ergeben kann!!!. Im Ergebnis hat sich die Rechtsprechung in Deutschland zur Finanzierungsverantwortungnicht wirklich entwickelt. Es ist bei den Grundsätzen geblieben, die der BGH schon in seiner ersten Entscheidung 1959 festlegte. Im Gegensatz zu diesem System der Finanzierungsverantwortung steht die Rechtslage in den USA. Dort kommen als Adressaten einer Nachordnung nicht nur die Mehrheitsgesellschafter, sondern auch die directors oder officers einer Gesellschaft in Betracht 112 • Die Situation ist aber im Hinblick auf die directors und officers nur auf den ersten Blick hin so vollkommen unterschiedlich zu der Rechtslage in Deutschland. Die Darlehen dieser Personengruppen können durch die Gerichte nur nachgeordnet werden, wenn sie eine fraudolöse Gläubigerbenachteiligung in Form eines Mißmanagements zu verantworten haben JJ3 • Die Organe der Gesellschaft haben eine Nachordnung ihrer Darlehen nur zu befürchten, wenn sie versucht haben, mit einer Form des Mißmanagements
108
Vgl.: Kap. 1 C.I.3.
109
Vgl.: Kap. 1 C.1.2.
110
BGHZ 90, 381, 390.
111
Vgl.: Kap. 1 C.II.2.
112
Vgl.: Kap. 2 C.l.l.a).
113
Vgl.: Kap. 2 C.l.l.a).
C. Reichweite der Finanzierungsverantwortung
405
Sondervorteile für die Gesellschaft zu erlangen. Es werden jedoch nicht die Fälle erfaßt, in denen die Gesellschaft nominell unterkapitalisiert ist ll4 . Auch in den USA tragen nur die Gesellschafter die Verantwortung für die Finanzierungsentscheidung. Bei einer nominellen Unterkapitalisierung ordnen die Gerichte nur die Darlehen der Gesellschafternach, da nur diese die Finanzierungsverantwortung tragen ll5 . Damit lassen sich für die USA und Deutschland auch in der Frage, wer für eine nominelle Unterkapitalisierung verantwortlich ist und als Adressat einer Nachordnung in Betracht kommt, erhebliche Gemeinsamkeiten erkennen. Neben dieser Parallele unterscheidet sich das US- amerikanische Recht aber insofern, als der Grundsatz besteht, nur die Mehrheitsgesellschafter, nicht aber die Gesellschafter mit einer geringen Beteiligung sind Adressaten einer Nachordnung 1 16. Dieser Grundsatz erfährt eine Ausnahme, wenn der Minderheitsgesellschafter die Möglichkeit besitzt, sich über die Finanzlage der Gesellschaft zu informieren und auf die Unternehmensentscheidungen Einfluß zu nehmen ll7 . Es gibt Fälle, in denen die Ausnahme schon deshalb bejaht wird, weil der Minderheitsgesellschafter ein erhebliches Darlehen vergeben hat, das zumindest seinen faktischen Einfluß erhöht ll8 . Mit solchen geringen Anforderungen an den Begriff eines "Mehrheitsgesellschafters" relativiert die amerikanische Rechtsprechung ihre Unterscheidung von Mehr- und Minderheitsgesellschafter. Im tatsächlichen Ergebnis zeigen sich auch hier zwischen der amerikanischen und der deutschen Rechtsordnung erhebliche Gemeinsamkeiten. De facto gibt es auch in Deutschland bislang keine Fälle, in denen die Gerichte das Darlehen eines Minderheitsgesellschafters beurteilen mußten l19 . Der rechtliche Unterschied in der Beurteilung dieser Frage spielt im Hinblick auf den prakti-
114Vg\.: Kap. 2 C.l.l.a). 115 Wenn die officers und directors unter bestimmten Umständen mit einer Umqualifizierung ihrer Fremdmittel in Eigenkapital zu rechnen haben, dann ist diese Tatsache wieder Ausdruck für die equitable subordination doctrin als aJlgemeines Instrument für Gläubigerbenachteiligungen. 116 Vg\.: Kap. 2 C.1.2.c). 117 Vg\.: Kap. 2 C.1.2.c). 118
Vg\.: Kap. 2 C.1.2.c).
119 Vgl.: Kap. I C.1.2.
406
3. Kap.: Rechtsvergleich
zierten Gläubigerschutz in den jeweiligen Ländern tatsächlich keine relevante Rolle. Stellt sich im Anschluß an diesen Befund dennoch die Frage nach der Übertragbarkeit, ist zunächst die Vergleichbarkeit der Rechtsordnungen in diesem Punkt zu klären. Die wesentlichen Unterschiede in der Finanzierungsverantwortung lassen sich aus der Entwicklung des Eigenkapitalersatzesund der equitable subordination Doktrin erklären. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Eigenkapitalersatz hat sich von Beginn nach den §§ 30, 31 GrnbHG gerichtet 120 • Dieses Herzstück der Kapitalsicherung orientiert sich nur an dem Gesellschafter, unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung. Im Rahmen des §§ 30, 31 GmbHG hat sich nicht die Notwendigkeit zu einer teleologischen Reduktion ergeben, so daß der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung konsequent die Gesellschaftereigenschaftohne Zusätze als ausreichend angesehen hat. Das gleiche gilt fiir das Kapitalersatzrecht. Bislang haben sich auch keine Fälle ergeben oder sind ersichtlich, welche diese Grundregel grob unbillig erscheinen lassen. Anders ist die Entwicklung in den USA verlaufen. Dort hat sich die equitable subordination Doktrin in Anlehnung an den Haftungsdurchgriff entwickelt 121 • Zur Bestimmung, wer einem Haftungsdurchgriff ausgesetzt ist, haben die amerikanischen Gerichte auf das trust Recht abgestellt 122 • Damit regelt das amerikanische Insolvenzrecht das Verhältnis von Kreditgeber und Gläubiger mit den gleichen rechtlichen Grundsätzen, die auch im Verhältnis von Mehrheits- zu Minderheitsaktionär und in der Verbindung von herrschenden und beherrschten Unternehmen gelten 123 • Angesichts dieser unterschiedlichen Ausgangslage, die auf grundsätzlich anderen Bedingungen beruht, ist eine Übertragung amerikanischer Überlegungen nicht geboten, aber wie zuvor gesehen, auch nicht erforderlich.
120
VgJ.: Kap. 1 A.II.1.
121
VgJ.: Kap. 2 A.III.1.b).
122
Vgl.: Kap. 2 c.1.1.
123
Vgl.: Kap. 2 c.1. 1.
...
C. Reichweite der Finanzierungsverantwortung
407
11. Konzern und Unternehmensverbindungen Im Unterschied zu der deutschen Rechtsordnung sieht das amerikanische Recht nicht einmal ansatzweise ein kodifiziertes Konzernrecht vor 124 • Daher liegt es fiir das amerlkanische Recht auf der Hand, daß die Gerichte die equitable subordination Doktrin auch innerhalb von Unternehmensverbindungen jeglicher Art anwenden. In den USA ist die Doktrin mittlerweile sogar das wichtigste Instrument, um die Gläubigerbenachteiligungen der beherrschten Tochtergesellschaft im Konkurs auszugleichen 125 • Demgegenüber geht das deutsche Recht mit einem zusammenhängenden Komplex verschiedener Regelungen an das Problem der zusätzlichen Gefahrenmomente für die Gläubiger innerhalb konzernierter oder verbundener Unternehmen heran 126. Trotz der Ausbildung eines speziellen Konzernrechtes hat aber die Untersuchung ergeben, daß der Gläubigerschutz über das Kapitalersatzrecht in bestimmten Fallkonstellationen weiter reicht als über das Konzernrecht 127 • Damit zeigt sich in beiden Rechtsordnungen, daß die Gesellschafterfremdfinanzierung auch im Konzern ein eigenständiges Problemfeld 128 bildet und nicht ausschließlich mit speziellen konzernrechtlichen Lösungsansätzen zu regeln ist. Rechtsvergleichend bestätigt sich deshalb die Ansicht, daß auch in sämtlichen Konzernlagen in Deutschland trotz kodifizierten Konzernrechtes die Regeln über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen gelten. Sowohl in
124 Vgl.: Kap. 2 C.I.l.c). 125 Blumberg, The Law of Corporate Groups, Problems in the Bankruptcy or Reorganization of Parent and Subsidiary Corporations, Including the Law of Corporate Guaranties, 1985, §3.0 I S. 42 ff. Allgemein zum amerikanischen Konzernrecht siehe: Blumberg, Amerikanisches Konzernrecht, ZGR 1991, 327 ff. 126Vgl.: Kap. I C.I1I.l. 127 Vgl.: Kap. I C. 111. 6. 128 An diese Feststellung schließt sich die immer wieder auftretende und weiterführende Frage nach der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit eines speziellen Konzernrechtes an. Im Rahmen dieser Arbeit kann nur ein Ausblick gegeben werden: Auch wenn das deutsche Konzernrecht in einigen Bereichen Regelungsdefizite besitzt, zeichnet es sich doch durch umfassende bislang nicht absehbare Entwicklungstendenzen aus, die in die Richtung einer neuen Dimension des Konzernrechtes verweisen. Ein Ende der Entwicklungen ist bislang nicht absehbar. Vgl. nur Lutter, Konzernrecht in Europa, ZGR 1987,324 ff; auch KnolI, Die Übernahme von Kapitalgesellschaften, 1992, S. 385 f.
408
3. Kap.: Rechtsvergleich
den USA als auch in Deutschland besitzen die Gläubiger damit einen gleich wirksamen Schutz vor Benachteiligungen.
III. Haftkapitalbildung ohne mitgliedschaftliche Bindung Besonders bemerkenswert ist der grundsätzliche Unterschied in den USA und Deutschland, ob Haftkapital auch durch außenstehende Dritte gebildet werden kann. Während in Deutschland sich die Regeln des Kapitalersatzrechtesnur auf die Gesellschafter beziehen, hat es in den letzten Jahren in den USA eine geradezu stürmische Entwicklung in eine andere Richtung gegeben 129 • In den USA werden unter Umständen auch außenstehende Dritte gezwungen, sich am haftenden Kapital im Konkurs zu beteiligen. Unter dem Begriff der lender liability130 ist es den amerikanischen Konkursgerichten möglich, mittels der equitable subordination Doktrin auch die Darlehen außenstehender Dritter zugunsten anderer Gläubiger nachzuordnen. Die Beteiligung Dritter am haftenden Kapital im Konkurs ist eine Rechtsprechung, die Anfang der 80er Jahre begann und eine kontroverse Debatte im Schrifttum131 nach sich zog. Die Rechtsprechung zur lender liability basiert auf dem Konzept, daß die Kontrolle eines außenstehenden Kreditgebers ab einem bestimmten Punkt auch zu einer Haftung führen müsse 132. Der notwendige nahezu naturrechtlich vorgegebene Zusammenhang von Herrschaft und Haftung bewirkt in den USA, daß außenstehende Banken in bestimmten Fällen mit ihren Darlehen im Konkurs haften. Damit geht die equitable subordination doctrin als funktionelles Äquivalent des Kapitalersatzrechtes weit über die deutsche Regelung hinaus. In diesem Punkt reicht der Gläubigerschutz mittels Nachordnung von Gesellschafterdarlehen weiter als in Deutschland. Im Rahmen eines Rechtsvergleiches stellt sich die Frage, ob auch in Deutschland das Kapitalersatzrecht auf unbeteiligte Dritte ausgedehnt werden sollte. In der Folge wären von einer solchen Rechtsprechung hauptsächlich die Banken vor allem in Sanierungsfallen betroffen. Im deutschen Schrifttum bejaht Wiedemann eine solche Ausweitung des Kapi-
129
Ygl.: Kap. 2 C.I1.
I3OYgl.: Kap. 2 C.I1.l.a). 131
Ygl.: Kap. 2 C.lI.l.a).
132
Ygl.: Kap. 2 C.lI.l.a).
C. Reichweite der Finanzierungsverantwortung
409
talersatzrechtes 133. Er begründet seine These neben einem Hinweis auf die § 10 Abs. 4 und 5 KWG, der die Beteiligung Dritter am haftenden Kapital vorsieht 134 , mit einem Rechtsvergleich zu den USA. Im Hinblick auf das Kapitalersatzrecht ist jedoch eine Ausweitung des Kreises derjenigen, welche die Finanzierungsverantwortung tragen, abzulehnen. Diese strikte Haltung ergibt sich hauptsächlich aus zwei Überlegungen.
1. Analyse der amerikanischen Entscheidungen
Die Analyse der amerikanischen Entscheidungen zur lender liability auf dem Gebiet der equitable subordination ließ eine deutliche Tendenz der Gerichte erkennen. Im Grundsatz ist die Nachordnung von Darlehen Dritter, die nicht den Treuepflichten unterliegen, aber einen erheblichen Einfluß ausüben, zwar anerkannt 135 • Diese Fälle bilden jedoch die Ausnahme\36. Nach dem Kriterium der Kontrolle und der Einflußnahme konnte das Fallmaterial in vier Gruppen geordnet werden. Das Ausmaß an Kontrolle reichte von der Möglichkeit einer Kontrolle und Einflußnahme bis zu einer umfassenden Einflußnahme auf sämtliche Untemehmensentscheidungen sowohl innerals auch außerbetrieblicher Art 137. Erst in der letzten Kategorie, wenn die Bank die gleichen Befugnisse wie ein Gesellschafter besitzt und diese auch zum Nachteil Dritter nutzt, sind die Gerichte bereit, die Darlehen nachzuordnen. Damit bildet die lender liability auch im amerikanischen Insolvenzrecht eine Ausnahme für besonders krasse Fälle einer Kontrolle 138 • Als Grundregel gilt, daß außenstehende Gläubiger nicht Adressaten einer Nachordnung ihrer Darle-
133
Wiedemann, FS Beusch, 893, 911 f.
134 In den bei den Normen beteiligen sich außenstehende Dritte am haftenden Kapital. Beide Vorschriften wurden durch die Eigenmittel-Richtlinie der EG (Richtlinie über die Eigenmittel von Kreditinstituten vorn 17. 4. 1989, ABL. EG. Nr.L 124, S. 16) verschärft. Da die Regelungen auf die Besonderheiten der Kreditinstitute zugeschnitten sind, können sie kaum -was Wiedemann auch zugesteht- einen Anhaltspunkt für die Frage liefern, ob es ein Haftkapital von unbeteiligter dritter Seite gibt. 135
Vgl.: Kap. 2 C.I1.2.
136
Vgl.: Kap. 2 C.I1.2.b)ee).
137
Vgl.: Kap. 2 C.I1.2.b) aa)-dd).
138
Vgl.: Kap. 2 C.II.2.b)dd).
