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German Pages 167 [192] Year 2020
INHALT Spalte
B l a t t e r , R., Einige rotfigurige Fragmente attischer Keramik. Mit 6 Abbildungen
638
B o t h m e r , D. von, The Head of an archaic Greek kouros. Mit 6 Abbildungen
615
D i e h 1, E., Fragmente aus Samos. Mit 54 Abbildungen
493
D r e r u p , H . - N a u m a n n , R. - T u c h e l t , K., Bericht über die Ausgrabungen in Didyma 1962. Mit 27 Abbildungen und 2 Plänen
333
G e r k a n , A. von, Die Datierung des Castortempels in Rom
648
G r e i f e n h a g e n , A., »Hermae Pentelici cum capitibus aeneis«. Mit 11 Abbildungen
628
G r u b e n , G. - V i e r n e i s e l , j 5 Abbildungen und 1 Plan
384
K., Die Ausgrabungen im Kerameikos. Mit
Himmelmann-Wildschütz, Mit 2 Abbildungen
N., Zur geometrischen Amphora in Essen. 611
K i m m i g , W., Ein attisch schwarzfiguriges Fragment mit szenischer Darstellung von der Heuneburg a. d. Donau. Mit 3 Abbildungen
467
N i e m e y e r , H . G. - P e l l i c e r , M. - S c h u b a r t , H., Eine altpunische Kolonie an der Mündung des Rio Velez. Mit 8 Abbildungen
476
O r t h m a n n , W., Ein Brandgräberfeld hethitischer Zeit bei Ilica. Mit 10 Abbildungen und 1 Plan
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ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1964 • HEFT 3 EIN B R A N D G R Ä B E R F E L D HETHITISCHER Z E I T B E I ILICA Bei dem Dorf Ilica, Kreis Ayas, etwa 65 km westlich von Ankara, waren schon vor Jahren von I. K1I15 Kokten eine prähistorische Siedlung ('Asarcik Hüyük 1 ) sowie 'megalithische' Steinsetzungen beobachtet worden 1 . Im Frühjahr 1963 wurde der Verf. von Se. Hoheit Prinz zur Lippe in Ankara darauf aufmerksam gemacht, daß die Bauern des Dorfes zwischen diesen Steinsetzungen Gefäße mit Leichenbrand ausgegraben hatten. Eine Untersuchung des Geländes, bei der Reste der ausgegrabenen Gefäße sichergestellt werden konnten, ergab, daß die Bauern auf ein Brandgräberfeld hethitischer Zeit gestoßen waren. Da die Gefahr einer Zerstörung bestand, führte der Verf. bereits im Herbst 1963 im Auftrag der Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts eine zweiwöchige Untersuchung in diesem Gräberfeld durch 2 . Der Friedhof liegt auf dem Höhenrücken, der unmittelbar südlich an das heutige Dorf anschließt. Die zugehörige Siedlung befindet sich nördlich des Dorfes jenseits von einem kleinen Bachtal und umfaßt eine auf einer Felsenkuppe gelegene befestigte Oberstadt (Abb. 1) und eine sich auf dem anschließenden Höhenrücken nach Osten hin ausbreitende Unterstadt. Bei den oben erwähnten 'megalithischen' Steindenkmälern handelt es sich um große, unbehauene Felsblöcke, die eine unregelmäßige, von Nord nach Süd verlaufende Reihe bilden und mit den Bestattungen in unmittelbarem Zusammenhang zu stehen scheinen (Abb. 2). Einzelne Blöcke lassen erkennen, daß es weiter westlich eine weitere derartige Reihe gegeben hat, deren Blöcke aber zum größten Teil in das Dorf verschleppt worden sind. 1 Kokten, Belleten 11, 1947, 435. 441 f.; ders., IV. Türk Tarih Kongresi 200. 2 An der Ausgrabung nahm außer dem Verf. noch Frau S. Qelikkol als Kommissarin der Generaldirektion der Antiken und Museen teil.
11 A A . 1964
Da der Boden zwischen den ersten, nördlichsten Steinen der östlichen Reihe von den Bauern durchwühlt war, wurde die eigentliche Grabungsfläche in dem noch unzerstörten Teil etwas weiter südlich so angelegt, daß die Steinreihe etwa die Mittellinie bildet. In dem Areal von insgesamt 25 x 7 m wurden insgesamt 82 Bestattungen dicht nebeneinander angetroffen (s. Plan nach Sp. 323f.). Außerdem wurden verschiedene Suchschnitte angelegt, die zeigen, daß sich der Friedhof nach Osten hin jenseits der Steinreihe nicht weiter fortsetzt, daß nach Süden hin auch an dem letzten Stein noch eine — wenn auch nur eine einzelne — Bestattung vorhanden ist und daß es nach Westen hin zwischen den beiden Steinreihen einfache Erdgräber einer sehr viel späteren Periode gibt 3 . Ein Suchschnitt an der zweiten, westlichen Steinreihe ergab nur lose Scherben. Die Verteilung der Gräber in der Grabungsfläche zeigt eine deutliche Häufung in der unmittelbaren Umgebung der großen Steine; dort sind manchmal einige Gräber unmittelbar nebeneinander in einer Gruppe angelegt (Abb. 3). Dabei müssen die Steine vor Anlage der Gräber aufgerichtet worden sein, da sonst die unmittelbar benachbarten Gräber bei Errichtung der Steine stärker gestört worden wären. Die Steine sind dann z. T. nach Anlage der Gräber verstürzt und haben dabei einzelne Grabgefäße zerdrückt. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß Steine und Gräber etwa in die gleiche Periode gehören und nicht etwa sehr viel früher errichtete Steine die Anlage des Friedhofes bestimmt haben. Die Gräber bestehen fast stets aus einem einzelnen Gefäß, das die Asche und die ver3 Es handelt sich dabei um Erdbestattungen, die mit einer oder mehreren Steinplatten abgedeckt sind. Die Toten sind in gestreckter Rückenlage in Ost-Westrichtung mit dem Kopf nach Westen beigesetzt. In der Füllung eines Grabschachtes wurde ein spätes, vielleicht byzantinisches Gefäß gefunden.
W I N F R I E D
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Abb. 1 .
Abb. 2.
ORTHMANN
Der Asarcik Hüviik nördlich des Ortes Ilica
Gräberfeld mit Steinsetzungen vor der Ausgrabung
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EIN B R A N D G R Ä B E R F E L D HETHITISCHER ZEIT BEI
ILICA
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A b b . 3. Die Gräber Nr. 38—40 in situ
brannten Knochen des Toten enthielt (Abb. 5). Es handelt sich dabei ausschließlich um Schnabelkannen und kleinere Pithosschnabelkannen, die zumeist etwas nach vorne geneigt im Boden standen, so daß die Mündung etwa horizontal lag. Bei einigen gut erhaltenen Bestattungen ließ sich noch nachweisen, daß die Mündung mit einigen großen Scherben abgedeckt war (Abb. 4). Merkwürdigerweise sind bei sehr vielen Gefäßen die Schnäbel am Rand und an der Spitze beschädigt. Dabei handelt es sich meist offenbar nicht um Gebrauchsschäden, man möchte vielmehr annehmen, daß diese Beschädigungen aus uns nicht mehr erkennbaren Gründen absichtlich vorgenommen worden sind. Dies gilt sicher für die kleinen Löcher, die bei allen Grabgefäßen — mit wenigen Ausnahmen — in Schulter oder Bauch angebracht sind 4 . Beigaben sind selten und bestehen ausschließlich aus
4 Eine absichtliche Beschädigung v o n Grabgefäßen wird auch v o n K . Bittel für die F u n d e v o n Osmankayasi angenommen: vgl. K . Bittel u. a., Die hethitischen G r a b f u n d e v o n Osmankayasi, W V D O G . 71, 23. D a s nachträgliche Anbringen v o n Löchern in Urnen ist auch sonst beobachtet, z. B . bei den urartäischen B e s t a t t u n gen von Melekli bei Igdir (Barnett, A n a t S t . 13, 1963. 193)-
kleineren Gefäßen neben dem eigentlichen Grabgefäß. Soweit sich in dem sehr humösen Boden erkennen ließ, waren die Gräber als eine sehr knappe Grube angelegt, in die Grabgefäße und gegebenenfalls Beigaben gestellt wurden. Oft sind die Gruben mit kleineren und größeren Steinen ausgebaut, die die Gefäße mehr oder weniger kreisförmig umgeben. Eine vollständige Abdeckung der Bestattung mit Steinen wurde dagegen nur bei Grab Nr. 53 beobachtet. Abweichungen von dieser üblichen Form der Beisetzung kommen selten vor. Nur Grab Nr. 56 scheint eine Körperbestattung zu sein. Hier fanden sich — sehr schlecht erhaltene — Knochen zwischen und unter einer Abdeckung aus Steinen, daneben ein kleinerer Henkeltopf und ein Bleiteil (rohes Idol ?) als Beigaben. Die Lage der Knochen spricht für eine Hockerbestattung mit dem Kopf im Osten. An mehreren Stellen fanden sich einzelne Skeletteile, besonders Beinknochen und Schädel. Sie lagen entweder neben einer Brandbestattung (Grab Nr. 1, Grab Nr. 16) oder auch völlig isoliert (Grab Nr. 30, Grab Nr. 70). Ob es sich dabei um Überreste von Körperbestattungen handelt (die Erhaltungsbedingungen für Knochen sind im
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Boden des Gräberfeldes sehr ungünstig) oder um unvollkommen verbrannte Körperteile, die nicht in einer Urne beigesetzt werden konnten, bleibt noch zu untersuchen 5 . Überreste von Tierknochen fanden sich selten und nicht in Zusammenhang mit einem bestimmten Grab. Auffallend ist die große Zahl der lose im Boden gefundenen Scherben. Darunter sind Gefäßformen vertreten, die weder als Grabgefäße noch als Beigaben vorkommen. Nur einige Schalen wurden ganz, aber nur in sehr losem Zusammenhang mit einem Grab, nämlich auf sehr viel höherem Niveau, gefunden, die übrigen Scherben sind sehr gestreut. Es wäre möglich, daß diese Gefäße für Totenopfer verwendet worden sind, vielleicht weniger auf ein einzelnes Grab als auf die ganze Begräbnisstätte bezogen. Eine solche Verwendung, bei der die Gefäße nicht oder nur sehr flach in den Boden eingegraben worden wären, erklärte die starke Streuung der Scherben. 5 Bei den entsprechenden Skelettresten in Osmankayasi wurden keine Spuren von Brandeinwirkung festgestellt (Bittel a. O. 38). K . Bittel nimmt daher an, die Skelettgräber seien durch die unmittelbar neben oder über ihnen angelegten Brandgräber gestört worden (ebenda 24f.). E s wäre merkwürdig, wenn dies auch in Ilica in gleicher Weise geschehen wäre, da hier ausreichend Platz zur Verfügung stand und daher Störung einer Bestattung durch eine spätere kaum vorkommt.
ORTHMANN
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Von den beiden bisher bekannten Friedhöfen hethitischer Zeit — Osmankayasi bei Bogazköy 8 und Gordion 7 — ist die Grabstätte von Osmankayasi mit Ilica gut zu vergleichen, auch wenn die Bestattungen an gänzlich verschiedenen Stellen (Grotte in Osmankayasi, freier Höhenrücken in Ihca) angelegt sind. An beiden Orten handelt es sich vorwiegend um Brandgräber, während Skelettgräber nur in geringerer Zahl und in schlechtem Erhaltungszustand angetroffen wurden. Die Anlage der Urnengräber selbst ist an beiden Orten gleich, auch in Osmankayasi fanden sich kaum Beigaben. Nur gibt es in Osmankayasi sehr viel mehr verschiedene Gefäßformen unter den Grabgefäßen. Um eine gänzlich andere Art von Gräberfeld handelt es sich in Gordion. Hier sind die Bestattungen ebenfalls auf einem offenen Höhenrücken außerhalb der Siedlung angelegt. Eine Markierung des Friedhofes an der Oberfläche scheint nicht vorhanden gewesen zu sein. Es gibt jedoch ausschließlich Körperbestattungen, zumeist in Pithoi oder in Steinkisten. Nur Grab Nr. 56 in Ilica weist in der Anlage eine Ähnlichkeit zu den Steinkistengräbern von Gordion auf 8 . Der Unter6 7
Bittel a. O. M. Mellink, A Hittite Cemetery at Gordion
(1956).
8 Während der Ausgrabung wurde uns mehrfach von Pithosgräbern berichtet, die schon früher
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EIN B R A N D G R Ä B E R F E L D HETHITISCHEK ZEIT BEI
Abb. 8. Beigabe aus Grab Nr. 42, Höhe 10,0 cm
ILICA
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Abb. 9. Beigabe aus Grab Nr. 25, Höhe 10,0 cm
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EIN B R A N D G R Ä B E R F E L D B E I ILICA
s
1
Abb. 10. Beigabe aus Grab Nr. 72, Höhe 2 1 , 2 cm
schied in den Bestattungsbräuchen zwischen Gordion und Ilica fällt um so mehr auf, als beide Gräberfelder, die nur etwa 60 km voneinander entfernt sind, etwa in die gleiche Periode gehören müssen. Eine Datierung läßt sich für das Gräberfeld in Ilica nur durch den Vergleich der Gefäßformen gewinnen. Dabei muß zunächst festgestellt werden, daß die Grabgefäße zwar zunächst sehr einheitlich wirken, daß sich aber im Einzelnen sowohl in der Form als auch in der Machart gewisse Unterschiede feststellen lassen: eine Gruppe von Gefäßen ist aus stark mit Sand gemagertem, rotbraun gebranntem Ton hergestellt, ist verhältnismäßig dickwandig, die Formen sind gerundet, weder Boden noch Hals sind deutlich abgesetzt, der Bauch weist keinen oder nur einen undeutlich ausgeprägten zwischen den beiden Steinreihen zutage gekommen sein sollen. Abgesehen von Überresten eines Pithos, die unter dem zum Dorf führenden Weg angetroffen wurden, aber keinen Inhalt mehr hatten, gelang es bisher nicht, solche Pithoi festzustellen.
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Umbruch auf (Abb. 6). Bei einer anderen Gruppe von Gefäßen dagegen ist der Ton sehr fein, wenig gemagert, hellbraun, die Formen sind scharfkantiger, der Boden entweder abgesetzt oder als Standring ausgebildet, der Bauch weist einen scharfen Umbruch auf (Abb. 7). Auch wenn dies vorläufig nicht sicher nachgewiesen werden kann, so ist doch zu vermuten, daß diese zweite Gruppe von Gefäßen etwas jünger als die erste Gruppe ist. Auch unter den als Beigaben verwendeten Gefäßen gibt es solche älteren Typs (z. B. eine große, handgemachte Tasse mit schwarzem Überzug, Abb. 8) als auch solche sicher jüngerer Art (z. B. eine scheibengedrehte Tasse auf hohem Fuß, Abb. 9, eine kleine Kanne mit trogförmigem Ausguß, Abb. 10). Es läßt sich aber nicht ausschließen, daß diese verschiedenen Gefäße auch noch gleichzeitig in Gebrauch gewesen sind. Man kann daher vorerst nicht mit Sicherheit sagen, wie lange das Gräberfeld belegt worden ist. Ein Vergleich der in Ilica vorkommenden Gefäßformen mit solchen anderer Fundorte ergibt, daß viele Formen ihre Entsprechungen in den Schichten der jüngeren KarumZeit in Inneranatolien9 finden. Dies trifft auch für die lose zwischen den Gräbern gefundene Keramik zu. Gerade unter dieser Keramik finden sich aber viele Stücke, die weiterentwickelt zu sein scheinen und die man daher am liebsten in die althethitische Periode setzen möchte. Die Schwierigkeiten für eine genauere Datierung liegen vor allem darin, daß bisher im westlichen Inneranatolien noch kein Fundort mit einer geschlossenen Folge von Schichten dieser Periode untersucht worden ist 10 . Eine Klärung dieser Fragen kann daher nur von einer Ausgrabung in dem zu dem Gräberfeld gehörigen Siedlungshügel erwartet werden. Istanbul
W i n f r i e d Orthmann
9 Kültepe K a r u m Ib, Alisar, Bogazköy B ü y ü k kale I V d und Unterstadt 4, evt. Polath Periode I V . 10 Die anscheinend in diese Periode gehörigen Funde von Karaoglan sind noch nicht veröffentlicht.
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B E R I C H T Ü B E R D I E A U S G R A B U N G E N I N D I D Y M A 1962
BERICHT Ü B E R D I E AUSGRABUNGEN IN DIDYMA 1962 Das Heiligtum des Apollon in Didyma war im Bewußtsein der Antike nicht nur eines der größten, sondern auch eines der ältesten, bereits vor der jonischen Wanderung existierenden Kultzentren des Ostens1. Eine archäologische Bestätigung dieses hohen Alters hat die Publikation des Tempels durch H. Knackfuß nur z. T. ergeben. Wohl ist es Knackfuß gelungen, einen archaischen Vorgängertempel nachzuweisen, doch ist die Untersuchung nicht ganz zu Ende geführt worden. Und lediglich aus den Grabungstagebüchern erfährt man, daß die in großen Massen gefundene Keramik bis in die geometrische Zeit hinaufreicht. Die Kleinfunde sind bekanntlich vor ihrer Bearbeitung bei der Zerstörung des Grabungshauses während des griechisch-türkischen Krieges verlorengegangen, und Hinweise auf Fundstellen und Fundschichten findet man in den Tagebüchern nur in allgemeinsten Wendungen. So lag es nahe, nachdem eine Wiederaufnahme der Grabung beschlossen war, durch vorsichtige Tastungen und Grabungen innerhalb und außerhalb des Tempels über die Frühzeit soweit noch möglich Klarheit zu bekommen. Während R. Naumann und K. Tuchelt zu diesem Zweck außerhalb an der Südwestecke gruben, haben H. Drerup und F. Hiller ihre Untersuchung in den Hofraum des Adytons verlegt, der natürlich von Anfang an das eigentliche Kultzentrum war. Die Arbeiten fanden in der Zeit vom 8. bis zum 23. Oktober 1962 mit freundlicher Genehmigung der Generaldirektion der Altertümer und Museen in Ankara statt. Herrn Generaldirektor Rüstern Duyuran danken die Unterzeichneten für sein Interesse und Wohlwollen sowie für seinen Besuch in der Grabung. Als Regierungskommissar war Herr Sezer Tansu eingesetzt und als Mitarbeiter ferner Herr Cengiz Üstüner verpflichtet worden. Beiden Herren sei für ihre Unterstützung und Mitarbeit in gleicher Weise gedankt. Das notwendige Arbeitsgerät stellte hilfsbereit der Leiter der Milet-Grabung G. Kleiner zur Verfügung. 1 Die schriftliche Überlieferung ist zusammengestellt in R E . s. v. Branchidai, Didyma, Milet.
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Der erste Teil des nachfolgenden Grabungsberichtes von H. Drerup beschränkt sich auf Beobachtungen des Geländes und des Baubefundes im Hofraum des Adytons. Die Kleinfunde und Architekturstücke sind nach Beendigung der Grabung in Istanbul abgegeben worden bzw. an Ort und Stelle geblieben und konnten wegen der großen räumlichen Entfernung noch nicht bearbeitet werden, sie sollen von F. Hiller in einem gesonderten Bericht vorgelegt werden. Der zweite Teil des Berichtes von R. Naumann und K. Tuchelt bringt einen Überblick über die Ergebnisse der Grabung an der Südwestecke des Tempels; der ausführliche Bericht dieser Grabung, dessen Umfang über einen Anzeigerbericht hinausgeht, erscheint in den Istanbuler Mitteilungen 1963/64. H. D r e r u p R. Naumann I. D I E G R A B U N G I M A D Y T O N
Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Untersuchung des Adytons schienen zu Beginn der Grabung alles andere als günstig zu sein. Das heutige Niveau liegt unterhalb der Euthynterie der archaischen Hofmauer; darüber hinaus lehrten Publikation, Grabungstagebücher2, der Augenschein und die spätere Erfahrung, in welchem Ausmaß in frühbyzantinischer Zeit, dann 1910—1913 von Knackfuß und schließlich 1925 von Hörmann die Erde durchgewühlt worden ist. Das Sinnvollste wäre sicher eine Nachgrabung im Naiskos gewesen, doch war angesichts der genannten Bedingungen hier am allerwenigsten mehr zu erwarten. So blieb nur die Hoffnung, in unmittelbarer Nachbarschaft des Naiskos, vor allem im beiderseitigen schmalen Geländestreifen zwischen Naiskos und archaischem Adytonfundament einige Stellen unberührten Erdreichs zu finden. F. Hiller und ich haben uns für den südlichen Streifen entschieden. Maßgebend war einmal die größere Nähe zur 2 Die Tagebücher der älteren Grabung werden in der Antikenabteilung der Staatlichen Museen, Berlin-Charlottenburg, aufbewahrt. C. Weickert hat in selbstloser Weise die interessierenden Partien ausgezogen und eine Abschrift den Ausgräbern zur Verfügung gestellt.
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HEINRICH
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Abb. 1. Gesamtansicht des Grabungsstreifens von Westen
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-108M12
--BAUGR.UBENSOHLE HELLEN. NAISKOS
—
ARCH. BAUGRUBE -
STEG 1
Didyma 1962. Oben: Geländeschnitt durch den Gral
:n G r a b u n g s s t r e i f e n ; unten: Steinplan des G r a b u n g s s t r e i f e n s
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B E R I C H T Ü B E R D I E A U S G R A B U N G E N IN D I D Y M A 1962
gleichzeitigen Grabung außerhalb des Tempels, außerdem die Hoffnung, einen von Knackfuß mehrfach genannten vorgeschichtlichen Bachlauf genauer lokalisieren zu können. Weitere Untersuchungsobjekte waren das Gelände vor und hinter dem Naiskos, eine dem nördlichen archaischen Adytonfundament unmittelbar vorgelagerte Steinsetzung und schließlich das Aufhören des archaischen Adytonfundamentes im Osten. Für die geologische Beurteilung der mitgebrachten Gesteinsproben und für Beratung sei Prof. C. Rockel und Kustos R. Huckriede vom hiesigen geologischen Institut aufrichtiger Dank ausgesprochen. Die Zeichnungen stammen von F. Hiller3, mit dem selbstverständlich alle Überlegungen ausführlich durchgesprochen wurden. Ihm vor allem habe ich für Rat und Beistand in jeder Hinsicht zu danken. Das Hauptobjekt der Untersuchung war, wie gesagt, der 2-2,5 m breite Geländestreifen zwischen der Südwand des hellenistischen Naiskos und dem südlichen archaischen Adytonfundament (Abb. 1 und Plannach Sp. 335t",). Er ist in seiner östlichen Hälfte auf eine Länge von etwa 9 m abgegraben worden, wobei zwei Stege für eine spätere Kontrolle stehen geblieben sind. Hierbei haben sich trotz erheblicher späterer Störungen wichtige Aufschlüsse über die Geländeschichtung und über die Baugeschichte des Heiligtums ergeben. Die Störungen stammen vor allem von einem bis in den unberührten Boden hinabgetriebenen Fundamentgraben in Querrichtung, der für ein Mauerstück der älteren byzantinischen Kirche, d. h. für ihre westliche Außenwand ausgehoben worden war 4 und dessen Sohle noch geringe Steinsetzung enthielt. Das Mauerstück hat Knackfuß bis auf die genannten Reste entfernt und außerdem von hier aus einen nach oben beträchtlich weiter ausgreifenden Suchgraben sowohl gegen das archaische Adytonfundament als auch gegen das hellenistische Naiskosfundament angelegt und diesen Graben um die Ostseite des Naiskos herumgeführt. Schließlich muß jetzt schon auf die breite hellenistische Baugrube 3 Abb. 12 ist nach Unterlagen von R. Naumann von F. Hiller neu gezeichnet worden. 4 Vgl. Didyma I Tafelbd. Tai. 3 (Z 95).
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hingewiesen werden, die dem Naiskosfundament entlang den nördlichen Streifen des Grabungsgeländes einnimmt. Es folgen zunächst Beobachtungen zur Schichtung des Geländes(Plan nach Sp.335f.). Als tiefste Schicht ergab sich innerhalb des Grabens ein trockener, lockerer Sandboden von unbekannter Tiefe. Seine Farbe ist schwarzbraun, d. h. mangangeschwärzt, marine Fossilien sind nicht gefunden worden. Sein Niveau beschreibt von Osten nach Westen, (im Plan ist Westen rechts) eine sehr flache Einsenkung, deren breit gelagertes Mittelstück von —220 cm westwärts auf etwa —195 cm, ostwärts auf etwa —190 cm ansteigt5. Das gleiche Sandstratum und die gleiche Einsenkung konnten in einem rechtwinklig nach Norden umbiegenden 3,10 m langen Schnitt östlich des Naiskos festgestellt werden, der in 1,10 m Abstand von diesem angelegt wurde und in seiner Tiefe auf unberührtes Erdreich stieß. Die Sandschicht senkt sich dort von —211,5 cm leicht nach Norden ab; ihr tiefstes Niveau von gleichfalls —220 cm ist nach 2,5 m erreicht worden, um von da an bis zum Ende des Schnittes wieder auf —216,5 m anzusteigen. Offensichtlich haben wir es mit den beiden Profilen einer seichten Mulde, genauer einer seichten Rinne zu tun, die die Südostecke des Naiskos schräg unterläuft. Das gleiche Sandstratum wurde 15 m weiter östlich jenseits der beiden archaischen Adytonfundamente angetroffen. Jenseits des südlichen Fundamentes beginnt es in einer Tiefe von —102 cm, jenseits des nördlichen bei —154 cm. Das Niveau des Sandstratums ist also in beiden Fällen nicht unbeträchtlich höher als im Westen, senkt sich also in Richtung auf das Meer langsam ab. Gleichzeitig aber neigt es sich in Querrichtung nach Norden. Hier ist von Bedeutung, daß auch das Bodenniveau längs der letzten 10 m des nördlichen archaischen Adytonfundamentes, das an einer vorarchaischen Steinsetzung (Abb. 14; vgl. Sp. 355ff.) noch ablesbar ist, nach Osten ab5 Als Nullpunkt des Niveau ist die Oberfläche der 3. Stufe der Adytontreppe angenommen worden (Schwellsteine der Adytondurchgänge + 2 cm).
