Arthur T. von Mehren und das internationale Zivilverfahrensrecht im transatlantischen Dialog: Dissertationsschrift 9783161552021, 3161552024

Ein weltweites Übereinkommen auf dem Gebiet des internationalen Zivilverfahrensrechts kann nur Erfolg haben, wenn der tr

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German Pages 417 [443] Year 2017

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Die internationale Zuständigkeit
und Verfahrenskoordination
Urteilsanerkennung
Arbeiten der Haager Konferenz für IPR an einem weltweiten Zuständigkeitsund Vollstreckungsübereinkommen
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
Materialienverzeichnis
Literaturverzeichnis
Register US-amerikanischer Entscheidungen
Sachregister
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Arthur T. von Mehren und das internationale Zivilverfahrensrecht im transatlantischen Dialog: Dissertationsschrift
 9783161552021, 3161552024

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 383 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Ina Vedie

Arthur T. von Mehren und das internationale Zivilverfahrensrecht im transatlantischen Dialog

Mohr Siebeck

Ina Vedie, geboren 1989; Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen; 2014 Erste Juristische Prüfung; Stipendiatin der Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg; Akademische Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Tübingen; 2016 Promotion; seit 2016 Referendariat am Landgericht Frankfurt am Main.

D21 ISBN 978-3-16-155202-1 ISSN  0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ biblio­g raphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de ab­ rufbar. © 2017  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­t ronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2016 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis einschließlich Oktober 2016 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Martin Gebauer. Die ausgezeichnete Betreuung und Anbindung an den Lehrstuhl waren zweifelsohne Grundvoraussetzung für das Gelingen meiner Arbeit. Herrn Prof. Dr. Christoph Thole danke ich für die sehr zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gebührt darüber hinaus Herrn Prof. Peter Murray, Herrn Prof. David Rosenberg, Frau Prof. Lea Brilmayer und Frau Joan von Mehren für interessante und konstruktive Gespräche während meines Forschungsaufenthaltes im März und April 2015 an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts. Für die Unterstützung beim Korrekturlesen bedanke ich mich herzlich bei meiner Mutter Karin Vedie. Frankfurt am Main, im Juni 2017

Ina Vedie

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Personalisierter Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . 1 B. Arthur T. v. Mehrens Leben und Wirken . . . . . . . . . . . . . . . 2 C. Thematische Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 D. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 E. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. Einführung in das US-amerikanische Gerichtsund Zuständigkeitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction . . 28 C. Begründungsmodelle der internationalen Zuständigkeit in den USA, Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . . . . . . 130 D. Actor sequitur forum rei-Prinzip im Zuständigkeitskonzept v. Mehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 E. Verhältnis der internationalen Zuständigkeit zum anwendbaren Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination . . . . . . . . . . 201 A. Fine tuning bei Parallelverfahren im Allgemeinen . . . . . . . . . 201 B. Displacement solution für Torpedoklagen . . . . . . . . . . . . . . 226

Teil 3:  Urteilsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 A. Gegenüberstellung der Voraussetzungen transatlantischer Urteilsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 B. Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . 263

X

Inhaltsübersicht

C. v. Mehrens Vergleich der Anerkennung von sister-state judgments in den USA und der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Teil 4:  Arbeiten der Haager Konferenz für IPR an einem weltweiten Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommen . . . 319 A. Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 B. „Arthur’s Baby“: Verhandlungen in den Jahren 1992–2002 . . . . 326 C. Ideengut v. Mehrens in den Anschlussprojekten . . . . . . . . . . 355

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . 365 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Register US-amerikanischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . 375 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Personalisierter Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . 1 B. Arthur T. v. Mehrens Leben und Wirken . . . . . . . . . . . . . . . 2 C. Thematische Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 D. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 E. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Teil 1: Die internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. Einführung in das US-amerikanische Gerichts- und Zuständigkeitssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Begriff der jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Gerichtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Staaten- und Bundesgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Kodifiziertes Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Case law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 IV. Örtliche Zuständigkeit (venue) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 V. Internationale Zuständigkeit (territorial jurisdiction) . . . . . . . 25 1. Jurisdiction in personam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Jurisdiction in rem und quasi in rem . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Bundesgerichtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 27

XII

Inhaltsverzeichnis

B. Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction . . 28 I. Umstrukturierung des Zuständigkeitsrechts durch v. Mehren und Trautman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Kritik am traditionellen Zuständigkeitskonzept . . . . . . . . 29 2. Fairnessanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) General jurisdiction versus specific jurisdiction . . . . . . 30 b) Limited claims versus unlimited claims . . . . . . . . . . . 31 c) Directly affiliating circumstances versus indirectly affiliating circumstances . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 aa) General jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 (1) Directly affiliating circumstances . . . . . . . . . . 32 (2) Indirectly affiliating circumstances . . . . . . . . . 33 bb) Specific jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 (1) Directly affiliating circumstances . . . . . . . . . . 34 (2) Indirectly affiliating circumstances . . . . . . . . . 34 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Die Entwicklung der general und specific jurisdiction durch den US Supreme Court im Vergleich zum Konzept v. Mehrens (und Trautmans) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Pennoyer v. Neff (1877): traditionelle Gerichtsstände der general jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Die Leitentscheidung Pennoyer v. Neff: power theory und das Gebot des due process . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Kritik v. Mehrens/Trautmans an der Ausdehnung von general jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 c) Erste Formen von specific jurisdiction . . . . . . . . . . . 43 2. International Shoe v. State of Washington (1945): erste Differenzierungen zwischen general und specific jurisdiction . . . . 45 a) Sachverhalt und Hauptaussage . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Neuer Fairnessmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Kategorien der minimum contacts . . . . . . . . . . . . . 47 3. Weiterentwicklung der specific jurisdiction . . . . . . . . . . 49 a) McGee v. International Life (1957): Schutz strukturell unterlegener Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Hanson v. Denckla (1958): neues Kriterium des purposeful availment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) World-Wide Volkswagen v. Woodson (1980): 3-Stufen-Test . 53 d) Burger King v. Rudzewicz (1985): purposeful availment durch Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 e) Asahi v. Superior Court (1987): stream of commerce-Theorie 58

Inhaltsverzeichnis

XIII

f) J. McIntyre Machinery v. Nicastro (2011): Einschränkung des targeting . . . . . . . . . . . . . . . . 60 g) Zwischenergebnis zur specific jurisdiction . . . . . . . . . 64 4. Weiterentwicklung der limited und unlimited general jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Perkins v. Benguet (1952): doing business durch continuous and systematic contacts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Shaffer v. Heitner (1977): Niedergang der limited general jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 c) Helicopteros v. Hall (1984): doing business als general jurisdiction in Abgrenzung zur specific jurisdiction . . . . 69 d) Burnham v. Superior Court of California (1990): Aufrechterhaltung der traditionellen Gerichtsstände der unlimited general jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 e) Goodyear v. Brown (2011): Einschränkung des doing business auf eine at home-Basis . . . . . . . . . . . . . . 73 f) Daimler v. Bauman (2014): Klarstellungen zur at home-Basis 78 g) Zwischenergebnis zur general jurisdiction . . . . . . . . . 80 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 III. Abgrenzung zwischen general und specific jurisdiction sowie alternative Zuständigkeitskonzepte . . . . . . . . . . . . . 81 1. Der Streitgegenstand im US-amerikanischen Recht . . . . . . 83 2. Konkretisierung der relatedness durch die unterinstanzlichen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) But for-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Proximate cause-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Substantive relevance-Test (Brilmayer) . . . . . . . . . . . . . 86 4. Similarity-Test (Twitchell) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 5. Sliding scale (Richman) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 6. Hybrid personal jurisdiction (Simard) . . . . . . . . . . . . . 92 7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 IV. Kategorisierung deutscher und europäischer Gerichtsstände . . . 95 1. v. Mehrens Vergleichsbildung und die category-specific jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. General jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Allgemeiner Umfang im Vergleich . . . . . . . . . . . . . 98 b) Qualifikation einzelner Gerichtsstände . . . . . . . . . . . 100 aa) Vermögensgerichtsstand, §  23 ZPO . . . . . . . . . . . 100 (1) Exkurs: Normzweck im Spiegel der Auslegung v. Mehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

XIV

Inhaltsverzeichnis

(2) Eingrenzung des Vermögensbegriffs (Literatur): unlimited und limited general jurisdiction . . . . . . 105 (3) Inlandsbezug (BGH): specific und general contacts . 107 bb) Besondere Gerichtsstände des europäischen Rechts . . 111 (1) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (2) Niederlassungsgerichtsstand, Art.  7 Nr.  5 EuGVO . . 112 c) Zwischenergebnis und Entwicklungstendenz . . . . . . . . 115 3. Specific jurisdiction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Allgemeiner Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Gegenüberstellung der US-amerikanischen Lösung im Fall J. McIntyre Machinery, Ltd. v. Nicastro mit der europäischen Lösung nach Art.  7 Nr.  2 EuGVO . . . . . . . . . . . . . . 117 c) Streitgegenstandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 d) Schutz der strukturell unterlegenen Vertragspartei . . . . . 121 e) Zwischenergebnis und differenzierte Vergleichsgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4. Paradigmatische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Leitbild 1: Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit versus Leitbild 2: Einzelfallgerechtigkeit . . . . . . . . . . 124 b) Paradigmatische Betrachtung der specific jurisdiction/ besondere Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Paradigmatische Betrachtung der general jurisdiction/ allgemeiner Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 d) Erkenntnis aus der unterschiedlichen Umsetzung von Leitbildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 V. Abschließende Bewertung des postulierten Zuständigkeitskonzeptes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

C. Begründungsmodelle der internationalen Zuständigkeit in den USA, Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Aus der Staatsphilosophie deduzierte Zuständigkeitstheorien v. Mehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Relational und power theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Relational theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Power theory und Unterfall der instrumental theory . . . . 132 c) Übertragung von relational theory und power theory auf die adjudicatory authority . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Einführung der fairness theory . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Aktualität der Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Inhaltsverzeichnis

XV

II. Territoriales Modell der internationalen Zuständigkeit . . . . . . 137 1. Widerstreit von power und fairness theory in den USA . . . . 137 a) Ursprünge der power theory . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Erste Einflüsse der fairness theory . . . . . . . . . . . . . 138 c) Political theories als Ausprägung der modernen power theory . 140 d) Deutung der weiteren Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 142 2. Territorialer und völkerrechtlicher Einfluss in Europa und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Territorialitätsprinzip des Völkerrechts ohne Rückwirkung auf die Zuständigkeitsordnung . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Völkerrechtliche Schranken: Diskussion um einen genuine link/Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 aa) Ursprung des genuine link und mögliche zuständigkeitsrechtliche Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Gegenargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Fazit: Notwendigkeit territorialer Bezugspunkte trotz Ablehnung völkerrechtlicher Erwägungen . . . . . . . . . 149 III. Freiheitliches Modell der internationalen Zuständigkeit . . . . . . 151 1. Verfassungsrechtlicher Justizgewährungsanspruch des Klägers 151 2. Recht des Beklagten auf ein faires Verfahren . . . . . . . . . 152 3. Europäische Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4. Fazit: freiheitliches Modell mit verfassungsrechtlicher Prägung 154 IV. Abschließende Betrachtung der vorgebrachten Universalität der Zuständigkeitstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

D.  Actor sequitur forum rei-Prinzip im Zuständigkeitskonzept v. Mehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 I. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Kohärenz mit Zuständigkeitstheorien in den USA . . . . . . . 159 2. Beklagtengerichtsstand als (formaler) Ausgangspunkt von EuGVO und ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Berechtigung des Beklagtenschutzes: Argumente pro und contra . 167 1. Materiellrechtliche Vorstellungen aufgrund der Rollenverteilung . 167 2. Vorhersehbarkeit, insbesondere im US-amerikanischen Zuständigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Schutz strukturell unterlegener Parteien . . . . . . . . . . . . 169 4. Prozessrechtliche Erwägungen und Schutz inländischer Kläger 170 III. Folgen der Versagung eines allgemeinen Gerichtsstands am Beklagtenwohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Klägerinteresse an einem allgemeinen Gerichtsstand . . . . . 172 2. Reduzierung von forum shopping . . . . . . . . . . . . . . . 173

XVI

Inhaltsverzeichnis

a) Herstellung der prozessualen Waffengleichheit nach v. Mehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Beurteilung und sinnvolle Ansatzpunkte . . . . . . . . . . 175 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

E. Verhältnis der internationalen Zuständigkeit zum anwendbaren Recht . 178 I. Trennungsgrundsatz und Gleichlauferwägungen in der US-amerikanischen Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . 179 1. Rechtsprechung des US Supreme Court . . . . . . . . . . . . 179 2. Gleichlauferwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Ansätze eines forum legis . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Lex fori-Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 c) Gegenargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 II. IPR-Theorie der functional analysis (v. Mehren/Trautman) . . . . 184 1. Ermittlung der betroffenen Rechtsordnungen (concerned jurisdictions) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Bildung einer Normwahlnorm (regulating rule) . . . . . . . . 186 3. Auflösung von true conflicts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 4. Abschließende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Relevanz eines forum legis bei v. Mehrens Fairnessanalyse . . . . 190 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Scheidungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Weitere Fallgruppen einer „Störung im IPR-Prozess“ . . . 195 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 IV. Argumente für eine (ausnahmslose) Trennung von forum und ius aus deutscher und europäischer Sicht . . . . . . . . . . . 199 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Teil 2: Fine tuning und Verfahrenskoordination . . . . . . . . . . 201 A. Fine tuning bei Parallelverfahren im Allgemeinen . . . . . . . . . 201 I. Sinn und Zweck eines fine tuning . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Reduzierung von forum shopping . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Verfahrenskoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 II. Instrumente des fine tuning, insb. forum non conveniens-Doktrin und lis pendens-Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Forum non conveniens-Doktrin im common law versus lis pendens-Lehre im civil law . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Forum non conveniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Lis pendens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Inhaltsverzeichnis

XVII

2. Ideal v. Mehrens: weltweite moderate Anwendung der forum non conveniens-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Argumente v. Mehrens und ihre Bewertung . . . . . . . . 213 aa) Verhinderung eines race to the courthouse versus race to the judgment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 bb) Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit versus Einzelfallgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 cc) Gebot des gesetzlichen Richters und Rechtsschutzgarantie im civil law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Ergebnis und möglicher Anwendungsbereich . . . . . . . . 221 aa) Internationales Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . 221 bb) Anwendungsbereich der EuGVO . . . . . . . . . . . . 224

B. Displacement solution für Torpedoklagen . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Lösungsvorschlag v. Mehrens: displacement solution . . . . . . . 229 1. Ausgangspunkt beim natural defendant . . . . . . . . . . . . 229 2. Ersetzungslösung der Feststellungsklage durch nachfolgende Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Kritik an der Gleichstellung beider Klagearten . . . . . . . 231 b) Vorbild der deutschen Lösung zum Entfallen des Feststellungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3. Wissenschaftliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 4. Bewertung des Vorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Positive Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 aa) Prozessuale Waffengleichheit . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 III. Alternative Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. Widerklage vor dem Erstgericht . . . . . . . . . . . . . . . . 241 2. Einstweilige Maßnahmen vor dem Zweitgericht . . . . . . . . 242 3. Fortführung des Zweitverfahrens aufgrund Missbrauchsverbots bzw. Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 4. Befristete Priorität der Erstklage . . . . . . . . . . . . . . . . 245 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

Teil 3: Urteilsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 A. Gegenüberstellung der Voraussetzungen transatlantischer Urteilsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 I. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Wirkungen eines inländischen Urteils . . . . . . . . . . . . . 250

XVIII

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2. Anerkennung im zwischenstaatlichen Verkehr . . . . . . . . . 251 a) Full faith and credit-Gebot . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act . . . . . . 254 3. Anerkennung eines ausländischen Urteils . . . . . . . . . . . 254 a) Einzelstaatliches common law . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Uniform Foreign(/Foreign Country) Money-Judgments Recognition Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 II. Deutschland und EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Anerkennung im Binnenverkehr der EU nach der EuGVO . . . 259 2. Anerkennung im Außenrechtsverkehr mit den USA nach §  328 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

B. Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . 263 I. Zweck der Zuständigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Verwirklichung allgemeiner Interessen der Anerkennung . . . 263 a) Konflikt zwischen correctness und repose unter Vergleich eines ausländischen zu einem innerstaatlichen Urteil . . . . 264 b) Notwendigkeit einer Zuständigkeitsprüfung bei liberaler Anerkennungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Notwendigkeit der Überprüfung kraft Natur der direkten Zuständigkeitstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Relational theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Power theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 c) Fairness/contemporary theory . . . . . . . . . . . . . . . 272 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 II. Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. Derivat aus der Entscheidungszuständigkeit (derivative theory) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Allgemeine Differenzierungsmöglichkeiten . . . . . . . . 275 b) Unilateral theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 c) Bilateral theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 d) Exkurs: bilateral theory und due process in den USA . . . 279 2. Autonome Beurteilungsregelung (non-derivative theory) . . . . 280 3. Bewertung der Regelungstechniken: Spiegelbildprinzip versus Generalklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 III. Bindung an Feststellungen des Erstgerichts . . . . . . . . . . . . 288 1. Bedeutung innerhalb der einzelnen Regelungstechniken . . . . 288 2. Grundsatz der Nachprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. Ausnahmsweise Präklusion durch ein Verhandeln des Beklagten im Erstprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

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XIX

C.  v. Mehrens Vergleich der Anerkennung von sister-state judgments in den USA und der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 I. Charakterisierung von sister-state judgments . . . . . . . . . . . 294 1. Definition nach v. Mehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 2. US-amerikanische Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 3. Europäische Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 II. Vergleich des Anerkennungsrechts in beiden Systemen . . . . . . 300 1. Grundstruktur der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . 300 2. Anerkennungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 a) Allgemeiner Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 aa) Révision au fond und ordre public . . . . . . . . . . . 302 bb) Entgegenstehende Entscheidungen . . . . . . . . . . . 303 cc) Zuständigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 b) Anerkennungszuständigkeit und Drittstaatenproblematik . 306 aa) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 bb) Kritik v. Mehrens und deren Bewertung . . . . . . . . 307 cc) Mögliche Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . 314 III. Ergebnis des Anerkennungsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . 316

Teil 4: Arbeiten der Haager Konferenz für IPR an einem weltweiten Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 A. Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 I. Die Haager Konferenz für IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 II. Projektverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 1. Anstrengungen der Haager Konferenz seit dem Jahr 1992 . . . 321 2. Interessenlage der beteiligten Staaten . . . . . . . . . . . . . 324

B.  „Arthur’s Baby“: Verhandlungen in den Jahren 1992–2002 . . . . 326 I. v. Mehrens Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 1. Einleitung des Projektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 2. Struktur einer convention mixte . . . . . . . . . . . . . . . . 329 a) Probleme der herkömmlichen convention simple und convention double . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 b) Einführung einer convention mixte und erste eigene Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 3. Herausbildung der neuen Regelungsstruktur im Spiegel früherer Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

XX

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II. Resonanz des convention mixte-Vorschlages . . . . . . . . . . . 335 1. Haager Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 a) Arbeitsphase bis zum Entwurf von 1999 . . . . . . . . . . 335 b) Interim Text von 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 2. US-amerikanische und europäische Literatur . . . . . . . . . 343 3. Reaktion v. Mehrens: Verfeinerung der convention mixte . . . 345 III. Effektivität einer convention mixte: Korrelation zwischen Struktur und Einzelproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 1. Kompromisslösung mittels grauer Liste: doing business . . . . 347 2. Kompromisslösung innerhalb der weißen Liste: vertragliche und deliktische Ansprüche . . . . . . . . . . . . 350 IV. Abschließende Bewertung des Beitrags v. Mehrens . . . . . . . . 354

C. Ideengut v. Mehrens in den Anschlussprojekten . . . . . . . . . . . 355 I. Gerichtsstandsübereinkommen (2005) . . . . . . . . . . . . . . . 356 II. Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen (Wiederaufnahme 2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . 365 Teil 1: Die internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Teil 2: Fine tuning und Verfahrenskoordination . . . . . . . . . . . . 369 Teil 3: Urteilsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Teil 4: Arbeiten der Haager Konferenz für IPR an einem weltweiten Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommen . . . . . . 373

Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 American Law Institute (ALI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Europäische Kommission: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Haager Konferenz für Internationales Privatrecht (HCCH) . . . . . . 379 International Law Association . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Rat der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Uniform Law Commission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 US Courts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 US Department of State . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 A. Schriften von Arthur T. von Mehren . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 B. Weiteres Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384

Register US-amerikanischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . 375 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413

Abkürzungsverzeichnis 2d Cir. Second Circuit 3rd Cir. Third Circuit 5th Cir. Fifth Circuit 6th Cir. Sixth Circuit 7th Cir. Seventh Circuit 9th Cir. Ninth Circuit 11th Cir. Eleventh Circuit A.2d Atlantic Reporter a. A. anderer Ansicht A.C. The Law Reports, Appeal Cases (Großbritannien) A.D. 2d New York’s Appellate Division Reports ABl.  (EG) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ABl.  (EU) Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung Alb. L. Rev. Albany Law Review ALI American Law Institute Am. J. Comp. L. American Journal of Comparative Law amerik. amerikanisch Ariz. Arizona Reports Ariz. J. Int’l & Comp. L. Arizona Journal of International and Comparative Law Art. Artikel B. C. L. Rev. Boston College Law Review B. U. L.m Rev. Boston University Law Review Berkeley J. Int’l L. Berkeley Journal of International Law BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Brook. J. Int’l L. Brooklyn Journal of International Law Brook. L. Rev. Brooklyn Law Review bspw. beispielsweise BVerfG Bundesverfassungsgericht bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise Cal. L. Rev. California Law Review Cal.2d California Reporter

XXII

Abkürzungsverzeichnis

Cal.Civ.Proc.Code California Code of Civil Procedure Case W. Res. L. Rev. Case Western Reserve Law Review Cass. civ. Cour de cassation civile ch. Chapter Colum. J. Transnat’l L. Columbia Journal of Transnational Law Colum. L. Rev. Columbia Law Review Cornell Int’l L.J. Cornell International Law Journal Cornell L. Rev. Cornell Law Review Cornell L.Q. Cornell Law Quarterly Creighton L. Rev. Creighton Law Review D.C. District of Columbia Court of Appeals D.C. Cir. District of Columbia Circuit d. h. das heißt DAJV-NL Zeitschrift der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung e.V. DCFR Draft Common Frame of Reference ders./dies. derselbe/dieselbe dt. deutsch Duke L.J. Duke Law Journal E.D. Ark. District Court for the Eastern District of Arkansas E.D. Pa. District Court for the Eastern District of Pennsylvania EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGV EG-Vertrag Emory L.J. Emory Law Journal EMRK Europäische Menschenrechtskonvention endg. endgültig etc. et cetera EU Europäische Union EuEheVO Verordnung (EG) Nr.  2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.  1347/2000 EuErbVO Verordnung (EU) Nr.  650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses EuGH Europäischer Gerichtshof EuGVO Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

Abkürzungsverzeichnis EuGVÜ

XXIII

Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968 Europ. Leg. Forum European Legal Forum EUV Vertrag über die Europäische Union EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft F; F.2d; F.3d Federal Reporter f.; ff. folgende F.Supp.; F.Supp.2d Federal Supplement Fla. L. Rev. Florida Law Review Fn. Fußnote FRCP Federal Rules of Civil Procedure frz. französisch FS Festschrift Geo. Wash. L. Rev. George Washington Law Review GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union (bis Oktober 2010: Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht) GrC Charta der Grundrechte der Europäischen Union griech. griechisch GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz h.M. herrschende Meinung HCCH Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Harv. L. Rev. Harvard Law Review HAÜ Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 01.02.1971 HBÜ Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 18.03.1970 Hdb. Handbuch HGÜ Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.06.2005 Hofstra L. Rev. Hofstra Law Review Hrsg. Herausgeber HS. Halbsatz HZVÜ-E Entwurf eines Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit und Vollstreckung von Urteilen vom Entwurf vom 30.10.1999 i.E. im Ergebnis i. S. d. im Sinne des/der i. V. m. in Verbindung mit ICJ Reports International Court of Justice Annual Reports IGH Internationaler Gerichtshof ILA International Law Association Ill. Illinois Supreme Court Ill. App.3d Illinois Appellate Court Reports Ill. Dec. West’s Illinois Decisions

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

Ill.; Ill.2d Illinois Reporter Ill.Rev.Stat. Illinois Revised Statutes Int’l & Comp. L. Q. International and Comparative Law Quarterly Int’l Encycl. Comp. L. International Encyclopedia of Comparative Law Int’l. L. International Lawyer Iowa L. Rev. Iowa Law Review IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRG Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (Schweiz) IZPR Internationales Zivilprozessrecht IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht J. Legal Educ. Journal of Legal Education J. Priv. Int’l L. Journal of Private International Law J.L. & Com. Journal of Law and Commerce JbItalR Jahrbuch für italienisches Recht JbJZW Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler JN Jurisdiktionsnorm (Österreich) JZ Juristenzeitung K.C.L.J. The King’s College Law Journal L.Ed.; L.Ed.2d United States Supreme Court Reports, Lawyer‘s Edition La. L. Rev. Louisiana Law Review Law & Contemp. Probs. Law and Contemporary Problems LG Landgericht Lit. Literatur lit. littera (Buchstabe) Loy. L.A. L. Rev. Loyola of Los Angeles Law Review LugÜ Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen m. w. N. mit weiteren Nachweisen Mass. Massachusetts Reports Md. Maryland Reports; Maryland Supreme Court Mich. L. Rev. Michigan Law Review Misc.2d Miscellaneous Reports Miss. Mississippi Supreme Court MüKo Münchener Kommentar N.C.J. Int’l L. & Com. Reg. North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation N.D. Iowa District Court for the Northern District of Iowa N.E.2d North Eastern Reporter N.Y.; N.Y.2d New York Reports N.Y.C.P.L.R. New York’s Civil Practice Law and Rules N.Y.S.; N.Y.S.2d West’s New York Supplement N.Y.U. L. Rev. New York University Law Review New Eng. J. Int’l & Comp. L. New England Journal of International and Comparative Law n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift

Abkürzungsverzeichnis

XXV

No number Nw. J. Int’l L. & Bus. Northwestern Journal of International Law & Business Nw. U. L. Rev. Northwestern University Law Review Ohio St. L.J. Ohio State Law Journal Okla. L. Rev. Oklahoma Law Review OLG Oberlandesgericht Or. Oregon Supreme Court; Oregon Reports öst. österreichisch P; P.2d Pacific Reporter Pa.Cmwlth. Ct. Pennsylvania Commonwealth Court Pa.Cons.Stat. Pennsylvania Consolidated Statutes PCIJ Ser. Permanent Court of International Justice Decisions Pepp. L. Rev. Pepperdine Law Review PHi Haftpflicht international, Recht und Versicherung Pitt. J. Tech. L. & Poly. Pittsburgh Journal of Technology, Law & Policy Prel. Doc. Preliminary Document Quinnipiac L. Rev. Quinnipiac Law Review RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rec. des Cours Recueil des Cours Rev. crit. Revue critique de droit international privé Rev. Litig. Review of Litigation RG Reichsgericht RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer Rom I-VO Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) Rom III-VO Verordnung (EU) Nr.  1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung Rutgers L.J. Rutgers Law Journal S. Seite S.C. L. Rev. South Carolina Law Review S.Ct. Supreme Court (Reporter) S.D.N.Y. District Court for the Southern District of New York S.O.2d Southern Reporter S.W.3d South Western Reporter San Diego L. Rev. San Diego Law Review Seton Hall L. Rev. Seton Hall Law Review Slg. Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz sog. sogenannt Stan. J. Complex Litig. Stanford Journal of Complex Litigation

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

StIGH Ständiger Internationaler Gerichtshofs Sup. Ct. Rev. Supreme Court Review Tex. App. Texas Court of Appeals Tex. Int’l L. J. Texas International Law Journal Tex. L. Rev. Texas Law Review Transnat’l L. & Contemp. Transnational Law & Contemporary Problems  Probs. Tul. L. Rev. Tulane Law Review U. Chi. L. Rev. University of Chicago Law Review U. Chi. Legal F. University of Chicago Legal Forum U. Colo. L. Rev. University of Colorado Law Review U. Fla. L. Rev. University of Florida Law Review U. Ill. L. Rev. University of Illinois Law Review U. Kan. L. Rev. University of Kansas Law Review U. Pa. L. Rev. University of Pennsylvania Law Review U. Pitt. L. Rev. University of Pittsburgh Law Review u. a. unter anderem U.C. Davis L. Rev. U.C. Davis Law Review US Vereinigte Staaten; United States Reports UFCMJRA Uniform Foreign-Country Money Judgments Recognition Act UFMJRA Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act Unterabs. Unterabsatz USA Vereinigte Staaten von Amerika USC United States Code v. von; versus Va. J. Int’l L. Virginia Journal of International Law Vand. L. Rev. En Banc Vanderbilt Law Review En Banc vgl. vergleiche Wake Forest L. Rev. Wake Forest Law Review Wash. & Lee L. Rev. Washington and Lee Law Review Willamette L. Rev. Willamette Law Review WL Westlaw Identifier Wm. & Mary L. Rev. William and Mary Law Review Yale L.J. Yale Law Journal YbPIL Yearbook of Private International Law z.B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZfRV Zeitschrift für Rechtsvergleichung zit. zitiert ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZZP Zeitschrift für Zivilprozess ZZPInt Zeitschrift für Zivilprozeß International

Einleitung A.  Personalisierter Untersuchungsgegenstand Die transatlantische Prozessrechtsvergleichung erfährt in der rechtswissenschaftlichen Literatur seit dem sogenannten Justizkonflikt, welcher in den 1980er Jahren zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa entbrannt ist, zunehmende Beliebtheit. Anlass zur Diskussion geben aus deutscher und europäischer Sicht insbesondere die US-amerikanischen Regelungen zu den Entscheidungszuständigkeiten, zur Klagezustellung, Schadensberechnung (punitive damages) und Beweisermittlung (discovery-Regelungen, die zum Vorbehalt in Art.  23 HBÜ führten), zu Sammelklagen (class actions) und zur Kostenverteilung (American rule of costs).1 Aus US-amerikanischer Sicht sorgen hingegen die exorbitanten Zuständigkeitsregelungen nationaler Rechtsordnungen in Europa (z.B. §  23 ZPO, Art.  14, 15 frz. Code civil), welche gem. Art.  6 Abs.  1 EuGVO gegen Beklagte aus Drittstaaten wie den USA weiterhin angewandt werden dürfen, für Unverständnis. Darüber hinaus ist den Amerikanern das klägerfreundliche englische Persönlichkeitsrecht ein Dorn im Auge, weil es angeblich die amerikanische Medien- und Meinungsfreiheit unangemessen beeinträchtigt (libel tourism), ebenso die ablehnende Haltung Europas gegen die amerikanischen Klageabwehrinstrumente der antisuit injunctions und der forum non conveniens-Doktrin.2 Viele Autoren prangern die Auswüchse und hegemonialen Bestrebungen des jeweils anderen Systems an.3 Eine konstruktive Analyse des Gesamtkonzeptes 1 

Angestoßen wurde die Diskussion in Deutschland durch die (gesammelten) Beiträge von Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika (1986); Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen USA und Europa (1985); einzelne Aspekte bei Buxbaum, in: FS Stürner (2013), Bd.  2, S.  1443 ff. (zur class action); Junker, Electronic Discovery gegen deutsche Unternehmen (2008); Neufang, Kostenverteilung im US-amerikanischen Zivilprozess und Urteilsanerkennung in Deutschland (2002), S.  31 ff.; Schack, IZVR, Rn.  817 ff. (zum HBÜ). 2  Aus US-amerikanischer Sicht etwa Hay, in: FS v. Hoffmann (2011), S.  634 ff.; zum libel tourism auch Klein, 38 Pepp. L. Rev. 375 ff. (2011). 3  Aus der deutschen Literatur: Hoppe, Class Actions, S.  285 („keine handhabbaren Fairnessmaßstäbe“ im US-amerikanischen Zuständigkeitsrecht); Schack, IZPR, Rn.  818 („Rechts­hegemonie“); Schütze, Allzuständigkeit, S.  21 (legalisiertes blackmailing als „justizielle Er-

2

Einleitung

und übergeordnete Wertungen bleiben bei diesen Einzelbetrachtungen leider oftmals außen vor.4 Der Justizkonflikt hat sich inzwischen zu einem Dauerstreit ausgeweitet, der nicht zuletzt die Verhandlungen der Haager Konferenz über ein weltweites Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen im Jahr 2002 zum vorläufigen Scheitern brachte.5 Zur Verbesserung des transatlantischen Dialogs sind daher neue Wege im Umgang mit den Systemunterschieden zu beschreiten. Gleichzeitig soll aber das Potential der bisher eingeschlagenen Ursachenforschung und Konfliktbereinigung nicht völlig ungenutzt bleiben. Vor diesem Hintergrund wagt die vorliegende Arbeit eine personalisierte Betrachtung. Protagonist der Untersuchung ist der wohl letzte „euro-amerikanische“ Rechtswissenschaftler6 mit einem ganz besonderen „Feingespür“ für die systemübergreifende Interpretation: Arthur Taylor von Mehren (1922–2006). Die personalisierte Betrachtung ist für eine juristische Arbeit zum geltenden Recht eine eher ungewöhnliche Herangehensweise. Häufiger trifft man sie in der Rechtsgeschichte an.7 Die Verfasserin hat sie dennoch wohlweislich für diese Arbeit gewählt: In Anbetracht der vielschichtigen Strukturunterschiede im europäischen und US-amerikanischen Recht eröffnet der Personenbezug die Möglichkeit, korrelierende Problemkreise aus dem Blickwinkel eines erfahrenen Wissenschaftlers zu betrachten, der eine Schlüsselfigur zwischen Europa und den USA darstellt.

B.  Arthur T. v. Mehrens Leben und Wirken Arthur T. von Mehren hat sich in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wie wohl kein anderer US-Amerikaner mit dem europäischen und beson-

pressung“); aus den USA: Borchers, 31 Ariz. J. Int’l & Comp. L. 1, 6 (2014) (die anhaltende Diskriminierung von Drittstaatlern führe zu einem „detriment of the fair and orderly administration of justice in civil matters“); Neuborne, 80 Wash. U. L. Q. 795, 823 (2002) (zur Klage von fremden Staatsbürgern in den USA auf Grundlage des Alien Tort Claims Act, 28 USC §  1350 (2002): „The legal systems of Switzerland and Germany are so stacked in favor of defendants and so hostile to the claims set forth in the Holocaust cases that it would have been suicidal to litigate in those forums.“). 4  Den harschen Ton in der Einzelkritik bemängeln auch Hess, JZ 2003, 923; Krätzschmar, in: FS Hay (2005), S.  241, 243 f., 254. 5  Vgl. die Übersicht zum sog. Judgments Project der HCCH. 6  Dies vermutet Basedow, in: GS v. Mehren (2007), S.  3, 5. 7  Beispielhaft sei verwiesen auf Gamillscheg, Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts (1955); Nieder, Ferdinand Christoph Harpprecht (1650–1714) (2011).

B.  Arthur T. v. Mehrens Leben und Wirken

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ders dem deutschen Recht auseinandergesetzt.8 Er wurde am 10. August 1922 in Albert Lea, Minnesota, als Sohn europäischer Einwanderer geboren. Sein Vater, ein Bauingenieur, entstammte einer Familie aus den Benelux-Staaten und seine Mutter hatte norwegische Vorfahren. Er und sein Zwillingsbruder Robert B. wurden nach erfolgreichem Schulabschluss mit Stipendien der Harvard und der Yale Universität umworben. Dem legendären Artikel einer Lokalzeitschrift zufolge warfen beide Brüder eine Münze, um über die Wahl des Studienortes zu entscheiden, denn die Universitäten unterbreiteten für ein getrenntes Studium der Zwillinge ein jeweils höher dotiertes Stipendium.9 So kam es, dass Arthur in Harvard studierte und im Jahr 1945 die Law School absolvierte. Er arbeitete zunächst als law clerk für Chief Judge Calvert Magruder am United States Court of Appeals des first circuit (1945–1946) und belegte währenddessen graduate classes, die ihm im Jahr 1946 einen Ph.D. in Government einbrachten. Noch im selben Jahr bekam er eine Stelle als Assistant Professor an der Harvard Law School und wurde von der Fakultät sogleich auf einen dreijährigen Forschungsaufenthalt ins kriegsgebeutelte Europa geschickt. Eine nachhaltige Prägung sowohl in wissenschaftlicher als auch in persönlicher Hinsicht haben sein Forschungsaufenthalt an der Universität Zürich (1946– 1947), die Tätigkeit als Chief of the Legal Division’s Legislation Branch of the US Occupation Government in Berlin (1947–1948) sowie der anschließende Aufenthalt an der Sorbonne in Paris (1948–1949) hinterlassen. Nach Berlin und Paris begleitete ihn seine Frau Joan von Mehren. Er hatte sie am College kennengelernt, wo sie bei einem Football-Spiel zunächst mit seinem Zwillingsbruder Robert B. ins Gespräch gekommen war und am nächsten Tag Arthur für Robert B. hielt. In Berlin wirkte Arthur v. Mehren an Fragen zur Währungsreform und der Wiedervereinigung mit, während seine Ehefrau in Fortführung ihres Berufs als Lehrerin amerikanische GIs unterrichtete.10 Auch in seiner wissenschaftlichen Karriere positionierte sich v. Mehren international. Sie nahm im Jahr 1953 mit der Ernennung zum Professor of Law in Harvard ihren Anfang und setzte sich im Story Professor of Law 1976 bis weit über die Emeritierung im Jahr 1993 hinaus fort. Etliche Gastdozenturen führten 8  Ausführliche Biografie in: FS v. Mehren (2002), S.  X I f.; zu weiteren Lebensdaten vgl. Michaels, 7 Int’L Forum Dr. Int. 213 ff. (2005) und die Memoranda von Gordley, 53 Am. J. Comp. L. 527 ff. (2005); v. Hinden, in: GS v. Mehren (2007); Murray/Gottschalk, ZVglRWiss 105 (2006), 251 ff.; Symeonides, 53 Am. J. Comp. L. 531 ff. (2005); einen Einblick in das Leben Arthur v. Mehrens konnte ich außerdem in einem persönlichen Gespräch mit seiner Ehefrau, Joan v. Mehren, am 21.03.2015 in Cambridge, MA, gewinnen. 9  Bericht über diesen Artikel in der Zeitschrift Boston Globe vom 23.01.2006, Bryan Marquard, Arthur v. Mehren, 83, Expert on Nation’s Legal Systems. 10  Zu den Jahren in Europa vgl. Michaels, 7 Int’L Forum Dr. Int. 213, 214 (2005).

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ihn unter anderem nach Tokyo (1956–57), Neu-Delhi (1962–1963), Frankfurt a. M. (1967), Rom (1968–69), Paris (1977), Berlin (1990–1991) und Hongkong (1995). Vor dem Hintergrund seiner rechtsvergleichenden Studien wurde er zum Initiator und späteren Präsidenten der American Society of Comparative Law sowie zum Mitbegründer des American Journal of Comparative Law. v. Mehrens Bekanntheit in Deutschland geht auf das von ihm begründete Joseph Story Research Fellowship zurück. In den Jahren zwischen 1993 bis 2006 ermöglichte das Programm zwölf jungen Nachwuchswissenschaftlern aus Deutschland, für jeweils ein Jahr an der Harvard Law School zu forschen und nach dem Modell als wissenschaftlichen Mitarbeiters an seinen Arbeiten mitzuwirken.11 Nebenbei hat er zum Erfolg des jahrzehntelang fortbestehenden German-speaking lunch table beigetragen, zu dessen Treffen er bei jeder Gelegenheit deutsche Studenten und Wissenschaftler einlud. Auch verstand er es, die Privilegien der Harvard Universität zu nutzen, und verabredete sich gerne mit ausländischen Gästen zum Essen im hauseigenen Restaurant.12 Im Übrigen war er ein sehr bescheidener Mann von überaus freundlichem, aufgeschlossenem und ruhigem Charakter.13 Vielen gilt v. Mehren als intellektueller Gigant,14 und entsprechend überwältigend ist sein wissenschaftliches Werk, welches sich insbesondere auf die Gebiete des Internationalen Privat- und Prozessrechts, der Rechtsvergleichung und des Vertragsrechts erstreckt. Seine Publikationsliste umfasst über 200 Titel, darunter zehn Bücher und fünf Monographien sowie 119 Aufsätze.15 Aus seinen intensiven Studien zum deutschen und französischen Recht ist im Jahr 1957 die erste Auflage des casebook-Klassikers zur Rechtsvergleichung, „The Civil Law System“16 entstanden. Zusammen mit Benjamin Kaplan und Rudolf Schaefer veröffentlichte er 1958 die zweiteilige Artikelreihe „Phases of German Civil Procedure“.17 Hoch geschätzt werden auch seine rechtsvergleichenden Beiträge zum Vertragsrecht in der „International Encyclopedia of Comparative Law“.18 11  Über das Joseph Story Research Fellowship informiert Murray, in: FS v. Mehren (2002), S.  6 ff. 12  Sein Weggefährte Peter Murray meint scherzend, es ging ihm mitunter um das vorzügliche Dinieren, s. 119 Harv. L. Rev. 1954, 1956 (2006). 13  Vielfach beschrieben z.B. von Gordley, 53 Am. J. Comp. L. 527, 529 (2005); Symeonides, 53 Am. J. Comp. L. 531. 14 So Coquillette, 119 Harv. L. Rev. 1949 (2006). 15  Publikationsliste in: FS v. Mehren (2002), S. XIII ff. 16  v. Mehren, The Civil Law System: Cases and Materials for the Comparative Study of Law, 1. Aufl. (1957); zweite Auflage (1977) zusammen mit James R. Gordley. 17  Kaplan/v. Mehren/Schaefer, 71 Harv. L. Rev. 1193 ff., 1443 ff. (1958). 18  v. Mehren, A General View of Contract, 7 Int’l Encycl. Comp. L., Chapter 1 (1982);

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Aus den internationalprivatrechtlichen Arbeiten ist das zusammen mit seinem Kollegen Donald T. Trautman verfasste Lehrbuch „The Law of Multistate Problems“ hervorzuheben, welches die kollisionsrechtliche Theorie der functional analysis einführte.19 Das Werk etablierte ihn nicht nur als zentrale Kraft der US-amerikanischen IPR-Revolution, sondern stellte ebenso deutlich sein wissenschaftliches Hauptanliegen heraus, welches sich wie ein roter Faden durch seine weitere Arbeit zieht: multistate justice. In diesem Streben nach internationaler Gerechtigkeit unterschied sich v. Mehren von seinen amerikanischen Kollegen, die sich stärker an nationalistischen Interessen sowie der Durchsetzung des eigenen Rechts orientierten.20 Den Pragmatismus und Weitblick für international konsensfähige Lösungen hat er wohl maßgeblich seinen Forschungen und Inspirationen im Ausland zu verdanken. Ein Exemplar seines berühmten IPR-Lehrbuchs stiftete v. Mehren jährlich einer von Studenten organisierten Tombola. Dabei ließ er es sich nicht nehmen, das Buch mit demselben Leitspruch zu signieren, unter dem er auch seine Vorlesungen hielt: „For future resolvers of disputes“.21 v. Mehren sah seine Aufgabe im Leben darin, eine neue Generation an weitsichtigen und problemorientierten Juristen auszubilden. Davon profitierten auch etliche Jahrgänge ausländischer LL.M.-Studenten. Großes Renommee verschaffte ihm das Buch im Ausland, sogar ein iranischer Unterhändler war bei Verhandlungen um das Haager Claims Tribunal (Iranisch-US-amerikanisches Forderungsgericht) versessen auf eine persönliche Widmung seines Privatexemplars. Wie selbstverständlich vereinbarte v. Mehren mit ihm ein Treffen.22 Das internationale Zivilverfahrensrecht revolutionierte v. Mehren mit dem Aufsatz „Jurisdiction to Adjudicate: A Suggested Analysis“,23 den er ebenfalls gemeinsam mit Trautman im Jahr 1966 in der Harvard Law Review publizierte. Das Werk wird von führenden US-amerikanischen Wissenschaftlern als bedeutendster Aufsatz für das Zuständigkeitsrecht der Moderne bezeichnet („without question the most influential modern article on jurisdiction“), da er sogar häufiders., The Formation of Contracts, 7 Int’l Encycl. Comp. L., Chapter 9 (1992); ders., Formal Requirements, 7 Int’l Encycl. Comp. L., Chapter 10 (1998); vgl. zum letzten Teilband die Rezension von Heiss, RabelsZ 66 (2002), 149 ff. 19  v. Mehren/Trautman, The Law of Multistate Problems: Cases and Materials on Conflict of Laws (1965). 20 Ähnlich Michaels/Rühl, RabelsZ 70 (2006), 233. 21  Davon berichtet Coquillette, 119 Harv. L. Rev. 1949 (2006). 22  Zeuge dieses Zusammentreffens wurde der Berater des US Secretary of State, zugleich Schüler v. Mehrens, Peter D. Trooboff, dessen Bericht im Rahmen der Verleihung des Leonard J. Theberge Award an Arthur v. Mehren veröffentlicht wurde, s. 31 Int’l L. 720, 721 (1997). 23  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121 ff. (1966).

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ger zitiert werde als Werke von Joseph Story, dem Begründer des US-amerikanischen IPR, und Brainerd Currie, dem Anführer der US-amerikanischen IPR-Revolution.24 Die Dichotomie der general and specific jurisdiction nimmt eine im US-amerikanischen Recht bis dato unbekannte Einteilung in „allgemeine und streitgegenstandsbezogene Zuständigkeiten“ vor, womit die Begrifflichkeiten zu den „touchstones of contemporary personal jurisdiction analysis“25 geworden sind und seither schlechthin den Prüfungsmaßstab der internationalen Zuständigkeit bilden. Beide Kategorien hat der US Supreme Court in der Entscheidung Helicopteros Nacionales de Colombia v. Hall26 aus dem Jahre 1984 ausdrücklich anerkannt. Das Prozessrecht beschäftigte v. Mehren fortwährend. Zur Urteilsanerkennung sowie zur internationalen Zuständigkeit unterrichtete er Kurse an der Hague Academy of International Law. Die publizierten Vorlesungen bilden wesentliche Teile seines wissenschaftlichen Wirkens.27 Die zuständigkeitsrechtliche Untersuchung entwickelte er zu dem Buch „Theory and Practice of Adjudicatory Authority in Private International Law“ 28 fort, welches er selbst als „fruit of half a century of scholarship and teaching“29 bezeichnete. Die Früchte seiner wissenschaftlichen Arbeit würdigte nicht zuletzt die International Academy of Comparative Law mit dem Canada Prize für die beste rechtsvergleichende Veröffentlichung.30 Die vorliegende Arbeit erhebt nicht den Anspruch, dieses literarische Lebenswerk umfassend aufzuarbeiten. Ziel der Untersuchung ist es, anhand der Borchers, in: FS v. Mehren (2002), S.  3, der 115 Zitate in „state and federal caselaw“ und 118 Zitate in der Kategorie „combined law reviews“ in der Lexis Datenbank im Jahr 2001 zählt; Symeonides, 53 Am. J. Comp. L. 531, 535 (2005), der 118 Zitate in „allcases“ und 282 Zitate in wissenschaftlichen Aufsätzen in der Westlaw Datenbank im Jahr 2006 ermittelt; dies wird bestätigt durch eine aktuelle Recherche (05.10.16) in der Westlaw Datenbank, wonach der Aufsatz 167 Resultate in der Kategorie „citing cases (USA)“ und 381 Zitate in „secondary sources (USA)“ zu Tage bringt. 25  Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 611 (1988). 26  466 U.S.  408, 414 (1984). 27  v. Mehren, Recognition and Enforcement of Foreign Judgments: General Theory and the Role of Jurisdictional Requirements, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9 ff.; ders., Theory and Practice of Adjudicatory Authority in Private International Law: A Comparative Study of the Doctrine, Policies and Practices of Common- and Civil-Law Systems, Rec. des Cours 295 (2002), S.  9 ff. 28  v. Mehren, Adjudicatory Authority in Private International Law: A Comparative Study (2007) (posthum publiziert und fertiggestellt mit der Hilfe von Eckart Gottschalk). 29  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S. XVII. 30  Vgl. auch Burbank, 52 Am. J. Comp. L. 741, 763 (2004): „The volume also reveals von Mehren’s astonishing depth and range, which are a product less of longevity than of a mind ever restless for new territory to explore“. 24 

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zivilverfahrensrechtlichen Arbeiten v. Mehrens die bestehenden Unterschiede und mögliche Lösungsansätze zwischen den Systemen der EU und der USA zu bestimmen. Die Schwerpunktsetzung auf das internationale Zivilverfahrensrecht hat im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens gelang v. Mehren mit Abhandlungen wie „Theory and Practice of Adjudicatory Authority in Private Internation Law“ ein Brückenschlag zwischen den Prozessrechtssystemen Europas und der USA. v. Mehren ist nicht einer deskriptiven Rechtsvergleichung verhaftet, sondern sucht in beiden Rechtsordnungen nach Lösungen für eine Optimierung des internationalen Rechtsverkehrs. So will er im US-amerikanischen Zuständigkeitsrecht beispielsweise eine dem allgemeinen und besonderen Gerichtsstand ähnliche Einteilung übernehmen, umgekehrt aber auch eine von der forum non conveniens-Lehre abgeleitete und moderate Ermessensabwägung in das europäische Recht transponieren. Zweitens stehen v. Mehrens zivilprozessuale Untersuchungen in engem Zusammenhang zu seiner Arbeit in der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, die ihn in das europäische Rampenlicht gerückt haben. Als führendes Mitglied der US-amerikanischen Delegation wirkte er in der Haager Konferenz über vier Jahrzehnte (1966–2006) an der Ausarbeitung verschiedener Konventionen mit. Er löste im Jahr 1992 die Initialzündung31 zu einem weltweiten Zuständigkeits- und Vollstreckungsabkommen aus, dessen bedauerliches Scheitern im Jahr 2002 hätte vermieden werden können, wenn man v. Mehrens originellem Strukturvorschlag einer convention mixte32 gefolgt wäre.33 Weniger aufgrund des eigenen unermüdlichen Engagements als vielmehr um der gemeinsamen Sache willen hat ihn der Misserfolg persönlich stark betroffen.34 Trotzdessen oder vielleicht gerade deshalb nahm er noch bis kurz vor seinem Tod im Januar 2006 im Alter von 83 Jahren als Vizepräsident an der 20. Diplomatischen Konferenz im Juni 2005 teil.35 Auch der wissenschaftlichen ArDie Konvention daher als „Arthur’s Baby“ bezeichnend Nygh, in: FS v. Mehren (2002), S.  151. 32  Kennzeichnend für die convention mixte ist eine graue Liste von nicht vereinheitlichten Zuständigkeiten, welche ergänzend neben die in einer convention double übliche weiße Liste erlaubter Entscheidungszuständigkeiten mit darauf basierender Anerkennungspflicht und neben die schwarze Liste verbotener Entscheidungszuständigkeiten tritt. Dagegen besteht eine convention double aus einem geschlossenen System der Entscheidungs- und Anerkennungszuständigkeiten; eine convention simple regelt nur die Anerkennung; vgl. erste ausführliche Darstellung bei v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 283 ff. (1994). 33  In diese Richtung auch Beaumont, NIPR 2014, 532, 533. 34  Seine große Enttäuschung schildern Basedow, in: GS v. Mehren (2007), S.  3, 4; Murray, 119 Harv. L. Rev. 1954, 1957 (2006). 35  Teilnehmerliste in: Hague Conference, Proceedings of the Twentieth Session (2005), Vol. III., S.  484. 31 

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beit wurde er trotz einer Sehschwäche nie müde. Er war bis zum Jahr 2006 regelmäßig in seinem Büro anzutreffen, unterrichtete an der Harvard Law School weiterhin in berufsbegleitenden Studiengängen sowie an der Universität im schweizerischen St. Gallen im Masterstudiengang für Business Law.36 Seit Februar 2010 verfolgt die Haager Konferenz das durch v. Mehren initiierte Judgments Project trotz der zwischenzeitlichen Rückschläge unbeirrt weiter und legte im Juni 2016 den Vorschlag für eine Konvention über die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen vor.37 Dem wird möglicherweise eine weitere convention simple über die Entscheidungszuständigkeiten folgen.38 So erfreulich die aktuellen Entwicklungen sind, so stehen sie dennoch nur indirekt in Verbindung zum vorliegenden Arbeitsvorhaben. Zwar sollen der Fortgang der Arbeiten im Blick behalten und mögliche Parallelen zu den Vorarbeiten v. Mehrens analysiert werden, insbesondere im Bezug auf den im Jahr 2006 doch noch gefundenen Minimalkonsens des Haager Gerichtsstandsübereinkommens. Indes bedingt das künftige Normgefüge diese Untersuchung nicht in dem Sinne, dass der Erfolg einer gesetzgeberischen Umsetzung zwingende Voraussetzung wäre. Vielmehr soll der Eigenwert der Analyse in den strukturellen Erkenntnissen über eine Konvention auf dem Gebiet des internationalen Verfahrensrechts liegen, die in Anbetracht der beständig wachsenden Verflechtungen der globalen Wirtschaft und des erhöhten Bedürfnisses nach Rechtssicherheit früher oder später auf der Agenda der Weltgemeinschaft stehen wird. Eine kritische Würdigung der Vorschläge v. Mehrens zur convention mixte verspricht ein besonderes Potential zur Optimierung der Struktur eines künftigen Übereinkommens.

C.  Thematische Fragestellungen In kaum einem anderen Rechtsgebiet stehen sich Staaten, in den Worten Savignys, so „schroff gegenüber“39 wie im internationalen Zivilverfahrensrecht. v. Mehren zeigt einerseits die Ursachen dieser „schroffen“ Unterschiede zwi36  Davon berichten Murray, 119 Harv. L. Rev. 1954, 1955 (2006); Symeonides, 53 Am. J. Comp. L. 531, 532 f. (2005), der ihn einen „wahren Wissenschaftler“ („scholar’s scholar“) nennt. 37  2016 Preliminary Draft Convention. 38  Zur Erarbeitung eines solchen Entwurfes wurde zunächst eine Expertengruppe eingesetzt, vgl. Report of the fifth meeting of the Working Group on the Judgments Project and Preliminary Draft Text (Prel. Doc. No 7A of November 2015), S.  5, Recommendations. 39  So allg. auf das IPR bezogen v. Savigny, System, Bd.  8 (1849), S. VI; speziell im Hinblick auf das IZVR Jünger, in: GS Lüderitz (2000), S.  329, 341.

C.  Thematische Fragestellungen

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schen Deutschland bzw. der EU und den USA auf, die sich von der verfassungsrechtlichen Durchdringung des US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts bis hin zur unterschiedlichen Gewichtung des Kläger- und Beklagtenschutzes erstrecken und sich auch auf die Schwierigkeit in der Erarbeitung einer weltweiten Konvention in Den Haag projizieren. Andererseits stellt er selbst Thesen auf und unterbreitet Lösungsvorschläge, die zwar innovativ und sorgfältig durchdacht sind, gleichzeitig aber mit konventionellen Denkweisen brechen und daher ihrerseits einer Überprüfung bedürfen. So wenden sich die Zuständigkeitskategorien der general und specific jurisdiction von den früheren common law-Grundsätzen des US-amerikanischen Rechts ab und greifen den vom US Supreme Court in der Grundsatzentscheidung International Shoe Co. v. State of Washington40 angedeuteten Streitgegenstandsbezug auf.41 Nach Einführung der neuen Lehre durch v. Mehren und Trautman in den 1960er Jahren spezifizierten jedoch v. Mehren und der US Supreme Court den Prüfungsmaßstab der specific jurisdiction. Die Vielschichtigkeit der konzeptionellen Unterschiede zeigt sich besonders in Produkthaftungsfällen, wo das oberste Gericht vom Hersteller zur Begründung seiner Gerichtspflichtigkeit verlangt, dass er das schadhafte Produkt zielgerichtet auf einem bestimmten Markt in Verkehr gebracht hat.42 v. Mehren hingegen stellt weniger auf die Qualität der Handlung des Beklagten ab als vielmehr auf die strukturelle Überlegenheit des beklagten Herstellers gegenüber dem klägerischen Käufer des Produkts.43 Scheinbar haben sozialpolitische bis linksliberale Erwägungen Einzug in seine Zuständigkeitsprüfung gehalten, deren Sinn und Zweck im Gesamtkonzept zu analysieren ist. Zudem erinnern die Kategorien der general und specific jurisdiction zwar an die allgemeinen und besonderen Gerichtsstände in §§  12 ff. ZPO bzw. Art.  4, 7 ff. EuGVO. Doch v. Mehren versucht nachzuweisen, dass die Ähnlichkeit in Anbetracht von Struktur und Umfang der Zuständigkeitsbegründung schwindet; die beiden Konzepte seien gewissermaßen „falsche Freunde“ („faux amis“).44 Die These könnte eventuell darin ihre Bestätigung finden, dass einzelne Gerichtsstände unseres Rechtssystems, z.B. der Vermögensgerichtsstand des §  23 ZPO, definitionsgemäß eher der general als der specific jurisdiction zuzu40 

326 U.S.  310, 317 ff. (1945). v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1144 ff. (1966). 42 Sog. stream of commerce (plus)-Theorie, Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court, 480 U.S.  102, 109 ff. (1987) (Einzelheiten str., so aber jedenfalls Justices O’Connor, Rehnquist, Powell, Scalia); neuerdings ergänzt durch das Erfordernis der Zielgerichtetheit (targeted the forum) in J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780, 2788 (2011). 43  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 313 ff. (1983); ders., in: FS Lalive (1993), S.  557, 561 ff. 44  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25 ff. 41 

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ordnen sind, obwohl es sich nach deutscher Einordnung um einen sog. besonderen Gerichtsstand handelt. Außerdem ist die Vergleichbarkeit der Zuständigkeiten hinsichtlich ihrer dogmatischen Herleitung schon im Ausgangspunkt fraglich. v. Mehren will aus der Staatstheorie drei weltweit universelle Zuständigkeitstheorien herleiten. Schenkt man ihm Glauben, so folgt jedes Zuständigkeitssystem entweder einer an der Staatsgewalt orientierten power theory, einer auf die personelle Unterworfenheit bezogenen relational theory oder der Gerechtigkeitsabwägung einer fairness theory.45 Die in Deutschland übliche funktionelle Analyse einzelner Zuständigkeitsinteressen46 könnte man am ehesten noch der fairness theory zuordnen. Nach Ansicht v. Mehrens hat in Deutschland bis in die 1990er Jahren aber schon im Grundsatz kein ausgereiftes Zuständigkeitssystem existiert, erst Thomas Pfeiffer habe mit dem Justizgewährungsanspruch als Grundlage der Zuständigkeitsgerechtigkeit eine „comprehensive theory“ aufgestellt.47 Dies impliziert eine Rückständigkeit Deutschlands gegenüber den USA, wo schon seit der Supreme Court-Entscheidung Pennoyer v. Neff48 im Jahr 1877 die Machttheorie gilt und mit der International Shoe-Entscheidung49 von 1945 weitere Fairnesserwägungen Einzug hielten. Doch statt aus der Universalität der drei genannten Theorien auf eine Rückständigkeit Deutschlands zu schließen, ist zunächst die Universalität selbst zu hinterfragen und die Herleitung aus antiquierten Staatstheorien zu untersuchen. Neben den Zuständigkeitstheorien sieht v. Mehren keinen Raum für das Prinzip actor sequitur forum rei. Er erklärt das Prinzip nicht nur mit Blick auf die USA für tot, wo ohnehin nie ein einziger allgemeiner Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz vorherrschte, sondern gerade auch für Europa. Speziell vor dem Hintergrund einer ähnlichen Positionierung deutscher Wissenschaftler50 ist seine Analyse interessant, wonach das klägerische Wahlrecht über die besonderen Gerichtsstände (Art.  7 ff. EuGVO, §§  20 ff. ZPO) den zuständigkeitsrechtlichen favor defensoris aushebelt.51 Während v. Mehren die Reduzierung der klägerischen Wahlmöglichkeit zur Herstellung von Waffengleichheit zwischen den Prozessparteien anstrebt, d. h. die Lösung in der Einschränkung von forum v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 283 ff. (1983). etwa Geimer, IZPR, Rn.  1126 ff.; Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  17 f. 47  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  119 ff. (zur früheren Entwicklung, z.B. auch zu Geimer und Kropholler), 133 ff. (speziell zu Pfeiffer). 48  95 U.S.  714 (1877). 49  326 U.S.  310 (1945). 50 Vgl. Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  50 ff. 51  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  154 ff., mit Verweisen auf BGH 16.04.1986, NJW 1986, 2309 und Jenard, Bericht EuGVÜ, ABl.  (EG) 1979 Nr. C 59/1 S.  18. 45 

46 Vgl.

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shopping sieht,52 sollten meines Erachtens der allgemeine Gerichtsstand als Möglichkeit des Ausgleichs der Vorzugsstellung des Klägers nicht vorschnell verworfen und weitere Umstände, wie die Rollenverteilung im Prozess, genauer erörtert werden. Berechtigt ist gewiss auch v. Mehrens Fragestellung, warum wir Europäer uns gegen jegliche Anwendung der forum non conveniens-Doktrin sträuben. Sie erlaubt in den USA die Klageabweisung eines an sich zuständigen Gerichts nach eigenem Ermessen, wenn ihm ein anderes Gericht als geeigneter erscheint. Antworten auf diese Frage sind bekanntlich im Spannungsfeld zwischen dem Gebot der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im civil law und der Einzelfallgerechtigkeit im common law zu suchen.53 Weniger Beachtung fand in unserer Literatur bislang aber die Zielsetzung dieser Lehre. Nach v. Mehren dient die Klageabweisung dazu, das forum shopping des Klägers und ein Wettrennen um die Rechtshängigkeit einer Klage (race to the courthouse) zu verhindern.54 Jedoch muss die Lehre vom forum non conveniens deshalb nicht zwangsläufig der Alternative einer zeitlichen Prioritätsregel (lis pendens) überlegen sein. Ein Kompromiss könnte im Rahmen eines internationalen Zuständigkeitsabkommens auch darin liegen, sowohl die lis pendens-Regel als auch eine moderate Ausprägung der forum non conveniens-Doktrin festzuschreiben. Speziell zur sog. Torpedoproblematik bietet v. Mehren eine Lösung an, die in Anbetracht des europäischen Forschungsstandes schon längst einem Juristen hierzulande hätte einfallen können. Auch der Gesetzgeber hat bei der Neufassung der EuGVO im Jahr 2012 das Missbrauchspotential nicht umfassend beseitigt, welches durch die Möglichkeit zur Erhebung einer Feststellungsklage an einem unzuständigen oder notorisch langsam arbeitenden Gericht besteht und den Leistungskläger blockiert.55 v. Mehrens sog. displacement solution ist schlicht der deutschen Rechtsprechung56 entnommen, wonach eine Feststellungsklage wegen Fortfalls des Feststellungsinteresses unzulässig wird, wenn der Feststellungsbeklagte seinerseits Leistungsklage erhebt.57 Ihre Vor- und Nachteile, namentlich der Vorteil einer Verfahrenskonzentration auf die rechtsschutzintensivere Klage einerseits und der Nachteil eines möglichen „Vetorechts“ des Leistungsklägers v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 37 ff. (1997/98). So bereits Dorsel, Forum non conveniens (1996), S.  172 ff., 176 ff.; König, Die Anwendbarkeit des forum non conveniens im deutschen und europäischen Zivilverfahrensrecht (2012), S.  97 ff., 120 ff.; Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 44 ff. 54  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  293; ders., in: FS Drobnig (1998), S.  409, 417. 55  Die Neuregelung in Art.  31 Abs.  2 EuGVO betrifft nur ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen, zu deren effektiver Durchsetzung das Prioritätsprinzip gelockert wurde. 56  Etwa BGH 20.01.1987, BGHZ 90, 340, 342; BGH 21.12.2005, BGHZ 165, 305, 308 f. 57  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  311 f., 315 f.; ders., in: FS Drobnig (1998), S.  409, 417. 52  53 

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andererseits, sind mit anderen Lösungsvorschlägen aus der Literatur, insbesondere einer befristeten Priorität der Erstklage,58 abzuwägen. Während die displacement solution in Europa bislang auf wenig Resonanz gestoßen ist, hat v. Mehrens Vergleich der US-amerikanischen mit der europäischen Anerkennungszuständigkeit Aufsehen erregt.59 Er beanstandet, dass die fehlende Überprüfung exorbitanter Gerichtsstände in der Anwendung gegenüber Drittstaatenbeklagten nach Maßgabe des Art.  6 Abs.  1 EuGVO (früherer Art.  4 Abs.  1 EuGVÜ) elementare Gerechtigkeitsgrundsätze verletze („violates the most elementary canons of evenhandedness“).60 Weil im Anerkennungsstadium gem. Art.  45 Abs.  3 S.  2 EuGVO (Art.  28 Abs.  3 HS.  2 EuGVÜ) die Zuständigkeitsvorschriften noch nicht einmal am ordre public überprüft werden dürfen und die Urteile frei zirkulieren, zeigt er sich noch stärker „geschockt“. Abschätzig befindet er: „Shock becomes outrage when it is realized that the Brussels Convention, by providing in articles 28 and 34 that ,the test of public policy referred to in Article 27(1) may not be applied to the rules relating to jurisdiction‘ […] If this parochial and self-serving attitude is to become general in international practice, the international order may well collapse as each State begins to retaliate against the others.“61

Mag die Kritik im Einzelnen überspitzt formuliert sein, so regt sie doch zur Überlegung an, in welcher Korrelation die Entscheidungs- und Anerkennungszuständigkeit im Allgemeinen zueinander stehen und ob eine Diskriminierung von Drittstaatenbeklagten, die durch ein Missverhältnis in Form eines Kontrolldefizits möglich erscheint, unter der EuGVO beseitigt werden müsste. Die Europäische Kommission hat im Rahmen der EuGVO-Reform im Jahr 2010 zwar die Abschaffung der exorbitanten Zuständigkeiten vorgeschlagen, damit bezweckte sie aber bloß die Besserstellung europäischer Kläger (nicht der Beklagten)62 und ist mit dem Änderungsvorschlag leider im Gesetzgebungsverfahren gescheitert. Im Verhältnis von Entscheidungs- und Anerkennungszuständigkeit stellt sich auch die Frage, ob eine sog. autonome Beurteilung der Anerkennungszuständigkeit63 gegenüber einer aus der Entscheidungszuständigkeit abgeleiteten PrüCarl, Torpedoklagen, S.  206 f.; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 181 ff., 185. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art.  4 EuGVO Rn.  13 (Verweis in Fn.  13); Schlosser, in: FS Kralik (1986), S.  287, 293; ders., EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  1. 60  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1058 (1981). 61  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1059 (1981); ders., Rec. des Cours 167 (1980–II), S.  9, 100. 62  Begründung des Kommissionsvorschlags, KOM(2010) 748 endg., S.  3; basierend auf einer Untersuchung der Kommission, Commission Staff Working Paper, Impact Assessment, SEC(2010) 1547 final, S.  20 ff. 63  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 61 ff. 58  59 

D. Methodik

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fung vorzugswürdig ist. Folgt man v. Mehren, so muss im autonomen deutschen Recht über eine Ablösung des Spiegelbildprinzips (§  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO) durch eine Generalklausel nachgedacht werden. Jahrzehnte der Prozessrechtsvergleichung hatten v. Mehren die Schwierigkeiten eines Brückenschlages über den Atlantik gelehrt und prädestinierten ihn für die Rolle als Verhandlungsführer in Den Haag. Aus diesem Grund entwickelte er ein neues Strukturkonzept für ein weltweites Zuständigkeits- und Vollstreckungsabkommen. Die sog. convention mixte nimmt eine Dreiteilung der Zuständigkeiten vor: Die weiße Liste vereinheitlicht bestimmte Gerichtsstände der internationalen Zuständigkeit und lässt eine automatische Urteilsanerkennung folgen, die schwarzen Liste verbietet unerwünschte und exorbitante Zuständigkeiten und die dritte, graue Liste stellt die Beibehaltung nationaler Eigenheiten frei.64 Dadurch verspricht die convention mixte eine weltweite Vereinheitlichung der vorhandenen Gemeinsamkeiten, ohne einen Einigungszwang in jedem Bereich zu erzeugen. Inwiefern eine solche Konzeption aber tatsächlich die Verhandlungsführung erleichtern und Kompromisslösungen vereinfachen würde, ist bis heute ungeklärt, weil die Verhandlungspartner der Haager Konferenz erst nach der Blockade der Verhandlungen von einer sog. convention double abgerückt sind.65 Würde sich die convention mixte in einer exemplarischen Untersuchung der umstrittenen Zuständigkeitsanknüpfung, z.B. im vertraglichen oder deliktischen Bereich, im Vergleich zu einer convention double oder simple als effektiver erweisen, so könnte am Ende dieses Arbeitsvorhabens eine Empfehlung für zukünftige Projektvorhaben stehen.

D. Methodik Der methodische Ansatz an den Lehrsätzen v. Mehrens geht mit einer Loslösung vom dogmatischen Systemdenken des deutschen und europäischen Rechts einher. Denn ähnlich dem Funktionalitätsprinzip einer sachrechtsvergleichenden Analyse, welches am konkreten Sachproblem und nicht an der nationalen Lösung ansetzt,66 soll auch die personalisierte Methodik an bestimmten, durch v. Mehren aufgeworfenen Fragestellungen ihren Ausgangspunkt nehmen. Die Dazu hier nur v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 283 ff. (1994). Vgl. den begleitenden Bericht von Nygh/Pocar zum Kommissionsentwurf, Preliminary Draft Convention on jurisdiction and foreign judgments in civil and commercial matters of October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000), S.  28; als „durchaus erfolgsversprechenden Vorschlag“ bezeichnete die convention mixte zunächst auch Schack, ZEuP 1993, 306, 315, einschränkend jedoch später ders., ZEuP 1998, 931, 932. 66  Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S.  33 f. 64  65 

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Einleitung

Methodik erfordert mithin, dass sich die Untersuchung von juristisch-dogmatischen Vorurteilen des deutschen und europäischen Verständnisses löst. Davon betroffen ist beispielsweise die als selbstverständlich empfundene Interessendogmatik der deutschen internationalen Zuständigkeit, welche klassisch zwischen Partei-, Gerichts-, Staats- und Ordnungsinteressen differenziert,67 oder das Prioritätsprinzip der Verfahrenskoordination (Art.  29 EuGVO). Die Herangehensweise erfolgt in einem Dreischritt: Am Anfang steht eine inhaltliche Beschreibung der Lehren, sodann folgt eine Kontextualisierung und schließlich eine kritische Bewertung, die meist einen rechtsvergleichenden Blickwinkel einnimmt. Der erste inhaltliche Überblick variiert in Umfang und Tiefe je nach Komplexität der Lehren v. Mehrens. So wird beispielsweise die Umstrukturierung des Zuständigkeitskonzepts ausführlicher ausfallen, da sowohl die ursprüngliche Konzeption der US-amerikanischen Rechtsprechung als auch die Reformansätze v. Mehrens (teils gemeinsam mit Trautman) darzustellen sind. Kernthesen werden mit Zitaten belegt und im Englischen wiedergegeben, sofern dem Urtext in der Landessprache des Autors besondere Bedeutung zukommt. Die anschließende Kontextualisierung soll deutlich machen, in welcher Forschungstradition die Arbeiten v. Mehrens stehen, aber auch untersuchen, ob sie weitere Fragen aufwirft, wie beispielsweise bei die Abgrenzung zwischen general und specific jurisdiction. In der kritischen Bewertung geht es schließlich darum, die inhaltliche Schlüssigkeit und die Ergebnisse im Gesamtzusammenhang mit den zuständigkeitsrechtlichen und anerkennungsrechtlichen Lehren zu bewerten. Gesucht wird aber auch nach neuen Impulsen für das eigene deutsche sowie europäische Recht. In einigen Themenbereichen ist der Übergang der Drei-Schritt-Methode fließend, insbesondere wenn ein bestimmter Lehrsatz im Mittelpunkt der Untersuchung steht. Beispielsweise wird das europäische Prinzip actor sequitur forum rei aus der Sicht v. Mehrens beleuchtet, dessen Argumente gegen die Berechtigung eines zuständigkeitsrechtlichen Beklagtenschutzes unmittelbar mit einer Rechtfertigung im Sinne des Ausgleichs zum klägerischen Wahlrecht zu kontrastieren sind. Besondere Schwierigkeiten wirft die personalisierte Methodik insofern auf, als neben einer Würdigung des Gedankengutes v. Mehrens ein gewisser Grad an Abstraktion und Distanz zu eben diesen Thesen erreicht werden muss, um einen eigenen, gegenwarts- und zukunftsorientierten Beitrag zur transatlantischen Rechtsvergleichung zu leisten. Anders gewendet liegt das Problem in der Retroperspektive der personenbezogenen Betrachtung, weil abgesehen von der historischen Aufarbeitung hier auch eine Übernahme einzelner Lehrsätze ins geltende 67 Dazu

Linke/Hau, IZVR, Rn.  4.22 f.; Schack, IZVR, Rn.  229 ff.

E.  Gang der Untersuchung

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Recht diskutiert werden soll. v. Mehrens Lehren sollten daher aus einer rechtsvergleichenden europäischen sowie US-amerikanischen Perspektive betrachtet werden, die sich an der funktionellen Erfassung eines rechtlichen Problems in der Gegenwart orientiert. Zu kurz gegriffen wäre eine reine Gegenüberstellung mit der eigenen, d. h. deutschen und europäischen Rechtslage, da sie der US-amerikanischen Systemgebundenheit und Zielgruppenorientierung v. Mehrens nicht gerecht würde. Wenig ändern lässt sich an der Tatsache, dass im wissenschaftlichen Werk v. Mehrens – verfasst von Mitte bis Ende des letzten Jahrhunderts – aktuelle Fragen wie die der Zuständigkeitsanknüpfung im e-commerce oder bei Rechten des geistigen Eigentums keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Vor diesem Hintergrund kann ein umfassendes Lösungsmodell für das internationale Zivilprozessrecht hier freilich nicht erarbeitet werden.

E.  Gang der Untersuchung Die Schwerpunkte dieser Arbeit ergeben sich gemäß der Natur des personalisierten Untersuchungsgegenstandes aus den Hauptthesen v. Mehrens, welche nach dem Erkenntnisgewinn für die transatlantische Prozessrechtsvergleichung und für das eigene europäische und deutsche Recht weiter selektiert wurden. Entlang den Grundfragen des internationalen Zivilverfahrensrechts, die sich in der zeitlichen Abfolge von Klageerhebung bis hin zur Anerkennung des Urteils stellen, gliedert sich die Arbeit erstens in ein Kapitel zur internationalen Zuständigkeit, zweitens eines zum sog. fine tuning und zur Verfahrenskoordination und drittens eines zur Urteilsanerkennung. Ein abschließender vierter Teil beschäftigt sich mit v. Mehrens Beiträgen zum weltweiten Übereinkommen der Haager Konferenz. Der erste Teil widmet sich zunächst der Umstrukturierung des US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts, wie sie durch v. Mehren und Trautman angestoßen wurde und bis heute andauert. Um v. Mehrens Ansatz bewerten zu können und seinen Einfluss auf die Rechtsfortbildung durch das case law zu rekonstruieren, erscheint eine Gegenüberstellung mit der Rechtsprechung des US Supreme Court notwendig. Weil die internationale Zuständigkeit der amerikanischen Gerichte schon Gegenstand anderer rechtsvergleichender Arbeiten in deutscher Sprache war,68 wird auf eine umfassende Darstellung der Grundlagen verzich68  Allerdings liegen die größeren monographischen Abhandlungen überwiegend mehrere Jahrzehnte zurück: Kleinstück, Due-process-Beschränkungen des Vermögensgerichtsstandes durch hinreichenden Inlandsbezug und minimum contacts (1994), S.  4 ff.; Müller, Die Gerichtspflichtigkeit wegen „doing business“ (1992); Müller-Froelich, Der Gerichtsstand der Niederlassung im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr (2008), S.  261 ff.; Pfeiffer, Interna-

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Einleitung

tet. Im Hinblick auf eine Vergleichsbildung zu den Lehren v. Mehrens ist es jedoch wichtig, die Grundsätze der umfangreichen Rechtsprechung nochmals aufzuzeigen, um sie in den Kontext seiner Lehren stellen zu können. Schließlich ist die Untersuchung neuerer Entscheidungen wie J. McIntyre Machinery, Ltd. v. Nicastro69 auch aus praktischen Gründen höchst relevant. Denn sie zeigen, dass aktuell die Voraussetzungen angehoben werden, unter welchen deutsche Unternehmen in den USA verklagt werden können. Im Anschluss wird die in den USA aktuelle Frage nach der Abgrenzung zwischen general und specific jurisdiction erörtert, die in der Konzeption v. Mehrens und Trautmans nur rudimentär behandelt wurde. Im Rechtsvergleich mit Europa bzw. Deutschland hat sich die Literatur bislang wenig mit den Unterschieden zwischen general/specific jurisdiction und den allgemeinen/besonderen Gerichtsständen beschäftigt, die neue Erkenntnisse auch in Bezug auf strukturelle Besonderheiten versprechen. Eng im Zusammenhang mit der Konzeption der Gerichtsstände stehen v. Mehrens Begründungsmodelle zur internationalen Zuständigkeit, welche hier im amerikanischen und europäischen Kontext bewertet werden und sich bis in die darauffolgende Frage nach der Berechtigung des actor sequitur forum rei-Prinzips erstrecken. Nicht zuletzt aufgrund der Bedeutung der revolutionären IPR-Theorie der functional analysis ist abschließend zum ersten großen Kapitel den Wechselwirkungen zwischen anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit nachzugehen. Der zweite Teil, fine tuning und Verfahrenskoordinierung, konzentriert sich zunächst auf die forum non conveniens-Doktrin, ihre Gegenüberstellung mit dem europäischen Instrument der lis pendens und v. Mehrens Wunsch nach einer moderaten Anwendung der Doktrin. Der zweite Teil des Kapitels erwägt eine Übertragung der displacement solution zur Lösung der Torpedoproblematik ins europäische Recht. Im dritten Teil stehen v. Mehrens Arbeiten zur Anerkennungszuständigkeit und deren Regelungstechnik im Vordergrund, zu deren Bewertung allgemeine anerkennungsrechtliche Interessen einbezogen werden. Sein Vergleich zwischen dem Anerkennungsrecht von sister states der USA mit dem der europäischen Mitgliedstaaten gibt Gelegenheit zur Aufarbeitung der neuesten Rechtslage in den USA. Aus deutscher Sicht ist die Vorgehensweise amerikanischer Gerichte aufgrund von comity-Erwägungen und uns unbekannten Präklusionsvorschriften nur schwer zu durchschauen. Im transatlantischen Wirtschaftsvertionale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit (1995), S.  301 ff., 657 ff.; Schmidt-Brand, Zu den long-arm statutes im ‚Jurisdiktions-Recht‘ der Vereinigten Staaten von Amerika und zu ihrer Bedeutung für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten (1992). 69  131 S.Ct. 2780 (2011).

E.  Gang der Untersuchung

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kehr ist sie hingegen von erheblicher Bedeutung und bislang kaum Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten gewesen.70 Im Schlussteil, zum Haager Übereinkommen (Teil 4), liegt der Fokus auf strukturellen Fragen und dem Vorschlag einer convention mixte. Zwar gestaltet sich der Nachweis eines expliziten Einflusses v. Mehrens als schwierig, zumal politische Erwägungen wie das Interesse der Europäer an einer Reduzierung der exorbitanten Gerichtsstände in den USA oder das Streben der Amerikaner nach einer verbesserten Anerkennung ihrer Urteile in Europa die Verhandlungen dominierten.71 Gleichwohl sollen v. Mehrens Strukturvorschläge in die Frage einbezogen werden, warum ein Haager Übereinkommen bislang nicht zum Erfolg geführt hat und ob daraus eine Lehre für die aktuelle Neuaufnahme des Projekts zu ziehen ist.

70  Zu Teilaspekten Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung (2000), S.  119 ff.; Vögele, Full Faith and Credit – Die Anerkennung zivilgerichtlicher Entscheidungen zwischen den US-amerikanischen Bundesstaaten (2003). 71  Vgl. nur Wagner, IPRax 2001, 533, 534 f.

Teil 1

Die internationale Zuständigkeit A.  Einführung in das US-amerikanische Gerichts- und Zuständigkeitssystem I. Begriff der jurisdiction Im Mittelpunkt des US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts steht der Begriff der jurisdiction. Dieser entstammt dem römischen Recht und bedeutet wörtlich „das Recht sprechen“ (ius dicere). Während damit im Allgemeinen die Gerichte eines Staates, ein Gerichtsbezirk oder die Reichweite staatlicher Hoheitsgewalt gemeint sein können,1 bildet jurisdiction im prozessualen Sinn den Oberbegriff für die sachliche Zuständigkeit für bestimmte Rechtsstreitigkeiten (subject matter jurisdiction/court competence) sowie die interstaatliche und internationale Zuständigkeit für die Parteien (territorial jurisdiction).2 Die territorial jurisdiction wird traditionell nach ihren jeweiligen Bezugsobjekten in drei Arten der Zuständigkeitsbegründung unterteilt. Jurisdiction in rem betrifft die dingliche Berechtigung an einem Gegenstand, jurisdiction quasi in rem begründet eine Zuständigkeit bei schuldrechtlichen Klagen am Belegenheitsort des Vermögens und jurisdiction in personam eröffnet Verfahren gegen eine natürliche oder eine juristische Person.3 Die weitaus größte Bedeutung kommt dabei der jurisdiction in personam bzw. personal jurisdiction zu, weshalb dieser Begriff auch als Oberbegriff synonym zur territorial jurisdiction verwendet wird.4 Die Rechtsprechung nimmt auf die personal jurisdiction Böhm, Amerik. Zivilprozessrecht, Rn.  197 in Fn.  253; Garner, Black’s Law Dictionary, Stichwort „jurisdiction“, S.  927; zum Begriff im Völkerrecht als Grenze der Staatsgewalt vgl. Reinisch, in: FS 50 Jahre ZfRV (2013), S.  170 ff. 2  Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  2; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  339, 381. 3  Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  2 , 7 ff.; Clermont, Civil Procedure, S.  270; Kane, Civil Procedure, S.  42 f. 4  Freer, Civil Procedure, S.  42 f. nennt als „types of personal jurisdiction“ die jurisdiction in personam, in rem und quasi in rem; so auch Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  338 f.; Kane, Civil Procedure, S.  41 ff.; Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  25. 1 So

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

mit der Wendung „jurisdiction over the defendant“5 Bezug, was sich wörtlich als „Reichweite der inländischen Gerichtsbarkeit über den Beklagten“ übersetzen lässt. Daran wird deutlich, dass nach US-amerikanischem Recht die internationale Zuständigkeit nicht wie in Deutschland6 von der Gerichtsbarkeit getrennt wird. Zwar könnte man aus diesem Grund territorial jurisdiction auch mit dem Begriff „Gerichtsbarkeit“ übersetzen7, durchgesetzt hat sich aber letztlich die Gleichsetzung mit der „internationalen Zuständigkeit“.8 Der Oberbegriff jurisdiction wird in der US-amerikanischen Rechtssprache auch als judicial jurisdiction oder jurisdiction to adjudicate bezeichnet.9 v. Mehren favorisiert letztere Bezeichnung, um die konkrete Einzelfallabwägung eines Gerichtes in einem internationalen Sachverhalt mit dem Wort „adjudicatory“ zum Ausdruck zu bringen. Den Zusatz „judicial“ hält er für weniger geglückt, da vereinzelt auch staatlichen Behörden eine Entscheidungszuständigkeit zukommt.10 Für die Verwendung der Begrifflichkeit der jurisdiction to adjudicate spricht auch, dass diese eine klare Abgrenzung der territorial und subject matter jurisdiction zur wesensverschiedenen örtlichen Zuständigkeit (venue) zum Ausdruck bringt. Zwar finden sich Darstellungen zur jurisdiction to adjudicate oftmals in Lehrbüchern zum US-amerikanischen Prozessrecht (civil procedure), vermutlich weil die Zuständigkeit von den Parteien im Prozess darzulegen ist,11 die jurisdiction to adjudicate wird allerdings rechtsdogmatisch im US-amerikaniHanson v. Denckla, 357 U.S.  235, 243 (1958). deutschen Unterscheidung, initiiert von Pagenstecher, RabelsZ 11 (1937), 337, 348 ff., vgl. Geimer, IZPR, Rn.  846, 846.; Matscher, in: FS Schlosser (2005), S.  561, 563; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  303. 7  So der Übersetzer des Werkes von v. Mehren/Murray, Recht in den Vereinigten Staaten, Wolfgang Sohst S.  318 ff.; sowie Wilske/Ponterlitschek, PHi 2011, 180. 8 Vgl. Junker, IPRax 1986, 197, 199; Schmidt-Brand, Long-Arm Statutes, S.  9. 9  Restatement (Third) Foreign Relations Law (1987), Part IV Introductory Note und §  401; ähnlich der Supreme Court, beispielsweise in J. McIntyre Machinery, Ltd. v. Nicastro: „ Justice Kennedy […] concluded that because J. McIntyre never engaged in any activities in New Jersey that revealed any intent to invoke or benefit from the protection of the State’s law, New Jersey is without power to adjudge […]“ 131 S.Ct. 2780, 2782 (2011) (Hervorhebungen durch die Verf.); Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  1. 10  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1125 (1966); v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 283 (1983); vgl. den Titel seines Hauptwerkes auf dem Gebiet der Internationalen Zuständigkeit „Adjudicatory Authority in Private International Law“ (2007) (Hervorhebungen durch die Verf.). 11  Dazu etwa Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  98 ff.; grundsätzlich trifft auch in den USA den Kläger die Beweis- und Darlegungslast für die zuständigkeitsbegründenden Umstände, der Beklagte hat hingegen darzulegen, warum die Zuständigkeit im Einzelfall nicht angemessen ist, vgl. Burger King Corp. v. Rudzewicz, 471 U.S.  462, 478 (1985). 5 Beispielhaft 6 Zur

A.  Einführung in das US-amerikanische Gerichts- und Zuständigkeitssystem

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schen IPR, dem sog. conflict of laws, verortet. Dabei steht sie neben der Bestimmung des anwendbaren Rechts, d. h. dem Internationalen Privatrecht im europäischen Sinn (choice of law) und der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen ( judgment recognition).12

II. Gerichtssystem 1. Staaten- und Bundesgerichtsbarkeit Die föderale Gliederung der Vereinigten Staaten von Amerika13 wirkt sich maßgeblich auf den US-amerikanischen Gerichtsaufbau aus. Das Gerichtssystem ist zweigliedrig und besteht aus den Bundesgerichten ( federal jurisdiction)14 und der Gerichtsbarkeit der Einzelstaatengerichte (state court jurisdiction).15 Im Unterschied zum deutschen Instanzenzug bilden die Staaten- und Bundesgerichte in den USA jeweils einen in sich abgeschlossenen Gerichtszug.16 Ein Rechtsstreit durchläuft damit zunächst entweder die Staaten- oder die Bundesgerichtsbarkeit. Der US Supreme Court als oberstes Bundesgericht kann allerdings Entscheidungen der letztinstanzlichen state courts auf ihre Vereinbarkeit mit der amerikanischen Verfassung überprüfen, wenn die Streitigkeit eine bundesrechtliche Frage betrifft. Damit wird ein einheitliches common law entwickelt.17 2. Sachliche Zuständigkeit Ob die Gerichte des Bundes oder des jeweiligen Einzelstaates für eine Rechtsstreitigkeit zuständig sind, bestimmt die sog. subject matter jurisdiction. Diese ist vergleichbar mit der deutschen sachlichen Zuständigkeit.18 Grundsätzlich 12  Hay, US-amerikanisches Recht, Rn.  230; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  338; Weintraub, Conflict of Laws, S.  1. 13 Vgl. World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S.  286, 294 (1980): „system of interstate federalism“. 14  Die Bundesgerichtsbarkeit ist dreistufig gegliedert in einen Federal District Court in erster Instanz, einen Court of Appeal oder Circuit Court als Berufungsgericht und den US Supreme Court als oberste Revisionsinstanz. 15  Die Staatengerichte bestehen meist aus einem District Court, einem Court of Appeal und einem Supreme Court, zu Einzelheiten des Instanzenzuges vgl. die übersichtliche Darstellung bei Erichson, Civil Procedure, S.  2 ff. 16  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  14. 17 Zum Supreme Court als oberste Auslegungsinstanz der Staatengerichte vgl. 28 USC §  1257. 18  So auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  303; durch die Überschrift implizierend: Böhm, Amerik. Zivilprozessrecht, vor Rn.  199; an einer Vergleichbarkeit (ohne nähere Begründung) zweifelnd: Müller-Froelich, Gerichtsstand der Niederlassung, S.  254.

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

liegt die Zuständigkeit bei den Einzelstaaten,19 sofern auf Art. III §  2 der Bundesverfassung keine ausschließliche oder konkurrierende Bundeszuständigkeit gestützt wird. Im hier relevanten zivilrechtlichen Zusammenhang besteht eine ausschließliche Bundeszuständigkeit nur in Ausnahmefällen, etwa bei Streitigkeiten betreffend das Seerecht (28 USC §  1333) oder das Patent- und Urheberrecht (28 USC §  1338). In der Praxis von großer Bedeutung sind die konkurrierenden Zuständigkeiten. Neben den Kompetenztiteln im Kartellrecht (28 USC §  1337) und im Bundessteuerrecht (28 USC §  1340) eröffnen insbesondere die sog. federal question jurisdiction bei einem Anspruch aus einer bundesgesetzlichen Regelung (28 USC §  1331)20 und die diversity jurisdiction bei Parteien unterschiedlicher Staatenzugehörigkeit (28 USC §  1332)21 eine Zuständigkeit der Bundesgerichte.

III. Rechtsquellen 1. Kodifiziertes Prozessrecht Grundsätze des Bundesprozessrechts sind in der Bundesverfassung (US Constitution) normiert. Art. III der Verfassung regelt die Grundlagen der Gerichtsverfassung, worauf die Vorschriften des United States Code (USC), Titel 28 betreffend Judiciary and Judicial Procedure beruhen. Die Verfassung enthält zudem in Art. IV §  1 die für die Urteilsanerkennung bedeutende full faith and credit clause. Grundlage des Zuständigkeitsrechts ist seit der Supreme Court-Entscheidung Pennoyer v. Neff (1877)22 das verfassungsrechtliche due process-Gebot. Für die Bundesgerichte gilt in der Regel die due process clause des V. Verfassungszusatzes, nur für die Einzelstaaten und in diversity-Fällen ist die entsprechende Klausel des XIV. Verfassungszusatzes heranzuziehen.23 Dort heißt es etwas unscheinbar „nor shall any person […] be deprived of life, liberty, or property, without due process of law“ (V. Amendment) bzw. „nor shall any State 19  Insurance Corp. of Ireland v. Compagnie des Bauxites de Guinee, 456 U.S.  694, 701 (1982): „Federal courts are courts of limited jurisdiction“; Verlinden BV v. Central Bank of Nigeria, 461 U.S.  480, 491 (1983); vgl. Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  7 f.; Erichson, Civil Procedure, S.  5 f. 20  28 USC §  1331: „arising under this Constitution, the Laws of the United States, and Treaties […] under their Authority“. 21  Keine der Parteien darf aus demselben Bundesstaat stammen (complete diversity) bzw. bei ausländischen Parteien muss neben einem US-amerikanischen Beteiligten ein anderer nicht US-Staatsbürger stehen (alienage jurisdiction); zur höchst praxisrelevanten alienage jurisdiction: Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  20 ff. 22  95 U.S.  714 (1877); näher sogleich B. II. 23 Vgl. Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  13 f.; Schack, Einführung Rn.  27.

A.  Einführung in das US-amerikanische Gerichts- und Zuständigkeitssystem

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deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law“ (XIV. Amendment). Detaillierte Vorschriften zum bundesrechtlichen Zivilprozessrecht enthalten die Federal Rules of Civil Procedure (FRCP), die kraft des Rules Enabling Act im Jahre 1934 erlassen wurden und häufig vom Supreme Court auf Vorschlag der Judicial Conference of the United States geändert werden.24 Die Federal Rules wurden von vielen der Bundesstaaten rezipiert; so hat beispielsweise Arizona im Jahr 1940 als erster Bundesstaat die Regelungen nahezu identisch in seine Rules of Civil Procedure übernommen, wodurch bundesweit eine gewisse Vereinheitlichung bewirkt wird.25 2. Case law Das US-amerikanische Zuständigkeitsrecht beruht aber nicht primär auf Kodifikationen, sondern auf der richterlichen Rechtsfindung bzw. den Interdependenzen 26 zwischen Rechtsprechung und Gesetzgebung. Denn die USA gehören neben England zu einem der Hauptvertreter des common law, welchem der kontinentaleuropäische und lateinamerikanische Rechtskreis des civil law gegenübersteht.27 Von zentraler Bedeutung im common law-System ist die Bindung an Präjudizien (precedents), welche die doctrin of stare decisis formt und dabei weitaus komplexer und zugleich flexibler ist als die Gesetzesbindung des civil law.28 So liest man in der amerikanischen Literatur, die kluge Anwendung von Präjudizien sei mehr Kunst als Wissenschaft; man lerne ja auch nicht Fahrradfahren anhand eines Lehrbuches der Mechanik: „Skill in the use of precedent is more art than science. It is no easier […] than to learn to ride a bycicle by studying a textbook on mechanics […]“.29 24  Federal Rules of Civil Procedure, Fassung 2013; einführend etwa Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  7 ff.; Teply/Whitten, Civil Procedure, S.  35 ff. 25 Näher Schack, Einführung, Rn.  31, Junker, ZZP 101 (1988), 241, 258, 260, der jedoch auch darauf hinweist (S.  290), dass die – gemessen an Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft – drei größten Staaten der USA, namentlich Kalifornien, New York und Texas, die FRCP nicht rezipiert und stattdessen ihre eigene Prozessordung geschaffen haben. 26 Das statute law ist z.B. mit den FRCP stark im Vordringen; vgl. dazu Burnham, Legal System of the U.S., S.  72 f.; v. Mehren/Murray, Recht in den Vereinigten Staaten, S.  20. 27  Der Begriff common law hat mehrere Bedeutungen und meint 1. das allgemein geltende Recht Englands (common law) in Abgrenzung zum Billigkeitsrecht (equity), 2. das Richterrecht (common law) und 3. das von reisenden Richtern des königlichen Gerichts zu Westminster im Mittelalter gebildete Recht; vgl. dazu Blumenwitz, Einführung, S.  12; Böhm, Amerik. Zivilprozessrecht, Rn.  184; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S.  185. 28  Zu dieser Einschätzung gelangen: Bodenheimer/Oakley/Love, Anglo-American Legal System, S.  79. 29  Farnsworth, Legal System of the U.S., S.  59.

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

Die doctrin of stare decisis beruht auf zwei Grundsätzen. Nach dem Hierarchieprinzip (vertical stare decisis) ist das untere Gericht erstens verpflichtet, die in einem Präzedenzfall von einem ranghöheren Gericht entschiedene Rechtsfrage zu akzeptieren. Zweitens ist das Gericht an seine eigenen früheren Präzedenzfälle gebunden (horizontal stare decisis), was sich zwar nicht unmittelbar aus dem Verständnis des Richterrechts als primäre Rechtsquelle ergibt, aber nach amerikanischer Vorstellung aus Erwägungen der Gleichbehandlung, Vorhersehbarkeit und Effizienz folgt.30 Diese Bindungswirkung setzt voraus, dass es sich bei der zu entscheidenden Rechtsfrage um die tragenden Urteilsgründe der vorherigen Entscheidung, die sog. ratio decidendi oder holding, handelt. Die ratio decidendi ist der „tragende Grund der Entscheidung“31 sowie die „juristische Aussagekraft“ des Falles32 , die zum materiellen Recht beiträgt. Sie wird durch die einzelnen Streitpunkte (issues) des Falles fixiert, wozu eine genaue, für den kontinentaleuropäischen Juristen ungewohnte Sachverhaltsanalyse notwendig ist.33 Alle weiteren gerichtlichen Erläuterungen und Bemerkungen sind sog. obiter dicta und als solche nicht verbindlich (sog. persuasive precedents).34 Die Rechtsfindung und Rechtsfortbildung wird durch die fein entwickelte Technik der Differenzierung von Fällen, das sog. distinguishing, vorgenommen. Durch das Distinguieren von Fällen und Tatsachen soll ermittelt werden, welches Präjudiz mit dem Sachverhalt vergleichbar ist.35

IV. Örtliche Zuständigkeit (venue) Die Vorschriften der venue bestimmen, welches Gericht örtlich über einen Fall entscheidet.36 Während die interlokale bzw. internationale Zuständigkeit die gerichtliche Entscheidungsmacht betrifft, regelt die venue die räumliche Zuteilung der Parteien zu einem Gericht, ohne fundamentale Ordnungsprinzipien zu verfolgen.37 30  Burnham, Legal System of the U.S., S.  65; v. Mehren/Murray, Recht in den Vereinigten Staaten, S.  11 f. 31  Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S.  254. 32  Blumenwitz, Einführung, S.  52, der auf die Doppelnatur der ratio decidendi einerseits als Regel des konkret entschiedenen Falles (descriptive ratio) und andererseits als Norm für künftige Entscheidungen (prescriptive ratio) hinweist. 33  Diese Sachverhaltsanalyse darlegend Farnsworth, Legal System of the U.S., S.  63 f. 34 Vgl. Clark/Ansay, Law of the U.S., S.  18; v. Mehren/Murray, Recht in den Vereinigten Staaten, S.  14 f. 35  Blumenwitz, Einführung, S.  58 f.; Burnham, Legal System of the U.S., S.  69 ff. 36  Erichson, Civil Procedure, S.  6 4 f.; Freer, Civil Procedure, S.  251 f. 37  Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  458; Casad/Richman/Cox, Jurisdicti-

A.  Einführung in das US-amerikanische Gerichts- und Zuständigkeitssystem

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Örtliche Zuständigkeitsregelungen existieren auf einzelstaatlicher und bundesstaatlicher Ebene. Obwohl diese unterschiedlich ausgestaltet sind, lassen sich anhand der bundesrechtlichen Normierung in den 28 USC §§1391–1392 einige Charakteristika ausmachen.38 28 USC §  1391 (a), (b) (1) eröffnet die örtliche Zuständigkeit in dem Gerichtsbezirk, in welchem der Beklagte wohnt (resides), sofern alle Beklagten im selben Staat wohnhaft sind. Im Übrigen ist nach 28 USC §  1391 (b) (2) der Ort des anspruchsbegründenden Verhaltens bzw. der Lageort der streitgegenständlichen Sache maßgeblich. Hilfsweise ist nach 28 USC §  1391 (b) (3) das Gericht zuständig, welches die interlokale personal jurisdiction ausübt. Ausländische Parteien können allerdings gemäß 28 USC §  1391 (c) (3) in jedem district ohne weitere Einschränkung verklagt werden.

V. Internationale Zuständigkeit (territorial jurisdiction) Die Zweiteilung des Gerichtssystems bewirkt, dass jeder Bundesstaat seine Zuständigkeit in Abgrenzung zu den anderen Bundesstaaten selbst bestimmt (interlokale Zuständigkeit).39 Die US-amerikanische Rechtsprechung und Literatur legen bei Ermittlung der internationalen Zuständigkeit wie selbstverständlich den Prüfungsmaßstab der interlokalen Zuständigkeit an, meist ohne dies explizit herauszustellen.40 Die Regeln zur interlokalen Zuständigkeit werden also gewissermaßen auf die internationale Ebene übertragen.41 Das erklärt, warum in einer Vielzahl von Urteilen zur territorial jurisdiction der Sachverhalt ausschließlich inneramerikanische Bezüge aufweist. Die europäische Zuständigkeitsordnung der EuGVO grenzt mit ihren Regelungen zur internationalen Zuständigkeit hingegen primär die Kompetenzen der Gerichte verschiedener Staaten voneinander ab.42 on, S.  15 f.; Clermont, 66 Cornell L. Rev. 411, 448 ff. (1981); Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  11. 38 Vgl. Kane, Civil Procedure, S.  30 ff., die dem USC ähnliche Regelungen des (kalifornischen) Cal.Civ.Proc.Code heranzieht; speziell zu 28 USC §  1391 und §  1392 vgl. Freer, Civil Procedure, S.  256 ff. und Hay, in: Handbuch des US-amerikanischen Rechts, 8. Kapitel Rn.  101. 39 Vgl. Hartley, International Commercial Litigation, S.  152; Hricik, Civil Procedure, S.  56. 40  Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  81; Hay, RabelsZ 35 (1971), 429, 436, 444; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  370; Juenger, 28 U.C. Davis L. Rev. 1027, 1037 (1995). 41  Als Beschränkung der Zuständigkeit gilt immer die due process clause; vgl. hier nur Restatement (Third) Foreign Relations Law (1987), Chapter Two Introductory Note; v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1122 (1966); Schack, Einführung, Rn.  61. 42  Teilweise wird die örtliche Zuständigkeit expressis verbis (vgl. „vor den Gerichten die-

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

1. Jurisdiction in personam Zur Begründung der Gerichtspflichtigkeit natürlicher und juristischer Personen (in personam/personal jurisdiction) nimmt die Rechtsprechung eine Beklagtenperspektive ein. Mit der wegweisenden Entscheidung International Shoe v. Washington führte der Supreme Court im Jahr 1945 einen neuen Maßstab in die Zuständigkeitsprüfung ein. Er entschied, dass auch ein abwesender Beklagter im Gerichtsstaat verklagt werden kann, wenn er zuvor bestimmte Mindestkontakte (minimum contacts) zum Forum hergestellt hat.43 Infolge der International Shoe-Entscheidung begannen die Bundesstaaten mit dem Erlass von sog. long-arm statutes. Die Regelungen dienen dazu, die Öffnungsklausel der minimum contacts auszufüllen. Bildhaft gesprochen strecken die Einzelstaaten ihren langen Arm („long-arm“) nach den ausländischen Beklagten aus. Dabei gehen die einzelnen Gesetzgeber durchaus unterschiedlich vor. Die meisten listen nach dem Modell des ersten long-arm statute von Illinois aus dem Jahr 1955 detaillierte Zuständigkeitskataloge auf, die durchaus an europäische Regelungskonzepte erinnern und scherzhaft auch „laundry list“ approach genannt werden.44 Beispielsweise findet sich in New York eine dem Deliktsgerichtsstand des Art.  7 Nr.  2 EuGVO ähnliche Regelung, die eine Zuständigkeit für denjenigen Beklagten eröffnet, „(who) commits a tortious act within a state“.45 Andere Bundesstaaten hingegen dehnen ihre Zuständigkeit mit einer Generalklausel bis an die verfassungsrechtlich zulässige Schranke des due process aus. Beispielsweise lautet die Regelung Kaliforniens: „A court of this state may exercise jurisdiction on any basis not inconsistent with the Constitution of this state or the United States“.46 Je nach Ausgestaltung der long-arm statutes ist die Zuständigkeitsprüfung ein- oder zweistufig. Stellt ein Bundesstaat einen umfangreichen Zuständigkeitskatalog auf, ist zunächst das für den Sachverhalt einschlägige long-arm statute zu ermitteln und anzuwenden. Danach wird in einem zweiten Schritt untersucht, ob die Ausübung der Gerichtsbarkeit auf Grund des Gesetzes mit der due process clause zu vereinbaren ist, d. h. ob der auswärtige Beklagte im Einzelfall die erforderlichen minimum contacts hergestellt hat.47 Verweist das long-arm statute des Staates wie im kalifornischen Prozessrecht nur schlicht auf ses Mitgliedstaats“ in Art.  4 Abs.  1 EuGVO) mitgeregelt, dazu Linke/Hau, IZVR, Rn.  4.1 f.; vgl. für das dt. Recht auch Geimer, IZPR, Rn.  847. 43  International Shoe v. Washington, 326 U.S.  310, 316 (1945). 44  Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  82; zu den Katalogen Casad/Richman/ Cox, Jurisdiction, S.  442 ff., 445 ff.; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  375 f. 45  N.Y.C.P.L.R. §  302.2. 46  Cal.Civ.Pro.Code §  410.10. 47  Brand, 60 U. Pitt. L. Rev. 661, 669 f. (1999); Lejeune, RIW 1998, 8, 11.

A.  Einführung in das US-amerikanische Gerichts- und Zuständigkeitssystem

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die Verfassung, so fallen beide Schritte zusammen, weshalb dieser Ansatz als one-step approach bezeichnet wird. Maßgeblich ist hier also allein die verfassungsrechtliche Überprüfung.48 Die Bundesstaatengerichte legen oftmals aber die Einzelregelungen nach dem Muster von Illinois derart weit aus, dass dies faktisch einer einstufigen Prüfung am Maßstab der Verfassung entspricht.49 2. Jurisdiction in rem und quasi in rem Neben den häufig durchgeführten in personam-Verfahren kennt das US-amerikanische Prozessrecht zwei Belegenheitszuständigkeiten. Die jurisdiction in rem betrifft Klagen über die dingliche Berechtigung an beweglichen und unbeweglichen Sachen und wird durch die Belegenheit der Sache im Gerichtsstaat begründet. Darauf ergehende Entscheidungen entfalten im Unterschied zur jurisdiction in personam erga omnes-Wirkung, nicht bloß inter partes-Wirkung.50 Erfasst werden beispielsweise Klagen auf Beschlagnahme oder Eintragung (register title) von Grundeigentum oder erbrechtliche Klagen auf Teilung der Nachlassgegenstände.51 Davon zu unterscheiden sind actions quasi in rem über schuldrechtliche Ansprüche, die traditionell nicht mit dem beschlagnahmten Vermögen im Zusammenhang stehen müssen und wie die jurisdiction in personam nur die verfahrensbeteiligten Parteien binden.52 Dies rückt die jurisdiction quasi in rem in die Nähe des Vermögensgerichtsstandes des §  23 ZPO, mit dem Unterschied, dass die US-amerikanische Zuständigkeit auf den Wert der Sache beschränkt ist.53 3. Bundesgerichtliche Zuständigkeit Die internationale Zuständigkeit eines Bundesgerichts wird gem. Rule 4 (k) (1) (A) FRCP durch eine (ausnahmsweise zuständigkeitsbegründende54) KlagezuBorn/Rutledge, International Civil Litigation, S.  82 f.; Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  149. 49  Kritisch zur extensiven Anwendung der long-arm statutes: Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  448 f.; Schmidt-Brand, Long-Arm Statutes, S.  53 f. 50  Tyler v. Judges of the Court of Registration, 175 Mass. 71, 76 (1900); Restatement (Second) Judgments (1982), §  6 comment b; Weintraub, Conflict of Laws, S.  272. 51  Böhm, Amerik. Zivilprozessrecht, Rn.  241; Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  116 f. 52  Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  10; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  351. 53  Hay, in: Handbuch des US-amerikanischen Rechts, 8. Kapitel Rn.  68; Schack, Einführung, Rn.  65. 54 Der Supreme Court differenziert heute (anders als noch in der Pennoyer-Entscheidung mit der Zustellung als „symbolischem persönlichem Arrest“, dazu unten B II. 1)) zwischen 48 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

stellung eröffnet, wenn der Beklagte auch der Zuständigkeit eines Bundesstaatengerichts im jeweiligen district unterworfen werden könnte. Folglich „leihen“ sich die Bundesgerichte die long-arm statutes der Einzelstaaten und prüfen ebenso die einzelstaatliche Ermächtigungsgrundlage und die Grundsätze des due process. Mit wenigen Ausnahmen stehen Bundesgerichten damit dieselben Zuständigkeitsgründe wie den Einzelstaaten zur Verfügung.55 Sind die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht gegeben, etwa weil der Beklagte keine Mindestkontakte zum jeweiligen Bundesstaat hat, kann bei federal question jurisdiction eine Zuständigkeit nach Absatz 2 auch über das einzelstaatliche Recht hinausgehen und bis zum bundesverfassungsrechtlich zulässigem Maß eröffnet werden.56

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction I. Umstrukturierung des Zuständigkeitsrechts durch v. Mehren und Trautman Im Zuge des durch die International Shoe-Entscheidung57 eingeleiteten Umbruchs im US-amerikanischen Zuständigkeitsrecht entwickelten Arthur T. v. Mehren und Donald T. Trautman ein neues Konzept der internationalen Zuständigkeit, welches die zuständigkeitsrechtlichen Anknüpfungspunkte in eine sog. general und eine specific jurisdiction einteilt. Die Wissenschaftler formulierten ihr gemeinsames Konzept in dem Lehrbuch „The Law of Multistate Problems“ aus dem Jahr 1966 und publizierten dazu zeitgleich den berühmten Aufsatz „Jurisdiction to Adjudicate: A Suggested Analysis“58. v. Mehren vertiefte in den Folgejahren seine Forschungen zur internationalen Zuständigkeit.59 Bevor die Wechselwirkungen des wissenschaftlichen Konzeptes mit den Präjudizien personal jurisdiction und der Klagezustellung (notice and the opportunity to be heard), so Mullane v. Central Hanover Bank & Trust Co., 339 U.S.  306, 314 (1950); vgl. Freer, Civil Procedure, S.  136; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  380: „ with the Supreme Court’s decision […] personal jurisdiction and notice [are] clearly separated“. 55  Andere Zuständigkeiten sind ebenfalls in Rule 4 (k) FRCP normiert; zum Ganzen Clermont, Civil Procedure, S.  312 ff.; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  377. 56  Vorausgesetzt kein Staatengericht ist zuständig, vgl. Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  216. 57  326 U.S.  310 (1945). 58  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121 (1966). 59  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279 (1983); ders., in: FS Lalive (1993), S.  557 ff.; ders., Adjudicatory Authority, S.  24 ff.

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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des US Supreme Court untersucht werden, gilt es zunächst, die Thesen v. Mehrens und Trautmans zu analysieren. 1. Kritik am traditionellen Zuständigkeitskonzept Das Konzept der general und specific jurisdiction dient v. Mehren und Trautman dazu, die vom Supreme Court traditionell vertretene sog. Machttheorie (power theory) durch eine Fairnessanalyse zu ersetzen. Ursprünglich herrschte in den USA ein striktes territoriales Denken. Der Gerichtsgewalt unterlag gemäß der Entscheidung Pennoyer v. Neff nur, wer im Gerichtsstaat ständig oder auch nur vorübergehend anwesend war („found“), vor dem Gericht erschien („appear in court“) oder seinen Wohnsitz im Gerichtsstaat hatte („resident“).60 v. Mehren und Trautman kritisieren diese power theory als unzureichende Wertungsgrundlage eines Zuständigkeitssystems.61 So genüge zur Ergreifung der Gerichtsgewalt beispielsweise schon eine Klagezustellung während einer sehr kurzen Anwesenheit des Beklagten im Gerichtsstaat (sog. transient/tag jurisdiction62). Antiquiert ist ihrer Ansicht nach schon die der power theory entstammende Einteilung der Zuständigkeiten. Gemäß den jeweiligen Bezugsobjekten der Machtausübung wird herkömmlich die Zuständigkeit für Personen ( jurisdiction in personam) von der Zuständigkeit für Sachen ( jurisdiction in rem und jurisdiction quasi in rem) unterschieden.63 Eine Sache könne jedoch im Unterschied zu einer Person nur Objekt der Herrschaft sein. Während Verfahren in personam tatsächlich die Rechtsstellung einer Person regelten, beziehe sich die Begrifflichkeit in rem also nicht auf die „Rechte der Sache“, sondern vielmehr auf die Kompetenz des Gerichts, alle Rechte einer Person zur Herrschaft über eine bestimmte Sache verbindlich festzustellen.64 Dass die Zuständigkeit „über Sachen“ eine gewisse Fiktion beinhaltet, wird in der US-amerikanischen Rechtswissenschaft schon länger erkannt.65 v. Mehren und Trautman greifen einen Gedanken auf, der im Jahr 1900 von Justice Holmes wie folgt formuliert wurde: „All proceedings, like all rights, are really against persons […] Personification 60 

95 U.S.  714, 720 (1877). v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  653; dies., 79 Harv. L. Rev. 1121, 1165 f. (1966). 62 Vom Supreme Court in Burnham v. Superior Court of California, 495 U.S.  604 (1990) auch ohne weitere Kontakte zum Beklagten (minimum contacts) ausdrücklich für zulässig erklärt, dazu noch ausführlich B. II. 4. d). 63  Vgl. soeben die Einführung A. V. 1. und 2. 64  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1135 f. (1966). 65  Restatement (Second) Conflict of Laws (1971), Chapter 3 Topic 2 Introductory Note; Fraser, 34 Cornell L.Q. 29, 30 (1948); Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  350. 61 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

and naming the res as defendant are mere symbols, not the essential matter. They are fictions, conveniently expressing the nature of the process and the result; nothing more.“66 Die herkömmliche Dreiteilung verdeckt nach ihrer Meinung die der internationalen Zuständigkeit zugrunde liegende Interessenwertung67 und lenkt den Blick auf scheinbare Ähnlichkeiten der Zuständigkeitsbegründung. Beispielsweise könne man glauben, die Zuständigkeit quasi in rem werde analog derer in rem begründet,68 obwohl quasi in rem nur schuldrechtliche und gerade keine sachenrechtlichen Ansprüche betrifft. Zudem unterscheide sich die Reichweite der Urteilswirkung in erheblichem Maße, da bei Verfahren in rem die dingliche Berechtigung an einer Sache „against all the world“ festgestellt werde, Verfahren quasi in rem aber nur die beteiligten Parteien binde.69 2. Fairnessanalyse a) General jurisdiction versus specific jurisdiction Statt der bisherigen Dreiteilung empfehlen v. Mehren und Trautman die Zweiteilung bzw. Dichotomie von general und specific jurisdiction. Die general jurisdiction wird durch einen Kontakt der Person, deren Rechte durch die Klage beeinträchtigt werden, – meist der Beklagte – zum Forum begründet und erfasst alle Streitigkeiten der Parteien. Die specific jurisdiction besteht bezüglich einer bestimmten Streitsache, wenn die der Klage zugrunde liegenden oder mit ihr eng verbundenen Tatsachen („issues deriving from/arising out of, or connected with/related to the very controversy“) eine Beziehung zum Forum aufweisen.70 Die streitgegenstandsbezogene Zuständigkeitsbegründung wird von ihnen seit der International Shoe-Entscheidung des Supreme Court für zulässig erachtet.71 Die specific jurisdiction unterscheidet sich von einem Gerichtsstand der general jurisdiction durch eine fehlende Allzuständigkeit. Während unter der general Tyler v. Judges of the Court of Registration, 175 Mass. 71, 76 (1900). Hauptkritikpunkt v. Mehrens, vgl. dessen späteren Aufsatz, 63 B.U. L. Rev. 279, 286 (1983) und ders., Adjudicatory Authority, S.  24. 68  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1136 (1966); dies., Multistate Problems, S.  654. 69  Arndt v. Griggs, 134 U.S.  316, 326 (1890); zur (auch heute noch bestehenden) unterschiedlichen Urteilswirkung vgl. auch Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  116; Weintraub, Conflict of Laws, S.  272. 70  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1136, 1144 (1966) (jeweils mit unterschiedlicher Umschreibung); dies., Multistate Problems, S.  654; v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25. 71  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1147 (1966) mit Verweis auf 326 U.S.  310 (1945). 66  67 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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jurisdiction sämtliche Ansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht werden können, umfasst die specific jurisdiction nur forumsbezogene Ansprüche.72 v. Mehren fügt dem später eine Differenzierung nach dem frühestmöglichen Zeitpunkt der Zuständigkeitsanalyse hinzu. Weil für die general jurisdiction der Bezug des Beklagten zum Forum maßgeblich sei, könne dieser Gerichtsstand schon vor dem Entstehen der Streitigkeit (ex ante) ermittelt werden. Dazu diene ein allgemein formuliertes Kriterium wie beispielsweise der Wohnsitz (sog. group norm requirement), welches die dauerhafte Zuordnung des Beklagten zum Forum vornehme.73 Der streitgegenstandsbezogene Gerichtsstand der specific jurisdiction könne dagegen erst nach Entstehen der Streitigkeit (ex post) geprüft werden. Erforderlich sei hier eine spezifische Betrachtung der Gerichtspflichtigkeit einer Partei unter Zweckmäßigkeits- und Gerechtigkeitserwägungen, beispielsweise der mit dem Klagegrund in Zusammenhang stehenden Geschäftstätigkeiten im Forum (transacting business).74 Der Anwendungsbereich dieser neuen Einteilung wird durch v. Mehren und Trautman implizit auf die Gerichtspflichtigkeit von Personen, die sog. personal jurisdiction, beschränkt. Dingliche Klagen in rem betreffen stets das Streitobjekt und wären insofern als specific jurisdiction zu charakterisieren, zumal sie keinen starken Kontakt zum Beklagten im Sinne der Definition von general aufweisen. Die Zuständigkeit bestimmt sich aber ex ante wie die general jurisdiction nach dem Belegenheitsort. Daher können dingliche Klagen meines Erachtens keiner bestimmten Kategorie zugeordnet werden.75 b) Limited claims versus unlimited claims v. Mehren und Trautman nehmen eine weitere Unterteilung vor: Die am jeweiligen Gerichtsstand der general oder specific jurisdiction erhobenen Klagen können auf bestimmtes Vermögen beschränkt sein, sog. limited claims, oder sich unbeschränkt auf die gesamten Vermögenswerte des Schuldners beziehen,

v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  654. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25 (die zeitliche Differenzierung findet sich explizit erst dort, noch nicht im Aufsatz von v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121 (1966)) 74  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1147 (1966); das sog. transacting business, welches eine specific jurisdiction begründet, ist vom sog. doing business der general jurisdiction zu unterscheiden, dazu Weintraub, Conflict of Laws, S.  232 ff.; sowie später noch unter B. II.; zu den transacting business statutes auch Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  456 ff. 75  Die Autoren selbst stellen die Ausklammerung der jurisdiction im rem/over property leider nicht deutlich heraus; zur zuständigkeitsrechtlichen Anknüpfung dieser beiden Fallgruppen Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  214 ff. 72  73 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

sog. unlimited claims.76 Der Wohnsitz des Beklagten beispielsweise begründet eine unlimited general jurisdiction: Die Zuständigkeit ist general, weil der Klagegrund keine spezifische Verbindung zum Forum aufweisen muss, und unlimited, weil der Anspruch in voller Höhe zugesprochen werden kann, auch wenn der Beklagte im Forumstaat nicht über ausreichend Vermögen verfügt.77 Alle früheren Verfahren aufgrund jurisdiction in personam sind mithin als unlimited claims zu charakterisieren,78 weil sämtliche Ansprüche gegen eine Person einklagbar sind. Hingegen fällt die jurisdiction quasi in rem unter die Kategorie der limited general jurisdiction.79 Denn sie setzt zwar keinen spezifischen Bezug des Beklagten zum Forum voraus (general), wird jedoch wertmäßig auf den die Klage betreffenden Vermögensgegenstand beschränkt (limited). Im Unterschied zum Begriffspaar general/specific kommt der Differenzierung limited/un-limited bei der Begründung der Zuständigkeit allerdings keine wesentliche Bedeutung zu, diese erschöpft sich vielmehr in einer deskriptiven Umschreibung des Klageumfangs. c) Directly affiliating circumstances versus indirectly affiliating circumstances Den Kontakten des Beklagten sprechen v. Mehren und Trautman unterschiedliche Relevanz für die Zuständigkeitsprüfung zu, je nachdem ob es sich um general oder um specific jurisdiction handelt. Der Kontakt kann entweder direkt zur Person bestehen, sog. directly affiliating circumstances, oder über Handlungen der Person bzw. deren Vermögenswerte indirekt vermittelt werden, sog. indirectly affiliating circumstances.80 aa) General jurisdiction (1) Directly affiliating circumstances Die allgemeinen Gerichtsstände der general jurisdiction dienen nach Ansicht v. Mehrens und Trautmans Gerechtigkeitserwägungen, die nach einem für den Kläger vorhersehbaren und hinreichend bestimmten Gerichtsstand verlangen.81 Der Forumstaat habe zudem ein allgemeines Interesse daran, den mit ihm eng verbundenen Personen, deren Beziehung die general jurisdiction herstellt, eine v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1136 (1966). v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25. 78 Vgl. v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 286 (1983). 79 Vgl. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25. 80  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1136 f., 1139, 1145 f. (1966). 81  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  656; v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 311 (1983). 76 

77 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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Klagemöglichkeit zuteil werden zu lassen.82 Daher bewerten sie den direkten Kontakt (directly affiliating circumstance) des Wohnsitzes (domicile oder residence) als interessengerechten Anknüpfungspunkt.83 Er sei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit (nationality) vorzuziehen, weil ökonomisch-soziale Verflechtungen eine stärkere Zugehörigkeit vermittelten als politische.84 Ausreichend fair als direkter Anknüpfungspunkt soll zudem die Prorogation durch die Parteien (consent) sein, jedenfalls sofern das Gericht die Vereinbarung auf Willensmängeln überprüft.85 Dagegen betrachten sie den kurzzeitigen Aufenthalt im Forumstaat (tag jurisdiction) trotz der direkten Vermittlung des Kontaktes über die Person unter Fairnessaspekten nicht als hinreichende Beziehung. Er sei allenfalls wegen seiner historischen Verwurzelung im anglo-amerikanischen Recht berechtigt sowie wegen der Indizwirkung für weitere Kontakte, beispielsweise für das Vorhandensein von Zeugen.86 (2) Indirectly affiliating circumstances Indirekte Kontakte seien die Grundlage der limited jurisdiction, d. h. der bisherigen jurisdiction quasi in rem, weil hier der Beklagte nur über die im Forum belegenen Gegenstände gerichtspflichtig werde.87 Dieser Umstand erzeuge Unstimmigkeiten, wenn keine körperliche Sache, sondern wie in der Entscheidung Harris v. Balk88 eine Forderung den Gegenstand der Klage bilde.89 In diesem Fall pfändete ein Gläubiger die Forderung gegen einen Drittschuldner (Harris), als der Drittschuldner von seinem Heimatort in North Carolina nach Maryland reiste, wo der Gläubiger lebte. Der Supreme Court entschied, dass die Schuld des Harris gewissermaßen mit ihm an den aktuellen Aufenthaltsort reiste und ließ diesen Vermögenszugriff als Zuständigkeitsbegründung in Maryland genügen.90 v. Mehren und Trautman kritisieren die damit einhergehende Ausdehnung der Zuständigkeit, weil in der Vermögensbelegenheit keine Forumsbezie-

v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  654. v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1137 (1966); auch v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 288 (1983). 84  v. Mehren, in: FS Lalive (1993), S.  557, 560. 85  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1138 (1966). 86  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1137 f., 1164 (1966). 87  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1139 (1966). 88  198 U.S.  215 (1905). 89  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1140 (1966); v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 292 f. (1983). 90  198 U.S.  215, 222 (1905); zum Fall auch Hay, JZ 1977, 697, 699; v. Mehren/Murray, Recht in den Vereinigten Staaten, S.  319. 82  83 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

hung des Beklagten zum Ausdruck komme. Sie fordern vom Supreme Court daher die Aufgabe von general jurisdiction qua Vermögensfiktionen.91 bb) Specific jurisdiction Die wachsende Mobilität und der wirtschaftliche Aufschwung führten in der Nachkriegszeit zu einem Umdenken im US-amerikanischen conflict of laws, wo der Ruf nach einem functional approach laut wurde.92 Ganz im Zeichen des Strebens nach mehr Einzelfallgerechtigkeit steht die Forderung v. Mehrens und Trautmans nach einer streitgegenstandsbezogenen Gerichtszuständigkeit, welche unter Abwägung verschiedener Faktoren ermittelt wird. (1) Directly affiliating circumstances Die specific jurisdiction beruht nur in Ausnahmefällen auf den directly affiliating circumstances einer Prozesspartei. v. Mehren und Trautman verweisen darauf, dass in Statusangelegenheit die Nationalität des Beklagten als Anknüpfungspunkt herangezogen wird.93 Im Fall Blackmer v. United States94 verpflichtete der Supreme Court einen in Europa wohnhaften US-amerikanischen Staatsangehörigen aufgrund seiner allgemeinen Treuepflicht zur Rückkehr in die Vereinigten Staaten, um in einem Strafprozess Zeugnis abzulegen. In Ehesachen gilt als zuständigkeitsbegründender Anknüpfungspunkt grundsätzlich der Wohnsitz des Beklagten (domicile), für nacheheliche Unterhaltsansprüche soll aber auch ihrer Ansicht nach insbesondere der Wohnsitz des Unterhaltsgläubigers maßgeblich sein.95 (2) Indirectly affiliating circumstances Die grundlegende Neuerung v. Mehrens und Trautmans besteht in der Anknüpfung von specific jurisdiction an die indirekten Kontakte (indirectly affiliating circumstances). Der indirekte Kontakt wird hergestellt durch eine Tätigkeit des Beklagten im Forum, die einen Bezug zum Klagegegenstand aufweisen muss.96 91  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1140, 1164 f. (1966); moderater noch dies., Multistate Problems, S.  657, 687, 694 f. 92 Vgl. v. Bar/Mankowski, IPR I, §  6 Rn.  81 ff.; Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  85 f.; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  27 ff. 93  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1145 (1966). 94  284 U.S.  421 (1932). 95  Im Anschluss an die Entscheidungen Haddock v. Haddock, 201 U.S.  562 (1906) und Vanderbilt v. Vanderbilt, 354 U.S.  416 (1957), dazu v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1145 f. (1966), dies., Multistate Problems, S.  703 ff. 96  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  707.

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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Ist die Tätigkeit von dauerhafter Natur (continuous relationship), so wird die erforderliche Intensität eines Kontaktes in der Regel erreicht97. Im Mittelpunkt dieser Fallgruppe stehen wirtschaftliche Aktivitäten, die allgemein als sog. doing business bekannt sind und in Abgrenzung zum general doing business heute meist transacting business genannt werden.98 Als Leitentscheidung zum transacting business führen v. Mehren und Trautman die Supreme Court-Entscheidung Henry L. Doherty & Co. v. Goodman an, der eine Streitigkeit um den Verkauf von Wertpapieren in Iowa zugrunde lag. Weil der auswärtige Verkäufer in Iowa ein Büro eröffnete („there carried on business“), bejahte das Gericht seine Zuständigkeit und stellte maßgeblich auf die streitgegenständliche Aktivität des Beklagten ab.99 Diese Entscheidung ist nach Auffassung v. Mehrens und Trautmans zu begrüßen.100 Die Tätigkeit des Beklagten kann aber in anderen Fällen auch nur in einer einzelnen Handlung (isolated events or transactions)101 bestehen. Der Rechtsfortbildung in diesem Bereich, die mit der International Shoe-Entscheidung begonnen hatte, geben v. Mehren und Trautman weitere Impulse. Sie analysieren, dass die Gerichte zunehmend geringere Anforderungen an die Qualität der Handlung des Beklagten stellen, jedoch keinen einheitlichen Prüfungsmaßstab anlegen.102 Als eines von vielen Beispielen dient ihnen die Entscheidung Gray v. American Radiator & Standard Sanitary Corp103. Eine Frau aus Illinois klagte auf Produkthaftung, weil sie durch die Explosion eines Wasserboilers verletzt worden war. Den Defekt des Wasserboilers verursachte ein schadhaftes Ventil, das von der beklagten Gesellschaft in Ohio gefertigt und durch den Hersteller des Wasserboilers in Pennsylvania eingebaut wurde. Der Supreme Court von Illinois subsumierte zunächst den Erfolgsort der Verletzungshandlung unter das long-arm statute von Illinois, das eine Zuständigkeit bei einer „commission of a tortious act within this state“ vorsieht104 (1. Prüfungsschritt105). Bei der anschließenden due process-Prüfung (2. Prüfungsschritt) wog das Gericht die Gerichtspflichtigkeit der Gesellschaft an dem Ort des Schadenseintritts mit der v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1147 f. (1966). aus dem deutschen Schrifttum bereits Müller-Froelich, Gerichtsstand der Niederlassung, S.  283; Schmidt-Brand, Long-Arm Statutes, S.  62 ff. 99  294 U.S.  623, 627 f. (1935). 100  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1147 (1966); dies., Multistate Problems, S.  710. 101  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1147 ff. (1966). 102  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1148–1152 (1966); dies., Multistate Problems, S.  711–723. 103  176 N.E. 2d 761 (1961). 104  176 N.E. 2d 761, 762 f. (1961) betreffend Ill.Rev.Stat. ch. 110, §  17 (1) (b) (1959). 105  Zur zweistufigen Zuständigkeitsprüfung s. A. V. 1. 97 

98  Dazu

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Gewinnerzielung durch das Produkt auf, weil der Forumstaat zum Absatzgebiet des Produktes gehörte.106 Diese Entscheidung wirft für v. Mehren und Trautman die Frage auf, welche Qualität die Handlung des Beklagten zusätzlich zum Erfolgseintritt im Forumstaat haben muss, ob etwa an das Inverkehrbringen des Produktes allgemein angeknüpft wird oder ob irgendein bzw. ein bestimmter Schadenseintritt vorhersehbar sein muss.107 Das Ergebnis ihrer Untersuchungen fassen sie wie folgt zusammen: „We suggest that the explanation lies in the multistate character of the defendant’s activity giving rise to the underlying controversy, as compared with the localized nature of the plaintiff’s.“108

Ausgehend von der Prämisse, dass sich national bzw. überregional agierende Beklagte (multistate defendants) wegen ihrer wirtschaftlichen und strukturellen Überlegenheit besser im Forum des Klägers verteidigen können als umgekehrt lokal ansässige Beklagte (localized defendants) am Wohnsitz des Klägers, soll in erster Linie die räumliche Reichweite der Aktivitäten einer Partei entscheidend sein. Agiert der Beklagte überregional (multistate), der Kläger aber nur lokal (localized), wird von ihnen ein Gerichtsstand des Klägers an dessen Wohnsitz eröffnet (Fall 1).109 Übertragen auf den Ausgangsfall würden sie mithin dem durch den Wasserboiler geschädigten Opfer eine Zuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates eröffnen, ohne generell einen bestimmten Ort als Deliktsgerichtsstand festzulegen. Die Anwendung des neuen Prüfungsmaßstabes demonstrieren v. Mehren und Trautman anhand weiterer Produkthaftungsfälle,110 die letztlich alle ähnlich gelagert sind und durch den Verkauf des Produkts im Forumstaat nur einen singulären bzw. schwachen sachlichen Bezug des Beklagten zum Forum aufweisen. Eine specific jurisdiction ist dabei stets am Wohnsitz des Klägers gegeben, wenn dieser ein „einfacher Bürger“ ist („presumably lead highly localized lives“) und die wirtschaftlichen Tätigkeiten des überregional agierenden Herstellers den Schaden verursachten („while the defendant’s commercial involvement in multistate activity has led, although the chain of circumstances 106 

176 N.E. 2d 761, 766 (1961). v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1151 f., 1168 (1966); dies., Multistate Problems, S.  719. 108  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1167 (1966). 109  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1167 f. (1966), in Fall 1 wird folglich der Grundsatz des actor sequitur forum rei umgekehrt: („reversing the jurisdictional preference traditionally accorded defendants“), dazu vertiefend Teil 1 D. 110  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1169–1173 (1966). 107 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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is long, to an intrusion in plaintiff’s affairs“).111 Die Vorhersehbarkeit des ­Schadens für den Hersteller wird als weitere Voraussetzung ausdrücklich abgelehnt, es genüge die Erkennbarkeit eines Schadens von Zeit zu Zeit an irgendeinem Ort.112 Weil dieser Nachweis in vielen Fällen leicht zu führen sein dürfte, ist er für die Zuständigkeitsprüfung aber meines Erachtens kaum von Bedeutung. Diese Konstellation erweitert v. Mehren in späteren Werken auf die Fälle, dass beide Parteien als überregional agierend (multistate) zu charakterisieren sind (Fall 2), beide Parteien ihre Aktivitäten auf das Forum beschränken bzw. dort „ortsansässig“113 sind (localized) (Fall 3) oder der Kläger multistate und der Beklagte localized ist (Fall 4). In diesen Situationen nehme das Interesse des Klägers an einem Gerichtsstand an seinem eigenen Wohnsitz kontinuierlich ab, weil sich das prozessuale Ungleichgewicht umkehre und die strukturelle Unterlegenheit des Klägers schwinde.114 Je mehr die strukturelle Unterlegenheit des Klägers schwinde, desto stärker seien auf zweiter Stufe die Umstände des Einzelfalles einzubeziehen, insbesondere prozessuale Erwägungen (litigational considerations).115 Nach der Beziehung der Parteien zum Forum auf erster Stufe sei daher zusätzlich der Bezug der konkreten Streitigkeit zum Forum zu bewerten. Die Zuständigkeit richtet sich dabei an der Sach- und Beweisnähe des Gerichts aus, bezogen auf die konkrete Klage. Liege beispielsweise der Handlungs- oder Erfolgsort einer unerlaubten Handlung in einem Staat, den die Stellung der Parteien nicht als Forum indiziert, könne die Beschwerlichkeit der Beweisführung für das ausländische Forum sprechen. Solche Erwägungen seien aber in der Regel nicht entscheidungserheblich („should not be of decisive importance“), weil der Beweis- und Sachnähe in einer globalen und vernetzten Welt nur geringe Relevanz zukomme.116 Auf dritter Stufe sind schließlich die Staatsinteressen des Forumstaates zu berücksichtigen, insbesondere wenn ein besonderes Bedürfnis an der Durchsetzung einer Rechtsnorm bestehe oder bei Schwierigkeiten der Ermittlung des

111  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1171 (1966) zur Entscheidung Feathers v. McLucas, 15 N.Y.2d 443 (1965); sowie S.  1172 zu Singer v. Walker, 15 N.Y.2d 443 (1965). 112  v. Mehren/Trautman., 79 Harv. L. Rev. 1121, 1171 (1966). 113  Eine Übersetzung des Adjektivs „localized“ fällt schwer, da v. Mehren/Trautman nicht den technische Begriff des Wohnsitzes (domicile) anführen, für natürliche Personen also wohl eher der Lebensmittelpunkt gemeint ist. 114  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 288, 314 (1983); ders., in: FS Lalive (1993), S.  557, 562. 115 Die litigational considerations finden sich schon bei v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1168 f. (1966). 116  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 289, 322 (1983).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

anwendbaren Rechts, wie in den Fällen eines sog. true conflicts.117 Richtungsweisend ist aber letztlich wohl immer die „prozessuale Leistungsfähigkeit“ der Parteien. d) Zwischenergebnis v. Mehren und Trautman führen eine Fairnessprüfung der internationalen Zuständigkeit im Rahmen einer streitgegenstandsbezogenen Zuständigkeit (specific jurisdiction) ein, welche die traditionellen Gerichtsstände der sog. general jurisdiction weitgehend ersetzen soll. Die durch v. Mehren fortentwickelte specific jurisdiction bewertet die wirtschaftliche und prozessuale Leistungsfähigkeit der Parteien, insbesondere in Fällen singulärer oder schwacher Kontakte des Beklagten zum Forum (isolated events or transactions). Dazu sind die Parteien in Bezug auf die konkrete Streitigkeit als multistate oder localized zu charakterisieren. Weitere Fairnesserwägungen (litigational considerations) sind von sekundärer Bedeutung. Der Streitgegenstandsbezug der specific jurisdiction dient mithin der Abgrenzung zur general jurisdiction und beschränkt die Kognitionsbefugnis des Gerichts auf den vorgetragenen Streitgegenstand.118 In der zuständigkeitsrechtlichen Anknüpfung setzt sich die Sachbezogenheit indes nicht gegenüber der personell-prozessualen Betrachtung durch.

II. Die Entwicklung der general und specific jurisdiction durch den US Supreme Court im Vergleich zum Konzept v. Mehrens (und Trautmans) Nachdem die erste Analyse der Lehren v. Mehrens und Trautmans deren kritische Ausrichtung an der Rechtsprechung aufgezeigt hat, ist den Ursprüngen von general und specific jurisdiction in den Leitentscheidungen des US Supreme Court nachzugehen. Ziel der Untersuchung ist es, einen Vergleich zwischen den einzelnen Voraussetzungen und Leitgedanken der Zuständigkeitsbegründung zu ziehen. Dazu ist auch der Einfluss des wissenschaftlichen Konzeptes auf den Supreme Court zu erforschen, dessen Rechtsfortbildung durch das case law bis heute eine interessante Korrelation zu v. Mehren und Trautman offenbart.

v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 289 (1983); zum true conflict und den IPR-rechtlichen Lehren v. Mehrens s. Teil 1 E. 118  Zum Streitgegenstand im US-amerikanischen Rechts noch unten B. III. 1. 117 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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1. Pennoyer v. Neff (1877): traditionelle Gerichtsstände der general jurisdiction a) Die Leitentscheidung Pennoyer v. Neff: power theory und das Gebot des due process Das am due process-Gebot ausgerichtete Zuständigkeitsrecht des Supreme Court findet seinen Ursprung in der Grundsatzentscheidung Pennoyer v. Neff aus dem Jahre 1877. Die Entscheidung befasste sich mit einer Vollstreckung eines Versäumnisurteils in ein Grundstück in Oregon, welches im Vollstreckungsverfahren vom Käufer Pennoyer erworben worden war. Der in Kalifornien wohnhafte Eigentümer Neff forderte sein Grundstück zurück und griff die Vollstreckung an, weil das zugrunde liegende Versäumnisurteil mangels Zuständigkeit des Gerichts unwirksam sei.119 Der Supreme Court entschied, dass personal jurisdiction über einen auswärtigen Beklagten (non resident) nicht wie geschehen durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen darf, sondern eine Zustellung an den im Gerichtsstaat anwesenden Beklagten notwendig ist.120 Die internationale Zuständigkeit des Staatsgerichts war Voraussetzung für die Anerkennung der Entscheidung durch das Bundesgericht nach der full faith and credit clause.121 Seine Begründung stützte das Gericht auf zwei Prinzipien, die v. Mehren als sog. power theory bezeichnet.122 Zum einen verfüge jeder Staat über die ausschließliche Zuständigkeit und Souveränität über Personen und Sachen innerhalb seines Territoriums. Zum anderen könne kein Staat eine direkte Zuständigkeit und Autorität über Personen und Sachen außerhalb seines Hoheitsgebietes ausüben.123 Damit wurden die völkerrechtlichen Prinzipien der Personal- und Gebietshoheit in den Zivilprozess eingeführt.124 Die Hoheitsgewalt der Einzelstaaten erstreckte sich mithin nur auf die persönlich im Staatsgebiet Anwesenden oder das dort belegene Vermögen. Die Grundlage der personal jurisdiction bildete also die Anwesenheit (presence) einer Person, die der jurisdiction in rem und quasi in rem eine Vermögensbele-

119 

95 U.S.  714, 719 f. (1877). 95 U.S.  714, 720 ff. (1877). 121  95 U.S.  714, 729 (1877); die Entscheidung bezog sich damit in erster Linie auf die full faith and credit clause, der Bezug zur due process clause wurde erst im dictum hergestellt, dazu Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  343 f. 122  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  86; ders., 63 B.U. L. Rev. 279, 285 ff., 300 ff. (1983); s. B I. 1); ähnlich Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  76: „power principle“. 123  95 U.S.  714, 722 (1877). 124  Vgl. auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  313. 120 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

genheit.125 Die physische Anwesenheit ist der älteste Zuständigkeitsgrund im common law und wurzelt im altenglischen Recht, wo ein Gerichtsprozess durch einen Arrest des Beklagten mit einem Gerichtsbefehl capias ad respondendum eingeleitet wurde.126 Darüber hinaus bestätigte die Entscheidung zwei weitere „traditional bases of personal jurisdiction“. Ist der Beklagte vorübergehend im Gerichtsstaat abwesend, so begründe sein Wohnsitz (residence/domicile) wegen der damit vermittelten Zugehörigkeit zum Territorium die Zuständigkeit.127 Außerdem entstehe eine Gerichtszuständigkeit, wenn der Beklagte statt im Hoheitsgebiet zumindest vor dem erkennenden Gericht anwesend sei.128 Sie umfasst die rügelose Einlassung des Beklagten durch ein Erscheinen vor Gericht (general appearance) sowie eine Zustimmung zur Klage, die ausdrücklich auch schon vor Klageerhebung erteilt werden kann (consent) und oftmals in einer Vertragsklausel, der sog. cognovit clause,129 enthalten ist.130 Von der einseitigen oder vereinbarten Zustimmung im Sinne einer reinen Prorogation (contractual consent) ist im heutigen Recht die exklusive Gerichtsstandsvereinbarung ( forum selection clause) zu unterscheiden, wie sie das common law nur zögerlich akzeptierte. Diese reicht in ihren Rechtsfolgen weiter und verbietet den Parteien auch eine Klageerhebung an einem anderen Forum, wobei die Derogationswirkung nicht als verfassungsrechtliche Frage behandelt wird.131 Schließlich besteht nach der Aussage des Gerichts neben den drei traditionellen Gerichtsständen eine gesonderte Anknüpfung bei Statusangelegenheiten, zu denen auch nach US-amerikanischem Recht Ehesachen zählen. Diese Angelegenheiten gelten nicht als Verfahren in personam, sondern als Verfahren in rem und betrachten beispielsweise die Ehe als sachbezogenen Streitgegenstand („thing of marriage“).132 125  So auch die Auslegung durch Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1003 (2012); Hay, JZ 1977, 697. 126 Dazu Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  77; Welp, Internationale Zuständigkeit, S.  26 f. 127  95 U.S.  714, 720 (1877): hier spricht der Supreme Court noch von „residence“, wohingegen er die Zuständigkeit in der späteren Entscheidung Milliken v. Meyer, 311 U.S.  457 (1940) auf das „domicile“ stützte, welches wohl auch gemeint ist, vgl. Freer, Civil Procedure, S.  60. 128  95 U.S.  714, 720 (1877). 129  Darin ermächtigt der Schuldner den Anwalt des Klägers, ein Anerkenntnisurteil zugunsten des Klägers ohne Benachrichtigung des Schuldners herbeizuführen; zur rechtlichen Zulässigkeit und zum vorprozessualen Klageverzicht: Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  107; Weintraub, Conflict of Laws, S.  152 f., 227 f. 130  Borchers, 40 Am. J. Comp. L., 121, 124 (1992); Freer, Civil Procedure, S.  60. 131  Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  49, 143; Erichson, Civil Procedure, S.  51 f. 132  95 U.S.  714, 734 (1877); vgl. Clermont, Civil Procedure, S.  293; Freer, Civil Procedure, S.  63.

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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Das aus dem Souveränitätsgedanken abgeleitete Anwesenheitskriterium verknüpfte der Supreme Court sodann mit der due process clause des XIV. Verfassungszusatzes.133 Ergreift ein Gericht also seine Zuständigkeit ohne zulässige Grundlage, handelte es immer verfassungswidrig.134 Die drei traditionellen Gerichtsstände der Anwesenheit (presence), des Wohnsitzes (residence/domicile) und der Zustimmung (appearance/consent) sind als general jurisdiction im Sinne der Dichotomie v. Mehrens und Trautmans einzuordnen, da sie durch einen Kontakt des Beklagten zum Forum begründet werden und eine Zuständigkeit ex ante unabhängig von der konkreten Streitsache ermittelt werden kann.135 Weil die Gerichte ihre Zuständigkeit nur unter dem Aspekt der Souveränität ermittelten, hatten sie von Natur aus nur die Beziehung zum Beklagten und nicht die Eigenart der Streitsache in den Blick genommen. Eine Differenzierung zwischen allgemeinen und streitgegenstandsbezogenen Zuständigkeiten war ihnen fremd. Im 19. Jahrhundert waren die Parteien oftmals im Forumstaat anzutreffen und hatten nur selten Anlass, ihren Heimatstaat zu verlassen, sodass die traditionellen Zuständigkeitsgründe ausreichten.136 Selbstverständlich fehlte den Gerichten dabei das Bewusstsein, general jurisdiction auszuüben.137 Eine streitgegenstandsbezogene Betrachtung im weitesten Sinne erfolgte ausnahmsweise in Statusangelegenheiten,138 welche die Pennoyer-Rechtsprechung wie erwähnt ausklammert. Die Anknüpfung erfolgt hier bezogen auf den Klagegrund, so wirkt bei einem Scheidungsverfahren beispielsweise der Wohnsitz des Ehepartners zuständigkeitsbegründend. b) Kritik v. Mehrens/Trautmans an der Ausdehnung von general jurisdiction Im Zeitalter der Industrialisierung und mit wachsender Mobilität der Gesellschaft büßte das Konzept der general jurisdiction seine Tragfähigkeit ein. Hier findet die Kritik durch v. Mehren und Trautman ihren Ausgangspunkt. Das traditionelle Zuständigkeitskonzept rügen sie zum einen wegen seiner exorbitanten Gerichtsstände.139 Dem schließen sich bis heute viele Stimmen aus

133 

95 U.S.  714, 733 (1877). Freer, Civil Procedure, S.  57; Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  104; Hay/ Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  344. 135  Vgl. zur Definition von general jurisdiction oben B. I 2. a), c) aa); im Ergebnis auch Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  109; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  315. 136 Vgl. Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  345. 137  Dies betont Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 615 (1988). 138  So auch Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1003 (2012). 139  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  653; s. B. I. 1. 134 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

Europa an.140 Im Mittelpunkt der Kritik steht die bereits erwähnte Zuständigkeitsbegründung durch Zustellung einer Klageschrift während eines sehr kurzen Aufenthalts im Gerichtsstaat (transient/tag jurisdiction), die während einer Autofahrt durch den Bundesstaat oder beim Überfliegen des Territoriums mit dem Flugzeug erfolgen kann.141 Die Entscheidung Grace v. MacArthur erlaubte beispielsweise, dass dem Beklagten die Klageschrift während eines nonstop-Fluges von Memphis, Tennessee, nach Dallas, Texas, in dem Moment zugestellt wurde, als das Flugzeug den Gerichtsstaat Arkansas überflog.142 Auch die quasi in rem jurisdiction nahm im Anschluss an die Entscheidung Harris v. Balk143 exorbitante Züge an. Nach der sog. Seider-Doktrin konnte die quasi in rem-Zuständigkeit auf den Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen seine Haftpflichtversicherung gestützt werden, womit der Versicherungsnehmer an jedem Ort gerichtspflichtig war, wo seine Versicherung Geschäfte tätigt, faktisch also meist überall in den Vereinigten Staaten.144 Analog zum Zugriff auf die Zweitforderung gemäß Harris v. Balk erlaubte die Seider-Doktrin folglich einen Zugriff auf den Freistellungsanspruch an einem fingierten Belegenheitsort. Darin bestätigt sich folglich die erwähnte Ausdehnung der general jurisdiction. Auf der anderen Seite kritisieren v. Mehren und Trautman die engen Grenzen des Territorialitätsprinzips.145 Neben den nonresident motorist statutes, welche die Gerichtspflichtigkeit auswärtiger Autofahrer über eine Einwilligung durch Benutzung der staatlichen Autobahnen fingierten,146 wird die Begrenztheit des Konzepts besonders bei der personal jurisdiction über auswärtige Gesellschaften deutlich. Anfang des 19. Jahrhunderts herrschte noch die Auffassung vor, Gesellschaften seien fiktiv geschaffene Rechtsgebilde, hätten keine den natürli-

140  Grothe, RabelsZ 58 (1994), 686, 699; Otte, IPRax 1991, 263, 267; Schmidt-Brand, Long-Arm Statutes, S.  27; Schütze, RIW 2004, 162, 164. 141  Peabody v. Hamilton, 106 Mass. 217 (1870); Grace v. Mac Arthur, 170 f. Supp.  4 42 (E.D. Ark. 1959); zu beiden Entscheidungen kritisch v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 291 f. (1983); ders., Adjudicatory Authority, S.  86 ff. 142  170 f.Supp.  4 42 (E.D. Ark. 1959). 143  198 U.S.  215 (1905); dazu v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1140 f. (1966); vgl. oben B. I. 2. c) aa) (2). 144  Grundlegend Seider v. Roth, 216 N.E.2d 312 (1966), für verfassungswidrig erklärt in Rush v. Savchuk, 444 U.S.  320 (1980); dazu v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 295 f. (1983); ders., Adjudicatory Authority, S.  88 ff., sowie Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  317. 145  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  653; dies., 79 Harv. L. Rev. 1121, 1166 ff. (1966), s. B. I. 1. 146  Hess v. Pawloski, 274 U.S.  352 (1927); dazu v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1167 f. (1966).