3. Kap.: Rechtsvergleich
410
hen sind 139 • Sie tragen keine Verantwortung für eine Unternehmensfinanzierung. Schon an diesem Punkt wird deutlich, daß eine Übertragung der amerikanischen Rechtsprechung erheblichen Schwierigkeiten begegnet. Erschwerend kommt hinzu, daß die Gerichte nie die Darlehen Dritter nachordnen, wenn die Gesellschaft nominell unterkapitalisiert war 140 • Das heißt, eine Beteiligung Dritter am haftenden Kapital kommt nur für die Fälle in Betracht, in denen die Dritten eine fraudolöse Schädigung in Form eines Mißmanagement begangen haben. Damit ist die lender liability ein Haftungskonzept, das sich im Gegensatz zum Kapitalersatzrecht nicht auf die nominelle Unterkapitalisierung als Haftungsauslöser bezieht. Die lender liability kennt als Auslöser der Haftung nur das Vorliegen der einzelnen Formen des Mißmanagemene 41 • Nur eine fraudolöse Gläubigerbenachteiligungkann zu einer Haftung aufgrund des lender liability- Konzeptes führen. Da die Tatbestandsvoraussetzungen der lender liability mit dem Kapitalersatzrecht in keiner Weise übereinstimmen, ergeben sich beträchtliche Bedenken gegen eine Übertragung der lender liability im Rahmen des Kapitalersatzrechtes.
2. Erklärungen für den amerikanischen Trend zur Lender Liability
Neben den geschilderten systematischen Schwierigkeiten ergeben sich auch durchgreifende Bedenken gegen eine Übernahme der lender liability im Hinblick auf die verschiedenartigen wirtschaftlichen und rechtlichen Situationen, in denen die lender liability entstanden ist. Es soll versucht werden, zu klären, warum die amerikanischen Gerichte mit der lender liability zugunsten außenstehender Kreditgeber entschieden haben, während es solche Tendenzen in Deutschland bislang nicht gibt.
139
Chaitmann, Lender Liability, §7.01, 7-21.
140
Vgl.: Kap. 2 C.I1.2.c).
141
Vgl.: Kap. 2 C.I1.2.c).
C. Reichweite der Finanzierungsverantwortung
411
a) Situation der amerikanischen Banken
Die Durchsicht der amerikanischen Fälle zur lender liability hat ergeben, daß eine Haftung bejaht wird, wenn Unternehmen gegen ihren Willen gezwungen werden, durch Bankenvertreter ihr Unternehmen leiten zu lassen. Solche Fälle sind in der deutschen Rechtsprechung bislang nicht aufgetreten. Der Grund für eine derartige massive Einflußnahme auf das Unternehmen durch die Banken liegt in deren Kreditvergabepolitik l42 • Wenn wirtschaftlich nicht vertretbare Kredite vergeben werden und die kreditnehmenden Unternehmen in die Krise geraten, liegt der Versuch nahe, die drohenden Verluste abzuwenden, indem die Banken selbst das Unternehmen steuern 143 . Die Rückzahlung der Kredite soll selbst durch rechtswidrige Verhaltensweisen sichergestellt werden l44 • Dieses im Gegensatz zu Deutschland erheblich andersartige Handeln der Banken resultiert aus dem zunehmenden Wettbewerb der Banken untereinander sowie einer weniger strikten Bankaufsiche 4s • Die Unterschiede zur Rechtslage in Deutschland erklären sich aus der Geschichte des amerikanischenBankensystems. Der Börsenkrach vom 28. Oktober 1929 und der Sturm der Anleger auf die Banken im Jahr 1933 erschütterten die Stabilität des bis dahin bestehenden Bankensystems l46 • Als im Jahr 1933 die Geschäftstätigkeit sämtlicher Banken unterbrochen war, entschloß sich der amerikanische Gesetzgeber zu handeln, indem er einen neuen Banking Act erließ. Unter dem Chairmann des House Commitee on Banking and Currency, Henry B. Steagall, wurde am 16. 6. 1933 das später als Glass-Steagall Act bekannt gewordene Gesetz verabschiedet l47 • Dieses Gesetz war Teil der von
142 Aus neuester Zeit umfassend zur Entwicklung des amerikanischen Bankensystems, Ebke, Einlagensicherung, Bankenaufsicht und Wettbewerb in den USA und in der Europäischen Union, ZVgIRWiss 1995, 1 ff. 143
DeNatale/Abram, 40 Bus. Law 417,447 f (1985).
144
Vgl.: Kap. 2 C.II.2.b)dd).
145 Baums, ZBB 1991, 73, 74 differenziert noch genauer. Er unterteilt die Problemursachen in vier Felder: eingeschränkter Tätigkeitsradius; unzureichende Kapitalausstattung; reformbedürftige Einlagensicherung; ineffiziente Bankenaufsicht. 146 Benston, 5 Midland Corp.Fin.J 67,76 (1987) listet auf, daß in den Jahren 1930 bis 1933 in den USA 9096 (36,4%) der Commercial Banks, 526 (4,4%) der Savings and Loand Ass. und 10 (1,7) aller Mutual Savings Banks geschlossen wurden. 147
12. U.S.c.
412
3. Kap.: Rechtsvergleich
Franklin D. Roosevelt eingeleiteten Politik des New Deal l48 • Es strukturierte das gesamte Bank- und Kreditwesen der USA um und markiert den Beginn des sog. regulated banking von 1933 bis 1980 149 • Seit dem Glass-Steagall Act von 1933 150 ist das amerikanische Recht gekennzeichnet durch ein Trennsystem der Banken. Geographisch bestehen national banks und state banks, wobei die Einzelstaaten die Befugnis besitzen, die Niederlassungen der national banks zu verbieten. Inhaltlich unterscheidet der Glass-Stegall Act l51 die Banken in commercial banks und investment banks, also kommerziellem Bankgeschäft und Investment Banking. Investnient banks handeln im Effekten- und Emmissionsgeschäft, dürfen aber keine Einlagen annehmen und Kredite vergeben, was den commercial banks vorbehalten ist. Im Ergebnis dürfen die commercial banks keine Wertpapiere oder Anteile im eigenen Namen erwerben oder veräußern, während die investment banks keine Einlagen annehmen oder Kredite geben dürfen. Diese strikte Trennung hatte nach der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren das Ziel, die Einlagen der breiten Öffentlichkeit vor Bankenzusammenbrüchen zu schützen l52 • Gleichzeitig schützte die Trennung in geographischer und inhaltlicher Sicht den Bankenmarkt vor Wettbewerb. Insgesamt bewirkte die Trennung eine kartellähnliche Aufteilung des Marktes fiir Bankund Finanzdienstleistungen.
148
Ausführlich Ebke, ZVgIRWiss 1995, I, 23 ff.
149 Zur Bankengeschichte und den verschiedenen Reformen in den USA vgl.: Beutell Schroeder, Bank Officer's Handbook of Commercial Banking Law, 1982 (Supp\. 1988); NortonlWhitley, Bank Law Manual, 1988; Hawke Commentaries on Banking Regulation, 1985; Lash, Baking Law and Regulations, An Economic Perspective, 1987; Loring/Brudny, The Deregulation of banks, 42 Wash.&Lee L. Rev. 347 ff (1985); Norton, Beeing Competitive in a Reregulated Banking Enviroment: The Case of Commercial Lending Activities of Banking Institutions, l1 Ok\.City U.L.Rev. 547 ff (1986); Lovett, Banking and Financial Institutions, Law in a Nutshell, 1988; Wilson, Bank Policy and structure- A comparative analysis, 1986, S. 109 ff. Aus deutscher Sicht: Möschel, Das Trennungssystem in der u.S.-amerikanischen Bankenwirtschaft, 1978; Greene/ von Hehn, Neuere Entwicklung im amerikanischen Bankenrecht unter besonderer Berücksichtigung des Glass-Steagall Act, RIW/ AWD 1984, S. 494 ff; Oppenheimer/Reitmaier, Bankreform in den USA, RIW AWD 1988, 526 ff. 150
12 U.S.C. 227, ch.89, 48 Stat. 162.
151 12 U.S.c. §§ 24, 347 a, 347 b, 377. Im Gegensatz dazu erlaubt das deutsche Universalbankensystem den Kreditinstituten, sich sowohl im Einlagen- und Kreditgeschäft als auch im Emmissionsgeschäft zu betätigen.
152
Zu diesem damaligen Anliegen: Perkins, 88 Banking LJ. 483 ff (1971).
C. Reichweite der Finanzierungsverantwortung
413
In den 80er Jahren wurde im Zuge der Deregulierung l53 diese strikte Trennung teilweise aufgehoben. Der Financial Institutions Deregulation and Monetary Control Act von 1980 verursachte in Zusammenhang mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage in den USA eine spürbare Verschärfung des Wettbewerbs. Zu nennen ist insbesondere das Phänomen der sog. nonbank banks l54 , die den bestehenden Kreditinstituten einen beträchtlichen Anteil ihres Marktes abnahmen. In Folge der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung konnten die amerikanischen Kreditinstitute im Jahr 1986 die geringsten Erträge seit der Depression in den 30er Jahren verzeichnen. Gleichzeitig konnten erheblich mehr Kreditnehmer ihre Rückzahlungsverpflichtungennicht mehr nachkommen. Die Gesamtheit dieser Ursachen führte dazu, daß die amerikanischen Banken aufgrund des Wettbewerbsdruckes auch in nicht mehr vertretbaren Situationen Kredite vergaben und höhere Risiken eingingen ISS. Diese Bankgeschäfte, wie beispielsweise die Finanzierung stark verschuldeter Leverages Buy Outs mittels Junk Bonds, weisen ein Risiko auf, das nicht mehr allein durch höhere Zinsen ausgeglichen werden kann l56 • Deshalb versuchten verschiedene Kreditinstitute, die notleidenden Darlehen zurückzuführen, indem sie die Verträge frühzeitig kündigten und auf die Unternehmensleitung erheblichen Einfluß ausübten. Dieses teilweise rechtswidrige Verhalten der Kreditinstitute löste eine Lawine von Prozessen der betroffenen Kreditnehmer gegen die Kreditgeber aus (lender liability)lS7. Die auch in dieser Arbeit erwähnten Entscheidungen stammen alle aus dieser Zeit des deregulierten Bankengeschäftes. Angesichts dieser äußerst problematischen Lage der amerikanischen Kreditwirtschaft, hat der Gesetzgeber mehrere Gesetze I 58 erlassen, die sämtlich auf
153
DeNatalelAbrarn, 40 Bus. Law 417,447 f (1985).
154 Dabei handelt es sich um Unternehmen, die Finanzierungsleistungen anbieten, ohne Banken zu sein. Beispiele sind etwa Versicherungen oder Automobiluntemehmen. 155
DeNatalelAbram, 40 Bus. Law 417,447 f (1985).
156
DeNatale/Abram, 40 Bus. Law 417,447 f (1985).
157 Ebke, ZVgIRWiss. 1995, 1, 31; desweiteren die gesamte Literatur zur lender Iiability, insbesondere DeNata1e/Abram, 40 Bus. Law 417,447 f (1985). 158 Zu nennen sind: Competition Equality Banking Act von 1987, Pub.L.No. 100-86, 101 Stat. 552 (1987); Financial Institutions Reform, Recovery and Enforcement Act von 1989, Pub.L. No. 101-73,103 Stat. 183 (1989). Im einzelnen siehe Gail/Norton, The Financia1 Institutitons Reform, Recovery and Enforcement Act of 1989: Dealing with the Regulators, 107 Banking.L.J. 196 ff (1990); Federal Deposit Insurance Corporation
414
3. Kap.: Rechtsvergleich
eine "reregulation" des US- amerikanischen Kreditwesens abzielen. Im Zuge dieser gesetzgeberischen Akte hat sich die Lage der US- Kreditwirtschaft deutlich entspanne S9 • In der Folge unterliegen die Banken nicht mehr in dem gleichen Maße wie vorher einem Wettbewerbsdruck, der sie zum einen zwang, wirtschaftlich nicht mehr vertretbare Kredite zu vergeben und zum anderen, diese Darlehen dann ftühzeitig zusammen mit rechtswidrigen Eingriffen bei den Kreditnehmem wieder abzuziehen. Damit dürften seit Beginn der 90er Jahre die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die zur lender liability geführt haben, entfallen sein. Für die Zukunft sind daher spürbar weniger Fälle einer lender liability zu erwarten. Im Gegensatz zu der US-amerikanischen Entwicklung des Kreditwesens gibt es in Deutschland weder eine solche durch starken Wettbewerb gekennzeichnete Bankensituationnoch die daraus resultierendenrechtswidrigen Verhaltensweisen der Banken. In Deutschland hat es schon bedeutend früher einen erheblichen Wettbewerb unter den Banken gegeben '60, der zu einer Umstrukturierung des Marktes fiir Kreditmittel führte. Zudem sind die deutschen Banken immer Universalbanken gewesen, die sämtliche Geschäftsbereiche ausfiilIen konnten. Auch aus diesen Gründen haben die deutschen Banken in den letzten 15 Jahre den beschriebenen Problemen der amerikanischen Banken nicht gegenübergestanden.
b) Verfahrensrechtliche Rahmenbedingungen
Die rasante Entwicklung der lender liability läßt sich aber auch durch die verfahrensrechtlichen Bedingungen im amerikanischen Prozeßrecht erklären. Insbesondere das Kostenrecht ist dabei von Bedeutung. Im Gegensatz zum deutschen Recht muß die unterlegene Partei in den USA nach der sog. American Rule nicht die Kosten der obsiegenden Partei tragen l61 • Es gibt keine
Improvement Act von 1991, Pub.L.No. 102-242, 105 Stat. 2236 (1991). Im einzelnen siehe, Douglas, Deposit Insurance Refonn, 27 Wake Forest L.Rev. I I (1992). Zum Ganzen ausführlich Ebke, ZVgIRWiss 1995, 1, 35 ff. 159 Diese Einschätzung teilen Norton, 42 Bus. Law. 327 (1987); Gail/ Norton, 45 Bus.Law. 1103 (1990); Ebke, ZVgIRWiss 1995, 1,38. 160
Umfassend dazu: Pohl, Konzentration, S. 485.