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Abb. 2. Kalktuffbank mit archaischer Baugrube. Links Einfüllung der älteren Grabung
fällt, wodurch sich im Nordosten des Adytonhofes eine Mulde abzeichnet. E s ist denkbar, wenn auch keineswegs sicher, daß sie und die Mulde bzw. Rinne unter der Südostecke des Naiskos miteinander im Zusammenhang stehen, Teile einer das Adyton in Schrägrichtung durchlaufenden Rinne sind. Über die weitere Schichtung des Geländes gibt lediglich der abgegrabene Streifen zwischen Naiskos und Adytonfundament Auskunft (Plan nach Sp. 335t.). Auf einem Teil des Sandstratums liegt eine bis 20 cm hohe Kieselschicht aus porphyrischem Eruptivgestein in verschiedenen Zersetzungszuständen. Sie senkt sich leicht nach Süden ab und wird wie alles darüber Angetroffene von der Baugrube des hellenistischen Naiskos abgeschnitten. Es folgt eine zweite Sandschicht, die sich von der ersten durch eine etwas verschiedene, nämlich grauere Färbung unterscheidet und eine schwärzliche, mit Asche durchsetzte Zone enthält (vgl. Sp. 346), die sich nach Westen verläuft. Von Interesse ist die nächstfolgende Schicht. In Höhe der Naiskosecke erhebt
sich eine bis 60 cm hohe Bank aus kreidigem Kalktuff (Abb. 2). Nach Osten lehnt sie sich an Steg 1 an, nach Westen und Norden war sie durch den genannten byzantinischen Fundamentgraben mit seiner Ausweitung durch Knackfuß begrenzt, ist aber später weiter abgegraben worden, um einen darunter befindlichen Steinklumpen zu untersuchen (Abb. 3); die südliche Begrenzung bildet die sich scharf absetzende Baugrube für das archaische Adytonfundament. Die Kalktuffbank setzt sich aus welligen Wachstumsschichten grau-gelber und grauer Farbe zusammen, die durch dunklere Zonen einer mehr sandigen und erdigen Konsistenz voneinander getrennt sind und insgesamt deutlich eine Neigung nach Süden aufweisen. Über das Zustandekommen des Kalktuffs gibt es laut Beurteilung der vorgelegten Reste keinen Zweifel: es sind die Sedimente eines Süßwasserspiegels. Westlich jenseits der Störungszone ist auf eine Länge von 3 m eine niedrigere kompakte Schicht reinen hellweißen Kalkes angetroffen worden, die zunächst den Verdacht
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Abb. 3. Teilweise abgegrabene Kalktuffbank mit heraustretendem Steinklumpen
auf eine langgestreckte Kalkgrube erweckte und bis auf einen breiten Randstreifen abgegraben wurde (Abb. 4). Die Oberfläche war teils sphärisch verzogen, teils ging sie in flockiger Auflösung in harte, kalkdurchsetzte Erde über; innerhalb von Steg 2 spitzt die Kalkschicht sich dachförmig zu und erreicht dort nahezu die Höhe der Kalktuffbank. Auch Einschlüsse von Kalktuff traten in den oberen Zonen zutage, wie umgekehrt versprengte Einschlüsse des Kalkes in der Kalktuffbank vorkommen. Wieder ist die Deutung der vorgelegten Proben mit Bestimmtheit ausgesprochen worden: Es handelt sich um Kalk, der durch Versinterung, d. h. durch Verdunstung des gleichen Süßwassers entstanden ist, das in der Mitte den Kalktuff abgesetzt hat. Jenseits der Kalktuffbank und von Steg 1 traten Kalktuff und Kalksinter in geringerer Mächtigkeit innerhalb der kalkhaltigen Erde zutage (Abb. 5). Aus den Kalksedimenten ergibt sich die anschauliche Versteinerung einer nach Süden abfließenden breiten Wasserstelle, deren mittlerer Abschnitt mehr oder weniger ständig wasserführend war, während die Verdunstungsrückstände Trockenfallen angehören. Im letzten Abschnitt des Grabens
nach Westen schließlich gehen Kalk und kalkhaltige Erde unmittelbar in eine schwärzliche, stark humose Erde über, die sich in unveränderter Konsistenz weiter nach Westen fortsetzt. Wir haben es mit der Uferzone der Wasserstelle zu tun. Die Fortsetzung des Wasserlaufs nach Süden ist indirekt noch mit aller Deutlichkeit zu beobachten. Es handelt sich um einen 2 m breiten Fundamenteinbruch, der die hellenistischeAdy tonwand in Querrichtung durchzieht. Im Adytoninneren liegt er 16 m von der Rückwand entfernt in Höhe des 4. Wandpilasters6, der Austritt im Süden liegt nur 2 m nach Westen verschoben in Höhe der 16. Außensäule von Osten 7 . Es ist klar, daß der von Knackfuß gegen das archaische Adytonfundament vorgetriebene Suchgraben den Ursachen des Fundamenteinbruches gegolten hat. Knackfuß hat den weiteren Verlauf des Wasserlaufes als Sandbettung im südwestlichen Vorgelände des Tempels und darüber hinaus durch Tastungen bis gegen die Küste von Karakuju verfolgen können8. Didyma I Tafelbd. Tai. 12 (Z 149). Didyma I Fotobd. Taf. 228 (F 168). 8 Didyma I 4Ör. 124I. Grabungstagebuch vom 12. 6. 1907 und 18. 1. 1911. 6 7
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Abb. 4. Teilansicht des Grabungsstreifens von Nordosten. I m Vordergrund Kalksinterschicht
Für ihn handelt es sich um eine wasserreiche Quelle vorgeschichtlicher Zeit, die im Hinterland jenseits des Heiligtums entsprungen sei und innerhalb einer Geländefalte, in die später das Heiligtum hineingebaut wurde, westwärts abfloß, um an der bezeichneten Stelle nach links abzubiegen. Als das Heiligtum erbaut wurde, sei die Quelle versiegt gewesen9. Dagegen hätten in nachantiker Zeit, als die Abflußkanäle verstopft waren, die Tag- und Grundwasser einen neuen Abfluß gesucht und diesen an der Stelle des geringsten Widerstandes, d. h. innerhalb des alten Bachbettes gefunden; damals sei der Fundamenteinbruch entstanden 10 . Die Überlegungen von Knackfuß sind folgerichtig, sie sind hinsichtlich der nachantiken Entstehung des Fundamenteinbruchs unbedingt zutreffend und finden, wie es scheint, ihre volle Bestätigung durch die Sedimente eines nach Süden abfließenden Wasserlaufes genau an der gesuchten Stelle. Gleichwohl lassen die Kalksedimente Zweifel an den Knackfußschen Überlegungen aufkommen. Die Sand-Kiesablagerungen 9 10
Didyma I 46 r. Didyma I 54r.
des Bachbettes im südwestlichen Tempelvorgelände werden von Knackfuß mehrfach ausdrücklich erwähnt, auch von einer darüberliegenden, mit Fundstücken durchsetzten Erdschicht von 0,5 m Höhe ist die Rede 11 , dagegen fehlt jeder Hinweis auf Kalkablagerungen. Auch die Quergräben östlich des Naiskos und der Adytonfundamente haben in ihrer Tiefe keine Kalkrückstände zutage gefördert, allerdings setzt dort jedesmal sehr bald oberhalb des Sandstratums bzw. einer darüberliegenden dünnen Kieselschicht die gestörte Erde ein. Um so mehr muß die 8 m breite Ausdehnung der Kalkbank und die Mächtigkeit der Kalktuffschicht erstaunen. Die einzelnen Schichten des Kalktuffs sind von einer porösen mehligen Konsistenz ohne jede erdige Beimischung, die gleiche Reinheit hat die Kalksinterschicht. Mit den Rückständen eines Bachlaufs bzw. winterlicher Regenwässer läßt sich der Befund nicht vereinbaren. Es muß sich um klares Wasser gehandelt haben, das in breitem, ungefaßtem Lauf als dünner Filter nach Süden abrieselte, hierbei seinen Kalk ablagerte und erst später, vermutlich 11
Grabungstagebuch vom 12. 6. 1907.
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Abb. 5. Steinklumpen mit Feuerstellen. Rechts Steg 1
im Abschnitt der archaischen Adytonbegrenzung, sich zu einem schneller fließenden Bachlauf zusammenschloß. Damit ergibt sich die Vorstellung einer abrieselnden Wasserstelle von erheblicher Ausdehnung, die man sich durch ein in nicht allzugroßer Entfernung befindliches Quelloch gespeist denken möchte. Die niedrigere Kalksinterbank zeigt an, daß das abrieselnde Wasser später zusammenschrumpfte. In vorgeschichtlicher Zeit noch muß es versiegt sein, denn der älteste Mauerzug des Heiligtums führt über die Kalkbank hinweg. Die Beschreibung des archäologischen Befundes beginnt mit zwei Steinklumpen im Osten des Grabens beiderseits von Steg 1 (Plan nach Sp. 3 35t). Sie liegen über der ersten bzw. innerhalb der zweiten Sandschicht und sind vom Kalk der abfließenden Wasserstelle langsam zugedeckt worden. Die Klumpen bestehen aus größeren Flußsteinen, deren ineinandergreifende Fügung ohne Füllerde es nahelegt, sie als Werk von Menschenhand anzusprechen. Der östliche der beiden Klumpen ist ganz freigelegt worden (Abb. 5). Er
ist von einer feinen Schicht festgetretener Asche umgeben, in die zwei klar abgegrenzte, von Kieseln umgebene Feuerstellen mit einer Füllung feinster Asche etwa 5 cm tief eingreifen. Die benachbarten Steine sind rußgeschwärzt, das Gleiche gilt für einige Steine des zweiten Klumpens. Keine Kulturreste. Die angetroffene Asche setzt sich, wie gesagt, als mit Asche durchsetzte Schwemmschicht westwärts fort; auch hier nicht der geringste Kulturrest. Wir haben es demnach mit zwei engbenachbarten Feuerstellen zu tun, deren Asche vom übertretenden Wasser weitergespült wurde. Sie müssen in der Zeit des ersten Aufbrechens der Quelle angelegt worden sein, die dann auf langsam höher werdendem Niveau über sie hinwegfloß. Eine Deutung des Befundes kann angesichts des Fehlens jeglicher Kulturreste nur mit größter Zurückhaltung ausgesprochen werden. Die Bedeutsamkeit des Ortes läßt es zum mindesten nicht ausgeschlossen erscheinen, daß hier die ältesten vorgriechischen Spuren der Verehrungsstätte erhalten geblieben sind. Es folgen Beobachtungen über die archaischen und hellenistischen Fundamente
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Abb. 6. Schnitt A — B durch den Südschenkel der ältesten Adytonmauer
beiderseits des Grabens. Unter der sichtbaren Plattenlage des archaischen Adytonfundamentes, deren Oberfläche sich zwischen —1,08 und — i , i 2 m bewegt, liegt eine tiefere erste Plattenlage. Die Vorderseiten der beiden Steinschichten bilden keine einheitliche Fläche, die Uber- und Unterkragungen sind im Gegenteil beträchtlich. Die Höhe der oberen Steinlage ist 44 bis 46 cm, die Höhe von zwei nebeneinanderliegenden Steinen der unteren Lage ist 52,5 cm; doch wird man hier, da Knackfuß an der Westseite 44,7 cm gemessen hat 12 , erhebliche Schwankungen annehmen müssen. Die Fundamentsohle liegt im beobachteten Ausschnitt in einer Tiefe von —2,08 m (Abb. 6). Sie ist mit einer 7—12 cm starken Lehmbettung ausgepolstert, die auch im östlichen Auslauf des Adytonfundamentes beobachtet wurde und als eine Art Nivellierschicht für die Blöcke der unteren Reihe gedient hat. Ähnliches ist bekanntlich am Rhoikostempel in Samos beobachtet worden 13 . Die mit braun-gelber Erde gefüllte Baugrube ist sehr schmal, der Abstich sehr steil. Wo die oberen Steine übertreten, verdecken sie den tieferen Ausstich. Innerhalb 12 13
Didyma I 1 2 1 r. AM. 55, 1930, 73.
der Kalktuffschicht divergiert die Baugrube in auffallender Weise mit den dort versetzten Steinen. Es wird sich zeigen, daß für ihre Führung dort besondere Bedingungen vorlagen (Sp. 354). Das ausgezeichnet gearbeitete hellenistische Naiskosfundament liegt mit —2,12 m etwas tiefer als das archaische (Abb. 6). Statt auf einer Lehmbettung ruht es auf einer ganz dünnen Sandschicht, die sich außerdem auf der 90 cm breiten Sohle der Baugrube ausbreitet. Der im allgemeinen steile Abstich der Baugrube tritt überall deutlich in Erscheinung, die Füllung besteht neben ausgehobener Erde aus Steinspliß und Kalkmörtel. Gegen das westliche Ende des Naiskos und dann um die ganze Westseite herum wechselt die Füllung völlig. Sie besteht jetzt aus formlos zusammengeschlagenen Gliedern älterer Bauwerke aus einem braunen Kalkstein, der sich vom harten hellgrauen Kalkstein des archaischen und hellenistischen Fundamentes deutlich unterscheidet. An der Südwestecke, wo die Steinpackung bis in die Tiefe untersucht wurde, schichtete sie sich in drei Lagen übereinander, die durch Erdschichten sorgfältig voneinander getrennt waren (Abb. 7). Wie aus der Publikation hervorgeht, war die Baugrube vor der Ostfront des Naiskos mit der
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Abb. 7. Südschenkel der ältesten Adytonmauer. Links Steinpackung in der Baugrube für den hellenistischen Naiskos
gleichen Steinpackung ausgefüllt 14 . E s scheint demnach, daß die zusammengeschlagenen Reste der älteren Bauten vor den beiden Schmalseiten des Naiskos versenkt wurden. Die westliche Hälfte des Geländestreifens zwischen Naiskos und Adytonfundament ist nicht abgegraben worden, da hier eine dem Adytonfundament vorgelagerte Steinsetzung im Wege stand (Abb. 7; Plan nach Sp. 335f.). Sie darf besonderes Interesse beanspruchen. Der westliche Teil der Steinsetzung erscheint auch im Steinplan der Publikation, ein etwas tiefer liegendes östliches Stück ist neu hinzugekommen. Knackfuß war der Meinung, die Steinpackung der hellenistischen Baugrube angetroffen zu haben 16 . Demgegenüber konnte die Untersuchung einwandfrei feststellen, daß es sich um den Rest einer dem archaischen Adyton vorausliegenden Bauphase des Heiligtums handelt. Entscheidend ist bereits ein am Ostende der Steinsetzung angesetzter Schnitt (Abb. 6. 8). Die Sohle liegt mit —x,39 m bzw. —1,43 m höher als die des hellenistischen und archaischen Fundaments. Sie ruht auf unberührtem Boden, 14 15
Didyma I 122I. Didyma I I 2 i r . i 2 2 l .
d. h. auf der schwarzen Erde der Uferzone, von der die rechts anschließende Naiskosbaugrube und die links anschließende sehr viel schmalere archaische Baugrube sich mit scharfer Trennung absetzen 153 . Das gleiche Ergebnis lieferten weitere Halbschnitte. Statt mit einer Steinpackung haben wir es mit einem Fundament zu tun. Seine relative Zeitstellung geht aus den Schnitten zwingend hervor und bestätigt sich durch seine Lage zum engbenachbarten archaischen Adytonfundament, das im Steinplan der Publikation nicht richtig wiedergegeben ist. Deutlich beobachtet man den Zusammenstoß zweier leicht konvergierender Mauerzüge, und zwar ist es das Adytonfundament, das gewaltsam in die vorgelagerte Fundamentsetzung eingreift, gegen welches diese teils durch grobe Abarbeitung, teils durch sorgfältige Ünterhöhlung (Abb. 6. 7) sich totläuft. Umgekehrt erklärt sich der geringe Vorsprung des ersten Wandpfeilers des AdytonfundamentesimW'esten (Abb. 12) jetzt ungezwungen durch die ehemalige Existenz der unmittelbar vorgelagerten Fundamentsetzung. Sie ist die ältere. I5a Auf Abb. 6 ist links statt dessen der weiter li'ckwärts zu beobachtende Zusammenstoß von Steinsetzurg und Adytonfundament gezeichnet.
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Abb. 8. Geländeschnitt gegen den Südschenkel der ältesten Adytonmauer. Links die archaische, rechts die hellenistische Baugrube
Eine absolute Datierung durch einwandfrei in situ gefundene Scherben ist nicht möglich gewesen. Immerhin mag darauf hingewiesen werden, daß die ältesten, der spätgeometrischen Zeit angehörenden Scherben entweder in unmittelbarer Nähe oder im rückwärtigen Geländestreifen zwischen Adyton und Naiskos unter der Grasnarbe gefunden wurden. Die Fundamentsetzung läßt sich auf eine Länge von 5,15 m verfolgen. Das Material ist das gleiche wie das der hellenistischen Baugrubenfüllung, ein im frischen Bruch graugelber, im übrigen bräunlicher bzw. dunkelgrauer, leicht schneidbarer Süßwasserkalkstein. Erhalten sind bis zu drei Lagen rechteckig geschnittener Platten Die unterste Lage hat kein einheitliches Niveau, sondern steigt, ohne daß ihr Verlauf von Stein zu Stein verfolgt wurde, von —159 cm um 20 cm nach Osten an (Plannach Sp. 335 f,), folgt also dem allgemeinen Anstieg des Sandstratums in dieser Richtung. Zwischen ihr und der folgenden Lage sind flache Gneisstücke als Höhenausgleich eingekeilt (Abb. 9); aber erst die obere dritte Lage, von der noch drei Steine und der Rest eines vierten erhalten sind, beschreibt oben (etwa —94 cm) eine durchlaufende Horizontale. Die Ober-
flächen und die Seiten der Steine sind bzw. waren hier geglättet, die dritte Lage war also die Euthynterie, und das zugehörige Bodenniveau muß an dieser Stelle etwa 10 cm über der heutigen Oberfläche des archaischen Fundamentes gelegen haben. Man wird annehmen, daß die dritte Steinlage durch gelegentliche Treppung dem Anstieg des Geländes nach Osten gefolgt ist. Welcher Art das darüber errichtete Mauerwerk war, läßt sich noch einigermaßen erschließen. Die Oberfläche der dritten Plattenlage ist, wie gesagt, geglättet, zeigt aber weder Bettungsnoch Aufschnürungsspuren. Zusammen mit der relativen Breite der Auflagerfläche von etwa 90 cm scheint sich daraus eine wohl nicht allzuhoch geführte Lehmziegelmauer zu ergeben. Über den weiteren Verlauf der Fundamentsetzung nach Osten sind wenigstens Rückschlüsse möglich, die F. Hiller verdankt werden. Einige Fotos der älteren Grabung zeigen beiderseits des bereits ausgenommenen byzantinischen Fundamentgrabens zwei in Größe und allgemeinem Charakter sehr verwandte Reste einer doppelten Plattenlage (Abb. 1 1 ) l e . Die Platten 16 Didyma I Fotobd T a i 63 (F 123) und bes. Tai. 80 (F 127). Abb. n ist eine Vergrößerung nach
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Abb. 9. Südschenkel der ältesten Adytonmauer. Teilansicht von Südosten
sind nicht mehr angetroffen worden, Knackfuß hat sie also nach Anfertigung der Fotos entfernt, um seinen Suchgraben ausweiten zu können (Sp. 337); doch ist es F. Hiller möglich gewesen, ihre Lage mit großer Bestimmtheit in den Ubersichtsplan (Abb. 12) einzutragen. Einer byzantinischen Pflasterung können die Platten nicht angehört haben, denn der Vorplatz der byzantinischen Kirche und der hinter ihrer Frontmauer folgende Narthex waren ungepflastert 17 . Andererseits befinden sich die Platten genau dort, wo man die Fortsetzung der behandelten Fundamentsetzung zu suchen hat. Auch das zu erschließende Niveau würde das geforderte sein. Abb. 1 1 zeigt außerdem, daß die rechte Ecke der vordersten Platte gewaltsam abgeschlagen wurde, um Platz für eine vorspringende Ecke des archaischen Adytonfundamentes zu schaffen. Eine Bestätigung liefert schließlich der Rand der dieser Tafel, deren Negativ H.-G. Buchholz freundlicherweise vermittelte. 17 Didyma I 32 r. 12 A A . 1964
hier auf eine Strecke von gut 1,5 m angetroffenen archaischen Baugrube (Plan nach Sp. 335f.) 1 8 . Ihre bereits genannte Divergenz zu den Fundamentsteinen leuchtet sofort ein, wenn man in unmittelbarer Nähe die stehengebliebene ältere und dem Baugrubenrand parallel laufende ältere Fundamentsetzung annimmt. Weiter nach Osten ließ sich die Fundamentsetzung nicht verfolgen, denn zwei im Steinplan der Publikation verzeichnete Quaderfügungen des gleichen Materials, die dafür in Frage kämen, liegen auf durchwühlter Erde. Auch über den Verlauf in entgegengesetzter Richtung ließ sich nichts mehr ausmachen. Der letzte Stein mittlerer Lage im Westen zeigt abweichend von den übrigen einen starken Überstand nach Norden (Abb. 10). Die Vermutung, hier die nach Norden umbiegende Ecke zu besitzen, stößt jedoch auf die Schwierigkeit, daß der sehr viel schmalere Unterstein nach der gleichen 18 Der Verlauf der Baugrube läßt sich auch auf Abb. 1 erkennen.
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A b b . 10. Südschenkel der ältesten A d y t o n m a u e r . Teilansicht v o n W e s t e n
Richtung in die schwarze Erde eingebettet war. Drei Platten im Geländestreifen zwischen Naiskos und Adytonrückwand, in die später eine Rinne eingelassen wurde, haben mit der Rückwand gleichfalls nichts zu tun, da sie eindeutig auf der hellenistischen Baugrubenfüllung aufliegen. Die Betrachtung wendet sich nunmehr einer zweiten Steinsetzung zu, die in unmittelbarer Nachbarschaft des nördlichen Adytonfundamentes liegt und zu diesem parallel läuft (Abb. 12-15 b; der dort sichtbare Marmorblock im Osten bleibt natürlich außer Betracht). Auch sie ist im Steinplan der Publikation unvollständig und nicht ganz richtig wiedergegeben. Erhalten ist in der Hauptsache nur eine Plattenlage mit wenigen Resten der nächstfolgenden. Die Platten ruhen auf kalkhaltiger, vor allem mit großen Geröllblöcken durchsetzter Erde. Ihre Form ist die gleiche wie im Süden, doch ist die Steinsetzung mit T 1,05 m etwas breiter. Die Gesamtlänge einschließlich einer isolierten Platte im
Westen beträgt 4,70 m. Wichtig sind die gemessenen Höhenlagen (Abb. 14). Lassen wir die isolierte Platte im Westen vorläufig beiseite, so senkt sich die Fundamentsohle mit Knick von —92 cm auf —108 cm nach Osten, folgt also dem beginnenden Abstieg in die genannte Mulde. Demgegenüber würde die Sohle der südlichen Steinsetzung bei gleichmäßiger Fortsetzung ihres Steigungswinkels im gleichen Abschnitt zwischen —80 und —65 cm, also höher liegen. Wahrscheinlicher ist aber ein etwas tieferes Niveau, da die gemessene Steigung der Fundamentsohle nicht gleichmäßig ist, sondern nach Osten abnimmt, d. h. die Niveaus würden sich etwa decken und kreuzen. Schließlich die westlich vorgelagerte Platte. Ihre Oberseite liegt etwa 10 cm tiefer als die anschließende Fundamentsohle, offensichtlich setzt hier mit einer gewissen Plötzlichkeit der Abfall des Geländes nach Westen jenseits der Mulde ein. Auch hier sind keine datierenden Funde zutage getreten. Die Steinsetzung läuft den Nord-
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mauern des archaischen und hellenistischen Naiskos parallel, dagegen konvergiert sie fühlbar mit der oben beschriebenen südlichen Steinsetzung (Abb. 12). Daß die Mauerzüge Reste ein und derselben Architektur sind, läßt sich nicht bezweifeln, die Unterschiede in Breite und Orientierung treten zurück gegenüber der gemeinsamen kunstlosen Technik. Beide Male haben wir es mit einer trockenen Fügung rechteckiger bzw. annähernd rechteckiger Platten zu tun, beide Male bewegt sich die Steinfügung über einem nicht planierten Terrain. Ergänzt man die beiden Reste zu parallel geführten Mauern, so beträgt der Achsenabstand im Westen etwa 10,20 m, im Osten etwa 9,60 m. Damit gewinnen wir die Maße einer ältesten, noch bescheidenen Temenos- bzw. Adytonumgrenzung, deren Rückwand vermutlich zwischen Naiskos und hellenistischer Adytonwand gesucht werden muß und über deren östlichen Abschluß sich nichts mehr ausmachen läßt. Die kunstlose Technik, das wellige Terrain und die Ungenauigkeit in der Parallelführung sprechen für sich. Es muß sich um eine sehr frühe Mauer handeln, die man auf Grund der benachbarten Streufunde am zwanglosesten in die spätgeometrische Zeit ansetzen wird. Ihre Erbauung setzte voraus, daß der nach Süden abfließende Wasserlauf inzwischen versiegt war, denn der Südtrakt lief über seine Versteinerung hinweg. Zwar bleibt die entfernte Möglichkeit, daß das durch die byzantinische Kirchenwand entfernte Mauerstück einen Ausfluß nach Süden enthielt, doch liegt es sehr viel näher, entsprechend der späteren archaischen und der hellenistischen Adytonumgrenzung nur einen Regendurchfluß im Westen anzunehmen, der auch für das evtl. abfließende Quellwasser ausreichte. Die 'heilige Quelle', die in geschichtlicher Zeit nur noch ein offen zutage liegendes Grundwasser ohne nennenswerten Abfluß war 1 9 , dürfte schon im Frühstadium des Heiligtums diesen Zustand erreicht haben. 19 Didyma I 461. Bereits im 5. und 4. J h . war die Quelle vorübergehend versiegt: Strabo 1 7 , 4 3 p. 814.