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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chen Personen vergleichbare Rechtspersönlichkeit und lebten nur von der Macht der Einzelstaaten. Entsprechend führte der Supreme Court aus: „It is very true, that a corporation can have no legal existence out of the boundaries of the sovereignty by which it is created. It exists only in contemplation of law, and by force of the law […]“147

Wegen dieses Territorialitätsprinzips konnten Gesellschaften rechtswirksame Handlungen nur in ihrem Gründungsstaat vornehmen und nur dort verklagt werden. Daher wurde eine Zuständigkeit für auswärtige Gesellschaften erst im Laufe der Zeit begründet, als die Gerichte eine implizierte Zustimmung (implied consent) ähnlich den nonresident motorist statutes heranzogen. Sie argumentierten, ein Staat könne einer auswärtigen Gesellschaft die Geschäftstätigkeit (doing business) auf seinem Territorium verbieten. Als Minus zu einem vollständigen Verbot müsse es dem Staat erst recht erlaubt sein, eine Geschäftstätigkeit unter der Bedingung zu genehmigen, dass die Gesellschaft ihre Zustimmung zur Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit (consent) erteilt und einen Zustellungsbevollmächtigten ernennt. Versäumte die Gesellschaft eine ausdrückliche Zustimmung, so wurde diese fingiert, sofern eine geschäftliche Tätigkeit im Forumstaat vorlag.148 Diese Legalfiktionen erklären die Kritik der methodischen Enge durch v. Mehren und Trautman. c) Erste Formen von specific jurisdiction Das Gerüst des implied consent bröckelte, als der Supreme Court Anfang des 20. Jahrhunderts aus der sog. commerce clause der Verfassung das Verbot herleitete, den Gesellschaften weiterhin ihre wirtschaftliche Betätigung in anderen Staaten zu untersagen.149 Wohl deshalb gingen die Gericht zunehmend von einer Einwilligungsfiktion auf eine Anwesenheitsfiktion über.150 Eine Gesellschaft galt fortan an jedem Ort als anwesend (present), wo sie Geschäfte betrieb (doing business).151 Trotz des Widerspruchs zur ursprünglichen These, dass eine Gesellschaft außerhalb ihres Gründungsstaates nicht ohne Weiteres existieren

147  Bank of Augusta v. Earle, 38 U.S.  519, 588 (1839); dazu Kurland, 25 U. Chi. L. Rev. 569, 578 (1958); Welp, Internationale Zuständigkeit, S.  35. 148  Lafayette Ins. Co. v. French, 59 U.S.  404, 407 f. (1855); Railroad Co. v. Harris, 79 U.S.  65, 81 (1870); dazu Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1004 (2012); Casad/Richman/ Cox, Jurisdiction, S.  82; Schmidt-Brand, Long-Arm Statutes, S.  33 f. 149  International Textbook Co. v. Prigg, 217 U.S.  91 (1910). 150  Freer, Civil Procedure, S.  69; Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  84 insb. Fn.  42; dazu allgemein auch Müller, Doing business, S.  18. 151  International Harvester Co. v. Kentucky, 234 U.S.  579 (1914).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

könne,152 blieb die Einwilligungsfiktion neben der Anwesenheitsfiktion bestehen. Letztere konkretisierte der Supreme Court: Doing business könne nicht durch bloße Kundenwerbung (mere solicitation) begründet werden153, entscheidend seien etwa das Betreiben eines Büros, der Ort der Verhandlungen und des Vertragsschlusses sowie die Aktivitäten von Tochtergesellschaften.154 Je nachdem, ob ein Gericht über das doing business der Gesellschaft deren Einwilligung oder deren Anwesenheit fingiert hat, variierte aufgrund ein und derselben Tätigkeit die Reichweite der Zuständigkeit. Wurde tatsächlich eine Zustimmung erteilt (consent) und ein Zustellungsbeauftragter ernannt, erstreckte der Supreme Court die Zuständigkeit auf alle Ansprüche gegen den Beklagten, auch auf solche ohne Bezug des Streitgegenstandes zum Forum, wenn diese etwa im Ausland entstanden waren.155 Bei einem implied consent sei die Zuständigkeit jedoch auf Klagen beschränkt, die im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit im Forumstaat stehen.156 Die Unterscheidung wurde damit gerechtfertigt, dass eine tatsächliche Erklärung der Partei weitergehende Rechtsfolgen haben kann als eine fingierte Erklärung.157 Dies führte zu gewissen Widersprüchlichkeiten. So ist es kaum nachvollziehbar, warum der Gesetzestreue, der entsprechend seiner aus dem doing business erwachsenden Rechtspflicht die Zustimmung zur Prozessführung erteilt, gegenüber dem gesetzeswidrig Handelnden schlechter gestellt wird.158 Die Gerichte verlangten einen Bezug des Forums zum Streitgegenstand, wo eigentlich eine möglichst weite Zuständigkeit eröffnet werden sollte. Damit wurde über die Hintertür eine systeminkohärente specific jurisdiction eingeführt, welche die traditionelle general jurisdiction untergraben hat. Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass die Frage nach den streitgegenstandsbezogenen Aktivitäten in

Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  115; Welp, Internationale Zuständigkeit, S.  39. 153  Peoples Tobacco Co. v. American Tobacco Co., 246 U.S.  79, 87 (1918). 154  Hutchinson v. Chase & Gilbert, 45 f.2d 139 (2d Cir. 1930); insgesamt ist die Rechtsprechung zum doing business indes als uneinheitlich zu werten; zu weiteren Anforderungen: Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  115. 155  Pennsylvania Fire Insurance Co. v. Gold Issue Mining & Milling Co, 243 U.S.  93, 94 ff. (1917). 156  Old Wayne Mutual Life Ass’n v. Mc Donough, 204 U.S.  8, 22 f. (1907). 157  Pennsylvania Fire Insurance Co. v. Gold Issue Mining & Milling Co, 243 U.S.  93, 95 f. (1917). 158  Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1006 (2012); Kurland, 25 U. Chi. L. Rev. 569, 580 (1958); Welp, Internationale Zuständigkeit, S.  43 (mit Zitat aus v. Mehren/Trautman in Fn.  180 und 181). 152 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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den Fokus der zuständigkeitsrechtlichen Diskussion rückte, und bereitete den Weg für eine endgültige Abtrennung der specific von der general jurisdiction.159 2. International Shoe v. State of Washington (1945): erste Differenzierungen zwischen general und specific jurisdiction a) Sachverhalt und Hauptaussage Im Jahr 1945 verabschiedete sich der Supreme Court von den gewundenen Behelfskonstruktionen der presence und des implied consent. Zur Entscheidung stand eine Klage des Staates Washington gegen eine in Delaware gegründete Schuhfabrik mit Hauptsitz in Missouri, die zwar keine Büros in Washington unterhielt, dort aber elf bis dreizehn Vertreter beschäftigte, um ihre Musterkollektion auf Werbeveranstaltungen anzupreisen. Die Vertreter hatten keine Abschlussvollmacht, der Vertragsabschluss und der Versand erfolgte direkt von Missouri aus.160 Im Ergebnis bestätigte der Supreme Court die Entscheidungen der Gerichte des Staates Washington. Diese hatten die Zuständigkeit für die Schuhfabrik kraft doing business bejaht, weil zusätzlich zur „bloßen Kundenwerbung“ („mere solicitation“)161 weitere Aktivitäten wie ein hoher Umsatz und permanente Werbeshows verzeichnet werden konnten.162 Zur Urteilsbegründung zog der Supreme Court einen völlig neuen Ansatz heran. Der Beklagte müsse nicht mehr im Forumstaat anwesend sein, gewisse Mindestkontakte (minimum contacts) der Person zum Forum genügten, angesichts derer die Durchführung des Verfahrens nicht gegen die traditionelle Vorstellung von Fairness und Gerechtigkeit verstößt. So lautet der wohl meist zitierte Satz der Entscheidung: „due process requires only that in order to subject a defendant to a judgment in personam, if he be not present within the territory of the forum, he have certain minimum contacts with it such that the maintenance of the suit does not offend ,traditional notions of fair play and substantial justice.‘“163

Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 622 f. (1988). International Shoe Co. v. State of Washington, 326 U.S.  310, 313 (1945). 161  Vgl. soeben B. II. 1. b); diese zusätzliche Aktivitäten genügten der durch die Entscheidung International Harvester Co. v. Kentucky (234 U.S.  579 (1914)) eingeführten solicitation plus-Formel. 162  326 U.S.  310, 314 (1945). 163  326 U.S.  310, 316 (1945); mit Verweis auf die Entscheidung Milliken v. Meyer, 311 U.S.  457, 463 (1940), die zum ersten Mal Fairness- und Gerechtigkeitserwägungen in die Zuständigkeitsprüfung einführte, dazu Brand, 60 U. Pitt. L. Rev. 661, 673 (1999). 159 

160 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

b) Neuer Fairnessmaßstab Der neue Prüfungsmaßstab der minimum contacts sollte die traditionellen Zuständigkeitsgründe allerdings nicht aufheben, sondern nur ihre Auswüchse korrigieren und im Übrigen gleichberechtigt neben sie treten.164 Der Supreme Court betrachtet die Anwesenheit einer Gesellschaft, die selbst nur eine rechtliche Fiktion sei, als eine Symbolisierung der Aktivitäten der Vertreter der Gesellschaft. Die Verbindung der Gesellschaft mit dem Forum müsse es im Sinne des due process vernünftig erscheinen lassen, den auswärtigen Beklagten vor Gericht zu ziehen. In einer Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, welche Unannehmlichkeiten der Gesellschaft („estimate of inconveniences“) durch den Prozess fern seiner Heimat auferlegt werden.165 Allgemein gesagt sei es jedoch nicht unbillig, einer auswärtigen Partei, die das Privileg einer wirtschaftlichen Tätigkeit und den Schutz der Gesetze im Gerichtsstaat genießt, die Pflicht zur Prozessführung aufzuerlegen.166 Die Fairnessprüfung rückt Art und Ausmaß des Verhaltens einer Person in den Mittelpunkt der Zuständigkeitsprüfung und führt einen flexiblen Maßstab ein, der eine Ausweitung der Zuständigkeit über die Anwesenheit oder Zustimmung des Beklagten ermöglicht.167 Damit wird eine verfassungsrechtlich klar verankerte, aber inhaltlich vage Fairnesstheorie ( fairness theory) geboren, welche v. Mehren später an den Ausgangspunkt seines Zuständigkeitskonzepts stellt. Er erhebt die fairness theory zum alleinigen Kriterium168 und bricht radikaler mit dem Territorialitätsgedanken als der Supreme Court, welcher die minimum contacts lediglich dem traditionellen Konzept gleichstellt. Im Rahmen der Umstrukturierung des Zuständigkeitsrechts ziehen v. Mehren und Trautman die Leitentscheidung zwar heran, um die Zulässigkeit einer specific jurisdiction zu begründen. Auf den „new analytical approach“ gehen sie indes nur insofern ein, als sie aus ihm die Maßgeblichkeit eines Kontakts bei einer reasonable and substantial connection ableiten.169

Heute ganz herrschende Auslegung der Entscheidung, die dem Zitat der Pennoyer-Entscheidung entnommen wird, 326 U.S.  310, 319 (1945); Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  86; Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  87. 165  326 U.S.  310, 317 (1945). 166  326 U.S.  310, 319 (1945); als „Nutzen-Nachteil-Argument“ bezeichnet dies Hoppe, Class Actions, S.  247. 167  So auch Schack, Minimum Contacts, S.  6; Schmidt-Brand, Long-Arm Statutes, S.  43; Weintraub, Conflict of Laws, S.  162. 168  Ansätze schon bei B. I. 2., später insbesondere v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 287 ff. (1983). 169  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1147 (1966). 164 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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c) Kategorien der minimum contacts Die erforderlichen Kontakte des Beklagten zum Gerichtsstaat wurden vom Supreme Court durch Fallgruppen näher umschrieben, die sich aus zwei Faktoren zusammensetzen: der Intensität der geschäftlichen Aktivitäten und dem Bezug des Streitgegenstandes zum Forum.170 Zum einen stellte das Gericht fest, dass „die zufällige Anwesenheit eines Handelsvertreters oder gar einzelne oder isolierte Handlungen im Auftrag des Unternehmens nicht genügen, um das Unternehmen im betreffenden Staat für solche Klagen gerichtspflichtig zu machen, die in keinem Zusammenhang mit den dortigen Aktivitäten stehen“.171 Wie nach der bisherigen Rechtsprechung, welche für doing business ebenfalls eine gewisse Intensität verlangte und beispielsweise eine Werbetätigkeit nicht ausreichen ließ,172 genügen einzelne Aktivitäten ohne Bezug zum konkreten Klagegrund als minimum contacts also nicht (Fall 1). Die Intensität der Kontakte kann den fehlenden Bezug zum Streitgegenstand aber aufwiegen, denn „es gibt Fälle, in denen die Aktivitäten eines Unternehmens in einem Staat so bedeutend sind und von solcher Natur, als diese eine Klage ohne jeglichen Bezug zur Streitigkeit rechtfertigen“.173 Damit wird die klassische Zuständigkeitsbegründung der general jurisdiction anerkannt (Fall 2). Zum anderen bildete das Gericht erstmals einen Zuständigkeitsgrund aus, der durch einen Bezug zum Streitgegenstand charakterisiert wird.174 Er ist das Kernstück der Entscheidung und wird bei v. Mehren und Trautman später als specific jurisdiction bezeichnet. Der Supreme Court leitete die Berechtigung einer solchen streitgegenstandsbezogenen Zuständigkeit aus dem bereits genannten Argument ab, dass die Gerichtspflichtigkeit Kehrseite des Privilegs einer wirtschaftlichen Aktivität im Forumstaat sei.175 Welche Anforderungen an das Verhalten des Beklagten konkret zu stellen sind und warum der Rückschluss auf die Gerichtspflichtigkeit erfolgte, blieb aber offen. Keine Zweifel bestehen nach Ansicht des Gerichts an der Eröffnung des Gerichtsstands, wenn die wirtschaftlichen Aktivitäten des Beklagten sehr intensiv sind (Fall 3). So meint das Gericht, die Zuständigkeit „wurde noch nie in Zweifel gezogen, wenn die unternehmerischen Aktivitäten nicht bloß dauerhaft und sys170  Zu den vier sich daraus ergebender Fallgruppen: Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1008 ff. (2012); Freer, Civil Procedure, S.  75ff; Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  127 ff. 171  326 U.S.  310, 317 (1945). 172  S. B. II. 1. b), insb. St. Clair v. Cox, 106 U.S.  350, 355 (1882). 173  326 U.S.  310, 318 (1945). 174  Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  43; Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 625 (1988). 175  326 U.S.  310, 319 (1945); dazu soeben B. II. 2. a).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

tematisch sind, sondern auch die Streitigkeit bedingten“.176 Beispielsweise würde aktuell eine Produkthaftungsklage wegen eines defekten PKW gegen die Ford Motor Company in Michigan diese Kriterien erfüllen, weil der Klagegrund aus der Herstellung des Fahrzeuges in Michigan resultiert und das Unternehmen an seinem dortigen Hauptsitz intensive Kontakte hat.177 Problematisch erweist sich die Ermittlung der specific jurisdiction auch heute noch, wenn Aktivitäten des Beklagten im Forumstaat nur sehr vereinzelt feststellbar sind (Fall 4).178 Dazu äußerte der Supreme Court lapidar, „andere solche (vereinzelte) Aktivitäten können aufgrund ihrer Natur und Qualität und der äußeren Umständen eventuell für die Begründung einer Zuständigkeit ausreichen.“179 Die offene Formulierung erklärt sich aus der fehlenden Notwendigkeit einer weiteren Konkretisierung im vorliegenden Fall. Denn die Kontakte des beklagten Schuhunternehmens zum Staat Washington wurden nicht als irregulär oder vereinzelt, sondern als systematisch und regelmäßig eingestuft.180 Zudem steht der Klagegrund, die fällige Zahlung von Beiträgen zum Arbeitslosenfond des Staates Washington, in direktem Zusammenhang zum Gerichtsstaat. Eine Zuständigkeit konnte somit auf den klassischen Fall der specific jurisdiction (Fallgruppe 3) gestützt werden, wegen der sehr ausgeprägten Werbe- und Wirtschaftstätigkeit im Staat Washington wohl aber auch auf die general jurisdiction (Fallgruppe 2).181 Der Supreme Court trifft eine Differenzierung zwischen general und specific jurisdiction erst 40 Jahre später in der Entscheidung Helicopteros Nacionales de Colombia v. Hall.182 Aus seiner Begründung lässt sich aber schließen, dass er intensive wirtschaftliche Beziehungen ohne Streitgegenstandsbezug und einzelne Tätigkeiten mit solchem Bezug (Fallgruppen 2 und 4) bereits zum damaligen Zeitpunkt als Gegensatzpaare betrachtete.183 Zunächst ausfüllungsbedürftig blieb das neue Vokabular der minimum and substantial contacts und der reasonableness. Festzuhalten ist, dass die International Shoe-Entscheidung eine streitgegenstandsbezogene Zuständigkeit einführte, welche v. Mehren und Trautman als 176 

326 U.S.  310, 317 (1945). Zu diesem Beispiel vgl. Freer, Civil Procedure, S.  76. 178 Dies entspricht der Fallgruppe der isolated events or transactions von v. Mehren/ Trautman, dazu oben B. I. 2. c) bb) (2); die heute noch bestehende Problematik zeigt sich sogleich in den späteren Entscheidungen unter B. II. 3. 179  326 U.S.  310, 318 (1945). 180  326 U.S.  310, 320 (1945). 181  Brand, 60 U. Pitt. L. Rev. 661, 674 (1999); Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  347. 182  466 U.S.  408, 414 (1984). 183  Hoffheimer, 60 U. Kan. L. Rev. 549, 560 (2012). 177 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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specific jurisdiction weiter ausbauen. Dabei sollte der Blick stärker auf die Qualität der Handlungen des Beklagten gerichtet werden, wie folgende zentrale Feststellung des Gerichts zeigt: „Whether due process is satisfied must depend rather upon the quality and nature of the activity in relation to the fair and orderly administration of the laws which it was the purpose of the due process clause to insure.“184

3. Weiterentwicklung der specific jurisdiction Nachdem die Entscheidung International Shoe den Bezug des Forums zum Streitgegenstand als zuständigkeitsrelevanten Faktor identifiziert hat, konzentrierte sich der Supreme Court vorwiegend auf die Fortbildung dieses Konzept anhand der variablen minimum contact-Doktrin. Zu beachten ist, dass der Supreme Court diese Zuständigkeitskategorie erst im Jahre 1984 als specific jurisdiction benannt hat, und zwar in einer Entscheidung zur general jurisdiction.185 a) McGee v. International Life (1957): Schutz strukturell unterlegener Parteien Rückblickend hat v. Mehren die specific jurisdiction insbesondere an der Entscheidung McGee v. International Life Ins. Co186 ausgerichtet – wohlweislich unter Korrektur ihrer lückenhaften Begründung. Dem Supreme Court genügte der Abschluss eines Versicherungsvertrages durch einen kalifornischen Versicherungsnehmer mit einer Versicherungsgesellschaft aus Arizona, um die Versicherungsgesellschaft in Kalifornien gerichtspflichtig zu machen, wobei die Versicherungspolice nach Kalifornien gesendet und die Versicherungsbeiträge von dort aus geleistet wurden. Die Entscheidungsgründe stellen fest: „Die Vertragsurkunde wurde nach Kalifornien geschickt, die Prämien wurden dort ausgezahlt und der Versicherte war im Zeitpunkt seines Todes kalifornischer Staatsbürger. Es kann nicht bestritten werden, dass Kalifornien ein wesentliches Interesse an der Gewährung effektiven Rechtsschutzes für seine Bürger hat, wenn deren Versicherer Zahlungen verweigern.“187 Zu den tatbestandlichen Kriterien eines minimum contact bezog das Gericht nicht Stellung, weshalb v. Mehren und Trautman die Unbestimmtheit der Entscheidung kritisieren.188 Auch in der US-amerikanischen Literatur wird das Urteil als „Hochwassermarke“ bezeichnet, weil schon ein einziger Kontakt per Post ohne physische Einwirkung im Forumstaat die Zuständigkeit begründet 184 

326 U.S.  310, 319 (1945). Helicopteros Nacionales de Colombia v. Hall, 466 U.S.  408, 414 (1984). 186  355 U.S.  220 (1957). 187  355 U.S.  220, 223 (1957). 188  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1150 (1966). 185 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

hat.189 Das Gericht selbst rechtfertigte die extensive Auslegung der minimum contacts mit der Nationalisierung des Handelsverkehrs, der vermehrt zu grenz­ überschreitenden Vertragsabschlüssen per Post führe, sowie mit den verbesserten Transportmöglichkeiten, die für den Beklagten die Nachteile eines Prozesses in einem auswärtigen Forum reduzieren.190 Der Gedanke der strukturellen Überlegenheit prägt die Entscheidung aber offensichtlich stärker als ein bestimmter Kontakt des Beklagten. Denn im Rahmen der konkreten Interessenabwägung stellte der Supreme Court auf das Interesse des Staates am Schutz der ansässigen Versicherungsnehmer ab, die wegen ihrer rechtlichen Unerfahrenheit und wirtschaftlichen Unterlegenheit an einem auswärtigen Gerichtsstand der Übermacht des Versicherers ausgeliefert seien.191 Während v. Mehren und Trautman bei der Besprechung der Entscheidung nur feststellten, dass die Mindestkontakte einen schwachen sachlichen Bezug zum Inhalt des Anspruchs herstellten,192 verdichtet v. Mehren das Zuständigkeitskonzept auf die zuletzt genannte Erwägung der sozialpolitischen Stellung einer Partei. Wie schon zuvor stellt er an den Ausgangspunkt seiner Fairnesserwägungen die prozessuale Leistungsfähigkeit der Parteien und möchte einem ortsansässigen (localized) Kläger in einem Prozess gegen einen überregional agierenden (multistate) Beklagten grundsätzlich einen Gerichtsstand in seinem Heimatstaat eröffnen.193 Er zieht ausdrücklich die McGee-Entscheidung heran als „classic example of a claim of specific jurisdiction that can be explained in terms of the relatively greater ability of multistate defendants, as compared with localized plaintiffs, to bear the burden of litigation abroad.“194 Mit dieser kompetenzrechtlichen Privilegierung der typischerweise schwächeren Partei, die durchaus mit den Art.  10 ff. EuGVO vergleichbar ist, lässt v. Mehren einer flexiblen Fairnessprüfung größere Bedeutung zukommen als dem durch die International Shoe-Entscheidung eingeführten Erfordernis eines Forumkontakts des Beklagten. Im Ergebnis würde er mithin ebenfalls einen Gerichtsstand in Kalifornien eröffnen, aber nicht weil einzelne Bestandteile der Vertragsabwicklung 189  Borchers, 24 U.C. Davis L. Rev. 19, 60 (1990); Weintraub, 28 U.C. Davis L. Rev. 531, 535 (1995); zustimmend Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  46. 190  355 U.S.  220, 223 (1957). 191  355 U.S.  220, 223 f. (1957); ähnlich Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  45 f. 192  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1149 f. (1966); dies., Multistate Problems, S.  712. 193  Siehe B. I. 2. c) bb) (2). 194  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 314 (1983); vgl. auch die Bezugnahme auf die McGee-Entscheidung in ders., in: FS Lalive (1993), S.  557 (562), Fn.  10.

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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einen Bezug zum Forum aufweisen.195 Dieser Kontakt ist ihm allein zu schwach, denn er fällt unter die Fallgruppe der isolated events or transactions und bedarf daher in seinem Zuständigkeitsmodell einer weiteren Bewertung nach der prozessualen Leistungsfähigkeit der Parteien. Der Supreme Court legte mit der Entscheidung nahe, dass Fairnesserwägungen künftig die Prüfung der minimum contacts beherrschen sollen, dagegen ein physischer Kontakt des Beklagten zum Forum nicht notwendig ist.196 b) Hanson v. Denckla (1958): neues Kriterium des purposeful availment Die Folgeentscheidung Hanson v. Denckla schlug einen völlig anderen Weg ein. Der Rechtsstreit betraf die Zuständigkeit des Staates Florida für eine in Delaware ansässige Bank in der Funktion als Treuhänderin (trustee). Die verwitwete Treugeberin (settlor) zog nach Errichtung des Trusts197 in Delaware nach Florida um, erhielt dort Zahlungen aus dem Treuhandvermögen, erteilte dem Treuhänder einzelne Anweisungen und setzte ihre Enkel als Erben des Treuhandvermögens ein. Nach ihrem Tod stritten sich die Enkel mit zweien der Töchter um die wirksame Errichtung des Trusts. Gemäß dem Recht von Florida musste eine Gerichtszuständigkeit für den Treuhänder bestehen. Die Bank unterhielt indes keine weiteren Geschäftskontakte zum Staat Florida, sodass es auf deren minimum contacts zur Treugeberin ankam.198 Die Mehrheit des Gerichts lehnte es ab, die von der Treugeberin initiierte Vermögensverwaltung in Florida als hinreichende Verbindung zum Treunehmer zu werten.199 In der Urteilsbegründung wird überraschend der Souveränitätsgedanke aus Pennoyer v. Neff wiederbelebt. Die Anforderungen der due process clause an die personal jurisdiction seien „more than a guarantee of immunity from inconvenient or distant litigation. They are a consequence of territorial limitations on the power of the respective States.“200 Der Kontakt des Beklagten zum Forum fungiert gewissermaßen als ein Ersatz für die fehlende Anwesenheit und war Voraussetzung für die Ausübung der Hoheitsmacht des Staates. Diese Ersatzfunktion kommt einer (geschäftlichen) Handlung des Beklagten nur zu, wenn sie zweckgerichtet die Privilegien im Forumstaat beanv. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 314 (1983): Die Entscheidung sei Ausdruck der power theory, zum selben Ergebnis komme aber die fairness theory. 196 Vgl. Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  93; Clermont, 66 Cornell L. Rev. 411, 418 (1981); Juenger, 82 Mich. L. Rev. 1195, 1199 (1984). 197  Zum Rechtsinstitut des trust: Hay, US-amerikanisches Recht, Rn.  554 ff. 198  357 U.S.  235, 238 ff. (1958). 199  357 U.S.  235, 252 f. (1958). 200  357 U.S.  235, 251 (1958). 195 Vgl.

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

sprucht und dabei die Vorteile und den Schutz durch die Gesetze ausnutzt.201 Zum Schlüsselbegriff wird das Kriterium einer zweckgerichteten Inanspruchnahme der Privilegien im Forumstaat (purposeful availment), welches ein willensgetragenes202 Moment beinhaltet.203 Für eine solche Zweckgerichtetheit auf den Staat Florida genügte dem Supreme Court die Beteiligung der Bank an der Trust-Vereinbarung nicht. Er differenziert den Fall von der McGee-Entscheidung;204 der Treuhänder aus Delaware werde nicht auf eigene Initiative hin in Florida geschäftlich tätig, während der Briefverkehr der Versicherungsgesellschaft in McGee willentlich auf den Forumstaat gerichtet war. In der untergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur wurde die Entscheidung erst ungewöhnlich spät als neues Präjudiz wahrgenommen. Das mag zum einen auf die ungewöhnliche Sachverhaltskonstellation zurückzuführen sein, zum anderen wollte das Kriterium einer zweckgerichteten Aktivität nicht so recht zu der Abwägung im Lichte der „fair and orderly administration of the laws“205 aus der International Shoe-Entscheidung passen.206 Im Laufe der Jahre sind die Gerichte und Kommentatoren dazu übergegangen, die Relevanz der Entscheidung durch ein distinguishing207 zu umgehen oder die Entscheidung einfach zu ignorieren.208 Bei dieser Situation ließ es der Supreme Court fast 20 Jahre lang bewenden.209

201 

357 U.S.  235, 251, 253 (1958). Die „Vorsätzlichkeit“ besteht nur bezüglich der Inanspruchnahme der Privilegien, nicht aber bezüglich der Handlung des Beklagten selbst, vgl. dazu auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  555. 203  So auch Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  87; Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  94; Erichson, Civil Procedure, S.  40 f. 204  357 U.S.  235, 252 (1958); kritisch zu diesem distinguishing: Freer, Civil Procedure, S.  81; Hazard, 1965 Sup. Ct. Rev. 241, 244 (1965). 205  326 U.S.  310, 319 (1945). 206 Vgl. Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  94; Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  48 f. 207  Zur Technik des Distinguierens von Entscheidungen vgl. die Einführung bei A. III. 2. 208 Beispielsweise Gray v. American Radiator & Standard Sanitary Corp., 176 N.E.2d 761, 764 (1961) (leitet nur das Erfordernis eines „substantial contact“ ab); Phillips v. Anchor Hocking Glass Corp., 413 P.2d 732, 735 (Ariz. 1966) („We do not think the quoted language [„purposefully avails“] can be construed literally.“) und Carrington/Martin, 66 Mich. L. Rev. 227, 235 (1967); eine bewusste Umgehung des Präjudiz erkennt auch Clermont, 66 Cornell L. Rev. 411, 419 (1981). 209  Bis zu den Entscheidungen Shaffer v. Heitner, 433 U.S.  186 (1977); Kulko v. Superior Court, 436 U.S.  84 (1978) und World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S.  286 (1980). 202 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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In dieses Bild passt, dass v. Mehren und Trautman in ihrem Aufsatz aus dem Jahr 1966, ebenso wie v. Mehren in späteren Werken, die Entscheidung nur in einer Randbemerkung zum Einfluss des Kollisionsrechts auf die internationale Zuständigkeit erwähnen.210 Das an Fairnesserwägungen ausgerichtete Zuständigkeitskonzept der Wissenschaftler steht vielmehr mit der liberalen und weiten Auslegung der minimum contacts durch die untergerichtliche Rechtsprechung im Einklang, die sich weiterhin an der McGee-Entscheidung orientierte.211 Weil das Kriterium der Zweckgerichtetheit dem Kontakt des Beklagten ein physisches und willensgetragenes Element hinzufügt, um der Souveränität der Einzelstaaten gerecht zu werden, kann es zwangsläufig keinen Anklang in der reinen Fairnesstheorie finden, welche das Souveränitätsdenken gerade ablehnt. Untersucht man den Fall auf die prozessuale Leistungsbereitschaft (multistate character) der Parteien hin, könnte man von einer leichten rechtlichen und wirtschaftlichen Überlegenheit der Bank als Treunehmerin ausgehen und eventuell ein staatliches Regelungsinteresse an der Abwicklung eines Trusts anerkennen. Daher wäre in Anwendung der Lehre v. Mehrens meines Erachtens eher eine Zuständigkeit in Florida am Gerichtsstand der Treugeberin eröffnet. v. Mehren bestätigt diese Tendenz knapp ein halbes Jahrhundert später: „In Hanson, from a sheer litigational point of view, Florida was at least as convenient a forum as Delaware“.212 c) World-Wide Volkswagen v. Woodson (1980): 3-Stufen-Test Das Kriterium der zweckgerichteten Inanspruchnahme (purposeful availment) wird in der World-Wide Volkswagen-Entscheidung aufgegriffen. Die zuständigkeitsrechtliche Frage zeigte sich hier erstmals eingekleidet in einen Produkthaftungsfall. Das klägerische Ehepaar Robinson kaufte im Staat New York vom Einzelhändler Seaway Volkswagen einen neuen Audi. Als sie ein Jahr später von New York nach Arizona mit ihrem Auto umziehen wollten, explodierte bei einem Auffahrunfall in Oklahoma der Benzintank und verletzte die Robinsons. Sie erhoben daraufhin wegen eines angeblichen Produktionsfehlers Klage am Unfallort unter anderem gegen den regionalen Großhändler für die Tri-Staaten New York, New Jersey und Connecticut (World-Wide Volkswagen) und gegen den Verkäufer (Seaway Volkswagen).213 210  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1175 (1966); v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 337, in Fn.  178 (1983); ders., in: FS Lalive (1993), S.  557 (572, in Fn.  42). 211  Z. B. Gray v. American Radiator & Standard Sanitary Corp, 176 N.E.2d 761 (1961); zitiert durch v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1152, 1168 (1966), dazu schon B. I. 2. c) bb) (2). 212  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  115. 213  World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S.  286, 286 f. (1980); mitverklagt

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

Der Supreme Court stellte seiner Entscheidung zwei Thesen zur Begründung der minimum contacts-Theorie voran. Erstens schütze die Beschränkung der minimum contacts den Beklagten vor einem Prozess an einem entfernten oder für ihn nachteiligen Forum. Zweitens stellten die erforderlichen Mindestkontakte sicher, dass die Einzelstaaten durch ihre Gerichte nicht die Schranken überschreiten, welche ihnen das föderale System als gleichberechtigte Souveräne setzt.214 Mit der zweiten Funktion knüpft das Gericht an die fast schon vergessen geglaubten territorialen Beschränkungen („territorial limitations“) der due process clause aus der Hanson-Entscheidung an.215 Entsprechend den beiden Begründungsansätzen besteht nunmehr auch der minimum contacts-Test aus zwei Bestandteilen.216 Liest man die Entscheidung aufmerksam, so wird deutlich,217 dass erstens der Schutz des Beklagten vor einem unvorteilhaften Forum durch die Prüfungspunkte der reasonableness und fairness eines Prozesses gewahrt werden soll.218 Selbst wenn der Beklagte durch eine Prozessführung an einem auswärtigen Gerichtsstand nicht benachteiligt wird, kann dennoch die due process clause als Instrument des zwischenstaatlichen Föderalismus die zuständigkeitsrechtliche Kompetenz beschränken. Damit sich der Staat keine fremde Hoheitsmacht anmaßt, soll zweitens ein Kontakt (purposeful availment) zwischen dem Beklagten und dem Gerichtsstaat erforderlich sein.219 Üblicherweise wird daher zunächst 1. das Vorliegen eines minimum contact, 2. die zweckgerichtete Inanspruchnahme der Privilegien im Forum (purposeful availment) und 3. die Fairness (reasonableness) geprüft.220 Die Zuständigkeit des Gerichts in Oklahoma scheiterte in diesem Fall nach der Mehrheitsmeinung des Gerichts schon am ersten Prüfungsschritt; ein minimum wurden der Hersteller Audi aus Deutschland und der nationale Importeur, welche die Zuständigkeit aber nicht rügten. 214  444 U.S.  286, 292 (1980). 215  Vgl. das spätere Zitat der Hanson-Entscheidung, 444 U.S.  286, 294 (1980); dagegen Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  558: „völlig neue Begründung“. 216 Dazu Freer, Civil Procedure, S.  87 ff.; Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  138. 217  In der US-amerikanischen Literatur bleibt eine solche Deutung oft aus, z.B.: Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  366 f.; wohl aus prinzipieller Ablehnung des minimum contact-Tests meint Borchers, die Begründungsansätze hätten keinen Einfluss auf die weitere Prüfung, 24 U.C. Davis L. Rev. 19, 67 (1990). 218  444 U.S.  286, 292 (1980). 219  444 U.S.  286, 294 (1980); die Entscheidung Insurance Corp. of Ireland v. Compagnie des Bauxites de Guinee, 456 U.S.  694 (1982) rückt zwar von der Begründung des interstate federalism ab, der Prüfungspunkt bleibt aber derselbe, vgl. Freer, Civil Procedure, S.  87 f.; dazu auch noch C. II 1. d). 220  Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  150 f.; Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  138 f.

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contact sei schlechthin nicht festzustellen. Die einzige Verbindung zu Oklahoma bestehe darin, dass die Beklagten in New York ein Produkt verkauft hätten, das im betreffenden Staat einen Schaden verursacht habe.221 Dort lag also (immerhin) der Erfolgsort der Verletzungshandlung. Die Kläger brachten vor, dieser Verkauf genüge dem Kriterium des Mindestkontakts aufgrund der Tatsache, dass ein Verbringen des „mobilen“ PKWs in einen anderen Bundesstaat vorhersehbar gewesen sei. Dieses Kriterium wird von der Mehrheitsmeinung zwar aufgegriffen, aber die Vorhersehbarkeit alleine als nicht ausreichender Faktor gewertet („foreseeability alone has never been a sufficient benchmark for personal jurisdiction“). Relevant sei vielmehr, dass die Verpflichtung zur Prozessführung am Ort des Inverkehrbringens des Produktes dem Beklagten nicht unbillig erscheinen musste.222 Überspitzt formuliert mache sich der Verkäufer gerichtspflichtig, wenn er die Gerichtspflichtigkeit vorhersehen konnte. Dies erscheint zunächst zirkulär,223 doch wird die Billigkeitsprüfung anschließend mit dem Kriterium des purposeful availment gleichgesetzt und als sog. stream of commerce bezeichnet224 – ein Begriff, der sich noch als problematisch erweisen wird. Schon vor der World-Wide Volkswagen-Entscheidung zeigten v. Mehren und Trautman einen Lösungsweg für ähnlich gelagerte Produkthaftungsfälle auf. Im Rahmen der Fairnessanalyse sprechen sie ebenfalls das Argument der Vorhersehbarkeit an, treten jedoch generell für die denkbar weiteste Auslegung ein. Ihnen genügte, dass „es vorhersehbar war, dass die defekten Produkte des Beklagten von Zeit zu Zeit an irgendeinem Ort einen Schaden verursachen würden und die Realisierung dieser Gefahr eventuell hätte verhindert werden können“.225 Eine solche Möglichkeit wird meiner Ansicht nach aber praktisch immer gegeben sein.226 Das Anliegen der beiden Autoren besteht vermutlich darin, den Kläger nicht mit einer Beweislast zu beschweren und damit womöglich die in Produkthaftungsfällen häufig vorliegende Übermacht des beklagten Herstellers zu untermauern. Sie begnügen sich nämlich mit der Feststellung, dass der Hersteller des defekten Produktes überregionale Verkäufe tätigte und damit einen sachlichen Bezugspunkt zum Forum herstellte,227 unabhängig von der Qualität der sachlichen Nähebeziehung zum Gerichtsstaat. 221 

444 U.S.  286, 295, 298 (1980). 444 U.S.  286, 295–297 (1980) (Hervorhebung im Original). 223 Vgl. Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  105; Freer, Civil Procedure, S.  90. 224  444 U.S.  286, 297 (1980). 225  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1171 (1966) (Übersetzung durch die Verf.) speziell zu Feathers v. Mc Lucas, 209 N.E. 2d 68 (1965). 226  So bereits oben, B. I. 2. c) bb) (2); kritisch dazu auch Welp, Internationale Zuständigkeit, S.  57. 227  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1171 (1966). 222 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

v. Mehren schließt sich später der kritischen Rezeption 228 der Entscheidung an. Er meint, die obersten Richter hätten die exzellente Gelegenheit verpasst, statt des rein territorial orientierten Kontakts des Beklagten das prozessuale Leistungsvermögen (litigational ability) der Parteien heranzuziehen.229 Aber auch sein Ansatz bereitet Schwierigkeiten, wenn wie im vorliegenden Fall der beklagte Großhändler zwar in drei verschiedenen Staaten geschäftlich tätig ist, gerade aber nicht im Gerichtsstaat. Das wirft die Frage auf, wie viele Aktivitäten außerhalb des Heimatstaates nötig sind, um einer Partei die Eigenschaft als multistate zuzuschreiben und sie folglich an ein fremdes Forum zu binden. v. Mehren versucht es mit einer räumlichen Begrenzung: „The New York regional distributor and local dealer in World-Wide Volkswagen, though quite likely multistate with respect to some adjoining states and Canadian provinces, are properly considered localized with respect to Oklahoma.“230 Die geschäftliche Aktivität eines Unternehmens soll also in den umliegenden Staaten zu einer Gerichtspflichtigkeit führen, selbst wenn das Unternehmen dort nicht tätig ist. Wie aber können die „umliegenden Staaten“ bestimmt werden; fallen darunter bei multinationalen Großkonzernen auch ausländische Staaten? Man wird dazu meines Erachtens das Ausmaß der geschäftlichen Aktivität betrachten müssen, sodass sich bei größeren Unternehmen mit rechtlich und wirtschaftlich stärkerer Verhandlungsposition der Kreis von möglichen Gerichtsstaaten ausweitet. Denn im Ergebnis nimmt auch v. Mehren an, dass ein Gerichtsstand in Oklahoma nicht eröffnet ist, weil Oklahoma gerade nicht „umliegend“ zu den Tri-Staaten New York, New Jersey und Connecticut ist. Wären die Kläger jedoch in einem Staat wohnhaft gewesen, in dem die Beklagten geschäftlich tätig waren und diesbezüglich überregional agieren (multistate), beispielsweise in Connecticut, so wäre dort die Zuständigkeit eröffnet gewesen.231 Um eine Auswertung der wirtschaftlichen oder sonstigen Betätigung wird man bei juristischen Personen somit nicht umhinkommen. Sind wie im vorliegenden Fall beide Parteien als localized zu charakterisieren oder wie in vielen anderen Produkthaftungsfällen der Kläger localized und der Hersteller multistate, sollen nach Ansicht v. Mehrens weitere litigational considerations, die für den Tatort als beweisnahes Forum sprechen könnten, nicht von entscheidendem Gewicht sein. An den Tatort will er zuständigkeitsrechtlich nur dann anknüpfen, wenn Handlungs- und Erfolgsort zusammenfallen (d. h. bei Platzdelikten), zusätzlich beide Parteien multistate sind und alle Umstände 228  Z. B. durch Lewis, 37 Vand. L. Rev. 1, 7 f. (1984); Redish, 75 Nw. U. L. Rev. 1112 (1981): „major step backward“. 229  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 318, 320 (1983). 230  v. Mehren, in: FS Lalive (1993), S.  557, 564. 231  v. Mehren, in: FS Lalive (1993), S.  557, 565.

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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des Einzelfalls dorthin weisen. Hauptbeispiel ist der Verkehrsunfall zweier Autofahrer aus unterschiedlichen Heimatstaaten, die in einem dritten Staat kollidieren, weil beide Parteien mit Verlassen ihres Heimatstaates als multistate betrachtet werden müssten.232 Andere Fällen, in welchen auf zweiter Stufe die Sach- und Beweisnähe tatsächlich durchschlägt, sind demnach nur in Ausnahmen denkbar, beispielsweise wenn ganz wesentliche Beweise nur in einem bestimmten Staat beizubringen sind. Maßgeblich ist mithin bei einmaligen Kontakten überwiegend die litigational ability. Im Vergleich zum Prüfungsmaßstab des Supreme Court nimmt v. Mehren somit stärker den räumlichen Wirkungsbereich einer Partei in den Blick. Seine Bestimmung des räumlichen Ausmaßes einer geschäftlichen Aktivität hat zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Kriterium des purposeful availment, das Inverkehrbringen des Produkts (stream of commerce) kann aber potentiell weiter ausgedehnt werden. d) Burger King v. Rudzewicz (1985): purposeful availment durch Vertragsschluss Die Anwendung des 3-Stufen-Tests auf eine Vertragsstreitigkeit demonstrierte der Supreme Court wenige Jahre später. In der Entscheidung Burger King Corp. v. Rudzewicz erlaubte er der Schnellrestaurantkette Burger King, den Franchisepartner Rudzewicz aus Michigan an ihrem Hauptsitz in Florida zu verklagen, weil Rudzewicz die Raten des Franchisevertrages nicht mehr bezahlte und damit einen Vertragsbruch gemäß dem long-arm statute Floridas beging.233 Die Mehrheit des Gerichts folgte in diesem Fall Justice Brennan, der noch in der WorldWide Volkswagen-Entscheidung eine abweichende Meinung verfasst hatte und generell für eine Dominanz der Fairnessanalyse eintrat.234 Obwohl Justice Brennan wie v. Mehren Fairnesserwägungen an den Ausgangspunkt seiner Argumentation stellt, kommt er zu einem völlig anderen Ergebnis. Brennan stellte fest, dass der Beklagte zwar nicht körperlich durch seine Anwesenheit mit dem Gerichtsstaat verbunden ist, aber seine Geschäftsaktivitäten gezielt auf Florida ausrichtete (purposeful availment), indem er einen Franchisevertrag mit einer Fast-Food-Kette abschloss, anstatt selbst ein Restaurant zu eröffnen. Die freiwillige Vereinbarung einer Vertragslaufzeit von über 20 Jahren, die Zahlungen in Höhe von einer Million Dollar, Verhandlungen mit dem Büro in Florida sowie die Rechtswahl zugunsten des Rechts von Florida v. Mehren, in: FS Lalive (1993), S.  557, 565 f. 471 U.S.  462, 462 f. (1985). 234  Dissenting opinion in World-Wide Volkswagen v. Woodson, 444 U.S.  286, 319 (1980) (Judge Brennan); dazu Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  87 f. 232  233 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

seien Anzeichen dafür, dass sich Rudzewicz eine dauerhafte und intensive Beziehung zu Burger King erhoffte, die insbesondere zu dessen Hauptsitz in Miami, Florida, bestehen sollte.235 Anschließend betonte Justice Brennan, es seien keine Gründe ersichtlich, warum die Zuständigkeit unverhältnismäßig sei, zumal bloße Unannehmlichkeiten wie die Anreise von Zeugen aus Michigan hierfür nicht genügten. Das Gericht stellte eine Beweislastregel dahingehend auf, dass der Beklagte darzulegen hat, warum trotz des Vorliegens der zweckgerichteten Mindestkontakte die Ergreifung der Zuständigkeit nicht verhältnismäßig ist.236 Während der Supreme Court folglich der Auslegung der Vertragsmodalitäten großes Gewicht beimisst,237 ist nach dem Konzept v. Mehrens weniger der Vertragsinhalt als die litigational ability der Vertragsparteien maßgeblich, weil ein Vertrag nur einen schwachen sachbezogenen Kontakt zum Beklagten herstellt. Demnach wäre zu berücksichtigen, dass es sich beim Franchisegeber Burger King um ein (inter)national tätiges Unternehmen handelt (multistate plaintiff ), der Franchisenehmer Rudzewicz hingegen ein Restaurant allein im Staate Michigan betreibt und nicht überregional tätig ist (localized defendant). In die weiteren Fairnesserwägungen würde v. Mehren wohl die Verfügbarkeit von Zeugen in Michigan einbeziehen.238 Die wirtschaftliche Überlegenheit von Burger King und die lange Vertragslaufzeit würden nach seiner Interessenabwägung tendenziell das durch den localized character des Beklagten bereits indizierte Ergebnis verstärken und zu einer personal jurisdiction in Michigan führen. Der Fall zeigt damit die Unterschiedlichkeit der Konzepte v. Mehrens und des Supreme Court hinsichtlich der specific jurisdiction, vielleicht auch weil diese Entscheidung gerade im Hinblick auf die Übermacht des Burger King-Konzerns „of debatable wisdom“239 ist und v. Mehren diesen Umstand viel stärker berücksichtigen will. e) Asahi v. Superior Court (1987): stream of commerce-Theorie Die Asahi-Entscheidung240 leitet die moderne Analyse der specific jurisdiction ein. Sie ist von besonderer Relevanz, weil erstmals eine streitgegenstandsbezoge235 

471 U.S.  462, 480 (1985). 471 U.S.  462, 477, 483 (1985); dazu Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  119; Freer, Civil Procedure, S.  94. 237 So Hay, 35 Int’l & Comp. L.Q. 32, 45 f. (1986), der die Bedeutung von Vertragslaufzeit, Begleitumständen der Verhandlungen und des vereinbarten Erfüllungsorts hervorhebt. 238  S. B. I. 2. c) bb) (2). 239  Borchers, in: FS v. Mehren (2002), S.  3, 6, der die Entscheidung als eine von wenigen Ausnahmen bezeichnet, in denen der Supreme Court evident vom Konzept der specific jurisdiction v. Mehrens und Trautmans abweicht. 240  Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court, 480 U.S.  102 (1987). 236 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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ne Zuständigkeit für ein Unternehmen aus dem Ausland in Frage stand.241 Ein mit dem Motorrad verunglückter Kalifornier verklagte wegen eines defekten Reifens in seinem Heimatstaat den taiwanesischen Reifenschlauchhersteller, Chen Shin, der seine Produkte nach Kalifornien geliefert hatte. Chen Shin reichte dort seinerseits eine Regressklage gegen den japanischen Ventillieferanten Asahi ein. Nach einem außergerichtlichen Vergleich zwischen dem Unfallopfer und Chen Sin blieb nur noch die Regressklage Chen Shins gegen Asahi bestehen.242 Große Uneinigkeit des Gerichts bestand hinsichtlich des Kriteriums des purposeful availment durch den Beklagten Asahi. Im Zuge der World-Wide Volkswagen-Entscheidung legten viele Gerichte den dort erwähnten sog. stream of commerce243 derart weit aus, dass schon das Inverkehrbringen eines Produkts zuständigkeitsbegründend wirkte.244 Dieser Auslegung widersprachen vier Richter um Justice O’Connor, weil das bloße Einbringen eines Produkts in eine Vertriebskette kein zweckgerichtetes Verhalten i. S.d. purposeful availment darstelle (stream of commerce plus-Theorie245). Es fehlten konkrete Indizien dafür, dass der Beklagte Asahi den ausländischen Markt willentlich bediente, wie beispielsweise eine spezielle Produktentwicklung für den dortigen Markt, zielgerichtete Werbung und Vermarktungsstrategien oder Beratungsangebote für Kunden im Forumstaat.246 Weitere vier Richter um Justice Brennan ließen hingegen Asahis allgemeine Kenntnis (awareness) der Vermarktung im Forumstaat genügen, sofern nicht der Verbraucher selbst das Produkt in einen anderen Staat verbringt.247 Einig waren sich alle Richter indes über die Verhältnismäßigkeitsprüfung, an welcher die internationale Zuständigkeit schließlich scheiterte. Folgende fünf Faktoren der reasonableness sind seither als Asahi factors248 bekannt: 1. das Interesse des Beklagten, nicht im Ausland verklagt zu werden; 2. das Interesse des Gerichtsstaates an einer Entscheidung der Streitigkeit; 3. das Interesse des Klägers an effektivem Rechtsschutz; 4. das Interesse des innerstaatlichen Justizsystems an einer Beilegung der Rechtsstreitigkeit; 5. die Interessen fremder Nationen an einer sozialpolitisch gerechten Entscheidung im Lichte der außenZur Relevanz der Entscheidung Maltz, 1987 Duke L. J. 669, 670 (1987). 480 U.S.  102, 105 ff. (1987). 243  Siehe B. II. 3. c). 244  Z. B. Bean Dredging Corp. c. Dredge Technology Corp., 744 f.2d 1081 (5th Cir. 1984); Hedrick v. Daiko Shoji Co. 715 f.2d 1355 (9th Cir. 1983); weitere Rechtsprechung bei Borchers, 24 U.C. Davis L. Rev. 19, 75, Fn.  360 (1990). 245  Zur Bezeichnung etwa Hornbeck, 59 Alb. L. Rev. 1389, 1412 (1996). 246  480 U.S.  102, 109–113 (1987) (Justices O’Connor, Rehnquist, Powell, Scalia). 247  480 U.S.  102, 113–116 (1987) (Justices Brennan, White, Marshall, Blackmun). 248 Vgl. Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  151; Weintraub, 28 U.C. Davis L. Rev. 531, 539 (1995); zu diesen Faktoren auch Müller, Doing business, S.  35 ff. 241 

242 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

wirtschaftlichen Beziehungen der Vereinigten Staaten.249 Im vorliegenden Fall wurde die Belastung für den Beklagten, fernab seiner Heimat in einem fremden Rechtssystem zu prozessieren, von den Richtern als besonders groß eingeschätzt.250 Dies zeigt auch, dass der Prüfungsmaßstab der interlokalen Zuständigkeit grundsätzlich auf die internationale Zuständigkeit übertragen wird, dabei aber ausländische Beklagte schützenswerter sind.251 Die Ausweitung der Fairnessprüfung auf den internationalen Kontext erfreute allen voran die Europäer,252 während daraus für den US-amerikanischen Rechtsanwender eine noch größere Unbestimmtheit der Zuständigkeitsprüfung folgte.253 v. Mehren kritisierte die Asahi factors: „Die Liste ist nicht nur zu lang, sondern auch die Relevanz eines jeden Faktors und die Gewichtung völlig unklar.“254 Zwar fügt er keine weiteren Bemerkungen hinzu, aber aus seiner Sicht dürfte die Eigenschaft beider Parteien als multistate für einen Prozess am Wohnsitz des Klägers in Taiwan sprechen (Fall 2).255 Abweichende Fairnesserwägungen, die er enger fasst als die Verhältnismäßigkeit des Supreme Court, sind kaum ersichtlich. f) J. McIntyre Machinery v. Nicastro (2011): Einschränkung des targeting Nach 24 Jahren des Schweigens bemüht sich der Supreme Court nun wieder verstärkt um eine Klärung der personal jurisdiction. Seit dem Jahr 2011 ergingen vier Leitentscheidungen,256 davon je zwei zur specific jurisdiction257 und zwei zur general jurisdiction.258 Im ersten und zugleich wichtigsten Fall zur specific jurisdiction klagte der Arbeiter Nicastro aus New Jersey gegen den englischen Hersteller einer Metallschneidemaschine, J. McIntyre Machinery Ltd., auf Schadensersatz vor einem Gericht in seinem Heimatstaat, weil er sich dort bei der Benutzung der Maschine eine Verletzung an der Hand zugezogen hatte. Die Frage der specific jurisdiction stellte sich, weil McIntyre seine Produkte in 249 

480 U.S.  102, 113 ff. (1987). 480 U.S.  102, 114 (1987): „severe burden“. 251 Vgl. Maltz, 1987 Duke L. J. 669, 689 f. (1987). 252  So etwa Dethloff, NJW 1988, 2160, 2161. 253  Dies zeigt schon der völlig unterschiedliche Umgang der Gerichte mit der Asahi-Entscheidung, vgl. dazu die Nachweise bei Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  156 f. 254  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  116 (Übersetzung durch die Verf.). 255  S. B. I. 2. c) bb) (2). 256  Ein guter Überblick zu allen vier Entscheidungen findet sich bei Metz, IPRax 2014, 365 ff. 257  J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780 (2011); Walden v. Fiore, 134 S.Ct. 1115 (2014). 258  Goodyear Dunlop Tires Operations S.A. v. Brown, 131 S.Ct. 2846 (2011); Daimler AG v. Bauman, 134 S.Ct. 746 (2014). 250 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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New Jersey nicht vermarktete und dort keine Büros oder Eigentum besaß, mithin keine general jurisdiction kraft doing business vorlag. Dafür vertrieb McIntyre seine Maschinen über den namensgleichen US-amerikanischen Händler McIntyre America, der auf dem ganzen US-Markt aktiv war und mindestens die schadhafte Maschine, eventuell sogar drei weitere Exemplare, nach New Jersey verkauft hatte. Außerdem hatten Vertreter von McIntyre auf Handelsmessen in mehreren Bundesstaaten für die Produkte geworben.259 Obwohl erklärtes Ziel die Auflösung des Streits um die stream of commerce-Doktrin war,260 erzeugte die Entscheidung noch größere Unstimmigkeiten als das Asahi-Urteil und ergab ein Meinungsspektrum der Richter im Verhältnis 4–3–2. Die Mehrheit (plurality opinion) um Justice Kennedy war der Auffassung, die beklagte Gesellschaft McIntyre habe keine zielgerichteten Mindestkontakte zu New Jersey hergestellt, weil es nicht genüge, dass der Beklagte ein Einbringen seiner Produkte in den stream of commerce vorhergesehen hat. Vielmehr müsse der Warenverkehr so gestaltet sein, dass „the defendant can be said to have targeted the forum“.261 Wie die Verweise auf die Asahi-Entscheidung belegen, folgt Justice Kennedy damit im Wesentlichen der stream of commerce plus-Theorie von Justice O’Connor.262 Statt des Erfordernisses eines zusätzlichen Verhaltens nannte er allerdings die Zielgerichtetheit des Warenverkehrs. Ob dieser Begriff nunmehr einen strengeren Maßstab impliziert, wird in der Literatur kontrovers diskutiert.263 Zur Begründung der due process-Auslegung rekurrierte das Gericht auch hier auf den zwischenstaatlichen Föderalismus. Beanspruche ein Bundesstaat rechtswidrig die Zuständigkeit, so störe er die föderalistische Machtbalance, weshalb eine „submission“264 des Beklagten unter die Macht des Staates notwendig sei. Justice Kennedy erklärte, die Souveränitätsabgrenzung zwischen den Bundesstaaten diene letztendlich dem Schutz der individuellen Freiheit des Einzelnen.265 Gleichzeitig kritisierte er Justice Brennans Votum in der Asahi-Entscheidung, welcher reasonableness-Erwägungen in den Vordergrund J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780, 2782 (2011). 131 S.Ct. 2780, 2785 (2011). 261  131 S.Ct. 2780, 2788 (2011). 262  Z. B. 131 S.Ct. 2780, 2790 (2011): „purposeful availment, consistent with Justice O’Connor’s opinion in Asahi, does not by itself resolve many difficult questions“; vgl. Freer, Civil Procedure, S.  99. 263 So Borchers, 44 Creighton L. Rev. 1245, 1255 (2011): „more restrictive view“; Ides, 45 Loy. L.A. L. Rev. 341, 370 (2012): „some form of plus“ (sehr kritisch dazu); a. M. Steinman, 63 S.C. L. Rev. 481, 492 (2012): „is nothing new“; völlig abweichend Nettlau, DAJV-NL 2013, 133, 134: neuer Maßstab sei das Kriterium des purposeful availment. 264  131 S.Ct. 2780, 2787 (2011). 265  131 S.Ct. 2780, 2789 (2011); kritisch dazu Borchers, 44 Creighton L. Rev. 1245, 1255 259 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

stellte und das wissentliche Einbringen von Waren in den stream of commerce genügen lässt. Folgte man Brennan, so wäre nach Meinung Kennedys der Eigentümer eines kleinen Bauernhofs in Florida, der seine Erzeugnisse an einen bundesweit tätigen Großhändler verkauft, in jedem US-Bundesstaat haftbar, ohne auch nur jemals sein Dorf zu verlassen.266 Trivialer kann eine Argumentationsstruktur aber meines Erachten kaum sein.267 Justice Breyer verfasste eine separate Urteilsbegründung (concurring opinion), die zwar ebenfalls eine Zuständigkeit der Gerichte New Jerseys für McIntyre verneint, aber die Problematik mit den bereits bestehenden Präjudizien löst. Ein einziger Verkauf des Produkts im Forumstaat sei schon kein „Warenstrom“ oder „Warenfluss“ („stream“/„flow“), sodass nach keiner der in der Asahi-Entscheidung vertretenen Ansichten ein stream of commerce vorliege.268 Problematisch an dieser quantitativen Ermittlung der specific jurisdiction ist indes, dass ein Hersteller bezüglich der ersten Produktlieferungen nie haftbar gemacht werden könnte – also einige „free shots“ ohne Haftung für Schäden erhält.269 Durchaus berechtigt ist hingegen die Feststellung Breyers, dass der zugrunde liegende Sachverhalt die reellen Probleme des modernen Warenverkehrs nicht wiedergibt – man stelle sich nur den stream of commerce im e-commerce vor – und altmodisch gefärbt ist. 270 Die wesentliche Abweichung der dritten Richtergruppe um Justice Ginsburg (dissenting opinion) besteht darin, dass sie einen Kontakt des Beklagten zu den Vereinigten Staaten als Ganzes genügen lässt und damit nicht das Anvisieren eines bestimmten Bundesstaat verlangt, weil sie die einzelstaatliche Souveränität nicht in Gefahr sieht271 und von einem „prime place to reason and fairness“272 ausgeht. Daher kommt Justice Ginsburg zum Schluss, McIntyre wolle wie die meisten ausländischen Hersteller den gesamten Markt der USA bedienen und habe seine Aktivität insbesondere durch den Besuch von Handelsmessen gezielt auf den Gesamtstaatenbund ausgerichtet (purposeful availment). In der Literatur wird diese Auslegung des Beklagtenverhaltens teilweise als Bestätigung der

(2011); Brilmayer/Smith, 63 S.C. L. Rev. 617, 624 f. (2012); Steinman, 63 S.C. L. Rev. 481, 496 f. (2012). 266  131 S.Ct. 2780, 2790 (2011). 267  Ausführlich zu den weiteren inhaltlichen Argumentationsschwächen: Ides, 45 Loy. L.A. L. Rev. 341, 361 ff. (2012). 268  131 S.Ct. 2780, 2792 (2011) (Justices Breyer, Alito). 269  Freer, Civil Procedure, S.  101. 270  131 S.Ct. 2780, 2793 (2011). 271  131 S.Ct. 2780, 2798, 2801 (2011). 272  131 S.Ct. 2780, 2800 (2011).

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stream of commerce plus-Theorie gewertet,273 wie sie auch die Mehrheitsmeinung vertritt, allerdings liegt der Fokus von Ginsburg stärker auf allgemeinen Fairnesserwägungen. Dies zeigt insbesondere der Vergleich mit der Rechtslage in Europa. Die Richterin wollte eine Benachteiligung eines US-amerikanischen gegenüber einem europäischen Kläger ausdrücklich verhindern, denn dieser könne McIntyre am Erfolgs- oder Handlungsort des Art.  5 Nr.  3 EuGVO (a. F.) verklagen.274 Besonders interessant ist, dass Justice Ginsburg eine Rückkehr zu den considerations of litigational convenience anstrebt, wie sie v. Mehren für die specific jurisdiction konzipiert hat. Sie möchte dessen Grundregeln befolgen und zunächst danach unterscheiden, ob 1. der Kläger im Wesentlichen ortsansässig („substantially local“) und der Beklagte im nationalen oder internationalen Wirtschaftsverkehr tätig ist („engaged in interstate or international trade“), oder 2. der Beklagte Aktivitäten zeigt, die sich überwiegend auf seinen Heimatstaat konzentrieren („largely home-based“). Anschließend sollen weitere prozessuale Erwägungen („litigational considerations“) berücksichtigt werden.275 Eine beigefügte Liste mit 12 Entscheidungen aus den letzten 40 Jahren sollte belegen, dass in Fällen, in denen ein ortsansässiger Kläger von einem Produkt eines multinationalen Herstellers verletzt wurde, eine Zuständigkeit immer am Deliktsund Verkaufsort gegeben war.276 Weil diese Situation mit Nicastro als localized Kläger hier gegeben war, ist nach der Ansicht der Mindermeinung eine Zuständigkeit in New Jersey eröffnet. Allerdings muss bezweifelt werden, dass dieser Ansatz wirklich voll ausgereift ist („full growth“), wie Justice Ginsburg vorgibt.277 Im Grundsatz mag die strukturelle Unterlegenheit des Klägers in Produkthaftungsklagen gegen einen multinationalen Hersteller dafür sprechen, eine Zuständigkeit am Heimatgerichtsstand des Geschädigten zu eröffnen. Die Erwägungen entsprechen den Entscheidungsgründen des McGee-Urteils sowie den Überlegungen (bzw. Korrekturen) zur Burger King-Entscheidung. Wie die World-Wide Volkswagen-Entscheidung zeigt, ist aber in vielen Sachverhaltskonstellationen unklar, wann eine Partei localized ist und welche Aktivitäten die Eigenschaft multistate be273  Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  152 (rhetorische Fragen); Metz, IPRax 2014, 365, 369. 274  131 S.Ct. 2780, 2803 (2011) (Art.  7 Nr.  2 EuGVO n. F.); dazu Wilske/Ponterlitschek, PHi 2011, 180, 182: der Vergleich „hinke“, weil die Anwendbarkeit der EuGVO einen Wohnsitz des Beklagten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates voraussetze, McIntyre aber nicht in den USA seinen Sitz habe. 275  131 S.Ct. 2780, 2804 (2011). 276  131 S.Ct. 2780, 2804 (2011) mit Appendix bis 2806. 277  131 S.Ct. 2780, 2804 (2011).

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gründen.278 Will man den Ansatz v. Mehrens als exklusives Zuständigkeitskonzept einführen, gilt es, diese Fragen vorab zu klären. Justice Ginsburg hat die Gelegenheit verpasst, die Eigenschaft von McIntyre als multistate-Beklagte zu definieren und die geschäftlichen Aktivitäten des Unternehmens wie die Werbetätigkeit auf Handelsmessen im ausländischen Staat dahingehend auszuwerten. Dies hätte der erste Schritt zu einem echten Zuständigkeitskonzept nach der Vorstellung v. Mehrens sein können, welches ohnehin noch der Anpassung an den modernen Warenverkehr bedarf – denn wäre McIntyre noch multistate, wenn das Unternehmen seine Produkte ausschließlich über das Internet ins Ausland verkauft und nur online für diese wirbt? Und wo wird die Zuständigkeit eröffnet, wenn der Deliktsort und der Wohnsitz des Beklagten auseinanderfallen?279 g) Zwischenergebnis zur specific jurisdiction Nach Aufweichung der traditionellen Pennoyer-Gerichtsstände (presence, domicile und consent) durch Anwesenheits- und Einwilligungsfiktionen leitete die International Shoe-Entscheidung die Kehrtwende zu einer einzelfallbezogenen Zuständigkeitsbegründung mit Blick auf die klagebezogenen Forumsaktivitäten des Beklagten ein. Entsprechend dem Wunsch v. Mehrens und Trautmans bildete der Supreme Court in der Folgezeit die specific jurisdiction weiter aus. Indes weicht der konkrete Prüfungsmaßstab im Detail vom Konzept der Wissenschaftler ab. Übereinstimmend prüfen der Supreme Court und v. Mehren/Trautman in einem ersten Schritt das Vorliegen von Mindestkontakten (minimum contacts) des Beklagten zum Forum. Ergibt sich aus den Tätigkeiten des Beklagten eine deutliche Verknüpfung zum Forum, beispielsweise bei dauerhaften Geschäftsbeziehungen, begründet diese nach beiden Ansichten die Zuständigkeit des Gerichts (Fall 3 der International Shoe-Entscheidung).280 Unterschiede bestehen bezüglich solcher Tätigkeiten des Beklagten, die isoliert auftreten oder wie bei Produkthaftungsklagen nur einen schwachen Bezug zum Forum aufweisen (Fall 4 der International Shoe-Entscheidung).281 Der Supreme Court engt den Kontakt in einem zweiten Schritt auf eine zweckgerichtete Inanspruchnahme der Privilegien des Forumstaates ein (purposeful avail278 

Siehe zu diesen Entscheidungen B. II. 3. a), d) sowie c). Eine grundlegende Frage, welche sich auch in der World-Wide Volkswagen-Entscheidung stellte und besonders bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen oder Internetdelikten dringlich erscheint, sie B. II. 3. c). 280  326 U.S.  310, 317 (1945), s. B. II. 2. b); sowie v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1147 f. (1966). 281  326 U.S.  310, 318 (1945), s. B. II. 2. b). 279 

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ment). Diese Voraussetzung soll die territoriale Beschränkung der souveränen Einzelstaaten sicherstellen, wobei der Souveränitätsgedanke mal mehr und mal weniger betont wird.282 Als drittes Kriterium strebt der Supreme Court mit der reasonableness den Schutz des Beklagten vor einem nachteiligen Forum an.283 v. Mehren und Trautman richten die Zuständigkeit hingegen am prozessualen Leistungsvermögen der Parteien aus. Während das purposeful availment-Kriterium des Supreme Court in einem modernen Wirtschafts- und Warenverkehr Schwierigkeiten bereitet, wo seit der McIntyre-Entscheidung ein auf einen bestimmten Staat gerichtetes (targeted) Einbringen des Produkts in den stream of commerce verlangt wird,284 lassen sich solche Anpassungen im Konzept v. Mehrens flexibler gestalten. Dieser nimmt in einem zweiten und dritten Prüfungsschritt eine personell-prozessuale Anknüpfung vor, die im Gegensatz zum Kriterium des purposeful availment nicht territorial ausgerichtet ist. Eine exemplarische Abwägung streitgegenständlicher Parteiinteressen zeigte unlängst Justice Ginsburg in der McIntyre-Entscheidung auf.285 Dabei wurde meiner Ansicht nach nochmals deutlich, dass einzelne Elemente des Prüfungsmaßstabes einer genauen Definition bedürfen. Insbesondere im Hinblick auf den multistate character wäre es sinnvoll, das Ausmaß der geschäftlichen Aktivität auszuwerten, sodass bei multinationalen Beklagten mit einer rechtlich und wirtschaftlich stärkeren Verhandlungsposition der Kreis der streitgegenstandsbezogenen Gerichtsstände international entsprechend weiter gezogen wird als bei kleineren Unternehmen.286 Insgesamt fällt auf, dass der Supreme Court eine beklagtenfreundlichere Haltung als v. Mehren einnimmt, zumal er mit dem dritten Prüfungskriterium der reasonableness einen weiteren Schutzmechanismus installiert hat. v. Mehren eröffnet häufiger einen Klägergerichtsstand, so z.B. wenn beide Parteien als multistate zu charakterisieren sind (v. Mehrens Fall 2).287 4. Weiterentwicklung der limited und unlimited general jurisdiction Inwiefern der US Supreme Court der weiteren Forderung v. Mehrens und Trautmans nachgekommen ist und die general jurisdiction eingeschränkt hat, soll sich anhand folgender Untersuchung zeigen. Vier der Leitentscheidungen be282 Zuerst Hanson v. Denckla, 357 U.S.  235, 251 (1958); neuerdings wieder verstärkt betont, vgl. J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780, 2789 (2011). 283  Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court, 480 U.S.  102, 113 ff. (1987). 284  J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780, 2788 (2011). 285  J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780, 2804 f. (2011). 286  Dazu insb. B. II. 3. c). 287  S. B. I. 2. c) bb) (2).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

treffen die praxisrelevante personal jurisdiction und die Frage nach einem general doing business.288 a) Perkins v. Benguet (1952): doing business durch continuous and systematic contacts In der International Shoe-Entscheidung stellte der Supreme Court die These auf, dass ein fehlender Bezug der Klage zum Streitgegenstand durch die Intensität der Kontakte des Beklagten zum Forum aufgewogen werden könne. Sind die geschäftlichen Aktivitäten „dauerhaft und systematisch“ („continuous and substantial“), sei eine Gerichtszuständigkeit für die beklagte Gesellschaft möglich.289 Dem Wortlaut nach scheint eine Tätigkeit von gewisser Bedeutung über einen längeren Zeitraum notwendig, allerdings ist eine genaue Umgrenzung durch Auslegung nicht zu ermitteln.290 Mit der Entscheidung Perkins v. Benguet Consolidated Mining Co. konkretisiert der Supreme Court erstmals diese Begrifflichkeiten der „dauerhaften und systematischen Aktivität“, allerdings noch ohne die general jurisdiction als solche zu benennen. Er bejahte die Zuständigkeit der Gerichte von Ohio für eine philippinische Baugesellschaft, die während des Zweiten Weltkrieges ihr Büro in den Bundesstaat Ohio verlegen musste.291 Der Klagegrund resultierte aus Unternehmensaktivitäten auf den Philippinen – eine Aktionärin klagte auf Auszahlung von Dividende – und hatte keinen Bezug zum Forum. Das Gericht zog unter Berufung auf die International Shoe-Rechtsprechung die Geschäftstätigkeiten in Ohio heran: „continuous and systematic corporate activities as it did here – consisting of directors’ meetings, business correspondence, banking, stock transfers, payment of salaries, purchasing of machinery“.292 Damit erfolgt zwar eindeutig eine Anknüpfung an das doing business der Gesellschaft, die Begründung erschöpft sich indes in der beispielhaften Aufzählung der reichlich vorhandenen Aktivitäten. Über die Bedeutung dieser Rechtsprechung hinsichtlich der Herleitung eines allgemeinen Gerichtsstandes herrscht bis dato Uneinigkeit. Einige Kommentatoren sehen darin eine Leitentscheidung zum doing business.293 Ein anderer 288  Perkins v. Benguet, 342 U.S.  437 (1952); Helicopteros v. Hall, 466 U.S.  408 (1984); Goodyear v. Brown, 131 S.Ct. 2846 (2011); Daimler AG v. Bauman, 134 S.Ct. 746 (2014). 289  326 U.S.  310, 318 (1945); diese Zuständigkeit wird oben als Fallgruppe 2 beschrieben, s. B. II. 2. b). 290 Vgl. Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  409. 291  342 U.S.  437, 438 (1952). 292  342 U.S.  437, 445 (1952). 293  Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.117; Müller, Doing business, S.  22 f.; Waits, 1983 U. Ill. L. Rev. 917, 940.

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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Teil der Literatur tritt dem entgegen und führt, oft unter Berufung auf v. Mehren und Trautman, die ungewöhnliche Sachverhaltskonstellation an.294 Sie deuten die Entscheidung als Ausnahme („as a decision on its exceptional facts“) und nicht als Präzedenzfall. Zur Begründung führen sie an, das Büro in Ohio konstituiere einen ersatzweisen Hauptverwaltungsort (principal place of business/head office), welcher für juristische Personen neben dem satzungsmäßigen Sitz (place of incorporation) den allgemeinen Wohnsitz darstelle.295 Eine Geschäftsaktivität im Forum sei weder als direkter Kontakt zur Person noch indirekt über deren Tätigkeit (directly/indirectly affiliating circumstances) im Sinne einer general jurisdiction ausreichend vermittelt und begründe nur eine specific jurisdiction.296 Für die Ansicht v. Mehrens und Trautmans spricht die kriegsbedingte Verlegung des gesamten Büros ins „Exil“, woraus eine geschäftliche Tätigkeit in dem Umfang resultierte, wie sie einzelne Handlungen kaum erreichen, beispielsweise durch die Entsendung von Mitarbeitern. Der Intensität dieses doing business könnte etwa eine eigenständige Niederlassung in einem anderen Staat gleichgestellt werden.297 Doch die untergerichtliche Rechtsprechung lässt in der Folgezeit deutlich geringere Kontakte ausreichen.298 In der Literatur meint man außerdem, das Ergebnis der Perkins-Entscheidung sei maßgeblich davon beeinflusst, dass ein anderes (adäquates) Forum als das in Ohio nicht zur Verfügung gestanden habe und die US-amerikanische Klägerin sonst schutzlos gestellt worden wäre.299 Diese vage Umgrenzung des doing business-Gerichtsstandes hat dazu beigetragen, dass v. Mehren und Trautman eine Einschränkung der general jurisdiction befürworten.300

294  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  409 f. (Verweis auf v. Mehren/Trautman in Fn.  10); Weintraub, Conflict of Laws, S.  237 (Verweis in Fn.  646); ähnlich Hoffheimer, 60 U. Kan. L. Rev. 549, 566 (2012); Werner, 45 Brook. L. Rev. 565, 582 (1979), Fn.  91. 295  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1141, 1144 (1966). 296  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1144 (1966). 297 Vgl. Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  152; Grothe, RabelsZ 58 (1994), 686, 696. 298  Z. B. Bryant v. Finnish National Airline, 15 N.Y.2d 426 (1965): doing business einer finnischen Fluggesellschaft, die zwar keine Flüge in die USA durchführte und dort keine Tickets verkaufte, aber mit einem kleinen Büro in New York Reservierungen nach Europa weiterleitete; weitere Nachweise bei Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  152, Fn.  267. 299  Kurland, 25 U. Chi. L. Rev. 569, 602 (1958) (auf die Wesensverwandtschaft dieser Erwägung mit der Lehre vom forum non conveniens hinweisend); Waits, 1983 U. Ill. L. Rev. 917, 940. 300  Vgl. die Kritik an der Rspr. bei v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1142–1144 (1966).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

b) Shaffer v. Heitner (1977): Niedergang der limited general jurisdiction Von durchschlagendem Erfolg wurde die an den Supreme Court gerichtete Aufforderung v. Mehrens und Trautmans gekrönt, der von der International Shoe-Entscheidung aufgestellte Fairnessmaßstab müsse einheitlich angewendet werden, d. h. nicht nur in Bezug auf die jurisdiction in personam, sondern auch auf die jurisdiction in rem und quasi in rem. Bewirkt werden sollte damit der Wegfall der jurisdiction quasi in rem.301 Dem englischen Recht folgend genügte dieser Belegenheitszuständigkeit die Beschlagnahme des Vermögens (attachment), ohne dass ein weiterer Bezug des Beklagten zum Gerichtsstaat erforderlich war.302 Als Vermögen wurde in der Folgezeit auch ein Anspruch des Schuldners gegen einen Drittschuldner gewertet, welcher der Person des Drittschuldners anhaftete und dem Gläubiger ermöglichte, den zufällig im Gerichtsstaat anwesenden Drittschuldner zum Zwecke der Begleichung der Hauptschuld zu verklagen.303 Diesen Konstruktionen setzte der Supreme Court in der Entscheidung Shaffer v. Heitner unter ausdrücklicher Aufhebung der bisherigen Rechtsprechung (overruling) ein Ende.304 Zur Entscheidung stand ein deliktsrechtlicher Anspruch eines Aktionärs der Greyhound Corporation gegen Vorstandsmitglieder dieser Gesellschaft wegen der Verletzung von Treuepflichten, die sich im Staat Oregon ereignete. Die Klage wurde aber am Gründungsort der Gesellschaft in Delaware erhoben, weil dessen Gesetz die Belegenheit einer jeden Aktie am Gründungsort der Gesellschaft fingierte.305 Der Supreme Court setzte in seiner Entscheidung bei der starren Begrifflichkeit der jurisdiction (quasi) in rem an, die in Wirklichkeit nicht durch den Vermögensgegenstand als solchen gekennzeichnet werde, sondern die Interessen der Eigentümer und beteiligten Parteien betreffe.306 Weil in die Interessensphäre von Personen eingegriffen werde, müsse wie bei der jurisdiction in personam der Schutz der due process-Klausel in Form von Mindestkontakten Anwendung finden. Allein die Belegenheit von Vermögen wie der fingierte situs der Aktien in Delaware begründe die Zuständigkeit nicht. Erforderlich sei stets ein Bezug des Beklagten zum Forum, der im 301  Siehe B. I. 1. 2. c) aa) (2) und insbesondere v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1164 f. (1966); ähnlich zuvor schon Traynor, 37 Tex. L. Rev. 657, 663 (1959). 302  Diese Rechtslage beschreibt ausführlich Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  16 f. 303  So die Entscheidung Harris v. Balk, 198 U.S.  215 (1905), Erläuterungen bei B. I. 1. 2. c) aa) (2). 304  433 U.S.  186, 212 (1977), mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung Harris v. Balk in Fn.  39. 305  433 U.S.  186, 189 ff. (1977). 306  433 U.S.  186, 207 (1977); vgl. die Kritik durch v. Mehren/Trautman an den antiquierten Begrifflichkeiten, oben B. I. 1.

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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vorliegenden Fall aufgrund der wesentlichen Handlungsabläufe in Oregon nicht festgestellt werden konnte.307 Entsprechend der Anregung von v. Mehren und Trautman gilt seither für alle Verfahrensarten der Zuständigkeitsmaßstab der International Shoe-Entscheidung, dessen Schwerpunkt nach der Mehrheitsmeinung auf der Fairnessanalyse liegt.308 Die Belegenheitszuständigkeit verliert folglich neben der personal jurisdiction weitgehend an eigenständiger Bedeutung. Relevanz kommt ihr nur noch in den Fällen der echten jurisdiction in rem zu, bei welcher schon die Sachbezogenheit des Titels einen Mindestkontakt darstellt.309 c) Helicopteros v. Hall (1984): doing business als general jurisdiction in Abgrenzung zur specific jurisdiction Die Entscheidung Helicopteros Nacionales de Colombia v. Hall310 markiert den Durchbruch der Dichotomie von general jurisdiction und specific jurisdiction und verhilft den zuständigkeitsrechtlichen Lehren v. Mehrens zur wohl höchsten Anerkennung, obgleich der Supreme Court vorwiegend die Begrifflichkeiten und nicht alle vorgeschlagenen konzeptionellen Neuerungen rezipiert.311 In diesem Verfahren klagten die Hinterbliebenen von vier US-Bürgern, die bei der Arbeit an einem Pipeline-Projekt in Peru aufgrund eines Pilotenfehlers mit dem Hubschrauber verunglückten, vor einem texanischen Gericht gegen die kolumbianische Betreibergesellschaft der Hubschrauber, Helicopteros Nacionales de Colombia S.A. (Helicol).312 Das Gericht leitete die Zuständigkeitsprüfung des due process mit der Unterscheidung zwischen der general jurisdiction und der specific jurisdiction ein. Die streitgegenstandsbezogene Zuständigkeit setzte voraus, dass der Klagegrund aus dem Kontakt des Beklagten zum Forum resultiere oder auf ihn Bezug nehme: „It has been said that when a State exercises personal jurisdiction over a defendant in a suit arising out of or related to the defendant‘s contacts with the forum, the State is exercising 307  433 U.S.  186, 209 (1977); weiterführend zu den Entscheidungsgründen: Friedenthal/ Kane/Miller, Civil Procedure, S.  161 ff.; Hay, JZ 1977, 697, 699 f.; Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  33 ff. 308  433 U.S.  186, 212 (1977); mit Verweise bei 433 U.S.  186, 205, 210 (1977) auf v. Mehren/ Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121 (1966). 309  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  355f; Wazlawik, RIW 2002, 691, 694; a. A. Junker, IPRax 1986, 197, 200. 310  466 U.S.  408 (1984). 311  Die weitreichende Bedeutung betonen auch Borchers, in: FS v. Mehren (2002), S.  3; Michaels, 7 Int. Law Forum Droit Int. 213, 216 (2005); Symeonides, 53 Am. J. Comp. L. 531, 534 (2005). 312  466 U.S.  408, 409 ff. (1984).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

specific jurisdiction over the defendant. See v. Mehren & Trautman, Jurisdiction to Adjudicate: A Suggested Analysis, 79 Harv.L.Rev. 1121, 1144–1164 (1966).“

Aber auch wenn der Streitgegenstand nicht im Zusammenhang mit den Beklagtenkontakten stehe, sei das verfassungsrechtliche due process-Gebot in Anlehnung an die Perkins-Entscheidung gewahrt: „When a State exercises personal jurisdiction over a defendant in a suit not arising out of or related to the defendant‘s contacts with the forum, the State has been said to be exercising general jurisdiction over the defendant. See Brilmayer, How Contacts Count: due process Limitations on State Court Jurisdiction, 1980 S.Ct.Rev. 77, 80–81; v. Mehren & Trautman, 79 Harv.L.Rev., at 1136–1144“.313

Weil die beteiligten Parteien im untergerichtlichen Verfahren bestimmte Gründe für die Annahme einer specific jurisdiction nicht vorbrachten, prüfte der Supreme Court ausschließlich die general jurisdiction. Eine solche allgemeine Zuständigkeit für die beklagte Gesellschaft Helicol setze gemäß der Perkins-Entscheidung voraus, dass „continuous and systematic general business contacts“ bestünden.314 Vier möglicherweise relevante Kontakte von Helicol zu dem Staat Texas wurden bestimmt: (1) Der Vorstandsvorsitzende von Helicol verhandelte in Texas den Beförderungsvertrag mit dem Arbeitgeber der Opfer, (2) Helicol kaufte die meisten Helikopter seiner Flotte von einem Unternehmen in Texas, (3) von diesem Unternehmen ließ Helicol in Texas seine Piloten und das Management ausbilden und zudem (4) erhielt Helicol vom Arbeitgeber der Opfer Schecks, die auf eine texanische Bank ausgestellt waren.315 Diese Kontakte genügten der Mehrheit des Supreme Court als dauerhafte und systematische Geschäftsaktivität nicht, denn die Vertragsverhandlung in Texas sei ein einmaliges Ereignis und die Annahme von Schecks ein alltäglicher Vorgang ohne jede Bedeutung.316 Vor allem aber wurden die regelmäßigen Käufe der Helikopter („mere purchases, even if occurring at regular intervals“) als Anknüpfungspunkt der Zuständigkeit verworfen, weil nach dortigem Verständnis ein Unternehmen durch Einkäufe in einem anderen Staat nicht „präsent“ wird. Das Training der Piloten und Angestellten sei schließlich nur ein Bestandteil des Kaufvertrages.317

313 

466 U.S.  408, 414 (1984), Zitate in Fn.  8 und 9 (Hervorhebungen im Original). 466 U.S.  408, 416 (1984). 315  466 U.S.  408, 410 (1984). 316  466 U.S.  408, 416 (1984). 317  466 U.S.  408, 417 f. (1984), Zitat aus Rosenberg Bros. v. Curtis Brown Co., 260 U.S.  516 (1923). 314 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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Die anschließende Kontroverse über die Entscheidung löste die Annahme einer general jurisdiction aus, zu welcher sich der Supreme Court aufgrund des Parteivorbringens gezwungen sah. Der Absturz des Hubschraubers in Peru steht in Verbindung mit den Einkäufen der Flotte durch Helicol in Texas, auch wenn kein Produktionsfehler für den Unfall verantwortlich war und der Einkauf möglicherweise nicht kausal für den Personenschaden war. Daher stehen Kontakte der Beklagten vermutlich in Relation zu der konkreten Streitigkeit um Schadensersatz (related), selbst wenn sie daraus nicht direkt resultieren (arising out).318 Schon diese related to-Verbindung eröffnet nach dem Verständnis von v. Mehren und Trautman, die von der Mehrheitsmeinung des Supreme Court ausdrücklich zitiert werden, die Kategorie der specific jurisdiction. Das Gericht verpasste die Gelegenheit, die Kriterien des related to und arising out zur Abgrenzung zwischen der general jurisdiction und der specific jurisdiction näher zu bestimmen319 und prüfte allein die general jurisdiction, obwohl eventuell die Voraussetzungen der specific jurisdiction erfüllt gewesen wären. Implizit wird folglich die general jurisdiction als eingeschränkter Auffangtatbestand etabliert, das genaue Verhältnis der Gerichtsstände zueinander aber offengelassen. Als Resultat besticht immerhin die Definition der neuen Zuständigkeitskategorien sowie eine gewisse Einschränkung der general jurisdiction – beides ganz im Sinne von v. Mehren und Trautman.320 Deutlich kommt zum Ausdruck, dass bei der general jurisdiction der fehlende Bezug zum Streitgegenstand durch eine stärkere Intensität der Kontakte des Beklagten ausgeglichen werden muss. Denn trotz reichlich vorhandener Verbindungen und einer physischen Anwesenheit des Vorstandes wurde eine allgemeine Gerichtspflichtigkeit abgelehnt321 und ein strengerer Prüfungsmaßstab als Gegenpol zur Perkins-Entscheidung eingeführt.322

Diese Einschätzung teilend: 466 U.S.  408, 425 (1984) (Justice Brennan, dissenting); Hay, 35 Int’l & Comp. L.Q. 32, 38 (1986); Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 640 (1988). 319  Die Mehrheitsmeinung lehnt eine solche Unterscheidung ausdrücklich ab, 466 U.S.  408, 425 (1984): „Absent any briefing on the issue, we decline to reach the questions (1) whether the terms arising out of and related to describe different connections between a cause of action and a defendant‘s contacts with a forum, and (2) what sort of tie between a cause of action and a defendant‘s contacts with a forum is necessary to a determination that either connection exists.“ (Hervorhebungen im Original); zur Abgrenzung später noch B. III. 320  Siehe B. I. 2. c) aa) (3). 321  Offen bleibt, welche Aktivitäten (z.B. regelmäßige Verkäufe) die general contacts im Sinne der Perkins-Entscheidung begründen, dazu Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  411. 322 Ähnlich Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  130; Weintraub, Conflict of Laws, S.  178 f. 318 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

d) Burnham v. Superior Court of California (1990): Aufrechterhaltung der traditionellen Gerichtsstände der unlimited general jurisdiction Hinter der modernen Präjudizienkette verbarg sich lange Zeit eine bedeutende Frage: Ersetzt der minimum contacts-Test der International Shoe-Entscheidung die traditionellen Gerichtsstände der Pennoyer-Rechtsprechung oder tritt er gleichberechtigt neben diese? Die Entscheidung Shaffer v. Heitner erweckte den Eindruck, die Zuständigkeitsgründe der general jurisdiction müssten ebenfalls minimum contacts aufweisen, denn darin formulierte der Supreme Court ganz allgemein: „Jede Ergreifung einer staatlichen Gerichtszuständigkeit muss gemäß den Standards von International Shoe und den Folgeentscheidungen bewertet werden“.323 Deshalb wurde der Zuständigkeit für Personen auf der Durchreise (transient/tag jurisdiction) das Verdikt der Exorbitanz angeheftet.324 v. Mehren und Trautman argumentieren ebenfalls, es sei schlicht unfair, aus einer nur kurzen Aufenthaltsdauer eine Klagemöglichkeit bezüglich aller denkbaren Ansprüche gegen die Person abzuleiten. Allerdings müssten die historische Verwurzelung im common law sowie die Indizwirkung für das Vorhandensein weiterer Verbindungen zum Forum berücksichtigt werden.325 Doch der Supreme Court entschied sich im Jahr 1990 in der Entscheidung Burnham v. Superior Court zugunsten der Verfassungsmäßigkeit der tag jurisdiction – die historische Auslegung spielte dabei eine große Rolle. Die Entscheidung betraf eine Ehesache: Die Eheleute Burnham aus New Jersey wollten sich scheiden lassen, woraufhin Mrs. Burnham mit den gemeinsamen Kindern nach Kalifornien zog. Sie ließ ihrem Mann den Scheidungsantrag zustellen, als er sich auf einer dreitätigen Geschäftsreise mit kurzem Besuch seiner Kinder in Kalifornien befand.326 Einig waren sich die Richter abermals nur im Ergebnis, nämlich in der Aufrechterhaltung von general jurisdiction in diesem klassischen Fall der Durchreise, zerstritten indes in der Begründung. Justice Scalia und drei weitere Richter rechtfertigten die Anwesenheit als historisch anerkannt und traditionell fair. Der due process-Maßstab „traditional fair play and practice“ sei ja gerade in Analogie zur presence als Zuständigkeitsbegründung entwickelt worden, weshalb es widersprüchlich („perverse“) 323 

433 U.S.  186, 212 (1977) (Übersetzung durch die Verf.); dazu soeben B. II 4. b). Ehrenzweig, 65 Yale L.J. 289 ff. (1956); Fyr, 26 Emory L.J. 739, 770 (1977); Jay, 59 N.C. L. Rev. 429, 474 (1981); Vernon, 63 Iowa L. Rev. 997, 1021 (1977) („open to substantial doubt“). 325  Siehe schon B. I. 2. c) aa) (1) sowie v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1137 f. (1966); stärker betont die mangelnde Fairness v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 291 f. (1983), insb. in Fn.  32. 326  495 U.S.  604 (1990). 324 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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wäre, die Anwesenheit als nicht traditionell zu betiteln.327 Dass ein Mindestkontakt auf der Durchreise möglicherweise nicht besteht, wurde trotz der Shaffer-Entscheidung als unschädlich angesehen, weil dieser Test „allumfassend“ nur für abwesende, nicht für ohnehin schon anwesende Beklagte gelte.328 Vier Richter um Justice Brennan versuchten, die historische Auslegung durch Gegenbeweise zu entkräften.329 Die Shaffer-Entscheidung sei zudem tatsächlich so zu verstehen, dass für alle Beklagte der Schutz durch die Einzelfall­ abwägung von „Fairness und Verhältnismäßigkeit“ gelte.330 Auch v. Mehren vermisst eine echte Abwägung von Fakten. Er bringt die Inhaltslosigkeit der historischen Argumentation auf den Punkt: „Ex nihilo nihil fit“,331 antiquierte Traditionen sollen nicht um der Tradition willen fortbestehen, wenn ein Mindestkontakt fehlt. Wenn die Burnham-Entscheidung also im Ergebnis die Anwesenheit einer natürlichen Person als traditionellen Zuständigkeitsgrund anerkennt, so könnte das auch für juristische Personen gelten, die durch ihre organschaftlichen Vertreter im Forumstaat anwesend sind. Justice Scalia hat eine Analogie zwar angedeutet, aber kein dictum abgegeben.332 v. Mehren fürchtet daher, dass eine historische Auslegung das doing business einer juristischen Person als allgemeinen Gerichtsstand rechtfertigen könnte,333 denn immerhin verselbstständigte sich das doing business schon weit vor der International Shoe-Entscheidung aus dem Jahr 1945 als Zuständigkeitsgrund.334 Ob seine Furcht aktuell noch berechtigt ist, zeigt die neuste Rechtsprechung im Folgenden. e) Goodyear v. Brown (2011): Einschränkung des doing business auf eine at home-Basis Dass der allgemeine Gerichtsstand des doing business gemäß dem Postulat v. Mehrens und Trautmans je ernsthaft in Frage gestellt würde, hätte nach der vorherrschenden Akzeptanz in der untergerichtlichen Rechtsprechung und

327 

495 U.S.  604, 619 (1990). 495 U.S.  604, 620 f. (1990). 329  495 U.S.  604, 635 f. (1990). 330  495 U.S.  604, 639 (1990). 331  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  111. 332  495 U.S.  604, 610 (1990) in Fn.  1; dazu Grothe, RabelsZ 58 (1994), 686, 701. 333  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  113. 334  Insbesondere durch Entscheidungen wie St. Clair v. Cox, 106 U.S.  350 (1882) und International Harvester Co. v. Kentucky, 234 U.S.  579 (1914); dazu Welp, Internationale Zuständigkeit, S.  40 ff. und oben B. II. 1. b). 328 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

US-amerikanischen Literatur335 wohl kaum jemand für möglich gehalten.336 Doch mit der Entscheidung Goodyear Dunlop Tires, S.A. v. Brown337 aus dem Jahr 2011 scheint der US Supreme Court genau diese Kehrtwende eingeleitet zu haben. Wirft man einen Blick auf den Verfasser der Urteilsbegründung, so überrascht dies schon etwas weniger: Justice Ginsburg, jene Richterin, die in der am selben Tag ergangenen Parallelentscheidung McIntyre in einem Sondervotum eine Rückkehr zu den considerations of litigational convenience anmahnte,338 verfasste die einstimmige Mehrheitsentscheidung des Gerichts. In dieser Rechtssache verklagten die Hinterbliebenen von zwei 13-jährigen Jungen aus North Carolina die europäische Tochtergesellschaften des Reifenherstellers Goodyear vor den Bundesstaatengerichten von North Carolina, weil die von ihnen hergestellten Reifen das für die Jungen tödliche Busunglück ihrer Fußballmannschaft in Paris verursacht hätten. Die beklagten Tochterunternehmen lieferten die defekten Reifen über ein verzweigtes Vertriebsnetz mit Good­ year USA auch nach North Carolina. Weil der Unfall in Frankreich nicht durch einen in den USA hergestellten oder dort verkauften Reifen verursacht wurde, kam eine specific jurisdiction nicht in Betracht. Entsprechend stützten die Instanzengerichte ihre Zuständigkeit auf die general jurisdiction, allerdings mit der Begründung, die Hersteller hätten ihre Produkte über den stream of commerce nach North Carolina gebracht.339 Der Supreme Court stellte klar, dass das Einbringen eines Produkts in den Warenverkehr niemals eine general jurisdiction begründen kann. Er wies auf die strenge Differenzierung zwischen der specific und der general jurisdiction hin, die sich durch den Bezug zum Streitgegenstand unterscheide.340 Die stream of commerce-Theorie könne nur eine Verbindung zum konkreten Gegenstand der Klage herstellen, wie im Fall der Produkthaftung also zur Schädigung durch das Produkt, aber den Beklagten nicht generell der Gerichtspflichtigkeit an jedem Verkaufsort des Produkts unterwerfen.341 Die Gerichte North Carolinas wurden für die absurde Heranziehung dieser Theorie im Rahmen der general jurisdiction gerügt; zumal diese Ansicht bislang wohl kein Gericht und kein Vgl. Restatement (Second) Conflict of Laws (1971), §  35 Abs.  1 comment b; Rhodes, 34 Seton Hall L. Rev. 807, 846 ff. (2004); Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 681 (1988) (diesen Wunsch vorsichtig äußernd). 336  Selbst der reformwillige Borchers hielt dies für unwahrscheinlich, U. Chi. Legal f. 119, 132 (2001). 337  131 S.Ct. 2846 (2011). 338  Siehe B. II. 3. f). 339  131 S.Ct. 2846, 2850 f. (2011). 340  131 S.Ct. 2846, 2851, 2855 (2011), mit Zitat auf v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1136 (1966). 341  131 S.Ct. 2846, 2855 (2011). 335 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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Wissenschaftler vertritt.342 Mit Hilfe einer technischen Differenzierung (distinguishing) stellte der Supreme Court sodann fest, dass die Fakten des Falles mehr dem Helicopteros-Fall ähneln als der Perkins-Entscheidung, welche als „Schulbeispiel für general jurisdiction“ beschrieben wurde.343 Der durch v. Mehren und Trautman beschriebene „Ausnahmefall“344 der Perkins-Entscheidung wird mithin zur Regel erhoben. Justice Ginsburg ging aber noch einen Schritt weiter, indem sie den zuständigkeitsrechtlichen Maßstab neu formulierte: „A court may assert general jurisdiction over foreign (sister-state or foreign-country) corporations to hear any and all claims against them when their affiliations with the State are so continuous and systematic as to render them essentially at home in the forum State.“345

Welche Geschäftsaktivitäten das „zu Hause“ eines Unternehmens konstituieren, wurde nicht weiter ausgeführt. Im Rahmen einer Differenzierung von der bisherigen Rechtsprechung argumentierte die Richterin indes, die GoodyearTochtergesellschaft sei nicht in dem Sinne in North Carolina „zu Hause“ wie die beklagte Baugesellschaft der Perkins-Entscheidung in Ohio.346 Damit implizierte sie, dass dieses Erfordernis nur in Ausnahmefällen wie der kriegsbedingten Notgeschäftsführung im Perkins-Urteil erfüllt ist.347 Wie schon der Begriff „at home“ vermuten lässt, wurde eine Analogie zum Wohnsitz (domicile) einer natürlichen Person gebildet und als Anknüpfungspunkt für einen Unternehmens“wohnsitz“ dessen Gründungsort (place of incorporation) und Hauptverwaltungssitz (principal place of business) angeführt.348 Diese Ausführungen des Gerichts lösten eine regelrechte Flut von Deutungsansätzen in der Wissenschaft aus. Fraglich ist insbesondere, ob der allgemeine Gerichtsstand des doing business unter dem at home-Test Bestand haben kann. Der Supreme Court äußerte sich dazu nicht, er bemühte sich aber auch nicht um eine historische Rechtfertigung ähnlich der Burnham-Rechtsprechung, was v. Mehren befürchtet hatte.349 Eine traditionelle Verfestigung wird von einem überwiegenden Teil der Literatur abgelehnt, weil das doing business als Anwesenheitsfiktion unter der ver342  So die Einschätzung von Freer, Civil Procedure, S.  111; Stein, 63 S. C. L. Rev. 527, 530 (2012). 343  131 S.Ct. 2846, 2856 (2011) (Hervorhebung durch die Verf.). 344  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1144 (1966); dazu soeben B. II. 4. a). 345  131 S.Ct. 2846, 2851 (2011) (Hervorhebung im Original), Wiederholung des Begriffs at home bei 2854, 2857. 346  131 S.Ct. 2846, 2857 (2011). 347  Feder, 63 S. C. L. Rev. 671, 677 (2012); Stein, 63 S. C. L. Rev. 527, 530 (2012). 348  131 S.Ct. 2846, 2853 f. (2011). 349  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  113, dazu schon unter B. II. 4. d).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

alteten Pennoyer-Regel entstanden ist und von vielen Gerichten nur bezüglich des konkreten Streitgegenstands als zuständigkeitsbegründend herangezogen wurde,350 mithin erste Formen der specific jurisdiction betrifft.351 Für diese Ansicht spricht die unterschiedliche theoretische Fundierung der general und der specific jurisdiction. Während die specific jurisdiction das Interesse des Staates an der Regulierung des sich in seinem Territorium ereignenden Verhaltens ausdrückt, gründet die general jurisdiction immer noch auf dem Herrschaftsanspruch und der Souveränität der Einzelstaaten über die in ihrem Territorium befindlichen Personen.352 Das entspricht der Rechtfertigung der jeweiligen Zuständigkeitsgründe durch v. Mehren und Trautman.353 Bei der general jurisdiction kann das „Nutzen-Nachteil-Argument“ der specific jurisdiction nicht herangezogen werden, d. h. die Gerichtspflichtigkeit nicht als Resultat der zweckgerichteten Inanspruchnahme der Vorteile in einem Staat betrachtet werden, weil es nicht um ein bestimmtes Verhalten geht. Die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens, die unzweifelhaft Vorteile für das Unternehmen mit sich bringt und die specific jurisdiction rechtfertigen kann, würde dann gerade eine dauerhafte Herrschaftsmacht des Staates begründen, welche ansonsten nur bei einer „staatsbürgerschaftsgleichen Verbindung“ besteht.354 So gesehen ist die durch das doing business entstehende Verbindung des Unternehmens zu einem Staat zu schwach für eine general jurisdiction, insbesondere im Vergleich zum Wohnsitz einer natürlichen Person. Andere bewerten den at home-Standard hingegen nicht als Ausschluss des doing business-Gerichtsstands, weil sozialpolitische Gründe weiterhin für eine Haftung von ausländischen Herstellern sprächen und die Gründung von Zweigniederlassungen nicht zur Umgehung der Zuständigkeit führen solle.355

350  Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1066 (2012); Feder, 63 S. C. L. Rev. 671, 681 ff. (2012). 351  Zu den Anfängen der specific jurisdiction s. B. II. 1. b). 352  Für die specific jurisdiction leitet sich das Regulierungsinteresse aus dem Erfordernis der „zweckgerichteten Inanspruchnahme der Privilegien im Forum“ ab, erstmals Hanson v. Denckla, 357 U.S.  235, 251 (1958); die power theory bei der general jurisdiction zeigte deutlich Burnham v. Superior Court, 495 U.S.  604, 619 (1990); ähnlich Erichson, 66 Vand. L. Rev. En Banc 81, 85 f. (2013); Stein, 63 S. C. L. Rev. 527, 537 (2012). 353  Siehe B. I. 2. c) aa) und bb). 354  Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1068 f. (2012); Stein, 63 S. C. L. Rev. 527, 538, 542 (2012). 355  Peddie, 63 S. C. L. Rev. 697, 723 ff. (2012); im Ergebnis ebenso Borchers, 44 Creighton L. Rev. 1245, 1267 (2011).

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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Legt man der Entscheidung die restriktive Auslegung zugrunde356 − wofür schon der Analogieschluss zum Wohnsitz einer natürlichen Person spricht −, so stellt sich die weitere Frage nach der Anknüpfung an den Gründungsort (place of incorporation) oder den Verwaltungssitz (principal place of business). Das Gericht führte zwar beide Orte an, nach dem Wortlaut „paradigm bases“357 sind sie aber wohl nur als Musterbeispiele zu verstehen. Dennoch wird die Aufzählung teilweise exklusiv verstanden.358 Überzeugender ist es demgegenüber, eine Ausnahme zu den beiden ausdrücklich genannten home bases anzuerkennen, wenn eine außergewöhnlich hohe Geschäftsaktivität und eine starke Präsenz vorliegen.359 Demnach wäre die general jurisdiction über die Gesellschaft Good­year USA, die im Gegensatz zu ihren Tochtergesellschaften eine Zuständigkeitsrüge für aussichtlos hielt, nur noch in einem Staat mit einem „wohnsitzähnlichen Standort“ denkbar.360 Unklar bleibt aber, ob etwa ein regionaler Verwaltungssitz oder Fabrikationsstätten ausreichen. Schwierigkeiten bereitet ferner die Bestimmung des Verwaltungssitzes. v. Mehren und Trautman schlagen vor: „If top-level managerial and administrative functions are centered rather equally in two or more communities, each such community has a legitimate claim to be treated as the corporation‘s head office for jurisdictional purposes“.361 Mithin kann sowohl das Zentrum der wesentlichen Unternehmensentscheidungen (nerve center) als auch der Ort der hauptsächlichen Verwaltungsaktivität (muscle center) parallel herangezogen werden. In der heutigen Literatur wird meist entweder auf die business-Aktivität am muscle center abgestellt, weil diese einen stärkeren Kontakt zum Forum begründe als einzelne Entscheidungen des Managements,362 oder alternativ auf das nerve center.363 Trotz der vielfältigen Schlussfolgerungen in der Literatur und offenen Auslegungsfragen ist die Annäherung des Supreme Court an das Konzept v. Mehrens und Trautmans deutlich erkennbar.364 Der doing business-Gerichtsstand wird 356  Dieser Ansicht folgen auch Freer, Civil Procedure, S.  111; Metz, IPRax 2014, 365, 367; zurückhaltender Zekoll/Schulz, RIW 2014, 321, 325. 357  131 S.Ct. 2846, 2854 (2011). 358  Erichson, 66 Vand. L. Rev. En Banc 81, 86 (2013). 359 So Feder, 63 S. C. L. Rev. 671, 694 f. (2012); Freer, Civil Procedure, S.  112; Hoffheimer, 60 U. Kan. L. Rev. 549, 553 (2012). 360 Vgl. Hoffheimer, 60 U. Kan. L. Rev. 549, 599 f. (2012). 361  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1142 (1966). 362  Hoffheimer, 60 U. Kan. L. Rev. 549, 598 f. (2012). 363  Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1060 (2012); Peddie, 63 S. C. L. Rev. 697, 716 (2012); in Anlehnung an die US Supreme Court-Entscheidung Hertz Corp v. Friend, 130 S.Ct. 1181 (2010), die indes zur subject matter jurisdiction erging. 364  Ausdrücklich konstatiert dies Hoffheimer, 60 U. Kan. L. Rev. 549, 593 (2012).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

durch den neuen at home-Standard zurückgedrängt, wenn nicht sogar gänzlich aufgegeben, ohne dass eine historische Rechtfertigung erfolgt. Die general jurisdiction ist im Ergebnis durch die grundsätzlich maßgeblichen Gerichtsstände am Gründungsort und am Hauptverwaltungssitz eines Unternehmens wesentlich eingeschränkt. f) Daimler v. Bauman (2014): Klarstellungen zur at home-Basis Der Supreme Court zeigt sich gegenwärtig um die Fortführung der GoodyearRechtsprechung und eine dauerhafte Restriktion der general jurisdiction bemüht. Eine Konkretisierung des essentially at home-Maßstabes findet sich in der Entscheidung Daimler AG v. Bauman, die sich eigentlich mit einer zuständigkeitsrechtlichen Durchgriffshaftung von der amerikanischen Daimler-Tochtergesellschaft MBUSA auf die deutsche Muttergesellschaft Daimler befasste, weil MBUSA von 22 Argentiniern wegen Menschenrechtsverletzungen unter der argentinischen Militärdiktatur vor einem Gericht in Kalifornien verklagt wurde.365 Zunächst verneinte der US Supreme Court eine Zurechnung von Kontakten der Tochtergesellschaft ( jurisdictional corporate veil piercing), wie sie das Bundesberufungsgericht des Ninth Circuit vorgenommen hatte. Ohne den sog. agency-Test direkt zu verwerfen, welcher die Bedeutung der Tätigkeiten der Tochtergesellschaft (1.) und die Kontrolle der Muttergesellschaft (2.) für eine Zurechnung bemisst,366 wurde die konkret vorgenommene Einzelfallprüfung missbilligt.367 Anschließend führte das Gericht aus, dass selbst wenn man eine general jurisdiction über die Tochtergesellschaft MBUSA in Kalifornien unterstellte und zudem von einer Zurechnung der Kontakte auf die Muttergesellschaft Daimler ausginge, ein „zu Hause“ (at home) von Daimler in Kalifornien nicht vorläge.368 Der in der Wendepunkt-Entscheidung Goodyear genannte Gründungs- und Hauptverwaltungssitz sei in der Tat nur ein Paradebeispiel eines at home. Ein möglicher Ausnahmefall wie in der Perkins-Entscheidung369 bestehe, wenn alle Verbindungen des Unternehmens – weltweit betrachtet – zum Gerichtsstaat so 365 

134 S.Ct. 746, 751 f. (2014). Daneben wäre ein zuständigkeitsrechtlicher Durchgriff aufgrund eines alter ego-Standards denkbar gewesen, welchen aber die Kläger vor dem Bundesberufungsgericht nicht anführten, vgl. 134 S.Ct. 746, 759 (2014); zum alter ego- und agency-Test Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  175 ff.; Müller-Froelich, Gerichtsstand der Niederlassung, S.  351 ff.; Schulz, DAJV-NL 2013, 152, 154 f. 367  134 S.Ct. 746, 759 f. (2014). 368  134 S.Ct. 746, 760 (2014). 369  Diese Aussage des Gerichts bestätigt die Deutung der Perkins-Entscheidung als Ausnahmefall durch v. Mehren und Trautman, s. dazu B. II. 4. a). 366 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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dauerhaft und systematisch (continuous and systematic) sind, dass es nur dort ansässig ist. Nicht entscheidend sei jedoch, ob die Kontakte zum Forum dauerhaft und systematisch sind.370 Die abweichende Meinung von Justice Sotomayor weist zu Recht darauf hin, dass die Entscheidung ein overruling des Maßstabs der „continuous and systematic general business contacts“ i. S. d. Helicopteros-Entscheidung darstellt.371 Die Verbindung von Daimler zu Kalifornien wird von der Mehrheit des Gerichts als nicht besonders stark eingeschätzt, selbst bei Zurechnung der Kontakte von MBUSA.372 Folglich sind die Kontakte für jedes Unternehmen zum Forum als relativ zu betrachten, sodass es nur an wenigen Orten auf der Welt ansässig ist.373 Außerdem verdeutlichte das Gericht, dass ein doing business für eine solche Verbindung künftig nicht mehr genügen kann, indem es sich explizit auf die Seite der Kommentatoren zur Goodyear-Entscheidung stellte.374 Die Mehrheitsmeinung sah sich in der Restriktion der general jurisdiction durch einen Blick auf die Rechtslage der EuGVO bestätigt und führte damit den rechtsvergleichenden Trend von Justice Ginsburg in der McIntyre-Entscheidung fort. Ein Unternehmen könne in Europa nur am allgemeinen Gerichtsstand des Satzungssitzes, des Hauptverwaltungssitzes oder der Hauptniederlassung (Art.  2, 60 EuGVO a. F.) oder am besonderen Gerichtsstand der Niederlassung (Art.  5 Nr.  5 EuGVO a. F.) verklagt werden. Die „expansive Auslegung von general jurisdiction“ in den USA habe in der Vergangenheit zu Spannungen in der Verhandlung von internationalen Abkommen geführt.375 Diese Einsicht wird sich im Hinblick auf das Haager Gerichtsstands- und Vollstreckungsabkommen noch bestätigen.376 Weitere Transparenz schaffte der Supreme Court hinsichtlich der Unterscheidung zwischen der specific und der general jurisdiction. Für die general jurisdiction seien alle weltweiten Verbindungen eines Unternehmens zu berücksichtigen und ein „zu Hause“ auch bei einem multinationalen Unternehmen nicht an jedem Tätigkeitsort anzunehmen. „Otherwise, at home would be synonymous with doing business tests framed before specific jurisdiction evolved in the United States. See v. Mehren & Trautman 1142–1144.“377 Damit schlägt das Gericht

370 

134 S.Ct. 746, 760–762 (2014). 134 S.Ct. 746, 767 f. (2014) (Justice Sotomayor). 372  134 S.Ct. 746, 761 (2014). 373  So auch Zekoll/Schulz, RIW 2014, 321, 326. 374  134 S.Ct. 746, 761 (2014), mit Zitat Feder, 63 S. C. L. Rev. 671 (2012). 375  134 S.Ct. 746, 763 (2014). 376  Insbesondere im Hinblick auf das doing business s. Teil 4 A. II. 2., B. II 1. a), B. III. 1. 377  134 S.Ct. 746, 762 (2014) (Hervorhebungen im Original). 371 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

endgültig die Linie v. Mehrens und Trautmans ein und erlaubt general jurisdiction nur an wenigen, klar umgrenzten Gerichtsständen. g) Zwischenergebnis zur general jurisdiction Die Rechtsprechung zur general jurisdiction weist eine deutliche Anlehnung bzw. Übereinstimmung zum Zuständigkeitskonzept v. Mehrens/Trautmans auf, insbesondere seit sich das Gericht vom doing business-Gerichtsstand abgewand und die Zuständigkeit auf eine at home-Basis beschränkt hat.378 Bereits mit dem Niedergang der limited general jurisdiction durch Shaffer v. Heitner folgte der Supreme Court der Forderung v. Mehrens und Trautmans, den minimum con­ tacts-Standard auf jegliche Gerichtspflichtigkeit einer Person anzuwenden.379 Einen anderen Weg schlug er indes mit der Aufrechterhaltung der Aufenthaltszuständigkeit in Burnham v. Superior Court ein sowie mit der Entscheidung Helicopteros v. Hall.380 Das Kriterium der „dauerhaften und systematischen Geschäftstätigkeiten“ der Helicopteros-Entscheidung wurde aber nunmehr durch die Daimler-Rechtsprechung überholt.381 Entsprechend der Ansicht v. Mehrens und Trautmans wird die Regelanknüpfung für Gesellschaften nach Goodyear v. Brown am Gründungsort und Verwaltungssitz vorgenommen. Ausnahmefälle werden nur gemäß dem Leitbild der ungewöhnlichen PerkinsEnt­scheidung zugelassen.382 5. Ergebnis Die Rechtsfortbildung der internationalen Zuständigkeit durch den US Supreme Court zeigt eine ambivalente Entwicklung: Einerseits ist eine Restriktion der Gerichtsstände der general jurisdiction zu verzeichnen, andererseits zeigt sich eine Ausdifferenzierung der streitgegenstandsbezogenen specific jurisdiction. Damit folgt die Rechtsprechung zunehmend der Leitlinie v. Mehrens und Trautmans, die eine Ablösung der althergebrachten Gerichtsständen durch eine flexible, an Fairnesserwägungen ausgerichteten Zuständigkeitsprüfung forcierten.

Goodyear v. Brown, 131 S.Ct. 2846, 2851 (2011). 433 U.S.  186, 209 ff. (1977); s. B. II. 4. b). 380  495 U.S.  604 (1990) und 466 U.S.  408 (1984); s. B. II. 4. d), c). 381  So die Einschätzung von Justice Sotomayor, Daimler AG v. Bauman, 134 S.Ct. 746, 767 f. (2014). 382  S. B. II. 4. e). 378 

379 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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III. Abgrenzung zwischen general und specific jurisdiction sowie alternative Zuständigkeitskonzepte „It used to seem so easy. After Professors Arthur v. Mehren and Donald Trautman wrote their celebrated article, we came to accept that there were two kinds of jurisdiction, general and specific. […] It’s not so simple any more. The question whether general or specific jurisdiction is at issue is still of major importance, because it remains true that more substantial contacts must be shown if general jurisdiction is sought. What is considerably less clear is whether, in particular cases, the relevant basis for authority is general or specific.“383

Während die Dichotomie der general und specific jurisdiction heutzutage in der Literatur und Rechtsprechung allgemein anerkannt ist,384 besteht weiterhin Streit um die Ausgestaltung des konkreten Prüfungsmaßstabes, aber insbesondere auch um die Abgrenzung zwischen beiden Kategorien.385 Die Frage nach einem geeigneten Abgrenzungskriterium wird teilweise gar als die größte ungelöste Frage („the biggest void“ 386) im Rahmen der internationalen Zuständigkeit bezeichnet. Bei Einführung der Kategorien gaben v. Mehren und Trautman eine vermeintlich einfache Trennlinie vor: Während die general jurisdiction durch eine stark ausgeprägte Verbindung des Beklagten zum Forum gekennzeichnet ist, erfordert die specific jurisdiction einen Bezug des Streitgegenstandes zu den Aktivitäten des Beklagten im Forum. Die Abgrenzung soll mithin nach dem Streitgegenstandsbezug (relatedness) erfolgen, welcher Voraussetzung der specific jurisdiction ist.387 Der Streitgegenstandsbezug wird mittels solcher Tatsachen hergestellt, die aus der Streitigkeit „resultieren“ oder mit ihr „verbunden“ sind, nämlich „issues deriving from, or connected with, the very controversy that establishes jurisdiction to adjudicate“.388 An anderer Stelle verwenden v. Mehren und Trautman die Umschreibung „matters arising out of – or intimately related to – the affiliating circumstances on which the jurisdictional claim is based“.389 Dem Wortlaut

Brilmayer, 101 Harv. L. Rev. 1444 (1988). Goodyear Dunlop Tires, S.A. v. Brown, 131 S.Ct. 2846, 2851 (2011); Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  90; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  359; dazu ausführlich B. II. 385  Prägnanter Überblick in deutscher Sprache bei Hay, in: Handbuch des US-amerikanischen Rechts, 8. Kapitel Rn.  89–91. 386  Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1026 (2012). 387  S. B. I. 2. a). 388  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1136 (1966). 389  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1144 f. (1966); die Wendung scheint an die International Shoe-Entscheidung angelehnt zu sein, 326 U.S.  310, 319 (1945): „so far as those obligations arise out of or are connected with the activities within the state, a procedure 383 

384 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

nach benutzen sie den Begriff deriving from als Synonym zum Begriff arising out of im Sinne einer kausalen Verbindung der Forumkontakte zur Streitsache. Alternativ genügt auch, dass die Klage in engem Zusammenhang mit den Forumkontakten des Beklagten steht, wie die Begrifflichkeiten connected with bzw. intimately related to zu verstehen geben. Auch in späteren Werken setzt v. Mehren die Kausalität einem engen Zusammenhang gleich, indem er die specific jurisdiction umschreibt als „controversies deriving from, or closely related to the very circumstances relied upon“.390 Folglich bildet die enge Verbindung der Forumkontakte zum Streitgegenstand das Abgrenzungskriterium, und zwar unabhängig davon, ob die Aktivität des Beklagten im Forum die Klage kausal bedingt hat. Der US Supreme Court bedient sich ähnlich weiter Formulierungen. In der Helicopteros-Entscheidung nennt er als Kriterium für die specific jurisdiction, dass der Streitgegenstand aus den Kontakten des Beklagten zum Forum entstanden oder mit ihnen verbunden ist („arising out of or related to the defendant‘s contacts with the forum“). Die Frage, ob mit den Begriffen arising out und related to unterschiedliche Standards gesetzt werden, wollte er ausdrücklich nicht entscheiden.391 Das Urteil dient als gutes Beispiel dafür, welch weitreichende Konsequenzen die Abgrenzung haben kann. Weil sich die Mehrheitsmeinung aufgrund des klägerischen Vorbringens ausschließlich zu einer Prüfung der general jurisdiction gezwungen sah, konnten die einzelnen Kontakte der Gesellschaft Helicol zum Staat Texas nicht im Rahmen einer specific jurisdiction geprüft werden, erreichten aber auch die hohen Anforderungen der general jurisdiction nicht.392 In der dissenting opinion argumentiert Justice Brennan daher für ein weites Verständnis des Bezugs der Klage zu den Forumkontakten und lässt eine related to-Verbindung für die specific jurisdiction ausreichen. Somit gelangte er zu dem Ergebnis, dass zwar der Absturz des verunglückten Hubschraubers in Peru nicht in direkter Verbindung zum Erwerb der Hubschrauberflotte in Texas stand – es lag ein Pilotenfehler vor –, dennoch aber die Verbindung zu den Einkäufen eine Prüfung von specific jurisdiction erlaube.393 Mangels genauer Vorgaben des Supreme Court sieht sich die untergerichtliche Rechtsprechung und Literatur zur Entwicklung eines Abgrenzungsmaßstawhich requires the corporation to respond to a suit brought to enforce them can, in most instances, hardly be said to be undue“ (Hervorhebungen durch die Verf.); das Gericht stellt diesen Ursprung selbst heraus in Burnham v. Superior Court, 495 U.S.  604, 618 (1990). 390  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25. 391  466 U.S.  408, 415 (1984). 392  Ausführlich zu den Entscheidungsgründen oben B. II. 4. c). 393  466 U.S.  408, 425 (1984) (Justice Brennan).

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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bes berufen. Die einzelnen Ansätze weichen dabei beachtlich voneinander ab. In der Literatur lassen sich die Unterschiede vornehmlich auf einen Streit um die Reichweite der beiden Gerichtsstände der general und specific jurisdiction zurückführen. Spricht man der general jurisdiction einen weiten Anwendungsbereich zu, wie es der Supreme Court bis zur Goodyear-Entscheidung im Jahr 2011 vertreten hatte, so existiert potentiell eine größere Schnittmenge zur specific jurisdiction, die nach einem strengeren Abgrenzungskriterium verlangt. Erachtet man hingegen eine Einschränkung der general jurisdiction zugunsten der von Fairnesserwägungen beherrschten specific jurisdiction als erforderlich, eignet sich ein weites Abgrenzungskriterium besser dazu, möglichst viele Fälle der specific jurisdiction zuzuweisen. Daneben besteht noch die Möglichkeit, beide Gerichtsstände zu verbinden und den Übergang ohne ein striktes Abgrenzungskriterium entsprechend fließend zu gestalten. Die Untersuchung der Abgrenzungstheorien konzentriert sich vorliegend darauf, die Bezüge zum Gesamtkonzept der general und specific jurisdiction herauszuarbeiten. Vor dem Hintergrund der Fortentwicklung der specific jurisdiction durch v. Mehren ist ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, welches Abgrenzungskriterium seiner Konzeption am ehesten gerecht wird. 1. Der Streitgegenstand im US-amerikanischen Recht Kennzeichnend für die specific jurisdiction ist gemäß v. Mehren und Trautman der Bezug (relatedness) zur very controversy394, d. h. zur speziellen Streitigkeit. An anderer Stelle verwenden sie die Begrifflichkeiten der jurisdictional claim395 bzw. the very circumstances relied upon396 und der US Supreme Court schließlich spricht von der cause of action bzw. claim.397 So unbestimmt die Formulierungen auf den ersten Blick erscheinen mögen, ist doch stets dasselbe gemeint: der in den USA relativ weit gefasste Streitgegenstand. Dieser wird traditionell als cause of action bezeichnet, heute ist indes der Begriff claim (vgl. FRP Rule 8 [a]) gebräuchlicher.398 Auch in den USA ist seine genaue Bestimmung streitig, es lassen sich aber zwei wesentliche Leitlinien ausmachen. Unter den materiellrechtlichen Lehren beschränkt eine enge Auffassung den Streitgegenstand auf einen materiellen Anspruch, der einer bestimmten Norm entnommen wird. Nach diesem different-statute approach können konkurriev. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1136 (1966). v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1144 f. (1966). 396  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25. 397  466 U.S.  408, 415 (1984). 398  Restatement (Second) Judgments (1982), Introductory Note Title D; Friedenthal/ Kane/Miller, Civil Procedure, S.  658, Fn.  1. 394  395 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

rende Ansprüche in mehreren Prozessen geltend gemacht werden.399 Andere stellen auf das verletzte Rechtsgut (primary right) ab, wonach etwa die Verletzung von Eigentum und körperlicher Gesundheit durch dasselbe Ereignis zwei unterschiedliche Streitgegenstände bilden.400 Im Gegensatz dazu ermitteln die prozessuale Lehren, ob in einem zweiten Prozess derselbe tatsachenbezogene Sachverhalt vorzutragen wäre bwz. ob die zu erhebenden Beweismittel identisch sind (single wrongful act- bzw. same evidence-test).401 In ähnlicher Weise wird in der Literatur und Rechtsprechung heute mehrheitlich auf den gesamten Lebenssachverhalt abgestellt, unabhängig von der Art der Beweismittel, der Anspruchsgrundlagen oder der verletzten Rechtsgütern (transactional test).402 Wie das Restatement (Second) of Judgments (1982) in §  24 (1) formuliert, müssen alle Ansprüche „with respect to all or any part of the transaction, out of which the action arose“ in einer Klage zusammengefasst werden, um die Rechtskraftwirkung (claim preclusion) zu verhindern. Der Tatsachenkomplex einer solchen transaction wird nach den Kriterien eines zeitlichen, räumlichen oder kausalen Zusammenhangs, der Prozess­ ökonomie und den Parteiinteressen bestimmt.403 Daraus folgt, dass der Lebenssachverhalt weitgehend mit dem Streitgegenstand, der claim, gleichgesetzt werden kann. Ganz ähnlich schaut man auch im Rahmen des Art.  29 EuGVO auf das tatsächliche Geschehen und weniger auf den Antrag des Klägers, weshalb der US-amerikanische Streitgegenstand durchaus mit dem europäischen Streitgegenstand vergleichbar ist.404 2. Konkretisierung der relatedness durch die unterinstanzlichen Gerichte a) But for-Test Das Bundesberufungsgericht des Ninth Circuit schuf in der Entscheidung Shute v. Carnival Cruise Lines den sog. but for-Standard. Ein solcher Kausalitätstest führt das Gericht schon dann zur Prüfung von specific jurisdiction, wenn der

399  Harrington v. Workmen‘s Compensation Appeal Bd., 325 A.2d 337, 338 (Pa.Cmwlth. Ct. 1974). 400  International Evangelical Church of Soldiers of the Cross of Christ v. Church of Soldiers of the Cross of Christ California, 54 f.3d 581, 591 (9th Cir. 1995). 401  River Park, Inc. v. City of Highland Park, 703 N.E.2d 883, 891 (Ill. 1998); nachgebildet dem Restatement (First) Judgments (1942), §  61. 402  Glannon/Perlman/Raven-Hansen, Civil Procedure, S.  1191 f., 1194; Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S.  618; Richman/Reynolds/Whytock, Conflict of Laws, S.  375. 403  Dazu ausführlich Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  666. 404  So auch Schack, Einführung, Rn.  182, Fn.  628.

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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Klagegrund nicht ohne (but for) die Aktivität des Beklagten im Forumstaat entstanden wäre, sofern diese Aktivität nicht rein zufällig ist (too attenuated).405 Die Entscheidung befasste sich mit der personal jurisdiction des Staates Washington über eine Kreuzfahrtgesellschaft mit Sitz in Florida, die von einem Passagier aus Washington wegen eines Unfalls an Bord eines vor der Küste von Mexiko gelegenen Kreuzfahrtschiffes auf Schadensersatz verklagt wurde.406 Das Bundesberufungsgericht ging zunächst davon aus, dass die hohen Anforderungen der general jurisdiction nicht gewahrt seien, denn die Aktivitäten der Beklagten in Washington beschränkten sich auf das Versenden von Werbebroschüren, das Schalten von Zeitungsannoncen, Kommissionszahlungen an Reisebüros und die Entgegennahme von Buchungen.407 Der Abgrenzungsfrage kommt in diesem Fall allein die Funktion zu, über die Möglichkeit einer specific jurisdiction und das Vorliegen eines Streitgegenstandsbezugs zu entscheiden. Etwaige strengere Abgrenzungskriterien lehnte das Bundesberufungsgericht ab, weil der Beklagtenschutz bereits durch das reasonableness-Kriterium gewahrt werde und eine Einschränkung des arising out of-Kriteriums408 nicht erforderlich sei. Die Kausalität zwischen den Aktivitäten des Beklagten und dem Klagegrund genüge. Folglich wurde der Verkauf des Kreuzfahrttickets durch ein Reisebüro in Washington als hinreichende Verbindung zur fahrlässigen Deliktshandlung der Schiffsbesatzung gewertet, welche ohne den gezielten Verkauf des Tickets ausgeblieben wäre.409 Weitere Bundesberufungsgerichte und Staatengerichte haben sich dem but for-Test angeschlossen.410 b) Proximate cause-Test Andere Gerichte engen den Streitgegenstandsbezug mit Hilfe des sog. proximate cause-Tests ein, indem sie neben einer kausalen Verursachung verlangen, dass der Kontakt des Beklagten die objektiv zurechenbare (proximate) bzw. materiellrechtliche Ursache des Streitgegenstands ist. Unter geringen Variatio405 

897 f.2d 377, 385 (9th Cir. 1990). 897 f.2d 377, 379 (9th Cir. 1990). 407  897 f.2d 377, 380 f. (9th Cir. 1990). 408  Die Alternative eines related to wird nicht erwähnt, diese würde indes noch weiterreichen. 409  897 f.2d 377, 385 (9th Cir. 1990); vgl. für Argumente zum but for-Test Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1028 f., 1040 ff. (2012); Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  174; Maloney, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1265, 1275, 1278 (1993); Rose, 82 Cal. L. Rev. 1545, 1568 ff. (1994). 410  Creech v. Roberts, 908 f.2d 75, 80 (6th Cir. 1990); Deluxe Ice Cream Co. v. RCH Tool Corp., 726 f.2d 1209, 1215 f. (7th Cir. 1984) (noch mit etwas anderer Wortwahl: „led to“); EMI Music Mexico S.A. v. Rodriguez, 97 S.W.3d 847 (Tex. App.  2003). 406 

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nen erklärt diese Ansicht eine direkte Verbindung (direct relationship) zwischen den Kontakten des Beklagten im Forum und dem Klagegrund zur zentralen Voraussetzung der specific jurisdiction in Abgrenzung zur general jurisdiction.411 Die Aktivität des Beklagten müsse analog zum Deliktsrecht im Forumstaat eine objektiv zurechenbare Ursache der Anspruchsbegründung darstellen.412 In der Entscheidung Pizarro v. Hoteles Concorde International413 befasste sich das Berufungsgericht des First Circuit mit einer ähnlichen Fallkonstellation wie in Shute v. Carnival Cruise Lines. Die Klägerin verletzte sich in einem Hotel der beklagten venezolanischen Gesellschaft auf den ABC-Inseln, wo ihr ein Hotelangestellter fahrlässig eine Stolperfalle stellte. Wie das Gericht analysierte, sei die vorhergehende Werbung des Hotelbetreibers im Heimatstaat der Klägerin keine objektiv zurechenbare Handlung des Deliktstatbestands, vielmehr sei allein die Vorhersehbarkeit der schädigenden Handlung maßgeblich. Entsprechendes müsse analog für das zuständigkeitsrechtliche Erfordernis des arise out of gelten.414 Im Gegensatz zur Shute-Entscheidung führte der proximate cause-Test hier folglich zur Ablehnung der specific jurisdiction. 3. Substantive relevance-Test (Brilmayer) Nahezu identisch zum proximate cause-Test ist die von Lea Brilmayer vertretene Lehre, wonach eine Klage in Verbindung mit einem Kontakt des Beklagten steht, d. h. eine specific jurisdiction dann vorliegt, wenn eine zur Anwendung berufene materiellrechtliche Norm diesen zu einer wesentlichen Voraussetzung erklärt.415 Handelt es sich bei einem Kontakt oder einer Tätigkeit um die rechtlich zurechenbare Ursache eines Schadens (proximate cause), ist er demnach stets auch von wesentlicher Bedeutung (substantive relevance) für die Anspruchsbegründung.416 Daher werden beide Begrifflichkeiten hier synonym verwendet.417 411  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  363; Rose, 82 Cal. L. Rev. 1545, 1577 (1994). 412  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  363; Maloney, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1265, 1282 f. (1993). 413  907 f.2d 1256 (1st Cir. 1990). 414  907 f.2d 1256, 1259 (1st Cir. 1990). 415  Brilmayer, 101 Harv. L. Rev. 1444, 1455 (1988): „the applicable rules of law actually make the contact in question one of substantive relevance“. 416  Zu dieser Einschätzung vgl. Maloney, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1265, 1282 f. (1993). 417  So z.B. Shoppers Food Warehouse v. Moreno, 746 A.2d 320, 333 (D.C. 2000); Hay/ Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  362; Müller-Froelich, Gerichtsstand der Niederlassung, S.  384.

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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Brilmayer geht von der Hypothese aus, die Untergerichte würden Kontakte des Beklagten zu oft als relevant werten, weshalb im Umkehrschluss die specific jurisdiction einzuschränken sei. Beispielsweise werde bei Verkehrsunfällen zweier auswärtiger Staatsbürger oftmals mit Kausalität argumentiert, d. h. mit dem but for-Test, oder mit der Ähnlichkeit zu anderen Kontakten am Erfolgsort. Der Schadensverursacher könne daher in jedem Staat verklagt werden, durch den er vor dem Unfallereignis gereist war, oder auch am Zielort seiner Fahrt, wenn er dorthin regelmäßig Geschäftsfahrten unternimmt.418 Ihrer Ansicht nach sollte das Vorhandensein einer relevanten Verbindung des Kontakts zum Streitgegenstand vielmehr an der Souveränität der Einzelstaaten beurteilt werden, weil die staatliche Souveränität nach der World Wide Volkswagen-Rechtsprechung419 eine specific jurisdiction rechtfertige. Sie erstrecke sich zum einen auf die eigenen Staatsbürger, zum anderen auf die Regulierung jeglicher Verhaltensweisen im Staatsgebiet, womit insbesondere fremde Staatsbürger der Staatsgewalt unterworfen werden könnten.420 Im Beispiel des Verkehrsunfalls ist somit eine Tätigkeit des Beklagten erforderlich, an der ein Regulierungsinteresse des betreffenden Staates besteht. Ist der Unfall etwa darauf zurückzuführen, dass einer der Fahrer Wartungsarbeiten an seinem LKW unsachgemäß durchgeführt oder eine Verkehrsregel im Unfallstaat missachtet hat, könnte vermutlich eine regulierungsbedürftige Verhaltensweise vorliegen. Ihr spricht Brilmayer dann eine substantive relevance zu.421 Anders gewendet ist die Voraussetzung von specific jurisdiction eine vermutlich strafbare oder zivilrechtlich verfolgbare Handlung, die sich im Forumstaat ereignet hat.422 Die restriktive Abgrenzung der specific jurisdiction geht folglich auf ein striktes Territorialitätsdenken zurück, welches auch heute noch vom Supreme Court herangezogen wird.423 Gleichzeitig belässt Brilmayer der general jurisdiction unter Einbeziehung des doing business einen weiten Anwendungsbereich,424 der indes jüngst in der Goodyear-Entscheidung425 wesentlich auf einen

Brilmayer, 1980 Sup. Ct. Rev. 77, 83 f. (1980). 444 U.S.  286 (1980); dazu B. II. 3. c). 420  Brilmayer, 1980 Sup. Ct. Rev. 77, 84 ff., 88 (1980); dies., 101 Harv. L. Rev. 1444, 1457 (1988). 421  Brilmayer, 1980 Sup. Ct. Rev. 77, 86 (1980). 422  Brilmayer, 1980 Sup. Ct. Rev. 77, 82 (1980). 423  Zuletzt in J. McIntyre Machinery, Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780 (2011); dazu B. II. 3. f). 424  Brilmayer, 101 Harv. L. Rev. 1444, 1457 (1988): „systematic unrelated activity, such as domicile, incorporation, or doing business, suggests that the person or corporate entity is enough of an insider that he may safely be relegated to the State’s political process“ (Hervorhebung im Original). 425  131 S.Ct. 2846 (2011); dazu B. II. 4. e). 418 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

Gerichtsstand des at home verengt wurde und ihre These schon deshalb fragwürdig erscheinen lässt. 4. Similarity-Test (Twitchell) Mary Twitchell tritt ebenfalls für eine Umstrukturierung des Zuständigkeitsrechts ein. Ihrer Ansicht nach kategorisieren die Gerichte die general und specific jurisdiction fehlerhaft, weil sie bei schwachem Streitgegenstandsbezug vor der Anwendung der specific jurisdiction zurückschrecken und stattdessen auf die general jurisdiction zurückgreifen. Damit sei ein „myth of general jurisdiction“ entstanden, d. h. die allgemeine Zuständigkeit wurde angeblich zu einem Mythos ohne eine tragfähige Rechtfertigung verklärt.426 Die Hauptfunktion der general jurisdiction sieht sie in der Verfügbarkeit eines jederzeit bestimmbaren Forums, an dem jegliche Klage gegen eine bestimmte Person erhoben werden kann. Aufgrund von Fairness- und Gerechtigkeitserwägungen solle ein allgemeiner Gerichtsstand nur dort begründet werden, wo der Beklagte ein „true insider“ ist.427 Berücksichtigen die Gerichte jedoch auch einen (schwachen) Bezug zur Klage im Rahmen der general jurisdiction, nur um schwierigen Fragen zum purposeful availment und zum minimum contact der sich unlängst etablierten specific jurisdiction zu umgehen, so würden in gleichem Maße fast zwangsläufig die Anforderungen an eine Beziehung des Beklagten zum Forum herabgesetzt. Diese Vorgehensweise entziehe der general jurisdiction ihre Legitimationsbasis und führe zu einer verwirrenden Vermischung beider Gerichtsstände.428 Beispielsweise habe der Texas Supreme Court in der Rechtssache Helicopteros das Interesse der texanischen Hinterbliebenen an einer effektiven Klagemöglichkeit sowie die staatlichen Belange des Arbeitnehmerschutzes bei Arbeitsunfällen bewertet und summierte diese zusammen mit dem doing business der Gesellschaft Helicopteros in Texas zu einer allgemeinen Gerichtszuständigkeit.429 Der US Supreme Court musste sodann richtig stellen, dass im Rahmen der general jurisdiction allein die Intensität der Beklagtenkontakte relevant ist.430 Nach der Ansicht von Twitchell ist daher eine Rückkehr zum ursprünglichen Bedeutungsinhalt beider Zuständigkeitsarten zu vollziehen, wie sie durch Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 611 f. (1988), vgl. auch den Titel des Aufsatzes: „The Myth of General Jurisdiction“. 427  Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 651, 667 (1988). 428  Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 635 f., 650 (1988) m. w. N. zur Vorgehensweise der Gerichte in Fn.  118–120, 126. 429  Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 640, 642 (1988) mit Verweis auf Hall v. Helicopteros Nacionales de Colombia, 638 S.W.2d 870, 873 (Tex. 1982). 430  466 U.S.  408, 416 (1984); dazu bereits B. II. 4. c). 426 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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v. Mehren und Trautman eingeführt wurden. Die von den beiden Autoren entwickelte specific jurisdiction wird von Twitchell als dispute-specific bezeichnet, weil sie die Natur und Qualität der Aktivitäten des Beklagten im Forumstaat und dessen Beziehung zum konkreten Streitgegenstand in Abwägung bringt.431 Auch bei einem nur schwachen Streitgegenstandsbezug habe die Abwägung nach flexiblen Fairnesserwägungen im Rahmen der specific jurisdiction zu erfolgen.432 Nur ausnahmsweise soll der Beklagte wegen seines insider-Status am Heimatgerichtsstand verklagt werden können.433 Daher führt Twitchell den Begriff dispute-blind für die general jurisdiction ein. Wünschenswert sei eine Abkehr von schwachen Bezugspunkten wie der Geschäftstätigkeit oder der Anwesenheitsfiktion, mithin eine Eingrenzung des allgemeinen Gerichtsstandes auf die home base des Beklagten.434 Diese Formulierung findet sich überraschend wortgetreu in der neuren Leitentscheidung Goodyear v. Brown des Supreme Court wieder.435 Das neue Begriffspaar dispute-specific und dispute-blind soll mithin den Wesensgehalt der bisherigen Zweiteilung v. Mehrens verstärken und zu einer vermehrten Anwendung der specific jurisdiction anstelle von general jurisdiction anleiten. Die Umbenennung mag hilfreich sein,436 erscheint aber keinesfalls notwendig. Eine Antagonistin der Lehre Twitchells ist im Besonderen Brilmayer, welche in einer Replik die neuen Begrifflichkeiten als überflüssig und eine Ausweitung der specific jurisdiction als dogmatisch wenig fundiert kritisiert;437 zumal ihrer Konzeption nach gerade gegenläufig die specific jurisdiction einzuschränken und die general jurisdiction auszuweiten wäre. Um möglichst häufig auf die Natur und die Qualität der Aktivitäten des Beklagten im Forumstaat Bezug nehmen zu können, schlägt Twitchell konsequent ein weit gefasstes Abgrenzungskriterium als Alternative zum substantive rele431  Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 627, 645 (1988); dies., 101 Harv. L. Rev. 1465, 1466 f. (1988). 432  Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 648, 662 (1988); zustimmend Maloney, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1265, (1993). 433  Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 650 f. (1988). 434  Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 633–636 (1988). 435  131 S.Ct. 2846, 2854 (2011); allerdings mit Verweis auf Brilmayer u. a., 66 Tex. L. Rev. 721, 728 (1988), welche von „paradigms of general jurisdiction‘s bases“ sprechen, gerade aber nicht wie Twitchell von „at home“. 436  Borchers, U. Chi. Legal f. 119, 120 (2001); George, 64 Tul. L. Rev. 1097, 1114 f. (1990), lobt die Deutlichkeit der Begriffe, kritisiert aber die damit einhergehenden Einschränkung der general jurisdiction. 437  Brilmayer, 101 Harv. L. Rev. 1444, 1446, 1450 (1988); Brilmayer vermisst bei Twitchell Souveränitätsaspekte, weil Twitchell die specific jurisdiction aus der fairness theory herleitet.

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

vance-Test vor: den similarity-Test. Die specific jurisdiction soll einschlägig sein, wenn eine zum Grund der Klage ähnliche Tätigkeit des Beklagten im Forum vorliegt, ohne dass diese kausal zur Klageerhebung sein muss.438 Der Unterschied zwischen beiden Abgrenzungskriterien wird anhand eines Beispiels deutlich, welches die Autoren beider Tests heranziehen: Ein Verbraucher wird im Staat A von einem dort erworbenen Produkt verletzt und möchte gegen den Hersteller in seinem Heimatstaat B klagen, wo der Hersteller ein ähnliches Produkt verkauft. Twitchell argumentiert, der Verkauf eines ähnlichen Produktes in Staat B stehe in Verbindung zum Klagegrund, weil es reiner Zufall sei, an welchem Ort die Mangelhaftigkeit einzelner Teile einer Produktreihe zu Tage tritt. Verbringe der Verbraucher das defekte Produkt in den Staat B, könne der Staat zudem ein Interesse am Schutz seiner Bürger geltend machen, zumal die anderen, ähnlichen Produkte des Hersteller dort gleichfalls einen Schaden verursachen könnten.439 Brilmayer hinterfragt zu Recht, anhand welcher Kriterien diese Ähnlichkeit zu bestimmen ist, stört sich aber vornehmlich an der Eröffnung multipler Gerichtsstände in Produkthaftungsklagen.440 Einen gewissen Anklang findet der similarity-Test in der dissenting opinion von Justice Brennan zur Helicopteros-Entscheidung, der bloß gänzlich zusammenhangslose Ansprüche aus der specific jurisdiction herausnehmen möchte.441 5. Sliding scale (Richman) Die Bemühungen um ein trennscharfes Abgrenzungskriterium kann man sich ersparen, wenn man eine dritte Art der Übergangszuständigkeit neben den beiden herkömmlichen Zuständigkeitskategorien eröffnet. Eine solche sog. sliding scale wird von William Richman vorgeschlagen. Zwischen der general und der specific jurisdiction könne eine Lücke entstehen, wenn eine sich gewisse Forumkontakte formieren, die nicht für eine general jurisdiction ausreichen, die Kontakte aber auch nicht in Verbindung zum Klagegrund im Sinne der vorgenannten Theorien stehen.442 In Situationen eines solchen „near miss“ könne eine Zuständigkeit dennoch verfassungsmäßig sein, weil die Kategorien der general und specific jurisdiction nicht ausschließlich zu verstehen seien, sondern als äußerstes Ende eines fließenden Maßstabs. Die sliding scale stellt zwei VariabTwitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 660 (1988): „similar to, but not causally related to“. Twitchell, 101 Harv. L. Rev. 610, 661 (1988); dies., 101 Harv. L. Rev. 1465, 1469 f. (1988); einen similarity-Test in Produkthaftungsfällen als Ausnahme zum substantive relevance-Test befürwortet Rose, 82 Cal. L. Rev. 1545, 1589 (1994). 440  Brilmayer, 101 Harv. L. Rev. 1444, 1460 ff. (1988). 441  466 U.S.  408, 426 (1984) (Justice Brennan); zu dieser Einschätzung Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1030 (2012). 442  Richman, 72 Cal. L. Rev. 1328, 1340, 1342 (1984). 438  439 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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len in ein inverses Verhältnis: Nimmt die Quantität und die Qualität der Beklagtenkontakte im Forum zu, sind entsprechend geringere Anforderungen an den Bezug der Kontakte zur konkreten Klage zu stellen.443 Weil die general jurisdiction bei hoher Quantität und Qualität der Beklagtenkontakte im Forum besteht 444 und die specific jurisdiction bei geringem Kontakt mit starkem Streitgegenstandsbezug einschlägig ist,445 wird die Übergangszuständigkeit besonders in Fällen wie folgendem446 relevant: Der Kläger erkrankt an der Verunreinigung eines Medikaments, welches er in New York auf einer Geschäftsreise erwirbt, ansonsten regelmäßig an seinem Wohnsitz in Kalifornien bezieht. Hersteller ist ein Pharmakonzern mit satzungsmäßigem Sitz und Produktion in Illinois, der seine Produkte in den gesamten USA vertreibt. Eine general jurisdiction besteht insbesondere nach der Goodyear-Entscheidung nur in Illinois. Der Bezug des Klagegrundes zu Kalifornien ist relativ schwach, weil dem Kläger das Medikament in New York verkauft wurde, mithin dort der Hauptkontakt bestand. Hat der Konzern jedoch ein Vertriebsnetz in Kalifornien aufgebaut und erzielt er dort erhebliche Gewinne, erscheint Richman eine Klage in Kalifornien fair, weil dem Beklagten Vorteile aus der Tätigkeit im Forum zuteilwerden, mit einer Produkthaftungsklage jederzeit zu rechnen war, der Verfahrensort innerhalb der USA für den Konzern unbedeutend ist und dasselbe Medikament regelmäßig im Forum an den Kläger ausgegeben wird.447 Ob bei einem „near miss“ eine Übergangszuständigkeit angenommen werden darf, ist nach dieser Lehre also eine Entscheidung des Einzelfalles. Für ein solches Modell lässt sich meines Erachtens anführen, dass alle wesentlichen Faktoren des due process gemeinsam zur Abwägung gestellt werden, namentlich das Interesse des Beklagten an einem Verfahren an seinem Heimatgerichtsstand, die Vorhersehbarkeit einer Klage, die Nachteile für den Kläger sowie das zweckgerichtete Tätigwerden des Beklagten im Forum. Darüber hinaus ist eine erneute Bezugnahme auf die Abwägungsfaktoren im Rahmen der relatedness überflüssig.448 Richman vertritt also wie v. Mehren/Trautman eine fairness theory und legt den Prüfungspunkt des purposeful availment nicht unter Souveränitätsaspekten aus. Richman, 72 Cal. L. Rev. 1328, 1343, 1345 (1984). Z. B. in der Entscheidung Perkins v. Benguet 355 U.S.  220 (1957); s. B. II. 4. a). 445  Z. B. McGee v. International Life Ins. Co 342 U.S.  437 (1952); s. B. II. 3. a). 446  Leicht verändert nach Richman, 72 Cal. L. Rev. 1328, 1344 (1984). 447  Richman, 72 Cal. L. Rev. 1328, 1344 (1984); zu exakt diesem Beispiel kritisch Simard, 48 Case W. Res. L. Rev. 559, 580 f. (1998). 448 Vgl. Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  183; Richman, 72 Cal. L. Rev. 1328, 1345 (1984); a. M. Brilmayer, 1980 Sup. Ct. Rev. 77, 88 (1980): „independent threshold tests“, eine Mischform sei nicht zulässig. 443 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

Allerdings geht der Supreme Court in der Helicopteros-Entscheidung deutlich von einer Zweiteilung des Zuständigkeitsrechts aus und hält eine Differenzierung für notwendig, wie die Hervorhebung des Merkmals arising out of or related to zeigte.449 Wohl deshalb stützt sich Richman auf die dissenting opinion von Judge Brennan, welcher mit der Differenzierung von arising out und related to angeblich einen Mittelweg aufzeigt.450 In der Literatur wird zudem eine unnötige Erschwerung des minimum contacts-Test angemahnt.451 6. Hybrid personal jurisdiction (Simard) Eine Mischform ist neben einem fließenden Modell ferner als separate Kategorie denkbar. Die Bestrebungen einer Dreiteilung resultieren paradoxer Weise aus der Rückbesinnung auf den Sinngehalt der Zweiteilung general/specific jurisdiction. Neben dem Streitgegenstandsbezug differenziert v. Mehren nach dem Zeitpunkt einer möglichen Feststellung der gerichtlichen Zuständigkeit. Weil für die general jurisdiction ein beständiger Bezug des Beklagten zum Forum maßgeblich ist, kann sie bereits vor dem Entstehen der Streitigkeit, d. h. ex ante, ermittelt werden. Der streitgegenstandsbezogene Gerichtsstand ist dagegen erst nach Entstehen der Streitigkeit festzustellen, d. h. ex post.452 Aus diesem Grund lehnt etwa Linda Simard die sliding scale von Richman ab und favorisiert eine hybride dritte Zuständigkeit, sog. hybrid jurisdiction.453 Das zeitliche Problem ließe sich meines Erachtens von vornherein auch lösen, indem man jede (Übergangs-)Zuständigkeit mit noch so geringem Streitgegenstandsbezug einer Beurteilung ex post vorbehält und eine Feststellung ex ante nur dem allgemeinen Gerichtsstand zugänglich macht. Simard aber möchte diejenigen Forumkontakte, die in keinem kausalen Zusammenhang zur Klage stehen, nicht gänzlich unbeachtet lassen454 und untersucht daher, in welcher Form sie in eine Zuständigkeitsprüfung integriert werden können. Ihr Hauptargument stützt sich auf die World-Wide Volkswagen-Entscheidung: In einem obiter dictum habe der Supreme Court eine hybride Zuständigkeit für den deutschen Hersteller Audi angedeutet, indem er die Zuständigkeit mit einer regelmäßigen Vermarktung von Waren im Unfallstaat Oklahoma und dem dortigen Erfolgsort der Verletzungshandlung begründet 449 

Vgl. soeben B. III. 1. Richman, 72 Cal. L. Rev. 1328, 1340 (1984). 451  Rose, 82 Cal. L. Rev. 1545, 1584 (1994). 452  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25 f. (die zeitliche Differenzierung findet sich noch nicht bei v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121 (1966)); dazu B. I. 2. a). 453 Vgl. Simard, 48 Case W. Res. L. Rev. 559, 581 (1998); außerdem bringt sie vor, eine sliding scale erfasse zu viele Fälle mit nur geringem Bezug zum Forum. 454  Ihr Ausgangspunkt stimmt folglich mit der Lehre Richmans überein. 450 

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habe. Der hybride Charakter ergebe sich aus der Tatsache, dass das geschädigte Ehepaar Robinson den PKW in New York kaufte und selbst nach Oklahoma verbrachte, mithin keine kausale Verbindung zwischen den Kontakten von Audi nach Oklahoma und dem Unfall bestehe, sondern nur zwischen dem Verkauf in New York und dem Unfall.455 Obwohl Klagen ohne Streitgegenstandsbezug eigentlich der general jurisdiction zuzuordnen sind, ermittelt Simard sodann, dass die hybrid jurisdiction mit den Regelungszwecken der specific jurisdiction übereinstimme und deren Anforderungen erfüllen müsse.456 Diese Auslegung ist zweifelhaft. Das dictum erging im Rahmen der Prüfung eines zielgerichteten Handelns des beklagten Autohändlers (Prüfungsschritt 2).457 Mangels einer Betätigung des Autohändlers in Oklahoma lehnte das Gericht diesen Punkt ab und wollte verdeutlichen, dass ein willentlicher Warenfluss wie beim Verkauf durch den Hersteller notwendig ist. Das Beispiel ist also fiktiv und setzt einen Autokauf in Oklahoma voraus, womit wiederum ein Klagebezug gegeben wäre.458 7. Fazit Das Spektrum an alternativen Zuständigkeitskonzepten zu den Lehren v. Mehrens und Trautmans ist in der US-amerikanischen Wissenschaft und Rechtsprechung breit. Mit einer Übergangszuständigkeit (sliding scale) oder der hybrid jurisdiction könnten die bislang fraglichen Fälle mit geringem Streitgegenstandsbezug aufgefangen werden, sie geben aber im Gegenzug die klare und sich inzwischen etablierte Zweiteilung des Zuständigkeitsrechts preis.459 In der aktuellen Goodyear-Entscheidung besteht der Supreme Court regelrecht auf eine strenge Trennung zwischen der general und der specific jurisdiction.460 Dies legt den Ausschluss einer intermediären Kategorie nahe.461 Simard, 48 Case W. Res. L. Rev. 559, 578 f. (1998) mit Verweis auf World-Wide Volkswagen v. Woodson, 444 U.S.  286, 297 (1980): „Hence if the sale of a product of a manufacturer or distributor such as Audi or Volkswagen is not simply an isolated occurrence, but arises from the efforts of the manufacturer or distributor to serve directly or indirectly, the market for its product in other States, it is not unreasonable to subject it to suit in one of those States if its allegedly defective merchandise has there been the source of injury to its owner or to others.“ 456  Simard, 48 Case W. Res. L. Rev. 559, 582 ff. (1998). 457  Zur Prüfung des purposeful availment im vorliegenden Fall s. B. II. 3. c). 458 Vgl. Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1032 (2012). 459  So auch Maloney, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1265, 1299 (1993); Rose, 82 Cal. L. Rev. 1545, 1568 ff. (1994) (sliding scale sei für die Praxis zu komplex). 460  131 S.Ct. 2846, 2851 (2011). 461 Vgl. Hoffheimer, 60 U. Kan. L. Rev. 549, 573 (2012): Deutung als Ausschluss von hyb455 

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Wird das äußere Grundgerüst beibehalten, ist die Abgrenzung entweder restriktiv am proximate cause- bzw. dem substantive relevance-Test auszurichten oder extensiv an einem reinen Kausalitätstest bzw. similarity-Test. Entsprechend schränkt man entweder die specific jurisdiction ein oder weitet sie auf Kosten der general jurisdiction aus.462 Beide Ansätze weisen gewisse Defizite auf. Der but for-Test schließt jegliche Alltagshandlung ein und eröffnet eine Zuständigkeitsprüfung in einer Vielzahl von Fällen, die nach dem Supreme Court sicherlich nicht die Anforderungen eines minimum contact erfüllen. Beispielsweise wird ein Verkehrsunfall im Staat A auch kausal durch alle Handlungen am Abfahrtsort in Staat B – etwa durch das Ende einer Urlaubsreise – verursacht. Andererseits birgt der substantive relevance-Test die Gefahr, dass sich der Rechtsstreit nur um Fragen der Wesentlichkeit dreht. Ein reiner Kausalitätsnachweis wirft hingegen Probleme der alternativen, doppelten und kumulativen Kausalität auf.463 Dagegen kann der substantive relevance-Test wegen des Gleichlaufs mit materiellrechtlichen Voraussetzungen die Rechtsanwendung im Einzelfall erleichtern, wenn die proximate cause beispielsweise im Deliktsrecht ohnehin beweisbedürftig ist bzw. schon bewiesen wurde. Für den but for-Test spricht die Kohärenz mit der originären Lehre v. Mehrens. Wie dargestellt, hat er den Streitgegenstandsbezug ursprünglich umschrieben mit „matters arising out of – or intimately related to – the affiliating circumstances on which the jurisdictional claim is based“.464 Während dieser Umschreibung schon eine enge Verbindung der Forumkontakte zur Streitsache genügt, ist demgegenüber ein Kausalitätstest noch enger gefasst. Konzeptionell ermöglicht das Kausalitätskriterium die durch v. Mehren postulierte Ausweitung der streitgegenstandsspezifischen Zuständigkeit und stellt Fairnesserwägungen, nicht Souveränitätsansprüche, in den Mittelpunkt der Analyse. Zudem ist eine nachträgliche Einschränkung des tendenziell zu weit geratenen Kausalitätstests in der anschließenden Zuständigkeitsprüfung noch steuerbar, etwa durch die reasonableness-Prüfung.465 Die unter dem substantive relevance-Test aus der specific jurisdiction ausgeschiedenen Fälle laufen jedoch Gefahr, endgültig als nicht zuständigkeitsbegründend qualifiziert zu werden, weil die Hürde der general jurisdiction sehr hoch ist.466 rid jurisdiction, welche allerdings der dissenting opinion von Justice Brennan in der Helicopteros-Entscheidung zugeschrieben wird. 462  Darin besteht der Streit zwischen Brilmayer und Twitchell, vgl. oben B. III. 2. und 3. 463  Diese Probleme ausführend Rose, 82 Cal. L. Rev. 1545, 1570 f. (1994). 464  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1144 f. (1966); vgl. die Einleitung zu B. III. 465  So auch das Bundesberufungsgericht in der Entscheidung Shute v. Carnival Cruise Lines, dazu oben B. III. 2. a). 466 Vgl. Maloney, 50 Wash. & Lee L. Rev. 1265, 1297 (1993).