C. Reichweite der Finanzierungsverantwortung
415
allgemeine Kostentragungspflicht des Unterlegenen. Das fiihrt dazu, daß der Rechtsstreit gegen eine große Bank für die Kläger unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreites nur kalkulierbare Kosten verursacht l62 . Da es im amerikanischen Recht zulässig ist, die Rechtsanwälte an den eingeklagten Schadenssummen mit 25% - 30% zu beteiligen, hat die lender liability auch eine große Anziehungskraft für Rechtsanwälte 163. Ein weiterer Grund für den Anstieg der Fälle einer lender liability ist die in den USA zu beobachtende Tendenz, allgemeine oder größere Risiken denjenigen aufzuerlegen, die sie besser tragen können. Insgesamt scheint sich die amerikanische Gesellschaft von der Idee der privaten Übernahme von Risiken wegzubewegen in Richtung auf eine "Kompensationsgesellschaft"164. Die Risiken und sozialen Kosten werden durch die Mittel des Zivilrechts und der Versicherungen gestreut. In der Folge befindet sich das modeme amerikanische Haftungsrecht unablässig auf der Suche nach zahlungskräftigen Schuldnern l65 . Die hohen Schadensersatzforderungen, die der sozialen Sicherung des Klägers dienen, benutzen die Richter zu einem Mittel der Sozialgestaltung l66 . Bezeichnend ist es, wenn der product liability, insurance liability und environmentalliability nun die lender liability folgt. In Anlehnung an die "Deep Rocket" doctrin als Synonym für die equitable sub-
161 Siehe dazu Jennings/ Buxbaum, Corporations, S. 738. 162 Nach neueren Gesetzgebungsvorschlägen der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus soll die american rule durch die sog. englische Regel ersetzt werden. Danach trägt die unterlegene Partei grundsätzlich die Kosten der siegreichen Partei. Diese Änderung des Prozeßrechtes ist Teil des am 4. I. 1995 eingebrachten Repräsentantenhausvorschlages "H.R. I 0" dem sog. Securities Litigation Reform Act. Dieses Gesetzgebungsvorhaben beruht auf einer explosionsartigen Vermehrung von sog. Anlegerschutzklagen, die angeblich die Risikobereitschaft der Unternehmen behindern. Zu dem gesamten Problembereich vgl. umfassend Guntz, ZBB 1995, 206 ff. Für die vorliegende Untersuchung der lender Iiabilityergibt sich folgende Perspektive: Wenn die Kreditnehmer der Gefahr gegenüberstehen, die Kosten der aufwendigen lender Iiability Prozesse zu tragen, wird die Bereitschaft zu klagen insgesamt abnehmen. Für die Zukunft sind dann weniger Prozesse um eine Kreditgeberhaftung zu erwarten. 163 Dazu Swarzt, Lender Liability, U.S. States Banker 10, 19, 22 (May 1986). 164 So plastisch Möllers, S. 129. 165 Mörsdorf-Schulte, RIW 1994, 292, 292. 166 Douglas-Hamilton, 31 Bus. Law. 343 (1975); Note, 20 Loy. L.A. L.Rev. 795 (1987).
416
3. Kap.: Rechtsvergleich
ordination hat sich jetzt auch der Begriff der "Deep Pocket" Doktrin 167 etabliert.
3. Schlußfolgerung
Ausgangspunkt war die Frage, ob die lender liability auf die deutsche Situation übertragen werden kann, mit der Folge, daß eine Kategorie "Haftkapital von Dritten" entsteht. Die Untersuchung hat ergeben, daß die lender liability in den USA lediglich eine Rechtsfigur für krasse Fälle darstellt, in denen die Kreditgeber sämtliche Untemehmensentscheidungen treffen und sich verhalten wie Gesellschafter, die zu Lasten der anderen Kreditgeber handeln. Anschließend stellte sich die Frage, warum die amerikanischenBanken im Gegensatz zu deutschen Kreditinstituten einen derartig massiven -auch rechtswidrigen- Einfluß auf ihre Kreditnehmer ausüben. Dafür ließen sich folgende Gründe finden: Die Banken vergeben öfter wirtschaftlich nicht mehr zu vertretende Kredite. In der Folge versuchen sie, ihre Investition zu schützen, indem sie die Kreditnehmer beeinflussen. Diese Geschäftspolitik hat ihre Ursache in dem anders gestalteten Bankenmarkt, d.h. die stärkere Deregulierung der vergangenen Jahre sowie die allgemeine Wirtschaftslage in den USA. Insgesamt arbeiten die amerikanischen Banken im Gegensatz zu deutschen Banken weniger vorausschauend. Die Anzahl der Prozesse gegen die Banken und der teilweise Erfolg läßt sich auch mit der prozessualen Situation in den USA begründen. Das Kostenrecht, die Erfolgshonorare für Rechtsanwälte, sowie die Entwicklung zu einer Kompensationsgesellschaft fUhren nahezu zwangsläufig zu mehr Prozessen, die zugunsten der Kläger ausgehen. Eine vergleichbare Rechtslage besteht in Deutschland nicht. Aufgrund der gewandelten Gesetzgebung im Bereich des Kreditwesens hat sich die Lage der US-amerikanischen Banken stabilisiert, so daß ein Gnmd für das Entstehen der lender liability entfällt. Damit ist für die Zukunft zu erwarten, daß weniger Fälle einer Kreditgeberhaftung den Weg zum Gericht fmden werden. Im Ergebnis läßt sich feststellen, daß die lender liability eine Rechtsfigur für Ausnahmefälle bildet, die sich aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Situation der Banken sowie der prozessualen Situation zwangsläufig als Ausgleich
167 Douglas-Hamilton, 31 Bus. Law. 343 (1975); Note, 20 Loy. L.A. L. Rev. 795 (1987).
D. Rechtsfolgen und Besonderheiten
417
entwickeln mußte 168. Da eine vergleichbare wirtschaftliche und rechtliche Situation für deutsche Gläubiger nicht vorliegt, besteht kein Bedürfnis, diese Ausweitung des Gläubigerschutzes zu übertragen. Das gilt, zumal die Gründe für das Entstehen der lender liability zumindest teilweise entfallen sind. Eine Vergleichbarkeit im Hinblick auf die rechtliche Situation des Eigenkapitalersatzrechtes verbietet sich auch deshalb, weil die Voraussetzung einer nominellen Unterkapitalisierung bei der lender liability nicht besteht. Damit fehlt der notwendige systembedingte Anknüpfungspunkt für eine Übertragung. Ein Haftkapital durch Dritte ohne mitgliedschaftliche Bindung ist abzulehnen l69 •
D. Rechtsfolgen und Besonderheiten I. Marktkonforme Auslegung der Rechtsfolgen kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen 1. Unterscheidung nach Gläubigerguppen
Im Gegensatz zu den USA führt das deutsche Kapitalersatzrecht bei einer kreditunwürdigen Gesellschaft dazu, daß die Gesellschafterfremdmittel allen Gläubigem gegenüber umqualiflziert werden. Dagegen hat die amerikanische Rechtsprechung unter der Zustimmung des Schrifttums eine Unterteilung in sog. freiwillige und unfreiwillige Gläubiger vorgenommen l7O • Nur gegenüber der letzten Gruppe der Gläubiger führt die nominelle Unterkapitalisierung zu einer Nachordnung der Gesellschafterdarlehen. Die Grenze zwischen den
168 Bleibt es bei der heutigen wirtschaftlichen Entwicklung, den Änderungen des U.S.amerikanischen Kreditwesens und der beabsichtigten Änderung des Prozeßrechtes, ist für die Zukunft zu erwarten, daß die wirtschaftlichen und rechtlichen Gründe, die zur lender Iiability geführt haben, entfallen. Dann wird es in der Zukunft weniger Anlaß für eine lender liability geben, so daß diese Rechtsfigur noch seltener als heute Gegenstand von Prozessen sein wird. 169 Im Ergebnis werden die amerikanischen Gläubiger aber nicht besser geschützt, denn die Gläubigergefährdung ist aufgrund der Bankenpolitik ungleich höher als in Deutschland. 170 Vgl.: Kap. 2 B.V.; Landers, 42 U.Chocago L. Rev. 589, 596 (1976); ders., 43 U.Chicago L. Rev. 527,529,534 (1976); Hackney/ Benson, 43 U. Pitt. L. Rev. 837, 860 ff (1982); Easterbrookl Fischei, 52 U. Chicago L. Rev. 89, 112 f (1985); dieselb., Corporate Law, S. 59 insbes. Fn. 13.
27 Gchdc
3. Kap.: Rechtsvergleich
418
Gruppen bemißt sich in erster Linie nach der Stärke bzw. Schwäche der Verhandlungsposition des zukünftigen Vertragspartners. Derjenige Gläubiger, der das wirtschaftliche Risiko seines Vertragsabschlusses zutreffend einschätzen kann und in der Lage ist, einen adäquaten Risikoausgleich zu fordern, ist ein freiwilliger Gläubiger, der für seinen Schutz selbst sorgen kann I7I . Hinter dieser Rechtsprechung steht die Grundannahme der ökonomischen Analyse 172 , daß die Vertragsgestaltung zum Ausgleich der Interessen beider Vertragsparteien das effizienteste Instrument darstellt. Kommt es zwischen den Parteien zu einem Vertragsschluß, müsse man davon ausgehen, daß sich das Vertragsrisiko in einem entsprechenden Preis oder Zinsen niedergeschlagen hat l73 • Ordnet das Gericht die Gesellschafterdarlehenin einem solchen Fall nach, dann käme es einem unzulässigen Eingriff in die von den Marktteilnehmern autonom vorgenommene Risikoverteilung gleich. Anderes gilt aber, wenn sich die Gläubiger, wie Arbeitnehmer, kleinere Lieferanten und Verbraucher aufgrund ihrer schwächeren Verhandlungsposition nicht durchsetzen konnten l74 • Denn würde man von den schwächeren Vertragspartnern fordern, sie müßten die Kreditwürdigkeit des Unternehmens selbst untersuchen, würden sich die Kosten für die Transaktion erheblich erhöhen. Entweder wären die zu erzielenden Gewinne für die unfreiwilligen Gläubiger nur sehr gering, oder sie bestünden gar nicht, mit der Folge daß die geschäftliche Transaktion ganz unterbliebe 175 • Das aber führt zu einer nicht wünschenswerten Allokationswirkung und widerspricht der ökonomischen Gesamtnutzenmaximierung 176 • Im Ergebnis ist die amerikanische Gläubigerschutzkonzeptionbei einer Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen nicht nur auf der Tatbestandsseite, sondern auch in den Rechtsfolgen an Gegebenheiten des Marktes orientiert.
171
Vgl.: Kap. 2 B.V.
172
Siehe dazu oben Einleitung III. 2.
173 Posner, 43 U. Chicago L. Rev. 499, 513 ff (1976); kritisch Roth, ZGR 1986,371, 376; Lehmann, ZGR 1986,382. 174
Vgl.: Kap. 2 B.V.
175 Typisches Beispiel ist der Klempner, der zu einem Wassemohrbuch gerufen wird. Es besteht ein generelles Interesse daran, daß der Klempner sich nicht erst Verträge und Bilanzen vorlegen läßt, um anhand der Unterlagen zu entscheiden, ob er den Auftrag ausführt oder einen Risikoaufschlag fordert. Das Beispiel findet sich bei Kübler, FS Heinsius, 397, 408 f. 176
So Po sn er, 43 U. Chicago L.Rev. 499, 520 f (1976).
D. Rechtsfolgen und Besonderheiten
419
Die amerikanische Rechtsprechung führt im Gegensatz zur deutschen in dieser Frage zu einem anders strukturierten Gläubigerschutz: Wer sich selbst schützen kann, ist dazu auch verpflichtet, während im Interesse der anderen Gläubiger zum Ausgleich für ihre Benachteiligungen die Darlehen in Eigenkapital umqualifIziert werden. In Deutschland qualifizieren die Gerichte, ohne die Verhandlungsposition der Gläubiger und ihre Machtstellung am Markt zu beachten, die Darlehen bei einer kreditunwürdigen Gesellschaft in jedem Fall um. Verkürzt gesagt gilt in Deutschland für die Begünstigten einer UmqualifIzierung der Grundsatz: "Alle oder Keiner". Im Anschluß an diese Feststellung steht die Frage, ob eine solche Differenzierung im Gläubigerschutz auf das deutsche Recht zu übertragen ist. Die Vorteile einer amerikanischen Regelung sind unter anderem darin zu sehen, daß die starken Gläubiger nicht doppelt geschützt, und die schwachen Gläubiger mehr geschützt werden. Denn eine UmqualifIzierung zugunsten nur einer Gläubigergruppe vermindert die Kompensation der einen Gruppe im gleichen Maße, wie sie den Ausgleich der anderen Gruppe erhöht. Damit bewirkt die Regelung einen Schutz derjenigen, die auf ihn auch in höherem Maße angewiesen sind. Mit einer solchen Differenzierung der begünstigten Gläubiger oder Gläubigergruppen ließe sich aber auch folgendes bislang ungelöstes Problem bewältigen: Der Gesellschafter gewährt der Gesellschaft mit Zustimmung der außenstehenden Gläubiger ein Darlehen, weil beide Gläubigergruppen trotz einer momentanen Krise von einer insgesamt positiven Entwicklung überzeugt sind J77 • Gehen die Erwartungen nicht in Erfüllung, qualifiziert die Rechtsprechung nach bislang geltenden Recht die Darlehen in Eigenkapital um. Im Ergebnis tragen nur die Gesellschafter das Risiko eines negativen Geschäftsverlaufes, während die Gläubiger nur am Erfolg partizipieren. In Fällen wie diesen ist unschwer abzusehen, daß die Gesellschafter kaum noch bereit sein werden, die Gesellschaft mit Darlehen zu fmanzieren. Aus ökonomischer Sicht ist ein solches Ergebnis unbefriedigend. Obwohl die außenstehenden Gläubiger das Risiko kennen und sehenden Auges übemehmen J78 , werden sie durch das Kapitalersatzrecht geschützt. Damit greift das Kapitalersatzrecht in die privatautonorne Vertragsgestaltung ein und widerspricht der ökonomischen Gesamtnutzenmaximierung: Den begünstigten Gläubigem wird das normale Kreditrisi-
177 Der Problemfall findet sich -ohne Lösungsangebot- bei Klaus, ZBB 1994, 247, 256 f. 178 Hierauf stützt sich auch die Kritik am Eigenkapitalersatzrecht von Kallmeyer, GmbHR-Report, 1995,41,42.
27·
420
3. Kap.: Rechtsvergleich
ko, das sie selbst ausgehandelt haben, durch das Recht abgenommen. Das Kapitalersatzrecht soll die Gläubiger aber nur insoweit schützen, als das Risiko einer Benachteiligung über das Marktrisiko hinausgehe 79 • Angesichts der unbefriedigenden ökonomischen Folgen l80 eines "Alle oder Keiner"-Prinzips erscheint es wünschenswert, wenn in den Rechtsfolgen einer Umqualifizierung zwischen verschiedenen Gläubigergruppen unterschieden wird. Zu prüfen ist daher, ob sich eine solche Regelung in das deutsche System des Eigenkapitalersatzrechtes integrieren läßt.
