Archäologischer Anzeiger: Heft 1/1969 [Reprint 2020 ed.]
 9783112323328

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ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1969 • H E F T 1

BEIBLATT

ZUM

JAHRBUCH DES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS BAND 84

WALTER DE GRUYTER 1969

â CO • BERLIN

INHALT Seite B l a t t e r , R., Neue Werke des Schaukel-Malers. Mit 6 Abbildungen

69

C a m p o r e a l e , G., Busto etrusco arcaico del Museo di Grosseto. Mit 4 Abbildungen . .

57

G a u e r , W., Eine Athenastatuette des Athener Nationalmuseums: Zum Tudicium Orestis\ Mit 10 Abbildungen

76

G r e i f e n h a g e n , A., Ein alexandrinisches Fayencegefäß im Archäologischen Museum in Varna. Mit 7 Abbildungen

52

G r e i f e n h a g e n , A., Ein skythisches Zierstück. Mit 4 Abbildungen

49

G r u b e n , G., Untersuchungen am Dipylon 1964—1966. Mit 14 Abbildungen . . . .

31

J a n t z e n , U., und Mitarbeiter, Tiryns 1968. Mit 16 Abbildungen K y r i e l e i s , H., Eine Sitzfigur aus Amathus (Nachtrag zum 24. Erg.-H. des Jdl, Throne und Klinen, S. 46). Mit 3 Abbildungen M a r w i t z , H. } Hegylos?

1 47 106

M ö b i u s , H., Antike Bauten auf Mykonos und der Argonaut

11

P l e i n e r , R., Untersuchung eines Kurzschwertes des luristanischen Typus. Mit 6 Abbildungen

41

R a u b i t s c h e k , A. E., Drei Ostraka in Heidelberg

107

S c h a u e n b u r g , K., Zur Aschenkiste des Euphrosynus im Museo Nuovo in Rom. Mit 4 Abbildungen 108 T h i m m e , J . — R i e d e r e r , J., Sinteruntersuchungen an Marmorobjekten. Mit 8 Abbildungen und 1 Tabelle

89

W u r s t e r , W., Antike Steinbrüche an der westlichen Nordküste Aeginas. Mit 26 Abbildungen

16

ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1969 • HEFT 1

TIRYNS 1968 Im Anschluß an die griechisch-deutschen Ausgrabungen auf der Unterburg von Tiryns 19651 wurden vom 13. März bis zum 15. Mai 1968 die Grabungen wieder aufgenommen. Sie waren für die Ergänzung der bereits 1965 gewonnenen Ergebnisse sowie für die Aufräumung der Innenfläche der Unterburg geplant 2 . Als Mitarbeiter waren außer dem Unterzeichneten tätig: J . Schäfer als örtlicher Grabungsleiter, P. Grossmann als Grabungsarchitekt, der Architekt W. Hoepfner, die Archäologen P. Gercke, M. Jacob, W. Rudolph, H. Siedentopf, cand. phil. E. Slenczka und als Zeichnerin B. Krüger. Eine der dringendsten Aufgaben der diesjährigen Kampagne war der Beginn einer durchgreifenden Aufräumung der Unterburg-Innenfläche. Von vorneherein erschien die Entfernung der durch Erdbeben in das Innere der Burg gestürzten Mauerblöcke als unerläßliche Voraussetzung systematischer Grabungen. Die dicht neben der Mauer liegenden Blöcke hatten bis zu 10 Tonnen Gewicht und waren häufig kaum in die heutige Oberfläche eingesunken. Etwa 120 Blöcke, rund ein Drittel der Gesamtzahl, wurden in Fallage gezeichnet, sodann mit Hilfe eines Autokrans in viertägiger Arbeit auf die Mauer gelegt. Die gesamte Nordspitze der Unterburg, nördlich des großen Quergrabens Dragendorffs (Grabung IV im Plan Abb. 1), ist nunmehr frei von den hereingestürzten Blöcken. Das architektonisch-räumliche Bild der Unterburg hat sich bereits durch diese Aufräumung entscheidend verbessert (Abb. 2. 3). Als Ablagestellen wurden die bereits früher restaurierten Teile der Westmauer bevorzugt (Abb. 1 N 49—50), aber auch auf dem sehr breiten Stück der Westmauer, unmittelbar südlich der Nordspitze (Abb. 1 M—N 54—55), wurden Blöcke abgelegt. Eine steingerechte Aufnahme des nördlichen Teiles der Burgmauer war vorausgegangen. Eine weitere, ebenso unerläßliche Voraussetzung künftiger Grabungen war die Festlegung aller vorausgegangenen Grabungsversuche. Mit Hilfe einer allgemeinen Säuberung der Oberfläche, älterer Luftaufnahmen, der bisherigen Literatur und vor allem auch aufgrund unveröffentlichter Notizen und Zeichnungen sind die Ergebnisse in den Plan eingetragen worden. Es handelt sich um die folgenden Versuche: 1876 H. Schliemann, Schächte S: H. Schliemann, Mykenae (1878) 10 Plan A. 1884 H. Schliemann und W. Doerpfeld, Gräben SD: H. Schliemann, Tiryns (1886) I 221 Taf. 1. 1905 W. Doerpfeld und L. Curtius, Gräben L und M. Heute I und V: vgl. Tagebuch 1905 vom 25. und 26. Jan. S. 12—15. AM. 38, 1913, 342. Tiryns III 115. 1907 W. Doerpfeld, Streifen zwischen Westpforte und Mauerlücke in Ostmauer und Reinigung der Westpforte. Heute VII: vgl. Tagebuch 1907 vom 5. März ff. AM. 32, 1907, III. Tiryns III 115. Inst. Neg. Tir. 99 (nach Reinigung). 1 2

Jantzen u. a., AA. 1968, 369ff. Unser besonderer Dank gilt dem Griechischen Antikendienst für Grabungserlaubnis und stete

1 AA. 1969

Unterstützung: Herrn Prof. Dr. S. Marinatos, Frau E. Protonotariou-Deilaki, Herrn J . Papachristodoulou.

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JANTZEN

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MITARBEITER

1912 H. Dragendorff, Reinigung des Weges zwischen Unterburg und Oberburg: Tagebuch 1912 vom 5. Sept. S. 51. Grabung in O-Hälfte, Hockergrab (Im Plan Abb. 1 nicht bezeichnet): Tagebuch 1912 vom 19. Sept. S. 74. Inst. Neg. Tir. 374. 1913 H. Dragendorff, Reinigung des Weges von Unterburg zur Oberburg: Tagebuch 1913. AM. 38, 1913, 330ff. Taf. II. Versuchsgraben IV über gesamte Breite der Unterburg: Tagebuch 1913 vom 20. Sept.ff. S. 97ff. AM. 38, 1913, 342ff. Tiryns III 115ff. AA. 1914, 133. 1913/1914 mehrere Versuchsgräben: II. I I I . VI. AA. 1914, 133f. 1914 G. Karo, Freilegung des Felsens an Mittelburgmauer, heute VIII: AA. 1914, 133. Tiryns III 115. Inst. Neg. Tir. 606, 608. Erweiterung des Grabens IV in Osthälfte: AA. 1914, 134. Tiryns III 117. AA. 1927, 366. Inst. Neg. Tir. 612—617. 1962/1963 N. Verdeiis, Grabung im Gebiet der 'Syringes'. A E A T . 1963, Xpov. 66ff. A E A T . 1964, Xpov. 108ff. Archaeology 16, 1963, 129f. JHS. Arch. Rep. 1962/63,15f. AJA. 67, 1963, 281. Plan Abb. 1 M—N/51—52. 1965 Griechisch-deutsche Grabung. Plan Abb. 1 M—N—0/51—52—53, die Abschnitte I 1, II 1, II 23. G r a b u n g e n 1968 (Plan Abb. 1 N—0/51—52—53) Bei den Grabungen des Jahres 1968 sollte die Situation in dem Areal der Tiefgrabungen des Jahres 1965 (s. oben S. 1) ohne umfangreiche Erweiterung der Grabungsfläche weiter geklärt werden. Neu einbezogen in das Grabungsgebiet wurden im wesentlichen die Flächen zwischen Abschnitt I 1 und II 1 sowie ein 2,50 m breiter Streifen östlich anschließend an Abschnitt II 1. Ferner konnte unmittelbar über dem westlichen Raum des monumentalen Baues 1 (Abschnitt 11) eine Kammer in der Unterburgmauer freigeräumt und untersucht werden. Bei diesen Arbeiten sind folgende Aufschlüsse gewonnen worden, über die hier in Zusammenfassung zu berichten ist: Nach der Untersuchung des Lehmfußbodens der beiden 1962 und 1965 angeschnittenen Räume des auf den Fels gegründeten Baues 1 (Abschnitt I 1, vgl. Abb. 4. 5) wurde bis auf den abschüssigen Felsgrund gegraben. Die Masse der in der Auffüllschicht zwischen Felsgrund und Fußboden liegenden, durchweg sehr kleinen Scherben gehört der Phase SH III B an. Späteres Material wurde bisher nicht identifiziert. Mit der Errichtung des Baues in der genannten Phase ist deshalb zu rechnen. In den Zerstörungsschichten des Baues ist im Berichtsjahr nicht gegraben worden; die Entscheidung, ob er noch in der Phase SH III B oder erst in SH III C zerstört wurde, steht noch aus. Weiter nördlich konnte der Südabschluß des schmalwandigen, auf erdigem Terrain gegründeten Baues 3 sichergestellt werden (Abschnitt II 1, Abb. 7). Die Verbindung zwischen seiner westlichen Längswand und der in einem stumpfen Winkel zu ihr verlaufenden Südwand ist in einer weiten Krümmung verschliffen. Der Anschluß einer Ostwand fehlt. Spuren einer Zerstörung oder eines Abbruchs lassen sich hier nicht nachweisen; ebensowenig konnte eine Türöffnung bzw. eine östliche Fortsetzung der Südwand festgestellt werden. Damit ist der Bau in seiner vorliegenden Form als eine nach Osten geöffnete Halle zu verstehen, die in mindestens drei wahrscheinlich nach Osten offene Räume aufgeteilt war. Der Fußboden des Baues bestand wenigstens teilweise aus einem Steinplattenbelag auf 3