Abb. 1 1 . Reste des Südschenkels der ältesten Adytonmauer auf einer älteren Grabungsaufnahme. Links die Südostecke des hellenistischen Naiskos
Knackfuß hat die heilige Quelle bekanntlich mit großer Bestimmtheit im Osten des hellenistischen Adytons angesetzt und einen damals noch wasserführenden Brunnen frühbyzantinischer Zeit als seine direkte Fortsetzung bezeichnet 20 . Ausschlaggebend war für ihn, daß die mittelalterlichen Brunnenbohrungen im Westen des Adytons demgegenüber entweder trockenlagen oder einen niedrigeren Wasserstand hatten. Die aus den damaligen Grundwasserverhältnissen abgeleitete Lokalisierung der heiligen Quelle ist bis jetzt widerspruchslos hingenommen worden. Sie muß nun aufgegeben werden, denn sie läßt sich mehrfach widerlegen. Der Nordschenkel der ältesten Adytonmauer würde bei entsprechender Verlängerung genau über den byzantinischen Brunnen hinwegführen, die Quelle kann sich dort unter keinen Umständen befunden haben. Abgesehen davon würde die Einbeziehung einer derart exzentrisch im Osten gelegenen Quelle in die älteste Bezirksumgrenzung dazu zwingen, 20
Didyma I 34 r. 46 r.
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dieser die Form eines sich nach vorn auf etwa 8 m verengenden Schlauches von etwa 40 m Länge zu geben, was ein Unding ist. E s ergäbe sich die Frage, welches zweite Kultmal im Westen die Dehnung des Bezirkes veranlaßt hat — es müßte ein bedeutsames, ja das eigentliche Kultmal gewesen sein, das uns die Überlieferung verschwiegen hat. Kultbild und Naiskos können hierfür nicht in Anspruch genommen werden, sie sind sekundäre Erscheinungen. E s ist sicher kein Zufall, daß die Reste der ältesten Bezirksumgrenzung im Westen und nicht im Osten des Adytons angetroffen wurden und sich dorthin verbreitern. Es sei weiter darauf hingewiesen, daß die Fundamente des archaischen Naiskos tiefer als sein hellenistischer Nachfolgerbau, tiefer als die Fundamente des archaischen Adytons und erheblich tiefer als die Fundamente der ältesten Bezirksmauer in die Erde hineinreichen, hier muß das Terrain des frühen Heiligtums sein tiefstes Niveau erreicht haben. Hinzu kommen nun die oben gemachten geologischen Beobachtungen. Der vorgeschichtliche Wasserlauf ist aller Wahrscheinlichkeit nach durch ein in der Nähe befindliches Quelloch gespeist worden. Daß es sich im späteren Naiskos befand, ist wenig wahrscheinlich, eine Grabung von Knackfuß im Naiskosinneren verlief ergebnislos 21 . Die Quelle wird also entsprechend der beobachteten Rinne des Sandstratums
etwas nordöstlich, d. h. vor dem Naiskos entsprungen sein und dort als langsam spärlicher fließende Bodenquelle den Kultplatz begründet haben. Alles führt zu der Schlußfolgerung, daß die heilige Quelle als ältester Bestandteil des Heiligtums dort zu suchen ist, wo auch in späterer Zeit dessen Zentrum war: im rückwärtigen, tiefer gelegenen Teil des Adytons, in der näheren Umgebung des archaischen und dann hellenistischen Naiskos. Das letzte und eigentliche Beweisstück, die als heilige Quelle verehrte Stelle selber, ist freilich nicht mehr ausgemacht worden. Angesichts der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit und des durchwühlten Geländes sind Versuche in dieser Richtung nicht unternommen worden. Der Nachweis einer ältesten Adytonumgrenzung hat noch in anderer Hinsicht Konsequenzen. Vom archaischen Naiskos sind, wenn man von der problematischen Rückwand absieht, die Knackfuß für später hält 2 2 , nur die nördliche und südliche Schenkelmauer erhalten. Auf Grund ihrer ausgezeichneten Steintechnik können sie unmöglich in die gleiche Frühzeit hinaufdatiert werden. Die beiden Mauern konvergieren fühlbar nach Osten und liegen zugleich genau parallel den entsprechend konvergierenden Schenkelmauern des frühen Adytons (Abb. 12). Hier müssen gegenseitige Beziehungen vorliegen. Dagegen kann von einer Richtungsbeziehung zum monu-
21 I m Grabungstagebuch vom 30. 5. 1 9 1 3 berichtet Knackfuß über eine Grabung im Innern des »alten« Naiskos. Zwischen seinen Mauern »kommt sehr bald der natürliche Sandboden zutage: nichts
von Kulturresten. Sicher jetzt wohl auch, daß die heilige Quelle im Innern des Naiskos n i c h t gelegen hat«. 22 Didyma I 1 2 7 r .
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Abb. 14. Nordschenkel der ältesten Adytonmauer. Nordseite
mentalen, nunmehr zweiten Adyton keine Rede sein. Knackfuß, der Naiskos und zweites Adyton als Bestandteile einer einheitlichen Planung voraussetzte, war zu der gewaltsamen Deutung gezwungen, daß die abweichende Richtung der Südmauer das Ergebnis einer späteren Verdrückung sei 23 (ohne daß die Mauer dabei aus Richtung und Lot gekommen wäre). Die Deutung kann nun fallengelassen werden; der archaische Naiskos ist älter, in seinem Grundriß abhängig vom Verlauf der ersten Hofmauer. Er muß während der Bauarbeiten für das zweite Adyton noch gestanden haben, um die Fortführung des Kultes zu garantieren. Vermutlich sollte er erst nach der Fertigstellung des Adytons durch einen Neubau ersetzt werden, doch ist es dazu nicht mehr gekommen. Daß konvergierende Seitenwände für einen frühen Kultbau nichts Außergewöhnliches darstellen, ist bekannt, hingewiesen sei lediglich auf das geläufigste Beispiel dieser Art in Prinias. Die nächste Bauphase war die Errichtung des zweiten, d. h. archaischen Adytons. Ihr vorausgegangen ist eine Planierung des gesamten Baugeländes, über welche die Grabung von R. Naumann interessante Aufschlüsse ergeben hat (s.u.). In unserem Zusammenhang interessiert nur das erhaltene Fundament, d. h. die Frage nach der Ausdehnung des Adytonhofes nach Osten. Knackfuß hatte angenommen, daß der heutige Abschluß der Fundamente im Osten in dieser Hinsicht keine Schlüsse zulasse. Die Fundamentierung habe von hier an, dem Anstieg des Untergrundes folgend, auf die unteren Schichten verzichtet, und die Steine der oberen Schicht seien wie auch sonst zumeist für die Fundamentierung des hellenistischen Adytons verwandt worden24. Um 23
Didymali27l.
24
Didymali22l.
diese Annahme zu überprüfen, wurden jenseits der beiden Fundamente zwei quergeführte Stichgräben angelegt. Die hierbei gemachten Beobachtungen sind folgende: Im Norden: Die letzten Steine des Fundamentes gehören der untersten Steinschicht an. Sie springen um die Hälfte ihrer Länge über die darüberliegende Steinschicht vor; das Niveau ihrer Oberfläche ist — 1 6 1 cm. Die 0,60 m entfernte Ostwand des Stichgrabens zeigt auf eine Länge von 0,65 m das unberührte Sandstratum. Sein oberes Niveau ist —154 cm, es reicht also 7 cm in die nächsthöhere Steinschicht hinein. Zwei Schichten können sich also nicht fortgesetzt haben. Bliebe nur die Annahme, daß das Fundament mit einer dritten Schicht über die in gerader Flucht zurückgesetzte zweite Schicht weitergelaufen sei. Im Süden: Die letzten Steine gehören einer sonst nur in geringen Resten erhaltenen oberen dritten Schicht an und liegen mit etwa einem halben Meter Überstand über denen der zweiten Schicht. Ihre Oberseite liegt bei —81,5 cm, ihre Unterseite bei — 1 1 8 cm. Die 1,15 m entfernte Ostwand des Stichgrabens zeigt auf 1 m Länge und mit unbestimmter Fortsetzung nach Norden das unberührte Sandstratum bis zu —102,5 cm. Hier kann sich also auch die dritte Schicht nicht fortgesetzt haben. Hinzu kommt, daß die letzten Steine der dritten Schicht, d. h. ihr in das Sandstratum hineinreichender Überhang, auf der gleichen Lehmbettung ruhen wie die im Westen beobachtete Fundamentsohle. Ein dritter, weiter östlich angelegter Stichgraben zeigt ein Sandstratum bis—114,5 c m Will man angesichts des neuen Befundes die Knackfußsche Theorie eines in versetztem Niveau weiterlaufenden Fundamentes retten, so hat man sich jetzt mit einem Sprung der Fundamentsohle von
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Abb. 1 5 a. Nordschenkel der ältesten Adytonmauer. Ansicht von Nordosten
Abb. 15 b. Nordschenkel der ältesten Adytonmauer. Ansicht von Nordwesten
1,30—1,35 m abzufinden und diesen plausibel zu machen. Die Bodenneigung des Adytons kann dieser Grund nicht gewesen sein, denn sie würde eine kontinuierliche Treppung von Steinschicht zu Steinschicht, nicht aber einen Sprung über drei Steinschichten veranlaßt haben. Die natürlichste Deutung ist deshalb die, hier das Ende des Adytonfundamentes anzunehmen. Die Deutung läßt sich bekräftigen durch die Lage der letzten Steine. Entgegen ihrer üblichen Anordnung schließen sie sich beiderseits zu Fluchten zusammen, die ziemlich genau
rechtwinklig zur Bau-Achse verlaufen und sich miteinander in Deckung bringen lassen. Man wird annehmen, daß in Analogie zum hellenistischen Tempel im letzten Abschnitt des Adytons eine Freitreppe lag, daß an sie die höhergesetzte und in entsprechend höherem Niveau fundamentierte Tempelplattform mit den überdeckten Räumen anschloß, deren Abfolge der hellenistische Tempel übernommen haben wird, und daß dieser Abschnitt beim Neubau abgetragen wurde. Im übrigen ist der eigentliche Anlaß für die Streckung des Adytons, die exzentrische
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Lage der heiligen Quelle, ja gegenstandslos geworden. Zum Schluß einige Vermutungen über das Aussehen der archaischen Adytonwand, die sich bei der Ausgrabung einstellten. Das erhaltene Fundament fällt einmal durch seine bekannten Pfeiler vorlagen, zugleich aber durch seine Mächtigkeit auf. Die Breite beträgt ohne die Pfeilervorlagen 3,25 m, ihr Mindestbetrag ist 3,10 m 2 S ; die Breite setzt sich im Gegensatz zum Fundament des vierten Heraions von Samos ohne Verjüngung in die dritte Steinschicht fort. Derartige Maße können nur durch entsprechende Maße der nicht mehr erhaltenen Euthynterie und der aufgehenden Mauer erklärt werden. Knackfuß nimmt eine Wandstärke von 2,56 m an 26 , was gewiß nicht zu hoch gegriffen ist. Was dies bedeutet, ergibt sich aus einem Vergleich mit der Zellawand des Parthenon, die 1 , 1 6 m mißt. Selbst die Zella des vierten Heratempels von Samos, deren Achsbreite mit 25,21 m die des Adytons um etwas mehr als die Hälfte überschreitet, hat eine erheblich geringere Wand- bzw. Wandsockelstärke von 2,156 m 2 7 ; am Artemision von Ephesos beträgt sie 1,92 m 2 8 , am hellenistischen Neubau des Didymeion 1,82 m. Die Mauer des archaischen Adytons dürfte die breiteste je gebaute Tempelmauer gewesen sein. Es fällt schwer, eine Mauer von dieser Mächtigkeit sich als Orthostatenwand vorzustellen. Die Vermutung läßt sich nicht abweisen, daß sie vielmehr aus Lehmziegeln bestanden hat, wie dies bereits für die älteste Temenosmauer vermutet werden konnte. Dann aber ergibt sich weiter, daß die Wandpfeiler nicht Bestandteile eines formalen Gliederungssystems waren, sondern eine technische Aufgabe zu erfüllen hatten: die in sich amorphe Lehmziegelmauer von innen her zu versteifen. Es muß auffallen, daß die Fundamente der Wandpfeiler nur unwesentlich über die der Wand vortreten, während sie andererseits länger sind als diese. Die sinngemäße Umsetzung dieser Gliederung in aufgehende Architektur scheint die zu sein, 25 26 27
D i d y m a I 12 i l . D i d y m a I 1231. O. Reuther, Der
(1957) 24!28
Heratempel
von
Samos
Forschungen in Ephesos I 222 Abb. 181—183.
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für Pfeiler und Wand die gleiche oder annähernd die gleiche Länge anzunehmen. Das bedeutet ein reziprokes Verhältnis vor- und zurücktretender Wandteile, das kaum noch als eine durch Pfeilervorlagen gegliederte Wand begriffen werden kann, eher möchte man von einer gefalteten Wand sprechen, deren oberer Abschluß völlig ungewiß ist. Damit aber sind wir außerhalb des Bereiches der griechischen Architektur. Wir haben eine zeitlose Grundform des Zweistromlandes vor uns, die mit der Statik des Lehmziegelverbandes zusammenhängen muß und die erst im hellenistischen Neubau in das griechisch-antithetische Verhältnis von Wand und Pfeiler übersetzt wurde. Der Charakter der Vermutung soll keineswegs bestritten werden, andererseits ist sie nichts anderes als eine sinngemäße Interpretation des erhaltenen Adytonfundamentes. Sicher muß ein derartiger Einbruch orientalischer Formvorstellungen an einem griechischen Tempel überraschen — am wenigsten allerdings am Didymeion. Die mannigfachen und recht engen Beziehungen des hellenistischen Tempels und seines Kultes zum Orient sind kürzlich mit Recht hervorgehoben worden 29 . Am stärksten werden sie in der riesigen Erscheinungstür greifbar, die auf altorientalische Vorstellungen zurückgeht. Daß etwas Entsprechendes dem archaischen Tempel bereits eigentümlich gewesen sein muß, daß in ihm orientalisches Ideengut erstmals adaptiert worden ist, ist denn auch mit nicht minderem Recht gefolgert worden 30 . Es scheint, daß das archaische Didymeion innerhalb der jonischen Riesentempel der orientalischste gewesen ist 31 . Marburg 29
Heinrich Drerup
H o m m e l , IstMitt. 7, 1957, 3 2 - 3530 Bielefeld, IstMitt. 12, 1962, 23; Bruns in Festschrift Weickert (1955) 151. 31 Über das archaische D i d y m e i o n liegt seit kurzem die ausfühliche Untersuchung v o n G. Gruben i m J d l . 78, 1963, 78ff. vor. D i e Untersuchung, die auf dem mit der Didymapublikation erreichten Wissensstand aufbaut, war zu Beginn der Grabung i m wesentlichen bereits abgeschlossen. D e n Ausgräbern standen dank des E n t g e g e n k o m m e n s v o n G. Gruben Blaupausen der wichtigsten Zeichnungen zur Verfügung; einen bebilderten Durchschlag des Manuskriptes habe ich später v o m Autor erhalten, wofür ich i h m an dieser Stelle meinen D a n k aus-
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Abb. 16. Grabungsabschnitte bei der Halle mit ergänztem Grundriß. (Der schwarz ausgefüllte Teil der Zeichnung = Porosfundament) I I . D I E G R A B U N G IM S Ü D W E S T E N DES TEMPELS
Die alten Grabungen im Südwesten des Tempels haben bereits 1907 begonnen und sind schrittweise bis 1913 fortgesetzt worden je nach Fortschritt des Abbruches der darüberliegenden Dorfhäuser und des Restes der über das Grabungsgebiet führenden Dorfstraße. Erst sechs Tage vor der endgültigen Einstellung am 16. Dezember 1913 war man hier dicht an dem hellenistischen Stufenbau auf eine im rechten Winkel verlaufende ältere Mauer gestoßen — im folgenden 'Orthostatenbau' genannt —, die nur noch teilweise freigelegt werden konnte und erst 1930 von O. Ziegenaus aufgemessen, aber nicht weiter untersucht wurde32. Da aus den erhaltenen Tagebüchern von H. Knackfuß hervorzugehen schien, daß hier nicht — wie sonst in der Umgebung des Tempels — in größerem Flächenzusammenhang in planmäßig fortschreitender Abtragung, sondern in Suchgräben gearbeitet worden ist und auch nicht tiefer als bis zu den beiden Fundamentschichten des Orthostatenbaues gegangen war, ließ eine Nachuntersuchung an dieser Stelle Erfolg erhoffen (Abb. 16 u. 17). Die Westmauer des Orthostatenbaues, die mit ihren beiden Fundamentschichten, der sprechen möchte. Umgekehrt habe ich G. Gruben in einer längeren Korrespondenz über die Ergebnisse der Grabung orientiert und ihn auf die sich hieraus ergebenden, z. T. völlig entgegengesetzten Konsequenzen in der Rekonstruktion hingewiesen. Da für eine Auseinandersetzung jedoch beiderseits noch nichts Gedrucktes vorlag, ergab es sich von selbst, daß sowohl in der Untersuchung von G. Gruben als auch im vorliegenden Grabungsbericht jede Bezugnahme auf die Ansicht des anderen unterlassen wurde. 32 Didyma 1 136.
Orthostaten- und Deckschicht, nach Norden nur bis zur Kante des hellenistischen Stufenfundaments aufgedeckt worden war, wurde nun unter das Fundament verfolgt. Schon 0,38 m von der Kante wurde das Ende dieser Mauer mit einem durchbindenden Block als Antenkopf festgestellt (Abb. 18). Die Länge der Westmauer beträgt demnach 3,42 m. Der Fundamentblock unter der Ante ragt noch 0,18 m über den Antenkopf hinaus und scheint hier als Auflager für senkrechte Holzpfosten einer Antenverkleidung gedient zu haben, die als Schutz für das über dem Steinsockel anzunehmende Lehmziegelmauerwerk angebracht war. Die Südmauer des Orthostatenbaues, die bisher nur auf 4 m Länge bekannt war, konnte auf über 6 m Länge verfolgt werden (Abb. 17), dann ist sie zerstört, aber in der Graben wand ließ sich deutlich ablesen, daß die Mauer weiter gelaufen sein muß, jedoch zur Gewinnung des Steinmaterials herausgerissen worden ist (s. unten Sp. 383). Im Westprofil des Schnittes D ist im südlichen Teil eine tiefe, mit zahlreichen Porosbrocken durchsetzte, regelmäßig angelegte Grube zu erkennen, welche ebenfalls die Stelle der ausgeraubten Hallenmauer einnimmt. Da das Ostprofil des Grabens D diese Spuren nicht aufweist, muß die Mauer hier geendigt haben oder nach Norden umgebogen sein. Weiter nach Osten begann hier das Gelände zum alten Bachbett abzufallen. Die Länge der Mauer betrug demnach etwa 15,50 m. Weiter östlich und nicht in der Flucht unserer Mauer wurde bei der alten Grabung ein Fundament aus drei Werksteinschichten gefunden, das ein Weihgeschenkträger gewesen sein wird. Didyma I 136 wird die Orthostatenmauer als Rest eines kleinen Heiligtums
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N A U M A N N - KLAUS
TUCHELT
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Abb. 18. Blick von Osten auf die Innenseite der an der Nordwestecke der Halle noch aufrecht stehenden Orthostaten mit dem freigelegten Antenkopf
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BERICHT ÜBER DIE AUSGRABUNGEN IN DIDYMA 1962
oder einer schatzhausartigen Anlage angesprochen, von anderer Seite die Deutung als Temenosmauer vorgeschlagen. Der jetzige Befund spricht dagegen für die Ergänzung einer nach Norden geöffneten flachen Halle mit fünf Stützen in 2,40m Abstand zwischen den Antenmauern, die die südliche Begrenzung des früharchaischen Bezirks gebildet haben mag (s. auch unten Sp. 376). Der Aufbau der Halle läßt sich durch den Befund am Antenkopf weitgehend rekonstruieren. Die erwähnten Holzpfosten der Antenverkleidung werden durch Holzanker und Klammern untereinander und mit der Lehmmauer verbunden gewesen sein, wie es bei den Abbildern lykischer Häuser bei den dortigen Feldgräbern belegt ist33. Daraus ergibt sich eine Rekonstruktion, wie sie in Abb. 19 versuchsweise wiedergegeben ist und bei der die Dachkonstruktion ebenfalls nach dem Vorbild dieser Felsgräber angenommen worden ist. Da bei den lykischen Felsgräbern häufig die oberen Wandfelder mit Reliefs ausgefüllt sind, kann vielleicht für die Flächen zwischen den Anker33 O. Benndorf—G. Niemann, kien und Karien Abb. 24 u. 35.
Reisen in Ly-
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balken unserer Halle Verputz mit Bemalung angenommen werden. Für die Stützenstellung fehlt jeglicher Anhaltspunkt, ein durchlaufender Stylobat ist nicht vorhanden, und deshalb sind wohl Einzelfundamente oder Basisblöcke für Holzpfosten anzunehmen, wie sie bei der etwas älteren Halle im Heraion von Samos gefunden wurden34. Da diese unter dem hellenistischen Stufenbau liegen müßten, konnte nicht nach ihnen gesucht werden, ohne diesen Bau zu gefährden. Das zeitliche Verhältnis dieser jetzt aus dem Befund wiedergewonnenen Halle zum Tempel selbst wurde bereits von H. Knackfuß aufgrund ihrer klammer- und dübellosen Bauweise als möglicherweise »älter als der vorpersische Tempel« eingeschätzt (Didyma I 136). Diese Vermutung läßt sich durch die von der alten Grabung unberührt gebliebenen Schichten bestätigen und differenzieren. Danach ergab sich, daß über einem Mergellager von kreidiger Konsistenz, das nach Austrocknen sehr bald zementhart wurde, steriler Lehmboden anstand. Über dieser fundlosen, nach Süden leicht ab34
AM. 72, 1957, 53-
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NAUMANN — K L A U S
fallenden Zone hatte man dieses natürliche Geländeniveau mit von Steinabspliß zur Verfestigung durchsetztem Boden planiert. Die Planierung über dem lehmigen Untergrund war ebenso deutlich festzustellen wie Baugrube und Fundamentanschüttung an der West- und Südwand der Halle (s. nebenstehenden Plan). Von den keramischen Funden in allen drei Schichten überwog Gebrauchsware des 7. Jhs. v. Chr., vielfach ungefirnißt und mit aufgemalten Wellen oder Ranken geschmückt, wie sie bereits seit der alten Miletgrabung bekannt ist 35 . Scherben aus spät- und subgeometrischer Zeit waren an Zahl weit geringer und fanden sich mit der jüngeren Ware des 7. Jhs. in der Planierung zusammen. Sofern die gefundene Keramik einheimisch ist, aus meist glimmerreichem Ton gebrannt, dessen Farbskala je nach Brand von Dunkel- über Hellbraun bis Hellrot reicht, entspricht sie erwartungsgemäß und nach Fundvergleichen der einheimischen milesischen Ware. Überdies kam dabei gute importierte Ware zutage, wie Reste von protokorinthischen Aryballen, das Fragment einer mit Stab- und Schuppenmuster versehenen korinthischen Kanne (Abb. 20) und ein Fragment von einem Gefäß mit Tierfries (Abb. 21), dessen ostgriechische Herkunft von den übrigen Importstücken dem Fundort am nächsten liegt. Reste von Bronzeblech, ein Beschlagstück, eine Fibel, Pfeilspitzen und die massiv gegossene Applik eines Löwenköpfchens (Abb. 22) entstammen der gleichen Zone und sind inneroder außerhalb der Halle gefunden worden. Eine dünnwandige, feingeschlämmte Schale der 'ionischen' Gattung (Abb. 23) lag zertrümmert bei einem gut erhaltenen, einhenkligen Bronzeschälchen (Abb. 24) unmittelbar vorn an der Unterkante der Hallen-Westwand (—105; ± 0 gleich Oberkante der im Westen erhaltenen Deckschicht) und 0,8 m nördlich von dessen Südwestecke. Bei der Fundlage denkt man an Fundamentbeigaben. Die Datierung der 'ionischen' Schale ins spätere 7. Jh. v. Chr. wird durch mehrere entsprechender Formgebung und aus der gleichen Gattung befürwortet, welche durch Beifunde zeitlich 35 Loeschcke, AA. 1891, 18; Wiegand, 4. vorl. Bericht, SBBerlin 1905, 14.
TUCHELT
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bestimmt worden sind36. Die als jüngste bestimmbaren Scherben aus der Planierungsschicht (Abb. 20) sind dieser unter dem Fundament in der Baugrube gefundenen Schale auch zeitlich benachbart, so daß mit dem Bau der Halle im späteren 7. Jh. v. Chr. gerechnet werden muß. Der von uns zwischen 5,15 m und 11,50 m südlich der Vorderkante des hellenistischen Tempelfundamentes und in der Flucht der Hallen-Westwand gezogene Nordsüd-Schnitt erbrachte weitgehend von der alten Grabung bereits gestörten Boden (Abb. 25). Jedoch erstreckte sich auf der Ostseite des Grabenprofils etwa —50 bis —130 über einer sterilen Lehmschicht noch unberührter Boden. Die Zusammensetzung dieses Bodens und das Niveau entsprechen der Planierungsschicht der Halle, wobei das Gelände nach Süden zu, also meerwärts, weiterhin abfällt. Die im Nordsüd-Schnitt gemachten Beobachtungen ergänzen diejenigen bei der Halle. Danach ist im späteren 7. Jh. der Bezirk des Heiligtums auf dem nach Süden zu abfallenden Gelände erweitert worden. Wenn es auch einstweilen unbestimmt bleiben muß, ob damit die definitive Südbegrenzung des frühen Heiligtums erreicht worden ist, so handelt es sich bei diesem Befund um eine im 7. Jh. v. Chr. vorgenommene Erweiterung von dem uns dadurch bekanntgewordenen bisher ältesten Bezirk des Didymeion. Über das Schicksal der Halle gibt ein harter graubrauner, mit Porosbrocken und Kalk durchsetzter Boden Auskunft. Während er sich im Innern der Halle in sich deutlich abzeichnenden Anschüttungen zu erkennen gibt (Abb. 26, Schnitt B ; zu Schnitt A-C s. nebenstehenden Plan), erstreckt er sich außerhalb der Westwand in waagerechter Lage bis auf etwa —30, ohne von späteren Eingriffen stärker berührt worden zu sein. Es handelt sich dabei um Einfüllungen. Im Gegensatz zu den reichen keramischen Resten 36 Vgl. z. B. AM. 72, 1957, 49 Beil. 72, 2; AM. 74. 1959, 28 Beil. 62, 1 und 2 aus dem satirischen Heraion, deren »geschwungene Wandung mit stark ausschwingendem Rand« und deren Dünnwandigkeit unserer Schale sehr nahekommt. - Die Zeichnung Abb. 23 wird der Hilfsbereitschaft von Frl. A. Hommel verdankt.