2. Kapitalersatzrecbt als Ausdruck einer gestörten Vertragsparitllt
Der klassischen deutschen Vertragslehre liegt, wie dem amerikanischen Recht, die Auffassung zugrunde, daß die Privatautonomie beim Vertragsschluß einen hinreichenden Schutz und einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien garantieren könne 181. Vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Liberalismus und des idealistischen Freiheitsbegriffes ging der Gesetzgeber des BGB davon aus, daß die Parteien den Inhalt des Vertrages festlegen und damit die gegenseitigen Interessen ausgleichen l82 • Ohne staatliche Hilfe, sondern durch Vertragsverhandlungen, die Leistung und Gegenleistung festsetzen, sollen die Parteien ein gerechtes Ergebnis herstellen. Dieser Interessenausgleich wird im nachhinein durch Gesetz und Gerichtspraxis abgeändert, wenn neben dem Haftungsfonds der Gesellschaft zusätzlich die Gesellschafterdarlehen zur Haftungsmasse zählen. Damit greifen die Regeln des Kapitalersatzrechtes in die privatautonom ausgehandelten Vertragsbeziehungen zwischen Gesellschafter und außenstehenden Gläubigem ein, die im Idealfall sowohl das Unternehmens- wie auch das Kapitalstrukturrisiko widerspiegeln l83 • 179
Siehe dazu oben Kap. 3 11.1.
180 So auch Herrmann, Quasi- Eigenkapital im Kapitalmarkt- und Unternehmensrecht, 1996, S. 256 ff. 181 Die Vertragsfreiheit läßt sich den §§ 151, 305 BGB entnehmen. Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 13; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 5; dazu Herrmann, NJW 1982, 2059. 182 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 9 f mwN; vgl. auch Hönn, JZ 1983, 677, 700 f. 183
Zu den Begriffen von Untemehmens- und Kapitalstrukturrisiko vgl. oben Kap.
D. Rechtsfolgen und Besonderheiten
421
Im Zuge verschiedener Arbeiten zum Privatrecht l84 ist heute anerkannt 18S , daß eine Korrektur des Vertrages qua Rechtsprechung zulässig ist, wenn die Vertragsfreiheit als formal und ungeeignet fiir den Interessenausgleich anzusehen ist. Die Berechtigung fiir einen Eingriff in die Vertragsfreiheit läßt sich aus folgender Überlegung ableiten: Die Privatautonomie der Parteien ist gewährleistet durch ihre Willensfreiheit und ihre Willensübereinstimmung. Diese Form der Selbstbestimmung ist aber nur solange gerechtfertigt, wie auch die Macht zur Selbstbestimmung gegeben ist l86 • Im Umkehrschluß gilt die Feststellung, daß die Vertragsfreiheit keinen angemessenen Interessenausgleich bietet, wenn die Macht zur Selbstbestimmung nicht besteht, weil etwa ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht existiert. In der rechtswissenschaftlichen Diskussion der Nachkriegszeit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Vertragsfreiheit durch wirtschaftliche Macht in ein Instrument der Fremdbestimmung zu Lasten des weniger mächtigen Vertragspartners verwandelt werden kann, und dann die Fähigkeit zum angemessenen Interessenausgleich verliert I8 ? Unabdingbare Voraussetzung fiir die Funktionsfähigkeit der Vertragsfreiheit ist die Entscheidungsfreiheit des einzelnen l88 • Nur so kann auch eine Vertragsgerechtigkeitgewährleistetwerden. Deshalb gilt: Je größer das Übergewicht der einen Vertragspartei, desto weiter darf die Vertragsfreiheit korrigiert werden.
I.B.II.3. Zur Parallelproblematik bei einer Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung vgl. Drüke, S. 52 f; Kübler, FS Heinsius, S. 397, 403 ff. 184 Zu nennen sind die grundlegenden Arbeiten von Schmidt-Rimpler, Grundfragen einer Erneuerung des Vertragsrechts, AcP 147 (1947), 130 ff; Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung 1974, S. 3 fT; Raiser, L., Vertragsfreiheit heute, JZ 1958, S. 1 ff; Biedenkopf, Über das Verhältnis wirtschaftlicher Macht zum Privatrecht, in: FS Böhm, 1965, S. 113 ff. 185 Aus der neueren Rechtsprechung ist nur das Urteil des BVerfG ZiP 1993, 1775= NJW 1994,36 zu nennen, das an BVerfGE 81,242 anschließt. Hier führt das Gericht aus, daß in einer Situation, in der das Übergewicht einer Vertragspartei zu einer Fremdbestimmung der anderen Partei führt, Gesetzgebung und Gerichte verpflichtet sind, dieser Fremdbestimmung entgegenzuwirken. Zu diesen Urteilen ausft.ihrlich Kohte, ZBB 1994, 172 ff. 186
Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 10.
\87
Kohte, ZBB 1994, 172, 173.
\88
So schon Schmidt-Rimpler, AcP 147 (\941), 131, 158.
422
3. Kap.: Rechtsvergleich
Die Einsicht, daß die Vertragsfreiheit und damit die Vertragsgerechtigkeit von der Chancengleichheit abhängt, hat dazu geführt, daß dieser Gedanke in verschiedene Gesetze integriert wurde l89 . Zu nennen sind in diesem Zusammenhang das AGBG oder andere neue wirtschafts- und verbraucherrechtliche Normen wie etwa das Verbraucherkreditgesetz. Weitergehend hat Hönn l90 herausgearbeitet, daß es im geltenden Recht ein allgemeines Prinzip gebe, daß eine typische Störung der Vertragsparität durch geeignete rechtliche Maßnahmen auszugleichen sei. Nach Hönn läßt sich die Verletzung der Vertragsparität aber nicht einfach durch Subsumtion unter ein Tatbestandsmerkmal feststellen. Vielmehr ist eine Abwägung zwischen verschiedenen Prinzipien und Ungleichgewichtslagen erforderlich. Deshalb hat Hönn im wesentlichen drei Fallgruppen einer allgemeinen Disparität unterschieden, die eine Kompensation erforderlich machen. Im vorliegenden Zusammenhang ist die zweite Gruppe entscheidend, die auf die "Störung der rationalen Abwägung"191 abstellt. Gemeint ist damit entweder eine intellektuelle Unterlegenheit einer Vertragsseite aufgrund mangelnder Fachkompetenz oder das Fehlen wichtiger Informationen als Grundlage einer rationalen Abwägung. In diese Fallgruppe einer gestörten Vertragsparität können auch die Regeln über den Kapitalersatz eingeordnet werden. Wollen die zukünftigen Vertragspartner eines Unternehmens das Risiko einschätzen, das sie erwartet, dann muß ihnen nicht nur ein betriebswirtschaftliches Bewertungsinstrumentarium zur Verfiigung stehen. Sie müssen auch in der konkreten Situation erkennen können, wie es um das Unternehmen bestellt ist und ausreichend Informationen über Unternehmens- und Kapitalstrukturrisiken haben. Das ist bei einer Finanzierung mit eigenkapitalersetzenden Darlehen typischerweise nicht möglich, wenn die Darlehen die Krise der Gesellschaft verschleiern. Die Gesellschafterdarlehen ermöglichen dem Unternehmen ein Fortbestehen, obwohl die Gesell-
189
Zu den Leitbildern des Sonderprivatrechts, Kohte, ZBB 1994, 172, 174.
190 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, 88 ff, 285 ff. Hönn gelangt zu diesem Ergebnis, indem er einzelne Normen aus verschiedenen Gesetzen wie dem Wettbewerbsrecht (S. 119 ff), dem bürgerlichen Recht und des Individualarbeitsrechtes (S. 134 ff), dem kollektiven Arbeitsrecht und dem Gesellschaftsrecht (S. 192 ff) daraufhin untersucht, wann das Gesetz die Selbstbestimmung und die Chancengleichheit nicht mehr ffu;, gegeben hält. 191 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 256 ff.
D. Rechtsfolgen und Besonderheiten
423
schaft schon kreditunwürdig war. Regelmäßig werden Arbeitnehmer und kleinere Lieferanten weder in der Lage sein, die notwendigen Informationen von der Gesellschaft zu erhalten, noch werden sie diese richtig deuten können. Damit sind diese zukünftigen Gläubiger nicht fähig, eine annähernd zutreffende Risikoeinschätzung abzugeben. Im Ergebnis sind die Kapitalersatzregeln Ausdruck einer Ausnahme zu der klassischen Vertragslehre; die typische Störung der Vertragsparität wird durch die Umqualifizierung der Gesellschafterfremdmittelausgeglichen \92.
3. Schlußfolgerung für den Ausnahmefall einer Vertragsparitllt zwischen Gesellschaft und Glllubiger
Ist das KapitalersatzrechtAusdruck des allgemeinen Prinzips einer gestörten Vertragsparität, die ausgeglichen wird, stellt sich zwingend die Frage, was passieren muß, wenn keine Disparität im Einzelfall vorliegt. In solchen Fällen hat das AGBG als Prototyp eines Gesetzes, das die geminderte Vertragsparität ausgleicht, folgende Antwort parat: Nach § 4 AGBG haben Individualvereinbarungen Vorrang vor allgemeinen Geschäftsbedingungen; d.h. der Schutz des Gesetzes gilt nicht, wenn der Vertragspartner sich in einer Situation befindet, in der er nicht schützenswert ist. Verallgemeinert man die Aussage des § 4 AGBG bedeutet es, daß in den Fällen der Vertragsparität kein Schutz für die Vertragsparteien mehr erforderlich ist, sie sind selbst in der Lage, sich zu schützen. Der Schutz gilt nicht rur den Nicht-Schutzwürdigen. Wer über eine ausreichende Macht am Markt verfUgt, kann das Risiko seiner Transaktion bewerten und in die Vertragsverhandlungen miteinbringen. Dieses allgemeine Regel- Ausnahme- Verhältnis kann auch auf das Kapitalersatzrecht übertragen werden: Wenn die zukünftigen Gläubiger einer GmbH sowohl über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft informiert sind als auch einen angemessenen Risikoabschlag verlangen können, besteht keine rur die eigenkapitalersetzendenGesellschafterdarlehentypische Situation der Vertragsdisparität. In dieser Situation trägt der Normzweck des § 32 a GmbHG -als Ausgleich rur die Vertragsdisparität- nicht mehr die Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital. Die genannte Gruppe von Gläubigem ist nicht schutz-
192 Diese Form der gestörten Vertragsparität hat Hönn in seiner Arbeit "Kompensation gestörter Vertragsparität" von 1982 nicht untersucht.
3. Kap.: Rechtsvergleich
424
würdig. Regelmäßig kommen als nicht schutzwürdige Gläubiger mit einer ausreichend großen Verhandlungsmacht vor allem große Zulieferer, Kreditinstitute und Verpächter von Betriebsgrundstücken in Betracht. Allgemein läßt sich die Verhandlungsmacht ableiten aus der wettbewerblichen Marktstellung der Unternehmen und ihrer Unternehmensgöße 193 • Auch auf diese Weise gelingt es, den Wettbewerbsaspekt des Problems einer Fremdfinanzierung in die Betrachtung miteinzubeziehen l94 • Daß diese Gläubiger von dem Schutz des Kapitalersatzrechtesausgenommen sind, läßt sich auch ökonomisch durch zwei Überlegungen rechtfertigen. Erstens gilt, daß die vertragliche Regelung die beste Gewähr für eine effiziente Kontrolle vor Benachteiligungsgefahren bietet. So korrigieren die Gläubiger durch ihre Risikoeinschätzung eine möglicherweise übersteigerte Risikobereitschaft der Unternehmer. Zu diesem Zweck verfügen sie im wesentlichen über drei Instrumente: Sie können einen Risikozuschlag verlangen, auf eine zusätzliche Sicherheit (persönlich oder dinglich) bestehen oder den Kredit ganz verweigern. Zweitens besteht kein Anlaß dazu, eine Vertragspartei nach Vertragsverhandlungen zu schützen, wenn kein Marktungleichgewicht besteht. Sonst würde die gesetzliche Regelung in das Marktgeschehen eingreifen und eine optimale Faktorallokation verhindern. Gesetzliche Eingriffe in die Faktorallokation über den Markt sind aber nur dann sinnvoll, wenn die Voraussetzungen ungleicher Marktmacht zu einem Ungleichgewicht der Vertragspartner führen. Im Rahmen der Rechtsfortbildung über §§ 30, 31 GmbHG analog durch die Gerichte verbietet sich eine Differenzierung nach den Gläubigergruppen und ihrer Verhandlungsposition am Markt. Denn die Regeln über die Kapitalaufbringung und -erhaltung sind zwingendes Recht, das allen Gläubigem gegenüber gilt. Das Stammkapital soll im Konkurs allen Gläubigem zur Verfügung stehen. Anders gestaltet sich die Rechtslage bei § 32 a GmbH G. Der Wortlaut dieser Norm sieht zwar keine unterschiedliche Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen für bestimmte Gläubigergruppen vor, dennoch läßt sich eine solche Differenzierung nach dem Sinn und Zweck der Norm begründen. In solchen Fällen, in denen der eindeutige Wortsinn einer Regel weiter gefaßt ist als der
193 Es ist anerkannt, daß auch von der Unternehmensgröße auf die Marktstellung geschlossen werden darf. Vgl. Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Unternehmensrecht, 1996, S. 242 ff. 194
Siehe Fn. zuvor.
D. Rechtsfolgen und Besonderheiten
425
Regelungszweck oder der Sinnzusammenhang des Gesetzes, ist eine teleologische Reduktion erforderlich l95 • Wie oben nachgewiesen ist § 32 a GmbHG Ausdruck einer gestörten Vertragsparität, die durch die Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehenkompensiert wird. Dieser Zweck des Gesetzes wird nicht mehr verfolgt, wenn trotz einer tatsächlich bestehenden Vertragsparität Fremdkapital umqualifiziert wird. In diesen Fällen ist der Wortlaut der Norm zwar noch gegeben, nicht aber der Normzweck. Angesichts des Auseinanderfallens von Wortsinn und Regelungszweck ist eine teleologische Reduktion in diesen Fällen geboten und zulässig. Im Ergebnis sind die Gesellschafterdarlehen nur zugunsten derjenigen Fremdgläubiger umzuqualifizieren, die i.S. des Kapitalersatzrechtes schützenswert sind. Rechtstechnisch ist diese Rechtsfolge im Konkurs umzusetzen, indem aus den Gesellschafterdarlehen ein Sonderhaftungsfonds gebildet wird. Nur den zu begünstigenden Fremdgläubigern steht dann dieser Sonderhaftungsfonds zur Verugung. Betrachtet man die Rechtswirklichkeit, wird es nicht viele Fälle geben, in denen ein Teil der Gläubiger von der Umqualifizierung ausgeschlossen ist. In der Regel ist anzunehmen, was auch die Erfahrungen im US-amerikanischen Recht nahelegen l96 , daß die Gesellschafterfremdmittel zugunsten aller Gläubiger umqualifiziert werden. Dennoch bietet dieser Weg die Möglichkeit zu einer differenzierten, an den Grundsätzen der Vertrags gerechtigkeit orientierten Behandlung der Gesellschaftsgläubiger, die zu gerechteren Ergebnissen im Einzelfall fUhrt. Das bislang geltende Prinzip "Alle oder Keiner" ist nicht weiter aufrechtzuerhalten. Die Gerichte können die Gesellschafterdarlehennur umqualifizieren, wenn sie die wirtschaftliche Macht der Fremdkapitalgeber auf dem Markt beurteilen und in ihrer Entscheidung berücksichtigen. Im Ergebnis lassen sich nicht nur der Tatbestand, sondern auch die Rechtsfolgen eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen marktkonform auslegen. Solange die Marktteilnehmer gleich stark sind, können sie ihre Risikoaufteilung mittels Vertrag selbst aushandeln, um so möglichst optimale Vertragsergebnisse zu erzielen. Freie Verhandlungen, wie sie im Rahmen unter Wettbewerbsbedingungen zustande kommen, sind am ehesten dazu geeignet, ein Höchstmaß an Wohlfahrt zu erreichen und liegen somit im gesamtwirtschaftlichen Interesse. Ist das Gleichgewicht der Marktteilnehmer hingegen gestört, wandelt sich die vorausgesetzte Vertragsparität in eine Vertragsdisparität. Nur rur den Fall einer
195
Larenz, Methodenlehre, S. 393.