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Einen Kausalitätstest scheint schließlich auch Justice Ginsburg in der Good­ year-Entscheidung zu favorisieren. Sie ermittelte umfänglich, welche Reifentypen von Goodyear USA und welche von den Tochterunternehmen produziert werden und bewertet dies rechtlich mit dem Ergebnis „Because […] and the tire alleged to have caused the accident was manufactured and sold abroad, North Carolina courts lacked specific jurisdiction“.467 Wären die Reifentypen nicht völlig unterschiedlich gewesen,468 könnte dies folglich zu einer anderen Bewertung geführt haben, womit die Ähnlichkeit der defekten Produkte bzw. die Kausalität des Herstellungsprozesses einen Streitgegenstandsbezug herstellen würde.469 Somit spricht viel für den but for- bzw. similarity-Test.

IV. Kategorisierung deutscher und europäischer Gerichtsstände 1. v. Mehrens Vergleichsbildung und die category-specific jurisdiction Die Begriffe der general und specific jurisdiction erinnern stark an die im deutschen und europäischen Recht vorgenommene Unterscheidung zwischen dem allgemeinen und den besonderen Gerichtsständen. v. Mehrens gute Kenntnis des deutschen Rechts, die er sich in seinen frühen Studien in Zürich und Berlin in der Nachkriegszeit aneignet hat,470 lässt schnell auf eine Anlehnung der Kategorien an die §§  12 ff. ZPO schließen. Allerdings unterbleibt ein Nachweis zur Etymologie bei Einführung der Begrifflichkeiten.471 Vielmehr stellt v. Mehren später klar, dass es sich um ein „faux amis problem“ handele.472 Die Terminologie sei zwar ähnlich, die inhaltliche Bedeutung aber historisch bedingt und einer unterschiedlichen Grundkonzeption verschrieben. Das deutsche Begriffspaar allgemein/besonders sei nicht kongruent zur US-amerikanischen Einteilung in general/specific. Im deutschen Recht existiere nur ein einziger allgemeinen Gerichtsstand am Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagten, der durch etliche besondere Gerichtsstände ergänzt werde.473 Besondere Gerichtsstände im deutschen Recht könnten teilweise als eine Form der general jurisdiction qualifiziert werden, weil sie keinen Bezug zum konkreten Rechtsstreit voraussetzen. Dies zeige das Beispiel des Vermögensgerichtsstandes nach §  23 ZPO, 467 

131 S.Ct. 2846, 2851 (2011). 131 S.Ct. 2846, 2852 (2011). 469 Vgl. Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1003 (2012): diese Argumentation sei möglich, aber fragwürdig; überdies sei der Maßstab einer Ähnlichkeit noch unbeantwortet. 470  Zum Leben Arthur v. Mehrens vgl. oben die Einleitung, B. 471  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1136 (1966); dies., Multistate Problems, S.  654. 472  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25 in Fn.  33. 473  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  22 f. 468 

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der lediglich eine Einschränkung auf vermögensrechtliche Streitigkeiten enthalte, das Forum aber mit der Streitigkeit nicht in einem Zusammenhang stehen müsse.474 Die meisten der besonderen Zuständigkeiten des deutschen und europäischen Rechts stellen jedoch einen Katalog zulässiger Gerichtsstände mit Blick auf bestimmte Gattungen von Ansprüchen auf, wie v. Mehren ermitttelt hat. Aufgrund der Normierung fester Tatbestände könne der europäische Rechtsanwender die Zuständigkeit wie bei der US-amerikanischen general jurisdiction schon ex ante vor dem Entstehen der potentiellen Rechtsstreitigkeit ermitteln. Insofern seien die besonderen Zuständigkeitstatbestände grundsätzlich wesensverschieden von der specific jurisdiction, die der Richter erst in einer Einzelfallabwägung ex post prüfe. Um diesen Unterschied deutlich zu machen, benennt v. Mehren die besonderen Zuständigkeiten des europäischen Rechts als category-specific jurisdiction, d. h. als gattungsbezogene und nicht als streitgegenstandsbezogene Gerichtsstände.475 Nur ganz vereinzelt folge das US-amerikanische Zuständigkeitsrecht einer gattungsbezogenen Betrachtung, wie beispielsweise im Familienrecht, wo die Zuständigkeit für Scheidungsangelegenheiten an den Wohnsitz (domicile oder residence) oder die Staatsangehörigkeit des Antragsteller geknüpft wird.476 Auf europäischer Seite findet die unterschiedliche Art der Kategorisierung der US-amerikanischen und der europäischen/deutschen Gerichtsständen bislang noch wenig Beachtung. Die meisten Autoren betonen, dass sich nun auch in den USA seit der Supreme Court-Entscheidung Helicopteros v. Hall die bei uns übliche Unterscheidung in allgemeine und besondere Gerichtsstände durchgesetzt habe.477 Die Zuständigkeiten seien „in der Sache ganz ähnlich“.478 Eine solche Gleichsetzung impliziert, dass die besonderen Zuständigkeiten der §§  20 ff. ZPO und §§  7 bis 9 EuGVO479 entsprechend der Definition der specific jurisdiction ebenfalls streitgegenstandsbezogen sind. Schon die Definition eines besonderen Gerichtsstandes zeigt aber erste Abweichungen. Als Kennzeichnen für einen besonderen Gerichtsstand wird zwar v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  27 f. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25 f. 476  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  27. 477  Grothe, RabelsZ 58 (1994), 686, 688; Metz, IPRax 2014, 365, 366; Rau, RIW 2000, 761, 764; Schack, Einführung, Rn.  69. 478  Schack, IZVR, Rn.  221. 479 Vgl. Nagel/Gottwald, IZVR, §  3 Rn.  47 f.; die Gerichtsstände in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen (Art.  10 bis 23 EuGVO) sind zwar insofern auch „besonders“ (so im Wortlaut Junker, IZPR, §  13 Rn.  1), als sie der schwächeren Partei mehrere Gerichtsstände zur Verfügung stellen, enthalten aber abschließende Sonderregelungen und verdrängen im Grundsatz Art.  4 Abs.  1, 7 und 8 EuGVO. 474 

475 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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von manchen der Streitgegenstandsbezug benannt480 – damit würde er in der Tat einem Merkmal der specific jurisdiction entsprechen. Eine andere Ansicht sieht die Besonderheit der Gerichtsstände indes darin, dass sie für einen bestimmten materiellrechtlichen Anspruch (z.B. aus unerlaubter Handlung) oder für einen Kreis von Ansprüchen (z.B. vermögensrechtlicher Natur) dem Kläger die Prozessführung erleichtern.481 Zu verweisen ist auch auf die fehlende Allzuständigkeit im Unterschied zum Wohnsitzgerichtsstand und auf die zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, die für bestimmte Arten von Rechtstreitigkeiten erfüllt sein müssen.482 Bei differenzierter Betrachtung lassen sich zwei verschiedene Typen von besonderen Gerichtsständen ausmachen: Die erste Gruppe ist durch den engen Sachbezug zum Klagegegenstand gekennzeichnet, wozu etwa Art.  7 Nr.  2 EuGVO wegen besonderer Sach- und Beweisnähe zum Tatort zählt; die andere Gruppe bringt das Interesse an der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen zum Ausdruck, nicht aber einen engen Sachbezug dieser Klage zum Forum, beispielsweise bei einer Klage gegen mehrere Streitgenossen nach Art.  8 Nr.  1 EuGVO oder bei Adhäsionsklagen gem. Art.  7 Nr.  3 EuGVO.483 Gemeinsam ist beiden Gruppen, dass es sich um fakultative Gerichtsstände handelt, die nach Wahl des Klägers neben den allgemeinen Gerichtsstand treten.484 Eine entsprechende Umschreibung der besonderen Gerichtsstände verwendet auch der Jenard-Bericht.485 Daraus wird ersichtlich, dass der deutsche und europäische Gesetzgeber augrund mehrerer verschiedener Regelungszwecke den favor defensoris durchbricht und nicht ausschließlich wie im US-amerikanischen Recht auf den konkreten Streitgegenstandsbezug abstellt. Um v. Mehrens These der Unvergleichbarkeit nicht nur kursorisch zu belegen, ist es notwendig, die allgemeinen und besonderen Gerichtsstände im Einzelfall anhand ihres Normzwecks und ihrer Auslegung mit der general und specific jurisdiction zu vergleichen.

Adolphsen, EuZPR, §  1 Rn.  51; Linke/Hau, IZVR, Rn.  4.16. Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  6; MüKo/Patzina, ZPO, §  12 Rn.  29; Stein/ Jonas/Roth, ZPO, vor §  12 ZPO Rn.  6. 482  Schack, IZVR, Rn.  224. 483  Geimer/Schütze/Auer, Int. Rechtsverkehr, B vor I vor Art.  2 EuGVO Rn.  12; Rauscher/ Leible, EuZPR, Art.  7 EuGVO Rn.  2, Art.  8 EuGVO Rn.  1. 484  Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art.  4 EuGVO Rn.  3a; Kropholler/v. Hein, EuZPR, vor Art.  2 EuGVO Rn.  2; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, Art.  2 EuGVO Rn.  1; Rauscher, IPR, Rn.  1728; Schlosser/Hess/Schlosser, EuZPR, vor Art.  4 EuGVO Rn.  1; diese Definition legt auch v. Mehren seiner These der Unvergleichbarkeit zu Grund, vgl. ders., Adjudicatory Authority, S.  22. 485  Jenard, Bericht EuGVÜ, ABl.  ( EG) 1979 Nr. C 59/1 S.  22. 480  481 

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2. General jurisdiction a) Allgemeiner Umfang im Vergleich Gemeinsam ist dem US-amerikanischen und europäischen Rechtssystem zunächst eine Zuständigkeit für Klagen jeglicher Art am Wohnsitz des Beklagten. Für natürliche Personen besteht eine Wohnsitzzuständigkeit nach Art.  4 Abs.  1, 63 EuGVO, dessen genaue Bestimmung sich nach der lex fori richtet und gemäß des Telos der Verbundenheit zu einer lokalen Einheit des Staatsgebietes den deutschen Vorschriften der §§  12, 13 ZPO entspricht.486 Wegen der Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates487 für alle Klagen unabhängig vom Klagegrund ist dieser Gerichtsstand auch nach US-amerikanischem Verständnis als general jurisdiction einzuordnen. Er findet dort seine Entsprechung in der Anknüpfung an das domicile488 und die bei long-arm statutes gebräuchliche residence,489 wobei sich das domicile bekanntlich vom willentlich begründeten deutschen Wohnsitzbegriff unterscheidet und die ausschließliche Verbundenheit zu einem Ort, d. h. den Lebensmittelpunkt, zum Ausdruck bringt.490 Für juristische Personen verweist Art.  63 Abs.  1 EuGVO alternativ auf den satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung, um dem Kläger eine Rechtsverfolgung im europäischen Justizraum zu erleichtern.491 Ähnlich dem Hauptverwaltungssitz knüpft auch das US-amerikanische Recht an den principal place of business an, eröffnet aber darüber hinaus einen allgemeinen Gerichtsstand am Gründungsort, dem place of incorporation.492 Der bedeutendste Unterschied besteht für Unternehmen darin, dass sie über eine dauerhafte und planmäßige Geschäftsfähigkeit (doing business) gerichtspflichtig werden können,493 die 486 

Vgl. zum gleichen Grundverständnis eines „Wohnsitzes“ trotz unterschiedlichem Bedeutungsgehalt in den Mitgliedstaaten: Schlosser, ABl.  (EG) 1979 Nr. C 59/71 S.  95 f.; kritisch ggü. dem Rückgriff auf die lex fori ist Hess, EuZPR, §  6 Rn.  39 ff.; kritisch bzgl. des actor sequitur forum rei-Prinzips Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, dazu noch unten D. 487  Geimer, IZPR, Rn.  1146 ff. 488  Anerkannt durch Milliken v. Meyer, 311 U.S.  457 (1940), dazu Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure, S.  110; vgl. B. II. 1. a). 489  Zur Frage, ob die formale residence eine Zuständigkeit (noch) begründet: Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  399; dieser Ansicht ist das Restatement (Second) Conflict of Laws (1971), §  30. 490  Zum Begriff des domicile: Hay, US-amerikanisches Recht, Rn.  245 ff. 491  Hess, EuZPR, §  6 Rn.  45; Rauscher/Staudinger, EuZPR, Art.  63 EuGVO Rn.  1. 492  Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  387; Erichson, Civil Procedure, S.  38; die alternative Anknüpfung befürworten auch v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1141 f. (1966). 493  Dazu bereits B. II. 1. b) sowie 4. a), c) und f); weiterführend Gottwald, in: FS Geimer (2002), S.  231; Twitchell, U. Chi. Legal f. 171 ff. (2001).

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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nunmehr aber in der Goodyear- und Daimler-Entscheidung eine Einschränkung analog zum Wohnsitz einer natürlichen Person erfahren hat.494 Daneben wird in den USA ein general contact natürlicher Personen über eine schlichte Anwesenheit im Gerichtsstaat begründet (tag jurisdiction),495 sowie über die Staatsangehörigkeit,496 welche die europäische Zuständigkeitsverordnung als Anknüpfung ausdrücklich nach Art.  4 Abs.  1 EuGVO ablehnt. Die EuGVO reglementiert vielmehr die ausschließliche Wohnsitzanknüpfung497 und schließt in Art.  5 Abs.  2 exorbitante Gerichtsstände gegenüber Personen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat aus. Darunter findet sich nicht nur die im common law übliche Zuständigkeit während vorübergehender Anwesenheit für das Vereinigte Königreich, sondern auch die dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgenden Art.  14 und 15 des französischen Code civil. Aus europäischer Sicht handelt es sich um international unerwünschte Gerichtsstände, welche die Rechtsprechungshoheit eines Staates im Klägerinteresse sehr weit ausdehnen.498 Schließlich fällt nach der Einteilung v. Mehrens und Trautmans noch die jurisdiction quasi in rem unter die general jurisdiction.499 Weil der Gerichtsstand nur die verfahrensbeteiligten Parteien in Verfahren über schuldrechtliche Ansprüche bindet, weist er eine gewisse Verwandtschaft zum deutschen Gerichtsstand des §  23 ZPO auf. Der deutsche Vermögensgerichtsstand ist indes dahingehend ein besonderer Gerichtsstand, dass er im Unterschied zum US-amerikanischen Arrestgerichtsstand den geltend gemachten Anspruch zunächst nicht auf den Wert der Sache begrenzt500 und keine Beschlagnahme voraussetzt.

494  Die Reduzierung auf eine home base folgt neuerdings aus Goodyear Dunlop Tires, S.A. v. Brown, 131 S.Ct. 2846 (2011), und von den „continuous and systematic general business contacts“ kehrte die Entscheidung Daimler AG v. Bauman (2014), 134 S.Ct. 746 (2014) ab, s. oben B. II. 4. e), f). 495  Dazu schon B. II. 4. d), sowie B. I. 2. c) aa) (1). 496  Abgeleitet aus der Erzwingung einer Zeugenaussage aufgrund staatsbürgerlicher Treuepflichten in Blackmer v. United States, 284 U.S.  421 (1932), vgl. Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, S.  112; Weintraub, Conflict of Laws, S.  227; dazu schon B. I. 2. c) bb) (1). 497  EuGH 13.07.2000, Rs. C-412/98 (Group Josi/Universal General Insurance), Slg. 2000, I-5925 Rn.  54; vgl. Kropholler/v. Hein, EuZPR, vor Art.  2 EuGVO Rn.  9; eine Zuständigkeit aufgrund der Staatsangehörigkeit kann jedoch bei Adhäsionsverfahren nach Art.  7 Abs.  3 EuGVO über das nationale strafrechtliche Kompetenzrecht Eingang finden, dazu Wilhelmi, Weltrechtsprinzip, S.  365 ff. 498  MüKo/Gottwald, ZPO, Art.  3 EuGVO Rn.  6; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, Art.  3 EuGVO Rn.  4; Rauscher/Mankowski, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  3. 499  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1139 (1966); s. Teil 1 B. I. 2. c) aa) (2). 500  Dem Wortlaut ist keine wertmäßige Beschränkung zu entnehmen, vgl. aber aus den diversen Vorschlägen in der Lit. Geimer, JZ 1984, 981, 984; Schlosser, IPRax 1992, 140, 143 (inländisches Vermögen darf maximal 25% weniger als Streitwert betragen).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

Der Vergleich zeigt, dass die US-amerikanische Konzeption der general jurisdiction weiter gefasst ist als die europäische bzw. deutsche allgemeine Zuständigkeit und dieser unbekannte Gerichtsstände hervorbringt. Die Divergenzen sind insbesondere auf die historische Entwicklung des US-amerikanischen Rechts aus dem common law zurückzuführen, das nicht wie der allgemeine Gerichtsstand dem Prinzip des actor sequitur forum rei folgt.501 Aufgrund der weiten Konzeption der general jurisdiction ergeben sich Überschneidungen nicht bloß zum allgemeinen Gerichtsstand, sondern auch zu den besonderen Gerichtsständen, die am konkreten Einzelfall zu untersuchen sind. b) Qualifikation einzelner Gerichtsstände Nach Ansicht v. Mehrens greift die general jurisdiction, wie soeben dargelegt, in den Bereich der besonderen Zuständigkeit über. Als Hauptbeispiel führt er den deutschen Vermögensgerichtsstand des §  23 ZPO an, bei dem es sich um eine general jurisdiction handle.502 Dieser Beweisführung ist hier nachzugehen, da sie zentrale Bedeutung für die These der Unvergleichbarkeit hat. Anschließend ist zu erwägen, ob im europäischen Zuständigkeitsrecht bestimmte besondere Gerichtsstände als eine general jurisdiction im US-amerikanischen Sinn zu qualifizieren sind. Dies könnte bei dem Gerichtsstand der Zweigniederlassung gem. Art.  7 Nr.  5 EuGVO der Fall sein. aa) Vermögensgerichtsstand, §  23 ZPO Der Gerichtsstand des §  23 ZPO ist als general jurisdiction zu qualifizieren, wenn er maßgeblich durch eine Beziehung zum Beklagten konstituiert wird und sich die Kognitionsbefugnis des Gerichts auf sämtliche, d. h. nicht nur auf forumsbezogene Ansprüche erstreckt.503 Erweist sich §  23 ZPO hingegen als streitgegenstandsbezogen, so läge specific jurisdiction vor, und ist er gattungsbezogen, würde es sich um category-specific jurisdiction handeln. Diese Frage stellt sich allein für die Vermögenszuständigkeit gem. §  23 S.  1 Alt.  1 ZPO, denn der Gerichtsstand des Klagegegenstandes in §  23 S.  1 Alt.  2 ZPO ist der US-amerikanischen in rem jurisdiction zuzuordnen.504 Daher betrifft er nicht die Gerichtspflichtigkeit von Personen, für welche die Einteilung general/specific konzipiert wurde.505 501 

Dazu noch ausführlich Teil 1 D. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  27 f.; dazu auch schon soeben unter B. IV. 1. 503  Zur Definition v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25; sowie B. I. 2. a), c) aa) (2). 504  So auch v. Dryander, 16 Int’l. L. 671, 678 (1982). 505  S. B. I. 2. a). 502 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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§  23 S.  1 Alt.  1 ZPO knüpft an ein im Inland belegenes Vermögen des Beklagten an und könnte damit einen indirekten Kontakt zum Beklagten (indi­ rectly affiliating circumstance) im Sinne der general jurisdiction herstellen, wie dies bei der US-amerikanische Belegenheitszuständigkeit der quasi in rem jurisdiction der Fall ist. Die Auslegung des Vermögensbegriffs orientierte der BGH lange Zeit506 an der Rechtsprechung des Reichsgerichts. Das Vermögen wird demnach abstrakt-juristisch gefasst, nicht konkret-wirtschaftlich, und muss in keiner Relation zum Wert der Klageforderung stehen (juristischer Vermögensbegriff).507 Nicht erforderlich war früher also, dass sich der Vermögensgegenstand zur Befriedigung des Klägers eignet. Im Einzelnen genügten dem Reichsgericht für eine Klage auf Zahlung von 10.000 Reichsmark das Vorhandensein eines Handelsbuchs des Beklagten,508 und für eine Klage über 3.611 Kronen vier zurückgelassene Obstkörbe.509 Wie schon dem Reichsgericht ließ der BGH auch Forderungen gegen Dritte ausreichen, selbst wenn der Dritte zahlungsunfähig ist,510 was an die US-amerikanische Entscheidung Harris v. Balk erinnert.511 Dem fiktiven Beispiel eines versehentlich im Hotel zurückgelassenen Regenschirms hat die Norm schließlich den Spottnamen „umbrella rule“ zu verdanken.512 Weil in diesen Fällen allein aus der Vermögensbelegenheit im Inland eine umfassende Gerichtspflichtigkeit erwächst, liegt ein indirekter Kontakt zum Beklagten im Sinne von general jurisdiction vor.513 Für die Qualifikation als general jurisdiction spricht ferner, dass §  23 ZPO bei Klagen jeglicher Art anwendbar ist, also ebenso auf Leistungsklagen wie auf negative Feststellungs- und Gestaltungsklagen, sowie im Arrest- und Zwangsvollstreckungsverfahren.514 Des Weiteren ergibt sich aus der Einschränkung des §  23 ZPO auf vermögensrechtliche Streitigkeiten keine andere Bewertung. Vermögensrechtliche Ansprüche sind nicht als „Gattung“ zu verstehen, wie beispielsweise vertragliche oder deliktische Ansprüche, womit die zur general jurisdiction verwandte category-specific jurisdiction ausscheidet. Viel506 

Bis zur Entscheidung BGH 02.07.1991, BGHZ 115, 90. BGH 10.12.1976, WM 1977, 453; vgl. Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  311. 508  RG 07.04.1902, RGZ 51, 163, 165. 509  RG 19.01.1911, RGZ 57, 147, 152. 510  BGH 22.10.1987, NJW 1988, 966, 967; so etwa schon RG 20.6.1882, RGZ 7, 323. 511  198 U.S.  215 (1905), zur Kritik v. Mehrens/Trautmans B. I. 1. 2. c) aa) (2). 512  Linke/Hau, IZVR, Rn.  5.55; Schack, ZZP 97 (1984), 46 (mit Verweis auf die entsprechende Bezeichnung des §  23 ZPO in Schweden). 513  Für general jurisdiction i.E. auch Geimer, in: FS Schwind (1993), S.  17, 40; Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  92. 514  MüKo/Patzina, ZPO, §  23 ZPO Rn.  6, 12; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, §  23 ZPO Rn.  6. 507 

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mehr zeigt v. Mehrens Zuordnung der ursprünglichen quasi in rem jurisdiction (vor Shaffer v. Heitner) zur general jurisdiction, dass vermögensrechtliche Ansprüche noch der von ihm vorausgesetzten Allzuständigkeit des Gerichtsstandes entsprechen.515 Die weite Auslegung des Vermögensbegriffes hat der Regelung heftige Kritik eingebracht. Amerikaner bezeichnen sie als beziehungsarme „catch-as-catchcan jurisdiction“.516 Auch in Deutschland wird über den Vermögensgerichtsstand das Verdikt der Exorbitanz gesprochen, die Literatur urteilt mit „einer der schlimmsten Fehlleistungen, die im zwischenstaatlichen Privatrechtsverkehr überhaupt vorstellbar sind“.517 Der BGH konstatierte schon im Jahr 1964, dass es sich um „einen im internationalen Rechtsverkehr unerwünschten Gerichtsstand“ handle.518 Im Jahr 1991 folgte er den Rufen nach einer Restriktion und führte in Bezug auf die internationale Entscheidungszuständigkeit die Anforderung eines hinreichenden Inlandsbezuges ein.519 Ein Teil des Schrifttums bevorzugt dagegen eine teleologische Reduktion des Vermögensbegriffes.520 Beide Formen der Eingrenzung suchen Anknüpfungspunkte im Inland und könnten folglich einen derartigen Streitgegenstandsbezug herstellen, der für eine Qualifikation des §  23 ZPO als specific jurisdiction sprechen könnte. (1) Exkurs: Normzweck im Spiegel der Auslegung v. Mehrens Nach den Ausführungen v. Mehrens sollte man annehmen, der BGH habe im Jahr 1991 von heute auf morgen entdeckt, dass der Vermögensgerichtsstand in unbilliger Weise inländische Kläger bevorzugt.521 v. Mehren stellt nämlich im Rahmen einer kurzen Ausführung zu §  23 ZPO fest, die historische Auslegung des BGH hätte ergeben: „The provision’s primary purpose was to give locals v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25. Juenger, 82 Mich. L. Rev. 1195, 1204 (1984); ähnlich äußerten sich z.B. Nadelmann, 67 Colum. L. Rev. 995, 999 (1967) (Überschrift „improper fora“); Weser, 10 Am. J. Comp. L. 323, 327 f. (1961) („exorbitant“, „need to abrogate“). 517  Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  375; kritisch auch Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  335; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  620 ff. (Ergebnis S.  641 f.: Verfassungswidrigkeit); Schumann, ZZP 93 (1980), 408, 431 ff. 518  BGH 30.9.1964, BGHZ 42, 194,199 f. 519  BGH 02.07.1991, BGHZ 115, 90; zustimmend: v. Mansel, in: FS Jayme (2004), S.  561, 569; Schlosser, IPRax 1992, 140; Wollenschläger, IPRax 2002, 96, 98 („taugliches Mittel“). 520 Etwa Geimer, IZPR, Rn.  1371 ff. (teleologische Reduktion); Nagel/Gottwald, IZVR, §  3 Rn.  437; Zöller/Vollkommer, ZPO, §  23 ZPO Rn.  7 (Verhältnismäßigkeit zwischen Streitgegenstand und Vermögen). 521  Die Rechtsprechung zu §  23 ZPO zeige, so v. Mehren, wie der BGH nach dem zweiten Weltkrieg allmählich eine effektive richterliche Rechtskontrolle begonnen habe, ders., Adjudicatory Authority, S.  142. 515  516 

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(Inländer), without regard to their nationality, the possibility of suing a foreigner having local property.“522 Mit seiner Darstellung, welche die angebliche Inländerprivilegierung in den Mittelpunkt stellt, bekräftigt er seine frühere Aussage, §  23 ZPO sei gleichsam wie Art.  14 des französischen Code civil „grossly unreasonable“,523 d. h. völlig ungerechtfertigt, und erzeuge „absurd exzesses“.524 Aus diesem Grund sei die Anwendung des Vermögensgerichtsstandes durch Art.  3 EuGVÜ (Art.  5 EuGVO n. F.) eingeschränkt. Diese Norm setze dem Zuständigkeitsrecht eine ähnliche Grenze wie die US-amerikanische due process clause.525 Zunächst aber ist der historische Normzweck nicht so eindeutig, wie v. Mehren vorgibt. Der heutige §  23 ZPO geht aus §  34 des Anhangs zur Preußischen Allgemeinen Gerichtsordnung hervor, welcher wiederum den Arrestgerichtsstand nach Tradition des Gemeinen Rechts aufgegriffen, in einen allgemeinen Vermögensgerichtsstand umgewandelt und statt einem Arrest in einen Gegenstand nur noch das zusätzliche Erfordernis eines inländischen Wohnsitzes des Klägers vorgesehen hat.526 Die Beschränkung auf Inländer wurde sodann bei Fassung der CPO im Jahr 1877 aus §  24 CPO (seit der Novelle im Jahr 1898: §  23 ZPO) gestrichen. Doch der Grund für die Abweichung zur preußischen Vorgängerregelung geht aus den Motiven zur CPO nicht eindeutig hervor. Dort heißt es: „Da der Gerichtsstand des §  24 vorzugsweise den Zweck hat, daß die im Inland vorhandenen Vermögensstücke als Gegenstände der Zwangsvollstreckung benutzt werden können, so rechtfertigt sich die Beschränkung dieses Gerichtsstandes auf Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche“.527 Um einen Inlandsbezug in §  23 ZPO transferieren zu können, zog der BGH aus den Motiven den Rückschluss, dass die Regelung, „getragen von der Überlegung, Ausländer mit im Inland belegenen Vermögen könnten andernfalls nicht verklagt werden, einen Auffanggerichtsstand für klagende Inländer – ohne Rücksicht auf deren Staatsangehörigkeit – schaff(t)“.528 Der Deutung als Auffanggerichtsstand für Inländer widersprechen große Teile der Literatur, weil sich die Modellvorstellungen des Gesetzgebers gewandelt hätten und §  23 ZPO die Voraussetzung eines inländischen Wohnsitzes gerade nicht übernommen v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  146. v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 100. 524  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1141 (1966). 525  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 100. 526  Vgl. im Überblick sowie zum Wortlaut der Vorgängernorm Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  94 ff.; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  388 ff.; ausführlich zur historischen Entwicklung Waizenegger, Gerichtsstand des §  23 ZPO; Rammos, Gerichtsstand des Vermögens. 527  Hahn/Mugdan, gesammten Materialien zur CPO, S.  154. 528  BGH 02.07.1991, BGHZ 115, 90, 95, mit Verweis auf Schumann. 522  523 

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hat.529 Jedenfalls aber hat der Gesetzgeber die mittelbare Benachteiligung von Ausländern bewusst in Kauf genommen. v. Mehren ist also insofern zuzustimmen, als §  23 ZPO eine Ungleichbehandlung von In- und Ausländern forciert. Darüber hinaus lehnt es der BGH jedoch explizit ab, wie Schumann530 aus der historischen Auslegung auf einen reinen Gerichtsstand für Inländer zu schließen.531 Das Telos der Norm als alleinige Inländerprivilegierung darzustellen und daraus das Fehlen einer tragfähigen Begründung schlechthin abzuleiten, wie dies v. Mehren unter Berufung auf den BGH propagiert, ist daher zu kurz gegriffen.532 Anders als es v. Mehren darstellt, finden sich auch darüber hinaus tragfähige Argumente für den Vermögensgerichtsstand, besonders die Vollstreckungsnähe. Inländisches Vermögen des Schuldners verspricht eine effektive Durchsetzung der Ansprüche gegen ihn und erspart dem Gläubiger eine schwierige Vollstreckung im Ausland.533 Das verhindert Vollstreckungsoasen, die beispielsweise durch ein Urteil im Wohnsitzstaat des Schuldners entstehen, wenn zu diesem Staat die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist.534 Im europäischen Raum muss man Vollstreckungsoasen hingegen nicht befürchten, weil gem. Art.  36 EuGVO die Anerkennung eines Urteils zwischen den Mitgliedstaaten grundsätzlich automatisch erfolgt.535 Somit hat das europäische Konzept weniger mit einem Europa-Chauvinismus zu tun, als mit einer Ausrichtung der Zuständigkeitspolitik an den Anerkennungsvoraussetzungen.536 Ferner scheint es nicht unangemessen, den Beklagten wegen einer Vermögensbelegenheit gerichtspflichtig zu machen. Denn wer Vermögen im Inland besitzt und damit die Vorteile des Wirtschaftssystems genießt oder Investitionen tätigt, zeigt eine gewisse Affinität zu Deutschland.537 Doch muss man seKropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  302 in Fn.  655; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, §  23 ZPO Rn.  3; Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  23 ZPO Rn.  12; zurückhaltender Fricke, NJW 1992, 3066, 3068. 530  Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20.  Auflage, §  23 Rn.  31e. 531  BGH 02.07.1991, BGHZ 115, 90, 95. 532  So auch Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  100; Oberhammer, in: FS Schlosser (2005), S.  651, 664. 533  Hahn/Mugdan, gesammten Materialien zur CPO, S.  154; sowie Geimer, in: FS Schwind (1993), S.  17, 39; v. Hoffmann, IPRax 1982, 217, 220; Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  23 ZPO Rn.  11; dieses Argument akzeptiert sogar Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  637. 534  Schack, ZZP 97 (1984), 46, 49. 535  Details noch später Teil 3 A. II. 1. und C. II. 1. 536 Vgl. Geimer, in: FS Schwind (1993), S.  17, 41 f.; Schack, IZVR, Rn.  374; ähnlich Schlosser/Hess/Schlosser, EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  1. 537  Geimer, IZPR, Rn.  1356 f., ders., JZ 1984, 979, 980; zustimmend Fischer, RIW 1992, 57, 58; Schütze, Dt. IZPR und EuZPR, Rn.  157, der die Affinität über das Vermögen noch stärker als die Bindung an den Wohnsitz bewertet. 529 

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hen, dass der Affinitätsgedanke sich letztlich aus der wirtschaftlichen Betätigung zum Vermögenserwerb rechtfertigt, diese Tätigkeit aber eine derart schwache Zugehörigkeit zu einem Staat vermittelt wie die Durchreise bei der transient jurisdiction. Der BGH verwirft dieses Argument daher zu Recht.538 Trotz der grundsätzlichen Legitimität ist eine Eingrenzung des Vermögensgerichtsstandes sinnvoll. Je geringwertiger die Sache ist, desto geringer wiegt auch das Interesse des Gläubigers an einer Vollstreckung und umso weniger besteht eine Affinität des Schuldners zum Belegenheitsort der Sache, sofern man dem zuletzt genannten Argument überhaupt Bedeutung beimisst.539 Überlegungen zu einer einschränkenden Auslegung machen heute oftmals den Grundsatz eines fairen Verfahrens und der daraus erwachsenden prozessualen Fairness gegenüber dem Beklagten fruchtbar, gegen welche bei marginalen Anknüpfungspunkten verstoßen werde.540 Der BGH hat einen anderen Begründungsansatz gewählt: §  23 ZPO verstoße zwar weder gegen Regeln des Völkerrechts, noch gegen das deutsche Verfassungsrecht,541 aber die völkerrechtliche Vertragspraxis missbillige zunehmend den Vermögensgerichtsstand in seiner früheren Form, wie beispielsweise Art.  3 Abs.  2 des EuGVÜ zeige. Er entschloss sich deshalb zur Begrenzung über einen hinreichenden Inlandsbezug.542 (2) Eingrenzung des Vermögensbegriffs (Literatur): unlimited und limited general jurisdiction Die Klassifizierung von §  23 ZPO als general oder specific jurisdiction hängt maßgeblich davon ab, ob man eine Restriktion nach der Wissenschaft über die Eingrenzung des Vermögensbegriffs oder nach dem BGH über die Einführung eines Inlandsbezuges vornimmt. Die dem Affinitätsgedanken verschriebenen Verfechter des Vermögensgerichtsstandes sprechen sich naturgemäß nur für geringe Einschränkungen aus, da sie von einer weitreichenden Rechtfertigung ausgehen. Sie vertreten eine wirtschaftliche statt einer juristischen Betrachtungsweise des Vermögens und schließen Gegenstände ohne eigenen Vermögenswert aus, wie insbesondere zuBGH 02.07.1991, BGHZ 115, 90, 98; vgl. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  635 f. Zu den Argumenten gegen die Affinität und Vollstreckungsnähe, insbesondere bei geringem Vermögenswert: Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  635 f., 638. 540  OLG München 07.10.1992, IPRax 1993, 237, 239; Geimer, IPRax 1993, 216, 217; v. Mansel, in: FS Jayme (2004), S.  561, 568; Schlosser, IPRax 1992, 140, 141. 541  BGH 02.07.1991, BGHZ 115, 90, 92; zur Völkerrechtskonformität Bittighofer, Gerichtsstand des Vermögens, S.  142 ff.; Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  147 ff.; Schack, IZVR, Rn.  373; zur Verfassungskonformität BVerfG 12.04.1983, BVerfGE 64, 1, 20; Geimer, IZPR, Rn.  1348; a. M. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  620 ff. 542  BGH 02.07.1991, BGHZ 115, 90, 95 ff. 538  539 

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rückgelassene und verlorene Gegenstände oder uneinbringliche Forderungen.543 Darüber hinaus verlangen andere Vertreter in der Literatur die Pfändbarkeit des Vermögens und einen zu erwartenden Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung (vollstreckungsrechtlicher Vermögensbegriff), wofür sie eine Analogie zu §  803 Abs.  2 ZPO anführen.544 Beide Ansätze würden nichts an der oben ermittelten Qualifikation des Vermögensgerichtsstandes als unlimited general jurisdiction ändern. Die teleologische Reduktion des Vermögensbegriffs verringert die umfassende Gerichtspflichtigkeit des Beklagten kaum, welche sich weiterhin auf jegliche vermögensrechtliche Ansprüche ohne besonderen Bezug zur Klage erstreckt. Zwar richtet der vollstreckungsrechtliche Vermögensbegriff sein Augenmerk auf Leistungsklagen, da für Feststellungs- und Gestaltungsklagen die Restriktionen wenig brauchbar sind,545 schränkt die Ansprüche aber weder gattungs- bzw. einzelfallbezogen im Sinne von (category) specific jurisdiction ein, noch durch eine Wertobergrenze. Allerdings müsste nach der US-amerikanischen Terminologie eine Neubewertung des §  23 ZPO erfolgen, wenn man eine Relation zwischen dem Wert des geltend gemachten Anspruchs und dem Wert des im Gerichtsstaat belegenen Vermögens einführen würde, wie sie etwa von Kropholler und Schlosser gefordert wird.546 Schröder argumentiert mit dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot: „Millionenprozesse an Obstkörbe zu knüpfen, ist unmäßig und daher von Verfassungs wegen verboten.“547 Zwar stellt diese Ansicht über die Wertrelation einen Bezug der Klage zum Streitgegenstand her, dieser ist aber nicht mit dem Streitgegenstandsbezug der specific jurisdiction identisch, der durch eine Betätigung des Beklagten oder durch die in seiner Person begründeten Umstände herbeigeführt wird. Vielmehr würde eine Beschränkung auf den Wert des inländischen Vermögens zu einer Anspruchsbegrenzung vergleichbar zur quasi in rem jurisdiction führen. Weil die Zuständigkeit nicht länger über beliebige Sachen und Rechte des Schuldners eröffnet wird, sondern nur über einen bestimmten Sachwert, ist sie als limited zu charakterisieren. Es kommt mithin zu einer Begrenzung im Umfang, nicht aber in der Art der geltend gemachten Ansprüche. Es liegt eine limited general jurisdiction vor. Damit wird

Schack, ZZP 97 (1984), 46, 58 f.; Schütze, Dt. IZPR und EuZPR, Rn.  159. Geimer, IZPR, Rn.  1372 f.; Nagel/Gottwald, IZVR, §  3 Rn.  437; Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  23 ZPO Rn.  15; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20.  Auflage, §  23 Rn.  16. 545  Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  23 ZPO Rn.  15. 546  Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  342; Schlosser, IPRax 1992, 140, 143 (Wertdifferenz von maximal 25%); eine ähnliche Verhältnismäßigkeit fordert Zöller/Vollkommer, ZPO, §  23 ZPO Rn.  7. 547  Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  403. 543 

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der Unterschied zum vollstreckungsrechtlichen Vermögensbegriff deutlich, welcher eine Untergrenze für unpfändbares Vermögen einführt, nicht aber eine Obergrenze. Ebenfalls als limited general jurisdiction wäre die subsidiäre Zuständigkeit nach Art.  25 des Vorschlages für die Neufassung der EuGVO aus dem Jahr 2010548 zu charakterisieren, die aber letztlich nicht in die Verordnung übernommen wurde. Als Voraussetzung sah Art.  25 lit.  a EuGVO-E vor, dass der Wert des Vermögens nicht in einem unangemessenen Verhältnis zur Höhe der Forderung steht, womit die Zuständigkeit dem Umfang nach begrenzt werden sollte.549 Die zweite Voraussetzung wäre nach lit.  b zudem ein Bezug zu einem Mitgliedstaat ähnlich dem der deutschen Rechtsprechung gewesen, der im Folgenden auf seine Qualifikation untersucht wird. (3) Inlandsbezug (BGH): specific und general contacts Der vom BGH eingeführte hinreichende Bezug der Rechtsstreitigkeit zum Inland könnte einen Streitgegenstandsbezug ähnlich der specific jurisdiction herbeiführen. In der Grundsatzentscheidung selbst hat sich der BGH mit einer Definition des unbestimmten Rechtsbegriffs bedeckt gehalten. Er stellte lediglich fest, dass die Vorinstanz des OLG Stuttgart einen solchen zu Recht ablehnte, weil ein inländischer Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt der Klägerin nicht vorlag.550 Die Konkretisierung des Inlandsbezuges wurde der Rechtswissenschaft und weiterer Rechtsprechung überlassen, die in erstaunlicher Übereinstimmung etliche Fallgruppen herausbildeten. Diese werden der Untersuchung zugrunde gelegt, ohne auf alle Details einzugehen.551 Als Ausgangspunkt eignen sich die in der Vorinstanz vom OLG Stuttgart gebildeten Kriterien, die sich an den Arbeiten Schumanns orientieren und breiten Zuspruch finden.552 Gemäß dem OLG ist ein Inlandsbezug anzunehmen bei einem dauerhaften Aufenthalt oder Wohnsitz des Klägers im Inland, dem Schwerpunkt des Sachverhalts in Deutschland, der Anwendbarkeit deutschen Rechts, dem besonderen Interesse an einer deutschen Entscheidung oder der Beweisnähe deutscher Ge-

548 

KOM(2010) 748 endg., S.  36. Der Wert der Forderung war nicht als Höchstgrenze zu verstehen, dazu Hau, in: FS­ v. Hoffmann (2011), S.  617, 627. 550  BGH 02.07.1991, BGHZ 115, 90, 99. 551  Z. B. wird die Fallgruppe des Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers abgelehnt von Schlosser, IPRax 1992, 140, 142. 552  So ausdrücklich Fischer, RIW 1992, 57, 59; Fricke, IPRax 1991, 159, 160; Prütting/ Gehrlein/Lange, ZPO, §  23 ZPO Rn.  5; Schütze, Dt. IZPR und EuZPR, Rn.  162; zu weiterer neuerer Rspr. vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  23 ZPO Rn.  10. 549 

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richte.553 Bestätigt hat der BGH den Inlandsbezug bei einem langjährigen Wohnsitz des Klägers in Deutschland und deutete dabei an, dass auch die deutsche Staatsbürgerschaft Entscheidungsrelevanz habe.554 Richtungsweisend für den Schwerpunkt des Sachverhalts im Inland ist die Entscheidung des BGH über einen Vertragsabschluss mittels einer Repräsentanz in Deutschland mit anschließender Einzahlung des Kaufpreises bei einem inländischen Kreditinstitut.555 Genannt werden auch die Inlandsbelegenheit des Erfüllungs-, Abschluss- oder Tatortes sowie die Erbringung von Dienstleistungen oder Warenlieferungen.556 Die herrschende Meinung ergänzt diese Fallgruppe durch eine dauerhafte forumsbezogene Geschäftstätigkeit nach US-amerikanischer Manier des doing business. Zur Begründung heißt es, dass ein Kriterium, das in den USA sogar einen allgemeinen Gerichtsstand begründet, uns jedenfalls als Inlandsbezug genügen sollte.557 Aufgrund dieser vielfältigen Bezugsmöglichkeiten wird das Erfordernis des Inlandsbezugs in der deutschen Literatur oftmals mit der anglo-amerikanischen Rechtsfigur des forum non conveniens verglichen.558 Zusammengefasst berechtigt die Lehre vom forum non conveniens ein Gericht dazu, nach eigenem Ermessen auf die Ausübung der bestehenden Zuständigkeit zu verzichten, wenn ein ebenfalls zuständiges Gericht im Ausland eine engere Beziehung zu dem Rechtsstreit aufweist und daher als angemesseneres Forum erscheint. Im US-amerikanischen Recht dient sie insbesondere zur Eingrenzung der personal jurisdiction.559 Eine Ähnlichkeit zum Inlandsbezug des §  23 ZPO besteht bei den Kriterien, welche in die Ermessensentscheidung des Richters einfließen. In der Leitentscheidung Gulf Oil Corp. v. Gilbert nennt der Supreme Court die Nähe zu Beweismitteln und die Erreichbarkeit von Zeugen, die Vollstreckbarkeit eines Urteils, die Bürde für den Beklagten sowie öffentliche Interessen, wie z.B. die administrativen Schwierigkeiten durch Überbelastung der Gerichte.560 553 

OLG Stuttgart 06.08.1990, IPRax 1991, 179, 181; in Anlehnung an Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20.  Auflage, §  23 Rn.  31e-h. 554  BGH 13.12.2012, NJW 2013, 386, 387. 555  BGH 22.10.1996, NJW 1997, 324, 325. 556  Schack, in: FS Nakamura (1996), S.  491, 510 f.; Prütting/Gehrlein/Lange, ZPO, §  23 ZPO Rn.  5; Schlosser, IPRax 1992, 140, 142. 557  Diese Begründung gibt Schack, in: FS Nakamura (1996), S.  491, 509; vgl. auch Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  207 ff.; MüKo/Patzina, ZPO, §  23 ZPO Rn.  15; Nagel/ Gottwald, IZVR, §  3 Rn.  435. 558  Fischer, RIW 1992, 57; Fricke, IPRax 1991, 159, 161; Geimer, NJW 1991, 3072, 3074; Schütze, DWiR 1991, 239, 242; so auch schon der Vorschlag von Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20.  Auflage, §  23 Rn.  31e. 559  Dazu nur Linke/Hau, IZVR, Rn.  4.79; ausführlich noch Teil 2 A. II. 560  Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S.  501, 508 f. (1947).

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Bei einer strukturellen Betrachtung nehmen jedoch die Ähnlichkeiten ab. Während die Lehre vom forum non conveniens dem Gericht eine Ermessenentscheidung nach der eigentlichen Ermittlung der Zuständigkeit eröffnet, beinhaltet der hinreichende Inlandsbezug einen Beurteilungsspielraum zur verbindlichen Feststellung der Zuständigkeit.561 Das US-amerikanische Instrument ist geprägt von einem Vergleich der Sachnähe mehrerer Fora und wehrt damit allzu oft ausländische Kläger ab, wohingegen die prozessuale Fairness schon durch die minimum contacts gewährleistet werden soll.562 Daher könnte ein Vergleich des Inlandsbezugs mit den minimum contacts näher liegen.563 Die Anknüpfungspunkte der general und specific jurisdiction (Prüfungspunkt 1) werden abschließend durch Kriterien der reasonablenessPrüfung bewertet (Prüfungspunkt 3),564 welche annähernd identisch zu den Faktoren der forum non conveniens-Lehre sind,565 in Deutschland aber vermutlich weniger geläufig sind. So sind die für §  23 ZPO relevanten Inlandsbezüge des Wohnsitzes und der dauerhaften Geschäftstätigkeit typische Anknüpfungspunkte der general jurisdiction (domicile und doing business), die Nähe zum Sachverhalt und der Erfüllungs- oder Abschlussort sind bei der specific jurisdiction maßgeblich, und die Beweisnähe sowie das anwendbare Recht sind unter den reasonableness-Faktoren zu finden. Im deutschen Schrifttum tritt insbesondere Kleinstück für eine Konkretisierung des Inlandsbezugs anhand der general und specific jurisdiction ein. Vorgänge im Inland mit Bezug zum Sachverhalt, wie die Erbringung von Dienstleistungen, ordnet er als einen specific contact ein, die allgemeinen Beziehungen des Beklagten, wie den Wohnsitz oder ein doing business, hingegen als einen general contact. Bei den general contacts beschränkt er aber die Zuständigkeit auf den Wert des Vermögens.566 Diese Einordnung spricht dafür, den Inlandsbezug als eine Mischform zwischen der general und der specific jurisdiction zu werten. Zu beachten ist indes, dass Kleinstück Vorschläge zur Rechts561  Zu diesem Unterschied Pfeiffer, in: 50 Jahre BGH, S.  617, 629, der außerdem darauf hinweist, dass der hinreichende Inlandsbezug auf richterliche Konkretisierung zielt, beim forum non conveniens aber keine Präjudizienbindung eintritt. 562 Vgl. Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  551, 554; Dorsel, Forum non conveniens, S.  36, 57 ff.; Juenger, in: FS Schütze (1999), S.  317, 328 ff. 563 Ähnlich Grothe, RabelsZ 58 (1994), 686, 714; Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  167, 178 ff.; Schack, JZ 1992, 51, 55. 564 Vgl. die in der World-Wide Volkswagen-Entscheidung eingeführte reasonableness/ fairness sowie die Asahi-Faktoren bei B. II. 3. c), e). 565  Ausführlich zu den Überschneidungen und Konsequenzen Weintraub, 29 Tex. Int’l L. J. 321, 333 ff. (1994). 566  Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  167 ff.,193 ff. (für specific jurisdiction), 198 ff. (für general jurisdiction).

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fortbildung de lege ferenda macht. Das OLG Stuttgart und der BGH verneinen einen Inlandsbezug bei einem inländischen Wohnsitz des Beklagten, nur der Wohnsitz des Klägers genügt als Bezugspunkt. Ein ganz wesentlicher Unterschied besteht zudem beim Sachverhaltsbezug. Der specific contact muss im US-amerikanischen Recht durch den Beklagten zum Forum vermittelt werden, die Sachverhaltsnähe beim Inlandsbezug kann aber auch ohne tätigkeitsbezogene Handlung des Beklagten wie z.B. mittels Vereinbarung des Erfüllungsortes begründet werden. Im deutschen Recht besteht schlicht kein Grund, den Inlandsbezug wie nach due process ausschließlich am Beklagten auszurichten. Außerdem genügt nach dem Wortlaut des BGH eine Beziehung des „Rechtsstreits“567 allgemein zum Inland, die Sachverhaltselemente müssen damit in keiner besonderen Weise mit dem Streitgegenstand verknüpft sein, wie beispielsweise im Sinne einer Kausalität nach dem but for-Test. Dessen ungeachtet kann man die oben dargestellte Konkretisierung des Inlandsbezugs durch Rechtsprechung und Wissenschaft unterteilen in personale Kriterien, streitgegenstandsbezogene Kriterien und sonstige rechtliche Kriterien.568 Bezieht man sich nur auf die Anknüpfungspunkte, so wird eine Parallele zu den general contacts, specific contacts und reasonableness-Faktoren sichtbar. Der Vergleich lässt sich um eine weitere Dimension erweitern, wenn man den Bezugspunkt ändert. Ein Inlandsbezug wird zwar nicht bloß durch streitgegenstandsbezogene, sondern insbesondere auch durch personale Kriterien hergestellt. Doch das vom BGH aufgestellte Erfordernis transponiert die vielfach gescholtene569 Einzelfallbewertung über eine bestimmte Beziehung in das Zuständigkeitsrecht, die sich bei der specific jurisdiction findet; sei es, dass diese Beziehung zwischen dem Beklagten, dem Forum und dem Streitgegenstand besteht, oder allein zwischen dem Sachverhalt und dem Inland. Bei der Prüfung der general jurisdiction hingegen folgt der US-amerikanische Richter zunächst einem mehr oder weniger klar umrissenen Tatbestandsmerkmal wie dem des Wohnsitzes, des Aufenthalts oder der Geschäftstätigkeit des Beklagten, ehe er Randkorrekturen aus Fairnessaspekten vornimmt. Speziell die mit dem Inlandsbezug einhergehende Aufgabe an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit rückt den Vermögensgerichtsstand also in die Nähe der specific jurisdiction. Diesen Unterschied in der Normstruktur stellt v. Mehren mit dem Paradigma der administrability and predictability für das europäische Recht und dem Paradigma litigational convenience, fairness and justice für die US-amerikanischen minimum 567 

BGH 02.07.1991, BGHZ 115, 90, 91. Zu dieser Einteilung Schack, in: FS Nakamura (1996), S.  491, 508 ff. 569 Beispielhaft Geimer, IZPR, Rn.  1360; Grothe, RabelsZ 58 (1994), 686, 714 ff.; Pfeiffer, in: 50 Jahre BGH, S.  617, 629 f. 568 

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contacts dar.570 Nichts anderes meinen wohl die deutschen Autoren, die eine Verwandtschaft des Inlandsbezug zur forum non conveniens-Lehren sehen, doch lässt sich eine ähnliche Vorgehensweise schon eine Ebene früher bei der Zuständigkeitsbegründung mittels specific jurisdiction finden. Im Ergebnis lässt §  23 ZPO durch das Erfordernis des hinreichenden Inlandsbezugs Strukturmerkmale der specific jurisdiction erkennen, eine sachliche Beschränkung auf bestimmte Ansprüche bleibt aber anders als nach US-amerikanischem Recht aus. Zudem bildet die Sachverhaltsnähe nur einen von mehreren möglichen Aspekten des Inlandsbezugs. Daher ist die Qualifikation des §  23 ZPO als general jurisdiction im Grundsatz beizubehalten und v. Mehren bei seiner Einordnung beizupflichten. bb) Besondere Gerichtsstände des europäischen Rechts (1) Allgemein Die besonderen Gerichtsstände der Art.  7 ff. EuGVO kommen überwiegend nicht als general jurisdiction in Betracht. Die Gruppe von besonderen Gerichtsständen, welche durch einen engen Sachbezug zum Klagegegenstand gekennzeichnet ist, eröffnet die Zuständigkeit nur für bestimmte Streitgegenstände; so die praktisch bedeutsamen Gerichtsstände der Art.  7 Nr.  1 und Nr.  2 EuGVO für Vertrags- und Deliktsklagen, aber beispielsweise auch der rein auf Kulturgüterstreitigkeiten bezogene Art.  7 Nr.  4 EuGVO. Zudem ist nicht von einer unbeschränkten Wahlfreiheit zwischen den besonderen Gerichtsständen auszugehen, denn jedenfalls am Deliktsgerichtsstand ist die Kognitionsbefugnis nach der Kalfelis-Doktrin beschränkt,571 sofern der Anspruch nach den Grundsätzen des Brogsitter-Urteils nicht bereits vertraglich zu qualifizieren ist.572 Es fehlt also die für die general jurisdiction charakteristische Allzuständigkeit. Diese Gerichtsstände sind vielmehr der category-specific jurisdiction zuzuordnen. Die andere Gruppe an besonderen Gerichtsständen in Art.  8 EuGVO, welche eine Vermeidung widersprechender Entscheidungen anstrebt, kann schon vom Ansatz her kaum als general oder specific jurisdiction eingeordnet werden, weil als Anknüpfungspunkt kein personen-, tätigkeits-, oder klagebezogener Umstand dient, sondern der Sachzusammenhang zwischen mehreren Klagen. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  52 ff. EuGH 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis/Schröder), Slg. 1988, 5565 Rn.  19 f.; vgl. Linke/ Hau, IZVR, Rn.  5.60 ff.; Schack, IZVR, Rn.  396 f. 572  EuGH 13.03.2014, Rs. C-548/12 (Brogsitter/Fabrication de Montres Normandes), Celex-Nr.  62012CJ0548 Rn.  23 ff.; zur weit gefassten vertraglichen Qualifikation des EuGH vgl. Wendenburg/Schneider, NJW 2014, 1633, 1635 f. 570  571 

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(2) Niederlassungsgerichtsstand, Art.  7 Nr.  5 EuGVO Eine Sonderrolle innerhalb der besonderen Gerichtsstände des Art.  7 EuGVO nimmt die Zuständigkeit am Ort der Niederlassung nach Nr.  5 ein. Dort können sämtliche auf den Betrieb einer Niederlassung bezogene Verfahren gegen das Stammhaus eingeleitet werden, ohne dass eine Beschränkung auf eine bestimmte Gattung von Ansprüchen eingreift, wie z.B. auf vertragliche oder deliktische Ansprüche.573 Der Gerichtsstand fungiert somit wie ein allgemeiner Wohnsitzgerichtsstand des Unternehmens und wird aus diesem Grund als „verkleinerter Wohnsitz“574 bezeichnet. Ebenso wie am Wohnsitz begründet er eine Allzuständigkeit für alle Klagen gegen die Gesellschaft.575 Folglich erfüllt er trotz seiner Eigenschaft als „besonderer Gerichtsstand“ im europäischen Recht ein wesentliches Merkmal der general jurisdiction. Gleichzeitig scheidet die Einordnung als category-specific jurisdiction aus, weil nicht bloß eine bestimmte Gattung an Streitigkeiten erfasst wird. Dies gilt ebenso für den Gerichtsstand der Zweigniederlassung gem. §  21 ZPO, dem Art.  7 Nr.  5 EuGVO nachgebildet ist.576 Sachlich ist der Gerichtsstand nur anwendbar, wenn ein Bezug der Klage zum Betrieb der Niederlassung im Forum besteht. Diese Anforderung könnte die Art der Zuständigkeitsbegründung stärker in die Richtung der specific jurisdiction rücken. Unerheblich ist nach US-amerikanischem Verständnis, dass der Gerichtsstand wahlweise neben den Wohnsitzgerichtsstand tritt, was gerade die Charakterisierung als „besonders“ nach europäischem Verständnis ausmacht. In den USA hat der Kläger beispielsweise die Wahl zwischen einer Klagezustellung auf der Durchreise (transient jurisdiction) und einer Klage am allgemeinen Wohnsitz einer Person. Beides sind aber Gerichtsstände der general jurisdiction. Der Grund für die Eröffnung einer zusätzlichen Klagemöglichkeit am Ort der Niederlassung besteht darin, den Geschäftspartner zu schützen, der nur mit der Niederlassung eines ausländischen Unternehmens in Kontakt getreten ist. Ihm soll der Gang vor die ausländischen Gerichte am Sitz der Hauptniederlassung erspart bleiben.577 Ein ähnlicher Leitgedanke der Marktpräsenz liegt dem US-amerikanischen doing business zugrunde, der aus rein funktionaler Betrachtung mit dem Gerichtsstand der Niederlassung ver573 

Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  5 EuGVO Rn.  188. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art.  7 EuGVO Rn.  152; MüKo/Gottwald, ZPO, Art.  5 EuGVO Rn.  79. 575  Geimer, IZPR, Rn.  1146, 1149 (zu §  21 ZPO). 576  Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  99; MüKo/Gottwald, ZPO, Art.  5 EuGVO Rn.  79. 577  Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  7 Rn.  152; Schlosser/Hess/Schlosser, EuZPR, Art.  7 EuGVO Rn.  20. 574 

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gleichbar ist.578 Dabei handelt es sich indes um einen Gerichtsstand der general jurisdiction. Der wesentliche Unterschied zur Zuständigkeit nach Art.  7 Nr.  5 EuGVO besteht in der zusätzlich erforderlichen Beziehung der Klage zur Niederlassung, sodass die intensive579 Geschäftstätigkeit des Unternehmens im Ausland alleine nicht genügt. Betriebsbezogen sind nach der Rechtsprechung des EuGH drei verschiedene Arten von Streitigkeiten: 1) solche um Rechte und Pflichten in Bezug auf die Führung der Niederlassung, etwa mit dem Vermieter der Geschäftsräume,­ 2) um Verbindlichkeiten, welche von der Niederlassung im Namen des Stammhauses eingegangen sind und 3) um außervertragliche Ansprüche, die aus der Tätigkeit der Niederlassung entstanden sind.580 Diesen Fällen liegt die gemeinsame Erwägung zugrunde, dass der Eintritt der Niederlassung in Verhandlungen oder die Aufnahme von Aktivitäten mit Geschäftspartnern zu einer besonderen Verbindung des daraus resultierenden Rechtsstreits mit dem Gericht am Ort der Niederlassung führt.581 Allgemein gesprochen wird durch die geschäftliche Aktivität der Niederlassung im Gerichtsstaat ein sachlicher Bezug zur Klage gegen das Stammhaus hergestellt. Einen ähnlichen Streitgegenstandsbezug hat auch die specific jurisdiction im Blick. Das transacting business, ein Fall der specific jurisdiction,582 erfordert – im Gegensatz zum doing business der general jurisdiction – zumindest eine kausale Beziehung der geschäftlichen Aktivität zum eingeklagten Anspruch gemäß dem but for-Test, und gemäß dem substantive relevance- bzw. proximate cause-Test muss die Tätigkeit gar materiellrechtliche Relevanz haben. Beispielsweise kann der Beklagte unter einem long-arm staute wegen Vertragsbruchs gerichtspflichtig werden, wenn er mittels eines Agenten defekte Waren in den Gerichtsstaat liefert.583 Hierbei ist die wirtschaftliche Betätigung der Vertragserfüllung durch den Agenten auch materiellrechtlich relevant und stellt einen hinreichenden Streitgegenstandsbezug her. Dagegen genügt in den vom EuGH genannten Fällen, dass in der Niederlassung der anspruchsbegründende 578 Vgl. Müller, Doing business, S.  226; Müller-Froelich, Gerichtsstand der Niederlassung, S.  403 (Vergleichbarkeit, aber unterschiedliche Ansätze). 579  Eine bloß regelmäßige Geschäftigkeit hält dem at home-Test kaum mehr Stand, dazu B. II. 4. e). 580  EuGH 22.11.1978, Rs. 33/78 (Somafer/Saar-Fernglas), Slg. 1978, 2183 Rn.  13. 581  EuGH 22.11.1978, Rs. 33/78 (Somafer/Saar-Fernglas), Slg. 1978, 2183 Rn.  7; vgl. Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  111; Geimer/Schütze/Auer, Int. Rechtsverkehr, B vor I Art.  5 EuGVO Rn.  196. 582 Ein transacting business muss insbesondere das Erfordernis des purposeful availment erfüllen; dazu schon B. II. 3. b) – g); dazu auch Müller-Froelich, Gerichtsstand der Niederlassung, S.  364 ff. 583  Miller v. Glendale Equipment & Supply, Inc., 344 So.2d 736 (Miss. 1977).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

Zustand, das pflichtwidrige Verhalten oder die Gefahr veranlasst wurde, ohne dass unmittelbar eine betriebliche Tätigkeit vorliegen muss, wie bei der reinen Vermittlung von Vertragsabschlüssen.584 Art.  7 Nr.  5 EuGVO setzt auch nicht voraus, dass die Streitigkeit an dem Ort zu erfüllen ist oder der Schaden dort eintritt, wo sich die Zweigniederlassung befindet. Denn ansonsten hätte der Kompetenztitel des Nr.  5 neben dem Erfüllungsort nach Nr.  1 und dem Deliktsort der Nr.  2 keine eigenständige Bedeutung.585 Anders als beim transacting business ist folglich keine Bewertung der streitgegenständlichen Geschäftshandlung im Einzelfall vorzunehmen, außer dass die Handlung dem Betrieb zuzurechnen sein muss. Die besondere Verbindung zwischen dem Rechtsstreit und dem Gericht ist generell-abstrakt in den Verhandlungen der Niederlassung mit dem Geschäftspartner vertypt, unabhängig vom konkreten Bezug der Geschäfte mit dem Ort der Niederlassung. Damit erfolgt die Suche nach der größten Sachnähe zur Streitigkeit mittels eines festen Einzeltatbestands, also strukturell vergleichbar zur category-specific jurisdiction der Art.  5 Nr.  1 und Nr.  3 EuGVO. Die Besonderheit des Streitgegenstandsbezugs liegt beim Niederlassungsgerichtsstand letztlich darin, dass er nicht durch sachbezogene Umstände wie den Tatort oder den Erfüllungsort vermittelt wird, sondern personell durch die Niederlassung. Personenbezogene Anknüpfungen begründen im US-amerikanischen Rechtsverständnis typischerweise die general jurisdiction. Die Sonderstellung zwischen einem allgemeinen Wohnsitzgerichtsstand und einer sachbezogenen Anknüpfung zeigt sich auch daran, dass eine Normierung des Gerichtsstandes in Absatz 3 des Art.  4 EuGVO denkbar wäre. Zusätzlich zu den ohnehin schon verschiedenen Formen der Bestimmung des allgemeinen Wohnsitzes nach Art.  63 EuGVO, unter anderem am Ort der Hauptniederlassung, könnte für Klagen gegen das Stammhaus als „Sonderfall“ der Ort der Niederlassung gleich neben den Wohnsitz treten – und dabei sogleich in einem weiteren Satz die umständliche Erweiterung des räumlichen Anwendungsbereichs der Verordnung in Art.  11 Abs.  2, 17 Abs.  2, 20 Abs.  2 EuGVO vor die Klammer ziehen. Nach deutschem Verständnis lässt sich der Gerichtsstand damit als „Zwischenform zwischen den allgemeinen und streitgegenstandsbezogenen Gerichtsständen“ 586 bezeichnen. Im Ergebnis weist Art.  7 Nr.  5 EuGVO verschiedene Merkmale auf, welche nicht in Einklang mit der US-amerikanischen Kategorisierung zu bringen sind. 584  Ähnliche Deutung bei Geimer/Schütze/Auer, Int. Rechtsverkehr, B vor I Art.  5 EuGVO Rn.  196; Müller-Froelich, Gerichtsstand der Niederlassung, S.  170 f. 585  EuGH 06.04. 1995, Rs. C-439/93 (Lloyd’s Register of Shipping/Société Campenon Bernard), Slg. 1995, I-961 Rn.  17, 20; vgl. Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  5 EuGVO Rn.  202. 586  Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  566.

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Gemessen an der Allzuständigkeit für Klagen jeglicher Art ist ein Merkmal der general jurisdiction erfüllt, ein für US-amerikanische Autoren wesentlicher Aspekt.587 Dazu passt aber nicht der Streitgegenstandsbezug, der typischerweise durch die specific jurisdiction hergestellt wird.588 Betrachtet man die tatbeständlichen Voraussetzungen ohne Ermessensspielraum, so liegt indes auch keine specific jurisdiction vor, sondern die für das europäische Zuständigkeitsrecht charakteristische category-specific jurisdiction, nur eben ausnahmsweise mit der fehlenden Beschränkung auf eine bestimmte Gattung von Ansprüchen. Festzuhalten ist, dass eine Übertragung der Dichotomie general und specific hier letztlich scheitert. c) Zwischenergebnis und Entwicklungstendenz v. Mehrens These von der Unvergleichbarkeit bestätigt sich hinsichtlich der general jurisdiction. Im US-amerikanischen Recht vermitteln mehrere Anknüpfungskriterien nebeneinander general contacts, weshalb die general jurisdiction im Vergleich zum allgemeinen Gerichtsstand in Europa einem breiter angelegten Konzept folgt589 und in den Bereich der besonderen Gerichtsstände des deutschen und europäischen Rechts übergreift. Insbesondere der Gerichtsstand des §  23 ZPO ist aufgrund der Allzuständigkeit für Klagen jeglicher Art gegen den Beklagten als general jurisdiction zu bewerten. Der vom BGH geforderte Inlandsbezug transponiert gleichwohl auch Strukturmerkmale der specific jurisdiction in die Zuständigkeitsbegründung. Denn zum einen ist das den Inlandsbezug maßgeblich mitbestimmende Indiz des Sachverhaltsschwerpunktes im Inland, d. h. die Inlandsbelegenheit des Erfüllungs-, Abschluss- oder Tatortes, als specific contact zu werten. Auch die weiteren Indizien der Anwendbarkeit deutschen Rechts, des besonderen Interesses an einer deutschen Entscheidung und der Beweisnähe sind ein Pendant zu den reasonableness-Faktoren der specific jurisdiction. Zum anderen wird eine Einzelfallbewertung übernommen, die eine Feststellung des Inlandsbezuges nur ex post nach Abwägung aller Sachverhaltsdetails erlaubt. Ebenso kommt der „verkleinerte Wohnsitzgerichtsstand“ am Ort der Niederlassung in Art.  7 Nr.  5 EuGVO einer general jurisdiction nahe. Weil der EuGH aber eine Betriebsbezogenheit der geschäftlichen Aktivitäten der Niederlassung Borchers, 40 Am. J. Comp. L., 121, 135 (1992): der europäische Niederlassungsgerichtsstand sei eine „general jurisdictional basis“; ähnlich auch Schlosser, 45 U. Kan. L. Rev. 9, 21 (1996). 588 Daher Grothe, RabelsZ 58 (1994), 686, 697 und Zekoll, 61 Alb. L. Rev. 1263, 1293 (1998): der Niederlassungsgerichtsstand ist eine specific jurisdiction. 589  So im Ergebnis auch Hay, Rec. des Cours 226 (1991-I), S.  282, 331. 587 Vgl.

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verlangt, weist die Klage im Umkehrschluss einen Bezug zu den Tätigkeiten im Forum auf. Im Unterschied zur specific jurisdiction ist diese Beziehung nur schwach ausgeprägt, denn die Gerichtspflichtigkeit des Stammhauses wird schon durch eine indirekte Veranlassung des anspruchsbegründenden Verhaltens durch die Niederlassung begründet, wie beispielsweise durch eine Vertragsvermittlung, und erfolgt nicht in einer Einzelfallbewertung. Eine Annäherung des US-amerikanischen Rechts an die europäische Konzeption der allgemeinen Zuständigkeit zeichnet sich in den aktuellen Entscheidungen des US Supreme Court ab. Die Goodyear- und die Daimler-Entscheidung beschränken die Gerichtspflichtigkeit von Unternehmen auf einen essentially at home-Test, der sich am Gründungs- und Hauptverwaltungssitz, einem Paradebeispiel für die general jurisdiction, ausrichtet.590 Damit gleicht sich jedenfalls die Reichweite der general jurisdiction an die europäische allgemeine Gerichtspflichtigkeit des Beklagten an. 3. Specific jurisdiction a) Allgemeiner Umfang Konzeptionell betrachtet sind die Abweichungen der general jurisdiction zum allgemeinen Gerichtsstand geringer als die der specific jurisdiction zu den besonderen Gerichtsständen. Während die general jurisdiction bei den traditionellen Gerichtsständen zumindest im Grundsatz an feste Begrifflichkeiten wie den Wohnsitz oder die Anwesenheit anknüpft – ohne die Auslegungsschwierigkeiten etwa um das doing business, die anschließende Verhältnismäßigkeitsprüfung und/oder591 die Lehre vom forum non conveniens klein zu reden – verlangt die specific jurisdiction schon bei Feststellung eines minimum contacts nach einer Einzelfallbewertung der Beklagtenkontakte. Die Unterschiedlichkeit werden am deutlichsten, wenn man den US-amerikanischen und europäischen Lösungsweg anhand eines konkreten Falles vergleicht, wofür die Entscheidung J. McIntyre Machinery, Ltd. v. Nicastro des US Supreme Court geeignet ist.

Goodyear v. Brown, 131 S.Ct. 2846 (2011); Daimler AG v. Bauman, 134 S.Ct. 746 (2014), s. B. II. 4. e), f). 591  Bei der general jurisdiction kann statt einer reasonableness-Prüfung die Interessenabwägung durch Heranziehung der Lehre vom forum non conveniens durchgeführt werden, weil eine Unverhältnismäßigkeit bei intensiven Beklagtenkontakten selten ist, vgl. Casad/ Richman/Cox, Jurisdiction, S.  159 f. 590 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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b) Gegenüberstellung der US-amerikanischen Lösung im Fall J. McIntyre Machinery, Ltd. v. Nicastro mit der europäischen Lösung nach Art.  7 Nr.  2 EuGVO Im bereits besprochenen Produkthaftungsfall McIntyre wies der Supreme Court die Klage des Geschädigten Nicastro ab, der durch eine defekte Metallschneidemaschine des englischen Herstellers McIntyre verletzt worden war. Die Mehrheit des Gerichts entschied, dass der Beklagte die Maschine nicht zielgerichtet (targeted) in den Warenverkehr des Gerichtsstaates eingebracht hatte und die Vorhersehbarkeit eines Produktabsatzes dem Erfordernis der zweckgerichteten Inanspruchnahme (purposeful availment) nicht genügt.592 Mithin lokalisiert der Supreme Court im Bereich der Produkthaftung und des Deliktsrechts keinen bestimmten Ort, an welchem die Zuständigkeit generell eröffnet wäre, sondern umschreibt lediglich die erforderliche Qualität des Beklagtenhandelns im Forum. Zu bedenken ist noch die Fairnessprüfung, die mangels eines Mindestkontaktes im McIntyre-Fall zwar entbehrlich war, aber beispielsweise in dem ähnlich gelagerten Asahi-Fall den Ausschlag gab, weil die Last einer Prozessführung in den USA für den japanischen Beklagten Asahi besonders schwer wog.593 Wie wäre zu entscheiden, wenn man die Fallkonstellation auf Europa überträgt? Angenommen der Geschädigte hätte sich in Deutschland an der Metallschneidemaschine verletzt und klagt nun gegen den englischen Hersteller.594 Der EuGH hat für Produkthaftungsklagen den Vertragsgerichtsstand des Art.  7 Nr.  1 EuGVO unter autonomer Auslegung abgelehnt, weil keine „freiwillig gegenüber einer anderen Person eingegangene Verpflichtung“ vorliege.595 Einschlägig ist mithin der Deliktsgerichtsstand des Art.  7 Nr.  2 EuGVO. Nach dessen Wortlaut ist das Gericht an demjenigen Ort zuständig, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“. Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung dieses Ortes bei Distanzdelikten wie in der vorliegenden Konstellation. Der Erfolgsort, also der Ort an dem der Schaden eingetreten ist, liegt in Deutschland, denn dort verletzte sich der Arbeiter an der Maschine. Der Handlungsort, an welchem die kausale Verletzungshandlung ausgeführt wurde, entspricht nach einer neueren Entscheidung des EuGH in Produkthaftungsfällen dem Herstellungsort des

J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780 (2011); vgl. oben B. II. 3. f). Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court, 480 U.S.  102 (1987); vgl. oben B. II. 3. e). 594  Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der EuGVO wäre nicht eröffnet, wenn man den Fall exakt spiegelbildlich überträgt und der Beklagte in den USA ansässig ist, vgl. Art.  2–4 EuGVO. 595  EuGH 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Handte/TMCS), Slg. 1992, I-3967 Rn.  15. 592  593 

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betreffenden Produkts, nicht etwa dem Ort des Inverkehrbringens.596 Er ist damit in England zu lokalisieren. Der EuGH erklärte in dem bekannten „Rheinwasserverschmutzungsfall“ Bier/Mines Potasse d’Alsace die Ubiquitätstheorie für maßgeblich, welche dem Kläger beide Orte alternativ zur Wahl stellt und auch im Rahmen von §  32 ZPO anerkannt ist.597 Im Gegensatz zum US-amerikanischen Recht könnte der Geschädigte Nicastro den Hersteller McIntyre somit eindeutig598 auch am Erfolgsort verklagen. Der EuGH stützte die weite Auslegung der Tatortregel auf zwei verschiedene Erwägungen. Vom Ausgangspunkt der Systematik der EuGVO betrachtet sollen die besonderen Gerichtsstände das actor-sequitur-Prinzip des Art.  4 EuGVO ausbalancieren. Die ausschließliche Anknüpfung an den Handlungsort würde in einer beträchtlichen Anzahl von Fällen dazu führen, dass der Deliktsgerichtsstand mit dem allgemeinen Wohnsitz des Beklagten zusammenfiele, womit der Wahlgerichtsstand seine praktische Wirksamkeit verlieren würde.599 Neuerdings betont der EuGH, dass diese Erwägung auch umgekehrt den Handlungsort legitimiert, sofern dieser vom Wohnsitz abweicht, wenn also beispielsweise ein deutsches Unternehmen seine Waren in Tschechien produziert.600 Besondere Relevanz für den Rechtsvergleich zur specific jurisdiction hat das zweite Regelungsmotiv. Der EuGH sieht den entscheidenden Grund für die alternative Anknüpfung in Sinn und Zweck der besonderen Zuständigkeiten nach Art.  7 EuGVO, nämlich eine Wahlmöglichkeit aufgrund der Erwägung einzuräumen, „dass in bestimmten Fallgestaltungen eine besonders enge Beziehung zwischen einer Streitigkeit und dem zur Entscheidung über sie berufenen Gericht besteht“.601 Bei einer unerlaubten Handlung äußert sich der besondere Bezug der Streitigkeit zum Forum vorwiegend in der Sach- und Beweisnähe, weil wesentliche Tatbestandselemente am Deliktsort erfüllt werden und vielfach ortsgebundene Tatsachenermittlungen erforderlich sind.602 Dieser besondere Bezug kann 596 

EuGH 16.01.2014, Rs. C-45/13 (Kainz/Pantherwerke), Celex-Nr.  62013CJ0045 Rn.  26 ff. 597  EuGH 30.11.1976, Rs. 21/76 (Bier/Mines Potasse d’Alsace), Slg. 1976, 1735 Rn.  15 ff. 598  Das Ubiquitätsprinzip wird auch von den mitgliedstaatlichen Gerichten heute einhellig akzeptiert, vgl. Hess/Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg Report, Rn.  194. 599  EuGH 30.11.1976, Rs. 21/76 (Bier/Mines Potasse d’Alsace), Slg. 1976, 1735 Rn.  20 ff.; so auch EuGH 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Shevill/Press Alliance), Slg. 1995, 415 Rn.  26 f. 600  EuGH 16.07.2009, Rs. C-189/08 (Zuid-Chemie/Philippo’s Mineralenfabriek), Slg. 2009, I-6917 Rn.  31; zustimmend Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  5 EuGVO Rn.  144. 601  EuGH 30.11.1976, Rs. 21/76 (Bier/Mines Potasse d’Alsace), Slg. 1976, 1735 Rn.  8 ff.; so schon Jenard, Bericht EuGVÜ, ABl.  (EG) 1979 Nr. C 59/1 S.  22. 602  Die Sach- und Beweisnähe wird vom EuGH vielfach wiederholt, so etwa EuGH 16.07.2009, Rs. C-189/08 (Zuid-Chemie/Philippo’s Mineralenfabriek), Slg. 2009, I-6917 Rn.  31; dies findet überwiegend Zustimmung bzw. Anklang in der Literatur, etwa Linke/Hau,

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je nach Sachlage sowohl auf den Ort des ursächlichen Geschehens als auch auf den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolges weisen, weshalb der EuGH beide Orte für zuständigkeitsbegründend erklärt.603 Streiten sich die Parteien etwa um den Tathergang eines Verkehrsunfalls, liegt die Sach- und Beweisnähe wegen der Verfügbarkeit von Beweismitteln am Handlungsort. Bestehen indes Differenzen über die Auswirkungen eines Umweltdeliktes wie bei der Rheinverschmutzung, so begründet der Erfolgsort eine kennzeichnende Verknüpfung. Wie bei der specific jurisdiction wird folglich ein besonderer Bezug des Forums zum Streitgegenstand anvisiert, der nach Überzeugung des EuGH sowohl durch den Handlungs- als auch den Erfolgsort begründet werden kann. c) Streitgegenstandsbezug Der Streitgegenstandsbezug der specific jurisdiction unterscheidet sich allerdings erheblich von dem der besonderen Zuständigkeiten. Die Gerichtsstände des Art.  7 EuGVO werden auch begründet, wenn die Streitgegenstandsnähe im Einzelfall nicht gegeben ist. Im McIntyre-Fall wäre es unerheblich, wenn sich die Parteien nicht über den Tathergang des Unfalls an der Maschine in Deutschland oder über den in England verursachten Produktfehler streiten, sondern über die Verletzungsfolgen am Wohnort des Leiharbeiters in Polen, wobei die Ermittlung der Verletzungsfolgen ausschließlich Beweismittel in Polen wie die Krankenakten und Befragung der Ärzte als sachverständige Zeugen verlangt.604 Dem Kläger bleibt es gem. Art.  7 Nr.  2 EuGVO unbenommen, am Handlungsoder am Erfolgsort zu klagen. Der entscheidende Unterschied zur US-amerikanischen Zuständigkeitsmethodik besteht also darin, dass die europäische Regelungen die Nähe zum Streitgegenstand mittels definierter Anknüpfungsmomente in feste Tatbestände umsetzen, den Sachverhalt schwerpunktmäßig zu lokalisieren versuchen und den Rechtsstreit somit abstrakt einer Lösung zuführen. Statt den Konnex zwischen dem Streitgegenstand und dem Forum aus der Beklagtenperspektive über allgemeine Grundsätze zu ermitteln, typisieren die besonderen Gerichtsstände die Verbindung zum Streitgegenstand in einem Katalog formalisierter Zuständigkeitsregeln, womit auf einen weiteren Nexus zum Beklagten verzichtet werden kann.605 IZVR, Rn.  5.34; Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art.  5 EuGVO Rn.  73; skeptisch gegenüber der Beweisnähe (bei §  32 ZPO) dagegen Geimer, IZPR, Rn.  497. 603  EuGH 30.11.1976, Rs. 21/76 (Bier/Mines Potasse d’Alsace), Slg. 1976, 1735 Rn.  15 ff.; ebenso EuGH 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Shevill/Press Alliance), Slg. 1995, 415 Rn.  21. 604  Diese Konstellation ist ein „klassisches Beispiels“ für die „überschießenden“ Zuständigkeiten gemäß Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  205. 605  Ähnlich im allgemeinen Vergleich: Brand, in: FS van Loon (2013), S.  89, 91; Lowen-

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Gegenüberstehen sich also einerseits das US-amerikanische „Einheitsmodell“ der minimum contacts plus reasonableness mit Geltung für alle Streitigkeiten, seien sie etwa deliktischer oder vertraglicher Natur, und andererseits die europäischen Einzelregelungen mit einer abstrakten Typisierung, welche die distributive Entscheidungsfindung zwischen konfligierenden Zuständigkeitsinteressen der Parteien606 vornehmen. v. Mehren unterscheidet zudem nach dem frühestmöglichen Zeitpunkt der Zuständigkeitsprüfung. In Europa wird der besondere Bezug zum Streitgegenstand ex ante beurteilt, während die US-Amerikaner eine ex post-Bewertung durch Merkmale wie die zweckgerichtete Kontaktaufnahme vornehmen.607 Hervorzuheben ist ferner, dass der Streitgegenstandsbezug in den USA über eine Aktivität des Beklagten bestimmt wird, die Sach- und Beweisnähe des Forums aber kaum von Relevanz ist, auch nicht in Anbetracht der konkreten Streitigkeit.608 Dass der „harte“ Ansatz mit festen Einzeltatbeständen oftmals keine Kongruenz zwischen der normativen Begründung und der Anwendung im Einzelfall hervorbringt,609 zeigt anschaulich der Vertragsgerichtsstand des Art.  7 Nr.  1 EuGVO. Hier ist die Sach- und Beweisnähe praktisch nur bei einem Streit um die Mängel der erbrachten Leistung oder um die Art und Weise der Anlieferung gegeben, nicht aber bei Klagen betreffend Inhalt und Bestand des Vertrages oder wenn die mangelhafte Sache schlichtweg weiterverkauft wurde.610 Der EuGH aber bewertet die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit höher als eine besondere Streitgegenstandsnähe im Einzelfall. Wohl auch mit Blick auf die US-amerikanischen minimum contacts meint er: „Die Verwendung anderer Kriterien als des Erfüllungsortes […] könnte nämlich die Vorhersehbarkeit des Gerichtsstands beeinträchtigen und würde damit der Zielsetzung des Übereinkommens zuwiderlaufen. Würde man das Bestehen einer Verbindung zwischen dem Sachverhalt, der dem Rechtsstreit zugrunde liegt, und einem bestimmten Gericht als einziges zuständigkeitsbegründendes Kriterium ansehen, so hätte dies zur Folge, dass das angerufene Gericht zu prüfen hätte, ob diese Verbindung besteht, und dabei andere Gesichtspunkte, und zwar insbesondere das Vorbrinfeld, Intern. Litigation, S.  226; Michaels, 27 Mich. J. Int’l L. 1003, 1008 (2006); Weber, EuZPR und Demokratieprinzip, S.  101 f. 606  Pointierte Wortwendung von Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  5 EuGVO Rn.  9. 607  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25 f.; so auch Scheuermann, IZVR im Internet, S.  215. 608  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 322 f. (1983), dazu auch oben B. I. 2. c) bb) (2); sowie Borchers, 28 U.C. Davis L. Rev. 561, 587 (1995). 609  Dies liege in der Natur der Sache, so Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  5 EuGVO Rn.  9. 610  Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art.  5 EuGVO Rn.  8; Gsell, IPRax 2002, 484, 489; Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  7 Rn.  9.

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gen des Beklagten, berücksichtigen müsste; damit würde Artikel 5 Nr.  1 seines Inhalts entleert.“611 d) Schutz der strukturell unterlegenen Vertragspartei Der europäische Gesetzgeber eröffnet ein „besonderes“612 Zuständigkeitsregime für Versicherungsnehmer, Verbraucher und Arbeitnehmer, weil diese strukturell als schwächere Vertragspartei angesehen werden.613 Zu ihrem prozessualen Schutz stellt ihnen der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen Klägergerichtsstände zur Verfügung, die zwar zwingend und abschließend sind, gegenüber der stärkeren Partei aber wie besondere Gerichtsstände fungieren, die eine Wahlmöglichkeit eröffnen.614 Mit der Reform der EuGVO wurde der Verbrauchergerichtsstand noch auf Klagen gegen Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat ausgeweitet, vgl. Art.  18 Abs.  1 EuGVO. Weil tragender Grund für die Zuständigkeit eine strukturelle Unterlegenheit ist, verliert der Streitgegenstandsbezug an Bedeutung. Doch bei Verbrauchersachen tritt für sonstige Verbraucherverträge nach Art.  17 Abs.  1 lit.  c EuGVO der situative neben den sachlich-persönlichen Anwendungsbereich. Maßgeblich ist, dass der Vertragspartner seine Tätigkeit im Wohnsitzstaat des Verbrauchers „ausübt“, sich also aktiv am Wirtschaftsleben beteiligt, oder seine Tätigkeit darauf „ausrichtet“, mithin den Willen zum Ausdruck bringt, Verbraucher dort als Kunden zu gewinnen.615 Mit der Formulierung des Ausrichtens knüpft der Gesetzgeber bewusst an das US-amerikanische Kriterium des purposeful availment an,616 welches bei der specific jurisdiction den Bezug zur Klage herstellt. Im europäischen Verbraucherschutz setzt sich dieser konkrete Bezug aber nur bedingt fort. Eine Vergleichbarkeit besteht insofern, als ein „Ausrichten“ ebenso konkretisierungsbedürftig ist wie das Kriterium des purposeful availment und vom EuGH durch bestimmte Indizien ausgefüllt wurde. In den Rechtssachen Pammer und Hotel Alpenhof stellte er klar, dass die bloße Abrufbarkeit einer Website ebenso wenig genügt wie die Angabe von elektronischen oder geografischen Adressdaten. Maßgeblich sei vielmehr, 611  EuGH 29.06.1994, Rs. C-288/92 (Custom Made Commercial/Stawa Metallbau), Slg. 1994, I-2913 Rn.  18 f. 612  Dabei handelt es sich streng genommen nicht um besondere Zuständigkeiten, s. B. IV. 1. 613  Adolphsen, EuZPR, §  1 Rn.  53, 63; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, vor Art.  2 EuGVO Rn.  14. 614  Vgl. zum Wahlrecht Rauscher/Staudinger, EuZPR, Art.  18 Rn.  2 ff. 615  EuGH 07.12.2010, Rs. C-585/08 und C-144/09 (Pammer/Reederei Schlüter; Hotel Alpenhof/Heller), Slg. 2010, I-12527 Rn.  75. 616  KOM(2000) 689 endg., S.  6; vgl. auch v. Hein, IPRax 2006, 16, 18; Kohler, in: Revision des EuGVÜ (2000), S.  1, 19 in Fn.  77; MüKo/Gottwald, ZPO, Art.  15 EuGVO Rn.  9.

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dass aus der gesamten Tätigkeit des Unternehmers dessen Bereitschaft zu Geschäftsbeziehungen mit einem Verbraucher im betreffenden Mitgliedstaat hervorgeht.617 Relevante Kriterien hierfür seien die Angabe einer Anfahrtsbeschreibung von einem anderen Mitgliedstaat als der des Verbrauchers, die Verwendung der Sprache und/oder der Währung des Wohnsitzstaates des Verbrauchers, die Bekanntgabe einer Telefonnummer mit internationaler Vorwahl oder die Verwendung eines Domain-Namens oberster Stufe. Nicht zuletzt spricht er auch dem internationalen Charakter der ausgeübten Tätigkeit besondere Bedeutung zu.618 Dieses Kriterium offenbart, dass sich selbst der EuGH an der Bestimmung der räumlichen Reichweite einer unternehmerischen Tätigkeit versucht. Er geht damit letztlich ähnlich vor wie v. Mehren mit der Charakterisierung einer Prozesspartei als multistate oder local, nur dass der EuGH diesem Kriterium richtigerweise bloße Indizfunktion beimisst. Der Streitgegenstandsbezug zwischen der specific jurisdiction und Art.  17 Abs.  1 lit.  c EuGVO unterscheidet sich jedoch darin, dass der situative Anwendungsbereich nur als zusätzliche Voraussetzung neben die maßgebende Verbrauchereigenschaft tritt. Zudem muss die Tätigkeit des Unternehmers im Verbraucherstaat nach der Rechtsprechung des EuGH den Vertragsschluss nicht kausal herbeigeführt haben,619 folglich also auch nicht in unmittelbarer Verbindung zur konkreten Streitigkeit stehen – oder um in US-amerikanischer Terminologie zu sprechen: es bedarf nicht einmal eines but for-Tests. Dagegen ist man in den USA von einem konzeptionellen Schutz der schwächeren Partei weit entfernt. Für Verbraucher gilt ebenso wie für Unternehmer der 3-Stufen-Test der specific jurisdiction. Die Verbrauchereigenschaft kann damit lediglich bei Abwägung der reasonableness berücksichtigt werden oder setzt wie in der McGee-Entscheidung indirekt die Schwelle der erforderlichen Mindestkontakte herab.620 e) Zwischenergebnis und differenzierte Vergleichsgruppenbildung Die Divergenzen bei der Ausformung des Streitgegenstandsbezugs bestätigen die These v. Mehrens, dass die besonderen Zuständigkeiten des europäischen Rechts schon strukturell nicht mit der specific jurisdiction übereinstimmen. Die EuGH 07.12.2010, Rs. C-585/08 und C-144/09 (Pammer/Reederei Schlüter; Hotel Alpenhof/Heller), Slg. 2010, I-12527 Rn.  74–77. 618  EuGH 07.12.2010, Rs. C-585/08 und C-144/09 (Pammer/Reederei Schlüter; Hotel Alpenhof/Heller), Slg. 2010, I-12527 Rn.  80 ff.; dazu Leible/Müller, NJW 2011, 495, 496 f. 619  EuGH 17.10.2013, Rs. C-218/12 (Emrek/Sabranovic), Celex-Nr.  62012CJ0218 Rn.  24. 620  Brand, 60 U. Pitt. L. Rev. 661, 676 (1999); Borchers, U. Chi. Legal f. 119, 131 f. (2001); besonders deutlich wird die Versagung des Verbraucherschutzes bei Gerichtsstandsvereinbarungen etwa in der Entscheidung Carnival Cruise Lines v. Shute, 499 U.S.  585, 587 f. (1991). 617 

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Terminologie der category-specific jurisdiction bringt treffend zum Ausdruck, wie die gattungsbezogenen Einzeltatbestände im europäischen System ein Modell formaler Typisierung formen, wohingegen die specific jurisdiction dem Modell zuständigkeitsrechtlicher Einzelfallabwägung621 folgt. Genau betrachtet kennt aber auch das US-amerikanische Recht eine category-specific jurisdiction, und zwar in Form der long-arm statutes. Die Statuten der Einzelstaaten sind in ihrer Regelungstechnik und inhaltlichen Ausgestaltung mit den besonderen Zuständigkeiten durchaus vergleichbar, sofern sie nicht bloß Generalklauseln enthalten.622 So knüpft das Recht von Pennsylvania die Gerichtszuständigkeit an die wie folgt umschriebene, unerlaubte Handlung: „Causing harm or tortious injury in this Commonwealth by an act or omission outside this Commonwealth.“623 Das kommt dem Wortlaut des Art.  7 Nr.  2 EuGVO schon ziemlich nahe. Man sollte sich stets vor Augen führen, dass es sich bei den Grundsätzen des due process im Gegensatz zu den long-arm statutes bzw. der europäischen category-specific jurisdiction um Verfassungsrecht handelt. Umso verwunderlicher ist es, dass die specific jurisdiction stets mit den besonderen Gerichtsständen der EuGVO verglichen wird, nie aber mit europäischem Verfassungsrecht. Zwar ist diese Vergleichsgruppenbildung darauf zurückzuführen, dass in Europa Zuständigkeitsrecht kaum verfassungsrechtlich geprägt und primär in Verordnungen und einfachem nationalen Gesetzesrecht geregelt ist.624 Dennoch ist die prüfungstechnische Vorgehensweise und mit ihr die Rechtsmethodik dem Verfassungsrecht ähnlich. Eine deutsche Grundrechtsprüfung gliedert sich üblicherweise in drei Schritte: (1) Schutzbereich eines Freiheitsrechts betroffen, (2) Eingriff in den Schutzbereich, (3) verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs.625 Seit der International Shoe-Entscheidung erfordert der Verfassungsgrundsatz des due process gewisse minimum contacts des Beklagten und übernimmt damit eine dem grundrechtlichen Schutzbereich vergleichbare Funktion. Zwar wechselt die Perspektive im zweiten Prüfungspunkt, wenn man den Eingriff in den Schutzbereich, eine Beeinträchtigung von außen, und das purposeful availment, die aus Souveränitätsgründen erforderliche Kontaktaufnahme im Forum, betrachtet. Doch der dritte Prüfungspunkt zeugt wieder von einer strukturellen Parallelität. Sind minimum contacts vorhanden bzw. ist das Bezeichnung der Modelle nach Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  204 f. So schon Juenger, 82 Mich. L. Rev. 1195, 1207 (1984); auch Brand, in: FS van Loon (2013), S.  89, 96; a. M. Schlosser, 45 U. Kan. L. Rev. 9, 21 (1996). 623  42 Pa.Cons.Stat. §  5322 (a) (4). 624  Dazu noch C. III. 2. 625  Dies betrifft nur Freiheitsrechte, nicht Gleichheitsrechte, dazu beispielhaft Ipsen, Staatsrecht II, S.  37 ff.; Manssen, Staatsrecht II, §  2 Rn.  26 ff. 621 

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Grundrecht beeinträchtigt, bedarf es schlussendlich immer einer Überprüfung am Einzelfall. Was der deutsche Jurist Verhältnismäßigkeit nennt, ist von der reasonableness-Prüfung nicht weit entfernt, seien auch andere Faktoren zur Abwägung gestellt. Damit soll keinesfalls behauptet werden, dass inhaltliche Übereinstimmungen zwischen der due process-Garantie und den deutschen oder europäischen Grundrechten/-freiheiten bestehen – aufgezeigt werden soll lediglich die Methodik einer verfassungsrechtlichen Prüfung.626 Dies verdeutlicht, dass hinsichtlich der Normenhierarchie die specific jurisdiction nicht mit der category-specific jurisdiction gleichzusetzen ist. 4. Paradigmatische Betrachtung a) Leitbild 1: Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit versus Leitbild 2: Einzelfallgerechtigkeit v. Mehren führt die Unterschiede im Zuständigkeitsrecht verschiedener Rechtsordnungen auf die Ausgestaltung (design) durch den jeweiligen Gesetzgeber zurück. Entscheidend sei dabei die Gewichtung zwischen zwei miteinander konkurrierenden Leitbildern (paradigms). Auf der einen Seite stehe das Ideal der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit (Paradigma 1: administrability and predictability), auf der anderen Seite die prozessuale Fairness, Angemessenheit und Gerechtigkeit im Einzelfall (Paradigma 2: litigational convenience, fairness and justice). Das erste Leitbild verlange nach objektiven Anknüpfungsmomenten in möglichst geringer Anzahl mit einer universellen Geltung für Streitigkeiten derselben Art. Hingegen werde die Gerechtigkeit im Einzelfall über die Wechselbeziehung zwischen Faktoren objektiver und subjektiver Natur hergestellt, die speziell an die jeweilige Streitigkeit angepasst werden können. Damit bereite es Schwierigkeiten, beide – wünschenswerte – Ideale gleichzeitig zu verwirklichen.627 Die unterschiedliche Umsetzung der Leitbilder in den USA und der EU zeigt sich meines Erachtens schon am Ausgangspunkt des Zuständigkeitsrechts. Die US-amerikanische personal jurisdiction betont Fairnessgesichtspunkte stärker als das europäische Recht. Der US Supreme Court stellte in der International Shoe-Entscheidung das Erfordernis von minimum contacts auf, um dem Beklagten „traditional notions of fair play and substantial justice“628 zu gewähren. Auf eine gewisse Ähnlichkeit bzw. Konformität zur Grundrechtsprüfung des substantive due process weisen US-amerikanische Autoren hin, etwa Goldstein, 28 U.C. Davis L. Rev. 965, 976 (1995); Stein, 22 Rutgers L.J. 597, 599 Fn.  13 (1991); Weinstein, 90 Va. L. Rev. 169, 232 ff. (2004). 627 Vgl. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  52 f. 628  326 U.S.  310, 316 (1945). 626 

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Grundsätzlich wird dem Kläger die Zuständigkeitswahl erlaubt, im Interesse des Beklagten durch die Grundsätze des due process aber wieder eingeschränkt. Die zur Wahrung des due process notwendigen Mindestkontakte variieren je nach Streitgegenstandsnähe. Resultiert die Streitigkeit nicht aus den Aktivitäten des Beklagten im Forumstaat, so müssen allgemeine Kontakte von besonderer Intensität vorliegen, weshalb die general jurisdiction besonderer Rechtfertigung bedarf. Das europäische Recht geht den umgekehrten Weg629 und betrachtet die besonderen Gerichtsstände als Ausnahmen zum allgemeinen Gerichtsstand des Art.  4 Abs.  1 EuGVO. Das Prinzip actor sequitur forum rei fungiert als Schutzvorschrift für den Beklagten, jedoch nicht aus Gerechtigkeitserwägungen im speziellen Fall, sondern aufgrund der leichten Verteidigungs- und Einlassungsmöglichkeit am prozessualen Heimatgerichtsstand.630 Folglich verwirklicht das US-amerikanische Zuständigkeitsrecht im Grundsatz das zweite Leitbild v. Mehrens, das europäische Recht hingegen das erste. b) Paradigmatische Betrachtung der specific jurisdiction/ besondere Gerichtsstände Die Gegensätzlichkeit der beiden Leitbilder wird besonders deutlich an einem Vergleich der specific jurisdiction mit den besonderen Zuständigkeiten. Die US-amerikanische Rechtsprechung bezieht verschiedenartige, teils wertungsoffene Elemente in die Zuständigkeitsprüfung ein. So ist das Vorhandensein eines minimum contact objektiv zu beurteilen, das Merkmal des purposeful availment nach der subjektiven Zweckrichtung des Beklagtenhandelns zu bestimmen und schließlich treten noch etliche einzelfallbezogene Faktoren der reasonableness hinzu. Wie bereits erwähnt, bewertet der EuGH dagegen die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit höher als eine Gerechtigkeit im Einzelfall, etwa wenn im Vertragsgerichtsstand kein besonderer Bezug des Erfüllungsortes zur Streitigkeit gegeben ist.631 Rechtspolitisch erachtet man in Deutschland und Europa die Vorhersehbarkeit des Forums als gewichtiges Interesse der Parteien und als eines der wichtigsten Ziele der EuGVO überhaupt.632 v. Mehren weist jedoch zu Recht 629  So auch Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  31; Michaels, 27 Mich. J. Int’l L. 1003, 1056 f. (2006). 630  EuGH 13.07.2000, Rs C-412/98 (Group Josi/Universal General Insurance), Slg. 2000, I-5925 Rn.  35 f.; EuGH 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis/Schröder), Slg. 1988, 5565 Rn.  8; weitere Ausführungen zum actor sequitur forum rei-Grundsatz s. Abschnitt D. 631  EuGH 29.06.1994, Rs. C-288/92 (Custom Made Commercial/Stawa Metallbau), Slg. 1994, I-2913 Rn.  18 f. 632  Geimer, IZPR, Rn.  1132; Magnus/Mankowski/Mankowski, ECPIL, Art.  7 EuGVO Rn.  2; Schack, IZVR, Rn.  233; kritisch Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  487 ff.

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

auf die dennoch vorhandene Unbestimmtheit mancher Tatbestandsmerkmale hin, z.B. des Begriffs des Erfüllungsortes in Art.  7 Nr.  1 EuGVO.633 Schwierigkeiten bereiten auch Konkurrenzfragen zwischen den besonderen Gerichtsständen, insbesondere betreffend die Zuordnung zum vertraglichen oder deliktischen Bereich,634 die das Einheitsmodell der specific jurisdiction vermeidet. Der faktische Mangel an Rechtssicherheit ist jedoch nicht allein durch den Gesetzgeber verschuldet, auch der EuGH vernachlässigt sein eigenes Leitbild, wenn er Auslegungsfragen zu den besonderen Gerichtsständen in kasuistischer Einzelfallmanier entscheidet.635 Deutlich größere Rechtsunsicherheit verursachen aber immer noch die US-amerikanischen minimum contacts.636 c) Paradigmatische Betrachtung der general jurisdiction/ allgemeiner Gerichtsstand Beide Ideale, das der Rechtssicherheit und das der Einzelfallgerechtigkeit, sind in vielen Fällen im Beklagtenwohnsitz vereinigt, der sowohl die general jurisdiction wie auch den europäischen allgemeinen Gerichtsstand begründet. Andere Zuständigkeitsgründe der US-amerikanischen general jurisdiction bieten zwar Rechtssicherheit durch abstrakt-generelle Anknüpfungen, allerdings verwirklichen sie nur ein geringes Maß an Fairness gegenüber dem Beklagten. Bestes Beispiel ist die tag jurisdiction kraft Klagezustellung an einen Anwesenv. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  54. EuGH 13.03.2014, Rs. C-548/12 (Brogsitter/Fabrication de Montres Normandes), Celex-Nr.  62012CJ0548 Rn.  23 ff.; zuvor schon speziell zu Gewinnmitteilungen: EuGH 20.01.2005, Rs. C-27/02 (Engler/Janus Versand), Slg. 2005, I-481 Rn.  48 ff. 635  Kritisch auch Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  5 EuGVO Rn.  71; deutlich wird die Einzelfallmanier der Rspr. z.B. 1.) bei (Kauf-)Verträgen mit mehreren Erfüllungsorten: die Besix-Entscheidung legte zunächst einen Verzicht des Art.  7 Nr.  1 EuGVO zugunsten des Art.  4 Abs.  1 EuGVO nahe; in der Rs. Color Druck bestimmte der EuGH den Erfüllungsort dann aber nach dem Ort der Hauptlieferung und mittels wirtschaftlichen Kriterien; in der Rs. Wood Floor entschied er sich schließlich zur Übertragung der Grundsätze auf Dienstleistungen; vgl. EuGH 19.02.2002, Rs. C-256/00 (Besix/Wasserreinigungsbau Alfred Kretzschmar), Slg. 2002 I-1699 Rn.  34 ff.; EuGH 03.05.2007, Rs. C-386/05 (Color Drack/Lexx International), Slg. 2007, I-3699 Rn.  40; EuGH 11.03.2010, Rs. C-19/09 (Wood Floor/Silva Trade), Slg. 2010 I-2121 Rn.  31; sowie 2.) für Streu- und Mediendelikte: die Bier-Rspr. etablierte zunächst die Ubiquitätstheorie, die Shevill-Entscheidung schränkte die Kognitionsbefugnis der Erfolgsortgerichte wieder ein und neuerdings kann der Gesamtschaden auch am Interessenmittelpunkt des Opfers eingeklagt werden, vgl. EuGH 30.11.1976, Rs. 21/76 (Bier/Mines Potasse d’Alsace), Slg. 1976, 1735 Rn.  8 ff.; EuGH 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Shevill/Press Alliance), Slg. 1995, 415 Rn.  19; EuGH 25.10.2011, Rs. C-509/09 und C-161/10 (eDate Advertising und Martinez/MGN Limited), Slg. 2011, I-10269 Rn.  48, 50. 636  Diese Einschätzung teilt aus einer neutralen Perspektive: Tu, 5 J. Priv. Int’l L. 243, 278 (2009). 633 

634 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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den,637 zumal der US Supreme Court zur Rechtfertigung dieser Zuständigkeit vorwiegend die historische Auslegung und nicht Fairnesserwägungen heranzog.638 Skeptisch zeigt sich v. Mehren gegenüber einzelnen Bestrebungen der US-amerikanischen Literatur hin zu einer vollständigen Aufgabe der general jurisdiction, die jegliche Zuständigkeitseröffnung am Einzelfall messen will, also beispielsweise den Beklagtenwohnsitz bei fehlendem Bezug zur Streitigkeit nicht ausreichen lässt.639 Dem ist zuzustimmen, weil ein großer Verlust an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit das Resultat wäre. d) Erkenntnis aus der unterschiedlichen Umsetzung von Leitbildern Die angeführten Leitbilder bestimmen maßgeblich die Struktur einer Zuständigkeitsnorm und können zu einem bestimmten Grad die Unterschiede zwischen dem US-amerikanischen und europäischen System erklären. Bezüglich des Vergleichspaares specific jurisdiction/besondere Gerichtsstände zeigt sich am deutlichsten, dass in den USA durch die minimum contacts-Rechtsprechung die Gerechtigkeit im Einzelfall verwirklicht werden soll (Leitbild 1), während in der EU die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit höher gewertet werden (Leitbild 2). Die general jurisdiction sowie der allgemeine Gerichtsstand verwirklichen beide ein ähnlich großes Maß an Vorhersehbarkeit, denn beide werden ex post bestimmt. Die Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit werden indes bei manchen Gerichtsständen in den USA vernachlässigt, die wie die tag jurisdiction oder das general doing business exorbitante Züge aufweisen. Gegensatzpaare solcher Art könnten noch aus weiteren Perspektiven gebildet werden, so z.B. die Ausgestaltung der Zuständigkeitsnormen als vertikal bzw. horizontal, sowie als mehrseitig bzw. einseitig. Das europäische Recht strebt nach einer gerechten Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen verschiedenen Staaten, während die personal jurisdiction primär die Beziehung zwischen dem Gericht und dem Beklagten in den Blick nimmt und nach einer Lösung im eigenen System sucht.640 Andere Wissenschaftler wie Ralf Michaels stellen weitere „paradigms“ auf, unter anderem mit Blick auf die territoriale und politische Dimension.641 Weil sich erst aus verschiedenen Blickwinkeln ein Zuständigkeitssystem erschließt, ergänzt auch v. Mehren seine Paradigmen mit Zuständigkeitstheorien, die im folgenden Abschnitt untersucht werden.

v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  53. Burnham v. Superior Court, 495 U.S.  604, 619 (1990), s. B. II. 4. d). 639  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  53 f. 640  Michaels, 27 Mich. J. Int’l L. 1003, 1030 f. (2006). 641  Michaels, 27 Mich. J. Int’l L. 1003, 1032 ff. (2006). 637 

638 

128

Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

5. Ergebnis Die US-amerikanischen und europäischen Zuständigkeitskategorien sind nur auf den ersten Blick vergleichbar. Eine Verwandtschaft besteht bei der Zuständigkeit am Wohnsitz des Beklagten, der als allgemeiner Gerichtsstand sowie als general jurisdiction fungiert und Klagen jeglicher Art erfasst, allerdings im US-amerikanischen Recht durch weitere Gerichtsstände mit Allzuständigkeit ergänzt wird. Die general jurisdiction ist aber nicht nur weiter konzipiert als der allgemeine Gerichtsstand, sondern sie greift auch in den Bereich der besonderen Gerichtsstände des deutschen und europäischen Rechts über, wie am Beispiel des Vermögensgerichtsstands (§  23 ZPO) und des europäischen Niederlassungsgerichtsstands (Art.  7 Nr.  5 EuGVO) aufgezeigt werden konnte. Die specific jurisdiction hat nur insoweit Ähnlichkeiten mit den besonderen Zuständigkeiten, als einige von ihnen (z.B. Art.  7 Nr.  1 und 2 EuGVO) ebenfalls streitgegenstandsbezogen sind. Dieser Bezug charakterisiert aber nicht die Gesamtheit der besonderen Zuständigkeiten, welche ihre „Besonderheit“ durch die Auswahlmöglichkeit des Klägers gewinnen. Groß sind die strukturellen Unterschiede zwischen der specific jurisdiction und den besonderen Gerichtsständen. Die europäische Zuständigkeitsmethodik typisiert die Verbindung zwischen Forum und Streitgegenstand in einer abstrakt-generellen Zuständigkeitsregelung und strebt die Verwirklichung von Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit an. Die US-amerikanische Rechtsprechung fixiert den Streitgegenstandsbezug hingegen auf die Tätigkeit des Beklagten und verfolgt die Maxime der Einzelfallgerechtigkeit.

V. Abschließende Bewertung des postulierten Zuständigkeitskonzeptes v. Mehren und Trautman haben das US-amerikanische Zivilverfahrensrecht mit der Einführung der specific jurisdiction revolutioniert.642 Die zuvor dominierende general jurisdiction war von vielen Unsicherheiten, etwa aufgrund von Anwesenheits- und Einwilligungsfiktionen,643 geprägt. Die Suche nach neuen, sachverhaltsbezogenen Anknüpfungspunkten ist daher als großer Verdienst zu werten. Mit der specific jurisdiction hat aber auch die aus europäischer Sicht unerwünschte Einzelfallgerechtigkeit Einzug in die Zuständigkeitsprüfung gehalten, wohingegen die früheren, aus dem common law stammenden Gerichtsstände zumindest eine tatbestandliche Typisierung vornahmen.644 So auch Borchers, in: FS v. Mehren (2002), S.  3 f. S. B. II. 1. b), c). 644  S. B. IV. 4. b), c). 642  643 

B.  Das Zuständigkeitskonzept der general und specific jurisdiction

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Die Einführung einer streitgegenstandsbezogenen Zuständigkeit trägt grundsätzlich zu einer sinnvollen Bestimmung der Reichweite der internationalen Zuständigkeit bei. Denn im Streitgegenstand treten die zur Entscheidung stehenden subjektiven Rechte der Parteien zu Tage, welche den „bürgerlichen Zustand des Mein und Dein“ konstituieren und damit abhängig vom konkreten Lebensbereich die „Außengrenzen“ der Gesellschaft bestimmen.645 Am Beispiel der in den USA oftmals problematischen Produkthaftung zeigt sich besonders anschaulich, dass eine materiellrechtliche Verantwortlichkeit, wie sie auch in Deutschland gemäß der richtlinienbasierten Vorschrift des §  1 ProdHaftG für den Hersteller besteht, den „bürgerlichen Zustand des Mein und Dein“ beschreibt. Will man mithilfe des Streitgegenstandes die lebensbereichsspezifischen „Außengrenzen“ ermitteln, so ist ein zuständigkeitsrechtliches Pendant zu diesem anspruchsbegründenden Merkmal zu bilden, das in einer bestimmten Handlung des Herstellers, oder wie in Europa durch den Erfolgsort der Verletzungshandlung (Art.  7 Nr.  2 EuGVO), konkretisiert werden kann.646 Die minimum contacts stellen somit eine Nähebeziehung des Rechtsstreits zum Forumstaat her, welche die Grenzen der gerichtlichen Zuständigkeit spezifisch ermittelt. Allerdings besteht für den US-amerikanischen Streitgegenstandsbezug die Problematik, dass die zuständigkeitsrechtlichen „Außengrenzen“ nicht durch eindeutig formulierte und klare Gerichtsstände festgesetzt werden, sondern in einer flexiblen Prüfung verblassen. Besonders eklatant schwinden diese Grenzen im Zuständigkeitskonzept v. Mehrens, der bei singulären oder schwachen Kontakten des Beklagten zum Forum auf eine weitere territoriale Rückbindung im Unterschied zum Supreme Court (Stichwort purposeful availment) verzichtet und stattdessen die prozessuale Leistungsfähigkeit der Parteien (multistate oder local) bewerten möchte. Parteibezogene Anknüpfungspunkte sind zwar für eine streitgegenständliche Rückbindung nicht völlig ungeeignet, wie das materiellrechtliche Pendant der Herstellereigenschaft gem. §  4 ProdHaftG für eine Verantwortlichkeit gem. §  1 ProdHaftG belegt. Sie bestimmen die lebensbereichsspezifischen Außengrenzen aber nur einseitig und ohne sachlichen Bezug zum Anspruchsinhalt oder zur Anspruchsbegründung, wie ihn Art.  7 Nr.  1 oder Nr.  2 EuGVO festschreibt. Zusätzlich erschwert wird der Prozess des forum fixing nach dem Prüfungsmodell v. Mehrens dadurch, dass er mit dem multistate oder local character nur sehr vage Grundsätze aufstellt und die Fairnessanalyse nur anhand vertraglicher und deliktischer Fallbeispiele darstellt, den Rechtsanwender also für andePfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  480, 617. Zum produkthaftungsrechtlichen Beispiel ähnlich: Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  617 f. 645 

646 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

re Anspruchsgruppen im Dunkeln tappen lässt.647 Es darf bezweifelt werden, ob dieser Ansatz für das US-amerikanische Recht praxistauglich ist, obgleich der Supreme Court diesen Gedanken neuerdings selbst aufgreift.648 Im Unterschied zur früheren US-amerikanischen Rechtsprechung lässt sich aber zumindest der Schutz strukturell unterlegener Parteien verwirklichen und verspricht einen zu Art.  10 ff. EuGVO ähnlichen Standard. Es darf vermutet werden, dass v. Mehrens Fairnessanalyse von dem Bestreben getragen ist, eine wirtschaftliche oder gesellschaftliche Strukturungleichheit der Parteien durch das Zuständigkeitsrecht auszugleichen. Im Grundtenor klingt eine Aufwertung der klägerischen Interessen an. In der Eröffnung eines Klägergerichtsstandes für den „einfachen Bürger“ schwingt letztlich eine sozial-liberale Gesinnung mit. Vor einer Übernahme v. Mehrens Modell der specific jurisdiction in das europäische Recht ist schon aufgrund der Einzelfallanalyse zu warnen, denn sie konterkariert das Leitbild der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit. Hingegen ist die Beibehaltung eines allgemeinen Gerichtsstands/der general jurisdiction am Beklagtenwohnsitz durchaus zu begrüßen, wie noch im Rahmen der Untersuchung zum actor sequitur forum rei-Grundsatz zu zeigen sein wird. Utopisch wäre der Übergang zu einer ausschließlich streitgegenstandsbezogenen Betrachtung, die sich gänzlich von den Parteirollen löst, weil sie das Partei- und Verfahrensinteresse an zumindest einem hinreichend vorhersehbaren und klar definierten Gerichtsstand missachtet.649

C.  Begründungsmodelle der internationalen Zuständigkeit in den USA, Deutschland und Europa I. Aus der Staatsphilosophie deduzierte Zuständigkeitstheorien v. Mehrens Auf der Suche nach einer dogmatischen Begründung der internationalen Zuständigkeit zieht v. Mehren die US-amerikanische und europäische Rechtsgeschichte heran und entwickelt aus der Staatsphilosophie drei Theorien. Diesen Theorien spricht er – in unterschiedlicher Ausprägung nebeneinander oder isov. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 313 ff. (1983). J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780, 2804 f. (2011) (Justice Gins-

647 Vgl. 648 

burg). 649  Daran anknüpfend noch D. III. 1.; vgl. auch Geimer, IZPR, Rn.  1103; in diese Richtung aber Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  95 ff.; zu Buchner wiederum kritisch Hau, RabelsZ 64 (2000), 437, 439 f.

C.  Begründungsmodelle der internationalen Zuständigkeit

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liert – universelle Geltung für jedes zeitgenössische Rechtssystem zu.650 Sie sind Grundlage seines Verständnisses von der Entscheidungskompetenz eines Gerichtes im Gefüge zwischen Staat und Individuum und Ausgangspunkt weiterer Untersuchungen, insbesondere des Grundsatzes actor sequitur forum rei.651 Die Theorien gehen entweder von einer staatsphilosophischen Betrachtung der jurisdiction to adjudicate als Teil der Staatsgewalt aus (relational und power theory) oder von der Funktion des Gerichts als Garant der freiheitsrechtlich verbürgten Fairness und Gerechtigkeit gegenüber den Prozessparteien ( fairness theory). 1. Relational und power theory a) Relational theory Die staatsphilosophische Betrachtung setzt v. Mehren bei dem Urzustand einer jeden Herrschaftsausübung an, der von Gott oder einer übernatürlichen Kraft verliehenen Macht. Diese sei im Wandel der Zeit durch weltliche Gesellschaftsformen ergänzt bzw. ersetzt worden.652 So war im Feudalismus des europäischen Mittelalters Herrschaft personal konzipiert als ein unmittelbares Unterordnungs- und Gefolgschaftsverhältnis zwischen Lehnsherren und belehenen Vasallen. Dementsprechend begriff man die Gerichtsbarkeit eines Staates als Ausfluss der personalen Zugehörigkeit, weshalb v. Mehren diese Grundform einer Zuständigkeitsergreifung aus reziproken Verhältnissen als relational theory bezeichnet. Als Staatsphilosophie büßte diese Theorie zwar ihre Geltung mit dem Machtzuwachs der absolutistischen Herrscher ein, trotzdem sei die personale Zuständigkeitsanknüpfung auch heute noch relevant.653 Weiteren Aufschluss über das so verstandene Personalitätsprinzip gibt sein Ursprung in den frühmittelalterlichen Stammesrechten, wo die Volkszugehörigkeit den „persönlichen Richter“ bestimmte und über das lex fori-Prinzip auch die Frage nach dem anwendbaren Recht beantwortete.654

v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  19 ff.; ders., 63 B.U. L. Rev. 279, 283 (1983). S. D. I. 1. 652  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  17. 653  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  18; ders., 63 B.U. L. Rev. 279, 283 (1983). 654  M.w.N. zum Ganzen Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S.  4 f.; Neumeyer, Gemeinrechtliche Entwickelung I, S.  80 ff., 111 ff., 121 ff. oder 223 ff.; Vogel, Anwendungsbereich, S.  44 f.; dies ändert indes nichts an der Tatsache, dass der Feudalismus ebenso einer Art Personalitätsprinzip folgte, so auch Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S.  68. 650  651 

132

Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

b) Power theory und Unterfall der instrumental theory Mit der Herausbildung des modernen Staates drangen rationale Erklärungsversuche in den Vordergrund der europäischen und US-amerikanischen Staatsphilosophie, welche die Grundlage zweier weiterer Zuständigkeitstheorien bilden: die power theory und die instrumental theory. Die durch v. Mehren zunächst allgemein als power theory umschriebene Begründung der gerichtlichen Kompetenz unter Aspekten eines physischen Machtzugriffs655 wird von ihm seit seiner Haager Vorlesung unter zwei Aspekten beleuchtet. In den Staatstheorien von Jean Bodin, Thomas Hobbes und John Austin, die ein Gewaltmonopol der homogenen Staatsmacht und eine hierarchische Organisation legitimieren, erkennt er einerseits die hoheitliche Macht als Rechtfertigung per se (reine power theory). Die stärker unter dem Einfluss der Aufklärung stehenden Lehren von John Locke und Jeremy Bentham betrachteten andererseits den Staat und die Gesellschaft unter utilitaristischen Zweckmäßigkeitserwägungen und seien damit Begründer einer instrumental theory.656 Sinn und Zweck dieser beiden Theorien erschließen sich nur aus dem staatsphilosophischen Gedankengut, das v. Mehren mit der Bezugnahme auf die jeweiligen Philosophen657 leider nur andeutete. Bodin schuf die gedankliche Grundlage der absolutistischen Staatsauffassung, die den souveränen Herrscher mit dem Staat gleichsetzt.658 Während der Souverän bei Bodin noch ein historisches Faktum war, lieferte Hobbes die naturrechtliche Legitimationsbasis. Nach Hobbes wird der Naturzustand eines Krieges aller gegen alle überwunden, indem jeder Mensch auf seine freien Rechte in einem Gesellschaftsvertrag zugunsten eines Dritten verzichtet und die staatliche Zwangsgewalt, den Leviathan, einsetzt.659 John Austin fügte dem die Idee vom Recht als Summe der Befehle hinzu, die vom Souverän auferlegt sind und von der Gesellschaft gewohnheitsmäßig befolgt werden.660

655  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 283, 285 ff., 290 ff. (1983); andere US-amerikanische Wissenschaftler sprechen etwa von „the rule of physical presence“, so Friedenthal/Kane/ Miller, Civil Procedure, S.  102; oder von einer „territorial theory“ wie Borchers, 24 U.C. Davis L. Rev. 19, 39 (1990); Hoffheimer, 60 U. Kan. L. Rev. 549, 553 (2012). 656  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  18 f. 657  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  18 f. 658  Voigt/Weiß, Handbuch Staatsdenker, Stichwort: Bodin, Jean, S.  57 f.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S.  50. 659  Dore, 72 La. L. Rev. 815, 828 ff. (2012); Hofmann, Rechts- und Staatsphilosophie, S.  135 ff. 660  Löwenhaupt, Politischer Utilitarismus, S.  325 ff. mit einer Zusammenfassung auf S.  355.

C.  Begründungsmodelle der internationalen Zuständigkeit

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Die Hobbes’sche Theorien stehen somit im Zeichen einer absolutistischen Machtausübung, während die Locke’sche Tradition einen Schritt weiter geht und die Gewalt im Staat mit der Zustimmung des Volkes begründet.661 Locke leitet seine Theorie wie Hobbes von einem vorstaatlichen Naturzustand ab, allerdings herrscht kein Kriegszustand, sondern es gibt das vorstaatlich geltende Recht des „law of nature“ und jeder Mensch besitzt die unveräußerlichen Rechte „life, liberty, estates“. Bedeutend ist hinsichtlich der Zuständigkeit des Herrschenden, dass das Volk zwar mit dem Gesellschaftsvertrag seine natürlichen Freiheitsrechte aufgibt, aber es dennoch als „Gemeinschaft beständig eine höchste Gewalt für sich [behält], um sich vor den Angriffen und Anschlägen einer Körperschaft, selbst ihrer Gesetzgeber, zu sichern“.662 Damit verbleibt die innere Souveränität beim Volk und der Staat ist bloß Instrument der Freiheitsverwirklichung des Einzelnen, womit sich die instrumental theory in ihrer liberalen Konstruktion von der reinen power theory abhebt. Doch auch das zentrale Element beim Locke’schen Gesellschaftsvertrag, die von den freien Menschen ausdrücklich oder stillschweigend erteilte Zustimmung (sog. tacit consent), ist Metapher einer Machtübertragung im vertikalen Verhältnis zur Staatsgewalt. Für beide Konzepte kann daher die ursprüngliche Bezeichnung v. Mehrens als power theory beibehalten werden, zumal dies im US-amerikanischen Schrifttum gebräuchlich ist, wie noch aufzuzeigen sein wird. c) Übertragung von relational theory und power theory auf die adjudicatory authority Die staatsphilosophischen Ansätze überträgt v. Mehren unmittelbar in das Zuständigkeitsrecht.663 Gemäß der relational theory wird die internationale Zuständigkeit eines Gerichts auf eine persönliche Bindung zwischen dem Staat und einer Partei gestützt. Als aktuellen Anwendungsfall nennt er Art.  14 und 15 des französischen Code civil, die an die Staatsangehörigkeit anknüpfen und somit einen Heimatgerichtsstand für jeden klagenden Franzosen sowie gegen jeden französischen Beklagten schaffen.664 Power theories sehen dagegen die Diesen Unterschied betont v. Mehren ganz besonders, Adjudicatory Authority, S.  19. Locke, Second Treatise, §  149, zitiert nach Euchner, John Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, S.  294; erläuternd dazu Ottmann, Geschichte des politischen Denkens III/1, S.  352 ff. 663  v. Mehren impliziert diese Übertragung schon bei der ersten Einführung der Theorien, etwa: „Historically, the exercise of adjudicatory jurisdiction has been justified in terms of at least three general theories.“, ders., 63 B.U. L. Rev. 279, 283 (1983); ähnlich ders., Adjudicatory Authority, S.  19: „[…] in adjudicating a controversy the adjudicator inevitably pronounces on the rights and duties of two or more persons“. 664  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  158 f. 661 

662 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

Möglichkeit einer Machtausübung des Forumstaates über den Beklagten als zuständigkeitsbegründend an. So liegt der Fall etwa bei der Anwesenheitszuständigkeit (tag jurisdiction) des common law oder bei einem reinen Arrestgerichtsstand, wo die Möglichkeit zur Beschlagnahme des im Gerichtsstaat belegenen Vermögens des Beklagten besteht.665 v. Mehren zeigt auf, dass diese Theorien nur isoliert betrachtet eine tragfähige Zuständigkeitsbegründung liefern, sich aber im Rechtsverkehr zwischen verschiedenen Staaten zueinander als inkongruent erweisen, wenn diese Staaten jeweils unterschiedlichen Theorien folgen. Sind beispielsweise die Parteien eines Rechtsstreits Staatsangehörige des Staates A und ist der Streitgegenstand in Staat B belegen, sei Staat A nach der relational theory international zuständig. Zugleich könne aber auch der Staat B eine Zuständigkeit beanspruchen, sofern er gemäß der power theory einen Arrestgerichtsstand bereithält.666 2. Einführung der fairness theory Den staatsrechtlich deduzierten Theorien stellt v. Mehren die fairness theory gegenüber, welche die internationale Zuständigkeit an Erwägungen der Fairness, Angemessenheit und Gerechtigkeit gegenüber den beteiligten Parteien ausrichtet.667 Diese Theorie, die er für das US-amerikanische Recht als vorzugswürdig gegenüber der power theory erachtet, gab ursprünglich den Ausschlag zur Einführung des Konzepts der general und specific jurisdiction.668 Die fairness theory könnte auch im europäischen Recht ihren Niederschlag gefunden haben, sofern man sie nicht strukturell mit einer Einzelfallabwägung verknüpft.669 Obwohl die Gerichtsstände der EuGVO und ZPO im Kontext durch v. Mehren oft herangezogen werden,670 unterbleibt erstaunlicherweise eine theoretische Herleitung anhand der angeblich universellen Theorien. Lediglich §  23 ZPO wird von ihm als Beleg dafür herangezogen, dass es auch Gerichtsstände gibt, mit welchen der Gesetzgeber keinen weiteren Zweck verfolgt als die Privilegierung inländischer Kläger und die daher nicht mit einer Zuständig-

v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  161; s. auch oben B. I. 1. und B. II. 1., 4. d). v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  19 f. 667  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  162 f.; ders., 63 B.U. L. Rev. 279, 283, 287 ff. (1983). 668  Dazu ausführlich oben B. I. 669  Eine Einzelfallabwägung wie bei der specific jurisdiction ist dem europ. Zuständigkeitsrecht fremd, dazu B. IV. 3. 670  Etwa unmittelbar im Anschluss an den Vergleich zur general und specific jurisdiction oder bei Untersuchung des Grundsatzes actor sequitur forum rei, v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  22 ff., 164 f. 665 

666 

C.  Begründungsmodelle der internationalen Zuständigkeit

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keitstheorie zu rechtfertigen sind.671 Meiner Ansicht nach hätte man zunächst vermuten können, der Vermögensgerichtsstand lasse sich unter dem Gesichtspunkt des Vollstreckungszugriffs auf das inländische Vermögen mit der power theory erklären. Doch fehlt es wohl im deutschen Recht an der Voraussetzung eines Arrestes sowie an einer Wertrelation zum Anspruch. Doch wie steht es um die besonderen Gerichtsstände der EuGVO, die sicherlich weiterreichende partei- und sachbezogene Zwecke verfolgen als §  23 ZPO? Nach der Fairnessprüfung v. Mehrens sind in erster Linie der Kontakt des Beklagten zum Forum und das prozessuale Leistungsvermögen der Parteien zu bewerten, ehe auf zweiter Stufe der Bezug der konkreten Streitigkeit zum Forum und auf dritter Stufe ein Staatsinteresse des Forums Berücksichtigung finden können.672 Diese Analyse bezieht sich vorwiegend auf die US-amerikanische specific jurisdiction.673 Die einzelnen Erwägungen orientieren sich in ähnlicher Weise wie die europäischen Zuständigkeitsinteressen an Partei-, Gerichts-, Staats- und Ordnungsinteressen.674 Doch nimmt die so verstandene fairness theory primär die Beziehung zwischen dem Forum und den Parteien in den Blick und sucht weniger nach einer gerechten Kompetenzverteilung zwischen den beteiligten Rechtsordnungen.675 Auch sind die Gerichtsstände der Art.  5 ff. EuGVO nicht territorial geprägt und knüpfen nicht an eine persönliche Beziehung an, sodass weder Aspekte einer power theory noch einer relational theory erkennbar sind. Schon diese Umstände deuten darauf hin, dass die Theorien primär eine US-amerikanische Sichtweise widerspiegeln. 3. Aktualität der Theorien Andere US-amerikanische Autoren arbeiten mit ganz ähnlichen Begründungsmodellen, was zunächst eine fortwährende Relevanz der Theorien in den USA indiziert. Lea Brilmayer spricht von einer sovereignty theory, einer convenience theory und einer power theory.676 Nach der sovereignty theory sei die internationale Zuständigkeit Ausübung von staatlicher Souveränität, weshalb sich der Beklagte in irgendeiner Form dem Souverän unterwerfen müsse. Weil diese 671  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 284 (1983); auf die – durchaus berechtigten – Argumente einer Rechtfertigung des §  23 ZPO wurde bereits hingewiesen, s. B. IV. 2. b) aa) (1). 672  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 288 ff. (1983). 673  Siehe B. I. 2. c) bb) (2). 674  Zu diesen vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Einl. EuGVO Rn.  60 ff.; Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S.  102 ff.; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  110. 675  Vgl. für das europ. und dt. Zuständigkeitsrecht MüKo/Patzina, ZPO, §  12 Rn.  57 f.; Schack, IZVR, Rn.  230 ff. 676  Brilmayer/Goldsmith/O’Connor, Conflict of Laws, S.  393 f., 450; sowie in Vorauflagen (noch deutlicher) allein Brilmayer.

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

Unterwerfung durch ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung erfolgt, ist die sovereignty theory meines Erachtens mit der instrumental theory v. Mehrens gleichzusetzen.677 Sie unterscheidet sich von der power theory insofern, als Brilmayer ebenso wie v. Mehren die Machtausübung des Souveräns bei der power theory aus sich selbst heraus begründet. Die convenience theory entspricht wiederum der fairness theory, weil die Maßgeblichkeit eines für die Parteien fairen und gerechten Gerichtsstandes betont wird. Ralf Michaels wiederum greift die Ansätze Brilmayers und v. Mehrens auf und leitet aus ihnen eine vertikale Perspektive des US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts ab, weil stets die Beziehung zwischen dem Gericht und dem Beklagten betrachtet werde.678 Ob solche Theorien allerdings heute noch umfassende Geltung für das US-amerikanische und europäische Zuständigkeitsrecht beanspruchen können, ist fraglich und daher vertieft zu untersuchen. Dass die relational theory auf einer antiquierten Hoheitsordnung beruht und nur noch wenige Gerichtsstände sinnvoll zu rechtfertigen vermag, hat v. Mehren bereits selbst herausgestellt.679 Im Wesentlichen geht es daher um die Frage, inwiefern ein Zuständigkeitssystem territorial ausgerichtet ist und wie den freiheitlichen Interessen der Parteien Rechnung getragen wird. Für das deutsche und europäische Recht kann hier an wertvolle Untersuchungen führender Wissenschaftler angeknüpft werden, darunter die umfassenden Werke von Geimer, Heldrich, Kropholler, Schröder und Pfeiffer.680 In Anlehnung an die Zuständigkeitsmodelle von Pfeiffer, der in diesem Zusammenhang von einem Widerstreit zwischen dem Hoheitsmodell und dem Freiheitsmodell spricht, werden hier an einem territorialen Modell der Souveränitätsaspekt untersucht und an einem freiheitlichen Modell die verfassungsrechtlichen Einflüsse und parteibezogenen Interessen betrachtet.681

Michaels, 27 Mich. J. Int’l L. 1003, 1028 f. (2006), der die sovereignty theory mit der relational theory gleichsetzt, weil die Beziehung zwischen dem Staat und dem Beklagten nach beiden Theorien durch eine Unterwerfung des Beklagten hergestellt werde. Dieser Gesichtspunkt ist aber eher der instrumental theory zuzuordnen, welche Michaels nicht erwähnt, wohl weil er seine Untersuchung auf den frühen Aufsatz v. Mehrens (63 B.U. L. Rev. 279) stützt. 678  Michaels, 27 Mich. J. Int’l L. 1003, 1027 ff., 1030 (2006). 679  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 284 (1983). 680  Geimer, Internationales Zivilprozessrecht (2015); Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht (1969); Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III (1982); Schröder, Internationale Zuständigkeit (1971); Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit (1995). 681 Vgl. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  201 ff.; das hier benannte freiheitliche Modell reicht inhaltlich über das Freiheitsmodell von Pfeiffer hinaus, da der Schwerpunkt nicht auf das Rechtsstaatsprinzip gelegt wird. 677 A.M.

C.  Begründungsmodelle der internationalen Zuständigkeit

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II. Territoriales Modell der internationalen Zuständigkeit 1. Widerstreit von power und fairness theory in den USA Die US-amerikanische Dogmatik ist beherrscht von einem Widerstreit zwischen power und fairness theory. Die Ablösung eines an strenger Territorialität angelegten Zuständigkeitsverständnisses durch Fairness- und Gerechtigkeitserwägungen wird kontrovers diskutiert und ist bis heute umstritten. v. Mehren gehört der Gruppe von Wissenschaftlern an, die seit der International Shoe-Entscheidung eine Abkehr von der power theory fordern und der fairness theory zum vollständigen Durchbruch verhelfen wollen.682 Kritisiert wird im Allgemeinen „the insensitivity to the unfairness to the defendant when power is the jurisdictional touchstone“,683 mithin die mangelnde Bezugnahme auf Interessen des Beklagten. Dieser Gruppe tritt ein Teil der Literatur entgegen, der das Strukturprinzip des US-amerikanischen Föderalismus in der Rechtsprechung des US Supreme Court konsequent verwirklicht sieht und seine Eingliederung in den minimum contacts-Test befürwortet, insbesondere über das Kriterium des purposeful availment und die Berücksichtigung von Staatsinteressen bei der reasonableness.684 a) Ursprünge der power theory Einigkeit besteht darüber, dass die Verbindung zwischen due process und dem Strukturprinzip des Föderalismus ihren Ausgangspunkt in der Entscheidung Pennoyer v. Neff685 nahm, sei diese Verknüpfung nun historisch legitimiert686 oder erst durch das Gericht hergestellt.687 Doch während die Entscheidung von So in unterschiedlicher Ausprägung Borchers, 24 U.C. Davis L. Rev. 19, 87 ff. (1990); ders., 44 Creighton L. Rev. 1245, 1263 ff. (2011); Ehrenzweig, 65 Yale L.J. 289, 293 ff. (1956); Juenger, 28 U.C. Davis L. Rev. 1027, 1030 ff. (1995); Redish, 75 Nw. U. L. Rev. 1112, 1126 ff. (1981); Perdue, 63 S. C. L. Rev. 729, 733 ff., 743 (2012); Schephard, 32 Quinnipiac L. Rev. 353, 381 ff. (2014); Weintraub, 28 U.C. Davis L. Rev. 531, 545 ff. (1995). 683  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 292 (1983); zur Fairnessanalyse v. Mehrens schon oben, B. I., sowie zum Widerstreit der Theorien ders., 63 B.U. L. Rev. 279, 290 ff. (1983); ders., Adjudicatory Authority, S.  85 ff. 684 Insbesondere Andrews, 47 Wake Forest L. Rev. 999, 1013 ff. (2012); Brilmayer, 39 U. Fla. L. Rev. 293, 295 ff. (1987); Brilmayer/Smith, 63 S. C. L. Rev. 617, 623 ff. (2012); Feder, 63 S. C. L. Rev. 671, 685 ff. (2012); Miller, 2 Stan. J. Complex Litig. 1, 19 ff. (2014); Stein, 65 Tex. L. Rev. 689, 705 ff. (1987); Stewart, 60 U. Colo. L. Rev. 5, 8 ff. (1989); Trangsrud, 57 Geo. Wash. L. Rev. 849, 884 ff. (1999); Weinstein, 90 Va. L. Rev. 169, 214 ff., 264 ff. (2004). 685  95 U.S.  714 (1877); dazu schon oben B. II. 1. 686  Weinstein, 90 Va. L. Rev. 169, 192 ff., 215 (2004). 687  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  83 ff.; ausführlich Whitten, 14 Creighton L. Rev. 735 ff. (1981). 682 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

den einen als Ausgangspunkt einer relativ konstanten Entscheidungskette gedeutet wird, zeichnen v. Mehren und die ihm Gleichgesinnten das Bild einer Zick-Zack-Linie. Der Supreme Court stellte in der Pennoyer-Entscheidung zwei Grundprinzipien auf, die von Richter Holmes einige Jahre später mit dem Aphorismus „the foundation of jurisdiction is physical power“688 belegt wurden. Das erste Prinzip besagt, dass jeder Staat über die ausschließliche Zuständigkeit und die Souveränität über Personen und Sachen innerhalb seines Territoriums verfügt. Daraus ergibt sich umgekehrt das zweite Prinzip, dass kein Staat eine direkte Zuständigkeit und Autorität über Personen und Sachen außerhalb seines Hoheitsgebietes ausüben kann.689 Zur Eingrenzung staatlicher Souveränität auf das jeweils eigene Hoheitsgebiet beruft sich das Gericht ausdrücklich auf die Maximen Joseph Storys,690 der eine Rechtswirkung außerhalb der Hoheitsgewalt des eigenen Staates ausschließlich auf comity gestützt hat.691 Die theoretischen Grundlagen dieses strengen Territorialitätsprinzips finden ihren Ursprung in den axiomata des Niederländers Ulrich Huber.692 Der Supreme Court betrachtete die US-amerikanischen Einzelstaaten damit gewissermaßen wie souveräne Staaten, welche durch das Strukturprinzip des Föderalismus verbunden sind und mittels einer Art US-amerikanischem Völkerrecht begrenzt werden.693 b) Erste Einflüsse der fairness theory Die International Shoe-Entscheidung gab die ausschließliche Geltung der power theory auf, indem sie ein alternatives, auf „fair play and substantial justice“ basierendes Konzept einführte. Diese Entwicklung ist gemäß v. Mehren nicht bloß auf die Exzesse der power theory zurückzuführen – etwa bei der tag jurisdiction durch Anknüpfung an die Anwesenheit des Beklagten694 –, sondern insbesondere der formalen Restriktion dieser Theorie geschuldet: „The emergence McDonald v. Mabee, 243 U.S.  90, 91 (1917). 95 U.S.  714, 722 (1877). 690  So das Zitat „Story, Confl. Laws, c. 2“ des US Supreme Court, 95 U.S.  714, 722 (1877); s. dazu Story, Commentaries on the Conflict of Laws, §  39: „no sovereignty can extend its process beyond its own territorial limits, to subject either persons or property to its judicial decisions“. 691  Zum Leben und Wirken Storys: Kegel, RabelsZ 43 (1979), 609 ff.; v. Bar/Mankowski, IPR I, §  6 Rn.  38. 692  Abgedruckt bei Vogel, Anwendungsbereich, S.  31; vgl. auch Gutzwiller, Geschichte, S.  157 f. 693 Vgl. Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  76; Weintraub, Conflict of Laws, S.  161 f. (nur erste Anfänge des Föderalismusaspekts). 694  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 291 (1983); ders./Trautman, Multistate Problems, S.  653. 688  689 

C.  Begründungsmodelle der internationalen Zuständigkeit

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in the United States of a jurisdictional theory based on litigational justice was due more to the constraints that the power theory imposed than to the excesses that it permitted.“695 Gemeint sind damit die Fiktionen der Forderungsbelegenheit wie in der Entscheidung Harris v. Balk und der implizierten Zustimmung beim doing business von Gesellschaften, welche bedingt durch eine wachsende Mobilität der Gesellschaft als Behelfskonstruktionen eingesetzt geworden sind.696 Vertreter der Fairnesstheorie fordern zwar im Allgemeinen die Abkehr von Souveränitätsaspekten, erkennen aber gleichwohl an, dass die International Shoe-Entscheidung diesen Wandel nicht vollständig vollzogen hat. Minimum contacts und fair play and substantial justice werden zwar als Neubeginn und Lockerung der territorialen Fesseln gewertet, der „territorial undertone“ indes von den meisten Autoren nicht verkannt.697 Weithin bekannt geworden ist die Kritik Albert Ehrenzweigs an der power theory, welcher vor allem in Bezug auf die Anwesenheitszuständigkeit von einem historisch und dogmatisch nicht legitimierbaren „power myth“ spricht. Der Mythos beruhe alleinig auf der verfehlten Pennoyer-Entscheidung und sei nur in sehr wenigen Entscheidungen tatsächlich als Zuständigkeitsanknüpfung herangezogen worden.698 Die Gegenansicht betont dagegen nicht so sehr die Fairness gegenüber dem Beklagten, als vielmehr die Aussage der International Shoe-Entscheidung, die Zuständigkeit sei im „Kontext der föderalen Staatsgewalt“699 zu betrachten.700 Die Verbindung zwischen due process und der staatlichen Souveränität wird mit dem Beklagtenschutz der minimum contacts erklärt. Die due process clause sichere allgemein die Souveränität der Staaten, doch dieser Schutz sei nur mittelbar verwirklicht durch das Recht des Einzelnen, vor illegitimer Staatsgewalt bewahrt zu werden.701 Die staatliche Legitimität wird wiederum über die Kompetenz in einem Machtgefüge des Föderalismus definiert. Jede Ausübung von Hoheitsgewalt – sei sie exekutiv, legislativ oder judikativ – spiegle zwangsläufig das Strukturprinzip des Föderalismus wider und müsse sich an der zwischenstaatlichen Kompetenzabgrenzung orientieren. Die zuständigkeitsrechtlichen v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  95, ganz ähnlich S.  97. Vgl. dazu ausführlich v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  86 ff.; auch schon oben B. II. 1. b), c). 697  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  100 f.; sowie Borchers, 24 U.C. Davis L. Rev. 19, 56 (1990); Juenger, 82 Mich. L. Rev. 1195, 1198 (1984); Weintraub, 28 U.C. Davis L. Rev. 531 f. (1995). 698  Ehrenzweig, 65 Yale L.J. 289 ff. (1956); kritisch demgegenüber Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  168 f. 699  326 U.S.  310, 317 (1945). 700  Brilmayer/Smith, 63 S.C. L. Rev. 617, 624 (2012); Feder, 63 S. C. L. Rev. 671, 687 (2012); Miller, 2 Stan. J. Complex Litig. 1, 23 (2014). 701  Stein, 65 Tex. L. Rev. 689, 711 (1987). 695 

696 

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Befugnisse der Einzelstaaten seien damit in einem föderalen System notwendigerweise territorial begrenzt.702 Diese Ansicht fühlt sich durch die Aussage der World-Wide Volkswagen-Entscheidung bestätigt, die Begrenzung der internationalen Zuständigkeit durch minimum contacts diene dazu, „to ensure that the States through their courts, do not reach out beyond the limits imposed on them by their status as coequal sovereigns in a federal system“.703 Zu bedenken ist aber in jedem Fall, dass aus dem Strukturprinzip des Föderalismus selbst keine Aussagen über die Reichweite der internationalen Zuständigkeit getroffen werden können und Souveränitätserwägungen mit dem individuellen Rechtsschutz verbunden werden müssen, um überhaupt eine Regelungstechnik zu entwickeln.704 Denn warum sollte etwa der Staat Oklahoma die Souveränität des Staates New York verletzen, wenn er in der Konstellation der World-Wide Volkswagen-Entscheidung seine Zuständigkeit auf den Tatort in seinem Hoheitsgebiet stützen würde? Die Rechtswidrigkeit der Zuständigkeitsbegründung lässt sich allenfalls damit begründen, dass die Kontakte des Beklagten zum Forumstaat zu gering sind und sich Oklahoma folglich eine Kompetenz anmaßt, die eigentlich einem anderen Staat zusteht. c) Political theories als Ausprägung der modernen power theory Dem Postulat einer zwischenstaatlichen Gewaltabgrenzung schließen sich Überlegungen zu dessen Realisierung an. Weil Rechtsprechung Ausübung von Staatsgewalt ist, sei die Gerichtszuständigkeit ebenso im Lichte der staatsrechtlichen Theorien zu analysieren wie die Legitimität des Staates selbst. 705 Aus diesem Grund will eine Strömung der US-amerikanischen Literatur das Recht der internationalen Zuständigkeit gänzlich auf eine politische Staatstheorie stützen. Am häufigsten wird dazu die Theorie des sog. political consent von John Locke herangezogen. So wird etwa das Einverständnis nicht nur als konstitutiv für den Gesellschaftsvertrag und den Staat schlechthin bewertet, sondern auch zuständigkeitsrechtlich zur Begründung der Herrschaftsgewalt herangezogen. Wer zweckgerichtet einen Kontakt zum Forumstaat aufnehme, willige stillschweigend in die Ausübung der gerichtlichen Gewalt ein (tacit consent). Dies komme in dem Merkmal des purposeful availment zum Ausdruck, allerdings dürfen anderweitige reasonableness-Faktoren wie nach der Doktrin des Supre702  Stein, 65 Tex. L. Rev. 689, 706 ff. (1987); Weinstein, 90 Va. L. Rev. 169, 220 (2004); Weisburd, 63 Wash. U. L. Q. 377, 385 (1985). 703  444 U.S.  286, 292 (1980). 704 Vgl. Brilmayer/Smith, 63 S.C. L. Rev. 617, 625 (2012); Weinstein, 90 Va. L. Rev. 169, 221 (2004). 705  Brilmayer, 39 U. Fla. L. Rev. 293, 294 (1987); ähnlich Stewart, 60 U. Colo. L. Rev. 5, 19 (1989); Trangsrud, 57 Geo. Wash. L. Rev. 849, 890 (1989).