D i d y m a 1962. Schnitt /
Steriler Lehmboden
Steinsplitt und Aschenspuren
Helle T r e n n u n g
Harter, braungrauer Lehm
Harter grauer, mit Steinabspliß d u r c h setzter Boden
A s c h e und Steinsplitt
iÜ' i&iiSitf i - i , i-1 • i • i.
Karbonierte S c h i c h t
K S : l'iwi !; ,'i'i'lV
Dunkler Lehm, mit Steinen durchsetzt
•i'i'iiii.i.Mil
Graue Erde Harter, graubrauner, mit Porosbrocken und Kalk durchsetzter Boden
Kalzinierte Schicht
Fester grauer Boden mit Brand
Füllschutt der alten Grabung
chnitt A — C ; vgl. A b b . 16
y^jésk"} '•».vVÄ
Grauer, mit Ziegelbruch durchsetzter Boden
» *» x »»
160 - i
120
-
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B E R I C H T Ü B E R D I E A U S G R A B U N G E N I N D I D Y M A 1962
Abb. 20. Scherbe von der Wandung einer korinthischen Kanne
Abb. 2 1 . Schulterfragment einer'rhodischen' Amphora
Abb. 23. Schale (V2)- Dm an der Schalenlippe etwa 12,5 cm
Abb. 22. Applik eines Löwenköpfchens, Bronze. L 4 cm
Abb. 24. Einhenkliges Bronzeschälchen. Dm an der Lippe 9,8 cm
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R U D O L F
N A U M A N N -K L A U S
T U C H E L T
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Abb. 25. Blick von Norden auf den Nordsüd-Schnitt
der darunterliegenden Zonen kam hier nur weniges zutage, das kaum später als die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. sein dürfte. Wann die Halle aufgelassen und zugeschüttet worden ist, läßt sich mangels ausreichender Beifunde zwar nicht genau bestimmen, aber insofern erschließen, als der alte Bau den Planierungsarbeiten für den vorpersischen Tempel und der Anlage des Stadions auf der Südseite im Wege stand und diesen weichen mußte. Die in Schnitt A (Abb. 16 und 27) von der alten Grabung nicht abgetragene mächtige Brandschicht ist an dieser Stelle bis zu 0,4 m stark erhalten geblieben. Das Fehlen jeglicher Brandspuren in den darunterliegenden Schichten läßt keinen Zweifel daran aufkommen, daß die Halle zu dieser Zeit bereits unter der schützenden Einfüllung gelegen haben muß. Die Brandschicht besteht aus drei Lagen: zuunterst Asche,
darüber eine karbonierte und kalzinierte Schicht. Fester, grauer, stark mit Brand durchsetzter Boden schließt sich im Westen an (Abb. 16, Schnitt B ; Abb. 27). Augenscheinlich ist die Brandschicht selbst in ihrem weiteren Verlauf nach Westen von H. Knackfuß bei der Freilegung der Südwestecke der Halle abgegraben worden, da die kalzinierte Schicht Didyma F 633 Taf. 230 in einem Stück noch gut zu erkennen ist. Namentlich in dem von der alten Grabung unberührten anstehenden Rest (Abb. 16, Schnitt B ; Abb. 27, s. den Steg) kamen neben brandgeschwärzten Porosbrocken und Dachterrakotten Scherben von Vorratsgefäßen, Krügen, Tellern und Schalen in großer Anzahl und sehr dichter Lage zutage. Alle tragen Spuren des Brandes, vom schwärzlichen Ruß bis zum durch intensive Hitzewirkung ziegelrot gebackenen, schieferig absplitternden Ton. Der überwiegende An-
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Abb. 26. Blick von Westen auf die Einfüllungen in Schnitt B , im Hintergrund die Brandschicht von Schnitt A
Abb. 27. Blick vom hellenistischen Tempelfundament auf die Brandschicht (links), im Mittelgrund die Reste der Schüttung (s. den Steg)
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teil dieser Scherben gehört zu der in Milet seit der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. gebrauchten 'grauen Ware' 37 , die nach Aussage ihrer Formgebung wie auch mitgefundener attischer Schalenfüße in Didyma bis in die Wende vom 6. zum 5. Jh. v. Chr. hinabreicht. Aus dieser mit Brand und fester, grauer Erde durchsetzten Schüttung in Schnitt B stammen überdies sehr vereinzelte Fragmente des späten 5. und des 4. Jhs. v. Chr., so daß die Annahme nahegelegt wird, es sei in späterer Zeit, wohl ursächlich mit den Planierarbeiten für die Fundamentlegung des hellenistischen Tempels zusammenhängend, eine Einebnung über dem durch den Perserbrand im Jahre 494 v. Chr. verwüsteten Gelände (Herodot VI 19, 3) vorgenommen worden38. Die Masse von verbranntem Holz und Kalkstein sowie große Mengen von Steinabspliß in Schnitt A und B lassen uns daran denken, daß hier Werkstücke und Bauhölzer für den spätarchaischen Tempel gelagert waren und mit ihm zusammen untergegangen sind. Bei der späteren Einebnung der Brandstätte durchstieß man offensichtlich die kompakte Brandschicht über der HallenSüdwand und raubte die noch darunter befindlichen Reste des alten Baues aus. Dafür spricht mit wünschenswerter Deutlichkeit der dort festgestellte Raubgraben. Er ist mit zerschlagenen, teilweise bearbeiteten und vom Brande unversehrten Porosbrokken angefüllt, die zum größeren Teil herausgerissen und dazu bestimmt worden sind, die unmittelbar nördlich benachbarte Baugrube des hellenistischen Fundamentes zu verfestigen. Der Raubgraben wurde mit der gleichen von Brand durchsetzten Schüttung grauer Erde zugeworfen, mit dem das Gelände für den hellenistischen Tempel ein37 W i e g a n d , 6. vorl. Bericht, A b h B e r l i n 1908, 8: »graue, z u m Teil schwarz überzogene T o n g e f ä ß e , die nach Fundschicht und F o r m zu der spätarchaischen W a r e passen«. Z u der grauen polierten W a r e , die ähnlich der äolischen grauen W a r e ist, L a m b , J H S . 52, 1932, i f f . und Larisa I I I 99ff. 38 Zur E i n e b n u n g des in Milet v e r w ü s t e t e n Geländes und der dabei vorgenommenen S c h ü t t u n g vgl. Hommel, IstMitt. 9/10, 1959/60, 42. Zur Brandschicht, die unter d e m R o s t des milesischen A t h e n a - T e m p e l s zutage k a m und mit der Zerstörung durch die Perser v e r b u n d e n wird, s. Kleiner, IstMitt. a. O. 93.
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planiert worden ist. Im ganzen war diese Schüttung nicht hoch, wie es sich an der Fundamentierung des hellenistischen Tempels erkennen läßt, die im Gebiet der Grabung an der Südwestecke nicht tiefer als bis zur Aschenschicht hinabreicht. Istanbul Mainz
Rudolf Naumann Klaus Tuchelt
DIE AUSGRABUNGEN IM KERAMEIKOS Die Ausgrabungen im Kerameikos wurden nach einer durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen bedingten dreizehnjährigen Unterbrechung im Jahre 1956 wiederaufgenommen. Die Leitung der Grabungen lag in den Händen von D. Ohly; 1962 ging sie an F. Willemsen über. Im Folgenden wird über die Arbeiten am Dipylon von 1961—1963 und in der Nekropole von 1962 berichtet. Die Untersuchungen der vorhergehenden Jahre betrafen die Stadtmauer südlich des Heiligen Tors (BCH. 84,1960,631; A E A T . 17, 1961/62 Xpov. 20), die Südhalle des Pompeion mit Propylon und spätantikem Fundament (BCH. a. O.; AeAt. a. O. i6ff.), die Kerameikos-Straße vor dem Torausgang (AEAT. a. O. 17), vor dem Dipylon (ebenda 19), vor Horos 2 (ebenda i8ff.) und vor Horos 3 (ebenda 18), den Wegraum der 'Gräberstraße' (BCH. a. O. 631) und an der Heiligen Straße westlich des Grabbaus der Antidosis (AEAT. a. O . 19). Von den Grabstätten wurden seit 1956 das Lakedämoniergrab (AEAT. 17, 1961/62 Xpov. 19 Taf. 16b), das große Grabmal bei Horos 3 (ebenda 18 f. Taf. 16 a; Neue Deutsche Ausgrabungen 257 Abb. 11.12), die Terrassen an der Gräberstraße (Neue Deutsche Ausgrabungen 256 m. Anm. 8) und die Nekropole im Raum des 'Querweges' (AEAT. 16, i960 Xpov. 21; 17, 1961/62 Xpov. 19) untersucht. D. Ohly wird in einem der nächsten Hefte des AA. einen zusammenfassenden Kerameikos-Bericht über die von ihm geleiteten Arbeiten geben. (Anm. der Redaktion auf Grund von Angaben des Grabungsleiters F .Willemsen).
DIE AUSGRABUNGEN IM KERAMEIKOS
3»5
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Abb. 1. Das Dipylon von Südosten UNTERSUCHUNGEN AM DIPYLON
1961 —1963
Das Haupttor Athens wurde bis 1874 durch griechische Grabungen größtenteils freigelegt 1 . E s folgte die erste zusammenfassende Bearbeitung von G. v. Alten 2 , die durch den Plan von J . H. Middleton 3 ergänzt wurde. F. Noacks grundlegende Untersuchungen der athenischen Mauern4 erbrachten weitere Verbesserungen des Plans 5 und eine Datierung des Dipylon in lykurgische Zeit 6 . Die von H. Knackfuß 1 9 1 6 un1 Grabungsberichte: flpocKT. 1872, 6ff.; 1873, 15t.; 1874, gf.; 1875, I3ff.; 1879, 7 I ; 1880, 7f¥.; 2 AM. 3, 1878, 28ff. 1890, igff. 3 Plans and drawings of Ath. buildings Taf. 24.
4 5
IJ
AM. 32, 1907, I23ff. u. 474ft. Ebenda Taf. 10.
A A . 1964
6
Ebenda 48off., bes. 494 f.
ternommenen, jedoch wegen des Krieges vorzeitig abgebrochenen Grabungen 7 führten zur Feststellung themistokleischer Baureste im feldseitigen Westturm. 1933/34 untersuchte K. Kübler die Straßen im Torhof 8 , 1937/38 wurde die themistokleische Turmfüllung im feldseitigen Westturm ausgeräumt 9 . Seit i960 wird, eingeleitet durch stratigraphische Untersuchungen im Torhof und vor dem Brunnenhaus von D. Ohly 10 die abschließende Publikation des Dipylon vorbereitet; sie soll 1965/66 vorgelegt werden, weshalb hier ein knapper Vorbericht 7 AA. 1916, 161; Plan bei W. Judeich, Topographie von Athen 2 137. 8 AA. 1934, 2 2 79 AA. 1938, 605.
10
AeTrr. 17, 1961/62, Xpov. 18.
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Abb. 2. Westliche Flankenmauer von Osten; Fundament, Euthynterie und unterste Wandschicht
über die bisherigen Resultate genügen muß. (Mitarbeiter bei Nachgrabungen K. Vierneisel und B. Schlörb, bei der Aufnahme G. Kaster und A. Kubanek. Bearbeitung der Münzen P. R. Franke). Der hellenistische T o r b a u Der erhaltene Torbau wurde — mit Ausnahme des älteren äußeren Ostturms und des Brunnenhauses — in einem einheit-
lichen Bauvorgang errichtet (im folgenden bedeutet 'außen' feldseitig und 'innen' stadtseitig). Der Plan (nach Sp. 416) — ein tiefer, hinter die Stadtmauer zurücktretender, von vier Ecktürmen eingefaßter Torhof mit einem Wehrgang auf Flankenmauern und Torwand — bringt den bis in mykenische Zeit zurückreichenden Typus des axialen Hoftores zu seiner klarsten Entfaltung und steigert ihn zu Dimensionen, wie sie nir-
Abb. 3. Treppe zum Wehrgang; links Brunnenhaus, rechts Zuleitung Z II, hinten der stadtseitige Ostturm
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gends sonst im griechischen Festungsbau erreicht wurden. Die ungewöhnliche Größe des fast 1800 m2 überdeckenden Torbaus erklärt sich aus der kultischen und repräsentativen Bedeutung der zugehörigen, 120 Fuß breiten Straße, des 'Kerameikos' oder 'Dromos', der außerhalb der Stadt von Staatsgräbern gesäumt wurde. Der heute sichtbare frühhellenistische Neubau (Abb. 1, zur Datierung vgl. Sp. 409t.) wurde verhältnismäßig tief mit zwei bis drei durchgeschichteten Breccialagen fundamentiert. Aus gleichem Material besteht der meist massive Mauerkern. Die sichtbaren Schalen der Mauern und Türme wurden aus unverklammerten, mit sauberem Randschlag versehenen Spiegelquadern aus Piräuskalk aufgeführt (Abb. 2). Die Schichthöhen betragen 1 y 2 pheidonische Fuß von 32,7 cm = 49,0 cm, die Quaderlängen überwiegend 4 Fuß = 130,8 cm (Läufer) bzw. 2 Fuß = 65,4 cm (Binder). Demgemäß ist der ganze Torbau, Türme, Mauerstärken usw., in glatten Fußmaßen konzipiert. Die Mauerhöhe läßt sich mit Hilfe der Steigung einer dem inneren Ostturm stadtseitig vorgelagerten Treppe (Abb. 3 u. 14, erhalten 3 Stufen von 1 Fuß Auftritt und % Fuß Steigung) auf 20 Quaderschichten = 30 Fuß = 9.81 m bestimmen. Der Wehrgang der Flankenmauern und der inneren Torwand war durch eine Brüstung mit Hakenzinnen gedeckt, von denen sich einige Stücke erhalten haben (Abb. 4). Von den Turmkammern der vier Ecktürme, die jedenfalls über dem Niveau des Wehrganges anzunehmen sind, lassen sich keine sicheren Reste nachweisen. Von den
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beiden 12 Fuß breiten stadtseitigen Toren stehen nur noch die beiden Leibungen des Osttores bis zu 2 m aufrecht (Abb. 5). Ein in situ erhaltener Torangelstein zeigt, daß die beiden Torflügel durch einen starken, aus drei Balken zusammengesetzten Rahmen eingefaßt waren. Das Westtor ist durch eine das Dipylon in seiner Längsachse durchbrechende moderne Kloake zerstört; seine Lage läßt sich j edoch aus der Fugenkonkordanz der Quader sicher erschließen. Die beiden Toröffnungen müssen durch gerade Stürze überdeckt gewesen sein, da die Torleibungen nach dem Vorbild von Tempeltüren leicht nach innen geneigt sind, was mit überwölbten Durchgängen kaum vereinbar ist. In späthellenistischer oder frührömischer Zeit wurde der Torhof, der gewandelten Verteidigungstechnik gemäß, durch eine äußere Querwand mit zwei weiteren, 3.70 m breiten, überwölbten Toren zur Feldseite hin geschlossen (Abb. 6 u. 7). Die inneren Tore blieben weiter in Benutzung, so daß das Dipylon nunmehr einen Zwinger mit vier Toren aufzuweisen hatte. Eine große, in antoninischer Zeit vor dem Mittelpfeiler der beiden Tore errichtete Marmorbasis mit einer Sitzbank an ihrer Front kann, ihrem repräsentativen Charakter gemäß, kaum etwas Geringeres als die Kolossalstatue eines Kaisers getragen haben (Abb. 7).
Der themistokleische T o r b a u Im äußeren Westturm hat sich ein 1.75 m hoher, 4.40 m langer Mauerrest in situ erhalten, den Knackfuß 1916 als Nordost-
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GRUBEN
Abb. 6. Späthellenistische Torwand; rechts Torleibung mit steinernem Anschlag
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Abb. 8. Themistokleischer Turmrest im feldseitigen Westturm; links Nordostschale, Mitte Füllung
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Abb. 9. Archaische Basen (oben Nr. 2, darunter Nr. 4, dahinter Nr. 3) im stadtseitigen Westturm während der Auslösung
schale des themistokleischen äußeren Westturms erkannt hat (Abb. 8). Eine Bestätigung brachte die 1938 erfolgte Ausräumung des Turms: Es fanden sich in der Hinterpackung zwei dorische Geisa des 6. Jhs. verbaut (s. Anm. 9). 1962 wurde dieser ältere Turm sowie die daran anschließende, auf 13.5 m Länge und 1.20 m Höhe erhaltene Nordostschale der themistokleischen Flankenmauer bis zur Fundamentschicht hinab freigelegt und untersucht. Dabei wurden weitere vorpersische Spolien entdeckt und ausgelöst: eine marmorne Rundbasis mit gemaltem Lotos-Palmettenfries (Dm 182 cm, erhaltene H 32,5 cm, verbaut als unterster Eckstein des Turms), die Porostriglyphe und ein profilierter Sockelquader eines archaischen Rundbaus sowie drei anpassende Bruchstücke einer marmornen Stelenbekrönung. Ähnlich wie beim Heiligen Tor 1 1 läßt sich auch hier eine jüngere, nach der Technik gleichfalls themistokleische Aufhöhung des Mauersockels nachweisen, be-
11
Vgl. AA. 1943, 345 ff-
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stehend aus einer 4 bis 5 cm vorkragenden Quaderschicht, für deren Verlegung offenbar der Fuß des Lehmziegelaufbaus ausgeschnitten und die Steine eingeschoben wurden. Nur so ist der widersinnige Vorsprung der obersten Steinschicht erklärbar. Der Turm ist auf Grund verschiedener Indizien auf eine Größe von 14 X 16 Fuß = 4.58 x 5.23 m, die Flankenmauer mit Sicherheit auf eine Stärke von 261,5 c m = 8 Fuß zu ergänzen. In der vorspringenden Fundamentkrone der Ostseite des Turms, die dem gleichzeitigen Straßenniveau entspricht (mit +45.80 ü. Mh. etwa 50 cm tiefer als das frühhellenistische Niveau), fand sich eine verbleite Steleneinlassung, vermutlich für einen Horosstein der frühesten, mit der Erbauung des Tores verbundenen Straßenabgrenzung des äußeren Kerameikos (H im Plan nach Sp. 416). Die westliche Flankennlauer setzte sich bis zum jüngeren inneren Westturm fort, wo noch zwei Steine derselben in situ liegen. Zwei weitere Euthynteriequader gleicher Technik und Höhenlage bei der Südostecke des Pompeion Ib (T im Plan) scheinen einem stadtseitigen Anbau des ersten Torbaus zuzugehören, an den sich das Pompeion anlehnt, dessen Ostwand deshalb auf 19.5 m Länge mit verminderter Wandstärke aufgeführt wurde. Ob es sich um eine Wehrgangtreppe handelt, wie AA. 1943, 391 Anm. 1 vorgeschlagen wird, bleibt zweifelhaft, da eine solche wahrscheinlich hinter dem ersten Brunnenhaus anzusetzen ist (s. unten Sp. 407). Im Mittelbereich des hellenistischen inneren Westturms und der angrenzenden Torwand ist je eine rechteckig begrenzte, mit älterem Porosmaterial vollgepackte Füllung vom übrigen systematisch verlegten Brecciakern unterscheidbar. Beide wurden 1962 in der Hoffnung auf themistokleische Funde bis zur Turmsohle, unter der ein submykenisches Grab zum Vorschein kam, ausgeräumt (A und B im Plan). Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen. Die Füllung (Abb. 9) bestand ausschließlich aus dem Material eines abgetragenen themistokleischen Turms, darunter folgende vorpersische Fundstücke (Beschreibung der Basen Nr. 1—6 von F. Willemsen):
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Abb. 10. Basis Nr. 5, Reiterfries
1. Breitrechteckiger, flacher Block aus pentelischem Marmor von einem Grabmonument mit zwei Eintiefungen oben und der Inschrift auf der Vorderseite. Der durch einen zweiten, spiegelbildlich gleichen Stein zu ergänzende Block stammt von einer Basis für drei aufragende Monumente, wie sie, aus einem Block gearbeitet, im Epigraphischen Museum bewahrt wird12. Wie jene wird auch die Basis des Kerameikos zu einem Doppelgrab gehört haben. Dem entspricht, daß in der fragmentarisch erhaltenen metrischen Inschrift offenbar drei Personen zu unterscheiden sind (ein Olympionike, ein . . . kies und dessen Mutter). Um 550 v. Chr. (Maße 1 1 0 x 96,5 X 26,7 cm). 2. Marmorblock vom Grab des Alkimachos mit Epigramm (Name und Lob des Verstorbenen) auf der Vorderseite (Maße 63 X 57 X 29,5 cm). 3. Langrechteckiger, flacher Block aus pentelischem Marmor vom Grab des Xenophantos, des Sohnes des Sophilos. Auf der Oberseite eine Bettung von gleich gestreckter Proportion, wohl für die Plinthe der Grabstatue des Verstorbenen, der demnach reitend dargestellt war. Unter dem Epigramm auf der Vorderseite (mit den Namen des Verstorbenen und seines Vaters, der das Grabmal stiftete) die Signatur des Bildhauers : Aristokles. (Maße 166 x 57 X 26 cm.)
12
Ch. Karusos, Aristodikos 68: C 4 u. Abb. 2.
4. Flacher, fast quadratischer Block aus pentelischem Marmor vom Grab des Anaxilaos, des Sohnes des Aristón. Auf der Oberseite die Bettung für einen etwas kleineren Block gleicher Proportion, demnach gehört der erhaltene Block zu einer Stufenbasis. Nach der wortreichen, metrisch abgefaßten Inschrift auf der Vorderseite war Anaxilaos auf Naxos gebürtig, doch auch an seiner neuen Wohnstätte Athen zu hohen Ehren gelangt. (Maße 92 X 91 X 32,5 cm; im themistokleischen Turm als südwestlicher Eckquader der Euthynterie verwendet.) 5. Quadratische, flache Marmorbasis einer Stele aus pentelischem Marmor (Abb. 10). Auf der Vorderseite in kräftigem Relief vier unbewehrte Reiter in einer Reihe nach links. Die Alter wechseln ab; voran reitet, leicht abgesetzt, ein Jugendlicher. Um 560 v. Chr. (Maße 105 X 105 X 32 cm; im themistokleischen Turm als nordöstlicher Eckquader der Euthynterie verwendet. Ritzlinien und Sinterspuren sichern den gleichen Vorsprung des themistokleischen Südturms vor die Flankenmauern von 90 cm = 2 % Fuß wie beim korrespondierenden Nordturm und machen somit eine symmetrische Anlage der beiden Türme wahrscheinlich.) 6. Hochbasis (Abb. 11) einer Grabstatue vom Kuros-Typus, in der hohen Aufstellung und Verzierung mit flachem Relief auf drei Seiten ganz gleich den beiden Basen aus der Stadtmauer beim Piräischen Tor im Nationalmuseum Nr. 3476/77. Die gleichen Ballspieler, die sich bei der Basis Nr. 3476 auf
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Abb. 11. Basis Nr. 6; oben: Vorderseite, Palästriten; unten: rechte Seite, Löwe und Eber
der rechten Seite finden13, kehren auf der Vorderseite der neuen Basis wieder; leider sind nur die Spuren vom Ballwerfer und die beiden Männer vom entgegengesetzten Ende der Szene erhalten. Die Darstellungen auf den Seiten der neuen Basis (links: zwei Reiter; rechts: zum Kampf bereiter Eber und Löwe) sind thematisch unabhängig von der 13
BCH. 46, 1922 Tai. 2.
Vorderseite und kehren auf den Basen des Nationalmuseums nicht wieder. Pentelischer Marmor. Gegen 510 v. Chr. (Maße 78 X 78 X 295 cm). F. W. 7. Zwei spiegelsymmetrische Türangelsteine aus Kalkstein (zum selben Tor gehörig) mit Einlassungen für die 30 x 38 cm messenden Pfosten des Rahmens und für eingebleite 18 X 15 cm große Türpfannen.