196
Ygl.: Kap. 2 B.Y.
426
3. Kap.: Rechtsvergleich
Vertrags disparität ist es gerechtfertigt, die Gesellschafterdarlehenin Eigenkapital umzuqualifizieren. Eine solche differenzierte Rechtsfolge nach der Marktstellung der Gläubiger entspricht dem Paradigma der ökonomischen Gesamtnutzenmaximierung im Interesse der Gesamtwirtschaft. Anliegen dieser Arbeit ist es, sowohl den Tatbestand als auch die Rechtsfolgen eigenkapitalersetzenderGesellschafterleistungenmarktkonform auszulegen. Diese Absicht stimmt mit den explizit genannten Zielen der Insolvenzrechtsreform überein, die am 18. 10. 1994 verkündet wurde und am 01.01. 1999 in Kraft tritt 197 • Nach den allgemeinen Begründungen zum Regierungsentwurf eines neuen Insolvenzrechtes ist das Insolvenzverfahren darauf ausgerichtet, eine marktkonforme Insolvenzbewältigung zu ermöglichen l98 • Mit der Herstellung marktkonformer Rahmenbedingungen für die Entscheidung über Liquidation oder Sanierung eines Unternehmens soll die dem geltenden Recht eigene Tendenz zur Zerschlagung beseitigt werden l99 • Das Postulat der Marktkonformität ist damit eine der tragenden Grundsätze des neuen Insolvenzrechtes, das von grundlegender Bedeutung für die Funktion der Marktwirtschaft isf oo . Die Grundausrichtung des Gesetzgebers ist eine eindeutige Bestätigung der These, daß auch die Rechtsfolgen eigenkapitalersetzenderGesellschafterleistungen marktkonform auszulegen sind.
11. Quasi- Eigenkapital als rechtsformunabhängiges Phänomen Eine weitere Gemeinsamkeit der US- amerikanischen und der deutschen Rechtsordnung liegt in der Beurteilung der Frage, ob eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen rechtsformspezifisch oder rechtsformunabhängige Phänomene darstellen. In der Untersuchung zum deutschen Teil hatte sich ergeben, daß sich der Anwendungsbereich des Quasi- Eigenkapitals auch auf Darlehens-
197
BGB\. 1994 I, 2866 und 2911.
198 Allgemeine Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucks. 12/2443 vom 15. 4. 1993, S. 71 ff, zit. nach Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, 1994, S. 97. Der Regierungsentwurf würdigt ausdrücklich die Ergebnisse der ökonomischen Analyse des Rechts flir das neugeschaffene Insolvenzrecht, Kübler/Prütting, aaO S. 132. 199 Allgemeine Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucks. 12/2443 vom 15. 4. 1993, S. 71 ff, zit. nach Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, 1994, S. 97. 200 Allgemeine Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucks. 12/2443 vom 15. 4. 1993, S. 71 ff, zit. nach Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, 1994, S. 97.
D. Rechtsfolgen und Besonderheiten
427
leistungen an die gesetzestypische KG erstreckfo l • Das Eigenkapitalersatzrecht findet auch in der regulären Personengesellschaft Anwendung, wenn die Darlehen eigentlich erforderliches Eigenkapital ersetzen. Da das Eigenkapitalersatzrecht auch innerhalb der Personengesellschaften gilt, handelt es sich um ein Phänomen, das immer dort entsteht, wo zwischen Eigen- und Fremdkapital abgegrenzt wird202 • Es ist nicht auf Kapitalgesellschaften begrenzt. Wenn Fremd- Eigenkapital ersetzt, kann es keinen Unterschied machen, ob es sich um GmbH- Gesellschafter, Aktionäre, Publikumskommanditisten oder einfach gesetzliche Personengesellschafter handelt. Die entsprechende Rechtslage kennzeichnet das amerikanische Recht. Rechtsvergleichend bestätigt sich, daß keine Bedenken bestehen, die zum Kapitalgesellschaftsrecht entwickelten Regeln des Kapitalersatzrechtes auch auf andere Gesellschaftsformen zu übertragen203 •
Irr. Zusammenhang von Kapitalmarkt -Aktienhandelund Umqualifizierung von Gesellschafterdarlehen
Auch wenn es sich beim Kapitalersatzrecht um ein Phänomen handelt, das überall dort auftritt, wo die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital relevant ist, hat es einen Schwerpunkt. Hauptsächlich die Gesellschaftsform der GmbH und der GmbH & Co. KG werden mit Quasi- Eigenkapital in Form von Gesellschafterdarlehen finanziert. Der Grund dafür liegt auch in der unzureichenden Möglichkeit, sich über den Kapitalmarkfo 4 an der Börse zu finanzieren. Für das Recht der USA wurde überzeugend dargelegfO S, daß der fehlende Zugang zum Aktienmarkt zum einen erst eine umfängliche Finanzierung mit Gesellschafterdarlehen erfordert. Zum anderen lohnt sich dann auch erst der Versuch, das Risiko auf die Gläubiger abzuwälzen, denn die Teilnehmer am Aktienmarkt
201
Vgl.: Kap. 1 D.1.
202
Vgl.: Kap. 1 D.1.4.
203 Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt und Untemehmensrecht, 1996, S.247. 204 Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in diesem Zusammenhang Kapitalmarkt als Begriff verstanden wird, der durch die Institutionen Aktiengesellschaft und Börse bestimmt wird. Dazu Assmann in AssmannJSchütze, Handbuch des Kapitalanlegerrechts § 1 Rn. 5 ff inbesondere Rn. 7. 20S
Vgl.: Kap. 2 D.lV.
428
3. Kap.: Rechtsvergleich
können die Gesellschafter nicht über eine Umbewertung ihrer Gesellschaftsanteile zu einem anderen Verhalten veranlassen. Auf den Punkt gebracht läßt sich dieser Zusammenhang so zusammenfassen: Der fehlende Kapitalmarkt (Börsenzugang, Aktienhandel) schafft erst Anreize, das Risiko auf die Gläubiger abzuwälzen, was das Kapitalersatzrecht ausgleichen soll. In dem Moment, in dem auch kleinere Gesellschaften unterhalb der Größe einer AG einen Zugang zum Kapitalmarkt besitzen, ist dieser Mechanismus außer Kraft gesetzt. Dann diszipliniert die Bewertung am Markt das Verhalten der Gesellschafter, und eine Umqualifizierung der Fremdmittel in Eigenkapital ist in weniger bis keinen Fällen erforderlich. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war die Arbeit von AlbachI Korte/ Friedewaldl Lutter/ Richter aus dem Jahr 1988, welche die Schaffung einer kleinen AG206 als eigenständige Rechtsform zwischen der heutigen AG und der GmbH vorgeschlagen haben. Im Hinblick auf die Bedeutung des Eigenkapitalersatzrechtes innerhalb einer solchen kleinen AG wäre zu vermuten gewesen, daß diese Gläubigerschutzregeln nur eine untergeordnete Rolle spielen würden. Der Gesetzesentwurf07 der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und FDP und das "Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts"208 beschränken sich bisher jedoch lediglich auf die Änderungen einiger Bestimmungen des Aktienrechts 209 . Ob der Schutz der Gläubiger bei dieser Neuerung in höherem Maße durch das Funktionieren des Kapitalmarktes gewährleistet wird, bleibt abzuwarten. Aus den dargelegten Gründen ist aber zu hoffen, daß der Gesetzgeber das Ziel einer "kleinen AG", die auch für viele heutige GmbHs attraktiv wäre, nicht aus den Augen verliert. Der Gläubigerschutz könnte dann auch rur kleinere Gesellschaften über den Kapitalmarkt realisiert werden und gesetzliche und richterliche Eingriffe zugunsten der Gläubiger verlören an Bedeutung.
206 AlbachI Korte/ Friedewaldl Lutter/ Richter, Deregulierung des Aktienrechts: Das Drei-Stufen-Modell, 1988. . 207
BT-Drucks. 12/6721 v. I. 2. 1994.
208
BGBI I 1994, 1961; dazu Hoffmann/Becking, ZIP 1995, 1 ff.
209 Den Gesetzesentwurf stellen vor: Drüke, WiB 1994, 265 ff; Seibert, ZIP 1994, 914; ausführlich SeibertlKöster/Kiem, Die kleine AG, 3. Aufl. 1996.
D. Rechtsfolgen und Besonderheiten
429
IV. Gebrauchsüberlassung
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den US- amerikanischen Regelungen und dem deutschen Recht liegt in der Beurteilung der Nutzungsüberlassung im Konkurs. Die amerikanische Rechtsordnung begegnet dem Problem einer Gebrauchsüberlassung im Konkurs mit einem zweistufigen Schutz. Die Mietoder die Pachtzinsen als Forderungen der Gesellschafter gegenüber der Konkursmasse ordnen die Gerichte, wenn die Voraussetzungen vorliegen, mittels der equitable subordination Doktrin nach. Die equitable subordination erfaßt nur die schuldrechtlichen Ansprüche der Gesellschafter; ein Zugriff auf die Sachsubstanz oder gar das Eigentum ist nicht möglich. In diesem Punkt setzt die zweite Stufe des Schutzes mit dem Haftungsdurchgriff an. In den USA haben die Gerichte die Möglichkeit, auf die Sache selbst, welche die Zufuhr von notwendigem Eigenkapital ersetzt, durch einen Haftungsdurchgriff zuzugreifen. Der Haftungsdurchgriff eröffnet das Recht, auch das Privatvermögen der Gesellschafter den Gläubigem zur Verfügung zu stellen, also auch das Eigentum an den überlassenen Gegenständen. Im Ergebnis kennt das amerikanische Recht damit einen zweistufigen Schutz: Die equitable subordination doctrin erfaßt die Miet- und Pachtzinsen, während sich der Haftungsdurchgriff auf das Eigentum erstreckt. Im Gegensatz dazu stellt sich die Rechtslage in Deutschland dar, die sich in zwei Entwicklungsschritten vollzog. Nach langen und heftigen Diskussionen, ob die Normen über die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen auch die Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung durch die Gesellschaft erfaßt, hat der BGH in seinen beiden Lagergrundstück- Entscheidungen vom 16. 10. 1989210 und vom 14.12.1992211 diese Frage bejaht. Damit hatte der BGH das "ob" der Frage entschieden, aber noch nicht das "wie" der Rechtsfolge. In zwei weiteren Grundsatzentscheidungenhat der BGH die Rechtsfolge einer Gebrauchsüberlassung auf die Erfassung und Verwertung des Nutzungsrechtes beschränkf l2 • Die Rechtsfolge erstreckt sich damit ausdrücklich nicht auf die Substanz oder den Substanzwert der Sache, denn das Kapitalersatzrecht bietet keine Möglichkeit, die dingliche Zuordnung zu verändern. Damit hat der BGH konsequent und stimmig die Grundsätze des Kapitalersatzrechtes auf die Nut-
210
BGHZ 109, 55.
211
BGHZ 121,31.
212
BGH ZIP 1994, 1103, 1110.
430
3. Kap.: Rechtsvergleich
zungsüberlassung übertragen. Die Rechtsfortbildung des BGH steht mit den Grundsätzen aus § 32 a,b GmbHG im Einklang. Dennoch ergeben sich erhebliche Probleme. Die Rechtsfolge, die sich aus dem Kapitalersatzrechtzwingend nur auf die Nutzungsverwertung im Rahmen der Mietzeit bezieht, fiihrt in vielen Fällen dazu, daß das Verwertungsrecht nicht zweckmäßig ausgeübt werden kann. Mangels sinnvoller Möglichkeit, die Rechtsfolge auch nutzen zu können, läuft das Kapitalersatzrecht in vielen Fällen zum Nachteil der Masse leer2 13 • Aufgrund der unterschiedlichenRechtsfolgen einer Nutzungsüberlassung sind die Gläubiger in den USA umfassender geschützt als in Deutschland. Warum es zu einer so unterschiedlichen Beurteilung dieser Frage innerhalb der beiden Rechtsordnungen gekommen ist, erklärt sich durch die Vorgehensweise der Gerichte. Die Gerichte in beiden Rechtsordnungen haben sich an bestehende Rechtsinstitute angelehnt, um die Gebrauchsüberlassungals rechtliches Problem zu erfassen. Da in Deutschland der Haftungsdurchgriff wegen einer Unterkapitalisierung kein gesprochenes Recht darstellt, wurde die Gebrauchsüberlassung aufgrund der gewissen Ähnlichkeit zum eigenkapitalersetzendenDarlehen in die §§ 32 a, b GmbHG eingeordnet. Die Gerichte und das Schrifttum glaubten, so einen einfachen Weg im Interesse der Rechtssicherheit gehen zu können. Im Unterschied dazu kennen die amerikanischen Gerichte seit langem den Haftungsdurchgriff, den sie problemlos und treffend auch auf dieses Problem angewendet haben. Der Rechtsvergleich zu dieser Frage legt es nahe, auch in Deutschland schon diskutierte Modelle aufzugreifen, die das Problem der Nutzungsüberlassung wesensmäßig als Aspekt der materiellen Unterkapitalisierung verstehen214 • Nach dieser Ansicht können die Kapitalersatzregeln nur einen Teilbereich des Problems erfassen, nämlich die Verstrickung der Miet- oder Pachtzinsen. In anderen Bereichen bietet das Kapitalersatzrechtkeinen Weg, die Gläubiger bei einer Gebrauchsüberlassung adäquat zu schützen. Es ist schwer einsichtig, warum der Gesellschafter, der seiner Gesellschaft in der Krise statt des benötigten Eigenkapitals ein Darlehen gewährt, sich die Beurteilung der Mittel als Haftkapital gefallen lassen muß, während der Gesellschafter, der sich der Finanzierungsverantwortung in ungleich geringerem Maße stellt, da er der
213 Einen guten Überblick über die problematischen Konstellationen für die Gläubiger gibt ausführlich Drygala, S. 65 f.
214
K. Schmidt, ZIP 1990, 69, 78 f.
D. Rechtsfolgen und Besonderheiten
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Gesellschaft statt eines Finanzierungsbeitrages nur eine Gebrauchsüberlassung eingeräumt hat, trotz Weiterfiihrung des Unternehmens in der Krise ungleich besser gestellt isf ls . Dieses Ungleichgewicht verbunden mit dem geringeren Ausmaß an Gläubigerschutz in Deutschland zeigt das Bedürfnis für eine "amerikanische Lösung". Das heißt, auch in Deutschland ist die Gebrauchsüberlassung, sofern es die Substanz der Sache betrifft, als ein Fall der materiellen Unterkapitalisierung -also der "Nichtkapitalisierung"216- einzuordnen2l7 • In der Folge sollten auch die deutschen Gerichte bei der Beurteilung der Nutzungsüberlassung einer zweistufigen Schutzkonzeption folgen können: Die §§ 32 a,b GmbHG sollten die Miet- und Pachtzinsen erfassen, während sich der Haftungsdurchgriff auf die Betriebsgegenstände selbst erstrecken sollte 2l8 . Ein solcher Haftungsdurchgriff als Rechtsfolge muß sich konsequenterweise auf den Tatbestand des § 32 a Abs. 1,3 GmbHG beziehen. Auf diese Weise ist nicht nur gewährleistet, daß der Tatbestand präzise beschrieben werden kann, sondern auch daß eine gleichartige Wertung im Hinblick auf eine Darlehensgewähr besteht. Nur die beschriebene zweistufige Schutzkonzeption garantiert den Gläubigem den gleichen Schutzurnfang wie bei kapitalersetzendenGesellschafterdarlehen bei gleichbleibender Rechtssicherheit.