C.  Begründungsmodelle der internationalen Zuständigkeit

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me Court keine Rolle spielen.706 Andere führen das Gegenseitigkeitserfordernis des Locke’schen Gesellschaftsvertrags zuständigkeitsrechtlich fort, indem die Kontakte des Beklagten zum Forum mit den durch die Machtausübung (power) des Staates verbundenen Nachteilen des Prozesses gegeneinander abgewogen werden.707 Vereinzelt findet sich auch eine Anlehnung an Robert Nozick’s libertäre Theorie eines Minimalstaates, aus deren Zustimmungserfordernis zum modernen Staat auf die Notwendigkeit einer willentlichen Verbindung zum Forum geschlossen wird708 und durch die nur eine reine Abwägung von Interessen der am Rechtsstreit beteiligten Staaten vorgenommen wird.709 Diese Ansätze sind Ausdruck der power und instrumental theory, wie sie v. Mehren beschreibt. Die Übergänge verschwimmen aber, wenn das Locke’sche Zustimmungselement der instrumental theory mit territorialen Abgrenzungen der power theory verbunden wird. Schwierigkeiten bereitet der Rückgriff auf die Staatstheorien schon weil es verschiedene Möglichkeiten gibt, die philosophischen Denkweisen in zuständigkeitsrechtliche Anknüpfungsmerkmale zu übersetzen.710 So kann man entweder eine stillschweigende Zustimmung zur Gerichtsgewalt mittels einer schlichten Tätigkeit wie der des Autofahrens bei den nonresident motorist statutes fingieren,711 eine willentliche Betätigung zur Voraussetzung machen oder die Zustimmung gemessen an der wirtschaftlichen Aktivität im Forum als Kehrseite der dortigen Privilegien bewerten. Wird das Zustimmungserfordernis in einem zweiten Schritt auf die Kategorien der general und specific jurisdiction übertragen, müsste man zwischen den Verhaltensweisen differenzieren, die eine konkludente Zustimmung zu einer umfassenden Hoheitsgewalt im Sinne der general jurisdiction zum Ausdruck bringen, und solchen, die nur eine Zustimmung zu einer eingeschränkten Hoheitsausübung im Sinne der specific jurisdiction ermächtigen. Diese Differenzierung erscheint aber sehr umständlich.

706  707 

Trangsrud, 57 Geo. Wash. L. Rev. 849, 894 ff. (1989). Capalli, 43 Case W. Res. L. Rev. 97, 106 ff. (1992), schon mit dem Titel „Locke as the

Key“. 708  Brilmayer, 39 U. Fla. L. Rev. 293, 307 (1987) mit Verweis auf Nozick, Anarchy, State and Utopia (1974), S.  94 f. 709  Stein, 65 Tex. L. Rev. 689, 738 ff. (1987). 710  Überzeugende und ausführlich begründete Kritik an staatspolitischen Ansätzen übt Perdue, 32 B. C. L. Rev. 529, 536 ff. (1991). 711  Die Benutzung der staatlichen Autobahnen wurde als Einwilligung in die Gerichtsgewalt verstanden, Hess v. Pawloski, 274 U.S.  352 (1927); dazu v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1167 f. (1966); vgl. oben B. II. 1. b).

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d) Deutung der weiteren Rechtsprechung Vertreter der fairness theory führen die Inkonsistenz der Rechtsprechung zur Bedeutung von Souveränitätserwägungen an. „Innerhalb von 29 Jahren [1958 bis 1987] hat das Gericht das Element des Föderalismus bzw. der staatlichen Souveränität in der Zuständigkeitsprüfung erst bejaht, dann verneint, dann bejaht, dann verneint und im Ergebnis doch wieder bejaht.“712 Einerseits rekurrieren Entscheidungen wie Hanson v. Denckla, World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson und Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court auf Aspekte der Souveränität und des Föderalismus, andererseits stellen Entscheidungen wie Shaffer v. Heitner und Insurance Corp. of Ireland, Ltd. v. Compagnie des Bauxites de Guinee die Fairness gegenüber den Beklagten in den Vordergrund der zuständigkeitsrechtlichen Analyse. Zunächst stellte das Gericht die Maßgeblichkeit einer föderalistischen Analyse trotz der International Shoe-Entscheidung in Hanson v. Denckla fest: „The requirements for personal jurisdiction over nonresidents have evolved from the rigid rule of Pennoyer v. Neff […] to the flexible standard of International Shoe Co. v. State of Washington […]. But it is a mistake to assume that this trend heralds the eventual demise of all restrictions on the personal jurisdiction of state courts. […] Those restrictions are more than a guarantee of immunity from inconvenient or distant litigation. They are a consequence of territorial limitations on the power of the respective States.“713

Einige Jahre später folgte die gegenteilige Aussage in der Shaffer-Entscheidung: „Thus, the relationship among the defendant, the forum, and the litigation, rather than the mutually exclusive sovereignty of the States on which the rules of Pennoyer rest, became the central concern of the inquiry into personal jurisdiction.“714

Unmittelbar daraufhin konstatierte v. Mehren – seinerzeit folgerichtig – die vollständige Abkehr des Supreme Court von der power theory.715 Doch schon kurze Zeit später traf das Gericht in der Word-Wide Volkswagen-Entscheidung die von der heutigen Gegenmeinung oftmals herangezogene Aussage:

712  Borchers, 24 U.C. Davis L. Rev. 19, 78 (1990) (Übersetzung durch die Verf.); zustimmend v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  115; Weintraub, 28 U.C. Davis L. Rev. 531, 536 (1995). 713  357 U.S.  235, 251 (1958), s. dazu B. II. 3. b). 714  433 U.S.  186, 204 (1977), s. B. II. 1. a). 715  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 305 (1983): „This theoretical ambivalence came to an end, at least in blatant form, in 1977 with the Supreme Court’s decision in Shaffer v. Heitner“; dass diese Feststellung damals berechtigt gewesen sei, bekräftigt er auch später noch, vgl. ders., Adjudicatory Authority, S.  102, 104, 107.

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„The concept of minimum contacts […] acts to ensure that the States through their courts, do not reach out beyond the limits imposed on them by their status as coequal sovereigns in a federal system.“716

Dagegen betonte die Entscheidung Insurance Corp. of Ireland, die der Möglichkeit einer rügelosen Einlassung nachging: „The personal jurisdiction requirement […] represents a restriction on judicial power not as a matter of sovereignty, but as a matter of individual liberty“.717

Die Asahi-Entscheidung wiederum sprach von der Notwendigkeit, „to take into consideration the interests of several states“.718

In letzter Konsequenz kann dies nur bedeuten, dass Souveränitätserwägungen weiterhin die internationale Zuständigkeit beeinflussen.719 Unklar ist nur, welche allgemeingültigen Grundsätze sich aus den einzelnen Entscheidungen ableiten lassen.720 Zu bedenken ist auch, dass die zitierten Entscheidungsgründe stets die Mehrheitsmeinung wiedergeben, der Supreme Court sich aber wie gesehen in den letzten Jahrzehnten tief gespalten zeigt. Entscheidend war nicht zuletzt, welcher Richter die Mehrheit hinter sich vereint und die entsprechende Begründung verfasst. Während die Richter Brennan und Marshall ihre Analyse an reasonableness- und fairness-Erwägungen orientierten, gelten Richter O’Connor und Scalia als Vertreter der power theory.721 Deren Erbe haben offenbar Richterin Ginsburg einerseits und Richter Kennedy andererseits übernommen, wie aus den Entscheidungen J. McIntyre Machinery, Ltd. v. Nicastro und Goodyear v. Brown deutlich wird.722 Die von Souveränitätserwägungen geprägten Entscheidungen verfolgen dabei die Konkretisierung des Elements einer bewussten Kontaktaufnahme zum Forum, das sog. purposeful availment. Der physische Kontakt zum Forum soll gewährleisten, dass die Hoheitsgewalt territorial klar umgrenzt ist und sich kein Staat anmaßt, fremde Macht auszuüben.723 Im Konzept v. Mehrens findet das 716 

444 U.S.  286, 291 f. (1980); s. dazu B. II. 3. b); zur Gegenansicht eben schon unter b). 456 U.S.  694, 702 (1982). 718  480 U.S.  102, 115 (1987) (Hervorhebung im Original). 719  Im dt. Schrifttum wird dagegen von einer „Auflösung der power-Theorie“ gesprochen, so Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  317 (Hervorhebung im Original); ähnlich Welp, Internationale Zuständigkeit, S.  75. 720 So Juenger, 28 U. C. Davis L. Rev. 1027, 1035 f. (1995); v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  115. 721  Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  87 f. 722  Die Differenzen zwischen den beiden Richtern zeigen sich schon oben, B II. 3. f) und 4. e). 723  So insbesondere die Entscheidung World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 717 

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Kriterium dagegen keinen Platz, weil dieser sich vornehmlich an Fairnesserwägungen orientiert. Vertreter einer power theory deuten das Merkmal auch als Widerhall von Lockes Legitimation staatlicher Macht, weil die zweckgerichtete Inanspruchnahme von „benefits and protections“ der Locke’schen Begründung eines stillschweigenden Einverständnisses (tacit consent) durch ein „enjoyment of any part of the dominions of any government“ entspreche.724 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine bewusste Kontaktaufnahme Züge eines Einverständnisses zur Gewaltausübung eines fremden Staates enthält und folglich die power theory fortführt. Gegenwärtig ist eine Lösung des Widerstreits zwischen power theory und fairness theory durch den Supreme Court nicht in Sicht. In der McIntyre-Entscheidung zieht die Mehrheitsmeinung von Richter Kennedy abermals den zwischenstaatlichen Föderalismus heran. Neuartig sind dabei die Formulierungen „targeted the forum“725 sowie „Unterwerfung des Beklagten“ („submit to a State’s authority“ 726), die heute mehr denn je anachronistische Vorstellungen von der Übermacht des Staates und von Zustimmungsfiktionen des Unterworfenen wiederbelebt.727 Im Gegensatz dazu leitet Richterin Ginsburg die verfassungsrechtlichen Grenzen der internationalen Zuständigkeit allein aus Fairnesserwägungen her.728 Folglich bestehen die durch v. Mehren konstatierten „ambiguities and uncertainities in American jurisdictional theory“729 auch im 21. Jahrhundert fort. 2. Territorialer und völkerrechtlicher Einfluss in Europa und Deutschland a) Territorialitätsprinzip des Völkerrechts ohne Rückwirkung auf die Zuständigkeitsordnung Auch hierzulande verdient das US-amerikanische Axiom Zustimmung, wonach die Rechtsprechung als hoheitliche Handlung auf das eigene Staatsgebiet zu beschränken ist. Aus der territorialen Souveränität des Staates wird die Befugnis hergeleitet, über bestimmte Personen oder Rechtsverhältnisse an Sachen Recht U.S.  286, 291 f. (1980); dazu auch Clermont, Civil Procedure, S.  268 f.; Freer, Civil Procedure, S.  87; Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  51. 724  Jeweils mit Verweis auf Locke, Second Treatise, §  119: Michalski, 50 San Diego L. Rev. 125, 173 (2013); Rhodes, 64 Fla. L. Rev. 387, 405 (2012); Trangsrud, 57 Geo. Wash. L. Rev. 849, 891 ff. (1999). 725  131 S.Ct. 2780, 2789 (2011); dazu B. II. 3. f). 726  131 S.Ct. 2780, 2787 (2011). 727  Kritisch daher Perdue, 63 S. C. L. Rev. 729, 742 f. (2012); Steinman, 63 S.C. L. Rev. 481, 497 (2012). 728  131 S.Ct. 2780, 2801 f. (2011). 729  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  112.

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zu sprechen. Hingegen verbietet es das Völkerrecht den Staaten, hoheitliche Handlungen außerhalb ihres Territoriums vorzunehmen.730 Dieses Territorialitätsprinzip bezieht sich auf die sog. Gerichtsbarkeit, wie sie in §§  18–20 GVG für Deutschland geregelt ist. Anders als im US-amerikanischen Recht wird hiervon die internationale Zuständigkeit streng getrennt.731 Die Gerichtsbarkeit regelt die Frage, inwiefern Aktivitäten im Ausland oder gar im Inland von der Justizhoheit deutscher Gerichte ausgenommen sind, weil sie die Souveränität ausländischer Staaten betreffen oder weil Staatsverträge oder Gewohnheitsrecht eine Befreiung aussprechen.732 Konkret setzt das Völkerrecht der Ausübung von Gerichtsgewalt gewisse Beschränkungen in Form von Immunität, Exemtion und Exterritorialität.733 Es eignet sich jedoch nicht als Grundlage einer internationalen Zuständigkeitsordnung, weil Normen des Völkergewohnheitsrechts über die Zuweisung bestimmter Rechtsprechungsaufgaben in Form von nationalen Zuständigkeitsregeln nicht feststellbar sind.734 Somit wird die Regelung der internationalen Zuständigkeit dem nationalen Recht überlassen. b) Völkerrechtliche Schranken: Diskussion um einen genuine link/ Inlandsbezug Lässt sich dem Völkerrecht auch kein zuständigkeitsrechtliches Ordnungssystem entnehmen, so könnte es zumindest verbieten, dass ein Staat seine internationale Zuständigkeit für alle denkbaren Rechtsstreitigkeiten beansprucht. Eine beachtliche Strömung in Deutschland ist der Auffassung, die staatliche Souveränität setze der Zuständigkeit völkerrechtliche Schranken.735 Voraussetzung sei – mit den Worten des BGH – ein gewisser „Inlandsbezug“.736 Andere sprechen, terminologisch wie inhaltlich mit graduellen Unterschieden, von einem genuine link 737 als einer spezifischen Nähebeziehung zwischen Staat und Sach730  Geimer, IZPR, Rn.  371 f.; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rn.  17; Nagel/Gottwald, IZVR, §  2 Rn.  2. 731  Diese Trennung geht zurück auf Pagenstecher, RabelsZ 11 (1937), 337, 348 ff.; vgl. auch Schack, IZVR, Rn.  155. 732  Linke/Hau, IZVR, Rn.  3.2; Schack, IZVR, Rn.  157 f. 733  Linke/Hau, IZVR, Rn.  3.9; Nagel/Gottwald, IZVR, §  2 Rn.  5 ff. 734  So die ganz überwiegende Meinung, etwa Geimer, IZPR, Rn.  126, 848; Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S.  83, 137; Kralik, ZZP 74 (1961), 2, 12 f.; MüKo/Patzina, ZPO, §  12 Rn.  57; für die Möglichkeit eines solchen Völkergewohnheitsrechts noch Nagel, ZZP 75 (1962), 408, 421; Walchshöfer, ZZP 80 (1967), 165, 179. 735  Für das deutsche Recht als Erster Jellinek, Zweiseitige Staatsverträge I, S.  218; Nagel, ZZP 75 (1962), 408, 420 f.; Schlosser, ZZP 79 (1966), 164, 173 ff.; Walchshöfer, ZZP 80 (1967), 165, 171; Wengler, Völkerrecht II, S.  947 f. 736  BGH 02.07.1991, BGHZ 115, 90, 94. 737  Im Anschluss an Mann, Rec. des Cours 111 (1964-I), S.  1, 9, 46: Bertele, Souveränität

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

verhalt oder einem „Minimalbezug zum Inland“,738 einem „hinreichenden Anknüpfungspunkt“739 oder einer „reasonable relation“.740 Diese Lehren betrachten die Begründung der internationalen Zuständigkeit überwiegend als Problem der Bestimmung der extraterritorialen Reichweite nationalen Rechts, weil es um einen Sachverhalt mit Auslandsverknüpfung gehe und wie in den Bereichen des Kartell-, Steuer-, oder Strafrechts die Reichweite nationalen Rechts in Frage stehe. Nicht immer wird dabei deutlich genug herausgearbeitet, dass die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit dem Richter zunächst nur vorgeben, ob er den Rechtsstreit entscheiden muss, nicht aber im Sinne eines lex fori-Prinzips das anwendbare Recht bestimmen, was Aufgabe unserer IPR-Normen ist.741 Geschieht dies doch, wird mit der verbleibenden Möglichkeit einer Verletzung fremder Staatsinteressen durch die eigene Jurisdiktionsanmaßung in Extremfällen argumentiert.742 Dementsprechend bezieht sich die Diskussion um die völkerrechtlichen Grenzen besonders auf exorbitante Gerichtsstände wie §  23 ZPO und Art.  14 französischer Code civil.743 aa) Ursprung des genuine link und mögliche zuständigkeitsrechtliche Anknüpfungen Die Begrenzung der extraterritorialen Hoheitsausübung durch das Völkerrecht geht zurück auf die Lotus-Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs (StIGH) im Jahr 1927, welche die internationale Entscheidungszuständigkeit der Strafgerichte über einen ausländischen Staatsangehörigen zum Gegenstand hatte. Darin legte der StIGH dar, dass zwischen souveränen Staaten abgrenzbare Zuständigkeitssphären existieren, die durch das völkerrechtlich verankerte Einmischungsverbot geschützt werden und bei der Anknüpfung staatlicher Zuständigkeiten an extraterritoriale Sachverhalte zu respektieren sind.744 Die Entscheidung lehnt ein strenges Territorialitätsprinzip im Völkerund Verfahrensrecht, S.  117 f., 221 f.; Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  145, 148; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, S.  1, 5. 738  Geimer, IZPR, Rn.  127. 739  Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S.  541. 740  Mann, Rec. des Cours 111 (1964-I), S.  1, 46; ders., Rec. des Cours 186 (1984-III), S.  9, 28. 741  Diese Differenzierung fehlt bei Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062 f.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, S.  219, der den „stay-at-home“-Trend für oftmals streitentscheidend hält; kritisch dazu auch Geimer, IPRax 1993, 216, 219. 742  Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S.  222; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S.  230, 458 ff. 743  Vgl. nur Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  150 ff.; Pfeiffer, in: 50 Jahre BGH, S.  617, 627; Schlosser, IPRax 1992, 140. 744  Lotus-Case, StIGH 7.9.1927, PCIJ Ser. A, No 10, 1927, 4; dazu Menzel/Pierlings/Hoffmann/Becker, Völkerrechtsprechung, S.  291 ff.

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recht ab und begrenzt die staatliche Souveränität nur durch „prohibitive rules“, wie etwa das Verbot der Gewaltausübung ( jurisdiction to enforce) auf fremdem Territorium.745 Damit wird der Anwendungsbereich des eigenen Rechts ( jurisdiction to adjudicate und jurisdiction to prescribe), d. h. die Anwendbarkeit inländischer Normen auf auslandsbezogene Sachverhalte, gegenüber dessen Geltungsbereich ( jurisdiction to enforce) erweitert.746 Das völkerrechtliche Territorialprinzip ist also einer Freiheitsvermutung zugunsten der souveränen Staaten gewichen.747 Die Zulässigkeit extraterritorialer Hoheitsausübung wird von der Literatur auf die internationale Zuständigkeit in Zivilrechtssachen übertragen und die vom StIGH genannte Beschränkung „by prohibitive rules“ mit dem genuine link ausgefüllt.748 Die Suche nach einer solchen „sinnvollen Anknüpfung“ ist es, worauf man sich heute konzentriert, wie unter anderem die „völkerrechtskonforme Auslegung“ des BGH zu §  23 ZPO zeigt.749 Während etwa Geimer schon die Klageerhebung durch eine Partei als Inlandsbezug genügen lässt, weil damit ein Vertrauen in die deutsche Rechtspflege zum Ausdruck gebracht werde,750 verlangen andere einen quantitativen Inlandsbezug zwischen der Rechtssache und dem Forum oder den Parteien.751 Bei §  23 ZPO wurde der quantitative Inlandsbezug früher über eine wertmäßige Einschränkung des Vermögens bzw. eine Beschränkung auf ein forum arresti hergestellt, heutzutage hat man sich in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH auf bestimmte Fallgruppen geeinigt.752 745  Lotus-Case, StIGH 7.9.1927, PCIJ Ser. A, No 10, 1927, 4, 19: „Far from laying down a general prohibition to the effect that states may not extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, it leaves them in this respect a wide measure of discretion which is only limited in certain cases by prohibitive rules“. 746  Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  145; Pichler, Int. Zuständigkeit im Zeitalter globaler Vernetzung, S.  107 ff. 747 So Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S.  55. 748  Dazu wird auch die Nottebohm-Entscheidung des IGH herangezogen, Nottebohm-Case, ICJ Reports 1955, 4; so Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  146, 148 ff.; Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062, 3063 f.; vgl. zum Ganzen auch Verdross/Simma, Völkerrecht, §§  1183, 1186. 749  Dazu oben B. IV. 2. b) aa); der BGH nahm jedoch nicht ausdrücklich auf die genuine link-Lehre Bezug und sorgte zusätzlich mit einer völkerrechtskonformen Auslegung – trotz Völkerrechtskonformität – für Verwirrung, dazu auch Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  127 ff. 750  Geimer, IZPR, Rn.  128, 377; ähnlich Nagel, ZZP 75 (1962), 408, 420 f., nach dieser Ansicht begründet folglich die Personalhoheit eine Nähebeziehung zum Inland; a. M. Walchshöfer, ZZP 80 (1967), 165, 205, 208. 751  Schlosser, in: FS Kralik (1986), S.  287, 295 f.; Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062, 3064 f. 752  Vgl. die Ausführungen zu §  23 ZPO, oben B. IV. 2. b) aa) (3).

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Dem Völkerrecht können im Wesentlichen vier zuständigkeitsrechtliche Anknüpfungen für einen Inlandsbezug entnommen werden. Neben das Territorialitätsprinzip, dessen Verfall die Lotus-Entscheidung manifestiert und das als aprioristisches Rechtsprinzip nach einer bekannten Untersuchung von Vogel schon mit dem Aufkommen des Liberalismus an Geltung verlor,753 sind das Personalitätsprinzip, das Auswirkungsprinzip und das Schutzprinzip getreten.754 Das Personalitätsprinzip fragt nach einer persönlichen Verbindung zwischen den Parteien und dem Staat, das Auswirkungsprinzip nach einer beabsichtigten, möglichen oder wahrscheinlichen Wirkung einer extraterritorialen Handlung und das Schutzprinzip schließlich nach der Wahrung inländischer Rechtsgüter. Indes fällt es schwer, diesen Prinzipien konkrete Regeln für die internationale Zuständigkeit zu entnehmen.755 Dieser Umstand hat vermutlich entscheidend zur Herausbildung einer offenen Auslegung der reasonableness beigetragen, welcher diese klassischen Anknüpfungen des Völkerrechts mit weiteren Interessen in eine Gesamtabwägung bringt.756 bb) Gegenargumente Allerdings kann die herrschende Meinung gewichtige Argumente gegen eine Bezugnahme auf das Völkerrecht anführen. Das Völkerrecht und das internationale Zivilverfahren verfolgen unterschiedliche Regelungsziele. Im Völkerrecht, wo es um die Abgrenzung der Hoheitsbereiche souveräner Staaten geht, fehlt es dem Individuum an Völkerrechtssubjektivität. Dagegen dient der Zivilprozess trotz der hoheitlichen Einflussmöglichkeiten dem Ausgleich der Parteiinteressen, im Mittelpunkt stehen folglich private Rechte und Pflichten der Gesellschaft.757 Während das Völkerrecht die äußersten Grenzen der staatlichen Jurisdiktionsbereiche bestimmt, sucht der Zivilprozess nach einem gerechten 753  Vogel, Anwendungsbereich, S.  125 ff.; daran anknüpfend Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S.  71 ff. 754 Vgl. Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S.  115 ff.; Ohler, Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S.  327 ff.; Pichler, Int. Zuständigkeit im Zeitalter globaler Vernetzung, S.  170. 755  So auch die verbreitete Kritik, etwa von Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  68; Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  46; Matscher, in: FS Verosta (1980), S.  299, 302. 756  Zu diesem offenen Ansatz Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  150, 157 ff.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, S.  243 ff. 757  In diesem Zusammenhang Pfeiffer, in: 50 Jahre BGH, S.  617, 628; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  709; so selbst – trotz Befürwortung eines völkerrechtlichen Minimalbezugs – Geimer, in: FS Schwind (1993), S.  17, 19 in Fn.  13; Halfmeier bezeichnet diese Trennung als idealistische Vorstellung von einer wohlgeordneten Welt mit ausreichenden Rechtsschutzmöglichkeiten im Ausland, in: FS Magnus (2014), S.  433, 445.

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Ausgleich für die Parteien.758 Außerdem zeigt die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen und der rügelosen Einlassung, dass die Parteien ein neutrales Forum wählen können, zu welchem die eigentliche Rechtsstreitigkeit keine Berührungspunkte aufweist.759 Häufig wird die Diskussion um Einflüsse des Völkerrechts vom deutschen Schrifttum auch als „praktisch bedeutungslos“ bezeichnet,760 weil es kaum Vorschriften ohne irgendeinen Minimalbezug zum Inland gibt und die völkerrechtlichen Grenzen „irgendwo im Nebel praktischer Unbrauchbarkeit“761 verlaufen. Manche sehen zwar bei Grundstückstreitigkeiten die Souveränitätsinteressen des Belegenheitsstaates berührt, etwa im Rahmen der ausschließlichen Zuständigkeit nach Art.  22 Nr.  1 EuGVO.762 Doch bringt es Schröder immer noch am besten auf den Punkt: „Staaten, deren Belegenheitszuständigkeit keine internationale Exklusivität voraussetzt (wie Italien), verlieren darum keinen Deut von ihrer Souveränität, auch keinen Deut von ihrer territorial begründeten Souveränität. Ihr Staatsgebiet bleibt ihnen erhalten, ob jenes Grundstück nun dem Müller oder dem Schmitz gehört.“763 Das am Belegenheitsort regelmäßig bestehende öffentliche Interesse an der Justizgewährung zwecks einer geordneten Rechtspflege im Grundstücksverkehr764 sagt im Grunde nichts über die Wahrung der Staats- und Gebietshoheit eines Staates. c) Fazit: Notwendigkeit territorialer Bezugspunkte trotz Ablehnung völkerrechtlicher Erwägungen Abgesehen von Souveränitätserwägungen haben einzelne Aspekte der power theory aber auch für das deutsche und europäische Recht Geltung: Selbst wenn man das Territorialitätsprinzip als Anknüpfungspunkt verwirft, muss jedes Zuständigkeitsrecht einen gewissen territorialen Bezugspunkt aufweisen.765 Menschliche Handlungen sind einem Jurisdiktionsbereich zuzuordnen, weil Pfeiffer, in: 50 Jahre BGH, S.  617, 628. Schack, in: FS Nakamura (1996), S.  491, 506; Stein/Jonas/Roth, ZPO, vor §  12 ZPO Rn.  36. 760  Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  45; ganz ähnlich Schack, IZVR, Rn.  215. 761  Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  766. 762  Weber, EuZPR und Demokratieprinzip, S.  106 f. 763  Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  367; analog zu Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S.  142. 764  Erwägungsgrund nach Jenard, Bericht EuGVÜ, ABl.  ( EG) 1979 Nr. C 59/1 S.  35; so auch MüKo/Gottwald, ZPO, Art.  22 EuGVO Rn.  7. 765 Vgl. Michaels, in: Globalisation and Jurisdiction (2004), S.  105, 113 ff., 129; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  476 f.; Pichler, Int. Zuständigkeit im Zeitalter globaler Vernetzung, S.  179 f. 758 

759 Vgl.

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subjektive Rechte und Pflichten de facto in einem von mehreren beteiligten Staaten erstritten werden und ein Weltgericht nicht existiert. Im Zeitalter der globalen Vernetzung schwinden Staatsgrenzen fast gänzlich, womit die Lokalisierung rechtlich relevanter Verhaltensweisen und gesellschaftlicher Lebensverhältnissen erschwert wird766 – doch eine gewisse territoriale Rückführung ist unumgänglich, will man das Konzept einer sachbezogenen Anknüpfung weiter verfolgen und nicht zu einer Fairnessanalyse nach US-amerikanischem Vorbild übergehen. Auch hierzulande wird das Eigeninteresse des Staates anerkannt, einem Kläger gleich welcher Staatsangehörigkeit Rechtsschutz zu gewähren, wenn ein Inlandsbezug zur Streitigkeit oder zu den Parteien gegeben ist und Rechtsfrieden sowie Rechtssicherheit im eigenen Staat auf dem Spiel stehen. Demgegenüber sind Parteiinteressen in der Regel als höherwertig zu betrachten, ihnen dient der Zivilprozess in erster Linie.767 Nur in Ausnahmefällen beeinflussen Staatsinteressen die Entscheidungszuständigkeit, wenn auch nicht zur Wahrung der eigenen Souveränität, so doch zum Schutz bestimmter Personengruppen, wie in Art.  17 ff. EuGVO, oder in personen- und familienrechtlichen Statusangelegenheiten.768 Ferner findet sich die Rücksichtnahme auf Zuständigkeitsinteressen des Auslandes, wie sie der power theory durch die Entscheidung Pennoyer v. Neff zugrunde gelegt wurde, in den Ordnungsinteressen wieder. Es wäre wünschenswert, wenn ein Staat seine Gerichte nur soweit für zuständig erklärt, wie er unter gleichen Umständen fremden Gerichten eine Entscheidungskompetenz zuspricht.769 Doch im Unterschied zum IPR wird dieses Interesse zuständigkeitsrechtlich durch die Parteiinteressen und die staatlichen Eigeninteressen überlagert.770 Staatliche Interessen und der souveräne Hoheitsanspruch spielen damit eine wesentlich geringere Rolle als bei der US-amerikanischen personal jurisdiction. Das Konzept von power als Grundstein der Zuständigkeit ist dem deutschen und europäischen Recht nicht inhärent.771 766  Dieser Problematik, die richtigerweise nicht in einer Delokalisierung von Verhaltensweisen, sondern in der Ubiquität von deren Auswirkungen liegt, widmet sich umfassend Pichler, Int. Zuständigkeit im Zeitalter globaler Vernetzung, S.  205 ff. 767  Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  17 f. 768  Zu den Staatsinteressen etwa Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Einl. EuGVO Rn.  71; Schack, IZVR, Rn.  236 ff. 769  Zu anerkennungsrechtlichen Aspekten später noch Teil 3 B. II. 2., 3. 770  So die ganz h.M., etwa Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S.  105; Mankowski, in: FS Heldrich (2005), S.  867, 871; Schack, IZVR, Rn.  240. 771  Für Europa im Ergebnis auch Schlosser, 45 U. Kan. L. Rev. 9, 19 (1996): „Justice Holmes’

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III. Freiheitliches Modell der internationalen Zuständigkeit Für das US-amerikanische Recht wurden die verfassungsrechtlichen Grenzen der Zuständigkeit durch die due process-Garantie des V. und VIX. Amendment bereits dargelegt.772 In Europa ist eine verfassungsrechtliche Prägung der internationalen Zuständigkeit weniger offenkundig, weil zunächst einfachgesetzliche bzw. verordnungsrechtliche Regelungen bestehen. Im Hinblick auf eine mögliche Geltung der fairness theory ist es von besonderer Relevanz, ob und inwiefern die freiheitlichen Interessen der Parteien verfassungsrechtlich verbürgt oder anderweitig zu berücksichtigen sind. 1. Verfassungsrechtlicher Justizgewährungsanspruch des Klägers Vorgaben für das Kompetenzrecht können dem Justizgewährungsanspruch der Parteien bzw. dem Anspruch auf ein faires Verfahren entnommen werden. Das deutsche Grundgesetz kennt eine Normierung des Justizgewährungsanspruches nur speziell gegen Akte öffentlicher Gewalt in Art.  19 Abs.  4 GG, nicht aber ausdrücklich für zivilrechtliche Streitigkeiten. Nach dem Bundesverfassungsgericht findet der Anspruch seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip und bildet einen Ausgleich für das private Selbsthilfeverbot.773 Als allgemein anerkannt gilt die Herleitung, dass einem Bürger, der sein Recht nicht selbst mit Gewalt durchsetzen darf, im Gegenzug die Möglichkeit eines effektiven Rechtsschutzes durch das Justizsystem garantiert werden muss.774 Nach einer Meinung bedarf es darüber hinaus keiner Anknüpfung an ein konkretes Grundrecht, weil die Justizgewährung allgemein für alle Rechtsstreitigkeiten gelte.775 Pfeiffer hingegen beschäftigt sich eingehend mit dem Justizanspruch als Grundlage der Zuständigkeitsgerechtigkeit, den er als besondere Ausprägung der Verfahrensgerechtigkeit im materiellen Rechtsstaat und als Ausdruck allgemeiner prozessualer Wertungsprinzipien gegenüber den Parteien versteht.776 Er stellt das Rechtsstaatsprinzip, das flankiert werde durch die Garantien der Art.  19 Abs.  4, power concept as basis for jurisdiction, is foreign to civil-law systems“ (Hervorhebung im Original). 772  Ausführlich dazu B. I. und II. 773  BVerfG 13.03.1990, BVerfGE 81, 347, 356: „Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden auf den Weg vor die Gerichte verwiesen […]. Dies bedingt zugleich, daß der Staat Gerichte einrichtet und den Zugang zu ihnen jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnet.“ 774  Geimer, in: FS Schwind (1993), S.  17, 31; diese Einschätzung akzeptiert zunächst auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  338 f. 775  Geimer, IZPR, Rn.  250; ders., in: FS Schwind (1993), S.  17, 31. 776  Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  213 f.

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101 Abs.  1 S.  2, 103 Abs.  1 GG, in den Zusammenhang mit den subjektiven Freiheitsrechten. Eine Begründung mit dem Selbsthilfeverbot sei zu einseitig, weil Justiz auch zur rechtsstaatlichen Richtigkeit beitrage und nicht bloß Selbsthilfesurrogat sei. Darüber hinaus bestehe die Gefahr einer zu weitgehenden Instrumentalisierung des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips. Die Rechtsschutzgarantie sei daher auch notwendiger Bestandteil eines jeden Freiheitsrechts und trage zu dessen individueller Durchsetzung bei.777 2. Recht des Beklagten auf ein faires Verfahren Der Justizgewährungsanspruch des Klägers korrespondiert mit dem Recht des Beklagten auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren. Die Interessen beider Parteien sind nach dem zivilprozessualen Prinzip der Waffengleichheit gegeneinander abzuwägen.778 Daraus resultiert einerseits für den Kläger die Möglichkeit, den Zugang zum Gericht bei hinreichender Verbindung zum Forum zu erzwingen.779 Dieser verfassungsrechtlich relevante Inlandsbezug ist strikt zu trennen von dem als genuine link bezeichneten völkerrechtlichen Minimalbezug und wird im Vergleich dazu enger gefasst.780 Nach Geimers Untersuchung etwa kann ein Zugang zum Gericht bei einer Verbindung zum Gegenstand der konkreten Klage erzwungen werden, seltener aber bei einer personenbezogenen Anknüpfung wie dem Wohnsitz oder der Staatsangehörigkeit, weil es einen verfassungsmäßigen Anspruch auf „universellen“ Rechtsschutz durch die „eigenen“ Gerichte nicht gibt.781 Andererseits verbietet die Verfassung die Eröffnung einer direkten Zuständigkeit, wenn der Beklagte keine Chance auf eine effektive Verteidigung hat, wenn also eine Nähebeziehung zum Sachverhalt völlig fehlt. Diskutiert wird dies für die Staatsangehörigkeitszuständigkeit des Klägers, wie sie sich in Deutschland für Statusangelegenheiten findet.782 Doch die Garantie eines fairen Prozesses gibt dem Beklagten kein „right not to be sued abroad“, sondern ver-

Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  340 ff. Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  61; Geimer, IZPR, Rn.  250a; ders., in: FS v. Hoffmann (2011), S.  589, 590; v. Mansel, in: FS Jayme (2004), S.  561, 568; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  586; Schlosser, Riv. dir. int. 74 (1991), 5, 15. 779  Geimer, in: FS v. Hoffmann (2011), S.  589, 590; v. Mansel, in: FS Jayme (2004), S.  561, 568. 780  Auf diese Trennung hinweisend Geimer, in: FS Schwind (1993), S.  17, 33 f. 781  Geimer, in: FS Schwind (1993), S.  17, 34 ff., 37 („ME ist der entscheidende Fixpunkt für die verfassungsrechtliche Justizgewährung beim Streitgegenstand zu suchen.“). 782  Geimer, in: FS Schwind (1993), S.  17, 24 f.; ähnlich Schlosser, Riv. dir. int. 74 (1991), 5, 23 f. 777 

778 Vgl.

C.  Begründungsmodelle der internationalen Zuständigkeit

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bürgt ihm lediglich, nicht „all over the world“ in unzumutbarer Weise gerichtspflichtig zu werden.783 Daneben wird aus dem Justizgewährungsanspruch des Grundgesetzes auch eine angemessene Streuung des erstinstanzlichen Gerichtszugangs abgeleitet, dem die §§  12 ff. ZPO gerecht werden, sowie etwa das Gebot der Rechtswegklarheit.784 3. Europäische Garantien Einen zuständigkeitsrechtlichen Individualschutz enthält neben dem Grundgesetz auch die Garantie des fairen Verfahrens ( fair trial) in Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK. Seinem Wortlaut nach785 bezieht sich die Vorschrift primär auf einen effektiven Rechtsschutz und auf den Anspruch auf rechtliches Gehör im laufenden Verfahren. Gleichwohl hat der EGMR in der Golder-Entscheidung festgestellt, dass schon der effektive Zugang zum Gericht gewährleistet ist.786 Daraus kann ein fremdenrechtlicher Mindeststandard des Zugangs für Ausländer (Verbot des deni de justice) abgeleitet werden787 sowie für den Beklagten die Garantie eines zumutbaren Gerichtsstandes.788 Der menschenrechtliche Anspruch erlangt insbesondere Bedeutung für die Auslegung von Europarecht789 und ist mithin bei den Gerichtsstandsregelungen der EuGVO zu beachten. Die Grundsätze zur effektiven Justizgewährung des Klägers und einer Verteidigungsmöglichkeit an zumutbaren Gerichtsständen für den Beklagten sind auf Art.  47 Abs.  2 der Europäischen Grundrechtecharta zu übertragen, der wieGeimer, IZPR, Rn.  250d; bei Rn.  250 f. spricht dieser auch von minimum contacts des Beklagten, doch sollte der Begriff nicht im Sinne einer Rezeption des US-amerikanischen Rechts verstanden werden und ist daher irreführend; für eine Übernahme der US-amerikanischen due process-Grundsätze dagegen Kleinstück, Vermögensgerichtsstand, S.  166 ff. 784  Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  360 ff. 785  Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.“ 786  EGMR 21.02.1975 (Golder v. United Kingdom), 18 EGRZ 1975, 1, 12 ff. 787  Geimer, IZPR, Rn.  1909 f. 788  Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  62; Geimer, in: FS Nagel (1987), S.  36, 38; Schlosser, IPRax 1992, 140, 141; ähnlich Matscher, in: FS Neumayer (1985), S.  459, 466: „Verbot missbräuchlicher Ausübung von Gerichtsbarkeit“; a. A. Grolimund, Drittstaatenproblematik, S.  249: kein konkreter Mindeststandard. 789  Eine unmittelbare Bindung des Unionsrechts an die Grundsätze der EMRK ergibt sich aus Art.  6 Abs.  3 EUV; so bereits EuGH 05.03.1980, Rs. C-98/79 (Josette Pecastaing/Belgischer Staat), Slg. 1980, 691 Rn.  22; EuGH 10.07.1984, Rs. C-63/83 (Regina/Kent Kirk), Slg. 1984, 2689 Rn.  22. 783 So

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

Art.  6 EMRK ein fair trial garantiert.790 Im Unionsrecht manifestiert sich das Individualrecht des Klägers auf Justizgewährung an den festen Zuständigkeitsgarantien der EuGVO, weshalb die Mitgliedstaaten innerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung zur Bereitstellung eines Gerichtes und zur Ingebrauchnahme der eingeräumten Jurisdiktionsbefugnis verpflichtet werden.791 4. Fazit: freiheitliches Modell mit verfassungsrechtlicher Prägung Die freiheitlichen Interessen der Parteien werden in Deutschland verfassungsrechtlich durch den Justizgewährungsanspruch des Klägers und das Recht des Beklagten auf ein faires Verfahren verbürgt, die auch auf europäischer Ebene eine Entsprechung finden. Nur vereinzelt wird eine verfassungsrechtliche Überlagerung der Zuständigkeitsordung gänzlich abgelehnt.792 Als Gegenargument wird beispielsweise angeführt, dass ein entferntes oder gar exorbitantes Forum für den Beklagten zwar besonders ärgerlich sei, der effektive Rechtsschutz aber durch Schutzvorkehrungen für ausländische Beklagte, wie das Recht auf einen Dolmetscher oder Information in fremder Sprache, gewahrt werde.793 Doch auch ohne Rückgriff auf den Justizgewährungsanspruch ist es zur Wahrung der prozessualen Chancengleichheit angebracht, die Interessen von Kläger und Beklagtem gegeneinander abzuwägen.794 Folglich kann von einem „freiheitlichen Modell“ der internationalen Zuständigkeit in Europa gesprochen werden, wobei entsprechend der herrschenden Meinung der Zusatz „mit verfassungsrechtlicher Prägung“ angefügt werden sollte. In der Abwägung zwischen Justizgewährungsanspruch des Klägers und fairer Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten kommt die fairness theory in ihrer freiheitlich-individuellen Dimension zum Ausdruck.795 Wie bereits festgestellt, wird die fairness theory im europäischen und deutschen ZuständigkeitsVon einem deckungsgleichen Gewährleistungsinhalt ausgehend wohl auch Geimer, in: FS v. Hoffmann (2011), S.  589, 590. 791  Dazu Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art.  2 EuGVO Rn.  67 f. 792 So Schack, ZZP 97 (1984), 46, 60; auch bei Kropholler findet sich (noch) keine verfassungsrechtliche Untermauerung, vgl. dessen Herleitung der Parteiinteressen in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  17 ff. 793  So die unter Abwertung der Bürde einer ausländischen Prozessführung wenig überzeugende Argumentation von Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S.  209 f. 794  Den Ausgleich widerstreitender Parteiinteressen forcieren ohne (expliziten) Rückgriff auf das Verfassungsrecht auch Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  18; Schack, IZVR, Rn.  230 f. 795  Einen Vergleich zwischen der Fairness durch die US-amerikanische due process clause und dem europäischen Recht auf ein faires Verfahren zieht auch Schlosser, Riv. dir. int. 74 (1991), 5, 22. 790 

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recht allerdings nicht in ihrer einzelfallbezogenen Dimension verwirklicht, weil unsere Gerichtsstände aufgrund des Postulats der Rechtssicherheit eine typisierte Abwägung ex ante verfolgen.796 Außerdem kann der europäische Gesetzgeber im Bereich zwischen einer von Verfassungs wegen erforderlichen Zugangseröffnung für den Kläger und einem effektiven Rechtsschutzbegehren des Beklagten die internationale Zuständigkeit nach freiem Ermessen regeln. Somit werden in Europa die verfassungsrechtlichen Grenzen weit gezogen, sodass ihnen nur in Extremfällen eine konkrete Aussage über das Zuständigkeitsrecht zu entnehmen ist, während in den USA das Verfassungsrecht schlechthin den Standard setzt.

IV. Abschließende Betrachtung der vorgebrachten Universalität der Zuständigkeitstheorien Die geringe Bedeutung des Machtprinzips im europäischen Zuständigkeitsrecht steht in Kontrast zur US-amerikanischen personal jurisdiction. In Europa gilt das völkerrechtliche Territorialprinzip nur eingeschränkt im Bereich der Gerichtsbarkeit, ein Hinüberwirken auf die internationale Zuständigkeit in Form eines genuine link ist wegen der Prädominanz von Parteiinteressen im Zivilprozess abzulehnen. Territoriale Anknüpfungen sind allerdings als Bezugspunkte einer menschlichen Handlung notwendig. Eine Verwirklichung der power theory ist darin nicht zu erkennen. Etwas besser steht es um die fairness theory, denn ihre freiheitliche Dimension ist im Justizgewährungsanspruch und fair trial-Grundsatz verwirklicht. Doch gerade eine Abwägung unter Fairnessaspekten im Einzelfall ist nicht garantiert. Zudem bleibt eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit unter der EuGVO und der ZPO aus, findet sich allerdings in der EuEheVO, und dort insbesondere bei der allgemeinen Anknüpfung gem. Art.  3 Abs.  1 lit.  b EuEheVO. Folglich ist die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat im Sinne der relational theory nur in einigen besonderen Rechtsgebieten wie dem Familienrecht maßgeblich. Alle drei Zuständigkeitstheorien lassen sich daher nicht unmittelbar auf Europa übertragen und können keine universelle Geltung beanspruchen.797 Die mangelnde Universalität ist rechtstechnisch dem Umstand geschuldet, dass man in den USA seit langem nach einer möglichst umfassenden theoretischen Herleitung des Zuständigkeitsrechts sucht, sei es im Lichte einer power 796  Dies wurde beim Vergleich der specific jurisdiction mit den besonderen Gerichtsständen deutlich, oben B. IV. 3. 797  Im Ergebnis gleich, aber mit anderer Herleitung (insb. der Nichtanwendbarkeit der Theorien auf das actor sequitur forum rei-Prinzip, welches hier nicht als apriorisch vorausgesetzt wird): Michaels, 27 Mich. J. Int’l L. 1003, 1040 f. (2006).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

theory oder nun vermehrt nach der fairness theory. In Europa hingegen wurde die internationale Zuständigkeit lange Zeit als technisch-neutrale Regelungsmaterie betrachtet, deren Interessentypologie abstrakt in Normen gefasst ist. Entsprechend gering ist der Bedarf nach einer zusätzlichen Ableitung aus Zuständigkeitstheorien. So ergibt sich die internationale Zuständigkeit in Deutschland nach dem Grundsatz der sog. Doppelfunktionalität überwiegend aus den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit. Der BGH hat ihre Eigenständigkeit als Prozessvoraussetzung erst im Jahr 1965 anerkannt,798 seither finden selbstständige Gesichtspunkte wie die Schwierigkeiten einer Prozessführung im Ausland Berücksichtigung, und auch ein gewisser Trend zur Materialisierung ist zu beobachten.799 Unterschiede bestehen etwa bei der Überprüfung der internationalen Zuständigkeit von Amts wegen auch in den höheren Instanzen, anders als für die örtliche Zuständigkeit gem. §§  513 Abs.  2, 545 Abs.  2, 571 Abs.  2 S.  2 ZPO.800 Andere europäische Rechtsordnungen wie Österreich, Frankreich und Griechenland ziehen ebenfalls nach ihrem autonomen Recht die Regeln zur örtlichen Zuständigkeit heran, wenn auch teilweise nur als Indikatoren.801 Diese Doppelfunktion hat zu den „Unzuträglichkeiten“ und „Inkongruenzen“802 der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen beigetragen, die eine eigenständige Entwicklung der internationalen Zuständigkeit erst relativ spät in der Mitte des 20. Jahrhunderts erlaubten.803 Umgekehrt wurden Erwägungen zur Gerichtsbarkeit von der internationalen Zuständigkeit getrennt, während man in den USA noch heute beide Aspekte vermischt. Diese Entwicklungstendenzen des europäischen Zuständigkeitsrechts hat v. Mehren sehr wohl erkannt. Er spricht von einem „failure to realize that venue and adjudicatory authority in the international sense are quite different problems“,804 wobei er zutreffend zu bedenken gibt, dass die Doppelfunktionalität 798 

BGH 14.06.1965, BGHZ 44, 46, 49 f. So insbesondere zur Materialisierung: Pfeiffer, in: 50 Jahre BGH, S.  617, 619 ff.; vgl. auch ders., Internationale Zuständigkeit, S.  80 f. 800  BGH 28.11.2002, BGHZ 153, 82, 85; dazu Adolphsen, EuZPR, §  1 Rn.  63; Linke/Hau, IZVR, Rn.  4.4, 4.69. 801  Zur Verbreitung der Doppelfunktion: Geimer, IZPR, Rn.  972 b; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  87 f. 802  Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  83. 803 Vgl. Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S.  102; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  5 ff., führt daneben die rechtstechnische Komplexität aufgrund der Vielfalt an Rechtsquellen und der verschiedenartigen Einflüsse aus IPR und nationalem Prozessrecht an; die Thematik wohl als erster Deutscher aufgreifend v. Bar, Das Internationale Privat- und Strafrecht, S.  427 ff. 804  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  68, auf S.  142 ff. wird auch die Entscheidung BGH 14.06.1965, BGHZ 44, 46 besprochen. 799 

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eine Benachteiligung ausländischer gegenüber inländischen Klägern verhindern konnte. Er führt darauf „the relatively late emergence in Germany, as compared with the United States, of theory specifically respecting jurisdiction“805 zurück. Detailliert untersucht er auch die Fortentwicklung der internationalen Zuständigkeit in der deutschen Literatur, angefangen bei Carl Ludwig v. Bar und Rudolf Waizenegger, über Robert Neuner, Paul Heinrich Neuhaus, Andreas Heldrich, Jochen Schröder, Jan Kropholler und Reinhold Geimer bis hin zu Thomas Pfeiffer806 – stets mit faszinierender Denkschärfe und dem Blick für das Wesentliche. v. Bar wird als Vertreter der power theory apostrophiert, weil er wie Story die internationale Zuständigkeit noch als Hoheitsausübung des Staates über Personen und Sachen begriff.807 Die Werke von Heldrich, Schröder, Kropholler und Geimer beschreibt v. Mehren als funktionelle Analysen einzelner Zuständigkeitsinteressen, die seiner Meinung nach aber kein geschlossenes Zuständigkeitssystem zu Tage gebracht haben: „a full-blown general theory is not attempted“.808 Die Richtigkeit dieser Hypothese kann an dieser Stelle nicht ohne Weiteres widerlegt werden. Doch ist zu bedenken, dass möglicherweise schon mit der Systematisierung von Zuständigkeitsinteressen entscheidende Wertungsgrundlagen geschaffen wurden.809 Für den hier verfolgten Untersuchungszweck ist es darüber hinaus von Belang, dass v. Mehren den vier genannten Schriften keine der Zuständigkeitstheorien zuordnet. Er erkennt erst in der von ihm hoch geschätzten Monographie von Pfeiffer ein ausgereiftes Zuständigkeitssystem („the emergence of comprehensive theory“), weil der Justizgewährungsanspruch als Grundlage der Zuständigkeitsgerechtigkeit diene. Dessen freiheitliches Grundmodell stellt er in Kontrast zu den Theorien von Hobbes und Locke,810 weil sie die staatsphilosophische Grundlage der power bzw. instrumental theory liefern. E contrario lässt sich aber schließen, dass seiner Ansicht nach zumindest Pfeiffer die Hinwendung in Deutschland zu einer fairness theory vollzogen hat. Unv. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  68. Mit den Hauptwerken (chronologisch) v. Bar, Das Internationale Privat- und Strafrecht (1. Aufl. 1862); Schröder, Internationale Zuständigkeit (1971); Waizenegger, Gerichtsstand des §  23 ZPO (1915); Neuner, Internationale Zuständigkeit (1929); Neuhaus, Grundbegriffe des IPR (1962); Heldrich, Internationale Zuständigkeit (1969); Schröder, Internationale Zuständigkeit (1971); Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III (1982); Geimer, Internationales Zivilprozessrecht (1. Aufl. 1987); Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit (1995); zu diesen v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  119–141. 807  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  119 f. 808  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  128–133. 809  Entscheidend wäre deshalb, wodurch sich ein umfassendes Zuständigkeitssystem auszeichnet. 810  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  133–135. 805 

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definiert bleiben dann aber die – nicht unbedeutenden – Ansätze in den hundert Jahren zwischen v. Bar und Pfeiffer. Aus diesem Blickwinkel erscheint es paradox, wie v. Mehren einerseits die deutsche Rechtsentwicklung detailliert nachzeichnet, andererseits einen Bezug zu den angeblich universellen Zuständigkeitstheorien nicht direkt herstellt. Zudem muss er sich Zweifel an seinen eigenen „comprehensive theories“ gefallen lassen. Denn sich nebulös auf Staatstheoretiker zu berufen, ohne die dogmatische Rückbindung zum Zuständigkeitsrecht darzulegen, zeugt ebenso wenig von einer zeitgemäßen Bewertung prozessualer Interessen. Die plausibelste Auflösung des Paradoxons widerspricht der These v. Mehrens: Relational, power und fairness theory taugen nicht in jedem Fall als Begründungsmodelle. Einzelne Elemente wie die freiheitsrechtliche Dimension der fairness theory, die besonders Pfeiffer explizierte, mögen sich heute in jedem Rechtssystem wiederfinden, die Universalität der Theorien als solche ist jedoch nicht haltbar.

D.  Actor sequitur forum rei-Prinzip im Zuständigkeitskonzept v. Mehrens Besondere Aufmerksamkeit widmete v. Mehren dem actor sequitur forum rei-Prinzip, wonach – wörtlich übersetzt – der Kläger an den Heimatsgerichtsstand des Beklagten kommen muss. Der in Kontinentaleuropa verbreitete Grundsatz stammt aus dem römischen Recht und ist erstmals in einer Verordnung der Kaiser Diokletian und Maximian belegt: „Iuris ordinem converti postulas, ut non actor rei forum, sed reus actoris sequatur“.811 In den USA findet das Prinzip kaum Beachtung,812 daher ist die Analyse v. Mehrens als umso bedeutender zu würdigen. Er veröffentlichte Ende der 1990er Jahre einen bedeutenden Aufsatz,813 hatte sich mit dem Problem aber schon davor beschäftigt814 811  Cod. Iust. 3, 13, 2; zur Geschichte ausführlich Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  229 ff., auf ihn verweist auch v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23 (1997/98) in Fn.  1 und 2. 812  Vgl. etwa die kurze Erwähnung bei Brilmayer u. a., 66 Tex. L. Rev. 721, 725 (1988); etwas ausführlicher schon Perdue, 32 B. C. L. Rev. 529, 555 f. (1991); in neuerer Zeit wird das Prinzip des actor sequitur forum rei häufig im Zusammenhang mit der EuGVO und dem forum non conveniens genannt, so Grossi, 86 Tul. L. Rev. 623, 637 (2012); Reed, 22 Transnat’l L. & Contemp. Probs. 369, 388, 392 f. (2013). 813  v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23 (1997/98); auf diesem Aufsatz baut auch die Publikation der Haager Vorlesung von 1996 auf, vgl. ders., Rec. des Cours 295 (2002), S.  9 ff., aktualisiert durch ders., Adjudicatory Authority, S.  153 ff. 814  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 307 ff. (1983); ders., in: FS Lalive (1993), S.  557, 561 ff.; Ansätze schon bei ders./Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1173 (1966): „bias in favor of the plaintiff should replace the traditional bias in favor of the defendant“.

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und sollte dies noch bis kurz vor seinem Tod tun.815 Sein Standpunkt ist als Fortsetzung des durch die fairness theory zum Ausdruck gebrachten Gleichbehandlungsgebots von Kläger und Beklagtem zu verstehen. Unter der Maxime einer strikten Gleichbehandlung fällt die von ihm vorgenommene theoretische Diskussion um eine zuständigkeitsrechtliche Bevorzugung des Beklagten denkbar knapp aus. Im Mittelpunkt steht für ihn die Frage nach der Auswahl und Anzahl der möglichen Fora, mit dem Ziel, mögliche Ungleichbehandlungen auf Kläger- oder Beklagtenseite zu korrigieren.816 Eine Betrachtung des Problems aus weiteren Blickwinkeln verspricht Aufschluss über seinen Standpunkt.

I. Bestandsaufnahme 1. Kohärenz mit Zuständigkeitstheorien in den USA Eine Art Bestandsaufnahme unternimmt v. Mehren mit der Überprüfung des actor sequitur forum rei-Grundsatzes anhand der drei von ihm identifizierten Zuständigkeitstheorien. Weil die Theorien angeblich die internationale Zuständigkeit in den westlichen Rechtskreisen maßgeblich beeinflussen („have, during the last two centuries, dominated Western thinking respecting jurisdiction to adjudicate“), soll die Schnittmenge mit dem Leitprinzip eine Aussage über dessen Gültigkeit ermöglichen.817 Wie die vorgehenden Untersuchungen gezeigt haben, ist jedoch eine Verwirklichung von power, relational oder fairness theory in Europa nur eingeschränkt zu bestätigen.818 Die Ausgangsthese ist daher ebenfalls als spezifisch US-amerikanische Perspektive zu behandeln, zumal eine Untersuchung des Beklagtenschutzes für Europa durch v. Mehren noch ergänzend vorgenommen wird. Richtigerweise ermittelt er zunächst, dass die relational theory den Schutz des Beklagten nicht als Ausgangspunkt nimmt, denn sie konzentriert sich auf ein reziprokes Verhältnis zwischen dem Staat und einer Partei, wie beispielsweise die Staatsangehörigkeit.819 Dies zeigt sich beispielsweise am französischen Recht, welches mit Art.  14, 15 Code civil den eigenen Angehörigen eine Klagemöglichkeit verschafft und dabei nicht zwischen der Position als Kläger oder Beklagter differenziert, mithin keinen favor defensoris/actoris enthält.820

v. Mehren, in: FS Kötz (2006), S.  75 ff. Vgl. nur v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 31–40 (1997/98). 817  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  158; ähnlich ders., 8 K.C.L.J. 23 ff. (1997/98). 818  S. soeben unter C. 819 Vgl. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  163. 820  So auch Geimer, IZPR, Rn.  1138 in Fn.  426. 815  816 

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Die power theory, welche insbesondere den Gerichtsständen der US-amerikanischen general jurisdiction zugrunde liegt, knüpft ebenfalls nicht an die formale Parteistellung an und produziert faktisch eher Klägergerichtsstände. v. Mehren stellt vorwiegend darauf ab, dass diese Theorie dem Kläger viele Möglichkeiten bietet, den Beklagten zu einem bestimmten Gerichtsstand zu ziehen, auch weil die klassischen Zuständigkeitsgründe von domicile, presence und consent nebeneinander stehen. Als Beispiel nennt er speziell die Aufenthaltszuständigkeit (tag jurisdiction), die zwar das ’Einfangen` (tagging) des Beklagten erfordert, dem Kläger aber eine Vielfalt an Gerichtsständen am jeweiligen Aufenthalt des Beklagten zur Auswahl stellt.821 Zudem ist meines Erachtens zu bedenken, dass nach der Entscheidung des Supreme Court in Burnham v. Superior Court of California nicht einmal Mindestkontakte zum Beklagten erforderlich sind, sondern schon dessen Durchreise genügt.822 Daher fehlt ein zuständigkeitsrechtlicher favor defensoris. Indes kommt dem Beklagten ein gewisser Schutz, zumindest isoliert betrachtet, durch die Gerichtsstände des domicile und der freiwilligen Unterwerfung durch consent zu,823 der selbstverständlich durch die Konkurrenzen der general jurisdiction wieder stark relativiert wird. v. Mehrens Analyse nach der fairness theory bezieht sich ausschließlich auf die US-amerikanische Rechtslage und die durch die International Shoe-Entscheidung eingeleitete Trendwende. Weil seither mit der specific jurisdiction die Fairness gegenüber beiden Parteien angestrebt werde, gleichzeitig aber die Gerichtsstände der general jurisdiction und insbesondere die tag jurisdiction erhalten blieben, sei im US-amerikanischen Recht eine Bevorzugung des Klägers, nicht aber des Beklagten festzustellen.824 Diese Bewertung behält meiner Meinung nach ihre Richtigkeit, auch wenn formal gesehen die minimum contacts im Verhältnis zum Beklagten vorliegen müssen und ihn vor einem Prozess fernab seiner Heimat schützen sollen. Tatsächlich sind in den USA dann aber die streitgegenstandsbezogenen Aktivitäten zu bewerten, nicht die Schutzwürdigkeit des Beklagten per se. In der USameri­kanischen und deutschen Literatur wird zwar teils von einer „Restriktion der klägerischen Wahlmöglichkeiten und einem Schutz des Beklagten“825

v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 24 (1997/98); ders., Adjudicatory Authority, S.  161 f. 495 U.S.  604 (1990), s. oben B. II. 4. d). 823  Ein kurzer Hinweis auf die Beklagtenfreundlichkeit des domicile findet sich bei v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 24 (1997/98). 824  v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 26 f. (1997/98); ders., Adjudicatory Authority, S.  162 f. 825  Brand, 24 Brook. J. Int’l L. 125, 152 (1998). 821 

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sowie von einer „starren Beklagtenperspektive“826 gesprochen. Andere erkennen aber sehr wohl, dass die minimum contacts-Prüfung primär dem Streben nach einem flexibleren Zuständigkeitssystem ohne Anwesenheits- und Einverständnisfiktionen und damit der Geltung genereller Fairnesserwägungen und weniger dem Beklagtenschutz geschuldet ist.827 Die Anknüpfung an Tätigkeiten in der Person des Beklagten führt nicht gleichzeitig zu seiner Privilegierung, sondern soll ein Gleichgewicht mit den Klägerinteressen herstellen. Faktisch geht mit der Öffnung weiterer Gerichtsstände – seien sie im Einzelnen noch so fair gegenüber beiden Parteien – eine Erweiterung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten einher. Folgerichtig formuliert v. Mehren: „Contemporary American practice can hardly be seen as embracing even a weak version of the actor sequitur principle.“828 v. Mehren betrachtet indes allein das US-amerikanische Zuständigkeitsrecht. Prozessuale Besonderheiten einer Rechtsordnung wie die Beweiserhebung durch discovery sollen bei der Bewertung des favor defensoris gänzlich außer Acht bleiben, weil sie abstrakt nicht dem Interessenkreis der einen oder anderen Partei zuzuordnen seien.829 Doch die Interessen des Klägers werden im gesamten US-amerikanischen Zivilprozess gegenüber der Schutzbedürftigkeit des Beklagten aufgewertet. Der Kläger kann durch Vereinbarung eines Erfolgshonorars (contingent fee) sein Kostenrisiko verringern, indem er sich also einen besonders qualifizierten Anwalt leistet, zumal er nach der American rule of costs nur seine eigenen Prozesskosten trägt. Die umfangreiche Gewährung von pre­ trial discovery begünstigt ihn generell stärker als den Beklagten, zudem spricht ihm die jury oftmals einen hohen Schadensersatz zu, nicht zuletzt in Form eines Strafschadens (punitive damage).830 Aus europäischer Sicht trägt dies entscheidend zur Bevorzugung des Klägers bei831 – oder wie ein englischer Richter einst formulierte: „As a moth is drawn to the light, so is a litigant drawn to the United Schack, Minimum Contacts, S.  14; den Schutz des Beklagten betont auch Pichler, Int. Zuständigkeit im Zeitalter globaler Vernetzung, S.  293 f. 827 So Borchers, 28 U.C. Davis L. Rev. 561, 580 f. (1995); Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  29 f., 43. 828  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  163. 829  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  167. 830  S. die prozessrechtlichen Besonderheiten in der Übersicht bei Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  3 f.; Hartley, International Commercial Litigation, S.  175 f. 831 Vgl. Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  49, fragwürdig ist jedoch dessen auf S.  36 ff. vorangestellte Argumentation, wonach der Wohnsitzgerichtsstand durch die Lehre vom forum non conveniens unterlaufen werde – denn diese Rechtsfigur ist ein nachgeschaltetes Korrektiv, das nur ausnahmsweise die Nichtausübung einer an sich gegebenen Zuständigkeit erlaubt, nicht aber die Regel; aus US-amerikanischer Sicht auch Perdue, 32 B. C. L. Rev. 529, 556 (1991). 826 

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States.“832 Die Charakterisierung eines Gerichtsstandes als kläger- oder beklagtenfreundlich kann folglich durchaus auch systembedingt sein. 2. Beklagtengerichtsstand als (formaler) Ausgangspunkt von EuGVO und ZPO v. Mehrens kritische Untersuchung zur formalen Umsetzung des Grundprinzips im deutschen und europäischen Zuständigkeitsrecht verdient Zustimmung und Beachtung. Er arbeitet heraus, dass die §§  12, 13 ZPO bzw. Art.  4 EuGVO mit einem allgemeinen Beklagtengerichtsstand den Grundsatz des actor sequitur forum rei zum Ausgangspunkt nehmen und der BGH bzw. EuGH darin ein Strukturprinzip erkennt, welches Ausnahmen in den besonderen Gerichtsständen findet.833 Hinterfragt werden muss aber die durch v. Mehren im Laufe der Jahre zunehmend deutlicher formulierte Schlussfolgerung, dass in der Praxis die besonderen Gerichtsstände den favor defensoris aushebelten, sodass vom eigentlichen Grundprinzip nichts übrig bleibe. Letztlich werde wie in den meisten Zuständigkeitssystemen der Gegenwart der inländische Kläger bevorzugt.834 Sein Ergebnis mag zum Teil auf die Prämisse zurückzuführen sein, dass der Grundsatz des actor sequitur forum rei nur dann der Realität entspreche, wenn man dem Beklagten die Auswahl zwischen mehreren Gerichtsständen überlasse.835 Eine solche Auswahl kennt das europäische Zivilprozessrecht selbstverständlich nicht, sie ist schon praktisch undenkbar. Der EuGH würde v. Mehrens These sicherlich widersprechen, denn in seinen Augen bildet die Grundlage des Europäischen Zivilprozessrechts ein ausbalanciertes System zwischen einem allgemeinen Beklagtengerichtsstand – dessen Legitimationsbasis zunächst dahingestellt sei – und einer Mehrzahl klar definierter Sonderzuständigkeiten, zwischen denen der Kläger die Wahl hat.836 Nach dem Heidelberger Report zur EuGVO ist diese Grundkonzeption auch in Smith Kline & French Labs v. Bloch [1983] 2 All E.R. 72, 74 (Court of Appeal, Lord Denning). 833  Ausführlich v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  154–158, mit Verweisen etwa auf BGH 16.04.1986, NJW 1986, 2309 oder Jenard, Bericht EuGVÜ, ABl.  (EG) 1979 Nr. C 59/1 S.  18. 834  Zurückhaltend noch v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 28 (1997/98), wonach das Prinzip nicht allumfassend gelte; deutlicher schon ders., Adjudicatory Authority, S.  165 mit einer rhetorischen Frage zur Reduzierung bzw. Eliminierung des Prinzips („reduce – or eliminate“) sowie der Bevorzugung inländischer Kläger; zuletzt dann ders., in: FS Kötz (2006), S.  75, 76: „purports to be based on the actor sequitur forum rei principle, but is in practice pro-plaintiff“. 835 Vgl. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  164, der praktische Schwierigkeiten in der Umsetzung selbst andeutet. 836  Grundlegend EuGH 30.11.1976, Rs. 21/76 (Bier/Mines Potasse d’Alsace), Slg. 1976, 1735 Rn.  8 ff. 832 

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den Mitgliedstaaten allgemein akzeptiert.837 Die Sonderzuständigkeiten beruhen ihrerseits auf der besonderen Legitimation, „dass zwischen der Streitigkeit und den anderen Gerichten des Staates, in denen der Beklagte seinen Wohnsitz hat, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt“.838 Aus diesem konzeptionellen Vorverständnis leitet der EuGH in ständiger Rechtsprechung ab, dass die besonderen Gerichtsstände als Ausnahmen zum Grundsatz des actor sequitur forum rei eng auszulegen seien.839 Auch der BGH hat im Hinblick auf den bei §  32 ZPO erforderlichen Inlandsbezug bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch das Internet betont, „die in dieser Bestimmung geregelte Tatortanknüpfung stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass die Klage am Gerichtsstand des Beklagten zu erheben ist (actor sequitur forum rei […]). Ihre Rechtfertigung liegt in der durch den Handlungs- oder Erfolgsort begründeten besonderen Beziehung der Streitigkeit zum Forum.“840 Die restriktive Anwendung der besonderen Gerichtsstände wird durch v. Mehren zwar erwähnt, er scheint ihr aber kein Gewicht beizumessen. In diesem Zusammenhang legt er auch dar, dass diese Restriktion nicht schon aus dem Charakter als „besondere“ Gerichtsstände folgen kann und verweist dabei auf Benedikt Buchner.841 Dieser Verweis ist deshalb interessant, weil Buchner später einen Schritt weiter geht und einen Widerspruch darin erkennt, einerseits den Rechtsstreit mittels der besonderen Gerichtsstände schwerpunktmäßig zu lokalisieren, andererseits aber den favor defensoris als bestimmendes Prinzip und nicht bloß als subsidiären Auffangtatbestand auszugestalten.842 Die Kritik v. Mehrens an der Diskrepanz zwischen dem formalen Postulat des actor sequi-

837  Hess/Pfeiffer/Schlosser, Heidelberg Report, Rn.  145 ff. (Überschrift „overall satisfaction“). 838  EuGH 11.01.1990, Rs. C-220/88 (Dumez France und Tracoba/Hessische Landesbank u. a.), Slg. 1990, I-49 Rn.  17; EuGH 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Shevill/Press Alliance), Slg. 1995, 415 Rn.  19. 839  Grundlegend EuGH 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis/Schröder), Slg. 1988, 5565 Rn.  19; EuGH 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Handte/TMCS), Slg. 1992, I-3967 Rn.  14; aus neuerer Zeit etwa EuGH 23.04.2009, Rs. C-533/07 (Falco Privatstiftung/Weller-Lindhorst), Slg. 2009, I-3327 Rn.  37. 840  BGH 02.03.2010, NJW 2010, 1752, 1753 Rn.  17; ähnlich BGH 29.03.2011, NJW 2011, 2059, 2060 Rn.  10; jedoch scheint der BGH das Erfordernis des Inlandsbezugs bei §  32 ZPO wieder partiell zurückzuschneiden, vgl. BGH 21.04.2016, GRUR 2016, 1048, 1049 Rn.  18b. 841  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  157, Verweis in Fn.  19 auf Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  6. 842  Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  53 f.

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tur forum rei- Grundsatzes und der praktischen Aushebelung durch die besonderen Gerichtsstände hat vermutlich dieselbe Stoßrichtung. Möglicherweise verschließen sich aber der EuGH und der BGH der Realität. Der Grundsatz einer engen Auslegung wird von Schlosser als bloße „Wortfloskel“843 bezeichnet. Diese Bezeichnung rechtfertigt sich daraus, dass der EuGH wenig Rücksicht auf sein eigenes Postulat nimmt, wenn er die Vorschriften des Art.  7 EuGVO derart weit oder klägerfreundlich auslegt, wie er es in kasuistischer Einzelfallmanier gerade für angebracht hält.844 So soll der Vertragsgerichtsstand des Art.  7 Nr.  1 EuGVO zwar in Abgrenzung zu Art.  4 EuGVO eng zu fassen sein,845 der EuGH hat aber beispielsweise in der Rechtssache Engler das Kriterium der Freiwilligkeit weit ausgelegt, eine tatsächliche Leistungsbereitschaft des Schuldners nicht vorausgesetzt und den Vertragsbegriff somit weit interpretiert.846 Auch beim Versendungskauf ist der Erfüllungsort gem. Art.  7 Nr.  1 lit.  b EuGVO nach der Electrosteel-Entscheidung am Ort der körperlichen Übergabe der Waren zu lokalisieren, wo der Käufer die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat.847 Ist wie häufig bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen der Käufer in der Klägerrolle, so spielt die Bestimmung des Erfüllungsortes am realen Lieferort der Waren also ihm und nicht dem Beklagten in die Hand. Klagt umgekehrt der Verkäufer z.B. auf Kaufpreiszahlung, kommt dem Lieferort zudem nur dann eine eigenständige Bedeutung neben Art.  4 EuGVO zu, wenn er nicht mit dem Wohnsitz des Käufers zusammenfällt. Ebenso legt der EuGH die Tatortregel des Art.  7 Nr.  2 EuGVO zugunsten des Geschädigten aus, der oftmals in der Klägerrolle sein wird, indem der EuGH im Sinne einer Ubiquitätstheorie die Zuständigkeit am Handlungs- sowie am Erfolgsort begründet.848 Die Theorie hat für Mediendelikte durch die Shevill-Doktrin849 eine Öffnung gar für mehrere Erfolgsorte erfahren, jedoch eingeschränkt auf den im Forum eingetretenen Teil des Schadens (Mosaiktheorie), wobei neu843  Schlosser/Hess/Schlosser, EuZPR, vor Art.  7 Rn.  3 EuGVO; so auch Fasching/Simotta, Zivilprozessgesetze, Art.  5 EuGVO Rn.  7. 844  Martiny, in: FS Geimer (2002), S.  6 41, 648; Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  7 Rn.  3; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  5 EuGVO Rn.  3, 71. 845  EuGH 05.02.2004, Rs. C-265/02 (Frahuil/Assitalia), Slg. 2004, I-1543 Rn.  22 f. 846  EuGH 20.01.2005, Rs. C-27/02 (Engler/Janus Versand), Slg. 2005, I-481 Rn.  52 ff. 847  EuGH 09.06.2011, Rs. C-87/10 (Electrosteel Europe/Edil Centro), Slg. 2011, I-5003 Rn.  26; zuvor schon EuGH 25.02.2010, Rs. C-381/08 (Car Trim/KeySafety Systems), Slg. 2010, I-1255 Rn.  60 ff., wo jedoch der Verkäufer klagte. 848  EuGH 30.11.1976, Rs. 21/76 (Bier/Mines Potasse d’Alsace), Slg. 1976, 1735 Rn.  15 ff. 849  EuGH 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Shevill/Press Alliance), Slg. 1995, 415 Rn.  30, unter Berufung auf die Ausnahme vom actor sequitur forum rei-Grundsatz, Rn.  18; zu dieser Rspr. schon oben B. IV. 3. b).

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erdings die Geltendmachung des Gesamtschadens am Ort des Interessenmittelpunktes des Opfers möglich ist.850 Außerdem sind gesellschaftsrechtliche Ansprüche, für die kein besonderer Gerichtsstand zur Verfügung steht, überwiegend als vertraglich oder deliktisch zu qualifizieren und damit Art.  7 EuGVO zuzuschreiben.851 Das ist beispielhaft für den Trend, sehr viele schuldvertraglichen Ansprüche dem Art.  7 Nr.  1 oder Nr.  2 EuGVO zuzuordnen.852 Weitere Relevanz büßt Art.  4 EuGVO durch den Schutz der schwächeren Partei ein, insbesondere in Versicherungs- und Verbrauchersachen nach Art.  10 ff. und Art.  17 ff. EuGVO. Zu beachten ist allerdings, dass die besonderen Gerichtsstände und speziell der Deliktsgerichtsstand nicht den Anspruchsinhaber begünstigen. In der Rechtssache Folien Fischer hatte der EuGH über die Eröffnung des Deliktsgerichtsstandes bei einer negativen Feststellungsklage zu entscheiden und betonte dabei, die Umkehrung der Rollen vom Opfer als typischem Kläger und vom Schädiger als typischem Beklagten könne aufgrund der mit der EuGVO verfolgten Rechtsziele der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit nicht von Bedeutung sein. Der Gerichtsstand bezwecke keinen verstärkten Schutz der schwächeren Partei, sondern rechtfertige sich aus der Sach- und Beweisnähe des Tatorts.853 Daher wurde die Deliktszuständigkeit zugunsten des Beklagten eröffnet. Doch in der Summe befriedigt die Heranziehung von Spezialgerichtsständen wohl vorwiegend die klägerische Partei und modifiziert damit den Grundsatz des Beklagtenschutzes stark.854 Das Regel-Ausnahme-Verhältnis trägt dabei wenig zur Begrenzung bei, denn es ist zu allgemein, um Auslegungsfragen etwa betreffend Art.  7 EuGVO zu lösen oder dem Richter eine Leitschnur an die Hand zu geben.855 Dem EuGH geht es vermutlich darum, forum shopping einzudämmen und die notwendige Zuständigkeitsklarheit im europäischen Rechtsverkehr zu wahren.856 Dieses rechtspolitisch sinnvolle Anliegen trägt wiederum zum Erhalt des Beklagtenschutzes bei. Die unspezifische Berufung auf den actor sequitur forum 850  EuGH 25.10.2011, Rs. C-509/09 und C-161/10 (eDate Advertising und Martinez/MGN Limited), Slg. 2011, I-10269 Rn.  48, 50. 851  Vgl. nur die Ausführungen bei Magnus/Mankowski/Mankowski, ECPIL, Art.  7 Rn.  64 ff., der bei Rn.  65 von einem „forum societatis […] through the back-door“ spricht. 852  So auch die Einschätzung von Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  5 EuGVO Rn.  3. 853  EuGH 25.10.2012, Rs. C-133/11 (Folien Fischer/Ritrama), Celex-Nr.  62011CJ0133 Rn.  44 ff.; der Rechtszweck des Opferschutzes kann nicht geleugnet werden, dazu auch oben B. IV. 3. b), dominiert aber nach richtiger Ansicht des EuGH nicht. 854  So auch für das deutsche Zivilprozessrecht Geimer, IZPR, Rn.  1265. 855 Vgl. Junker, in: FS Kaissis (2012), S.  439, 443; Kropholler/v. Hein, EuZPR, vor Art.  5 EuGVO Rn.  3. 856 Vgl. Hess, EuZPR, §  6 Rn.  36.

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rei-Grundsatz verschleiert jedoch diese legitimen Rechtszwecke. Wünschenswert wäre deshalb eine teleologische Auslegung.857 Jedoch liegt das eigentliche Problem wohl nicht darin, dass die „Wortfloskeln“ zur Beschränkung der Spezialgerichtsstände wenig taugen, sondern dass sie vor dem Hintergrund der häufig praktizierten Ausweitung als trojanisches Geschenk für den Beklagten daherkommen. Gegen eine Entwertung des actor sequitur forum rei-Prinzips ist anzuführen, dass die Ausweitung der besonderen Gerichtsstände zwar zu einer nicht unerheblichen Durchbrechung des Beklagtenschutzes führt, aber umgekehrt noch lange keine reinen Klägergerichtsstände erzeugt. Zwar wird das Interesse des Klägers mittelbar in einigen Fällen befriedigt. So kommt es dem Opferschutz zugute, wenn der Geschädigte am Deliktsgerichtsstand des Art.  7 Nr.  2 EuGVO bzw. §  32 ZPO klagen kann. Wie die Folien Fischer-Entscheidung zeigt, wird der Geschädigte aber nicht bewusst bevorzugt. Es handelt sich gerade nicht um ein Klägerforum. Wird beispielsweise ein Tourist aus Stuttgart bei einem Verkehrsunfall in Italien verletzt, kann er nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub nicht in Stuttgart klagen. Der klägerische Wohnsitz ist in diesem Fall weder Handlungs- noch Erfolgsort und zudem für den angeblichen Schädiger völlig unvorhersehbar.858 Zuständigkeitsinteressen des Klägers werden also – abgesehen von Fällen der strukturellen Unterlegenheit – nur berücksichtigt, wenn sie typischerweise859 mit den objektiven Gesichtspunkten der Beweis- und Sachnähe zusammenfallen.860 Nicht abzustreiten ist indes, dass im Ergebnis der Kläger oftmals zu Hause klagen kann, zumal der Erfüllungsort tendenziell mit dem Wohnsitz des Klägers zusammenfällt.861 Des Weiteren ist der EuGH darum bemüht, zumindest eine Verdoppelung der klägerischen Gerichtsstände zu vermeiden. So kommt bei einer Anspruchskonkurrenz dem Vertragsgerichtsstand gemäß der Entscheidung in der Rechtssache Brogsitter wohl grundsätzlich Vorrang vor dem Deliktsgerichtsstand zu, wenn im Rahmen der Prüfung von Ersatzansprüchen eine Auslegung des Vertrags „unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das […] vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist“.862 Zwar birgt die damit verbundene So auch die Forderung von Kropholler/v. Hein, EuZPR, vor Art.  5 EuGVO Rn.  3. Beispiel und Argumentation angelehnt an Schack, IZVR, Rn.  330. 859  Die abstrakte Typisierung dient der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit, im Einzelfall mögen Sach- und Beweisnähe aber gar nicht vorliegen, dazu bereits oben B. IV. 3. b), c). 860  Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  7 Rn.  103; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  2 EuGVO Rn.  1. 861  So auch die Einschätzung von Hess, EuZPR, §  6 Rn.  48 862  EuGH 13.03.2014, Rs. C-548/12 (Brogsitter/Fabrication de Montres Normandes), Celex-Nr.  62012CJ0548 Rn.  23 ff.; so jedenfalls die nicht ganz eindeutige, aber wohl überwie857 

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Streitgegenstandsspaltung Schwierigkeiten, weshalb sich Stimmen in der Literatur für konkurrierende Wahlgerichtsstände aussprechen,863 doch wird so zumindest der allgemeine Gerichtsstand vor einer vollständigen Entwertung geschützt. Dieser Aspekt spricht neben der regelmäßigen Verbindung der Klägerinteressen mit den objektiven Erwägungen der Sach- und Beweisnähe gegen eine Umkehrung des Grundsatzes actor sequitur forum rei in dem Sinne, dass die Klägerinteressen den Beklagteninteressen vorgehen.864 v. Mehrens praktischer Befund verdient jedoch insofern Zustimmung, als der Balanceakt zwischen Beklagtenschutz und Klägerinteressen weniger gut geglückt ist, als die EuGVO mit ihrem Erwägungsgrund (11) und der EuGH und der BGH vorgeben. Der allgemeine Beklagtengerichtsstand ist faktisch zur Ausnahme geworden. Doch im Vergleich zum US-amerikanischen Recht mit seiner Vielzahl der dem Kläger zur Verfügung stehenden (exorbitanten) Gerichtsstände ist die EuGVO deutlich beklagtenfreundlicher.865

II. Berechtigung des Beklagtenschutzes: Argumente pro und contra 1. Materiellrechtliche Vorstellungen aufgrund der Rollenverteilung v. Mehren zieht in Betracht, aus der Rollenverteilung der Prozessparteien eine materiellrechtliche Richtigkeitsvermutung abzuleiten, die für eine Begünstigung der einen oder anderen Partei sprechen könnte. Er verwirft zunächst Überlegungen aus Europa, der Kläger sei Angreifer des status quo und daher weniger schutzwürdig, was für einen Beklagtenschutz sprechen würde.866 Für plausibler erachtet er dagegen die in den USA erwogene Umkehrung, wonach der Kläger typischerweise im Recht ist, weil der Beklagte ihm Anlass zur Klage gab.867 Für diese Ansicht finden sich prominente Vertreter,868 wie etwa der Supreme Court of Oregon: „Der Beklagte hat kein größeres Anrecht auf eine Vorgende Auslegung in der Literatur, vgl. Weller, LMK 2014, 359127; Wendenburg/Schneider, NJW 2014, 1633, 1635. 863  Baumert, EWiR 2014, 435, 436; Wolf, IPRax 1999, 82, 87. 864  Im Ergebnis ähnlich Magnus/Mankowski/Mankowski, ECPIL, Art.  7 EuGVO Rn.  25. 865  So immerhin im Vergleich auch v. Mehren, in: FS Kötz (2006), S.  75, 89. 866  v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 32 (1997/98), implizit ablehnend durch die Umkehrung der Thesen der in Fn.  25, 26 u. a. Genannten: Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201, 232 Fn.  54, Schack, IZVR, Rn.  192 (6.  Auflage), de Winter, 17 Int’l & Comp. L.Q. 706, 717 (1986) und Wolff, PIL, S.  62 f. 867  v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 32 (1997/98); ders., Adjudicatory Authority, S.  168. 868  So die Ablehnung eines Beklagtenschutzes durch Borchers, 24 U.C. Davis L. Rev. 19, 99 (1990), bzw. die Aufwertung der Klägerinteressen durch Weintraub, 28 U.C. Davis L. Rev. 531, 545, 547 (1995).

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zugsstellung als der Kläger. Sofern sich der Beklagte nicht vor einem weit entfernten Gericht verteidigen muss, zu welchem er keine relevante Verbindung hat, kann er sich nicht auf eine unfaire Behandlung oder eine materielle Rechtsverletzung berufen.“869 Zur Begründung führt die Entscheidung die Zunahme des weltweiten Waren- und Wirtschaftsverkehrs an, welche die Gefahr einer ausländischen Prozessführung für einen Kläger, beispielsweise den Besteller eines Warenprodukts im Ausland, erhöhe.870 Dem ist zu entgegnen, dass auch der Kläger von der Globalisierung profitiert, etwa durch die Verteilung von vollstreckbarem Vermögen auf mehrere Staaten und die damit einhergehenden vielfältigen Möglichkeit der Anerkennung und Vollstreckung. Daher ist zumindest auch der Einwand v. Mehrens richtig, die Zunahme des Warenverkehrs könne nur die Schutzwürdigkeit solcher Kläger begründen, die wie Verbraucher strukturell unterlegen sind.871 Ohnehin ist es aber verfehlt, aus der prozessualen Rollenverteilung auf eine materiellrechtliche Vermutungsregelung zu schließen, die es zuständigkeitsrechtlich auszugleichen gelte. Denn erst im Prozess stellt sich heraus, welche Partei obsiegt und welche der eigentliche Aggressor ist. Die Erfolgsaussichten eines Prozesses können nicht abstrakt der Rollenverteilung von Kläger und Beklagtem entnommen werden. Denn die Rollen sind letztlich zufällig, wie die Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage oder die mit einem Rückerstattungsanspruch korrespondierende Klage auf Restzahlung zeigt.872 Einer solchen Erkenntnis verschließt man sich in den USA, wenn mit materiellen Erwägungen argumentiert und die Rechtsstellung des Klägers gar als verfassungsrechtlich schützenswerter angesehen873 wird. Zutreffend ist zumindest die Prämisse v. Mehrens, es solle unter den Parteien im Zivilprozess Gleichheit herrschen.874 Dies ist eine logische Fortführung der fairness theory, obwohl der Zusammenhang von ihm an dieser Stelle nicht ausdrücklich hergestellt wird. Die Gleichheit der Parteien hat unabhängig von der Rollenverteilung im Prozess zu gelten. Statt materiellrechtlicher Wertungen sind daher Prozess- und Zuständigkeitsinteressen in den Mittelpunkt zu stellen. 869  State of Oregon ex rel. White Lumber Sales, Inc. v. Sulmonetti, 448 P.2d 571, 574 (Or. 1986) (Übersetzung durch die Verf.). 870  World-Wide Volkswagen v. Woodson, 444 U.S.  286, 309 f. (1980) (Justice Brennan, dissenting). 871  v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 34 (1997/98); ders., Adjudicatory Authority, S.  170. 872  So die wohl h.M. in Deutschland, etwa Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  86 f.; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  599; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  235. 873 Vgl. Perdue, 32 B. C. L. Rev. 529, 556 (1991). 874  v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 31 (1997/98); ders., in: FS Kötz (2006), S.  75, 77: „impossible to realize“.

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2. Vorhersehbarkeit, insbesondere im US-amerikanischen Zuständigkeitsrecht Etliche US-amerikanische Einzelstaaten erstrecken in ihren long-arm statutes die internationale Zuständigkeit mittels einer Generalklausel bis an die verfassungsrechtlich zulässigen Schranken des due process,875 welche vom US Supreme Court fallbezogen festgelegt werden. Weil Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit dabei oftmals zu kurz kommen, könnte man auf die Idee kommen, Klägergerichtsstände schon im Grundsatz in weitem Ausmaß zu eröffnen, um wenigstens zu einer klaren Zuständigkeitsregelung zu gelangen.876 Folglich würde der Beklagtenschutz in einen Klägerschutz umgekehrt. Mit zuständigkeitsrechtlicher Interessenabwägung hat das wenig zu tun, denn der Kläger wird nur begünstigt, um überhaupt irgendeine Regelung zu finden. Völlig zu Recht lehnt v. Mehren eine solche Argumentation ab, weil die prozessuale Gerechtigkeit zugunsten der Administrierbarkeit geopfert werde.877 Überhaupt ist es sehr fraglich, ob die weite Streuung von Klägergerichtsständen zu mehr Rechtssicherheit führt, wenn doch die Auswahlentscheidung des Klägers völlig frei und unberechenbar ist. 3. Schutz strukturell unterlegener Parteien Unzuträglichkeiten entstehen für den Kläger sicherlich dort, wo er sich gegenüber dem Beklagten in einer sozial oder wirtschaftlich schwächeren Position befindet.878 Daher eröffnet die EuGVO etwa für Versicherungsnehmer gem. Art.  11 Abs.  1 lit.  b einen Klägergerichtsstand; und der US Supreme Court setzt in einem solchem Fall den erforderlichen Mindestkontakt zum strukturell überlegenen Beklagten herab, wie die McGee-Entscheidung879 gezeigt hat. v. Mehren aber will daraus ableiten, dass in Situationen von „contests between localized plaintiffs and multistate defendants“ generell der Kläger zu privilegieren sei.880 Er greift mithin die von ihm als grundlegend erachtete Bewertung des Leistungsvermögens der Parteien auf.881 Dieser Aspekt darf indes nicht überbewertet werden, denn nicht in jedem Fall lassen sich Kriterien zur strukturellen Unter- bzw. Überlegenheit einer Partei ausmachen. Klagen der schwächeren Partei rechtfertigen ein Abrücken vom Beklagtengerichtsstand daher nur in be-

875 

Dazu oben A. V. 1. Weintraub, 28 U.C. Davis L. Rev. 531, 546 (1995). 877  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  171. 878  v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 34 f. (1997/98). 879  355 U.S.  220 (1957), s. oben B. II. 3. a). 880  v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 36 (1997/98). 881  S. B. I. 2. c) bb) (2) und z.B. B. II. 3. c). 876 So

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stimmten Fällen,882 die nicht generalisiert werden können. Dieses Argument spricht also nicht gegen einen favor defensoris. 4. Prozessrechtliche Erwägungen und Schutz inländischer Kläger Wie schon im Rahmen der Bestandsaufnahme lässt v. Mehren auch für die Bewertung der Schutzwürdigkeit des Beklagten eine prozessrechtliche Abwägung außen vor. Sind die Parteien sozial und wirtschaftlich gleichgestellt, seien vielmehr immer inländische Kläger zu bevorzugen. Weil die fremde Rechtsordnung möglicherweise dem ausländischen Kläger keinen Gerichtsstand zur Verfügung stelle, solle zumindest die eigene Rechtsordnung dem Inländer eine Klagemöglichkeit eröffnen: „The putative forum‘s preferring a ressortissant plaintiff rather than a non-ressortissant defendant would not seem inappropriate at least when the parties‘ competing claims to procedural and corrective justice are essentially equal.“883

Doch chauvinistische Klägergerichtsstände erschweren Gerichtsstandsvereinbarungen und die Anerkennung von Urteilen im Ausland,884 sind also der internationalen Entscheidungsharmonie nicht unbedingt förderlich. Bevor auf eine solche Lösung zurückgegriffen wird, sollte man sich genauer anschauen, ob nicht doch verfahrensrechtliche Erwägungen den Beklagtenschutz rechtfertigen. Der Kläger könnte nämlich wegen der ihm überlassenen Entscheidung über das Ob und Wann der Klageerhebung einen Vorteil erhalten, den es zuständigkeitsrechtlich auszugleichen gälte. Initiiert der Kläger ein Gerichtsverfahren, so ist der Beklagte vor die Wahl zwischen einem Prozess und dem Verzicht auf seine Rechte gestellt, er steht also faktisch unter Einlassungszwang.885 Allerdings ist die Zwangswirkung für den Kläger kaum geringer, denn will er sein eigenes Recht durchsetzen, bleibt ihm nur der Gerichtsweg.886 Ob sich ein Rechtsstreit lohnt, können also beide Parteien vorher abwägen,887 ein Vorteil daraus verbleibt dem Kläger nicht unbedingt. Er kann aber immer noch den Zeitpunkt der Klageerhebung bestimmen Dazu unter Einbeziehung der amerik. Rechtslage: Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  341 ff. 883  v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 36 (1997/98) mit Begründung in Fn.  42. 884  So auch Schack, IZVR, Rn.  466. 885  So der BGH 11.04.1956, FamRZ 1956, 186 unter Berufung auf die Vorinstanz des OLG Hamburg; aus der amerik. Lit. Maltz, 30 Ariz. L. Rev. 751, 765 (1988): Bevorzugung des Beklagten als „counterbalance“ zur Beweislast des Klägers („the plaintiff bears the burden of proving his case“). 886 Ähnlich Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  90; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  599 f. 887  Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  236. 882 

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und den Beklagten mit einer Klage überraschen.888 Dagegen lässt sich nicht einwenden, es stehe ebenfalls in der Macht des Beklagten, über die Klageerhebung zu disponieren, beispielsweise indem er eine Hinhaltetaktik fährt und die Verjährung des klägerischen Anspruches bewirkt.889 Der Willensentschluss zur Klage liegt nämlich immer beim Kläger, zwar können äußere Einflüsse mitbestimmend sein, sie überwiegen aber nicht. Das entscheidende Argument für einen favor defensoris ist im Wahlrecht des Klägers890 zu sehen. Sowohl nach europäischem als auch nach US-amerikanischem Recht stehen neben dem allgemeinen Gerichtsstand bzw. neben der general jurisdiction die besonderen Gerichtsstände bzw. die specific jurisdiction zur Wahl. Natürlich entsteht diese Auswahl erst durch die streitgegenstandsbezogenen Kontakte beider Parteien (in der EU) bzw. gar durch eine Handlung des Beklagten selbst (in den USA). Doch auch wenn man den Beklagtengerichtsstand als zusätzlichen oder gar subsidiären Gerichtsstand verstehen will,891 wird immer ein gewisses forum shopping des Klägers möglich sein. Der internationale Charakter einer Rechtsstreitigkeit fügt dem Wahlrecht eine weitere Dimension hinzu, nämlich um die Konkurrenz zwischen einem inländischen und einem ausländischen Forum, die sogar beide streitgegenstandsbezogen sein können. Außerdem ist zu bedenken, dass ein Klägerwahlrecht praktisch alternativlos ist. Würde man dem Beklagten nach Zustellung der Klage eine Auswahl unter mehreren an sich zuständigen Gerichtsständen gewähren und somit nach Meinung v. Mehrens den Beklagtenschutz erst wirklich in die Tat umsetzen,892 so wäre der Justizanspruch des Klägers stark beeinträchtigt und das Gerichtsverfahren bis zur Ausübung der Wahl – die man vom Beklagten erzwingen müsste – gehemmt.893 Demgegenüber ist es einfach, einen Beklagtengerichtsstand zu schaffen und dem Kläger grundsätzlich die Auswahl zuzugestehen. Im Ergebnis spricht dies abweichend zur Ansicht v. Mehrens für ein leichtes Überwiegen der Beklagteninteressen.894

888  Für eine solche Differenzierung zwischen dem Ob und Wann: Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  600. 889  So aber Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  90. 890 Dazu Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  265; zur Ausgleichsfunktion auch Geimer, IZPR, Rn.  1131. 891  Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz, S.  92, der das Wahlrecht auf die Existenz des Beklagtengerichtsstandes zurückführt und daher als Argument ablehnt, gleichzeitig aber doch einen allgemeinen Gerichtsstand beibehält. 892  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  164, dazu schon oben D. I. 1. 893  Gegen eine solche Umkehrung auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  601 f. 894  Im Ergebnis auch: Spellenberg, IPRax 1981, 75, 76; etwas deutlicher nach zusätzlicher Argumentation mit dem Klägerwahlrecht: Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  600 ff.

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III. Folgen der Versagung eines allgemeinen Gerichtsstands am Beklagtenwohnsitz 1. Klägerinteresse an einem allgemeinen Gerichtsstand Trotz seiner Ablehnung eines speziellen Beklagtenschutzes betont v. Mehren die Notwendigkeit der Beibehaltung eines allgemeinen Gerichtsstandes. Dem Kläger soll ein vorhersehbarer sowie hinreichend bestimmter Gerichtsstand zur Verfügung gestellt werden, um seinen Interessen im Sinne der fairness theory gerecht zu werden und eine vom Streitgegenstand unabhängige Zuständigkeit zu eröffnen. Wird das klägerische Interesse aber schon durch eine Zuständigkeit am Wohnsitz (domicile) des Beklagten befriedigt, bzw. für juristische Personen am Gründungs- oder Verwaltungssitz (place of incorporation oder head office), dann bedarf es keiner weiteren Gerichtsstände der general jurisdiction, wie am Ort der vorübergehenden Anwesenheit (tag jurisdiction).895 Für diese Ansicht hat v. Mehren in der US-amerikanischen Literatur viel Zuspruch erhalten,896 nicht zuletzt ist auch der Supreme Court mit der Beschränkung auf die home base in der Goodyear-Entscheidung897 seiner Linie gefolgt. Da die fairness theory in ihrer freiheitlichen Dimension zugunsten des Klägers in Europa funktional dem Justizgewährungsanspruch entspricht,898 ist es nur konsequent, unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich garantierten Justizanspruches ebenfalls den Beklagtengerichtsstand als unverzichtbar anzuerkennen. Der Gesichtspunkt der Zuständigkeitsklarheit, der jedenfalls nach einem hinreichend bestimmten Gerichtsstand verlangt,899 tritt somit nach hier vertretener Auffassung als zusätzliche Rechtfertigung zum Beklagtenschutz hinzu. Der Justizgewährungsanspruch wird neben dem Erkenntnisverfahren auch durch das Vollstreckungsverfahren verwirklicht. Die Vollstreckungsaussichten sind am Wohnsitz des Beklagten besonders gut, denn dort, wo der Lebensmittelpunkt einer Person liegt, findet sich typischerweise auch vollstreckbares Vermögen.900 Dieser Aspekt bleibt aber bei v. Mehrens Argumentation mit der fairness theory außen vor. Im Rahmen der Vollstreckungsaussichten ist jedoch die 895  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 311 (1983); schon v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1137, 1144 (1966). 896 Etwa Feder, 63 S. C. L. Rev. 671, 693 (2012); George, 64 Tul. L. Rev. 1097, 1105 (1990). 897  131 S.Ct. 2846, 2851 (2011); dazu oben B. III. 4. e). 898  So das Ergebnis zur Verwirklichung der fairness theory in Europa, oben C. III. 4. 899  Zu diesem Argument Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  602. 900 Vgl. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  602; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  237 f., der das Vollstreckungsinteresse aber im Zuständigkeitsrecht nicht berücksichtigen will.

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bereits erwähnte Mobilitätssteigerung der Gesellschaft zu berücksichtigen.901 Das Vollstreckungsinteresse des Klägers schwindet, wenn man die vielfältigen Möglichkeiten von Kapitalanlagen im Ausland bedenkt. Doch dies allein tut dem Beklagtengerichtsstand noch keinen Abbruch. 2. Reduzierung von forum shopping a) Herstellung der prozessualen Waffengleichheit nach v. Mehren Primäres Desiderat im internationalen Zivilprozess ist in den Augen v. Mehrens die Herstellung und Wahrung von Waffengleichheit der Prozessbeteiligten. Keine Partei soll auf Kosten der anderen zu stark bevorzugt werden. Jedes Zuständigkeitsregime müsse daher einen Ausgleich zwischen den Parteiinteressen suchen.902 Diesen Leitgedanken legte er schon der specific jurisdiction zugrunde, wo die litigational ability der beiden Parteien oftmals gegeneinander abgewogen werden muss.903 Obwohl v. Mehren den Rechtssatz des actor sequitur forum rei als Ausgangspunkt eines Zuständigkeitssystems ablehnt, erkennt er doch die Schutzwürdigkeit des Beklagten für den Fall an, dass der Kläger übervorteilt wird. Je zahlreicher dem Kläger konkurrierende Zuständigkeiten zur Verfügung gestellt werden, je größer also sein Wahlrecht ist, desto stärker steige die Ungleichgewichtslage zum Nachteil des Beklagten an.904 Das nach hier vertretener Ansicht zur Rechtfertigung des allgemeinen Beklagtengerichtsstandes herangezogene klägerische Wahlrecht wird von ihm also ebenfalls als Nachteil für den Beklagten gewertet, welchen es auszubalancieren gilt. Nur ist v. Mehrens Konsequenz eine andere. Er will gerade kein Gegengewicht zugunsten des Beklagten schaffen, sondern den Vorteil des Klägers durch die bislang eröffnete Möglichkeit zum forum shopping minimieren. Das Ziel v. Mehrens ist folglich eine möglichst weitgehende Reduzierung konkurrierender Gerichtsstände, sodass im Idealfall immer nur ein Forum zuständig ist. Dies betrifft zum einen beziehungsarme Zuständigkeiten wie Art.  14 und 15 des französischen Code civil, die englische und US-amerikanische tag jurisdiction sowie den deutschen Vermögensgerichtsstand.905 Seine Kritik an den einzelnen Staaten richtet sich zum anderen auch gegen eine bewusste Klägerbevorzugung durch die Dopplung von Anknüpfungsmomenten. Beim Deliktsgerichtsstand müsse sich ein Gesetzgeber zwischen dem Handlungs- und Skeptisch daher Geimer, in: FS Schwind (1993), S.  17, 38. v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 37 (1997/98): „relatively level playing field“, „jurisdictional equality“. 903  Oben B. I. 2. c) bb) (2), sowie etwa B. II. 3. c). 904  v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 38 (1997/98); ders., 63 B.U. L. Rev. 279, 308 f. (1983). 905  In diesem Zusammenhang v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 37, 40 (1997/98). 901 

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dem Erfolgsort entscheiden; im Hinblick auf Streudelikte sei der Handlungsort vorzugswürdig, weil der Erfolg auch an mehreren Orten eintreten könne. Alternativ sei in einer Einzelfallabwägung auch die Anknüpfung an den Wohnsitz des Klägers möglich, abhängig von dessen Schutzwürdigkeit.906 Dass forum shopping in den USA eine negative Konnotation hat, ist nicht ungewöhnlich. Die dem Kläger zu seinem eigenen Vorteil gereichende Entscheidung wird oftmals als Risiko einer Ungleichbehandlung der Prozessparteien angesehen,907 sie zerstöre den internationalen Entscheidungseinklang,908 erzeuge unnötige Kosten und zusätzlichen Aufwand für die Gerichte909 und müsse verhindert („eradicated“)910 werden. Dabei stößt man sich nicht bloß an der Auswahlmöglichkeit auf internationaler Ebene, sondern vorwiegend am „horizontalen“ forum shopping zwischen verschiedenen Bundesstaaten- und Bundesgerichten sowie am „vertikalen“ forum shopping zwischen einem Bundesstaaten- und einem Bundesgericht.911 Der vertikalen Auswahl zwischen den nebeneinander bestehenden Gerichtssystemen hat die Erie-Entscheidung912 den Kampf angesagt. Die US-amerikanische Gerichte bringen aber auch Verständnis für eine Ausnutzung der zuständigkeitsrechtlichen Wahlmöglichkeit auf, so etwa der US Supreme Court im Fall Keeton v. Hustler Magazine: „Petitioner‘s successful search for a State with a lengthy statute of limitations is no different from the litigation strategy of countless plaintiffs who seek a forum with favorable substantive or procedural rules or sympathetic local populations.“913 Dies erinnert an die berühmten Worte des House of Lords: „If you offer a plaintiff a choice of jurisdictions, he will naturally choose the one in which he thinks his case can be

v. Mehren, 8 K.C.L.J. 23, 39 f. (1997/98). Koppel, 58 Vand. L. Rev. 1167, 1191 (2005): „risk that similarly situated litigants may be treated differently and, as a result, unfairly“. 908  Selvadurai, 13 Pitt. J. Tech. L. & Poly. 1, 2 (2013). 909  Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S.  501, 507 (1947): forum shopping sei Streben nach „justice blended with some harassment“, und zugleich „affecting the administration of the courts“; ähnlich Curioni, 93 B.U. L. Rev. 621, 623 (2013): „forum shopping raise(s) concerns of inefficiency and waste of judicial resources“. 910  Jerry Beeman and Pharmacy Services, Inc. v. Anthem Prescription Management, 652 f.3d 1085, 1107 (9th Cir. 2011). 911  Lear, 51 Wm. & Mary L. Rev. 87, 90, 94 ff. (2009); zum „horizontalen“ forum shopping mittels transfer of venue gem. 28 U.S.C. §  1404 (a) grundlegend Clermont/Eisenberg, 80 Cornell L. Rev. 1507 ff. (1995). 912  Erie Railroad v. Tompkins, 304 U.S.  6 4 (1938); zur Erie-Doktrin im Allgemeinen (Hauptaussage: „There is no federal common law“) vgl. Freer, Civil Procedure, S.  516 ff. 913  465 U.S.  770, 779 (1984). 906 

907 Etwa

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most favourably presented: this should be a matter neither for surprise nor for indignation“.914 b) Beurteilung und sinnvolle Ansatzpunkte Zur Beurteilung der durch v. Mehren vorgeschlagenen Restriktion ist zunächst der Begriff des forum shopping zu klären. Die Bezeichnung hat ihren Ursprung in den USA und wurde vermutlich erstmals in einem Urteil aus dem Jahre 1951 verwendet,915 hat sich inzwischen aber auch in der europäischen und deutschen Jurisprudenz durchgesetzt.916 Man versteht darunter die taktische Auswahl zwischen mehreren Gerichtsständen um bestimmter rechtlicher oder tatsächlicher Vorteile willen.917 Gerade weil in der Begrifflichkeit per se die Beliebigkeit des shopping mitschwingt, ist eine wertneutrale Definition zu begrüßen, wie man sie in der neueren Wissenschaft vertritt.918 Denn nach europäischem bzw. deutschem Recht (§  35 ZPO) steht es dem Kläger zunächst frei, unter mehreren international zuständigen Gerichten ein bestimmtes auszuwählen. Die Motive zur Auswahl eines Forums sind vielschichtig und reichen von der Unterschiedlichkeit des IPR, einschließlich der damit verbundenen Vorteile im materiellen Recht,919 über prozessuale und tatsächliche Aspekte, wie die räumliche Nähe zum Gericht, die Dauer des Verfahrens, die Prozesskosten und die Beweisregeln, bis hin zur Möglichkeit der Anerkennung und Vollstreckung des Urteils.920 In der Hoffnung auf hohe Schadensersatzsummen „shoppen“ Kläger insbesondere gerne in den USA,921 scheuen aber andererseits einen kostenintensiven und langwierigen Prozess sowie die Ausforschung durch pretrial discovery mitsamt der disclosure von E-Mails von nicht beweisbelasteten Parteien.922 Ob im Allgemeinen materiellrechtliche oder prozessrechtliche Anreize domi-

Atlantic Star v. Bona Spes, [1974] A.C. 436, 471. Covey Gas & Oil Co. v. Checketts, 187 f.2d 561, 563 (9th Cir. 1951); zur Herkunft und früheren Redenswendungen Juenger, 63 Tul. L. Rev. 553, 553 f. (1989). 916  Vgl. etwa v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  1 Rn.  48 f.; Nagel/Gottwald, IZVR, §  3 Rn.  413. 917 Ähnlich Schack, IZVR, Rn.  251; Schwarze, in: FS v. Hoffmann (2011), S.  415. 918  Ferrari, in: FS Magnus (2014), S.  385, 396 mit einer neutralen Definition unter Einschluss des innerstaatlichen shopping in den USA, auch bezogen auf Maßnahmen des Beklagten und unter Berücksichtigung einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung. 919  Die materiellrechtlichen Vorteile betont Schwarze, in: FS v. Hoffmann (2011), S.  415, 417. 920  Juenger, 63 Tul. L. Rev. 553, 573 f. (1989) will den letztgenannten prozessualen Faktoren das Hauptgewicht beimessen; dazu tendiert auch Schack, IZVR, Rn.  255. 921 Exemplarisch Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S.  235 (1981). 922  Warnend vor dem „American way of litigating“: Schütze, RIW 2007, 801, 802; Trittmann, in: FS Schütze (2014), S.  647, 653. 914 

915 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

nieren, ist zwar im Hinblick auf mögliche Lösungsansätze umstritten, kann aber an dieser Stelle offengelassen werden. Denn all diese Motive sind völlig legitim und forum shopping grundsätzlich legal.923 Eine Ausnahme gilt nur für diejenigen Fälle, in denen ein Zuständigkeitsmoment arglistig erschlichen wird oder besondere Umstände die Wahl als sittenwidrig erscheinen lassen.924 Trotz seiner grundsätzlichen Zulässigkeit löst exzessives forum shopping ein gewisses „Unbehagen“925 aus. Das alarmierte Rechtsgefühl richtet sich aber nicht gegen das legitime Verhalten des Klägers und der damit korrespondierenden Pflicht des Anwalts zur Ausforschung der shopping-Möglichkeiten.926 Vielmehr rührt es aus der systemimmanenten bzw. globalen Rechtssituation, die das Bestehen mehrerer internationaler Zuständigkeiten nebeneinander bedingt. Damit geben die Staaten dem Kläger die besseren Steuerungsmöglichkeiten und schließlich erhöhen die zueinander inkongruenten Zuständigkeitssysteme seine Chance auf überschneidende Anknüpfungen.927 Durchaus berechtigt sind also v. Mehrens Bedenken, dass die für uns aus dem Gleichheitssatz folgende Waffengleichheit der Parteien einseitig zu kippen droht.928 Gegen die Vielzahl der Zuständigkeiten gibt das Recht dem Beklagten kaum eine Abhilfe an die Hand. Die Erhebung einer negativen Feststellungsklage als Verteidigungsmittel führt nur in solchen Fällen zum Erfolg, wo diese Klageart überhaupt nach nationalem Prozessrecht existiert, zugleich präventiv erhoben wird, die rechtzeitige Zustellung gelingt und nicht, wie nach deutschem Recht möglich, das Feststellungsinteresse (§  256 ZPO) mit Erhebung einer späteren Leistungsklage wieder entfällt.929 Zudem darf man die Wirkungen des forum shopping für den Beklagten nicht als bloße „Unsicherheit“ beschönigen, die durch eine vorherige Rechtswahlklausel hätte beseitigt werden können. Denn er wird ex post mit der Entscheidung des Klägers ohne weiteren Verhandlungsspielraum konfrontiert. Auch überzeugt es kaum, die volkswirtschaftlichen Vorteile durch eine Kumulation von Justizdienstleistungen an besonders beliebten Gerichtsständen gegen die Benachteiligung des Beklagten aufwiegen zu Heute h.M., etwa Nagel/Gottwald, IZVR, §  3 Rn.  413; Wieczorek/Schütze/Schütze, ZPO, IZPR Einführung Rn.  79; so schon Kropholler, in: FS Firsching (1985), S.  165, 165 f.; Siehr, ZfRV 25 (1984), 124, 142. 924  Zur sog. Simulation Linke/Hau, IZVR, Rn.  4.78; zum Anspruch auf Schadensersatz nach §  826 BGB Paulus, in: FS Georgiades (2006), S.  511 ff. 925  So der Begriff von Kropholler, in: FS Firsching (1985), S.  165. 926  Vgl. nur Geimer, IZPR, Rn.  1096; Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  160. 927  Geimer, IZPR, Rn.  1105; Note, 103 Harv. L. Rev. 1677, 1678: „master of the complaint“. 928  So auch Kropholler, in: FS Firsching (1985), S.  166 ff. 929  Zu diesem Problemkreis: Geimer, IZPR, Rn.  1113 ff.; Trittmann, in: FS Schütze (2014), S.  647, 648 ff. 923 

-Prinzip im Zuständigkeitskonzept

177

wollen, weil dieses Staatsinteresse nicht die Waffengleichheit zwischen den Parteiinteressen herstellen kann.930 Aufgrund dieser Ungleichgewichtslage ist eine Reduzierung von konkurrierenden Zuständigkeiten im nationalen Recht und besonders in zwischenstaatlichen Übereinkommen zu begrüßen, die neben einer materiellen Rechtsvereinheitlichung durchaus Abhilfe gegen ein forum shopping verspricht. Diese Erkenntnis liegt nicht zuletzt den europäischen Reformbemühungen zugrunde. Schon mit dem EuGVÜ wollte man sich auf einen Maximalbestand an Gerichtsständen verständigen931 – ein kollisionsrechtlicher Trend, den das EVÜ fortführte, indem es ausdrücklich forum shopping bekämpfte.932 Einer gänzlichen Abschaffung konkurrierender Zuständigkeiten muss allerdings mit Skepsis begegnet werden, weil damit das Ordnungsinteresse über die Parteiinteressen gestellt werden würde, insbesondere der Justizanspruch des Klägers vernachlässigt werden könnte.933 Die Einführung eines Systems ausschließlicher internationaler Zuständigkeiten würde zwar Entscheidungseinklang herbeiführen und die Prozessökonomie wahren, den komplexen Interessenverflechtungen an Partei- und Gerichtsinteressen aber nicht gerecht werden, weil eine trennscharfe Lokalisierung der Sach- und Beweisnähe unmöglich ist.934 Das klägerische Wahlrecht steht darüber hinaus in engem Zusammenhang mit einem zuständigkeitsrechtlichen Modell der abstrakten Typisierung von Gerichtsständen, wie es in Europa aus Gründen der Rechtssicherheit bevorzugt wird.935 Sucht man nach einer typisierten und nicht nach einer einzelfallbezogenen Nähebeziehung, so besteht nämlich die Gefahr, dass bei einzelnen streitgegenstandsbezogenen Zuständigkeiten im konkreten Fall gar keine einschlägige Zuständigkeitsregelung existiert. Dies führt zu der Erkenntnis, dass nicht jede Konkurrenz schädlich ist und forum shopping eine rechtsschutzwahrende Funktion erfüllt. Im Ergebnis ist zwischen der durchaus wünschenswerten Einschränkung exorbitanter Gerichtsstände – ein Grund etwa für die Verbannung des §  23 ZPO aus der europäischen Zuständigkeitsliste – und der bewussten Begünstigung des Klägers, wie sie der Gesetzgeber etwa bei der Ausgestaltung

Beides Argumente von Schwarze, in: FS v. Hoffmann (2011), S.  415, 418. Jenard, Bericht EuGVÜ, ABl.  (EG) 1979 Nr. C 59/1 S.  7. 932  Giuliano/Lagarde, Bericht EVÜ, ABl.  ( EG) 1980 Nr. C 282 S.  5; vgl. auch Rauscher/v. Hein, EuZPR, Einl. Rom I-VO Rn.  1. 933  So i.E. auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  490; Schack, IZVR, Rn.  259. 934  Zu den Argumenten gegen ein System ausschließlicher Zuständigkeiten auch schon oben, B. V. 935  Dazu oben B. IV. 3. b), c), 4. 930  931 

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

des Deliktsgerichtsstandes zugrunde legte,936 zu differenzieren. v. Mehrens Restriktionsvorschläge sind daher aus europäischer Sicht nur eingeschränkt zu empfehlen.

IV. Ergebnis Dem US-amerikanischen Zuständigkeitsrecht ist das Grundprinzip des actor sequitur forum rei fremd. EuGVO und ZPO stellen das Prinzip zwar formal an den Ausgangspunkt, doch in Anbetracht der den Kläger begünstigenden besonderen Gerichtsständen und der durch die Rechtsprechung des EuGH verstärkten Klägerinteressen verdient v. Mehrens Befund Zustimmung, dass der Beklagtenschutz in der Praxis nicht immer Realität ist. v. Mehren übersieht jedoch, dass gerade das klägerische Wahlrecht nach einem Gegengewicht im Sinne eines Gerichtsstandes am Wohnsitz des Beklagten verlangt. Stattdessen will er Ursachenbekämpfung betreiben und konkurrierende Gerichtsstände sowie das forum shopping reduzieren. Für das europäische Recht ist dieser Vorschlag nur bedingt tragfähig, weil im System der abstrakten Typisierung von Gerichtsständen das Wahlrecht dem Justizgewährungsanspruch des Klägers dient und eine trennscharfe Lokalisierung des Streitgegenstandsbezuges utopisch ist.

E.  Verhältnis der internationalen Zuständigkeit zum anwendbaren Recht Ein Gleichlauf zwischen internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht, d. h. zwischen forum und ius, ist auf verschiedene Weise möglich. Das forum kann maßgeblich für das IPR sein, indem das zur Entscheidung bestimmte Gericht generell das eigene Sachrecht anwendet, sog. lex fori-Prinzip.937 Zudem kann die internationale Zuständigkeit aus dem anwendbaren Recht abgeleitet werden. Dann ist entweder die Zuständigkeit positiv unter die Voraussetzung der Anwendbarkeit des materiellen Rechts des Forums zu stellen ( forum legis/ positiver Gleichlauf), oder das Verhältnis negativ als Fehlen der Zuständigkeit bei der Anwendbarkeit ausländischen Sachrechts auszugestalten (negativer Gleichlauf).938 Im europäischen internationalen Verfahrens- und Privatrecht mit Trotz seiner skeptischen Grundhaltung so auch Juenger, 63 Tul. L. Rev. 553, 570 ff. (1989). 937  Auch „umgekehrter Gleichlauf“ genannt, vgl. Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  108. 938  Zu diesen Möglichkeiten allgemein: Geimer, IZPR, Rn.  1041 f., 1064; v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  28; Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102, 104. 936 

E.  Verhältnis der internationalen Zuständigkeit zum anwendbaren Recht

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den bedeutenden Rechtsinstrumenten der EuGVO, EuEheVO und den RomVOen wird ein Gleichlauf heute aus den noch darzulegenden teleologischen und konzeptionellen Unterschieden abgelehnt. Die Frage verlagert sich vielmehr auf eine Parallelität in der Anknüpfung und Auslegung.939 Schon zuvor stand im deutschen internationalen Verfahrensrecht nur noch ein gemäßigter Gleichlauf in bestimmten Bereichen wie der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur Diskussion, ein strikter Gleichlauf in der Version v. Bars oder Feuerbachs gilt schon lange als überholt.940 Hier ist zu untersuchen, in welches Verhältnis v. Mehren forum und ius stellt, der zusammen mit seinem Kollegen Trautman eine eigene IPR-Theorie (sog. functional analysis) entworfen hat. Aufschlussreich ist dazu zunächst ein Blick auf die Rechtslage in den USA.

I. Trennungsgrundsatz und Gleichlauferwägungen in der US-amerikanischen Rechtsprechung und Literatur 1. Rechtsprechung des US Supreme Court Der US Supreme Court betrachtet die internationale Zuständigkeit (personal jurisdiction) und das IPR (choice of law) als separate Rechtsmaterien und prüft deren Voraussetzungen grundsätzlich getrennt. Zwar ist der verfassungsrechtliche Maßstab terminologisch ähnlich, denn zur Anwendung des eigenen Rechts bedarf es im Internationalen Privatrecht ebenfalls eines gewissen Mindestkontakts, genauer: „a significant contact or significant aggregation of contacts“.941 In etlichen der bereits besprochenen Entscheidungen zur internationalen Zuständigkeit führt das Gericht aber die Trennung vom IPR an, so ganz deutlich im Mehrheitsvotum der Entscheidung Shaffer v. Heitner: „we have rejected the argument that if a State‘s law can properly be applied to a dispute, its courts necessarily have jurisdiction over the parties to that dispute“.942 In der EntscheiWürdinger, RabelsZ 75 (2011), 102, 112 (113 ff. zur parallelen Auslegung); zur übergreifenden Auslegung und konzeptionellen Parallelen: Lein, YbPIL 10 (2008), 177 ff.; Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 ff.; Mankowski, in: FS Heldrich (2005), S.  867 ff. 940  v. Bar, IPR II, S.  427: „Die Gerichte desjenigen Staates haben zu entscheiden, dessen Gesetze dem in Streit gebrachten Anspruch die letzte maßgebliche Gestalt gegeben haben“; Feuerbach, Themis, S.  86: „Ein rechtskräftiger Richterspruch ist weiter nichts als das aus dem allgemeinen Gesetz abgeleitete Gesetz der Parteien: und so wäre es zum mindesten ein Widerspruch, wenn man diesem verweigerte, was man jenem gestattete“ (d. h. der Richterspruch samt Zuständigkeit ist ein materiellrechtlicher Ausfluss); so auch die Einschätzung von Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  111 f.; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  118. 941  Allstate Insurance Co. v. Hague, 449 U.S.  302, 313 (1981); zur Ähnlichkeit prima facie auch Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  250. 942  433 U.S.  186, 215 (1977); Näheres zu den Entscheidungsgründen oben B. II. 4. b). 939 Vgl.

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

dung Burger King Corp. v. Rudzewicz wiederholte das Gericht, dass die Anwendbarkeit des Sachrechts des Forums nach den Regeln des IPR keine ausreichende Begründung für die internationale Zuständigkeit gibt.943 Auch umkehrt verdeutlichen Entscheidungen zum Kollisionsrecht, dass die zuständigkeitsrechtlichen Mindestkontakte des Beklagten nicht den verfassungsmäßigen Maßstab für das IPR bilden: „The Court has recognized that examination of a State’s contacts may result in divergent conclusions for jurisdiction and choiceof-law purposes.“944 Folglich erteilt das Gericht zumindest einem strengen Gleichlauf eine Absage.945 Die grundsätzliche Trennung darf nicht darüber hinweg täuschen, dass der Supreme Court in einzelnen Entscheidungen maßgeblich auf Erwägungen zum jeweils anderen Rechtsgebiet rekurriert. Die Entscheidung Burger King Corp. v. Rudzewicz etwa leitet aus einer Rechtswahlklausel beider Parteien zugunsten des Rechts von Florida die für personal jurisdiction notwendige zweckgerichtete Inanspruchnahme (purposeful availment) der Gerichtshoheit durch den ausländischen Beklagten ab, obwohl eigentlich die Trennung vom IPR konstatiert wird und trotz des im Vertrag enthaltenen disclaimer einer Gerichtsstandsvereinbarung.946 Bezüglich des Urteils Hanson v. Denckla947 stellt v. Mehren heraus, dass aus verfahrensrechtlicher Sicht beide Fora, in Florida und Delaware, hätten eröffnet werden können und für die Parteien fair gewesen wären. Dem Gericht aber sei die kollisionsrechtliche Entscheidung des Staates Floridas zugunsten der lex fori missfallen, doch es habe das einzelstaatliche IPR nicht direkt verfassungsrechtlich regulieren wollen – wie auch die spätere Entscheidung Allstate Insurance Co. v. Hague zeige948 – und habe daher das anwendbare Recht indirekt über die Zuständigkeit Delawares korrigiert.949 Diese Deutung erklärt sich vor dem Hintergrund, dass im Kollisionsrecht der nach due process erforderliche Nexus zwischen dem Forum und der transaction dem einzelstaatliche Recht nur ausnahmsweise Grenzen setzt und schon ein geringfügiger Kontakt die Anwen943 

471 U.S.  462, 481 f. (1985); dazu oben B. II. 3. d). Allstate Insurance Co. v. Hague, 449 U.S.  302, 317 in Fn.  23 (1981). 945  Ähnlich die Deutung von Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  172; Casad/ Richman/Cox, Jurisdiction, S.  252 f., 254 f.; Maltz, 30 Ariz. L. Rev. 751, 759 f. (1988). 946  471 U.S.  462, 481 f. (1985); kritisch zu dieser Bezugnahme auf das IPR Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  252. 947  357 U.S.  235 (1958); dazu oben B. II. 3. b). 948  v. Mehren/Trautman, 10 Hofstra L. Rev. 35 ff. (1981). 949  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  115; sowie die als rhetorische Fragen gestellten Anmerkungen bei v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  614, 1324; eine Manipulation des IPR-Prozesses sehen auch Peterson, 14 U.C. Davis L. Rev. 869, 874 f. (1981); Reynolds, 18 Hastings Const. L.Q. 819, 822, 865 (1991). 944 

E.  Verhältnis der internationalen Zuständigkeit zum anwendbaren Recht

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dung der lex fori erlaubt.950 Das choice of law ist also weniger durch Verfassungsrecht beschränkt als die personal jurisdiction,951 weshalb sich der Supreme Court hier vermutlich an einer mittelbaren Einflussnahme versucht hat. Zudem sind staatliche Interessen als Faktor in der zuständigkeitsrechtlichen Fairnessabwägung (reasonableness) sowie bei einer Abweisung nach der Rechtsfigur des forum non conveniens anerkannt, wozu auch das Interesse an der Anwendung eines bestimmten – meist des eigenen – Rechts zählt.952 2. Gleichlauferwägungen a) Ansätze eines forum legis In der US-amerikanischen Literatur finden sich verschiedene Ansätze eines Gleichlaufs. Die Maßgeblichkeit der Wertungen des IPR für die internationale Zuständigkeit postulieren Harold Maier und Thomas McCoy. Sie glauben, dass ein Richter fremdes Recht gar nicht anwenden kann, weil er sich zwangsläufig an den gesellschaftlichen, politischen und verfahrenstechnischen Vorstellungen des Forums orientiert.953 Ihre unifying theory richtet zwar formal das anwendbare Recht nach der lex fori aus, will die Zuständigkeit aber schon nach kollisionsrechtlichen Erwägungen ermitteln, vornehmlich nach dem politischen Interesse der beteiligten Staaten an einer Entscheidung über den Rechtsstreit und weniger nach den Parteiinteressen. Die Zuständigkeitsbegründung erfolgt daher allein über die specific jurisdiction.954 Eine kollisionsrechtliche Prüfung will auch Wendy Perdue in die internationale Zuständigkeit einführen, die als vorläufiger „Eingangstest“ dienen soll. Sie übernimmt das Erfordernis eines significant contact aus der kollisionsrechtlichen Rechtsprechung und sucht nach einem staatlichen Regulierungsinteresse 950  So der heutige Maßstab gemäß den Leitentscheidungen Allstate Insurance Co. v. Hague, 449 U.S.  302 (1981); Phillips Petroleum Co. v. Shutts, 472 U.S.  797 (1985) und Sun Oil Co. v. Wortman, 486 U.S.  717 (1988); dazu ausführlich: Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  180 ff., 192 f.; Maltz, 30 Ariz. L. Rev. 751, 756 ff. (1988); zudem setzt dem IPR die full faith and credit clause gewisse Grenzen, vgl. die Hague-Entscheidung. 951  Trotz ähnlicher Terminologie ist der Mindestkontakt zwischen forum und transaction im IPR also nicht gleichzusetzen mit dem Kontakt zwischen forum und defendant im Zuständigkeitsrecht. 952  Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S.  235, 260 note 29 (1981): „Many forum non conveniens decisions have held that the need to apply foreign law favors dismissal“, dies lehnt der Supreme Court aber ebendort ab; bzgl. der reasonableness ist unklar, ob die Entscheidung Keeton v. Hustler Magazine, Inc., 465 U.S.  770, 778 (1984) nur im Speziellen oder im Allgemeinen das staatliche Interesse an der Anwendung des eigenen Rechts verworfen hat, zu ersterer Deutung Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  110 f. insb. Fn.  117. 953  Maier/McCoy, 39 Am. J. Comp. L. 249, 252 (1991). 954  Maier/McCoy, 39 Am. J. Comp. L. 249, 256 f., 266 ff. (1991).

182

Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

in der Verbindung der Parteien zum Forum, etwa anhand der Staatsangehörigkeit oder des Handlungs- und Erfolgsorts.955 Auch andere Gleichlauftheorien räumen den staatlichen Entscheidungs- und Regulierungsinteressen Vorrang vor der prozessualen Gerechtigkeit ein und bewerten die internationale Zuständigkeit und das IPR als Ausdruck der Abgrenzung staatlicher Hoheitssphären.956 Diese Ansätze zielen folglich alle, mehr oder weniger exklusiv, auf ein forum legis. b) Lex fori-Theorien Umgekehrt werden auch zivilprozessuale Wertungen auf das IPR übertragen. Nach James Martin957 hat ein Forum sein eigenes Recht anzuwenden, wenn eine hinreichende Verbindung zwischen dem Streitgegenstand und dem Beklagten besteht, d. h. bei Vorliegen von specific jurisdiction. Bei der personenbezogenen general jurisdiction komme indes fremdes Recht zur Anwendung.958 Somit wird ein Gleichlauf zwischen der specific jurisdiction und der Anwendung des eigenen Sachrechts erzeugt, gewissermaßen in Form einer „gespaltenen“ lex fori-Theorie. Der wohl bekannteste lex fori approach geht auf Albert A. Ehrenzweig959 zurück. Er hegte eine tiefe Aversion gegen die allseitigen Kollisionsnormen kontinentaleuropäischer Prägung. Diese beruhen seiner Meinung nach auf der Illusion eines eingebildeten Überrechts („superlaw“), weil der Sitz eines Rechtsverhältnisses schon vor der eigentlichen Verweisung bestimmt wird.960 Mangels eines verbindlichen Überrechts müsse die lex fori Ausgangspunkt des Kollisionsrechts sein, die zunächst auf bestehende Kollisionsregeln zu untersuchen ist (true rules oder nicht geregelte inchoate rules), sodann sollen hilfsweise Sachnormen der lex fori in räumlicher Sicht nach ihren wirtschaftlichen und sozialen Rechtszwecken (policies) befragt werden, bevor hilfsweise das materielle Recht

Perdue, 32 B. C. L. Rev. 529, 571 ff. (1991). Carrington, 98 Colum. L. Rev. 1516, 1535 (1998); Stein, 65 Tex. L. Rev. 689, 761 (1987). 957  Martin, 78 Mich. L. Rev. 872, 879 ff. (1980); kritisch dazu Peterson, 14 U.C. Davis L. Rev. 869, 878 ff. (1981). 958  Zu diesem Argument vgl. die Metapher von Silberman, 53 N.Y.U. L. Rev. 33, 88 (1978): „To believe that a defendant‘s contacts with the forum state should be stronger under the due process clause for jurisdictional purposes than for choice of law is to believe that an accused is more concerned with where he will be hanged than whether.“ 959  Ehrenzweig war Protagonist der US-amerikanischen IPR-Revolution, zu dieser sogleich unter E. II. 960  Ehrenzweig, Treatise, S.  12; ders., 103 U. Pa. L. Rev. 133, 154 f. (1954). 955 

956 

E.  Verhältnis der internationalen Zuständigkeit zum anwendbaren Recht

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der lex fori berufen ist (residuary rule).961 Die lex fori bildet also nicht schon das Primärstatut, weshalb von einem strengen Gleichlauf eigentlich keine Rede sein kann.962 Allerdings bezeichnet Ehrenzweig die lex fori als Grundregel (basic rule)963 und beruft sie relativ häufig als Hilfsstatut.964 Auch sein Traum von der „lex propria in foro proprio“965 lässt einen Gleichlauf erkennen. Auch der „radikalste“966 IPR-Revolutionär Brainerd Currie geht kollisionsrechtlich vom eigenen Recht aus, jedoch ermittelt er mit seiner interest analysis ebenso die Anwendungsinteressen fremder Staaten (governmental interests)967 und gibt Gleichlauferwägungen weniger Raum. Der Einfluss von lex fori-Theorien auf das heutige IPR ist in den USA insgesamt eher als gering zu bewerten.968 c) Gegenargumente Den vereinzelten Gleichlauferwägungen hält die US-amerikanische Literatur durchaus überzeugende Argumente einer Differenzierung entgegen. Bei der internationalen Zuständigkeit liege der Fokus auf der Fairness gegenüber dem Beklagten, während das anwendbare Recht nach einer Nähebeziehung zu beiden Parteien ausgewählt werde und zugleich räumlich die Rechtsanwendungsinteressen der beteiligten Staaten abgrenze. Bei der Auswahl des Sachrechts verschiedener Rechtsordnungen sei im Unterschied zur Zuständigkeit in der Tat allein der Souveränitätsaspekt maßgeblich und bei interlokalen Konflikten das full faith and credit-Gebot tangiert.969 Außerdem wird erkannt, dass die Auswahlmöglichkeiten des Klägers zwischen verschiedenen Gerichtsständen in Einklang zu bringen sind mit einem Anspruch des Beklagten auf prozessuale Gerechtigkeit ( forum fairness), wohingegen im Kollisionsrecht die Suche nach einer materiell sachgerechten Regelung im Mittelpunkt steht (rule fairness).970 961  Übersichtliche Darstellung als verbessertes „Restatement“ Ehrenzweig, 18 Okla. L. Rev. 340 ff. (1965). 962 Ähnlich Siehr, in: Symposium Ehrenzweig und das IPR (1984), S.  35, 45, 47. 963  Ehrenzweig, 58 Mich. L. Rev. 637, 645 (1960) (schon der Titel lautet „The lex fori – basic rule in the conflict of laws“). 964  Nach eigener Aussage bildet sie sogar die Regel, selbst rechtsvergleichend, vgl. Ehrenzweig, Treatise, S.  309 ff. 965  Ehrenzweig, 18 Okla. L. Rev. 340, 350 ff. (1965). 966  Kegel, in: FS Beitzke (1979), S.  551, 554. 967  Currie, 1959 Duke L.J. 171, 178. 968  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  114 f., listen nur zwei Staaten (Kentucky und Michigan) auf, die im Deliktsrecht eine Variation der lex fori im Gewand einer Interessenanalyse anwenden. 969  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  194; Hay, 59 U. Colo. L. Rev. 9, 34 (1988). 970  Maltz, 30 Ariz. L. Rev. 751, 765 (1988).

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

II. IPR-Theorie der functional analysis (v. Mehren/Trautman) In den Vereinigten Staaten, die kein für alle Bundesstaaten einheitliches Kollisionsrecht und nur wenige einzelstaatliche IPR-Kodifizierungen besitzen, hat sich im 20. Jahrhundert eine Revolution im IPR vollzogen, welche bis in die Gegenwart fortwirkt.971 Hintergrund ist die vested rights theory von Joseph ­Beale, der aus der comitas-Lehre von Joseph Story die Notwendigkeit einer Anerkennung der anderswo erworbenen subjektiven Rechte im eigenen Hoheitsgebiet ableitete.972 Dieses territoriale Denken fasste er im Restatement (First) of Conflicts im Jahr 1934 in Kollisionsnormen, wo z.B. auf die lex loci delicti oder lex loci contractus verwiesen wird. Das System fester Anknüpfungsregeln sah sich schon bald der Kritik der legal realists wie Walter Wheeler Cook und Richter Learned Hand ausgesetzt, derer Meinung nach die formale Rechtsfindungsmethode in der Praxis zu sinnlosen Ergebnissen einer Begriffsjurisprudenz führt. Nach ihrer local law theory wendet der Richter vielmehr grundsätzlich inländisches Recht an, gegebenenfalls formt er die lex fori nach dem berufenen Recht um.973 Die Strömung der legal realists hatte in den 1930er Jahren die conflicts revolution eingeleitet, welche ab den 1960er Jahren in eine judicial revolution bei den Gerichten überging. Die neueren Ansätze von Cavers, Leflar, Currie, Ehrenzweig und v. Mehren/Trautman, um nur die wichtigsten Vertreter zu nennen, kennzeichnet die Aufgabe starrer Kollisionsregeln und das Aufstellen bloßer Methoden.974 v. Mehrens und Trautmans functional analysis steht in der Tradition der Interessenanalyse von Currie und Cavers, teilweise auch Ehrenzweigs. Der Name David Cavers steht für eine Auslegung des Sachrechts mit dem Ziel, über seinen Geltungsbereich und Rechtszweck das Anwendungsinteresse der betroffenen Staaten zu ermitteln.975 Brainerd Currie fragt nach den Interessen (governmental interests) der Staaten an der Durchsetzung ihrer sog. policy und unterscheidet unechte Interessenkonflikte, sog. false conflicts, mit Anwendungswillen nur 971  Dazu die Beiträge zum Symposium „American Conflicts Law at the Dawn of the 21st Century“ u. a. von v. Mehren, Symeonides, Juenger, s. 37 Willamette L. Rev. 1 ff. (2001); einen guten Überblick gibt auch Symeonides, The American Choice-of-Law Revolution (2006). 972  Beale, Treatise on the Conflict of Laws III, S.  1968 f. 973  Guinness v. Miller, 291 f. 769, 770 (S.D.N.Y. 1923) (Judge Hand), vgl. Cook, Conflict of Laws, S.  20 f. 974  Vgl. zur IPR-Revolution die Darstellungen in deutscher Sprache bei v. Bar/Mankowski, IPR I, §  6 Rn.  81 ff.; Kegel/Schurig, IPR, S.  197 ff.; sowie aus dem US-Amerikanischen Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  18 ff. 975  Grundlegend Cavers, 47 Harv. L. Rev. 173 ff. (1933); in seinem späteren Werk von 1966, The Choice-of-Law Process, schlägt er „principles of preference“ insb. für das Vertrags- und Deliktsrecht vor.

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eines Staates, von den echten Konflikten, den sog. true conflicts, welche durch die Heranziehung der lex fori zu lösen seien.976 Die eigene Methodik erläutern v. Mehren und Trautman in ihrem Lehrbuch „The Law of Multistate Problems“ ausführlich (auf 354 Seiten) anhand vielzähliger Fälle aus der Rechtsprechung, sodass eher der Eindruck eines Werkes voller „Beispiele mit Lehrbuch“977 entsteht. Die Ermittlung des auf einen grenz­ überschreitenden Fall anzuwendenden Rechts soll im Wesentlichen in drei ­Stufen erfolgen. Diese sind hier auf ihre wesentlichen Charakteristika zu untersuchen, um mögliche Wechselbeziehungen mit dem Recht der personal jurisdiction aufzuspüren. 1. Ermittlung der betroffenen Rechtsordnungen (concerned jurisdictions) In der ersten Phase wollen die Autoren die im konkreten Fall betroffenen Rechtsordnungen (concerned jurisdictions) ausfindig machen.978 Zunächst ist nach möglicherweise in Betracht kommenden Rechtsordnungen anhand von tatsächlichen Verbindungen (connecting factors) zu suchen, die eine körperliche Verbindung zwischen den Staaten herstellen (physical characteristics). Bei einem Zugunglück etwa, durch das ein Bahnangestellter verletzt wurde, sollen der Erfolgsort der Verletzungshandlung, der Handlungsort, der Wohnort sowie der Ort der Anstellung des verletzten Arbeiters relevant sein.979 Im Unterschied zur Methodik nach Savigny wird also nicht der Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses nach einem bestimmten Anknüpfungspunkt ermittelt, sondern es werden zunächst verschiedene faktische Berührungspunkte benannt. Sodann müsse die Betroffenheit (concern) der Rechtsordnung untersucht werden. Hierfür entnehmen v. Mehren und Trautman die den einschlägigen Sachnormen zugrunde liegenden Interessen, die sog. direct concerns. Die direct concerns werden von ihnen funktional nach ihrer Zweckrichtung untergliedert in solche Normen, die ein Interesse an Personen ausdrücken (z.B. die Handlungs- und Geschäftsfähigkeit), Verhaltensweisen regulieren (z.B. im Deliktsrecht), private Rechtsgestaltungen ermöglichen (z.B. das Vertragsrecht), und solche, die staatliche Interessen an der Ordnung des Gemeinwesens aufzeigen (z.B. das Strafrecht).980 Daneben seien die sog. general concerns zu beachten, die nicht aus einer Sachnorm, sondern aus dem Wesen einer Rechtsordnung 976  Grundlegend Currie, Selected Essays (1963), kompakt dargestellt ders., 63 Col. L. Rev. 1233, 1242 f. (1963); überwiegend kritische Rezension durch v. Mehren, 17 J. Legal Educ. 91 (1964). 977  Kegel, JZ 1966, 327, 328. 978  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  76 (Überblick über die erste Phase). 979  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  103 f. 980  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  106 f., 115 f.

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abgeleitet werden. Sie umfassen beispielsweise das Interesse an der Anwendung eigener Verfahrensvorschriften oder an der Wahrheitsfindung aufgrund der Beteiligung eigener Staatangehöriger.981 Lassen Rechtsordnungen derartige Interessen erkennen, gelten sie als betroffen. Zeigt nur eine Rechtsordnung ein Interesse bzw. überwiegt ihr Interesse deutlich, etwa weil das andere Sachrecht eine rein mechanische und zufällige Anknüpfung wie den Handlungsort verwendet, oder weisen alle betroffenen Rechtsordnungen gar identische Interessen auf, sollen diese Fälle ausscheiden ( false conflicts). Ein solcher unechter Konflikt bestehe ferner dann, wenn lediglich eine der betroffenen Sachnormen Auslandsfälle betrifft.982 In diesen Fällen ist die Sachnorm der einzig bzw. überwiegend interessierten Rechtsordnung heranzuziehen. 2. Bildung einer Normwahlnorm (regulating rule) Die verbleibenden Konflikte will die functional analysis in ihrer zweiten Phase lösen, indem für jede der betroffenen Rechtsordnungen ad hoc eine sog. regulating rule zu bilden ist.983 Das ist eine Normwahlnorm,984 die unter den konkurrierenden Sachnormen die im konkreten Fall anzuwendende bestimmt. Bei der Bildung einer solchen regulating rule könne auf das materielle Recht der lex fori oder einer anderen betroffenen Rechtsordnung zurückgegriffen werden oder gar eine nur auf Mehrstaatenfälle anwendbare Spezialregelung entwickelt werden. Dabei sei den Zielsetzungen der kollidierenden Normen sowie den speziell bei zwischenstaatlichen Rechtsvorgängen berührten Zwecken Rechnung zu tragen.985 Als Beispiel nennen v. Mehren und Trautman Gläubigerschutzvorschriften, die bei Errichtung eines Stiftungsvermögens zugunsten eines Dritten nur in zwei von drei betroffenen Rechtsordnungen enthalten sind, nämlich am Wohnsitz des Stifters und Schuldners im Staat X, wo die Stiftung auch errichtet wird, sowie am Wohnsitz des Begünstigten im Staat Z, nicht aber am Ort des Stiftungsvermögens in Staat Y. Für den Staat X sei eine Normwahlnorm dahingehend zu bilden, dass seine eigene Schutzvorschrift nur dann berufen werden muss, wenn die Gläubiger auch im eigenen Staat wohnen. Der Staat Z habe zwar ebenfalls ein geringes Interesse am Gläubigerschutz, er nehme aber möglicherweise auf den Parteiwillen von Stifter und Begünstigtem Rücksicht, weil das Vertrauen der Parteien in die Wirksamkeit der Stiftung bei einem mehrstaatliv. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  148 f., 162 f. v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  327–340. 983  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  77 (Überblick über die zweite Phase). 984  Diese Bezeichnung wählt auch Lipert, Neostatutismus der USA, S.  83. 985  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  215–327. 981 

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chen Fall mit Errichtung im Ausland als höher zu bewerten sei. Dies stimme mit der Normwahlnorm von Staat Y überein, der Stiftungsvermögen in seinem Staat erhalten und die Wirksamkeit begünstigen möchte. Folglich werde das Sachrecht von Staat Y ohne die Gläubigerschutzvorschriften berufen.986 Führen auch die Normwahlnormen nicht zu einem Ergebnis, liegt ein echter Konfliktfall (true conflict) vor. Die Differenzierung von false und true conflicts entspricht im Wesentlichen der Vorgehensweise Curries.987 Dieser nimmt allerdings nicht auf das allgemeine Interesse des Staates Bezug, sondern ausschließlich auf die governmental interests des materiellen Sachrechts.988 Die general concerns der ersten Phase sind ihm mithin fremd. Der wesentliche Unterschied zwischen interest und functional analysis liegt aber in der anschließenden Behandlung der true conflicts. 3. Auflösung von true conflicts In dieser dritten Phase gelte es, die auf den konkreten Fall anwendbare Sachnorm anhand ihrer vorwiegenden Betroffenheit (predominantly concerned jurisdiction) zu bestimmen. Zur Feststellung dieser Prädominanz einer Sachnorm könnten die Berücksichtigung des internationalen bzw. interstaatlichen Charakters des konkreten Falles, das Abstellen auf die speziellere Norm im Sinne des Grundsatzes lex specialis derogat legi generali sowie die Möglichkeit einer effektiven Rechtsdurchsetzung dienen.989 Sollte auf diese Weise keine Sachnorm als vorwiegend betroffen ausgemacht werden können, seien die hinter den betroffenen Sachnormen stehenden Interessen und rechtspolitische Zwecke gegeneinander abzuwiegen (weighing of conflicting policies). Dabei ist die Überzeugungskraft der verfolgten Rechtspolitik zu bewerten, ebenso wie die Angemessenheit der Regelung im Verhältnis zu ihrem Rechtszweck, die Anzahl der jeweiligen Einzelinteressen sowie die Nähe zum Sachverhalt.990 Eine im Entstehen begriffene Rechtspolitik überzeuge beispielsweise mehr als eine absterbende. So soll die Handlungsfähigkeit einer Ehefrau nicht nach ihrem Heimatrecht zu beurteilen sein, wenn dieser Staat bereits mehrfach die ehebedingten Beschränkungen der Handlungsfähigkeit gelockert hat, weil darin eine schrittweise Aufgabe der Rechtspolitik zum AusStark vereinfacht nach v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  217 ff. ebenfalls der Vergleich durch Kay, 18 J. Legal Educ. 341, 346 (1966); Joerges, Funktionswandel des Kollisionsrechts, S.  54 f. 988  Currie, Selected Essays on the Conflict of Laws, S.  621 (Definition eines governmental interest). 989  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  341–375; kritisch dazu Heller, Realität und Interesse, S.  151 f. 990  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  376–400. 986 

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druck komme.991 Des Weiteren seien solche Interessen abzuwägen, die allen Rechtsordnungen übergeordnet sind, wie die Einfachheit, Administrierbarkeit und Effektivität des Rechts (multijurisdictional policies).992 Die Ermittlung des Vorrangs eines oder mehrerer Interessen stellt eine Abkehr vom System Curries dar. Dieser verbietet strikt jegliche Abwägung der governmental interests, denn sie seien eine politische und keine rechtliche Entscheidung.993 Zuletzt schlagen v. Mehren und Trautman noch eine multi-jurisdiktionelle Lösung vor (multijurisdictional solution). Diese Methode verfeinert später v. Mehren.994 Dabei tritt noch deutlicher hervor, dass es sich um die Ausbildung einer neuen Sachnorm handelt, obwohl diese Möglichkeit ursprünglich von beiden Autoren als Unterfall einer Normwahlnorm (regulating rule) behandelt wird.995 Schon im gemeinsamen Lehrbuch wird beschrieben, dass es bestimmte Situationen gebe, in denen eine Lösung auf Ebene des materiellen Rechts geboten sei. Etwa sei eine Handschuhehe mit einem Stellvertreter, wie sie in Japan oder China praktiziert werde, im Inland akzeptabel und dann wirksam, wenn der abwesende Ehepartner nachträglich zustimme – also gemäß einer rein fiktiven Anerkennungsvoraussetzung des inländischen Rechts.996 v. Mehren nennt als weiteres Beispiel, dass ein Recht vollen Schadensersatz zuspricht, die andere betroffene Rechtsordnung hingegen überhaupt keinen Ersatz vorsieht. Sind beide Staaten gleich stark an der Anwendung ihrer Regelung interessiert, wie beispielsweise bei Auseinanderfallen von Handlungs- und Erfolgsort, so biete sich als schonender Ausgleich die Gewährung des halben Schadensersatzes an.997 Dabei betont er die Funktion der Rechtsvergleichung, die wesentlich zur Kompromissfindung beitragen könne.998 Kann danach die vorwiegend betroffene Rechtsordnung noch immer nicht bestimmt und auch kein neues Sachrecht gebildet werden, handele es sich um einen sog. unauflösbaren Konflikt (irreducible conflict). Für dessen Lösung wird vorgeschlagen, die Erwägungsstufen nochmals mit besonderem Augenmerk auf den multistaatlichen Charakter der Streitigkeit und die Absichten der 991  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  376 f., dargestellt an der Entscheidung Milliken v. Pratt, 125 Mass. 374 (1878). 992  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  395. 993  Currie, Selected Essays on the Conflict of Laws, S.  182 f.; zu diesem Unterschied beider Systeme Gorman, 115 U. Pa. L. Rev. 288, 294 (1966). 994  v. Mehren, 88 Harv. L. Rev. 347, 356 ff. (1974), benannt als special substantive rules for multistate problems; zudem ders., 23 Am. J. Comp. L. 751, 757 f. (1975). 995  Gliederungspunkt des Kapitels §  3 The Regulating Rule, v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  226–232, sowie S.  401–403. 996  v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  230. 997  v. Mehren, 88 Harv. L. Rev. 347, 366 (1974). 998  v. Mehren, 23 Am. J. Comp. L. 751, 757 f. (1975).