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beide so stark abgeschliffen, daß sie eine lange Benutzung des älteren Tores bezeugen. 8. Fünf Säulentrommeln, ein fragmentarisches Kapitell, eine blau bemalte Triglyphe aus Poros von dem oben Sp. 395 genannten archaischen Rundbau, der sich aus den bisher aufgefundenen Baugliedern weitgehend rekonstruieren läßt: Dm etwa 8 m; geschlossene Wand mit ionischem Torus und dorischem Kyma als Fußprofil sowie einem Fries von 32 gleichfalls gekrümmten Triglyphen und eingefalzten Metopen, über dem ein äolisches Kyma und ein dorisches Geison folgten. Die aus dem gleichen Fundzusammenhang stammenden dorischen Säulen sind, wenn sie zugehören, im Inneren als Deckenstützen anzuordnen. Die gegen 540 bis 520 anzusetzenden Bauglieder könnten, wie auch I. Travlos vermutet 14 , vom archaischen Leokoreion stammen, das an der Nordostecke der Agora zu lokalisieren ist. 9. Zwei Bruchstücke einer dorischen Marmorsäule aus Inselmarmor, wohl von einer Votiv- oder Grabsäule. 10. Zwei Bruchstücke der beim Dipylon gefundenen Stelenbekrönung im Nationalmuseum Nr. 8415. 11. Bruchstücke eines rechten Knies mit Bruchrand der herabhängenden Hand. Überlebensgroß, Inselmarmor. Außerdem kamen 14 große Porosquader zum Vorschein, die, fast alle in zweiter Verwendung, als Orthostaten die zweite und dritte Schicht des älteren Turms bildeten. Ein einziger jüngerer Quader, der den Quadern des kononischen Turmteils am Heiligen Tor genau gleicht, macht eine kononische Erneuerung des Steinsockels wahrscheinlich. Sonst stammt das ganze Füllungsmaterial ausnahmslos vom Abbruch des themistokleischen Vorgängers. Deshalb ist der einzige jüngere Fund, eine athenische Bronze-
Mündliche Mitteilung. G. Richter, Archaic Gravestones of Attica Nr. 41. 14 15
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münze16, in sicherer Lage zwischen zwei Steinen der dritten Schicht von oben von besonderer Wichtigkeit : Sie gibt den terminus post quem des jüngeren Torbaus (nach 297 v. Chr.). Die ältere Torwand muß in der Flucht der jüngeren gelegen haben, da in den Längsschnitten nirgends ihr Raubgraben faßbar ist. Ein auf beiden Seiten stark abgefahrener Prellstein im themistokleischen Straßenniveau 3 m südöstlich des Rundaltars (P im Plan nach Sp. 416) läßt erschließen, daß schon das erste Thriasische Tor mit zwei Durchgängen ausgestattet war. Im ganzen zeichnet sich also der Westteil des Dipylon I als genauer Vorläufer des jüngeren Torbaus ab, der sich offenbar darauf beschränkte, die älteren Türme und Mauern durch 'Ummantelung' zu verstärken, wobei allerdings wegen der massiven Quaderbauweise die alten Mauern nur an wenigen Stellen in situ verblieben. Durch das gegen 400 v. Chr. erbaute, sich eng an den themistokleischen Torbau lehnende Pompeion war der Ummantelung nach Südwesten eine Grenze gesetzt ; dennoch wurden die Pompeionfundamente soweit als irgend möglich für den Neubau beschnitten, so daß die Verstärkung überwiegend zum Torhof hin den alten Fluchten vorgelegt werden mußte. Der gleiche Prozeß ist für die Ostflanke des Torbaus zu erwarten. Jedoch sind hier die Zusammenhänge schwerer durchschaubar, da sichere themistokleische Reste fehlen und eine weitere, wie zu zeigen ist, kononische Bauperiode hinzutritt. Der mit 8.88 X 8.87 m (27 X 27 Fuß) auffallend große äußere Ostturm (Abb. 12) ist, wie eine Baufuge beweist, mit Sicherheit älter als die anschließende westliche Flankenmauer. Da seine Euthynterie fast ebenso tief liegt (+45,80) wie die des themistokleischen äußeren Westturms, da außerdem seine Feldstein-Füllung mehrere archaische Funde enthielt (Kopf und Hand des Dipylon-Kuros; weiterer Fund 1961: Löwenpranke), wurde er von Knackfuß (lt. Eintragung im Tagebuch) der themistokleischen 16 T y p J. N. Svoronos, Les Monnaies d'Athènes Taf. 22 Nr. 73 ff., 297 bis 255 v. Chr., bestimmt von P. R. Franke.
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Abb. 12. Der feldseitige Ostturm mit Resten der themistokleischen Füllung, von Nordwesten
Anlage zugeschrieben. Dem steht folgendes entgegen: 1. Die Größe des östlichen Außenturms (79 m2) steht in keinem plausiblen Verhältnis zum westlichen, sicher themistokleischen Turm (24 m 2 ), der kaum 1 / 3 seiner Grundfläche bedeckt. (Die gleiche Größendifferenz ist an den beiden Außentürmen des Heiligen Tores zu beobachten. Dort hat der kleinere Westturm den themistokleischen Umfang bewahrt, dem großen Ostturm aber liegt eine kononische Neuplanung zugrunde.) 2. Die Quadertechnik entspricht genau dem kononischen Teil des Turmes C vom Heiligen Tor: unten und seitlich vertiefter Saumschlag, abgefaste Stoßfugen, H-Klammern an den Turmecken, was mit einer Datierung auf 479/78 unvereinbar ist und auf die kononische Bauperiode weist. 3. Einen zweifelsfreien terminus post quem gibt ein Tonrohrkanal ( K — K im Plan nach Sp. 416 u. Abb. 13), der, in einer schmalen, in den Mergelfels geschnittenen
Grube verlegt, unter der Ostecke des Turms verläuft, also älter ist. Die scherbenreiche Füllung der Baugrube datiert den Kanal ins dritte Viertel des 5. Jhs.; der Turm ist danach anzusetzen, und gehört wahrscheinlich der großen Erneuerung der Mauern nach dem Peloponnesischen Kriege durch Konon an. Es bleibt die Frage nach dem themistokleischen äußeren Ostturm. Die ihrem Inhalt und ihrer Struktur nach themistokleische Feldsteinpackung in der Mitte des kononischen Turms ruht auf dem gewachsenen Mergelfels auf, der hier um 50 cm über die Euthynterie des Turms (+45-8o ü. Mh.) hinaufreicht. Das in den Fels gebettete Fundament der anschließenden Kurtine liegt weitere 80 cm höher (+46.63). Das Felsniveau stieg also ursprünglich nach Osten an. Wie die Querschnitte im Torhof ergeben, lag der östliche Rand der frühklassischen Straße 7 m westlich des kononischen Turms (verbleibende Straßenbreite 13.50 m); von da ab begann der natürliche Geländeanstieg, der dem themistokleischen äußeren Ostturm das Niveau vorschrieb. Die Funda-
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Abb. 13. Links: Die klassische Tonrohrleitung K — K ö s t l i c h desDipylon; vorne Reste des Turms Abb. 12. Rechts: Tonrohr
mentsohle des verschwundenen Turms lag also in Höhe der Feldsteinfüllung (+46.30), seine Euthynterie entsprach derjenigen der Kurtine (+46.63). Eine gegen Ende des 5. Jhs. erfolgte großzügige Planierung des äußeren Dromos auf nunmehr 39 m Straßenbreite 17 zog die Einebnung des ganzen Dipylonhofes nach sich, wobei der zum Turm hin ansteigende Fels abgeglichen werden mußte, die Turmfundamente aber dadurch über das Straßenniveau (+45.80) zu liegen kamen. Ein Neubau des Turms wurde deshalb unumgänglich. E r wurde 17
Vgl. Ohly,
AEXT.
17, 1961/62, Xpov. 18 f.
wahrscheinlich von Konon nach 393 mit den gestiegenen Anforderungen angepaßten, bedeutend erweiterten Dimensionen ausgeführt. Über die Lage und Größe des ältesten Turms geben der Umfang der Feldsteinfüllung, der Verlauf des genannten Tonrohrkanals K (der an dieser Stelle dem Turm ausbiegt) und eine offensichtlich seiner Ostseite vorgelegte Steinpackung gewisse Hinweise. E r entsprach demnach etwa dem gleichzeitigen Westturm. Der innere Ostturm, dessen massiver Kern heute noch 3.50 m hoch ansteht, erlaubt vorläufig keine Rückschlüsse auf die älteren Anlagen an gleicher Stelle. Die 1963 durch-
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Abb. 14. Das Brunnenhaus von Süden; dahinter die Treppe Abb. 3 mit der Zuleitung Z II, links die Torleibung Abb. 5
geführte Untersuchung seines Kerns erbrachte nur wenige, wiederum archaische Funde. Das Brunnenhaus (Abb. 14) östlich der Torwand gehört, wie sich aus technischen Indizien sicher ergibt, einer früheren, wahrscheinlich kononischen Bauperiode an. Da sich außer den zugehörigen, das Wasser zuund ableitenden Steinrinnen ( Z U u. A I I im Plan nach Sp. 416) eine frühere, auf tieferem Niveau liegende Zuleitung aus Poros (Z I) sowie eine unter der ersten Straße verlegte Ableitung aus Tonrohren (AI, Abb. 15) erhalten hat, muß an gleicher Stelle ein älteres, dann wohl themistokleisches oder kimonisches Quellhaus gelegen haben. Damit ist zugleich erwiesen, daß die ältere Torwand die gleiche stadtseitige Flucht hat wie die erhaltene j üngere, da sich die ein schalige Seitenund Rückwand des kononischen Brunnenhauses gegen schon vorhandene, also vor-kononische Mauerteile lehnte — offenbar gegen die themistokleische Torwand und Wehrgangtreppe; nach deren Abriß wurden die neue Torwand und die Treppe an das seiner Kostbarkeit wegen geschonte Brunnenhaus mit durchgehender Baufuge angebaut.
D i e G r a b u n g im T o r h o f Um über die Straßenniveaus und deren Datierung Klarheit zu gewinnen, legten wir
im Sommer 1962 fünf Querschnitte (Abb. 16) und einen durchgehenden Längsschnitt im östlichen Teil des Torhofes an (der westliche ist durch den erwähnten modernen Abwasserkanal gestört) und hoben anschließend zur Gewinnung datierender Keramik eine Fläche von etwa 50 m 2 schichtweise ab (Abb. 17). Die Schichtbefunde ergaben folgendes : I. Unmittelbar auf dem abgeglichenen Mergelfelsen verläuft eine Straße mit deutlichen Wagenspuren, die noch nicht die ganze Breite des themistokleischen Torhofes ausfüllt; in einem etwa 8 m breiten Streifen seitlich der Ostflanke beginnt der nicht geebnete Fels zu steigen. Datierung: 5. J h . Die Straße folgt vermutlich dem Verlauf der vorpersischen Thriasischen Landstraße, die jedoch, da jede Aufhöhung der Straßendecke fehlt, in den Schnitten nicht faßbar ist. Niveau in Straßenmitte +46.60 (beim Altar innerhalb des Tores), fallend auf + 45.10 (feldseitige Flucht des äußeren Westturms). II. Über die Felsstraße I legt sich eine harte Straßendecke von 10 bis 20 cm Stärke mit vielen zerfahrenen Scherben und Marmorsplitt, verbunden mit einer Planierung des östlichen Felshanges, wodurch also der ganze Torhof zum Straßenraum wurde. Diese Straße erreicht niveaugleich die Eu-
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thynterie des 'kononischen' äußeren Ostturms (+45.80); sie setzt sich außerhalb der Außentürme auch vor der westlichen und der östlichen Kurtine fort (als 'Ringstraße' außerhalb der Stadtmauer) und überdeckt im Osten die Baugrube des sicher in das dritte Viertel des 5. Jhs. datierten Tonrohrkanals K — K (terminus post quem). Keramischer Befund nach vorläufiger Durchsicht Ende des 5. Jhs. Diese Straße II entspricht der durch die grundlegenden Grabungen von D. Ohly 1 8 festgestellten Verbreiterung der inneren und äußeren Kerameikosstraße. Niveau der Straßenmitte +46.75 (Altar), fallend auf +45.25 (äußerer Westturm). Zu den Rändern hin steigt die muldenförmig vertiefte Fahrbahn um 20 bis 40 cm. Am östlichen Rand der Fahrbahn einige Pfostenlöcher. III. Es folgt eine 20 bis 40 cm starke Straßenaufhöhung des 4. Jhs., in zwei bis drei Schichten festgefahren, enthaltend Marmorsplitt, Lehm, Kies, wenig Scherben, eine im 4. Jh. geprägte Münze von Salamis in einem zugehörigen Pfostenloch, eine weitere von 297/55 in der Straßendecke, die also bis zum Anfang des 3. Jhs. benutzt wurde. Wenige Pfostenlöcher, muldenförmiger Straßenquerschnitt. Niveau der Straßenmitte +46.90 (Altar), fallend auf +45.50 (äußerer Westturm). IV. Eine 20 bis 60 cm starke Aufschüttung aus Schutt, grünem Schotter, Brecciasplitt, Kies und Sand, mit deutlichen Schüttlinien, offenbar karrenweise abgeladen; in dieser Aufschüttung einzelne, wenig befahrene Schichten ohne stetigen Verlauf. Die eigentliche, sorgfältig geebnete und festgefahrene Straßendecke (Abb. 17) folgt genau dem Niveau der Torangelsteine und der Euthynterie des letzten Torbaus. Diese Aufhöhung und Planierung des Torhofes erfolgte also im Zusammenhang mit dem Neubau. Der keramische Inhalt reicht bis zur Jahrhundertwende. Den Ausschlag für die Datierung geben außer der Münze in Schicht III (terminus post quem 297) zwei weitere athenische Bronzemünzen von 297/55 dieser Schicht. D a eine gleiche Münze im inneren 18
AEAT. 17, 1961/62 Xpov. 18 f.
Abb. 15. Tonrohr der frühklassischen Leitung A I
Westturm gefunden wurde und da der einzige von früheren Grabungen unberührte Abschnitt der Baugrube eine Scherbe des frühen 3. Jhs. enthielt, ist für den Neubau ein Datum nach 297 gesichert und der bisherige Ansatz in lykurgische Zeit aufzugeben. Niveau der Straßenmitte + 4 7 . 1 0 (Altar), fallend auf + 45.75 (äußerer Westturm).
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Abb. 17. Abhebung der Straßenschichten, vorne Kanaleinstieg, hinten Pfostenlöcher
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V. Uber die Dipylonstraße IV legt sich eine etwa 35 cm starke, durch ein harte Schotterlage abgedeckte Schicht aus grobem Scherbenschutt (hauptsächlich Gebrauchskeramik, dabei Amphorenstempel und Lampen der zweiten Hälfte des 4. Jhs.). Hinzu kommen drei athenische Bronzemünzen von 297/55 und acht weitere zwischen etwa 255 und 229 datierbare 19 . Die Straße muß also um die Mitte des 3. Jhs. entstanden sein, obwohl die Keramik einen um 50 Jahre früheren Ansatz nahelegt. Niveau Straßenmitte + 4 7 . 2 0 (Altar), fallend auf + 4 6 . 1 0 (äußerer Westturm). V I und V I I . Zwei weitere Straßenschichten, V I und V I I , 30 und 20 cm stark, gehören in hellenistische Zeit. V I I , im 2. bis 1. J h . v. Chr. entstanden, ist gleichzeitig mit der nachträglich eingebauten äußeren Torwand. Die Straßenschichten der Kaiserzeit, im Torhof selbst nicht mehr vorhanden, jedoch in den Schnitten am Rand des ausgegrabenen Gebietes außer- und innerhalb des Dipylon faßbar, lassen ein langsames Anwachsen der Straße bis zum 2. J h . erkennen, darüber zunehmende, die allmähliche Verschüttung der Festungsanlagen verratende Aufhöhungen in der späten Kaiserzeit. Die stratigraphische Untersuchung des Proteichisma wurde ebenfalls im Herbst begonnen, mußte aber wegen der früh einsetzenden Regenfälle unterbrochen werden. Nach dem bisherigen Stand sind Vormauer und Graben früher als das frühhellenistische Dipylon angelegt worden, was auch in den Fluchten der Mauerköpfe zum Ausdruck kommt, die am Heiligen Tor und am Dipylon auf die feldseitigen Türme bezogen sind; nur fluchtet der Mauerkopf vor dem äußeren Westturm mit der Ostseite des themistokleischen, nicht des frühhellenistischen Turms, der zur Zeit der Errichtung des Proteichisma offenbar noch nicht existierte. Außerdem zeichnet sich eine die Kurtine begleitende, mehrfach aufgehöhte Straße ab, die von der Baugrube des Proteichisma durchschnitten wird. Diese 'Ringstraße' setzt eine bisher nicht nachgewiesene und deshalb wohl hölzerne Eridanos-Brücke vor 19
Typ Svoronos a. O. Taf. 24. 29 f.
Abb. 18. Horos des Wehrgrabens
dem Heiligen Tor voraus. Darunter wurde ein vorkononischer, gegen Ende des 5. Jhs. zugeschütteter, etwa 2 m tiefer Stadtgraben festgestellt. 1963 durchgeführte Orientierungsschnitte vor der Mauer östlich des Dipylon beim Horos i a ergaben einen ähnlichen Befund. Auch dort zeichnet sich ein geböschter Wehrgraben sowie eine zwischen Graben und Mauer direkt auf dem Fels verlaufende Straße ab. Der Graben wurde, nachdem er versandet war, offenbar am Anfang des 4. Jhs. gereinigt und durch einen Grenzstein an seiner Südwestecke (OPOZ TEAMATOI A0HNAAZ 20 , Abb. 18) markiert. Uber 20 Auch der IG. 2 I I — I I I 2, 2495 genannte 'Graben der Athena' ( A G H N A Z T E A M A FIPOI T A H [TTYAAII] TTAPA T O A I O X A P O [YS . . ,5. .] B A A A N E O N Dat.: lykurgisch?) ist nunmehr, wie bereits Thespiadis, AEAT. 16, i960, 26 t. vermutete, mit Sicherheit auf den Wehrgraben zu beziehen, der demnach den Kyklos schon im 5. u. 4. Jh. mindestens vom Heiligen Tor bis zum Diocharischen Tor umschloß. Nach dem Wortsinn (Liddell-Scott s. v. TsAna) muß es sich um einen Wassergraben handeln, der hier, wie sonst gelegentlich Tore (vgl. F. C. Maier, Torgötter in: Festschrift Hommel 93ff.), dem Schutz der Stadtgöttin namentlich unterstellt ist.
4i5
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eine erneute Verschüttung legt sich eine zweite, durch eine Schotterdecke befestigte Straße, die ihrerseits von der Baugrube des gegen Ende des 4. Jhs. errichteten 'Proteichisma' durchschnitten wird. Genauere Ergebnisse sind von der für 1964/65 geplanten Ausgrabung der Mauerzone zu erwarten. Einige über unser Thema hinausführende Bemerkungen mögen zur Erläuterung des neuen Plans (nach Sp. 416) beitragen. Das H e i l i g e T o r wurde in seinen beiden themistokleischen, von K. Kübler 21 erforschten Zuständen gezeichnet; geringfügige Änderungen beruhen auf neuen Messungen. Die zweite Bauperiode I b bringt eine Vertiefung des Torhofes unter Aufgabe des Durchganges I a sowie eine Verstärkung des nordöstlichen Uferwerks. Der stadtseitige Westturm ist, da nur seine Nordostseite freigelegt ist, hypothetisch, ebenso der überbaute jüngere Torpfeiler. Die Ausfallspforte neben dem feldseitigen Westturm ist erst für die kononische Bauperiode gesichert. Der über den älteren zur Feldseite vorgeschobene jüngere Ostturm wurde wahrscheinlich gleichzeitig mit der kononischen Kurtine angelegt, aber später gründlich erneuert. Die themistokleische Kurtine zwischen Heiligem Tor und Dipylon lag, wie technische Indizien beweisen, in gleicher Flucht wie die erhaltene kononische Mauer. Das Uferwerk I b ragt in die Südwestwand des klassischen P o m p e i o n hinein, dessen Orthostatensockel davor stumpf mit einem Mauerkopf endigt. Offensichtlich nahm man diesen Schönheitsfehler — einen in der Peristylhalle aus der Wand tretenden Mauerteil des Tores — in Kauf, um das zwischen die beiden Torbauten gezwängte Gymnasium nicht zusätzlich verschmälern zu müssen. Bei Errichtung des Pompeion mußte demnach das Uferwerk I b noch geschont werden, das jedoch bei dem (im Plan nicht wiedergegebenen) kononischen Neubau des Tores aufgegeben wurde. Das Pompeion ist also mit Sicherheit vor den kononischen Mauerbau von 293 anzusetzen. Die von D. Ohly22 freigelegte Front des Propylons kann, obwohl der Stylobat fehlt, 21 22
A A . 1943, 345 ff. Vgl. Ohly, AEAT. 17, 1961/62, Xpov. 16.
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prostyl statt in antis ergänzt werden, da die Abtretungen der erhaltenen Unterstufe die Intercolumnien und die seitlichen Zugänge vor den Anten noch erkennen lassen. Der Raum b wird durch das dort aufgedeckte, von einem erhöhten roten Estrich gerahmte Kieselmosaik als Klinenraum ausgewiesen23. Der anschließende Hof, der einen marmorgefaßten Brunnen enthält, diente offenbar als Loutron. Die Bestimmung der übrigen kieselgepflasterten Räume bleibt ungewiß.
Zur
Baugeschichte
Im ganzen schält sich aus den architektonischen und stratigraphischen Befunden die Baugeschichte des Dipylon deutlich heraus. Schon der erste, weit über die vorpersische Stadtgrenze24 hinausgeschobene Mauerring des Themistokles wies in der EridanosNiederung zwei unmittelbar benachbarte, nach Nordwesten gerichtete Tore auf, das 'Heilige Tor' für die eleusinische Straße und das 'Thriasische Tor', das die Landstraße von Thria in der eleusinischen Ebene aufnahm. Eine derartige, nach fortifikatorischen und ökonomischen Gesichtspunkten widersinnige Anlage von zwei Toren in nur 60 m Abstand erklärt sich nur aus der Voraussetzung, daß hier beiderseits des Eridanos zwei ältere, ihrer kultischen Bedeutung wegen sanktionierte Straßen verliefen, die auch ein Themistokles zusammenzulegen nicht wagen durfte. Diese Straßen vereinigten sich unmittelbar außerhalb des vorpersischen 'Peribolos' nordwestlich der Agora, wo man ein wie immer gestaltetes archaisches Tor anzusetzen hat. Die themistokleische Neuanlage war ein erstaunlicher Wurf, der den Sieger von Salamis, den Gründer der attischen Hegemonie, auch als einen Festungsbauer von unvergleichlichem Weitblick offenbart. Das Thriasische Tor blieb nicht nur für alle Zeiten die größte griechische Toranlage überhaupt, es ist wohl auch der erste grie23 24
N gl. ebenda 17. TTEPIBOAOZ, Thuk. 193-
Übersichtsplan der Befestigunger
gungen im Kerameikos. M 1 :500
417
chische, von einer klaren strategischen Idee bestimmte Torbau, der sich — in späteren Epochen wohl verstärkt, aber nie verändert — bis in die Kaiserzeit als das wirkungsvollste und monumentalste Tor Athens bewährt hat. Diese Idee ist die der sackartigen 'Falle': Der Feind, der die beiden Tore berennen wollte, wurde hier in einen weiten, rings von Türmen flankierten, sich nach innen leicht verbreiternden Hofraum gelockt, in dessen Hintergrund, tief zurückgeschoben, sein Angriffsziel, die Tore, lagen. Dort war er den Geschossen der Verteidiger von allen Seiten preisgegeben. Der äußere Westturm, dem die Angreifer ihre ungedeckte Schwertseite zuwenden mußten, ist weiter zur Feldseite hin vorgeschoben. Konsequenterweise wurden die Kurtinen durch Gräben, später auch durch das 'Proteichisma' geschützt, während die Torfront bis zum 1. Jh. v. Chr. offen blieb: Der Angriff sollte von den Mauern abgehalten und auf die Tore gelenkt werden. Aber nicht nur der Verteidigung war gedacht: Das erste, was die Stadt dem eintretenden Wanderer bot, war frisches Wasser aus dem schon für den themistokleischen Bau zu erschließenden Brunnenhaus. Das Heilige Tor ist zwar nach dem gleichen Prinzip geplant — und gerade hier läßt sich an einer nachträglichen, nach dem ersten hastigen Mauerbau 479/78 erfolgten Zurückverlegung der Torwand zur Stadt hin erkennen, daß es dem Bauherrn vor allem auf die Tiefe des Torhofes ankam — , doch steht der sehr viel schmalere, enge Torhof (Breite 12 m), der zudem noch den Eridanos aufzunehmen hatte, in seltsamen Gegensatz zum Thriasischen Tor (Breite etwa 24 m). Die Thriasische Straße ist im Torhof mit einer Breite von etwa 13 m festgestellt, die Breite der Heiligen Straße betrug kaum die Hälfte. Die auffallende Breite des Torhofes scheint den besonderen Begehungen auf der Kerameikos-Straße Rechnung zu tragen, welche, wie demnach zu vermuten ist, schon in vorpersischer Zeit für Staatsbegräbnisse, für die bei der Akademie startenden Lampadedromien und für die Aufstellung der Panathenäischen Prozession Raum zu bieten hatte. Demgemäß war der Straßenraum vor dem Tor, in dessen Mitte die eigentliche Fahrstraße verlief, schon im 5. Jh. von statt14 AA. 1964
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licher Breite (30 bis 35 m, nach zwei seinen Rand bezeichnenden Kanälen der klassischen Zeit zu schließen). Es scheinen gerade die an den Panathenäen, am Hephaistosund Prometheusfest stattfindenden Fackelläufe der zur Akademie führenden Feststraße, von der die Thriasische Landstraße an vorläufig unbekannter Stelle abzweigte, den Namen APOMOI, d. h. 'Laufbahn' eingetragen zu haben. Zugleich dürfte der 'Dromos' ebenso wie die 'Dromoi' beim Lykeion und beim Kynosarges 2 5 als Laufbahn der angrenzenden drei Gymnasien (Akademie, Pompeion und Hermesgymnasium) 26 gedient haben. Die zahlreichen vor allem am Rand der Straßen II u. IV festgestellten Pfostenlöcher scheinen von Zuschauertribünen zu stammen. Eine weitere, zwischen Mauer und Graben geführte Fahrstraße (die Lysis 203 a genannte Straße »außerhalb der Mauer dicht an dieser hin«, die Sokrates als kürzesten Weg von der Akademie zum Lykeion einschlägt) verband seit dem 5. Jh. die Vorstadtgebiete miteinander. Als nach dem Peloponnesischen Krieg, am Ende des 5. Jhs., der Dromos auf 39 m Breite planiert und zugleich der Torhof in seiner ganzen Ausdehnung eingeebnet wurde, zog dies einen Neubau des für das neue Niveau zu flach fundamentierten äußeren Ostturmes nach sich, der, wie seine erheblich gesteigerte Größe und seine Technik zeigen, in Zusammenhang mit den großen Mauerbauten Konons nach 393 ausgeführt wurde. Gleichzeitig wurde das alteBrunnenhaus durch einen stattlicheren Marmorbau ersetzt. Ob dabei auch die übrigen Teile des Tores verstärkt wurden, ob mindestens die Steinsockel der aus Lehmziegel bestehenden Türme und Mauern erhöht wurden, wie es nach dem Beispiel des Heiligen Tores wahrscheinlich ist, läßt sich aus dem Befund nicht mehr nachweisen. Gegen Ende des 4. Jhs. sicherte man die Kurtinen durch eine von Zinnen gekrönte, nur mannshohe Vormauer, der ein ummauerter, 2 y 2 m tiefer, wassergefüllter Graben vorgelegt war. Tragen schon diese 25
Vgl.
I.
Travlos, TToAsoSouiKri
'ASTIVCÖV 9 2 T a f .
26
3F.
s. Pausanias I 2.