215
So auch v. Gerkan, ZHR 158 (1994), 668, 674.
216
K. Schmidt, ZIP 1981, 689, 690.
217 Im Ergebnis so auch: K. Schmidt, ZIP 1990, 69, 78 f; neuerdings: Altmeppen, NJW 1994,2353,2354; v. Gerkan, ZHR 158 (1994), 668, 671. 218 Insofern unterscheidet sich die Konzeption von den Vorschlägen der Literatur in der Fn. zuvor. Denn die Vertreter dieser Ansicht wol1en die Nutzungsüberlassung insgesamt aus dem Kapitalersatzrecht herausnehmen und befürworten keinen zweistufigen Schutz.
Zusammenfassung Ziel der Arbeit war es, mittels eines Rechtsvergleiches herauszufinden, ob der in Deutschland praktizierte Gläubigerschutz im Eigenkapitalersatzrecht mittlerweile zu weit geht. Die Antwort auf diese Frage lautet im Grundsatz: nein. Von dieser Einschätzung gibt es jedoch zwei Ausnahmen: Erstens empfiehlt es sich, auch die Rechtsfolgen - wie schon den Tatbestand- eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen marktkonform auszulegen. In der Folge sind die Gesellschafterdarlehen nicht zugunsten außenstehender Gläubiger umzuqualifizieren, wenn diese sich aufgrund ihrer Verhandlungsmacht durch die Vertragsgestaltung selbst schützen können. Zweitens ist dem Phänomen der Nutzungsüberlassung mit einem doppelten Schutzssystem zu begegnen. § 32 a Abs. 3 GmbHG sollte sich nur auf die Miet- und Pachtzinsen erstrecken, während der Haftungsdurchgriff das Eigentum in der Höhe des Substanzwertes erfassen sollte. 1. Bei der Bestandsaufnahme zeigten sich schon erhebliche Gemeinsamkeiten zwischen dem US- amerikanischen und dem deutschen Recht auf dem Gebiet einer Gesellschafterfremdfinanzierung in der Gesellschaftskrise: In beiden Ländern ist das Phänomen bekannt, daß Gesellschafter ihre Gesellschaft mit Darlehen auch in der Krise finanzieren, und es auf diese Weise zu einer Benachteiligungsgefahr für die Gläubiger kommen kann. Damit steht die Gesellschafterfremdfinanzierung in beiden Rechtsordnungen im Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit und dem Bedürfnis nach angemessenem Gläubigerschutz. Das Spannungsverhältnis lösen die Rechtsordnungen identisch auf, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen die Gesellschafterfremdmittel in der Insolvenz in haftendes Eigenkapital umqualifizieren. In den USA heißt die Rechtsfigur equitable subordination; in Deutschland Eigenkapitalersatz. 2. Neben einer nahezu zeitgleichen Entwicklung der Rechtsprechung und der Gesetzgebung zeichnen sich beide Länder auch durch identische Grundwertungen in der Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital aus. Es wird eine idealtypische Abgrenzung bevorzugt, die danach fragt, ob die Mittel der Gesellschaft
Zusammenfassung
433
dauerhaft überlassen werden, an den Verlusten teilnehmen und in der Vermögensausschüttung von den Untemehmensgewinnen abhängen. Unterschiede, die sich aus der Entwicklungsgeschichte der Rechtsfiguren ergeben, bestehen insofern, als zum einen die amerikanische Rechtsordnung die equitable subordination Doktrin im Insolvenzrecht ansiedelt, während in Deutschland insolvenz- und gesellschaftsrechtliche Lösung nebeneinander existieren. Zum anderen kennt das amerikanische Recht ausgehend von den Equity Befugnissen der Gerichte in der Rechtsfolge eine richterliche Einzelfallanordnung. Im Gegensatz dazu basiert die Umqualifizierung in Deutschland auf zwingendem Gesetzesrecht. Unterschiede ergeben sich aber nur insofern, als die amerikanischen Gerichte flexibler auf Einzelfälle reagieren können und in ihrer Rechtsfortentwicklung weniger beschränkt sind. Insgesamt zeigen beide Rechtsordnungen eine bemerkenswert ähnliche Problemannäherung an das Phänomen der Gesellschafterfremdfinanzierung. 3. Für die Reichweite des Gläubigerschutzes war vor allem die Frage maßgebend, wie in den beiden Rechtsordnungen der Tatbestand eigenkapitalersetzender Leistungen bestimmt wird. Einhellig benutzen die Gerichte sowohl in den USA als auch in Deutschland den Beurteilungsmaßstab der Kreditwürdigkeit, um haftendes von nicht haftendem Kapital abzugrenzen. Beide Rechtsordnungen haben sich in dieser komplizierten Abgrenzungsfrage dazu entschieden, die Antwort einem marktorientierten Kriterium zu überlassen. Die Ausrichtung auf die Entscheidungen des Marktes hat in beiden Ländern Vorrang vor allen anderen Beurteilungsmaßstäben. Für die außenstehenden Gläubiger bedeutet diese marktorientierte Schutzkonzeption, daß sie das auf dem Kapitalmarkt übliche Risiko selbst tragen müssen. Die Reichweite des Gläubigerschutzes entspricht der Spanne des gerade marktüblichen Kreditrisikos als flexibler Grenze. Erst wenn dieses Risikomaß durch eine Gesellschafterfremdfinanzierung überschritten ist, setzt der Schutzmechanismus ein und nimmt den Gläubigern ein Teil des Risikos ab. Im Grundsatz gilt die Aussage von Judge Easterbrook: "Risks must be assessed ex ante by lenders, rather than ex post by judges". Aus methodischer Sicht ist hervorzuheben, daß sich für die überaus problematische Abgrenzung auch in Deutschland ein Maßstab durchgesetzt hat, der auf Überlegungen der ökonomischen Analyse des Rechts beruht. Insofern bestimmt sich der Gläubigerschutz in beiden Ländern nach den identischen Methoden mit identischen Ergebnissen.
2X Gchdc
434
Zusammenfassung
4. Ein Unterschied auf der Tatbestandsebene eigenkapitalersetzender Leistungen besteht nur insofern, als die amerikanischen Gerichte im Gegensatz zu den deutschen in einigen Fällen die Kreditwürdigkeit noch um das Erfordernis des Mißmanagement ergänzen. Daraus kann sich in einzelnen Fällen ein geringeres Maß an Gläubigerschutz ergeben. Diese für die Ausgangsfrage bedeutsame Feststellung kann jedoch aus mehreren Gründen im deutschen Recht nicht zu einer Verminderung des praktizierten Gläubigerschutzes führen. Erstens tendieren die neueren Bestrebungen in den USA dazu, die Koppelung von Kreditwürdigkeit und fraudolöser Gläubigerschädigung aufzugeben. Weiterhin würde der überlegene marktorientierte Beurteilungsmaßstab aufgegeben mit der Gefahr einer folgenden unscharfen, an Billigkeiten orientierten Rechtsprechung. Schließlich korrespondiert das größere Ausmaß an Gläubigerschutz in Deutschland auch mit einer größeren Gläubigergefährdung, denn die Konkursquoten in Deutschland sind niedriger als in den USA. 5. In Übereinstimmung mit der amerikanischen Rechtsordnung konnte für das Finanzplandarlehen in Deutschland der Tatbestand konkret beschrieben werden: Die Mittel sind gebunden, wenn in den Verträgen die Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist oder eine Entnahmesperre plus Verlustausgleich vorliegt. Um eine Umgehung zu verhindern, sind ersatzweise der Beurteilungsmaßstab der beteiligungsproportionalen Kreditgewähr sowie die Konkretisierung der expectation of repayment heranzuziehen. 6. Wie weit die jeweilige Rechtsordnung den Gläubigerschutz zieht, hängt auch davon ab, wer als Adressat einer Umqualifizierung in Betracht kommt. Die Adressateneigenschaft bestimmt sich in den USA und Deutschland aus rechtlicher Sicht zunächst unterschiedlich. Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Entwicklung der Rechtsfiguren Eigenkapitalersatz und equitable subordination. Die amerikanische Lösung lehnt sich an den Haftungsdurchgriff an, der eine Rechtsfolge nur dann zuläßt, wenn es sich um einen Mehrheitsgesellschafter, einen insider handelt. Demgegenüber entstammt das Kapitalersatzrecht den §§ 30, 31 GmbHG und der GmbH-Novelle, die keinerlei Differenzierung in Minderheits- und Mehrheitsgesellschafter treffen. In der Theorie erscheint dieser Unterschied groß, er ist es in der Praxis aber nicht. Da die amerikanischen Gerichte die beschriebenen Grundsätze in ihrer Rechtsfortbildung zum Teil relativieren und einschränken, ergeben sich in den beiden Rechtsordnungen im tatsächlichen keine spürbaren Unterschiede. Rechtsvergleichend bestätigt sich damit die deutsche Rechtslage.
Zusammenfassung
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7. Weder das amerikanische noch das deutsche Recht kennt ein Sanierungsprivileg. Es gibt in beiden Ländern keine besonderen Regelungen für Banken oder andere Gesellschafter, die versuchen, ihr Unternehmen mit einer Darlehensfinanzierung aus der Krise zu führen. Solche Kreditleistungen unterliegen nur dann nicht der equitable subordination doctrin oder dem Eigenkapitalersatzrecht, wenn die Gesellschaft kreditwürdig war und von außenstehenden Dritten noch zu marktüblichen Bedingungen einen Kredit erhalten hätte. Das heißt, auch bei Sanierungsversuchen müssen die außenstehenden Gläubiger nur das übliche Marktrisiko übernehmen, es wird ihnen nicht zugemutet, darüber hinaus auch einen Finanzierungsbeitrag zu leisten. Wiederum bildet das Verhalten der Teilnehmer am Markt die Spannweite des praktizierten Gläubigerschutzes. 8. Rechtsvergleichend bestätigt sich auch, daß im Konzern und in der Unternehmensverbindung das Kapitalersatzrecht uneingeschränkt gilt. Den Meinungen im deutschen Recht, die im Konzern und bei Unternehmensverbindungen das Kapitalersatzrecht in einigen Fällen zugunsten des konzernrechtlichen Schutzes ablehnen, ist zu widersprechen. Sowohl in den USA als auch in Deutschland hat sich gezeigt, daß die Gesellschafterfremdfinanzierung im Konzern und der Unternehmensverbindung ein eigenständiges Problemfeld bildet, das das spezialgesetzlich geregelte Konzernrecht nur teilweise abdeckt. Im Ergebnis bestehen im Hinblick auf den praktizierten Gläubigerschutz in beiden Ländern keine relevanten Unterschiede. 9. Eine Haftkapitalbildung durch außenstehende Dritte, wie es das amerikanisehe Recht mit der lender liability vorsieht, ist abzulehnen. Der insofern erheblich ausgeweitete Gläubigerschutz kann nicht auf das deutsche Recht übertragen werden. Die überzeugenden Bedenken ergeben sich zum einen aus der Tatsache, daß die Haftung über die lender liability nicht durch eine nominelle Unterkapitalisierung, sondern durch eine fraudolöse Gläubigerbenachteiligung ausgelöst wird. Das Kapitalersatzrecht beruht aber nur auf dem Konzept der nominellen Unterkapitalisierung, so daß ein systemnotwendiger Anknüpfungspunkt fehlt. Schließlich bildetet die Rechtsfigur der lender liability die Antwort auf eine Gläubigerbenachteiligung durch amerikanische Banken, die aufgrund der amerikanischen Bankengeschichte des regulated und des deregulated banking entstand. Derartige Formen der Benachteiligung hat es Deutschland bislang nicht gegeben. Aber auch in den USA werden in der Zukunft Benachteiligungen aufgrund eines rechtswidrigen Bankenverhaltens kaum eine nennenswerte Rolle mehr spielen, da die grundlegenden Gesetze geändert worden sind, und das Problem als ausgestanden zu betrachten ist. 28"