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Parteien zu durchlaufen. Als letzte Option ist schließlich auf die lex fori zurückzugreifen, sofern damit kein forum shopping begünstigt wird.999 4. Abschließende Bewertung Die functional analysis wird ihrem Namen gerecht, da sie die Rechtszwecke einer Sachnorm im Gefüge ihrer nationalen Rechtsordnung untersucht, die Anwendungsinteressen funktionell analysiert und diese zuletzt gegeneinander abwägt. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Ermittlung der concerned jurisdiction. Doch gerade die Vielschichtigkeit der Methode wird in der Literatur bemängelt: sie sei übertrieben feinsinnig, zu kompliziert,1000 und zeitaufwendig.1001 Oftmals ist nämlich nicht ganz klar, auf welcher Lösungsstufe eine bestimmte Erwägung heranzuziehen ist, beispielsweise ob ein Interesse schon so deutlich überwiegt, dass gar kein Konflikt besteht ( false conflict), oder ob das Interesse erst später als allgemeiner rechtspolitischer Zweck heranzuziehen ist, sollte eine Normwahlnorm nicht in eine bestimmte Richtung weisen. Doch vermutlich geht es v. Mehren und Trautman gar nicht so sehr um die richtige Einordnung bestimmter Interessen, als vielmehr um die Auslegung und Abwägung der Rechtszwecke sowie die Anregung eines eigenen Denkprozesses, wofür sie dem Rechtsanwender ein rationales Schema zur Seite stellen wollen.1002 In der Gerichtspraxis aber konnte sich die functional analysis in keinem Bundesstaat als allein maßgebliche Theorie durchsetzen, allenfalls partiell findet sie sich als Interessenabwägung in einer Kombination mit anderen Theorien wieder.1003 Kritisch zu bewerten ist die durch v. Mehren fortentwickelte multi-jurisdiktionelle Lösung, die ad hoc neues Sachrecht ausbildet. Sie vernachlässigt das Ordnungsinteresse an einer realen Entscheidung, ohne dass unmittelbar Anlass zu einer Anpassung bestünde. Wenn möglich sollte vielmehr stets eine existierende Rechtsordnung berufen werden und ihr materielles Recht wie vorgefunden zur Anwendung kommen.1004 Aus europäischer Sicht wirkt es selbstverständlich auch befremdlich, dass durch eine Auslegung der Sachnormen ihr räumlicher Geltungsbereich bestimmt wird (unter Aufhebung der Trennung von v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  407 f. Gorman, 115 U. Pa. L. Rev. 288, 291 (1966): „unrealistically subtle and overly elaborate“; ähnlich kritisch Lipert, Neostatutismus der USA, S.  84. 1001  Kegel, JZ 1966, 327, 328. 1002  S. die Einleitung bei v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  76; als allgemeine guideline auch Leflar, 39 Tul. L. Rev. 618, 620 (1965). 1003  Zur Kombination moderner IPR-Theorien in einigen Bundesstaaten: Hay/Borchers/ Symeonides, Conflict of Laws, S.  115 ff. 1004 Vgl. Kegel/Schurig, IPR, S.  201; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S.  331–335 (insb. zu Steindorffs „Sachnormen“). 999 

1000 

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Sachrecht und Kollisionsrecht), Entscheidungen im Einzelfall getroffen, die allgemeinen Kollisionsnormen über Bord geworfen und Staatsinteressen in das Internationale Privatrecht einbezogen werden1005 – doch gerade darauf kommt es den US-amerikanischen Reformern an. Im Hinblick auf das Verhältnis zur internationalen Zuständigkeit darf man eine Trennung konstatieren. Die lex fori hat in der functional analysis keine Bedeutung als allgemeine Doktrin, wie etwa als basic/residuary rule bei Ehrenzweig.1006 Als reines Hilfsstatut wird sie seltener herangezogen als bei der Interessenanalyse Curries,1007 der mangels einer Abwägung schon bei einem Anwendungsinteresse des Forums nach dem eigenem Recht entscheiden will. Dessen Bevorzugung der lex fori lehnen v. Mehren und Trautman an anderer Stelle ausdrücklich ab, weil die Gefahr einer rückwirkenden Ausweitung oder Einschränkung der internationalen Zuständigkeit bestehe, die beispielsweise in einer Rechtsschutzverweigerung für Inländer resultieren kann, nur weil das IPR zu einer als unangemessen empfundene Lösung führt.1008 Man kann jedoch bezweifeln, ob es immer gelingt, unbeeinflusst von den eigenen Rechtsvorstellungen für jede betroffene Rechtsordnung aus ihrer spezifischen Sicht eine regulating rule zu bilden und schließlich noch die Abwägung der Prädominanz aus unterschiedlichen Perspektiven durchzuführen.1009 Der Trend zum „Heimwärtsstreben“ ist bei v. Mehren und Trautman indes im Ergebnis gering ausgeprägt, von einem Gleichlauf zwischen forum und ius kann aus der Sicht des IPR keine Rede sein.

III. Relevanz eines forum legis bei v. Mehrens Fairnessanalyse 1. Grundsatz Einen Gleichlauf mit dem anwendbaren Recht lehnt v. Mehren auch in seiner zuständigkeitsrechtlichen Fairnessanalyse zur adjudicatory authority im Grundsatz ab. Uneingeschränkte Zustimmung verdient seine Feststellung, dass beide Materien einer eigenen, nicht austauschbaren Gerechtigkeit folgen. Basierend auf der fairness theory suche das Zuständigkeitsrecht nach einem gerechten Ausgleich zwischen dem räumlich wie sachlich am nächsten gelegenen Forum für den Kläger und einer möglichst geringen Benachteiligung des Beklagten. Wäh1005  So die recht harsche Kritik am „Traumhaus“ von Kegel, in: FS Beitzke (1979), S.  551, 558 ff. 1006  S. zur lex fori-Theorie Ehrenzweigs oben D. 2. b). 1007  Gleicher Ansicht, aber skeptisch bzgl. einer verringerten Anwendung der lex fori durch die functional analysis in der Praxis: Kay, 18 J. Legal Educ. 341, 346 (1966). 1008  v. Mehren/Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1131 (1966). 1009 Ähnlich Gorman, 115 U. Pa. L. Rev. 288, 296 (1966).

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renddessen sei das IPR um eine materiell gerechte Lösung bemüht.1010 Diese Differenzierung ist aber insofern auf das US-amerikanische Rechtssystem gemünzt, als in Europa die fairness theory keine universelle Geltung hat1011 und wir im IPR nicht die sachlich, sondern die räumlich beste Lösung1012 ermitteln. Zudem weist v. Mehren berechtigterweise darauf hin, dass die Abhängigkeit der internationalen Zuständigkeit von der eigenen Rechtsanwendung schon vor einer Entscheidung in der Hauptsache eine zeitraubende Prüfung des IPR erfordert. Dies sei besonders umständlich, wenn das IPR nicht kodifiziert ist, sondern wie in den USA überwiegend nach dem Anwendungsbereich der Gesetze geforscht werde.1013 Dadurch verstärkt man in der Tat auch das „Heimwärtsstreben“ zum eigenen Recht und bietet Anreize dafür, die kollisionsrechtliche Methodik und Anknüpfungen weniger kooperationsfreundlich auszugestalten.1014 Die internationale Entscheidungsharmonie sowie die Vorhersehbarkeit eines Gerichtsstandes würden mithin geschwächt werden. Wenig stringent ist allerdings v. Mehrens Argument, wonach ein Gleichlauf der Zuständigkeit mit dem anwendbaren Recht den Grundsatz der zuständigkeitsrechtlichen Parteinahme für den Beklagten schwäche, welcher schutzwürdiger sei als der Kläger. Die Abschwächung des Beklagtenschutzes rechtfertige sich weder aus Rücksicht auf den Kläger, noch aus Sicht des Forums.1015 v. Mehren entkräftet diese Argumentation aber selbst, indem er an anderer Stelle den Grundsatz des actor sequitur forum rei widerlegt und diesen nicht als zuständigkeitsrechtlichen Ausgangspunkt nehmen möchte.1016 Kein Gleichlauf, aber doch eine Parallelität in der Anknüpfung soll laut v. Mehren zwischen der Berufung eigenen Rechts und der Zuständigkeit aufgrund der specific jurisdiction bestehen.1017 Verdeutlicht man sich nochmals den Unterschied zwischen der specific und der general jurisdiction, erklären sich die Unterschiede in der Parallelität. Die general jurisdiction wird durch einen bev. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  29; ders., 63 B.U. L. Rev. 279, 324 (1983). Dazu oben C. IV. 1012  Vgl. Erman/Hohloch, BGB, Einl. vor Art.  3 EGBGB Rn.  39; Kegel/Schurig, IPR, S.  131; kritisch zu dieser Terminologie MüKo/v. Hein, BGB, Einl. IPR Rn.  29, der stattdessen von der „engsten Verbindung“ spricht. 1013  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  29; so auch Schack, IZVR, Rn.  246: „kollisionsrechtlichen Vorfrage“. 1014  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 328 (1983); mit Verweis auf diese Fundstelle ausdrücklich v. Mehren zustimmend Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  113. 1015  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 328 (1983): „significantly undermines the traditional preference for the defendant in jurisdictional practice.“ 1016  S.o. D. 1017  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 326 (1983); ähnlich ders., Adjudicatory Authority, S.  29. 1010  1011 

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sonders intensiven Kontakt zum Beklagten vermittelt, die US-amerikanischen Kollisionsrechtstheorien wie die functional analysis stützen sich aber nur selten auf personenbezogene Beziehungen.1018 Häufiger bezieht sich ein connecting factor oder ein interest/concern auf den einzelnen Sachverhalt, der seine Entsprechung im Streitgegenstandsbezug der specific jurisdiction findet. Daraus resultiert die Tendenz, dass bei der Zuständigkeit eines US-amerikanischen Gerichts gemäß specific jurisdiction oftmals auch die lex fori anwendbar ist. Eine solche Parallelität begegnet uns gleichfalls im deutschen und europäischen Recht, z.B. bei der Anknüpfung an die lex rei sitae für dingliche Rechte an einem Grundstück durch §  24 ZPO oder Art.  43 EGBGB.1019 Deutlich war dies bislang auch im Deliktsrecht, wo Art.  5 Nr.  3 EuGVO a. F. (Art.  7 Nr.  2 EuGVO n. F.) bzw. §  32 ZPO mit der Anknüpfung an die lex loci delicti in Art.  40 Abs.  1 EGBGB übereinstimmten, denn beide erklärten den Tatort im Sinne einer Option von Handlungs- oder Erfolgsort für maßgeblich. Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO kehrte aber vom Ubiquitätsprinzip ab und beruft zur Verhinderung einer übermäßigen Privilegierung des Klägers primär den Erfolgsort, womit die Parallelität nur noch zum Teil bestehen bleibt.1020 2. Ausnahmen Eine Durchbrechung des Trennungsgrundsatzes schlägt v. Mehren für diejenigen Fälle der category-specific jurisdiction vor, in welchen die Ermittlung des anwendbaren Sachrechts durch das Kollisionsrecht methodisch nicht gelingt oder Anwendungsprobleme beim maßgeblichen Recht bestehen, kurzum „where the choice-of-law process cannot function effectively“. Dann sei ein positiver wie negativer Gleichlauf angemessen.1021 Dies soll hier an zwei seiner Beispielen verdeutlicht werden. a) Scheidungsrecht Gemäß der Tradition des common law wenden die Einzelstaaten der USA bei Ergreifung der internationalen Zuständigkeit auf die Ehescheidung stets das ei1018  Connecting factor ist das domicile bzw. die Staatsangehörigkeit, insb. in Statusangelegenheiten, s. v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  174 ff.; entsprechend ist ein Gleichlauf bei der general jurisdiction am wenigsten wünschenswert, vgl. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  29. 1019  Zu dieser Parallelität Schack, IZVR, Rn.  247. 1020 Vgl. Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  124 (noch zum alten Recht); Mankowski, in: FS Heldrich (2005), S.  867, 884. 1021  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  30; ders., 63 B.U. L. Rev. 279, 324 (1983); so auch schon v. Mehren/Trautman, Multistate Problems, S.  599 ff., 601, die aber eine Wechselseitigkeit im Allgemeinen noch stärker betonen.

E.  Verhältnis der internationalen Zuständigkeit zum anwendbaren Recht

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gene Recht an.1022 Die Zuständigkeit knüpft der US-amerikanische Richter wie die meisten Rechtsordnungen an den Wohnsitz oder das domicile eines oder beider Ehegatten, weil die Statusentscheidung über die Ehe als Ausdruck der staatlichen Souveränität verstanden wird.1023 Formal handelt es sich dabei um eine kollisionsrechtliche Anknüpfung an die lex fori. Daher verwundert zunächst die Einordung der Thematik durch v. Mehren unter der Überschrift des Einflusses vom IPR auf die internationale Zuständigkeit („the significance of the forum’s choice-of-law concerns“1024 im Aufsatz zur „adjudicatory jurisdiction“). Er führt das Scheidungsrecht als Beispiel dafür an, dass die internationalprivatrechtliche Prüfung nicht ordnungsgemäß funktioniere und das Forum sein eigenes Recht anwenden müsse.1025 Gemeint ist vermutlich, dass die internationale Zuständigkeit bei einem solchen „Defekt“ des IPR die Bestimmung des anwendbaren Rechts übernehme, indem der Zugang zum Gericht nur dann eröffnet wird, wenn das eigene Scheidungsrecht bzw. allgemein das eigene Sachrecht zur Anwendung kommen soll. Ein Gerichtsstand der general jurisdiction ist nicht verfügbar, sondern nur die gattungsbezogene category-specific jurisdiction.1026 v. Mehren geht es offenbar darum, wertungsmäßig einen Gleichlauf im Sinne eines forum legis darzulegen, bei welchem sich die Zuständigkeits­ interessen den Rechtsanwendungsinteressen unterordnen.1027 Damit ließe sich jedenfalls die Verortung der Problematik im Zuständigkeitsrecht erklären. Nicht minder fragwürdig sind jedoch v. Mehrens rechtsvergleichende Ausführungen zur Begründung einer solchen Ausnahme im Scheidungsrecht, die zwar von einer exzellenten Kenntnis des deutschen Rechts zeugen, aber dem spezifischen Rechtsdenken des common law nachhängen. Seiner Meinung nach resultiert das Heimwärtsstreben in Ehesachen aus den Schwierigkeiten bei der Anwendung ausländischen Scheidungsrechts, das in vielen Ländern Generalklauseln zur Zerrüttung der Ehe oder eines Verschuldens (wie in den USA) enthält. Eine Scheidung berühre zudem die Souveränität des Heimat- oder Aufenthaltsstaates, der nach allgemeiner Auffassung zu den 1022  Hay, US-amerikanisches Recht, Rn.  506; Rieck/Rieck, Ausländisches Familienrecht, USA Rn.  51. 1023 Vgl. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  30 f. 1024  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 323 (1983). 1025  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 324 f. (1983): „jurisdiction should not be assumed unless the putative forum considers that these rules and principles can, in the circumstances of the case, appropriately be applied“. 1026  Gattung ist hier das Scheidungsrecht, vgl. zu dieser Art der Zuständigkeitsbegründung oben B. II. 1. a). 1027  Am deutlichsten hierzu die Ausführungen bei v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  30 ff., wo die Einschränkung der Zuständigkeitsbegründung in Scheidungssachen anhand des Urteils Alton v. Alton, 207 f.2d 667 (3rd Cir. 1953) hinterfragt wird.

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

Ehegatten in ihrer Statusangelegenheit die engste gesellschaftliche, soziologische und politische Verbindung aufweise.1028 Als Beleg dafür nimmt er auf die frühere Rechtslage in Deutschland Bezug, die beispielhaft sei für ein „highly developed civil-law system respecting jurisdiction to divorce and the law applicable in divorce“.1029 Zutreffend stellt er fest, dass §  606 a Abs.  1 ZPO a. F. ganz ähnliche Anknüpfungsmomente für die Ehescheidungszuständigkeit deutscher Gerichte verwendet hat wie Art.  17 Abs.  1 i. V. m. Art.  14 Abs.  1 EGBGB zur Ermittlung des Scheidungsstatuts.1030 Das deutsche Kollisionsrecht knüpft nämlich an das (letzte) Heimatrecht eines bzw. beider Ehegatten an, hilfsweise an das Recht am (letzten) gewöhnlichen Aufenthalt oder das Recht der engsten Verbindung. Allerdings genügte bei §  606 a Abs.  1 ZPO a. F. tatbestandlich schon die Beziehung eines Ehegattens zum Inland, während das Scheidungs-/ Ehewirkungsstatut nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung eine enge Verbindung zu beiden Ehegatten sucht und überdies allseitig ausgestaltet ist.1031 Der Gleichlauf von forum und ius bei der Ehescheidung ist nach Meinung v. Mehrens in Deutschland zwar weniger strikt als in den USA. Die Übereinstimmung der Anknüpfungsmomente zeige aber, dass das deutsche Recht nicht bereit sei, über eine Scheidung zu befinden, wenn die Ehe nicht „Teil der deutschen Gesellschaft“ ist und folglich kein Regulierungsinteresse bestehe.1032 Dies würde im Ergebnis bedeuten, die Zuständigkeit diene nur der Verwirklichung des eigenen Scheidungsrechts. Ein solches forum legis wollte der deutsche Gesetzgeber jedoch bewusst nicht schaffen. Die ratio des §  606 a Abs.  1 ZPO a. F. wurde vielmehr darin gesehen, jedem Ehegatten, der bei Eheschließung Deutscher war, den Schutz deutscher Gerichte in Bezug auf alle Ehesachen zu sichern.1033 Es handelt sich um die „Einräumung einer internationalen Heimatzuständigkeit“,1034 aber auf das Statut des Heimatrechts sollte es gerade nicht ankommen. Folglich kann das deutsche Recht nicht als Exempel der Verwirklichung eines Gleichlaufgebotes herangezogen werden, welches sich aufgrund von Schwierigkeiten der Rechtsanwendung unter einem ausländischen Scheidungsstatut rechtfertigen würde. Nach der geltenden Rechtslage in Europa überschneiden sich die Anknüpfungsmomente nur noch teilweise. Das Scheidungsstatut wird nunmehr nach v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  31 f.; ders., 63 B.U. L. Rev. 279, 325 f. (1983). v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  33. 1030  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  34 f. 1031  MüKo/Siehr, BGB, Art.  14 EGBGB Rn.  12; v. Hoffmann/Thorn, IPR, §  8 Rn.  22, 49. 1032  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  35 f. 1033  Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21.  Auflage, §  606 a II Rn.  8; Zöller/Geimer, ZPO, 27.  Auflage, §  606 a Rn.  29 f., 45. 1034  Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  511. 1028 

1029 

E.  Verhältnis der internationalen Zuständigkeit zum anwendbaren Recht

195

Art.  5 ff. Rom III-VO ermittelt und gewährt der Parteiautonomie weiten Raum. Gewählt werden kann etwa nach Art.  5 Abs.  1 c) Rom III-VO das Heimatrecht eines der Ehegatten, das zuständigkeitsrechtlich in Art.  3 Abs.  1 b) EuEheVO nur dann eine Gerichtszuständigkeit begründet, wenn auch der andere Ehegatte dieselbe Staatsangehörigkeit besitzt.1035 Damit wird die bisherige Parallelität aufgehoben. Ein strenges Gleichlaufgebot im Scheidungsrecht bleibt mithin Spezifikum des common law. b) Weitere Fallgruppen einer „Störung im IPR-Prozess“ Die kollisionsrechtliche Konfliktlösung soll des Weiteren entfallen, wo die Entscheidung in der Hauptsache von einer Verwaltungsbehörde an Stelle des Gerichts vorgenommen wird. Dies sei etwa der Fall bei Entschädigungsansprüchen von Arbeitnehmern, die nach den workers’ compensation acts1036 der Einzelstaaten für Verletzungen aus Betriebsunfällen zugesprochen werden. Weil Entschädigungsansprüche durch die Behördenkommission nur nach eigenem Recht entschieden werden, folgt der internationalen Zuständigkeit automatisch die Sachentscheidung.1037 Die Anknüpfungspunkte dieser category-specific jurisdiction, die wiederum eine general jurisdiction ausschließt, sind in §  181 des Restatement (Second) Conflict of Laws (1971) normiert und werden unter anderem durch den Deliktsort, den Beschäftigungsort und den Ort der engsten Verbindung zum Arbeitsvertrag konkretisiert.1038 Diese Zuständigkeitsbegründung ist nach Ansicht v. Mehrens Ausdruck internationalprivatrechtlicher Interessen, weil diese in einer eigentlichen Kollisionsrechtsprüfung nicht berücksichtigt werden können „Jurisdiction to adjudicate thus tends to follow, and become a reflex of, choice of law; where the legal order sees sufficient reason to make relief available under its statute, there, and there only, it claims adjudicatory authority.“1039

Wie für das Scheidungsrecht ist hier formal ein Gleichlauf nach der lex fori zu konstatieren, v. Mehren kommt es aber auf die Wertungen an, die dem IPR im Sinne eines forum legis den Vorrang einräumen. Die Grundlage dafür sieht er per se in der Kommissionsentscheidung durch die Verwaltungsbehörde, denn 1035 

Von der Heimatstaatzuständigkeit in Statussachen bleibt damit nicht viel übrig, dazu Schack, RabelsZ 65 (2001), 615, 622 f. 1036  Näher zu dieser Sozialleistung: Hay, US-amerikanisches Recht, Rn.  680. 1037  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  37; ders., 63 B.U. L. Rev. 279, 326 (1983); zu der Fallgruppe der behördlichen Kommissionsentscheidungen zählt er, soweit ersichtlich, nur zivilrechtliche Ansprüche. 1038  Aufgeführt auch bei v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  38 f. 1039  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  38.

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

diese treffe ihre Entscheidung auf der Basis von nichtveröffentlichten Ermessensvorschriften nach einem Verwaltungsverfahren, welches im Unterschied zur Gerichtspraxis nicht von einer „Western legal tradition“ geprägt sei. Zudem seien die Kommissionsmitglieder gegenüber einem Richter beruflich weniger gut qualifiziert, nicht unabhängig, Teil der Exekutive und in ihrer Befugnis durch Gesetz beschränkt, das nur auf das eigene Statut verweist.1040 Auch in anderen Bereichen soll es vorkommen, dass eine Konfliktlösung durch das IPR nicht möglich ist. Als Beispiel dient v. Mehren ein Verkehrsunfall, der Verbindungen zu drei verschiedenen Staaten aufweist (concerned jurisdiction) und davon zwei der Rechtsordnungen auf den Handlungsort verweisen (regulating rule), die dritte Rechtsordnung aber über die Frage des Verschuldens ausschließlich ad hoc entscheidet und keine Sachnorm bereit hält. Abweichend zum Gleichlauf bei den Arbeitnehmer-Entschädigungsansprüchen wird vorgeschlagen, zunächst eine neue Rechtswahlnorm (supplementary choice-oflaw rule) auszubilden und mit ihrer Hilfe den Konflikt zu lösen.1041 Der einfachste Weg bei einer Nichtanwendbarkeit ausländischen Rechts wäre aber meines Erachtens die Berufung der lex fori oder Klageabweisung. Die Suche nach einer alternativen lex causae ist vermutlich deshalb möglich, weil das Forum in solchen Fällen den Gleichlauf nicht anordnet, wie bei Entschädigungsansprüchen oder im Scheidungsrecht. v. Mehren beruft sich dogmatisch auf Neuhaus, welcher bei einer Unmöglichkeit der Anwendung des eigentlich berufenen Rechts nach einem Ersatzrecht oder einer Ersatzzuständigkeit sucht.1042 v. Mehrens Lösung hat gewisse Ähnlichkeit zu dem Vorschlag in der deutschen Literatur, bei Nichtfeststellbarkeit des anzuwendenden Rechts trotz fehlerfreier Ermessensausübung (§  293 ZPO) auf das nächstverwandte Recht zurückzugreifen.1043 Der BGH will jedoch auf die lex fori als „praktikabelste Lösung“ rekurrieren, außer wenn diese im Einzelfall zu einem unbefriedigenden Ergebnis führt.1044 Noch näher kommt v. Mehren denjenigen, die mit der sog. Ersatzanknüpfung einen kollisionsrechtlichen Ansatz der Lückenfüllung erwägen. Wenn sich etwa die Erbfolge nicht nach dem durch das Erbstatut bestimmten Recht beurteilen lässt, soll über den Anknüpfungspunkt des gewöhnlichen Aufenthalts eine andere Rechtsordnung berufen werden.1045 Sein Verweis auf v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  38–41. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  41 f. 1042  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  41 und 42 mit Verweis auf Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201, 258 und 259. 1043  Linke/Hau, IZVR, Rn.  9.19; MüKo/v. Hein, BGB, Einl. IPR Rn.  304; Nagel/Gottwald, IZVR, §  3 Rn.  49, 51; Schack, IZVR, Rn.  719. 1044  BGH 23.12.1981, BGHZ 69, 387, 393 f. 1045  Kindl, ZZP 111 (1998), 177, 200; Müller, NJW 1981, 481, 4854 f. (mit dem entspre1040  1041 

E.  Verhältnis der internationalen Zuständigkeit zum anwendbaren Recht

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Neuhaus ist hingegen nicht ganz treffend, denn dieser will vorwiegend die lex fori als Ersatzanknüpfung berufen und sieht als Alternative nur die Ersatzzuständigkeit vor.1046 Eine Ersatzlösung nach dem nächstverwandten Mutter- oder Schwesterrecht oder eine Ersatzanknüpfung könnte auch ganz allgemein für die Nichtermittelbarkeit ausländischen Rechts erwogen werden, etwa im genannten Beispiel der Entschädigungsansprüche für Arbeitnehmer. v. Mehren stellt solche Überlegungen indes nicht an. Bezüglich der Kommissionsentscheidungen ist dieser Umstand auf die Rechtslage in den US-amerikanischen Bundesstaaten zurückzuführen, die schon im Grundsatz von einer Nichtermittelbarkeit des Entschädigungsanspruches nach dem Recht eines anderen Einzelstaates ausgehen. Die Suche nach einem nächstverwandten Recht oder einer Ersatzanknüpfung wäre innerhalb den USA daher zwecklos. Wenn sich das ausländische Recht mit Gewissheit nicht ermitteln lässt, mag es sinnvoll sein, Rechtsanwendungsinteressen bei der Zuständigkeitsermittlung zu berücksichtigen. Doch blickt man von den interlokalen Streitigkeiten auf die wahren internationalen, so bleibt doch zu fragen: Warum sollte ein US-amerikanisches Gericht über einen Schadensersatz wegen eines Personenschadens des Arbeitnehmers nach §  823 BGB nicht entscheiden können? c) Fazit v. Mehren schränkt den Trennungsgrundsatz zwischen der internationaler Zuständigkeit und dem IPR nicht unerheblich ein. Die genannten Fälle eines Gleichlaufes können in einer These zusammengefasst werden: Immer dann, wenn das Internationale Privatrecht eines US-amerikanischen Staates sein eigenes materielles Recht für anwendbar erklärt, dieses Recht in einem anderen Staat aber nicht oder nicht richtig angewandt werden würde, ist die gesetzliche Zuweisung der internationalen Zuständigkeit an die eigenen Gerichte gerechtfertigt. Ersetzt man gedanklich „in einem anderen Staat“ durch „Deutschland“, verwandelt sich dieser Satz in die Hauptthese von Neuhaus.1047 Dieser führt ergänzend aus „In all diesen Fällen kann die Entscheidung eines deutschen Gerichts im Interesse der richtigen Rechtsanwendung dringend erwünscht sein, sei es, chenden Beispiel); die hilfsweise Heranziehung befürworten auch Linke/Hau, IZVR, Rn.  9.19. 1046  Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201, 259: „lex fori als Ersatzrecht“. 1047 So Neuhaus, JZ 1966, 239, 241: „Positiv muss immer dann, wenn das deutsche Internationale Privatrecht deutsches materielles Recht für anwendbar erklärt, im Ausland aber das deutsche Recht nicht (oder nachweislich nicht richtig) angewandt werden würde, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gericht eingeräumt werden“.

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

dass das zunächst zuständige ausländische Gericht überhaupt das deutsche Recht nicht anwenden würde (…), sei es, dass komplizierte Fragen des deutschen Rechtes in Rede stehen, die ein fremdes Gericht kaum zu durchschauen vermag (in den genannten Beispielen: Fragen des Adels-, Aufwertungs- oder Abstammungsrechts).“1048 Dass v. Mehren die Schriften von Neuhaus studiert hat, wird schon aus den oben genannten Verweisen deutlich. Er entnimmt ihnen die zentrale Rechtfertigung für einen Gleichlauf: Bei schwierigen Fragen des materiellen Rechts, die insbesondere informationell (z.B. Kommissionsentscheidungen) oder rechtskulturell (z.B. Ehescheidung) bedingt sein können, ist das forum legis am besten zur Anwendung seines Rechts befähigt.1049 Von beiden Autoren werden zudem die misslichen Folgen hinkender Rechtsverhältnisse, z.B. im Familienrecht, angeführt.1050 Die Notwendigkeit eines Gleichlaufs in solchen Fällen – durch Neuhaus als „gemäßigter“ Gleichlauf im Abgrenzung zum „strengen“ Gleichlauf charakterisiert1051 – impliziert, dass Schwierigkeiten bei der Fremdrechtsanwendung ein wesentliches Hindernis der effektiven Streitbeilegung im internationalen Rechtsverkehr sind.1052 v. Mehren folgt Neuhaus vorwiegend im Bereich eines für die USA normierten Gleichlaufgebots, wo er nach einer dogmatischen Begründung für den inländischen Gerichtsstand sucht. In sonstigen Fällen bevorzugt er wie gesehen eine Ersatzanknüpfung, während Neuhaus argumentiert, dass im Interesse einer richtigen Rechtsanwendung und zur Verwirklichung der nach inländischem Recht begründeten Parteiansprüche notfalls eine sog. Ersatzzuständigkeit eröffnet werden muss.1053 Fraglich ist, ob der gemäßigte Gleichlauf v. Mehrens zu den Grundsätzen seines Zuständigkeitssystems passt. Durch den Vorrang der internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit vor dem Zuständigkeitsrecht verliert die ansonsten hoch angepriesene fairness theory an Bedeutung. Die Eröffnung eines Gerichtsstandes nach der general oder der specific jurisdiction bezieht primär die verfahrensrechtlichen Gesichtspunkte der Nähe zu den Parteien und zum StreitgeNeuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201, 260. Neuhaus, Grundbegriffe des IPR, S.  428 ff.; unklar, ob dies schlechthin oder nur für Gestaltungsakte gilt, wie etwa von Heldrich vertreten wird (ders., Internationale Zuständigkeit, S.  181, 189 f.), dazu Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  124 ff.; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  517 f. 1050  Neuhaus, JZ 1966, 239, 242; sowie v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  38. 1051  Neuhaus, Grundbegriffe des IPR, S.  428; grundsätzlich folgt dieser ebenfalls dem Trennungsgrundsatz. 1052  Diesen zutreffenden Rückschluss zieht Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  104; zu den Gegenargumenten sogleich unter E. IV. 1053 Vgl. Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201, 260: „Soweit ein Staat seine Rechtsordnung für anwendbar erklärt, muss er notfalls auch seine Gerichte zur Verfügung stellen.“ 1048  1049 

E.  Verhältnis der internationalen Zuständigkeit zum anwendbaren Recht

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genstand ein, die unter dem übergeordneten Aspekt der prozessualen Fairness zu bewerten sind. Diesem Zuständigkeitssystem hätte ein Rückzug auf eine absolute Ersatz-/Notzuständigkeit1054 oder umgekehrt eine Ersatzanknüpfung eher gedient.

IV. Argumente für eine (ausnahmslose) Trennung von forum und ius aus deutscher und europäischer Sicht Aus deutscher und europäischer Sicht ist dem (gemäßigten) Gleichlauf nicht bloß eine gewisse innere Systeminkohärenz vorzuwerfen. Hinterfragt werden muss außerdem das Argument, dass bei Schwierigkeiten der Fremdrechtsanwendung den Rechtsanwendungsinteressen Vorrang vor den Zuständigkeitsinteressen zu gewähren sei. Schon die Frage nach der Interessengewichtung impliziert eine Wertung, die auch v. Mehren selbst anerkennt, nämlich die Unterschiede zwischen der internationalen Zuständigkeit und dem Internationalen Privatrecht.1055 Konkret geht das IPR nach dem Prinzip der engsten Verbindung vor und ermittelt das sachnächste Recht, wohingegen das IZPR nach einem Nähepunkt sucht, der auch konkurrierende Zuständigkeiten erzeugt. Dem Ideal von internationaler Entscheidungsharmonie im IPR steht prozessrechtlich die effektive Verwirklichung der Parteiinteressen gegenüber, die nach einer Abwägung zwischen dem Beklagtenschutz (actor sequitur forum rei) und dem Justizgewährungsanspruch des Klägers verlangen.1056 Zentrales Argument v. Mehrens sind die Schwierigkeiten einer effektiven Streitbeilegung, wenn etwa in Statusangelegenheiten ausländisches Recht angewandt wird. Bei einer informationell bedingten Schwierigkeit im fremden Recht, insbesondere bei Kommissionsentscheidungen, ist dies nicht von der Hand zu weisen. Doch damit ist noch lange nicht gesagt, dass solche Ermittlungsprobleme in allen Rechtsordnungen auftreten, worauf man es im internationalen Bereich zunächst ankommen lassen kann. Die rechtskulturellen Unterschiede sollten nicht überbewertet werden, schließlich sind Richter auf der ganzen Welt akademisch bestens geschult und können oftmals gutachterliche Hilfe hinzuziehen.1057 Vereinzelte Fehler bei der Fremdrechtsanwendung werden 1054 

Analog zum negativen Kompetenzkonflikt aufgrund eines unabweisbaren Bedürfnisses für die Gewährung gerade inländischen Rechtsschutzes, dazu etwa Geimer, IZPR, Rn.  1030; Schack, IZVR, Rn.  457; s. auch Art.  7 EuUntVO und Art.  11 EuErbVO. 1055  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  29; vgl. den Trennungsgrundsatz bei E. III. 1) 1056  Zu einer ausführlichen Gegenüberstellung der Wertungsdifferenzen s. Mankowski, in: FS Heldrich (2005), S.  867, 868–877; Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102, 106–112; zur Abwägung auch schon oben C. III. 2. 1057 Ähnlich Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  105 f.

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Teil 1:  Die internationale Zuständigkeit

durch das Interesse aufgewogen, das jeweils sachnächste Recht zum Zuge kommen zu lassen – das ist schließlich Grundprinzip eines jeden Kollisionsrechts.1058 Das deutsche Prozessrecht setzt daher im Grundsatz die Befähigung der deutschen Gerichte zur Fremdrechtsanwendung in §  293 ZPO voraus.1059 Zwar ist insbesondere die Ehe ein konfliktempfindliches Rechtsverhältnis1060 und die Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse ein berechtigtes Desiderat, die Prinzipien der Zuständigkeitsgerechtigkeit sollten jedoch nicht für den internationalen Entscheidungseinklang geopfert werden.1061 Weniger Einwände bestehen gegen die Berufung der lex fori als Hilfsstatut im Rahmen der functional analysis. Sofern das eigene Recht nicht wie bei Ehren­z weig zum Leitsatz erhoben und nur in den wenigen Ausnahmefällen berufen wird, wo alle anderen Lösungsmöglichkeiten versagen, ist diese Auffangfunktion im Grundsatz zu akzeptieren.1062

V. Ergebnis v. Mehren spricht sich für eine grundsätzliche Trennung von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht aus.1063 Doch in Ausnahmen wird dieser Grundsatz durchbrochen. Zum einen zieht er die lex fori als Hilfsanknüpfung im Rahmen der functional analysis heran, eine von ihm unter dem Einfluss der choice of law revolution zusammen mit seinem Kollegen Trautman entwickelte IPR-Theorie. Zum anderen wird die internationale Zuständigkeit in einigen Bereichen wie im Scheidungsrecht oder bei Anwendungsproblemen des ausländischen Rechts positiv wie negativ von der Anwendbarkeit des eigenen Rechts abhängig gemacht. Seine Überlegungen sind fortschrittlich im Kontext der US-amerikanischen Diskussion, wo in vielfältiger Weise Gleichlauferwägungen angestellt werden, aber im Vergleich zum deutschen und europäischen Diskurs weit weniger elaboriert. Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S.  180. Zur Ermittlungspflicht ausländischen Rechts etwa Linke/Hau, IZVR, Rn.  9.7 ff.; Schack, IZVR, Rn.  698 ff. 1060  Heldrich, Internationale Zuständigkeit, S.  248, s. dort auch S.  189: bei Gestaltungsakten wie der Scheidung sei eine besondere „Verkettung von gerichtlicher Tätigkeit und anzuwendendem Recht“ anzunehmen. 1061 So Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  119 (zur Rechtslage de lege lata); Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.  121; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  510, 512 f. 1062 Auch Siehr, in: Symposium Ehrenzweig und das IPR (1984), S.  35, 47; ein gewisser Anreiz in der Praxis zur Heranziehung der lex fori ist aber wohl systemimmanent. 1063  Grundlegend hierzu v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 323 ff. (1983); ders., Adjudicatory Authority, S.  28 ff. 1058  1059 

Teil 2

Fine tuning und Verfahrenskoordination A.  Fine tuning bei Parallelverfahren im Allgemeinen Unter dem Begriff des fine tuning versteht v. Mehren die Abänderung des vom Kläger ausgewählten Forums durch den Richter oder die Konzentration des Prozesses auf eines von mehreren Fora. Dabei geht es um eine nachträgliche „Feinabstimmung“ oder „Regeldurchbrechung“ der internationalen Zuständigkeit. Fine tuning betrifft in seinen Worten die Frage bezüglich „the extent to – and the manner in – which a party’s forum-choice can be modified against the parties’ wish to achieve a higher level of procedural justice or to protect governmental concerns“.1

Erklärtes Ziel ist es, der prozessualen Gerechtigkeit oder bestimmten Staatsinteressen im Einzelfall zum Durchbruch zu verhelfen, gegebenenfalls auch gegen den ausdrücklichen Willen einer Partei und entgegen der gesetzlichen Regelzuweisung der internationalen Zuständigkeit. Die Begrifflichkeit des fine tuning ist in diesem speziellen Zusammenhang ein durch v. Mehren gebildeter Neologismus, der in den letzten Jahren Anklang in der Wissenschaft gefunden hat.2 In seinen allgemeinen Abhandlungen zum fine tuning3 untersucht und vergleicht v. Mehren die verschiedenen Instrumente, die ein solches fine tuning ermöglichen, namentlich die forum non conveniens-Lehre, die lis pendens-Lehre und antisuit injunctions. Er behandelt die Thematik vor dem Hintergrund der weit gefassten Korrekturmöglichkeiten, die das common law einem Richter bei der internationalen Zuständigkeit an die Hand gibt, und bringt dabei viele darstellende Erläuterungen an, die nur subtile Wertungen enthalten. Herausgestellt werden hier die von ihm mit dem fine tuning verfolgten Rechtszwecke sowie schwerpunktmäßig sein Lösungsansatz zur Überwindung des Spannungsfeldes zwischen der Lehre von der lis pendens und der des forum non conveniens. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  261. Blobel, GPR 2005, 140; McLachlan, Lis pendens, S.  408. 3  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  261–350. 1 

2 Etwa

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Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination

I. Sinn und Zweck eines fine tuning 1. Reduzierung von forum shopping Anknüpfend an seine Untersuchung zum actor sequitur forum rei-Prinzip4 verfolgt v. Mehren mit dem fine tuning eine weitere Einschränkung von forum shopping. Die Auswahl zwischen mehreren Gerichtsständen lasse sich zwar nicht aus der materiellen Richtigkeitsvermutung einer bestimmten Parteirolle rechtfertigen und sei nicht „perfectly legitimate“, aber diene aufgrund der besseren Vorhersehbarkeit – verglichen mit einer möglichen Auswahlentscheidung durch den Beklagten – einer höheren prozessualen Zuordnungsfunktion und könne damit auch nicht als „illegitimate“ gewertet werden.5 Eine Abschaffung exorbitanter oder die Reduzierung konkurrierender Zuständigkeiten wird das forum shopping nie völlig beseitigen können, weshalb nach Ansicht v. Mehrens weitere Mittel zum fine tuning notwendig sind.6 Im Unterschied zur originären Zuständigkeitsfindung ist bei der nachträglichen Korrektur mittels des fine tuning eine leichte Akzentverschiebung im Ansatz v. Mehrens zu beobachten. Hier dringt stärker die Einsicht durch, dass forum shopping zu einer unvermeidbaren Tatsache geworden ist, weil die zuständigkeitsrechtlichen Anknüpfungsmomente zugenommen haben, und letztlich aus der Globalisierung resultiere.7 Wenn – insbesondere im internationalen Rechtsverkehr – die Anknüpfungsmomente „wuchern“ („connecting factors with different characteristics proliferate“8), so gefährdet dies aber die Waffengleichheit der Parteien und folglich die wichtigste Prozessmaxime v. Mehrens. So erklärt sich sein Bestreben, Mittel und Wege zur Katalyse auf das sachgerechte Forum zu finden und eine nachträgliche Feinsteuerung zur Eindämmung multipler Fora sowie multipler Verfahren zu ermöglichen, denn „The need for fine-tuning to channel litigation to appropriate forums increases as a

4  Dazu Teil 1 D.; diesen Bezug stellt er selbst her, s. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  261. 5  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  264 f. 6  Speziell in Bezug auf Europa teilt diese Ansicht Juenger, in: FS Schütze (1999), S.  317, 320. 7  Die Globalisierung führe insgesamt zu einem stärkeren Bedarf an fine-tuning Instrumenten: „fine-tuning has come in the last half of the twentieth century to be used in ever increasing measure due to legal, economic, and cultural chances. The emergence of class actions, developments in national law respecting product liability, the increasingly litigious character of economic relations and the globalization of many aspects of economic and legal activity have lead to more aggressive tactics.“ (Hervorhebung im Original), v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  262. 8  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  265.

A.  Fine tuning bei Parallelverfahren im Allgemeinen

203

function of the variety and number of forums“.9 Das Ideal der prozessualen Gerechtigkeit zwischen den Parteien, das level playing field,10 soll also hergestellt werden, indem übermäßige Vorzüge der einen Partei korrigiert werden und das Wahlrecht des Klägers zwischen mehreren Gerichtsständen bei Bedarf eingeschränkt wird. In Europa hingegen steht man trotz eines gewissen „Unbehagens“ gegen das forum shopping, besonders in Bezug auf exorbitante Gerichtsstände, der taktischen Auswahl durch den Kläger weniger skeptisch gegenüber. Als richtiger Ansatzpunkt zur Behandlung exzessiver Auswüchse der Forumswahl wird die gesetzgeberische Ausgestaltung und Anzahl der Kompetenznormen erachtet.11 Forum shopping soll mithin an seinem Ursprung bekämpft werden, eine Eindämmung ex post auf zweiter Ebene wird kaum erwogen, zumal man in Europa – wie noch zu zeigen sein wird – die Lehre vom forum non conveniens im Allgemeinen ablehnt. 2. Verfahrenskoordination Die Möglichkeit zur Vermeidung paralleler Verfahren durch das fine tuning hat für v. Mehren nur untergeordnete Bedeutung. So werden eingangs des Kapitels zum fine tuning die „overlapping and conflicting proceedings“ nur knapp als eine von mehreren Gefahren des forum shopping erwähnt.12 Weil aufgrund positiver Kompetenzkonflikte das für die Parteien unerwünschte Resultat sich widersprechender Entscheidungen droht, sind sie nach seiner Ansicht der Waffengleichheit zwischen den Parteien und damit wohl auch dem Ideal des level playing field abträglich.13 Dabei berücksichtigt er nicht, dass im Speziellen für den Beklagten durch die doppelte Prozessführung ein erhöhter Verteidigungsaufwand entsteht und für beide Parteien Kosten wie Aufwand steigen. Solche verfahrensökonomischen Erwägungen hat er schon im Rahmen des actor sequitur-Prinzips verworfen. Nach dem Verständnis v. Mehrens dient die Verfahrenskoordination also hauptsächlich der Reduzierung von forum shopping und dem Interesse der Parteien nach prozessualer Gerechtigkeit. Doppelte Verfahren lösen indes noch weitere Bedenken aus. Von Doppeloder Parallelverfahren spricht man, wenn zwei Prozesse auf demselben Interesv. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  265. Hervorgehoben als höchstes Ideal im Prozessrecht durch v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  262. 11 Etwa Kropholler, in: FS Firsching (1985), S.  165, 170 f.; Linke/Hau, IZVR, Rn.  4. 24; Schack, IZVR, Rn.  259; zweiter Ansatzpunkt ist die Kollisionsrechtsvereinheitlichung, zu alldem schon Teil 1 D. III. 2. b). 12  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  262 f., 268. 13  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  262. 9 

10 

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Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination

senkonflikt beruhen und sich in ihren Tatsachengrundlagen wesentlich überschneiden, ohne dass im engeren Sinne eine Identität der Streitgegenstände nach der Vorstellung einer bestimmten Rechtsordnung vorliegen muss.14 Entscheidend ist, dass die aus den Verfahren resultierenden Entscheidungen aus rechtlichen oder tatsächlichen Umständen miteinander kollidieren könnten. Solche widersprechenden Entscheidungen laufen einerseits den bereits angesprochenen Parteiinteressen zuwider. Vereinzelt meint man aber auch in der deutschen Literatur, divergierende Entscheidungen seien unproblematisch, weil einer ausländischen Entscheidung im Inland die Anerkennung verweigert werden kann und sie dann keine Wirkung mehr entfaltet.15 Zwar ist daran richtig, dass die Anerkennung in vielen Rechtsordnungen einen Rechtskrafteinwand auslöst und Zweitprozesse im Inland verhindert werden, sowie umgekehrt bei einer früheren inländischen Entscheidung die Anerkennung verweigert werden kann, folglich also Verfahrenskoordination auch durch Anerkennung stattfindet.16 Doch diese Ansicht verkennt, dass den Parteien unabhängig von einer Anerkennung hinkende Rechtsverhältnisse und Pflichtenkollisionen drohen. Wenn ihnen im ersten Verfahren ein anderes Verhalten als im zweiten Verfahren aufgegeben wird, so stört die Pflichtenkollision den Rechtsfrieden.17 Solche Entscheidungsdivergenz hindert ganz allgemein den äußeren Entscheidungseinklang, welcher Leitprinzip des internationalen Privatrecht- und Verfahrensrechts ist und als Ordnungsinteresse auf eine international geordnete Rechtspflege zielt.18 Die Verhinderung kollidierender Entscheidungen muss daher Priorität unter den Rechtszwecken des fine tuning haben. Hinzu kommt, dass die doppelte Rechtshängigkeit in verschiedenen Staaten mehrere Justizapparate beansprucht und die regelmäßig komplizierten sowie kostenintensiven Verfahren Ressourcen verschwenden. Dieser prozessökonomische Aspekt ist nicht zu vernachlässigen, entspricht er doch dem öffentlichen Interesse am effektiven Einsatz der ohnehin meist knappen Justizressourcen.19 14  Schmehl, Parallelverfahren, S.  8 f.; ähnlich die Definition US-amerikanischer Gerichte, Hay Acquisition Co., I, Inc. v. Schneider, 2005 WL 1017804, 11 (E.D. Pa. 2005); dagegen auf die Streitsache abstellend McGuire, Verfahrenskoordination, S.  20. 15  Schütze, Dt. IZPR, S.  178; ähnlich McGuire, Verfahrenskoordination, S.  41 f. 16  Etwa zur Rechtslage unter der EuGVO: Schmehl, Parallelverfahren, S.  118 f.; jedoch ist in Deutschland die ne bis in idem-Wirkung einer anerkennungsfähigen ausländischen Entscheidung str., dazu Linke/Hau, IZVR, Rn.  12.42. 17  Dazu ausführlich und mit Beispielen Hau, Positive Kompetenzkonflikte, S.  49 f.; aus der US-amerikanischen Lit. Parrish, 78 Geo. Wash. L. Rev. 237, 246 (2010). 18 Vgl. zum internationalen Entscheidungseinklang Kropholler, IPR, S.  36 ff.; Schack, IZVR, Rn.  239 ff. 19  McGuire, Verfahrenskoordination, S.  49 ff.; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  27 EuGVO Rn.  1.

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Außerdem wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass auch zwischenstaatliche Beziehungen durch einen „battle of lawsuits“ Nachteile erleiden können,20 wie wohl am eindringlichsten der US-amerikanisch-europäische Justizkonflikt in der Rechtssache Laker-Airways zeigt, wo US-amerikanische und englische Gerichte gegenseitig antisuit injunction anordneten.21 Daher sollte entgegen der Ansicht v. Mehrens nicht allein die Ausgewogenheit zwischen Kläger- und Beklagtenschutz im Vordergrund stehen, sondern eine Verfahrenskoordination auch aus öffentlichen Interessen und Ordnungsinteressen verfolgt werden. Zutreffend stellt v. Mehren indes heraus, dass ein Instrument des fine tuning im Besonderen auf die Vermeidung paralleler Verfahren abzielt, nämlich die Lehre von der lis pendens.22 Etliche Staaten des civil law beachten die Rechtshängigkeit der Streitsache nicht nur bei einem früheren inländischen, sondern auch bei einem ausländischen Verfahren. Die anderweitige Rechtshängigkeit begründet den Einwand der lis alibi pendens im zweiten Verfahren, gegebenenfalls unter der weiteren Voraussetzung einer Anerkennungsprognose zur Beurteilung des klägerischen Interesses an einem Zweitprozess, und sichert so den ungestörten Ablauf des ersten Verfahrens. Dieser Ansatz kann auch als Prioritätsprinzip bezeichnet werden und findet sich innerhalb Europas z.B. in Deutschland (§  261 Abs.  3 Nr.  1 ZPO), Belgien (Art.  14 IPRG), Frankreich (seit einer Entscheidung des Cour de Cassation im Jahre 1974), Italien (Art.  7 IPRG) und der Schweiz (Art.  9 IPRG).23 Nicht zuletzt verfolgt auch das europäische Prozessrecht das Prioritätsprinzip in den Art.  29 ff. EuGVO.24 Dagegen kennt das US-amerikanische Prozessrecht nach der Tradition des common law25 zunächst keine Einrede der lis pendens. Im Grundsatz ist es möglich, dass ein Prozess desselben Inhalts (same cause of action/claim26) in mehreren Staaten parallel geführt wird, etwa mit vertauschten Parteirollen. Es gilt immer noch die im Laker Airways Prozess im Jahr 1984 getroffene Feststellung: „Parallel proceedings on the same in personam claim should ordinarily be allowed to proceed simultaneously, at least until a judgment is reached in one which can be pled as res judicata 20  Hau, Positive Kompetenzkonflikte, S.  52 ff.; Parrish, 78 Geo. Wash. L. Rev. 237, 246 (2010). 21  Laker Airways Ltd. v. Sabena, 731 f.2d 909 (D.C. Cir. 1984); British Airways Board v. Laker Airways Ltd., [1985] A.C. 58 (H.L.). 22  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  292 ff. 23  Vgl. die Länderberichte von Fallon (Belgien), Gaudement-Tallon (Frankreich), Schack (Deutschland) und Trockner (Italien), in: Fawcett, Declining Jurisdiction in PIL (1995), S.  99 ff., 175 ff., 189 ff., 279 ff.; sowie Schack, IZVR, Rn.  837. 24  Eingeschränkt im Hinblick auf drittstaatliche Verfahren in Art.  33 f. EuGVO. 25  Zur Ablehnung der lis alibi pendens-Regelung in England vgl. Dicey/Morris/Collins, Conflict of Laws, Rn.  12–042 ff. 26  Vgl. die Erläuterungen bei Teil 1. B. III. 1.

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in the other. The mere filing of a suit in one forum does not cut off the preexisting right of an independent forum to regulate matters subject to its prescriptive jurisdiction.“27

Erst mit dem Urteil hat die obsiegende Partei einen Anspruch aus der bundesverfassungsrechtlichen full faith and credit clause auf Anerkennung in allen Einzelstaaten. Die Rechtskraft der ersten Entscheidung (claim preclusion und issue preclusion) blockiert dann die in einem anderen Bundesstaat anhängige Klage.28 Diese passive Haltung der Gerichte gegenüber Kompetenzkonflikten wurde oftmals als parallel proceedings rule bezeichnet,29 hat inzwischen jedoch gewisse Einschränkungen durch eine vereinzelte Anwendung der lis pendens-Regel erfahren.30 Die Motivationslage v. Mehrens ist als Ausdruck der fehlenden Handlungsalternativen US-amerikanischer Gerichte zu sehen. Wo zur Auflösung von positiven Kompetenzkonflikten kein eigenständiges Regelungsinstrument bereit steht, ist die Akzeptanz von widersprechenden Urteilen vermutlich größer, sofern zumindest mit den Anerkennungsregelungen nur eines der Urteile für maßgeblich bestimmt wird und mit der Lehre vom forum non conveniens eine Einzelfallkorrektur zur Verfügung steht. Bis heute wird den Parallelverfahren in der US-amerikanischen Literatur wenig Beachtung geschenkt und das Problem nicht als ein solches erkannt.31 Vor diesem Hintergrund ist die starke Gewichtung auf eine Vermeidung von forum shopping durch v. Mehren nachvollziehbar.

II. Instrumente des fine tuning, insb. forum non conveniens-Doktrin und lis pendens-Lehre Hinsichtlich der Möglichkeiten eines fine tuning stellt v. Mehren die aus dem common law stammende Lehre des forum non conveniens und die Prozessführungsverbote der antisuit injunctions in ein Spannungsfeld zu den lis pendens Regelungen des civil law.32 Grundtenor ist die Starrheit des Prioritätsprinzips, welches seiner Meinung nach als mechanische Regel die Einzelfallgerechtigkeit Laker Airways Ltd. v. Sabena, 731 f.2d 909, 926 f. (D.C. Cir. 1984). Zu den Grundlagen der US-amerikanischen Urteilsanerkennung und Rechtskraft noch Teil 3. A. 29  Bermann, 28 Colum. J. Transnat’l L. 589, 610 (1990); Hau, Positive Kompetenzkonflikte, S.  64; McGuire, Verfahrenskoordination, S.  42; beide Letzteren erkennen darin noch eine Regel ohne Ausnahmen. 30  Zur uneinheitlichen Anwendung der lis pendens-Lehre durch die US-amerikanische Rspr. sogleich unter A. II. 1. 31  So die zutreffende Einschätzung von Parrish, 78 Geo. Wash. L. Rev. 237, 241 (2010). 32  Letztere sei alternativ zu den ersten – echten – fine-tuning Instrumenten, so etwa v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  292. 27 

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opfere, wie nicht zuletzt die Rechtsprechung des EuGH zeige. Er wirbt für die flexible Ermessensentscheidung eines Gerichts mittels forum non conveniens.33 Konkret empfiehlt v. Mehren die moderaten Anwendung der forum non conveniens-Lehre nach dem Vorbild der von einem Komitee der International Law Association aufgestellten Leuven/London Principles,34 welche eine enumerative Aufzählung von Ermessensfaktoren beinhalten und von Beschränkungen wie dem Verbot einer Diskriminierung ausländischer Kläger geprägt sind.35 Weil er nicht von einer Übernahme in ein konkretes Rechtssystem wie dem der EU spricht, muss sein Vorschlag als Modell für eine sinnvolle Kooperation auf internationaler Ebene verstanden werden, vermutlich mit besonderem Blick auf ein weltweites Zuständigkeits- und Vollstreckungsabkommen. Zudem aber soll nach Ansicht v. Mehrens forum non conveniens gemäß nationalem Recht, insbesondere unter englischem Prozessrecht, auch nach der Owusu-Entscheidung des EuGH36 im Anwendungsbereich der EuGVO zulässig bleiben.37 Daher werden hier die Argumente untersucht, die aus Sicht v. Mehren für eine Überlegenheit des fine tuning-Instruments der forum non conveniens-Lehre gegenüber der lis pendens-Lehre sprechen. Weil dieser Konflikt den Themenbereich beherrscht, wird nur am Rande auf antisuit injunctions eingegangen, zumal v. Mehren diesbezüglich eher auf der Linie des EuGH38 liegt und Skepsis wegen ihrer intrusiven Wirkung auf ein ausländisches Verfahren zeigt.39 1. Forum non conveniens-Doktrin im common law versus lis pendensLehre im civil law a) Forum non conveniens Die Lehre vom forum non conveniens40 erlaubt einem Gericht, auf die Ausübung einer bestehenden Zuständigkeit zu verzichten, wenn es ein anderes Gericht in der Streitsache als besser geeignet erachtet. Die Ursprünge der Lehre 33  Besonders deutlich in den vergleichenden Schlussanmerkungen, v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  317 f. 34  International Law Association, Report of the 69th Conference, S.  153 ff.; dazu ausführlich unter A. II. 2. b) aa). 35  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  350. 36  EuGH 01.03.2005, Rs. C-281/02 (Owusu/Jackson), Slg. 2005, I-383. 37  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  329 ff., dazu ausführlich unter A. II. 2. b) bb). 38  Unzulässigkeit im Anwendungsbereich der EuGVO, EuGH 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Turner/Grovit), Slg. 2002, I-3565. 39  Auch im Vergleich zum forum non conveniens bewertet v. Mehren dieses Instrument stärker negativ, ders., Adjudicatory Authority, S.  347 f. 40  Im deutschen Schrifttum ist insbesondere zu verweisen auf Dorsel, Forum non conveniens (1996); Felder, Die Lehre vom Forum non conveniens (2005); König, Die Anwendbar-

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gehen auf das schottische Recht des 17. Jahrhunderts zurück, das einen Einwand gegen die Gerichtszuständigkeit bei der Beschlagnahme von in Schottland belegenem Vermögen eines auswärtigen Beklagten möglich machte.41 Im 19. Jahrhundert wurde das Rechtsinstitut in den USA aufgegriffen42 und nach dem zweiten Weltkrieg vom Supreme Court in der Leitentscheidung Gulf Oil Corp. v. Gilbert43 ausdrücklich bestätigt. Nach der US-amerikanischen Rechtsprechung fließen in die Ermessensentscheidung des Gerichts private wie öffentliche Interessen ein, sog. private interests of the parties und public interests of the respective forums. Dazu zählen die Nähe zu Beweismitteln und Zeugen, die Verteidigungslast für den Beklagten und die Verfügbarkeit von Rechtsmitteln am ausländischen Forum, die Schnelligkeit des Verfahrens, die Vollstreckbarkeit des Urteils sowie die öffentlichen Belange der Arbeitsbelastung der Gerichte und Jurys und die Kostenbelastung für den Steuerzahler durch Prozesse mit ausländischen Parteien.44 Vor den Bundesgerichten ist der federal transfer nach 28 U.S.C. §  1404 (a) an die Stelle der ungeschriebenen forum non conveniens-Lehre getreten. Der transfer sieht zwar keine Abweisung, sondern eine Verweisung an ein anderes Bundesgericht vor, erfolgt aber inhaltlich aus denselben Gründen, abgesehen von etwas niedrigeren Anforderungen bezüglich der Angemessenheit eines Forums (inconvenient gegenüber seriously inconvenient), und ist daher in seiner Funktion äquivalent.45 Demgegenüber stellt die Rezeption der Doktrin in anderen common law-Rechtsordnungen eine neuere Entwicklung seit Ende des 20. Jahrhunderts dar. In England wurde früher ein Verfahren nur dann ausgesetzt, wenn die Klageerhebung rechtsmissbräuchlich war („vexatious or oppressive“).46 Erst in den 1980er Jahren bildete das House of Lords Ermessensfaktoren aus, die bis heute eine Aussetzung des Verfahrens erlauben, wenn ein ausländisches Forum ebenkeit des forum non conveniens im deutschen und europäischen Zivilverfahrensrecht (2012); Schack, RabelsZ 58 (1994), 40 ff. 41  Sog. Einwand des forum non competens gegen ein arrestment ad fundandam iurisdictionem, dazu v. Berger, RabelsZ 41 (1977), 39, 48; Dicey/Morris/Collins, Conflict of Laws, Rn.  12–007. 42  Brand/Jablonski, Forum non conveniens, S.  37 ff. 43  330 U.S.  501 (1947). 44  330 U.S.  501, 508 (1947); zu einer klassischen Abwägung der Ermessensfaktoren: In re Union Carbide, 634 f.Supp.  842, 852 ff. (S.D.N.Y. 1986). 45  Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  6 45 ff., 658; Erichson, Civil Procedure, S.  70 f.; vor einzelstaatlichen Gerichten und bei internationalen Rechtsstreitigkeiten gilt aber die forum non conveniens-Lehre unverändert fort. 46  Zur Entwicklung in England: Beaumont, in: Fawcett, Declining Jurisdiction in PIL (1995), S.  209 ff.; König, Forum non conveniens, S.  26 ff.

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falls international zuständig ist und es den Fall im Interesse der Parteien und der Gerechtigkeit besser entscheiden kann. Das natural forum wird als dasjenige identifiziert, mit dem der Rechtsstreit die engste Verbindung aufweist, etwa am Ort des Schadensereignisses oder bei Beweisnähe, indes finden dabei public interest factors wie im US-amerikanischen Recht keine Beachtung.47 Auch in anderen common law-Rechtsordnungen ist das Rechtsinstitut inzwischen gebräuchlich, so folgt etwa Kanada der Spiliada-Rechtsprechung des House of Lords.48 Eine Sonderstellung nimmt Australien ein, wo der traditionelle Ansatz des vexatious or oppressive-Erfordernisses weitergebildet wurde und der Kläger nachweisen muss, dass das angerufene Gericht clearly inappropriate ist. Dieser Test soll zu einer restriktiven Handhabung führen und aufgrund einer komplexen Interessenabwägung im Rahmen der Ermittlung des natural forums eine vorschnelle Abweisung verhindern, andererseits aber auch das Erfordernis eines Rechtsmissbrauches liberalisieren.49 Auf die unterschiedliche Ausformung der Lehre legt v. Mehren besonderen Wert. Die liberalen Ansätze in den USA, England und Kanada bezeichnet er als convenience-suitability approach, die traditionelle englische Lehre sowie ihre Konkretisierung in Australien im Gegensatz als abuse-of-process approach.50 Damit wird deutlich, dass die aktuelle Anwendung der forum non conveniens-Doktrin in den Zuständigkeitssystemen divergiert. Eine differenzierte Betrachtung ist folglich hilfreich, auch weil sie die Möglichkeit aufzeigt, dass in einem weltweiten Gerichtsstandsübereinkommen die Lehre nach unterschiedlichen Ansätzen liberal oder auch restriktiv ausgeformt werden kann, und weil sie von der Vorstellung „der einen“ forum non conveniens-Doktrin abrückt.51 Die Entwicklung des US-amerikanischen convenience-suitability approach ist mit einer Parallelität zur personal jurisdiction zu erklären. v. Mehren deutet die Tatsache, dass ein Zuständigkeitssystem wie das der USA besonders klägerfreundlich ist und dabei das actor sequitur forum rei-Prinzip nicht streng ver47  Anerkennung der Doktrin durch The Abidin Daver [1984] A.C. 389, 411 ff. (H.L.); zweistufige Prüfung mit Suche nach natural forum und Ermessensabwägung gem. Spiliada Maritime Corp. v. Consulex Ltd. [1987] A.C. 460, 476 ff. (H.L.). 48  Amchem Products Inc. v. British Columbia (Worker’s Compensation Board) [1993] 1. S.C.R. 897 (Sup. Ct. Can.); speziell zu Kanada: Brand/Jablonski, Forum non conveniens, S.  4, 75 ff.; zu anderen common law Staaten: Dicey/Morris/Collins, Conflict of Laws, Rn.  12– 011. 49  Voth v. Manildra Flour Mills Pty. Ltd. (1991) 171 C.L.R. 538; dazu Brand/Jablonski, Forum non conveniens, S.  90 ff.; Epstein, in: Fawcett, Declining Jurisdiction in PIL (1995), S.  79 ff. 50  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  277 f. 51  Die Differenzierung durch v. Mehren ebenfalls positiv bewertend: Brand/Jablonski, Forum non conveniens, S.  4.

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folgt, als Grund für die Notwendigkeit eines Korrektivs.52 Verbreitet wird die Lehre vom forum non conveniens auch in der US-amerikanischen Literatur als Instrument zur Bekämpfung von forum shopping – ein Grundanliegen v. Mehrens – benannt, welches die teilweise sehr weit geratenen Zuständigkeiten (z.B. die tag jurisdiction) im Einzelfall korrigieren könne.53 Aufschlussreich ist der Zeitpunkt der Anerkennung der Doktrin durch den Supreme Court. Die Gulf Oil-Entscheidung erging im Jahre 1947 und somit nur zwei Jahre nach der International Shoe-Entscheidung. Eine Übertragung der forum non conveniens-Rechtsprechung auf den internationalen Rechtsverkehr erfolgte dann im Jahr 1981 in Piper Aircraft v. Reyno,54 als die ersten stream of commerce-Ansätze im Zuge der World-Wide Volkswagen-Entscheidung viele ausländische Beklagte vor US-amerikanische Gerichte lockten. Die Korrelation zwischen der Zuständigkeitsöffnung durch minimum contacts und einer Regeldurchbrechung nach forum non conveniens ist also durchaus erkennbar55 – oder anders gewendet, zwischen dem Verfall der power theory und dem Vormarsch der fairness theory, deren Verhältnis die gesamte Zuständigkeitsdogmatik prägt. Gegenüber der US-amerikanischen Ausformung von forum non conveniens positioniert sich v. Mehren mit Skepsis.56 Denn die liberale appropiateness-Prüfung hat fragwürdige Auswüchse der Ungleichbehandlung ausländischer gegenüber inländischen Klägern geschlagen. Der Supreme Court stellte in der Entscheidung Piper Aircraft v. Reyno die Vermutungsregel auf, dass die Wahl des einheimischen Forums durch den US-amerikanischen Kläger angemessen (convenient) ist und das Gericht nicht davon abweichen soll. Bei einem ausländischen Kläger sei diese Vermutung hingegen weniger naheliegend und daher seiner Wahl eines US-amerikanischen Gerichtsstandes weniger Gewicht beizumessen („a foreign plaintiff’s choice deserves less deference“).57 Zur Begründung führt das Gericht an, es müsse der Attraktivität des US-amerikanischen Prozess-, Delikts- und Produkthaftungsrecht entgegengewirkt werden. Die Differenzierung wird im Übrigen auch als Ausgleich zwischen dem legitimen Klägerinteresse an einem heimatnahen Forum einerseits und einem missbräuchlichen forum shopping andererseits verstanden. Letztlich bringe sie nur zum Ausv. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  277 f. Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  550; Juenger, in: FS Schütze (1999), S.  317, 323. 54  454 U.S.  235 (1981). 55  In diese Richtung deutet auch v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  272; sowie Born/ Rutledge, International Civil Litigation, S.  386 f. 56  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  277 f. 57  454 U.S.  235, 255 f. (1981); bestätigt in Sinochem Intern. Co. Ltd. v. Malaysia Intern. Shipping Corp., 549 U.S.  422, 430 (2007). 52  53 

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druck, dass bei einem einheimischen Kläger die größere Wahrscheinlichkeit einer nahen Verbindung zum Forum bestehe.58 v. Mehren hingegen sieht in der Vermutungsregel eine ungerechtfertigte Diskriminierung ausländischer Kläger, weil die prozessuale Gleichheit (level playing field) im Vergleich zu einheimischen Klägern verletzt werde.59 Die Rechtspraxis bestätigt diesen Befund. So werden Produkthaftungsklagen ausländischer Geschädigter aus Autounfällen gegen US-amerikanische Hersteller in aller Regel abgewiesen, bei einem Flugzeugabsturz in etwa der Hälfte aller Fälle.60 Gegen den Protektionismus US-amerikanischer Beklagter formiert sich im Einklang mit der Ansicht v. Mehrens auf beiden Seiten des Atlantiks Widerstand, zumal auch vor Gerichtsstandsvereinbarungen nicht Halt gemacht wird, zwischenstaatliche Verträge verletzt werden und die Vermutungsregelung viele Fragen offen lässt.61 Besonders verwunderlich ist aus europäischer Perspektive, dass Klagen gegen US-amerikanische Unternehmen selbst dann abgewiesen werden, wenn sie an einem Gerichtsstand der general jurisdiction verklagt werden.62 Dies ist vermutlich auch auf die Ablehnung des Grundprinzips vom actor sequitur forum rei zurückzuführen, wie sie v. Mehren zutreffend für die US-amerikanische Praxis konstatiert. Zuletzt ist noch die leicht missverständliche These in der deutschen Literatur aufzuklären, wonach das Institut des forum non conveniens der Anwendung der lis pendens-Lehre entgegenstehe, denn schließlich gelte in den USA die parallel proceedings rule.63 Zwar können dort mehrere Verfahren desselben Inhalts (same cause of action) grundsätzlich parallel geführt werden,64 doch die lis alibi pendens wird überwiegend als Unterfall der forum non conveniens-Doktrin betrachtet und ein Parallelverfahren als möglicher Faktor im Rahmen der Ermes-

58  454 U.S.  235, 251 f. (1981); darüber hinaus auch: Iragorri v. United Technologies, 274 f.3d 65, 71 f. (2d Cir. 2001); Brand/Jablonski, Forum non conveniens, S. 60 f.; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  553. 59  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  278, die Ungleichbehandlung sei folglich „an important normative objection to the forum non conveniens doctrine“. 60  Die Fälle aus den letzten 30 Jahren sind aufgelistet bei Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  662 f. 61  Duval-Major, 77 Cornell L. Rev. 650, 681 (1992); Gebauer, IPRax 2012, 555, 557; Juenger, in: FS Schütze (1999), S.  317, 330 f.; Schütze, in: FS Jayme (2004), S.  849, 850 ff.; Gegenargumente bei Weintraub, Conflict of Laws, S.  300 f. 62  Kritisch dazu Gebauer, IPRax 2012, 555, 557 f.; Schack, Einführung, Rn.  86. 63  Hau, Positive Kompetenzkonflikte, S.  61, 64 f.; stark vereinfacht als Gegensatzpaare auch: Hay, US-amerikanisches Recht, Rn.  142 ff. und Rn.  147 f.; ders., in: Handbuch des US-amerikanischen Rechts, 8. Kapitel Rn.  106. 64  Dazu schon soeben A. I. 2.

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sensentscheidung des Gerichts gewertet.65 Uneinigkeit herrscht in der Rechtsprechung allerdings darüber, welches Gewicht der anderweitigen Rechtshängigkeit beizumessen ist. Im Wesentlichen werden drei Ansätze vertreten.66 Nach dem ersten Ansatz besteht eine Verpflichtung („virtually unflagging obligation“) der Bundesgerichte, ihre gegebene Zuständigkeit trotz des Parallelverfahrens auszuüben und nur unter außergewöhnlichen Umständen, welche gemäß den üblichen forum non conveniens-Faktoren zu ermitteln sind, das Verfahren auszusetzen.67 Zweitens beruft sich die international abstention-Doktrin auf die völkerrechtliche comity und ist nach einer Interessenabwägung zur Beachtung der anderweitigen Rechtshängigkeit bereit.68 Drittens besteht nach dem Landis balancing-Test eine starke Vermutung für das erste Verfahren.69 Im Ergebnis ist es einem Gericht also möglich, ein ausländisches Erstverfahren als Einwand gegen das inländische Zweitverfahren vorzubringen, auch wenn die Vermeidung von Parallelverfahren allgemein sowie spezifisch durch v. Mehren nicht im Vordergrund steht. Mithin wird im Einzelfall entschieden, wie viel Vertrauen der Rechtspflege eines ausländisches Staates entgegenzubringen ist. b) Lis pendens Das europäische Prozessrecht enthält die zentralen Vorschriften des fine tuning in Form der Verfahrenskoordination im neunten Abschnitt der EuGVO über die „Anhängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren“. Sie haben gemäß dem Erwägungsgrund (21) das Ziel, im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege Parallelverfahren so weit wie möglich zu vermeiden, damit keine sich widersprechende Entscheidungen in den Mitgliedstaaten ergehen. Somit unterscheidet sich schon der Rechtszweck zum fine tuning der USA. Wie seine Vorgängerregelungen verfolgt auch Art.  29 EuGVO im Grundsatz das Prioritätsprinzip: Das später angerufene Gericht hat das Verfahren auszusetzen und erklärt sich zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig, sobald dessen Zuständigkeit feststeht. Dahinter steht das gegenseitige Vertrauen in die Funktionsfähigkeit und Gleichwertigkeit der Justizsysteme der 65  Restatement (Second) Conflict of Laws (1971), §  84 comment e; vgl. auch Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  548. 66  Ausführlich Parrish, 78 Geo. Wash. L. Rev. 237, 247 ff. (2010); sowie Weismann, Parallel Proceedings, S.  106 ff. 67  Colorado River Water Conservation District v. United States, 424 U.S.  800, 817 f. (1976). 68  So aus neuerer Zeit: Belize Telecom Ltd. v. Government of Belize, 528 f.3d 1298, 1305 (11th Cir. 2008). 69 Etwa Intel Corp. v. M/S Victoria U., 710 f.2d 199 (5th Cir. 1983), unter Berufung auf Landis v. North American Co., 299 U.S.  248 (1938).

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einzelnen Mitgliedstaaten sowie die Konstituierung eines einheitlichen europäischen Justizraumes.70 Während Art.  29 EuGVO für Verfahren mit identischen Parteien und mit demselben Streitgegenstand gilt – wobei die Identität viele Einzelfragen aufwirft und der EuGH hinsichtlich des Streitgegenstandes eine Lösung mit Hilfe der Kernpunkttheorie71 sucht – geht es in Art.  30 EuGVO um konnexe Verfahren mit unterschiedlichem Streitgegenstand, die eine Aussetzung des Verfahrens oder die Unzuständigkeitserklärung nach Ermessen des Gerichts erlauben.72 Die europarechtlichen Rechtshängigkeits- und Konnexitätssperren setzen im Gegensatz zu den meisten kontinentaleuropäischen Rechtssystemen eine positive Anerkennungsprognose nicht voraus.73 Eine wichtige Neuregelung durch die Reform der EuGVO im Jahr 2012 betrifft ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen, zu deren effektiven Durchsetzung das Prioritätsprinzip gelockert wurde (Art.  29 Abs.  1, 31 Abs.  2 EuGVO).74 v. Mehren betont in seiner Abhandlung zur europäischen Verfahrenskoordination besonders die Starrheit des Prioritätsprinzips.75 Ungeachtet der partiellen Neuregelung in Art.  31 Abs.  2 EuGVO beherrscht dieses Prinzip noch immer die Verfahrenskoordination. 2. Ideal v. Mehrens: weltweite moderate Anwendung der forum non conveniens-Doktrin a) Argumente v. Mehrens und ihre Bewertung aa) Verhinderung eines race to the courthouse versus race to the judgment Nach der Ansicht v. Mehrens ist das fine tuning-Instrument vom forum non conveniens einer lis pendens-Regelung überlegen.76 Zunächst führt er an, eine temporale Sperre erzeuge ein Wettrennen um die Rechtshängigkeit einer Klage (race to the courthouse), welches die flexible Abweisung einer Klage nach forum non conveniens-Grundsätzen verhindern könne. Ein solches Wettrennen 70  EuGH 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Gasser/Misat), Slg. 2003, I-14693 Rn.  41; McGuire, Verfahrenskoordination, S.  32. 71  „Gegenstand und Grundlage des Anspruchs“ müssen identisch sein, EuGH 08.12.1987, Rs. 144/86 (Gubisch Maschinenfabrik/Palumbo), Slg. 1987, 4861 Rn.  17, dazu noch ausführlich B. I. 72  Zu Einzelfragen: Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  29 ff. EuGVO; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  27 ff. EuGVO. 73  Linke/Hau, IZVR, Rn.  7.10; mit weiteren Nachweisen McGuire, Verfahrenskoordination, S.  31. 74  Guter Überblick zu den Änderungen: Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 530 ff.; Pohl, IPRax 2013, 109, 111 ff. 75  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  298 f. 76  Deutlich etwa bei v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  317 f., 349 f.

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sei unerwünscht, weil die Parteien überstürzt Klage erheben würden und damit die Bereitschaft für eine außergerichtliche Einigung sinke, die Anzahl an Gerichtsverfahren ansteige und Friktionen in zwischenstaatlichen Beziehungen entstünden.77 Das Entstehen der Konkurrenzsituation ist zum einen bei einer Einleitung verschiedener Klagearten mit umgekehrten Parteirollen denkbar, wenn beispielsweise der Kläger eine Leistung begehrt und der natürliche Beklagte die Feststellung des Nichtbestehens einer rechtlichen Grundlage der Leistung. Zum anderen ist auch bei gleicher Klageart mit unterschiedlichen Begehren, etwa gegenseitigen Schadensersatzforderungen, oder bei Scheidungsklagen ein Wettrennen möglich. Die Sorge um ein race to the courthouse teilen auch andere common law-Juristen, vorwiegend wegen des Zugzwangs zu einem „preemptive strike“.78 Im Grundsatz ist v. Mehren zuzustimmen: Ein rechtlicher Wettlauf ist zu missbilligen, wenn zufällige Umstände, wie unterschiedliche Zeitpunkte des Eintritts der Rechtshängigkeit oder die Überlegenheit einer Partei („Wettlauf zwischen Hase und Igel“79), über den Ausgang des Rechtsstreits entscheiden. Man muss sich allerdings die Alternative zum Prioritätsprinzip und dem damit verbundenen race to the courthouse vor Augen führen. Wird ein früher eingeleiteter Parallelprozess ignoriert, so führt das Nebeneinander zweier Verfahren regelmäßig zu mehreren Entscheidungen in derselben Sache. Die obsiegende Partei wird möglichst schnell die Anerkennung und Vollstreckung des Urteils anstreben, womit die Gefahr eines Wettrennens um das erste Urteil (race to the judgment)80 entsteht. Letztlich ist bei der Bewältigung von positiven Kompetenzkonflikten einer der beiden Wettläufe immer in Kauf zu nehmen.81 Die Frage ist alleine, welche Gefahr mit weniger Nachteilen behaftet ist und sich eher steuern lässt. Die durch v. Mehren angeführte comity wird durch das Nebeneinander mehrerer Prozesse mindestens genauso stark belastet wie durch die Nichtbeachtung eines sachnäheren, aber später eingeleiteten ausländischen Prozesses, weil die Staaten widersprechende Entscheidungen mit kollidierenden Pflichten82 erlassen können. Ein race to the courthouse ist auch aus dem Aspekt der Prozessöko77  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  293; ders., in: FS Drobnig (1998), S.  409, 417; ähnlich aus der dt. Rspr. Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  27 EuGVO Rn.  31 f. 78  Fawcett, in: Fawcett, Declining Jurisdiction in PIL (1995), S.  35; Juenger, in: FS Schütze (1999), S.  317, 321. 79  Geimer, IZPR, Rn.  2701. 80  Dieser Begriff ist von der dt. Lit. dem Begriff race to the courthouse nachgebildet worden, wohl zuerst durch Hau, Positive Kompetenzkonflikte, S.  55 f.; vgl. auch McGuire, Verfahrenskoordination, S.  95, 111 (ohne Nachweis zur Herkunft des Begriffes). 81  Hau, Positive Kompetenzkonflikte, S.  55. 82  Zu den Gefahren eines „battle of lawsuits“ oben A. I. 2.

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nomie noch eher in Kauf zu nehmen, denn der doppelte Aufwand eines inländischen und ausländischen Verfahrens erscheint unverhältnismäßig, wenn die Rechtskraft der anderen Entscheidung beachtet werden würde, nicht aber als Vorstufe dazu die Rechtshängigkeit des Verfahrens.83 Außerdem birgt das race to the judgment ein ungleich größeres Missbrauchspotential als das race to the courthouse, indem die Parteien das von ihnen jeweils selbst initiierte Verfahren vorantreiben und das des Gegners verzögern. Als Verzögerungstaktik kommt etwa die Einlegung eines Rechtsmittels in Betracht, um die Rechtskraft zu suspendieren.84 Zudem lässt sich das Rennen um die zeitlich erste Klageerhebung durch eine einheitliche Bestimmung des für die Rechtshängigkeit maßgeblichen Zeitpunktes entschärfen. Ohne ein weltweites Übereinkommen ist dies jedoch nur in einem einheitlichem Justizsystem wie der EU möglich, wo Art.  32 EuGVO nunmehr eine verordnungsautonome Bestimmung bereithält. Das Kriterium der zeitlichen Priorität ist zwar „internationalisierungsfähig“,85 solange dies aber nicht realisiert ist, bleibt ein race to the courthouse ebenso unerwünscht wie ein race to the judgment. bb) Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit versus Einzelfallgerechtigkeit Ausgangspunkt einer weiteren Überlegung v. Mehrens sind die schon von den Zuständigkeitskonzepten bekannten Leitprinzipien der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im civil law und dem entgegengesetzt die im common law angestrebte Einzelfallgerechtigkeit.86 Diese Wertungsdifferenzen setzen sich beim fine tuning fort. Die Lehre vom forum non conveniens verfolgt eine flexible Korrektur der Zuständigkeitsregelungen aufgrund den Zweckmäßigkeitserwägungen der Sachnähe bzw. Geeignetheit des Gerichts im konkreten Fall, während das Prioritätsprinzip eine formale Vorrangregelung enthält.87 v. Mehren bringt an verschiedenen Stellen zum Ausdruck, dass er zwar den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit als Strukturmerkmal im civil law und als Grundprinzip der EuGVO anerkennt, ihn aber für überbewertet erachtet und darin die

Hau, Positive Kompetenzkonflikte, S.  224. McGuire, Verfahrenskoordination, S.  43; schon Habscheid, RabelsZ 31 (1967), 254, 258 spricht daher von „kaum erträglichen praktischen Konsequenzen“ des Wettlaufs um die frühere Entscheidung. 85  Hau, Positive Kompetenzkonflikte, S.  148 ff., 230 f. sieht darin einen gewichtigen Vorzug. 86  S. Teil 1 B. IV. 4. 87 Vgl. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  301, 317; deutliche Gegenüberstellung bei Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 44 ff. 83 Vgl. 84 

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Ursache von Anwendungs- und Auslegungsproblemen der „starren“ Rechtshängigkeitsregeln sieht.88 Ist der Preis für die Rechtssicherheit also zu groß? Dass die Rechtssicherheit bei der Anwendung der Rechtshängigkeitsregeln nur durch klare Regelungen und genaue Begriffsdefinitionen verwirklicht werden kann, wie v. Mehren hervorhebt,89 wird auch vom EuGH und vom europäischen Gesetzgeber erkannt und ist nicht unbedingt als Nachteil zu werten. So ist man in der Rechtsprechung um die Klärung des autonomen Konzepts der Begriffe „Parteiidentität“ und „Anspruchsidentität“ bemüht,90 und auch ein autonomer Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts wurde in Art.  32 EuGVO gefunden.91 Die autonome Methodik gewährleistet, dass zwischen den Gerichten im Ausgangspunkt eine faire Konkurrenzsituation herrscht und die Verfahrenskoordination nach gleichen Maßstäben erfolgen kann.92 Als Beispiel für Anwendungs- und Auslegungsprobleme im Zusammenhang mit der lis pendens-Regel führt v. Mehren die Gasser-Rechtsprechung an.93 Nach früherem Recht, also der Fassung der EuGVO aus dem Jahr 2001 sowie unter dem EuGVÜ, gab es keine gesetzliche Regelung für den Fall, dass die Zuständigkeit im ersten Verfahren trotz einer in Frage stehenden Gerichtsstandsvereinbarung (Art.  23 EuGVO a. F.) möglicherweise unzulässig ergriffen worden war. Seinerzeit lehnte der EuGH eine Aufweichung des Prioritätsprinzips ab: Nur eine Entscheidung des Erstgerichts über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung gewährleiste das Ziel der Rechtssicherheit, weil der Wortlaut der Rechtshängigkeitssperre keine Differenzierung vorsehe, das Erstgericht bezüglich der Zuständigkeitsfrage nicht weniger kompetent als das Zweitgericht sei und zudem auf die Vereinbarung über den Gerichtsstand auch verzichtet werden könne, insbesondere durch rügelose Einlassung.94 Darüber hinaus führe auch eine überlange Verfahrensdauer nicht zu einer Relativierung der Sperrwirkung.95

88  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  303: „problems that arise for complex, modern adjudicatory systems that strongly prefer rigid over flexible rules that are reluctant to vest discretion in judges“, sowie S.  317, 340. 89  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  299 f. 90  Zu diesen Voraussetzungen allgemein: EuGH 08.12.1987, Rs. 144/86 (Gubisch Maschinenfabrik/Palumbo), Slg. 1987, 4861 Rn.  11 ff. 91  Eine bessere Abstimmung der einzelnen Koordinierungsregelungen strebt darüber hinaus die Reform der EuGVO aus dem Jahr 2012 an, dazu KOM(2010) 748 endg., S.  10. 92  Befürwortend auch Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art.  27 EuGVO Rn.  3; Stein/Jonas/ Wagner, ZPO, Art.  27 EuGVO Rn.  9; kritisch Tsikrikas, in: FS Leipold (2009), S.  351 ff. 93  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  301 ff. 94  EuGH 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Gasser/MISAT), Slg. 2003, I-14693 Rn.  47 ff. 95  EuGH 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Gasser/MISAT), Slg. 2003, I-14693 Rn.  70 ff.

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Diese strenge Handhabung durch den EuGH diente zwar der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeiten, hatte indes die Effektivität von Gerichtsstandsvereinbarungen behindert. Daher wurde teilweise entgegen der Position des EuGH angenommen, dass sich Sinn und Zweck des Art.  23 EuGVO – die Verwirklichung der Parteiautonomie – gegenüber der Verteilungs- und Ausschlussfunktion des Art.  27 EuGVO durchsetze.96 Besonders bei Gerichtsstandsvereinbarungen war das Missbrauchs- und Verschleppungspotential evident. Ein Rechtsstreit konnte nicht nur durch Anrufung eines langsam arbeitenden Gerichts verschleppt werden, wie mit dem klassische „Torpedo“ einer Feststellungsklage,97 sondern auch entgegen der Parteivereinbarung durch Klage am derogierten Gericht, welches naturgemäß eher bereit ist, die Unwirksamkeit der Abrede zu attestieren.98 Ob sich die letztgenannte Missbrauchsgefahr auch in der Praxis realisiert hat, blieb nach einer empirischen Untersuchung im Rahmen des Kommissionsvorschlags zur EuGVO-Reform fraglich.99 Stand eine Gerichtsstandsvereinbarung in Frage, ergab sich letztendlich in einer Mehrzahl der Fälle deren Unwirksamkeit. Kehrt man nunmehr vom Prioritätsgrundsatz durch Zuweisung der Zuständigkeitsfrage an das forum prorogationis ab, wie durch die Neuregelung in Art.  31 Abs.  2 EuGVO geschehen, und lässt dabei die bloße Behauptung einer Vereinbarung ausreichen, so besteht umgekehrt die Gefahr einer missbräuchlichen Berufung auf die Parteiabrede und einer Torpedierung durch Anrufung des vermeintlichen forum prorogationis.100 Dogmatisch spricht für eine Ausnahme vom Prioritätsprinzip allerdings viel: Der Grundsatz der Privatautonomie rechtfertigt die Zuweisung der Streitigkeit an das durch Parteivereinbarung berufene Gericht, während das derogierte Gericht sich „nur“ auf eine gesetzliche Zuständigkeit berufen kann. Die Vermutung der Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes in den einzelnen Mitgliedstaaten und das Auswahlrecht zwischen mehreren Gerichtsständen können also durchbrochen werden, weil eines der Gerichte der Privatautonomie dient statt einer Grothe, IPRax 2004, 205, 206 ff. Dazu noch ausführlich Teil 2 B. 98  Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 531; solche „delay tactics“ kritisiert v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  302 in Anschluss an das Vorbringen der englischen Regierung in der Rs. Gasser. 99  Commission Staff Working Paper, SEC(2010) 1547 final, S.  29 f.: 7,7 % aller Befragten gaben an, mit einem Geschäftspartner in den letzten fünf Jahren über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung gestritten zu haben, bei immerhin 5,7 % (d. h. in 75 % der Streitigkeiten) wurde die Vereinbarung dabei von einem Gericht für unwirksam erklärt. 100  Kritisch gegenüber der Neuregelung: Domej, in: Revision der Brüssel I-VO (2011), S.  105, 122; Heinze, RabelsZ 75 (2011), 581, 588 f.; Linke/Hau, IZVR, Rn.  7.16 f. 96 

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formal typisierten Sachnähe.101 Im System des europäischen Zivilprozessrechts kommt der Privatautonomie nach der Ratio des Art.  25 EuGVO eine klare Vorrangstellung zu, denn die Zuständigkeit liegt alleine beim prorogierten Gericht. Daher ist v. Mehrens Kritik an der Gasser-Rechtsprechung durchaus berechtigt.102 Die angesprochenen Anwendungs- und Auslegungsprobleme sind nicht von der Hand zu weisen – doch sie resultieren zu einem wesentlichen Teil aus der Möglichkeit zu missbräuchlichen Prozesstaktiken. Das Kernproblem liegt damit in der unterschiedlichen Effektivität der Prozessrechtssysteme in Europa.103 Um den Gedankengang v. Mehrens aufzugreifen, mag man sich einerseits auf den Standpunkt stellen, dem Jurisdiktionsgefälle werde das Prioritätsprinzip nicht gerecht. Andererseits wäre die strenge Rechtshängigkeitsregel aber sehr effektiv, wenn eine Gleichgewichtslage zwischen den mitgliedstaatlichen Prozessordnungen bestünde. Die erste Option der Herstellung einer Gleichgewichtslage würde an der Ursache ansetzen, ist allerdings im Hinblick auf eine baldige Vereinheitlichung des europäischen Prozessrechts zu idealistisch. Die zweite Option der Abkehr vom Prioritätsprinzip bekämpft hingegen bloß die Auswirkungen des Jurisdiktionsgefälles, ist dafür aber besser realisierbar, wie die EuGVO-Reform mit Neuregelungen in Art.  31 Abs.  2 EuGVO beweist. Kombiniert mit einer Art prima facie-Prüfung der Wirksamkeit der zugrundeliegenden Gerichtsstandsvereinbarung104 kann die Ausnahme vom Prioritätsprinzip zudem der umgekehrten Missbrauchsgefahr am forum prorogationis vorbeugen. Zu weit gegriffen wäre es dagegen, aufgrund des Korrekturbedarfs einzelner Sonderfälle – auf der Reformagenda stand ursprünglich auch die Torpedierung durch eine überlange Verfahrensdauer, welche leider keine Begrenzung fand105 – das Prioritätsprinzip gänzlich zu verwerfen. Denn die Rechtssicherheit durch Flexibilität zu ersetzen hieße auch, von den europäischen Grundprinzipien abzukehren. Das zeitliche Auswahlkriterium führt zu einer sachgerechten Lösung, wo keine Differenzierungsmöglichkeit zwischen gleichwertigen Gerichtsständen besteht, weil im Sinne der Waffengleichheit derjenige gewinnt, dessen Klagebegehren am dringlichsten ist.106 Der Preis für die Rechtssicherheit mag McGuire, in: FS Kaissis (2012), S.  671, 676. So besonders die englische Lit., etwa Hartley, 54 Int’l & Comp. L.Q. 813, 817 ff. (2005); vorsichtiger Briggs, YbPIL 12 (2010), 311, 314 ff.; aber auch Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  27 EuGVO Rn.  54. 103  Grothe, IPRax 2004, 205, 206; McGuire, in: FS Kaissis (2012), S.  671, 678. 104  Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 534 ff.; die Missbrauchsgefahr diskutiert auch v. Hein, RIW 2013, 97, 105. 105  Vgl. die nicht realisierte sechsmonatige Entscheidungsfrist des erstangerufenen Gerichts in Art.  29 Abs.  2 des Vorschlages, KOM(2010) 748 endg., S.  38. 106  So im Ergebnis auch: Heckel, GPR 2012, 272, 277; McGuire, in: FS Kaissis (2012), S.  671, 677, 681. 101 Vgl. 102 

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folglich in einigen Fällen groß sein, aber Reformbemühungen wie bei Gerichtsstandsvereinbarungen verwirklichen graduell mehr Gerechtigkeit und bilden die bessere Alternative zur völlig einzelfallorientierten forum non conveniens-Lehre. cc) Gebot des gesetzlichen Richters und Rechtsschutzgarantie im civil law Im Spannungsverhältnis zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit versucht v. Mehren ein weiteres Argument zu entkräften, welches oftmals gegen eine Übernahme der forum non conveniens-Lehre ins Feld geführt wird. Er führt aus, dass in europäischen Rechtssystemen das Gebot bestehe, eine gesetzlich zugewiesene Gerichtszuständigkeit auch auszuüben, denn „The gesetzliche Richter is not free to refuse to adjudicate on such grounds as the relative inconvenience of the forum seized in comparison with an alternative forum that was not seized.“107

Jedoch erweise sich das System der EuGVO als inkohärent zu diesem Grundsatz, weil in Art.  28 Abs.  2 EuGVO a. F. (Art.  30 Abs.  2 EuGVO n. F.) für konnexe Verfahren eine Ermessensentscheidung ohne weitere Leitlinien eingeführt worden sei und dem Gericht auch noch die Beurteilung des Zusammenhangs zwischen den Klagen nach Art.  28 Abs.  3 EuGVO a. F. (Art.  30 Abs.  3 EuGVO n. F.) obliege. Im Vergleich dazu könne eine gemäßigte Anwendung der forum non conveniens-Lehre mit konkreten Ermessenskriterien noch eher mit dem Gebot des gesetzlichen Richters vereinbart werden.108 Der am Anfang seiner Argumentationskette stehende Verweis auf das Verfassungsgebot ist nach deutschem Verständnis ein legitimer Einwand. Gemäß Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Das bedeutet, die internationale Zuständigkeit muss möglichst eindeutig aus einer abstrakt-generellen Norm bestimmbar sein, sodass sie im Einzelfall nicht durch sachfremde Einflüsse manipulierbar ist. 109 Daraus folgt aber nicht, dass der gesetzliche Richter schon endgültig feststehen muss, eine Art „bewegliche Zuständigkeit“ mit justizgemäßen Gesichtspunkten genügt.110 Das Verfassungsgebot steht der Übernahme der forum non conveniens-Lehre also nicht entgegen, sofern die maßgeblichen Kriterien hinreichend konkretisiert

v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  317 (Hervorhebungen im Original). v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  318; ähnlich argumentiert Cuniberti, 54 Int‘l & Comp. L.Q. 973, 975 f. (2005). 109  BVerfG 19.03.1959, BVerfGE 9, 223, 226 f. 110 So Kropholler, in: Handbuch IZVR I, Kap. III Rn.  210 im Vergleich zur „starren Zuständigkeit“. 107 

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werden.111 Diese Grenzen könnte eine „gemäßigte Anwendung“ mit einem eingeschränkten richterlichen Beurteilungsspielraum einhalten. Misslich ist es indes, wenn v. Mehren das „Brussels system“ als „inconsistent with the gesetzlicher Richter“ beschreibt,112 denn dabei handelt es sich um ein deutsches und nicht um ein europäisches Verfassungsgebot. Ein im weiteren Sinne funktionales Äquivalent zum gesetzlichen Richter stellt die Rechtsschutzgarantie im europäischen Zuständigkeitssystem dar. Aus dem Grundsatz des fair trial in Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK leitet sich der Justizgewährungsanspruch des Klägers ab,113 welcher ebenfalls einer Manipulation der gesetzlich normierten Gerichtszuständigkeiten entgegenwirkt. Könnte der Beklagte den Rechtsstreit entgegen der eigentlichen Zuständigkeitszuweisung vor ein anderes Gericht ( forum conveniens) bringen, so würde dem Kläger ein ihm garantierter Gerichtsstand entzogen.114 Im Gemeinschaftsrecht muss daher geprüft werden, ob die Ermessensspielräume durch forum non conveniens das Gleichgewicht zwischen Klägergarantie und Beklagtenschutz stören, allerdings anhand von Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK und nicht von Art.  101 Abs.  1 S.  2 GG. Meiner Ansicht nach wenig überzeugend ist des Weiteren v. Mehrens Verweis auf die Koordinationsregelung konnexer Verfahren in Art.  30 Abs.  2 und 3 EuGVO. Zwar beinhaltet die Unzuständigkeitserklärung nach Abs.  2 und die Aussetzung des Verfahrens nach Abs.  1 eine Ermessensabwägung, wie am Wortlaut („kann“) deutlich erkennbar ist. Die Abweisung ist aber am Zweck der Norm orientiert und soll zur Sicherung einer geordneten Rechtspflege auch Verfahren über verschiedene Streitgegenstände möglichst weitgehend miteinander verbinden. Deshalb werden Parteiinteressen, z.B. die Intensität des Zusammenhangs und die Gefahr widersprechender Entscheidungen, sowie öffentliche Interessen, z.B. an einer effektiven Streiterledigung, berücksichtigt.115 Damit erfolgt die Durchbrechung der Gerichtsstandsgarantie aufgrund der Sondersituation kollidierender Jurisdiktionsansprüche. Das Ermessen geht bei konnexen Verfahren mit einer weiten Auslegung der Vorschrift einher, um möglichst viele Fälle widersprechender Entscheidungen zu erfassen. Daher ist es auch bei großzügiger Anwendung dem Regelungszweck nicht abträglich. Ebenso wie 111  H.M.: Dorsel, Forum non conveniens, S.  179; Schack, IZVR, Rn.  565; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  490. 112  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  318 (Hervorhebungen im Original). 113  Dazu schon Teil 1 C. III. 3. 114  Ähnlich EuGH 01.03.2005, Rs. C-281/02 (Owusu/Jackson), Slg. 2005, I-1383 Rn.  42, dazu noch ausführlich unten A. II. 2. b); Bruns, JZ 2005, 890, 892; Rauscher/Fehre, ZEuP 2006, 463, 469; vorsichtig bzgl. der konkreten Grenze: McClean, in: FS van Loon (2013), S.  357, 360; a. A. Dicey/Morris/Collins, Conflict of Laws, Rn.  12–026 ff. 115  Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  28 EuGVO Rn.  19 f., 22.

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sich Ansätze einer forum non conveniens-Theorie in anderen speziellen Rechtsgebieten finden, beispielsweise in Art.  15 EuEheVO, Art.  6 lit.  a EuErbVO oder nunmehr in Art.  33 und 34 EuGVO bei der Berücksichtigung drittstaatlicher Rechtshängigkeit,116 sind diese Ausnahmen nicht verallgemeinerungsfähig. Sie resultieren alle aus Sondersituationen, deren Ermessen sich entweder an bestimmten Legalbeispielen orientiert, z.B. nach Art.  15 Abs.  3 EuEheVO am Kindeswohl, an hohe Voraussetzungen geknüpft ist, z.B. in Art.  33 Abs.  1 und Abs.  2 EuGVO, oder einem engen Regelungszweck folgen muss. Zudem sehen diese Regelungen auf der Rechtsfolgenseite nicht immer eine Aussetzung (stay) wie nach der forum non conveniens-Lehre vor, sondern teilweise sogar eine Verweisung an ein anderes Gericht, z.B. in Art.  15 Abs.  1 lit.  b EuEheVO oder Art.  30 Abs.  2 EuGVO. Daher lässt die begrenzte Zulassung von Ermessensentscheidungen nicht auf die generelle Akzeptanz der forum non conveniens-Lehre im europäischen Zivilprozessrecht schließen.117 Schließlich widerspricht sich v. Mehren selbst, wenn er an anderer Stelle ausführlich eine nur entfernte Verwandtschaft („vague resemblance“) zwischen Art.  15 EuEheVO sowie Art.  30 EuGVO („quite different from […] forum non conveniens“) und dem Rechtsinstitut des forum non conveniens konstatiert,118 daraus aber Rückschlüsse auf die Zulässigkeit der Doktrin schlechthin ziehen möchte. b) Ergebnis und möglicher Anwendungsbereich aa) Internationales Abkommen Im Ergebnis sprechen die durch v. Mehren ins Feld geführten Argumente nur bedingt für eine Übernahme der Lehre vom forum non conveniens in civil law-Rechtsordnungen. So wurde deutlich, dass erstens ein race to the courthouse noch das geringere Übel zu einem race to the judgment ist; dass zweitens das Gebot der Rechtssicherheit gegenüber einem flexiblen Koordinationssystem zwar an Einzelfallgerechtigkeit einbüßt, Anwendungsschwierigkeiten aber durch Reformen vermieden werden können; und dass drittens das Gebot des gesetzlichen Richters bzw. der Rechtsschutzgarantie des Klägers der Übernahme Grenzen setzen, doch dieser nicht völlig entgegenstehen. Will man in einem internationalen Übereinkommen von einer direkten Konfrontation der beiden fine tuning-Instrumente abrücken, müssen sie einer KomDomej, RabelsZ 78 (2014), 508, 537 ff., 540 („Gemeinsamkeiten mit dem forum non conveniens-Konzept“). 117  König, Forum non conveniens, S.  168 (für Art.  15 EuEheVO); Rauscher/Mankowski, EuZPR, vor Art.  4 EuGVO Rn.  34 (Art.  30 EuGVO); Stürner, JbItalR 26 (2013), 59, 69 (Art.  6 lit.  a EuErbVO). 118  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  328, 326. 116 Dazu

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promisslösung zugeführt werden. Ohne von der Überlegenheit der einen oder der anderen Lösung auszugehen, zwingt dies zu Zugeständnissen auf beiden Seiten. Für das civil law folgt daraus, dass der forum non conveniens-Gedanke nicht völlig verwerfen werden sollte, sofern er noch mit den verfassungsrechtlichen und strukturellen Grenzen zu vereinbaren ist. Immerhin könnten so die Nachteile des starren Prioritätsprinzips ausgeglichen werden. Im Sinne einer Kompromisslösung überzeugt daher der Verweis v. Mehrens auf eine moderate Anwendung von forum non conveniens, zweifelhaft ist nur die Überlegenheit dieser Doktrin. Die durch v. Mehren ins Spiel gebrachten London/Leuven Principles on Declining and Referring Jurisdiction in Civil and Commercial Matters119 geben ein überzeugendes Beispiel dafür, wie ein solcher Kompromiss aussehen könnte. Sie wurden von der International Law Association (ILA) erarbeitet und auf einer Konferenz in London im Jahre 2000 beschlossen. Das Regelwerk sieht neben einer klassischen lis pendens-Regel (Principle 4.1) in Principle 4.3 die Möglichkeit vor, dass das Ursprungsgericht das Verfahren an ein anderes Gericht verweist, wenn es selbst zur Behandlung des Falles „clearly inappropriate“ ist und das alternative Gericht „clearly more appropriate […] taking into account the interests of all parties, without discrimination on grounds of nationality“. Hierbei sind die enumerativ aufgezählten Gesichtspunkte zu beachten (Abs.  2), darunter der Wohnsitz und die Sprache der Parteien, die Natur und Belegenheit von Beweismitteln, das anwendbare Recht, Verfahrensvorschriften und die Vollstreckungsaussichten. Nach Principle 5.1 ist zu prüfen, ob das alternative Gericht seine Zuständigkeit ausüben und ein Sachurteil erlassen wird. Dazu soll das Erstgericht nach Principle 5.2 direkt mit dem Zweitgericht Kontakt aufnehmen. Die Voraussetzungen der Abgabe sind von Amts wegen abzustimmen. Sollte eine Übernahme scheitern, nimmt das Ursprungsgericht nach Principle 5.8 sein Verfahren wieder auf. Betrachtet man die einzelnen Prinzipien, so war man ersichtlich um die Korrektur einiger Nachteile bemüht, die aus der englischen und US-amerikanischen Doktrin resultieren. Mit der doppelten appropriateness-Prüfung kehrt das Konzept von der freien Suche nach dem vermutlich am besten geeigneten „natural forum“ ab, wie es US-amerikanische und englische Gerichte gemäß dem convenience-suitability approach120 praktizieren. Stattdessen soll eine Abweisung allenfalls in krassen Ausnahmefällen erfolgen und auch nur dann, wenn das alternative Gericht sich für zuständig erklärt und somit ein negativer Kompe-

International Law Association, Report of the 69th Conference, S.  153 ff.; vgl. auch im Überblick International Law Association, Conference Resolution London 2000, Principles. 120  Oben A. II. 1. a). 119 

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tenzkonflikt ausgeschlossen ist. Diese Vorgehensweise gleicht dem abuse-of-process approach Australiens, ist allerdings durch die konkreten Ermessensfaktoren und die direkte Gerichtskooperation noch strikter reglementiert. Entgegen der US-amerikanischen Praxis finden öffentliche Interessen keine Berücksichtigung. Sogar ausdrücklich untersagt ist die mit den öffentlichen Interessen oftmals verbundene Diskriminierung ausländischer Kläger, die auch durch v. Mehren abgelehnt wird. In der Gesamtschau ist den Prinzipien eine sehr moderate Einführung der forum non conveniens-Lehre zu bescheinigen, welche die Rechtshängigkeitssperre nach civil law-Vorstellungen um ein flexibles Kooperationsmodell mit engen gesetzlichen Vorgaben ergänzt. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass v. Mehren der gemäßigten Position der ILA folgt. In der deutschen Literatur wurde ebenfalls Sympathie für die Leuven/London Principles ausgesprochen.121 Gerhard Walter möchte die Principles 4 und 5 schon nicht als Form der forum non conveniens-Lehre verstehen, weil die Unterschiede zur herkömmlichen Anwendung der Doktrin in den einzelnen Rechtsordnungen des common law zu gewichtig seien.122 Doch die Herkunft und Verwandtschaft ist wohl kaum abzustreiten. In Anbetracht des Zuspruchs diesseits des Atlantiks verwundert es auch nicht, dass man sich auf der Diplomatischen Versammlung der Haager Konferenz im Juni 2001 auf eine den Leuven/London Principles sehr ähnliche Regelung über „exceptional circumstances for declining jurisdiction“ einigen konnte.123 Bedauernswert daran ist meines Erachtens allerdings der Wegfall einer direkten Kooperation zwischen den Gerichten. Diese war in Leuven/London Principle 5.3 vorgesehen und wurde auch von Catherine Kessedjian124 in ihrem Report zu den Haager Verhandlungen ausdrücklich begrüßt. Trotz der Mehrbelastung der Gerichte und des an die lis pendens-Lehre angelehnten Initialkontakts durch das erstangerufene Gericht ist ein solcher Dialog sinnvoll, denn er kann zu einer Verständigung über die nationale Verfahrenskoordination beitragen.

121  Gottwald, in: FS Jayme (2004), S.  277, 280 ff.; allgemeiner Schlosser, Rec. des Cours 284 (2000), S.  9, 53 ff., 84 ff. 122  Walter, in: FS Schumann (2001), S.  559, 576. 123  Art.  22. Hague Conference 2001 Interim Text, S.  20 f.; ähnlich auch schon Art.  22 der Preliminary Draft Convention on jurisdiction and foreign judgments in civil and commercial matters of October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000); die zeitgleiche Entwicklung zwischen der ILA Kommission und der Haager Konferenz erklärt sich aus einer Überschneidung der personalen Besetzung, etwa mit Peter Nygh, Fausto Pocar und Gerhard Walter. 124  International Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters, Report by Katherine Kessedjian (Prel. Doc. No 7 of April 1997) Nr.  150 S.  43.

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bb) Anwendungsbereich der EuGVO In der Rechtssache Owusu v. Jackson entschied der EuGH, dass die Doktrin vom forum non conveniens im europäischen Zivilprozessrecht nicht anzuwenden ist, und zwar auch dann nicht, wenn der Kläger in einem Drittstaat ansässig ist und der Beklagte in einem Mitgliedstaat. Dazu führte er zunächst aus, dass die Anwendbarkeit der EuGVO – genauer das damalige EuGVÜ – nicht den Bezug zu einem weiteren Mitgliedstaat voraussetzt, insbesondere weil der Wortlaut von Art.  4 EuGVO nur auf den Wohnsitz des Beklagten in einem Mitgliedstaat abstellt, Drittstaaten in keiner Weise verpflichtet werden und das Regelungsziel der Freizügigkeit zwischen den Mitgliedstaaten schon durch die VO per se und nicht erst durch einen speziellen Binnenmarkbezug verwirklicht wird.125 Sodann argumentierte der EuGH gegen die Vereinbarkeit von forum non conveniens mit den Grundsätzen der EuGVO. Die zwei wesentlichen Gründe dafür wurden hier bereits genannt: Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Gerichtsstände sowie Rechtsschutzgewährleistung. Zudem sieht der EuGH die einheitliche Anwendung der Zuständigkeitsregeln gefährdet, ließe man die nur in wenigen Vertragsstaaten bekannte Einrede des forum non conveniens zu.126 Bedeutung und Tragweite dieser Entscheidung würdigt v. Mehren vollumfänglich, argumentiert aber nichtdestotrotz für den Fortbestand der forum non conveniens-Doktrin unter der EuGVO. Es verwundert, dass er sich einerseits dem EuGH anschließt und die Argumente der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit auch auf vom Wohnsitz unabhängige Gerichtsstände übertragen wissen will.127 Aus diesem Grund wäre die Doktrin nur noch zulässig, wenn das angerufene Gericht seine Zuständigkeit aus Art.  6 EuGVO in Verbindung mit nationalen Regelungen herleitet.128 Andererseits plädiert er aber dafür, dass die Rechtsverordnungen aus Brüssel den Mitgliedstaaten nicht verbieten können, die dem nationalen Recht entsprungene Lehre vom forum non conveniens anzuwenden.129 Dabei hat v. Mehren die Ausgangsfrage denkbar ungenau formuliert: „Do the Brussels instruments forbid in all or some situations the courts of Member States granting forum non conveniens stays?“. Weil sich seine Untersuchung nicht auf spezielle Gerichtsstände beschränkt, beispielsweise die vom Wohnsitz unabhängigen Art.  24 und 25 EuGVO, muss sein Plädoyer als Ablehnung der zu125 

EuGH 01.03.2005, Rs. C-281/02 (Owusu/Jackson), Slg. 2005, I-1383 Rn.  24 ff. EuGH 01.03.2005, Rs. C-281/02 (Owusu/Jackson), Slg. 2005, I-1383 Rn.  37 ff. 127  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  337. 128  So auch die h.M. in Europa, etwa Huber/Stieber, ZZPInt 10 (2005), 285, 290; König, Forum non conveniens, S.  147 ff., 163 f.; Rodger, 2 J. Priv. Int’l L. 71, 92 (2006). 129  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  338–340. 126 

A.  Fine tuning bei Parallelverfahren im Allgemeinen

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vor genannten Auffassung des EuGH gedeutet werden. Schon in der Erstfassung seiner Abhandlung zur Adjudicatory Authority im Recueil des Cours aus dem Jahr 2002, d. h. vor der Owusu-Entscheidung aus dem Jahr 2005, findet sich ebendiese Aussage zur Zulässigkeit der forum non conveniens-Doktrin im europäischen Prozessrecht.130 Will man die Übernahme seiner Aussage in das Werk aus dem Jahr 2007 nicht als redaktionelle Nachlässigkeit werten, so ist der Konflikt zur Auffassung des EuGH wohl nur als bewusster Kontrapunkt in der Ansicht v. Mehrens aufzulösen. Der Sache nach greift v. Mehren bekannte Rechtfertigungsansätze aus der englischen Rechtsprechung und Literatur auf, allerdings ohne konkret auf diese zu verweisen. So trägt er vor, die forum non conveniens-Doktrin sei als nationale Verfahrensvorschrift (procedure) und nicht primär als Zuständigkeitsregel zu qualifizieren, weil das fine-tuning Instrument erst nach Feststellung der eigentlichen jurisdiction eingreife.131 Als reine Verfahrensregel aber wäre nach den Grundsätzen des EuGH in Kongreß Agentur Hagen eine Koexistenz neben der EuGVO möglich. Fragen der Zulässigkeit einer Klage bleiben gemäß dieser Rechtsprechung dem autonomen Prozessrecht nur dann überlassen, wenn die praktische Wirksamkeit des Übereinkommens nicht beeinträchtigt ist.132 Weil der Einwand des forum non conveniens eine an sich gegebene Zuständigkeit nach der EuGVO einschränkt, ist der Vorbehalt aber wohl einschlägig.133 Entgegen der Ansicht v. Mehrens ist ein rein prozessualer Charakter daher abzulehnen. Zusätzlich stellte der Owusu-Fall den Kläger vor die Schwierigkeit, dass nur der Beklagte Jackson seinen allgemeinen Gerichtsstand in England hatte. Die weiteren Beklagten waren in Jamaika und damit nicht in einem Mitgliedstaat ansässig. Wie die englischen Instanzgerichte134 will v. Mehren eine Zuständigkeitskonzentration durch forum non conveniens ermöglichen, d. h. einen einheitlichen Gerichtsstand in Jamaika schaffen.135 Doch dies ist kein zwingender Grund für die Zulässigkeit der Doktrin im Rahmen der EuGVO. Dem durchaus berechtigten Wunsch nach einer einheitlichen Verhandlung könnte de lege ferenda durch eine Anwendung von Art.  8 Nr.  1 EuGVO auf Drittstaatenbeklagte v. Mehren, Rec. des Cours 295 (2002), S.  9, 388–392. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  339 f.; so auch Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 3. Aufl., Rn.  2.213. 132  EuGH 15.05.1990, Rs. C-365/88 (Kongress Agentur Hagen/Zeehaghe), Slg. 1990, I-1860 Rn.  19 f. 133  Ausführlich dazu der Generalanwalt Philippe Léger in den Schlussanträgen vom 14.12.2004 zur Rs. C-281/02 (Owusu/Jackson), Rn.  262 ff.; vgl. auch Heinze/Dutta, IPRax 2005, 224, 226. 134  Owusu v. Jackson & Ors. [2003] 1 CLC 246, 250 (C.A.). 135  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  339. 130  131 

226

Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination

nachgekommen werden.136 Dafür sprechen die Interessenlage des Klägers sowie die ungerechtfertigte Besserstellung von Beklagten aus Drittstaaten, die sich ansonsten einer Klage am Wohnsitz ihrer Vertragspartner entziehen könnten. Eine analoge Anwendung von Art.  8 Nr.  1 EuGVO de lege lata137 hat der EuGH leider erst kürzlich verneint.138 Folglich stehen der Ansicht v. Mehrens gewichtige Gegenargumente entgegen. Sie ist Anbetracht der Owusu-Entscheidung des EuGH als deutliche Mindermeinung einzuordnen. Während eine moderate Anwendung der forum non conveniens-Doktrin also nach Vorbild der Leuven/London Principles in einem internationalen Abkommen sinnvoll erscheint, gilt sie nicht mehr für Fälle, die vom Anwendungsbereich der EuGVO erfasst werden.

B.  Displacement solution für Torpedoklagen I. Problemstellung Das fine tuning mittels der lis pendens-Lehre stellt eine Rechtsordnung vor besondere Herausforderungen, wenn ein potentieller Schuldner aus prozesstaktischen Gründen eine negative Feststellungsklage erhebt und mit ihr der Leistungsklage des Gläubigers zuvor kommen will. Bedient sich der Schuldner zur Erhebung seiner Feststellungsklage einer notorisch langsamen Jurisdiktion, um die Geltendmachung der Leistungsansprüche der anderen Partei bewusst zu verzögern oder gar zu vereiteln, spricht man von einer sog. Torpedoklage.139 Im europäischen Raum nutzt der Torpedokläger dazu oftmals das unterschiedliche Niveau der Rechtspflege in den einzelnen Mitgliedstaaten aus. Besonders italienische und belgische Gerichte sind bekannt für ihre lang andauernden Verfahren, die sich in erster Instanz leicht über mehr als fünf Jahre erstrecken können, und gelten deshalb als prädestiniert für die Erhebung von dilatorischen Feststellungsklagen.140

136 

So auch Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  8 Rn.  9. Wie von der Lit. gefordert, vgl. etwa Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  7. 138  EuGH 11.04.2013, Rs. C-645/11 (Land Berlin/Ellen Mirjam Sapir), Celex-Nr.  62011CJ0645 Rn.  41 ff. 139 Bspw. Hartley, in: FS v.  Mehren (2002), S.  73, 75; McGuire, in FS Kaissis (2012), S.  671, 678. 140  Etwa das Tribunale di Bergamo (Italien) bei unbestrittenem Tatsachenvortrag einer negativen Feststellungsklage mit sechsjähriger Verfahrensdauer, OLG München, RIW 1998, 631; vgl. auch Carl, Torpedoklagen, S.  37 f. 137 

B.  Displacement solution für Torpedoklagen

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Typische Fallkonstellationen141 von Torpedoklagen sind patentrechtliche Streitigkeiten, bei denen der potentielle Patentrechtsverletzer eine Nichtigkeitsklage im Hinblick auf das Schutzrecht einleitet. Aber auch zahlungsunwillige Schuldner greifen zum Torpedo, sowie eventuell auch der Deliktsschädiger, dem nach einem neueren Urteil des EuGH142 der Gerichtsstand des Art.  7 Nr.  2 EuGVO für eine negative Feststellungsklage zur Verfügung steht. Kennzeichnend ist neben dem zeitlichen Aspekt des Zuvorkommens gegenüber einer drohenden Klage die Anrufung eines langsamen und/oder eines unzuständigen Forums. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten mag in etlichen Fällen nahe liegen und dient manchen zur Abgrenzung zum legalem forum shopping.143 Allerdings kann die Wirkung als Prozessverschleppung auch ohne eindeutigen Missbrauch – dessen subjektive Komponente ohnehin schwer nachweisbar ist – eintreten und die Einordnung als grundsätzlich zulässigem forum shopping die Notwendigkeit einer Korrektur in Ausnahmefällen nicht per se ausschließen.144 Eine Differenzierung zwischen der Problematik einer überlangen Verfahrensdauer und der Unzuständigkeit des Erstgerichts erscheint nicht unbedingt erforderlich.145 Wünschenswert ist vielmehr eine einheitliche Lösung für beide Konstellationen, zumal das Erstgericht nicht nur bei einer tatsächlich gegebenen Zuständigkeit in einigen Fällen notorisch langsam arbeitet, sondern auch oder erst recht bei eigener Unzuständigkeit, dessen Feststellung oftmals nicht eindeutig und daher zeitintensiv ist. Der regelungstechnische Blockademechanismus beruht im europäischen Zivilprozessrecht auf dem strengen Prioritätsprinzip und dessen ausnahmsloser Anwendung durch den EuGH. In zwei wegweisenden Entscheidungen zum Streitgegenstandsbegriff i. S. d. Art.  29 EuGVO entwickelte der EuGH die sog. Kernpunkttheorie und stellte Leistungs- wie Feststellungsklage im Konkurrenzverhältnis auf die gleiche Stufe. Zuerst etablierte er in der Rechtssache Gubisch/Palumbo die vertragsautonome Konzeption des Begriffs „desselben Anspruchs“. Der Entscheidung lag die Klage einer deutschen Verkäuferin auf Kaufpreiszahlung in Deutschland zugrunde, die gefolgt wurde von einer Feststellungsklage des italienischen Käufers in Italien auf Erklärung der Unwirksamkeit oder Auflösung des Kaufvertrags. Mithin konkurrierte die LeistungsCarl, Torpedoklagen, S.  75 ff.; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 160 ff. EuGH 25.10.2012, Rs. C-133/11 (Folien Fischer/Ritrama), Celex-Nr.  62011CJ0133 Rn.  36 ff.; vermehrte Torpedoklagen am zuständigen Gericht vermutet daher Thole, NJW 2013, 1192, 1194. 143  Grothe, IPRax 2004, 205, 212; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 163. 144  Definition ohne Missbrauchsaspekt auch bei Carl, Torpedoklagen, S.  61 f.; Schmehl, Parallelverfahren, S.  213. 145  So aber Schmehl, Parallelverfahren, S.  342 ff. 141 Dazu 142 

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Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination

klage mit einer zeitlich nachfolgenden Feststellungsklage. Nach dem EuGH ist der Streitgegenstand beider Klagen identisch, denn sie beruhen auf derselben „Grundlage“ von Sachverhalt und Rechtsvorschriften, nämlich auf dem Kaufvertragsverhältnis, sowie auf demselben „Gegenstand“ des Verfahrens, weil der Zweck jeweils den Bestand des Kaufvertrags betrifft.146 Mit Blick auf das Anerkennungshindernis der unvereinbaren Entscheidung in Art.  34 Nr.  3 EuGVO a. F., nunmehr Versagungsgrund nach Art.  45 Abs.  1 lit.  c EuGVO n. F., stellte der EuGH auf den „Kernpunkt“ der Streitigkeit ab, welcher die Wirksamkeit des Vertrages betrifft. Im Unterschied zum deutschen Streitgegenstandsbegriff ist die Kernpunkttheorie also weiter gefasst, auf den Klageantrag kommt es gerade nicht an.147 Den zu Gubisch spiegelverkehrten Fall, der zeitlich ersten Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer Haftung und einer anschließenden Leistungsklage auf Schadensersatz, behandelte der EuGH in der Tatry-Entscheidung analog. Hinsichtlich des Schadensersatzbegehrens sei die zweite Klage „natürliche Folge“ des Feststellungsantrags und verändere den Kernpunkt der Klage nicht.148 Die autonom-europäische Verfahrenskoordination deckt sich folglich nicht mit den nationalen Rechtsordnungen, da im deutschen Rechtskreis der Feststellungsklage nur ein „ergänzender“ Charakter zukommt, weshalb das Feststellungsinteresse bei einer späteren Leistungsklage entfällt, und daher auch im romanischen Rechtskreis aufgrund der engen Auslegung der cause keine gegenseitige Blockade stattfindet.149 Verstärkt wird der Torpedoeffekt durch die weitere Auslegung des EuGH. Die bereits unter dem kritischen Blick v. Mehrens besprochene Gasser-Rechtsprechung machte den Grundsatz des Vertrauens in die Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes fruchtbar und verweigerte eine Durchbrechung des Prioritätsprinzips zugunsten des Zweitgerichts trotz Gerichtsstandsvereinbarung und überlanger Verfahrensdauer.150 In der europäischen Literatur hat man daraufhin verschiedene Lösungsansätze erarbeitet, welche später noch skizziert werden. In diese Riege reiht sich EuGH 08.12.1987, Rs. 144/86 (Gubisch Maschinenfabrik/Palumbo), Slg. 1987, 4861 Rn.  15 f. 147  Ausführlich zur Anspruchsidentität: Althammer, Streitgegenstand und Interesse, S.  115 ff., 617 ff.; Heiderhoff, in: FS Kaissis (2012), S.  383 ff.; Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  29 EuGVO Rn.  13 ff. 148  EuGH 06.12.1994, Rs. C-406/92 (Tatry/Maciej Rataj) Slg. 1994, I-5439 Rn.  4 4. 149  Althammer, Streitgegenstand und Interesse, S.  121 ff. (zum romanischen Rechtskreis); Haas, in: FS Gottwald (2014), S.  215, 216 f. (zum deutschen Rechtskreis); Otte, in: FS Schütze (1999), S.  619, 624 ff. 150  EuGH 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Gasser/MISAT), Slg. 2003, I-14693 Rn.  70 ff.; oben A. II. 2. a) bb). 146 

B.  Displacement solution für Torpedoklagen

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v. Mehren mit einem eigenen Vorschlag ein, welcher aufgrund der außereuropäischen und gewissermaßen neutralen Perspektive eine besondere Orientierung an den Zuständigkeitsinteressen verspricht. Seine Überlegungen zielen gleichzeitig auf eine internationale Konvention, welche wie die EuGVO eine lis pendens-Regelung zum Ausgangspunkt nehmen könnte, dabei aber Torpedoklagen möglichst vermeiden soll.151 Die Reform der EuGVO löste die Torpedoproblematik leider nur in Bezug auf Gerichtsstandsvereinbarungen, für welche das Prioritätsprinzip nunmehr durchbrochen wird und gemäß der Neuregelung in Art.  31 Abs.  2 EuGVO allein das prorogierte Gericht zuständig ist. Die spätere Klage am forum progrogatum genießt mithin Vorrang vor dem zuerst angerufenen Gericht, welches sein Verfahren aussetzt, bis das prorogierte Gericht über seine Zuständigkeit entschieden hat.152

II. Lösungsvorschlag v. Mehrens: displacement solution 1. Ausgangspunkt beim natural defendant Bei der Koordinierung von Leistungs- und negativer Feststellungsklage unterscheidet v. Mehren zunächst die Positionen der beteiligten Parteien nach ihrem Klagebegehren. Der Leistungskläger ergreife nicht nur prozessual die Initiative zur Einleitung des Verfahrens, sondern begehre auch erzwingbaren und vollstreckbaren Rechtsschutz (coercive relief ). Er sei Kläger in prozessualer sowie materiellrechtlicher Hinsicht, mithin der „natürliche Kläger“ (natural plaintiff ). Der Feststellungskläger begehre hingegen keinen vollstreckbaren Rechtsschutz und nehme materiellrechtlich betrachtet keine Klägerposition ein, sondern nur prozessrechtlich. Er sei daher ein „natürlicher Beklagter“ (natural defendant).153 Die Bezeichnung des Feststellungsklägers als natural defendant spiegelt das klägerische Interesse sowie den Normzweck der Klageart wider, nämlich ein Rechtsverhältnis verbindlich zu klären und als obsiegende Partei anschließend risikofrei disponieren zu können.154 Losgelöst von der formalen Stellung als Prozesspartei kommt in der Bezeichnung also das Gefälle der Rechtsschutzintensität zwischen Leistungs- und Feststellungsklage zum Ausdruck. v. Mehren, in: FS Drobnig (1998), S.  409, 417 („international convention“); auch ders., Adjudicatory Authority, S.  311 („adopting for international litigation“). 152  Ausführlich Hilbig-Lugani, in: FS Schütze (2014), S.  195, 198 ff.; auch Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 533 ff. 153  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  305; ders., in: FS Drobnig (1998), S.  409, 411. 154  So überwiegend der Normzweck in Rechtsordnungen, die eine Feststellungsklage vorsehen, vgl. die preventive remedies bei Blomeyer, in: 16 Int. Enc. Comp. L. §  4 Rn.  82 ff.; zur dt. Rechtslage Musielak/Voit/Foerste, ZPO, §  256 ZPO Rn.  1. 151 

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Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination

In der deutschen Literatur wird namentlich von Karsten Otte die Legitimität dieser Betrachtungsweise v. Mehrens in Frage gestellt. Die Figur des natural defendant sei sicherlich der forum non conveniens-Lehre entlehnt, welche das geeignetste natural forum bestimme. Dies passe aber nur auf Prozessordnungen, die eine negative Feststellungsklage nicht kennen. Zudem argumentiere v. Mehren nur mit dem aus seiner Sicht unerwünschten race to the courthouse, gebe aber keine Begründung für die angeblich „natürliche“ Parteirollen.155 Das erstgenannte Bedenken von Otte ist meiner Ansicht nach hinsichtlich der sprachlichen Doppeldeutigkeit berechtigt, denn die Verfahrenskoordination zwischen Feststellungs- und Leistungsklage sollte sich in Europa nicht an der unbestimmten und unzulässigen Doktrin vom forum non conveniens orientieren. Alternativ hätte sich auch der Terminus „true“ oder „real defendant“ angeboten. Doch die Assoziation einer Suche nach dem natural forum war vermutlich nicht beabsichtigt, denn v. Mehren wählte das Adjektiv „natural“ als Übersetzung des deutschen „an sich Beklagten“. Diese Wortwendung hat er der Dissertation von Christian Dohm zur Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen IZVR entnommen und für treffend befunden.156 Ein Hinweis auf das forum non conveniens fehlt bei ihm hingegen gänzlich. Vielmehr zeigt er sich bemüht, eben solchen Rechtsordnungen gerecht zu werden, welche schon seit längerem mit Feststellungsklagen vertraut sind und diese nicht wie das englische oder US-amerikanische Recht erst in neuerer Zeit rezipieren.157 Dennoch ist richtig, dass die Bezeichnung des natural defendant schon eine gewisse Wertung dahingehend beinhaltet, wer in seiner Rolle als Kläger schützenswerter ist. Das soll nach dem Willen v. Mehrens selbstverständlich der „natürliche Kläger“ und nicht der „natürliche Beklagte“ sein. Auch eine Begründung, warum die materielle Rechtsstellung andere Zuständigkeitsinteressen eventuell verdrängt, wie die Vorzugsstellung nahelegt, findet sich bei ihm in der Tat nicht. Man könnte meinen, dass v. Mehren an der Balance des actor sequitur forum rei-Prinzips als Gegengewicht zu den besonderen Gerichtsständen gelegen ist, welche durch umgekehrte Parteirollen zu kippen droht. Doch die Geltungskraft dieses Prinzips lehnt er ab.158 Seine höchste Maxime im Prozessrecht ist die Chancengleichheit der Parteien. Diese betrachtet er im Sinne der fairness

155  Otte, in: FS Schütze (1999), S.  619, 636 f.; dem folgt Althammer, Streitgegenstand und Interesse, S.  714. 156  v. Mehren, in: FS Drobnig (1998), S.  409, 423 in Fn.  63 mit Verweis auf Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen IZVR (1996), S.  285. 157  Vgl. die rechtsvergleichenden Betrachtungen bei v. Mehren, in: FS Drobnig (1998), S.  409, 411 ff., 415. 158  Oben Teil 1 D.

B.  Displacement solution für Torpedoklagen

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theory unter verschiedenster parteibezogener Blickwinkel,159 hier also unter der materiellen Rechtslage. Weiterreichende Rechtfertigungsansätze allein für die Konzeption des natural defendant sind meines Erachtens auch nicht notwendig. Die eigentliche Problematik wirft das Konkurrenzverhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsklage auf, das sogleich betrachtet wird. Trotz dieser Kritik hat v. Mehrens Ansatz am natural defendant in der US-amerikanischen und europäischen Literatur Anklang gefunden.160 In der Rückübersetzung spricht man nunmehr auch im Deutschen vom „natürlichen Beklagten“,161 anstatt wie Dohm vom „an sich Beklagten“, was auf v. Mehrens Vorschlag zurückzuführen ist. 2. Ersetzungslösung der Feststellungsklage durch nachfolgende Leistungsklage a) Kritik an der Gleichstellung beider Klagearten Zur Koordination von Leistungs- und Feststellungsklage orientiert sich v. Mehren an der Motivation des Feststellungsklägers (natural defendant). Eine Feststellungsklage könne regelmäßig gemäß nationalem Recht schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt erhoben werden, in dem die wahrscheinlich anspruchsbelastete Partei berechtigterweise eine Klärung über die Rechtslage wünscht. In dieser Fallgruppe sei dem natural defendant ein Abwarten nicht mehr zuzumuten, z.B. weil künftige Schäden oder eine Schadensersatzpflicht zu erwarten sind. Ein Leistungsbegehren scheidet hier schon aufgrund des frühen Zeitpunktes aus, etwa weil im Fall des ernstlichen Bestreitens oder bei Berühmen eines Anspruches andere Rechtsschutzmöglichkeiten, wie eine Unterlassungsklage, nicht besser geeignet sind (Fallgruppe 1). Anders liege der Fall, wenn sich die Streitigkeit schon bis zu einem Punkt fortentwickelt hat, zu dem die Entscheidungsreife hinsichtlich des Leistungsbegehrens bevorsteht und sich die Gesichtspunkte einer solchen Klage verdichten (Fallgruppe 2).162 In der ersten Fallgruppe ist der natürliche Beklagte also auf das Institut der negativen Feststellungsklage zur Sicherung des Rechtsfriedens angewiesen, seine Motivation wurzelt oftmals nicht in dem Bemühen um die Abwehr einer Leistungsklage. Hingegen besteht zum Zeitpunkt der „beinahe“-Entscheidungsreife deutlich eher die Möglichkeit, dass die Feststellungsklage zur Abwehr einer Leistungsklage instrumentalisiert wird. Bei der zweiten Fallgruppe ist folg159 

Oben Teil 1 C I. 4. Brand, 37 Tex. Int’l L. J. 467, 492 (2002); Gebauer, in: GS v. Mehren (2007), S.  89, 90; Parrish, 78 Geo. Wash. L. Rev. 237, 272 (2010). 161  Etwa Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  27 EuGVO Rn.  30 mit Verweis auf v. Mehren in Fn.  78. 162  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  304 f.; ders., in: FS Drobnig (1998), S.  409, 410 f. 160 

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Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination

lich die Gefahr der Steuerung des Gerichtsstandes und mithin des forum shopping größer, welches v. Mehren zu verhindern sucht.163 Sodann führt v. Mehren aus, warum genau ein taktisches forum shopping in der zweiten Fallgruppe problematisch und unerwünscht sei. Für die Erhebung einer negativen Feststellungsklage seien grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen über Gerichtsstände anwendbar. Bei den besonderen Gerichtsständen bzw. der specific jurisdiction sei die Zuständigkeit nach gleichen Grundsätzen wie im Rahmen einer Leistungsklage eröffnet. Weil die Anknüpfungspunkte überwiegend streitgegenstandsbezogen seien, werde die Zuständigkeit durch die Klageart kaum berührt. Ein gravierender Unterschied bestehe allerdings am allgemeinen Gerichtsstand bzw. bei der general jurisdiction, weil die Beklagtenrolle wechsle und nun der Wohnsitz bzw. das domicile oder eventuell die Nationalität des natürlichen Klägers ausschlaggebend sei.164 Sein Befund trifft auch auf das europäische Zivilprozessrecht zu. Schon bislang bestand Einigkeit darüber, dass der besondere Gerichtsstand für Vertragsklagen nach Art.  7 Nr.  1 EuGVO auch für Klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages bzw. für das Nichtbestehen einer spezifischen Pflicht gilt.165 Erst kürzlich hat der EuGH in der Rechtssache Folien Fischer die Anwendbarkeit auch des Deliktsgerichtsstandes nach Art.  7 Nr.  2 EuGVO in der Konstellation des Klägers als vermeintlichen Täters bestätigt. Demnach soll sich der Täter dort verantworten, wo er gehandelt hat oder der Erfolg eingetreten ist, auch wenn ihm damit das eigentlich klägerfreundliche Wahlrecht zur Verfügung steht. Denn die Vorschrift bezwecke nicht ausschließlich den Opferschutz.166 Die besonderen Gerichtsstände zielen folglich nicht auf den Schutz der schwächeren Partei, wie des Schuldners oder des Opfers, womit sich keine Wertungswidersprüche mit der Feststellungsklage ergeben, was lange Zeit von der Literatur unterstellt wurde.167 Übrig bleibt allerdings ein Missbrauchspotential durch Umkehrung des actor sequitur forum rei-Grundsatzes. Folglich kann forum shopping in der zweiten Fallkonstellation auch mit dem allgemeinen Gerichtsstand betrieben werden. Das ist nach v. Mehren besonders misslich, weil in jüngerer Zeit die Akzeptanz von negativen Feststellungsklagen 163 Vgl. v. Mehren, in: FS Drobnig (1998), S.  409, 410 f.; ganz ähnlich Otte, in: FS Schütze (1999), S.  619, 628. 164  v. Mehren, in: FS Drobnig (1998), S.  409, 413. 165  EuGH 04.03.1982, Rs. C-38/81 (Effer/Kantner) Slg. 1982, 825; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  5 EuGVO Rn.  23; nach dt. Recht muss der Klageantrag auf Feststellung einer spezifischen Vertragspflicht gerichtet sein. 166  EuGH 25.10.2012, Rs. C-133/11 (Folien Fischer/Ritrama), Celex-Nr.  62011CJ0133 Rn.  44 ff.; zustimmend auch Thole, NJW 2013, 1192, 1193; kritisch hinsichtlich den Folgen für die Verfahrenskoordination: Gebauer, ZEuP 2013, 870, 874 ff. 167 Etwa Huber, JZ 1995, 603, 605 ff.; Otte, in: FS Schütze (1999), S.  619, 631.

B.  Displacement solution für Torpedoklagen

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in den verschiedenen Rechtsordnungen, insbesondere des common law, zugenommen habe. Folge man wie der EuGH in der Tatry-Entscheidung einem strengen Prioritätsprinzip, so entstehe ein race to the courthouse.168 Das von der deutschen Literatur vorgebrachte Argument, eine Gleichstellung von Feststellungs- und Leistungsklage gewährleiste die Chancen- und Waffengleichheit der Parteien,169 überzeugt ihn hingegen nicht. Denn der so herbeigeführte Wettlauf zu den Gerichten führe auf kurz oder lang zu einer „unseemly disorder internationally“ und sei aufgrund des Zeitdrucks sowie der Behinderung einer außergerichtlichen Einigung beschwerlicher für die Parteien als die rein formale Gleichheit.170 Wie schon beim fine tuning allgemein171 bewertet v. Mehren also ein race to the courthouse als schlechthin unerträglich, weil er darin eine schwere Verletzung von Parteiinteressen sieht. Zudem soll die Waffengleichheit bei der Zuständigkeitseröffnung nur dann ein durchschlagendes Argument sein, wenn ein einheitliches Rechtsschutzniveau gesichert ist, wie es zwischen assoziierten Staaten, etwa in der EU, möglich erscheine.172 Auch heute noch ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass de facto ein Gefälle im Justizsystem der EU besteht, dem Grunde nach also sein Argument gewisse Berechtigung hat.173 b) Vorbild der deutschen Lösung zum Entfallen des Feststellungsinteresses Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Motive des natural defendant sucht v. Mehren nach einer Lösung, die in beiden Fallkonstellationen ein race to the courthouse verhindert und gleichzeitig den Parteiinteressen gerecht wird. Den richtigen Ansatz glaubt er im deutschen Recht gefunden zu haben, wo eine Feststellungklage wegen Fortfalls des Feststellungsinteresses unzulässig wird, sobald der Feststellungsbeklagte eine Leistungsklage erhebt. Die deutsche Rechtsprechung leitet dies aus dem grundsätzlichen Vorrang des Leistungsverfahrens vor dem Feststellungsverfahren ab.174 Nach Ansicht v. Mehrens werden damit einerseits die Fälle in Gruppe 1 befriedigend gelöst, weil vor Entscheidungsreife 168  v. Mehren, in: FS Drobnig (1998), S.  409, 414, 417, 421 f.; zur fortschreitenden Akzeptanz von preemptive remedies im common law vgl. auch Blomeyer, in: 16 Int. Enc. Comp. L. §  4 Rn.  84. 169  Schack, IPRax 1996, 80, 82 (Verweis durch v. Mehren); ebenso McGuire, Verfahrenskoordination, S.  92 ff.; Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  29 Rn.  17. 170  v. Mehren, in: FS Drobnig (1998), S.  409, 414; ähnlich ders., Adjudicatory Authority, S.  308. 171  Dazu bereits oben A. II. 2. a) aa). 172 Vgl. McGuire, in: FS Kaissis (2012), S.  671, 678. 173  v. Mehren, in: FS Drobnig (1998), S.  409, 418. 174  Etwa BGH 20.01.1987, BGHZ 90, 340, 342; BGH 21.12.2005, BGHZ 165, 305, 308 f.; dazu MüKo/Becker-Eberhard, ZPO, §  256 ZPO Rn.  61 f.

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Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination

eine Leistungsklage noch nicht erhoben werden kann und das Feststellungsinteresse fortbesteht. Andererseits biete die Erhebung einer Leistungsklage dem natural plaintiff die Möglichkeit, das forum shopping des natural defendant in Fallgruppe 2 zu verhindern und seine Torpedoklage zu frustrieren.175 Nur beiläufige Erwähnung findet eine der Ausnahmen, die der BGH zum Feststellungsinteresse entschieden hat, nämlich das Fortbestehen des Interesses bei einer „im Wesentlichen“ gegebenen Entscheidungsreife der Feststellungsklage.176 Unberücksichtigt bleibt bei v. Mehren daneben auch das für ein Entfallen des Feststellungsinteresse notwendige Erfordernis, dass die Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann, also mündlich verhandelt worden ist (§  269 ZPO).177 Genauere Modalitäten zum Entfallen des Feststellungsinteresses orientiert er mithin nicht am deutschen Recht. Unklar bleibt im Rahmen seiner Ausführung vor allem, ob der Leistungsklage Vorrang nur innerhalb einer bestimmten Periode ab Rechtshängigkeit der Feststellungsklage gebühren soll. Eine Höchstfrist würde den Fortbestand des Feststellungsinteresses standardisieren, sodass die offengelassene Frage nach der Entscheidungsreife nicht wie in der Praxis des BGH im Einzelfall entschieden werden müsste. Der Feststellungsbeklagte müsste also sein Interesse an einer Leistungsklage innerhalb kurzer Zeit durch eine Klageerhebung deutlich machen. Eine solche zeitliche Befristung erwähnt v. Mehren nur beiläufig: „If the latter [natural defendant] does initiate a declaratory action, the former has a reasonable period of time in which to decide whether to allow the proceedings to continue or to begin a coercive action.“178

Dem Wortlaut nach könnte man diese „angemessene“ Zeitspanne auch im Sinne der deutschen Rechtsprechung verstehen, weil bei weiterem Fortschritt des Prozesses das Feststellungsinteresse bestehen bliebe. Die Notwendigkeit einer exakten Frist bedarf jedenfalls noch einer weiteren Untersuchung. 3. Wissenschaftliche Einordnung Eine Ausnahmeregelung zum Prioritätsprinzip für den Fall, dass auf eine negative Feststellungsklage eine Leistungsklage folgt, wird im internationalen und europäischen Kontext spätestens seit dem Entwurf zum Haager Anerkennungsund Vollstreckungsübereinkommen aus dem Jahr 1999 (HZVÜ-E) erwogen. Dessen Art.  21 Abs.  1 statuiert zunächst eine Rechtshängigkeitsregel, welche v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  311 f., 315 f.; ders., in: FS Drobnig (1998), S.  409, 417. v. Mehren, in: FS Drobnig (1998), S.  409, 412, 417. 177  BGH 21.05.1955, BGHZ 18, 22, 42; BGH 20.01.1987, BGHZ 90, 340, 342. 178  v. Mehren, in: FS Drobnig (1998), S.  409, 423 (Klammerzusatz durch die Verf. hinzugefügt) sowie auf S.  424 erneut: „within a reasonable period of time“. 175 

176 

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für den Streitgegenstandsbegriff wie im europäischen Recht vom Erfordernis der Identität des Klageantrags absieht, verschiedene Klagearten also grundsätzlich gleichstellt. Von dieser Grundregel ausgenommen werden in Art.  21 Abs.  6 HZVÜ-E explizit die negative Feststellungsklagen, sofern ihnen eine Leistungsklage nachfolgt. Leistungsklagen wird also generell der Vorzug gewährt und das Feststellungsverfahren ausgesetzt, ohne die Erhebung der Leistungsklage zeitlich zu befristen.179 Dieser Vorschlag geht auf die deutsche Delegation zurück, die eine Lösung nach dem Vorbild ihres eigenen Rechts auch international für wünschenswert erachtete.180 Daran hat v. Mehren offenbar Gefallen gefunden, der an der Erarbeitung des Haager Entwurfs mitwirkte. Daneben allerdings bekämpft der Entwurf zum Übereinkommen die zeitliche Blockadewirkung von Torpedoklagen mit einer weiteren Bestimmung. Art.  21 Abs.  3 HZVÜ-E sieht vor, dass ein Verfahren vor einem Zweitgericht eingeleitet werden kann, wenn der Kläger im Erstverfahren nicht die erforderlichen Schritte unternommen hat, um das Verfahren bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache voranzutreiben oder wenn das Gericht eine solche Entscheidung nicht innerhalb eines angemessenen („reasonable“) Zeitraums erlässt. Somit erfassen beide Regelungen jeweils einen Teilaspekt des Problems: Art.  21 Abs.  3 HZVÜ-E verhindert eine überlange Verfahrensdauer allgemein und unabhängig von der Klageart, während Art.  21 Abs.  6 HZVÜ-E speziell den Vorrang der Leistungsvor der Feststellungsklage anordnet. Beide Ansätze werden von der Literatur zur Vermeidung von Torpedoklagen als Lösung unter der EuGVO de lege ferenda diskutiert.181 Besonders hervorzuheben ist aus dem deutschen Schrifttum die Gefolgschaft Gerhard Wagners, welcher sich zwar nicht auf den Haager Entwurf, dafür aber auf v. Mehren beruft und dessen Ansatz unverändert übernimmt.182 Speziell für das europäische Zivilprozessrecht hat die Grotius-Projektgruppe parallel zur Haager Konferenz in den Jahren 1997 und 1998 einen ähnlichen Vorschlag erarbeitet. Die private Arbeitsgruppe unter der Leitung von Konstantinos Kerameus wurde von der EU-Kommission zur Vorbereitung der Revision des EuGVÜ und des Lugano-Übereinkommens beauftragt.183 Sie schlägt eine 179  Preliminary Draft Convention on jurisdiction and foreign judgments in civil and commercial matters of October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000). 180  Davon berichtet Wagner, IPRax 2001, 533, 544. 181 Etwa Carl, Torpedoklagen, S.  206 f.; McGuire, Verfahrenskoordination, S.  91; Sander/ Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 175 f., 181 ff.; ohne expliziten Bezug auf das HAÜ auch Schmehl, Parallelverfahren, S.  352 ff., 379 f. 182  Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  27 EuGVO Rn.  29 ff in Fn.  75, 78, 80. 183  Tätigkeitsbeschreibung und zeitlicher Ablauf bei Kerameus/Prütting, ZZPInt 3 (1998), 265, 266 f.