Für die Grabung 1965 s. jetzt AA. 1968, 369fi.

T I R Y N S 1968

Abb. 2. U n t e r b u r g von Süden, vor der Reinigung

Abb. 3. U n t e r b u r g von Süden, nach der Reinigung

1*

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J A N T Z E N

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M I T A R B E I T E R

A b b . 4. B a u 1, A b s c h n i t t I 1 v o n O s t e n . R e c h t s E i n g a n g z u m s ü d l i c h e n B r u n n e n g a n g

einer Lehmsohle. Diese Lehmsohle und die über dem Bau liegende Lehmschuttschicht zeigen einige, nicht scharf ausgeprägte Brandspuren. Eine sichere Entscheidung darüber, ob die kleinen Keramikfragmente aus der Lehmschuttschicht in die fortgeschrittene Phase SH I I I B oder schon in die Phase SH III C gehören, ist zur Zeit noch nicht möglich. Im Schutt und auf dem Lehmfußboden des nördlichsten Raumes (R 3) lagen zwei stark verdrückte große Bleibleche, offenbar von der gleichen Art wie die schon früher in Mykene und anderwärts aufgefundenen Stücke (Abb. 8); sie dürfen wohl als Reste von Bleigefäßen gedeutet werden 4 . Unter den übrigen Funden ist das Fragment eines wahrscheinlich mykenischen Fayencegefäßes hervorzuheben, geschmückt mit einem Lotosblütenfries (Abb. 9)5. Im letzten Bericht wurde die Vermutung ausgesprochen, der Bau 3 sei noch in der Phase SH III B errichtet worden. Ein sicherer Nachweis steht indessen noch aus, da die 1965 in und unter dem Fußboden gefundene Keramik mengenmäßig nicht ausreicht, um mehr als einen terminus post quem für die Erbauungszeit zu geben 6 . Besondere Aufmerksamkeit galt wiederum der spätesten Phase der mykenischen Besiedlung der Unterburg. Verdeiis hatte 1962 in den beiden Brunnengängen ('Nord- und Südsyrinx') eine beträchtliche Anzahl von Keramikfragmenten der Phase SH III C gefunden 7 . Auch in der Kampagne von 1965 stießen wir in Aufhöhungen, die nach der Zerstörung der erwähnten Einzelbauten entstanden sind, auf Reste von Lehmböden und auf 4

M y k e n e : G. K a r o , Die S c h a c h t g r ä b e r v o n M y k e n e 160 A b b . 78. 79 (»im M u s e u m v o n N a u plia«). 312f. N r . 492ff. T a f . 102. - ' H o u s e of L e a d ' : J H S . A r c h . R e p . 1955, 40. B S A . 51, 1956, 121. — A t h e n , M y k e n i s c h e r B r u n n e n d e r A k r o p o l i s : H e s p e r i a 8, 1939, 4 1 5 f . A b b . 100 (Gefäße?).

5

6 7

Vgl. z. B. F a y e n c e g e f ä ß e v o n M y k e n e , ' H o u s e of Shields', B S A . 51, 1956, l l O f . A b b . 4 T a f . 18 bis 21. U n s e r F r a g m e n t s c h e i n t v o n e i n e m Gef ä ß ä h n l i c h d e r Schale, e b e n d a T a f . 19 zu stammen. Vgl. AA. 1968, 372 A b b . 5. AEAT. 18, 1963, X p o v . 6 6 f f .

Abb. 6. B a u 1, Abschnitt I 1, nach Abschluß der Konservierungsarbeiten (1968)

Abb. 8. Verdrücktes Bleigefäß im S c h u t t des N o r d r a u m e s von B a u 3. N o r d r i c h t u n g u n t e n

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Abb. 10. S k y p h o s f r a g m e n t S H I I I C aus der K a m m e r , 1 : 3

Abb. 9. Fayencescherbe aus dem S c h u t t von B a u 3

Abb. 11. K r a t e r f r a g m e n t S H I I I C aus der K a m m e r in der B u r g m a u e r über Bau 1. D m R a n d e t w a 38 cm

Keramik dieser Spätphase 8 . Nunmehr gelang es, auf dem Boden der Nische in der Burgmauer über Bau 1 (Abb. 4. 5) einen Lehmestrich herauszupräparieren, der mit Scherben der genannten Phase belegt war, wie z. B. das Kraterfragment auf Abb. 11 und der Rest eines mit metallisch schimmerndem schwarzen Firnis bemalten Skyphos auf Abb. 10. Damit erhielt die Vorstellung von der Besiedlung des Unterburgareales in der Zeit nach der Zerstörung des monumentalen Baues 1 eine neue beweiskräftige Stütze. Im Bericht über die griechisch-deutsche Kampagne des Jahres 1965 wurde über die Grabungen in dem östlich Abschnitt II 1 liegenden Geviert, Abschnitt II 2, noch nicht 8

s. AA. 1968, 371 Abb. 4.

8

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JANTZEN

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Abb. 12. Blick von der westlichen Burgmauer auf das Gebiet der Unterstadt, entlang der Straße Nauplion—Argos

referiert. Die Erosion der mykenischen und früheren Siedlungsreste ist gerade dort, auf dem höher liegenden Felsrücken besonders stark. Nur spärliche und unzusammenhängende Mauerreste vermutlich größtenteils der spätmykenischen Zeit sind erhalten; sie stehen im allgemeinen dicht über dem Felsgrund. Hingegen erwies sich dort die Grabung für die frühe Siedlungsphase der Unterburg aufschlußreich. In Felsspalten, vor allem aber in einer Felsmulde in der Nordostecke dieses Abschnitts konnten Reste der frühhelladischen Besiedlung festgestellt werden. Ihre weitere Ausdehnung zeichnet sich dicht unter der Grasnarbe entlang der nordöstlichen Unterburgmauer ab, ferner in der großen Zahl frühhelladischer Scherbenfunde auf der Oberfläche der ganzen Unterburg. Wir verzichteten darauf, den Zusammenhang dieser Beobachtungen mit den bekannten Mauerresten im alten Grabungsgebiet, Plan: P—Q/51—52 (1913, s. oben S. 2) schon jetzt zu untersuchen. Die vorsichtige Nachgrabung in dem erwähnten Nordostteil des Abschnittes II 2 förderte eine stark verbrannte Lehmziegel-Schuttschicht zutage, in der auch der Rest eines verkohlten Balkens lag. Die keramischen Befunde entsprechen der Phase »Lerna III« (FH II) und haben zum Teil in älteren Stücken aus Tiryns eine Parallele9. Konservierungsmaßnahmen Gewarnt durch den trostlosen Verfall der Ausgrabungen von 1913/1914 (Plan Abb. 1 P—Q/51—52 s. oben S. 2) und später ausgegrabener nicht gefestigter mykenischer Bruchsteinmauern der Unterstadt sowie anderer Grabungsstellen wurden unmittelbar nach Beendigung der Grabung des Jahres 1968 in Verabredung mit dem Griechischen Antikendienst Konservierungsmaßnahmen ergriffen. Die erwähnte Grabung (Plan: P—Q/51—52) wurde provisorisch mit Erde leicht abgedeckt, um einem weiteren Verfall bis zu einer späteren 9

z. B. K. Müller, Tiryns I V l l f . 18f. Taf. 3. 7; vgl. Caskey, Hesperia 29, 1960, 300f.