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10. Neben der lender liability kennt das amerikanische Recht noch eine weitere Ausformung der equitable subordination doctrin, die im deutschen Recht keine Entsprechung findet: Die no fault subordination. Diese Besonderheit der equitable subordination doctrin erfaßt die Bußgelder aufgrund eines Steuerrechtsvergehens, die in jedem Fall nachgeordnet werden. Nur die Natur der Forderung führt zu einer Umqualifizierung, eine Unterkapitalisierung oder andere Voraussetzungen sind nicht erforderlich. Trotz einiger Ansätze hat diese Entwicklung letztlich nicht dazu geführt, daß die Gerichte den Gläubigerschutz bei einer Gesellschafterfremdfinanzierung ausweiten. Im Hinblick auf den Rechtsvergleich macht die Entstehung der lender liability und der no fault subordination deutlich, daß es sich bei der equitable subordination doctrin um ein allgemeines Instrument zum Ausgleich von Gläubigerbenachteiligungen handelt. Dieses Schutzkonzept umfaßt sowohl die -hier vorrangig interessierende- nominelle Unterkapitalisierung als auch andere Gläubigerbenachteiligungen. 11. Für die Reichweite des Gläubigerschutzes und die marktorientierte Schutzkonzeption ist es von herausragender Bedeutung, ob eine Umqualifizierung der Gesellschafterfremdmittel zugunsten aller Gläubiger eintritt oder nur zugunsten bestimmter Gläubigergruppen. Wie in den USA schon praktiziert, ist auch in Deutschland zu fordern, daß Vertragsgläubiger, die aufgrund einer gleichen Macht- und Informationsverteilung die Möglichkeit haben, das Risiko eines Vertragsschlusses mit einer durch Gesellschafterdarlehen finanzierten kreditunwürdigen Gesellschaft zu kalkulieren, von der Umqualifizierung auszuschließen sind, wenn sie dennoch mit der Gesellschaft Verträge abschließen. Das deutsche Prinzip des "Alle oder Keiner" ist nicht aufrechtzuerhalten, vielmehr ist auf der Rechtsfolgenseite zwischen den außenstehenden Gläubigem zu unterscheiden. Mit dieser differenzierten Rechtsfolge ist das Kapitalersatzrecht nicht nur auf der Tatbestandsseite, sondern auch auf der Rechtsfolgenseite konsequent auf eine marktkonforme Schutzkonzeption hin ausgerichtet. Damit kann das Kapitalersatzrecht zu der grundlegenden Funktion des Insolvenzrechtes in der Marktwirtschaft beitragen: Die rechtliche Ordnung eines Marktaustrittes oder die des finanziellen Umbaus einer am Markt versagenden Wirtschaftseinheit. Daneben zeichnet sich eine differenzierte Rechtsfolge auch durch andere bedeutsame Vorteile aus: Da sie die Effizienz der Vertragsgestaltung, soweit wie möglich, beachtet, unterstützt sie die Effizienz des volkswirtschaftlichen Ressourceneinsatzes und führt so zu einer ökonomischen Gesamtnutzenmaximierung. Weiterhin lassen sich die Fälle angemessen lösen, in denen die außenstehenden Gläubiger von einer Sanierung unterrichtet
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waren und diese auch gebilligt haben. Anstatt wie bisher können sich diese Gläubiger nicht auf den Schutz des Kapitalersatzes berufen, da sie das Risiko bewußt eingehen und daher einen eigenen Risikobeitrag übernehmen müssen. Damit wird die Ungereimtheit, die auch wirtschaftlich nicht wünschenswert ist, daß bei einem Sanierungsversuch der Gesellschafter nur diese haften, obwohl einzelne Gläubigergruppen den Sanierungsversuch mittragen, gelöst. Die Grenze zwischen den schutzbedürftigen und den schutzfähigen Gläubigem bemißt sich nach der Stärke bzw. der Schwäche der Verhandlungsmacht der Gläubiger, die sich aus der MarktsteIlung oder der Unternehmensgröße ergibt. Typischerweise zählen Banken, Großlieferanten und Verpächter von Betriebsgrundstücken zu den schutzfähigen Gläubigem. Obwohl diese differenzierte marktorientierte Rechtsfolge im Wortlaut des § 32 a GmbHG nicht anklingt, läßt sie sich in das deutsche Recht integrieren. Das Eigenkapitalersatzrecht ist nach Sinn und Zweck der Norm -wie oben nachgewiesen- Ausdruck einer gestörten Vertragsparität. Der Gedanke einer gestörten Vertragsparität führt zu einer teleologischen Reduktion des zu weit gefaßten Wortlautes von § 32 a GmbHG. Im Ergebnis läßt sich mit den methodischen Instrumenten des Zivilrechts widerspruchsfrei eine durchgängig marktorientierte Konzeption des § 32 a GmbHG begründen. 12. Ohne Entsprechung im deutschen Recht ist in der amerikanischen Rechtsordnung die Rechtsfolge einer Teilnachordnung. Demzufolge können Gerichte die Gesellschafterdarlehen auch in der Weise nachordnen, daß nur ein in der Höhe begrenzter Teil des Darlehens zu Eigenkapital wird. Eine solche Rechtsfolge läßt sich im deutschen Recht aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit nicht begründen. 13. Durch den Rechtsvergleich bestätigen sich auch die Untersuchungen, nach denen das Eigenkapitalersatzrecht ein rechtsformunabhängiges Phänomen darstellt. Sowohl in den USA als auch in Deutschland tritt die Problematik des Eigenkapitalersatzes überall dort auf, wo zwischen der Finanzierungsfreiheit und dem Bedürfnis nach Gläubigerschutz anband der Abgrenzung von Fremdund Eigenkapital unterschieden wird. Die rechtsformunabhängige Verallgemeinerung führt dazu, daß auch die einfach gesetzliche KG dem Kapitalersatzrecht unterliegt. Auch innerhalb einer Personengesellschaft sind eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen möglich und müssen wie bei den Kapitalgesellschaften sanktioniert werden. Die Verallgemeinerung bedeutet für die Rechtsfolge, daß § 32 KO analog auch bei Personengesellschaften anzuwenden ist. Die Berechtigung rechtsformunabhängiger Verallgemeinerung ergibt sich nicht
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nur nach geltendem Recht, sondern auch nach der zukünftigen Insolvenzordnung (Insolvenzrechtsreform vom 18. 10 1994, BGBI I 1994, 2866 und 2911). Der § 135 InsO nimmt nicht mehr ausdrücklich auf § 32 a Abs. 1,3 GmbHG Bezug, sondern spricht allgemein von der "Forderung eines kapitalersetzenden Darlehens". Damit ist klargestellt, daß auch die Fälle der §§ 129a, 172a HGB und auch die von der Rechtsprechung anerkannten weiteren Fälle kapitalersetzender Darlehen insbesondere bei der Aktiengesellschaft erfaßt werden. Mit dieser weiten Formulierung hat der Gesetzgeber für die Rechtsprechung auch die Möglichkeit geschaffen, ohne rechtliche Probleme die einfach gesetzlich KG unter das Kapitalersatzrecht zu fassen. Im Ergebnis deckt sich in beiden Rechtsordnungen, auch für die Frage, welche Gesellschaftsformen vom Kapitalersatzrecht erfaßt sind, die Reichweite des praktizierten Gläubigerschutzes. 14. Obwohl in den jeweiligen Ländern das Kapitalersatzrecht und die equitable subordination doctrin als rechtsformunabhängiges Prinzip gelten, fmanzieren hauptsächlich die Gesellschafter der GmbH und der close corporation ihr Unternehmen mit Darlehen und nicht die Aktionäre einer AG. Die ökonomische Analyse des Rechts kommt angesichts dieses Ergebnisses zu folgenden Deutungen: Der Versuch, das Risiko auf die Gläubiger abzuwälzen, kommt in der GmbH in einem höheren Maße auf, weil kein Markt besteht, auf dem die Gesellschaftsanteile gehandelt und bewertet werden. So können die Teilnehmer auf dem Kapitalmarkt die Aktionäre und ihre Geschäftsführung nicht disziplinieren, indem sie bei einem Versuch der Risikoabwälzung die Anteile niedriger bewerten und sich so eine Risikoabwälzung für die Gesellschafter nicht lohnt. Dieser Zusammenhang von Kapitalmarkt und Risikoabwälzung bedeutet für die GmbH, daß sich eine Risikoabwälzung nicht mehr in dem Maße lohnen wird, in dem Gesellschaftsanteile frei handelbar sind. Die Disziplinierung der Gesellschafter übernimmt dann der Kapitalmarkt und nicht das Gericht. Aus diesem Grund ist es zu begrüßen, wenn der Gesetzgeber die Reform der "kleinen AG" soweit treibt, daß tatsächlich mehr Unternehmen, die heute noch in der Form der GmbH betrieben werden, den Zugang zum Kapitalmarkt erhalten. 15. Im Gegensatz zu der deutschen Rechtsordnung zeichnet sich das amerikanische Recht auf dem Gebiet der Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern durch einen zweistufigen Schutz aus. Die equitable subordination doctrin erfaßt, sofern die Voraussetzungen vorliegen, die Miet- oder Pachtzinsen einer Nutzungsüberlassung, welche die Zufuhr von Eigenkapital ersetzt. Auf der
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zweiten Stufe des Gläubigerschutzes haben die Gerichte die Befugnis, mittels eines Haftungsdurchgriffes auf die Sachsubstanz der Wirtschaftsgüter zuzugreifen, um die dingliche Zuordnung im Interesse der Gläubiger zu ändern. Demgegenüber versucht die deutsche Rechtsordnung, das Problem nur mit dem Instrument des Kapitalersatzes zu lösen. In der Folge haften die Miet- und Pachtzinsen zwar den Gläubigern, aber die Nutzungsverwertung läuft -als Mittel die Haftungsgrundlage zu erweitern- in vielen Fällen ins Leere. Da sich eine angemessene Rechtsfolge, die den Gläubigerschutz ausreichend beachtet, innerhalb des Kapitalersatzrechtes nicht finden läßt, ist eine Umorientierung geboten. Wie in den USA sollte die Nutzungsüberlassung als ein Aspekt der materiellen Unterkapitalisierung begriffen werden. Damit haben die Gerichte die Befugnis, qua Haftungsdurchgriff auf den Substanzwert der Wirtschaftsgüter zuzugreifen.
Anhang: Fragebogen Name: Zitat: Court of Appeals: District C: ES entscheidungserheblich: Public C: Close C:
Jahr: Bankruptcy C: ES bejaht: Partn.:
Anwendung Mobile Steelel 3 Prong Test: I. Inequitable conduct: 1. Alleinige Nennung eines Faktors: Welcher: 2. Fraud/Illegaticy/Misconduct: a) Fraud: Misrepresantation of D. Fin. Cond.: Anderer Grund: b) IIIegaticy: Grund: c) Breach of Fiduciary Duties: Towards Corporation: Towards other Creditors: Anderer Grund: 3. U ndercapitalization: Repayment from Ratio Debt stock: uncertain Profits: Subsequent History , Independent Sources of Credit: Borrowing/Earnings: Formal Documentation: Andere: 4. Alter Ego/Misrepresentation: Grund: 5. No fault Subordination: Grund: 11. Conduct results in injury:
m.
Subjektive Zurechnung Stockholder: Officer: Corporations: Lender Control:
Director:Relatives: Andere:
IV. Defenses to ES: V. Nutzungsüberlassung:
Bem.:
VI. Sicherheiten:
Bem.:
Verzeichnis der zitierten amerikanischen Entscheidungen 1661 Corp. v. Tornlinson, 247 f.Supp. 936, 937 (M.D. Fla. 1965). A.F. Walker& Son, Inc., 46 B.R. 186,189 (D.N.H. 1985). Anderson v. Abbott, 321 V.S. 349, 362 (1944). Amold v. Phillips, 117 f.2d 497,501 (5th Cir.), cert. denied, 313 V.S. 583 (1941). Austin Village, Inc. v. V.S., 432 f.2d 741,745 (6th Cir. 1970). Austin Village, Inc. v. Vnited States, 296 f. Supp. 382, 389 (N.D. Ohio 1968), rev'd, 432 f.2d 241 (6th Cir. 1970). Autornoritz DeI Golfo Oe California, S.A. Oe. C.V. v. Resnick, 306 P2d 1,4,(Ca\.1957). Baird Word Printing v. Great Recipes Pub. Assoc., 811 f.2d 305,308 (6th Cir. 1987). Baker Cornrnodities, Inc., 48 T.C. 374 (1967). Bartle v. Horne Owners Coop.,Inc., 309 N.Y. 103,127 N.E.2ed 832, 833(1955). Bauer v. Cornrn'r, 748 f.2d 1365 (9th Cir. 1984). Beaver Pipe Tools Inc. v. Carey, 139 f. Supp. 470 (N.D. Ohio 1955), affd 240 f.2d 843 (6th Cir. 1957). Berkey v. Third Ave. Railway.Co., 244 N.Y. 84,155 N.E. 58 (1926). Boerner v. Colwell Co., 21 Cal. 3d 37. Box v. Northrup Corp., 459 f.Supp. 540, 547 (I11. App. 1980). Braddy v. Randolph, 352 f.2d 80 (4th Cir. 1965). Brown v. Freedrnan, 125 f.2d 151 (Ist Cir. 1942). Bush v. Taylor, 912 f.2d 989 (8th Cir. 1990). Butner v. Vnited States 440 V.S. 48, 55 (1979). Byerlite Corp. v. Williarns, 286 f.2d 285, 290 (6th Cir. 1960). C.M. Gooch Lurnber Sales Co. 49 T.C. 649,659 (1968).
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Clarke v. Rogers, 228 U.S. 534, 548 (1913). Co-op v. Olson, 419 N.W.2d 211,216 (Wiss. 1988). Columbia Gas & Elec. Corp. v. V.S., 151 f.2d 461,470 (6th Cir. 945). Comstock v. Group of Institutional Investors, 335 V.S. 211 (1948). Costello v. Fazio, 256 f.2d 903, 909 (9th Cir. 1958). Covey Inv. co. v. U.S., 377 f.2d 403, 404 (10th Cir. 1967). Custom Fuel Services, Inc. v. Lomnas Indus., Inc., 805 f.2d 561 (5th Cir. 1986). DeWitt Truck Brokers v. W. Ray Fleming Fruit Co., 540 f.2d 681, 685 (4th Cirl9itj). Diasonics Corp., v. Ingalls, 121 B.R. 626, 631 (Bankr.N.D.Fla. 1990). Dillin v. V.S., 433 f.2d 1097, 1101 (5th Cir. 1970). Estate of Mixon v. U.S., 464 f.2d 394, 402 (5th Cir. 1977). Farley Realty Corp. v. Commissioner, 279 f.2d 701,705 (2d Cir. 1960). Fin Hay Realty Co. v. Vnited States, 398 f.2d 694, 697 (3d Cir. 1968). Foltz v. V.S: News & World report, Inc., 663 f.Supp. 1494, 1527 (D.D.C. 1987). Frank Lyon Co. v. U.S., 435 V.S. 561,572 ff(1978). Gannet Co. v. Larry, 221 f.2d 269 (2d Cir. 1957). Gilbert v. Commissioner 248 f.2d 399, 403 (2d Cir. 1957). Goldie v. Cox, 130 f.2d 695 (8th Cir. 1942). Gooding Amusement v. Comm'r, 23 T.C. 408,418 (1954). Gottesmann v. General Motors Corp., 279 f. Supp. 361, 368 (S.D.N.Y. 1967). Grady v. A.H. Robins Co., 839 f.2d 198 (4th Cir.1988) Gregory v. Helvering, 293 V.S. 465, 469 f (1935). Guth v. Luft, Inc., 5 A.2d 503, 510 (DeI. 1939). Harrelson v. Soles, 380 S.E. 2d 528, 531 (N.C. App.1989). In re 604 Columbus Ave. Realty Trust, 119 B.R. 350,377 (Bankr.D.Mass. 1990) affd 968 f.2d 1332, 1365 (Ist Cir. 1992). In re A.F. Walker & Sons, Inc., 46 B.R. 186, 189 (Bankr.D.N.Hempshire 1985).