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Regelung zum Vorrang der Leistungsklage vor, und zwar im Unterschied zum Haager Entwurf innerhalb einer zeitlichen Frist. Der Zeitraum von 6 Monaten soll einerseits dem Feststellungskläger das Erwirken einer zügigen Entscheidung vor dem Erstgericht ermöglichen, andererseits das Auswahlrecht des Feststellungsbeklagten erhalten, sofern er sein Interesse an der Erhebung einer Leistungsklage alsbald in die Tat umsetzt.184 Diese Lösung entspricht im Wesentlichen dem Vorschlag v. Mehrens, definiert allerdings die von ihm befürwortete „reasonable time“ im Sinne einer Höchstfrist bis zur Erhebung der Leistungsklage. Anklang in der Literatur findet auch dieses Lösungsmodell.185 Im Rahmen der EuGVO-Reform im Jahre 2012 wurde v. Mehrens Ersetzungslösung nicht aufgegriffen. Die Europäische Kommission diskutierte lediglich eine Fristenlösung.186 Schlussendlich einigen konnte man sich ohnehin nur auf eine Ausnahmeregelung für Gerichtsstandsvereinbarungen in Art.  31 Abs.  2 EuGVO. Nicht mit der displacement solution zu verwechseln sind die in Deutschland vorzufindenden umgekehrten Bestrebungen, wonach die vom EuGH praktizierte Gleichstellung von Leistungs- und Feststellungsklage auch in das nationale Recht übernommen werden soll, insbesondere weil die „Flucht in die Leistungsklage“ den Feststellungskläger benachteilige, der Verlust bisheriger Prozessergebnisse im Rahmen des Feststellungsverfahren drohe und der EuGVO Vorbildfunktion zukomme.187 4. Bewertung des Vorschlags a) Positive Aspekte Ein Vorzug der displacement solution ist darin zu erkennen, dass der Anreiz zur Blockade des Anspruchsinhabers (natural plaintiff ) minimiert wird. Folglich kann ein race to the courthouse vermieden werden, und zwar ohne im Gegenzug ein race to the judgment zu eröffnen. Denn im Unterschied zur Verfahrenskoordination mittels der Lehre vom forum non conveniens wird ein positiver Kompetenzkonflikt gerade vermieden und nur ein Verfahren fortgeführt. Die Gefahr, dass das Erstverfahren regelwidrig fortgeführt wird, ist zwar nicht ganz auszuschließen, aber als gering zu bewerten. In diesem Fall bedingen sich Vermeidung des einen und Schaffung des anderen also gerade nicht. Otte/Prütting/Dedek, Europ. Rev. Priv. L. 2 (2000), 257, 270 ff. Freitag, JbJZW 2004, 399, 429 f.; Otte, Umfassende Streitentscheidung, S.  466 ff.; Otte, in: FS Schütze (1999), S.  619, 637 ff. 186  Commission Staff Working Paper, Impact Assessment, SEC(2010) 1547 final, S.  31. 187  Gruber, ZZP 117 (2004), 133, 148 ff.; Haas, in: FS Ishikawa (2001), 165, 170 ff.; Thole, NJW 2013, 1192, 1195. 184  185 

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Positiv hervorzuheben ist die Herstellung von Kohärenz zwischen nationalem und europäischem Recht. Für diejenigen nationalen Rechtsordnungen, die das Verhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsklage über das Feststellungsinteresse regulieren, würde der Vorschlag eine einheitliche Regelung schaffen.188 Dadurch werden Wertungswidersprüche vermieden, insbesondere zwischen der absoluten Prioritätswirkung einer ausländischen Feststellungsklage nach Art.  29 EuGVO und dem bloß subsidiären Charakter einer inländischen Feststellungsklage. So führen die Unterschiede zwischen den europäischen und nationalen Regelungen beispielsweise in Deutschland zur Besserstellung desjenigen Feststellungklägers, der seine Klage im europäischen Ausland erhebt. Zwar kann die Abweichung damit erklärt werden, dass nationales Prozessrecht nicht nach der Anerkennungsfähigkeit eines inländischen Urteils zu fragen braucht, das europäische Recht indes über Art.  45 Abs.  1 lit.  c EuGVO divergierende Entscheidungen zu verhindern sucht.189 Andererseits besteht kein Anlass, zwischenstaatlich höhere Anforderungen an die Verfahrenskoordination zu stellen als innerstaatlich, wenn dadurch die Möglichkeit zur Torpedierung und mithin die Vernachlässigung von Zuständigkeitsinteressen droht. b) Bedenken aa) Prozessuale Waffengleichheit Forum shopping ist die natürliche Folge konkurrierender Zuständigkeiten und im Rahmen der gesetzlich geschaffenen Auswahlmöglichkeiten völlig legitim. Unerwünscht sind lediglich die exzessiven Auswüchse, wie sie etwa durch exorbitante Zuständigkeiten entstehen.190 Forum shopping motiviert auch das race to the courthouse, weshalb man sich die Frage stellen muss, ob dies allein ein Rechtfertigungsgrund der displacement solution sein kann, wie v. Mehren nahelegt. Dazu ist die Waffengleichheit zwischen den Parteien näher zu betrachten. Gegen die Ersetzung der Feststellungs- durch die Leistungsklage kann vorgebracht werden, dass damit letztlich dem Leistungskläger die Entscheidung zugestanden wird, welches das streitentscheidende Forum sein soll. Er hat sozusagen ein Veto gegen die Wahl des Feststellungsklägers, das er nach Belieben ausspielen und sich damit ggf. bei Verzicht auf ein Fristerfordernis bis zur Entscheidungsreife Zeit lassen kann. Die Letztentscheidungsmacht des natural plaintiff wirft Bedenken im Hinblick auf ein faires Verfahren gegenüber dem Carl, Torpedoklagen, S.  199; Otte, in: FS Schütze (1999), S.  619, 639. Vgl. EuGH 08.12.1987, Rs. 144/86 (Gubisch Maschinenfabrik/Palumbo), Slg. 1987, 4861 Rn.  18, so auch Barnert, ZZP 118 (2005), 81, 85; Gruber, ZZP 117 (2004), 133, 152 (der umgekehrt nationales Recht angleichen möchte). 190  Dazu bereits A. I. 1. 188  189 

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Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination

Feststellungskläger auf.191 Ihm droht neben der Gefahr einer „Flucht in die Leistungsklage“ durch seinen Gegenspieler auch der Verlust bereits erstrittener Errungenschaften im Erstverfahren.192 Verfahrensökonomisch steht diesem Verlust allerdings der Gewinn durch die Konzentrationswirkung auf ein einziges Verfahren gegenüber. Der Leistungskläger hat ein gewichtiges Interesse an einer möglichst umfassenden Klärung der Streitigkeit, was ihm durch die europäische Rechtshängigkeitssperre verwehrt wird.193 Zudem bestünde die Möglichkeit, bereits entschiedene Teile des Erstverfahrens dem Zweitverfahren zugrunde zu legen. Im europäischen Recht trägt nunmehr auch das geläufige Argument nicht mehr, dass das Rechtsschutzinteresse des Feststellungsklägers durch die Leistungsklage aus dem Grund nicht vollständig befriedigt werde, dass ein Wechsel des anwendbaren Rechts eintrete und das Zweitverfahren daher keine Gleichartigkeit im Rechtsschutz bieten kann.194 Denn die Rom-VOen haben eine breit gestreute Kollisionsrechtsvereinheitlichung herbeigeführt, insbesondere im wichtigen Bereich des Schuldrechts, und werden kontinuierlich erweitert. Aufschluss gibt schlussendlich nur eine fallspezifische Gewichtung der Rechtsschutzinteressen von natürlichem Kläger und Beklagtem. Wird eine Feststellungsklage nicht aus der Motivation des forum shopping heraus erhoben und besteht das Feststellungsinteresse unabhängig von einem Leistungsbegehren, wie es in der oben genannten Fallgruppe 1 häufig der Fall ist,195 so sind der Justizgewährungsanspruch des Klägers und der Einlassungszwang des Beklagten gleichwertig. Arbeitet das Erstgericht aber nur sehr langsam und besteht der Verdacht eines Missbrauchs, wie in Fallgruppe 2, so ist die Ungleichbehandlung durch Erhebung der Leistungsklage zu rechtfertigen. Weil sich der Kläger diesen Gerichtsstand bewusst ausgesucht hat, liegt es auch in seinem Verantwortungsbereich, in Erfahrung zu bringen, wie zügig die dortige Justiz in der Regel arbeitet. Wird ihm der Gerichtsstand entzogen, erleidet er nur einen Verlust in Form der Verteidigungslast vor einem ausländischen Gericht. Dieser Verlust ist aber von geringer Bedeutung, weil das von ihm ausgewählte Forum ohnehin keinen zügigen Rechtsschutz bieten kann. Wirklich problematisch ist mithin die erste Konstellation, in welcher einem effektiv arbeitenden Gericht die Zuständigkeit entzogen wird und ein unabhängiges Feststellungsinteresse besteht. Hier bietet meines Erachtens die oben ge191  Schmehl, Parallelverfahren, S.  353; für das deutsche Prozessrecht: Geimer, NJW 1984, 527, 530; Gruber, ZZP 117 (2004), 133, 149; kritisch auch Thole, NJW 2013, 1192, 1195. 192  Gruber, ZZP 117 (2004), 133, 148; Otte, in: FS Schütze (1999), S.  619, 637. 193  Zum Streiterledigungsinteresse auch Otte, in: FS Schütze (1999), S.  619, 638. 194  So noch McGuire, Verfahrenskoordination, S.  93; ähnlich Freitag, JbJZW 2004, 399, 430. 195  B. II. 2. a).

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nannte Ersetzungsfrist Abhilfe, die einem fortgeschrittenen Feststellungsverfahren Bestand gewährt und gesicherte Ergebnisse bestehen lässt, gleichzeitig aber eine einseitige Bevorzugung des Leistungsklägers aufgrund des ihm auferlegten Handlungsbedarfs verhindert.196 Die negative Feststellungsklage gewährt dem Anspruchsschuldner also erst dann vollen Rechtsschutz, wenn der Gläubiger eine gerichtliche Durchsetzung seines Anspruchs durch Klageerhebung versäumt hat, und bevorzugt ihn folglich nicht in unbilliger Weise. bb) Dogmatik Einer Einführung der displacement solution in das System der EuGVO stehen weitere Bedenken entgegen. Indem das Verfahren über einen Leistungsantrag dem Feststellungsantrag vorgezogen wird, würde man in die vom EuGH etablierte Kernpunkttheorie eingreifen, weil der Streitgegenstand beider Verfahren eigentlich identisch ist. In dogmatischer Hinsicht spricht dies allerdings nicht unbedingt gegen den Lösungsvorschlag,197 sondern zeigt im Gegenteil nur, dass von der verfehlten Rechtsprechung zum strengen Prioritätsprinzip, genau genommen also nur von der Folgewirkung der Kernpunkttheorie, eine Ausnahme gemacht wird. Der Eingriff in das Regelungsgefüge ist hinnehmbar, bedenkt man, dass er nur punktuell erfolgt, keine irgendwie geartete Systeminkohärenz nach sich zieht und der Gesetzgeber jederzeit Missstände beseitigen darf.198 Zudem führt auch die Neuregelung des Art.  31 Abs.  2 in der EuGVO von 2012 eine Ausnahme zum Prioritätsprinzip ein. Trotz der bereits konstatierten Herstellung von Kohärenz zwischen dem europäischem Recht und der ganz überwiegenden Anzahl nationaler Prozessordnungen gibt es indes einige Rechtsordnungen, denen das Feststellungsinteresse unbekannt ist. Auch die konkrete Ausgestaltung des Verhältnisses von Leistungs- und Feststellungsklage divergiert.199 Daraus könnte man auf Schwierigkeiten bei der Anwendung der Ausnahmeregel im Falle der Abweichung zum nationalen Recht schließen.200 Dem wird teilweise durch den Vorschlag der Schaffung eines Feststellungsinteresses auf internationaler Ebene begegnet.201 Wo aber schon das Institut der Feststellungsklage nicht bekannt ist, scheint der Otte, Umfassende Streitentscheidung, S.  467 f. So aber Carl, Torpedoklagen, S.  200 f.; Schmehl, Parallelverfahren, S.  353. 198 Ähnlich Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 175. 199  S. nur zum deutschen Rechtskreis: Haas, in: FS Gottwald (2014), S.  215 ff. 200  Kritisch aufgrund der abweichenden nationalen Rechtslage war auch die belgische Delegation des Grotius-Projekts, vgl. Otte/Prütting/Dedek, Europ. Rev. Priv. L. 2 (2000), 257, 272; dazu auch Schmehl, Parallelverfahren, S.  352. 201  Althammer, Streitgegenstand und Interesse, S.  716, der einen „konkreten Anlass“ für die vorbeugende Klärung verlangt. 196 Ähnlich 197 

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Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination

Vorrang einer ausländischen Feststellungsklage vor der Leistungsklage im eigenen Staat noch viel weniger verständlich. Die fehlende Kompatibilität zu einigen nationalen Prozessordnungen eignet sich damit nicht als Gegenargument.202 Außerdem ist die Verortung des Problems speziell beim Rechtsschutzbedürfnis nicht zwingend. Für ein staatenübergreifendes Übereinkommen empfiehlt es sich ohnehin, auf eine nationale Einfärbung wie die des Feststellungsinteresses zu verzichten und die Ausnahmeregelung möglichst allgemein zu fassen. Im europäischen Recht wäre die Nichtausübung der Zuständigkeit unter Hinweis auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis im Rahmen der EuGVO gar unzulässig. Ein so eröffneter Ermessensspielraum stünde im Widerspruch zum zwingenden Charakter des Zuständigkeitsregimes, wie sich auch bei der Diskussion um die Einführung der Lehre vom forum non conveniens gezeigt hat.203 Eine gesetzliche Normierung ersetzt die Notwendigkeit, auf das Rechtsschutzinteresse zurückzugreifen. Daher sollte im Ergebnis nicht bloß die Möglichkeit zur Ersetzung bestehen, sondern ein Zwang des Gerichtes zur Abweisung angeordnet werden. Indes geht v. Mehren wohl von einer gerichtlichen Einzelfallprüfung aus, weil er die Möglichkeit erwähnt, dass bei Entscheidungsreife des Feststellungsbegehrens eine Leistungsklage unzulässig wird. Zielführender ist sein Hinweis auf die angemessene Zeitspanne. Eine zeitliche Fixierung trägt zu einer frühzeitigen Verfahrenskoordination bei und vermeidet widersprechende Entscheidungen, die durch eine Ermessensentscheidung auf internationaler Ebene stärker drohen als innerhalb eines kohärenten nationalen Systems. Die Frist sollte lange genug bemessen sein, um dem potentiellen Leistungskläger die Gelegenheit zur rechtlichen Beratung mit angemessener Bedenkzeit zu geben, gleichzeitig aber auch der Missbrauchsgefahr einer Hinauszögerung der Leistungsklage vorbeugen. Diese Balance wäre durch die vorgeschlagenen 6 Monate gewährleistet und der Erstprozess in der Regel noch nicht bis zu einer Entscheidungsreife fortgeschritten. Der Lösungsansatz wird in der Literatur auch hinsichtlich seiner Effektivität kritisch bewertet. In der Tat sind nicht alle Torpedoklagen unbedingt Feststellungsklagen.204 Auch Gestaltungsklagen eignen sich als Erstklage, gerichtet beispielsweise auf Nichtigerklärung eines gewerblichen Schutzrechts,205 oder auch Leistungsklagen, etwa in Form der Schadensersatzklage wegen angeblich unzuOtte, in: FS Schütze (1999), S.  619, 639. Dazu oben A. II. 2. a); für das Feststellungsinteresse auch Huber, JZ 1995, 603, 608. 204  Carl, Torpedoklagen, S.  200, andere Konstellationen auf S.  112 f.; Schmehl, Parallelverfahren, S.  352, 381. 205  Etwa OLG Düsseldorf, GRUR Int. 2000, 776, 777. 202 Ebenso 203 

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lässiger Abmahnung einer Schutzrechtsverletzung.206 Doch betreffen diese Konstellationen meist das Patentrecht, sodass abgesehen von dieser Spezialmaterie in weiten Bereichen eine Torpedierung verhindert werden kann.

III. Alternative Lösungen Der Feststellungsbeklagte bzw. Anspruchsgläubiger hat schon de lege lata verschiedene Möglichkeiten, wie er auf eine Torpedoklage reagieren kann. Im Zuge der Gasser-Rechtsprechung wurden diese Handlungsspielräume in der Literatur relativ ausführlich analysiert.207 Überwiegend besteht Einigkeit darin, dass eine Beteiligung am Windhunderennen sowie Schadensersatzklagen wegen ungerechtfertigter oder (unter Verstoß gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung) vertragswidriger Verfahrenseinleitung keine befriedigende Lösungen bieten.208 Die eigene, frühzeitige Klageerhebung ist meist mit einem nicht unbedeutenden Kostenrisiko verbunden (bei sofortigem Anerkenntnis etwa §  93 ZPO) und die Gelegenheit hierzu in Anbetracht der überraschenden Torpedoklage nur selten gegeben. Schadensersatzklagen wirken zudem nur kompensatorisch und haben wie der deutsche §  826 BGB hohe tatbestandliche Voraussetzungen, die Beweisschwierigkeiten bezüglich der tatsächlichen Verschleppungsabsicht hervorrufen. 1. Widerklage vor dem Erstgericht Häufiger wird auf die Erhebung einer Leistungswiderklage gem. Art.  8 Nr.  3 EuGVO verwiesen, nach dessen Vorbild auch eine Zuständigkeit in einem internationalen Übereinkommen geschaffen werden könnte.209 Der Tatbestand setzt die Konnexität zwischen Haupt- und Widerklage voraus, die bei der Torpedosituation oftmals gegeben sein wird, wenn sich die Klagen auf denselben Vertrag oder einen einheitlichen Sachverhalt stützen.210 Doch eine Widerklage ist für den Feststellungsbeklagten kaum von Vorteil. Durch die Klage am Wahlgerichtsstand des Torpedoklägers verhilft er diesem zu einem erfolgreichen forum fixing und ordnet sich seiner strategischen Entscheidung unter. Das Verfahren am gegnerischen, meist am ausländischen Forum, ist mit finanziellen und prakBukow, Verletzungsklagen aus gewerblichen Schutzrechten, S.  311 ff. Carl, Torpedoklagen, S.  175 ff.; Grothe, IPRax 2004, 83, 88 ff. 208  Dazu auch Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 173 f. 209  Insb. die dt. Kommentarliteratur: Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art.  27 EuGVO Rn.  32; Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art.  27 EuGVO Rn.  10; Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  29 EuGVO Rn.  17. 210  Vgl. die Ausführungen bei Magnus/Mankowski/Watt, ECPIL, Art.  8 EuGVO Rn.  59; Schlosser/Hess/Schlosser, EuZPR, Art.  8 EuGVO Rn.  11. 206 Dazu 207 Etwa

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tischen Nachteilen verbunden. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass ein bereits mit der Erstklage überfordertes Gericht zügig über die Widerklage entscheiden wird.211 2. Einstweilige Maßnahmen vor dem Zweitgericht Als mögliche Abwehrmaßnahme kommt der einstweilige Rechtsschutz in Betracht. Im europäischen Recht ist es gem. Art.  35 EuGVO zunächst jeder Partei erlaubt, eine einstweilige Maßnahme vor einem mitgliedstaatlichen Gericht zu beantragen, auch wenn ein anderes Gericht für die Entscheidung in der Hauptsache angerufen wird. Die möglichen Rechtsschutzbehelfe sowie die internationale Zuständigkeit für den Eilrechtsschutz sind nicht vereinheitlicht und ergeben sich daher aus dem nationalen IZVR.212 Einstweilige Maßnahmen, die durch ein Hauptsachengericht angeordnet werden, können grundsätzlich in anderen Mitgliedstaaten wie sonstige Entscheidungen vollstreckt werden. Die diesbezügliche Neuregelung in Art.  2 lit.  a Unterabs. 2 EuGVO lehnt sich an die Rechtsprechung des EuGH an und schreibt fest, dass von der Titelfreizügigkeit und Auslandsvollstreckung solche Maßnahmen ausgenommen sind, die nicht vor der Vollstreckung zugestellt wurden (sog. ex parte-Maßnahmen). Mit der Beschränkung auf Maßnahmen eines mitgliedstaatlichen Hauptsachengerichts wird implizit also den Entscheidungen an nationalen Eilgerichtsständen die Titelfreizügigkeit verweigert.213 Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Geltendmachung von Ansprüchen am Zweitgericht also zwar möglich, deren Durchsetzung bei fehlender Auslandsvollstreckung aber unvollkommen. Sieht man von den vollstreckungsrechtlichen Schwierigkeiten ab, könnte der Eilrechtsschutz eine schnelle und effektive Vorgehensweise gegen Torpedoklagen bieten. Dessen Beschränkung auf die dringlichen Entscheidungen und die Vollstreckung im eigenen Hoheitsgebiet ist durchaus von Vorteil, denn er greift nicht in die Hauptsachenebene ein und ist souveränitätswahrend.214 Zunächst aber müssten nach nationalem Recht die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Maßnahme vorliegen, also die Zuständigkeit überhaupt gegeben sein. Wie in Deutschland obliegt es dem Gläubiger auch nach vielen anderen europäischen Rechtsordnungen, einen Verfügungsgrund oder Ablehnend auch Carl, Torpedoklagen, S.  181; Grothe, IPRax 2004, 205, 211. Nagel/Gottwald, IZVR, §  17 Rn.  3, 6 ff. 213  Zur neuen Rechtslage: Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 542 ff.; Pohl, IPRax 2013, 109, 114; die Ausnahme für ex parte-Maßnahmen orientiert sich an EuGH 21.05.1980, Rs. C-125/79 (Denilauler/Couchet), Slg. 1980, 1553. 214  Befürwortend daher McGuire, Verfahrenskoordination, S.  140 ff.; unter Einschränkungen Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 171 f.; Simons, Europ. Leg. Forum 2003, 289, 291. 211 

212 Vgl.

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Arrestgrund (§§  935, 940 ZPO; 917 ZPO) glaubhaft zu machen.215 Ein abstrakter Verweis auf die überlange Verfahrensdauer in einem anderen Mitgliedstaat kann aber wegen der Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes in der EU nicht genügen.216 Der Antragsteller müsste vielmehr eine Prognose über die konkret zu erwartende Zeitspanne nachweisen können, was vermutlich nur selten gelingt. Zur Durchsetzung eines Leistungsanspruches scheiden daher ein Arrest oder eine einstweilige Verfügung oftmals aus. Dagegen sind Unterlassungsverfügungen in Patentrechtsfällen aussichtsreicher, weil durch die Zuwiderhandlung des Schuldners bereits ein wirtschaftlicher und irreparabler Schaden entstehen kann.217 Einige ausländische Eilmaßnahmen wie die englischen interim injunctions reichen gegenüber einer einstweiligen Verfügung gar noch weiter; so kann eine freezing order selbst den ausländischen Vermögenszugriff untersagen, setzt aber tatbestandlich keine Dringlichkeit voraus. Im Gegenzug aber muss die Hauptsachenentscheidung hohe Erfolgsaussichten haben und deren Vollstreckung gefährdet sein, der Anspruchssteller darf also nicht gleichzeitig die Zuständigkeit des Torpedogerichts angreifen, weshalb eine solche Eilmaßnahme ebenso problematisch ist.218 Im Rahmen eines weltweiten Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommens könnte dem Kläger der einstweilige Rechtsschutz gleichfalls nach nationalem Recht zur Verfügung gestellt werden.219 Dagegen spricht jedoch der transitorische Charakter der bloß vorläufigen Konfliktlösung in einem vorgezogenen Verfahren. Eilmaßnahmen sollten nur als letzte Abwehrmaßnahme fungieren und die eigentliche Lösung des Problems auf Hauptsachenebene erfolgen. 3. Fortführung des Zweitverfahrens aufgrund Missbrauchsverbots bzw. Generalklausel Eine Prüfungskompetenz des Zweitgerichts über die Verfahrenslänge und über eine missbräuchliche Blockadewirkung vor dem Erstgericht würde es möglich machen, das zweite Verfahren gegebenenfalls trotz anderweitiger Rechtshängigkeit fortzuführen. Eine solche Kompetenz könnte in Europa aus dem in Dazu ausführlich die Untersuchungen von Carl, Torpedoklagen, S.  237 ff. LG Düsseldorf, IPRspr 2001, Nr.  173, S.  353, 357 f.; zustimmend Carl, Torpedoklagen, S.  220 ff.; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 172. 217  So i.E. auch für ausländische Eilmaßnahmen Carl, Torpedoklagen, S.  250; sowie Grothe, IPRax 2004, 83, 89. 218  Ehrenzweller, Vorläufiger Rechtsschutz, S.  153 f. (speziell zur freezing order); Hartley, in: FS v. Mehren (2002), S.  73, 79. 219  Vgl. Art.  13 Abs.  2 und 3 Preliminary Draft Convention on jurisdiction and foreign judgments in civil and commercial matters of October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000), S.  8 f. 215  216 

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Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination

Art.  6 EMRK verankerten Justizgewährungsanspruch folgen. Sie ist jedoch nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zu bringen. Die Turner-Entscheidung machte deutlich, dass gegen eine rechtsmissbräuchlich erhobene Klage keine antisuit injunctions nach englischem Recht möglich sind,220 der Rechtsmissbrauchsgedanke also nicht herangezogen werden kann. Insbesondere aber lehnte der EuGH in der Rechtssache Gasser Ausnahmen von der Grundregel des Art.  29 EuGVO ab. Erstens fehle eine ausdrückliche Regelung, zweitens stehe der Grundgedanke des gegenseitigen Vertrauens in die Rechtspflege der anderen Mitgliedstaaten entgegen und drittens widerspreche dies der Rechtssicherheit.221 Der EuGH bezog sich hier auf eine bekanntermaßen und generell lange Prozessdauer eines Gerichtsstaates, ohne auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Die Literatur weist darauf hin, dass die Rechtsprechung nichts an der Einwirkung des Justizgewährungsanspruches aus Art.  6 EMRK 222 auf die Rechtshängigkeitssperre ändere.223 Die Folge wäre, dass eine Verletzung des Justizgewährungsanspruchs konkret nachgewiesen werden müsste. Das vom EuGH vorgebrachte Argument der Gleichwertigkeit der Justizsysteme kann nämlich dann widerlegt werden, wenn die bloße Fiktion im Einzelfall gerade nicht der Realität entspricht und der menschenrechtliche Mindeststandard konkret verletzt wurde. Doch die Geltendmachung eines solchen speziellen Missbrauchsverbots hilft dem Torpedobeklagten wenig. Das Zweitverfahren würde erst dann fortgeführt werden, wenn durch eine langdauernde Untätigkeit des ersten Gerichts ex post die Justizgewährung unverhältnismäßig beschränkt wurde, wozu ein Zeitablauf zwischen drei und sieben Jahren und zusätzliche Indizien einer Verfahrensverschleppung gemessen an Umfang und Bedeutung des Falles für erforderlich gehalten werden.224 Die Blockade wäre also letztlich erfolgreich gewesen und die Aufnahme eines Zweitverfahrens für das Torpedoopfer nur ein schwacher Trost.225 Denkbar ist für die europäische sowie internationale Verfahrenskoordination darüber hinaus die Einführung einer Generalklausel, wonach das Zweitgericht über die Fortführung des bei ihm eingeleiteten Verfahrens entscheidet. Als nor220 

EuGH 27.04.2004, Rs. C-159/02 (Turner/Grovit), Slg. 2002, I-3565 Rn.  24. EuGH 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Gasser/MISAT), Slg. 2003, I-14693 Rn.  70 ff. 222  Zum Justizgewährungsanspruch vgl. Teil 1 C. III. 3. 223  Carl, Torpedoklagen, S.  185 f.; Grothe, IPRax 2004, 205, 210; Hartley, Rec. des Cours 319 (2006), S.  9, 182 (Fn.  441); Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  29 Rn.  35; Schilling, IPRax 2004, 294, 297; Schmehl, Parallelverfahren, S.  359 f. 224  Mit Verweisen auf die Rspr. des EGMR: Grothe, IPRax 2004, 205, 211; McGuire, Verfahrenskoordination, S.  135. 225  So auch Carl, Torpedoklagen, S. 187; Freitag, JbJZW 2004, 399, 418. 221 

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mierte Ermessenskriterien kommen eine rechtsmissbräuchliche Klageeinreichung bei dem Erstgericht, die Prognose einer überlangen Verfahrensdauer sowie eine Überprüfung der Unzuständigkeit des Erstgerichts in Betracht.226 Damit könnte man dem Einwand des EuGH in der Gasser-Entscheidung begegnen, dass eine Bestimmung zur Ausnahme der Rechtshängigkeitsregelung nicht existiere. Gegenüber der Ersetzungslösung nach v. Mehren könnte das rechtsmissbräuchliche Verhalten der Erhebung einer Torpedoklage umfassender und wirkungsvoller bekämpft werden als durch eine Spezialregelung allein betreffend Feststellungsklagen.227 Eine solche wertungsoffene Klausel ginge allerdings wieder mit einer Ermessenabwägung einher, die einmal mehr im Widerspruch zum zwingenden Charakter des Zuständigkeitsregimes stünde.228 Außerdem stellt auch die Neuregelung für Gerichtsstandsvereinbarungen in Art.  31 Abs.  2 EuGVO nicht auf die überlange Verfahrensdauer ab, eine Generalklausel für die übrigen Torpedofälle wäre mithin wenig kohärent. Im globalen Kontext bietet die Flexibilität aber durchaus Vorteile. So sieht Art.  21 Abs.  3 HZVÜ-E die Eröffnung eines Zweitverfahrens vor, wenn eine Partei die überlange Verfahrensdauer verursacht hat.229 Eine Generalklausel dieser Art kommt insbesondere in einem Übereinkommen in Betracht, welches schon Elemente einer forum non conveniens-Lehre enthält. 4. Befristete Priorität der Erstklage Ein anderer Ausweg könnte zuletzt noch in der Festlegung einer Höchstfrist bestehen, innerhalb derer das Erstgericht zumindest über die eigene Zuständigkeit entscheiden muss. Bleibt das Erstgericht untätig, entfällt die Rechtshängigkeitssperre und das zweite Verfahren darf fortgeführt werden, während die Erstklage eingestellt werden muss.230 Das setzt de lege ferenda eine Ergänzung zu Art.  29 EuGVO voraus bzw. die Schaffung einer Regelung in einem weltweiten Abkommen, die im Unterschied zu Art.  21 Abs.  3 HZVÜ-E einen konkreten

In der Lit. wird vorwiegend die Zuständigkeitskontrolle genannt, Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 178, oder eine Frist (von fünf Jahren) für die Dauer des Erstverfahrens vorgeschlagen, McGuire, Verfahrenskoordination, S.  139. 227  So einige Vertreter der Grotius-Gruppe, vgl. Otte/Prütting/Dedek, Europ. Rev. Priv. L. 2 (2000), 257, 273. 228  Vgl. die Diskussion um die Einführung der Lehre vom forum non conveniens, oben A. II. 2. a). 229  Dargestellt oben bei B. II. 3. 230  Befürwortend Carl, Torpedoklagen, S. 206 f.; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), 157, 181 ff., 185; positive, aber verhaltene Bewertung durch Freitag, JbJZW 2004, 399, 430; McGuire, Verfahrenskoordination, S.  131 ff. 226 

246

Teil 2:  Fine tuning und Verfahrenskoordination

Zeitraum benennt. In Vorbereitung der EuGVO-Reform hat die Europäische Kommission eine solche Fristenlösung verworfen.231 Wie bei dem Vorschlag v. Mehrens handelt es sich um eine Ersetzungslösung mit zeitlicher Komponente. Dem Erstgericht wird eine Entscheidungsfrist über die Zuständigkeit aufgegeben, ähnlich zu der vor belgischen Gerichten bereits praktizierten vorgezogenen Zuständigkeitsprüfung.232 Die auf eine Feststellungsklage nachfolgende Erhebung einer Leistungsklage wird folglich erst nach und nicht bis zum Ablauf einer bestimmten Frist erlaubt. Im Unterschied dazu sieht die Lösung v. Mehrens eine Höchstfrist für die Erhebung der Zweitklage vor. Diese ist an den Zweitkläger adressiert ist, wohingegen sich die befristete Priorität der Erstklage an das Erstgericht richtet und es zu einer zügigen Entscheidung anleiten will. Die Befristung der Erstklage bietet ersichtlich den Vorteil, dass sie Anreize zur Effektivitätssteigerung der staatlichen Justizsysteme schafft.233 Anders als das Missbrauchsverbot oder die Ersetzungslösung v. Mehrens zielt der Vorschlag aber weniger speziell auf Torpedotaktiken, sondern allgemein auf die Vermeidung einer überlangen Verfahrensdauer. Nach Ablauf der Frist ist die Erhebung einer Klage am Zweitgericht unbegrenzte Zeit lang erlaubt. Auf eine negative Feststellungsklage könnte beispielsweise drei Jahre später noch eine Leistungsklage folgen, wenn das Erstgericht zwar nicht binnen sechs, aber doch nach neun Monaten seine Zuständigkeit bejaht hat. Damit droht bei Torpedoklagen eine doppelte Missbrauchsgefahr.234 Einerseits ist trotz vorgezogener Zuständigkeitsprüfung eine Verfahrensverschleppung der Sachentscheidung möglich, andererseits kann der Leistungskläger den Feststellungsprozess noch zu einem sehr späten Zeitpunkt frustrieren, nur weil die Zuständigkeitsprüfung, möglicherweise nicht aber der restliche Prozess, verzögert wird. Der Interessenausgleich zwischen Feststellungskläger und Leistungskläger ist somit nicht besser gelungen als bei der Ersetzungslösung, welche das Interesse des Leistungsklägers nur vorzieht, solange das Feststellungsverfahren nicht besonders weit gediehen und der Feststellungskläger weniger schutzwürdig ist.

231  Commission Staff Working Paper, Impact Assessment, SEC(2010) 1547 final, S.  31 (Policy Option 4, deadline on the court first seised). 232 Dazu Fähndrich/Ibbeken, GRUR Int. 2003, 616, 622. 233  So auch Althammer, Streitgegenstand und Interesse, S.  725. 234 Ähnlich Otte, Umfassende Streitentscheidung, S.  468.

B.  Displacement solution für Torpedoklagen

247

IV. Ergebnis Nicht ohne Grund dauert auf europäischer Ebene sowie weltweit die Suche nach einem geeigneten Ausgleichsinstrument zwischen der lis pendens-Regelung und den unterschiedlichen Rechtsschutzstandards einzelner Staaten noch an. Geringe Beachtung wurde dabei bislang der Ersetzungslösung nach deutschem Vorbild geschenkt, deren Vorzüge v. Mehren herausgestellt hat. Die Bedenken hiergegen zerstreuen sich, wenn man die Ersetzung der Feststellungs- durch die Leistungsklage mit einer gesetzlich normierten Frist kombiniert. Die prozessuale Waffengleichheit der Parteien wäre wiederhergestellt, weil dem Leistungskläger die Letztentscheidung nur innerhalb eines kurzen Zeitraumes zugestanden und dem Interesse des Feststellungsklägers am Fortbestand eines schon fortgeschrittenen Verfahrens Rechnung getragen wird. Die obligatorische Ausgestaltung der Regelung verhindert zudem einen Ermessensspielraum des Richters und würde die Regelung für Gerichtsstandsvereinbarungen gem. Art.  31 Abs.  2 EuGVO sinnvoll ergänzen, welche ebenfalls frei von Ermessensabwägungen ist. Verbleibende Einwände bestehen bezüglich des Charakters der Ersetzungslösung als Spezialregelung, weil die Ausnahmeregelung zum Prioritätsprinzip am Symptom der zur Torpedierung eingesetzten Feststellungsklage ansetzt, nicht aber die Ursache des unterschiedlichen Rechtsschutzniveaus bekämpft.235 Solange jedoch in der EU eine Prozessrechtsvereinheitlichung noch außer Reichweite ist und international eine solche ohnehin nicht in Frage steht, ist ein effektiver Abwehrmechanismus gegen die Ausnutzung des unterschiedlichen Rechtsschutzstandards immer noch die beste Option. Die Missbrauchsabwehr durch eine Generalklausel wäre diesen Einwänden zwar weniger stark ausgesetzt und könnte wie Art.  21 Abs.  3 HZVÜ-E in einem weltweiten Übereinkommen viele Torpedokonstellationen auch mit anderen Klagearten erfassen. Dem Primat der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit ist unter der EuGVO aber besser mit v. Mehrens sog. displacement solution gedient, zumal eine Ausnahmeregelung vom Prioritätsprinzip auch in der Neuregelung des Art.  31 Abs.  2 EuGVO enthalten ist.

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McGuire, in: FS Kaissis (2012), S.  671, 678.

Teil 3

Urteilsanerkennung Ist ein Prozess mit grenzüberschreitenden Bezügen durch den Erlass eines Urteils zur Entscheidung gelangt und die Thematik der internationalen Zuständigkeit und Verfahrenskoordination geklärt, so stellt sich die Frage nach der Wirkung dieser Entscheidung in anderen Staaten, etwa wenn dort auf Vermögen zugegriffen werden soll. Der damit angesprochenen Anerkennung von Urteilen hat sich v. Mehren in seinen frühen Werken zum internationalen Verfahrensrecht gewidmet, besonders in einem Beitrag im Recueil des Cours aus dem Jahr 1980, der sich mit dem transatlantischen Rechtsverkehr befasst.1 Die vorliegende Untersuchung greift die beiden Schwerpunkte v. Mehrens Arbeit auf. Das ist zum einen die Diskussion um die Anerkennungszuständigkeit (auch sog. indirekte Zuständigkeit), die besonders für das autonome deutsche Recht hinsichtlich des dort geltenden Spiegelbildprinzips gem. §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO von großem Interesse ist. Die Überprüfung der internationalen Zuständigkeit im Anerkennungsstadium steht in engem Zusammenhang mit ihrer Begründung im Erkenntnisverfahren, weshalb man hier den bereits behandelten Zuständigkeitstheorien und -modellen wieder begegnet. Zweitens ist der durch v. Mehren angestellte Vergleich zwischen den Anerkennungsvoraussetzungen in den US-amerikanischen Bundesstaaten und den europäischen Mitgliedstaaten zu bewerten. Dabei wird der Blickwinkel auf das aktuell geltende Recht einschließlich der seit Januar 2015 gültigen Revision der EuGVO ausgeweitet. Beide Themenbereiche verlangen nach der Erarbeitung der dogmatischen Grundlagen der Anerkennungspraxis in den USA und Europa bzw. Deutschland. Diese dient auch dem späteren Vergleich der Anerkennungsvoraussetzungen von sister-state judgments.

v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9 ff.; sowie der zum Teil darauf basierende Beitrag ders., 81 Colum. L. Rev. 1044 ff. (1981); zuvor bereits zur Anerkennungsproblematik ders./Trautman, 81 Harv. L. Rev. 1601 ff. (1968). 1 

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

A.  Gegenüberstellung der Voraussetzungen transatlantischer Urteilsanerkennung I. USA Im US-amerikanischen Recht ist die Urteilsanerkennung im Zusammenhang mit den Urteilswirkungen zu betrachten. Grundsätzlich werden drei Situationen unterschieden: erstens die Rechtskraftwirkungen eines inländischen Urteils (sog. preclusion bzw. res judicata), zweitens die Anerkennung eines Urteils, welches ein Gericht eines anderen Bundesstaates erlassen hat (sog. sister-state judgments) und drittens die Anerkennung eines ausländischen Urteils (sog. foreign-country judgments).2 Das zum deutschen Rechtsverständnis abweichende Institut der Rechtskraft wirkt sich dabei auf das Anerkennungsverfahren hinsichtlich der Verfügbarkeit von Anerkennungsverweigerungsgründen und Einreden aus. 1. Wirkungen eines inländischen Urteils Das Urteil eines US-amerikanischen Gerichts präkludiert die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche (claim preclusion) und entfaltet Bindungswirkung für einzelne Tatsachen- und Rechtsfragen (issue preclusion) in allen Bundesstaaten. Früher waren dafür die Bezeichnungen der res judicata für die Rechtskraftwirkung des gesamten Klageanspruchs und des collateral estoppel für die Rechtskrafteffekte der einzelnen Fragen gebräuchlich. Die erstgenannte res judicata wird aber heute auch als Oberbegriff aller Urteilswirkungen verstanden.3 Die vollstände Präklusion des Klageanspruches (claim preclusion) führt dazu, dass der Anspruch im Urteil aufgeht (merger) und der siegreiche Kläger sich nicht mehr darauf berufen kann. Wurde die Klage abgewiesen, wirkt die frühere Entscheidung als Sperre zugunsten des Beklagten gegen eine erneute Geltendmachung des Anspruchs (bar).4 Voraussetzung5 ist, dass es sich um ein endgültiges ( final) und rechtsgültiges (valid) Sachurteil in der Hauptsache (on 2  Gängige Einteilung, etwa Currie/Kay/Kramer/Roosevelt, Conflict of Laws, S.  473 ff.; Richman/Reynolds/Whytock, Conflict of Laws, S.  354 ff.; Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  523 ff. 3  Zu den Begrifflichkeiten vgl. Hoffheimer, Conflict of Laws, S.  406; Richman/Reynolds/ Whytock, Conflict of Laws, S.  355. 4  Brilmayer/Goldsmith/O’Connor, Conflict of Laws, S.  490; vgl. auch Restatement (Second) Judgments (1982), §  18 (1) (merger) und §  19 (bar). 5  Zu den Voraussetzungen vgl. Currie/Kay/Kramer/Roosevelt, Conflict of Laws, S.  474 f.; Richman/Reynolds/Whytock, Conflict of Laws, S.  356 ff.; Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  528 ff.

A.  Voraussetzungen transatlantischer Urteilsanerkennung

251

the merits) handelt. Zur Endgültigkeit genügt der Abschluss der ersten Instanz. Im Unterschied zum deutschen Recht wird also nicht die formelle Rechtskraft verlangt. Nicht rechtsgültig ist das Urteil, wenn die Zuständigkeit des Gerichts (personal oder subject matter jurisdiction) fehlt. Wirkung entfaltet die Rechtskraft grundsätzlich nur zwischen denselben Parteien, gleichgestellt werden den Prozessbeteiligten aber die sog. persons in privity6 wie beispielsweise Prozessstandschafter, weil sie zu den Parteien in einer engen Beziehungen stehen. Schwierigkeiten bereitet außerdem der Streitgegenstandsbegriff, welcher wie bereits erörtert7 nach dem gemeinsamen Tatsachenkern des gesamten Lebenssachverhalts ermittelt wird, unabhängig von Abweichungen der Anspruchsgrundlagen, anderen Beweismitteln oder verletzten Rechtsgütern (transactional test). Der Grundsatz einer Präklusion von Tatsachenfeststellungen (issue preclusion) ist ähnlich zur Bindungswirkung kraft Präjudizialität im deutschen Recht, geht allerdings weit darüber hinaus.8 Zunächst muss die betreffende Frage im Vorprozess entscheidungserheblich (necessary) gewesen, tatsächlich streitig verhandelt (actually litigated) und vom Gericht auch entschieden worden sein. Versäumnisurteile können daher keine issue preclusion entfalten.9 Die issue preclusion ist also einerseits weiter als die claim preclusion, weil sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen muss, andererseits aber enger, weil die betreffende Frage tatsächlich Verhandlungsgegenstand gewesen sein muss. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Rechtsinstituten besteht im Identitätserfordernis der Parteien. Auf die claim preclusion können sich nicht nur die Parteien sowie Personen in privity berufen (ursprünglich mutuality doctrine), sie kann vielmehr auch als Einrede von Dritten erhoben werden, wenn diese bereits im Vorprozess hätten mitverklagt werden können. Dieser sog. defensive use dient z.B. einem Zweitschädiger in einem Haftpflichtprozess zur Verteidigung vor fehlendem Verschulden.10 2. Anerkennung im zwischenstaatlichen Verkehr In den Vereinigten Staaten setzt die Vollstreckung ein inländisches Urteil voraus, sofern nicht schon ein Registrierungsverfahren über das ausländische Urteil möglich ist. Im Rechtsverkehr zwischen den US-amerikanischen BundesSo etwa Federated Department Stores Inc. v. Moitie, 452 U.S.  394, 398 (1981). Teil 1 B. III. 1. 8  Für eine Vergleichbarkeit: Schack, Einführung, Rn.  184. 9  Currie/Kay/Kramer/Roosevelt, Conflict of Laws, S.  474. 10 Erstmals gebilligt durch Blonder-Tongue
Laboratories, Inc. v. University of Illinois Foundation, 402 U.S.  313 (1971); zum Verfall der mutuality doctrine auch Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  552 ff. 6  7 

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

staaten ist die soeben erwähnte merger-Regel der claim preclusion zu beachten: Bei Erlass eines inländischen Urteils geht der ursprüngliche Anspruch im Urteil auf. Deshalb ist das Ersturteil Anspruchsgrundlage für das Urteil im zweiten Staat, welches zur Erstreckung der Urteilswirkungen der res judicata und der Vollstreckung benötigt wird.11 a) Full faith and credit-Gebot Die Bundesstaaten sind aufgrund der full faith and credit clause der Bundesverfassung12 verpflichtet, ihre Urteile gegenseitig zu respektieren. Die weiteren Urteilswirkungen wurden einem Ausführungsgesetz vorbehalten, welches eine Erstreckung der Wirkungen des Erststaates anordnet. Den Urteilen kommt im Anerkennungsstaat demnach grundsätzlich dieselbe Präklusionswirkung wie im Urteilsstaat zu.13 Die darauf beruhende Anerkennungsklage erfordert nach beiden Regelungen ein judicial proceeding. Dieser Begriff ist weit zu verstehen14 und umfasst neben Leistungs- und Feststellungsklagen auch gerichtliche Anordnungen und Verfügungen,15 über den Wortlaut hinaus muss es sich allerdings um eine endgültige Entscheidung handeln.16 Die Verweigerungsgründe sind bei der Anerkennung aus full faith and credit relativ beschränkt. Die Entscheidung des Erststaates muss gültig sein, d. h. insbesondere die Gerichtszuständigkeit vorliegen, wobei keine sonstigen Verstöße gegen das Verfassungsgebot des due process erkennbar sein dürfen.17 Durch die Grundsätze der res judicata wird der Zuständigkeitsprüfung jedoch eine erhebliche Schranke gesetzt. Hat das erkennende Gericht seine Zuständigkeit überprüft und wurden gegen dessen Urteil keine Rechtsmittel eingelegt, so ist diese Rechtsfrage nach der issue preclusion vor dem Zweitgericht präkludiert. Daraus folgt, dass im zwischenstaatlichen Rechtsverkehr eine AnerkennungszustänClermont, Civil Procedure, S.  426; Hay, in: Handbuch des US-amerikanischen Rechts, 8. Kapitel Rn.  298; Hoffheimer, Conflict of Laws, S.  423. 12  Art. IV Abs.  1: „[f]ull faith and credit shall be given in each State to the public acts, records, and judicial proceedings of every other State.“ 13  28 USC §  1738: „shall have the same full faith and credit in every court within the United States […] from which they are taken“; vgl. auch Restatement (Second) Conflict of Laws (1971), §  93 (b); Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  1462. 14  Zur Auslegung etwa Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  1451 ff.; Hoffheimer, Conflict of Laws, S.  424. 15  Baker v. General Motors, 522 U.S.  222 (1998). 16  Worthley v. Worthley, 44 Cal.2d 465 (1955), wonach abänderbare Unterhaltsentscheidungen nicht final sind. 17  Restatement (Second) Conflict of Laws (1971), §  93; so schon Thompson v. Whitman, 85 U.S.  457 (1873). 11 

A.  Voraussetzungen transatlantischer Urteilsanerkennung

253

digkeit nur bei Versäumnisurteilen in Betracht kommt.18 Eine Einrede kann außerdem bei Betrug ( fraud) erhoben werden, so bei einer Einwirkung auf den Prozess von außen (sog. extrinsic fraud), z.B. bei Bestechung des Richters, die in einer komplexen Abgrenzung zur Einwirkung von innen (sog. intrinsic fraud) steht, z.B. bei Beweisfälschung.19 Bei der Anerkennung unterbleibt eine inhaltliche Kontrolle der Erstentscheidung, d. h. eine révision au fond findet insbesondere bezogen auf das anwendbare Recht nicht statt.20 Der Zweitstaat kann auch nicht einwenden, der dem Ersturteil zugrundeliegende Anspruch verletze das öffentliche Interesse (public policy, letztlich gleichbedeutend zum ordre public). Bekannte Leitentscheidung ist Fauntleroy v. Lum.21 Der US Supreme Court verpflichtete darin den Staat Mississippi, ein Urteil aus dem Staat Missouri anzuerkennen, obwohl dieses auf einem Vertrag über den Verkauf von Baumwolle beruhte, wobei der Baumwollverkauf im Anerkennungsstaat Mississippi als Form der Spekulation (gambling) einen öffentlichen Verstoß darstellte. In jüngster Zeit betonte das Gericht nochmals, „our decisions support no roving public policy exception to the full faith and credit due judgments“.22 Geltung beansprucht das verfassungsrechtliche Anerkennungsgebot nicht nur zwischen zwei Bundesstaaten, sondern nach dem Wortlaut des Ausführungsgesetzes (28 USC §  1738: „in every court within the United States“) auch für Urteile von Staatengerichten vor Bundesgerichten, sowie nach der höchst­ richterlichen Rechtsprechung auch umgekehrt für Bundesurteile.23 Trotz einiger Unsicherheiten um die Auslegung der Vorschrift, etwa zu weiteren Ausnahmen (workers compensation oder bankruptcy exception), der Verjährung oder der Möglichkeit zur Verleihung weitergehender Urteilswirkungen durch den Anerkennungsstaat,24 hat das Anerkennungsverfahren nach dem full faith and credit-Gebot (außer bei Versäumnisurteilen) eine gute Aussicht auf Erfolg.25 Durfee v. Duke,
375 U.S.  106, 116 (1963); vgl. Hoffheimer, Conflict of Laws, S.  425. Currie/Kay/Kramer/Roosevelt, Conflict of Laws, S.  491; Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  1468 ff. m. w. N. zur Rspr. 20  Yarborough v. Yarborough, 290 U.S.  202 (1933). 21  210 U.S.  230 (1908). 22  Baker v. General Motors Corp., 522 U.S.  222, 233 (1998) (Hervorhebung im Original); Richman/Reynolds/Whytock, Conflict of Laws, S.  388 f., spricht daher vom „Iron law of full faith and credit“; andere Deutung durch Bruns, JZ 1999, 278, 282, Fn.  65. 23 Etwa Stoll v. Gottlieb, 305 U.S.  165, 170 (1938); dazu Clermont, Civil Procedure, S.  430 ff.; Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  559 ff., 562 f. 24  Zu diesen Einzelfragen sei verwiesen auf Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  1564 ff.; Hoffheimer, Conflict of Laws, S.  426 ff.; Shreve/Raven-Hansen/Geyh, Civil Procedure, S.  558 ff. 25 Ähnlich Hay, in: Handbuch des US-amerikanischen Rechts, 8. Kapitel Rn.  317. 18 

19 

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

b) Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act Weil die Anerkennung nach den dargestellten common law-Grundsätzen eine gerichtliche Klage im Zweitstaat erfordert und deshalb zeitaufwendig sein kann, hat der US-Kongress mit dem Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act ein Schnellverfahren eingeführt. Das im Jahr 1948 erlassene und 1964 revidierte Gesetz ist inzwischen in fast allen Bundesstaaten in Kraft.26 Die Möglichkeit der Registrierung steht alternativ für diejenigen Urteile offen, die full faith and credit beanspruchen können, d. h. entgegen des leicht missverständlichen Wortlautes („foreign“) nur für Urteile aus den US-amerikanischen Bundesstaaten.27 Die Urteilswirkungen, Einreden und Verteidigungsmittel werden im Unterschied zur Anerkennungsklage nach full faith and credit dem Recht des Zweitstaates entnommen. Eine Verteidigung durch einen sog. collateral attack nach dem Recht des Ursprungsgerichts bleibt nur wegen fehlender Zuständigkeit und Betrugs eröffnet.28 Das Registrierungsverfahren bietet dem Urteilsgläubiger mithin eine schnelle Möglichkeit zur Anerkennung, er sieht sich indes den Einreden des Zweitstaates ausgesetzt und wird beide Umstände im Einzelfall abwägen müssen. 3. Anerkennung eines ausländischen Urteils a) Einzelstaatliches common law Für die Anerkennung von Urteilen aus ausländischen Staaten gilt die full faith and credit-Klausel der Bundesverfassung bereits nach dem Wortlaut des Ausführungsgesetzes nicht, welches sich nur auf Urteile eines „court within the United States“ bezieht.29 Einschlägige Staatsverträge oder Abkommen existieren nicht bzw. sind in Verhandlung wie mit dem Vereinigten Königreich im Jahr 1980 oder im Rahmen der Haager Konferenz 2001 gescheitert.30 Das American Law Institute (ALI) hat im Zusammenhang mit den Haager Verhandlungen ein 26  Vgl. zu Text und Ratifikationsstand Uniform Law Commission, Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act. 27  §  1 mit Definition des „foreign judgment“, §  6 statuiert die Wahlmöglichkeit. 28  Grundregel des §  2: „a judgment […] has the same effect and is subject to the same procedures, defenses and proceedings for reopening, vacating, or staying as a judgment of this state“ (Hervorhebung durch die Verf.); Ace Metal Fabricating Co. v. Arvid C. Walberg & Co.,
135 Ill. App.3d 452, 456 (1985): „The judgment of a sister state is not subject to collateral attack [under the Uniform Act] in the Illinois [recognizing] court except for the defenses of fraud in the procurement of the judgment or lack of jurisdiction“; dazu auch Hay/Borchers/ Symeonides, Conflict of Laws, S.  1563 f., insb. Fn.  8. 29  28 USC §1738; so auch Brand, 13 J.L. & Com. 193, 196 (1994). 30  Teply/Whitten, Civil Procedure, S.  1058 f. mit gescheiterten Abkommen in Fn.  336.

A.  Voraussetzungen transatlantischer Urteilsanerkennung

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Federal Statute on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments erarbeitet und im Mai 2005 verabschiedet, welches bei aktuell noch in Frage stehender Ratifikation durch den Bundesgesetzgeber auf föderaler Ebene gelten würde.31 Die Rechtsprechungspraxis ist noch immer stark geprägt von der über hundert Jahre zurückliegenden Grundsatzentscheidung des Supreme Court in Hilton v. Guyot.32 Das Gericht überholte darin seine frühere auf englischem Recht beruhende Ansicht, wonach ein ausländisches Urteil nur ein prima-facie Nachweis des Anerkennungsanspruchs darstellte und daher nicht vor einer erneuten Verhandlung in der Sache geschützt hatte.33 Vielmehr sei die Anerkennung eine Folge der im internationalen Rechtsverkehr bestehenden freundlichen Verständigung der Nationen, der sog. comity. Dieses Konzept, das schon dem Territorialitätsprinzip der Pennoyer-Entscheidung zugrunde lag,34 trage zu einer über die bloße Höflichkeit hinausreichenden Bindung bei, die noch keine verbindliche Verpflichtung darstelle.35 Daraus leitete das Gericht die Anforderungen ab, unter denen ein ausländisches Urteil anzuerkennen sei: (1) Das Verfahren muss vor einem international sowie sachlich zuständigen Gericht (court of competent jurisdiction) unter Wahrung des verfahrensrechtlichen ordre public (2) in einem ordnungsgemäßen Verfahren geführt worden sein, (3) nachdem die Klage ordnungsgemäß zugestellt wurde und (4) die Entscheidung nicht zugunsten nationalen Eigeninteressen und zu Lasten der internationalen comity ergangen ist oder die Neutralität des Gerichts etwa wegen Betrugs nicht gewahrt war.36 Schlussendlich wurde die Anerkennung allerdings abgelehnt, weil die Gegenseitigkeit zu Frankreich nicht verbürgt war, wo das Urteil erlassen wurde.37 Seit es nach der Erie-Entscheidung kein „federal common law“ mehr gibt,38 sind die Staatengerichte sowie die Bundesgerichte insbesondere bei diversity jurisdiction zur Anwendung einzelstaatlichen Rechts verpflichtet. Die Hilton-Doktrin ist als bundesrechtliche Rechtsprechung damit eigentlich hinfällig.39 Dessen ungeachtet folgen die Einzelstaaten noch weiter deren Grundvor31  Zum aktuell noch nicht verabschiedeten Entwurf: Brand, 40 N.C.J. Int’l L. & Com. Reg. 877, 884 f. (2015); Rühl, RIW 2006, 192 ff. (noch in der Annahme einer baldigen Übernahme durch den Bundesgesetzgeber). 32  159 U.S.  113 (1895). 33  Früher etwa Buttrick v. Allen, 8 Mass. 273 (1811). 34  Pennoyer v. Neff, 95 U.S.  714 (1877); dazu Teil 1 C. II. 1. a). 35  159 U.S.  113, 163 f. (1895). 36  159 U.S.  113, 202 f. (1895); weiterführend Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  1081 f., 1090 ff. 37  159 U.S.  113, 227 (1895). 38  304 U.S.  6 4, 78 (1938); dazu Freer, Civil Procedure, S.  516 ff. 39  Somportex Limited v. Philadelphia Chewing Gum Corp., 453 f.2d 435, 440 (3rd Cir.

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

aussetzungen, wie sie auch im Restatement (Third) of Foreign Relations40 enthalten sind.41 Demnach muss ein endgültiges Urteil vorliegen ( final and conclusive), das Ursprungsgericht sachlich und international zuständig sein, sowie keine Zustellungsmängel, Betrug oder ein Konflikt mit einem früheren Urteil bestehen. Die Anerkennungszuständigkeit wird spiegelbildlich zur direkten Zuständigkeit in den USA nach den due process-Grundsätzen beurteilt, wobei die US-amerikanische Literatur ausdrücklich die Parallele zur deutschen Vorschrift des §  328 Abs.  1 ZPO betont.42 Im Vergleich zur zwischenstaatlichen Praxis ist eine wichtige Besonderheit zu beachten: Ein ausländisches Urteil erwächst nicht wie ein inländisches in Rechtskraft (issue preclusion), d. h. die Frage nach der indirekten Zuständigkeit stellt sich bei jedem Urteil und nicht bloß bei Versäumnisurteilen.43 Das Restatement nennt weiterhin einen Verstoß gegen die public policy des Anerkennungsstaates (§  482 (2) (d)), der durch die Rechtsprechung speziell bei Verleumdungsklagen bestätigt wurde44 und Anlass zum SPEECH Act gab.45 Unstimmigkeit herrscht in der Staatenpraxis vor allem über das Gegenseitigkeitserfordernis, welches manche Staaten noch als zwingende Voraussetzung vorsehen, andere hingegen in das Ermessen des Gerichts stellen oder gänzlich darauf verzichten.46 Auch in der Literatur ist umstritten, ob es gerechtfertigt ist, zu Lasten der Parteien eine Anerkennung im Staatsinteresse zu verweigern und ob dies zur Verwirklichung der comity und des Entscheidungseinklanges beiträgt.47 Andere in der Literatur hingegen meinen, die Rechtsprechung der Staatengerichte lasse darauf schließen, dass ausländische Urteile nach denselben Regeln

1971); Casad, 70 Iowa L. Rev. 53, 78 (1984); Richman/Reynolds/Whytock, Conflict of Laws, S.  371 f. 40  Restatement (Third) Foreign Relations Law (1987), §  481, §  482: Grounds for Nonrecognition of Foreign Judgments. 41  So die Einschätzung von Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  1082; Brand, 74 U. Pitt. L. Rev. 491, 498, 500 (2013); Strong, 33 Rev. Litig. 45, 65, 68 (2014). 42  Brand, 40 N.C.J. Int’l L. & Com. Reg. 877, 890 f. (2015). 43  Preclusion setzt immer ein inländisches Urteil voraus; dazu Casad, 70 Iowa L. Rev. 53, 70 (1984); Weintraub, Conflict of Laws, S.  789. 44  Telnikoff v. Matusevitch, 702 A.2d 230 (Md. 1997). 45  Speziell zur Eindämmung der Flucht US-amerikanischer Prominente an englische Gerichte, die dort US-amerikanische Medien verklagten, weil sie in den USA am First Amendment gescheitert wären (libel tourism): Hoffheimer, Conflict of Laws, S.  411 ff. 46  Brand, Recognition and Enforcement, S.  11 f. 47  Clermont, Civil Procedure, S.  435 f.; Coyle, 92 N.C. L.Rev. 1109 (2014) (Gegenseitigkeit befürwortend); v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 50 (ablehnend).

A.  Voraussetzungen transatlantischer Urteilsanerkennung

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anerkannt werden wie im zwischenstaatlichen Verkehr.48 Auch diese Ansicht streitet indes nicht ab, dass für ausländische Urteile die non-merger rule gilt und dem public policy-Einwand größere Bedeutung als im zwischenstaatlichen Anerkennungsrecht zukommt.49 Im Ergebnis ist man sich daher bezüglich den Voraussetzungen der Anerkennung einig. Folglich trifft daher heute noch die Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Urteilen zu, wie sie v. Mehren und Trautman in den 1960er Jahren konstatierten: „The case of recognition of internationally foreign judgments is quite different because it may be proper for different legal systems to come to different results on the same set of facts. [And] there are basic differences in the surrounding circumstances. The economic and cultural relationships within a single jurisdiction tend to be closer, and as a result the practical arguments supporting conclusive effects for domestic judgments are stronger.“50

Gleichzeitig deuten die Autoren an, „zumindest wenn ein Urteil von einem Gericht mit rechtsstaatlicher Tradition und fester Institutionenstruktur stammt“,51 würden die Anerkennungsinteressen für großzügigere Voraussetzungen sprechen. Diesen Anerkennungsinteressen widmet sich v. Mehren u. a. in seinem späteren Werk und zieht daraus Rückschlüsse auf die Ausgestaltung der Anerkennungszuständigkeit sowie zur Vergleichsbildung mit sister-states in Europa. b) Uniform Foreign(/Foreign Country) Money-Judgments Recognition Act Die aus der Hilton-Entscheidung resultierenden Grundsätze werden von einigen Staaten als common law angewandt,52 die überwiegende Anzahl folgt in Bezug auf Geldurteile inzwischen aber den Regelungswerken der National Conference of Commissioners on Uniform State Law. Den im Jahr 1962 erlassenen Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act (UFMJRA) haben bis 2015 insgesamt 34 Staaten kodifiziert, 21 Staaten folgen dessen Revision von 2005, dem Uniform Foreign-Country Money Judgments Recognition Act (UFCMJRA).53

Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  1492 f.; Teply/Whitten, Civil Procedure, S.  1058. 49  Ausdrücklich Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  1511: „Foreign-country judgments are subject to the same defenses [… than] sister-state judgment[s]. In some respects, however, these defenses will be different in scope“ mit ausführlichen Erläuterungen der Unterschiede auf S.  1511–1518. 50  v. Mehren/Trautman, 81 Harv. L. Rev. 1601, 1605 f. (1968). 51  v. Mehren/Trautman, 81 Harv. L. Rev. 1601, 1603 f., 1621 (1968). 52 Vgl. Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  1082 f.; dazu soeben A. I. 3. a). 53  Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act (UFMJRA), 1962; Uniform Foreign-Country Money Judgments Recognition Act (UFCMJRA), 2005. 48 

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

Letzterer ist wiederum inhaltlich ähnlich zum Federal Statute on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments des ALI, das ebenfalls 2005 verabschiedet wurde.54 Im Ausgangspunkt sind beide Gesetze nur auf endgültige Geldurteile anwendbar und stellen ausländische Urteile solchen von US-amerikanischen Bundesstaaten gleich, sofern keine Anerkennungsversagungsgründe vorliegen (§§  2, 3 UFMJRA und §§  3, 4 (a) UFCMJRA). Als zwingender Versagungsgrund wird jeweils die fehlende Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, insbesondere die Unparteilichkeit der Gerichte allgemein, sowie das Nichtvorliegen der Anerkennungszuständigkeit genannt, wobei die indirekten Zuständigkeiten enumerativ aufgezählt werden und sich nicht wie nach common law aus dem Spiegelbildgrundsatz ergeben (§§  4 (a), 5 (a) UFMJRA und §§  4 (b), 5 (a) UFCMJRA). Positiv aufgeführt werden die Tatbestände der general jurisdiction kraft tag jurisdiction, rügeloser Einlassung, Zustimmung zur Klage, domicile bzw. principal place of business, doing business und die Zuständigkeitsbegründung nach der specific jurisdiction bei Unfällen mit einem Kraftfahrzeug oder Flugzeug. Ist eine Anerkennungszuständigkeit gemäß dem gesetzlichen Katalog nicht gegeben, stellen beide Regelwerke dem Gericht ausdrücklich frei, auch andere Anknüpfungen zu billigen (§  5 (b) UFMJRA sowie §  5 (b) UFCMJRA). Der Positivkatalog zu den indirekten internationalen Zuständigkeiten wird also um eine Generalklausel ergänzt. Ergänzend kann das Gericht nach seinem Ermessen weitere Versagungsgründe heranziehen, wie bei Verstoß gegen die public policy des Anerkennungsstaates oder bei Betrug (§§  4 (b) (2) (3), UFMJRA und §§  4 (c) (2), (3) UFCMJRA). Die Revision des Gesetzes ergänzt zwei weitere Ermessensgründe, die auf die Neutralität des Gerichts sowie den verfahrensrechtlichen due process in speziellen Verfahren Bezug nehmen (§§  4 (c) (7), (8) UFCMJRA).55 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass bei ausländischen Urteilen die Anerkennungszuständigkeit stets zwingend nachgeprüft wird und sich dabei am US-amerikanischen due process-Grundsatz orientiert, zudem eine ordre public-Kontrolle materiellrechtlich wie verfahrensrechtlich stattfindet.

54  Unterschiede bestehen hinsichtlich der Zielsetzung einer staatlichen gegenüber einer föderalen Vereinheitlichung, dazu Brand, 40 N.C.J. Int’l L. & Com. Reg. 877, 884 (2015). 55  Zum Vergleich der Verweigerungsgründe s. Strong, 33 Rev. Litig. 45, 70 ff. (2014); weitere Unterschiede und Neuerungen wie zur Beweislast zeigt Brand, 74 U. Pitt. L. Rev. 502 ff. (2013).

A.  Voraussetzungen transatlantischer Urteilsanerkennung

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II. Deutschland und EU Für den Anerkennungsverkehr in der EU kommt der auf Zivil- und Handelssachen anzuwendenden EuGVO eine herausragende Bedeutung zu, deren Neufassung im Jahr 2012 die frühere Verordnung und diese wiederum im Jahr 2000 das als völkerrechtliches Übereinkommen geschlossene EuGVÜ ablöste.56 Daneben gelten eine Reihe weiterer Verordnungen für die grenzüberschreitende Durchsetzung von Entscheidungen, z.B. betreffend Unterhaltstitel die EuUntVO, für Entscheidungen in Ehe- und Kindschaftssachen die EuEheVO, für Insolvenzverfahren die EuInsVO oder bei unbestrittenen Forderungen die EuVTVO.57 Das autonome Verfahrensrecht kommt neben dem Europarecht nur noch subsidiär zu Anwendung, ohne dass auf das im Interesse der Entscheidungsfreizügigkeit grundsätzlich bestehende Günstigkeitsprinzip rekurriert werden darf.58 Die hier in den Blickpunkt gestellte transatlantische Urteilsanerkennung fällt gerade nicht in den Regelungsbereich der EuGVO, da es sich bei der Entscheidung eines US-amerikanischen Gerichts nicht um eine solche eines Mitgliedstaates i. S. d. Art.  36 Abs.  1 i. V. m. Art.  2 lit.  a EuGVO handelt und anders als im Zuständigkeitsrecht der Wohnsitz des Beklagten keine Relevanz hat (vgl. Art.  4 Abs.  1 EuGVO). Daher findet für den wirtschaftlich bedeutenden Rechtsverkehr mit den USA das autonome deutsche Recht nach §  328 ZPO und §§  107 bis 110 FamFG seinen noch verbleibenden Hauptanwendungsbereich.59 1. Anerkennung im Binnenverkehr der EU nach der EuGVO Das Herzstück der EuGVO-Reform bildete die Abschaffung des Exequaturverfahrens.60 Hierdurch wurde das Kapitel III. der Anerkennung und Vollstreckung mit Wirkung zum 10. Januar 2015 neu gefasst. Der Verzicht auf die Vollstreckbarerklärung wirkt sich auf die vorgelagerte Urteilsanerkennung insofern aus, als die Gründe, aus denen die Anerkennung verweigert werden kann (sog. VerLinke/Hau, IZVR, Rn.  1.20; Rauscher/Staudinger, EuZPR, Einl. EuGVO Rn.  7. Übersicht zu den europäischen Rechtsquellen bei Junker, IZPR, §  27 Rn.  25. 58  Das Rückgriffsverbot wird überwiegend aus einem Umkehrschluss zu Art.  71 EuGVO abgeleitet, so Nagel/Gottwald, IZVR, §  12 Rn.  4; vgl. auch Simons/Hausmann/Schwartze, unalex Kommentar, Art.  32 EuGVO Rn.  6; a. M. Adolphsen, EuZPR, §  3 Rn.  70; MüKo/Gottwald, ZPO, Art.  32 EuGVO Rn.  7. 59  Ähnlich die Einschätzung von Linke/Hau, IZVR, Rn.  1.23, die noch Kanada und Südafrika nennen. 60  Die Vollstreckbarerklärung wird ersetzt durch eine Bescheinigung nach Art.  42 Abs.  1 lit.  b EuGVO; bspw. begrüßend Hess, IPRax 2011, 125, 128 und Oberhammer, IPRax 2010, 197 ff.; kritisch Schlosser, IPRax 2010, 101 ff. 56 Etwa 57 

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

sagungsgründe, Art.  45 EuGVO), nicht mehr in einem Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung geprüft werden (Art.  43 EuGVO a. F.), sondern nur noch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren auf Versagung der Vollstreckung (Art.  46 EuGVO). Entgegen dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag wurden die Versagungsgründe dabei nicht zurückgebaut.61 Ihre Normierung als negative Anerkennungshindernisse zeugt von der grundsätzlichen Anerkennungsfreundlichkeit der Verordnung. Leitbild der angestrebten Urteilsfreizügigkeit ist der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens im europäischen Rechtsraum.62 So sind die Versagungsgründe auch als Ausnahmen vom allgemeinen Verbot des Art.  52 EuGVO zu verstehen, der eine Nachprüfung der Entscheidung in der Sache selbst, die sog. révision au fond, untersagt.63 Wie bereits unter den Vorgängerregelungen erfolgt die Anerkennung nach Art.  36 Abs.  1, Abs.  3 EuGVO verfahrenstechnisch durch eine Inzidentanerkennung („ipso iure“). Fakultativ eröffnet Art.  36 Abs.  2 ein Deliberationsverfahren.64 In der Folge werden die ausländischen Entscheidungswirkungen in den Anerkennungsstaat erstreckt (sog. Theorie der Wirkungserstreckung) und nicht in ihren Wirkungen dem Recht des Urteilsstaats gleichgestellt (sog. Wirkungsgleichstellung), wie der EuGH in ständiger Rechtsprechung betont65 und nunmehr vom Verordnungsgeber in Art.  54 Abs.  1 Unterabs. 2 EuGVO zugrunde gelegt wird.66 Im Unterschied zum EuGVÜ werden nach der EuGVO seit 2001 die Anerkennungshindernisse nur noch als Einrede geprüft. Nach Art.  45 Abs.  1 lit.  a EuGVO darf die ausländische Entscheidung der öffentlichen Ordnung des Anerkennungsstaates nicht offensichtlich widersprechen. Der ordre public-Vorbehalt hat wohl mehr symbolische als praktische Bedeutung und kommt nur in 61  KOM(2010) 748 endg., S.  6 ff., 45 f. (Art.  45); speziell zum Verhältnis von Exequaturverfahren und Versagungsgründen vgl. einerseits Bach, ZRP 2011, 97, 98 f. und andererseits Adolphsen, in: Anerkennung im IZVR (2014), S.  1, 17 ff. 62  Erwägungsgrund (26) und KOM(2010) 748 endg., S.  6.; EuGH 26.09.2013, Rs. C-157/12 (Salzgitter Mannesmann/Laminorul), Celex-Nr.  62012CJ0157 Rn.  31 ff.; aus der Lit.: Pohl, IPRax 2013, 109. 63  Zu dieser Korrelation vgl. Junker, IZPR, §  28 Rn.  4; ähnlich Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  45 EuGVO Rn.  10. 64  Weitere Verfahrensfragen bei Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 512 ff.; Linke/Hau, IZVR, Rn.  12.48. 65  EuGH 15.11.2012, Rs. C-456/11 (Gothaer Allgemeine Versicherung/Samskip), Celex-Nr.  62011CA0456 Rn.  34, dabei etabliert der EuGH einen autonomen Rechtskraftbegriff (Rn.  39 ff.). 66 Vgl. Nagel/Gottwald, IZVR, §  12 Rn.  22 ff.; zur Wirkungserstreckung auch Kropholler/v. Hein, EuZPR, vor Art.  33 EuGVO Rn.  9; Schlosser/Hess/Hess, EuZPR, Art.  36 EuGVO Rn.  3.

A.  Voraussetzungen transatlantischer Urteilsanerkennung

261

Einzelfällen in Betracht.67 Der verfahrensrechtliche ordre public ist im Übrigen nur relevant, sofern nicht die speziellere Vorschrift des lit.  b wegen Verletzung rechtlichen Gehörs betroffen ist. Art.  45 Abs.  1 lit.  c, d EuGVO behandeln Rechtskraftkonflikte von miteinander unvereinbaren68 Entscheidungen und ergänzen die Vorschriften zur Verfahrenskoordination in Art.  29 ff. EuGVO. Bei einer Kollision des ausländischen Urteils mit einem solchen aus dem ersuchten Mitgliedstaat hat die inländische Entscheidung stets Vorrang (lit.  c),69 bei einer Kollision mit einem Urteil aus einem Drittstaat gilt hingegen das Prioritätsprinzip (lit.  d). Schließlich verwehrt Art.  45 Abs.  3 EuGVO grundsätzlich eine Prüfung der Anerkennungszuständigkeit und stellt in S.  2 klar, dass eine solche auch nicht über den ordre public erfolgen darf. Grund ist die Fortführung des Vertrauensprinzips, wie es schon dem Verbot der révision au fond in Art.  52 EuGVO zu entnehmen ist.70 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht Art.  45 Abs.  1 lit.  e EuGVO zum Schutz der schwächeren Vertragspartei vor, die neben dem Verbraucher nunmehr auch der Arbeitnehmer geltend machen kann,71 sowie im Ordnungsinteresse bei der Nichtbeachtung ausschließlicher Zuständigkeiten nach Art.  24 EuGVO.72 2. Anerkennung im Außenrechtsverkehr mit den USA nach §  328 ZPO Das deutsche autonome Recht weist zur Anerkennung nach der EuGVO gewisse Parallelen auf. Diese bestehen hauptsächlich in der grundsätzlichen Anerkennungsfreundlichkeit bei Nichtvorliegen von Versagungsgründen nach §  328 Abs.  1 ZPO, dem Prinzip der Inzidentanerkennung, der Wirkungserstreckung des anerkannten Urteils und dem Verbot der révision au fond, welches sich a fortiori aus §  723 Abs.  1 ZPO ergibt.73 Zu den Anerkennungshindernissen zählen ähnlich wie nach Art.  45 Abs.  1 lit.  a-d EuGVO (1) ein Verstoß gegen den Linke/Hau, IZVR, Rn.  13.30, 13.32; Schlosser/Hess/Hess, EuZPR, Art.  45 EuGVO Rn.  2 („nicht notwendig“); die Beibehaltung begrüßt v. Hein, RIW 2013, 97, 109. 68  EuGH 04.02.1988, Rs. C-145/85 (Hoffmann/Krieg), Slg. 1988, 645 Rn.  22: Unvereinbarkeit bei Rechtsfolgen, die sich gegenseitig ausschließen; daraus folgt die „Kernpunkt“-Theorie, dazu schon oben, Teil 2 B. I. 69  Kritisch zu diesem „egoistischen Prinzip“ Schack, IZVR, Rn.  944 f. 70  So schon Jenard, Bericht EuGVÜ, ABl.  ( EG) 1979 Nr. C 59/1 S.  43; ebenso Junker, IZPR, §  28 Rn.  34. 71 Zur Revisionsregelung: Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 512; Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 109 (2010), 1, 38 f. 72  Nicht genannt ist der Verstoß gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung, kritisch Hess, EuZPR, §  6 Rn.  215. 73  Vergleich der Grundsätze auch bei Junker, IZPR, §  27 Rn.  1 f.; Rauscher, IPR, Rn.  2458 ff. 67 

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

(deutschen) ordre public gem. §  328 Abs.  1 Nr.  4 ZPO, (2) fehlendes rechtliches Gehör gem. §  328 Abs.  1 Nr.  2 ZPO, welches kumulativ die fehlerfreie und rechtzeitige Zustellung voraussetzt, aber vom Beklagten keinen Rechtsbehelf wie nach Art.  45 Abs.  1 lit.  b EuGVO verlangt, sowie (3) die am deutschen Streitgegenstandsbegriff orientierte Unvereinbarkeit mit einem anderen Urteil gem. §  328 Abs.  1 Nr.  3 ZPO, welche auch Rechtshängigkeitskonflikte erfasst.74 Ein gewichtiger Unterschied besteht in der Verknüpfung der Anerkennung mit der Vollstreckbarkeit, denn diese erfordert ein Vollstreckungsurteil (§  722 Abs.  1 ZPO), welches die Anerkennungsfähigkeit nach §  328 ZPO, die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit im Erststaat voraussetzt (§  723 Abs.  2 ZPO).75 Einen zum Europarecht entgegengesetzten Ansatz wählt das autonome Recht bei der Nachprüfung der Anerkennungszuständigkeit. Nach §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO wird grundsätzlich eine Kontrolle der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts verlangt und nicht bloß ausnahmsweise in beschränktem Umfang wie nach Art.  45 Abs.  1 lit.  e EuGVO. Den Maßstab bildet die spiegelbildliche Anwendung der deutschen internationalen Entscheidungszuständigkeit (sog. Spiegelbildprinzip): Der im Erststaat verwirklichte Tatbestand wird darauf geprüft, ob das ausländische Gericht bei Spiegelung des deutschen Verfahrensrechts zuständig wäre.76 Die Regeln der direkten Zuständigkeit werden sozusagen bilateralisiert, womit eine Kongruenz zwischen Anerkennungs- und Entscheidungszuständigkeit entsteht.77 Dabei kommt es nicht darauf an, ob das ausländische Gericht einen dem deutschen Recht entsprechenden Zuständigkeitsgrund herangezogen hat oder ob die Anwendung des fremden Zuständigkeitsrechts korrekt erfolgt ist.78 Grundsätzlich kann die Anerkennungszuständigkeit auf jede direkte Entscheidungszuständigkeit des deutschen Rechts gestützt werden. Eine Grenze findet das Spiegelbildprinzip, wenn das Inland seinen eigenen Gerichten eine ausschließliche Zuständigkeit zuspricht; sie ist stets vorrangig und wird nicht gespiegelt.79 Einzelheiten sind bezüglich den exorbitanten Gerichtsständen (§  23 Unterschiede von Nr.  2 und Nr.  3 zur EuGVO bei Junker, IZPR, §  32 Rn.  21 f., 23 ff.; Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  328 ZPO Rn.  87, 94, 96. 75  Einzelheiten bei MüKo/Gottwald, ZPO, §  722 ZPO insb. Rn.  1–3, §  723 ZPO Rn.  2 –5; Schack, IZVR, Rn.  1024 ff. 76  D.h. man spiegelt die Normen, nicht den Tatbestand, vgl. Thole, in: Anerkennung im IZVR (2014), S.  25, 42; Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  642 f.; umgekehrt aufgezeigt von Kern, ZZP 120 (2007), 31, 41 f. 77  V. Hoffmann/Thorn, IPR, §  3 Rn.  160; Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  6 42. 78  Grundlegend RG 21.03.1902, RGZ 51, 135, 139; Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  328 ZPO Rn.  76. 79  Linke/Hau, IZVR, Rn.  13.14; MüKo/Gottwald, ZPO, §  328 ZPO Rn.  87. 74 

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit

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ZPO) umstritten, deren Heranziehung überwiegend bejaht wird,80 sowie bei der Anwendung des §  39 ZPO für die rügelose Einlassung, welche nach Ansicht des BGH bei einer aussichtlos erscheinenden Rüge dem Beklagten nicht zum Nachteil gereichen soll.81 Im neueren Schrifttum ist besonders umstritten, ob auch die Zuständigkeitsregeln der EuGVO anzuwenden sind.82 Zuletzt enthält das autonome Recht – wie etliche der US-amerikanischen Bundesstaaten – das Erfordernis der Gegenseitigkeit in §  328 Abs.  1 Nr.  5 ZPO. Eine ausländische Entscheidung wird in Deutschland also nur anerkannt, wenn der Urteilsstaat seinerseits eine deutsche Entscheidung anerkennen würde. Sinn und Zweck ist es, andere Staaten zu einer großzügigeren Anerkennungspraxis zu bewegen, weil aber von dieser Sanktion vornehmlich die Prozessparteien betroffen sind, ist das Erfordernis rechtspolitisch umstritten.83

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit I. Zweck der Zuständigkeitsprüfung 1. Verwirklichung allgemeiner Interessen der Anerkennung Die Anerkennungszuständigkeit ist eine zentrale Voraussetzung der Urteilsanerkennung im transatlantischen Rechtsverkehr, sowohl nach deutschem wie auch nach US-amerikanischem Recht.84 Unter beiden Regimen muss die Frage nach Sinn und Zweck der Zuständigkeitsprüfung beantwortet werden, die jeweils vom Standpunkt des eigenen Rechts gestellt wird, denn die Anerkennungsvoraussetzungen legt jeder Staat in einer souveränen Entscheidung fest. 85 80  Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  328 ZPO Rn.  74; a. A. Schröder, IPRax 1988, 144, 146; umstr. auch, ob der Inlandsbezug auf die Anerkennungszuständigkeit zu übertragen ist, dagegen: Basedow, IPRax 1994, 183, 186, dafür Wieczorek/Schütze/Schütze, ZPO, §  328 ZPO Rn.  21. 81  BGH 03.12.1992, BGHZ 120, 334, 337; Basedow, IPRax 1994, 183, 185; a. A. Schack, IZVR, Rn.  927. 82 Pro: Arroyo/Schmidt, IPRax 2009, 449, 500; Junker, IZPR, §  32 Rn.  29; Linke/Hau, IZVR, Rn.  13.10; contra: Schärtl, IPRax 2006, 438, 441 f.; Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  328 ZPO Rn.  74; Thole, in: Anerkennung im IZVR (2014), S.  25, 42 f.; differenzierend: Kern, ZZP 120 (2007), 31, 56 ff. 83  Ausführlich MüKo/Gottwald, ZPO, §  328 ZPO Rn.  129 ff.; Sonnentag, ZVglRWiss 113 (2004), 83, 92 ff. 84  Brand, 74 U. Pitt. L. Rev. 491, 514 (2013); v. Bar/Mankowski, IPR I, §  5 Rn.  122; Coester-Waltjen, in: FS Buxbaum (2000), S.  101, 103; Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  630; oben A. I. 3. und II. 2. 85 Vgl. Geimer, in: FS Nakamura (1996), S.  169, 171 (zur Universalität); Schack, IZVR, Rn.  865.

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

Im Zuständigkeitserfordernis laufen wie in keiner anderen Voraussetzung die allgemeinen Gesichtspunkte der Anerkennung zusammen, weshalb diese Abwägung durch v. Mehren und vereinzelt auch in der deutschen Literatur86 nachgezeichnet wird. a) Konflikt zwischen correctness und repose unter Vergleich eines ausländischen zu einem innerstaatlichen Urteil Im Konflikt steht nach der Auffassung v. Mehrens einerseits das Interesse einer Rechtsordnung an einer richtigen und gerechten Entscheidung (sog. principle of correctness) und andererseits das Streben nach Entscheidungseinklang. Den Entscheidungseinklang stellt er in Zusammenhang mit der Einsicht, dass jeder Rechtsstreit einmal sein Ende finden und Rechtsfriede einkehren muss (sog. principle of repose).87 Das Abwägungsergebnis zwischen beiden Prinzipien trifft er differenziert nach der Herkunft des Urteils. Im internen Recht führt er zur Begründung der innerstaatlichen Urteilswirkung (res judicata/preclusion) das notwendige Ende eines jeden Rechtsstreits an (repose), welcher nur fortgeführt werden soll, wenn das erste Urteil arglistig oder betrügerisch erlangt wurde oder dem Gericht die sachliche Zuständigkeit fehlt. In der Regel aber sei dem Interesse an einer rechtskonformen Entscheidung (correctness) durch die Möglichkeit zur Einlegung von Rechtsmitteln genüge getan.88 Auch der US Supreme Court formulierte das Grundprinzip der res judicata knapp mit den Worten: „One trial of an issue is enough“,89 dem die Literatur weitgehend folgt.90 Erstaunlich ist aus deutscher Sicht die Rechtskraftdurchbrechung zum Zwecke der correctness wegen sachlicher Unzuständigkeit. Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und Entlastung der Rechtsmittelgerichte findet nach der ZPO in der Rechtsmittelinstanz keine Überprüfung der sachlichen, örtlichen und funktionellen Zuständigkeit sowie des Rechtswegs statt.91 Im Einklang mit der traditionellen US-amerikanischen res judicata-Doktrin sieht v. Mehren Geimer, in: FS Nakamura (1996), S.  169 ff.; Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  114 ff., 635 ff. 87  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 22, dort auch kurz umschrieben mit: „concern that legal justice […] be done“ vs. „need to put to rest quarells and disputes that have arisen“. 88  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 22–29. 89  Treinies v. Sunshine Mining Co., 308 U.S.  66, 78 (1939). 90  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  1436 ff.; Richman/Reynolds/Whytock, Conflict of Laws, S.  355. 91  §§  513 Abs.  2 , 545 Abs.  2 , 571 Abs.  2 , 576 Abs.  2 ZPO sowie §  17a Abs.  5 GVG; dazu Musielak/Voit/Voit, ZPO, §  1 ZPO Rn.  15, Musielak/Voit/Wittschier, ZPO, §  17a GVG Rn.  19. 86 Insb.

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit

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wichtige öffentliche Interessen in der Ergreifung des richtigen Rechtsweg verwirklicht, insbesondere im Verhältnis zwischen bundes- und einzelstaatlicher Gerichtsbarkeit, sowie in der Zuweisung der Streitigkeit zu einem bestimmten Gericht nach ihrer Art.92 Ihm geht es letztlich darum, dass ein Richter mit sachlich oder funktionell anderen Kompetenzen mit größerer Wahrscheinlichkeit eine andere Entscheidung treffen würde als bei einer Überprüfung durch ein Rechtsmittelgericht.93 Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis von repose und Durchbrechung aus correctness im Einzelfall wird durch das Restatement (Second) of Judgments bestätigt.94 Bei ausländischen Urteilen stellt v. Mehren das principle of repose gänzlich in Frage. Abgesehen davon, dass die full faith and credit-Klausel ohnehin nur für inländische Urteile gilt,95 soll keine automatische Wirkungserstreckung wie bei einem inländischen Urteil erfolgen, weil der ausländische Richter seine Entscheidung nach unbekannten Grundsätzen treffe, möglicherweise das IPR abweiche und daher die Rechtssicherheit gefährdet sei. Die konkrete Sachentscheidung dürfe nämlich nicht davon abhängen, ob die Verhandlung vor einem inländischen oder ausländischen Gericht geführt werde. Zudem seien die Kosten eines zweiten Verfahrens nur für die Parteien höher. Dem US-amerikanischen Staat selbst entstünden nämlich keine Mehrkosten im Vergleich zu einem Erstverfahren im Inland.96 Auf den ersten Blick ist seine Argumentation Ausdruck einer Grundhaltung, welche die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ignoriert, die Ressourcenverschwendung bei Doppelprozessen missachtet und internationale Entscheidungsharmonie hinwegfegt. Kurzum: Der internationale Rechtsverkehr würde durch solche Anerkennungsfeindlichkeit außerordentlich behindert.97 Ein solches Hemmnis aber befürwortet v. Mehren nicht zwangsläufig. Die anerkennungsfeindliche Grundhaltung dient ihm zunächst nur dazu, eine Differenzierung zwischen einem inländischen und einem ausländischen Urteil zu manifestieren. Damit reiht er sich in die Kritik an der früheren Doktrin ein, die aus92  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 24 ff.; Restatement (Second) Judgments (1982), §  12 comment a: „traditional [American] doctrine […] assert[ed] that a judgment of a court lacking subject-matter jurisdiction was ,void‘ and forever subject to attack.“ 93  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 28. 94  So zuerst Reese, 50 Colum. L. Rev. 783, 784 (1950); Casad, 70 Iowa L. Rev. 53, 58 f. (1984); Peterson, 24 Ohio St. L.J. 291, 300 (1963); Restatement (Second) Judgments (1982), §§  18, 70. 95  Dazu oben A. I. 3. a). 96  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 32 f. 97 So Peterson, 24 Ohio St. L.J. 291, 300 (1963) entgegen Reese, 50 Colum. L. Rev. 783, 784 (1950); zum Ganzen auch Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  1090; ausführlich Casad, 70 Iowa L. Rev. 53, 58 ff. (1984).

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

ländische Urteile als Unterfall von res judicata behandelt hatte,98 und knüpft an seinen zuvor mit Trautman aufgestellten Grundsatz an: „Treating recognition problems as an aspect of res judicata tends to lead to a confusion of concepts which should be kept separate“.99 Die frühere Begründung der beiden ist hingegen wesentlich überzeugender: Im Unterschied zum US-amerikanischen Binnenverkehr fehlt im Verhältnis zu ausländischen Rechtsordnungen jegliche Rechtsvereinheitlichung, die Anerkennung unterliegt deshalb strengeren Voraussetzungen.100 Auch uns in Europa ist bekannt, dass Titelfreizügigkeit umso besser funktioniert, je weniger Binnengrenzen in einem Rechtsraum vorhanden sind.101 Inhaltlich zumindest distanziert sich v. Mehren von der Anerkennungsfeindlichkeit, wie man sie heute noch in einigen Staaten vorfindet, beispielsweise in Norwegen oder Schweden, oder wie sie in Frankreich bis zur Abkehr von der révision au fond im Jahr 1964 vorherrschte.102 Zwar kann v. Mehren Widersprüche zur vorgenannten Differenzierung zwischen einem Urteil aus einem anderen Bundesstaat und einem ausländischen Urteil nicht vermeiden,103 er spricht sich aber in seinen folgenden Ausführungen dennoch für eine großzügige Anerkennungspraxis aus. Zu Gunsten einer liberalen Anerkennung führt v. Mehren in einer ersten Fallgruppe die Verfahrensökonomie an.104 Diese bezieht er hier nicht speziell auf den doppelten Aufwand und die Kosten eines zweiten Verfahrens für die Parteien, welche nach seiner eben geschilderten Meinung durch die nur einmal entstehenden Kosten für den Staat ausgeglichen werden. Gemeint ist hier wohl vielmehr die übergeordnete Erleichterung für den internationalen Rechtsverkehr durch eine Verringerung der Anzahl an Prozessen. Der Negation von Parteiinteressen bei der Kostenfrage ist indes zu widersprechen, zumal sie nicht zum ansonsten großen Gewicht der Parteiinteressen im Fairnesskonzept v. Mehrens passt. Für die in der Entscheidung begünstigte Partei – oftmals sucht der Kläger 98  Ähnlich zum Grundsatz der Nichtanerkennung, Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  248. 99  v. Mehren/Trautman, 81 Harv. L. Rev. 1601, 1606 (1968). 100  v. Mehren/Trautman, 81 Harv. L. Rev. 1601, 1607 (1968). 101 Vgl. Adolphsen, EuZPR, §  3 Rn.  3. 102  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 35; s. Länderberichte bei Schack, IZVR, Rn.  999, 1002. 103  Diesem Widerspruch ist sich v. Mehren wohl bewusst, denn er spricht an derselben Stelle von einer analogen Umkehrung der Argumente und spezifisch internationalverfahrensrechtlichen Interessen. 104  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 35; Fallgruppen noch etwas weiter, aber ähnlich bei v. Mehren/Trautman, 81 Harv. L. Rev. 1601, 1603 f. (1968); aufgegriffen von Casad, 70 Iowa L. Rev. 53, 60 f. (1984).

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit

267

später die Anerkennung – ist ein erneutes Prozessieren teuer und das sukzessive Begehren von Rechtsschutz nicht bloß umständlich, sondern auch ungewiss.105 Die Schutzbedürftigkeit des Klägers vor einer schikanösen Blockade durch den unterlegenen Beklagten erkennt v. Mehren als materielle Wertentscheidung aber wiederum an.106 Die zweite seiner beiden Fallgruppen lässt sich mit dem Streben nach internationalem Entscheidungseinklang umschreiben. Gestaltet der Erststaat seine Entscheidungszuständigkeit unter räumlich sachnahen Kriterien zum betreffenden Rechtsstreit aus, d. h. verwendet er keine exorbitanten Zuständigkeiten, so solle sich der Zweitstaat nicht in Widerspruch zu dieser Nähebeziehung setzen und einer rechtswirksam erlangten Entscheidung zur Durchsetzung verhelfen.107 Die Wahrung fremder Zuständigkeitssphären führt einerseits das klägerische Wahlrecht über den Gerichtsstand fort und stellt größere Rechtssicherheit für die Parteien her, wie v. Mehren zutreffend betont.108 Andererseits dient die Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse meines Erachtens aber auch dem überindividuellen Ordnungsinteresse,109 welchem v. Mehren weniger Beachtung schenkt. Außerdem können für den Rechtsverkehr hinderliche Vollstreckungsexklaven entstehen,110 wenn der Zweitstaat die Anerkennungszuständigkeit nicht mit der Entscheidungszuständigkeit abstimmt. Im Ergebnis gewichtet v. Mehren die Rechtssicherheit und den Rechtsfriedengegenüber der inhaltlichen Richtigkeit bei ausländischen wie bei inländischen Urteilen höher, auch wenn er im Grundsatz die Erstreckung der inländischen Rechtskraftwirkungen auf ausländische Urteile ablehnt. b) Notwendigkeit einer Zuständigkeitsprüfung bei liberaler Anerkennungspraxis Die letztlich von v. Mehren befürwortete liberale Anerkennungspraxis bedingt den Verzicht auf eine révision au fond, wie er auch im deutschen Recht Tradition hat.111 Belässt man es bei dem Ergebnis der Rechtsanwendung des ErststaaMartiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  78; Schack, IZVR, Rn.  999. v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 36. 107  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 36. 108  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 36, so auch Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  115 f. 109 Vgl. Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  104 ff.; Schack, IZVR, Rn.  879; Schärtl, Spiegelbildprinzip, S.  20 f. 110 So Schack, IZVR, Rn.  879. 111  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 36 sowie 39 ff. (kollisionsrechtliche Kontrolle nur in wenigen Ausnahmefällen); zum dt. Recht s. A. II. 2. sowie Geimer, Prüfung, S.  41; Linke/Hau, IZVR, Rn.  13.29. 105 Vgl. 106 

268

Teil 3:  Urteilsanerkennung

tes, kann der Kläger somit wegen der grundsätzlichen Zulässigkeit von forum shopping112 über die Wahl des Gerichtsstandes auch das anwendbare Recht bestimmen. Auf internationaler Ebene sind die Folgen des forum shopping mangels kollisionsrechtlicher Vereinheitlichung noch immer deutlich spürbar, ganz im Gegenteil zum europäischen Recht. Will man die exzessiven Auswüchse um die Ausnutzung der Zuständigkeitsdiskrepanzen eindämmen, kann meines Erachtens entweder das Ergebnis der klägerischen Auswahltaktik kontrolliert werden – was aber gerade in einer unerwünschten révision au fond mündet – oder man setzt an den ursächlichen Aktivitäten an. Zur Reduzierung von forum shopping bleibt neben der Ergebniskontrolle also alternativ nur die Überprüfung der internationalen Zuständigkeit. Dieser Zusammenhang wird in der deutschen Literatur nur vereinzelt angemerkt,113 v. Mehren aber stellt die weitreichende Anerkennung unter einer bloßen Zuständigkeitsprüfung (substantial preclusive effects) deutlich der révision au fond mit der praktischen Konsequenz einer Verweigerung der Anerkennung (minimal preclusive effects) gegenüber.114 Die Notwendigkeit einer Zuständigkeitsprüfung stützt aus US-amerikanischer Sicht zudem das soeben für inländische Urteile dargelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis von repose und correctness. Der subject matter jurisdiction sowie der personal jurisdiction misst v. Mehren im Ursprungsstaat ein besonders hohes Gewicht an correctness bei, weil die Entscheidung durch eine andere Institution bzw. Gerichtsbarkeit die Vermutung einer abweichenden Sachentscheidung begründe.115 Obwohl man dieser Vermutung im Grundsatz skeptisch gegenüber stehen kann, da sie recht kurz gegriffen auf der Annahme „falscher Richter, falsche Entscheidung“ beruht, so ist dennoch der besonderen Aussagekraft einer Zuständigkeitsprüfung zuzustimmen. Denn ihr kommt eine sog. hallmark function zu, d. h. sie dient als Grundkriterium für ein faires und rechtsstaatliches Verfahren im Erststaat.116 Räumt ein Staat seinen Gerichten eine größere Kompetenz als nach den Regeln des Anerkennungsstaates ein, deutet dies meines Erachtens eher auf die Intention des Gesetzgebers, inländische Parteien zu bevorzugen. Besteht hingegen eine ausreichende Nähebeziehung zum Rechtsstreit in objektiver oder subjektiver Hinsicht, so ist umgekehrt 112  v. Mehren selbst ist skeptisch, spricht sich im Ergebnis aber für ein Auswahlrecht aus, dazu Teil 2 A. I. 1. 113  Fricke, Anerkennungszuständigkeit, S.  94 f.; Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  125. 114  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 34 ff. gegenüber 36 ff. 115  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 37 mit Blick auf die Feststellungen auf S.  28. 116  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 39; davor schon ders./Trautman, 81 Harv. L. Rev. 1601, 1610 (1968); auch MüKo/Gottwald, ZPO, §  328 ZPO Rn.  80.

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit

269

zu vermuten, dass der Entscheidungszuständigkeit gerechte Anknüpfungspunkte zugrunde liegen und auch der übrige Verfahrensablauf nach fairen Prozessstandards erfolgt ist.117 Folglich verwirklicht die Zuständigkeitsprüfung im Anerkennungsstadium nach zutreffender Ansicht v. Mehrens das besondere Interesse an der Richtigkeit der Entscheidung (correctness) bei im Übrigen weitreichender Wirkungserstreckung (repose) und wahrt den internationalen Entscheidungseinklang sowie die Verfahrensökonomie. 2. Notwendigkeit der Überprüfung kraft Natur der direkten Zuständigkeitstheorien Neben der Herleitung der Zuständigkeitsprüfung aus allgemeinen Anerkennungsinteressen zieht es v. Mehren in Betracht, Inhalt und Umfang dieses Erfordernisses aus Sinn und Zweck der Theorien zur adjudicatory authority zu bestimmen. Diese wurden hier bereits ausführlich im Rahmen der internationalen Entscheidungszuständigkeit besprochen.118 Eine Übertragung in das Anerkennungsrecht erschließt sich aber aufgrund der abweichenden allgemeinen Interessen zum Zuständigkeitsrecht nicht von selbst und bedarf daher einer Überprüfung. a) Relational theory Nach der relational theory beruht die internationale Zuständigkeit eines Gerichts auf der persönlichen Bindung zwischen dem Staat und einer Prozesspartei wie beispielsweise auf der Staatsangehörigkeit des Klägers oder des Beklagten.119 Abgesehen davon, dass der Zugriff des Staates über die Parteien mit einer antiquierten Hoheitsordnung begründet wird,120 stößt diese Theorie auf praktische Schwierigkeiten bei der Übertragung ins Anerkennungsrecht, die v. Mehren auch selbst erkennt. Besteht eine persönliche Beziehung nur zu einer der Prozessparteien, so wäre die Anerkennung des Urteils vom Ausgang des Prozesses abhängig. Denn nur über die dem Staat verbundene Partei könnte derselbe urteilen, folglich wäre nur einem solchen Urteil gegen diese Partei Wirkung im Ausland zu verleihen, nicht aber einem Urteil zuungunsten einer für ihn fremden Partei.121 Martiny, 35 Am. J. Comp. L. 721, 734 (1987); Schärtl, Spiegelbildprinzip, S.  22. 118  Teil 1 C. 119  So Art.  14 und Art.  15 frz. Code civil, vgl. oben Teil 1 C. 1. und 3). 120  So auch v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 284 (1983). 121  Auf diese Schwierigkeit eingehend v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 52. 117 Ähnlich

270

Teil 3:  Urteilsanerkennung

Im Ergebnis würde die Theorie zu der Annahme führen, es existiere ein „natürlicher Richter“,122 der allein über einen Rechtsstreit entscheiden solle und dessen Urteil überall anzuerkennen sei. Hinter der Beanspruchung eines solchen Jurisdiktionsmonopols stehen in der Regel Rechtsanwendungsinteressen,123 die letztlich das Internationale Privatrecht durch ein „Zuständigkeitskollisionsrecht“124 entbehrlich machen würden. Daher ist die relational theory als Grundlage der Anerkennungszuständigkeit ungeeignet. b) Power theory Betrachtet man die gerichtliche Entscheidungskompetenz unter Aspekten des physischen Machtzugriffs im staatlichen Territorium, d. h. nach dem Grundsatz der power theory,125 so wird die Anerkennung im Wesentlichen zum Souveränitätsproblem. Das Territorialitätsprinzip beinhaltet nach der Auslegung v. Mehrens zwangsläufig die Bedingung zur Wirkungserstreckung eines Urteils: Die Gerichtsgewalt über Personen oder Sachen im eigenen Territorium müsse tatsächlich vorliegen, ansonsten bestehe keine „power“ zur Entscheidung des Erststaates und somit auch keine Wirkung des Urteils, die auf einen anderen Staat erstreckt werden könnte.126 Folglich korreliert die Anerkennungszuständigkeit mit der Ausübung der Entscheidungszuständigkeit kraft territorialer Souveränität und macht eine Zuständigkeitsprüfung durch den Zweitstaat erforderlich. Der Grund der Anerkennung lässt sich nach dieser Auslegung gewissermaßen als Ausfluss der Souveränität des Erststaates umschreiben. v. Mehrens ablehnende Haltung gegenüber dem traditionellen Zuständigkeitskonzept, welches er aufgrund seiner starren Ergebnisse sowie der dogmatischen Ignoranz gegenüber Parteiinteressen kritisiert, veranlasst ihn ohne weitere Ausführungen auch zur Abkehr von diesem Begründungsansatz im Rahmen der Anerkennung.127 Unerwähnt bleibt dabei leider, dass die dargestellte Ableitung der Anerkennungszuständigkeit aus der staatlichen Souveränität nichts anderes ist als die comity-Doktrin, welche nach US-amerikanischem common law das theoretische Fundament der Anerkennung bildet. Der power theory ist 122 Auch

52.

v. Mehren spricht vom „natural judge“, ders., Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9,

Relativ moderne Ausprägung bei Briggs, 36 Int’l & Comp. L. Q. 240, 258 f. (1987). Schack, IZVR, Rn.  925 sowie ergänzend Rn.  248; gegen eine indirekte kollisionsrechtliche Kontrolle auch Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  126. 125  S. Teil 1 B. II. 1. a), C. I. 1. b) und C. II. 1., 2.; vgl. insb. Ausführungen bei v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 283, 285 ff., 290 ff. (1983). 126  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 53. 127  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 53; vgl. zur Kritik Teil 1 B. I. 1., B. II) 1. und 2., C. II. 1. 123 

124 

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit

271

eine territoriale Begrenzung der Souveränität inhärent, außerhalb derer eine Rechtswirkung von Hoheitsakten rein auf eine Völkerverständigung aus comity gestützt wird.128 Als Fortführung dieser Lehre ist es deshalb zu verstehen, wenn der Supreme Court eine Rechtspflicht zur Anerkennung fremder Hoheitsakte verneint und vielmehr auf ebendiesen völkerrechtlichen comity-Grundsatz rekurriert, in dessen Lichte die internationalen Verpflichtungen und Rechte der Bürger zu achten seien.129 Comity-Doktrin und die auf das Anerkennungsrecht übertragene power theory v. Mehrens entsprechen sich also. Es besteht aus deutscher Sicht grundsätzlich Einigkeit darüber, dass eine gerichtliche Entscheidung Ausdruck staatlicher Souveränität ist und nur innerhalb der staatlichen Grenzen wirkt, weil der Staat Gerichtsbarkeit nur auf dem eigenen Territorium ausüben kann.130 Hingegen entscheidet über die extraterritorialen Wirkungen eines Urteils der Zweitstaat im eigenen Ermessen nach nationalem Recht, nicht ein völkerrechtliches Gebot. Der Souveränitätsgedanke führt also nicht soweit, einen völkerrechtlichen Anspruch zur Anerkennung anzuordnen.131 Daraus folgt für die hier in Frage stehende Überprüfung der ausländischen Entscheidung hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit, dass die Nachprüfung keinen Eingriff in die Souveränität des Entscheidungsstaates darstellt. Im Ergebnis stimmt diese Auffassung mit der leider nur knapp begründeten Auffassung v. Mehrens überein, nämlich dass aus dem Souveränitätsgedanken keine konkrete Lösung für die Anerkennungsproblematik gewonnen werden kann. Von der Frage nach der Wahrung der Souveränität des Erststaates ist die in Deutschland vorherrschende Diskussion zu unterscheiden, ob die Souveränität des Anerkennungsstaates eine Überprüfung der Zuständigkeit des Erststaates gebietet. Hierbei wechselt man die Perspektive vom fremden Interessenkreis auf den eigenen. In der Literatur wird argumentiert, der Anerkennungsstaat wolle mit der Prüfung der Anerkennungszuständigkeit seine Jurisdiktionssphäre wahren und die eigenen Vorstellungen einer gerechten internationalen Zuständigkeitsordnung durchsetzen.132 Dem ist entgegen zu halten, dass das Völkerrecht gerade keine Zuständigkeitsordnung gebietet und eine universalistische Ordnungsidee, die zur Internationalpädagogik anleiten soll, zu idealistisch Pennoyer v. Neff, 95 U.S.  714, 722 (1877) unter Berufung auf Story; s. Teil 1 C. II. 1. a). Hilton v. Guyot, 159 U.S.  113 (1895); s. Grundlagen bei A. I. 3. a). 130  Adolphsen, EuZPR, §  5 Rn.  1; Nagel/Gottwald, IZVR, §  12 Rn.  102; auch schon Teil 1 C. II. 2. a). 131  Geimer, IZPR, Rn.  2757; Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  152 f.; MüKo/ Gottwald, ZPO, §  328 ZPO Rn.  1. 132  Kern, ZZP 120 (2007), 31, 52 f.; Schack, IZVR, Rn.  920; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  778. 128  129 

272

Teil 3:  Urteilsanerkennung

ist. Außerdem kann dieser Ansatz nicht erklären, warum aus eigenem staatlichen Interesse die Anerkennung verweigert wird, wenn aus unserer Sicht nicht der Urteilsstaat, sondern ein dritter Staat zuständig ist.133 Auch wenn rechtspolitisch wenig wünschenswert, so ist die staatliche Souveränität wohl dennoch als ratio legis des §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO anzuerkennen.134 Die Durchsetzung von staatlichen Interessen rechtfertigt aber jedenfalls die Wahrung der ausschließlichen Zuständigkeitsregelungen und deren Überprüfung.135 Rechtsanwendungsinteressen an der Einhaltung von gesellschafts-, wirtschafts-, oder sozialpolitischen Grundsätzen sieht auch v. Mehren in mancher Zuständigkeitsprüfung verwirklicht. Wegen der „versteckten“ öffentlichen Interessen bezeichnet er die Anerkennungszuständigkeit in diesen Fällen als „covert choice-of-law test“.136 c) Fairness/contemporary theory Analog zu seiner zuständigkeitsrechtlichen Konzeption folgt v. Mehren auch im Anerkennungsrecht letztlich der fairness theory. Diese bewertet in erster Linie die Beziehungen der Parteien zum Forum nach ihrer Intensität und Nähe und bezieht sich dabei besonders auf deren prozessuales Leistungsvermögen (litigational ability). Außerdem fließen in die Fairnessabwägung der Bezug der konkreten Streitigkeit zum Forum sowie die Staatsinteressen des Forums ein.137 Die Beziehungspunkte der prozessualen Fairness leiten sich aus einer freiheitlichen, nichthoheitlichen Begründung ab, welche nach v. Mehrens Auffassung eine Überprüfung im Rahmen der Anerkennung nicht zwingend voraussetzt. Die Interessenabwägung durch den Erststaat greife nicht in die Entscheidung des Zweitstaates ein, so seine Argumentation, vielmehr sei über die Anerkennung nach eigenen Fairnessaspekten zu entscheiden.138 Ohne die Ausführungen v. Mehrens zur Anerkennungszuständigkeit hätte man aufgrund der zuständigkeitsrechtlichen fairness theory vermuten können, die Fairness gegenüber den Parteien gebiete, dass die Abwägung des Erstgerichts auch einer Bewertung durch das Zweitgericht standhalten muss. Stellt man allerdings im Zuständigkeits- wie im Anerkennungsrecht die Interessenty133 

184.

Geimer, in: FS Nakamura (1996), S.  169, 172 f.; i.E. auch Basedow, IPRax 1994, 183,

134  Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  328 ZPO Rn.  73; Thole, in: Anerkennung im IZVR (2014), S.  25, 42. 135  Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  638; a. M. Sonnentag, ZVglRWiss 113 (2014), 83, 89 f. 136  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 45 f. 137  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 288 ff. (1983); dazu Teil 1 B. I. 2. c) bb) (2). 138  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 54.

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit

273

pologie statt einer starren Theoriendogmatik nach Justizhoheiten in den Vordergrund, so müssen sich Zuständigkeits- und Anerkennungsinteressen nicht zwangsläufig decken. Welche Auswirkungen sich aus einer mangelnden Deckungsgleichheit139 für die Anerkennungszuständigkeit konkret ergeben, wird im Rahmen der Regelungstechnik sogleich zu betrachten sein. Hier ist festzuhalten, dass selbstständige Partei-, Verkehrs- und Ordnungsinteressen nach der Ansicht v. Mehrens die Anerkennungszuständigkeit bestimmen, welche zum bereits erörterten, allgemeinen Anerkennungsinteresse des internationalen Entscheidungseinklanges beitragen sollen.140 Im Vergleich zu Deutschland ist besonders die Gewichtung der Parteiinteressen interessant, welche v. Mehren im Rahmen seiner Ausführungen zur fairness theory zunächst nicht konkretisiert. Erst im Zusammenhang mit der später noch relevanten Anlehnung der indirekten an die direkte Zuständigkeit argumentiert er generell mit dem Vertrauensschutz beider Parteien, welche ihre Prozessstrategie auf die Gerichtsstandsregelungen im Erststaat ausrichten und deshalb nicht mit einer abweichenden Anerkennungszuständigkeit konfrontiert werden sollen.141 Nach der deutschen Beklagtenschutztheorie hingegen besteht der Zweck der Zuständigkeitsprüfung durch den Anerkennungsstaat alleinig im Schutz des Beklagten vor unzumutbaren Gerichtsständen. Über diese Prüfung „setzen wir die zweitstaatlichen(/deutschen) Vorstellungen über die internationale Gerichtspflichtigkeit des Beklagten durch“.142 Der Beklagte erfährt mithin durch die Anerkennung den gleichen Schutz wie nach den inländischen Zuständigkeitsvorschriften, wenn nach unseren Vorstellungen eine ausreichende Beziehung des Gerichtsstands zum Beklagten oder zur Streitigkeit nicht vorliegt.143 Das durch v. Mehren angeführte Argument der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes entspricht der Beklagtenschutztheorie zumindest hinsichtlich der beklagten Partei, die sich auf die möglichen Gerichtsstände und die jeweils resultierende Durchsetzbarkeit des Urteils einstellen können soll. Meines Erachtens hängt die Vorhersehbarkeit für den ausländischen Beklagten jedoch auch davon ab, nach welchen Regelungen die internationale Zuständigkeit des Wie vertreten durch v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 61 f. Zusammengefasst in seinen eigenen Worten: „concerns of persons and of legal orders that form, in some sense, part of an inchoate international order“, Rec. des Cours 167 (1980II), S.  9, 54; s. zum Entscheidungseinklang B. I. 1. a). 141  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 58: „where both parties have so relied“. 142  Geimer, in: FS Nakamura (1996), S.  169, 173; ders., IZPR, Rn.  2901; unter Berufung auf diesen BGH 03.12.1992, BGHZ 120, 334, 340 f.; ähnlich Basedow, IPRax 1994, 183, 184; Gottwald, ZZP 103 (1990), 257, 271, 274. 143 Der Beklagtenschutztheorie zustimmend, aber gegen die Ausschließlichkeit als Schutzzweck: Coester-Waltjen, in: FS Buxbaum (2000), S.  101, 110; Kern, ZZP 120 (2007), 31, 52 f.; Schack, IZVR, Rn.  920. 139 

140 

274

Teil 3:  Urteilsanerkennung

Erstgerichts beurteilt wird, d. h. ob nach dem dort geltenden ausländischen Recht – dies gewährt größtmögliche Vorhersehbarkeit – oder ob nach den eigenen Befolgungsregeln gemäß dem Spiegelbildprinzip – dann reduziert sich die Vorhersehbarkeit, weil es sich um eine bloß abstrakte Kontrolle handelt144 und das ausländische Recht möglicherweise andere Entscheidungszuständigkeiten vorhält. Demgegenüber tritt die Schutzbedürftigkeit des Klägers in den Hintergrund, welcher bei Auswahl des Gerichts die Anerkennungsfrage berücksichtigen kann. Daher ist es vorzugwürdig, die Parteiinteressen auf den Beklagtenschutz zu konzentrieren. Entscheidender als die Vorhersehbarkeit der Anerkennungszuständigkeit ist die aus der Entscheidungszuständigkeit resultierende Pflicht des Beklagten, sich an einem bestimmten Forum der Prozessführung unterziehen zu müssen. Diese prozessuale Lastenverteilung wirkt gewissermaßen im Anerkennungsrecht fort, wo es jedem Staat offen steht, die Reichweite der Gerichtspflichtigkeit durch Nichtanerkennung zu reglementieren.145 Dies führt zurück zu einer Grundsatzwertung v. Mehrens, welche er zwar leider nicht auf die Fairnessanalyse bezogen hat, richtigerweise aber zur Konzentrierung der Parteiinteressen auf den Beklagtenschutz führt: „Jurisdictional requirements […] test the fairness of proceedings in two ways. In the first place, where litigating in the forum imposes on the defendant psychological, economic, or practical burdens significantly greater than those that would attach were the litigation brought in other possible forum […] the assertion of jurisdiction may be seen as unfair.“146

3. Zwischenergebnis Den Sinn und Zweck einer Urteilsanerkennung stellt v. Mehren allgemein als Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen dem Interesse an einer Überprüfung der Entscheidung (principle of correctness) und dem notwendigen Ende eines jeden Rechtsstreits (principle of repose) dar. Bei einem ausländischen Urteil verschiebt sich das Verhältnis seiner Ansicht nach stärker zugunsten der Richtigkeit der Entscheidung als bei einem inländischen Urteil. Trotz seiner leicht missverständlichen Gewichtung der beiden Prinzipien ist die von ihm im Ergebnis eingenommene liberale Anerkennungshaltung zu begrüßen, für welche die Verfahrensökonomie und der internationale Entscheidungseinklang sprechen. Dabei ergibt sich die Notwendigkeit einer Zuständigkeitsprüfung nach der hier vertretenen Ansicht aus dem Ziel der Reduzierung von forum shopping, aus der Funktion der Zuständigkeitsprüfung als Grundkriterium für 144 

S. A. II. 2. Fricke, Anerkennungszuständigkeit, S.  87 f. 146  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 39. 145 Ähnlich

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit

275

ein rechtsstaatliches Verfahren (hallmark function) sowie darüber hinaus zum Schutz des Beklagten vor unzumutbaren und unvorhersehbaren Gerichtsständen. v. Mehren verwirft zwar richtigerweise einen Bedingungszusammenhang zwischen den Theorien zur Entscheidungszuständigkeit und der Anerkennungszuständigkeit, greift dabei aber auf die fairness theory zurück, welche er bedauerlicherweise nicht speziell auf den Beklagtenschutz bezieht.

II. Regelungstechnik 1. Derivat aus der Entscheidungszuständigkeit (derivative theory) a) Allgemeine Differenzierungsmöglichkeiten Allgemein ist es in Europa und den USA bekannt, dass die Überprüfung der internationalen Zuständigkeit im Rahmen der Anerkennung durch die nationalen Gesetzgeber unterschiedlich gehandhabt wird. Hinsichtlich der Regelungstechniken zeichnen sich zwei Grundlinien ab. Es besteht zum einen die Möglichkeit, aus den Normen für die direkte Zuständigkeit abzuleiten, welche indirekten Zuständigkeiten bestehen. v. Mehren spricht dabei von der „derivativen“ Theorie (derivative theory). Alternativ lassen sich Anknüpfungspunkte für die indirekte Zuständigkeit aus autonomen Anerkennungsinteressen entwickeln. Weil diese Theorie nicht von einer Parallelität zur direkten Zuständigkeit ausgeht, nennt er sie im Gegensatz zur ersteren „nicht derivativ“ (non-derivative theory).147 Decken sich die Zuständigkeitskriterien, so bezeichnet man die Kongruenz in der Literatur auch als „interne Reziprozität“, während umgekehrt „selbständige Zuständigkeitsgründe“ für die Anerkennung bestehen.148 Andere Wissenschaftler differenzieren im Anschluss an die 5. Haager Privatrechtskonferenz im Jahr 1925 nach positiven Anerkennungssystemen, welche eigene Regeln über die Anerkennung aufstellen, und negativen Systemen, die nur einzelne fremde Entscheidungszuständigkeiten als Grundlage der Anerkennung missbilligen.149 Beide Systematisierungen schließen sich jedoch meiner Meinung nach gegenseitig nicht aus, denn sie beziehen sich auf unterschiedliche technische Ausgestaltungen; die Attribute derivative/non-derivative spezifizie147  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 56 f., umschrieben auch als „mechanically“ bzw. „rest[ing] on a policy judgment“. 148  Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  6 43, 803 f.; in den USA auch „direct jurisdiction approach“ vs. „indirect jurisdiction approach“ genannt, so Brand, 13 J.L. & Com. 193, 201 (1994); andere sprechen meist von einer „Anknüpfungsparallelität“ vs. einer Generalklausel, etwa Sonnentag, ZVglRWiss 113 (2004), 83, 86 f. 149  Schack, IZVR, Rn.  921; ausführlich Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  749 ff.

276

Teil 3:  Urteilsanerkennung

ren die Art des Kontrollmaßstabes, die negative/positive Systematisierung beziehen sich auf die Regelungsdichte. Daher können beide Ansätze kombiniert werden. Innerhalb der derivativen Theorie besteht die Möglichkeit, den Kontrollmaßstab, der nach seiner Art ein abgeleiteter ist, weiter nach der Herkunft zu konkretisieren. v. Mehren macht darauf aufmerksam, dass die Anerkennungszuständigkeit entweder der Entscheidungszuständigkeit des Urteilsstaates entnommen wird (theory of unilatéralité simple), die zudem unter Vorbehalt einer ausschließlichen Zuständigkeit des Inlands stehen kann (unilatéralité double; beides sog. unilateral theories). Andernfalls erfolgt die Beurteilung nach den eigenen Entscheidungszuständigkeiten des Zweitstaates (theory of bilatéralité/ bilateral theory).150 In letzterem Fall handelt es sich um ein positives System, weil alle Anerkennungszuständigkeiten im eigenen Recht abschließend bestimmt werden. Die zwei ersten Spielarten sind dagegen negative Systeme, weil sie sich darauf beschränken, entgegenstehende eigene Entscheidungszuständigkeiten anzuordnen.151 Für das deutsche autonome Recht gilt gem. §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO das Spiegelbildprinzip152 und mithin die bilateral theory. Seit geraumer Zeit regt sich hiergegen in der Literatur Widerstand,153 der jedoch bislang fast lautlos verhallte, spielte doch die Musik in den letzten zwei Jahrzehnten hauptsächlich im europäischen Zivilverfahrensrecht. Die Bedeutung des autonomen Anerkennungsrechts besonders für den Rechtsverkehr mit den USA darf indes nicht verkannt werden. Deshalb ist in der folgenden Untersuchung auch der Frage nachzugehen, ob eine andere Regelungstechnik das Spiegelbildprinzip ersetzen könnte. b) Unilateral theory Der erste derivative Ansatz erschließt sich aus einer historischen Betrachtung. Die unilateral theory beruht auf der französischen Lehre, die von einem Teil der Rechtsprechung und Wissenschaft – als Gegenansicht zur ebenfalls vertretenen Spiegelbildtheorie – vor der Wendepunktentscheidung des Cour de Cassation in v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 56 f. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  749, 756 ff., die unilatéralité simple trifft streng genommen noch nicht einmal negativ Regelungen über entgegenstehende Zuständigkeiten und kommt einer Abschaffung der Anerkennungszuständigkeit gleich. 152  Dazu in Grundzügen schon A. II. 2. 153  Insb. durch Gottwald, ZZP 103 (1990), 257, 271 ff.; Sonnentag, ZVglRWiss 113 (2004), 83, 87 ff.; kritisch, aber i.E. nicht ablehnend neuerdings auch Thole, in: Anerkennung im IZVR (2014), S.  25, 36 ff. 150 

151 So

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der Rechtssache Simitch im Jahr 1985 vertreten wurde.154 Man betonte damals den Makel des Zuständigkeitsrechts, nämlich dass eine übergeordnete Instanz fehle, welche die internationale Zuständigkeit zwischen den Staaten der Welt verteilen könne. Deshalb müsse jeder Staat seine eigenen Interessen wahren und binde durch die Zuständigkeitsregelungen nur die eigenen Gerichte, die umgekehrt auch der französische Richter zu respektieren habe und diese als Prüfungsmaßstab heranziehen müsse.155 Die Abhandlung v. Mehrens differenziert zwar die unilateral theory von der bilateral theory, erörtert aber beide gemeinsam unter dem Oberbegriff der derivativen Theorien. Er nimmt kritisch Stellung zur französischen Ausprägung, bezieht sich aber allein auf die Weite der Entscheidungszuständigkeit, welche Ausnahmen für ausschließliche Zuständigkeiten und für die Anwendung des ordre public verlange. Ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis und den darin zum Ausdruck kommenden „need for an escape hatch“ betrachtet er offenbar wegen der mangelnden Rechtssicherheit als problematisch.156 Diesen Bedenken ist im Grundsatz zuzustimmen, es fehlt jedoch die klare Abgrenzung zur bilateral theory. Die Orientierung am Herkunftsstaat der ausländischen Entscheidung verspricht zwar internationalen Entscheidungseinklang, jedenfalls sofern keine Entscheidungskollisionen auftreten, sie setzt aber ein blindes Vertrauen in die unbekannte Zuständigkeitsordnung voraus. Allein durch den Vorbehalt der ausschließlichen Zuständigkeiten kann nicht gewährleistet werden, dass eine ausreichende Beziehung zum Inland gegeben ist. Evident ist dies beispielsweise bei „Scheidungsparadiesen“, die eine Zuständigkeit öfters in Anspruch nehmen als ihnen der Anerkennungsstaat regelmäßig zubilligen würde.157 Die Ignoranz der zuständigkeitsrechtlichen Diskrepanzen raubt dem Beklagten jeglichen Schutzstandard, welcher soeben als wesentliches Anerkennungsinteresse identifiziert wurde. Der Beklagtenschutz erfordert vielmehr, dass zumindest durch eine Negativauflistung exorbitante Zuständigkeiten ausgenommen werden und die Anerkennungszuständigkeit eine gewisse inhaltliche Regelungssubstanz erhält.158 Das Vertrauen in den Entscheidungsstaat ist nur dort realistisch, wo auch die Entscheidungszuständigkeiten vereinheitlicht 154  Etwa App. Paris 04.02.1958, Rev. crit. 1958, 389; Holleaux, Compétence, S.  12 f., 23, 93, 99; dazu auch Fricke, Anerkennungszuständigkeit, S.  39 ff. 155  Battifol, Droit international privé, 3. Aufl., Nr.  755, S.  845; Niboyet, Droit international privé, 2. Aufl., Bd.  III, Nr.  931; Hintergrund des franz. Desinteresses ist auch die internationalprivatrechtliche Kontrolle, dazu Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  758 f. 156  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 56 f. (Definitionen), 58 ff. (gemeinsame Erörterung), 60 (zur theory of unilatéralité). 157  Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  800. 158 Ähnlich Fricke, Anerkennungszuständigkeit, S.  89; gegen dieses negative System auch Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  762.

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

sind. Im Übrigen genügt eine Verweisung auf die Vorschriften des Heimatstaates dem Beklagtenschutz nicht. v. Mehren hätte mithin gut daran getan, im Interesse der von ihm hoch geschätzten Parteienbelange die unilateral theory zu verwerfen. c) Bilateral theory In den nationalen Rechtsordnungen Europas ist die Bilateralisierung der eigenen Zuständigkeitsnormen im Vergleich zur Unilateralität gebräuchlicher und findet sich in etlichen Rechtsordnungen, so neben Deutschland in Italien, Spanien und Österreich.159 Auch in England galt noch Mitte des letzten Jahrhunderts die Regel der bekannten Entscheidung Travers v. Holley, welche v. Mehren als Beispiel der derivative theory anführt: „It must surely be that what entitles an English court to assume jurisdiction must be equally effective in the case of a foreign court“.160 Auch in Frankreich wurde bis in die 1980er Jahre häufig die französische Entscheidungszuständigkeit spiegelbildlich angewendet. Der Begründer dieser französischen Lehre, Etienne Bartin, verfolgte ein ähnliches Grundanliegen wie deutsche Autoren: die Verwirklichung von Zuständigkeitsgleichheit in einer Gemeinschaft unabhängiger Staaten.161 Die Erwägung ergänzt aus deutscher Sicht wohlgemerkt nur den genannten Beklagtenschutz. Das Spiegelbildprinzip bestimmt, wann der inländische, aber auch wann der ausländische Richter für zuständig befunden wird. Für alle Rechtsordnungen gilt also derselbe Beurteilungsmaßstab, welcher die Zuständigkeitsgleichheit herstellt.162 In der Festlegung der ausländischen Zuständigkeit kann dabei kein Eingriff in eine fremde Justizhoheit gefunden werden. Das eigene Recht billigt einem fremden Staat grundsätzlich den gleichen Jurisdiktionsbereich zu, den es für seine eigenen Gerichte in Anspruch nimmt.163 Es handelt sich nicht um Befolgungs-, sondern um Beurteilungsregeln, die dem inländischen Richter vom eigenen Standpunkt aus sagen, wann er das Gericht eines ausländischen Staates ex post für zuständig halten soll. 164 Die Frage stellt sich daher mittelbar

159  Überblick bei Thole, in: Anerkennung im IZVR (2014), S.  25, 39 f.; auch Kern, ZZP 120 (2007), 31, 38 m. w. N. 160  Travers v. Holley, [1953] P. 246, 256; dazu v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 58 f.; sowie Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  752 f. 161  Bartin, Clunet 1905, 815, 818 ff. (allerdings unter der Idealvorstellung einer stark vereinheitlichten Kollisions- und Zuständigkeitsordnung), dazu Fricke, Anerkennungszuständigkeit, S.  34 f.; in Dt. etwa Schack, IZVR, Rn.  922. 162  Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  6 43; Schack, IZVR, Rn.  922. 163  Geimer, IZPR, Rn.  2896; Schack, IZVR, Rn.  922. 164  Ausführlich zum Ganzen Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  779 f.

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im Rahmen der Anerkennungsentscheidung und schreibt dem ausländischen Gericht keine Entscheidungszuständigkeit vor. d) Exkurs: bilateral theory und due process in den USA Die größte Bedeutung für die Anerkennung eines ausländischen Urteils kommt in den USA dem Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act (UFMJRA) sowie dessen Revision aus dem Jahr 2005, dem Uniform Foreign-Country Money Judgments Recognition Act (UFCMJRA) zu. Wie eingangs dargestellt, führen beide Gesetze zunächst eine positive Liste von Anerkennungszuständigkeiten auf und typisieren damit im Wesentlichen minimum contacts.165 Die enumerativ aufgezählten Anerkennungszuständigkeiten decken sich dabei nicht zwangsläufig mit den Entscheidungszuständigkeiten des jeweiligen Bundesstaates. Zusätzlich aber ergänzt den Katalog folgende Generalklausel: „The list of bases for personal jurisdiction in subsection (a) is not exclusive. The courts of this state may recognize bases of personal jurisdiction other than those listed in subsection (a) as sufficient to support a foreign-country judgment“ (§  5 (b) UFCMJRA).

Die Formulierung lässt offen, an welchem Maßstab diese sonstigen Anerkennungszuständigkeiten überprüft werden. US-amerikanische Gerichte ziehen überwiegend die mirror image rule heran und vergleichen die ausländischen Zuständigkeiten mit ihren eigenen, ähnlich wie dies außerhalb des Anwendungsbereichs des UFCMJRA nach common law geschieht.166 Dogmatisch aber tappen die Gerichte dabei im Dunkeln, denn ob der mirror image standard ein einfachgesetzliches Erfordernis darstellt oder dem verfassungsrechtlichen due process Grundsatz genügen muss, ist nicht höchstrichterlich geklärt. Im letztgenannten Fall wären die strengen und komplexen Rechtsprechungsgrundsätze der minimum contacts zu beachten.167 Beispielsweise könnte ein europäisches Urteil nicht anerkannt werden, das sich in einem Produkthaftungsfall gegen einen US-amerikanischen Produzenten auf den Gerichtsstand des Erfolgsortes gem. Art.  7 Nr.  2 EuGVO stützt, sofern der Hersteller nicht nach den Grundsätzen des McIntyre-Falles seinen Warenverkehr ziel-

165 

§§  4 (a), 5 (a) UFMJRA und §§  4 (b), 5 (a) UFCMJRA, dazu oben A. I. 3. b). allgemein Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  1125 f.; Feldman, 89 N.Y.U. L. Rev. 2190, 2208 ff. (2014). 167  Pure Fishing, Inc. v. Silver Star Co., Ltd., 202 f.Supp.2d 905, 917 (N.D. Iowa 2002): keine „sufficient minimum contacts with Australia“ i. S. d. Anerkennungszuständigkeit gem. Iowa Code §  626B. 4 (2), welcher §  5 UFMJRA umsetzt; ähnlich schon Koster v. Automark Industries, Inc., 640 f.2d 77, 78 f. (7th Cir. 1981). 166  Vgl.

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

gerichtet (targeted) auf das Forum ausgerichtet hat.168 Umgekehrt würde ein einfachgesetzliches Erfordernis leidglich bedeuten, dass „international norms of basic fairness“ bzw. „international due process“ zu gewähren sind, d. h. die Entscheidungszuständigkeit dürfte nicht völlig unreasonable, d. h. exorbitant sein.169 Für diese Ansicht spricht, dass die Spiegelung der minimum contacts-Rechtsprechung wenig praktikabel ist und in vielen Fällen eine anerkennungsrechtliche Blockade bewirkt. Außerdem legt die Gesetzessystematik den Gleichlauf mit der Anerkennungsvoraussetzung der Wahrung eines rechtsstaatlichen Verfahrens gem. §  4 (b) (1) UFCMJRA nahe, wo ebenfalls eine „basic fairness“ genügt.170 Dennoch stellten die US-amerikanischen Gerichte wohl noch überwiegend auf den due process-Grundsatz ab.171 2. Autonome Beurteilungsregelung (non-derivative theory) In Abkehr zur abgeleiteten Anerkennungszuständigkeit will v. Mehren die selbständige Kontrolle nach der non-derivative theory an Zweckmäßigkeitserwägungen ausrichten.172 Die autonome Entscheidung über die Anerkennung beruht seiner Ansicht nach nicht unbedingt auf einer richterlichen Generalklausel (policy judgment).173 Vielmehr könne auch eine Liste konkreter Anerkennungszuständigkeiten entwickelt werden, wie sie das erste und wenig erfolgreiche Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 01.02.1971 (HAÜ 1971)174 enthält. Zur Erarbeitung einer solchen Auflistung diene eine Orientierung am Grad der gewünschten Anerkennungsfreundlichkeit, welche mit dem internationalen Entscheidungseinklang auszubalancieren sei – zwei allgemeine AnerkennungsBeispiel als „reverse-McIntyre case“ bei Feldman, 89 N.Y.U. L. Rev. 2190, 2205 (2014), zum Fall Teil 1 B. II. 3. f). 169  Restatement (Third) Foreign Relations Law (1987), §  482 (1) (b); Porisini v. Petricca, 456 N.Y.S.2d 888, 889 f. (1982). 170  Feldman, 89 N.Y.U. L. Rev. 2190, 2215 ff. (2014); vgl. Society of Lloyd‘s v. Ashenden, 233 f.3d 473, 476 (7th Cir. 2000): „we cannot believe that the Illinois statute is intended to bar the enforcement of all judgments of any foreign legal system that does not conform its procedural doctrines to the latest twist and turn of our courts […] and we have interpreted this to mean that the foreign procedures are fundamentally fair […] We’ll call this the international concept of due process to distinguish it from the complex concept that has emerged from American case law.“ (Hervorhebungen im Original). 171  So auch Zeynalova, 31 Berkeley J. Int’l L. 150, 162 (2013). 172  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 57, 65. 173  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 57, wo er zunächst von einer wertungsoffenen Klausel spricht, ohne konkret ein richterliches Ermessen zu erwähnen. 174  Ratifiziert nur von den Niederlanden, Portugal, Zypern, Albanien und Kuwait; Text und Statusbericht, HAÜ 1971; dazu noch unten Teil 4 A. I. 168 

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interessen –, sowie eine Analyse der historischen Besonderheiten der Entscheidungszuständigkeiten im jeweiligen nationalen Recht, die Angemessenheit der Anerkennungszuständigkeit gemäß der fairness-Analyse und eine mögliche Kontrolle durch anderweitige Anerkennungsvoraussetzungen.175 Das HAÜ sieht in Art.  10 eine Reihe von Normen vor, die v. Mehren einer beispielhaften Überprüfung unterzieht. Weitgehend kommt er zu dem Schluss, es handle sich dabei um faire und ausreichend verbreitete Anknüpfungspunkte. So befürwortet er den Wohnsitz des Beklagten statt der Staatsangehörigkeit als Basis der general jurisdiction bzw. der allgemeinen Zuständigkeit und unterstützt im Deliktsrecht die Tatortregel nur bei Platzdelikten, bei Distanzdelikten hingegen den Handlungsort.176 Dabei zeigt sich wie im Zuständigkeitsrecht erneut sein Desiderat, einen engen Bezug des Forums zur Streitigkeit bzw. den Parteien zu wahren. Auffällig ist, dass die Anerkennungszuständigkeit trotz „autonomer“ Beurteilung im Wesentlichen den bekannten Erwägungen aus dem Zuständigkeitsrecht entspricht.177 Einzig die auf dem Grundgedanken der klägerischen Prozessinitiative beruhende Erweiterung tritt hinzu, wonach zugunsten des Beklagten und seiner Rechtsnachfolger immer eine Gerichtszuständigkeit fingiert wird, gewissermaßen das anerkennungsrechtliche Pendant zur rügelosen Einlassung in umgekehrter Personenkonstellation durch den Kläger.178 Dass die Abweichungen der autonomen zur derivativen Prüfung nicht gerade frappierend groß sein müssen, stellt v. Mehren selbst fest: „guidance and inspiration can often be derived from bases for adjudicatory jurisdiction“.179 Aber rechtfertigt sich dann die Bewertung der non-derivative theory als „easier and more conductive“,180 wie der Autor suggeriert? Bevor dieser Frage sogleich nachzugehen sein wird, sind andere Möglichkeiten in der Ausgestaltung einer autonomen Beurteilungsregel in den Blick zu nehmen, welche v. Mehren nicht berücksichtigt hat, aber eventuell für das deutsche autonome Recht als Alternative zum Spiegelbildprinzip in Betracht kommen. Eine ausführliche Positivliste sieht in den USA der eben schon erwähnte UFMJRA aus dem Jahr 1962 vor, sowie der reformierte UFCMJRA von 2005. Deren Anerkennungszuständigkeiten stehen stärker als das Haager Übereinkommen von 1971 in der US-amerikanischen common law Tradition, etwa mit dem v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 65. v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 69, 73. 177  Vgl. die entsprechende Anknüpfung der direkten Entscheidungszuständigkeit an den Wohnsitz in Teil 1 B. I. 2. c) aa) (1); zur alleinigen Maßgeblichkeit des Handlungsortes bei Streudelikten: Teil 1 B. II. 3. c); D. III. 2. a). 178  Art.  10 (7) HAÜ 1971; dazu v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 69. 179  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 62. 180  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 62. 175 

176 

282

Teil 3:  Urteilsanerkennung

Gerichtsstand der tag jurisdiction (§  5 (a) (1) UFMJRA/UFCMJRA). Möglicherweise hat v. Mehren deshalb den UFMJRA für den ausländischen Leser von vornherein nicht für erwähnenswert gehalten. Die Idee einer positiven Auflistung von Anerkennungszuständigkeiten ist entgegen der leicht missverständlichen Darstellung v. Mehrens allerdings nicht neu. Schon bei Paul Johann Anselm von Feuerbach findet sich der Entwurf eines Staatsvertrages aus dem frühen 19. Jahrhundert mit einer Aufzählung etlicher Gerichtsstände vom allgemeinen Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz bis hin zu solchen der Widerklage, der Erben, des Arrestes und für vertragliche Ansprüche.181 Rechtstechnisch ebenfalls denkbar, wenn auch seltener vorzufinden, ist die Überprüfung mittels einer Negativliste. Die heute unter der EuGVO nahezu bedeutungslosen, bilateralen Staatsverträge über die Anerkennung und Vollstreckung zwischen Deutschland und Österreich sowie zwischen Deutschland und Griechenland enthalten in Art.  1 i. V. m. Art.  2 Nr.  3–5 dt.-öst. Vertrag182 und Art.  3 Nr.  3–4 dt.-griech. Vertrag183 jeweils eine solche negative Auflistung einzelner Zuständigkeiten. Eine Überprüfung der Entscheidungszuständigkeit findet also nur insofern statt, als der Urteilsstaat keine der aufgezählten Anknüpfungsmomente verwenden darf. Die Vertragsstaaten konnten auf die abschließende Normierung konkreter Zuständigkeiten verzichten, weil sie auf ihre eng verwandten Zuständigkeitsregime vertrauten.184 Für das deutsche autonome Recht mit Zuschnitt auf den außereuropäischen Rechtsverkehr eignet sich die bloße Negativliste deshalb ebenso wenig wie für ein weltweites Abkommen mit vergleichsweise geringer Vertrauensbasis der Vertragsstaaten. Nach dem Vorbild Frankreichs könnte aber eventuell die durch v. Mehren erwähnte Generalklausel das Spiegelbildprinzip in Deutschland ablösen.185 In Frankreich ist man spätestens seit der Simitch-Entscheidung des Cour de Cassation aus dem Jahr 1985 von den beiden konkurrierenden derivativen Theorien abgerückt. Die Generalklausel verlangt eine hinreichende Beziehung des Erststaates zur Rechtsstreitigkeit, zudem muss die so gefundene Entscheidungszuständigkeit frei von Willkür, Künstelei oder Betrug sein.186 Wie schon nach früFeuerbach, Themis, S.  307 ff. mit Entwurf S.  310 ff. Vertrag vom 06.06.1959, BGBl.  1960 II 1246; dazu allg. Schütze, IZPR in der ZPO, §  328 Rn.  208 ff. 183  Vertrag vom 04.11.1961, BGBl.  1963 II 110; Schütze, IZPR in der ZPO, §  328 Rn.  214 ff. 184  Schack, IZVR, Rn.  921; Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  805. 185  Zu Überlegungen dahingehend, i.E. aber verneinend: Fricke, Anerkennungszuständigkeit, S.  31 ff., 104 ff. 186  Cass. civ. 06.02.1985, Rev. crit. 1985, 369, 372; dazu Cuniberti, 56 Int‘l & Comp. L.Q. 931, 933 ff. (2007); Sonnentag, ZVglRWiss 113 (2004), 83, 86; Thole, in: Anerkennung im IZVR (2014), S.  25, 37; Vischer, in: FS Overbeck (1990), S.  349, 375 f. 181 

182 

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit

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herer Rechtslage darf aber keine ausschließliche Entscheidungszuständigkeit Frankreichs in derselben Sache bestehen. Dies führte zu einer wesentlichen Einschränkung der Anerkennung für den Fall, dass ein französischer Staatsbürger am Rechtsstreit beteiligt ist und die Art.  14, 15 Code civil eine Heimatzuständigkeit begründeten.187 Eine neuere Entscheidung verbietet nunmehr die Heranziehung der eigentlich als Privilegierung gedachten Entscheidungszuständigkeit im Rahmen der Anerkennung.188 Insgesamt zeugen diese Entwicklungen von einem Liberalisierungstrend, der vermutlich mit einer gewissen Aufwertung des ordre public einhergeht.189 Auch im anerkennungsfreundlichen England folgte man zeitweise im Anschluss an die Indyka-Entscheidung des House of Lords von 1969 einer Generalklausel in Form der „real and substantial connection“.190 Sie musste aber schon zwei Jahre später einer gesetzlichen Positivliste weichen und wird aufgrund spezifischer Entwicklungen des common laws nicht für verallgemeinerungsfähig gehalten.191 Für Deutschland wird ebenfalls eine liberale Lösung in Anlehnung an die französische Generalklausel vorgeschlagen. Eine solch allgemeine Abwehrklausel ließe sich mit einer Negativliste kombinieren und unter den Vorbehalt exorbitanter und ausschließlicher inländischer Zuständigkeiten stellen, um zu großer Rechtsunsicherheit Einhalt zu gebieten.192 Noch weiter geht die Ansicht, allein über den ordre public Vorbehalt die Anerkennung von Entscheidungen zu verhindern, die aufgrund exzessiver Gerichtsstände erlassen wurden.193 3. Bewertung der Regelungstechniken: Spiegelbildprinzip versus Generalklausel Die Vorteile einer autonomen Beurteilungsregelung, die nicht allein v. Mehren sondern auch die deutsche Literatur betonen, könnten für eine Reform der indirekten Zuständigkeit in Deutschland sprechen. 187  Ausführlich Fricke, Anerkennungszuständigkeit, S.  55 f.; noch zum früheren Recht Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  614. 188  Cass. civ. 23.05.2006, Rev. crit. 2006, 870, 871 (Prieur); dazu Cuniberti, 56 Int‘l & Comp. L.Q. 931, 935 f. (2007). 189  Cuniberti, 56 Int‘l & Comp. L.Q. 931, 938 (2007); so schon früher Kessedijan, in: Recognition and Enforcement of Foreign Judgments (2000), S.  185, 196 ff. 190  Indyka v. Indyka, [1969] A.C. 33, 105 (Lord Wilberforce). 191  Überzeugend Fricke, Anerkennungszuständigkeit, S.  14 ff., 29. 192  Gottwald, ZZP 103 (1990), 257, 276; in diese Richtung auch Vischer, in: FS Overbeck (1990), S.  349, 376. 193  Sonnentag, ZVglRWiss 113 (2004), 83, 87 ff.; ähnlich schon Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201, 225 f., 266 f.

284

Teil 3:  Urteilsanerkennung

Zuvorderst ist die Flexibilität einer Generalklausel anzuführen, denn das Spiegelbildprinzip erhebt die eigenen Zuständigkeitsvorstellungen zum Maß aller Dinge und geht rein schematisch194 vor. Dadurch erweist es sich im Ergebnis als teils zu eng, teils zu weit. Ausländische Rechtsordnungen halten nämlich eventuell Entscheidungszuständigkeiten bereit, die dem Anerkennungsstaat zwar unbekannt, aber durchaus vernünftig sind. So steht es beispielsweise um den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft, den das deutsche Recht nicht kennt, der auf europäischer Ebene aber ebenso wie in den meisten EU-Staaten Niederschlag gefunden hat.195 Daher führt jede Abweichung der ausländischen von der inländischen Regelungssystematik zur Nichtanerkennungsfähigkeit, die Spiegelbildlichkeit ist also eng ausgestaltet.196 Wie die Untersuchung v. Mehrens aufzeigt, stellt sich das Problem der fehlenden Deckungsgleichheit besonders bei der specific jurisdiction, deren Streitgegenstandsbezug viele Anknüpfungsoptionen eröffnet, während die general jurisdiction aufgrund ihrer weithin akzeptierten Nähebeziehungen, beispielsweise zwischen einer natürlichen Person und dem Staat ihres Wohnsitzes bzw. das domicile oder der Staatsbürgerschaft, überwiegend zu gleichen Ergebnissen führt.197 Umgekehrt ist die Parallelität des Spiegelbildprinzips zu weit, weil Entscheidungen auch anerkannt werden, wenn sie auf exorbitanten Gerichtsständen des Auslandes beruhen, denn auch ein eigener exorbitanter Gerichtsstand wie §  23 ZPO begründet die Anerkennungszuständigkeit. Weite Entscheidungszuständigkeiten des Inlandes verkehren sich sozusagen in ihr Gegenteil.198 Ganz ähnliche Kritik äußert v. Mehren: Nicht nur die Exorbitanz wirkt sich bei einer Spiegelung für die Anerkennung verheerend aus, auch veraltete Zuständigkeitskonzepte, z.B. im common law die auf der power theory beruhende Anwesenheitszuständigkeit, ziehen sich vom Erkenntnis- in das Anerkennungsverfahren fort.199 Ihm kommt es also einmal mehr auf die – seiner Ansicht nach verfehlte – Dogmatik als auf das Ergebnis an, welches bei exorbitanten Zuständigkeiten immer in einer weiten Anerkennungsfähigkeit besteht. Die Flexibilität einer Generalklausel ist eine Seite der Medaille, Kehrseite davon aber Rechtsunsicherheit. Das Spannungsverhältnis zwischen Einzelfall194 

59.

195 

v. Mehren spricht von einer „mechanical quality“, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9,

Art.  8 Nr.  1 EuGVO; bspw. in Österreich § 93 Abs.  1 JN, in der Schweiz Art.  8a IPRG; dazu Schack, IZVR, Rn.  407. 196  Kritisch daher Gottwald, ZZP 103 (1990), 257, 272; Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  814; Sonnentag, ZVglRWiss 113 (2004), 83, 88; Vischer, in: FS Overbeck (1990), S.  349, 375. 197  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 62 ff. 198  Gottwald, ZZP 103 (1990), 257, 272; ähnlich Kropholler, IPR, S.  673. 199  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 59.