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Abb. 13 u n d 14. K y l i x f r a g m e n t e , 'ephyraeischer' Stil, westliche U n t e r s t a d t

endgültigen Ausgrabung vorzubeugen. Die meisten Bruchsteinmauern der Grabungen von 1962—1968 (Plan: N—0/51—52—53) wurden nach sorgfältigem Studium paralleler Maßnahmen in Mykene, Lerna, im Athener Kerameikos und andernorts gefestigt und oberflächlich leicht abgeglichen. Dabei wurden die Steine nach Entfernung des verbindenden Lehmes mit einem sehr festen Zementmörtel befestigt; die Außenfläche der Mörtelfugen wurde durch Erdbewurf dem antiken Erscheinungsbild angenähert (Abb. 6). Schließlich schirmten wir das ganze Gebiet der Tiefgrabungen im Nordwestteil der Unterburg vor dem heute alle Grabungen bedrohenden Touristenstrom durch einen Zaun ab. Mauer der U n t e r b u r g Nachdem P. Grossmann bereits 1965 eine Neuvermessung des Verlaufes der Unterburgmauer mit neuen Ergebnissen vorgenommen hatte 10 , wurden während der diesjährigen Kampagne die Arbeiten an der Mauer weitergeführt. Als notwendig für die Erforschung der zwar jedem bekannten, aber niemals genau untersuchten Mauer erschien eine Reinigung der Oberfläche vom Pflanzenbewuchs und abgestürzten Blöcken, auch die teilweise Freilegung des verschütteten Mauerfußes auf der Ostseite. Ein Steinplan wurde von Grossmann begonnen. Schon jetzt waren die Ergebnisse erstaunlich. Mehrere Kammern und ein Wasserabzugskanal konnten beobachtet werden. Wir legten in dieser Kampagne nur eine dieser Kammern 10

Grossmann, AA. 1967, 92 ff.

10

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UND

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T I R Y N S 1968

Abb. 15. Fragment eines argivisch-geometrischen Kraters, westliche Unterstadt Abb. 16. Detail von Abb. 15

frei (s. oben S. 7 mit Abb. 4. 5. Plan: N 50—51). Ferner zeichnete sich deutlich die Gestalt des Nordausganges mit einer bisher nicht bekannten 'Wächterstube' ab (Plan: 0/55—56). Merkwürdig und noch ungeklärt sind mehrere wohl bereits in mykenischer Zeit mit kyklopischen Blöcken zugesetzte Kammern. Vier davon — eine im Westen (Plan: M—N/51), drei im Osten (Plan: Q—R/53—55) — konnten bisher in den Plan aufgenommen werden. Offenbar waren sie in einer bestimmten Phase des Baues der Mauer ihrem ursprünglich geplanten Verwendungszweck entzogen worden. Der Zweck der Kammern bleibt noch zu klären.

H. M Ö B I U S , ANTIKE BAUTEN AUF MYKONOS UND DER ARGONAUT

11

V e r s u c h s g r a b u n g e n in d e r U n t e r s t a d t Nach Beendigung der Arbeiten auf der Unterburg ergab sich die Gelegenheit, auf zwei Grundstücken (Gebr. Tsekrekos und M. Bavela) entlang der Straße Nauplia-Argos, d. h. westlich der Burg von Tiryns, Versuchsgrabungen zur Feststellung der Ausdehnung und Intensität des Siedlungsgebietes der Unterstadt durchzuführen (Abb. 12). Die Grabungen dauerten vom 1. bis zum 13. Juni. In dem Grundstück Tsekrekos legten wir eine diagonale Linie von etwa 70 m Länge aus, an der entlang neun Sondagen von 4,50 m Länge und 1 m Breite gegraben wurden. Ferner wurden zwei Einzelsondagen im Süden dieser Linie und eine weitere im Norden unternommen. Fast überall stießen wir dabei auf fundhaltige Schichten. In dem genannten Gebiet war früh- und mittelhelladische Keramik nur in verhältnismäßig geringen Mengen zu beobachten. Der größte Teil des Materials gehört den Phasen SH I bis III A 1 an; bemerkenswert sind u. a. einige 'ephyraeische' Gobletfragmente (Abb. 13. 14). Keramik der Phasen SH III A 2 bis SH III C ist hingegen relativ gering vertreten. Protogeometrische Scherben fanden sich nur vereinzelt; hingegen ist unter der nachmykenischen Keramik ArgivischGeometrisches zahlreich in teilweise sehr guter Qualität vorhanden. Die Fundumstände einiger Gefäße, so bei einem argivisch-geometrischen Kraterfragment (Abb. 15.16), lassen vermuten, daß sich auf dem untersuchten Gelände eine geometrische Nekropole befindet. Die späteste beobachtete Keramik ist bereits hellenistisch. Architektonisch ergaben die Versuchsgrabungen eine Reihe von Fußböden aus gestampftem Lehm und Kalk sowie guterhaltene Bruchsteinfundamente. Der größte Teil dieser Bauten ist offenbar mykenisch. Auf dem Grundstück Bavela öffneten wir zwei Gräben von je 4 m Länge und 1,50 m Breite. Auch hier fanden sich Scherben der frühhelladischen bis geometrischen Epoche. Bemerkenswert sind die in diesem Abschnitt angeschnittenen Mauern eines mykenischen Gebäudes, das mindestens zwei Räume aufweist. Auf eine Erweiterung des beschränkten Gebietes der Sondagen wurde vorerst verzichtet. Athen

Ulf J a n t z e n u n d M i t a r b e i t e r

ANTIKE BAUTEN AUF MYKONOS UND DER ARGONAUT Als ich im Sommer 1923 mehrere Wochen auf Mykonos verbrachte — damals die ganze Zeit hindurch als einziger Fremder! —, besuchte ich die wenigen Reste antiker Bauten, welche die Insel aufzuweisen hat, und erstattete über sie einen anspruchslosen, kurzen Bericht, der unter dem Titel »Antike Bauten auf Mykonos« in den AM. 50, 1925, 37—44 veröffentlicht wurde. Er beschäftigte sich vor allem mit drei Türmen, zwei von rundem, einem von quadratischem Grundriß, im Süden der Insel, die ich als hellenistische Wachttürme deutete. Die von mir gegebene Kartenskizze wurde in dem bald darauf erschienenen Artikel »Mykonos« der RE. von R. Herbst wiederholt und ergänzt 1 . Neuerdings bestätigte G. Bakalakis 2 die früheren Beobachtungen hinsichtlich des Palaeokastro von Anomera 1

RE XVI 1 (1933) 1034.

2

BCH. 88, 1964, 5 5 4 - 5 5 8 .

H. M Ö B I U S , ANTIKE BAUTEN AUF MYKONOS UND DER ARGONAUT

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V e r s u c h s g r a b u n g e n in d e r U n t e r s t a d t Nach Beendigung der Arbeiten auf der Unterburg ergab sich die Gelegenheit, auf zwei Grundstücken (Gebr. Tsekrekos und M. Bavela) entlang der Straße Nauplia-Argos, d. h. westlich der Burg von Tiryns, Versuchsgrabungen zur Feststellung der Ausdehnung und Intensität des Siedlungsgebietes der Unterstadt durchzuführen (Abb. 12). Die Grabungen dauerten vom 1. bis zum 13. Juni. In dem Grundstück Tsekrekos legten wir eine diagonale Linie von etwa 70 m Länge aus, an der entlang neun Sondagen von 4,50 m Länge und 1 m Breite gegraben wurden. Ferner wurden zwei Einzelsondagen im Süden dieser Linie und eine weitere im Norden unternommen. Fast überall stießen wir dabei auf fundhaltige Schichten. In dem genannten Gebiet war früh- und mittelhelladische Keramik nur in verhältnismäßig geringen Mengen zu beobachten. Der größte Teil des Materials gehört den Phasen SH I bis III A 1 an; bemerkenswert sind u. a. einige 'ephyraeische' Gobletfragmente (Abb. 13. 14). Keramik der Phasen SH III A 2 bis SH III C ist hingegen relativ gering vertreten. Protogeometrische Scherben fanden sich nur vereinzelt; hingegen ist unter der nachmykenischen Keramik ArgivischGeometrisches zahlreich in teilweise sehr guter Qualität vorhanden. Die Fundumstände einiger Gefäße, so bei einem argivisch-geometrischen Kraterfragment (Abb. 15.16), lassen vermuten, daß sich auf dem untersuchten Gelände eine geometrische Nekropole befindet. Die späteste beobachtete Keramik ist bereits hellenistisch. Architektonisch ergaben die Versuchsgrabungen eine Reihe von Fußböden aus gestampftem Lehm und Kalk sowie guterhaltene Bruchsteinfundamente. Der größte Teil dieser Bauten ist offenbar mykenisch. Auf dem Grundstück Bavela öffneten wir zwei Gräben von je 4 m Länge und 1,50 m Breite. Auch hier fanden sich Scherben der frühhelladischen bis geometrischen Epoche. Bemerkenswert sind die in diesem Abschnitt angeschnittenen Mauern eines mykenischen Gebäudes, das mindestens zwei Räume aufweist. Auf eine Erweiterung des beschränkten Gebietes der Sondagen wurde vorerst verzichtet. Athen

Ulf J a n t z e n u n d M i t a r b e i t e r

ANTIKE BAUTEN AUF MYKONOS UND DER ARGONAUT Als ich im Sommer 1923 mehrere Wochen auf Mykonos verbrachte — damals die ganze Zeit hindurch als einziger Fremder! —, besuchte ich die wenigen Reste antiker Bauten, welche die Insel aufzuweisen hat, und erstattete über sie einen anspruchslosen, kurzen Bericht, der unter dem Titel »Antike Bauten auf Mykonos« in den AM. 50, 1925, 37—44 veröffentlicht wurde. Er beschäftigte sich vor allem mit drei Türmen, zwei von rundem, einem von quadratischem Grundriß, im Süden der Insel, die ich als hellenistische Wachttürme deutete. Die von mir gegebene Kartenskizze wurde in dem bald darauf erschienenen Artikel »Mykonos« der RE. von R. Herbst wiederholt und ergänzt 1 . Neuerdings bestätigte G. Bakalakis 2 die früheren Beobachtungen hinsichtlich des Palaeokastro von Anomera 1

RE XVI 1 (1933) 1034.