E^EAI^IS
TCOV
4i9
K L A U S
Anlagen der verbesserten Belagerungstechnik Rechnung, so mußten mit dem Aufkommen weittragender Katapulte die Lehmziegelmauern und die kleinen Türme, die ihrerseits keinen Platz für die Aufstellung von Geschützen boten, vollends veraltet erscheinen. So entschloß man sich, wahrscheinlich nach der Vertreibung der fremden Besatzungen aus dem Museion-Kastell (288)27, zu einem völligen Neubau mit vergrößerten massiven Türmen und verstärkten Flankenmauern über dem alten Grundriß. Eine zum ersten Mal den Namen »Dipylon« verwendende Urkunde aus dem Jahre 278/77*® bezieht sich offenbar auf den Neubau, der vermutlich in die Jahre um 280 zu setzen ist. Daß Athen in dieser Zeit seiner Verbindung mit Ptolemaios Philadelphos allen Anlaß hatte, seine Verteidigungswerke zu verstärken, zeigte sich nur zu bald im Chremonideischen Krieg, der — nach einer Belagerung Athens durch Antigonos — 263/62 mit der Unterwerfung der Stadt unter Makedonien endete. In späthellenistischer Zeit wurde der Torhof durch eine Quermauer mit zwei weiteren, überwölbten Toren zur Feldseite hin geschlossen und somit zum Zwinger umgewandelt. Die aus zusammengerafften Spolien in größter Hast errichtete, noch mörtellose Anlage ist vermutlich im Mithridatischen Krieg kurz vor der Belagerung durch Sulla 87/86 entstanden. Durch die ganze Kaiserzeit blieb das Dipylon in Betrieb. Das Anwachsen der Straßendecke hatte die mehrfache Höherlegung und Erneuerung der äußeren Torangeln zur Folge. Erst nach der Herulerzerstörung von 267 n. Chr. scheint das Haupttor Athens verfallen zu sein. Eine Mauer des frühen 4. Jhs. 11. Chr., die zu einer großen, das 267 zerstörte hadrianische Pompeion überdekkenden Bauanlage gehört, greift auf den bereits abgebrochenen inneren Westturm des Dipylon über. Athen
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Gottfried Gruben
27 D i e g e f u n d e n e n M ü n z e n g e b e n das J a h r 297 a l s t e r m i n u s p o s t q u e m , v g l . Sp. 409. 28 I G . I I 2 673.
DIE GRABUNG
IN D E R
NEKROPOLE
1962
N o r d s e i t e der H e i l i g e n
Straße
Die Grabung, die im November/Dezember 1961 den letzten Abschnitt der Heiligen Straße vor der modernen Piräusstraße und die sie säumenden Grabfassaden freigelegt hatte29, wurde Anfang 1962 fortgesetzt mit einer erschöpfenden Untersuchung der Grabbezirke auf ihrer Nordseite30. (Pläne Abb. 20 und 21; aufgenommen von J. Stinis, B. Schlörb und K. Vierneisel, gezeichnet von J. Stinis). Daß auch die Heilige Straße ähnlich wie die sog. Gräberstaße auf ihrer Südseite von klassischen Grabbauten begleitet war, stand schon seit den Grabungen des Jahres 1932 fest, als die Grabfassaden der Sinopeer und der Antidosis ans Licht gekommen waren31. Für die Nordseite der Straße war dasselbe lediglich zu vermuten aus der Tatsache, daß der Eridanos-Fluß unterhalb des Tritopatreion — am letzten Abschnitt der Ufermauer erkennnbar — von der Straße abzubiegen schien und somit einer Bebauung auch der nördlichen Straßenseite Raum bot. Schon A. Brueckners Suchgräben von 1915, die dem Bau der neuen Agia Trias vorausgingen32, hatten diesen Verlauf des Flusses fixiert, ohne freilich den klassischen Eridanos selbst gefunden zu haben. (Die neue Grabung, die die Anfänge von Brueckners Gräben berührte, ergab, daß diese zu wenig tief angelegt waren.) Ob und in welchem Umfang allerdings dieser Raum zwischen Straße und Fluß auch schon in älterer Zeit als Gräberfeld gedient hatte, war nicht vorauszusehen. Der Eridanos wurde auch von der neuen Grabung nicht erreicht. Er scheint sich nach einer verhältnismäßig scharfen Biegung ziemlich weit von der Heiligen Straße nach Norden zu entfernen. Die Tatsache, daß in der Straße seit dem 5. Jh. vom Fluß ausgehende Bewässerungskanäle verlegt werden, läßt darauf schließen, daß Fluß und Straße sich so schnell nicht wieder berühren. Das 29 30 31
v g l . O h l y , AEAT. 17, 1961/62 Xpov. igt. v g l . a u c h AeXT. 18, 1963 (im D r u c k ) . 3 2 A A . 1915, i o ö f . A b b . 1. A A . 1932, 190.
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Abb. 19. Grabbauten auf der Nordseite der Heiligen Straße
Gelände zwischen Straße und Fluß war ursprünglich flach, wuchs mit zunehmender Benutzung für Bestattungen allmählich an, so daß die Heilige Straße in klassischer Zeit durch eine mäßige Erhebung vom Fluß getrennt war. Die Grabung in den Grabbezirken auf der Nordseite der Straße und in dem hinter diesen gelegenen Raum bis zur Geländegrenze ergab, daß die Bestattungen hier erheblich später einsetzen als in der großen, von K . Kübler erforschten Nekropole auf der Südseite der Heiligen Straße. Auf vereinzelte Gräber erst des 7. Jhs. folgt vom dritten Viertel des 6. Jhs. ab eine ununterbrochene Reihe von Begräbnissen, die sich hinzieht bis in späthellenistische Zeit. Jüngerkaiserzeitliche Gräber haben sich nicht erhalten. Sie wurden wohl im spätesten Altertum von tiefen Einbrüchen des nahen Flusses fortgeschwemmt.
Klassische Grabbauten An den Abb. 19 erscheinenden Grabbauten aus klassischer Zeit zeichnen sich die gleichen Veränderungen des späteren 4. Jhs. ab, die an den Bauten der sog. Gräberstraße '4*
und an der Südseite der Heiligen Straße festgestellt und mit den Ereignissen nach der Schlacht von Chaironeia erklärt wurden 33 . Das von der Stadt aus gesehen erste, über 13 m erhaltene Mauerstück auf der Nordseite (rechts in Abb. 19), eine in drei Abschnitten unterschiedlicher Kleinsteintechnik aufgeführte Stützmauer, kann nach dem zugehörigen Straßenniveau und den zugehörigen Gräbern nur gleichzeitig oder unmittelbar nach den Neubauten auf der Südseite der Straße errichtet worden sein. Die Mauer dient der Fassung eines durch Erdaufschüttungen neu gewonnenen Gräberfeldes, das in sich nicht weiter unterteilt ist. Der Stützmauer dieses Gräberfeldes gehen keine monumentalen älteren Grabbauten voraus. Dagegen war ein solcher Bau im Westen vor der Geländegrenze eben noch erfaßbar: die um 0,60 m tiefer liegenden Quaderreihen links in Abb. 19 sind die heute unscheinbaren Reste eines bedeutenden klassischen Grabbaus aus der Zeit um 420 v. Chr., der den gewaltsamen Veränderungen des vorgeschrittenen 4. Jhs. zum Opfer gefallen ist. Seine Fassade wurde zu diesem Zeitpunkt bis auf die unterste aufgehende
33
Ohly a. O. 20.
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Abb. 20. Athen, Kerameikos. Grabbauten auf der Nordseite der Heiligen Straße. 700 v. Chr. bis 400 v. Chr.
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DIE AUSGRABUNGEN IM KERAMEIKOS
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Abb. 2 1 . Athen, Kerameikos. Grabanlagen auf derNordseite der Heiligen Straße. 7. bis 5. Jahrhundert v. Chr.
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DIE AUSGRABUNGEN
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Abb. 22. Grabbau des 5. Jahrhunderts. Rekonstruierte Ansicht
Quaderreihe abgetragen, danach nicht wiederhergestellt, aber auch nicht überbaut. Seine westliche Ecke wurde zudem, wie tiefe Wagenspuren in Achsbreite zeigen, von in einen neu entstandenen Querweg einbiegenden Karren überfahren. Der Grabbau (Abb. 21 und 22) ist ein langrechteckig ummauerter Bezirk mit einer rund 13 m messenden Steinfassade aus weißen Porosquadern und mit aus Lehmziegeln aufgeführter seitlicher und rückwärtiger Fassung. Dem Schutz des Baus von der Straße her dienen drei vor der Fassade aufgestellte Prellsteine. Die Breite der Fassade ist gut gewährleistet, obwohl die westliche Ecke nur in der Fundamentschicht erhalten, die östliche Ecke durch ein jüngeres Grab gestört ist. Die Rekonstruktion der Fassade Abb. 22 basiert auf den erhaltenen Maßen sowie auf Stemmlöchern und Resten einer Aufschnürung auf der ersten aufgehenden Quaderschicht, die einen Rücksprung zumindest der folgenden Quaderlage um 4,5 cm vorschreibt. Für die ursprüngliche Höhe der Fassade sind — bei Annahme eines ringsum waagrechten Abschlusses der Wände — drei Schichten durch die höchsterhaltenen Lehmziegelreste (+45.5 2 a u f der Südostseite; Abb. 23) belegt, eine vierte läßt sich erschließen aus der Erdoberfläche nach Zerstörung des Baues, die in der Aufstellung des hellenistischen Kioniskos der Philokleia (Außenniveau -1-46,06; Abb. 19) gegeben ist. AlsBekrönung der Fassade ist ein geisonartiges Glied angenommen, wie es D. Ohly für den HegesoBezirk erschlossen hat 34 , und wie es entspre-
chend neuerdings von einem Grabbau des 4. Jhs. in Rhamnus bekanntgeworden ist. Die Fassade des Grabbaus gewinnt somit langgestreckte Proportionen, wie sie auch von dem Staatsgrab der Lakedaimonier von 404/03 v. Chr. am Kerameikos bekannt 35 und für den großen Lehmziegelbau des 5. Jhs. gegenüber dem Dexileos-Bezirk zu errechnen sind36. Der Grabbau ist nach dem archäologischen Befund mit Sicherheit n i c h t mit Grabdenkmälern ausgestattet gewesen. Er stammt aus einer Zeit, da die Aufstellung von großen Grabreliefs noch nicht die Regel war. Die Datierung des Grabbaus in die Jahre um oder nach 420 v. Chr. ergibt sich aus dem Inhalt einer zugehörigen reichhaltigen Opferrinne, die unter der östlichen Hälfte der rückwärtigen Lehmziegelmauer liegt. Die 5 m lange einfache, ungefaßte Grube von bis zu 0,80 m Breite und 0,30 m Tiefe diente der Familie des Toten zum einmaligen Opfer über dem Grab. Die zahlreichen Gefäße lagen zerbrochen, mehr oder weniger verbrannt, mit Asche, dabei Tierasche, vermischt, über die ganze Länge der Grube verteilt. Die Grube wurde verschlossen und unmittelbar darüber die Ziegelwand errichtet. Daß Opfergrube und Ziegelwand, d. i. der Bau, zusammengehören, lehrt auch die Analogie einer zweiten, nur wenige Jahre jüngeren Opferrinne, die über der unteren an der gleichen Stelle und mit ähnlicher Ausdehnung bei einem weiteren Begräbnis angelegt wurde, und die eine Reparatur der 35
34
Neue Deutsche Ausgrabungen 257.
36
AEAT. 17, 1901/62 Xpov. Taf. 16b. Vgl. AA. 1935, 272 ff.
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gesamten Ziegelfassung des Grabbaus zur Folge hatte. Der Ziegelbau bestand im ersten Zustand aus Flankenmauern von der Breite eines Ziegels (Ziegelmaße: 42 X 42 X 9 cm) und einer stärkeren Rückmauer mit einer Breite von etwa 2 % Ziegeln (1,12 m). Die zweite Rinne zerstörte den größten Teil der Rückwand, diese wird anschließend in Breite nur mehr eines Ziegels (Ziegelmaße: 38 X 38 X 9 cm) völlig, die Ostflanke dagegen über verbliebenen zwei Lagen der alten Ziegel neu errichtet. Die ältere Opferrinne enthielt neben zahlreichem einfacheren Geschirr auch rotfigurige Prachtgefäße (Abb. 24): zwei Hochzeitslebeten des Frauenbad-Malers und mit großer Wahrscheinlichkeit auch eine Hydria des Meidias-Malers, von der einige Bruchstücke 37 bereits 1915 in einem von Brueckners Suchgräben an gleicher Stelle zutage gekommen waren (Abb. 25—27). Eine große Anzahl weiterer Scherben fand sich im Umkreis der Opferrinne und in der Erdfüllung sie schneidender jüngerer Gräber. Die H y dria, deren Gesamtform wiedergewonnen wurde, ist ein meisterliches Frühwerk des Meidias-Malers. Sie ist mit zwei durch ein breites Blüten- und Palmettenband getrennten Figurenfriesen geschmückt. Im Schulterbild (Abb. 27) sitzt Helena im Kreise ihrer wie sie durch Beischriften bezeichneten Geschwister; der untere umlaufende Fries zeigt den Tod des Pentheus von der Hand der rasenden Frauen von Theben (Abb. 27). Die Thematik der übrigen bemalten Gefäße führt in den weiteren Umkreis des häuslichen Frauenlebens (Abb. 24). Eine P y x i s mit reich verziertem Deckel zeigt das Haus mit Braut, Eros und Dienerinnen. Die Hauptbilder des Lebetenpaares schildern die Schmückung der B r a u t im Beisein Aphrodites und die Pflege eines Kindes. Sie bestätigen Buschors Vermutung 38 , daß sich die Vorderseitenbilder solcher Kessel paarweise im Sinn der Darstellungen ergänzten. Eine kleinere Hydria trägt als Schulterbild ein musisches K o n zert : Leierspielerin und flötespielender Eros begleiten eine von der Rolle singende 37 38
Beazley, ARV. 2 1313, 6. AM. 71, 1956, 207.
434
Abb. 23. Ostecke der Lehmziegelfassung des Grabbaus Abb. 22. Von Osten
Sängerin. Eine weißgrundige Lekythos zeigt zwei Frauen am Grab. Alltägliche Gefäße, wiedie große, schwarzgefirnißteDekkelschüssel, zwei große Henkelteller, kleine Teller, einhenklige Näpfe, Fußnäpfe, S k y phoi, kleine Pyxiden und bauchige Lekythen, schließlich Astragale und tönerne Spinnwirtel, sind charakteristisches Zubehör der über vornehmen Gräbern vollzogenen Opfer. Das Grab der sicherlich weiblichen Toten, das der Anlaß zur Errichtung des Grabbaus gewesen ist, wurde unter den zugehörigen vier Sarkophagbestattungen nicht mit Sicherheit erkannt. Der große Grabbau auf der Nordseite der Heiligen Straße geht dem gleichartigen großen Lehmziegelbau des späten 5. Jhs. von der Gräberstraße 3 9 zeitlich noch voraus. E r ist der älteste der im Kerameikos erhaltenen wie überhaupt der sonstwo überlieferten klassischen Grabbauten Athens. Älteste Gräber Die frühesten Bestattungen auf der Nordseite der Heiligen Straße sind fünf Gräber des 7. Jhs. Vier von ihnen liegen dicht beisammen hinter der Ostecke des klassischen Grabbaus am leicht zum Eridanos hin abfallenden H a n g : ein außergewöhnlich großes Brandgrab mit verzweigten Luftkanälen an der Sohle, das als Beigaben nur zwei K ä n n chen und eine Tasse (Abb. 28) enthielt. Die subgeometrische Amphora A b b . 29 war zur Bestattung eines Säuglings verwendet, fünf kleine Gefäße waren hinzugegeben. Über 39
AA. 1935, 272ff.
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Abb. 24. Gefäße aus Opferrinne des Grabbaus Abb. 22
dem Grab breitete sich die Aschenschicht eines zugehörigen Opfers aus, in der sich ein bedeutender, 6,4 cm großer Elfenbeinkopf orientalischer Herkunft gefunden hat. Die Gebeine eines Kindes enthielt auch ein grobtoniger Pithos mit Ritzdekor; in der Grube lagen eine frühattische Tasse, eine protokorinthische Pyxis und eine Kanne (Abb. 30). In einem zweiten, nur teilweise erfaßbaren Brandgrab fand sich eine große Anzahl von Gefäßen (Abb. 31), zwei Skyphoi und eine Olpe korinthischer Fabrik aus der Zeit des frühen Übergangsstiles, einheimische Näpfe und Tellerchen sowie eine Ausgußschüssel und zwei Fußbecher mit frühattischem, ornamentalem Dekor. Grabbau A (Abb. 21) Das fünfte, von hier aus weiter östlich gelegene Grab ist zugleich ein bemerkenswertes Monument: Über einer Brandgrube mit verzweigten Luftkanälen erhob sich das wohl bankartig niedrige, rechteckige Mal A (Abb. 21) von 4,40 X 2,00 m Ausdehnung. Eine Fassung aus festem, rotem Lehm ist um die Grabfüllung gelegt. Die leicht geböschten Wände waren mit feinerem Lehm glatt verstrichen. Das Grab enthielt als ein-
zige Beigabe eine Kanne mit großem, vierspeichigem Rad in einem Bildfeld (Abb. 32). Die Kanne datiert die Grabanlage in die erste Hälfte des 7. Jhs. Nach dem jüngsten der älteren Begräbnisse scheint das Gelände auf der Nordseite der Heiligen Straße dann drei Generationen lang für Bestattungen nicht mehr benutzt worden zu sein. Einen Begriff von der Vielzahl der erst seit dem dritten Viertel des 6. Jhs. auf engstem Raum angelegten Gräber wie von deren räumlicher Orientierung gibt der Plan Abb. 20, in dem alle Gräber wie Grabanlagen zwischen etwa 700 und 400 v. Chr. verzeichnet sind. Es wird deutlich, wie die Gräber offensichtlich auf die hier wohl seit ältester Zeit entlangführende Heilige Straße hin, also nicht nach Himmelsrichtungen orientiert sind. Dasselbe gilt von den ausschließlich rechtwinkligen Fassungen von Gräbern und Grabbezirken (Grabbauten), die diesem Teil der Nekropole ihr besonderes Gepräge gegeben haben müssen (Abb. 21). Runde Grabhügel über den Gräbern, wie sie in der Nekropole südlich des Eridanos so zahlreich sind, wurden hier nicht festgestellt. Auch sind von Grabdenkmälern nur kleine Bruchstücke, keines mehr in situ, gefunden worden.
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Abb. 25. Hydria des Meidias-Malers
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Abb. 27. Schulterbild der Hydria Abb. 25
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Abb. 28. Aus Brandgrab des 7. Jahrhunderts
Abb. 29. Grabamphora und Beigaben aus einem Kindergrab des 7. Jahrhunderts
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A b b . 30. Grabpithos und Beigaben aus einem Kindergrab des 7. Jahrhunderts
Grabbau B (Abb. 21 und 35) Die Reihe der jüngeren Gräber wird eröffnet mit einer Grabanlage, von der sich Reste unter der Fassade des großen klassischen Grabbaus erhalten haben: Die unmittelbar hinter der Fassade liegende, teilweise von deren Baugrube beschnittene 6 m lange Lehmziegelwand (Abb. 35; bis zu sechs Lagen hoch erhalten; Ziegelmaße: 42 X 42 X 8 cm) läßt sich nur als Rest der rückwärtigen Fassung eines wohl schmalen,
bankartigen Males erklären. Vordere und seitliche Ziegelwände und der größte Teil der Innenfüllung wie auch das (nicht mehr feststellbare) zugehörige Grab sind bei der Anlage des Porosgrabbaus zerstört bzw. überlagert worden. Gefäße wie z. B. der Skyphos Abb. 33 aus einer zugehörigen Opferrinnne (Abb. 21, ß) weisen die Errichtung des hart am Rand der Heiligen Straße gelegenen Baus in die Zeit um 540 v. Chr. Die Rinne liegt hinter dem Grabbau und parallel zu diesem. Sie besteht in der Art der
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Abb. 31. Aus Brandgrab des 7. Jahrhunderts
archaischen Opferrinnen aus zwei Reihen senkrecht gestellter Ziegelbrocken mit dazwischenliegendem Opferbrand. Eine zweite, westlich gelegene Opferrinne mit etwas jüngerem Scherbeninhalt läßt auf ein jüngeres Opfer oder, eher, auf eine verlorene jüngere Grabanlage schließen, die sich nach Westen anschloß. Der Errichtung von Grabbau B folgt bald weiter östlich im Bereich der jüngeren Stützmauer eine größere Anzahl eilig auf einer großen Fläche angelegter niedriger Brandgruben und Brandstellen, von denen mindestens vier als Gräber erwiesen sind. Nach den mitgegebenen zahlreichen Waffen zu schließen, müssen hier gefallene Krieger, möglicherweise in öffentlichem Auftrag, bestattet worden sein. Die gesamte etwa 15 X 6 m messende Brandfläche (Abb. 21 schräg schraffiert umgrenzt; Gefäßbeigaben z. B. Abb. 34) wurde mit einer dicken Lage weißen Poroskieses bedeckt. Bau r und Z (Abb. 21 und 36) Noch vor dem Ende des 6. Jhs. entstand hinter dem späteren klassischen Grabbau das auf drei Seiten von Ziegelmauern eingefaßte Grabmal T am leicht nordwärts abfallenden Uferhang, dem Eridanos zugewandt. Die engere Entstehungszeit bleibt unbekannt, da das zugehörige Grab nicht ermittelt werden konnte. Schon zu Anfang
des 5. Jhs. wurde die Anlage von dem fast pyramidalen, stark geböschten Erdmal Z (Abb. 36) überlagert, von dem ein Teil der Nordostseite und die östliche Ecke erhalten sind. Das Erdmal war aus eingebrachtem, scherbenlosem grünen Mergel errichtet und trug einen festen Lehmverputz. Seine Oberfläche dürfte waagrecht abgeglichen gewesen sein. Es bedeckte ein Brandgrab mit reichen Beigaben aus dem ersten Jahrzehnt des 5. Jhs., z. B. der schwarzfigurigen Lekythos Abb. 37. Zwei Opferstellen lagen am Südfuß des Erdmals. Ihnen entstammen u. a. ein rotfiguriger Psykter des Myson und eine rotfigurige Tasse des Epidromos-Malers. Schon im zweiten Viertel des Jhs. wurde das Erdmal von einer Sarkophagbestattung schwerwiegend beeinträchtigt. Grabbauten A, E und H (Abb. 21) Um 500 v. Chr. und bald danach waren unmittelbar an der Heiligen Straße über Brandgräbern das Lehmmal A und der von Westen anstoßende Grabbau E angelegt worden. Das Mal A besteht aus bei geradlinigen Fluchten über dem Grab aufgeschüttetem Lehm (aus den Grabbeigaben z. B. die Lekythen Abb. 39); Grabbau E besaß eine Fassung von rechtwinklig um die Grabfüllung geführten horizontalen Lehmlagen (unter den Beigaben die Leky-
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Abb. 35. Reste von Grabbau B
thos Abb. 38). Nach Osten reiht sich das einfache rechtwinklige Erdmal H aus der Zeit um 480 v. Chr. an (Abb. 40). Grabbau & und I (Abb. 21 und 41)
worden ist. Der wohl dreiseitige Steinsockel wird einen Lehmziegelaufbau getragen haben. Grabbau I geht dem großen, klassischen Grabbau Abb. 22 nur um kurze Zeit voraus.
Der weiter nördlich liegende, von der Straße etwas zurückgesetzte große Lehmziegelbau 0 ist um die Mitte des 5. Jhs. entstanden (Abb. 2 1 u. 41). E r deckt ein einziges beigabenloses Grab. Über die ursprüngliche Höhe der auf drei Seiten und bis zu sechs Ziegellagen hoch erhaltenen Wände wie über deren oberen Abschluß besteht keine Sicherheit. Den Lehm verstrich der Ziegelwände deckte ein fester, dunkelrot gefärbter Kalkputz. Vor der zur Straße gewandten 4,5 m breiten Front des Grabbaus und vor seiner Südostseite lag sockelartig eine breite, dem Grabkult dienende Opferrinne. In ihr fanden sich u. a. zwei kleinere Hochzeitslebeten des Sabouroff-Malers aus dem Jahrzehnt 460/50 v. Chr. und mehrere gleichartige Klagefrauen aus Ton wie Abb. 42. Der B a u ist spätestens nach 20 Jahren schon von zahlreichen jüngeren Gräbern durchschnitten und überlagert worden. Die vierte, nordöstliche Umfassungsmauer des Grabbaus dürfte von zwei jüngeren Kanälen bzw. einem späten Wassereinbruch zerstört worden sein. Der zwischen den Erdmalen A und H liegende schlecht erhaltene Grabbau I aus dem dritten Viertel des 5. Jhs. ist die erste Grabanlage, bei der Steinmauerwerk verwendet 15 AA. 1964
Abb. 36. Reste von Grabbau Z
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Abb. 39. Aus Grab in Grabbau A
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Abb. 41. Lehmziegelgrabbau ©. Von Nordosten
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Abb. 43. Ziegelgedeckte Gräber des 5./4- J a h r h u n derts
Abb. 42. Klagefrau aus Opferrinne von Grabbau 0
Ziegelgedeckte Gräber, Gefäßgräber Unter den Begräbnisarten überwiegen bis gegen das Ende des 5. Jhs. die Brandgräber. E s folgen seit dem späteren 5. Jh. ziegelgedeckte Leichenbestattungen (Abb. 43) sowie Kinderbestattungen in Amphoren und Tonwannen. A l s Ostotheken fanden sich zwei schlecht erhaltene Bronzekessel, eine rotfigurige Pelike, ein rotfiguriger Kessel (Abb. 44) und einfache Aschenurnen verschiedener Form (z. B. A b b . 45 mit beige-
gebenen Gefäßen). Die Grabbeigaben sind bis gegen 400 v. Chr. zahlreich, aber von eher durchschnittlicher Qualität. Vor allem für die klassische Zeit zeigen sie, daß, von dem großen Grabbau abgesehen, die vornehmen Begräbnisse hier nicht gelegen haben. Seit dem ausgehenden 5. Jh. werden den Toten außer Metallgegenständen (Strigilis oder Spiegel) fast nur mehr bauchige Palmettenlekythen (Abb. 46) oder A l a b a stren aus Alabaster oder Ton (Abb. 47) ins Grab gegeben, seit dem späten 4. Jh. nur mehr sog. Tränenfläschchen (Abb. 49; frühkaiserzeitlich: A b b . 48), sehr selten verzierte Gefäße wie die P y x i d e n A b b . 50. Grabdenkmäler Zwei Grabdenkmäler aus dem 4. Jh. sind Einzelfunde geblieben. Das Grabrelief der »Eukoline, der Tochter des Antiphanes«, aus den Jahren 380—70 v. Chr. mit auf den Naiskosseiten umlaufendem Epigramm fand sich in der Heiligen Straße als A b d e c k u n g
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Abb. 44. Als Aschenurne verwendeter Kessel
Abb. 45. Aschenurne mit Beigaben
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Abb. 46. Aus Grab des 4. Jahrhunderts
Abb. 47. Ton-Alabastron aus Grab des 4. Jahrhunderts
Abb. 49. 'Tränenfläschen' und Kantharos-Bruchstück aus frühhellenistischem Grab
Abb. 48. Aus frühkaiserzeitlichem Grab
Abb. 50.