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit

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gerechtigkeit durch abstrakt-generelle Klauseln und sicheren Entscheidungsgrundlagen durch vertypte Regelungstatbestände wurde bereits im Zuständigkeitsrecht deutlich, wo sich der deutsche und europäische Gesetzgeber zugunsten der Rechtssicherheit entschieden haben.200 Diese Wertentscheidung sollte man grundsätzlich auch im Anerkennungsrecht beibehalten.201 Schon die US-amerikanische Rechtsprechung zu den minimum contacts zeigt, wie wenig vorhersehbar die Ergebnisse einer Generalklausel sind.202 Hinzu kommt, dass sich die Parteien und der Rechtsverkehr auf das bereits bestehende Urteil verlassen wollen.203 Das Spiegelbildprinzip besticht vergleichsweise mit seiner einfachen Anwendbarkeit, denn der inländische Richter muss sich nur mit den ihm bekannten Entscheidungszuständigkeiten auseinandersetzen.204 Des Weiteren sind die jeweils verwirklichten Interessen abzuwägen. In Deutschland geht man davon aus, der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit sei von staatlichen Interessen und Souveränitätserwägungen geprägt, während eine Generalklausel einzig den Beklagtenschutz im Blick habe.205 Aus dieser Prämisse könnte man zweierlei schließen: Soll mitunter auch die Souveränität des Anerkennungsstaates geschützt werden, so ist am Spiegelbildprinzip festzuhalten; erkennt man hingegen nur den Beklagtenschutz als legitimen Zweck an, muss die Anerkennungszuständigkeit aufgelockert werden. Jedoch ist eine solche Verknüpfung in letzter Konsequenz nicht zutreffend. Ratio legis von §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO ist zwar die Verfolgung eigener staatlicher Interessen an einer gerechten Zuständigkeitsordnung, doch ist damit noch nicht gesagt, dass die eigene Souveränität durch Verwendung einer Generalklausel überhaupt gefährdet wäre. Abgesehen davon, dass die völkerrechtlich motivierten, internationalen Ordnungsinteressen des Staates rechtspolitisch wenig überzeugend sind,206 verliert der Anerkennungsstaat nichts an seiner Souveränität durch eine abweichende Regelungstechnik. Der Staat setzt sich ebenso mittels einer Generalklausel die Anerkennungszuständigkeit in einer souveränen Entscheidung selbst und ordnet eine flexible Anerkennungspraxis an, wobei selbst die großzügige Anerkennung nicht Aufgabe an Souveränität bedeutet.207 200 

Oben Teil 1 B. IV. 4. a); sowie Teil 2 A. II. 2. a) aa). Eine Gefährdung der Rechtssicherheit sehen: Fricke, Anerkennungszuständigkeit, S.  91 ff.; Geimer, in: FS Nakamura (1996), S.  169, 176; Thole, in: Anerkennung im IZVR (2014), S.  25, 44. 202  Teil 1. B. II, vgl. auch Schärtl, Spiegelbildprinzip, S.  33. 203  Schack, IZVR, Rn.  924. 204 Auch Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  6 45. 205  Basedow, IPRax 1994, 183, 184; Gottwald, ZZP 103 (1990), 257, 271. 206  Vgl. soeben das Ergebnis der Untersuchungen im Rahmen der power theory, B. I. 2. b). 207 Ähnlich Fricke, Anerkennungszuständigkeit, S.  90 f. 201 

286

Teil 3:  Urteilsanerkennung

Ob umgekehrt eine Generalklausel pauschal ein Mehr an Beklagtenschutz verspricht, ist ebenso fraglich. Glaubt man, unzumutbare Gerichtsstände effektiv nur durch Einzelfallabwägungen abwehren zu können, mag dies im Kern zutreffen. Bezieht man hingegen die Vorhersehbarkeit für den Beklagten mit ein, was auch der Ansicht v. Mehrens entspricht,208 bieten typisierte Anerkennungszuständigkeiten ein höheres Schutzniveau. Folglich ist die Einführung einer Generalklausel nicht aus Gründen eines vermeintlich besseren Beklagtenschutzes oder einer Abkehr von Souveränitätserwägungen geboten. Schließlich wäre es noch denkbar, Entscheidungs- und Anerkennungszuständigkeit als so wesensverschieden zu betrachten, dass eine getrennte Betrachtung geboten erscheint. In der Wesensverschiedenheit liegt das tragende Argument v. Mehrens gegen eine derivative theory. Die Anerkennung sei nicht mehr wie zu Verfahrensbeginn eine Frage der prozessualen Lastenverteilung und einer abstrakten Bewertung der Fairness gegenüber den Parteien. Vielmehr habe der Erlass eines Urteils neue Tatsachen geschaffen, die der Zweitstaat entweder akzeptieren oder sich dagegen abschotten kann. Daher sei die Frage vielmehr, in welchem Umfang ein bereits vorliegendes Ergebnis ins eigene Recht übernommen wird bzw. ob es fundamentalen Grundsätzen des Inlandes widerspricht.209 Von vornherein nicht verallgemeinerungsfähig ist indes sein weiteres Argument am Beispiel der Rechtsanwendungsinteressen, welche seiner Auffassung nach für einen bestimmten Gerichtsstand sprechen, im Zweitstaat aber wegen einer ausschließlichen Zuständigkeit zur Nichtanerkennung führen könnten.210 Meiner Ansicht nach ist vielmehr eine weitgehendere Trennung von anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit zu befürworten.211 Es bleibt aber die Frage, ob das spezifische Anerkennungsinteresse des Rechtsfriedens (repose) gegen eine Parallelität in der Zuständigkeitsprüfung spricht. In Deutschland äußert man sich teils ähnlich wie v. Mehren; die Beurteilung der Anerkennungszuständigkeit sei ex post und nicht wie die Entscheidungszuständigkeit ex ante zu treffen, ohnehin sei die ausländische Entscheidung stets ein „fait accompli“ und die Anerkennung daher von anderen Erwägungen getragen.212 Im Grundsatz ist es durchaus richtig, die mit dem Erlass des Urteils entstehenden zweitstaatlichen und privaten Interessen in die Anerken-

208 

Zu Beidem soeben B. I. 2. c); nur bei einer Beurteilung nach den Regeln des Erstgerichts wäre die Vorhersehbarkeit größer. 209  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 58, 61. 210  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 61. 211  S. Teil 1. E., insb. IV. 212  Basedow, IPRax 1994, 183, 184.

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit

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nungsfrage einzubeziehen. Wie gesehen bedingt gerade die Abwägung zwischen den anerkennungsrechtlichen Gesichtspunkten des Rechtsfriedens und des internationalen Entscheidungseinklanges, dass überhaupt die Notwendigkeit zur Überprüfung der internationalen Zuständigkeit besteht. Die spezifisch anerkennungsrechtlichen Interessen dürfen jedoch andere Gesichtspunkte nicht völlig überwuchern. Der Ausgleich von Beklagtenschutz und Sachnähe des Gerichts zu der Streitigkeit bzw. den Parteien bleibt im Anerkennungsstadium ebenso wichtig wie im Erkenntnisverfahren.213 Versteht man die Anerkennungszuständigkeit hingegen primär als Mittel zur Verwirklichung spezifischer Anerkennungsinteressen und stellt die zuständigkeitsrechtlichen Aspekte hinten an – die Betonung liegt dann auf „Anerkennung“ und nicht auf „Zuständigkeit“ – ist die Folge davon ein juristischer Protektionismus,214 der sich weniger an Fairness- als an Souveränitätserwägungen orientiert. Will v. Mehren tatsächlich Schluss machen mit der power theory, so sollte er die zuständigkeitsrechtlichen Parteiinteressen zumindest auf die gleiche Stufe mit den allgemeinen Anerkennungsinteressen stellen. Dann aber stünde einer Parallelität von Entscheidungs- und Anerkennungszuständigkeit nichts mehr im Wege. Im Ergebnis zeigt das Spiegelbildprinzip zwar Mängel, die insbesondere auf der starren Vorgehensweise beruhen, es berücksichtigt indes die Gleichheit der Staaten 215 und transponiert weniger Rechtsunsicherheit in das Anerkennungsrecht als die alternative Generalklausel.216 Eine bessere Handhabe bietet auch eine ordre public-Kontrolle nicht, denn die Abschaffung des Zuständigkeitserfordernisses kann nicht durch ein Vertrauen in eine fremde Rechtsordnung gerechtfertigt werden, der Beklagtenschutz wäre mithin über Bord geworfen.217 Dennoch schaffen die Überlegungen Anreiz, auch in Zukunft weiter über eine Auflockerung der Anerkennungszuständigkeit nachzudenken. Es gilt nach Lösungen zu suchen, die ein gewisses Maß an Flexibilität bieten, ohne die Rechtssicherheit gänzlich zu opfern, etwa einer Kombination von derivativen und autonomen Bewertungsmaßstäben.

Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  86, 114. Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  86 mit Bezug auf die Perspektive des Anerkennungsstaates. 215  Dazu bereits B. II. 1. 216  Trotz Kritik im Erg. auch Thole, in: Anerkennung im IZVR (2014), S.  25, 44. 217  Insofern beruht die ordre public-Kontrolle auf derselben Fiktion wie die theory of unilatéralité, dazu B. II. 1.; im Ergebnis auch Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  771 f.; a. M. Linke/Hau, IZVR, Rn.  13.12. 213 

214 So

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

III. Bindung an Feststellungen des Erstgerichts Neben der Regelungstechnik zeigt sich an einem weiteren Beispiel, dass v. Mehren aus den eingangs behandelten, allgemeinen Zwecken des Anerkennungsverfahrens spezifische Auslegungsgrundsätze zur Anerkennungszuständigkeit ableitet. Hierbei geht es um die Bindungswirkung an tatsächliche und rechtliche Feststellungen des Erstgerichts. Wurde vom Erstgericht beispielsweise über das Vorliegen einer unerlaubten Handlung entschieden, so könnte das Zweitgericht bei der Prüfung der internationalen Zuständigkeit (vor deutschen Gerichten §  32 ZPO218) entweder bezüglich dieser Feststellung präkludiert sein oder neue Beweise erheben dürfen und das Vorbringen der Parteien zur Zuständigkeitsfrage berücksichtigen. 1. Bedeutung innerhalb der einzelnen Regelungstechniken Nicht für alle Anerkennungssysteme stellt sich das Problem der Bindungswirkung gleichermaßen. Es taucht nur dort auf, wo der Anerkennungsstaat nach eigenen Kriterien die Zuständigkeit des Urteilsstaates nachprüft, seien diese nun am Maßstab der eigenen Entscheidungszuständigkeit bemessen (Spiegelbildprinzip bzw. bilateral theory) oder an freien Ermessenskriterien orientiert (non-derivative theories). Erfolgt eine Nachprüfung nicht nach eigenem Recht, so ist auch die Frage nach einer eigenen Beweiserhebung weniger dringlich. Demnach ist für die unilateral theory, welche die Zuständigkeitsregelungen dem Herkunftsstaat des Urteils entnimmt, eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des Erststaates folgerichtig, zumal es ihr um den Respekt vor der fremden Jurisdiktionshoheit und dem Fehlen einer überstaatlichen Zuweisungsinstanz geht. Diese Logik der unilateral theory, die v. Mehren leider nicht derart deutlich benennt, spricht dafür, sie aus der folgenden Betrachtung auszuklammern.219 2. Grundsatz der Nachprüfung Weder das US-amerikanische Anerkennungsrecht, welches mit dem Uniform Foreign-Country Money Judgments Recognition Act (UFCMJRA 2005) einen nicht-derivativen Ansatz verfolgt,220 noch das deutsche derivative Spiegelbild218  Bspw. BGH 25.11.1993, IPRax 1995, 101 ff. (zur Sonderproblematik der doppelrelevanten Tatsachen). 219  So im Ergebnis, nicht aber in der Begründung: v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980II), S.  9, 81. 220  Soeben B. II. 2., vgl. §  5 (a) (1) UFCMJRA; bei einer Anerkennung im US-amerikanischen zwischenstaatlichen Verkehr erwachsen die Tatsachenfeststellungen in res judicata, dazu Currie/Kay/Kramer/Roosevelt, Conflict of Laws, S.  497.

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prinzip sehen explizit eine Regelung zum Prüfungsumfang vor. Aufgrund der unklaren Rechtslage sah sich v. Mehren vermutlich veranlasst, eine Lösung des Problems aus dem Normzweck der Zuständigkeitsprüfung zu entwickeln. Er zieht einerseits den Gesichtspunkt des Rechtsfriedens (repose) heran. In der Tat widerspricht es der Prozessökonomie, bereits im Erstverfahren mühsam ermittelte Tatsachen einer erneuten, möglicherweise umfangreichen Beweisaufnahme zu unterziehen. Kollidierende Ermittlungen von Erst- und Zweitgericht schaden der gerichtlichen Autorität im Allgemeinen und sind dem internationalen Entscheidungseinklang wenig dienlich.221 Dies würde gegen eine Überprüfung sprechen. Auch deutsche Autoren pflichten dem bei und ergänzen im Sinne des von v. Mehren ebenfalls erwähnten Verbots einer révision au fond 222(für Deutschland §  723 Abs.  1 ZPO), es sei zu vermeiden, dass Parteien im Erstverfahren nachlässig, unzweckmäßig oder bewusst Entgegengesetztes vortragen.223 Dem Zweck der Anerkennungszuständigkeit nach könne man nicht ausländische Zuständigkeiten gelten lassen, aber Verfahren und Beweismittel im Ausland ignorieren, ohne die angestrebte Ordnung zwischenstaatlicher Gerichtsstände aufzugeben.224 Allerdings ordnet sich die Anerkennungszuständigkeit nach der bilateral sowie nach der non-derivative theory nicht dem Herkunftsstaat unter, sodass die Beachtlichkeit des dortigen Beweisverfahrens nicht präjudiziert wird. Auch ist die Gleichwertigkeit des inländischen und ausländischen Verfahrens reine Fiktion. Das Ordnungssystem beruht hinsichtlich der Beweiserhebung und -würdigung nicht auf einer Funktionsäquivalenz im Verfahren, sondern auf – blindem – „Vertrauen in die Fähigkeit und den guten Willen fremder Justiz“.225 Außerdem ist die Berufung auf das Verbot der révision au fond in Frage zu stellen, denn nicht die Begründetheit der Sachentscheidung wird überprüft, sondern die Entscheidungszuständigkeit, für welche dieses Verbot gerade nicht gilt.226 Für eine Nachprüfung durch das Zweitgericht spricht vielmehr, dass die Entscheidungszuständigkeiten und Beurteilungsmaßstäbe von Erst- und Zweitgericht nicht identisch sind. Der ausländische Richter trifft aus Sicht des Anerkennungsstaates möglicherweise nur einseitig ermittelte, mangelhafte oder überflüssige Feststellungen.227 Dieses Problem wird nur zum Teil durch den v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 80, knapp umschrieben mit „repose“ und „economy of means“. 222  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 80. 223  Spickhoff, ZZP 108 (1995), 475, 494 f. 224  Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  783. 225  Schröder, Internationale Zuständigkeit, S.  784. 226 Vgl. Gottwald, IPRax 1995, 75, 76; Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  789. 227  Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  788; Schärtl, Spiegelbildprinzip, S.  25. 221 

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

Vorschlag228 der Literatur gelöst, eine Präklusion lediglich bei relevanten Tatsachen – soweit überhaupt getroffen – eintreten zu lassen, zumal dies wiederum selbst eine Beurteilung durch das Zweitgericht voraussetzt. Dem Kläger wäre es möglich, durch unrichtige Sachvorträge die Zuständigkeit des Erstgerichts zu begründen und mithin ausuferndes forum shopping zu betreiben.229 Zur Übernahme unrichtiger Fiktionen besteht indes kein Anlass. Dem siegreichen Kläger kann ganz im Gegenteil eher zugemutet werden, weitere Tatsachen vorzutragen, zu deren Nachweis er bislang keine Veranlassung hatte.230 Mit der Gefahr falscher Behauptungen des Klägers geht außerdem eine Zuständigkeitsanmaßung des ausländischen Gerichts einher, welches seiner eigenen auf unrichtigen Tatsachen basierenden Entscheidung Bindung im Ausland verleihen würde. v. Mehren bezeichnet diese Fiktion auf Seiten des Gerichts als „bootstrapping objection“. Besonders wenn die Entscheidungszuständigkeit nach der power theory ermittelt wird, besteht seiner Ansicht nach die Möglichkeit, dass sich das Gericht aufgrund unrichtiger Tatsachen eine Hoheitsmacht anmaßt, die in Wirklichkeit gar nicht besteht. Aber auch das Abwägungsergebnis nach der fairness theory bedürfe einer Überprüfung, um die hallmark function231 der Anerkennungszuständigkeit zu erfüllen.232 Nach v. Mehren dient die Entscheidungszuständigkeit also nur dann als Grundkriterium für ein faires und rechtsstaatliches Verfahren, wenn neben der rechtlichen auch die tatsächliche Beurteilung einer Überprüfung standhält. Daher wäre eine Bindungswirkung des Zweitrichters abzulehnen. Der Kern des Arguments ist durchaus richtig, denn eine mangelhafte Beweisführung spricht gegen ein faires Verfahren. Doch kann das Fehlen bestimmter Beweise auch auf die genannte Diskrepanz der Entscheidungszuständigkeiten zurückzuführen sein. Überzeugender ist es demgegenüber, den Grundsatz der Nachprüfung mit der Missbrauchsgefahr durch den Kläger zu begründen. An dieser Stelle zeigt sich wieder, dass v. Mehren dem Beklagtenschutz speziell im Anerkennungsrecht kein entscheidendes Gewicht beimisst. Unrichtige Sachvorträge des Klägers wirken sich aber zu Lasten des Beklagten aus, der in seinen legitimen Verteidigungsinteressen beeinträchtigt wäre. Führt ein Nichtbestreiten der unrichtigen Tatsachen zu einer für den Beklagten nachteiligen Präklusion, wäre er gegebenenfalls mittelbar zu einer Einlassung vor dem ausländischen Gericht gezwungen.233 Der Schutz der Gegenpartei spricht folglich für eine Nachprüfung der Spickhoff, ZZP 108 (1995), 475, 489. Geimer, in: FS Nakamura (1996), S.  169, 183. 230  Geimer, Prüfung, S.  137. 231  Erläuterungen oben B. I. 1. b). 232  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 80, 82. 233  So auch der BGH zur Sonderproblematik der doppelrelevanten Tatsachen, BGH 228 

229 Vgl.

B.  Im Fokus v. Mehrens: Die Anerkennungszuständigkeit

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tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts.234 Mithin ist die Lösung v. Mehrens zu befürworten, nur eben nicht aufgrund von Erwägungen zur hallmark function und den Zuständigkeitstheorien. Durchaus zutreffend ist schließlich noch der Hinweis v. Mehrens, dass sich ein anderes Ergebnis rechtfertigen lässt, wenn das Vertrauen in ein fremdes Rechtssystem nicht bloß fingiert, sondern objektiv begründet ist. Weil eine konkrete Abstufung nach dem Grad des Vertrauens schwer zu bewerkstelligen ist und die auswärtigen Beziehungen gefährden kann,235 fehlt es im globalen Rechtsverkehr derzeit aber an der praktischen Umsetzbarkeit. Dem ist nicht so im europäischen Verfahrensrecht, welches bekanntermaßen auf dem gegenseitigen Vertrauen in die Funktionsfähigkeit und Gleichwertigkeit der Justizsysteme236 beruht und daher konsequenterweise eine Bindung des Zweitgerichts in Art.  45 Abs.  3 EuGVO statuiert.237 3. Ausnahmsweise Präklusion durch ein Verhandeln des Beklagten im Erstprozess Eine konstruktive Anregung gibt v. Mehren zu einer Ausnahmeregelung vom Nachprüfungsgrundsatz, wie sie im deutschen Recht selten diskutiert wird. Sie beruht auf der Beteiligung des Beklagten im Erstprozess und einer Analogie zur rügelosen Einlassung.238 Die Anerkennungszuständigkeit kann nämlich nach deutschem und US-amerikanischem Recht auch auf ein vorbehaltsloses Verhandeln des Beklagten im Erstprozess gestützt werden. Dazu sei angemerkt, dass sowohl nach der deutschen Rechtsprechung und Literatur,239 wie auch nach der Ansicht v. Mehrens,240 eine Zuständigkeitsrüge im Erststaat nicht aussichtslos gewesen sein darf, weil das dortige Gericht nach eigenem Prozessrecht oh25.11.1993, BGHZ 124, 237, 245 f.; zustimmend Gottwald, IPRax 1995, 75, 76; vgl. auch Geimer, in: FS Nakamura (1996), S.  169, 183. 234  So auch die deutsche h.M. (meist ohne weitere Begründung), etwa Adolphsen, EuZPR, §  5 Rn.  85; MüKo/Gottwald, ZPO, §  328 ZPO Rn.  91; Nagel/Gottwald, IZVR, §  12 Rn.  159; Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  328 ZPO Rn.  80. 235  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 83, unter ähnlich kritischer Würdigung. 236  Erwägungsgrund (26) und KOM(2010) 748 endg., S.  6.; EuGH 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Gasser/Misat), Slg. 2003, I-14693 Rn.  41; vgl. auch oben Teil 2. A. II. 1. b), B. III. 3. 237  So schon zu Art.  28 EuGVÜ Jenard, Bericht EuGVÜ, ABl.  ( EG) 1979 Nr. C 59/1 S.  46; vgl. auch Schack, IZVR, Rn.  929. 238  Entscheidungszuständigkeit begründet im deutschen Recht §  39 ZPO, zur USA oben Teil 1. B. II. 1. a). 239  BGH 03.12.1992, BGHZ 120, 334, 339 f.; zustimmend Basedow, IPRax 1994, 183, 185; Stein/Jonas/Roth, ZPO, §  328 ZPO Rn.  84. 240  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 70 f.

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

nehin aufgrund eines anderen Gerichtsstandes zuständig war. Entsprechend könnte nach der Überlegung v. Mehrens das Verhandeln des Beklagten zur Hauptsache dazu führen, dass er an die im Prozess getroffenen Feststellungen gebunden ist.241 Noch interessanter ist, warum v. Mehren diese Argumentation im Ergebnis ablehnt. Als erstes Gegenargument nennt er das angeblich durch eine solche Ausnahme entstehende Dilemma für den Beklagten. Der Beklagte habe erstens die Möglichkeit, sich nicht am Verfahren zu beteiligen und keine neuen Beweise in den Anerkennungsprozess einzuführen. Dabei riskiere er ein Unterliegen in der Hauptsachenentscheidung. Alternativ bestünde für den Beklagten die Möglichkeit, sich auf den Prozess rügelos einzulassen, was jedoch mit einem Verlust der Überprüfungsmöglichkeit von Tatsachenfeststellungen einhergehe.242 Hierbei kann jedoch meiner Ansicht nach nicht von einem Einlassungszwang die Rede sein. Der Beklagte trägt bloß die übliche Abwägungsentscheidung, ob er eine Verteidigung an einem ausländischen Forum nach gegebenenfalls fremdem Recht auf sich nimmt, oder ob er es auf ein Versäumnisurteil mit der möglichen Konsequenz der Anerkennung in einem Zweitstaat ankommen lässt. Ein Einlassungszwang im Fall der Säumnis wird gerade dadurch verhindert, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer internationalen Zuständigkeit nicht durch Fiktion unterstellt werden und im Zweitverfahren nachzuprüfen sind.243 Ein Versäumnisurteil wird also nur anerkannt, wenn die vom Kläger behauptete internationale Zuständigkeit tatsächlich bestand. Dass aber umgekehrt an die Beteiligung im Erstprozess Konsequenzen für die Anerkennung geknüpft werden, ist Ausdruck des allgemeinen Zwecks der Tatsachenprüfung, der nach hier vertretener Ansicht im Beklagtenschutz besteht. Verhandelt der Beklagte zur Hauptsache, so verliert er das berechtigte Interesse an einem neuen Tatsachenvortrag, denn eine falsche Tatsachengrundlage des Urteils beruht dann vermutlich auf seiner nachlässigen Prozessführung.244 Die Entbehrlichkeit des Beklagtenschutzes rechtfertigt folglich eine Präklusionswirkung. v. Mehren kommt zu einem anderen Ergebnis, weil er schon im Grundsatz nicht auf den Beklagtenschutz abstellt, somit auch in negativer Hinsicht nicht damit argumentiert. Er hält vielmehr daran fest, dass trotz Beteiligung des Beklagten die hallmark function als Grundkriterium für ein faires Verfahren nicht gewahrt sei, wenn nicht stets die konkreten Tatsachen v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 83 f. v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 84 f. 243  MüKo/Gottwald, ZPO, §  328 ZPO Rn.  91; Musielak/Voit/Voit, ZPO, §  328 ZPO Rn.  12. 244 Ähnlich Geimer, in: FS Nakamura (1996), S.  169, 183; Gottwald, ZZP 103 (1990), 257, 277. 241 

242 

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nachgeprüft werden.245 Überträgt man die rechtsstaatlichen Grundsätze auf vorliegende Frage, ist allenfalls noch daran zu denken, dass es dem Beklagten aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall verwehrt wurde, bestimmte Tatsachen vorzubringen.246 In einem solchen Fall wäre der Beklagtenschutz doch relevant. Gegenüber solchen Ausnahmefällen sollte jedoch das staatliche Interesse an der Förderung des internationalen Rechtsverkehrs sowie an der Verfahrensökonomie höher bewertet werden. Als zweites Gegenargument bringt v. Mehren an, eine Bindung an die Feststellungen des Erstgerichts sei unvereinbar mit unmittelbaren Staatsinteressen, die bei einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit des Anerkennungsstaates bestehen.247 In der Tat könnte eine Präklusion bewirken, dass eine internationale Zuständigkeit des Erstgerichts angenommen wird, obwohl in Wirklichkeit nach zutreffender Tatsachenlage eine ausschließliche internationale Zuständigkeit des Anerkennungsstaates besteht.248 Aus diesem Grund muss eine Präklusion bei Beteiligung des Beklagten aber nicht ganz unterbleiben, sie muss nur für die Fälle der unmittelbaren Staatsinteressen eine Ausnahme finden. Daher ist im Ergebnis festzuhalten, dass eine Tatsachenpräklusion ausnahmsweise bei Verhandeln des Beklagten im Erstprozess geboten erscheint, sofern keine ausschließliche Zuständigkeit aus der Sicht des Anerkennungsstaates gegeben ist.

IV. Ergebnis v. Mehren versteht die Überprüfung der indirekten Zuständigkeit als Mittel zur Verwirklichung spezifischer Anerkennungsinteressen, insbesondere zum Ausgleich zwischen dem Rechtsfrieden (principle of repose) und der inhaltlichen Richtigkeit der Erstentscheidung (principle of correctness). Die vorliegenden Untersuchungen zur Regelungstechnik und zu den tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts haben gezeigt, dass v. Mehren zuständigkeitsrechtliche Aspekte wie den Beklagtenschutz vernachlässigt. Während er das Spiegelbildprinzip in §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO aufgrund seiner strengen Parallelität zur Entscheidungszuständigkeit kritisiert, dient es nach hier vertretener Ansicht besser der Rechtssicherheit als eine Generalklausel, schützt den Beklagten vor unzumutbaren Gerichtsständen und verwirklicht die Gleichheit zwischen den Staaten. Unter beiden Regelungstechniken, d. h. sowohl nach der bilateral theory als auch nach der non-derivative theory, sollten grundsätzlich die tatsächlichen Festv. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 85. Daher gegen eine Präklusionswirkung außer für den Fall, dass sich der Beklagte nicht auf eine Derogation oder Schiedsklausel beruft: Geimer, Prüfung, S.  152 f. 247  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 85. 248 Vgl. Geimer, Prüfung, S.  136. 245 

246 

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

stellungen des Gerichts überprüft werden, mitunter auch aufgrund der hallmark function, vorwiegend aber um unrichtige Sachvorträge des Klägers zu verhindern und die Verteidigungsinteressen des Beklagten zu wahren. Letztere sind indes nicht von Bedeutung, wenn sich der Beklagte aktiv am Erstverfahren beteiligt hat.

C.  v. Mehrens Vergleich der Anerkennung von sister-state judgments in den USA und der EU In einem einheitlichen Binnenmarkt verlangen Verkehrsinteressen nach einer Erleichterung des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs. Neben der einfachen Zugänglichkeit der Gerichte für Angehörige der beteiligten Staaten ist die Freizügigkeit von Urteilen wesentlicher Bestandteil eines homogenisierten Rechtsraumes.249 In welcher Form dazu das Anerkennungsverfahren vereinfacht werden kann, soll ein Vergleich des Rechtsraumes der USA zur EU aufzeigen. v. Mehren konzentrierte sich auf die Gegenüberstellung der Anerkennungshindernisse, insbesondere auf die von ihm stets mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgten Anerkennungszuständigkeit.250 Dieser Blickwinkel wird hier ausgeweitet, wobei v. Mehrens kritischen Bemerkungen zur europäischen Rechtslage auf ihre Aktualität hin überprüft werden. Maßstab des Rechtsvergleichs, das tertium comparationis, bildet das Urteil eines einheitlichen, staatenübergreifenden Rechtsraums, welches v. Mehren als sog. sister-state judgment bezeichnet.

I. Charakterisierung von sister-state judgments 1. Definition nach v. Mehren Sister-states kennzeichnet gemäß der Begriffsbestimmung v. Mehrens die Verbundenheit durch „federal systems where there are significant nonnational elements in the administration of justice in the several states that compromise the system in question“.251 Urteile, die in einem der zugehörigen Staaten erlassen und in einem anderen anerkannt werden sollen, bezeichnet er entsprechend als Martiny, in: Handbuch IZVR III, Kap. I Rn.  101. Veröffentlichung v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 86–101; später und ausführlicher der Aufsatz ders., 81 Colum. L. Rev. 1044 (1981), auf welchen hier hauptsächlich verwiesen wird. 251  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044 (1981); ähnlich schon ders./Trautman, 81 Harv. L. Rev. 1601, 1607 (1968); in Bezug auf US-amerikanische Urteile ist der Begriff in der Lit. gebräuchlich, vgl. Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  1078 in Fn.  9. 249 Ähnlich 250  Erste

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sister-state judgments. Die Formulierung „federal systems“ ist indes leicht missverständlich, wenn man von der wörtlichen Übersetzung „Bundesstaaten“ ausgeht. In diesem Fall wäre die Europäische Union bzw. die damaligen Europäischen Gemeinschaften von vornherein nicht erfasst,252 denn die EU ist ein Staatenverbund und rechtlich ein Minus zu einem Bundesstaat wie die USA.253 Der Universalität der Definition ist es daher besser dienlich, von der Voraussetzung einer „supranationalen Ordnung“ zu sprechen, welche mehrere Einzelstaaten durch ein einheitliches Rechtssystem verbindet, zumal es v. Mehren nicht um die Bundesstaatlichkeit an sich geht. Entscheidend ist für ihn vielmehr, dass auf nationaler sowie supranationaler Ebene zwei getrennte Rechtsordnungen mit eigenständigem materiellen Recht und Prozessrecht bestehen, also eine Mehrrechtsstaatlichkeit. Deshalb qualifiziert er die Länder der Bundesrepublik Deutschland gerade nicht als sister-states.254 Neben der institutionellen Komponente wird als weiteres Charakteristikum herausgestellt, dass zwischen sister-states typischerweise ein gleicher Rechtsschutzstandard bestehe (comparability of the quality of justice provided) und ein vergleichbares Justizsystem (similarity in the institutional characteristics of the administration).255 Diese beiden Merkmale gilt es im Hinblick auf die USA und die EU näher zu betrachten. 2. US-amerikanische Urteile Der Einordnung von US-amerikanischen Urteilen als schwesterstaatliche Urteile256 ist relativ eindeutig beizupflichten. Der einheitliche Rechtsschutzstandard wird durch die US-amerikanische Verfassung und insbesondere die due process clause gewährleistet, welche gerade auch für die internationale und interlokale Zuständigkeit einen einheitlichen Standard setzen.257 Im Rechtssystem der Einzelstaaten bestehen generell zwar teils erhebliche Unterschiede. Prägend ist allerdings die gemeinsame common law Tradition.258 Diese überbrückt zusam252  Außer man versteht v. Mehren dahingehend, dass aufgrund des EuGVÜ die Urteilsanerkennung in Europa wie in einem föderalen System (der USA) erfolgt (so Brand, 13 J.L. & Com. 193, 203 (1994)), dann würde v. Mehren indes das Ergebnis seiner anschließenden Untersuchung vorwegnehmen. 253  Hakenberg, Europarecht, Rn.  78 f.; Herdegen, Europarecht, Rn.  115 ff. 254  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044 (1981). 255  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1045 f. (1981). 256  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1046–1048 (1981). 257  Vgl. zur due process clause Teil 1 A. III. 1.; allg. zum US-amerikanischen Verfassungsrecht etwa Nowak/Rotunda, Constitutional Law, 4. Aufl. 2010. 258  Mit Ausnahme von Louisiana; gute Einführung u. a. zur Argumentation und Analyse des common law bei v. Mehren/Murray, Recht in den Vereinigten Staaten, S.  35 ff.

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men mit den Modellregeln der Uniform Laws in einigen zivilrechtlichen Rechtsgebieten sehr erfolgreich die einzelstaatlichen Divergenzen.259 Das Zivilprozessrecht entnimmt man in allen Verfahren vor Bundesgerichten einheitlich den Federal Rules of Civil Procedure, die von etlichen Einzelstaaten rezipiert wurden und beispielsweise ein gleichförmiges Beweisrecht ausbilden.260 Des Weiteren sind die Juristenausbildung und der Juristenberuf in den USA von vielen Gemeinsamkeiten wie dem bar exam geprägt und schaffen eine homogene Rechtskultur.261 3. Europäische Urteile Das europäische Privatrecht hat sich seit der Beurteilung durch v. Mehren grundlegend geändert. Zu den institutionellen Rahmenbedingungen der damaligen Europäischen Gemeinschaften äußert sich der Autor zwar nicht, er stuft aber den Grad der Harmonisierung des Privatrechts als niedrig ein: „For the most part, the practices of Community members respecting substance, procedure, and choice of law are not harmonized“262 – im Jahr 1981 noch vollkommen zutreffend. Denn bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts bewahrte das Privatrecht weitgehend seine nationale Prägung, die Europäisierung fand nur in Randgebieten wie dem Gesellschafts- oder Arbeitsrechts statt.263 Betrachtet man aber heute das europäische Justizsystem in seiner Gesamtheit, wie es das Begriffsverständnis eines sister-state judgment verlangt (s.o.), so markiert die Entwicklung von den Europäischen Gemeinschaften hin zur Europäischen Union einen Paradigmenwechsel. Zur Schaffenszeit v. Mehrens befand sich die EWG noch in einer Krise, die nahezu einen Stillstand des europäischen Integrationsprozesses verursachte.264 Im Jahr 1987 setzte die Trendwende ein mit der ersten großen Reform der europäischen Verträge (Einheitliche Europäische Akte), die das Konzept des Binnenmarktes einführte und ihn den vier Grundfreiheiten der Warenverkehrsfreiheit, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit unterordnete.265 Der davon ausgehende Integrationsschub wirkte sich auch auf das Zivilrecht in Form der Angleichung zentraler Bereiche durch das Richtlini259  Von einer insgesamt „sehr ähnlichen“ Rechtslage spricht daher auch Hay, US-amerikanisches Recht, Rn.  18. 260  S. Teil 1 A. III. 1. 261  Ausführlich Farnsworth, Legal System of the U.S., S.  17 ff. 262  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1048 f. (1981). 263  Wiedmann/Gebauer, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap.  1 Rn.  5. 264  Calliess/Ruffert/Kahl, EUV/AEUV, Art.  26 AEUV Rn.  1. 265  von der Groeben/Schwarze/Hatje/van Vormizeele, Unionsrecht, Art.  26 AEUV Rn.  2 ff., 8.

C. v. Mehrens Vergleich der Anerkennung von sister-state judgments

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enrecht aus, beispielsweise mit der Richtlinie über Pauschalreisen (1993) oder missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (1994).266 Der 1993 in Kraft getretene Vertrag von Maastricht schuf die neue Organisationsstruktur der Europäischen Union und stellte sie auf drei Säulen, darunter die dritte Säule der gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik. Die justizpolitische Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten erfolgte nach Titel IV EUV a. F. durch intergouvernementale Rahmenbeschlüsse und Übereinkommen. Diese Handlungsformen erwiesen sich allerdings als schwerfällig.267 Darum überführte der Vertrag von Amsterdam im Jahr 1997 die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen in die erste Säule des Gemeinschaftsrechts und ermöglichte den Prozess der unionsweit einheitlichen Reglementierung durch Verordnungen, etwa zur Zustellung, Beweisaufnahme, Insolvenzverfahren, dem Kollisionsrecht und nicht zuletzt der internationalen Zuständigkeit sowie der Anerkennung und Vollstreckung.268 Die Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts ist weit vorangeschritten,269 seit im Jahr 1991 das EVÜ – Vorgänger der Rom I-VO – mit materiellen Kollisionsregeln für das vertragliche Schuldrecht in Kraft getreten ist.270 Im Prozessrecht erfolgte die Vereinheitlichung gar in „atemberaubender Geschwindigkeit“271 mit einer zweistelligen Anzahl an Verordnungen seit dem Vertrag von Amsterdam und der von ihm geschaffenen Kompetenzgrundlage der Art.  61 lit.  c, 65 EGV (Art.  81 AEUV). Mit dem letzten Meilenstein des Integrationsprozesses, dem Vertrag von Lissabon aus dem Jahr 2009, verschmolzen die Europäischen Gemeinschaften zur Europäischen Union. Damit ging zugleich eine Erweiterung der Zuständigkeiten der EU-Organe einher.272 Außerdem wurde die in Nizza verabschiedete Grundrechtecharta aus dem Jahr 2000 in das Primärrecht inkorporiert. Sie enthält ähnliche Garantien wie die US-amerikanische Verfassung, wie hier das Beispiel des fair trial-Grundsatzes in Art.  47 Abs.  2 GrC im Vergleich zu der due process clause aufgezeigt hat.273 Im europäischen Raum der Freiheit, der Wiedmann/Gebauer, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap.  1 Rn.  8. von der Groeben/Schwarze/Hatje/Breitenmoser/Weyeneth, Unionsrecht, vor Art.  67– 76 AEUV Rn.  6 f. 268  Calliess/Ruffert/Suhr, EUV/AEUV, Art.  67 AEUV Rn.  10, der von einer Überführung in den „stärker supranational geprägten EGV“ spricht; zur justiziellen Zusammenarbeit nach Art.  65 EGV a. F. vgl. Hess, EuZPR, §  2 Rn.  7 ff. 269  Wiedmann/Gebauer, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap.  1 Rn.  11. 270  Zur staatsvertraglichen Vereinheitlichung durch das EVÜ vgl. MüKo/Martiny, BGB, Vorbemerkungen zu Art.  1 Rom I-VO Rn.  30. 271  Hess, IPRax 2001, 389, 396. 272  Zu den Neuerungen etwa Streinz/Weiß/Satzger, EUV/AEUV, Art.  67 AEUV Rn.  8 ff. 273  Verweisung auf GrC in Art.  6 Abs.  1 EUV; zum fair trial-Grundsatz oben Teil 1. C. III. 2. 266  267 

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

Sicherheit und des Rechts hat sich damit institutionell sowie auch grundrechtlich eine Entwicklung hin zur Vorstufe eines Europäischen Rechtsraumes274 vollzogen. Die erweiterte Supranationalisierung und neue Integrationsdimension dieses Raumes spricht deutlich stärker für den Charakter der europäischen Staaten als sister-states als noch vor dreißig Jahren. Ist die materielle Rechtsvereinheitlichung auch nicht so weit fortgeschritten wie in den USA,275 so dient doch die Urteilsfreizügigkeit gewissermaßen als Ersatzmittel, um in ganz Europa den Zugang zum Recht und die Wahrnehmung der Grundfreiheiten zu gewährleisten. Das Vertragswerk von Lissabon verankert in Art.  67 Abs.  4 AEUV den „Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen“, welcher gerade für die hier in Frage stehende Klassifizierung mitgliedstaatlicher Urteile von wichtiger Bedeutung ist. Das Prinzip wurde schon vom Europäischen Rat in Tampere im Jahr 1999 formuliert und findet sich im Stockholmer Programm von 2010 wieder.276 Entscheidungen eines anderen Mitgliedstaates sollen folglich gleich behandelt werden wie eine inländische Entscheidung. Der europäische Gesetzgeber setzt also selbst schon voraus, dass die Entscheidungen der Mitgliedstaaten als sister-state judgments frei zirkulieren. Die durch v. Mehren zugrunde gelegte Ausgangslage des europäischen Privatrechts ist daher zwar heute überholt, die erweiterte Integrationsdimension und Supranationalisierung stärkt aber seine damalige Auffassung von den sister-state judgments in Europa. Gegen eine Einordnung von europäischen Urteilen als sister-state judgments bringt er indes auch einen berechtigten Einwand vor. Den Urteilen der damaligen Vertragsstaaten des EuGVÜ will er nur dann eine Vergleichbarkeit zusprechen, wenn sie sich gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in einem Vertragsstaat richten. Zur Begründung führt er aus, dass gegen einen Beklagten aus einem Drittstaat die internationale Zuständigkeit gem. Art.  4 EuGVÜ (Art.  6 Abs.  1 EuGVO) auch auf einen exorbitanten Gerichtsstand des nationalen Rechts gestützt werden darf.277 Zwar haben sich die europäischen Justizsysteme in ihrem Rechtsschutzstandard stark angenähert und auch die Voraussetzungen der An274  von der Groeben/Schwarze/Hatje/Breitenmoser/Weyeneth, Unionsrecht, vor Art.  67– 76 AEUV Rn.  13. 275  Vgl. nur den Uniform Commercial Code (UCC) über den Warenkauf, der in allen Staaten außer Louisiana gilt, sowie die einheitlichen Grundsätze des Vertragsrechts, dazu Hay, US-amerikanisches Recht, Rn.  284, 287 ff.; wohingegen ein europäisches Zivilgesetzbuch mit dem DCFR noch in den Kinderschuhen steckt, vgl. Wiedmann/Gebauer, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap.  1 Rn.  96 ff. 276  Stockholmer Programm vom 03.03.2010, ABl.  ( EU) 2010 Nr. C 115/01 S.  11, 13. 277  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1049 f. (1981).

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erkennung und Vollstreckung richten sich heute wie damals für alle europäischen Urteile gleichermaßen nach den Art.  25 ff. EuGVÜ/Art.  36 ff. EuGVO. Doch nur wo die Entscheidungszuständigkeiten vereinheitlicht sind, ist anerkennungsrechtlich ein Vertrauen in die institutionellen Voraussetzungen des Entscheidungsstaates gerechtfertigt. Solange also exorbitante, unterschiedliche Zuständigkeiten in den Mitgliedstaaten bestehen, kann eine Vergleichbarkeit der Institutionen nicht vermutet werden.278 Ein weiterer Umstand spricht gegen den Charakter europäischer Urteile als sister-state judgments, nämlich das Fortbestehen nationaler Divergenzen trotz des zunehmend integrierten Rechtsraumes.279 v. Mehren führt in diesem Zusammenhang zutreffend die gespaltene Rechtstradition in Europa an,280 denn der angelsächsische Rechtskreis wird vom common law beherrscht, der deutsche und romanische Rechtskreis folgt hingegen dem civil law.281 Indes sind die nationalen Prägungen nicht mehr so stark wie im vergangenen Jahrhundert282 und können gegenüber den einzelstaatlichen Divergenzen in den USA kaum von so durchschlagender Bedeutung sein, dass sie den europäischen Integrationsprozess aufwiegen. 4. Zwischenergebnis Die Supranationalisierung und Integrationsdimension in den Rechtsräumen der USA und der EU verbinden die zugehörigen Bundes- bzw. Mitgliedstaaten derart, dass im Sinne der oben genannten Definition von sister-states gesprochen werden kann.283 Für die Urteile im zwischenstaatlichen Verkehr gilt daher die Besonderheit, dass sie aus einem überwiegend einheitlichen Rechtsraum stammen. Insofern ähneln solche sister-state judgments eher einem inländischen als einem ausländischen Urteil eines fremden Rechtssystems.284 Dazu bereits B. II. 1. b); dies ist letztlich eine Ausprägung der hallmark function, s. B. I. 1. b). 279  Zum Stand und Methodik der Rechtsvereinheitlichung des Privatrechts ausführlich: Bron, Rechtsangleichung des Privatrechts (2011). 280  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1048 (1981). 281  Zu den einzelnen Rechtstraditionen und Rechtskreisen: Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S.  177 ff., 73 ff. 282  Gemeinsamkeiten zwischen common law und civil law betonen auch: Schulze, in: Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S.  127 ff.; Zimmermann, in: Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S.  103 ff. 283  Trotz Unterschieden in Rechtsnatur, Institutionen und Ordnungsgefüge; eine im Einzelnen rechtsvergleichende Untersuchung gibt Abballe, 15 New Eng. J. Int’l & Comp. L. 1, 3 ff. (2009). 284 Vgl. v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1048 (1981): „sister-state judgments are thus 278 

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II. Vergleich des Anerkennungsrechts in beiden Systemen Da die Vergleichsgruppe von inneramerikanischen und europäischen Urteilen übereinstimmt, können Grundstruktur und Anerkennungshindernisse in beiden Rechtssystemen verglichen werden, wobei auf die einleitende Gegenüberstellung285 Bezug genommen wird. 1. Grundstruktur der Anerkennung Die EuGVO und die zwischenstaatliche Anerkennung in den USA basieren auf demselben Grundsatz: Die Anerkennung einer Entscheidung ist die Regel, die Nichtanerkennung die Ausnahme. In den USA ergibt sich aus der full faith and credit clause der Bundesverfassung die Verpflichtung, wirksame und abschließende Entscheidungen eines anderen Bundesstaates im selben Umfang wie eine eigene Entscheidung durchzusetzen.286 Die fremde Entscheidung wird damit einer eigenen gleichgestellt. Im Unterschied zum Schnellverfahren nach dem Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act werden die Urteilswirkungen dem Recht des Urteilsstaates entnommen.287 Man folgt also einer Theorie der Wirkungserstreckung; diskutiert wird allerdings auch eine Wirkungsgleichstellung zum Recht des Anerkennungsstaates für den Fall, dass die Wirkungen des Urteilsstaates hinter diesem zurück bleiben oder darüber hinausgehen.288 Grund für die inneramerikanische Anerkennungsfreundlichkeit ist die „benefit-cost calculation“289 der Rechtsprechung. Vorteil soll erstens die einheitliche Rechtsanwendung und Rechtssicherheit im föderalen System sein: „The very purpose of the full-faith and credit clause was to alter the status of the several states as independent foreign sovereignties […] and to make them integral parts of a single nation“.290

clearly closer to local than to foreign judgments“ in Bezug auf die USA; differenzierend für die EU, ders., S.  1050. 285  Teil 3 A. 286  Art. IV Abs.  1; konkretisiert durch 28 USC §  1738; dazu oben A. I. 2. a). 287  Durfee v. Duke, 375 U.S.  106, 109 (1963); Restatement (Second) Conflict of Laws (1971), §  93 (b); Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  1462; v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1052 (1981); vgl. dagegen §  2 Uniform Enforcement of Foreign Judgments Acts sowie oben bei A. I. 2. b). 288  Hart v. American Airlines, Inc., 304 N.Y.S.2d 810 (1969); Richman/Reynolds/Whytock, Conflict of Laws, S.  362 ff.; Teply/Whitten, Civil Procedure, S.  1041 ff. 289  Hunt v. BP Exploration Co. (Libya), 492 f.Supp.  885, 905 (N.D. Tex., 1980). 290  Milwaukee County v. M.E. White Co., 296 U.S.  268, 277 (1935); dem folgend Baker v. General Motors Corp., 522 U.S.  222, 232 (1998); Reese/Johnson, 49 Colum. L. Rev. 153, 178 (1949).

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Zweitens wird das Interesse der beteiligten Prozessparteien am Bestand des Urteils geschützt, „[to] guard the new political and economic union against the disintegrating influence of provincialism in jurisprudence“.291

Beide Aspekte führt v. Mehren als allgemeine Anerkennungsinteressen in Form der repose und des Entscheidungseinklanges an.292 Ohne einen einheitlichen Rechtsschutzstandard, materielle Rechtsvereinheitlichung und der integrativen Präjudizienrechtsprechung des Supreme Court könnten diese Vorzüge nach Ansicht der Rechtsprechung aber nicht erfüllt werden: „Since courts in each state are subject to due process limitations, are subject to the same overlap of federal laws and the Constitution, are sharing to a large extent the same body of court precedents and socio-economic ideas and are presumptively fair and competent, the benefits of giving conclusive effect are not balanced by any recognizable costs“.293

Als Negativposten der Rechnung werden die hypothetischen Kosten eines Zweitprozesses veranschlagt. In chauvinistischer Manier vergleicht die Rechtsprechung294 – wie auch v. Mehren295 – die inneramerikanische mit einer drittstaatlichen Erstentscheidung. Nur bei einem US-amerikanischen Erstprozess würden eigene Ressourcen verschwendet werden und der USA ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, deshalb sei die Anerkennung im Unterschied zu ausländischen Entscheidungen grundsätzlich zu fördern. Gesamtökonomischen Gesichtspunkten wird mithin entscheidendes Gewicht zugunsten der Anerkennungsfreundlichkeit beigemessen. In der EuGVO drückt sich die anerkennungsfreundliche Tendenz ebenfalls im Gesetzestext aus. Nach Art.  36 Abs.  1 EuGVO „werden“ die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen ohne besondere Förmlichkeiten automatisch in den anderen Staaten anerkannt. In Art.  45 EuGVO sind sodann negativ die Anerkennungshindernisse aufgelistet.296 Zur Begründung führt der Verordnungsgeber neben der Rechtsvereinfachung und Prozessökonomie maßgeblich das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten an.297 Im Unterschied zum US-amerikanischen Recht setzt die Anerkennung nicht voraus, dass bereits 291  Jackson, 45 Colum. L. Rev. 1, 17 (1945); zu beiden Aspekten auch Clermont, Civil Procedure, S.  449 f. 292  Oben B. I. 1. a) und b). 293  Hunt v. BP Exploration Co. (Libya), 492 f.Supp.  885, 905 (N.D. Tex., 1980). 294  Hunt v. BP Exploration Co. (Libya), 492 f.Supp.  885, 905 f. (N.D. Tex., 1980); zustimmend Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  1155. 295  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 32 f.; dazu bereits B. I. 1. a). 296 Ähnlich Junker, IZPR, §  28 Rn.  3; Grundlagen oben A. II. 1. 297  Erwägungsgrund (26) und KOM(2010) 748 endg., S.  6.

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ein hohes Maß an Rechtsvereinheitlichung besteht, sondern dass umgekehrt trotz rechtlicher Divergenzen Urteile frei zirkulieren können.298 Anerkennung bedeutet also „Akzeptanz der Unterschiedlichkeit, nicht Herstellung der Gleichheit“.299 Aus dem Wirtschaftsverwaltungsrecht wurde die Vorstellung auf die justizielle Zusammenarbeit erstreckt, dass die gegenseitige Anerkennung ohne Rechtsangleichung der Beseitigung von Handelshemmnissen im Binnenmarkt diene.300 Durchaus vergleichbar zur US-amerikanischen Kosten-Nutzen-Rechnung setzt man sich also die Verwirklichung der Grundfreiheiten und die Effektivität des Rechtsschutzes durch das Anerkennungsprinzip zum Ziel. Übereinstimmung besteht in der Wirkungserstreckung, die der EuGH in ständiger Rechtsprechung vertritt,301 aber auch hier wird eine Gleichstellung zur Kappung stärkerer Urteilswirkungen zum Schutz vor prozessualen Drittwirkungen diskutiert.302 2. Anerkennungshindernisse a) Allgemeiner Vergleich aa) Révision au fond und ordre public Schwesterstaatliche Entscheidungen dürfen in beiden Anerkennungsregimen durch das Zweitgericht nicht darauf überprüft werden, ob die Entscheidungsfindung des ausländischen Erstrichters gesetzesgemäß erfolgt ist (Verbot der révision au fond).303 Die Nachprüfung der Gesetzesmäßigkeit trennt nur ein schmaler Grat von der Notbremse304 des ordre public, welcher untragbare Ergebnisse für den Anerkennungsstaat verhindern soll und im europäischen Recht materiellrechtlich in Art.  45 Abs.  1 lit.  a EuGVO seinen Niederschlag gefunden hat. Der Kommissionsvorschlag zur Revision der EuGVO sah ursprünglich vor, diesen Versagungsgrund wegen seiner geringen Bedeutung sowie aufgrund der Unvereinbarkeit mit dem Vertrauensprinzip gänzlich zu streichen,305 also ein 298  Die Kommission will die Rechts- und Gerichtssysteme der Mitgliedstaaten erhalten, vgl. KOM(2010) 748 endg., S.  10 f. 299  Adolphsen, EuZPR, §  5 Rn.  3. 300  Vgl. Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Europäischen Kommission, KOM(1985) 310, S.  22; dazu ausführlich v. Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 660 ff., 664 ff.; auch Adolphsen, in: Anerkennung im IZVR (2014), S.  1, 3. 301  EuGH 15.11.2012, Rs. C-456/11 (Gothaer Allgemeine Versicherung/Samskip), Celex-Nr.  62011CA0456 Rn.  34; vgl. Nagel/Gottwald, IZVR, §  12 Rn.  22 ff. 302  Roth, IPRax 2014, 136, 138; Schack, IZVR, Rn.  886. 303  A. I. 2. a). und II. 1. 304  Adolphsen, EuZPR, §  5 Rn.  55: also gerade „keine normale Bremse gegen falsche oder dem Inland inhaltlich unbekannte oder unangemessene Entscheidungen“. 305  Streichung aus Art.  45, 46 EuGVO-E, KOM(2010) 748 endg., S.  45 f.; vgl. die Einschät-

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totales Verbot jeglicher Revision der Entscheidungsfindung einzuführen. Doch bei krassen Fehlentscheidungen betreffend überindividueller Rechtsgüter stößt der Vertrauensgrundsatz an seine Grenzen, weshalb sich Kritik an der Abschaffung entzündete306 und diese letztlich nicht umgesetzt wurde. Auch die verfahrensrechtliche Ausprägung des ordre public bei Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten in Art.  45 Abs.  1 lit.  b EuGVO wurde beibehalten.307 Der letztgenannte verfahrensrechtliche ordre public bildet in ähnlicher Ausformung auch ein Anerkennungshindernis in den USA (procedural due process). Ein sister-state judgment ist zum einen auf ein arglistiges Erschleichen des Urteils und auf Betrug zu untersuchen,308 aber auch eine anderweitige Verletzung von due process, etwa in Form von Zustellungsmängeln, steht der Anerkennung entgegen.309 Wie bereits dargelegt darf einem Urteil allerdings full faith and credit nicht wegen eines entgegenstehenden Staatsinteresses (public policy) verweigert werden. Das Verbot resultiert aus der merger-rule, wonach der Klageanspruch im Urteil aufgeht. Weil das Urteil bei Zahlungsklagen auf Geld lautet und die cause of action für eine Prüfung nicht mehr zur Verfügung steht, kann ein öffentliches Interesse nicht verletzt sein – „money is money“. Diese Wertung wurde von der Rechtsprechung generalisiert und gilt nun allgemein auch für andere Klagearten.310 In Abweichung zur EuGVO besteht das Verbot der révision au fond folglich ohne jede Ausnahme. bb) Entgegenstehende Entscheidungen Die unterschiedlichen Haltungen zur Verfahrenskoordination setzen sich bei den Anerkennungshindernissen fort. Während das europäische Recht mit dem Prioritätsprinzip gegen Parallelverfahren ankämpft, lässt man in den USA mehreren Verfahren zum selben Streitgegenstand ihren Lauf (sog. parallel-proceedings rule) und sucht eine Lösung – abgesehen von der Verweisung durch das Erstgezung („impact assessment“) der Kommission im Commission Staff Working Paper, SEC (2010) 1547 final, S.  15. 306  Dickinson, Proposal „Brussels I bis“, S.  9; Geimer, in: FS Simotta (2012), S.  163, 177 f.; Weller, GPR 2012, 34, 36 f. 307  Die Neufassung stellt nun primär auf die Rechtzeitigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes ab und nicht mehr kumulativ auf die Ordnungsmäßigkeit, dazu Nagel/Gottwald, IZVR, §  12 Rn.  44 ff. 308  Der Versagungsgrund des sog. fraud steht meist im Vordergrund, dazu oben A. I. 2. a). 309  Mullane v. Central Hanover Bank & Trust Co., 339 U.S.  306 (1950); Restatement (Second) Conflict of Laws (1971), §  104; für eine Vergleichbarkeit zum verfahrensrechtlichen ordre public auch Schlosser, IPRax 2010, 101, 102. 310  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  1472; Hay, in: FS Siehr (2000), S.  237, 243.

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richt wegen forum non conveniens – erst nach Erlass einer Entscheidung.311 Die Parteien können im Zweitprozess den Einwand der res judicata mittels eines Anerkennungsersuchens des Ersturteils erheben, sofern bereits eine endgültige Entscheidung vorliegt ( final decision on the merits). Erheben sie diesen Einwand nicht oder verweigert das Zweitgericht die Anerkennung, so beansprucht gemäß der sog. last-in-time rule die zeitlich letzte Entscheidung Vorrang. Es besteht also ein Anerkennungshindernis zugunsten der zeitlich ersten Entscheidung, selbst wenn diese in der Sachentscheidung gesetzeswidrig ist.312 Dagegen führt die EuGVO ihren Lösungsansatz zur Verfahrenskoordination in Form des Prioritätsprinzips anerkennungsrechtlich nicht stringent fort, sondern nur, wenn zwei Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten miteinander kollidieren (Art.  45 Abs.  1 lit.  d EuGVO). Sobald aber eine inländische Entscheidung existiert, geht sie gem. Art.  45 Abs.  1 lit.  c EuGVO einer ausländischen Entscheidung vor, auch wenn sie die frühere ausländische Rechtshängigkeit unrechtmäßig übergeht. Diese Bevorzugung inländischer Urteile muss kritisch hinterfragt werden,313 weil sie in der Verfahrenskoordination vom bislang kompromisslos verfolgten314 Prioritätsprinzip abrückt und das Problem anerkennungsrechtlich auf eine „seltsam nationalistische Weise“315 löst. Zwar verwirklicht sie aus Sicht des Anerkennungsstaates am besten den Zweck der Rechtskraft der dort erlassenen Entscheidung, welche nun einmal in der Welt ist,316 schafft aber unerwünschte Anreize zur erneuten Klage in einem anderen Mitgliedstaat, wo die erste Klage somit wirkungslos gemacht wird. Ein zeitlicher Vorrang ist letztlich besser geeignet, um eine Dopplung von Verfahren zu vermeiden. Ob man dabei dem ersten oder letzten Urteil vertrauen will, ist Abwägungssache. Für die last-in-time rule spricht, dass das jüngste Urteil vermutlich auf der aktuellen Tatsachen- und Rechtsgrundlage beruht.317 Zudem hat sich die im Erstprozess obsiegende Partei möglicherweise auf ihren Lorbeeren ausgeruht und im Zweitprozess nicht mehr die nötigen Verteidigungsmittel vorgebracht.318 Allerdings erzeugt man damit einen Einlassungs311  Zur Verfahrenskoordination sowie zu den Zwecken des fine tuning nach v. Mehren s. Teil 2 A. I. 2. 312  Treinies v. Sunshine Mining Co., 308 U.S.  66, 78 (1939); Richman/Reynolds/Whytock, Conflict of Laws, S.  389 f.; schulbildende Kritik bei Ginsburg, 82 Harv. L. Rev. 798 ff. (1969). 313  So etwa Geimer, IZPR, Rn.  2891; Juenger, 36 Am. J. Comp. L. 1, 26 (1988) (bzgl. der niederländischen Regel). 314  Insbesondere bei Torpedoklagen (mit Ausnahme des Art.  31 Abs.  2 EuGVO), vgl. Teil 2 B. I. 315  Adolphsen, EuZPR, §  5 Rn.  6 4. 316 Vgl. Schack, IZVR, Rn.  944. 317  Kegel/Schurig, IPR, S.  1064: „Der letzte Befehl ist heilig“. 318  Weintraub, Conflict of Laws, S.  779.

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zwang und läuft speziell vor US-amerikanischen Gerichten Gefahr, dass die obsiegende Partei mit ihren berechtigten Einwänden im Falle der Rechtmäßigkeit des Ersturteils nicht erhört wird.319 In einem Rechtssystem wie der EuGVO, wo das Zweitgericht ein früheres Verfahren zum selben Streitgegenstand von Amts wegen beachten muss (Art.  29 Abs.  1 EuGVO bzw. nach Urteilserlass Inzidentanerkennung gem. Art.  36 Abs.  1, 3 EuGVO), ist es jedenfalls nur konsequent, auch im Anerkennungsrecht diesem Verfahren Vorrang zu gewähren, weil das zweite Verfahren stets unrechtmäßig ist. cc) Zuständigkeitsprüfung Im Grundsatz darf die Anerkennungszuständigkeit im ersuchten Staat in den USA wie auch in Europa nicht nachgeprüft werden. Für die europäischen Mitgliedstaaten ergibt sich das Verbot schon aus Art.  45 Abs.  3 EuGVO. Vor den US-amerikanischen Gerichten erscheint die Rechtslage auf den ersten Blick umgekehrt, muss die zur Anerkennung stehende Entscheidung doch rechtmäßig sein und daher die internationale Zuständigkeit im Einklang mit dem due process-Gebot stehen. Doch wie dargelegt320 ist die Zuständigkeitsfrage nach den Grundsätzen der issue preclusion vor dem Zweitgericht präkludiert, wenn das Urteilsgericht zu der Rechtsfrage bereits Stellung genommen hat und keine Rechtsmittel eingelegt wurden. Die Zuständigkeit darf daher in der Regel nicht überprüft werden, außer es handelt sich um ein Versäumnisurteil,321 weil dieses nicht tatsächlich streitig verhandelt wurde (actually litigated) und deshalb keine issue preclusion entfaltet.322 Den zugrunde liegenden Rechtszweck arbeitet v. Mehren heraus: Hat der Beklagte bereits zur Hauptsache verhandelt und wurde ihm rechtliches Gehör gewährt (d. h. liegt kein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen due process oder fraud vor), so verliert er das rechtliche Interesse an einer Nachprüfung, zumal alle Schwesterstaaten denselben due process-Maßstab anlegen.323

Byblos Bank Europe, S.A. v. Sekerbank Turk Anonym Syrketi, 885 N.E.2d 191, 194 (N.Y. 2008) (dann keine last-in-time rule); Ginsburg, 82 Harv. L. Rev. 798, 803 (1969); Richman/Reynolds/Whytock, Conflict of Laws, S.  390. 320  S. A. I. 2. a). 321  Auf diese Grundregel schließen auch Currie/Kay/Kramer/Roosevelt, Conflict of Laws, S.  506; Richman/Reynolds/ Whytock, Conflict of Laws, S.  394; kaum vertretbar daher: Bruns, JZ 1999, 278, 283, der die internationale Zuständigkeit als Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public deutet, damit aber den materiellrechtlichen Gehalt der due process clause grundlegend verkennt. 322  Zu den Grundsätzen der issue preclusion A. I. 1. 323  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1053 (1981). 319 

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

Bei einer rügelosen Einlassung des Beklagten sieht das europäische Recht ebenfalls keinen Anlass zur Zuständigkeitsprüfung,324 doch es zieht daraus noch nicht den Umkehrschluss, dass jede Säumnis des Beklagten ein Misstrauen gegenüber dem Erstgericht hervorruft. Vielmehr besteht bei einem Versäumnisurteil nur dann ein Anerkennungshindernis, wenn bei Verfahrenseinleitung kein rechtliches Gehör gewahrt wurde, der Beklagte also nicht ausreichend Gelegenheit zur Verteidigung erhalten hat. Dies wird als verfahrensrechtlicher Unterfall des ordre public gem. Art.  45 Abs.  1 lit.  b in jedem Einzelfall ermittelt. Enge Ausnahmen vom Nachprüfungsverbot enthält aber auch die EuGVO in Art.  45 Abs.  1 lit.  e.325 Anders als das US-amerikanische Recht zielt diese Vorschrift auf den Schutz der schwächeren Vertragspartei (lit.  i) ab, der im Zuständigkeitsrecht der minimum contacts allgemein weniger Beachtung findet.326 Die Nachprüfung ausschließlicher Zuständigkeiten (lit.  ii) findet jedoch für die dinglichen Rechte an unbeweglichen Sachen gem. Art.  24 Nr.  1 EuGVO eine Entsprechung im US-amerikanischen land taboo. Es besagt, dass die Gebiets­ hoheit eines Staates auf die dort belegenen unbeweglichen Sachen beschränkt ist, deshalb ein ausschließlicher Gerichtsstand am Belegenheitsort besteht und eine damit unvereinbare Entscheidung nicht anerkannt wird.327 dd) Zwischenergebnis Für schwesterstaatliche Urteile in den USA und der EU bestehen ähnliche Anerkennungshindernisse. Bei der materiellen ordre public-Prüfung und dem unbedingten Vorrang einer inländischen Entscheidung ist die EuGVO im Detail weniger anerkennungsfreundlich, doch ist die Integrationsdimension in den USA auch ungleich größer. b) Anerkennungszuständigkeit und Drittstaatenproblematik aa) Problemstellung Die größte Aufmerksamkeit widmet v. Mehren auch im sister-state Vergleich der Anerkennungszuständigkeit bzw. dem Nachprüfungsverbot, welches von 324  Die rügelose Einlassung nach Art.  26 EuGVO wird nicht in Art.  45 Abs.  1 lit.  e EuGVO genannt. 325  Oben A. II. 1. 326  So gilt für Verbraucher ebenfalls der 3-Stufen-Test der specific jurisdiction, dazu Teil 1 B. IV. 3. d). 327  Fall v. Eastin, 215 U.S.  1 (1909); Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  1455 ff. Richman/Reynolds/Whytock, Conflict of Laws, S.  397 ff. (die dinglichen Rechte gehören nicht zur personal jurisdiction und wurden aus der zuständigkeitsrechtlichen Betrachtung grundsätzlich ausgeklammert, s. Teil 1 B. I. 2. a)).

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beiden Rechtssystemen als allgemeiner Grundsatz328 statuiert wird. Er übt harsche Kritik am damaligen EuGVÜ, die sich an folgender noch immer bestehender Ausgangslage entzündet: Urteile anderer Mitgliedstaaten werden nach Maßgabe der Art.  36 ff. EuGVO (früher Art.  25 ff. EuGVÜ) nicht nur dann ohne Zuständigkeitsprüfung anerkannt und vollstreckt, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat und daher die vereinheitlichten Gerichtsstände der Art.  7 ff. EuGVO (Art.  5 ff. EuGVÜ) zur Anwendung kommen. Die Urteilsfreizügigkeit gilt vielmehr sogar für den Fall, dass der Beklagte einen Wohnsitz in einem Drittstaat hat329 und der Erststaat seine Zuständigkeit auf einen exorbitanten Gerichtsstand gestützt hat, dessen Anwendung Art.  6 Abs.  1 EuGVO (Art.  4 Abs.  1 EuGVÜ) erlaubt. Denn für die Anerkennung kommt es nur darauf an, dass das erststaatliche Gericht einem Mitgliedstaat angehört. An dieser Rechtslage hat sich in den letzten 40 Jahren trotz Reformbemühungen330 nichts geändert. bb) Kritik v. Mehrens und deren Bewertung v. Mehren beanstandet weniger die Anwendung exorbitanter Zuständigkeiten für Drittstaatenansässige nach Maßgabe des Art.  6 Abs.  1 EuGVO (Art.  4 Abs.  1 EuGVÜ), als vielmehr die Folgen dieser Differenzierung. Es widerspreche internationalen Gepflogenheiten und sei eine Ungeheuerlichkeit, wenn der Anerkennungsstaat auf eine Kontrolle der Zuständigkeitsnormen verzichte, die der Entscheidungsstaat völlig willkürlich selbst bestimmen könne.331 Er argumentiert, dass entweder wie zwischen Schwesterstaaten der USA die Entscheidungszuständigkeiten weitgehend vereinheitlicht sind (Maßstab des due process) und deshalb auf eine Anerkennungszuständigkeit verzichtet werden kann, oder dass ohne Rechtsvereinheitlichung die Gerichtsstände wie im internationalen Rechtsverkehr zumindest im Stadium der Anerkennung auf ihre Fairness überprüft werden (bilateral, unilateral oder non-derivative theory). Dass aber im europäischen Recht bei Beklagten aus Drittstaaten wie der USA keiner der beiden Grundsätze befolgt wird, zerstöre die Wechselbeziehung zwischen Zuständigkeits- und Anerkennungsregeln.332 328 

Soeben C. II. 2. a) cc). Art.  4 Abs.  1 EuGVÜ/Art.  6 Abs.  1 EuGVO erfassen auch Fälle, in denen der Beklagte in einem Mitgliedstaat keinen Wohnsitz hat, aber dort lebt; der Wohnsitz im Drittstaat ist die Regel, aber nach dem Wortlaut nicht Voraussetzung, vgl. Rauscher/Mankowski, EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  2. 330  Vgl. Streichung des Art.  4 EuGVO a. F. im EuGVO-Entwurf, KOM(2010) 748 endg., S.  25; Näheres sogleich 2) b) cc). 331  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1057 (1981). 332  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1058 (1981); ähnlich argumentiert Basedow, in: 329 

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Teil 3:  Urteilsanerkennung

v. Mehren meint weiter: „So far as judgments resulting from proceedings in which the defendant was not a member of the Community are concerned, the Brussels Convention thus represents an entirely new – and most regrettable – departure. The Convention violates the most elementary canons of evenhandedness by denying to defendants not domiciled in the Community protections based on standards of due process or natural justice that protect defendants domiciled in the Community.“333

Nach seiner Ansicht sind also elementare Gerechtigkeitsgrundsätze aufgrund eines fehlenden Schutzregimes für Drittstaatenbeklagte verletzt, das wenn schon nicht zuständigkeitsrechtlich, dann doch über die Anerkennungszuständigkeit hätte verwirklicht werden können. An der ungewöhnlich harschen Wortwahl ist seine Empörung über die Drittstaatenregelung des EuGVÜ zu erkennen. v. Mehrens Entrüstung kommentiert Schlosser treffend: „Hochangesehene und im allgemeinen für ihr ausgewogenes Urteil bekannte Gelehrte lassen, wenn sie auf diesen Punkt zu sprechen kommen, ihrer Leidenschaft freien Lauf. Arthur von Mehren meint […]“.334 Die geäußerte Kritik muss sich daran messen lassen, ob die oben erörterten Grundlagen und Interessen der Anerkennungszuständigkeit eine Differenzierung nach dem Beklagtenwohnsitz tatsächlich verbieten. Die Anerkennungszuständigkeit verwirklicht nach zutreffender Ansicht v. Mehrens im Allgemeinen das Anerkennungsinteresse an der Richtigkeit der Entscheidung (correctness). Weil die correctness im Spannungsverhältnis zu einer möglichst weitreichenden Wirkungserstreckung im Interesse des Rechtsfriedens und des Entscheidungseinklanges (repose) steht, ist die Zuständigkeitsprüfung in jedem Rechtssystem nach Sinn und Zweck auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen.335 Im internationalen Rechtsverkehr dient die Anerkennungszuständigkeit erstens zur Reduzierung von forum shopping, zweitens als Grundkriterium zur Verwirklichung eines rechtsstaatlichen Verfahrens (hallmark function) sowie drittens zum Schutz des Beklagten vor unzumutbaren und unvorhersehbaren Gerichtsständen.336 Für das europäische Recht ist die Eindämmung von forum shopping mittels Anerkennung von Urteilen auf exorbitanten Gerichtsständen aber erstens weniger dringlich als international, weil das Kollisionsrecht durch die Rom-VerordHandbuch IZVR I, Kap. II Rn.  149: „Das innere Band zwischen Zuständigkeits- und Vollstreckungsregelungen ist aber gegenüber Beklagten aus Drittstaaten durchschnitten“. 333  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1058 (1981); später äußert er diese Kritik sachlicher, vgl. ders., RabelsZ 61 (1997), 86, 88; ders., 24 Brook. J. Int’l L. 17, 20 f. (1998). 334  Schlosser, in: FS Kralik (1986), S.  287, 293. 335  B. I. 1. a). 336  B. I. 1. b), 2.

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nungen in vielen Bereichen vereinheitlicht wurde.337 Zweitens mag die Sorge um ein faires Verfahren in den europäischen Mitgliedstaaten im Einzelfall begründet sein, wie z.B. die Problematik um Torpedoklagen und eine überlange Verfahrensdauer zeigt.338 Dennoch überwölben der Grundsatz des fair trial in Art.  6 EMRK, der Justizgewährungsanspruch339 und die Europäischen Grundfreiheiten das Zivilprozessrecht in Europa, welches nicht zuletzt von unionsweit einheitlichen Regelungen wie z.B. bei der Zustellung und Beweisaufnahme beherrscht wird.340 Folglich bedarf es unabhängig vom Beklagtenwohnsitz bei einem europäischen Urteil der hallmark function nicht, zumal die rechtstaatlichen Gewährleistungen vergleichbar sind zur US-amerikanischen due process clause,341 welche mit dem ebenfalls voraussetzungslosen full faith and credit-Gebot korreliert. Letztlich ist die hallmark function nichts anderes als das Gegenstück zum Prinzip des Vertrauens in die Gleichwertigkeit der europäischen Rechtsschutzgewährung, welches so häufig vom Gesetzgeber und dem EuGH zitiert wird.342 Übrig bleibt also drittens nur der Beklagtenschutz, der eine Zuständigkeitsprüfung zu rechtfertigen vermag. Jedoch sei an die zögerliche Haltung v. Mehrens erinnert,343 die Parteiinteressen bei der Anerkennung überhaupt zugunsten des Beklagten zu konkretisieren. Vergleicht man folglich das schwesterstaatliche Urteil in der EU – aber auch in den USA344 – mit einem ausländischen Urteil, so ist die Zuständigkeitsprüfung im zwischenstaatlichen Bereich aufgrund der Interessenreduktion auf den Beklagtenschutz weniger dringlich, d. h. das principle of correctness erweist sich als weniger gewichtig im Verhältnis zur Verfahrensökonomie und dem Ruhen des Rechtsstreits (principle of repose). Daher hinkt die Bezugnahme v. Mehrens auf die Grundsätze „in international practice“, wonach entweder im Zuständigkeitsrecht oder durch die Anerkennungsregeln eine Zuständigkeitsprüfung unbedingt stattzufinden hat. Wie er zuvor selbst festgestellt hat, bilden 337  Zum Stand der Rechtsvereinheitlichung vgl. Art.  3 EGBGB, ausführend MüKo/v. Hein, BGB, Art.  3 EGBGB Rn.  29 ff. 338  Vgl. Teil 3 B. 339  Zur Verflochtenheit des effektiven Rechtsschutzes mit vielen Bereichen des IZVR: Geimer, IZPR, Rn.  1924 ff. 340 Vgl. die Liste verfahrensrechtlicher EU-Verordnungen und Richtlinien bei Schack, IZVR, Rn.  60. 341  Ausführlich oben Teil 1 C. III. 342  KOM(2010) 748 endg., S.  6; aus der Rspr. etwa EuGH 26.09.2013, Rs. C-157/12 (Salzgitter Mannesmann/Laminorul), Celex-Nr.  62012CJ0157 Rn.  31 ff. 343  B. I. 2. c). 344 Die due process clause macht die hallmark function obsolet; forum shopping ist innerhalb den USA geringer.

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schwesterstaatliche Urteile eine intermediäre Kategorie zwischen einem innerstaatlichen und einem ausländischen Urteil. Deshalb aber kann auch die in der internationalen Praxis übliche Korrelation zwischen Zuständigkeits- und Anerkennungsvorschriften nicht unbesehen übertragen werden. In Anbetracht des Vertrauensprinzips muss es den Mitgliedstaaten unbenommen sein, in dieser intermediären Kategorie neue Wege zu beschreiten,345 ohne aber umgekehrt stur das Modell der full and faith-Klausel zu übernehmen. Fraglich bleibt nur, ob oder wie dem Beklagtenschutz Rechnung getragen werden muss. Aufgrund der Vielfalt mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen sind die Verletzungen der Verfahrensfairness (Art.  6 EMRK) durch exorbitante Gerichtsstände kaum zu überschauen. Während manche in der Literatur von der Wahrung des Mindeststandards ausgehen,346 ist es jedenfalls möglich – mangels anerkennungsrechtlicher Kontrolle auch über die in Art.  5 Abs.  2 EuGVO ausgeschlossenen Gerichtsstände hinaus –, dass ein extrem exorbitanter Gerichtsstand von einem Mitgliedstaat herangezogen wird, sei auch dessen konkrete Ausgestaltung nicht zuletzt mit Blick auf die Gefahr zukünftiger Regelungen dahingestellt.347 Bereits diese Möglichkeit zeugt von einer Vernachlässigung des Beklagtenschutzes und der einhergehenden Schlechterstellung von Beklagten aus Drittstaaten gegenüber solchen aus EU-Mitgliedstaaten, für die sich der Schutz durch Art.  5 Abs.  1 EuGVO auch anerkennungsrechtlich fortsetzt. Eine Rechtfertigung der Schlechterstellung könnte in der Gewährung von effektivem Rechtsschutz für die in den europäischen Mitgliedstaaten ansässigen Kläger liegen. Der Jenard-Bericht zum EuGVÜ deutet an, es sei unangemessen, die exorbitanten Gerichtsstände in Bezug auf Drittstaatenbeklagte auszuschließen und den Kläger stattdessen ins Ausland zu schicken.348 Dahinter steht der Gedanke, Unionsbürger nicht auf einen „eventuell hazardiösen Rechtsweg außerhalb Europas“ 349 zu verweisen, solange eine Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen nicht am Wohnsitz des Drittstaatenbeklagten oder an sonstigen beziehungsstarken Gerichtsständen gesichert ist.350 Eng damit verwandt ist die Überlegung, die EU behalte sich durch die exorbitanten Gerichtsstände und die gesteigerten Vollstreckungsaussichten ein wertvolles Druckmittel ein. Dies könne etwa bei weiteren Verhandlungen um Schlosser, in: FS Kralik (1986), S.  287, 294 f. mit Verweis auf v. Mehren. Grolimund, Drittstaatenproblematik, S.  249. 347 Vgl. Rauscher/Mankowski, EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  1; Schlosser, in: FS Heldrich (2005), S.  1007, 1011; zu §  23 ZPO vgl. oben Teil 1 B. IV. 2. a) aa). 348  Jenard, Bericht EuGVÜ, ABl.  ( EG) 1979 Nr. C 59/1, S.  21. 349  Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  4 EuGVO Rn.  15. 350  Dickinson, Proposal „Brussels I bis“, S.  14; Geimer, IZPR, Rn.  1383; Geimer, in: FS Simotta (2012), S.  163, 168. 345 Ähnlich 346 

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ein weltweites Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen eingesetzt werden, um die Amerikaner im Gegenzug zur Aufgabe ihrer weit geratenen Zuständigkeiten zu bewegen.351 Das zeigte in der Vergangenheit tatsächlich Wirkung, denn auch in den USA erkennt man: „through treaties with the Contracting States of the Brussels Convention, the United States could […] avoid enforcement problems related to the provisions dealing with exorbitant jurisdiction.“352 Jedoch ist es fragwürdig, politisches Taktieren auf dem Rücken von Privatpersonen auszutragen und dabei das Fernziel einer multi- oder bilateralen Regelung über die unmittelbar betroffenen Beklagteninteressen zu stellen, zumal das Haager Übereinkommen im Jahr 2002 schon einmal gescheitert ist.353 Schaut man im Gegenzug auf die Position möglicher Verhandlungspartner wie der USA, so ist eine deutliche Bewegung in der US-amerikanischen Rechtsprechung zu beobachten, welche in den letzten Jahren die personal jurisdiction auf einen sinnvollen Bezug zurückgeführt hat und damit exorbitante Gerichtsstände tendenziell abbaut.354 Zudem kommt man nicht umhin, die als Erhalt des Verhandlungsspielraumes deklarierte Motivationslage näher zu beleuchten. Exorbitante Gerichtsstände sind nicht bloß für mögliche Vertragsverhandlungen nützlich, sie erfreuen auch die Nationalstaaten in der Pflege traditioneller Eigenheiten des Prozessrechts.355 Besonders in England leistet man einer Harmonisierung Widerstand, weil die Mitgliedstaaten aus eigenem Antrieb angeblich keine Regelungskonvergenz anstreben würden, diese politisch erzwungen sei und nicht aus einer gemeinsamen Rechtstradition erwachsen sei.356 Dagegen ist einzuwenden, dass das EuGVÜ und später die EuGVO einen gemeinsamen Bestand an Zuständigkeitsregeln geschaffen hat, dessen einheitliche Auslegung sich im Laufe der letzten fünfzig Jahren etabliert hat und nunmehr dem Rechtsanwender ebenso vertraut sein dürfte wie die nationalen Regelungen.357

351  Dickinson, YbPIL 12 (2010), 247, 281; Schack, IZVR, Rn.  108; Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Art.  4 EuGVO Rn.  15; die Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge, wie sie Art.  59 EuGVÜ den einzelnen Mitgliedstaaten verliehen hat, ist mit dem Inkrafttreten der EuGVO im Jahr 2002 auf die Gemeinschaft insgesamt übergegangen, nach Art.  72 EuGVO bestehen bloß Altverträge fort, vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art.  72 EuGVO Rn.  2. 352  Brand, 13 J.L. & Com. 193, 204 (1994). 353 Ähnlich Grolimund, Drittstaatenproblematik, S.  273 f. 354  J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780, 2788 (2011); Goodyear v. Brown, 131 S.Ct. 2846, 2851 (2011); zu beiden wegweisenden Entscheidungen Teil 1 B. 3. f) und 4. e); vgl. auch Linke/Hau, IZVR, Rn.  4.20. 355  Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 522; Schlosser, in: FS Heldrich (2005), S.  1007,1009. 356  Gillies, 8 J. Priv. Int’l L. (2012), 489, 502 ff., 509 ff. 357  So die Einschätzung von Nuyts, Study on residual jurisdiction, S.  115.

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Des Weiteren bestreiten englische Wissenschaftler die Kompetenz der EU zur Regelung von Drittstaatensachverhalten, weil der Binnenmarkt nicht betroffen sei.358 Allerdings scheint diese Bedenken weder der EuGH zu teilen, weil der Binnenmarkt ja auch durch die Einheitlichkeit von Zuständigkeitsregeln gefördert werden kann,359 noch spricht der Wortlaut des Art.  81 Abs.  2 AEUV unmittelbar für diese Ansicht, da der Binnenmarkt nur beispielhaft („insbesondere“) als Regelungsziel genannt wird.360 Mit den englischen Einwänden ist wohl auch die Furcht verbunden, die Attraktivität des Londoner Justizstandorts für Prozessführungsgeschäfte ausländischer Akteure zu schmälern.361 Der Erhalt von Verhandlungsspielräumen und nationaler Eigenarten taugt mithin wenig zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung und bekräftigt mithin die Berechtigung der Kritik v. Mehrens. In der Praxis jedoch hat sich die Diskriminierung bislang kaum ausgewirkt, worauf zur Verteidigung in der Literatur gerne verwiesen wird.362 Die diskriminierende Wirkung schwächt sich auch dadurch ab, dass das Differenzierungskriterium der Wohnsitz ist und nicht die Staatsangehörigkeit.363 Gleichwohl erscheint die Verweisung in Art.  6 Abs.  1 EuGVO zumindest systematisch betrachtet der angestrebten Einheitlichkeit im Europäischen Justizraum zu widersprechen. Die Differenzierung des Anwendungsbereichs der Verordnung nach der Parteistellung im Prozess verwundert besonders unter dem Aspekt der einheitlichen Anwendbarkeit anderer vergleichbarer Rechtsinstrumente wie der EuEheVO, EuUnthVO, EuErbVO und den Rom-VOen.364 Weil die zuständigkeitsrechtliche Fairness von der EuGVO nicht universell ausgestaltet ist und sich abgesehen von der Inländerbevorzugung aus Vollstreckungsgründen keine tragfähige Rechtfertigung findet, liegt v. Mehren mit seiner Kritik letztlich richtig. Er trifft damit den Nerv derer, die auf Deutsch von einer „Wagenburg-Mentalität“365 oder „Krötentheorie“366 sprechen. Insbesondere aus den USA konnte man weitere Kritik vernehmen, die sich gegen die Exorbitanz der nationalen Gerichtsstände richtete. Juenger etwa beDickinson, YbPIL 12 (2010), 247, 282 f. EuGH 01.03.2005, Rs. C-281/02 (Owusu/Jackson), Slg. 2005, I-1383 Rn.  34. 360  Vgl. ausführlich Weber, RabelsZ 75 (2011), 619, 622 f. 361  Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252, 266. 362  Basedow, in: Handbuch IZVR I, Kap. II Rn.  154; Rauscher/Mankowski, EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  14; sowie früher schon der sonst so kritische Juenger, 82 Mich. L. Rev. 1195, 1212 (1984). 363  Herzog, in: FS v. Mehren (2002), S.  83, 89. 364  Ausführlich mit Erläuterungen zum Anwendungsbereich auch der genannten VOen: Weber, RabelsZ 75 (2011), 619, 624 f. sowie Fn.  3 –7; ebenso Hess, EuZPR, §  5 Rn.  19. 365  Hau, in: FS v. Hoffmann (2011), S.  617, 621; Linke/Hau, IZVR, Rn.  4.20. 366  Gsell, ZZP 127 (2014), 431, 442. 358  359 

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mängelte: „Thus, outsiders are left without even a modicum of protection against excessive forum shopping and harassment.“367 Nur vereinzelt zielen die Reaktionen gerade auf die Kombination von exorbitanten Gerichtsständen mit der nahezu unbeschränkten Urteilsfreizügigkeit, wie sie v. Mehren bemängelt. So urteilt Nadelmann bereits zum Entwurf des EuGVÜ: „Grant of extraterritorial effect, throughout the Common Market, to judgments rendered at improper fora would be a most serious threat to established trade practices. It would challenge the friendly relations between nations built on respect for due process of law.“368

Heutzutage zeigt man sich auch enttäuscht über die Neufassung der EuGVO: „The Recast Brussels I Regulation is a disappointment because it does nothing to curtail the use of exorbitant national bases of jurisdiction against non-E.U. defendants, including obviously United States and Canadian defendants.“369

Schlussendlich krönt die Diskriminierungsproblematik aus der Perspektive v. Mehrens das totale Kontrollverbot im Anerkennungs- und Vollstreckungsstadium, nämlich die von Art.  45 Abs.  3 S.  2 EuGVO (Art.  28 Abs.  3 HS.  2 EuGVÜ) angeordnete Ausklammerung der Zuständigkeitsvorschriften von der ordre public-Prüfung. Abschätzig befindet er: „Shock becomes outrage when it is realized that the Brussels Convention, by providing in articles 28 and 34 that „the test of public policy referred to in Article 27(1) may not be applied to the rules relating to jurisdiction“ […] If this parochial and self-serving attitude is to become general in international practice, the international order may well collapse as each State begins to retaliate against the others.“370

Selbstverständlich verschärft das Verbot der Nachkontrolle die Situation für Drittstaatenbeklagte, weil sie auch einen unter Menschenrechtsgesichtspunkten nicht tragfähigen Gerichtsstand hinnehmen müssen und das darauf basierende Urteil vollstreckt werden kann.371 Das gilt selbst dann, wenn das Erstgericht zu Unrecht nationale Zuständigkeitsvorschriften herangezogen hat,372 benachteiligt mithin gegebenenfalls auch Beklagte aus Mitgliedstaaten. Zu einem anderen Ergebnis gelangt nur, wer wie Schlosser einen Verstoß gegen Art.  6 EMRK

367  Juenger, 82 Mich. L. Rev. 1195, 1212 (1984); kritisch auch Born/Rutledge, International Civil Litigation, S.  106; Clermont, Civil Procedure, S.  328 (“openly discriminates outsiders”). 368  Nadelmann, 67 Colum. L. Rev. 995, 1001 (1967). 369  Borchers, 31 Ariz. J. Int’l & Comp. L. 1, 17 (2014). 370  v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1059 (1981). 371 Vgl. Coester-Waltjen, in: FS Nakamura (1996), S.  89, 95 mit dem Beispiel des Art.  14 frz. Code civil. 372  EuGH 28.03.2000, Rs. C-7/98 (Krombach/Bamberski), Slg. 2000, I-1935 Rn.  33.

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über die Anordnung des Art.  45 Abs.  3 S.  2 EuGVO stellt und die Zuständigkeitsprüfung teleologisch erweitert.373 cc) Mögliche Lösungsansätze Die Proteste v. Mehrens und der ihm Gleichgesinnten aus Übersee waren insofern erfolgreich, als sie zur Einführung des Art.  59 EuGVÜ geführt haben. Diese Vorschrift erlaubte den Vertragsstaaten, durch Abkommen mit dritten Staaten die Anerkennungspflicht für solche Urteile aufzuheben, die auf einem durch Art.  3 Abs.  2 EuGVÜ erlaubten, exorbitanten Gerichtsstand ergangen waren. Mit Inkrafttreten der EuGVO am 1. März 2002 ist diese Möglichkeit indes entfallen, weil die Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge auf die EU übergegangen ist.374 Altverträge wie die bilateralen Übereinkommen des Vereinten Königreichs mit Kanada (vom 24.04.1984) und Australien (23.08.1990) bleiben gem. Art.  72 EuGVO jedoch in Kraft.375 De lege ferenda ließe sich die Diskriminierung beseitigen, indem die vereinheitlichten Zuständigkeitsvorschriften der EuGVO auf Beklagte mit Wohnsitz in einem Drittstaat erstreckt werden und die Verweisungsnorm auf die nationalen Regelungen gestrichen wird. Einen solchen Vorstoß wagte die Europäische Kommission mit ihrem Vorschlag zur Reform der EuGVO vom 14.12.2010. Dieser Vorschlag sah vor, Art.  4 EuGVO a. F. mitsamt des dort in Bezug genommenen Anhanges I der exorbitanten Zuständigkeiten gänzlich zu streichen.376 Die besonderen Gerichtsstände der Art.  5, 6 EuGVO a. F. wären folglich auf Beklagte mit Wohnsitz in Drittstaaten ausgeweitet worden. Zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken sollte der Systemwechsel mit einer Ergänzung um einen subsidiären Vermögensgerichtsstand (Art.  25 EuGVO-E) und einen internationalen Notgerichtsstand (Art.  26 EuGVO-E) einhergehen. 377 Vorausgegangen war eine durch die Kommission in Auftrag gegebene, rechtsvergleichende Studie von Nuyts, der neben einer Untersuchung der Restzuständigkeiten der Mitgliedstaaten mehrere mögliche Harmonisierungsansätze vorschlug, darunter auch die Schaffung spezieller Zuständigkeitsregeln für Klagen gegen Drittstaatenangehörige.378 Die gewählten Neuregelungen hätten folglich die DiskrimiSchlosser, in: FS Heldrich (2005), S.  1007, 1011; dem zustimmend Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  45 EuGVO Rn.  74; Matscher, IPRax 2001, 428, 433. 374  Vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art.  72 EuGVO Rn.  2. 375  Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art.  4 EuGVO Rn.  13; Schack, IZVR, Rn.  109 f. (m. w. N.). 376  KOM(2010) 748 endg., S.  25. 377  KOM(2010) 748 endg., S.  36. 378  Nuyts, Study on residual Jurisdiction, S.  105 ff. mit Harmonisierungsvorschlägen. 373 

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nierung von Drittstaatenbeklagten ausgeschlossen und wären mithin zu begrüßen gewesen.379 Allerdings war die Korrektur zugunsten von Drittstaatlern nicht das mit dem Änderungsvorschlag intendierte Ziel der Kommission, sondern gewissermaßen nur ein erfreulicher Nebeneffekt. Gewollt war eigentlich, die Ungleichbehandlung zwischen europäischen Unternehmen zu beseitigen, die bislang je nach Ausgestaltung der Restzuständigkeiten im mitgliedstaatlichen Recht unterschiedlich leicht an ihrem Heimatgerichtsstand gegen Drittstaatler klagen können. Die Unterschiede in der Rechtsdurchsetzung würden nach Ansicht der Kommission zu einer Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt führen und seien mit hohen Transaktionskosten verbunden.380 Außerdem sei die effektive Rechtsdurchsetzung zwingenden EU-Rechts an den mitgliedstaatlichen Gerichten nicht immer gewährleistet, weil der schwächeren Partei nicht durchgehend Heimatgerichtsstände zur Verfügung stünden.381 Doch letztlich konnten auch Erwägungen zugunsten der EU-Kläger nicht den politischen Widerstand der Mitgliedstaaten brechen, welche nicht zur Aufgabe ihrer nationalen Zuständigkeitsnormen bereit waren.382 Das Europäische Parlament schrieb dem Vorschlag einen nicht ausreichenden Forschungsstand zu und verwies stattdessen auf die Neuaufnahme von Verhandlungen in Den Haag um ein weltweites Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen.383 Die beschlossene Neufassung der Verordnung begnügt sich mit einer Erweiterung des Schutzregimes in Verbraucher- und Arbeitssachen. Nach Art.  18 Abs.  1 Var. 2 EuGVO steht dem Verbraucher das forum actoris nun auch gegen drittstaatenansässige Unternehmer zu, und ebenso eröffnet Art.  21 Abs.  2 EuGVO Arbeitnehmern eine Klage gegen Arbeitgeber aus einem Drittstaat, nur für Versicherungsstreitigkeiten fehlt eine entsprechende Norm.384 Hoffnung macht im379  Borrás, YbPIL 12 (2010), 333, 340 f. (mit ähnlichen Vorschlägen der European Group for Private International Law, kurz GEDIP); Kropholler/v. Hein, EuZPR, Art.  4 EuGVO Rn.  2; Weber, RabelsZ 75 (2011), 619, 622 ff.; Weller, GPR 2012, 34, 37 ff.; a. M. Dickinson, YbPIL 12 (2010), 247, 272 ff.; Gillies, 8 J. Priv. Int’l L. (2012), 489, 502 ff.; Hay, in: FS v. Hoffmann (2011), S.  634, 636 ff., 646 („new assertion of exorbitant jurisdiction in Europe“ provoziere eine „new generation of Justizkonflikt-issues“). 380  Begründung des Kommissionsvorschlags, KOM(2010) 748 endg., S.  3; basierend auf einer Untersuchung der Kommission, Commission Staff Working Paper, Impact Assessment, SEC(2010) 1547 final, S.  20 ff. 381  KOM(2010) 748 endg., S.  3 f. 382  Dickinson/Lein/v. Lith, Brussels I Recast, Rn.  3.28; Rauscher/Mankowski, EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  10. 383  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 07.09.2010 (2009/2140(INI)) Nr.  15. 384  Zur Neuregelung: Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 522 f.; Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252, 264.

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merhin Art.  79 EuGVO, wonach die Kommission bis im Jahre 2022 einen Bericht über die Frage vorlegen muss, ob die Zuständigkeitsvorschriften auf Beklagte mit einem Wohnsitz in einem Drittstaat ausgedehnt werden sollen. Bis dahin bleibt de lege lata wenig Spielraum. Abhilfe bietet theoretisch die bereits angesprochene385 teleologische Reduktion der Verbotsregel des Art.  45 Abs.  3 EuGVO im Lichte des Art.  6 EMRK, wie sie insbesondere von Schlosser vertreten wird.386 Demnach müssten Urteile, die aufgrund exorbitanter Gerichtsstände erlassen wurden und konkret den menschenrechtlichen Fairnessstandard des Art.  6 EMRK verletzen, trotz des formalen Verbots einer ordre public-Prüfung nicht anerkannt und vollstreckt werden. Dafür spricht die in Art.  6 Abs.  3 EUV normierte Verpflichtung zur Beachtung der EMRK als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, weshalb die sekundärrechtliche Anordnung in Art.  45 Abs.  3 EuGVO nur relativ, aber nicht absolut wirken kann.387 Allerdings erachten die Mitgliedstaaten die in Art.  5 Abs.  2, 6 Abs.  2 EuGVO in Bezug genommenen Gerichtsstände als „unerwünscht“, aber zumindest nicht allgemein als menschen- oder völkerrechtswidrig.388 Ein Verstoß gegen Art.  6 EMRK müsste daher im Einzelfall besonders krass sein, nicht ausreichen wird beispielsweise die Heranziehung von §  23 ZPO unter Wahrung des vom BGH verlangten Inlandsbezuges.389 Mit der Reform der EuGVO hat diese Missbrauchskontrolle zusätzlich an Überzeugungskraft verloren, weil sich der Gesetzgeber klar für eine Beibehaltung der exorbitanten Gerichtsstände entschieden hat390 und diese bewusst auch im Anerkennungsstadium gebilligt hat.

III. Ergebnis des Anerkennungsvergleichs Die schwesterstaatlichen Ordnungen der USA und der EU sind heute mehr als noch zur Schaffenszeit v. Mehrens vor rund vierzig Jahren in ihrem Rechtsschutzstandard und den institutionellen Rahmenbedingungen vergleichbar. Aufgrund der Integrationsdimension verwundert es kaum, dass in beiden Rechtsordnungen eine nahezu ungehemmte Urteilsfreizügigkeit stattfindet, die nur hinsichtlich der Ausnahmefälle des ordre public und der entgegenstehenden Entscheidungen in der EU etwas restriktiver gehandhabt wird. 385 

Soeben C. II. 2. b) bb). Schlosser, in: FS Heldrich (2005), S.  1007, 1011. 387 Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  45 EuGVO Rn.  74; anders aber wohl: EuGH 28.03.2000, Rs. C-7/98 (Krombach/Bamberski), Slg. 2000, I-1935 Rn.  32. 388  MüKo/Gottwald, ZPO, Art.  35 EuGVO Rn.  3, der deshalb eine Reduktion ablehnt. 389  So immerhin auch Schlosser, in: FS Heldrich (2005), S.  1007,1011. 390  Vgl. Rauscher/Mankowski, EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  10 („deutliche politische Aussage“). 386 

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Auch eine Überprüfung der Anerkennungszuständigkeit – ein Spezialgebiet v. Mehrens – unterbleibt im Grundsatz in beiden Systemen, da die Entscheidungszuständigkeiten einheitlich von der due process clause beherrscht bzw. in der EuGVO vereinheitlicht sind. Diesen Grundsatz behält die EU aber auch in Bezug auf Beklagte aus Drittstaaten bei, die sogar unter Inanspruchnahme einer nationalen Restzuständigkeit verklagt werden können (Art.  6 Abs.  1 EuGVO), ohne dass im Anerkennungsstadium die Fairness des Gerichtsstandes zu kontrollieren wäre (vgl. Art.  45 Abs.  3 EuGVO). Weil die damit intendierte Privilegierung inländischer Kläger zu einer Ungleichbehandlung von Beklagten aus Drittstaaten gegenüber Beklagten aus Mitgliedstaaten führt, die nur an europaweit vereinheitlichten Gerichtsständen verklagt werden können, ist diese Regelung abzuschaffen. Dies gilt umso mehr, als auch die Privilegierung der EU-Kläger je nach Exorbitanz der nationalen Zuständigkeiten unterschiedlich stark ausfällt und dieser Rechtszustand der Einheitlichkeit des Binnenmarktes abträglich ist. Die Kritik v. Mehrens ist daher inhaltlich durchaus berechtigt, überraschend kommt aber der Tonfall. Ob Schock und Wut („shock becomes outrage“) über den Stand der Verfahrensgerechtigkeit die adäquate Reaktion ist, darf in Anbetracht der geringen praktischen Relevanz dieser Frage bezweifelt werden, zumal die Regelung eine gewisse Rechtfertigung in der für europäische Kläger vorteilhaften Vollstreckungsnähe findet. Außerdem muss sich v. Mehren eine gewisse Inkonsequenz vorwerfen lassen, weil er generell dem Beklagtenschutz bei der Begründung der Anerkennungszuständigkeit kein besonderes Gewicht beimisst, aber einen Eklat wittert, sobald Beklagte aus den USA oder anderen Drittstaaten von einer Benachteiligung betroffen sind.

Teil 4

Arbeiten der Haager Konferenz für IPR an einem weltweiten Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommen A.  Hintergründe I. Die Haager Konferenz für IPR Die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht ist eine globale Regierungsorganisation,1 die sich auf Initiative der niederländischen Regierung im Jahr 1874 in Den Haag zum ersten Mal versammelt hat und seit 1955 als ständige Einrichtung Regierungsdelegationen zusammenbringt.2 Ihre Mitgliederzahl liegt mit derzeit 79 Staaten relativ hoch und führt zur Repräsentation aller Kontinente.3 Die EU ist als „regionale Wirtschaftsorganisation“ beigetreten, nachdem die Union durch den Vertrag von Amsterdam aus dem Jahr 1999 eine eigene Gesetzgebungskompetenz betreffend der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen erhalten hatte und daraufhin die Haager Konferenz ihre Satzung änderte.4 Zuvor haben die EG-Mitgliedstaaten selbständig in Den Haag verhandelt, sich aber verstärkt koordiniert.5 Die Haager Konferenz hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit sog. Haager Konventionen die fortschreitende Vereinheitlichung der Regeln des Internationalen Privatrechts voranzutreiben.6 Neben dem Internationalen Privatrecht im engeren Sinne sind Erfolge auch auf dem Gebiet des internationalen Zivilverfahrens zu verzeichnen, z.B. mit Übereinkommen zur Rechtshilfe und dem internationalen Kindschaftsrecht.7 Die Übereinkommen bedürfen der RatifikatiBezeichnung von Nygh, in: FS v. Mehren (2002), S.  151, 155; Wagner, Jura 2011, 891. historischen Entwicklung: Kropholler, IPR, S.  57 ff.; Schack, RabelsZ 57 (1993), 224, 227 ff. 3  Vgl. Mitgliederliste HCCH. 4  Art.  3 Abs.  4 der Neufassung der Satzung, veröffentlicht in BGBl.  2006 II 1418. 5  Wagner, IPRax 2001, 533, 535. 6  Art.  1 der Satzung. 7  Vgl. den Überblick zu den Abkommen der HCCH; Auflistung der größten Erfolge auch bei Wagner, Jura 2011, 892. 1 

2  Zur

320

Teil 4:  Arbeiten der Haager Konferenz für IPR

on durch die Mitgliedstaaten und treten sodann nach Ablauf einer bestimmten Frist in Kraft.8 Bedeutung erlangen die Übereinkommen nicht bloß aufgrund ihres multilateralen Ansatzes, welcher den Mitgliedstaaten einen enormen Zeitgewinn bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zuteilwerden lässt, sondern auch durch einen im Vergleich zu regionalen Instrumenten hohen Verbreitungsgrad sowie eine Qualitätsgewährleistung durch ihre institutionellen Einrichtungen und die aktive Beteiligung aller Mitgliedstaaten.9 Bereits nach dem Ersten Weltkrieg erkannte man das Bedürfnis nach internationalen Konventionen über die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen. Außerhalb eng umgrenzter Teilgebiete wie des Kindesunterhaltes10 fiel die Suche nach einem geeigneten Konventionsmodell schwer, war doch einerseits das Misstrauen gegenüber einem ausländischen Richter und gegenüber unbekannten Gerichtsständen groß, andererseits aber der Wunsch nach einer Vereinheitlichung zumindest bei den indirekten Zuständigkeiten vorhanden.11 Entstanden war zunächst eine Modellkonvention auf der 5. und 6. Haager Konferenz in den Jahren 1925 und 1928,12 gefolgt von dem Rahmenübereinkommen über die reine Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen vom 1. Februar 1971 (HAÜ),13 welches weitere Zusatzübereinkommen zwischen den Vertragsstaaten über einzelne Modalitäten und Anerkennungshindernisse vorsah. Ohne Mehrwert gegenüber bilateralen Einzelabkommen war das HAÜ von Anfang an wenig erfolgversprechend gewesen und wurde in der Folge nur von den Niederlanden, Zypern, Portugal, und vor Kurzem noch von Albanien und Kuwait ratifiziert.14 Das Übereinkommen stand aber auch im Schatten des etwa zeitgleich erarbeiteten EuGVÜ vom 27.09.1968, welches mit Rauscher, IPR, Rn.  96; vgl. auch Kropholler, IPR, S.  60. Von einer „essentiellen“ und „überragenden“ Bedeutung spricht daher Wagner, Jura 2011, 891, 892 ff. (mit weiteren Erläuterungen). 10  Vgl. das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.04.1958, BGBl.  1961 II 1005. 11  Deuxième commission, Procés-verbal No 2 séance du 15 octobre 1925, in: Hague Conference, Actes La Haye 5. Sess. (1925), S.  102 ff.; Document peliminaire No 4, mai 1964, in: Hague Conference, Actes La Haye Sess. extraord. (1966), 21 ff.; zur Interessenlage auch Coester-Walten, RabelsZ 59 (1993), 263, 284 ff. 12  Diese überließ die Anerkennungszuständigkeit dem nationalen Recht, enthielt sich also einer Regelung, vgl. Project d’une convention sur la reconnaissance et l’exécution de décisions judiciaires, in: Hague Conference, Actes La Haye 5. Sess. (1925), S.  139 ff., 344 ff.; ausführlich dazu Schack, RabelsZ 57 (1993), 224, 234 ff. 13  Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 01.02.1971, dazu bereits Teil 3 B. II. 2. 14  Zu den Ursachen des Scheiterns etwa Wagner, IPRax 2001, 533, 534. 8  9 

A. Hintergründe

321

Regelungen zur Entscheidungszuständigkeit ambitionierter war und für die europäischen Staaten schon bald Modellcharakter hatte. Weltweit auf größere Resonanz ist das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.195815 gestoßen.

II. Projektverlauf 1. Anstrengungen der Haager Konferenz seit dem Jahr 1992 Einen neuen Versuch zu einem Übereinkommen auf dem Gebiet des internationalen Zivilverfahrensrechts startete die Haager Konferenz im Jahr 1992.16 Auf Anregung der USA sollte darin nicht bloß die Anerkennung ausländischer Entscheidungen geregelt werden, sondern auch die gerichtliche Zuständigkeit.17 Auf ihrer 17. diplomatischen Konferenz im August 1992 betreute die Konferenz zunächst eine kleine Arbeitsgruppe (Working Group) mit Vorarbeiten zu diesem Vorhaben. Diese bestand aus Experten aus Argentinien, China, Ägypten, Frankreich, Ungarn, Großbritannien, den USA und Venezuela, unter dem Vorsitz von Gustaf Möller aus Finnland.18 Arthur v. Mehren nahm als einer von drei Vertretern für die USA neben Peter Trooboff und Peter Pfund teil. In einem Treffen im November 1992 bestätigte die Gruppe die Notwendigkeit des Vorhabens und unterbreitete strukturelle Vorschläge. Daraufhin setzte die diplomatische Konferenz in ihrem Schlussbericht vom Mai 1993 eine größere Spezialkommission (Special Commission) ein, an welcher sich Vertreter aus 32 Mitgliedstaaten beteiligten, darunter abermals v. Mehren in der US-amerikanischen Delegation.19 Die Spezialkommission sollte zunächst einen Bericht zu den dringendsten Problemfeldern in den Bereichen der internationalen Zuständigkeit, Parallelverfahren und der Urteilsanerkennung vorbereiten, die sie der 18. Konferenz turnusgemäß im September 1996 präsentierte. Daraufhin ging die Spezialkommission zügig zur Ausarbeitung einer Konvention über, die an fünf verschiedenen Treffen in den Jahren 1997 bis 1999 entstanden ist. Die Verhandlungen mündeten in einem Entwurf vom 30.10.1999 (HZVÜ-E), der von Erläuterungen der Berichterstatter Nygh und

15 

BGBl.  1961 II 122. Vgl. Chronologie des Judgments Project. 17  Details sogleich unter B. I. 1. 18  Liste der Experten, vgl. Conclusions of the Working Group (Prel. Doc. No 19 of November 1992). 19  Bericht und Mitgliedsliste, vgl. Conclusions of the Special Commission of June 1994 (Prel. Doc. No 2 of December 1995). 16 

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Teil 4:  Arbeiten der Haager Konferenz für IPR

Pocar begleitet wird.20 Aufgrund einer deutlichen Anlehnung zum EuGVÜ kam aus Deutschland überwiegend positive Resonanz.21 Über den Konventionsentwurf sollte planmäßig auf einer Sitzung im Sommer 2000 abgestimmt werden. Mit Schreiben vom 22.02.2000 äußerte allerdings der Assistant Legal Adviser for Private International Law, Jeffrey D. Kovar, erhebliche Bedenken der USA und erläuterte, dass der Entwurf in der aktuellen Fassung inakzeptabel sei.22 Nachdem sich andere außereuropäische Staaten der Kritik angeschlossen hatten, insbesondere Australien, China, Korea und Japan, beschloss die Spezialkommission auf Vorschlag von Dänemark und Großbritannien hin, vom üblichen Verfahren abzuweichen und die diplomatische Konferenz auf zwei Termine aufzuteilen.23 Der erste Teil der Konferenz fand infolgedessen im Juni 2001 statt, nachdem zahlreiche informelle Treffen die Sitzung vorbereitet hatten. Dabei versuchten die Teilnehmer, zu welchen auch v. Mehren gehörte, eine Neufassung des Entwurfes (sog. Interim Text) zu konzipieren.24 Um das unterschiedliche Meinungsspektrum transparenter darzustellen, wurden die umstrittenen Regelungen durch Klammerzusätze kenntlich gemacht, alternative Vorschläge aufgezeigt sowie Erläuterungen in den Fußnoten. Daraus entstand ein umfangreicher Text von 38 Seiten und 201 Fußnoten. Nach offizieller Erklärung der Konferenz war eine Konsensbildung insbesondere hinsichtlich den Zuständigkeitsregelungen problematisch, darunter die damals neu aufgekommenen Internet-Fälle, die tätigkeitsbezogene doing business-Zuständigkeit in Form der general jurisdic­ tion, transacting business in Form der specific jurisdiction und eine Zuständigkeit für Verbraucherverträge und Einzelarbeitsverträge.25 Der zweiten Konferenz im April 2002 erschienen die Kontroversen unüberbrückbar, sodass man vom ursprünglich umfangreich konzipierten Vorhaben abrückte und sich stattdessen auf einen Minimalkonsens einigte.26 Beschränkt 20 

Preliminary Draft Convention on jurisdiction and foreign judgments in civil and commercial matters of October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000). 21 Etwa Grabau/Hennecka, RIW 2001, 569, 572; Wagner, IPRax 2001, 533, 536; kritisch Hess, IPRax 2000, 342, 343. 22  Text veröffentlicht in DAJV-NL 2000, 44. 23  Vgl. Conclusion of the Special Commission of May 2000 (Prel. Doc. No 10 of June 2000), S.  10 f. 24  Summary of the Outcome of the Discussion in Commission II of the First Part of the Diplomatic Conference 6–20 June 2001: Interim Text; Teilnehmerliste in: Hague Conference, Proceedings of the Nineteenth Session (2001/2002), Vol. I., S.  9. 25  Reflections by the Permanent Bureau (Prel. Doc. No 16 of February 2002), S.  5 26  Die diplomatische Konferenz nannte im April 2002 als „core area“ noch „choice of court agreements, defendant’s forum, counter-claims, branches, submission, trusts and physical injury torts“, vgl. Commission I on General Affairs and Policy held on 22–24 April 2002

A. Hintergründe

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auf das im internationalen Rechtsverkehr besonders bedeutsame Gebiet der (ausschließlichen) Gerichtsstandsvereinbarungen wurde schließlich eine Übereinstimmung erzielt und ein Übereinkommen geschaffen, welches die Konferenz am 30.06.2005 verabschiedete.27 Die EU wie auch die USA haben die Konvention Anfang des Jahres 2009 gezeichnet, aber bislang hat nur die EU ratifiziert (seit 01.10.2015).28 Trotz der zwischenzeitlichen Rückschläge verfolgt die Haager Konferenz unbeirrt das schwierige Projekt in einem neuen Anlauf weiter. Im Februar 2010 hat das Ständige Büro der Haager Konferenz, das Sekretariat, dem Rat für allge­ meine Angelegenheiten und die Politik 29 den Fortgang der Arbeiten an einem Judgments Project vorgeschlagen. Angedacht war ein breit angelegtes Übereinkommen zur Urteilsanerkennung und -vollstreckung mit der Option einer Erstreckung auch auf die Entscheidungszuständigkeiten, entweder bezogen auf wichtige „Kernzuständigkeiten“, wie z.B. einen allgemeinen Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz oder einen Deliktsgerichtsstand für körperlich zugefügte unerlaubte Handlungen, oder bezogen auf die Normierung von Regelungen für bestimmte Zuständigkeitskategorien wie vertragliche und deliktische Ansprüche.30 Der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Politik entschloss sich daraufhin im April 2011 zu weiteren Vorarbeiten und setzte wieder eine kleine Expertengruppe (Expert Group) ein, welche die Chancen des Projekts bewerten sollte. Nachdem die Experten weitere Studien in Bezug auf Regelungen zur internationalen Zuständigkeit forderten,31 beauftragte der Rat im April 2012 eine Arbeitsgruppe (Working Group) zunächst nur mit der Ausarbeitung eines Entwurfes zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen.32 Die Gruppe tagte unter dem Vorsitz von David Goddard aus Neuseeland mit 26 Teilnehmern aus 18 Mitgliedstaaten zwischen Februar 2013 und Oktober 2015 insgesamt fünf Mal. Das vierte Treffen brachte den entscheidenden Durchbruch mit einem Vor(Summary prepared by the Permanent Bureau); die eingesetzte Arbeitsgruppe konzentrierte sich indes nach drei informellen Treffen in den Jahren 2002 und 2003 allein auf Gerichtsstandsvereinbarungen. 27  Convention on Choice of Court Agreements/HGÜ. 28  Vgl. die Statustabelle HGÜ. 29  Zu den einzelnen Organen s. die Geschäftsordnung der HCCH. 30  Continuation of the Judgments Project, Permanent Bureau (Prel. Doc. No 14 of February 2010), S.  6 f.; die Konzentration auf „Kernzuständigkeiten“ lehnt sich dem Minimalkonsens der 19. Konferenz im April 2002 an. 31  Conclusions and Recommendations of the Expert Group (Work. Doc. No 2 of April 2012), S.  2 Nr.  3) h. 32  Conclusions and Recommendations adopted by the Council (17–20 April 2012), S.  3 Nr.  17 f.

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schlag für ein Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen, welcher auf dem fünften Treffen unter geringfügigen Änderungen in einem endgültigen Entwurf der Arbeitsgruppe mündete.33 Im Zuge der Übermittlung des Textes an den Rat schlug die Arbeitsgruppe im November 2015 vor, eine Spezialkommission zur Fertigstellung der Konvention einzusetzen. Gleichzeitig soll nun die Expertengruppe ihre Arbeit wieder aufnehmen, um ein Parallelübereinkommen zu den Entscheidungszuständigkeiten zu erstellen.34 Die Tagung der Spezialkommission im Juni 2016 brachte einen vorläufigen Konventionsentwurf (Draft Convention 2016)35 hervor, der auf dem Entwurf der Arbeitsgruppe aufbaut. 2. Interessenlage der beteiligten Staaten Seit Aufnahme der Projektarbeiten stehen sich die Interessen der beteiligten Mitgliedstaaten gegenüber, die im Verlauf der bisherigen Verhandlungsrunden mehr oder weniger unverändert fortbestehen. Das Augenmerk der US-Amerikaner ist im Besonderen auf die Anerkennung und Vollstreckung ihrer Entscheidungen im Ausland gerichtet.36 Denn bis heute haben die USA keine staatsvertraglichen Anerkennungsübereinkommen in Zivilsachen geschlossen, woran vermutlich auch die Rücksichtnahme des Senates auf die einzelstaatlichen Interessen Schuld hat („The Senate is a graveyard for treaties“).37 Selbst bilaterale Verhandlungen mit Großbritannien sind trotz eines bereits vorliegenden Entwurfes im Jahre 1980 gescheitert.38 Aufgrund des Fehlens solcher Abkommen glaubt man in den USA, die Durchsetzbarkeit US-amerikanischer Urteile sei in Europa schlechter als umgekehrt: Europäische Urteile würden angeblich in den USA ebenso großzügig wie im inneramerikanischen Rechtsverkehr anerkannt, während US-amerikanische Urteile nicht in den Genuss der Urteilsfreizügigkeit der EuGVO kommen und nach strengerem einzelstaatlichen Recht anerkannt würden.39 Die liberale Aner33  Report of the fifth meeting of the Working Group on the Judgments Project and Preliminary Draft Text (Prel. Doc. No 7A of November 2015), Annex. 34  Report of the fifth meeting of the Working Group on the Judgments Project and Preliminary Draft Text (Prel. Doc. No 7A of November 2015), S.  5, Recommendations. 35  2016 Preliminary Draft Convention. 36  So schon v. Mehren, RabelsZ 57 (1993), 449, 454; Silberman, 52 DePaul L. Rev. 319, 321 (2002); Weintraub, Conflict of Laws, S.  794. 37  Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  1504 f.; Schack, ZEuP 2014, 824, 826; zu den Umsetzungsschwierigkeiten auch Pfund, in: FS van Loon (2013), S.  477, 478 ff. 38  Ad referendum Text 16 I.L.M. 71 (1977); dazu v. Mehren, 81 Colum. L. Rev. 1044, 1060 (1981) in Fn.  61. 39  Clermont, 37 Cornell Int’l L.J. 1, 13 f. (2004): „Americans are being whipsawed by the European approach. Not only are they still subject (in theory) to the far-reaching jurisdiction

A. Hintergründe

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kennungspraxis mag im Allgemeinen zutreffen, doch darf man nicht verkennen, dass die non-merger rule für europäische Urteile nicht gilt und daher die Anerkennungszuständigkeit nachzuprüfen ist, genauso wie der public policy-Einwand gegenüber außeramerikanischen Entscheidungen noch erhoben werden darf.40 Außerdem macht der Vorschlag des American Law Institute für ein Bundesgesetz inzwischen die Anerkennung eines ausländischen Urteils vom Bestehen der Gegenseitigkeit abhängig, während dieses Erfordernis in der bisherigen Staatenpraxis nur vereinzelt herangezogen wurde.41 Das Interesse der Europäer ist hingegen darauf gerichtet, europäische Beklagte vor einer unangemessenen Gerichtspflichtigkeit in Staaten wie den USA zu schützen. Von ihrem Standpunkt aus liegt die Bedeutung eines Übereinkommens in der Harmonisierung des außereuropäischen Bereichs, für welchen statt der regional begrenzten EuGVO bislang noch die nationalen Regelungen gelten (z.B. §§  12 ff. ZPO, §  328 ZPO). Den Europäern ist daran gelegen, die Zuständigkeitsvorschriften zu vereinheitlichen und zum Zweck des Beklagtenschutzes exorbitante Zuständigkeiten zu verbieten, auch aus Missliebigkeit gegenüber den Eigenheiten des US-amerikanischen Prozessrechts wie dem discovery-Verfahren und punitive damages.42 Ein Dorn im Auge ist ihnen etwa die tag jurisdiction kraft Zustellung an einen anwesenden Beklagten, vor allem aber die general jurisdiction kraft doing business.43 Daraus resultierte ihr Wunsch nach einer engen Anlehnung des Konventionsentwurfes von 1999 an das EuGVÜ.44 Zwar steht heute ein reines Anerkennungsübereinkommen statt einer umfassenden Konvention unter Einschluss der Entscheidungszuständigkeit im Vordergrund, sodass eine unmittelbare Vereinheitlichung der Gerichtsstände in naher Zukunft wohl nicht zu erreichen ist. Doch übertragen sich hierbei die Ziele der Europäer auf die Ausgestaltung der Anerkennungszuständigkeiten, die aus ihrer Sicht Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit gewährleisten sollen, anstatt nach US-amerikanischem Vorbild die due process-Generalklausel umzusetzen und dabei gar doing business oder die tag jurisdiction zu legitimieren.45 of European courts and the wide recognition and enforceability of the resulting European judgments, but also U.S. judgments tend (in practice) to receive short shrift in European courts.“; Silberman, 52 DePaul L. Rev. 319, 321 (2002); Zeynalova, 31 Berkeley J. Int‘l L. 150, 175 (2013). 40  Zu beiden Ansichten oben Teil 3 A. I. 3. a). 41  §  7 ALI Proposed Statute, vgl. Federal Statute on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments, 2005, Zusammenfassung; zum Vorhaben bereits Teil 3. A. I 3. a). 42  Schack, ZEuP 1993, 306, 316, 319 f.; ders., IZVR, Rn.  134; Schlosser, in: Hague Convention, Conference NYU (1999), Appendix S.  13, 15 f. 43  Gottwald, in: FS Geimer (2002), S.  231, 239; Wagner, IPRax 2001, 533, 534. 44  Hess, IPRax 2000, 342, 343. 45 Vgl. Beaumont, NIPR 2014, 532, 535 ff.; Schack, ZEuP 2014, 824, 834 f.

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Teil 4:  Arbeiten der Haager Konferenz für IPR

In Anbetracht dieser Kontroversen sind die USA und Europa in der Vergangenheit oftmals als Antagonisten in der Haager Verhandlungsrunde beschrieben worden, die im Wesentlichen den Rahmen und Inhalt eines Übereinkommens bestimmen.46 Doch auch die dritte Gruppe, den „Rest of the World“, darf man nicht gänzlich aus den Augen verlieren. Ihr gehören immerhin die wirtschaftlichen Großgewichte Chinas und Japans an, die in ihren Rechtssystemen Elemente des common law und des civil law vereinigen, sowie die mäßigend einwirkenden Staaten Australien und Kanada. Diese Gruppe verbindet trotz der common law-Einflüsse mit den Europäern die Furcht vor den Exzessen des US-amerikanischen Zuständigkeits- und Prozessrechts, ist aber andererseits nicht den Dogmen der EuGVO verhaftet. Sie war in den 1990er Jahren vermutlich das Zünglein an der Waage und hat sich in der Spezialkommission in etlichen Fragen auf die Seite der EU gestellt, weshalb sich die USA benachteiligt sahen und dem Projekt ihre Absage erteilten.47

B.  „Arthur’s Baby“:48 Verhandlungen in den Jahren 1992–2002 I. v. Mehrens Innovation 1. Einleitung des Projektes Nicht nur als Wissenschaftler hat sich v. Mehren über Jahrzehnte hinweg mit der Anerkennung ausländischer Urteile beschäftigt, sondern auch in der Rolle als Verhandlungsführer für die USA. In den 1970er Jahren setzte er sich mit viel Courage für das bereits erwähnte49 Anerkennungsübereinkommen mit Großbritannien ein. Die sog. Convention on the Reciprocal Recognition and Enforcement of Judgments in Civil Matters wurde im Oktober 1976 gezeichnet und erschien zunächst aufgrund derselben Sprache, gemeinsamer Wurzeln im common law und einer bisher unproblematischen Anerkennungspraxis recht erfolgsversprechend.50 Hauptproblem einer Einigung stellten die punitive und multiple damages des US-amerikanischen Rechts dar, die, wenn es nach den Briten gegangen wäre, zunächst jegliche Anerkennung ausschließen sollten. In einem späteren Entwurf von 1978 wurde indes eine vermeintliche Kompromisslösung hinzuge46  Lussier, 24 Brook. J. Int’l L. 31, 44 (1998): „three blocks of countries“: EU, USA und „the Rest of the World“ (Hervorhebungen im Original); diese Ausgangssituation legte auch v. Mehren seinen Überlegungen zugrunde, etwa RabelsZ 61 (1997), 86, 87 ff. 47  Nygh, in: FS v. Mehren (2002), 151, 156. 48  Bezeichnung nach Nygh, in: FS v. Mehren (2002), S.  151. 49  S. A. II. 2. m. w. N. 50  Zu den Gemeinsamkeiten Alford, 18 Colum. J. Transnat‘l L. 119, 121 ff. (1979).

B.  „Arthur’s Baby“: Verhandlungen in den Jahren 1992–2002

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fügt, welche die Schadensersatzhaftung auf die vom Anerkennungsstaat festgelegten Obergrenzen limitierte.51 Wie v. Mehren später erläutert, fürchtete die Lobby der britischen Versicherungswirtschaft weiterhin hohe Schadensersatzsummen in Produkthaftungs- und Kartellsachen.52 Obwohl v. Mehren Berichten zufolge viel Geduld und Überzeugungskraft gegenüber den englischen Vertretern bei ausgedehnten lunch-meetings in Cambridge, Massachusetts, aufwendete,53 sollte ihm eine Einigung letztlich nicht vergönnt sein. v. Mehren waren Hängepartien also schon bestens vertraut, als ihn das US State Department rund zehn Jahre später mit einer neuen Initiative für ein Anerkennungsabkommen von größerem Umfang betraute. Die US-amerikanische Regierung zeigte Interesse an einer weltweiten Konvention unter Leitung der Haager Konferenz, und zwar nicht nur zur Verbesserung der Durchsetzbarkeit US-amerikanischer Urteile in der restlichen Welt, sondern angeblich auch, weil man neidisch den Erfolg des EuGVÜ in Europa beäugte.54 So kam es, dass v. Mehren einen Bericht verfasste, auf dessen Grundlage der Legal Adviser des US State Department, Edwin D. Williamson, am 5. Mai 1992 einen Brief an den Generalsekretär der Haager Konferenz, Georges Droz, schrieb, in dem er die Aufnahme von Arbeiten an einem solchen Projekt vorschlug.55 Die institutionellen Optionen, die aus Sicht der USA für ein neues Übereinkommen bestanden, zeichnete v. Mehren kurz darauf für die Öffentlichkeit nach. Seinem Bericht zufolge stand für die USA ein Beitritt zum Luganer Übereinkommen (LugÜ) zur Diskussion, dem annähernd identischen Parallelübereinkommen zum EuGVÜ vom 16.09.1988 zwischen den europäischen Vertragsstaaten mit den früheren EFTA-Staaten,56 bzw. die Aushandlung eines ähnlichen Übereinkommens.57 Recht schnell ausgeschlossen werden konnten bilaterale Verhandlungen mit einzelnen europäischen Staaten, die v. Mehren als zu zeitintensiv und aufgrund der drohenden Rechtszersplitterung als unbefrie-

51  Aus englischer Perspektive: North, 1 Nw. J. Int‘l L. & Bus. 219, 229 ff. (1979); weitere u. a. kompetenzrechtliche Schwierigkeiten in den USA zeigen: Hay/Walker, 11 Tex. Int‘l L. J. 421 ff. (1976); Smit, 17 Va. J. Int‘l L. 443 ff. (1977). 52  v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 273 f. (1994). 53  Silberman/Lowenfeld, in: FS v. Mehren (2002), S.  121 f. 54  v. Mehren, in: Hague Convention, Conference NYU (1999), S.  60. 55  Letter from Edwin D. Williamson, Legal Adviser of the US Department of State, to Georges Droz, Secretary General of the Hague Conference on Private International Law, 05.05.1992. 56  BGBl.  1994 II 2660, vgl. zuvor Jenard/Möller, Bericht EuGVÜ, ABl.  ( EG) 1990 C 189/57. 57 Dazu v. Mehren, RabelsZ 57 (1993), 449, 455 ff.; ders., 57 Law & Contemp. Probs. 271, 280 ff. (1994); zu Letzterem auch Pfund, 24 Brook. J. Int’l L. 7, 10 f. (1998).

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Teil 4:  Arbeiten der Haager Konferenz für IPR

digend einstufte.58 Hinzukommt, dass die EG zum damaligen Zeitpunkt noch keine Außenkompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge mit Drittstaaten besaß.59 Ein Beitritt der USA zum Luganer Übereinkommen wäre verfahrensrechtlich zwar theoretisch auf Einladung eines Vertragsstaates denkbar gewesen.60 Davon abgesehen, dass in Beitrittsverhandlungen jeder Vertragsstaat hätte Einwände erheben können und v. Mehren eine Einstimmigkeit unwahrscheinlich erschien,61 wären inhaltliche Änderungen des Übereinkommens bei einem Beitritt nicht mehr möglich gewesen. Zugleich waren die Bedenken der Amerikaner gegenüber der im LugÜ statuierten Anerkennungspflicht in Bezug auf diejenigen Entscheidungen groß, die in einem exorbitanten Gerichtsstand ergehen.62 Somit bestand die einzig echte Alternative zum Haager Konventionsmechanismus in einem weiteren Parallelübereinkommen nach dem Muster von Lugano. Hierzu unternahm v. Mehren im Jahr 1991 erste Anstrengungen. Er traf sich im Juli mit den Herren van Rijn van Alkemade und van der Velden vom niederländischen Justizministerium, sowie im November in einer größeren Runde mit den Vertretern White und Hodgson des britischen Justizministeriums (Lord Chancellor’s Department), die von weiteren Regierungsvertretern u. a. aus dem Wirtschaftsressort und aus Schottland begleitet wurden. In beiden Gesprächsrunden vernahm v. Mehren den politischen Willen zu einem Übereinkommen unter Beteiligung der USA, allerdings kamen ihm Bedenken zur Verhandlungsführung der einzelnen Staaten in einer freien Verständigung ohne Dachorganisation.63 Auch der damalige Assistant Legal Adviser des US State Department, Peter Pfund, fürchtete, dass sich die USA in die Rolle eines Bittstellers gegenüber den europäischen Staaten treiben lassen könnten.64 Dies erklärt, warum

58  v. Mehren, RabelsZ 57 (1993), 449, 455; ders., 57 Law & Contemp. Probs. 271, 279 (1994). 59  Dies ist erst seit dem Vertrag von Amsterdam im Jahr 1999 und Inkrafttreten der EuGVO im betreffenden Kompetenzbereich möglich, dazu schon Teil 1 C. II. 2. b) bb), s. von der Groeben/Schwarze/Hatje/Lenzing, Unionsrecht, Art.  81 AEUV Rn.  24. 60  Art.  60 lit.  c, 62 Abs.  1 lit.  b LugÜ 1988; dazu auch Schack, ZEuP 1993, 306, 313. 61  v. Mehren, RabelsZ 57 (1993), 449, 455: „such consent could well be impossible to obtain“. 62  v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 280 ff. (1994): „violate the due process standard“; zu verfassungsrechtlichen Implikationen in Bezug auf das EuGVÜ/LugÜ ausführlich: Brand, 60 U. Pitt. L. Rev. 661, 689 ff. (1999); dazu auch schon Teil 1 B. IV. und sogleich B. III. 63  v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 281 (1994) mit weiteren Angaben zu den Teilnehmern der Treffen in Fn.  41. 64  Pfund, 24 Brook. J. Int’l L. 7, 11 (1998).

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sich die Amerikaner von der globalen Regierungsorganisation der Haager Konferenz eine stärkere Verhandlungsposition versprachen. 2. Struktur einer convention mixte Das Scheitern früherer Übereinkommen sowie die eigene Prozessrechtsvergleichung hatten v. Mehren eine einfache, aber wichtige Erkenntnis gelehrt: Der Brückenschlag über den Atlantik würde nicht allein mit der Auswahl und Zusammensetzung passender Bausteine, sondern nur mit der richtigen Grundkonzeption gelingen. Sein Anliegen war es daher, eine Konzeption zu entwickeln, die sich trotz der Eigenheiten des nationalen Prozessrechts auf die vorhandenen Gemeinsamkeiten stützt, ohne unliebsame Kompromisslösungen zu erzwingen. Demgegenüber war ihm weniger daran gelegen, inhaltliche Vorschläge für einzelne Zuständigkeits- oder Anerkennungsregelungen zu unterbreiten, zumal er damit als Mitglied der U.S-Delegation in der Öffentlichkeit große Angriffsfläche geboten hätte.65 Sein innovatives Regelungsmodell besteht in einer sog. convention mixte, welche aufgrund der Schwächen der herkömmlichen convention simple und double entstanden ist. a) Probleme der herkömmlichen convention simple und convention double Herkömmliche Übereinkommen im Bereich der Urteilsanerkennung sind als convention simple ausgestaltet. Sie enthalten allein Regelungen zu den Anerkennungsvoraussetzungen, fungieren also als reiner Anerkennungsvertrag. Beispiele sind die Haager Konvention von 1971 (HAÜ)66 und die gescheiterten Entwürfe der Anerkennungsübereinkommen zwischen den USA und Großbritannien aus den Jahren 1976/78.67 Eine convention double reicht über den Bereich der Urteilsanerkennung hinaus, indem sie zusätzlich die Verteilung der Entscheidungszuständigkeiten regelt. Sie befasst sich also zweifach mit Zuständigkeitsfragen, einmal in direkter Weise vor Entstehen des Urteils, sowie indirekt in Form einer Anerkennungsvoraussetzung. Archetypen einer solchen Konvention sind das EuGVÜ aus dem Jahr 1968 bzw. die heutige EuGVO und das Parallelübereinkommen von Lugano von 1988 bzw. 2007.68 Diese beiden ÜbereinkomLowenfeld, 57 Law & Contemp. Probs. 289 (1994). S. Teil 3 B. II. 2. m. w. N. zur Konvention, sowie Teil 4 A. I. 67  v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 282 (1994); zum Begriffsverständis und zu Beispielen auch Coester-Waltjen, RabelsZ 59 (1993), 263, 284 ff.; Michaels, in: GS v. Mehren (2007), S.  29, 39; Schack, ZEuP 1993, 306, 314 f. 68  v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 282 f. (1994); ders., IPRax 2000, 465, 467; so auch Clermont, 85 Cornell L. Rev. 89, 90 (1999); Stein/Jonas/Wagner, ZPO, Einleitung vor Art.  1 EuGVO Rn.  1. 65 Ähnlich 66 

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men enthalten jeweils geschlossene Systeme,69 weil die vereinheitlichten Zuständigkeiten abschließend aufgezählt werden und zugleich mit einer Pflicht zur Urteilsanerkennung korrespondieren. Effektiver und umfänglicher ist nach Ansicht v. Mehrens richtigerweise die convention double, denn die Vereinheitlichung der direkten Zuständigkeiten führt zu einer größeren Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bezüglich der späteren Urteilsanerkennung. Sie setze aber selbstverständlich eine Einigung über die Zuständigkeitsanknüpfung voraus und sei deshalb im weltweiten Maßstab schwerer erreichbar. Die Vorbildfunktion der EuGVO leite sich aus einer regionalen Zusammenarbeit von Staaten ab, die auf dem Grundsatz des Vertrauens beruhe,70 und sagt daher in der Tat zunächst wenig über die globale Realisierbarkeit einer convention double aus. Dieser Umstände ist man sich diesseits und jenseits des Atlantiks wohl gleichermaßen bewusst.71 v. Mehren zeigt noch weitere Schwierigkeiten auf, die für ein weltweites Projekt gelten und bis dato kaum bedacht wurden. Sinnvollerweise fragt er zunächst nach dem Nutzen der am leichtesten erreichbaren convention simple. Mittels der Auflistung von Anerkennungszuständigkeiten erkennt der Kläger bei einer convention simple, an welchem der ihm verfügbaren Gerichtsstände die besten Aussichten auf Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung bestehen. Die Wahl zwischen diesen Gerichtsständen kann er weiterhin frei treffen. Im Gegensatz dazu beschränkt sich eine convention double auf eine kleinere Gruppe an Entscheidungszuständigkeiten und minimiert damit forum shopping.72 Daraus zieht v. Mehren den zutreffenden Schluss, dass eine convention simple hauptsächlich dem Kläger diene, während eine convention double die klägerische Forumswahl einschränke. Gleichzeitig bedeute der Nachteil des Klägers einen Vorteil des Beklagten, der vor unzumutbaren Gerichtsständen geschützt werden soll.73 Deshalb sei eine convention double grundsätzlich vorzugswürdig. Allerdings macht v. Mehren auch auf Umsetzungsprobleme einer convention double aufmerksam. Herrscht Streit über die Zuständigkeitsanknüpfung, wie dies bei globalen Verhandlungen zu erwarten war, so bestehe die Gefahr, dass man einen Kompromiss in der Aufnahme aller umstrittener Gerichtsstände suSo die Bezeichnung von Schack, ZEuP 2014, 824, 827. v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 283 (1994); ders., RabelsZ 61 (1997), 86, 88 f.; ders., 24 Brook. J. Int’l L. 17, 23 (1998). 71  Diesseits des Atlantiks etwa Schack, ZEuP 1993, 306, 315; ders., ZEuP 2014, 824, 827. 72  v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 286 (1994). 73  v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 286 (1994); besonders deutlich zum Beklagtenschutz später auch ders., RabelsZ 61 (1997), 86, 89; ders., 24 Brook. J. Int’l L. 17, 24 (1998). 69  70 

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che, anstatt sich auf eine punktuelle Streichung zu einigen. Eine lange Liste von Entscheidungszuständigkeiten setze aber wiederum den Beklagtenschutz herab und schmälere den Grad der Vereinheitlichung, letztlich also den Nutzen der Konvention überhaupt.74 Er bemängelt außerdem die unauflösbare Verknüpfung von direkten und indirekten Zuständigkeiten in geschlossenen Systemen wie der EuGVO. Denn in bestimmten Fällen respektiere nur eine Trennung die gegenläufigen Interessen der beteiligten Staaten; wenn etwa Staat A eine Entscheidungszuständigkeit für Deliktsklagen am Erfolgsort vorsehe, Staat B aber nur an den Handlungsort anknüpfe und die auf dem Gerichtsstand des Erfolgsortes basierenden Klagen nicht anerkennen möchte, so könne man den Erfolgsort auch nur als direkte Zuständigkeit zulassen.75 Ausgehend von diesem Trennungswunsch und den Vorteilen einer convention double entstand sodann die Idee einer Mischkonvention. b) Einführung einer convention mixte und erste eigene Bewertung Die innovative convention mixte, auch mixed convention genannt, gliedert sich in drei Regelungsbereiche. Eine weiße Liste (white list) führt vereinheitlichte Regeln über die internationale Zuständigkeit (required bases) ein. Beruht die Entscheidung des Gerichts eines Vertragsstaates auf einem solchen Gerichtsstand, ist sie in den anderen Vertragsstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken, d. h. die Anerkennungszuständigkeit ist deckungsgleich mit dieser positiven weißen Liste. Der weißen Liste erlaubter Zuständigkeiten steht eine schwarze Liste (black list) gegenüber, die bestimmte (exorbitante) Gerichtsstände verbietet (prohibited bases). Für den Fall der Zuwiderhandlung durch das Erstgericht ist konsequenterweise die Urteilsanerkennung durch das Zweitgericht der anderen Vertragsstaaten ebenfalls untersagt. Zwischen den beiden Kategorien liegt die graue Liste (grey list), die den Vertragsstaaten das Ergreifen der Entscheidungszuständigkeit zwar erlaubt (permitted bases), sie aber nicht zur Anerkennung verpflichtet, welche sich folglich weiterhin nach nationalem Recht bemisst.76 Ob die Zuständigkeiten in der Grauzone enumerativ aufgezählt werden sollen oder nicht, legte v. Mehren zunächst nicht fest,77 wohl unter anderem weil v. Mehren, RabelsZ 61 (1997), 86, 90; ders., 24 Brook. J. Int’l L. 17, 25, 27 (1998). v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 286 (1994). 76  Erste Vorstellung bei v. Mehren, RabelsZ 57 (1993), 449, 457; ausführliche Darstellung mit Schaubild in ders., 57 Law & Contemp. Probs. 271, 283 ff. (1994); daraufhin mit ähnlichem Wortlaut ders., RabelsZ 61 (1997), 86, 89 f.; ders., 24 Brook. J. Int’l L. 17, 26 ff. (1998); ders., IPRax 2000, 465, 468; sowie ders., Adjudicatory Authority, S.  358. 77  v. Mehren, IPRax 2000, 465, 468: „all other bases, whether not susceptible of agreement or not yet known“. 74 

75 

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sie dem „Naturzustand“78 ohne Regelungswerk entspricht. Das bedeutet, die Vertragsstaaten sollen ihre vorhandenen Zuständigkeiten beibehalten können und gegebenenfalls neue Gerichtsstände schaffen. Die convention mixte unterscheidet sich mithin von einer convention double darin, dass kein numerus clausus der Entscheidungszuständigkeiten besteht und eine Liste verbotener Gerichtsstände existiert. Die Grauzone der convention mixte rückt sie in die Nähe der convention simple, welche den Vertragsstaaten ebenfalls ihre autonomen Gerichtsstände belässt und für einige von ihnen die Anerkennung nicht nach dem Übereinkommen reglementiert. Genau genommen handelt es sich bei den drei Regelungsbereichen nicht um ein völliges Novum. Die Innovation v. Mehrens besteht vielmehr in der Abstufung bisher schon bekannter Konventionstypen nach ihrer Regelungsdichte. Der Gedanke einer weißen Kategorie ist der double convention entnommen. Die schwarze Kategorie ähnelt dem Ausschluss exorbitanter Zuständigkeiten in Art.  5 Abs.  2 EuGVO, mit dem Unterschied, dass der numerus clausus der Entscheidungszuständigkeiten in der EuGVO dieses Verbot schon vorgibt und dass Art.  6 Abs.  1 EuGVO die Urteilsanerkennung wie in der weißen Kategorie für Drittstaatensachverhalte öffnet. Der Graubereich schließlich existierte bereits in früheren Abkommen in denjenigen Fällen, in denen man sich nicht auf abschließende Regelungen einigen konnte. Das beste Beispiel ist das HAÜ von 1971, welches eine weiße Liste von Anerkennungszuständigkeiten in Art.  10 und 11 vorsah, in Art.  4 des Zusatzprotokolles einige Zuständigkeiten in einer schwarzen Liste verbot und schlichtweg alles weitere in der Grauzone beließ.79 In der Gesamtbetrachtung bietet die convention mixte weniger Rechtssicherheit als die convention double. Zwar können die Parteien durch einen Blick auf die weiße und schwarze Liste die Klage- und Vollstreckungsaussichten an einem bestimmten Forum leicht vorhersehen. Werden sie dort aber nicht fündig, sind umfangreiche Nachforschungen in verschiedenen nationalen Rechtsordnungen vonnöten. Doch die Rechtsunsicherheit der grauen Liste ist zugleich der größte Vorteil in der Gesamtkonzeption der convention mixte. Denn der Ansatz verspricht maximale Flexibilität bei minimalem Einigungszwang.80 Die Ausgangspositition des Minimalkonsenses der weißen Liste ist weiter ausbaufähig, indem kontinuierlich aus dem status quo der grauen Liste weitere Zuständigkeiten vereinheitlicht werden. v. Mehren/Michaels, DAJV-NL 2000, 124, 127. Zum Übereinkommen m. w. N. s. oben A. I.; zum Graubereich vgl. Juenger, 24 Brook. J. Int’l L. 111, 119 (1998). 80  Die Flexibilität preist v. Mehren als größten Vorteil an: ders., 57 Law & Contemp. Probs. 271, 287 (1994); ders., 24 Brook. J. Int’l L. 26, 28 (1998). 78 

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Mit in die Zukunft gerichtetem Blick spricht v. Mehren von einem „educational effect“81 der convention mixte: Die beteiligten Staaten sollten zur Überprüfung ihres Zuständigkeitsrechts angeleitet werden. Fänden die weißen Zuständigkeitsgründe eine breite Zustimmung, trage dies zur Akzeptanz und Funktionsfähigkeit der Konvention bei und wecke bei den Vertragsstaaten wiederum Anreize zu weiteren Vereinheitlichungen. Hingegen berge die Alternative der convention double die Gefahr, dass Unstimmigkeiten über die Zuständigkeitsgründe sogleich bei Abschluss des Übereinkommens auf der Anerkennungsebene ausgetragen werden. Dort könne eine Zuständigkeitskontrolle über einen weitreichenden ordre public-Vorbehalt durchgeführt oder gar das anwendbare Recht nachgeprüft werden, was v. Mehren ein Dorn im Auge war.82 Schließlich ist noch zu bedenken, dass die convention mixte lediglich die Grundstruktur des Zuständigkeitsrechts betrifft. Weitere Fragen wie die Koordination von Parallelverfahren, der Umgang mit der forum non conveniens-Lehre oder die Gewährung von punitive und multiple damages stellen sich davon unabhängig und ebenso dringlich wie unter einer herkömmlichen Konvention. 3. Herausbildung der neuen Regelungsstruktur im Spiegel früherer Arbeiten In mehreren Punkten ist erkennbar, wie Erkenntnisse v. Mehrens aus früheren Arbeiten zum Zuständigkeits- und Anerkennungsrecht die Konzeption der convention mixte beeinflusst haben. Er lehnt eine convention double ab, weil im transatlantischen Vergleich Unterschiede in der Zuständigkeitsanknüpfung bestünden, die zu einem Streit über eine weiße Liste führen könnten. Daher hält er eine Grauzone für erforderlich. Während andere Rechtswissenschaftler eher von einer Vergleichbarkeit des europäischen und US-amerikanischen Prozessrechts ausgehen,83 verwehrte er sich stets gegen eine Bagatellisierung struktureller Unterschiede und zeigte die „falsche Freundschaft“84 zwischen dem US-amerikanischen Konzept der general/ specific jurisdiction und den europäischen allgemeinen und besonderen Gerichtsständen auf. Seine rechtsvergleichende Betrachtung ergab, dass erstens die general jurisdiction des US-amerikanischen Rechts weiter gefasst ist als der deutsche und europäische allgemeine Gerichtsstand. Zweitens seien die besonderen Zuständigkeiten in Europa gattungsbezogen und folglich als category-specific v. Mehren, RabelsZ 61 (1997), 86, 91; ders., 24 Brook. J. Int’l L. 17, 27 (1998). v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 39 ff. 83 Etwa Brand, in: FS v.  Mehren (2002), S.  11, 18 ff.: „important similarities“, u. a. das actor sequitur forum rei-Prinzip; Juenger, 82 Mich. L. Rev. 1195, 1212 (1984); Schack, IZVR, Rn.  221: Zuständigkeiten seien „in der Sache ganz ähnlich“. 84  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  25 in Fn.  33: „faux amis problem“ (Übersetzung durch die Verf.). 81 

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jurisdiction zu bezeichnen, während die specific jurisdiction einen konkreten Bezug zwischen dem Forum und dem streitigen Anspruch verlange.85 Dieser Befund konnte hier weitgehend bestätigt werden. Das europäische Recht eröffnet einen allgemeinen Gerichtsstand nur am Wohnsitz des Be­ klagten, im US-amerikanischen Recht aber vermitteln mehrere Anknüpfungskriterien zusätzlich zum Beklagtenwohnsitz general contacts, z.B. die schlichte Anwesenheit bei Zustellung des klageeinleitenden Schriftstückes (tag juris­ diction). Nach dem weiter gefassten US-amerikanischen Begriffsverständnis ist auch der besondere Gerichtsstand des Vermögens (§  23 ZPO) als general ­jurisdiction einzuordnen und der Gerichtsstand der Niederlassung (Art.  7­ Nr.  5 EuGVO) als Mischform.86 Das zweite Begriffspaar category-specific/specific unterscheidet sich insofern, als die gattungsbezogenen Einzeltatbestände der category-specific jurisdiction ein Modell formaler Typisierung bilden, wohingegen die specific jurisdiction einer zuständigkeitsrechtlichen Einzelfallabwägung folgt.87 Gleichwohl wurden hier Gemeinsamkeiten erarbeitet, die als Ausgangspunkt einer Konvention dienen können. Allgemein gesagt wird ein Gerichtsstand in beiden Rechtssystemen über einen engen Konnex des Gerichts zum Streitgegenstand oder zum Beklagten vermittelt. Vor allem aber verfolgen beide Prozessrechte vergleichbare Ziele und beruhen auf ähnlichen Begründungsansätzen. Beiden ist ein freiheitliches Modell der internationalen Zuständigkeit inhärent, welches den klägerischen Anspruch auf Zugang zum Recht gegen die fairere Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten abwägt. Dieses Modell kommt in v. Mehrens fairness theory zum Ausdruck, allerdings wirkt entgegen seiner Annahme im US-amerikanischen Recht auch heute noch die von Souveränitätserwägungen geleitete power theory fort.88 Wenn die Unterschiede diesseits und jenseits des Atlantiks also in strukturellen Details bestehen, so liegt es nahe, sie durch Schaffung der grauen Kategorie sichtbar zu machen und zunächst die konsensfähigeren Zuständigkeiten, wie den allgemeinen Gerichtsstand bzw. die general jurisdiction am Beklagtenwohnsitz, in einer weißen Liste herauszuarbeiten. Eine convention double nach Vorbild des EuGVÜ/LugÜ wird v. Mehren außerdem schon deshalb verworfen haben, weil diese Konvention seiner Meinung nach zu Unrecht vom Grundsatz des actor sequitur forum rei ausgeht, welcher dem US-amerikanischen Recht fremd ist.89 85 

S. Teil 1 B. IV. 1. S. Teil 1 B. IV. 2. 87  S. Teil 1 B. IV. 3. 88  S. Teil 1 C. II. und III. 89  S. Teil 1 D.; in diese Richtung auch v. Mehren/Michaels, DAJV-NL 2000, 124, 126; 86 

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Auf der Anerkennungsebene verwundert es zunächst, dass v. Mehren grundsätzlich das ihm unliebsame Spiegelbildprinzip übernommen hat, denn die weiße Liste der Entscheidungszuständigkeiten gilt zugleich für die Anerkennungszuständigkeit. Doch werden in einer multilateralen Konvention im Unterschied zum autonomen Recht (z.B. §  328 Abs.  1 Nr.  1 ZPO) nicht nationale, sondern vielmehr vereinheitlichte Gerichtsstände gespiegelt. Eine Abweichung der ausländischen von der inländischen Regelungssystematik ist nicht möglich, es ergibt sich mithin nicht das Problem der fehlenden Deckungsgleichheit und der daraus resultierenden Nichtanerkennungsfähigkeit. Zudem sind die exorbitanten Gerichtsstände der schwarzen Liste anerkennungsrechtlich nicht zu berücksichtigen, sodass die Parallelität hier nicht zu einer laxen Anerkennungspraxis führt und zugleich keine veralteten Zuständigkeitskonzepte wie die tag jurisdiction übertragen werden. Folglich entfallen die Haupteinwände gegen das Spiegelbildprinzip.90 Zudem ist die weiße Liste nach der Vorstellung v. Mehrens vor dem Hintergrund ihrer Funktion als Anerkennungsvoraussetzung losgelöst von der reinen Zuständigkeitskonzeption, d. h. letztlich als autonome Beurteilungsregel, zu entwickeln. Als solche stufte er nicht zuletzt auch die – seiner Ansicht nach zufriedenstellenden – Anerkennungszuständigkeiten des HAÜ von 1971 ein,91 obwohl sie nicht in Form einer Generalklausel gefasst waren.