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BCH. 88, 1964, 5 5 4 - 5 5 8 .

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HANS

MÖBIUS

und hat wohl Recht, wenn er die zweite Stadt der Insel hier und nicht wie ich in Lino vermutet. Im Kap Divunia, das im Südosten liegt, erkannte er das von Skylax erwähnte »Sinaorov öpos«. Prähistorische Scherben und Steinwerkzeuge von zwei Plätzen im Norden und im Südwesten der Insel wurden von John Belmont gefunden und von ihm und Colin Renfrew veröffentlicht 3 . Nun machte mich eine Bibliographie darauf aufmerksam, daß mein kleiner Aufsatz in englischer Übersetzung 1966 neu erschienen sei. A. N. Oikonomides, der Inhaber des Verlages Argonaut Inc. in Chicago, hatte ihn — ohne mich zu fragen — in seinen Nachdruck von Th. Bent, Aegaean Islands 4 , einer »New and Enlarged Edition Including an Introduction to Cycladic Archaeology and Folklore, Bibliography, Appendices and Index« aufgenommen. Da der Verleger wohl kein Deutsch versteht 6 , hat er den Aufsatz von einem D. Chisholm übersetzen lassen, dem nun die Archäologie fremd zu sein scheint. Meinen Satz »einigermaßen datiert ist nur der (sc. Turm) von Smovolon auf Tenos und zwar durch eine Inschrift eines AucriOeos« (S. 41) gibt er nämlich folgendermaßen wieder: »only the one (sc. tower) on Tenos is dated by some extent by Smovolen in fact by means of an inscription of a 'Lisitheos'« (S. 508). Aus der Ortslage Smovolon auf Tenos (eine Meile östlich der Stadt) ist also der unbekannte Archäologe Smovolen geworden. Nun hat Oikonomides selbst mit großem Eifer die antiken Ortslagen auf Mykonos untersucht und dabei die Identifizierung des Dimaston mit den Aißouvia TOU KaÄacpocTioü sowie die Bedeutung des Palaeokastro von Anomera bestätigt. Vor allem aber weiß er in seinem Appendix zu Bent dem kleinen Turm in Portes, von dem nur noch die Türe aufrecht steht 8 , eine sehr viel höhere Bestimmung beizulegen: Er sei der Überrest eines oberirdischen mykenischen Kuppelgrabes und zwar desjenigen, in dem der Lokrer Aias bestattet wurde. Seine Argumente für diese überraschende Hypothese sind die folgenden: 1. »Nach Apollodor wurde der Leichnam des Heros von Thetis auf Mykonos begraben, auch nach dem Peplos des Aristoteles befindet sich das Grab des Aias auf Mykonos«7. Die allgemein verbreitete Version, daß auch der Lokrer bei dem großen Schiffbruch vor Euboea am Kap Kaphereus umkommt, wird beiseite gelassen. 2. »Der Bau in Portes ist mit seinem Durchmesser von 3,50 m für einen Wachtturm zu klein8, da die Türme auf den Inseln mindestens 10 m im Durchmesser haben«. Beispiele werden nicht zitiert, der von mir als Parallele angeführte Turm in Mavragani auf Peparethos mißt auch nur 6,80 m im Durchmesser, während mykenische Kuppelgräber erheblich größer zu sein pflegen. 3. »Die Mauertechnik ist polygonal, weicht also von den anderen Bauten in Lino ab«. Hier steht Behauptung gegen Behauptung, denn mir schien die in der Tat polygonale Bauweise mit durchgehenden Horizontalen in der allein erhaltenen untersten Schicht dieselbe zu sein wie die des großen Turmes in Lino (Vgl. Taf. 12 bei Oikonomides mit Taf. 3, 2 bei mir).

3 4

6

6

A J A . 68, 1964, 3 9 5 - 4 0 0 . Der ursprüngliche Titel von Bents Buch lautet »The Cyclades; or life among the Insular Greeks« (1885). Ich schließe das daraus, daß er behauptet, die »Inselreisen« von Ludwig Ross, den er als »pure classicist« abtut (p. X X I I / X X I I I ) , seien ohne Charme. Möbius, AM. 50, 1925 Taf. 3, 1.

7

Apollodor, Bergk.

Bibl.

Epit.

VI

6. Aristoteles

16

8

Der von mir gegebene Grundriß, den Oikonomides a. O. 502 reproduziert, ist aber trotz der Beschriftung »Portes« nicht der des kleinen Turmes mit dem Tor, sondern der des großen Turmes mit der Mauer in Lino (Möbius a. O. 39 f. Taf. 3, 2).

A N T I K E BAUTEN A U F MYKONOS UND D E R ARGONAUT

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4. »Das erhaltene Tor mit Abarbeitung für den hölzernen Türrahmen, Angellöchern und einem Loch für den Riegel in der Schwelle9 ist typisch für Türen mykenischer Kuppelgräber«. Hier erübrigt sich wohl jedes Wort der Erwiderung. 5. »Die Existenz oberirdischer Kuppelgräber ist von N. Mutsopulos durch die Auffindung eines Beispiels im alten Bura in Achaia bewiesen worden«10. Indem Mutsopulos in sehr wenig überzeugender Weise den Pausanias vom Krathis aus nicht nach Osten vorwärts, sondern nach Westen zurückgehen läßt, gelingt es ihm, den von dem Perihegeten erwähnten Gaios, das Heiligtum der Ge Eurysternos, bei Bura in dem Kloster der Hagia Triada auf einem Hügel wiederzufinden11. Dort steht im Mittelpunkt des fünfeckigen Klosterhofes eine Tholos von konischer Gesamtform mit 5,20 m Durchmesser und 6,20 m Höhe. Sie ist aus kleinen Steinen erbaut und hat eine Mauerdicke von 60—40 cm. Zwei Türen, aus großen Steinbalken gebildet und 1,68 m hoch, liegen sich im Osten und Westen gegenüber, auch ein Fenster ist vorhanden. Im Innern stand früher ein Herd, jetzt dient der Bau als Stall. Der Autor denkt zunächst ganz richtig an Vorratshäuser in Form von Rundbauten und hat eine Fülle von Parallelen gesammelt, die mit dem berühmten Steinmodell von Melos anfangen und bis in die Gegenwart reichen. Dann aber versucht er eine Verbindung der Tholosform mit dem angeblichen Ge-Heiligtum und wirft die Frage auf, ob es sich nicht um ein mykenisches Kuppelgrab handeln könnte. Die vielen Abweichungen sieht er selbst und behauptet keineswegs mit Sicherheit, hier eine oberirdische Tholos aus mykenischer Zeit festgestellt zu haben. Diese Parallele beweist also nichts. 6. »Der Bau steht am Abhang über 'Piaty Gialos' und überblickt eine ehemalige Insel namens 'Goura'; in diesem Namen leben die Tupai TTETpoti fort, auf denen nach Homer (8 500ff.) Aias von Poseidon getötet wurde«. Nach einem Scholion zu Lykophrons Alexandra (v. 387—400) 12 sollen diese Klippen zwischen Mykonos und Delos liegen, nach Hesych s. v. Tupfjai und dem Scholion zur Homerstelle in der Nähe von Mykonos. Demnach kann man sagen, daß die Identifizierung der früheren Inselklippe Gura im Süden von Mykonos mit den r ~ u p o c i TreTpai Homers durchaus möglich ist, aber es bleibt doch höchst unwahrscheinlich, daß der Rundbau weit oberhalb das Grab des Heros sein soll. 7. »In Portes fand der Autor einige mykenische, geometrische und archaische Scherben«. Er hat sie aber der öffentlichen Bibliothek, nicht dem Museum in Mykonos übergeben, und als Herr Epimelit Tsakos sie auf meine Bitte dort ansehen wollte, waren sie inzwischen verschwunden. Herr Tsakos suchte dann selbst in »Portes«, konnte aber nur einige grobe, zur Unkenntlichkeit abgeriebene Scherben auflesen. Dagegen fand er 500 m von Portes auf einem Hügel — vielleicht einer kleinen Akropolis ? — eine ziemlich große Zahl hellenistischer Scherben, darunter einen Amphorenhenkel mit Stempel von Knidos13.