Aus frühhellenistischem Grab
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Dagegen stand die marmorne R ü c k w a n d eines Gemälde-Naiskos im R a u m nördlich der Heiligen Straße noch aufrecht auf ihrer Basis 40 . Das Fehlen jeder Fundamentierung und die Tatsache, daß der Giebel und die Seiten des Naiskos gewaltsam entfernt worden waren, läßt darauf schließen, daß dieses Grabmal nach der bekannten Plünderung der Grabbauten im vorgerückten 4. Jh. von der Straßenfront weg nach hinten geräumt wurde. Dort wurde es von den in Zusammenhang mit der Errichtung der jüngeren Stützmauern eingebrachten lockeren Erdmassen bedeckt. Die bemalte R ü c k w a n d des Naiskos trägt das sehr verblichene Bild eines im Lehnstuhl sitzenden bärtigen Mannes, dessen Name, »Hermon, Sohn des Athenokles«, auf der Basis genannt ist (Höhe der Stele 1,06 m).
Südseite der H e i l i g e n Opferrinne des 6. Jhs.
Abb. 51. Grabrelief der Eukoline
eines gleichzeitig mit den Fassadenneubauten angelegten Kanaleinstiegs wiederverwendet (Abb. 51).
Straße
Geometrische Gräber
Im Erdreich unter dem hellenistischen Grabbau südlich des Antidosis-Bezirkes an der Südseite der Heiligen Straße 4 1 wurde der A n f a n g einer nach Süden führenden Opferrinne aus dem mittleren 6. Jh. festgestellt (Abb. 54, im Schnitt). Das der Grabung erreichbare erste Stück dieser Rinne enthielt zahlreiche Scherben einer schwarzfigurigen Hydria (Abb. 52). Ihr Bildfeld mit dem Auszug eines Kriegers und einer Palästraszene auf der Schulter ist ein gutes Werk von der Hand des Lydos-Malers aus dessen mittlerer Schaffenszeit. Bei weiteren Untersuchungen in der Heiligen Straße kamen an ihrem Südrand, halbwegs zwischen Antidosis-Bezirk und Tritopatreion, zwei ungestörte geometrische Gräber zutage. Die gewaltigen, mit Platten gedeckten Grabgruben von 3,75 und 4,30 m Länge enthielten, getrennt von den männlichen Toten, reiche Gefäßbeigaben reifgeometrischer Technik. Beide Toten waren durch je ein um das Handgelenk bzw. den Oberarm gelegtes figürlich verziertes Gold40
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Vgl. A A . 1932, 190.
(im D r u c k ) .
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Abb. 52. Hydria des Lydos-Malers aus Opferrinne Abb. 54
Abb. 53. Beigaben eines geometrischen Grabes
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Abb. 55. Beigaben eines geometrischen Grabes
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band ausgezeichnet. Über dem einen Grab fanden sich große Teile eines mit der Ekphora geschmückten Spendekraters noch in Sturzlage 42 . Darunter standen in der Grabgrube eine Amphora, drei Steilrandschüsseln und vier Näpfe (Abb. 55)43. Das zweite, nur wenig jüngere Grab enthielt als Gefäßbeigaben eine große Kanne, drei Steilwandschüsseln, eine Schale und eine kleine Kanne (Abb. 53). Bei beiden Gräbern muß es sich um Ausläufer der großen, südlich des Eridanos gelegenen geometrischen Nekropole handeln. Sie scheinen, zumal auch in der Aufstellung eines monumentalen Spendekraters, auf die älteste hier vorbeiführende Heilige Straße Bezug zu nehmen. München
Klaus
Vierneisel
EIN ATTISCH SCHWARZFIGURIGES F R A G M E N T MIT S Z E N I S C H E R D A R STELLUNG VON D E R H E U N E B U R G A. D. D O N A U Während der Sommergrabung von 1963 wurde auf der Heuneburg an der oberen Donau unweit Hundersingen, Kr. Saulgau, ein attischer schwarzfiguriger Scherben gefunden, der aus dem Rahmen des Üblichen herausfällt und der deswegen an dieser Stelle eine kurze Bekanntgabe verdient 1 . Zwar lag das Stück in einer vermutlich durch einen mittelalterlichen Eingriff gestörten Fundschicht, doch wissen wir seit langem, daß der Import schwarzfigurigen Geschirrs offenbar erst während der Periode III der Burggeschichte voll einsetzte, die der Hallstattphase D 2 (nach Zürn) entspricht 2 . 42
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1
AEAT. 18, 1 9 6 3 mit Abb.
(im Druck).
Vgl. ebenda.
Rascher Überblick über die Grabungsergebnisse: K. Bittet—A. Rieth, Die Heuneburg a. d. oberen Donau ( 1 9 5 1 ) . — Dehn in Neue Ausgrabungen in Deutschland ( 1 9 5 8 ) I27ff. mit weiterer Lit. 2 Dehn—Sangmeister—Kimmig, Germania 3 2 , T 954. 45ff- mit Tai. 1 4 .
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Das — leider durch einen Pickelhieb beschädigte — große Randstück stammt von einem Kolonnetten- oder Volutenkrater beachtlichen Formats. Der Randdurchmesser läßt sich auf etwa 44 cm berechnen (vgl. Abb. 2). Dargestellt ist auf dem 5,7 cm breiten, gegen die Schulter zu abgesetzten Halsstreifen der Rest einer Szene, die man nach einem geläufigen topos etwa als 'Kriegers Abschied' bezeichnen könnte (Abb. 1). Rechts sitzt ein älterer Mann mit umgehängtem Mantel, vermutlich der Vater, der sich auf seinen Stab stützt. Links steht ein Krieger in voller Rüstung mit korinthischem Helm und Rundschild, die Lanze in der Hand. Ihm gegenüber ist noch der Kopf einer Frau zu erkennen, wohl die Mutter unseres Kriegers oder seine Gattin. Rechts unter dem Schild des Kriegers steht ein Hund, der zum Vater hinüberblickt. Zwischen dem Krieger und dem Vater steht der Schildknappe in der Uniform eines skythischen Bogenschützen. Er trägt eine sonderbare mehrzipflige Mütze, sein Köcher ist gerade noch zu erkennen. Von diesem sieht man links das mit einer Innenzeichnung versehene Köcherende, rechts an der Hüfte, hart neben der rechten Hand, wird der Oberteil des Köchers sichtbar, von dem entweder die Köcherkappe oder ein flatternder Zierat herabhängt. Unklar ist, was der Bogenschütze mit seiner erhobenen linken Hand hält. A m ehesten möchte man an den Bogen selbst denken. Auf dem unterschnittenen Rand sitzt ein flüchtig gezogener fortlaufender Mäander. Der Schildrand des Kriegers wie die Zierate der Gewänder sind mit lila Farbe besonders hervorgehoben. Vasenkenner versichern, daß an der attischen Herkunft des Kraters nach Ton und Malweise nicht gezweifelt werden könne 3 . Es sind jetzt gerade dreißig Jahre her, seit P. Jacobsthal zum ersten Mal die nördlich der Alpen gefundenen griechischen 3 H. V. Herrmann und O. F. v. Vacano v o m Archäologischen Institut der Universität Tübingen bin ich für freundliche Hilfe bei der Bestimmung des Scherbens sehr verbunden. — Gute Vergleiche für die Mütze und den Köcher des Bogenschützen jetzt bei M. F. Vos, Scythian archers in archaic Attic vase-painting (Arch. Traiectina VI,
1963).
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Abb. 1. Schwarzfiguriger griechischer Scherben. Heuneburg a. d. Donau, Kr. Saulgau
Vasen zusammengestellt hat 4 . Jacobsthal konnte damals nach Ausscheidung apokrypher Stücke sieben sichere Belege namhaft machen, die seitdem als Fixpunkte für die absolute Chronologie der späten Hallstattund frühen Latènezeit immer von besonderer Bedeutung gewesen sind6. Seit 1934 hat sich jedoch die Zahl griechischer Vasenfunde in der weiten 'Zone nordwärts der Alpen' vervielfacht (vgl. die Verbreitungskarte Abb. 3)®. Lassen wir einmal die Vorkommen im unteren und mittleren Rhônetal beiseite, dann wären im Westen dieses Raumes der Mont Lassois bei Châtillon-sur4 Jacobsthal, Germania 18, 1934, 14ff- mit Taf. 3.4. 5 Dehn—Frey, Die absolute Chronologie der Hallstatt- und Friihlatènezeit Mitteleuropas auf Grund des Südimports in Atti del V I Congresso Internazionale delle Science Preistoriche e Protostoriche I, Relazioni Generali 197ff. mit fast vollständiger Lit. 6 Eine neuere, freilich nicht vollständige Zusammenstellung findet sich bei F. Villard, L a Céramique grecque de Marseille (VI.—IV. siècle). Essai d'histoire économique (Bibl. des Écoles Franc. d'Athènes et de Rome 195, i960) 125 ff.
Seine (dép. Côte d'Or)7 mit etwa 150 Vasenscherben, im Osten der Dürrnberg bei Hallein (Land Salzburg)8 mit einer erst 1959 gefundenen, schlicht gefirnißten Schale zu nennen. In der Mitte liegt die Heuneburg a. d. oberen Donau, die außer unserem neuen Scherben etwa 18 weitere geliefert hat9. Zu erwähnen sind schließlich die 1963 gefundenen beiden schwarzfigurigen Scherben von der Marienburg bei Würzburg, die zugleich die bisher nordöstlichsten Stücke griechischen Vasenexports darstellen 10 . Die griechischen Vasenfunde nördlich der Alpen verteilen sich sowohl auf reich ausgestattete Gräber wie auf Siedlungen, wobei es sich beim Mont Lassois, bei der Heuneburg und sehr wahrscheinlich auch bei der Würzburger Marienburg um befestigte Adels7 R . Joffroy, L'oppidum de Vix et la civilisation Hallstattienne finale dans l'est de la France (Publ. de l'Université de Dijon 20, i960) i2off. mit Taf. 67—70. 8 Penninger, Germania 38, i960, 3 5 3 f f . mit Taf. 47. 9 Vgl. Anm. 2. 10 Mildenberger, Germania 41, 1963, 103 Abb. 1.
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Abb. 2. Profil des griechischen Scherbens Abb. 1
sitze gehandelt hat. P. Jacobsthal und F. Villard haben gezeigt, daß der Export griechischen Tongeschirrs schon in der 1. Hälfte des 6. Jhs. einsetzt, seinen Höhepunkt offenbar in der 2. Hälfte dieses Jhs. erreicht, aber auch noch fast bis an das Ende des 5. Jhs. angedauert hat (Somme-Bionne). E s ist dabei sicher, daß das schwarzfigurige Geschirr wohl überwiegend über Massilia und das Rhonetal, das jüngere rotfigurige dagegen wohl vorwiegend über die westlichen und mittleren, gelegentlich auch über die östlichen Alpenpässe (Dürrnberg) verhandelt worden ist 1 1 . Der Formenvorrat ist erstaunlich vielseitig. Schalen der verschiedensten Gattungen überwiegen, daneben gibt es Amphoren, Kolonnetten- und Volutenkratere, einmal einen Stamnos, schließlich zwei Schuppen-Kantharoi (Rodenbach und L a Motte St. Valentin). Den Fundumständen nach muß es sich in erster Linie um Trinkgeschirre handeln, die, wie Jacobsthal schon vor dreißig Jahren vermutet hat, wohl als Beifracht zu Weinlieferungen angesehen werden dürfen. Das nach Norden expor11 Literatur zu dieser Frage siehe unter Anm. 5 (Dehn — Frey). E s geht heute wohl nicht mehr an, für diese sich zwar im ganzen zeitlich ablösenden, im einzelnen sich aber auch überschneidenden Handelsphasen politische Gegensätze zwischen phokäischen Griechen und Etruskern geltend zu machen. Vgl. dazu Kimmig—Rest, JbZMusMainz 1 , 1954, i79ff- — Szilagyi, Acta Ant. Hung. 1, 1953, 4 T 9ff-
tierte griechische Geschirr bietet im allgemeinen qualitativ nichts Besonderes. Neben — seltenen — hervorragenden Stücken wie der sog. Droop-Schale des Vixer Grabes 12 kommen auch minderwertige Stücke vor wie die Schale von Somme-Bionne 13 . Im ganzen hat man den Eindruck, daß die E x porteure nur zweite und dritte Wahl verschickt haben. Ungewöhnlich große Stücke wie etwa das Randstück eines KolonnettenKraters von der Heuneburg 14 lassen vermuten, daß man möglicherweise dem etwas barbarischen Geschmack der Besteller entgegenzukommen suchte 16 . Wie dieser beschaffen war, zeigen gut die mit keltischem Goldornament zusätzlich beklebten attischen Schalen des Klein-Aspergle-Grabes 16 . Der historische Hintergrund für diesen nach Norden gerichteten, neben Tongeschirr auch Bronzegefäße 17 und mancherlei 12
Joffroy, MonPiot 48, 1954, 3 1 m i t Taf. 26. M. Morel, Album des cimetières de la Marne. Sépulture gauloise de Somme-Bionne (1876) Taf. 9. — Jacobsthal, Germania 18, 1934, I 4 f f mit Taf. 3.4. 14 Vgl. Dehn —Sangmeister —Kimmig a. O. Taf. 14, 6a. b. 15 Nur in diesem Sinne wird auch der bronzene Riesen-Krater von Vix zu deuten sein. Vgl. dazu J o f f r o y a. O. Vorsatztafel sowie Taf. 4 fï. u. S. 58 Abb. 9. 16 Paret, I P E K . 17, 1943—48, 47ff. mit Taf. 15. — Jacobsthal a. O. 17. — W. Kimmig — H. Hell, Vorzeit an Rhein und Donau (1958) Taf. 1 1 9 . — P. Jacobsthal, Early Celtic art (1944) I I Taf. 26.27. 17 P. Jacobsthal —E. Neuffer, Die Bronzeschna13
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anderes südliche Gut vertreibenden Handel darf in der griechischen Kolonisationstätigkeit im westlichen Mittelmeer sowie in dem um 500 v. Chr. bezeugten Vordringen der Etrusker in die oberitalische Ebene gesehen werden. Überall wurden hier die Grenzen der südlichen Hochkultur näher an die ßapßapiKii des Nordens herangetragen. Dazu kommt eine erstaunliche Aufnahmebereitschaft vorab des nordwestlichen Voralpenraumes, der durch die besondere soziale Struktur seiner Bevölkerung (lokale Adelsgeschlechter) offenbar auch finanziell in der Lage war, sich kostbares Südgut zu leisten. In diesem sich schon im 7. J h . anbahnenden Süd-Nord-Handel 18 haben zweifellos die Alpenvölker eine bestimmende Rolle als Vermittler gespielt. Kelto-ligurische Gruppen der Provence und des mittleren Rhônegebietes, die im Raum um den Lago Maggiore beheimatete sog. Golassecca-Kultur 19 , aber auch die um das caput Adriae seßhaften veneto-illyrischen Völkerschaften müssen an diesem Handelsaustausch beteiligt gewesen sein 20 . Wenn Hekataios von Milet, der selbst einmal in Massilia gewesen zu sein scheint, von der im Hinterland dieser Stadt beginnenden keàtiktî schreibt 2 ' 1 , und wenn ein Menschenalter später Herodot von Kelten im oberen Donaugebiet berichtet 22 , dann werden diese Nachrichten sehr wahrscheinlich durch solche Handelsleute zu Ohren der frühen Historiker gedrungen sein. Die Geschichte dieses Handels ist heute erst in Umrissen bekannt. D a uns die schriftliche Überlieferung weitgehend im Stich läßt, kommt der zuverlässigen Interbelkannen (1929). — Jacobsthal, J d l . 44, 1929, I98ff. Dazu Frey, MarbWPr. 1963, i8ff. — U. Jantzen, Griechische Greifenkessel (1955) 8off. mitTaf. 58 (La Garenne). — Neugebauer, AA. 1925, 177ff. — Lerat, Actes du colloque sur les influences helléniques en Gaule. Publ. de l'Université de Dijon 16, 1958, 890. — Joffroy a. O. 6 fi. 18 Jehl —Bonnet, Cahiers Alsaçiens d'Arch., d'Art et d'Hist. 1957, I9ff. — Hatt, Gallia 14,
1956, 294ÎÏ.
19 Kimmig, BerRGK. 43/44, 1962/63, 31 ff., bes. 67 ff. 20 Dehn, B J b . 151, 1951, 83 ff. 21 Kimmig in Coll. Latomus 58, 1962 (Hommages à Albert Grenier) 8840. 22 Ebenda 885f.
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pretierung des nach Norden gelangten Südgutes eine große Bedeutung zu. Die prähistorische Archäologie ist hierfür im allgemeinen nicht zuständig. Sie kann die Funde wohl bereitstellen, ihre Bestimmung im einzelnen muß jedoch durch die klassische Archäologie erfolgen. Dabei geht es hier weniger um Fragen der künstlerischen Wertung als vielmehr um die verläßliche Bestimmung der einzelnen keramischen Gattungen, um ihre Herkunft, ihre Datierung und dergleichen mehr. F . Villard hat hier einen erfreulichen Beginn gemacht, doch hat er sich aus mancherlei Gründen auf das in Massilia selbst gefundene Material beschränkt. Indessen sind große Bestände aus dem weiteren proven5alischen Bereich bis hinüber nach Emporion genauso unbearbeitet wie die Scherbenfunde des Mont Lassois, der Heuneburg und des übrigen nordwestlichen Voralpenraums. Eine kritische Sichtung all dieser Materialien durch berufene Sachkenner wäre überaus wertvoll. Sie anzuregen ist Sinn und Ziel dieses kurzen Berichts. Tübingen
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E I N E ALTPUNISCHE KOLONIE AN D E R MÜNDUNG D E S RÍO V É L E Z Die These Adolf Schultens, die in den antiken Schriftquellen genannte griechische Kolonie Mainake sei auf dem Cerro del Peñón bei Torre del Mar, Provinz Málaga, zu lokalisieren 1 , hatte einen der Verfasser im Jahre 1961 zu einer Feldbegehung am Platze veranlaßt 2 . Dabei fiel sein Augenmerk auf die östlich unterhalb des Cerro del Peñón gelegene flache Erhebung, die heute einen Hof trägt, den Cortijo de los Toscanos, (Abb. 1 . 3). Sie liegt unmittelbar am westlichen Rande der Flußebene des río Vêlez und ist gegenüber den sich gegen die Küste vorschiebenden Südhängen des Cerro del Peñón etwas landeinwärts zurückgesetzt. Die Höhe, die gegen Westen nur wenig abgesetzt ist, wird von der Kleinbahnlinie 1
Schulten, A A . 1943, 23ff. ; zuletzt Tartessos 2
(1950) 46 ff. 2
Niemeyer, MM. 3, 1962, 38ff.
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Abb. 1. Blick vom Cerro del Mar über den río Vélez auf den Cerro del Peñón; am Fuß des Peñón der Cortijo de los Toscanos
von Málaga nach Vélez-Málaga am Südhang in west-östlicher Richtung durchschnitten. Hier hatte bereits A. Schulten ein »Profil der Kulturschicht« gesehen 3 , ohne dem weiter Beachtung zu schenken. In der Tat sind Mörtelmauern, z. T. mit verbauten Spolien, darunter trocken gesetzte Bruchsteinmauern an mehreren Stellen des Bahneinschnittes gut zu erkennen 4 . Der Fund zweier protokorinthischer Scherben auf einem der Äcker des Cortijo de los Toscanos und am Bahneinschnitt, der stellenweise eine Schichtmächtigkeit von etwa 5 m aufweist, ließ es möglich erscheinen, daß an dieser Stelle ungestörte frühe Schichten sich erhalten hätten. Im Frühjahr 1964 konnten die Verfasser im Rahmen einer Grabung des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Madrid, eine vierwöchige Untersuchung vornehmen, die in erster Linie einer Nachprü3 4
Schulten, A A . 1943, 25 Abb. 2. Vgl. MM. 3, 1962 Taf. 14a.
fung der Schultenschen Ergebnisse dienen sollte, in zweiter Linie auf dem Cortijo de los Toscanos versuchen mußte, die dort vermuteten frühen Schichten nördlich hinter dem Bahndamm anzutreffen. Der zwischen einem nördlichen und einem südlichen Lappen eingesattelte, fächerförmig breit und sanft nach Westen abfallende Cerro del Peñón wird im Osten von einer leicht abgesetzten Höhe beherrscht, der 'Loma del Picacho', von der der Berg nach Osten sehr steil abfällt. Die Osthänge sind bis in unser Jahrhundert durch Steinbrüche ausgebeutet worden. Etwa in der Mitte ihrer Längsausdehnung wird die Loma del Picacho von einem zwischen 5 und 7 m breiten Hohlweg durchschnitten, dem 'Torin'. Hier hatte A. Schulten das Stadttor von Mainake vermutet 5 . Ein quer durch den Hohlweg gelegter Schnitt (Nr. 5, Abb. 2) erwies ihn als eine Steinbruch-Gasse von bis 5
A A . 1943, 24, vgl. 25 Abb. 2.
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Abb. 3. Blick vom Cerro del Peñón auf den Cortijo de los Toscanos; jenseits des río Vêlez der Cerro del Mar
zu 6 m Tiefe. In der bis 2,60 m über der Felssohle anstehenden Auffüllung fanden sich wenige, ausschließlich mittelalterlich-arabische Tonware und Baukeramik. Einen entsprechenden Befund ergaben zwei weiter südwestlich gelegene Schnitte, in deren einem (Nr. 4, Abb. 2) eine flach birnenförmige arabische Zisterne aufgedeckt wurde, auf die eine aus umgekehrt verlegten Dachziegeln gebildete Wasserrinne zuführte. Unter der Masse arabischer glasierter Ware des 9. bis 12. Jhs. und Gebrauchskeramik war der Fund je einer Scherbe mit punischem Engobe 6 in dieser Zisternenfüllung sowohl wie in dem Schnitt 3 (Nr. 3, Abb. 2) auffallend. Hinzu tritt eine weitere gleiche Scherbe aus der modern gestörten Füllung eines auf der Nordhälfte der Loma del Picacho in den Fels gearbeiteten birnenförmigen Silos, der ebenfalls zur Phase der 6
Vgl. unten Anm. 8.
16 AA. 1964
arabischen Siedlung gehören dürfte. Diese wenigen Scherben reichen jedoch nicht aus, um eine echte Besiedlung in antiker Zeit wahrscheinlich zu machen. Sie dürften eher dem Streuungskreis der altpunischen Handelsfaktorei zuzurechnen sein, von dem weiter unten zu sprechen ist. Auch römische Scherben und Ziegel wurden in geringer Anzahl gefunden. Der Cerro del Mar (Abb. 3. 7), etwa 45 m hoch, gehört zu einem flachen, küstennahen Hügelgelände östlich des rio Vêlez und ist sein letzter, gegen Meer und Fluß leicht vorgeschobener Ausläufer. Ein Suchschnitt von 14,50 m Länge und 2 m Breite im hochgelegenen Südhang des Cerro del Mar (Nr. 6, Abb. 2 u. 8) stieß auf eine Reihe von trocken gesetzten Bruch- und Hausteinmauern, die dem baulichen wie dem keramischen Befunde nach zwei verschiedenen Phasen angehören. Sie sind zum größeren
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Teil direkt auf den gewachsenen Schieferfelsen aufgesetzt und überall nur in den untersten Lagen erhalten. Das Erdreich hat eine Mächtigkeit von nicht mehr als 0,40 m im oberen und 1,20 m im unteren Teil des quer zum Hang etwa nordsüdlich verlaufenden Schnittes und ist stark durch moderne Bearbeitung gestört. Moderne Keramik wurde allerdings nur in ganz geringen Mengen gefunden. Soweit das wenige geborgene keramische Fund-
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material bereits jetzt eine Aussage zuläßt, liegt die Besiedlungsdauer an dieser Stelle zwischen der iberischen bzw. republikanisch-römischen Zeit einerseits und der mittleren Kaiserzeit andererseits. Obwohl nach der Lage des Schnittes im Verhältnis zu den von Schulten beschriebenen und in den Jessenschen Plan eingezeichneten Stadtmauerresten 7 diese hätten 7
Schulten, AA. 1943, 24t.
4«5
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Abb. 5. Cortijo de los Toscanos, Tellerfragmente mit rotem punischen Engobe
angegraben werden müssen, konnte für ihre Existenz bisher kein Anhalt gewonnen werden. Der von Schulten gegebenen Mauertrasse entspricht eine moderne Terrassenstufe im Hang, allerdings ohne die sonst übliche Terrassenmauer. Der Schwerpunkt der Untersuchung mußte nach dem Befund der Feldbegehung von 1961 auf dem Cortijo de los Toscanos (Abb. 3) liegen. Hier wurde dicht hinter dem Nordprofil des Bahneinschnittes ein Schnitt (Nr. 1, Abb. 2; Abb. 4) von 5 x 7 m Fläche angelegt, der nach etwa 5 m unter heutiger Oberfläche den gewachsenen Boden erreichte. Die oberen 2,50 m erwiesen sich als eine Reihe von modernen Auffüllungen, in denen als wertvollster Fund Fragmente zweier Alabastergefässe geborgen werden konnten. Im unteren Teil des Schnittes konnten mehrere antike Siedlungsstraten beobachtet werden. Die unterste dieser Schichten (Horizont I) setzt direkt auf dem gewachsenen Boden auf, der hier aus einem gelb-röt16«
liehen Konglomerat besteht; sie hat eine Stärke von etwa 0,40 m und zeigt eine grauschwarze Färbung. Der in der Grundsubstanz sandige Boden ist mit zahlreichen Siedlungsresten und Holzkohleeinschlüssen durchsetzt. Eine 0,15 m starke Lage von rötlichem Kies, die wenige archäologische Hinterlassenschaften enthält, trennt diese Schicht von dem darüber liegenden Horizont II. Die Beschaffenheit dieses Stratums entspricht fast vollständig derjenigen der untersten Schicht. Das Schichtpaket I/II, das an verschiedenen Stellen des Schnittes unterschiedliche Stärke aufweist (zwischen 0,40— 1,20 m), wird von der Baugrube einer Mauer durchstoßen, die in fast allen Teilen des Schnittes auf den gewachsenen Boden aufsetzt und nur im Westteil des Schnittes die unterste Lage von Horizont I unberührt läßt. Die Baugrube wird zusammen mit denjenigen Schichten, die zur Bauzeit der Mauer gehören, als Horizont I I I bezeichnet.