II. Resonanz des convention mixte-Vorschlages 1. Haager Konferenz a) Arbeitsphase bis zum Entwurf von 1999 Bei Zugrundelegung des convention mixte-Modells hätte es sich angeboten, die Verhandlungen in Den Haag nach der Projektinitiative im Jahr 1992 vom status quo der grauen Liste aus voranzubringen. Wo breiter Konsens über eine Zuständigkeitsanknüpfung erzielt wird, könnten mehrere nationale Gerichtsstände zu einem vereinheitlichten Gerichtsstand zusammengeführt werden. Die Idee war also, möglichst viele Zuständigkeiten in der neuen weißen Kategorie zusammenzustellen und so die graue Kategorie allmählich zu reduzieren. Die US-amerikanische Delegation führte diesen Vorschlag frühzeitig in die Verhandlungen der Haager Konferenz ein, erstmals im Mai 1992 im Brief des US Legal Advidagegen Schack, ZEuP 1993, 306, 319: „Allgemein akzeptiert ist der Ausgangspunkt des actor sequitur forum rei“. 90  Zu den genannten Nachteilen des Spiegelbildprinzips u. a. in Abwägung gegenüber der Rechtsunsicherheit einer Generalklausel s. Teil 3 B. II. 3. 91  S. Teil 3 B. II. 2.

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sers Williamson an den Generalsekretär Droz,92 sodann im Oktober 1992 im Rahmen der Expertengruppe (Working Group)93 sowie durch v. Mehren persönlich im Rahmen der 17. diplomatischen Gesamtkonferenz.94 In einer ersten Reaktion auf den Vorschlag der USA im Mai 1992 brachte das Ständige Büro zunächst die drei Optionen „traité double, traité simple or an intermediary solution“ vor.95 Eine inhaltliche Stellungnahme erfolgte allerdings nur zu den ersten zwei der genannten Optionen, der convention double und der convention simple. Als Hauptanliegen eines möglichen Übereinkommens identifizierte das Ständige Büro die Reduzierung bzw. den Ausschluss exorbitanter Zuständigkeiten. Diesem Zweck könne eine convention simple nur teilweise dienen, indem Entscheidungen, die an solchen Gerichtsständen ergangen sind, nicht anerkannt werden.96 An einer convention double sei hingegen die Erwartungshaltung der europäischen Staaten problematisch, die auf Grundlage des EuGVÜ/LugÜ verhandelten, obwohl einem solchen Regelungswerk die oberste Auslegungsinstanz des EuGH fehle.97 Daher solle die Struktur einer convention simple als Ausgangspunkt genommen werden, um bei erfolgreichen Verhandlungen eventuell weitere Schritte hin zu einer Normierung der Entscheidungszuständigkeiten zu unternehmen.98 Das Ständige Büro hat hier also die Möglichkeit übersehen, dass anstelle der convention simple eine convention mixte ähnlich leicht auszuhandeln und trotzdem ebenso ausbaufähig gewesen wäre. Zu einem anderen Ergebnis kam eine Expertengruppe, die im Oktober 1992 (zum ersten und einzigen Mal) tagte, indem sie den Vorschlag der USA in ihre Überlegungen einbezog. Um eine bestmögliche Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit für alle Beteiligte zu gewährleisten, sei grundsätzlich eine convention double anzuvisieren.99 Diese Anliegen dienen, wie gesehen, auch dem Interesse des Beklagten. Weit weniger überzeugend ist dagegen das Argument, eine convention simple stifte Verwirrung, weil die Anerkennungszuständigkeiten manchmal als Entscheidungszuständigkeiten angesehen würden.100 Dem 92  Letter from Edwin D. Williamson, Legal Adviser of the US Department of State, to Georges Droz, Secretary General of the Hague Conference on Private International Law, 05.05.1992. 93  Conclusions of the Working Group (Prel. Doc. No 19 of November 1992), Nr.  2 94  Mündlicher Beitrag, v. Mehren, Minutes No 3, Meeting of Thursday 20 May 1993 (morning), in: Hague Conference, Proceedings of the Seventeenth Session (1993), Vol. I., S.  327 f. 95  Some reflections of the Permanent Bureau (Prel. Doc. No 17 of May 1992), Nr.  14 (Hervorhebungen im Original). 96  Some reflections of the Permanent Bureau (Prel. Doc. No 17 of May 1992), Nr.  13, 15. 97  Some reflections of the Permanent Bureau (Prel. Doc. No 17 of May 1992), Nr.  16. 98  Some reflections of the Permanent Bureau (Prel. Doc. No 17 of May 1992), Nr.  17 f. 99  Conclusions of the Working Group (Prel. Doc. No 19 of November 1992), Nr.  2 –4. 100  Conclusions of the Working Group (Prel. Doc. No 19 of November 1992), Nr.  4 .

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Rechtsanwender darf aber nicht jegliche Fähigkeit zum Grundverständnis einer Norm abgesprochen werden, zumal die Anerkennungszuständigkeiten meist deutlich als Anerkennungsvoraussetzung aufgezählt werden. Davon sollte erst recht nicht der Umfang einer für den weltweiten Rechtsverkehr so bedeutenden Konvention abhängig gemacht werden. Aus weiteren Erläuterungen der Expertengruppe geht hervor, dass die favorisierte „convention double“ anders als das EuGVÜ/LugÜ ausgestaltet werden sollte, nämlich mit einem größeren Grad an Flexibilität („a greater degree of flexibility“). Sie umfasste neben den klassischen Elementen einer weißen Liste von vereinheitlichten Zuständigkeiten und einer schwarze Liste verbotener Zuständigkeiten auch eine neuartige Grauzone mit erlaubten Zuständigkeiten.101 Dem Inhalt nach entspricht dies also ganz der convention mixte. Verwirrend ist allerdings, dass die weiße und die schwarze Liste deutlich als Merkmale der convention double bezeichnet werden, die eine solche Zweiteilung und erst recht eine Dreiteilung eigentlich überflüssig macht, weil in einem geschlossenen System mit numerus clausus alle nicht ausdrücklich erlaubten Zuständigkeiten zugleich verboten sind. Zudem greift es schon deshalb zu kurz, die „convention double plus Grauzone“ als convention mixte darzustellen, weil die weiße Liste als Basis angesehen wird und Gerichtsstände nur im Falle eines unlösbaren Dissenses in die graue Liste „abgeschoben“ werden, statt die graue Liste wie bei einer echten convention mixte als Ausgangspunkt zu nehmen. Auch die mündlichen Beiträge in der 17. Konferenztagung im Jahr 1993 zeigen, dass die Teilnehmer der Struktur einer convention mixte misstrauisch gegenüberstanden. Rolf Wagner von der deutschen Delegation hielt Verhandlungen auf der Grundlage der Mischkonvention für „nicht ganz einfach“. Die Vertreter Dänemarks (Mr. A. Philip), Japans (Mr. H. Shimizu) und Australiens (Mr. G. Griffith) bemängelten, dass genaue Untersuchungen zu den Vor- und Nachteilen fehlten; und allgemein war man sich einig, dass sich besser die Spezialkommission mit diesen Fragen beschäftigen solle (so Mr. H. Bull aus Norwegen, Mr. A. Philip aus Dänemark, Mr. H. Mubarak aus Ägypten und Mrs. C. Hagelberg aus Schweden).102 Die Spezialkommission folgte dieser Aufforderung und diskutierte die Konventionsstruktur im Juni des darauffolgenden Jahres. Nach dem geringen Erfolg des als reiner Anerkennungsvertrag ausgestalteten HAÜ von 1971 war man sich inzwischen sicher, in Abweichung zum Vorschlag des Ständigen Büros auch Regelungen zur direkten Zuständigkeit einzubeziehen. Man erörterte, ob den 101 

Conclusions of the Working Group (Prel. Doc. No 19 of November 1992), Nr.  5 f. Mündliche Beiträge, Minutes No 3, Meeting of Thursday 20 May 1993 (morning), in: Hague Conference, Proceedings of the Seventeenth Session (1993), Vol. I., S.  327–330. 102 

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Mitgliedstaaten darüber hinaus ein freier Raum zur Beibehaltung ihrer nationalen Gerichtsstände zugestanden werden sollte („as to whether it should be provided in addition that each State might utilize for assuming jurisdiction which would be neither accepted nor prohibited“).103 Diese Umschreibung des Graubereichs suggeriert, dass eine geringere Regelungsdichte für die Vertragsstaaten von Vorteil ist und erinnert an die Beibehaltung der exorbitanten Zuständigkeiten für Drittstaatensachverhalte nach Art.  6 Abs.  1 EuGVO.104 Doch die Frage hätte viel eher lauten sollen, ob die Aufweichung des numerus clausus durch die convention mixte zu konsensfähigeren und klarer strukturierten weißen Zuständigkeitsregeln führen könnte, selbst wenn oder gerade weil diese von geringerer Anzahl sein werden. Weil die Mehrheit der Kommissionsmitglieder indes eine Schmalspurlösung wie im HAÜ von 1971 ablehnte, passte der Graubereich nicht ins ambitionierte Konzept. Daher sprach sie sich im Ergebnis für eine convention double aus.105 Dem später, im Jahr 1997, veröffentlichten Bericht von Catherine Kessedjian zum Fortschritt der Projektarbeiten ist außerdem zu entnehmen, dass die Befürchtung bestand, eine convention mixte werde den Anreiz verringern, zu Kompromisslösungen bei den vereinheitlichten Zuständigkeiten zu gelangen.106 Doch diesen Geburtsfehler107 der convention double hat die Spezialkommission in den weiteren Verhandlungen bitter bereut. Als sie in der vierten und vorletzten Sitzung im Juni 1999 erkannt hatte, dass über die weißen Gerichtsstände unüberbrückbare Unterschiede entstanden waren, schwenkte sie im letzten Moment noch um und erkannte eine zusätzliche Grauzone an.108 Entsprechend normiert Art.  17 Prelim. Draft 1999109 in Form einer narrativen110 Öffnungsklausel, dass sich der positive Regelungsgehalt lediglich auf die weiße und 103 

Conclusions of the Special Commission of June 1994 (Prel. Doc. No 2 of December 1995), Nr.  6, S.  13. 104  S. zum Interesse der europäischen Staaten an der Beibehaltung ihrer nationalen Eigenheiten Teil 3 C. II. b) bb). 105  Conclusions of the Special Commission of June 1994 (Prel. Doc. No 2 of December 1995), Nr.  6, S.  13, mit entsprechender weißer Liste bei Nr.  11 ff., S.  15 ff. und schwarzer (nicht abschließender, weil automatisch ausgeschlossener) Liste bei Nr.  24 ff., S.  19 ff. 106  International Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters, Report by Katherine Kessedjian (Prel. Doc. No 7 of April 1997), Rn.  152 ff., S.  43 f. 107 Ähnlich Nygh, in: FS v. Mehren (2002), S.  151, 155: „still born“. 108 Vgl. begleitender Bericht von Nygh/Pocar zum Kommissionsentwurf, Preliminary Draft Convention on jurisdiction and foreign judgments in civil and commercial matters of October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000), S.  28; berichtend zu dieser Tagung auch v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  359 f. 109  Preliminary Draft October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000), S.  9, Erläuterungen S.  77 f. 110  Treffende Wortwahl von v. Mehren/Michaels, DAJV-NL 2000, 124, 127.

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schwarze Liste bezieht, alle anderen Gerichtsstände fallen also automatisch unter die graue Liste. Indes hat man es versäumt, die graue Liste konsequent zu nutzen und problematische Bereiche dorthin zu verschieben. Dies hätte sich für eine der beiden Formen des doing business angeboten, denn einerseits findet sich das general doing business in Art.  18 Abs.  2 lit e Prelim. Draft 1999 auf der schwarzen Liste, andererseits konnte keine Einigung bezüglich des transacting business in Form der specific jurisdiction auf der weißen Liste in Art.  9 Prelim. Draft 1999 erzielt werden.111 Lediglich die erst im späteren Verlauf der Verhandlungen aufgekeimten Problemfelder des e-commerce und der Immaterialgüterrechte, die Art.  12 Abs.  4, 5 und 6 Prelim. Draft 1999 zunächst in Klammer setzt,112 wurden der grauen Liste überlassen. Auf der schwarzen Liste des Art.  18 Abs.  2 Prelim. Draft 1999 finden sich etliche exorbitante Gerichtsstände wieder, die auch Art.  3 EuGVÜ/Art.  5 Abs.  2, 76 Abs.  1 lit.  a EuGVO ausschließt, darunter der Vermögensgerichtsstand des §  23 ZPO (lit.  a), die auf die Staatsangehörigkeit des Klägers/Beklagten gestützte Zuständigkeit der Art.  14, 14 frz. Code civil (lit.  b, c) sowie die tag jurisdiction des common law (lit.  f ). Doch die Verbotsliste geht noch darüber hinaus, etwa durch Aufnahme des general doing business-Gerichtsstandes (lit.  e) oder der quasi in rem jurisdiction durch Vermögensbeschlagnahme (lit.  a). Zudem versuchte man, mit einer Generalklausel in Art.  18 Abs.  1 Prelim. Draft 1999 der Schaffung neuer exorbitanter Zuständigkeiten vorzubeugen, indem eine Zuständigkeitsbegründung ohne wesentliche Verbindung zwischen Forum und Streitigkeit bzw. dem Beklagten untersagt wird. Im Interesse eines wirksamen Gläubigerschutzes hat man also die schwarze Liste mit allen denkbaren exorbitanten Gerichtsständen bis zur Maximalgrenze aufgefüllt. Die Erläuterungen zum Entwurf offenbaren, dass sich die Spezialkommission an der convention simple des Haager Abkommens von 1971 orientierte und schlicht dessen Verbotsliste übernahm (mitsamt tag jurisdiction und doing business), ohne einen Verbleib umstrittener Gerichtsstände in der Grauzone zu erwägen.113 In Bezug auf die weiße Liste ist eine Anlehnung an das EuGVÜ erkennbar. Der Konventionsentwurf eröffnet den einzigen allgemeinen Gerichtsstand am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Beklagten, stellt also ebenfalls das actor sequitur forum rei-Prinzip an die Spitze des Zuständigkeitssystems.114 Wie das 111  Preliminary Draft October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000), S.  57 (zum Streit um Art.  9), weitere Ausführungen unten bei B. III. 1. 112  Preliminary Draft October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000), S.  8, 68 f. (Immaterialgüterrechte), S.  4 in Fn.  1 (e-commerce). 113  Preliminary Draft October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000), S.  79 ff. 114  Art.  3 Preliminary Draft Convention 1999 (aber habitual residence statt domicile) sowie Art.  2 EuGVÜ/Art.  4 EuGVO

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EuGVÜ enthält der Entwurf Regelungen zu Gerichtsstandsvereinbarungen und der rügelosen Einlassung des Beklagten,115 besondere Gerichtsstände für vertragliche Ansprüche am Erfüllungsort, für Deliktsklagen am Handlungsort oder soweit vorhersehbar am Erfolgsort116 und lehnt sich besonders eng an den Verbraucher- und Arbeitsgerichtsstand an.117 Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass es sich bei dem Preliminary Draft vom Oktober 1999 nur vordergründig um eine convention mixte handelt. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die europäischen Staaten auf die räumliche Ausdehnung des ihnen vertrauten Rechts der erfolgsgekrönten EuGVÜ/ LugÜ fixiert waren und sich nicht auf ein Zwischenmodell einlassen wollten.118 Zum anderen ist der defizitäre Graubereich im Entwurf von 1999 der Tatsache geschuldet, dass über die weiße Liste nach dem Mehrheitsprinzip abgestimmt wurde119 und ein Zwang zur Einigung nach dem Konsensprinzip fehlte. Damit ignorierte die Konferenz frühe Warnungen,120 dass ein weltweites Zuständigkeitssystem nicht wie ein Handelsübereinkommen nach dem System der Welthandelsorganisation (WTO) entwickelt werden kann, wo jede Errungenschaft mit einer anderweitigen Konzession erkauft werden muss. b) Interim Text von 2001 Nachdem der Vorentwurf aus dem Jahr 1999 bei der US-amerikanischen Delegation auf Widerstand gestoßen und die Diplomatische Konferenz vertagt worden war, änderten sich mit dem neuen Arbeitsentwurf auch die strukturellen Grundzüge. Die Kritik der Amerikaner, die der Assistant Legal Adviser Jeffrey Kovar in seinem Brief vorbrachte,121 bezieht sich erstens auf die Vernachlässigung des flexiblen convention mixte-Modells und den Wunsch nach einer brei115  Art.  4, 5 Preliminary Draft Convention 1999 sowie Art.  17, 18 EuGVÜ/Art.  25, 26 EuGVO (mit Änderungen ggü. dem EuGVÜ). 116  Art.  6, 10 Preliminary Draft Convention 1999 sowie Art.  5 Abs.  1, 3 EuGVÜ/Art.  7 Abs.  1, 2 EuGVO (mit Änderungen). 117  Art.  7, 8 Preliminary Draft Convention 1999 sowie Art.  13 ff. EuGVÜ/Art.  17 ff., 20 ff. EuGVO (mit Änderungen). 118 Ähnlich Hess, IPRax 2000, 342, 343; Silberman/Lowenfeld, in: FS v. Mehren (2002), S.  121, 123; a. A. Wagner, IPRax 2001, 533, 536 (Mitglied der deutschen Delegation), der ohne Einschränkung von einer convention mixte spricht und die Anlehnung an das EuGVÜ positiv bewertet. 119  Dies entspricht dem üblichen Abstimmungsverfahren in der Spezialkommission und der diplomatischen Konferenz, s. Art.  3 Rules of Procedure HCCH, S.  1. 120  Lowenfeld, 57 Law & Contemp. Probs. 289, 302 (1994); später wiederholend Silberman/Lowenfeld, in: FS v. Mehren (2002), S.  121, 123; auch v. Mehren/Michaels, DAJV-NL 2000, 124, 126. 121  Hintergründe bereits oben A. II. 1.

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teren Grauzone. Zweitens kritisieren sie hinsichtlich der Einzelanknüpfungen u. a. Folgendes: den Gerichtsstand des Erfüllungsortes, welcher nicht den Fall der Nichterfüllung erfasse und daher zu eng sei; sowie die starke Anlehnung des Verbrauchergerichtsstandes an das EuGVÜ; den Niederlassungsgerichtsstand, welcher mit seinem Klammerzusatz „and regular commercial activity“ möglichst auch das transacting business erfassen sollte; und den Erfolgsort des Deliktsgerichtsstand, dessen Kriterium der Vorhersehbarkeit nicht dem due process genüge.122 Die daraufhin vorgenommenen Nachbesserungsversuche führten zu den bereits erwähnten zigfachen Klammerzusätzen und Fußnoten im Text der Diplomatischen Konferenz vom Juni 2001. Besonders betroffen sind die wirtschaftlich bedeutenden Gerichtsstände für Verträge (Art.  6 Interim Text 2001) und Verbraucherverträge (Art.  7 Interim Text 2001), die gleich mehrere Alternativen und Varianten enthalten, aber auch der Niederlassungsgerichtsstand (Art.  9 Interim Text 2001) und der Deliktsgerichtsstand (Art.  10 Interim Text 2001).123 Gänzlich gestrichen wurde der Gerichtsstand für Streitgenossen und für Interventionsklagen (Art.  14, 16 Interim Text 2001 mit Streichungsvermerk). Deshalb fielen alle Gerichtsstände kraft persönlichen Zusammenhangs in den Graubereich. In Frage gestellt wurde auch die schwarze Liste des Art.  18 Interim Text 2001. Weil die narrative Öffnungsklausel in Art.  17 Interim Text 2001 zugunsten des nationalen Rechts fortbestehen blieb, wären theoretisch alle diese Normen in Klammerzusätzen der grauen Liste zum Opfer gefallen – doch an einer derart inhaltsleeren Konvention war niemand ernsthaft interessiert. Vielmehr verfolgte die Konferenz weiterhin die halbherzige convention mixte mit möglichst vielen weißen Zuständigkeiten.124 Dies zeigt sich nicht zuletzt am Versuch, im Rahmen von informellen Treffen für einzelne weiße Zuständigkeiten eine Neuregelung zu konzipieren, ohne dass Teilbereiche in den Graubereich verlagert werden sollten. Dazu tagten im Vorfeld der diplomatischen Gesamtkonferenz zwischen Oktober 2000 und April 2001 sechs verschiedene Arbeitsgruppen. Die Arbeitsgruppen wurden in Bezug auf die vertraglichen und deliktischen Ansprüchen ausdrücklich zu einer „Lösung im Rahmen einer Zuständigkeit der weißen Liste“ angewiesen.125 Die weiteren Gruppen beschäftigKovar, A Letter to the Hague Conference on PIL, DAJV-NL 2000, 44, 45 (unter den Punkten „Structure“ und „Jurisdiction“); den Brief auf Deutsch erläutert Otte, DAJV-NL 2000, 43. 123  Hague Conference 2001 Interim Text. 124 Ähnlich Beaumont, NIPR 2014, 532, 533; Silberman, 52 DePaul L. Rev. 319, 324 (2002). 125  So beschreibt der Generalsekretär van Loon den Arbeitsauftrag vor der Ersten Kommission, s. Mündlicher Beitrag, Minutes No 1, Meeting of Thursday 21 June 2001 (morning), 122 

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ten sich gesondert etwa mit Verbraucherverträgen und dem geistigen Eigentum. Als sodann die neuen, hoch komplexen Einzelregelungen mit ihren Alternativen und Varianten zusammengefügt und in der Zweiten Kommission besprochen wurden, kam diese zum Ergebnis: „lack of consensus creates obstacles to progress“.126 Die Zweite Kommission legte daher der Ersten Kommission nahe, den Umfang des Übereinkommens drastisch zu reduzieren, weil weitere Verhandlungen wenig Aussicht auf Erfolg hätten.127 Bei der Anerkennung und Vollstreckung bereitete das Modell der convention mixte strukturell weniger Schwierigkeiten, besonders weil die drei Regelungsbereiche der Entscheidungszuständigkeiten spiegelbildlich auf die Anerkennungszuständigkeit übertragen werden sollten. Stünde also die weiße Liste fest, wüsste man ebenfalls, auf welchem Gerichtsstand eine Entscheidung beruhen muss, um in einem anderen Vertragsstaat nach dem Übereinkommen anerkannt zu werden (Art.  25 Interim Text 2001). Entsprechend dem Vorschlag v. Mehrens richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung für Entscheidungen aufgrund von grauen Zuständigkeiten hingegen nach nationalem Recht (Art.  24 Interim Text 2001) und den fälschlicherweise aufgrund einer schwarzen Zuständigkeit ergangenen Entscheidungen wird die Anerkennung versagt (Art.  26 Interim Text 2001). Im Unterschied zum EuGVÜ schreibt Art.  27 Interim Text 2001 die Überprüfung der Zuständigkeit dem Zweitgericht vor, welches an die tatsächlichen Feststellungen des Urteilsgerichts gebunden ist.128 Die Zuständigkeitskontrolle ist durchaus konsequent, denn erstens ist das Vertrauen in die Justiz anderer Vertragsstaaten bei einem weltweiten Geltungsbereich des Haager Übereinkommens deutlich geringer als unter den europäischen Staaten. Zweitens fehlt ein oberster Gerichtshof wie der EuGH für Entscheidungen über Fragen der direkten Zuständigkeit.129 in: Hague Conference, Proceedings of the Nineteenth Session (2001/2002), Vol. I., S.  586; veröffentlicht wurden lediglich die Ergebnisse dieser informellen Treffen, Informal note on the work of the informal meetings held since October 1999 to consider and develop drafts on outstanding items, (Prel. Doc. No 15 of May 2001). 126  Some reflections on the present state of negotiations on the judgments project in the context of the future work program of the Conference (Prel. Doc. No 16 of February 2002), S.  5. 127  Report of the Chairman of Commission II to Commission I (Work. Doc. No 1 of June 2001), in: Hague Conference, Proceedings of the Nineteenth Session (2001/2002), Vol. I., S.  572. 128  Die Bindungswirkung entfällt bei einem Versäumnisurteil; vgl. v. Mehrens umgekehrt formulierten Grundsatz der Nachprüfung, der nicht bei einem Verhandeln des Beklagten gilt und damit zu ähnlichen Ergebnissen führt, Teil 3 B. III. 129  Die Zuständigkeitskontrolle befürworten auch: Schack, ZEuP 1993, 306, 327; Silberman, 52 DePaul L. Rev. 319, 324 (2002); Wagner, IPRax 2001, 533, 544.

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2. US-amerikanische und europäische Literatur Die von der US-amerikanischen und den europäischen Delegationen in der Haager Konferenz vertretenen gegensätzlichen Positionen setzen sich in der Literatur nur bedingt fort, wo ein vielschichtiges Meinungsspektrum zum Modell der convention mixte zu verzeichnen ist. In den USA geht die schärfste Kritik von Friederich Juenger weit über konzeptionelle Fragen hinaus und richtet sich gegen die Notwendigkeit des gesamten Übereinkommens. In Anbetracht der in den USA belegenen Vermögenswerte globaler Unternehmen sei man selbst nicht auf eine Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen im Ausland angewiesen. Umgekehrt bestünden wegen der liberalen Anerkennungspraxis in den USA für die Europäer wenig Anreize zu einer Einigung.130 Entsprechend harsch fällt sein Urteil über das neue Konventionsmodell aus: Abgesehen von „aesthetic misgivings about an instrument that is neither fish nor fowl“ diene es nur den Eigeninteressen der USA, um der unliebsamen Beschränkungen des Supreme Court über den Graubereich Herr zu werden, und müsse schon deshalb auf Ablehnung im Ausland stoßen.131 Gemäßigtere Stimmen aus der Heimat v. Mehrens halten die Mischkonvention ebenso wenig wie eine convention double für geeignet, die stark divergierenden Positionen der Europäer und Amerikaner zu vereinigen. Die Konvention müsse mit dem geltenden Recht in den USA übereinstimmen, ansonsten sei sie nicht akzeptabel.132 Die größte Herausforderung wird in der Präzisierung der grauen Liste gesehen, welche nicht in einer pauschalen Öffnungsklausel bestehen dürfe, denn damit sei die Rechtssicherheit und folglich die Hauptfunktion des Übereinkommens ruiniert.133 Andere hingegen befinden die Idee einer Dreiteilung an sich für genial („ingenious“), die wie ein Ampelsystem mit einem grünen, roten und gelben Licht funktioniere. Allerdings seien Zusatzvereinbarungen zu schließen, um die Anerkennungspflicht von Gerichtsständen zu verhindern, die potentiell den due process-Grundsatz verletzen.134 Schließlich nahmen im Laufe der zunehmend verfahrenen Verhandlungen die Befürworter zu, die ein gänzliches Scheitern der Unternehmung verhindern wollten. So meinte man, wenn eine Einigkeit

130  Juenger, 28 U.C. Davis L. Rev. 1027, 1043 (1995); ders., 24 Brook. J. Int’l L. 111, 113 ff. (1998). 131  Juenger, 24 Brook. J. Int’l L. 111, 119 f. (1998). 132  Borchers, 24 Brook. J. Int’l L. 157, 160, 164 f. (1998). 133  Clermont, 85 Cornell L. Rev. 89, 118 (1999); so aber Art.  17 Preliminary Draft Convention 1999 und Art.  17 Hague Conference 2001 Interim Text. 134  Lowenfeld, 57 Law & Contemp. Probs. 289, 295 (1994).

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zumindest in wesentlichen Bereichen erreicht werden solle, müssten entsprechend die Ambitionen zurückgeschraubt werden.135 In Europa zeigen sich meist ambivalente Reaktionen. In einer der ersten Stellungnahmen aus Deutschland spricht Haimo Schack von einem „originellen und, wie mir scheint, in seiner Struktur durchaus erfolgversprechenden Vorschlag einer Zwischenlösung“, wobei allerdings nicht „der Weg des geringsten Widerstandes“ eingeschlagen werden dürfe und daher „die Grauzone so klein wie irgend möglich zu halten“ sei.136 Fünf Jahre später revidiert Schack seine Ansicht, denn „inzwischen scheint in den Vorbereitungskommissionen der Haager Konferenz eine realitätsferne Euphorie ausgebrochen zu sein, wenn eine sehr weitgehende Regelung auch der Entscheidungszuständigkeit angestrebt wird, die zugleich dem ,Zeitalter des Internet’ gerecht werden soll. Ein solcher Perfektionismus kann leicht zu einer Todgeburt führen.“137 Er warnt also vor übersteigerten Ambitionen bei der Vereinheitlichung der Gerichtsstände, möchte aber dennoch weiterhin „die weiße Liste der Anerkennungszuständigkeiten möglichst lang und die Grauzone möglichst klein“ 138 halten. Soll aber eine Blockade auf weltweiter Ebene verhindert werden, müsste meines Erachtens die Konsequenz in der Ausklammerung der problematischen Spezialgebiete und der Billigung einer umfangreicheren grauen Liste liegen. Ähnliche Resonanz kommt aus der übrigen Literatur. Dort erkennt man zwar die Flexibilität der Grauzone und die damit einhergehende Möglichkeit zur Erarbeitung von pragmatischen Kompromisslösungen an, erachtet deshalb aber die Rechtssicherheit als gefährdet und fürchtet „zahlreiche Formelkompromisse“.139 Auf Skepsis stößt außerdem die Tatsache, dass die Vertragsstaaten im Graubereich neue exorbitante Zuständigkeiten entwickeln, die in ähnlicher Form auf der schwarzen Liste stehen. Mangels einer übergeordneten Auslegungsinstanz wie des EuGH fehle eine Handhabe gegen eine solche Praxis.140 Vereinzelt wird v. Mehren gar vorgeworfen, nicht aus den Fehlern des im Jahr 1980 gescheiterten Abkommens mit Großbritannien gelernt zu haben und mit dem Instrument der convention mixte bloß die Zuständigkeitsbegründung mittels transacting und general doing business erhalten zu wollen.141 135  Silberman, 52 DePaul L. Rev. 319, 348 (2002): „a retreat to a less ambitious convention should be welcomed“. 136  Schack, ZEuP 1993, 306, 315 f. 137  Schack, ZEuP 1998, 931, 932. 138  Schack, ZEuP 1998, 931. 139  Hess, IPRax 2000, 342, 343 (Zitat in Fn.  16); Schack, ZEuP 2014, 824, 827; Schlosser, U. Kan. L. Rev. 9, 39 (1996). 140  Beaumont, 24 Brook. J. Int’l L. 75, 108 (1998); ähnlich kritisch zur fehlenden Auslegungsinstanz Schlosser, U. Kan. L. Rev. 9, 39 (1996). 141  Baumgartner, Hague Convention, S.  29, 71.

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3. Reaktion v. Mehrens: Verfeinerung der convention mixte v. Mehren wurde nicht müde, seinen Ansatz viele Male zu erläutern und die pragmatischen Vorteile gegenüber einer convention double hervorzuheben.142 Er zeigte sich enttäuscht, dass die Spezialkommission seinen Vorschlag, wie er von der US-amerikanischen Delegation eingebracht worden war, nicht ernsthaft in Betracht zog und sich stattdessen stark am EuGVÜ orientierte.143 Unterdessen stellte er sich die Frage, welcher konkrete Anreiz das EuGVÜ so attraktiv gegenüber einer convention mixte macht und wie dieses Defizit in seinem Modell ausgeglichen werden könnte. Die Antwort glaubt er in der quasi-automatischen Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen gefunden zu haben. Diese erfolge zwischen den europäischen Vertragsstaaten ohne Nachprüfung der Zuständigkeit, denn der EuGH gewährleiste die einheitliche Auslegung und Anwendung der Entscheidungszuständigkeiten.144 Weil der Haager Konvention die oberste Auslegungsinstanz fehle, sei zwar eine Überprüfung nur durch das Zweitgericht möglich und die Anerkennung somit nicht quasi-automatisch, doch diese in Art.  27 Prelim. Draft 1999 festgeschriebene Regel könne für eindeutige Fälle der vereinheitlichten weißen Entscheidungszuständigkeiten durchbrochen werden. Als solche identifiziert er beispielsweise den Beklagtenwohnsitz, aber auch komplexere Anknüpfungspunkte wie den Handlungsort bei Platzdelikten.145 Eine zweite Änderung zur Verbesserung der Anerkennungspraxis betrifft die graue Liste. Hier seien Zuständigkeiten herauszuarbeiten, deren Verwendung dem Entscheidungsstaat zwar weiterhin freigestellt bleibe, aber bei Zugrundelegung durch den Erststaat eine Verpflichtung des Zweitstaates zur Anerkennung und Vollstreckung nach sich ziehe146. Mit diesem zweiten Vorschlag kommt v. Mehren insbesondere der Forderung aus dem eigenen Land nach, die Konvention anerkennungsfreundlicher zu gestalten.147 Vereinfacht gesagt führt diese Abänderung des convention mixte-Modells zu insgesamt fünf Regelungsbereichen. Die weiße und die graue Liste sind jeweils in zwei weitere Kategorien zu unterteilen: Einige der weißen Zuständigkeiten ziehen eine automatische Urteilsanerkennung ohne Zuständigkeitskontrolle nach 142  In späteren Jahren insb. v. Mehren, RabelsZ 61 (1997), 86, 89 ff.; ders., 24 Brook. J. Int’l L. 17, 26 ff. (1998); ders., IPRax 2000, 465, 466 ff.; ders., 49 Am. J. Comp. L. 191, 196 ff. (2001). 143  v. Mehren, in: Hague Convention, Conference NYU (1999), S.  61; ders., 49 Am. J. Comp. L. 191, 197 f. (2001). 144  v. Mehren, in: Hague Convention, Conference NYU (1999), S.  62, Appendix S.  29 ff. 145  v. Mehren, in: Hague Convention, Conference NYU (1999), Appendix S.  29, 38 f., 41. 146  v. Mehren, in: Hague Convention, Conference NYU (1999), Appendix S.  29, 39 f., 42. 147  Lowenfeld, 57 Law & Contemp. Probs. 289, 295 (1994).

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sich, und bei einigen grauen Zuständigkeiten besteht eine Verpflichtung zur Anerkennung, wobei die Zuständigkeit durch das Zweitgericht weiterhin nachgeprüft wird. Neben diesen vier Bereichen bleibt die schwarze Liste unberührt. Die Änderungsvorschläge stellte v. Mehren auf einer Tagung zum Entwurf der Spezialkommission im Jahr 1999 vor internationalem Fachpublikum an der New York University School of Law vor. Der Beitrag wurde zwei Jahre später in einem Tagungsband publiziert. Eine Reaktion der Haager Konferenz und der Wissenschaft blieb bis zum Jahre 2007 aus, als Ralf Michaels die Idee zur Trennung von direkter und indirekter Zuständigkeit aufgriff. Über die Kombination mit den drei Listen entwickelte er insgesamt neun Subkategorien.148 Allerdings verhallte auch dieses Modell ohne erkennbare Resonanz. Insgesamt ist daher der Änderungsvorschlag v. Mehrens als unbedeutend einzustufen. Meiner Ansicht nach ist die weitere Unterteilung zu kompliziert und folgt keinem einheitlichen Muster. Denn das Differenzierungskriterium liegt für die weiße Liste in der Zuständigkeitskontrolle, für die graue Liste aber in der Anerkennungspflicht. Beide sind sehr leicht zu verwechseln. Die Änderung ist damit weniger von praktischen Erwägungen geleitet, als von dem Bestreben, dem EuGVÜ mit einer stärkeren Anerkennungsfreundlichkeit die Stirn zu bieten. Vermutlich wäre v. Mehren besser beraten gewesen, den in der Flexibilität liegenden Vorteil der grauen Liste anhand von Beispielen zu unterlegen, anstatt die für manche Delegationen ohnehin unverständliche Komplexität in einem Theorienkarussell weiter zu potenzieren.

III. Effektivität einer convention mixte: Korrelation zwischen Struktur und Einzelproblemen Die US-Amerikaner führen das Scheitern der Verhandlungen im Jahr 2001 gerne darauf zurück, dass „ihr“ Vorschlag einer convention mixte nicht konsequent verfolgt wurde.149 Aus diesem Grund drängt sich die Frage auf, inwiefern das neue Modell gegenüber der klassischen convention double in der Ausarbeitung des Zuständigkeitssystems konkret von Vorteil gewesen wäre und in Zukunft Abhilfe versprechen könnte. Eine Vereinfachung in der Verhandlungsführung durch den klaren Ausgangspunkt im nationalen Recht der Vertragsstaaten darf nach den vorherigen Ausführungen unterstellt werden. Die Effektivität der convention mixte ist anhand von drei Regelungsbereichen zu untersuchen, in welchen keine Einigkeit erzielt werden konnte. Was den ersten Fall betrifft, das Michaels, in: GS v. Mehren (2007), S.  29, 43 ff. Brand, in: FS v. Mehren (2002), S.  11, 13; v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  359; Silberman, 52 DePaul L. Rev. 319, 324 f., 348 (2002); Silberman/Lowenfeld, in: FS v. Mehren (2002), S.  121, 123. 148  149 

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doing business, ist eine Kompromisslösung mittels der grauen Liste vorstellbar. In den anderen beiden Fällen, den vertraglichen und deliktischen Ansprüchen, scheint dies weniger hilfreich. 1. Kompromisslösung mittels grauer Liste: doing business Die Grauzone der convention mixte bietet sich als Kompromisslösung für solche Fälle an, in denen sich die Verhandlungspartner über die Platzierung eines Gerichtsstandes auf der weißen oder der schwarzen Liste streiten, oder wenn zwei verwandte Gerichtsstände unterschiedlich große Zustimmung finden. Gleich beiden Schwierigkeiten begegnete die Haager Konferenz in Bezug auf die US-amerikanische Zuständigkeitsbegründung mit dem doing business, der geschäftlichen Aktivität des Beklagten. Die Geschäftstätigkeit begründet entweder eine general jurisdiction mit der Möglichkeit zur Erhebung von Klagen jeglicher Art, vorausgesetzt die Kontakte im Forumstaat weisen mindestens eine regelmäßige und planmäßige Qualität (continuous and systematic) auf.150 Einzelne Handlungen des transacting business eröffnen hingegen eine specific jurisdiction, sofern die Klage im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Geschäftstätigkeit steht.151 Die Spezialkommission setzte das zu diesem Zeitpunkt von der US-amerikanischen Rechtsprechung noch ausgedehnt interpretierte152 general doing business in Art.  18 Abs.  2 lit.  e auf die schwarze List verbotener Zuständigkeiten des Prelim. Draft 1999. Hingegen sollte transacting business auf Wunsch der US-amerikanischen Delegation in den Niederlassungsgerichtsstand des Art.  9 Prelim. Draft 1999 in die weiße Liste aufgenommen werden.153 Dieser ist in seinem ersten Teil fast wortgetreu Art.  5 Nr.  5 EuGVÜ (entspricht Art.  7 Nr.  5 EuGVO) nachgebildet, erlaubt dem Geschäftspartner eines ausländischen Stammhauses also die Klageerhebung am Ort der Niederlassung im inländischen Forum. Hinzugefügt wurde das vom EuGH154 ausgebildete Erfordernis des Betriebsbezugs der Streitigkeit. Unterhält der Beklagte zwar keine Niederlassung im Forumstaat, übt Helicopteros v. Hall, 466 U.S.  408, 416 (1984); s. Teil 1 B. II. 4. c). Differenzierung nach v. Mehren/Trautman Teil 1 B. I. 2. c) bb) (2) und zum transacting business Teil 1 B. II. 3., welches ein purposeful availment bzw. inzwischen auch die Zielgerichtetheit („targeted“) des Warenverkehrs auf das Forum voraussetzt, so J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780, 2788 (2011). 152  Vgl. im Anschluss an die Helicopteros-Entscheidung auch die untergerichtliche Entscheidung Frummer v. Hilton Hotels Int’l, 227 N.E.2d 851 (N.Y. 1967); zur neueren Einschränkung auf eine at home-Basis durch Goodyear Dunlop Tires, S.A. v. Brown, 131 S.Ct. 2846, 2851 (2011) oben Teil 1 B. II. 4. c), e). 153  Davon berichtet Nygh, in: FS Juenger (2001), S.  261, 279. 154  EuGH 22.11.1978, Rs. 33/78 (Somafer/Saar-Fernglas), Slg. 1978, 2183 Rn.  13. 150 

151 Zur

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dort aber eine regelmäßige Handelstätigkeit aus, soll der Kläger nach einer Alternative des Art.  9 Prelim. Draft 1999 ebenfalls Klage erheben dürfen, sofern der Rechtsstreit mit dieser Tätigkeit verbunden ist. Bei dieser Erweiterung handelt es sich um eine Form des transacting business. Diese Zuständigkeit steht aufgrund des Leitgedankens der Marktpräsenz teleologisch im Zusammenhang mit dem Niederlassungsgerichtsstand, begründet indes keine Allzuständigkeit für jegliche Klagen gegen das Stammhaus.155 Der Wortlaut „regelmäßige“ Handelstätigkeit deutet an, dass die Anforderungen an die Handlung des Beklagten im Forum höher sind als nach der US-amerikanischen Rechtsprechung und von der Intensität her dem Betrieb einer Niederlassung entsprechen müssen. Eine einmalige Warenlieferung wie im McIntyre-Fall156 würde mithin nicht genügen. Letztlich konnte die Spezialkommission über diese zweite Alternative keine Einigkeit erzielen, weshalb sie in Klammern gesetzt wurde.157 Betrachtet man nun das Verbot des doing business in Art.  18 Abs.  2 lit.  e im Kontext mit Art.  9 Prelim. Draft 1999 unter Einschluss des transacting business, so stößt man auf Abgrenzungsprobleme. Die Abgrenzung wird noch erschwert im Interim Text von 2001, der das transacting business als Anknüpfungsalternative des Vertragsgerichtsstandes erwägt.158 Die US-amerikanische Rechtsprechung differenziert aufgrund der Arbeiten v. Mehrens und Trautmans zwischen general und specific jurisdiction anhand des Streitgegenstandsbezugs, die Details sind indes bis heute umstritten.159 Im Haager Entwurf stellt das Tatbestandsmerkmal der „direkten Verbundenheit zwischen dem Rechtsstreit und der Handelstätigkeit“ das Differenzierungskriterium dar. Die Spezialkommission stellte klar, dass sie „direkt“ nicht im Sinne von „ausschließlich“ verstanden wissen wollte und die Verbindung nicht „rein zufällig“ sein sollte.160 Folglich verläuft die Schnittstelle zwischen der weißen, ausdrücklich vereinheitlichten Zuständigkeit und der schwarzen, verbotenen Zuständigkeit in einem undefinierten und schwammigen Tatbestandsmerkmal, welches durch keinen obersten Gerichtshof ausgelegt werden kann. Weil die Amerikaner aber vermutlich nur ungern auf ihren doing business-Gerichtsstand verzichten wür-

transacting business und doing business im Kontext des Art.  7 Nr.  5 EuGVO ausführlich Teil 1 B. IV. 2. b) bb). 156  J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780, 2782 (2011) (nachgewiesen wurde nur die einmalige Lieferung einer schadhaften Metallschneidemaschine). 157  Preliminary Draft October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000), S.  57. 158  Vgl. Art.  6 Alternative A, Hague Conference 2001 Interim Text. 159  S. Teil 1 B. III. 160  Preliminary Draft October 1999 (Prel. Doc. No 11 of August 2000), S.  58. 155 Zum

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den, bestünde die Gefahr, dass sie den Bezug zwischen der regelmäßigen Handelstätigkeit und der Klage weit auslegen.161 In diesem Fall wäre es ratsam gewesen, die Möglichkeiten der grauen Liste zu nutzen, zumal das transacting business in Art.  9 Prelim. Draft 1999 umstritten war. Die erste Option hätte darin bestanden, general doing business auf die graue Liste zu setzen. An diesem Gerichtsstand hätten also weiterhin sämtliche Klagen gegen geschäftsmäßig tätige Unternehmen in den USA erhoben werden können, was Anreize zur einschränkenden Auslegung des transacting business in Art.  9 Prelim. Draft 1999 geschaffen und damit auch die Europäer in gewisser Weise befriedigt hätte. Zudem wären die Amerikaner mit der Beibehaltung des general doing business vielleicht zu beschwichtigen gewesen, um im Gegenzug andere exorbitante Gerichtsstände wie die tag jurisdiction auf der schwarzen Liste zu belassen. Aus europäischer Sicht vorteilhafter wäre die zweite Option gewesen. Mit dem general doing business auf der schwarzen Liste konnten sich offensichtlich selbst einige Amerikaner anfreunden.162 Inzwischen hat gar der US Supreme Court eine drastische Einschränkung vorgenommen.163 Zugleich hätte das transacting business aus Art.  9 Prelim. Draft endgültig gestrichen und nationalem Recht vorbehalten werden können. Diese Lösung überzeugt vor dem Hintergrund, dass für die USA als Wirtschaftsmagnet die freie Ausübung von Entscheidungszuständigkeiten im eigenen Land wichtiger ist als die weltweite Verbreitung des eigenen Zuständigkeitssystems und die daraus resultierende Vollstreckung im Ausland. Die in den USA eine Handelstätigkeit ausübenden multinationalen Unternehmen könnten weiterhin über transacting business gerichtspflichtig gemacht werden und die resultierenden Urteile wegen der meist reichlich vorhandenen Vermögenswerte auch erfolgreich vollstreckt werden.164 Umgekehrt hätten sicherlich auch die Europäer so manches Zugeständnis machen müssen. Für sie war beispielsweise der Verbraucherschutz ein wichtiges Anliegen, welches weitere Staaten wie Australien mit ihren besonderen Regelungen im Deliktsrecht teilen. Andere Staaten wie die USA verfolgen den Verbraucherschutz aber weniger ambitioniert und suchen allenfalls über ihren tätig161  Diese Gefahr sehen auch Grabau/Hennecka, RIW 2001, 569, 571; ähnlich Gottwald, in: FS Geimer (2002), S.  231, 247. 162  Clermont, 85 Cornell L. Rev. 89, 115 (1999); Weintraub, 24 Brook. J. Int’l L. 167, 187 ff. (1998); in der Rolle als selbsternannter „hypothetical friendly adviser to the United States“ Schlosser, U. Kan. L. Rev. 9, 39, 42 f. (1996); skeptisch Brand, in: FS v. Mehren (2002), S.  11, 27 ff. 163  Goodyear Dunlop Tires, S.A. v. Brown, 131 S.Ct. 2846, 2851 (2011). 164 Vgl. Juenger, 24 Brook. J. Int’l L. 111, 114 (1998); Nygh, in: FS Juenger (2001), S.  261, 280.

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keitsbezogenen Gerichtsstand der specific jurisdiction mit Generalklauseln wie der reasonableness nach Lösungen.165 Folglich fiel die Konzeption einer Regelung in diesem Bereich besonders schwer. Die Vorschläge für Verbraucherverträge erstrecken sich im Interim Text von 2001 über vier Seiten mit drei verschiedenen Alternativen und je zwei weiteren Varianten.166 Vielleicht hätte die Spezialkommission auf den Hinweis aus Deutschland achten sollen, dass sich ein zuständigkeitsrechtlicher Verbraucherschutz erübrigt, sofern der Vertragsgerichtsstand hinreichend verbrauchernah ausgestaltet ist, also etwa durch eine Anknüpfung an den Erfüllungsort bei prozessual autonomer Auslegung.167 Der Verzicht auf eine weltweite Vereinheitlichung wäre jedenfalls nicht völlig abwegig gewesen, wenn man bedenkt, dass die Klagemöglichkeiten für Verbraucher hierzulande aufgrund der Beibehaltung der europarechtlichen Verbrauchergerichtsstände (Art.  15 ff. EuGVÜ/17 ff. EuGVO) in der grauen Liste erhalten geblieben wären. 2. Kompromisslösung innerhalb der weißen Liste: vertragliche und deliktische Ansprüche In Bezug auf einige zentrale Gerichtsstände sind die strukturellen Unterschiede im nationalen Recht der Vertragsstaaten derart konträr gelagert, dass eine sinnvolle Anknüpfung zunächst über eine Kompromisslösung innerhalb der weißen Liste zu suchen ist. Dazu gehören neben dem Gerichtsstand des Vertrages auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung,168 deren Anknüpfungsproblematik hier beispielhaft darzustellen ist. Für beide Anspruchsgruppen nahmen die Haager Verhandlungen einen ähnlichen Verlauf. Die Spezialkommission entwickelte aus den Zuständigkeiten des Art.  5 Nr.  1 und Nr.  3 EuGVÜ (Art.  7 Nr.  1 und Nr.  2 EuGVO) zwei Vorschriften, die im Hinblick auf den globalen Anwendungsbereich leicht modifiziert wurden. Entstanden ist für vertragliche Ansprüche eine Anknüpfungsregel an den Erfüllungsort, der bei Verträgen über die Lieferung von beweglichen Sachen am Ort der vollständigen oder teilweisen Lieferung belegen sein soll, bei Dienstleistungsverträgen am Ort der Erbringung der Tätigkeit und bei gemischten Verträgen am Ort der Erbringung der den Schwerpunkt bildenden VerNygh, in: FS v. Mehren (2002), S.  151 (zu Australien und den USA); aus der amerik. Rspr. etwa Carnival Cruise Lines v. Shute, 499 U.S.  585 (1991); weitere Ausführungen und Nachweise oben Teil 1 B. IV. 3. d). 166  Hague Conference 2001 Interim Text , S.  7–10. 167  Schack, ZEuP 1998, 931, 943; ähnlich aus den USA Silberman, 52 DePaul L. Rev. 319, 325 f. (2002). 168  Auch Schack, ZEuP 1993, 306, 325 meint, dass zumindest die zentrale Frage des Vertragsgerichtsstandes nicht in die Grauzone abgeschoben werden darf. 165 Vgl.

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pflichtung (Art.  6 Prelim. Draft 1999). Der Deliktsgerichtsstand erlaubt Klagen am Handlungsort, sowie darüber hinaus am Erfolgsort, es sei denn, der Beklagte konnte vernünftigerweise nicht vorhersehen, dass seine Handlung zur Verursachung einer derartigen Verletzung am Erfolgsort geeignet war (Art.  10 Abs.  1 Prelim. Draft 1999). Beide Regeln lokalisieren den Sachverhalt schwerpunktmäßig in einem festen Tatbestandsmerkmal.169 Sie sind von den Bemühungen getragen, die konzeptionellen Schwächen des EuGVÜ auszugleichen, die wohl unstreitig in der Qualifikation des Erfüllungsortes lege causae und dem sehr klägerfreundlichen Ubiquitätsprinzip bestanden haben.170 Der Interim Text von 2001 fügte den Gerichtsständen jeweils einen US-amerikanischen Vorschlag hinzu, der das tätigkeitsbasierte transacting business normiert und dabei das Kriterium des purposeful availment durch die Formeln „directed such/frequent activity into that State“ umschreibt (Art.  6 Alternative A und Art.  10 Abs.  2 Interim Text). In Bezug auf den Vertragsgerichtsstand hat eine Arbeitsgruppe den Versuch unternommen, die für das transacting business erforderliche Tätigkeit durch nähere Begriffsbestimmungen zu definieren. Demgemäß müsste der Beklagte alternativ folgende Handlung im Forumstaat vornehmen: (a) das (regelmäßige und nachhaltige) Betreiben der geschäftlichen oder beruflichen Vorhaben zwecks Abschlusses derartiger Verträge; (b) die regelmäßige oder längerfristige Anwesenheit des Beklagten zum Zwecke des Abschlusses derartiger Verträge, sofern der fragliche Vertrag in dem betreffenden Staat zumindest teilweise erfüllt worden ist; oder (c) die Erfüllung eines Vertrages durch die vollständige oder teilweise Erbringung von Dienstleistungen (Art.  6 Alternative A Variant A Interim Text).171 Solche tätigkeitsbezogenen Formulierungen fanden indes nicht bei allen Delegierten Zustimmung.172 Betrachtet man aber die verschiedenen Möglichkeiten, die bei einer Kodifizierung im vertraglichen und deliktischen Bereich überhaupt in Frage kommen, bildet

169 

Die Suche nach dem „center of gravity“ beschreibend: International Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters, Report by Katherine Kessedjian (Prel. Doc. No 7 of April 1997). 170 Vgl. nur Linke/Hau, IZVR, Rn.  5.21 ff. und 5.39 ff.; Nagel/Gottwald, IZVR, §  3 Rn.  58 ff., 63 und Rn.  81. 171  Dazu berichtet (aus der deutschen Delegation) Wagner, IPRax 2001, 533, 538 f., der den Kodifizierungsversuch auf die vorherigen Einwände Deutschlands und Frankreichs gegen ein unbestimmtes transacting business zurückführt. 172  Some reflections on the present state of negotiations on the judgments project in the context of the future work program of the Conference (Prel. Doc. No 16 of February 2002), S.  5 f.

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der relativ komplexe Ansatz der Arbeitsgruppe wohl die einzige Chance auf einen Kompromiss.173 Meines Erachtens bestehen drei Optionen. Erstens könnte sich ein Übereinkommen an der europäischen Zuständigkeitsmethodik orientieren und für die beiden besonderen Gerichtsstände die Verbindung zwischen Forum und Streitgegenstand in einer formalisierten Zuständigkeitsregelung abstrakt-generell festlegen. Regelungstechnisch erfordert diese Option, die Nähe zum Streitgegenstand mittels definierter Anknüpfungsmomente in feste Tatbestände umzusetzen (Paradigma der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit).174 In Bezug auf den Vertragsgerichtsstand lässt sich trefflich darüber streiten, ob der Erfüllungsort tatsächlich stärkere Sach- und Beweisnähe aufweist als etwa der Abschlussort – man denke nur an Geldschulden oder das Weiterverkaufen der Sache.175 Jedenfalls aber bietet er den Vorteil, dass jede Leistung nur einen Erfüllungsort hat und keine Lokalisierungsschwierigkeiten bei Distanzdelikten auftreten.176 Darüber hinaus wird er von den meisten Rechtsordnungen der Welt außerhalb der USA verwendet.177 Während eine autonom prozessuale Definition des Erfüllungsortes in einem weltweiten Übereinkommen sinnvoll wäre, sind mehrere Konkretisierungen nach der Art der Verpflichtung denkbar, wie bei beweglichen Sachen alternativ zum Lieferungsort der vereinbarungsgemäße Standort. Auch im deliktischen Bereich sind mehrere Anknüpfungen möglich, welche das zum forum shopping einladende Ubiquitätsprinzip einschränken könnten: entweder der Handlungsort, um dem due process-Konnex zum Beklagten zumindest im Ansatz gerecht zu werden; nur der Erfolgsort, weil der Handlungsort oft mit dem allgemeinen Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz zusammenfällt und daher weniger Opferschutz bietet; oder wie von der Spezialkommission vorgeschlagen alternativ eine Anknüpfung an beide Orte unter Anhebung der tatbestandlichen Voraussetzungen. Die zweite Option besteht darin, der Linie der US-amerikanischen-Rechtsprechung zu folgen und den Streitgegenstandsbezug auf die Tätigkeit des Beklagten zu fixieren. Regelungstechnisch setzt dies voraus, mittels allgemeiner Grundsätze in jedem Einzelfall den Bezug zum Beklagten zu überprüfen (Paradigma der

Ähnlich positioniert sich Brand, in: FS v. Mehren (2002), S.  11, 24 f. Ausführlich Teil 1 B. IV. 3. b), c) und 4. a), b). 175  Zur Sach- und Beweisnähe beim Erfüllungsort vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art.  5 EuGVO Rn.  8; Gsell, IPRax 2002, 484, 489; Rauscher/Leible, EuZPR, Art.  7 Rn.  8; der Abschlussort wird insb. in England, Brasilien und Schweden bevorzugt, m. w. N. Nagel/Gottwald, IZVR, §  3 Rn.  519. 176  Schack, IZVR, Rn.  289; ders., ZEuP 1998, 931, 936. 177  Befürwortend aus australischer Sicht Nygh, in: FS Juenger (2001), S.  261, 274. 173  174 

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Einzelfallgerechtigkeit).178 Für vertragliche wie für deliktische Streitigkeiten gilt das einheitliche Modell des transacting business/specific jurisdiction in Form von minimum contacts plus reasonableness. Bei Verträgen vermag das purposeful availment wie in der Burger King-Entscheidung des Supreme Court gar zu einem Gerichtsstand am Klägerwohnsitz führen, an dem zwar weder Erfüllungsnoch Abschlussort liegen, sich aber der beklagte Franchisenehmer mit einer hohen Vertragslaufzeit, Verhandlungen mit dem klägerischen Büro und einer Rechtswahlklausel auf die Übermacht des Franchisegebers „eingelassen“ hat.179 Im deliktischen Bereich deuten neuere Entscheidungen darauf hin, dass ein Einbringen von schädigenden Produkten in den Warenverkehr (stream of commerce) allein nicht mehr als Konnex zum Beklagten genügt, dieser vielmehr seinen Warenverkehr zielorientiert auf das Forum ausgerichtet haben muss.180 Die dritte Option ist schließlich eine Kompromisslösung, die einzelne Elemente der beiden Ansätze kombiniert. Ein solcher Mittelweg wird erheblich durch den Umstand erschwert, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen für die USA ein Konnex zwischen Forum und dem Beklagten zwingend in eine Normierung einfließen muss,181 während das Zuständigkeitsrecht in Europa keinen Verfassungsrang hat, aber umso lautstärkere Verfechter.182 Als Kombinationsmöglichkeiten ergeben sich deshalb der Konnex Forum – Beklagter (Baustein a) plus ein Konnex Forum – Streitgegenstand (Baustein b) plus/oder alternativ die schwerpunktmäßige Typisierung des jeweiligen Konnexes in festen Tatbestandsmerkmalen (Baustein c). Eine solche Kombination haben die Verhandlungspartner in Den Haag – leider erfolglos – getestet. Der Vorschlag der Arbeitsgruppe zum Vertragsgerichtsstand in Art.  6 Alternative A Variante A Interim Text 2001 kombiniert alle drei Möglichkeiten, nämlich transacting business (Baustein a) mit einer Definition der geschäftlichen Tätigkeiten im Forum, die eine Verbindung zum Streitgegenstand herstellen (Baustein b), an möglichst genau bezeichneten Orten (Baustein c). Auch der Deliktsgerichtsstand in Art.  10 Abs.  1 Prelim. Draft 1999/Interim Text 2001 versucht sich an einer Kombination des Konnexes Forum – Streitgegenstand in Form des Erfolgsortes (Baustein b und c) mit dem Kriterium der Vorhersehbarkeit des Schadens für den Beklagten, welches einen Konnex Forum – 178 

Ausführlich Teil 1 B. IV. 3. b), c) und 4. a), b). Burger King Corp. v. Rudzewicz, 471 U.S.  462, 480 (1985), vgl. Teil 1 B. II. 3. d). 180  J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780, 2788 (2011); Walden v. Fiore, 134 S.Ct. 1115, 1123, 1125 (2014); vgl. Teil 1 B. II. 3. f). 181  Deutlich dargestellt von Brand, 60 U. Pitt. L. Rev. 661, 689 ff., 701 ff. (1999); ders., in: FS v.  Mehren (2002), S.  11, 18 ff.; zu den Auswirkungen des US-amerikanischen-Verfassungsrechts auf die Haager Konvention auch Baumgartner, Hague Convention, S.  169 ff. 182 Etwa Schack, ZEuP 1998, 931, 932 ff. 179 

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Beklagter (Baustein a) herstellen soll. Allerdings genügte den Amerikanern die Vorhersehbarkeit nicht für diesen Konnex, denn der Supreme Court stellte ausdrücklich fest: „Foreseeability alone has never been a sufficient benchmark for personal jurisdiction […] This is not to say, of course, that foreseeability is wholly irrelevant. […] Rather, it is that the defendant‘s conduct and connection with the forum State are such that he should reasonably anticipate being haled into court there.“183

Anders als für den Vertragsgerichtsstand wäre es für den Deliktsgerichtsstand in letzter Konsequenz wohl noch möglich, das Hintertürchen der grauen Liste zu öffnen, indem Distanzdelikte von den Platzdelikten getrennt und dorthin verschoben werden. Im Ergebnis verdeutlichen die drei genannten Optionen, dass im vertraglichen und deliktischen Bereich nur eine Kompromisslösung sinnvoll ist, welche im Rahmen der weißen Zuständigkeitsliste zu suchen ist, und eine Regelungslücke auf der grauen Liste nur in Ausnahmen in Betracht kommt.

IV. Abschließende Bewertung des Beitrags v. Mehrens v. Mehren hat einen wesentlichen Beitrag zu den Verhandlungen über das Haager Zuständigkeits- und Vollstreckungsabkommen in den 1990er Jahren geleistet, indem er eine federführende Rolle in der US-amerikanischen Delegation im Stadium der Projektinitiative übernahm, besonders durch seinen innovativen Strukturvorschlag einer convention mixte. Das Modell der Mischkonvention ist zunächst auf Skepsis und Ablehnung gestoßen. In der Haager Konferenz fehlte verschiedenen Delegationen die Bereitschaft zur Akzeptanz einer „unvollständigen“ Konvention, weil sie von der Vorstellung einer optimalen Lösung einer traditionellen convention double voreingenommen waren. Erst im Juni 1999 erkannte die Spezialkommission aufgrund unlösbarer Differenzen und neu aufkeimender neuer Problemfelder die Vorzüge einer grauen Liste. Diese hätte indes stärker nutzbar gemacht werden sollen, insbesondere im Bereich des doing business oder gar bei Verbraucherverträgen. Der Vorteil eines dritten, grauen Regelungsbereichs, welcher neben die Vereinheitlichung der Zuständigkeitsvorschriften auf einer weißen Liste und die schwarze Verbotsliste tritt, liegt in der Schaffung von Freiräumen für das nationale Recht der beteiligten Staaten. Ein solch „offenes“ System erlaubt die Beibehaltung nationaler Eigenheiten und minimiert damit Umsetzungsschwierigkeiten im nationalen Recht, ermöglicht eine Anpassung an aktuelle 183  World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S.  286, 295–297 (1980) (Hervorhebung im Original), s. Teil 1 B. II. 3. c).

C.  Ideengut v. Mehrens in den Anschlussprojekten

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Veränderungen des Zuständigkeitsrechts und verspricht auf lange Sicht einen Vereinheitlichungseffekt durch schrittweise Annäherung der Rechtssysteme. Die in Deutschland und anderen civil law-Staaten laut gewordenen Bedenken hinsichtlich der Rechtsunsicherheit im Graubereich spiegeln die gegenüber dem common law charakteristische Furcht vor einer flexiblen Zuständigkeitsmethodik wider. Sie sind aber insofern verfehlt, als die graue Liste den natürlichen Ist-Zustand ohne jegliches Übereinkommen darstellt. Die convention mixte belässt also nur für einen bestimmten Bereich den Grad an Rechtsunsicherheit, wie er auch schon vorher im gesamten Bereich bestand. Der Verunsicherung hätte v. Mehren mit einer Aufzählung konkreter Beispiele für die jeweiligen Listen vorbeugen können, worauf er aber aus verhandlungstaktischen Gründen verzichtet hat. Daneben beruhte die Ablehnung der Europäer vermutlich auf dem angestrebten Verbot der exorbitanten Zuständigkeiten des US-amerikanischen Rechts, um einheimische Unternehmen vor einer kostenintensiven Prozessführung in den USA zu schützen. Die Grauzone hätte diesbezüglich einen Rückschritt gegenüber einer schwarzen Liste bedeutet. Für Kompromisslösungen erweist sich die convention mixte in solchen Fällen als effektiv, in welchen die Zuständigkeitsregelung nicht zum Kernbereich eines Übereinkommens gehört und die entgegengesetzten Standpunkte nicht durch einen neuen methodischen Systemansatz vereinheitlicht werden müssen. So wären in den Haager Verhandlungen die strukturellen Unterschiede zwischen den besonderen Gerichtsständen des europäischen Rechts und der specific jurisdiction im US-amerikanischen Recht nur im Rahmen der weißen Liste zu lösen gewesen. Die convention mixte ist folglich kein Allheilmittel gegen Streitigkeiten über die Zuständigkeitsmethodik, aber doch ein vielversprechendes Hilfsmittel bei der Erarbeitung künftiger Übereinkommen.

C.  Ideengut v. Mehrens in den Anschlussprojekten Im Vergleich zum gescheiterten Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommen, an welchem v. Mehren mit Leib und Seele mitwirkte, sind in den geschrumpften Anschlussprojekten wenig Einflüsse seines Wirkens zu finden. Eher noch kann von gewissen Parallelen die Rede sein. Am Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen war v. Mehren selbst noch aktiv beteiligt und durfte als Vizepräsident der 20. Diplomatischen Konferenz im Juni 2005184 die Umsetzung des von ihm im Jahre 1992 eingeleiteten Projekts 184  Teilnehmerliste in: Hague Conference, Proceedings of the Twentieth Session (2005), Vol. III., S.  484.

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Teil 4:  Arbeiten der Haager Konferenz für IPR

erleben. Die Konvention bildet trotz ihres geschmälerten Umfanges den „krönenden Abschluss“185 seiner Karriere als Verhandlungsführer in der Haager Konferenz. Auch nach dem Tod v. Mehrens im Januar 2006 lebt sein Vermächtnis eines weltweiten Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommens fort, das seit dem Jahr 2010 als sog. Judgments Project neu aufgelegt wird.

I. Gerichtsstandsübereinkommen (2005) Vor dem Hintergrund des drohenden Scheiterns der gesamten bisherigen Verhandlungen, verkörpert das Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ) den am ehesten konsensfähigen, kleinsten gemeinsamen Nenner186 aus über zehn Jahren Arbeit der Haager Konferenz. Nachdem die Kommission das Projekt im April 2002 in Gang gebracht hatte, übergab sie zunächst Vorarbeiten an eine informelle Arbeitsgruppe. Sodann präsentierte eine Spezialkommission zwei Entwürfe in den Jahren 2003 und 2004,187 die schließlich in einem endgültigen Konventionstext188 im darauffolgenden Jahr mündeten. Gegenüber dem umfangreichen Zuständigkeits- und Vollstreckungsabkommen, wie es v. Mehren in den 1990er Jahren konzipierte, ist das HGÜ als klarer Rückschritt zu werten.189 Es beschränkt sich auf Regelungen zur Zuständigkeitsbegründung durch ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen und zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, die in einem als ausschließlich vereinbarten Gerichtsstand ergangen sind,190 anstatt ein allgemeines Zuständigkeits- und Anerkennungssystem zu errichten. Die Reduzierung gegenüber dem ursprünglichen Vorhaben beschreiben die Berichterstatter Hartley und Dogauchi mit dem Begriff der convention mixte. Der positive Regelungsumfang erschöpfe sich in nur einem Gerichtsstand auf der weißen Liste, während eine schwarze Liste überhaupt nicht vorhanden sei. Eine graue Liste existiere nur insofern, als erstens alle anderen nationalen Zuständigkeiten unberührt bleiben und zweitens verschiedene Materien wie Verbraucherverträge ausgeschlos-

185  Symeonides, 53 Am. J. Comp. L. 531, 541 (2005) mit Verweis auf Silberman/Lowenfeld, in: FS v. Mehren (2002), S.  121, 122, die im Jahr 2002 über den Erfolg des Übereinkommens nur spekulieren konnten. 186 So Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 108. 187  Vgl. Chronologie HGÜ. 188  Convention on Choice of Court Agreements/HGÜ. 189  Speziell in diesem Vergleich auch Rühl, IPRax 2005, 410, 415. 190  Vgl. Art.  3 HGÜ mit Definition einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung, Zuständigkeitsregelungen in Art.  5 ff. HGÜ und Anerkennungs- und Vollstreckungsvoraussetzungen in Art.  8 ff. HGÜ.

C.  Ideengut v. Mehrens in den Anschlussprojekten

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sen seien.191 Daran wird deutlich, dass sich die Methodik der Unterteilung von Zuständigkeiten in Bereiche mit unterschiedlicher Regelungsdichte192 bei der Erarbeitung einer Konvention etabliert hat. Insofern ist die Struktur einer convention mixte gewissermaßen als „Arbeitsmittel“ bekannt. Allerdings bringt die Bezeichnung des einzigen Gerichtsstandes als weiße Liste keinen Erkenntnisgewinn über die allgemeine Struktur. Hilfreicher wäre es, hier von einer convention double von geringem Regelungsumfang zu sprechen, denn dies verdeutlicht die Erstreckung der Konvention sowohl auf die Entscheidungszuständigkeiten, wie auch auf die Urteilsanerkennung. In Struktur und Regelungsgehalt ähnelt das HGÜ somit dem erfolgreichen New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche aus dem Jahr 1958.193 Der positive Anwendungsbereich des Übereinkommens, der sich gem. Art.  1, 3 HGÜ auf alle ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen in internationalen Zivil- und Handelssachen erstreckt, wird in negativer Hinsicht durch Art.  2 HGÜ erheblich eingeschränkt. Den Ausschluss bestimmter Materien kommentierte v. Mehren selbst noch als „bedauerlich“, da er „die Bedeutung des Übereinkommens schmälert“, „aber als Kompromiss unumgänglich“ sei.194 Betroffen sind Verbraucher- und Arbeitsverträge (Abs.  1 lit.  a, b), Personenstandssachen, Regelungen zur Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie zur gesetzlichen Vertretung natürlicher Personen (Abs.  2 lit.  a), außervertragliche Ansprüche (Abs.  2 lit.  j, k) und Fragen zur Verletzung von Immaterialgüterrechten (Abs.  2 lit.  o). Weil die Vertragsstaaten zudem weitere Materien durch Erklärung ausschließen können (Art.  21 HGÜ), wird auch in der Literatur der eingeschränkte Anwendungsbereich als große Schwäche der Konvention gewertet.195 Die durch das Übereinkommen festgeschriebenen Grundregeln zur internationalen Zuständigkeit setzen die Programmatik v. Mehrens in die Realität um. Ihr Kerngehalt besteht in der Verpflichtung des vereinbarten Gerichts, den Rechtsstreit zu entscheiden (Art.  5 HGÜ), sowie in der grundsätzlichen Aussetzung des Verfahrens bzw. der Klageabweisung durch ein nicht vereinbartes Gericht (Art.  5 HGÜ). Dadurch schafft das Übereinkommen Rechtsklarheit und Vorhersehbarkeit für den zunehmend grenzüberschreitenden Wirtschaftsver191  Report on the Preliminary Draft Convention on Choice of Court Agreement, by Hartley/Dogauchi („First Report“) (Prel. Doc. No 25 March 2004), Rn.  7. 192  S. B. I. 2. a). 193  BGBl.  1961 II 121; so auch Teitz, 53 Am. J. Comp. L. 543, 546 (2005); Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 108. 194  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  372; ein Ausschluss des Abs.  2 gilt gem. Abs.  3 allerdings nur, wenn die Angelegenheit den Gegenstand des Verfahrens und nicht bloß eine Vorfrage oder Einwendung darstellt. 195  Rühl, IPRax 2005, 410, 412, 415; Thiele, in: GS v. Mehren (2007), S.  63, 71 ff.; Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 141 f.; a. A. Schulz, 2 J. Priv. Int’l L. 243, 249 (2006).

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Teil 4:  Arbeiten der Haager Konferenz für IPR

kehr und forciert globale Transaktionen sowie die Urteilsfreizügigkeit. Es legt die Grundsteine für eine weitere internationale Kooperation und Harmonisierung des Prozessrechts, die stets ein zentrales Anliegen v. Mehrens waren196 und insofern sein Vermächtnis fortführen.197 Vor allem aber sind die klaren Zuständigkeitsregelungen eine Hommage auf die Parteiautonomie, welche sich gegenüber der durch Gesetz verliehenen Rechtsmacht des Gerichtes durchsetzt. Mit dieser Gewichtung tat sich das common law lange Zeit schwer,198 v. Mehren aber sprach der Einigung der Parteien ein großes Maß an Legitimität zu.199 In diesem Zusammenhang setzte sich v. Mehren für die grundsätzliche Beachtlichkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen ein und für eine Annäherung der US-amerikanischen Rechtsprechung an die Rechtswirkungen solcher Vereinbarungen in Europa.200 Denn das US-amerikanische Recht kannte früher keine Derogationswirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung, ein solcher Ausschluss der gesetzlich eröffneten Zuständigkeit wurde als unzulässige „Verdrängung“ des Gerichts durch die Parteien gewertet, die Unordnung und Verstöße gegen die öffentliche Ordnung erzeuge (non ouster-Prinzip).201 Erst 1972 entschied der US Supreme Court in der Entscheidung M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Co. zum Seehandelsrecht, dass Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich beachtlich seien („prima facie valid“) und durchgesetzt werden müssen, sofern sie nicht wie in diesem Fall – weil angeblich nicht völlig frei ausgehandelt – „unreasonable“ seien.202 Zwanzig Jahre später erklärte das Gericht in Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute allerdings sogar eine Klausel für wirksam, die auf einem Kreuzfahrtticket eines Ehepaars aus Washington abgedruckt war und die Gerichte Floridas 196  v. Mehren, 63 B.U. L. Rev. 279, 285, 340 (1983); ders., 57 Law & Contemp. Probs. 271, 278 f. (1994); ders., Adjudicatory Authority, S.  353: „Greater interpenetration clearly must result from the enormous increase in cross-border and inter-system activity that has occurred in the last half century as well as the related willingness of most legal systems to give increasing recognition to private autonomy by both tempering mandatory rules of law and allowing parties greater freedom to choose the forum in which to litigate and the law to be applied.“ 197  Diesen Beitrag v. Mehrens zum HGÜ würdigen ausdrücklich Teitz, 53 Am. J. Comp. L. 543, 544 (2005); Thiele, in: GS v. Mehren (2007), S.  63 (HGÜ als „Arthur’s final legacy“). 198  Schack, Einführung, Rn.  78. 199  Im Zusammenhang mit Gerichtsstandsvereinbarungen: v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  209: „The fundamental advantage of private autonomy is that it serves to stimulate the initiative and prudence of those making decisions; it is they who will largely reap the benefits and suffer the harms that result.“ 200  v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  214 ff.; bzgl. einer reinen Prorogation auch ders./Trautman, 79 Harv. L. Rev. 1121, 1138 (1966). 201  Erläuterungen m. w. N. bei Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  534 ff.; Solimine, 25 Cornell Int‘l L. J. 51, 54 f. (1992). 202  407 U.S.  1, 10 f. (1972); dazu Casad/Richman/Cox, Jurisdiction, S.  50 ff.; Schack, IZVR, Rn.  547.

C.  Ideengut v. Mehrens in den Anschlussprojekten

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prorogierte, ohne einen verbraucherrechtlichen Zuständigkeitsschutz zu beachten.203 Damit setzte ein von v. Mehren begrüßter Trend zur generellen Akzeptanz der Derogation ein,204 welcher notwendige Voraussetzung für eine weltweite Konvention unter Beteiligung der USA war. Europäer bewerten die Zuständigkeitsregelung des Art.  5 HGÜ besonders deshalb als begrüßenswert, weil es dem gewählten Gericht nach Abs.  2 untersagt ist, sich mit der Begründung für unzuständig zu erklären, dass die Gerichte eines anderen Staates besser zur Entscheidung der Rechtsstreitigkeit geeignet seien.205 Damit ist den US-amerikanischen Gerichten die Anwendung der Lehre vom forum non conveniens im Grundsatz206 verboten, die trotz genereller Beachtlichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung diese nur als einen von mehreren relevanten Faktoren werten.207 Spiegelbildlich ist der Grundsatz der Aussetzung bzw. Abweisung des Verfahrens gem. Art.  6 HGÜ nicht durch Erlass einer antisuit injunction zu umgehen.208 Allerdings darf ein nicht vereinbartes Gericht ausnahmsweise doch über den Rechtsstreit entscheiden, insbesondere wenn die Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Recht des vereinbarten Gerichts unwirksam ist (Art.  6 lit.  a), die Berücksichtigung der Vereinbarung zu „offensichtlichen Ungerechtigkeiten“ führen oder gegen den ordre public verstoßen würde (Art.  6 lit.  c) oder die Durchsetzung der Vereinbarung aus außergewöhnlichen Gründen, die sich dem Einfluss der Partei entziehen, nicht zumutbar ist (Art.  6 lit.  d). Während man sich in Europa mit den Ausnahmetatbeständen und darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffen gerade noch abfinden kann,209 hätte v. Mehren vermutlich eine noch weitgehendere Befugnis des nicht vereinbarten Gerichts befürwortet.210 Denn er schätzte Flexibilität sowie richterliches Ermessen und 203 

499 U.S.  585, 593 (1991). v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  219 f.; vgl. auch Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, S.  396 f., 541. 205  Rühl, IPRax 2005, 410, 412, 415; Wagner, RabelsZ 73 (2009), 100, 145. 206  Bei einer Erklärung eines Vertragsstaates nach Art.  19 HGÜ können dessen Gerichte aber zugunsten eines neutralen Gerichts die Zuständigkeit verneinen. 207  Allgemein zur Doktrin vom forum non conveniens Teil 2 A. II. 1. a); aus der Rspr.: Royal Bed & Spring Co., Inc. v. Famossul Industria e Comercio de Moveis Ltda., 906 f.2d 45, 51 (1st Cir. 1990) (Gerichtsstandsvereinbarung nur ein Faktor von vielen); andererseits AAR International, Inc. v. Nimelias Enterprises S.A., 250 f.3d 510, 525 (7th Cir. 2001) (Gerichtsstandsvereinbarung überwiegt i.d.R.); zum komplexen Zusammenspiel der beiden Lehren: Brand/Jablonski, Forum non conveniens, S.  191 ff.; Gebauer, IPRax 2012, 555, 558 f. 208  Report on the Preliminary Draft Convention on Exclusive Choice of Court Agreement, by Hartley/Dogauchi („Second Report“) (Prel. Doc. No 26 December 2004), Rn.  121. 209 Rauscher/Weller, EuZPR, Einf. HProrogÜbk 2005 Rn.  25 („abschließend eng begrenzte Ausnahmen“);Thiele, in: GS v. Mehren (2007), S.  63, 87. 210 Vgl. v. Mehrens eigene Andeutung in: Adjudicatory Authority, S.  372 f.; sowie speziell 204 

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Teil 4:  Arbeiten der Haager Konferenz für IPR

wollte diese auch in einem internationalen Abkommen verwirklicht wissen.211 Sein Wunsch einer moderaten forum non conveniens-Doktrin in Form von enumerativ aufgeführten Ermessensfaktoren ging mit der Normierung der Art.  22, 23 Interim Text von 2001 in Erfüllung. Die Ausnahmetatbestände des Art.  6 HGÜ blieben jedoch deutlich hinter seinen Vorstellungen zurück. Unter einem anderen Blickwinkel trifft Art.  6 HGÜ jedoch ein zentrales Anliegen v. Mehrens. Dadurch, dass ein nicht vereinbartes Gericht auch dann nicht über die Rechtssache bzw. die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden darf, wenn es zuerst angerufen wird, kommt das Prioritätsprinzip von vornherein nicht zur Anwendung. Folglich werden Torpedoklagen verhindert und die zu Art.  27 ff. EuGVO a. F. ergangene, von v. Mehren bekämpfte,212 Gasser-Rechtsprechung213 umgekehrt. Nicht mehr das race to the courthouse bestimmt also den Gerichtsstand, sondern allein die Parteiautonomie. Auch der europäische Gesetzgeber hat diesen Ansatz inzwischen in Art.  31 Abs.  2 EuGVO n. F. übernommen.214 Betrachtet man schließlich noch die durch das HGÜ geregelte Anerkennung und Vollstreckung, erfüllt das Übereinkommen ganz den von den Amerikanern beabsichtigten Zweck, der bereits dem ersten Vorstoß im Jahre 1992 zugrunde lag. Haben US-amerikanische Unternehmen bislang Schiedsklauseln gegenüber Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Rechtsverkehr bevorzugt, weil sie sich der Anerkennung ihrer Entscheidungen im Ausland nicht sicher sein konnten,215 dient das Übereinkommen ihnen nun zum „Export“ der eigenen Entscheidungen.216

II. Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen (Wiederaufnahme 2010) Dass ein Übereinkommen kleineren Umfangs als Katalysator für ein größeres Projekt wirken kann – die Idee der convention mixte –, beweist nunmehr die nach erfolgreichem Abschluss des HGÜ beschlossene Wiederaufnahme des in Bezug auf den Wunsch v. Mehrens auch Teitz, 53 Am. J. Comp. L. 543, 554 in Fn.  46 (2005). 211  Ausführlich Teil 2 A. II. 1. 212  S. Teil 2 A. II. 2. a) bb), insb. v. Mehren, Adjudicatory Authority, S.  301 ff. 213  EuGH 09.12.2003, Rs. C-116/02 (Gasser/MISAT), Slg. 2003, I-14693 Rn.  47 ff. 214  Vgl. den Verweis auf das HGÜ in der Begründung des Kommissionsvorschlags, KOM(2010) 748 endg., S.  5, 10. 215 So Teitz, 53 Am. J. Comp. L. 543, 555 (2005). 216  v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 278 (1994); ders., RabelsZ 61 (1993), 449, 454: „Treaty arrangements [… ] would be of greater significance for the United States than for most of its treaty partners.“

C.  Ideengut v. Mehrens in den Anschlussprojekten

361

Judgments Project im Jahre 2010. Geplant ist zunächst ein reines Anerkennungsübereinkommen, für das seit Juni 2016 der vorläufige Konventionsentwurf einer Spezialkommission (Draft Convention 2016)217 vorliegt, welcher auf einem ersten Entwurf einer Arbeitsgruppe von November 2015 (Prelim. Draft 2015)218 aufbaut. Eine Konvention über die internationalen Entscheidungszuständigkeiten wird vermutlich nachfolgen.219 Diese Vorgehensweise überrascht, hätte doch ein einheitliches Instrument für mehr Rechtssicherheit gesorgt. Der aktuelle Konventionsentwurf von Juni 2016 erinnert auf den ersten Blick an das HAÜ von 1971,220 weil beide als convention simple ausgestaltet sind. Erfreulicherweise hängt die Wirksamkeit des geplanten Übereinkommens nicht wie gem. Art.  21 HAÜ vom Abschluss einer Zusatzvereinbarung zwischen den Vertragsstaaten ab, das Hindernis der bilatéralisation wird also vermieden.221 Art.  10 HAÜ 1971 enthält eine enumerative Liste von Anerkennungszuständigkeiten, welchen v. Mehren grundsätzlich positiv gegenüberstand.222 In ähnlicher Weise findet sich in Art.  5 Abs.  1 lit.  a-o Draft Convention 2016 eine („weiße“) Positivliste von Anerkennungszuständigkeiten. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings darin, dass die Draft Convention 2016, anders als in Nr.  4 des HAÜ-Zusatzprotokolles, von einer Negativliste verbotener („schwarzer“) Zuständigkeitsgründe absieht. Die positiven Anerkennungszuständigkeiten des Art.  10 HAÜ begrüßte v. Mehren besonders deshalb, weil sie für einen weltweiten Zuschnitt autonom vom nationalen Recht entwickelt wurden, d. h. der non-derivative theory folgen. Dies gilt auch für Art.  5 Abs.  1 lit.  a-o Draft Convention 2016. Deren Positivliste ist außerdem etwas umfänglicher und damit – ganz in v. Mehrens Sinne – anerkennungsfreundlicher als die Vorgängerkonvention. Neben den allgemeinen Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz (lit.  a) treten die besonderen Gerichtsstände, z.B. für deliktische Streitigkeiten am Handlungsort (lit.  j), für betriebsbezogene Verfahren gegen das Stammhaus am Ort der Niederlassung (lit.  d) und für vertragliche Ansprüche (lit.  g). Letzterer ist besonders hervorzuheben, weil er grundsätzlich einen gelungenen Kompromiss zwischen dem Erfüllungsort als Grundregel und dem US-amerikanischen transacting business als Ausnahme217 

2016 Preliminary Draft Convention. Report of the fifth meeting of the Working Group on the Judgments Project and Preliminary Draft Text (Prel. Doc. No 7A of November 2015), Entwurf im Annex. 219  Report of the fifth meeting of the Working Group on the Judgments Project and Preliminary Draft Text (Prel. Doc. No 7A of November 2015), Recommendations S.  5. 220  S. Teil 3 B. II. 2. m. w. N. zur Konvention, sowie Teil 4 A. I. 221  Schack, ZEuP 1993, 306, 307 bezeichnet die „bilatéralisation“ als „Geburtsfehler“ des HAÜ; weniger kritisch Coester-Waltjen, RabelsZ 59 (1993) 263, 287, 289. 222  v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 66 ff. 218 

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Teil 4:  Arbeiten der Haager Konferenz für IPR

vorbehalt gefunden hat. Der Erfüllungsort genügt dann nicht als Anknüpfungsregel, wenn die Geschäftstätigkeit deutlich keinen zielgerichteten und wesentlichen Kontakt zum Forum herstellt. Damit sind die due process-Anforderungen eigentlich erfüllt. Im Entwurf von 2016 ist indes zudem ein Gerichtsstand der specific jurisdiction aus doing business (lit.  b) hinzugetreten. Dieser steht zunächst noch in Klammerzusätzen und ist vermutlich nicht unumstritten. In der Zusammenschau mit dem Ausnahmevorbehalt des transacting business würde es sich um eine Doppelung der Anknüpfungsmomente handeln, die in lit.  g zuständigkeitsbegrenzend und in lit.  b zuständigkeitsbegründend wirken würden. Der neu eingefügte Gerichtsstand ist wohl als Eingeständnis gegenüber den USA zu verstehen, erscheint aber wenig systemkohärent und im Grunde verzichtbar. Im Entwurf der Arbeitsgruppe von November 2015 trat zum Enumerationsprinzip gem. Art.  5 Abs.  1 lit.  k Prelim. Draft 2015 noch das Spiegelbildprinzip hinzu. Demnach reicht die Anerkennungszuständigkeit in jedem Fall soweit wie die Entscheidungszuständigkeit, die der Zweitstaat für sich selbst beansprucht. Gegenüber einer solchen derivative theory zeigte sich v. Mehren kritisch, weil sie bei Abweichung der ausländischen von der inländischen Regelungssystematik zu Inkongruenzen führen kann und vom Standpunkt eines ausländischen Titelinhabers komplizierte Ermittlungen ihm unbekannter Zuständigkeiten verlangt.223 Würde ein Übereinkommen das Spiegelbildprinzip als alleinige Zuständigkeitsprüfung festschreiben, wäre diese Kritik berechtigt und eine solche Regelung schon deshalb wenig wünschenswert, weil sie nicht über die aktuelle Rechtslage vieler Staaten (z.B. Deutschlands) hinausreicht und kaum zur Rechtsvereinheitlichung beiträgt.224 Indes ist eine Kombination mit der Positivliste weniger bedenklich, denn das Spiegelbildprinzip ergänzt nur das Günstigkeitsprinzip zugunsten des nationalen Rechts, wie es bei einem Anerkennungsübereinkommen im Übrigen zum Zuge kommen würde.225 Es sorgt also für mehr Rechtssicherheit, weil im Falle einer von der Positivliste abweichenden Entscheidungszuständigkeit anstatt des autonomen nationalen Anerkennungsrechts einheitlich das Spiegelbildprinzip herangezogen wird und sich das Anerkennungsverfahren häufiger nach dem Konventionsrecht richtet. Andererseits ist das Spiegelbildprinzip in einem internationalen Übereinkommen wenig praktikabel, weil es das Auffinden und die Anwendung aller Entscheidungszuständigkeiten der beteiligten Staaten erfordert. Deshalb ist es durchaus zu begrüßen, dass die Spezialkommission in ihrem Konventionsentwurf von 2016 die Regelung des Art.  5 Abs.  1 lit.  k Prelim. Draft 2015 nicht v. Mehren, Rec. des Cours 167 (1980-II), S.  9, 58 ff.; ausführlich dazu Teil 3. B. II. 3. Ähnlich in Bezug auf das neue Anerkennungsübereinkommen (vor Veröffentlichung des Preliminary Draft): Schack, ZEuP 2014, 824, 834. 225 Vgl. Linke/Hau, IZVR, Rn.  12.25; Schack, IZVR, Rn.  897. 223 

224 

C.  Ideengut v. Mehrens in den Anschlussprojekten

363

übernommen und stattdessen die Positivliste der Anerkennungszuständigkeiten weiter ausgebaut hat. Die kritische Haltung v. Mehrens zum Spiegelbildprinzip226 findet hier also ihre Berechtigung. Hinsichtlich des Regelungsumfangs wäre v. Mehren dem Vorhaben wohl reserviert gegenübergestanden, machte er doch stets deutlich, dass eine convention simple hauptsächlich den Klägerinteressen dient und forum shopping nicht verhindern kann.227 Sollte tatsächlich aber noch ein Parallelübereinkommen mit Regelungen zur internationalen Zuständigkeit folgen, so wäre dieser Einwand weitgehend entkräftet. In der Zusammenschau betrachtet könnte schlussendlich doch eine Art convention mixte entstehen, nur eben gesplittet auf zwei unterschiedliche Übereinkommen. Zunächst aber steht der Erfolg des reinen Anerkennungsübereinkommens in den Sternen. Ein endgültiger Durchbruch wird maßgeblich davon abhängen, ob die Amerikaner verfassungsrechtliche Vorbehalte auch gegen die direkten Zuständigkeitsgründe vorbringen,228 denn dann könnte eine ähnliche Blockade wie im Jahr 2001 entstehen.

226 

S. Teil 3 B. II. v. Mehren, 57 Law & Contemp. Probs. 271, 286 (1994); ders., 24 Brook. J. Int’l L. 17, 24 (1998). 228  Diese Frage ist vom US Supreme Court noch nicht abschließend geklärt, in der Literatur allerdings höchst umstritten, vgl. den Exkurs zum Spiegelbildprinzip im US-amerikanischen Recht Teil 3 B. II. 1. d), sowie Brand, in: FS van Loon (2013), S.  89, 90; Feldman, 89 N.Y.U. L. Rev. 2190, 2193 f., 2207 ff. (2014). 227 

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Teil 1: Die internationale Zuständigkeit (1) v. Mehren und Trautman führen eine Fairnessprüfung der internationalen Zuständigkeit im Rahmen einer streitgegenstandsbezogenen Zuständigkeit (specific jurisdiction) ein. Sie soll die traditionellen Gerichtsstände und ihre Legalfiktionen (general jurisdiction) ersetzen. Die general jurisdiction wird durch einen erheblichen Kontakt des Beklagten zum Forum begründet, dem nur noch der Wohnsitz des Beklagten (domicile) und eine Prorogation bzw. rügelose Einlassung (consent/submission) genügen soll. Die specific jurisdiction besteht, wenn die der Klage zugrundeliegenden Tatsachen eine Beziehung zum Forum konstituieren. Im Unterschied zur Allzuständigkeit der general jurisdiction umfasst die specific jurisdiction nur forumsbezogene Ansprüche. v. Mehren konkretisiert die Voraussetzungen der specific jurisdiction in Fällen singulärer oder schwacher Kontakte des Beklagten. Entscheidend seien die wirtschaftliche Stellung und prozessuale Leistungsfähigkeit der Parteien, die in Bezug auf die konkrete Streitigkeit als multistate oder localized charakterisiert werden. Andere Faktoren wie die Sach- und Beweisnähe (litigational considerations) sind nachrangig. Der Streitgegenstandsbezug der specific jurisdiction dient ihm mithin zur Abgrenzung von der general jurisdiction, in der zuständigkeitsrechtlichen Anknüpfung setzt sich die Sachbezogenheit aber nicht gegenüber der personell-prozessualen Betrachtung durch.1 (2) Entsprechend dem Wunsch v. Mehrens und Trautmans konzentrierte sich der US Supreme Court nach dem zuständigkeitsrechtlichen Umbruch der International Shoe-Entscheidung weiter auf eine Fortentwicklung der specific jurisdiction. Indes weicht der konkrete Prüfungsmaßstab von dem der Wissenschaftler ab, nur das Vorliegen von Mindestkontakten (minimum contacts) des Beklagten ist einheitliche Voraussetzung. Unterschiede bestehen in Bezug auf solche Tätigkeiten, die isoliert auftreten oder wie der Verkauf eines Produkts in den umstrittenen Produkthaftungsfällen 1 

S. Teil 1 B. I.

366

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

einen schwachen Bezug zum Forum aufweisen. Der Supreme Court engt den Mindestkontakt in einem zweiten Schritt auf eine zweckgerichtete Inanspruchnahme der Privilegien des Forumstaates ein (purposeful availment). Während dem Supreme Court das purposeful availment im modernen Wirtschafts- und Warenverkehr Schwierigkeiten bereitet und er seit der McIntyreEntscheidung aus dem Jahr 2011 ein zielgerichtetes (targeted) Inverkehrbringen des Produkts in den stream of commerce verlangt, lassen sich solche Anpassungen im Konzept v. Mehrens flexibler gestalten. Dieser nimmt in einem zweiten und dritten Prüfungsschritt eine personell-prozessuale Anknüpfung vor, die im Gegensatz zum Kriterium des purposeful availment nicht territorial ausgerichtet ist. Eine exemplarische Abwägung streitgegenständlicher Parteiinteressen, wie sie sich v. Mehren wünscht, demonstrierte im Jahr 2011 Justice Ginsburg in ihrem Minderheitsvotum zur McIntyre-Entscheidung. Daran zeigte sich abermals, dass einzelne Elemente des Prüfungsmaßstabs v. Mehrens einer genaueren Definition bedürfen. Insbesondere im Hinblick auf den multistate character wäre es meines Erachtens sinnvoll, das Ausmaß der geschäftlichen Aktivität auszuwerten. Bei multinationalen Beklagten mit einer rechtlich und wirtschaftlich stärkeren Verhandlungsposition sollte folglich der Kreis der streitgegenstandsbezogenen Gerichtsständen international entsprechend weiter gezogen werden als bei kleineren Unternehmen mit regional beschränkter Wirtschaftstätigkeit. Insgesamt machte der Vergleich deutlich, dass der Supreme Court eine stärker beklagtenfreundliche Haltung als v. Mehren einnimmt, zumal er mit dem dritten Prüfungskriterium der reasonableness einen weiteren Schutzmechanismus installiert hat. Hingegen eröffnet v. Mehren häufiger einen Klägergerichtsstand, etwa wenn beide Parteien als multistate zu charakterisieren sind. 2 (3) In der Rechtsprechung des Supreme Court zur general jurisdiction ist eine Restriktion zu verzeichnen. Die Abschwächung des doing business-Gerichtsstandes und die Beschränkung der allgemeinen Zuständigkeit auf eine at homeBasis (Goodyear und Daimler-Entscheidung) erfüllen eine der wesentlichen Forderungen v. Mehrens/Trautmans. Entsprechend ihrer Ansicht wird die Re­ gel­anknüpfung für Gesellschaften am Gründungsort und Verwaltungssitz vorgenommen und eine Ausnahme nur nach dem Leitbild der Perkins-Entscheidung zugelassen. Bereits mit dem Niedergang der limited general jurisdiction durch Shaffer v. Heitner folgte der Supreme Court v. Mehren/Trautman in der Anwendung des minimum contacts-Standards auf jegliche personenbezogene Gerichtszustän2 

S. Teil 1 B. II. 1.–3.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

367

digkeit. Einen anderen Weg schlug er indes mit der Aufrechterhaltung der Aufenthaltszuständigkeit (tag jurisdiction) in Burnham v. Superior Court sowie in der Entscheidung Helicopteros v. Hall ein, deren „dauerhafte und systematische Geschäftstätigkeiten“ aber nunmehr durch die Daimler-Rechtsprechung überholt wurden.3 (4) Die aktuell in den USA umstrittene Abgrenzung zwischen der general und der specific jurisdiction sollte über den similarity-Test bzw. den konformen but for-Test erfolgen, um der Intention v. Mehrens bei der Ausweitung der specific jurisdiction gerecht zu werden und um nicht eine dritte Zuständigkeitskategorie zu schaffen. Demnach liegt ein Streitgegenstandsbezug vor, wenn die Tätigkeit des Beklagten zum Streitgegenständ ähnlich ist bzw. diesen kausal bedingt.4 (5) v. Mehrens These der Unvergleichbarkeit der US-amerikanischen und der europäischen bzw. deutschen Zuständigkeitskategorien hat sich überwiegend bestätigt. Die general jurisdiction ist breiter konzipiert als der allgemeine Gerichtsstand, da zu dem Wohnsitz des Beklagten weitere Anknüpfungspunkte wie die Klagezustellung an einen Anwesenden (tag jurisdiction) oder das doing business hinzutreten. Seit der Goodyear- und der Daimler-Entscheidung ist indes eine Annäherung des doing business an den allgemeinen Beklagtenwohnsitz zu verzeichnen. Zudem greift die general jurisdiction in den Bereich der besonderen Gerichtsstände des deutschen und europäischen Rechts über, wie am Beispiel des deutschen Vermögensgerichtsstands (§  23 ZPO) mit seinen general und specific contacts sowie am europäischen Niederlassungsgerichtsstand (Art.  7 Nr.  5 EuGVO) aufgezeigt werden konnte. Die specific jurisdiction hat nur insoweit Ähnlichkeit mit den besonderen Zuständigkeiten, als einige von ihnen (z.B. Art.  7 Nr.  1 und 3 EuGVO) ebenfalls streitgegenstandsbezogen sind. Dieser Bezug charakterisiert aber nicht die Gesamtheit der besonderen Zuständigkeiten, welche ihre „Besonderheit“ durch die Auswahlmöglichkeit des Klägers erlangen. Zuständigkeiten aus sozialpolitischer Motivation kennt das US-amerikanische Recht nicht, sondern folgt dem üblichen dreistufigen minimum contacts-Test. Umgekehrt besteht aber ausnahmsweise für europäische Verbrauchersachen eine Verwandtschaft zur specific jurisdiction, denn das Kriterium des „Ausrichtens“ gem. Art.  17 Abs.  1 lit.  c EuGVO ist dem US-amerikanischen purposeful availment entlehnt. Markant sind die strukturellen Unterschiede zwischen specific und „besonderer“ Zuständigkeit. Die europäische Methodik typisiert die Verbindung zwischen Forum und Streitgegenstand in einer abstrakt-generellen Zuständigkeitsregelung und strebt die Verwirklichung von Rechtssicherheit und Vorhersehbar3  4 

S. Teil 1 B. II. 4., 5. S. Teil 1 B. III.

368

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

keit an. Der Supreme Court bestimmt hingegen anhand der Tätigkeit des Beklagten den Streitgegenstandsbezug und verfolgt die Maxime der Einzelfallgerechtigkeit.5 (6) Letztlich ist die specific jurisdiction in der speziellen Ausformung v. Mehrens kritisch zu würdigen, weil die sich üblicherweise im Streitgegenstandsbezug manifestierenden Außengrenzen der Gesellschaft in der personellen Abwägung des prozessualen Leistungsvermögen der Parteien (local/multistate) verblassen und nicht in hinreichend ausdifferenzierten Anknüpfungstatbeständen festgesetzt werden.6 (7) v. Mehrens Zuständigkeitstheorien der relational theory, power theory und fairness theory lassen sich nicht unmittelbar auf Europa übertragen und können keine universelle Geltung beanspruchen. Die power theory tritt im europäischen Prozessrecht zwar in Form des völkerrechtlichen Territorialprinzips zu Tage, gilt aber nur für die Gerichtsbarkeit. Ein Hinüberwirken auf die internationale Zuständigkeit in Form eines genuine link ist wegen der Prädominanz von Parteiinteressen im Zivilprozess abzulehnen. Im Übrigen macht ein jedes Zuständigkeitssystem territoriale Anknüpfungen als Bezugspunkt einer menschlichen Handlung nutzbar, ohne dass darin eine Verwirklichung der power theory zu erkennen wäre. Allenfalls die fairness theory ist in ihrer freiheitlichen Dimension im Justizgewährungsanspruch und im Recht auf ein faires Verfahren verwirklicht. Die Theorien spiegeln folglich spezifisch die US-amerikanische Rechtsdogmatik in der Herleitung des Zuständigkeitsrechts aus bestimmten Staatstheorien wider. In den USA bestärkt die Rechtsprechung abwechselnd Souveränitätserwägungen mittels des purposeful availment (power theory) und Erwägungen der reasonableness ( fairness theory). 7 (8) Dem US-amerikanischen Zuständigkeitsrecht ist das Grundprinzip des actor sequitur forum rei fremd. EuGVO und ZPO stellen das Prinzip zwar formal an den Ausgangspunkt (Art.  4 EuGVO, §  12 ZPO). Doch in Anbetracht der Vielzahl an besonderen Gerichtsständen und der durch die Rechtsprechung des EuGH verstärkten Klägerinteressen verdient v. Mehrens Befund Zustimmung, wonach sich der Beklagtenschutz relativiert hat. Jedoch ist es verfehlt, aus der Rollenverteilung im Prozess auf eine materiellrechtliche und zuständigkeitsrechtliche Vermutung der Schutzwürdigkeit des Klägers (nicht des Beklagten) zu schließen, denn erst der Prozess selbst offenbart die Begründetheit der Klage. v. Mehren übersieht zudem, dass gerade das 5 

S. Teil 1 B. IV. S. Teil 1 B. V. 7  S. Teil 1 C. 6 

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

369

klägerische Wahlrecht nach einem Gegengewicht im Sinne eines allgemeinen Gerichtsstandes verlangt. Stattdessen will er Ursachenbekämpfung betreiben und deshalb konkurrierende Gerichtsstände sowie forum shopping reduzieren. Für das europäische Recht ist dieser Vorschlag nur bedingt tragfähig, weil im System der abstrakten Typisierung von Gerichtsständen das Wahlrecht dem Justizgewährungsanspruch des Klägers dient und eine trennscharfe Lokalisierung des Streitgegenstandsbezuges utopisch ist.8 (9) v. Mehren spricht sich zwar grundsätzlich für eine Trennung von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht aus. Doch in Ausnahmen wird dieser Grundsatz durchbrochen. Zum einen zieht er die lex fori als Hilfsanknüpfung im Rahmen der von ihm und Trautman entwickelten IPR-Theorie der functional analysis heran. Zum anderen wird die internationale Zuständigkeit in einigen Bereichen wie im Scheidungsrecht oder bei Anwendungsproblemen des ausländischen Rechts positiv wie negativ von der Anwendbarkeit des eigenen Rechts abhängig gemacht. Seine Überlegungen sind fortschrittlich im Kontext der US-amerikanischen Diskussion, die in vielfältiger Weise Gleichlauferwägungen anstellt, aber im Vergleich zum europäischen Diskurs weniger elaboriert.9

Teil 2: Fine tuning und Verfahrenskoordination (1) v. Mehren verfolgt mit dem fine tuning-Instrument der forum non conveniens-Doktrin eine weitere Einschränkung von forum shopping, weil die Reduzierung von konkurrierenden Gerichtsständen (Folge der Versagung eines favor defensoris, s.o.) nicht genüge. Dabei vernachlässigt er das Anliegen der Verfahrenskoordination und die Nachteile einer doppelten Prozessführung in Form eines erhöhten Verteidigungsaufwandes für die Parteien, der Störung des internationalen Entscheidungseinklanges und der staatlichen Ressourcenverschwendung. Seine Gewichtung ist vermutlich von der parallel proceedings rule des US-amerikanischen Rechts motiviert, wonach grundsätzlich mehrere Verfahren nebeneinander geführt werden dürfen.10 (2) Entsprechend der Zielsetzung des fine tuning erachtet v. Mehren die Lehre vom forum non conveniens gegenüber einer lis pendens-Regelung (wie Art.  29 EuGVO) als überlegen. Zwar führt die Rangordnung der Verfahren nach zeitlicher Priorität zu einem Wettrennen um die Rechtshängigkeit der Klage (race to the courthouse). Umgekehrt aber erzeugen parallele Verfahren ein Wettrennen um die Urteilsanerkennung (race to the judgment), sobald zwei sich widerspre8 

S. Teil 1 D. S. Teil 1 E. 10  S. Teil 2 A. I. 9 

370

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

chende Entscheidungen ergehen. Die zeitliche Verlagerung des Problems in das Anerkennungsstadium (race to the judgment) ist unter dem Aspekt der Prozessökonomie und der Missbrauchsgefahr durch Verzögerung des gegnerischen Verfahrens aber meines Erachtens mindestens genauso nachteilsbehaftet wie ein race to the courthouse. In das System der EuGVO fügt sich die forum non conveniens-Doktrin aufgrund der Rechtsunsicherheit und fehlenden Rechtsschutzgarantie nicht ein, wie der EuGH in der Rechtssache Owusu/Jackson feststellte. Das Gegenargument v. Mehrens, wonach die Klageabweisung bloß als nationale Verfahrensvorschrift (des englischen Rechts) zu verstehen sei, wird durch die Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit der europäischen Zuständigkeitsvorschriften und durch die vom EuGH in der Entscheidung Kongreß Agentur Hagen entwickelten Grundsätze entkräftet. Dennoch ist eine moderate Form der Doktrin in einem internationalen Zuständigkeitsübereinkommen als Kompromisslösung und Ausgleich zu einer strikten lis pendens-Regel zu begrüßen. Die verfassungsrechtlichen und strukturellen Bedenken zerstreuen sich, wenn nach dem Vorbild der London/Leuven Principles on Declining and Referring Jurisdiction die Kriterien zur Verweisung an ein anderes Gericht enumerativ aufgezählt werden, das Ursprungsgericht nach dem Vorbild Australiens clearly inappropriate sein muss, keine öffentlichen Interessen berücksichtigt werden dürfen, die nach US-amerikanischem Recht mögliche Diskriminierung ausländischer Kläger ausdrücklich verboten ist und ein negativer Kompetenzkonflikt durch Kontaktaufnahme und Koordination mit dem Zweitgericht ausgeschlossen wird.11 (3) Zur Lösung der Torpedoproblematik bringt v. Mehren die sog. displacement solution nach Vorbild des deutschen Rechts vor, wonach die eventuell missbräuchlich erhobene Feststellungsklage unzulässig wird, sobald der Feststellungsbeklagte eine Leistungsklage erhebt. Sie basiert auf der Furcht vor einem race to the court house und der vermuteten Vorrangstellung des Leistungsklägers gegenüber dem Feststellungskläger (natural defendant). Die durchaus beachtlichen Bedenken gegen den Vorschlag lassen sich meines Erachtens auflösen, indem die Ersetzung der Feststellungs- durch die Leistungsklage mit einer gesetzlich normierten Höchstfrist kombiniert wird. Weil dem Leistungskläger die Letztentscheidung nur innerhalb eines kurzen Zeitraumes eingeräumt wird, verbessert sich die prozessuale Waffengleichheit der Parteien. Der Fortbestand eines schon fortgeschrittenen Verfahrens trägt außerdem dem Interesse des Feststellungsklägers Rechnung und ist deshalb einer befristeten Priorität der Erstklage vorzuziehen. Die obligatorische Ausgestaltung der 11 

S. Teil 2 A. II.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

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Regelung verhindert zudem einen Ermessensspielraum des Richters und würde die Regelung für Gerichtsstandsvereinbarungen gem. Art.  31 Abs.  2 EuGVO sinnvoll ergänzen.12

Teil 3: Urteilsanerkennung (1) v. Mehren legte einen Schwerpunkt seiner Forschung auf die Anerkennungszuständigkeit. Er versteht die Überprüfung der indirekten Zuständigkeit als Mittel zur Verwirklichung spezifischer Anerkennungsinteressen, insbesondere des Ausgleichs zwischen einem Ruhen der Rechtsstreitigkeit und der inhaltlichen Richtigkeit der Erstentscheidung. Trotz seiner leicht missverständlichen Gewichtung beider Prinzipien ist die von ihm im Ergebnis befürwortete liberale Anerkennungshaltung zu begrüßen, die der Verfahrensökonomie und dem internationalen Entscheidungseinklang dient. Die Notwendigkeit einer Zuständigkeitsprüfung ergibt sich sowohl aus dem Streben nach einer Reduzierung von forum shopping und der Funktion als Grundkriterium für ein rechtsstaatliches Verfahren (hallmark function) und dient nach hier vertretener Auffassung auch dem Schutz des Beklagten vor unzumutbaren und unvorhersehbaren Gerichtsständen. v. Mehren verwirft zwar richtigerweise einen Bedingungszusammenhang zwischen den Theorien zur Entscheidungszuständigkeit und der Anerkennungszuständigkeit, rekurriert aber auf die fairness theory, welche er bedauerlicherweise nicht speziell auf den Beklagtenschutz bezieht.13 (2) Obwohl v. Mehren das Spiegelbildprinzip (derivative theory) aufgrund der strengen Parallelität zur Entscheidungszuständigkeit kritisiert, gewährt es doch im Vergleich zu einer Generalklausel (non-derivative theory) größere Rechtssicherheit, schützt den Beklagten vor unzumutbaren Gerichtsständen, verwirklicht die Gleichheit zwischen den Staaten und ist daher zu bevorzugen bzw. in §  328 ZPO beizubehalten. In diesem Zusammenhang konnte auch aufgezeigt werden, dass die Anerkennungszuständigkeit in den USA in den meisten Fällen gem. §§  4 (b), 5 (a) UFCMJRA anhand einer Positivliste von typisierten minimum contacts geprüft wird. Zusätzlich aber normiert §  5 (b) UFCMJRA das Spiegelbildprinzip, über dessen Grundlage entweder im strengen Verfassungsund Richterrecht oder im einfachen Gesetzesrecht noch Streit herrscht.14 Unter der derivative wie auch unter der non-derivative theory sollten die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts überprüft werden. Den Grund sieht 12 

S. Teil 2 B. S. Teil 3 B. I. 14  S. Teil 3 B. II. 13 

372

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

v. Mehren zwar in der hallmark function, vorwiegend aber geht es meiner Ansicht nach darum, unrichtige Sachvorträge des Klägers zu verhindern und die Verteidigungsinteressen des Beklagten zu wahren.15 (3) Die US-amerikanischen Bundesstaaten und die europäischen Mitgliedstaaten – beides sister states – sind heute mehr als noch zur Schaffenszeit v. Mehrens Ende des zwanzigsten Jahrhunderts in ihren Rechtsschutzstandards und den institutionellen Rahmenbedingungen vergleichbar. Aufgrund der ähnlich weit fortgeschrittenen Integrationsdimension der Einzelstaaten verwundert es kaum, dass in beiden Rechtsordnungen eine nahezu ungehemmte Urteilsfreizügigkeit stattfindet, die in der EU nur durch den ordre public und bei entgegenstehenden Entscheidungen Einschränkungen findet. Eine Überprüfung der Anerkennungszuständigkeit unterbleibt in beiden Systemen. Diesen Grundsatz behält die EU aber auch in Bezug auf Beklagte aus Drittstaaten bei, die sogar unter Inanspruchnahme einer nationalen Restzuständigkeit verklagt werden können (Art.  6 Abs.  1 EuGVO), ohne dass im Anerkennungsstadium die Fairness des Gerichtsstandes zu kontrollieren wäre (vgl. Art.  45 Abs.  3 EuGVO). Weil die damit intendierte Privilegierung inländischer Kläger zu einer Ungleichbehandlung von Drittstaatenbeklagten gegenüber Beklagten aus Mitgliedstaaten führt, ist die Regelung des Art.  6 EuGVO abzuschaffen. Dies gilt umso mehr, als auch die Privilegierung der EU-Kläger je nach Exorbitanz der nationalen Zuständigkeit unterschiedlich stark ausfällt und dieser Rechtszustand der Einheitlichkeit des Binnenmarktes abträglich ist. Die Kritik v. Mehrens ist daher inhaltlich durchaus berechtigt, überraschend kommt indes der Tonfall. Ob Schock und Wut („shock becomes outrage“) über den Stand der Verfahrensgerechtigkeit die adäquate Reaktion ist, darf in Anbetracht der geringen praktischen Relevanz dieser Frage bezweifelt werden, zumal die Regelung eine gewisse Rechtfertigung in der für europäische Kläger vorteilhaften Vollstreckungsnähe findet. Außerdem muss sich v. Mehren insofern eine gewisse Inkonsequenz vorwerfen lassen, als er generell dem Beklagtenschutz bei der Begründung der Anerkennungszuständigkeit kein besonderes Gewicht beimisst, aber einen Eklat wittert, sobald Beklagte aus den USA oder anderen Drittstaaten von einer Benachteiligung betroffen sind.16

15  16 

S. Teil 3 B. III. S. Teil 3 C.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

373

Teil 4: Arbeiten der Haager Konferenz für IPR an einem weltweiten Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommen (1) v. Mehren hat mit dem innovativen Vorschlag einer convention mixte einen wesentlichen Beitrag zu den Verhandlungen über das Haager Zuständigkeitsund Vollstreckungsabkommen in den 1990er Jahren geleistet. Das Modell der Mischkonvention ist zunächst auf Skepsis gestoßen. In der Haager Konferenz fehlte verschiedenen Delegationen die Bereitschaft zur Akzeptanz einer „unvollständigen“ Konvention, weil sie von der Vorstellung einer traditionellen convention double voreingenommen waren. Erst im Juni 1999 erkannte die Spezialkommission aufgrund unlösbarer Differenzen und neu aufkeimender Problemfelder die Vorzüge einer grauen Liste. Diese hätte stärker nutzbar gemacht werden sollen, insbesondere im Bereich des doing business oder gar bei Verbraucherverträgen. Der Vorteil eines dritten, grauen Regelungsbereichs, welcher neben die Vereinheitlichung der Zuständigkeitsvorschriften auf einer weißen Liste und einer schwarzen Verbotsliste tritt, liegt in der Schaffung von Freiräumen für das nationale Recht der beteiligten Staaten. Ein solch „offenes“ System erlaubt die Beibehaltung nationaler Eigenheiten, minimiert Umsetzungsschwierigkeiten im nationalen Recht und verspricht auf lange Sicht einen Vereinheitlichungseffekt. Die in Deutschland und anderen civil law-Staaten laut gewordenen Bedenken hinsichtlich der Rechtsunsicherheit im Graubereich veranschaulichen die gegenüber dem common law charakteristische Furcht vor einer flexiblen Zuständigkeitsmethodik, sind aber insofern verfehlt, als die graue Liste den natürlichen Ist-Zustand ohne jegliches Übereinkommen darstellt. Die convention ­mixte belässt für einen begrenzten Bereich nur den Grad an Rechtsunsicherheit, wie er auch schon vorher im gesamten Bereich bestand. Der Verunsicherung hätte v. Mehren mit einer Aufzählung konkreter Beispiele für die jeweiligen Listen vorbeugen können, unterließ dies aber aus verhandlungstaktischen Gründen. Daneben beruhte die Ablehnung der Europäer vermutlich auf dem Interesse am Verbot der exorbitanten Zuständigkeiten des US-amerikanischen Rechts, um einheimische Unternehmen vor einer kostenintensiven Prozessführung in den USA zu schützen. Für Kompromisslösungen erweist sich eine convention mixte nur als effektiv, wenn unterschiedliche Zuständigkeitsregelungen nicht durch einen neuen methodischen Systemansatz vereinheitlicht werden müssen. In den Haager Verhandlungen wären die strukturellen Unterschiede zwischen den besonderen Gerichtsständen des europäischen Rechts und der specific jurisdiction im US-amerikanischen Recht allein im Rahmen der weißen Liste zu lösen gewesen. Die convention mixte ist folglich kein Allheilmittel gegen Streitigkeiten

374

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

über die Zuständigkeitsmethodik, aber doch ein vielversprechendes Hilfsmittel bei der Erarbeitung künftiger Übereinkommen.17 (2) In den Anschlussprojekten der Haager Konferenz finden sich zwar keine direkten Einflüsse v. Mehrens, aber sein Gedankengut spiegelt sich doch in gewisser Weise darin wider. Auch das HGÜ von 2005 wird von den Berichterstattern als convention mixte angesehen, jedoch erschöpft sich der positive Regelungsgehalt allein in der Zuständigkeit für ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen (Art.  5 HGÜ). Die Regelungen setzen v. Mehrens Programmatik in die Realität um, namentlich das hohe Ideal der Parteiautonomie, die Forcierung des internationalen Wirtschaftsverkehrs und die Grundsteinlegung für eine weitere internationale Kooperation. Der Entwurf des Anerkennungsübereinkommens von 2016 (Judgments Project) ist als convention simple ausgestaltet und normiert in Art.  5 Abs.  1 lit.  a–o Draft Convention 2016 eine („weiße“) Positivliste von Anerkennungszuständigkeiten. Diese erinnert an Art.  10 HAÜ von 1971, dessen Zuständigkeiten v. Mehren positiv gegenüberstand, findet aber auch weitere gelungene Kompromiss­ lösungen wie für vertragliche Ansprüche mit einem Erfüllungsort als Grundregel und dem US-amerikanischen transacting business als Ausnahmevorbehalt. Sollten die Amerikaner keine verfassungsrechtlichen Vorbehalte gegen die Anerkennungszuständigkeiten vorbringen und würde tatsächlich noch ein Parallelübereinkommen mit Regelungen zur Entscheidungszuständigkeit folgen, könnte letztlich doch eine Art convention mixte in zwei Abkommen entstehen.18 (3) Gegenwärtig tragen die Bemühungen Arthur v. Mehrens um das internationale Zivilprozessrecht auf weltweiter Gesetzgebungsebene im Ergebnis noch wenig Früchte. Nach wie vor besteht eine Diskrepanz zwischen transnationalem Wirtschaftsverkehr und globalen Handelsverflechtungen einerseits sowie regional beschränkter Jurisdiktion und Rechtsstaatlichkeit andererseits.

17 

18 

S. Teil 4 B. S. Teil 4 C.

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Register US-amerikanischer Entscheidungen AAR International, Inc. v. Nimelias Enterprises S.A., 250 F.3d  510 (7th Cir. 2001).  359 Ace Metal Fabricating Co. v. Arvid C. Walberg & Co.,
135 Ill. App.3d  452, 481 N.E.2d  1066, (1985).  254 Allstate Insurance Co. v. Hague, 449 U.S.  302, 101 S.Ct. 633, 66 L.Ed.2d  521 (1981).  179 ff. Alton v. Alton, 207 F.2d  667 (3rd Cir. 1953).  193 Arndt v. Griggs, 134 U.S.  316, 10 S.Ct. 557, 33 L.Ed. 918 (1890).  30 Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court, 480 U.S.  102, 107 S.Ct. 1026, 94 L.Ed.2d  92 (1987).  9, 58 ff., 65, 109, 117, 142 f. Baker v. General Motors, 522 U.S.  222, 118 S.Ct. 657, 139 L.Ed.2d  580 (1998).  252 f., 300 Bank of Augusta v. Earle, 38 U.S.  519,10 L.Ed. 274, 10 L.Ed.2d  274 (1839).  43 Bean Dredging Corp. c. Dredge Technology Corp., 744 F.2d  1081 (5th Cir. 1984).  59 Belize Telecom Ltd. v. Government of Belize, 528 F.3d  1298 (11th Cir. 2008).  212 Blackmer v. United States, 284 U.S.  421, 52 S.Ct. 252, 76 L.Ed. 375 (1932)  34, 99 Blonder-Tongue
Laboratories, Inc. v. University of Illinois Foundation, 402 U.S.  313, 91 S.Ct. 1434, 28 L.Ed.2d  78 (1971).  251 Bryant v. Finnish National Airline, 15 N.Y.2d  426, 260 N.Y.S.2d  625, 208 N.E.2d (1965).  67 Burger King Corp. v. Rudzewicz, 471 U.S.  462, 105 S.Ct. 2174, 85 L.Ed.2d  528 (1985).  20, 57 f., 63, 180, 353 Burnham v. Superior Court of California, 495 U.S.  604 110 S.Ct. 2105, 109 L.Ed.2d  631 (1990).  29, 72, 76, 80, 82, 127, 160 Buttrick v. Allen, 8 Mass. 273 (1811).  255 Byblos Bank Europe, S.A. v. Sekerbank Turk Anonym Syrketi, 885 N.E.2d  191, 10 N.Y.3d  243, 855 N.Y.S.2d (2008).  305 Carnival Cruise Lines v. Shute, 499 U.S.  585, 111 S.Ct. 1522, 113 L.Ed.2d  622 (1991).  84, 86, 94, 122, 350, 358 Colorado River Water Conservation District v. United States, 424 U.S.  800, 96 S.Ct. 1236, 47 L.Ed.2d  483 (1976).  212 Covey Gas & Oil Co. v. Checketts, 187 F.2d  561 (9th Cir. 1951).  175 Creech v. Roberts, 908 F.2d  75 (6th Cir. 1990).  85 Daimler AG v. Bauman, 134 S.Ct. 746, 571 U.S.  20, 187 L.Ed.2d  624 (2014).  60, 66, 78 ff., 99, 116, 366 f. Deluxe Ice Cream Co. v. RCH Tool Corp., 726 F.2d  1209 (7th Cir. 1984).  85

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Register US-amerikanischer Entscheidungen

Durfee v. Duke,
375 U.S.  106, 84 S.Ct. 242, 11 L.Ed.2d  186 (1963).  253, 300 EMI Music Mexico S.A. v. Rodriguez, 97 S.W.3d  847 (Tex. App.  2003).  85 Erie Railroad v. Tompkins, 304 U.S.  64, 58 S.Ct. 817, 82 L. Ed. 1188 (1938).  174 Feathers v. McLucas, 15 N.Y.2d  443, 261 N.Y.S.2d  8, 209 N.E.2d  68 (1965).  37, 55 Federated Department Stores Inc. v. Moitie, 452 U.S.  394, 101 S.Ct. 2424, 69 L.Ed.2d  103 (1981).  251 Frummer v. Hilton Hotels Int’l, 227 N.E.2d  851, 19 N.Y.2d  533, 281 N.Y.S.2d (N.Y. 1967).  347 Goodyear Dunlop Tires Operations S.A. v. Brown, 131 S.Ct. 2846, 180 L.Ed.2d  796 (2011).  60, 66, 73 ff., 79 ff., 99, 116, 143, 172, 311, 347, 349 Grace v. MacArthur, 170 F.Supp.  442 (E.D. Ark. 1959).  42 Gray v. American Radiator & Standard Sanitary Corp., 176 N.E.2d  761, 22 Ill.2d  432 (1961).  35, 52 f. Guinness v. Miller, 291 F. 769 (S.D.N.Y. 1923).  184 Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S.  501, 67 S.Ct. 839, 91 L.Ed. 1055 (1947).  108, 174, 208, 210 Haddock v. Haddock, 201 U.S.  562, 26 S.Ct. 525, 50 L.Ed. 867 (1906).  34 Hall v. Helicopteros Nacionales de Colombia, 638 S.W.2d  870 (Tex. 1982).  88 Hanson v. Denckla, 357 U.S.  235, 78 S.Ct. 1228, 2 L.Ed.2d  1283 (1958).  51, 65, 76, 142, 180 Harrington v. Workmen’s Compensation Appeal Bd., 325 A.2d  337 (Pa.Cmwlth. Ct. 1974).  84 Hart v. American Airlines, Inc., 304 N.Y.S.2d  810, 304 N.Y.S 810, 61 Misc.2d  41 (1969).  300 Hay Acquisition Co., I, Inc. v. Schneider, 2005 WL 1017804 (E.D. Pa. 2005).  204 Hedrick v. Daiko Shoji Co. 715 F.2d  1355 (9th Cir. 1983).  59 Helicopteros Nacionales de Colombia v. Hall, 466 U.S.  408, 104 S.Ct. 1868, 80 L. Ed.2d  404 (1984).  48 f., 66, 69 ff., 75, 79 f., 82, 88, 90, 92, 96 Henry L. Doherty & Co. v. Goodman, 294 U.S.  623, 55 S.Ct. 553, 79 L.Ed. 1097 (1935).  35 Hertz Corp v. Friend, 130 S.Ct. 1181, 559 U.S.  77, 175 L.Ed.2d  1029 (2010).  77 Hess v. Pawloski, 274 U.S.  352, 47 S.Ct. 632, 71 L.Ed. 1091 (1927).  42, 141 Hilton v. Guyot, 159 U.S.  113, 16 S.Ct. 139, 40 L.Ed. 95 (1895).  257, 271, 347 Hunt v. BP Exploration Co. (Libya), 492 F.Supp.  885 (N.D. Tex., 1980).  300 f. Hutchinson v. Chase & Gilbert, 45 F.2d  139 (2d Cir. 1930).  44 In re Union Carbide, 634 F.Supp.  842 (S.D.N.Y. 1986).  208 Insurance Corp. of Ireland v. Compagnie des Bauxites de Guinee, 456 U.S.  694 102 S.Ct. 2099, 72 L.Ed.2d  492 (1982).  22, 54, 142 f. Intel Corp. v. M/S Victoria U., 710 F.2d  199 (5th Cir. 1983).  212 International Evangelical Church of Soldiers of the Cross of Christ v. Church of Soldiers of the Cross of Christ California, 54 F.3d  581 (9th Cir. 1995).  84 International Harvester Co. v. Kentucky, 234 U.S.  579, 34 S.Ct. 944, 58 L.Ed. 1479 (1914).  43, 45, 73 International Shoe v. Washington, 326 U.S.  310, 66 S.Ct. 154, 90 L.Ed. 95 (1945).  26, 28, 30, 35, 45 ff., 50, 52, 64, 66, 68 f., 72 f., 81, 123 f., 137 ff., 142, 160, 210

Register US-amerikanischer Entscheidungen

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International Textbook Co. v. Prigg, 217 U.S.  91, 30 S.Ct. 481, 54 L.Ed. 678  (1910).  43 Iragorri v. United Technologies, 274 F.3d  65 (2d Cir. 2001).  211 J. McIntyre Machinery, Ltd. v. Nicastro, 131 S.Ct. 2780, 180 L.Ed.2d  765  (2011).  20, 60 ff., 74, 79, 87, 116 ff., 130, 144 f., 279 f., 311, 348 Jerry Beeman and Pharmacy Services, Inc. v. Anthem Prescription Management, 652 F.3d  1085 (9th Cir. 2011).  174 Keeton v. Hustler Magazine, 465 U.S.  770, 104 S.Ct. 1473, 79 L.Ed.2d  790 (1984).  174, 181 Koster v. Automark Industries, Inc., 640 F.2d  77 (7th Cir. 1981).  279 Lafayette Ins. Co. v. French, 59 U.S.  404, 15 L.Ed. 451 (1855).  43 Laker Airways Ltd. v. Sabena, 731 F.2d  909 (D.C. Cir. 1984).  205 f. Landis v. North American Co., 299 U.S.  248, 57 S.Ct. 163, 81 L.Ed. 153 (1938).  69 McDonald v. Mabee, 243 U.S.  90, 37 S.Ct. 343, 61 L.Ed. 608 (1917).  138 McGee v. International Life Ins. Co, 355 U.S.  220, 78 S.Ct. 199, 2 L.Ed.2d  223 (1957).  49 ff., 63, 91, 122, 169 Miller v. Glendale Equipment & Supply, Inc., 344 So.2d  736 (Miss. 1977).  113 Milliken v. Meyer, 311 U.S.  457, 61 S.Ct. 339, 85 L.Ed. 278 (1940).  40, 45, 98, 188 Milwaukee County v. M.E. White Co., 296 U.S.  268, 56 S.Ct. 229, 80 L.Ed. 220 (1935).  300 Mullane v. Central Hanover Bank & Trust Co., 339 U.S.  306, 70 S.Ct. 652, 94 L.Ed. 865 (1950).  28, 303 Old Wayne Mutual Life Ass’n v. Mc Donough, 204 U.S.  8, 27 S.Ct. 236, 51 L.Ed. 345 (1907).  44 Peabody v. Hamilton, 106 Mass. 217 (1870).  Pennoyer v. Neff, 95 U.S.  714, 24 L.Ed. 565, 24 L.Ed.2d  565 (1877).  22, 27, 29, 39, 41, 46, 51, 64, 72, 76, 137 ff., 150, 255, 271 Pennsylvania Fire Insurance Co. v. Gold Issue Mining & Milling Co, 243 U.S.  93, 37 S.Ct. 344, 61 L.Ed. 610 (1917).  44 Peoples Tobacco Co. v. American Tobacco Co., 246 U.S.  79, 38 S.Ct. 233, 62 L Ed. 587 (1918).  44 Perkins v. Benguet, 342 U.S.  437, 72 S.Ct. 413, 96 L.Ed. 485 (1952).  66 f., 70 f., 75 f., 78, 91 Phillips Petroleum Co. v. Shutts, 472 U.S.  797, 105 S.Ct. 2965, 86 L.Ed.2d  628 (1985)  181 Phillips v. Anchor Hocking Glass Corp., 413 P.2d  732, 100 Ariz. 251 (1966).  52 Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S.  235, 102 S.Ct. 252, 70 L.Ed.2d  419  (1981).  175, 181, 210 Pizarro v. Hoteles Concorde International, 907 F.2d  1256 (1st Cir. 1990).  86 Porisini v. Petricca, 456 N.Y.S.2d  888, 90 A.D. 2d  949 (1982).  280 Pure Fishing, Inc. v. Silver Star Co., Ltd., 202 F.Supp.2d  905 (N.D. Iowa  2002).  279 Railroad Co. v. Harris, 79 U.S.  65, 19 L.Ed. 100 (1870).  43 River Park, Inc. v. City of Highland Park, 703 N.E.2d  883, 184 Ill.2d  290, 234 Ill.Dec. 783 (1998).  84 Rosenberg Bros. v. Curtis Brown Co., 260 U.S.  516, 43 S.Ct. 170, 67 L.Ed. 372 (1923).  70

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Register US-amerikanischer Entscheidungen

Royal Bed & Spring Co., Inc. v. Famossul Industria e Comercio de Moveis Ltda., 906 F.2d  45 (1st Cir. 1990).  359 Rush v. Savchuk, 444 U.S.  320, 100 S.Ct. 571, 62 L.Ed.2d (1980).  42 Seider v. Roth, 216 17 N.Y.2d  111, N.E.2d  312, 269 N.Y.S.2d (1966).  42 Shaffer v. Heitner, 433 U.S.  186, 97 S.Ct. 2569, 53 L.Ed.2d  683 (1977).  52, 68 ff., 80, 102, 142,  179 Shoppers Food Warehouse v. Moreno, 746 A.2d  320 (D.C. 2000).  86 Shute v. Carnival Cruise Lines, 897 F.2d  377 (9th Cir. 1990).  84, 94, 122 Singer v. Walker, 15 N.Y.2d  443, 261 N.Y.S.2d  8, 209 N.E.2d  68 (1965).  37 Sinochem Intern. Co. Ltd. v. Malaysia Intern. Shipping Corp., 549 U.S.  422, 127 S.Ct. 1184, 167 L. Ed. 2d  15 (2007).  210 Society of Lloyd’s v. Ashenden, 233 F.3d  473 (7th Cir. 2000).  280 Somportex Limited v. Philadelphia Chewing Gum Corp., 453 F.2d  435 (3rd Cir. 1971).  255 St. Clair v. Cox, 106 U.S.  350, 1 S.Ct. 354, 27 L.Ed. 222 (1882).  47, 73 State of Oregon ex rel. White Lumber Sales, Inc. v. Sulmonetti, 448 P.2d  571, 252 Or. 121 (1968).  168 Stoll v. Gottlieb, 305 U.S.  165, 59 S.Ct. 134, 83 L.Ed. 104 (1938).  253 Sun Oil Co. v. Wortman, 486 U.S.  717, 108 S.Ct. 2117, 100 L.Ed.2d  743 (1988).  181 Telnikoff v. Matusevitch, 702 A.2d  230, 347 Md. 561 (1997).  256 Thompson v. Whitman, 85 U.S.  457, 21 L.Ed. 897 (1873).  252 Treinies v. Sunshine Mining Co., 308 U.S.  66, 60 S.Ct. 44, 84 L.Ed. 85  (1939).  264, 304 Tyler v. Judges of the Court of Registration, 175 Mass. 71, 21 S.Ct. 206, 45 L.Ed. 252 (1900).  27, 30 Vanderbilt v. Vanderbilt, 354 U.S.  416, 77 S.Ct. 1360, 1 L.Ed.2d  1456 (1957).  34 Verlinden BV v. Central Bank of Nigeria, 461 U.S.  480, 103 S.Ct. 1962, 76 L.Ed.2d  81 (1983).  22 Walden v. Fiore, 134 S.Ct. 1115, 188 L.Ed.2d  12 (2014).  60, 353 World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S.  286, 100 S.Ct. 559, 62 L.Ed.2d  490 (1980).  21, 52, 53 ff., 59, 63 f., 92 f., 109, 140 ff., 168, 210, 354 Worthley v. Worthley, 44 Cal.2d  465, 283 P.2d  19, 283 P. 19  (1955).  252 Yarborough v. Yarborough, 290 U.S.  202, 54 S.Ct. 181, 78 L. Ed. 269 (1933).  253

Sachregister 3-Stufen-Test  53, 122, 306 abuse-of-process approach  209 actor sequitur forum rei  125, 130, 158 ff., 199, 202, 232 Affinitätsgedanken  105 agency-Test  78 allgemeiner Gerichtsstand  32, 98 ff., 126 ff., 352 Allstate Insurance Co. v. Hague  179 ff. Allzuständigkeit  30, 102, 111, 115, 128, 348 alter ego-Standard  78, 81, 93, 333, 342, 351 American Journal of Comparative Law  4 American rule of costs  1, 23, 161, 325 American Society of Comparative Law  4 Anerkennungszuständigkeit  12, 16, 249 ff., 305 ff., 317, 320, 325, 331, 335, 342, 362 arising out-Verbindung  30, 69 ff., 81 f., 85, 92, 94 Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court  9, 58 ff., 65, 109, 117, 142 f. at home-Basis  63, 73 ff., 88 f., 99, 113, 116, 146, 172, 347 Ausrichten  121, 273, 280 befristete Priorität der Erstklage  245 f. Beklagtenschutz  85, 139, 159 ff., 220, 274 f., 277 f., 285 ff., 309 f., 317, 331 Belegenheitszuständigkeit  27, 68 f., 101, 149 Besix/Wasserreinigungsbau Alfred Kretzschmar  126 besondere Gerichtsstände  95 ff., 123, 125 – der Art.  7 ff. EuGVO  111 ff. Bier/Mines Potasse d’Alsace  118 f., 126, 162, 164

bilateral theory  277 ff., 288 ff., 307, 324, 361 Blackmer v. United States  34, 99 Brogsitter/Fabrication de Montres Normandes  111, 126, 166 Bryant v. Finnish National Airline  67 bundesgerichtliche Zuständigkeit  27 Burger King Corp. v. Rudzewicz  20, 57 f., 63, 180, 353 Burnham v. Superior Court of California  29, 72, 76, 80, 82, 127, 160 but for-Test  84 f., 94 f., 110, 113, 122 Carnival Cruise Lines v. Shute  84, 86, 94, 122, 350, 358 Car Trim/KeySafety Systems  164 category-specific jurisdiction  95 ff., 114 civil procedure  20 claim preclusion  84, 206, 250 ff. concerned jurisdictions  185 f., 189 consent  33, 40 ff., 64, 133, 140, 144, 160, 328 convenience-suitability approach  209 convention double  7, 13, 329 ff., 354 ff. convention mixte  7 f., 13, 17, 329 ff., 354 ff. convention simple  7, 13, 329 ff., Creech v. Roberts  85 Custom Made Commercial/Stawa Metallbau  121, 125 Daimler AG v. Bauman  60, 66, 78 ff., 99, 116, 366 f. Deliktsgerichtsstand  26, 111, 117 f., 165 f., 178, 232, 323, 341, 351, 353 f. Deluxe Ice Cream Co. v. RCH Tool Corp.  85 derivative theory  275 ff., 307, 361 f., 371

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Sachregister

directly affiliating circumstance  33 f., 67, 93 displacement solution  11 f., 16, 226 ff., dispute-specific/dispute-blind  89 diversity  22 doctrin of stare decisis  24 doing business  31, 35, 43 ff., 59 ff., 75 ff., 108 ff., 127, 139, 258, 322 ff., 344, 347 ff. Draft Convention  2016  8, 324, 361 Drittstaatenproblematik  153, 306 ff. due process  22 f., 26, 28, 35, 39 ff., 61, 68 ff., 91, 103, 110, 123 ff., 137, 139, 151 ff., 169 ff., 180 ff., 252 ff., 270 f., 295, 297, 301, 303, 305, 308 ff., 325, 343, 352 eDate Advertising und Martinez/MGN Limited  126, 185 einstweilige Maßnahmen  242 Einzelfallgerechtigkeit  34, 124 ff., 206, 215, 221, 353 Electrosteel Europe/Edil Centro  164 Emrek/Sabranovic  122 Engler/Janus Versand  126, 164 Erfüllungsort  126 ex ante  120, 155, 286 exorbitante Gerichtsstände  99, 146, 203, 310, 311, 339, 349 ex post  31, 92, 96, 115, 120, 127, 176, 203, 244, 278, 286 fairness theory  134 ff., 154 ff., 190 ff., 231, 272 ff., 309, 334 favor defensoris  siehe actor sequitur forum rei federal jurisdiction  21 f. Federal Rules of Civil Procedure  23, 296 Federal Statute on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments  255 Federal Statute on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments, 2005  325 fine tuning  201 ff., 221, 226, 233 Folien Fischer/Ritrama  165 f., 227, 232 forum legis  178, 182, 190 ff., 272 forum non conveniens  67, 108 ff., 158, 161, 181, 201, 230, 236, 240, 245, 304, 333, 359, 360

forum shopping  165, 176, 202, 203, 268, 330 fraud  253 f., 303, 305 full faith and credit clause  22, 39, 181, 206, 252, 300, 309 functional analysis  5, 179, 184 ff., 190, 192, 200, 369 Garantie des fairen Verfahrens (fair trial)  153 ff., 220, 297, 305 Gasser/MISAT  213, 216, 228, 241, 244 f., 360 general jurisdiction  28 ff., 41 ff., 65, 67, 71, 78, 100, 101, 109, 112, 128, 160, 333 Generalklausel (Anerkennungszuständigkeit)  243, 280 ff. genuine link  145, 155 Gerichtsstandsvereinbarungen  122, 149, 170, 211, 213, 217, 219, 229, 236, 245, 247, 323, 340, 355 ff. gesetzlicher Richter  201, 219 ff., 279 f. Gleichlauf zwischen internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht  178 ff. Goodyear Dunlop Tires, S.A. v. Brown  60, 66, 73 ff., 79 ff., 99, 116, 143, 172, 311, 347, 349 governmental interests  183, 187 f., 201 Grauzone  331 ff.. 347, 350, 355 Gray v. American Radiator & Standard Sanitary Corp  35, 52 f. Group Josi/Universal General Insurance  99, 125 Gubisch Maschinenfabrik/Palumbo  213, 216, 228, 237 Gulf Oil Corp. v. Gilbert  108, 174, 208, 210 Haager Konferenz für Internationales Privatrecht  319 hallmark function  268, 275, 290 ff., 299, 308, 309 Handte/TMCS  117, 163 Hanson v. Denckla  51, 65, 76, 142, 180 Harris v. Balk  33, 42, 68, 101, 139 HAÜ  235, 280 f., 320, 329, 332, 335, 337 f., 361

Sachregister Helicopteros Nacionales de Colombia v. Hall  48 f., 66, 69 ff., 75, 79 f., 82, 88, 90, 92, 96 Henry L. Doherty & Co. v. Goodman  35 HGÜ  356 Hilton v. Guyot  257, 271, 347 hybrid personal jurisdiction  92 implied consent  43 indirectly affiliating circumstances  33 f., 101 Inlandsbezug  103, 107, 145, 152 instrumental theory  132 f., 141, 157, 231 Insurance Corp. of Ireland, Ltd. v. Compagnie des Bauxites de Guinee  54, 142 f. Interim Text (2001)  223, 322, 340 ff., 350 f., 353, 360 interlokale Zuständigkeit  25 internationaler Entscheidungseinklang  174, 200, 256, 264 ff., 280, 287, 289, 301 internationaler Notgerichtsstand  314 International Shoe Co. v. State of Washington  26, 28, 30, 35, 45 ff., 50, 52, 64, 66, 68 f., 72 f., 81, 123 f., 137 ff., 142, 160, 210 issue preclusion  206, 250 ff., 305 J. McIntyre Machinery Ltd. v. Nicastro  20, 60 ff., 74, 79, 87, 116 ff., 130, 144 f., 279 f., 311, 348 Joseph Story Research Fellowship  4 Judgments Project  323 Jurisdiction 19 jurisdictional corporate veil piercing  78 Jurisdiction in personam  siehe personal jurisdiction jurisdiction in rem  27, 29, 39, 68 f. jurisdiction quasi in rem  19, 27, 29, 32 f., 68, 99 Justice Ginsburg  62, 74 Justizgewährungsanspruch  151 ff., 172, 178, 199, 220, 238, 244, 309 Justizkonflikt  1, 2, 205 Kainz/Pantherwerke  118 Kalfelis/Schröder  111, 125, 163 Katalog formalisierter Zuständigkeitsregeln 119 Keeton v. Hustler Magazine  174, 181

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Kernpunkttheorie  213, 227, 239 last-in-time rule  304 f. Leuven/London Principles  207, 223, 226 level playing field  173, 203, 211 lex fori-Prinzip/-Theorie  131, 146, 178 ff. limited claims  31 lis pendens  201, 205 ff., 222 ff., 247 litigational ability  56, 58, 173, 272 litigational considerations  37, 38, 56, 63 local  129 localized  36 f. 50, 56, 58, 63 localized defendant  siehe localized Locke’scher Gesellschaftsvertrag  133 long-arm statute  26, 35, 57, 98, 123, 169 Lotus-Case  146 Machttheorie  siehe power theory McGee v. International Life Ins. Co  49 ff., 63, 91, 122, 169 von Mehren, Arthur T., wissenschaftliche Werke  4 von Mehren, Robert B.  3 minimum contacts  26, 45 ff., 64, 72, 80, 92, 94, 109, 111, 120, 123 f., 126 f., 129, 137, 139, 143, 153, 160 f., 210, 279, 285, 306, 353 mirror image rule  279 Mischkonvention  siehe convention mixte Missbrauchsverbot  243 multistate  36 ff., 53, 56 ff., 95, 122, 129. multistate defendant  siehe multistate muscle center  77 Nachprüfungsverbot  306 natural defendant  229, 230, 231, 233, 234 negative Feststellungsklage  siehe displacement solution nerve center  77 Niederlassungsgerichtsstand  112, 115 non-derivative theory  275 ff. nonresident motorist statutes  42, 141 Nottebohm-Case  147 Ordnungsinteressen  150 ordre public  253, 255, 258, 260, 261, 262, 277, 283, 287, 302, 303, 305, 306, 313, 316, 333, 359

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Sachregister

Pammer/Reederei Schlüter; Hotel Alpenhof/Heller  121 f. parallel proceedings rule  206, 211, 303 Parallelverfahren  201 ff., 227, 235, 238, 239, 240, 244, 303, 321, 333 Pennoyer v. Neff  22, 27, 29, 39, 41, 46, 51, 64, 72, 76, 137 ff., 150, 255, 271 Perkins v. Benguet  66 f., 70 f., 75 f., 78, 91 personal jurisdiction  19 Pizarro v. Hoteles Concorde International  86 power theory  29, 39, 51, 76, 131 ff., 137 ff., 155 ff., 160, 210, 270, 284 ff., 334, 368 precedents  siehe doctrin of stare decisis presence  39 principle of correctness  264, 274, 308 f. principle of repose  264, 274, 308 f. Prioritätsprinzip  205, 212 ff., 227, 229, 233 f., 239, 247, 261, 303, 304, 360 private interests  208 proximate cause-Test  85 prozessualen Rollenverteilung  168 public interests  208 public policy  253, 256 ff., 303, 313, 325 punitive damages  1, 161, 325 purposeful availment (zweckgerichtete Inanspruchnahme)  52, 53, 62, 117 race to the courthouse  213 ff., 221, 230, 233, 236 f., 360 reasonableness  54 ff., 181 Rechtssicherheit  124 ff., 155, 169 Reduzierung konkurrierender Gerichtsstände  173, 177 regulating rule  186 related to-Verbindung  71, 82 relational theory  131, 159, 269 Restriktion der general jurisdiction  79 révision au fond  253, 260 f., 266 f., 289, 302 f. Sach- und Beweisnähe  97, 118 ff. Schutz inländischer Kläger  170 schwarze Liste  331 f., 337 ff., 356 Shaffer v. Heitner  52, 68 ff., 80, 102, 142,  179 Shevill/Press Alliance  118 f., 126, 163 f. Shute v. Carnival Cruise Lines  84, 94, 122

similarity-Test  88 ff. sliding scale  90 ff. Somafer/Saar-Fernglas  347 Souveränität  142, 145, 149, 150, 271 sovereignty theory  135 ff., 142 f. specific jurisdiction  30, 34 ff., 45 ff., 49 ff., 58, 62 f., 96, 115 f., 118, 122, 125, 128, 347, 362 Spiegelbildprinzip  262, 267, 269, 274, 276, 278, 281 ff., 335 Spiliada Maritime Corp. v. Consulex Ltd.  209 Staatsphilosophie  130 ff. state court jurisdiction  21 Störung im IPR-Prozess  195 stream of commerce plus-Theorie  59 stream of commerce-Theorie  59, 61, 74 Streitgegenstand  70, 83, 97 Streitgegenstandsbezug  38, 48, 81, 85, 88 ff., 93 f., 95, 97, 102, 106 ff., 113 ff., 122, 129, 178, 284, 352, 365 ff. subject matter jurisdiction  21 subsidiärer Vermögensgerichtsstand  314 substantive relevance-Test  86 ff., 94, 113 tacit consent  133 ff., 144 tag jurisdiction  29, 33, 42, 72, 99, 127, 134, 138, 160, 172, 173, 210, 258, 282, 325, 334 f., 339 ff., 349 targeted  61 ff., 117, 144, 280, 347 Tatry/Maciej Rataj  228, 233 Territorialitätsprinzip  42 f., 138, 144 ff. Torpedoklagen  siehe displacement solution traditionelle Gerichtsstände – der general jurisdiction  39 – der unlimited general jurisdiction  72 transacting business  31, 35, 113 f., 322, 339, 341, 347 ff. Travers v. Holley  278 Trennungsgrundsatz  179, 197 true conflicts  38, 187 Turner/Grovit  207, 244 Ubiquitätstheorie  118, 126, 164, 192, 351 f. Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act  254, 300

Sachregister Uniform Foreign-Country Money Judgments Recognition Act (UFCMJRA 2005)  288 Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act (UFMJRA)  279 unilateral theory  276 ff. unlimited claims  32 Unternehmens(-wohnsitz)  75 venue  24 Verbrauchergerichtsstand  121 f. Verfahrenskoordination  siehe fine tuning Vermögensgerichtsstand  100 ff., 115, 128 Vertragsgerichtsstand  120 ff., 164 Völkerrecht  148 ff. völkerrechtliche Schranken  siehe Völkerrecht; genuine link

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Vollstreckungsinteresse  173 Vollstreckungsnähe  104 Vorhersehbarkeit  169 Waffengleichheit  152, 173, 176 f., 202 f., 218, 233, 237, 247 weiße Liste  331 World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson  21, 52, 53 ff., 59, 63 f., 92 f., 109, 140 ff., 168, 210, 354 Zuid-Chemie/Philippo’s Mineralenfabriek 118 Zuständigkeitskonzept  128 Zuständigkeitsmethodik  119 ff., 128, 355 Zuständigkeitstheorien  130 ff.