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Deutlich sichtbar bei Oikonomides Taf. 11.

10

'ApxiTEKTOviKC* nvrineioc Tfjs ircpioxfis Tfjs äpXaias Boupas, auch englisch : The Architectural Monuments of Ancient Bura (beide 1958). Für die Ausleihung der griechischen Ausgabe bin ich Ph. Petsas sehr zu Dank verpflichtet.

11

Paus. VII 25, 13. Nik. Papachatzis fand diese Hypothese so unbegründet, daß er sie im Kommentar seiner monumentalen Pausanias-Ausgabe Buch V I I - V I I I (1967) nicht erwähnt hat.

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C. v. Holzinger im Kommentar zu Lykophron

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(1895) 230 zu v. 387 denkt sich demnach die Gyrai Petrai im Sund zwischen Tenos und Mykonos, das Grab vielleicht auf einer Klippe namens »Tps|icov« zwischen Mykonos und Delos. H. J . Rose, Griech. Mythologie (Deutsche Übersetzung 1955) 236 spricht von einer Klippenkette in der Nähe von Naxos. Der von Lykophron erwähnte Sund ist allerdings weder zwischen Mykonos und Tenos noch zwischen Mykonos und Naxos vorhanden. Herrn Tsakos bin ich für seine Mitteilungen zu lebhaftem Dank verbunden.

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HANS

MÖBIUS

In seiner Besprechung des Buches von Bent meinte Y. Béquignon 14 nicht ohne Ironie, der Verleger habe dem alten Werk wohl seine Jugend zurückgeben wollen, indem er ihm die englische Übersetzung eines Artikels aus dem Jahre 1925 einfügte. Auf die Aias-Theorie geht der französische Gelehrte nicht ein, vermißt aber in der Bibliographie den IV. Band der »griechischen Landschaften« von A. Philippson—E. Kirsten, die 26 Bände der »Exploration de Délos«, den »Führer durch Delos« von 1965 und schließt mit den Worten: »en fin de compte, il est permis de se demander, si ce genre de réimpressions s'impose«. Diese Frage haben sich nun schon viele Gelehrte in aller Herrn Ländern vorgelegt. Das Werk von T.-L. Donaldson, Architectura Numismatica or the Architectural Medals of Classic Antiquity (1859) wurde vom Argonaut-Verlag unter dem Titel »Ancient Architecture on Greek and Roman Medals and Coins. Architectura Numismatica« (1966) nachgedruckt. Hierzu bemerkte L. Lacroix 16 in Lüttich, die Illustration durch die alten Zeichnungen sei längst überholt und die Veränderung des Titels »témoigne d'une certaine désinvolture à l'égard de ces anciennes publications et il risque, d'entrainer des confusions, puisque le même ouvrage pourra être cité sous deux titres . . . Convenait-il de réimprimer ce vieil ouvrage ? « Zuweilen hat die Eigenmächtigkeit des Verlegers höchst unerfreuliche Folgen gehabt. So kann man in einem Aufsatz über den lysippischen Alexander lesen : »Die Leichtgläubigkeit der Gelehrten hat zu der kritiklosen Aufnahme einiger Denkmäler geführt« 16 und dann wird in der Anmerkung zunächst der Nachdruck von M. Biebers »Alexander the Great in Greek and Roman Art«17 von 1964 erwähnt, für die anfechtbaren Zuschreibungen die Benennung der Krönungsgruppe eines etruskischen Bronzekandelabers als »Taming of Bucephalus« angeführt 18 . Der Schreiber jener Zeilen konnte natürlich nicht wissen, daß dieser Nachdruck während einer schweren Krankheit der ehrwürdigen Verfasserin ins Werk gesetzt wurde, die alle Mühe hatte, die schlimmsten Zusätze wieder zu entfernen. In seiner Reihe »Klassiker der Archäologie« hat der Verleger sein eigenes Buch »The two Agoras in ancient Athens« erscheinen lassen (1964). Es erhielt von H. A. Thompson, gewiß dem besten Sachkenner, folgendes Urteil 19 : »The text is marred by innumerable typographical errors and wrong references and still more by vicious gibes at almost all other scholars who have worked in the same field«. Uber die neue Ausgabe von C. Torr, Ancient Ships schrieb H. T. Wallinga in Utrecht : 2 0 »Editor and publisher . . . have seem fit to disfigure Torr's work with useless additions, which have raised the price and are in part a positive insult to the dead author«. Seine Kritik des Nachdrucks von G. F. Hill, Ancient Greek and Roman Coins. New and enlarged edition (1964) beschloß W. Schwabacher in Stockholm mit den Worten 2 1 : »Was sie (sc. die Herausgeber) dann — abgesehen von der pietätlosen Titeländerung und Unterdrückung des Ausgabejahres — am Ende ihrer 'enlarged edition' in einem eigenen Appendix und in einer sehr willkürlich ausgewählten und ergänzungsbedürftigen 'Select Biblio14 15 16

17

18

RA. N. S. 1, 1966, 362. RA. N. S. 1. 1966, 360. BJb. 167, 1967, 60 mit Anm. 5 (E. von Schwarzenberg) . Ursprünglicher Titel: The Portraits of Alexander the Great (ProcAmPhilSoc. 93, 1949 Nr. 5) Auch R. V. Nicholls schreibt in seiner Besprechung des Buches (JHS. 86, 1966, 293):

19 20 21

»perhaps an Italian genre group rather than a portrait«. Kürzlich hat A. Alföldi die Gruppe wegen der Amulettbullae am Hals des Pferdes wieder abgebildet (Festschr. K. Schefold [ = 4. Beih. AntK.] Taf. 14, 1.) Archaeology 18, 1965, 306. Gnomon 39, 1967, 424 f. Hamb. Beitr. z. Numismatik Heft 20 (VI) 1966, 636.

A N T I K E BAUTEN AUF MYKONOS UND D E R ARGONAUT

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graphy' noch selbst dem Buch hinzufügen, ist nur ein recht ärmlicher und fehlerhafter Auszug aus ihrer Neuausgabe des F. Imhoof—P. Gardnerschen Numismatic Commentary to Pausanias«. Der letztgenannte Nachdruck — der Titel des Buches lautet jetzt: »Ancient Coins Illustrating Lost Masterpieces of Greek Art« — hat Appendices erhalten, die man allenfalls als Beispiele zur Einführung junger Studenten gelten lassen könnte 22 , wenn diese gute pädagogische Absicht nicht auch wieder durch Oberflächlichkeit zunichte gemacht würde. So findet man zur 'Aphrodite in den Gärten' ein unteritalisches Vasenbild, über dessen Herkunft nichts gesagt wird23, sowie eine attische Münze, die eine thronende Demeter mit Ähren in der Rechten und einer Fackel oder einem Szepter in der Linken darstellt, die aber auch die Garten-Aphrodite sein soll. Wenn der Herausgeber die Attribute auf der Münze nicht erkennt, so beweist das nichts, denn Numismatiker wie Imhoof-Blumer oder die Verfasser des Bandes Attica im Münzkatalog des Britischen Museums24 werden sie eben auf der Münze selbst gesehen haben. Jedenfalls sind die Münztafeln des Nachdrucks so hell und flach, daß man auf ihnen überhaupt kaum etwas deutlich wahrnehmen kann. Am genauesten und am schärfsten hat sich W.-H. Schuchhardt in Freiburg geäußert, als er die 'First American Edition' von A. Furtwängler, Masterpieces of Greek Sculpture besprach 25 . Er gibt eine sorgfältig belegte Aufzählung der schlimmsten Fehler in den miserabel reproduzierten oder neu hinzugefügten Abbildungen, in ihren Unterschriften und den übrigen Texten des Herausgebers; z. B. steht unter der Tafel mit dem sog. KritiosKnaben: »Statue of a boy by Kritios according to the dedicatory inscription«. Schuchhardt schließt seine Besprechung mit den Worten: »Wie nützlich und willkommen wäre es gewesen, wenn ein Nachdruck der englischen Ausgabe in stiller und sachlicher Form vorgelegt worden wäre, ohne Editor's Preface, ohne Editor's Notes und ohne die schreckliche Bereicherung des alten Abbildungsbestandes und seine chaotische Neu-Umordnung«. Das ist der Grund, weshalb wir es für notwendig gehalten haben, dem Argonauten einen Spiegel vorzuhalten. Mit der ganzen Selbstsicherheit des Dilettanten glaubt er als Kunstarchäologe wie als Topograph, als Numismatiker wie als Epigraphiker 26 mitreden zu können. Dadurch stiftet er heillose Verwirrung in unserer Wissenschaft. Wollte er sich darauf beschränken, seine verlegerische Energie und seine aufrichtige Begeisterung für Kunst und Kultur der Antike auf die schlichte Vorlage vergriffener wichtiger Werke im Nachdruck ohne eigene Zusätze zu konzentrieren, könnte er der Altertumskunde wichtige und dankbar anerkannte Dienste leisten. Bad Homburg v. d. H.