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In re A.H. Robins Co., 89 B.R. 555, 563 (Bankr.E.D.Va. 1988). In re Airlift Intern. Inc., 120 B.R. 597, 601 (D.C.S.D:Fla. 1990). In re All Products Co., 32 B.R. 811 (Bankr.E.D.Mich. 1983). In re Allegheny International, Inc. 100 B.R. 257, 251 ff (Bankr. W.D.Pa. 1989). In re American Fuel & Power Co., 122 f.2d 223 (6th Cir. 1941). In re American Lumber Co., 7 B.R. 519 ( Bankr. D. Minn. 1979). In re Badger Freightways, Inc. 106 B.R. 971 (Bankr.N.D.I11 1989). In re Baker & Getty Financial Servs. Inc., 974 f.2d 712, 719 (6th Cir. 1992). In re Bellanca Aircraft Corp., 850 f.2d 1275, 1282 (8th Cir. 1988). In re Belluci, 29 B.R. 814, 815 (Bankr. 1st Cir. 1983). In re Beverages International LTD., 50 B.R. 273,281 ff (Bankr.D. Mass. 1985). In re Branding Iron Steak House, 536 f.2d 299 (9th Cir.1976). In re Brunner Air Compressor Corp., 287 f.Supp. 256 (N.D.N.Y. 1968). In re Burden, 917 f.2d 115, 120 (3d Cir. 1990). In re Burner, 109 B.R. 216, 228 (Bankr. W.D. Tex. 1989). In re Carolee's Combine, Inc., 3 B.R. 324 (Bankr. N.D. Ga. 1980). In re Channel One Communications, Inc., 125 B.R. 234, 235 (Bankr.E.D.Miss. 1991). In re Chateaugay, 112 BR 513(S.D.N.Y. 1990),judgement affd, 944 f.2d 997 (2d Cir. 1991) In re Clark Pipe & Supply Co., Inc., 893 f.2d 693, 699 ff (5th Cir. 1990). In re Colin, 44 B.R. 806 (Bankr.S.D.N.Y. 1984). In re Dakota Country Store Foods, Inc. v. Red Owl Stores, Inc., 107 B.R 977, 993 (Bankr.D.South Dakota 1989). In re Dan-Ver Enterprises, Inc., 86 B.R. 443, 450 (Bankr. W.D.Pa. 1988) In re Daugherty Coal Co., 144 B.R. 320 (Bankr. N.D:W:Va. 1992). In re Diazo Service Company, Inc., 144 B.R. 771, 777 (Bankr.M.D.Tenn. 1992). In re Divine, 127 B.R. 625,632 (Bankr.D.Minn. 1991).
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In re Dry Wall Supply, Inc., 111 B.R. 933, 938 (D.Colo. 1990). In re Fabricators, Inc. 109 B.R. 186, 194 (Bankr.S.D.Miss. 1987), affd, 126 B.R. 239 (S.D.Miss 1989), affd, 926 f.2d 1458 (5th Cir.1991). In re Feet Roofing & Sheet Metal Co., 438 fSupp. 726 (E.D. Va. 1977), affd, 605 F.2d 1201 (4th Cir. 1979). In re First Truck Lines, Inc., 141 B.R. 621, 626 (Bankr.S.D. Ohio 1992). In re Formaggio Manufacturing, Inc., 23 B.R: 688 (Bankr.D.R.1. 1982). In re Freytag, 155 B.R. 150, 155 f(Bankr.D.Texas 1993). In re Future Energy Corp., 83 B.R. 470,483 (Bankr. S.D. Ohio 1988). In re Giorgio, 862 f2d 933, 939 (1 st Cir. 1988). In re Harvest Milling Co., 221 f Supp. 836, 838 (D.Or. 1963). In re Heartland Chemicals Inc., 136 B.R. 503 (1992). In re Herby's Foods, 134 B.R. 207, 211 (Bankr.N.D. Tex. 1991) affd Matter of Herby's Foods, Inc., 2 f3d 128 (5th Cir. 1993). In re Hyperion Enterprises, Inc., 158 B.R. 555 (D.C.D.Rhode Island 1993): In re Import & Mini Car Parts, LTD, 136 B.R. 178, 181 (Bankr.N.D.ln. 1991). In re Just for the Fun of it of Tennessee, 7 B.R. 166, 180 (Bankr.E.D.Tenn. 1980). In re Kansas City Journal Post Co., 144 f.2d 791,800 (8th Cir. 1944). In re Krivo Industrial Supply Co. v. National Distillers & Chemical Corp., 483 f2d 1098, 11 05 (5th Cir. 1973). In re Labelle Industries, Inc. 44 B.R. 760 (Bankr.D.R.1. 1984). In re Landbank Equity Corporation, 973 f.2d 265, 271 (4th Cir. 1992). In re Loewer's Gambrinus Brewery Co., 167 f.2d 318 (2d Cir. 1948). In re Logue Mechanical Contracting Corp., 106 B.R. 436, 438 (Bankr.W.D.Pa. 1989). In re Logue Mechanical Contracting Corp., 93 B.R..925 (Bankr.W.D.Tex. 1988). In re Loop Hosp. Partnership, 50 B.R. 565, 569 (Bankr.N.D.III. 1985). In re Ludwig Honold Mfg Co., Inc., 46 B.R. 125, 129 (Bankr. E.D. Pa. 1985). In re M. Paolella & Sons, Inc. 161 B.R. 107, 120 (D.C.E.D.Penn. 1993).
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In re Madelaine, Inc, 164 f.2d 419 (2d Cir. 1947). In re Mako, Inc., 135 B.R. 902, 903 (D.C.Okl. 1991). In re Manchester Lakes Ass., 117 B.R. 221, 225 (Bankr.E.D.Va. 1990). In re Manley Raney, 132 B.R. 63, 66 (Bankr. D. Wy.1991). In re Martin Specialty Vehicies, Inc. 87 B.R. 752, 767 (Bankr.D.Mass. 1988). In re Matter of Depew, 115 Bankr.R. 965,969 (Bkrtcy.N.D.lnd.1989). In re McFarlin's, Inc., 49 B.R. 550, 556 (Bankr.W.D.N.Y.1985). In re McFarlin's, Inc., 49 B.R. 507, 523 (Bankr.M.D.Miss. 1986). In re Mercer Trucking Co., 16 B.R. 176 (Bankr. N.D. Tex. 1981). In re Mid-Town Produce Terminal, Inc., 599 f.2d 389, 392 (10th Cir.1979). In re Minnesota Kicks, Inc. 48 B.R. 93, \07 (Bankr. D. Minn. 1985). In re Missionary Baptist Foundation, 712 f.2d 206, 211 f (5th Cir. 1983). In re Mobile Steel, 563 f.2d 692 (5th Cir.1977). In re Multiponics, 622 f.2d 709 (5th Cir. 1980). In re N & D Properties, Inc. 799 f.2d 726 (11th Cir. 1986). In re N&D Properties, 54 B.R. 590, 600 (D.C. N.D. Ga. 1985). In re Octagon Roofing, 141 B.R. 968, 984 (Bankr.N.D.Il1inois 1992). In re Omni Graphics, Inc. 119 B.R. 641, 644 (Bankr.E.D.Wis. 1990). In re Osbome, 43 B.R. 988, 996 (Bankr.W.D. Wis. 1984). In re Otis & Edwards, 115 B.R. 900, 921 (Bankr.E.D.Mich. 1990). In re Pacific Express Inc., 69 B.R. 112, 115 (9th Cir. 1986). In re Pacific Express, Inc., 55 B.R. 913, 919 (Bankr. E.D.Cal. 1985). In re Pat Freeman 42 B.R. 224 (Bankr. SD Ohio 1984). In re Pinetree Partners, Ltd., 87 B.R.481 (Bankr.E.D.Tenn. 1988) aff'd 876 f.2d 103. In re Prima Co., 98 F2d 952, 965 (7th Cir. 1938). In re Purco, Inc., 76 B.R. 523, 531 (Bankr. W.D. Pa. 1987).
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In re Rego Crescent Corp., 23 B. R. 958, 965 ( Bankr. E.D.N.Y. 1982). In re Scallyways, Inc., 84 B.R. 303 (Bankr.D.C.Mass. 1988). In re Schultz Broadway Inn, 912 f.2d 230, 232 (8th Cir. 1990). In re Sepco, Inc., 36 BR 279, 287 (Bankr. D.S.D. 1984), aff'd 750 f.2d 51 (8th Cir. 1988). In re Shelter Enterprises, Inc. 98 B.R. 224, 232 (Bankr. W.D. Pa. 1989). In re Sleepy Valley, Inc., 93 B.R. 925 (Bankr.W.D.1988). In re Slefco, 107 B.R. 628, 643 (Bankr.E.D.Arkan. 1989). In re Sterling Homex Corp., 579 f.2d 206 (2nd Cir. 1978). In re Sterling House, Inc. 356 f.Supp. 113, 116 (W.D: Va. 1973). In re Swoby Corporation 9 T.C. 887 (1947). In re Tampa Chain Company, Inc., 53 B.R. 772, 779 (Bankr.S.D.n.Y. 1985). In re Te1tronics Servs., Inc. 29 B.R. 139 (Bankr. EDNY 1983). In re the
01 Day Corporation, 126 B.R. 370,412 (Bankr.D.Mass. 1991).
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Tiller, 814 f.2d 931 (4th Cir. 1987).
Alban Tractor Co., 228 Md. 291, 296 f (1962).
V.
Pacific Royalty CO. Pepper
V.
V.
V.
Williams, 227 f2d 49 (10th Cir. 1955), cert.den. 351 U.9J51.
Litton 308 U.S. 295 (1939).
Precision Instrument Mfg. CO. 814 f (1945).
V.
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Schultz Broadway Inn Schwartz
V.
V.
U.S., 912 f2d 230, 231 (8th Cir.1990).
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Seabord Realty, Inc.
V.
District of Columbia, 184 f.2d 269, 270 (D.C.Cir. 1950).
Shapoff V. Scull, 222 Ca!.App.3d 1457 (1990). Slack
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- funktionale Betrachtung 75 ff - Risikokapital 76 ff - materieller Kapitalbegriff 80 ff Equitab1e Subordination 202 ff, 219 ff, 253 ff - Begriff 209 - Bedeutung des Steuerrechts 246 ff - Entwicklung 219 ff - Reformvorschläge 230 ff - sec. 510 (c) Bankruptcy Code 236 equity 214 equity-Rechtsprechung 219 f Finanzierungsfreiheit 62 ff - materieller Kapitalbegriff 80 Finanzierungsverantwortung 62 ff - Begriff 62 - Ausprägung in Gesellschaftsformen 120 ff Finanzierungsverhalten eines ordentlichen Kaufmanns 85 ff Finanzplankredit 108 ff - Anerkennung 109 ff - Begriff 108 - Rechtsfolgen 115 ff - Tatbestand 109 ff Garantiekapital 41 f Gebrauchsüberlassung, siehe Nutzungsüberlassung Gesellschafter, Doppelrolle, siehe Dogmatische Begründung Gesellschafter- Fremdfinanzierung - Motive in Deutschland 69 ff - Motive in USA 250 ff Gese1lschafterdarlehen - Definition 46 - Entwicklung 53 ff - Tatbestand 53, 72 ff, 85 ff
480
Sachwortregister
-
Rechtsfolgen 170 ff, 199 ff ÜberbrückungsdarIehen 117 Konsortialkredite 118 in der Personengesellschaft 170 ff, 175 ff GesellschafterverhaIten, schädigendes - iIIegality 291 - fraud 294 - breach of ficuciary duties 259 Gesplittete Einlage 112 Gläubigergruppen 307 ff, 417 ff - Fähigkeit zum Selbstschutz 420 ff - ökonomische Begründung 309 ff, 417 ff Gläubigerschutz 41 ff, 202 ff - präventiv 41 ff, 202 - repressiv 46 ff, 50 ff, 205 ff, 209 ff GmbH-Novelle 198053 ff GmbH-Vertragskonzern 148 ff Haftungsfonds 42 ff inequitable conduct 253 ff, 262 ff - Begriff 253 - einzelne Beurteilungsmaßstäbe 262 ff independent creditor test 267 Kapitalaufbringung, -erhaltung 41 Kapitalstruktur 105 f, 283 ff - in USA 283 ff - Testmerkmale 283, 287, 289 Kommanditgesellschaft 175 - gesetzestypische 175 - PublikumsKG 180 - und rechtsformübergreifendes Prinzip 170 ff Konkursgerichte 219 Konzern! Konzernrecht 141 ff - Aktienrechtlicher Vertragskonzern 143 ff - GmbH-Vertragskonzern 148 ff - Qualifiziert faktischer Konzern 150 - Einfach faktischer Konzern 152 Kreditunwürdigkeit 91 ff - Begriff 91 - Marktvergleichskonzept 92
- Indizien 102 Lagergrundstückentscheidung 186 lender liability 331 ff - Definition 331 - Fallgruppen 337 ff - Bedeutung für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen 416 f Markt - Marktorientierte Beurteilung eigenkapitalersetzendeIGesellschafterdarlehen 390 ff, 417 ff - Marktkonforme Rechtsfolgen 417 ff Materielles Eigenkapital 80 ff - Begriff 80 - in der Rechtswissenschaft 78 ff mismanagement, siehe Gesellschafterverhalten Mobile Stee1 Test 227, 253 ff - Akzeptanz des Tests 254 f - Testmerkmale 262 ff no fault subordination 312 ff - Definition 312 f - Bedeutung für Gesellschafterdarlehen 313 f Nutzungsüberlassung 186 ff - Definition 186 - Motiv 186 - Nutzungsrecht 192 ff - Nutzungsentgelt 191 - Rechtsfolgen 191 ff - Rechtssprechungsübersicht 186 ff - Tatbestand 191 Ökonomische Analyse des Rechts 31 fI Piercing/Lifting the Veil, siehe Durch griffshaftung Quasi-Eigenkapital 82 - Definition 82 - alsrechtsformübergreifendesPrinzip 170 ff, 426 Rangrücktritt 84
Sachwonregister
recharacterization 238 ff - Abgrenzung zur euitable subordination Doktrin 242 - sec. 502 Bankruptcy Code 240 Rechtsformunabhängigkeit des Eigenkapitalersatzes 426 Rechtstatsächliche Untersuchung in den USA 359 ff - Datenbestand 361 - Gläubigerschutzthese 365 ff - Methodik 362 Rechtsvergleich 378 ff - funktionale Vergleichbarkeit 378 ff - Grundlagen des Eigenkapitalersatzrechts 384 ff - Finanzierungsverantwortung 404 ff - lender liability 410 - Rechtsfolgen 417 ff Risikoabwälzung 62 ff Selbstschutz der Gläubiger 307, 417 ff
31 Gchdc
481
tax-penalties 317 two-prong test 265 Überschuldung 88 Umgehungsverbot 155 ff Uniform Partnership Act 351 f Unterbilanz 90 Unterkapitalisierung 46, 50 - materielle 46 ff . - nominelle 50 ff Vertragsbedingungen 109, 272 ff, 394 - als Abgrenzung Fremd-Eigenkapital 272 ff - Testkriterien 272 ff Vertragsparität 420 ff - gestörte 420 ff - und Kapitalersatzrecht 423 ff - Unterscheidungnach Gläubigergruppen 423 ff Zins, gewinnunabhängiger 279