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Abb. 6. Cortijo de los Toscanos, attische Amphorenscherbe des frühen 7. Jhs.; Horizont I V
Die Mauerzüge, die im Schnitt angetroffen wurden, gehören zu einem rechteckigen Gebäude, das nur teilweise freigelegt wurde, dessen Unterteilung in zumindest zwei Räume jedoch noch erkennbar ist. Die Mauern sind durchweg trocken gesetzt, d. h. ohne Verwendung von Mörtel. Als Baumaterial fanden große Flußkiesel, kleine Travertinblöcke und Schieferplatten Verwendung. Die Steine sind bis auf zwei grössere Blöcke, die im Eckverband des Gebäudes liegen, unbearbeitet. — Die Mauern sind in einer Höhe von 1,50—1,80 m erhalten und haben an der erhaltenen Krone eine Breite von 0,60 m. Die Höhe des Fundamentabsatzes über dem Mauerfuß beträgt 0,90—1,05 m. Der Fundamentsockel der Mauer ist teilweise gröber gesetzt als der aufgehende Teil und weist eine leichte Böschung auf, so daß die Breite am Mauerfuß 0,70—0,75 m beträgt. Der Fundamentabsatz selbst ist durch kleinere Schieferplatten horizontal ausgeglichen. E t w a 0,60 m oberhalb des Fundamentabsatzes ist in der aufgehenden Mauer eine ähnliche Ausgleichsschicht zu beobachten. Im Westteil der ostwestlich verlaufenden Längsmauer ist auf der Innenseite des Gebäudes ein besonders auffallender Fundamentabsatz von 0,25 m Breite sichtbar, der wohl dadurch zu erklären ist, daß die Mauer hier nicht auf den gewachsenen Boden aufsetzte und daher eine festere Basis benötigte.
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Auf der Südseite der Längsmauer läßt sich eine etwa 0,50 m starke Aufschüttung aus grobem, rötlich- bis gelblich-braunem Kies erkennen, die offenbar zur Bauzeit eine Anhebung des Niveaus der Innenräume bewirken sollte. Auch diese Schicht wird noch zum Horizont III gerechnet. Auf der Nordseite der Längsmauer haben sich nach dem Mauerbau, der durch eine feine rotbraune Schicht, der Füllung der Baugrube entsprechend, deutlich markiert ist, weitere Schichten abgelagert, die wir als Horizont IV zusammenfassen, die sich aber deutlich in fünf Schichten von geringerer Mächtigkeit (0,15—0,25 m) untergliedern lassen. Grauschwarze, lehmige Schichten wechseln mit feinen Sandlagen und stärkeren rotbraunen Kiesschüttungen ab. Die gesamte Mächtigkeit der antiken Kulturschichten beträgt 2,50 m und erlaubt auf Grund des oben dargelegten Befundes eine Unterteilung in elf Schichten, die wir zu vier Horizonten oder Besiedlungsphasen zusammengefaßt haben. Ein kleiner Kontrollschnitt (Nr. 7, Abb.2) auf der Südseite des Bahneinschnittes mit einer Fläche von 2 x 1 m und einer Tiefe von 3,40 m zeigte, daß an dieser Stelle das steile Gefälle des gewachsenen Bodens sich nach Süden hin fortsetzt. Ein weiterer Schnitt (Nr. 2, Abb. 2), am Osthang des Cortijo de los Toscanos, stieß sehr bald auf den sich hier sanft nach Osten neigenden gewachsenen Fels. Bauliche Reste wurden hier nicht angeschnitten, doch waren die Funde an punischer Keramik gerade an dieser Stelle besonders reich. Bei den unteren der beobachteten Schichten handelt es sich möglicherweise um ein Stück der Schutthalde der antiken Siedlung, während die oberen fraglos von modernen Terrassierungsarbeiten herrühren, bei denen andere Teile der punischen Faktorei abgetragen wurden. Das bei der Grabung auf dem Cortijo de los Toscanos als sicher stratifiziert geborgene keramische Material überstieg an Vielfalt und Menge alle Erwartungen. Das feinere Tischgeschirr ist ausschließlich punischer Herkunft, auch unter den besseren Vorratsgefäßen spielt die punische Keramik
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Abb. 7. Blick über Zuckerrohrfelder auf den Cerro del Mar von Süden her
die beherrschende Rolle. Sie wurde wohl großenteils importiert, vielleicht auch zu einem Teil an Ort und Stelle hergestellt. Neben der gängigen Tonware mit rotbraunem 'Engobe' (Abb. 5) 8 ist solche mit monochromer und polychromer horizontal umlaufender Streifenbemalung hervorzuheben. Daneben finden sich Scherben aller drei Waren mit zusätzlicher, gemalter Strichornamentik. Innerhalb des vielfältigen Formenschatzes überwiegen flache Teller mit breitem abgesetzten Rand und geschlossene Gefäße mit kugelförmigem Körper. Daneben finden sich birnenförmige Oinochoen und solche mit pilzförmiger Mündung, Lampen mit zwei oder einem Schnabel und verschiedene weitere Formen. Griechische Importkeramik ist nur in ganz wenigen Fragmenten vertreten, darunter mit einer attischen Amphorenscherbe des frühen 7. Jhs. v. Chr. (Abb. 6)9. Von einheimischer, spätbronzezeitlichfrüheisenzeitlicher handgeformter Keramik 8 Ein pastöser, meist matter, seltener glänzender, gelegentlich mit dem Spachtel geglätteter Glanzton-Überzug, der sich von dem in der Regel nicht sehr hoch gebrannten Scherben meist leicht abreibt. 9 Vgl. etwa R . S. Young, A J A . 46, 1942, 50 f. u. 26 Abb. 2 rechts. Solche Keramik tritt auch in anderen altpunischen Faktoreien auf, vgl. Villard, BullArchMarocaine 4, i960, 1 ff.
sind jeweils nur wenige Scherben gefunden worden. Allein in der untersten Schicht ist sie, auch hier mit zahlreicher punischer Importkeramik vergesellschaftet, etwas häufiger aufgetreten. In den Schichten von Schnitt 1 treten vereinzelt kleine Bruchstücke von Straußeneiern auf. Die auf dem Cortijo de los Toscanos angegrabene Siedlung darf nach diesem wenn auch erst vorläufigen Ergebnis der Probegrabung als die erste altpunische Handelsfaktorei angesprochen werden, die bisher auf dem Boden der Iberischen Halbinsel archäologisch nachgewiesen werden konnte. Über die Lebensdauer dieser Niederlassung lassen sich noch keine Aussagen machen, doch scheint der Schwerpunkt der Besiedlung im späteren 8. sowie im 7. J h . v. Chr. zu liegen. Ob schließlich dieser Platz mit dem von den Griechen als Mainake bezeichneten identisch ist, kann nach dem Stand der Grabung und nach der geringen Kenntnis, die von den griechischen Niederlassungen im westlichen Mittelmeer erarbeitet worden ist, noch nicht entschieden werden. Daß der Ort auf dem Cortijo de los Toscanos eine phokäische Pflanzstadt war, kann schon jetzt ausgeschlossen werden.
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A b b . 8. Cerro del Mar, S c h n i t t 6, Blick von Norden
Daß gerade die phönikisch-punische 'Kolonisation' auf der Iberischen Halbinsel in der 1. Hälfte des letzten Jts. v. Chr. von entscheidender Bedeutung und ebenso
großer Dichte gewesen ist, immer mehr zu bestätigen. M. Pellicer 10 auf dem Cerro de bei Almufiecar ausgegrabenen
1 0 M. Pellicer C a t a l á n , E x c a v a c i o n e s en la necrópolis p ú n i c a ' L a u r i t a ' del Cerro de S a n Cristóbal (Almuñécar, Granada). Excavaciones Arqueológicas en E s p a ñ a (1963) 17. E i n e g e k ü r z t e Über-
S e t z u n g in deutscher S p r a c h e wird in M M . 4 erscheinen. — D i e F r a g e n a c h den aus den S c h r i f t quellen b e k a n n t e n a l t p u n i s c h e n K o l o n i e n ist hier mit Absicht nicht berührt worden.
scheint sich Zu den von San Cristöbal altpunischen
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Gräbern muß auch eine ähnliche Faktorei gehört haben. In noch größerer Nähe von Torre del Mar, an der Flußmündung des Algarrobo, etwa 4 km weiter östlich gelegen, konnten die Verfasser einen weiteren Siedlungsplatz ermitteln, auf dem neben römischer Keramik auch altpunische und wenige griechische aufgelesen wurde 11 . — Bei sorgfältiger Untersuchung der spanischen Südküste werden auch diese drei Plätze nicht die einzigen bleiben. Köln „ , ., Madrid
Hans Georg N i e m e y e r Manuel P e l l i c e r Hermanfrid Schubart
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SAMOS
Aus dem Komplex werden hier die Terrakotten- und Vasenfragmente veröffentlicht1. Ausgenommen bleiben die kyprischen Terrakotten. G. Schmidt wird sie im Zusammenhang mit den kyprischen Funden der Grabung bekanntmachen. Einige Orientalia und Aegyptiaca bleiben einer späteren Publikation vorbehalten. 1 Die von einem x gefolgten N u m m e r n sind S a m m e l n u m m e r n der S t ü c k e , die w ä h r e n d des K r i e g e s ihre a l t e n I n v e n t a r n u m m e r n verloren h a b e n . S i e müssen b e i b e h a l t e n werden, solange die M ö g l i c h k e i t b e s t e h t , d a ß sich das a l t e I n v e n t a r i m P e r g a m o n m u s e u m wiederfindet. Alle M a ß e sind in c m angegeben. D i e S t ü c k e wurden, soweit es erforderlich war, v o n H . U . T i e t z gereinigt und zus a m m e n g e s e t z t . Alle A u f n a h m e n a u ß e r A b b . 2 3 . 44. u. 47. wurden v o n J . T i e t z - G l a g o w , die Zeichnungen v o n der V e r f a s s e r i n hergestellt. F ü r die V o r l a g e n zu A b b . 23 u. 44 und die E r l a u b n i s zur Wiedergabe danke ich P. Devambez.
D i e A b k ü r z u n g e n der zitierten P u b l i k a t i o n e n richt e n sich n a c h d e m V e r z e i c h n i s der Archäologischen B i b l i o g r a p h i e ; ferner werden folgende v e r w e n d e t : Buschor, AS. = E . Buschor, Altsamische bilder I — V ( 1 9 3 4 — 1 9 6 1 )
FRAGMENTE AUS SAMOS
Stand-
D r o o p = J . P . Droop, T h e L a c o n i a n P o t t e r y in T h e S a n c t u a r y of A r t e m i s O r t h i a , J H S . Suppl. 5 (1929) 52ffE i l m a n n = E i l m a n n , F r ü h e griechische K e r a m i k i m s a m i s c h e n H e r a i o n , AM. 58, 1 9 3 3 , 4 7 f f . F O = Fundort
In der Antikenabteilung der Berliner Museen in Charlottenburg befindet sich eine Gruppe von Fragmenten, die durch den Fundort Samos zusammengeschlossen wird. Aus alten Museumsbeständen kam sie nach dem zweiten Weltkrieg zutage. A. Greifenhagen unterzog sie einer ersten Sichtung und Ordnung und übertrug mir ihre Bearbeitung. Diese wäre nicht möglich gewesen ohne die liebenswürdige Unterstützung von E. Homann-Wedeking und H. Walter. Sie gewährten mir bereitwillig Einsicht in das lakonische und ostgriechische Material der Grabung auf Samos. Beiden verdanke ich wertvolle Anregungen. G. Schmidt zeigte mir Photographien der attischen Keramik von Samos. Für wichtige Hinweise danke ich auch B. B. Shefton, der 1962 die lakonischen Fragmente in Berlin studierte.
W a l t e r = W a l t e r , F r ü h e s a m i s c h e G e f ä ß e und ihre F u n d l a g e , AM. 72, 1 9 5 7 , 35 ffWalter, Kor. = Walter, Korinthische Keramik, AM. 74, 1959, 5 7 ff.
D i e zugehörige N e k i o p o l e ist v o r l a n g e r Zeit zufällig a n g e s c h n i t t e n worden. D e r B e f u n d wird in MM. 5 v e r ö f f e n t l i c h t werden.
Walter-Vierneisel = Walter-Vierneisel, Die Funde der K a m p a g n e n 1958/59. Ä g y p t i s c h e u n d orientalische F u n d e aus B r u n n e n G u n d d e m B o t h r o s , AM. 74, 1959, 1 0 ff.
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Higgins = R . A. Higgins, Catalogue of t h e T e r r a c o t t a s in t h e D e p a r t m e n t of G r e e k a n d R o m a n A n t i q u i t i e s . B r i t i s h M u s e u m I (1954) H ( T 9 5 9 ) Lane =
L a n e , L a c o n i a n V a s e - P a i n t i n g , B S A . 34,
1 9 3 3 / 3 4 . 9 9 ffO h l y I = Ohly, F r ü h e Tonfiguren aus d e m H e r a i o n v o n S a m o s I , AM. 65, 1940, 5 7 f f . O h l y I I = Ohly, F r ü h e Tonfiguren aus d e m H e r a i o n v o n S a m o s I I , AM. 66, 1 9 4 1 , i f f . Shefton = Shefton, Three Laconian Vase-Painters, B S A . 49, 1 9 5 4 , 299 ff. Technau =
T e c h n a u , Griechische K e r a m i k i m sa-
m i s c h e n H e r a i o n . AM. 54, 1 9 2 9 , 6 ff. Vierneisel =
Vierneisel, Neue Tonfiguren aus d e m
H e r a i o n v o n S a m o s , AM. 76, 1 9 6 1 , 2 5 f f .
E R I K A
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DIEHL
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SAMISCHES
Die wichtigsten Fundkomplexe für die Chronologie der geometrischen und früharchaischen Tonfunde im samischen Heiligtum sind folgende: Datierung der Funde:
Fundort:
Publikation:
frühe bis mittlere Bronzezeit
Schnitt C — D schwarze Schicht (O—W-Schnitt zwischen Bach u. Südhalle)
Walter 36 Beil. 48, 2. 3.
früh- u.
Schnitt C — D grüne Lehmlage
Walter 36 ff. Beil. 49, 1 — 3 ; 50, 1—4.
unter Altar II (Fundgruppe A)
Ohly I 82 ff. Beil. 54 T 426. s. B u s c h o r — Schleif, AM. 58, 1933, 147. 150 Abb. 1 u. Beil. 47, 2.
mittelmykenisch vor Mitte 9. Jh.
vor Mitte 8. Jh.
unter Altar III Ohly I Taf. 48 T 402; 53 T 424; 55 T 421; (Fundgruppe B) T 422; 60 T 423; 62 T 1360 (B); 47 T 1 1 9 1 ; im ovalen 50 T 1190; 62 T 1193 (C); 46 T 401 (D); Mauerfundament 56 T 420 (E). — Ohly II Taf. 2 T 1339 (B). (Fundgruppe C) s. Buschor—Schleif a. O. südlich der alten Altäre (Fundgruppe D) unter Krater AM. 58, 1933 Beil. 18, 1 (Fundgruppe E)
9 . - 8 . Jh.
Brunnen A — E (in L/M 11)
Walter—Vierneisel 12 Beil. 12. 13.
vor 8. Jh.
unter Kiesschüttung nördlich Altar IV (Fundgruppe F)
Ohly I 83 ff. Taf. 50 T 1266; 55 T 1291; 60 T 951.
vor Ende 8. Jh.
Füllung Altar V (Fundgruppe G)
Ohly I 84 ff. Taf. 49 u. 50 T 1239; 5 1 T x352T 403; 55 T 1290. T 1277. T 1349; 56 T 1295. T 1307; 58 T 1340; 60 T 949; 61 T 442; 62 T 1595. — Ohly II Taf. 1 T 1238; 2 T 1327; 1 0 T 753. — Eilmann Beil. 2 0 , 1 ; 28, 8 = 29, 1 ; 33. 2; 37, 1. s. Buschor—Schleif a. O. 148. 150.
vor etwa 720
Schnitt C — D Uberschwemmungsschicht I
Walter 38^. 39 Abb. 2 Taf. 2 Beil. 48, 1 oben; 5 1 ; 52, 1 — 3 ; 53; 54, 1. 3 — 4 ; 55; 56; 57; 58; 59; 6 0 , 1 — 2 ; 65, 2. — Walter—Vierneisel 16ff. Beil. 26, 1 — 3 .
FRAGMENTE AUS SAMOS
497 Datierung der Funde:
Fundort:
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Publikation:
vor 2. Viertel 7. Jh.
Eilmann Tai. 1; Beil. 18, 2. 4. 5. 7—9; 19, 2. unter dem Niveau von Hekatompedos II 6—12; 20, 4—11; 21; 22; 23, 1—11. 12. 15; 24, 4; 25, 2. 8—14; 26, 1; 27, 3—9; 28, 1—7; (Fundgruppe H) 29, 2; 30, 1—3; 31; 32, 1. 4. 5. 7; 33, 1. 3. 4; 34. 3—8; 35, i—4- 6—15; 36; 37. 3- 5—10; 38, 3—6. 8—13; 39; 40, 1—12; 41; 42, 1—10. 12—15. — Ohly I 88f. Taf. 35 T 354; 36 T 357; 38 T 344. T 345; 47 T 351; 55 T 348; 56 T 349. T 352; 58 T 448; 60 T 447. — Ohly II Taf. 2 T 341. T 449; 8 T 346; 9 T 353; 24 T 361. s. Buschor in Festschrift Andreas Rumpf 32 ff.
vor etwa 670
Schnitt C—D Überschwemmungsschicht II
Walter 43ff. 47 Abb. 4 Beil. 62; 64 (?); 65, 4; 66, 1—3 (?)• 4; 67; 68, 1. 3. 4 (?); 69, 1. — Walter—Vierneisel 30 Beil. 69. — Walter, AM. 74, 1959, 69f. Beil. 115—117.
etwa 730—670
Brunnen F (in K 11)
Walter—Vierneisel 12 ff. Beil. 14—25; 27, 1; 29—30.
1. Drittel 7. Jh.
unter Weihgeschenk i (Füllerde Schatzhaus III)
Buschor—Schleif a. O. 167. 170. 163 Abb. 15 Beil. 46 u. 52, 4. — Walter 43 Beil. 61, 2—4.
etwa 710—640/30
Brunnen G (in K 10) Walter—Vierneisel i8ff. Beil 11; 31—57; 76; 78—82; 85—86. Walter, Kor. Beil. 102—103; 114, 2.
vor 640/30
unter der Südhalle (Fundgruppe J)
Eilmann Beil. 43; 44. Ohly I Taf. 35 T 375; 36 T 386; 62 T 287. — Ohly II 20 Taf. 12 T 2 77; 33 T 286. T 289. Walter 47f. Walter, Kor. 57 ff. Beil. 99—101. 114,1.
vor etwa 600
unter dem Kaiund Vorpflaster
Walter 48f. Beil. 70, 5; 71; 76, 2.—Walter— Vierneisel 31 Beil. 70, 3. s. Walter, Kor. 65.
vor etwa 600
unter dem Pflaster des Kultbades
Walter, Kor. 64ff. Beil. 108. — Ohly I Taf. 39 T 419. s. Walter—Vierneisel 33.
625 bis kurz nach 600
Bothros (in M 11)
Walter—Vierneisel 27ff. Beil. 48,2; 59—68; 71—75; 87—93 (Walter, Elfenbeinjüngling). — Walter, Kor. 64L Beil. 109.
Der absolute Wert der angeführten Daten ist nicht gleich hoch. Folgende Punkte sind zu beachten: I. Die Begründung für die Datierung der Fundgruppen A—G, deren Terrakotten D. Ohly publizierte, wird nicht mehr gegeben werden können: Die zugehörige Keramik wurde im Krieg teils zerstört, teils aus ihrem Zusammenhang gerissen.
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II. Importstücke, die zu einer absoluten Datierung verhelfen können, sind selten: 1. Unter Hekatompedos II: Protokorinthisches Frgt., Eilmann Beil. 19, 2. Die Masse der Funde stammt aus geometrischer Zeit, das Frgt. gehört zu den jüngsten Stücken. Es scheint sich um das Frgt. eines Spitzaryballos mit einem Fries laufender Hunde zu handeln (Stück eines Schwanzes erhalten). Dieser Typ reicht mindestens bis in den Übergangsstil hinein2. Ein sicherer terminus ante quem für die Funde bzw. post quem für den Tempel ergibt sich also hieraus nicht. 2. In Brunnen G: Zwei ägyptische Bronzestatuetten, eine weibliche der 25. Dynastie (750/12—655), ein Reschef der frühen Saitenzeit (nach 663); Walter—Vierneisel 36ff. Beil. 76. 78. Die von den Ausgräbern angegebenen Daten 710—640/30 sind Schätzung auf Grund der relativen Chronologie samischer Keramik. 3. Unter der Südhalle: Protokorinthischer Krateriskos, Walter, Kor. 57 ff. Beil. 99—101. 1 1 4 (datiert 690—685). Protokorinthischer Aryballos, Walter 47 f. Beil. 70, 4 (datiert 640). Der Krateriskos gibt keinen Anhaltspunkt für die obere Zeitgrenze, da die Funde unter der Südhalle bis ins Geometrische hineinreichen. Der Aryballos ist vom gleichen Typ wie zwei Aryballen, die mit einer Oinochoe des Übergangsstils in einem Grab des Archegesion auf Delos gefunden wurden3. Er könnte also bei Spätdatierung des Frühkorinthischen noch am Ende des 7. Jhs. entstanden sein. Jedenfalls gibt er keinen sicheren terminus post quem für die Südhalle. 4. Aus der Füllung des Kaipflasters: Frühkorinthisches Alabastron, Walter 48 f. Beil. 70, 5 (datiert 620—10; dagegen Walter, Kor. 65 implicite: um 600). Bei Spätdatierung des Frühkorinthischen ergibt das ein Datum von etwa 600 für die Anlage des Kaipflasters, jedoch mit einem Spielraum von 10—15 Jahren nach beiden Seiten4. 5. Unter dem Pflaster des Kultbades: Frgte. von 2 spätprotokorinthischen Gefäßen, 3 Frgte. des Übergangsstils, 3 frühkorinthische Frgte., Walter, Kor. 64 Beil. 108. Für das Kultbad ergibt sich der gleiche terminus post quem wie für das Kaipflaster, d. h. spätestens Ende des Frühkorinthischen. 6. Aus dem Bothros: 6 frühkorinthische Gefäße, Walter, Kor. 64 f. Beil. 109; Walter—Vierneisel 28. Ein ägyptisches Alabaster-Alabastron, dessen Form einem anderen ganz ähnlich ist, das auf Rhodos zusammen mit frühkorinthischen Gefäßen gefunden wurde, Walter—Vierneisel 39 Beil. 83, 2. 2 Ducat, BCH. 86, 1962, 170ff.; Hopper, B S A . 44, 1949, 185 f. 3 Ducat a. O. 173 Abb. 1 1.; Abb. 2 1. 4 Ich wage nicht zu entscheiden, ob der Aryballos am Anfang des Frühkorinthischen entstand (Walter 48), zumal H. Payne, Necrocorinthia 284 meint, der T y p könne wohl bis ins Mittelkorinthische fortbestanden haben. Zur Chronologie des Frühkorinthischen zuletzt Ducat a. O. mit Literatur. Seine Argumente (Zerstörungsdatum von
Smyrna etwa 595—590) sprechen für das Datum 585—580 für den Ubergang vom Frühkorinthischen zum Mittelkorinthischen. Ducat a. O. 182 Anm. 1 macht darauf aufmerksam, daß die durch frühkorinthische Keramik datierten Kai-, Vor- und Kultbadpflaster nicht ihrerseits den Beginn des Frühkorinthischen um 600 festlegen können. Stilistische Datierungen (Vierneisel 52) geben, wo es um einen kritischen Spielraum von 15 Jahren geht, nicht genügend Sicherheit.
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F R A G M E N T E A U S SAMOS
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w
mm
Abb. 1. Nr.i Fragment eines Stirnziegels
Von den korinthischen Gefäßen her ergibt sich der gleiche Spielraum wie beim Kaipflaster. III. Die von den Ausgräbern vorgeschlagene Chronologie stützt sich in der Hauptsache 1. auf die relative Abfolge von Gebäuden und Überschwemmungsschichten (z. B. Südhalle vor Kai- und Vorpflaster, deren Zusammenhang mit dem Kultbadpflaster, Abfolge der Altäre); 2. auf die relative Chronologie samischer Keramik, die besonders für die geometrische und früharchaische Zeit durch jüngste Grabungen recht klar geworden ist. 3. auf stilistische Vergleiche. Die Verbindung all dieser Momente führte zu einem chronologischen System von großer Wahrscheinlichkeit. Als solches wird es hier verwendet. Vielleicht können künftige Grabungen auch seine absolute Geltung erweisen4". B r u c h s t ü c k eines S t i r n z i e g e l s 1. 494 x Frgt. vom Ende eines Kalypters mit Palmette, Abb. 1erhaltene Tiefe: 9.
Erhaltene H: 16;
42 Wichtige Ergebnisse für die Chronologie aus den neuesten Grabungen unter Leitung von E.Homann — Wedeking wurden während der Drucklegung angekündigt: AA. 1964, 220 ff.
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