22 23

24

25

So A.-M. Bon, REG. 78, 1965, 363f. K. Schauenburg verdanke ich die freundliche Mitteilung, daß es sich um eine unteritalische Amphora im Landesmuseum Karlsruhe handelt (CVA. Karlsruhe 2, 40 ff. Taf. 79.) B. V. H e a d - R . S. Pool, BMC. Attica-Megaris—Aegina Nr. 740 zu Taf. 17, 8. Gnomon 38, 1966, 267 ff.

Hans Möbius

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Vgl. seine Ansicht, der in Athen gefundene Grabstein eines Philippos Athenaios (IG. II/III 2 7856) beziehe sich nicht auf einen Mann aus Athen in Attika, sondern aus einem Ort Athen am Pontus (Tö äpxeiovTTövtou 19, 1954, 181 f.); hierzu bemerkt das Suppl. Epigr. Graec. X I V (1957) Nr. 189 allerdings: »sed de argumento valde dubitandum est«.

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* . STEINBRUCH

Abb. 1. K a r t e der N o r d w e s t k ü s t e Aeginas mit den a n t i k e n Steinbrüchen

ANTIKE STEINBRÜCHE AN DER WESTLICHEN NORDKÜSTE AEGINAS Im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Apollontempels am Kolonnahügel in Aegina wurden auch die Steinbrüche an der westlichen Nordküste der Insel untersucht. Fast alle Brüche sind in der Aegina-Karte von H. Thiersch 1 verzeichnet. Einige der von Thiersch noch beobachteten Abbaustellen sind nicht mehr zu finden, weil sie inzwischen zugeschüttet oder mit Häusern oder Weinbergen überbaut wurden. Zusätzlich wird ein ausgedehntes Steinbruchgebiet bei Leonti neu hinzugetragen (Abb. 1). L a g e : Die Steinbrüche liegen unmittelbar am Küstenrand, wo das vorkommende Gestein klippenartig, meist eine Steilküste bildend, ins Meer abstürzt. Nur die Brüche bei Leonti liegen etwa 500 m landeinwärts von der Küste. G e o l o g i s c h e F o r m a t i o n : Nach der jüngsten und vollständigsten geologischen Untersuchung der Insel Aegina durch R. von Leyden 2 treten an diesem Teil der Küste Aeginas 1

2

H . Thiersch in A. F u r t w ä n g l e r , Aegina I I (1906), K a r t e n a c h g e d r u c k t in G. Welter, Aigina (1938). R . v. Leyden, Der Vulkanismus des Golfes von Aegina u n d seine Beziehungen zur Tektonik, P u b l i k a t i o n des V u l k a n i n s t i t u t s I (1940). Vorarbeiten dazu in K. G. Fiedler, Reise d u r c h alle Theile des Königreiches Griechenland (1840)

2 B d e . ; W . Reiss—A. Stübel, Ausflug nach d e n vulkanischen Gebirgen von Aegina u n d M e t h a n a (1866) u n d als wichtigste f r ü h e r e A r b e i t ü b e r die Geologie Aeginas: H . S. Washington, J . Geol. 2, 1894, 7 8 9 - 8 1 3 u n d 3, 1895, 2 1 - 4 6 . Die geologische K a r t e Aeginas nach W a s h i n g t o n ist n a c h g e d r u c k t bei H . Thiersch, NGG. 1928 H . 2.

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* . STEINBRUCH

Abb. 1. K a r t e der N o r d w e s t k ü s t e Aeginas mit den a n t i k e n Steinbrüchen

ANTIKE STEINBRÜCHE AN DER WESTLICHEN NORDKÜSTE AEGINAS Im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Apollontempels am Kolonnahügel in Aegina wurden auch die Steinbrüche an der westlichen Nordküste der Insel untersucht. Fast alle Brüche sind in der Aegina-Karte von H. Thiersch 1 verzeichnet. Einige der von Thiersch noch beobachteten Abbaustellen sind nicht mehr zu finden, weil sie inzwischen zugeschüttet oder mit Häusern oder Weinbergen überbaut wurden. Zusätzlich wird ein ausgedehntes Steinbruchgebiet bei Leonti neu hinzugetragen (Abb. 1). L a g e : Die Steinbrüche liegen unmittelbar am Küstenrand, wo das vorkommende Gestein klippenartig, meist eine Steilküste bildend, ins Meer abstürzt. Nur die Brüche bei Leonti liegen etwa 500 m landeinwärts von der Küste. G e o l o g i s c h e F o r m a t i o n : Nach der jüngsten und vollständigsten geologischen Untersuchung der Insel Aegina durch R. von Leyden 2 treten an diesem Teil der Küste Aeginas 1

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H . Thiersch in A. F u r t w ä n g l e r , Aegina I I (1906), K a r t e n a c h g e d r u c k t in G. Welter, Aigina (1938). R . v. Leyden, Der Vulkanismus des Golfes von Aegina u n d seine Beziehungen zur Tektonik, P u b l i k a t i o n des V u l k a n i n s t i t u t s I (1940). Vorarbeiten dazu in K. G. Fiedler, Reise d u r c h alle Theile des Königreiches Griechenland (1840)

2 B d e . ; W . Reiss—A. Stübel, Ausflug nach d e n vulkanischen Gebirgen von Aegina u n d M e t h a n a (1866) u n d als wichtigste f r ü h e r e A r b e i t ü b e r die Geologie Aeginas: H . S. Washington, J . Geol. 2, 1894, 7 8 9 - 8 1 3 u n d 3, 1895, 2 1 - 4 6 . Die geologische K a r t e Aeginas nach W a s h i n g t o n ist n a c h g e d r u c k t bei H . Thiersch, NGG. 1928 H . 2.

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A N T I K E S T E I N B R Ü C H E AN D E R W E S T L I C H E N N O R D K Ü S T E A E G I N A S

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unmittelbar am Inselrand schmale Streifen der sonst überall von späterem Gestein überdeckten Pliozän-Mergel und Tuffe zutage 3 , außerdem in den tiefeingeschnittenen Flußläufen Kreidekalke. Weiter landeinwärts werden diese Schichten überdeckt von quartären Deckkalken, die auch, zusammen mit terrestrischen Verwitterungszonen als Zwischenschicht, am Kolonnahügel selbst anstehen. Mit Ausnahme der Brüche bei Leonti gehören wohl alle beobachteten Steinbrüche in die Randzone der tertiären Sedimentgesteine; in Leonti wäre dagegen das etwas härtere quartäre Kalkgestein gebrochen worden 4 . B e s c h a f f e n h e i t d e s G e s t e i n s : Die an der Küste anstehenden Gesteinsschichten sind sehr weich, tuffartig zerklüftet, stellenweise blasig, mitunter auch bänderig-kurvig geschichtet und von härteren Kalksäumen durchzogen. Die Farbe spielt von hellgelb über rötlich bis braun. Frische Bruchstellen sind in der Regel weißlich und dunkeln später nach. Durch die unregelmäßigen Härtestufen des anstehenden Gesteins und die ganz unregelmäßige Klüftung wird der systematische Steinabbau erschwert; es gibt viel unbrauchbaren Abraum. Der Wechsel des Härtegrades im Gestein begünstigt die Verwitterung der Steinbrüche durch Wind und See. Stellenweise hat die Brandung tiefe Löcher in den Felsen gefressen. Dort, wo unter den anstehenden tertiären Steinschichten weiche Sand- oder Konglomeratschichten folgen (z. B. bei Steinbruch A, am Kap Plakakia), konnte die Meeresbrandung den Sand ausspülen und die Kalkklippen darüber zum Einsturz bringen. Die zweite Gesteinsart, der quartäre Deckkalk, ist etwas härter, an der Oberfläche weiß-grau bis bläulich gefärbt, nicht so porös wie die tertiären Sedimente und auch weniger unregelmäßig gelagert als diese. Beide Gesteinsarten haben jedoch Muscheleinschlüsse gemeinsam. Wenn sie verwittert sind, ist es schwierig, zwischen Blöcken der zwei Gesteinsarten zu unterscheiden, vor allem, wenn das Gestein aus der Kreidezeit gleichmäßig geschichtet und nicht kurvig gebändert ist. A b b a u m e t h o d e n : Aus den in den Steinbrüchen als negative Formen der abgebauten Steine erhaltenen Felsabarbeitungen lassen sich Schlüsse ziehen auf die Art des Steinabbaus und auf das Quaderformat (Abb. 2). Gebrochen wurden stets rechtwinklige Quader mit breiten, liegenden Formaten. Vereinzelt kommen auch fast würfelförmige Quader vor. Ein bevorzugtes Normformat läßt sich nachweisen. Folgendermaßen müssen wir uns den Vorgang des Brechens eines Quaders vorstellen: Nach einer ersten groben Glättung der uneben horizontalen Gesteinsoberfläche wurden bis zu 10 cm breite, kanalartige Gräben, die Schrote, auf drei Begrenzungskanten des gewünschten Werkstücks senkrecht nach unten im Fels ausgehauen 5 . Die vierte Seite war entweder durch den früheren Abbau des Nachbar-

3

Bei Washington wird das Gebiet der heutigen Stadt Aegina sowie der Kolonnahügel und die ganze westliche Nordküste als Tertiär bezeichnet im Gegensatz zur geologischen Karte v. Leydens, die hier quartäre Deckkalke zeigt. Die tiefliegenden tertiären Formationen, die nur noch am Küstenrand Aeginas auftreten, entstanden als Sedimente vor dem Zeitraum der großen vulkanischen Bewegungen der Insel; sie sanken mit der ganzen Nordscholle Aeginas ab, und darüber lagerten sich nach dem Ende der vulkanischen Tätigkeit die quartären Kalke. R. v. Leyden, Geologische Karte Aeginas, Pliozän-Mergel und Tuffe, dazu Textteil 106: Limnische, brackische und marine Mergel, Kalke, Konglomerate und Tuffe.

2 AA. 1969

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Unmittelbar westlich der alten Steinbrüche in Leonti wird heute noch etwa 10 m tiefer der weiche, tuffartige Kreidekalk — lokal Puri genannt — abgebaut. Über Abbaumethoden: J. Durm, Die Baukunst der Griechen (1910) 9 2 - 9 5 ; A. Neuburger, Die Technik des Altertums (1921), Abschnitt Bergbau 6 — 8; R. Martin, Manuel d'Architecture Grecque I (1965), 1 4 6 - 1 5 0 ; Th. K r a u s J. Röder, AA. 1962, 694ff. und MDIK. 18, 1962, 80 ff., beide über die Steinbrüche des Möns Claudianus, J. Röder, AA. 1965, 467ff. über die Steinbrüche von Assuan. J. Röder, AA. 1967, 118 ff. Bei den hier beschriebenen antiken Steinbrüchen der Mareotis handelt es sich wie in Aegina um Kalksteinbrüche mit Steinabbau

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WOLFGANG

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quaders schon frei von der umgebenden Gesteinsmasse, oder mußte in einer größeren Fläche, nicht nur schlitzartig wie bei den Schroten, freigelegt werden. Von der freien Seite aus wurde der Quader schließlich wohl durch Hebspaltung abgekeilt, d. h. er wurde in seinem Unterlager durch horizontal vorgetriebene Keile vom gewachsenen Felsen losgesprengt. Die Sohle der Schrote ist in den Steinbrüchen fast überall noch zu erkennen; denn die Schrote wurden in der Regel etwas tiefer (bis zu 5 cm) als die Höhe des zu gewinnenden Quaders aus dem Felsen gearbeitet. Dadurch blieb dem nicht ganz regelmäßig abspringenden Unterlager des Quaders genügend Schrottiefe für ein Absprengen der Quaderunterseite schräg nach unten. Vorzugsweise sollte die horizontale Absprengebene zusammenfallen mit einer natürlichen Schichtgrenze oder Klüftung in der Gesteinsformation. Aus den Kanten der noch erkennbaren Sohlen der Schrote lassen sich in allen Brüchen die Formate der abgebauten Quader ermitteln. In einigen Brüchen sind auch unfertige, im Unterlager noch mit dem Fels verbundene Werkstücke stehengeblieben. An einer einzigen Stelle läßt sich der Vorgang des Absprengens an zwei horizontalen, im Durchschnitt 10 cm breiten, die halbe Quaderbreite durchziehenden Querrinnen im Untergrund eines bereits abgesprengten Quaders nachweisen. Dort ist allerdings der Fels sehr verwittert. Es ist anzunehmen, daß von der freien Seite des abzubauenden Quaders aus bis etwa zur Mitte der Quaderunterseite Steinmaterial mit dem Spitzeisen weggemeißelt wurde, um die Absprengkeile möglichst im Steinmittelpunkt anzusetzen. Dadurch ließe sich ein starkes schräges Springen des Steins vermeiden. Bei den Schroten fällt auf, daß sie stellenweise noch bis zu 10 cm über die Ecke des abzubauenden Quaders hinaus fortgesetzt sind, sich also überkreuzen. Es ist anzunehmen, daß zum Aushauen der Schrote ein Steinmetzbeil mit breiter Schneide 6 und langem Holzstiel benutzt wurde, wie die Maurer auf Aegina sie noch heute zum Behauen von Tuffquadern verwenden. Bei Verwendung eines solchen Werkzeugs im Rundschlag ist es einfacher, zwei Schrote, die rechtwinklig zusammenstoßen, noch etwas zu verlängern, um dadurch bis zur gewünschten Tiefe den nötigen Arbeitsraum zum sauberen Herausarbeiten der Quaderecken zu haben 7 . Die Verwendung von Steinsägen, wie sie sonst im weichen Tuffgestein durch Schroten. R. J. Forbes, Bergbau, Steinbruchtätigkeit und Hüttenwesen, Archaeologia Homerica II, Kap. K (1967), 4 - 5 . Das von Forbes als Abb. 5 gebrachte »Schema eines antiken Steinbruchs« scheint eine Umzeichnung des Fotos Abb. 18 bei Kraus —Röder, AA. 1962, 730 zu sein, mit der Veränderung, daß der abgesprengte Rohblock des Fotos in der Schemazeichnung als noch fest mit dem Felsgrund verbunden dargestellt ist. Sehr unwahrscheinlich an dem Schema ist die Annahme eines Abbaus mit Stoßspaltung durch vertikal eingetriebene Keile gleichzeitig in zwei Richtungen mit zusätzlicher Hebspaltung an ein und derselben Stelle des nicht abgesprengten Felsgrundes. Die im Schema dargestellte einspringende Ecke im Fels kann wohl kaum in der gezeigten Art entstehen; einer der beiden rechtwinklig zueinander verlaufenden Stöße müßte logischerweise geradlinig durchgehen, und die dazu rechtwinklige Stoßspaltung wäre der

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nächste Schritt des Zerkleinerungsvorgangs. So wie von Forbes dargestellt, könnte nur ein Abbau durch Schroten aussehen; dann wären aber wiederum die Keillöcher überflüssig. V. Hankey, BMusBeyr. 18, 1965, 5 3 - 5 9 , berichtet über antike Marmorbrüche auf Euböa. Leider wird dabei auf den eigentlichen Abbauvorgang kaum eingegangen. Auf der Taf. 3, 9 (»drill holes«) könnten vertiefte Linien im Gestein als Schrotgräben gesehen werden. Möglicherweise wurden Schrote im harten Marmor durch eine Reihe von nebeneinanderliegenden vertikalen Bohrlöchern hergestellt. Durm a. O. Abb. 60, Zweihänder mit langem Holzstiel. Martin a. O. I 154 Abb. 62. Daß auch in anderen Brüchen bei ähnlich weichem Gestein beim Quaderabbau durch Schroten die Schrotgräben an den Ecken sich überschneiden, zeigt eine Abbildung aus der Mareotis (J. Röder, AA. 1967, 130 Abb. 13): in den stehengebliebenen abgetreppten Schrot-

A N T I K E S T E I N B R Ü C H E AN D E R W E S T L I C H E N N O R D K Ü S T E

AEGINAS

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Abb. 3. Aegina, Nordwestküste, Steinbruch A. S t u f e n a b b a u

Abb. 4. Aegina, Nordwestküste, Steinbruch A. F l ä c h e n a b b a u

üblich ist8, läßt sich in Aegina nicht nachweisen, weil vielfach die Schrote von einem bereits abgebauten Teil des Gesteins als Freiraum stichförmig in das noch abzubauende Gestein w ä n d e n sind die E n d i g u n g e n der rechtwinklig zu den erhaltenen Schrotwänden verlaufenden Schrotgräben sichtbar.

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Martin a. O. I 148, V e r w e n d u n g von Steinsägen im Tuffgestein des Piräus. s. auch V i t r u v I I 44, 26.

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WURSTER

vorstoßen und stumpf enden. Für die Verwendung einer Steinsäge wäre am Stichende des Schrots gar kein Arbeitsraum vorhanden gewesen; denn mit der Säge läßt sich ja nur eine Querverbindung zwischen zwei bereits freigelegten Seiten eines noch abzubauenden Blocks sägen. Einzelne Keillöcher sind nirgends nachzuweisen, wohl, weil das anstehende Gestein zu weich und amorph ist und deshalb leichter geschrotet werden kann 9 . Zwei Abbauformen lassen sich in den Steinbrüchen unterscheiden: 1. Stufenförmiger Abbau in Längsrichtung der Quader, die mit den Schmalseiten aneinanderstoßend unmittelbar am Klippenrand oder an einem Steilabhang liegen. 2. Flächiger Abbau aus der horizontalen Gesteinsoberfläche, wobei als negative Form beckenartige Vertiefungen zurückbleiben. Bei der ersten Abbauform wird meistens nur eine Quaderschicht abgebaut. Als Vorteil dieser Methode kann angesehen werden, daß die vierte, zum Klippenabsturz hin orientierte Seite des Werkstücks nicht erst freipräpariert werden muß, sondern gleich lotrecht abgearbeitet werden kann, und der Quader dann von der freien Seite her im Unterlager losgesprengt wird. Außerdem ist bei diesem System das Herausheben der einzelnen Quader zum Abtransport auf dem Wasserweg besonders einfach. Die zweite Abbauform ist wesentlich rationeller, weil jeder Schrot nach beiden Seiten hin einen Quader begrenzt, während beim linearen Stufenabbau nur an den zusammenstoßenden Schmalseiten mit einem Schrot gleichzeitig für zwei aneinandergereihte Quader die Stirnflächen abgearbeitet werden. Außerdem ist es beim flächigen Abbau leichter, Quader in mehreren Schichten übereinander abzubauen. Allerdings wird der flächige Abbau, bei dem nach allen Seiten Quader an Quader dicht anschließen sollen, wiederum stärker behindert durch das Aussparen von allzu porösen oder ungleich harten Gesteinsstellen, die als unbrauchbare Inseln im Abbaubecken stehenbleiben. Bei beiden vorkommenden Abbauformen läßt sich beobachten, daß die Höhenschicht, in der die Quader von ihrem Unterlager abgesprengt wurden, möglichst in das Niveau einer natürlichen Klüftung des Gesteins gelegt wurde, um zu vermeiden, daß der Quader beim Absprengen noch unregelmäßig schräg zersprang. In der folgenden Kurzbeschreibung der einzelnen Steinbrüche soll zusammen mit den Skizzen ein Überblick über Steinformate und Abbaueinzelheiten gegeben werden 10 . S t e i n b r u c h A am Kap Plakakia. Auf den Klippen südlich und westlich des Leuchtturms kommt einschichtiger Flächenabbau vor (Abb. 4. 7). Das rötliche Gestein ist blasig verwittert. Die Tiefe der abgebauten Schicht beträgt 45 bis 60 cm. Mit Hilfe der Schrotspuren rekonstruierbare Quader haben etwa 60 cm Breite und 130 bis 140 cm Länge. Die Schnitte sind stets ganz rechtwinklig. Zwischen den Abbaubecken liegen in den Fels gehauene langgestreckte Einzelgräber in unregelmäßiger Orientierung 11 . 9

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Im Gegensatz dazu sind an den Stufenquadern des Treppenaufgangs zur Terrasse am Heiligtum des Zeus Hellanios im Südteil der Insel Aegina deutlich Keillöcher zu erkennen. Dort mußte im harten Andesitgestein des Orosmassivs mit Keilspaltung gebrochen werden. Im Situationsplan sind die einzelnen von Thiersch noch beobachteten Steinbrüche mit fortlaufenden Großbuchstaben eingetragen. Der Küstenumriß ist von der Thiersch'schen Aeginakarte übernommen (die geologische Karte von v. Leyden benutzt gleichfalls die Umrißlinien des Plans von Thiersch). Durch die neue griechische Heereskarte (fEGGypacpiKTi 'YTrripEcria

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ZipaTOÖ, M. 1/5000, Verfasser K. Petritis, Blatt Nr. 9 6472, 4 und Blatt Nr.

r|cn toc etti toö ttoAou ypdpi|Jorra. J. H. Chr. Schubert (Stuttgart 1857) formulierte diese Stelle auf Deutsch so: » . . . ein Werk des Theokies, Sohnes des Hegylos; die Inschrift auf der Erdkugel besagt, er habe es in Gemeinschaft mit seinem Sohn gemacht«. In der Pausanias-Ausgabe von J. G. Frazer (1898) wird diese Stelle ebenso übersetzt: »These . . . are works of Theocles, son of Hegylos: the inscription on the firmament states that he made them with the help of his son«. Im gleichen Sinn übersetzten und kommentierten die Stelle Hitzig-Blümner II (1901) 391, schließlich Ch. Picard, Manuel I (1935) 462 und zuletzt auch Ernst Meyer in seiner Ausgabe (1954) 331. Dagegen heißt es bei H. Brunn, Geschichte der griech. Künstler I 45: ». . . Werke des Theokies, Sohnes des Hegylos: daß sie dieser mit seinem Sohne zusammen gemacht, sagen die Schriftzeichen auf der Himmelskugel«. Und seitdem wird Hegylos vor allem in der deutschen Archäologie, wenn überhaupt, in diesem Sinne zitiert: E. Pfuhl widmet ihm in der RE. einen ausführlichen Artikel 2 ; A. Rumpf hat ihn im Thieme-Becker 3 und ebenso M. B. Marziani in der EAA. 4 behandelt, während Theokies im erst- und letztgenannten Lexikon fehlt; und schließlich nennt sogar G. Lippold 5 Hegylos erneut als Schöpfer des Weihgeschenks im Schatzhaus der Epidamnier. Da die Vorschläge der für den Kleinen Pauly zu behandelnden Künstler noch von Rumpf stammen, wird dieser ihn auch deshalb genannt haben. Sieht man sich den griechischen Text genauer an, so verstößt die Übersetzung von Brunn gegen einen Unterschied zwischen den beiden Sprachen: Im Deutschen bezieht sich »dieser« auf den unmittelbar vorher Genannten, also auf Hegylos; das griechische -rroifjcrau ocirröv aber kann sich nur auf denjenigen beziehen, von dem die Rede ist, nämlich auf Theokies, der als Schöpfer des Weihgeschenks (©eokäeous Se epya) vorgestellt wird, und von dem es zusätzlich heißt, daß er dieses zusammen mit seinem (nicht genannten) Sohn geschaffen habe. Nichts anderes besagt auch Paus. V 17, 2, wo Theokies als Schöpfer der fünf Hesperiden, die aus diesem Weihgeschenk stammen, genannt und erneut als Sohn des Hegylos sowie zusätzlich als Schüler des Skyllis und Dipoinos vorgestellt wird. Daraus hat die deutsche Forschung dann rekonstruiert, daß Hegylos das Ganze in oberster Verantwortung geschaffen habe und unter seiner Obhut sein Sohn Theokies die Hesperiden. Wie verhält es sich aber auch sonst mit der Nennung familiärer Zusammenhänge bei Pausanias ? V 25, 10 und 13 erscheint z. B. Onatas als Sohn des Mikon; VI 3, 1 Asterion als Sohn des Aischylos; V 24, 5 wird Aristokles »Schüler und Sohn des Kleoitas« genannt; V 3, 11 ist Pantias im siebenten Grad Schüler des Sikyoniers Aristokles; VI 4, 4 heißt der 1

Diese kleine Bemerkung hier zusätzlich zu publizieren, gestattete großzügig der Herausgeber des Kleinen Pauly, K. Ziegler, Göttingen, dem ich dafür zu herzlichem Dank verpflichtet bin.

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VII 2621 f. s. v. Hegylos. XVI (1923) 250 s. v. Hegylos. III 1130f. s. v. Hegylos. HdArch. III 1, 30.

A. E . R A U B I T S C H E K ,

D R E I OSTRAKA IN H E I D E L B E R G

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künstlerische Stammbaum des Pythagoras: Schüler des Rheginers Klearchos, dieser Schüler des Eucheiros aus Korinth, dieser Schüler der Euadras und Chartas aus Sparta; VI 9, 1 wird von dem Aigineten Prolichos gesagt, sein Lehrer sei sein Vater Symnon gewesen ; dieser aber war Schüler des Sikyoniers Aristokles, eines Bruders des Kanachos, usf. Es kommen also alle möglichen Verhältnisse vor, so daß für unseren Fall keine Notwendigkeit besteht, aus dem (wie so oft) nicht genannten Sohn Theokies zu machen und die Urheberschaft der in Frage stehenden Weihgeschenke dem Hegylos zuzuschreiben, der dann nicht einmal der Lehrer seines Sohnes gewesen wäre. Wir werden also den Namen Hegylos als den eines selbständigen Künstlers aus der griechischen Kunstgeschichte streichen müssen. München

Herbert Marwitz

D R E I OSTRAKA IN H E I D E L B E R G In der Heidelberger Sammlung befinden sich seit langem neben anderen interessanten Graffiti, die demnächst bekanntgegeben werden sollen, einige Ostraka, die Roland Hampe mir anläßlich eines Besuches 1961 zeigte und dann zur Veröffentlichung anvertraute; er hat auch die Lesung einer der drei Inschriften selber beigesteuert. Die folgenden Zeilen mögen auch als kleiner Geburtstagsgruß und als Erinnerung an schöne Stunden im Jahre 1965 dienen. 1. Inv. Nr. R 243. Auf der alten Etikette steht 'A6r|vcöv METCC^OU, 0 / . —A, 1888/9. Gr. H 4,1 c m ; gr. B r 4 c m [Xa&v6i]TTTros/['Appi